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German Pages 497 [508] Year 2009
Ulrich Pfisterer Lysippus und seine Freunde Liebesgaben und Gedächtnis im Rom der Renaissance oder: Das erste Jahrhundert der Medaille
Ulrich Pfisterer
Lysippus und seine Freunde Liebesgaben und Gedächtnis im Rom der Renaissance oder: Das erste Jahrhundert der Medaille
Akademie Verlag
Einbandgestaltung unter Verwendung der Selbstbildnis-Medaille des Lysippus d. J., London, V & A Museum
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG W O R T
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-004314-2
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2008 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Ubersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Satz: Werksatz Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH Printed in the Federal Republic of Germany
VXORI FILIISQVE DILECTISSIMIS C Η Ρ
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Eine frühere, in der Zwischenzeit überarbeitete und aktualisierte Version dieses Buches wurde im Wintersemester 2005/06 vom Department für Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg als Habilitationsschrift angenommen. Ein erster Dank gilt allen meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Hamburger Kunstgeschichtlichen Seminar, die in vieler Hinsicht die Entstehung dieser Arbeit ermöglichten und beförderten: Uwe Fleckner, Hermann Hipp, Bruno Reudenbach, Monika Wagner, Martin Warnke, Anja Zimmermann. Charlotte Schoell-Glass und Wolfgang Kemp haben dabei eine besonders wichtige Rolle gespielt. Die Resultate freundschaftlichen Gedankenaustauschs, kritischer Lektüre und anderer Hilfestellungen für mein Vorhaben lassen sich allein durch Hinweise in Anmerkungen nicht wirklich nachzeichnen - daher seien die Kollegen und Freunde auch an dieser Stelle dankbar ins Gedächtnis gerufen: Wolfger Bulst, Matteo Burioni, Monika Butzek, Michael Cole, Margaret Daly Davis, Charles Davis, Kirsten Dickhaut, Rainer Donandt, Maria Effinger, Klaus van Eickels, Frank Fehrenbach, Marianne Koos, Douglas Lewis, WolfDietrich Lohr, Rebecca Müller und Michael Thimann. Arnold Esch und Claudia Marti waren insbesondere für alle historischen Fragen zu Rom großzügige und unschätzbare Quellen des Wissens. Teilergebnisse meiner Überlegungen durfte ich auf einem von Georg Satzinger in Bonn organisierten Kolloquium zur Renaissance-Medaille (2003) sowie auf Einladung von Gerhard Wolf als Vortrag am Kunsthistorischen Institut in Florenz (2005) präsentieren und diskutieren. Dankbar für ungewöhnlich gute Arbeitsbedingungen und Unterstützung bin ich der Bibliothek des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel und der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen sowie den Münzkabinetten in Berlin, München, Paris und Washington. Gewidmet ist das Buch Cornelia, Helena und Penelope: Incipit Vita Nova München, Ostern 2008
...
Inhaltsverzeichnis
Die Gaben der Unsterblichkeit 1. 2. 3. 4.
1
Der Tod in Rom Gedächtnismonumente für Frühverstorbene Gedichte auf Alessandro Cinuzzi Eine Medaille für den neuen Apoll
1 16 48 60
Die Gaben des Geistes 5. 6. 7. 8.
75
Anfänge und Konkurrenzen eines neuen Mediums Enigmata: Denkbilder und Dilettanten Medaillenkunde auf dem Weg zur Wissenschaft Auf der Suche nach dem Künstler: Leben und Werk des neuen Lysippus . .
Die Gaben der Liebe 9. 10. 11. 12.
75 106 129 203 221
Renaissance-Medaillen als .soziale Währung' Amor amicitiae: Männerfreundschaft zwischen Ideal und Skandal Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für Eingeweihte
221 258 287 343
Michelangelos Gaben - Epilog
377
Appendices
389
Α. Katalog der Medaillen des Lysippus d.J. alias Hermes Flavius de' Bonis Β. Epigrammata multorum poetarum in obitu Alexandripueri senesi, Rom 1474/75 C. Die Handschriften-Uberlieferung der Epigrammata D. Die ersten .Geschichten der Homosexualität': Francesco Patrizi, Raffaele Maffei Volterrano und Johannes Ravisius Textor Bibliographie Abbildungsnachweis Register
. .
389 418 425 428 433 473 475
Die Gaben der Unsterblichkeit „Es war eine Gruppe halb und kaum Erwachsener, [...] drei junge Mädchen, fünfzehnbis siebzehnjährig, wie es schien, und ein langhaariger Knabe von vielleicht vierzehn Jahren. Mit Erstaunen bemerkte Aschenbach, dass der Knabe vollkommen schön war. Sein Antlitz, bleich und anmutig verschlossen, von honigfarbenem Haar umringelt, mit der gerade abfallenden Nase, dem lieblichen Munde, dem Ausdruck von holdem und göttlichem Ernst, erinnerte an griechische Bildwerke aus edelster Zeit, und bei reinster Vollendung der F o r m war es von so einmalig persönlichem Reiz, dass der Schauende weder in Natur noch bildender Kunst etwas ähnlich Geglücktes angetroffen zu haben glaubte."
Thomas Mann, Der Tod in Venedig
(1912)
1. Der Tod in Rom D a s J a h r 1 4 7 4 b e g a n n in R o m u n t e r s c h l e c h t e n V o r z e i c h e n : G l e i c h z w e i v ö l l i g u n e r w a r t e t e T o d e s f ä l l e v e r s e t z t e n in d e n e r s t e n J a n u a r t a g e n die E w i g e S t a d t in T r a u e r - e i n e S t a d t , die s i c h d o c h e i g e n t l i c h in h o f f n u n g s v o l l e r u n d h e k t i s c h e r V o r b e r e i t u n g a u f das b e v o r s t e h e n d e G r o ß e r e i g n i s des H e i l i g e n J a h r e s 1 4 7 5 b e f a n d . 1 B e i d e s m a l t r a f das U n g l ü c k P a läste der F a m i l i e R i a r i o . A m 5. J a n u a r starb mit n u r 2 8 J a h r e n -
in d e r „ B l ü t e
seines
L e b e n s " , w i e a u f d e m G r a b m a l z u l e s e n 2 ( A b b . 1) - d e r a l l m ä c h t i g e K a r d i n a l v o n S. S i s t o , P i e t r o R i a r i o . V i e l m e h r als n u r d e r L i e b l i n g s n e f f e des a m t i e r e n d e n P a p s t e s , S i x t u s ' IV., w u r d e m i t d e m F r a n z i s k a n e r b r u d e r P i e t r o die I n s t i t u t i o n des p ä p s t l i c h e n
Renaissance-
N e p o t i s m u s geradezu erfunden und sofort auf einen ersten Gipfel des Exzesses geführt.3 D e r k o m e t e n h a f t e A u f s t i e g b e g a n n w e n i g e W o c h e n n a c h d e m K o n k l a v e v o n 1 4 7 1 , aus d e m F r a n c e s c o d e l l a R o v e r e a m 9 . A u g u s t als S i x t u s IV. h e r v o r g a n g e n w a r . D e r e r w ä h l t e N e f f e wurde sukzessive z u m Kardinal, E r z b i s c h o f von Florenz, Patriarch von
Konstantinopel
u n d I n h a b e r v o n rund fünfundvierzig weiteren P f r ü n d e n ernannt; er durfte sich damit nicht 1 Arnold Esch, Il giubileo di Sisto I V (1475), in: La storia dei giubilei. Bd. 2: 1 4 5 0 - 1 5 7 5 , hg. ν. Marcello Fagiolo / Maria L. Madonna, R o m 1998, S. 1 0 6 - 1 2 3 . 2
„[... ] moritur magno de se in tam florida aetate desiderio relicto [ . . . ] " - D i e gesamte Inschrift publiziert etwa von Paola Guerrim u.a., Iscrizioni romane sistine, in: U n pontificato ed una città 1986, S. 469^179, hier S. 474; zum Grabmal s. Anm. 15.
3 Die folgenden Ausführungen zu Pietro Riario basieren auf PASTOR 1955, S. 4 7 7 - 4 9 5 , Paola Farenga, .Monumenta Memoriae'. Pietro Riario fra mito e storia, in: U n pontificato ed una città 1986, S. 1 7 9 - 2 1 6 und Isidoro Liberale Gatti, Pietro Riario da Savona francescano, Cardinale Vescovo di Treviso ( 1 4 4 5 - 1 4 7 4 ) : profilo storico, Padua 2003. - D a ß es die Institution des päpstlichen Nepotismus im weiteren Sinne seit den Anfängen der Kirche gab, Sixtus also nicht streng wörtlich als ,Erfinder' gelten kann, daß andererseits aber mit ihm „neue Maßstäbe des Nepotismus" in der Ausbeutung der Papstfinanzen und der Bildung von Nepotenfaktionen gesetzt wurden, zeigt Wolfgang Reinhard, Nepotismus. D e r Funktionswandel einer papstgeschichtlichen Konstante, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 86, 1975, S. 145-185; für die Entwicklung ab dem späten 15. Jh. auch Barbara M c C lung Hallman, Italian Cardinals, Reform, and the Church as Property, Berkeley u.a. 1985; zum weiteren Kontext der intensivierten Patronage- und Klientel-Verhältnisse an der Kurie etwa Ulrich Schwarz, Die Papstfamiiiaren der ersten Stunde. Zwei Expektativenrotuli für Sixtus IV. (1.Januar 1472), in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, 73,1993, S. 303-386.
2
Die Gaben der
Unsterblichkeit
Abb. 1 Andrea Bregno und Werkstatt, Grabmal für Pietro Riario. Rom, SS. Apostoli
allein als unbegrenzter Nutznießer der päpstlichen Gunst fühlen, sondern installierte sich zugleich als die wichtigste (wenngleich inoffizielle', mit keinem der zentralen kirchenpolitischen Amter betraute) Stütze des Pontifex, kurz: als der eigentliche Herrscher von Rom. 4 Zu Riarios Ruhmestiteln zählte unter anderem die ungeheure, angeblich innerhalb der nur rund zwei Amts-Jahre für Tafel und Festivitäten ausgegebene Summe von 200.000 GoldDukaten - eine derart maßlose Prunksucht und Verschwendung, daß sie für einige Zeitgenossen selbst die hochgehängte Toleranzschwelle einer bewußten politischen Propaganda fürstlicher magnificentia und liberalitas zum ,Wohl und Schmuck der Stadt und ihrer Bewohner' zu übersteigen schien. 5 Den legendären und unbestrittenen Höhepunkt stellte Pie4 Die Kardinalserhebung fand am 16. Dezember statt; C o r i o 1978, Bd. 2, S. 1383 f. vermerkt in seiner in den Jahren um 1500 niedergeschriebenen Storia di Milano: „Tosto che fu assunto alla dignità papale creò Piero cardinale, e gli diede il titolo di San Sisto; poscia fu presso di lui essaltato a segno che si affirmava essere uno secondo pontefice" und wenig später noch einmal in einem lateinischen Einschub anläßlich des Festes für Eleonora d'Aragona: „qui vere dici poterat summus Pontifex". Corio spekulierte sogar darüber (S. 1393), daß Pietro mit Hilfe des Mailänder Herzogs nach einer Ablösung des Onkels auf dem Stuhl Petri zu seinen Gunsten strebte (wobei fraglich bleibt, wie das hätte vonstatten gehen sollen). 5 Maffei 1506, fol. CCCXVv-CCCXVIv: ,XYSTVS .iiii.': „Suorum imprimis amantissimus ac indulgentissimus fuit: quorum causa pleraque praeter fas iusque & agebat & concedebat Petrum
1. Der Tod in Rom
3
tros (im Auftrag des Papstes organisierter) fünftägiger Fest-Empfang für Eleonora von Aragon in seinem Palast bei SS. Apostoli dar. 6 Die Tochter des Königs von Neapel war im Juni 1473 auf der Durchreise, um nach Ferrara zu ihrem neuen Gatten Ercole I. d'Esté zu gelangen. 7 Im Verlauf der kontinuierlichen Steigerung dieses Fest-Spektakels, seiner Vorführunante omnis eiusdem ordinis ac patriae: quem a puero unacum Hieronymo fratre sibi educaverat ad Cardinalatum usque provexit: virum alioquin natum perdundae pecuniae. Nam biennio quo tantum postea vixit Ducenta aureorum milia in luxu victitando solum absumpsit .lx.mil. aeris alieni: argenteorum item .ccc. pondo dimisit Decessit tabidus voluptate annorum .xxvii. [...] Hieronymus vero frater Forolivii Forocorneliique princeps factus post eum rem omnem ecclesiae administravit, vir ingenio saeviore ac voluptatibus praeter unicam venationem minimum deditus. [...] Romam denique ex lutea latericiam sicut olim Augustus ex lateritia marmoream reliquit. Annum Iubileum ad •XXV. reduxit. primusque celebravit" - Dazu widersprüchlich fol. C C C C L I I v - C C C C L I I I r ,De Mensarum Sumptu ac Polyphagia': „Duobus Annis quibus sub eodem Pontífice in potentia vixit .ccc. aureorum millia in luxu nugisque consumpta." - Zu den Motivationen Riarios s. FERRONI 1981; zur magnificenza Sixtus' IV. etwa C O R I O 1978, Bd. 2, S. 1383 und F U L G O S U S 1541, IV, 8; zur (päpstlichen) Festkultur ad imitationem veterum, wie sie seit Paul II. in neuer Form praktiziert wurde, s. MODIGLIANI 2003, S. 140-143. - Die an Aristoteles und antiken (Herrscher-)Leitbildern orientierten Tugenden: magnificentia, splendor und liberalitas (und ihren Manifestationsformen in Kunst, Architektur, Hausstand, Kleidung und Festen), die in den Augen der Zeitgenossen Riarios Hof königliches Gepräge verliehen, wurde von den Humanisten verstärkt seit den 1430er Jahren positiv diskutiert, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren sie selbstverständlicher Bestandteil des ,gehobenen' Tugendkanons (vgl. Giovanni Gioviano Pontano, Iunianus Maius, Francesco Patrizi u. a.); neuere Studien dazu etwa von Louis Green, Galvano Fiamma, Azzone Visconti and the revival of the classical theory of magnificence, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 53, 1990, S. 98-113; G O L D T H W A I T E 1993; Martin Warnke, Liberalitas principis, in: Arte, committenza ed economia 1995, S. 83-92 und weitere Beiträge in diesem Sammelband; JARDINE 1996; Giorgia Clarke, Magnificence and the city: Giovanni II Bentivoglio and architecture in fifteenth-century Bologna, in: Renaissance Studies, 13,1999, S. 397—411; Guido Guerzoni, Liberalitas, Magnificentia, Splendor: The Classic Origins of Italian Renaissance Lifestyles, in: Economic Engagements with Art, hg. v. Neil De Marchi / Craufurd D.W. Goodwin, Durham/London 1999, S. 332-378; WELCH 2002; Francis W. Kent, Lorenzo de' Medici and the Art of Magnificence, Baltimore u. a. 2004. 6 Zu Kontext und Rolle Riarios als einer Art ,Fest-Marschall', insbesondere auch bei weiblichen ,Staats-Gästen', s. Claudia Märtl, Le papesse. Frauen im Umkreis der römischen Kurie nach der Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini, Stuttgart 2000 S. 411—428, hier S. 424f. Obwohl PLATINA 1932, S. 408 davon spricht: „aedificare apud Sanctos Apostolos ita magnifice coepit, ut illís fundamentis nil augustius esse videatur", hatte Pietro Riario wohl zu wenig Zeit, um den rechts der Fassade von SS. Apostoli gelegenen Palast seines Vorgängers, Kardinal Bessarion, grundlegend umzubauen; vollends unklar ist, ob der Palastneubau links neben der Kirche bereits von Riario oder erst von dessen Nachfolger Giuliano della Rovere begonnen wurde, dazu BENZI 1990, S. 145-151. 7 Allerdings widersprechen sich die Berichte im Detail: Die ausführlichsten Texte über das Fest in Form von Lobgedichten stammen von Emilio Boccabella und Porcellio de' Pandoni, außerdem sind mehrere Briefe dazu, u. a. von Eleonora selbst, erhalten, alle publiziert - neben einigen anderen Dokumenten - bei C. Corvisieri, Il trionfo romano di Eleonora d'Aragona nel giugno del 1473, in: Archivio della Società Romana di Storia Patria, 1, 1878, S. 4 7 5 ^ 9 1 und 10, 1887, S. 629-687; s. außerdem die Gedichtsammlung von Domizio Calderini, In convivo Cardinalis divi Xisti discumbente Leonora regina desponsata duci Herculi Estensi, ediert von Alessandro Perosa, Epigrammi
Die Gaben der
4
Unsterblichkeit
gen, seines ephemeren Dekors und seiner nicht enden wollenden Bankettabfolgen, wartete allein das Dessert des Abschlußmahls - neben zehn Kapaunen, die sich wundersamerweise als Marzipan-Tiere erwiesen - mit drei lebensgroßen, aus süßen Materialien erstellten Skulpturen der Herkules-Taten in Anspielung auf den Namen des Gemahls auf: monumentales Zuckerwerk, über dem wiederum Bacchus und Ariadne thronten als weiteres Sinnbild des frisch vermählten Paares.8 Als sich schließlich die Braut und ihre Begleiterinnen in die Zimmer zurückgezogen hatten, entdeckten sie als letzte Aufmerksamkeit des Gastgebers, daß selbst ihre Nachtgeschirre allesamt vergoldet waren - zumindest ging so das zeitgenössische Gerücht. 9 Zahlreichen Chronisten dieser und ähnlicher Ereignisse schien daher auch die einzig logische Schlußfolgerung aus Riarios zügelloser Macht- und Prunksucht, daß er auf dem Zenit seines Lebens keines plötzlichen natürlichen Todes gestorben, sondern in Wirklichkeit von seinen Neidern und Gegnern langsam und sozusagen als letzter Ausweg des kontrollierenden Eingreifens vergiftet worden war.10 Nur wenige Tage nach Riario, um den 8. Januar, erlag knapp sechzehnjährig Alessandro Cinuzzi einem tückischen Fieber. Dieser Sproß eines wenig bedeutenden, im frühen 18. Jahrhundert erloschenen Sieneser Adelsgeschlechts hatte im Haushalt des Girolamo Riario als Page gedient - Girolamo Riario, der als jüngerer Bruder Pietros auf dessen Grabmal ebenfalls zuseiten der Madonna erscheint und nach Pietros Tod zum bevorzugten Günstling und „bösen Dämon" des Papstes aufstieg, gonfaloniere della chiesa, dann signore von Imola und
conviviali di Domizio Calderini, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, ser. 3, 4, 1974, S. 791-804 und die ausführliche Beschreibung bei CORI 1978, Bd. 2, S. 1385-1392; das Ferrareser Dankesgedicht für den Empfang stammt von Tito Vespasiano Strozzi, Convivium factum Romae a Petro Cardinale, in: Strozii Poetae Pater et filius, Venedig 1513, fol. 90; eine Quellen-Anthologie bei Fabrizio Cruciani, Teatro nel Rinascimento a Roma 1450-1550, Rom 1983, S. 151-164; eine Gesamtanalyse der Festlichkeiten bei FERRONI 1981; insgesamt zur Reise Clelia Falletti, Le feste per Eleonora d'Aragona da Napoli a Ferrara (1473), in: Spettacoli conviviali dall'antichità classica alle corti italiane del '400, Viterbo 1983, S. 269-289. 8 Eleonora selbst beschreibt die Figuren und ihre Inschriften, läßt das Material aber unbestimmt; dagegen CORIO 1978, Bd. 2, S. 1385 ff.: „furono portate in tavola, per vivande in confettione, le tre fatiche d'Ercole, cioè del leone, del cinghiale e del tauro; e chiasceduna era in forma d'un uomo commune." - Diese Steigerung entspricht im übrigen exakt den wenig später (in den 1490er Jahren) formulierten Ratschlägen des PONTANO 1999, S. 262, insbesondere die letzten Gänge eines Festmahles, das .Dessert' also, mit ihren „Erfindungen aus Zucker" („inventio succaro") als sensationellen .Augenschmaus' zu gestalten („non ad gustum solum conficiuntur, verum ad oculorum ac spectantium voluptatem"). - Zum größeren Kontext der .politischen Ikonographie' solcher Festbilder auch Philine Helas, Lebende Bilder in der italienischen Festkultur des 15. Jahrhunderts, Berlin 1999. 9 Der tadelnde Bericht bei INFESSURA 1890, S. 77 f. etwas unklar: „e fo ditto che lo cardinale preditto a ciascuna de quelle donne che havevano la camera da per sé, et oltre li altri ornamenti, li teneva uno pitale innorato"; allgemeiner die Formulierungen bei FULGOSUS 1541, S. 955f. (IX, 1, De Petro Riario ...) zu den „argenteis quoque vasis onus ventris excepit"; Entsprechendes wird bereits für den römischen Kaiser Varius Heliogabalus überliefert, den etwa PONTANTO 1999, S. 230 als Negativbeispiel für sinnlosen Luxus anführt: „aureo vase utebatur ad excipienda corporis excrementa". 10 INFESSURA 1890, S. 78; Niccolò Macchiavelli, Geschichte von Florenz, hg. v. Hanns Floerke, München 1925, S. 445 und 459 (Lib. VII). - Den Tod als göttliche Strafe zur Weihnachtszeit deuten die Annales
Placentinorum,
vgl. MIGLIO / FARENGA 1 9 8 4 , S. 131 f.
1. Der Tod in Rom
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Forlì wurde, bevor er 1488 (ebenfalls) von Mörderhand fiel. 11 A u c h wenn der Palast G i r o lamos, an der Stelle des heutigen Palazzo Altemps, einen knappen Kilometer von Pietros Residenz bei SS. Apostoli entfernt lag, dürften die Mitglieder beider N e p o t e n - H a u s h a l t e bestens miteinander bekannt gewesen sein. 12 Allerdings verbrachte der Riario-Page Alessandro Cinuzzi, der sich zur Vollendung seiner höfischen Ausbildung wohl schon seit zwei oder mehr Jahren in R o m aufgehalten hatte, seine letzten Tage nicht mehr in der U r b s : E r war, nachdem die Künste der Ä r z t e vor seinem Fieber kapituliert hatten, in letzter H o f f nung auf Besserung in seine Heimatstadt Siena transportiert worden. D o r t starb er kurz darauf unter dem Wehklagen von M u t t e r und Geschwistern - worin wenig später seine römischen Freunde einstimmten. 1 3 Beide Verstorbenen - Riario und C i n u z z i - trennten trotz engster räumlicher und personaler Bezugspunkte Welten: auf der einen Seite einer der mächtigsten und prunkvollsten Kirchenmänner, die R o m bis dato gesehen hatte; auf der anderen einer von vielen Jugendlichen aus dem italienischen Kleinadel ohne erkennbare Verdienste, herausragende Eigenschaften oder traditionsreiche Familiendeszendenz. U n d ganz dieser sozialen Rangordnung entsprechend erinnerte an Alessandro auch nur ein schlichter Marmorepitaph mit Familienwappen und Inschrift, den die M u t t e r für den vierten ihrer insgesamt fünf Söhne und sich selbst in der Sieneser Franziskanerkirche am Altar der Familie hatte anbringen lassen ( A b b . 2). 1 4 A n Pietro Riarios Exequien nahm dagegen praktisch die gesamte Stadt R o m teil,
11 PASTOR 1955, ad ind., sowie der nachfolgende Band: Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance, Bd. III/1, Freiburg i.Br./Rom "1955, ad ind.; Ernst Breisach, Caterina Sforza. A Renaissance Virago, Chicago/London 1967. 12 Zu Girolamos Palast oder besser: der sukzessiv entstandenen Gebäudeagglomeration auf einem freistehenden Gelände neben Tor Sanguigna, die erst ab 1476 zum Empfang der Braut Girolamos, Caterina Sforza, ansatzweise vereinheitlichend umgebaut wurde, s. BENZI 1990, S. 155-159. 13 Zur Biographie und Krankheit Alessandros s. die Epigrammata, B.l, 2b und 4 sowie PATETTA 1899, S. 153-157. Die Familie Cinuzzi wird erstmals 1346 genannt, scheint also nur wenig früher aus dem Stand der popolani gesellschaftlich aufgestiegen zu sein; Alessandros Vater, Andreoccio di Gherardo Cinuzzi, war 1448 podestà von Foligno, danach von Corneto und Città di Castello, s. Sigismondo Tizio, Historiae Senenses, Bd. III/4, hg. ν. Petra Perdei, Rom 1998, S. 256-258 und Isidoro Ugurgieri Azzolini, Le Pompe Sanesi ... , Pistoia 1649, Bd. 1, S. 564 und Bd. 2, S. I l l , 234 und 404; zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedenfalls vor 1451, heiratete Andreoccio Paola di Tommaso di Domenico Venturini (zwei Zahlungen der Mitgift 1459 und noch 1493 bei Girolamo Manenti, Raccolta di denunzie di contratti di matrimonij ... [1714], Archivio di Stato, Siena, ras. A 34, fol. 217r); Alessandro wird am 19. April 1458 als vierter von fünf Brüdern geboren (Töchter sind in dem zitierten Taufregister nicht verzeichnet), Gherardo kommt 1451, Tommaso 1454, Girolamo 1456 und (Pietro) Antonio schließlich 1460 zur Welt, letzterer wird nach Alessandros Tod dessen Stelle als Riario-Page einnehmen (s. Tommaso Mocenni, Estratto di nomi di persone nobili battezzate in Siena ... [1713], Archivio di Stato, Siena, ms. A 31, fol. 241r). Möglicherweise befanden sich auch noch weitere seiner Verwandten in Rom, vgl. die Grabinschriften in S. Maria sopra Minerva bei FORCELLA 1869-1884, Bd. 1, Nr. 1622 und Bd. 13, Nr. 924. - Monika Butzek sei für ihre Hilfe mit den Sieneser Quellen gedankt. 14 Die Inschrift der bereits um 1900 stark beschädigten, heute vor die rechte Langhaus-Wand versetzten Grabplatte lautet: „ A L E X A N D R O · A N D R E O T T I · / F[ilio] · A D O L E S C E N T I · / SPECTATISS[imo] · CVIVS · XVI · / A N N O S · I N G E N I V M · / E X C E D E B A T · PAVLA MAT E R · / MOESTISSIMA · / ET · SIBI · POSVIT · A N N O X[ris]TI M C C C C L X X I I I I " , s. Silvia Colucci, Sepolcri à Siena tra Medioevo e Rinascimento. Analisi storica, iconografica e artistica, Fio-
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Die Gaben der
Abb. 2
Unsterblichkeit
Grabplatte für Alessandro Cinuzzi und seine Mutter Paola. Siena, S. Francesco (nicht mehr am ursprünglichen O r t )
sein G r a b m a l in der K i r c h e SS. Apostoli wurde ausnahmsweise auf direkten päpstlichen Auftrag hin für den „wohlverdienten N e f f e n " von einem der wichtigsten römischen Bildhauer dieser Jahre, Andrea B r e g n o und seiner Werkstatt, errichtet. 1 5 Gerade weil diese sozialen Unterschiede so augenfällig sind, überrascht nun u m so mehr, daß andere F o r m e n der Trauerbekundung für die Verstorbenen erstaunliche Parallelen zeigten, wenn nicht gar das G e d e n k e n an Alessandro mehr beförderten. Z u r Erinnerung wurden für beide umgehend Grabreden und Gedichte verfaßt, und zwar teils von denselben Personen, die offenbar z u m engeren B e k a n n t e n - und Freundeskreis des Kardinals wie des Pagen zählten und sich - wie n o c h eingehend dargestellt wird - hauptsächlich aus den Kreisen der Kurie und der R ö m i s c h e n Akademie des Pomponius Laetus rekrutierten. 1 6 Diese renz 2003, S. 50 f., 183 f. und 231 f. (Kat. 70). - Ursprünglich war die Kapelle der Cinuzzi die vierte an der rechten Längswand für den durch das Hauptportal Eintretenden, s. den Grundriß mit den inschriftlich vermerkten Kapellenpatronaten in: BAV, Chigi P. VII. 11, c. 98. - Zum Procedere solcher Begräbnisfeierlichkeiten s. STROCCHIA 1992. 15 Gerald S. Davies, Renascence - the sculptured tombs of the fifteenth century in Rome, London 1910, S. 103-107 und 202 f.; Silvia Maddalo, Il monumento funebre tra persistenze medioevali e recupero dell'antico, in: U n pontificato ed una città 1986, S. 4 2 9 - 4 5 2 ; KÜHLENTHAL 1997/98, hier S. 1 9 4 - 2 0 6 . - Zu den Exequien eines Kardinals s. Ingo Herklotz, Paris de Grassis Tractatus de funebris et exequiis und die Bestattungsfeiern von Päpsten und Kardinälen in Spätmittelalter und Renaissance, in: Skulptur und Grabmal des Spätmittelalters in R o m und Italien, hg. v. Jörg Garms / Angiola M. Romanini, Wien 1990, S. 217-248. 16 Emilio Boccabella, Deplorado publica in acerbissimo excessu divi Petri cardinalis Sancti Sixti, in:
1. Der Tod in Rom
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Formen ergänzender Totenehrung scheinen für die Entourage Riarios leicht verständlich, dürfte man sich doch in jedem Falle persönliche Vorteile davon versprochen haben. Denn der Kardinalnepot selbst hatte zu Lebzeiten ganz bewußt durch seine Freigebigkeit eine neue Art des Mäzenatentums begründet und bereits im Hinblick eben auf seinen Nachruhm Literaten, Gelehrte, Musiker und Künstler aller Gattungen um sich geschart - wenn diese nun zuverlässig ihre vorgesehene Aufgabe erfüllten, empfahlen sie sich dadurch zugleich dem nächsten Mäzen. 17 Allerdings sollten diese leicht durchschaubaren, zweckorientierten Motivationen und Abhängigkeitsverhältnisse verschleiert werden. Dazu wurde intensiv das Vokabular der .Freundschaft' bemüht, so etwa, wenn einer der Grabredner Riarios - Niccolò da Modrussa - eigens betont, sein Auftritt und Beitrag sei gerade nicht im Rahmen üblicher Formen und Verpflichtungen einer oratio in funere zu verstehen, sondern als persönliche „letzte Freundesgabe", als „extremum amici munus". 18 Dieser Text sollte dann schnell im Druck erscheinen, noch fünf weitere Auflagen im Quattrocento erfahren und damit gleichsam zu einem Muster humanistischer Trauerrede aufsteigen (wobei Pietro auch schon zu Lebzeiten gedruckte Lobschriften dediziert bekommen hatte). 19 Mit welchen Vorteilen aber lockte im Vergleich dazu das Gedenken an Alessandro Cinuzzi, oder - sollte es in diesem Fall nun tatsächlich um Freundschaft gehen - , was verband gestandene Humanisten und Hofbeamte mit einem kaum sechzehnjährigen Pagen und welche Motivationen ließen sie eine posthume Gedichtsammlung für ihn anlegen? Wohlgemerkt, ein redigiertes Textcorpus zahlreicher Autoren, nicht nur isoliert bleibende Einzelbeiträge wie für Riario. Mehr noch: Offenbar bestand so großer Bedarf an Exemplaren dieser Epigrammata auf Alessandro, daß wenige Wochen später eine zusätzliche Verbreitung im BAV, Vat. lat. 603, fol. 2 3 v - 2 9 v bzw. O t t o b . Lat. 2280, fol. 143r-147r; Giovanni Battista de Iudicibus, Dialogus de migratione Petri cardinalis S. Sixti, in: BAV, Vat. lat. 3624, bzw. Vat. lat. 5620; Porcellio de' Pandoni fügte seiner Gedichtsammlung, die er Riario als Neujahrsgeschenk für 1474 überreichen wollte, einen Abschnitt über den Tod des Kardinals bei, s. Carmina, in: BAV, Vat. lat. 707; bei Giannantonio Campano finden sich insgesamt zwölf Epigramma, Epitaphia bzw. Elegia überschriebene Gedichte auf Riario, s. CAMPANUS 1495, fol. Eiii v - F i i v. 17 Ottavio Cleofilo, Epistula ad amicos ferrarienses, R o m 1485, s.p.: „Erat ea domus plena excellentium hominum, videre licebat architectos, pictores, sculptores, cytaredos, prestigiatores, schenobatas, phrygiones, medicos, geómetras, arithmeticos, astrólogos, philosophos, oratores, poetas, omnes sua arte celeberrimos [ . . . ] prae ceteris tarnen mirum in modum diligebat poetas ac prope venerabatur, quippe cui sempiterni nominis cura erat, cupiebat magnanimus princeps suas laudes etiam posteris notas fieri"; der Brief ist auf 10. April 1474 datiert; dazu erstmals Giuseppe Zippel, U n apologia dimenticata di Pietro Riario, in: Scritti di storia e di filologia d'arte pubblicati per nozze Fedele-De Fabritiis, R o m / N e a p e l 1908, S. 3 2 9 - 3 4 6 . - Vgl. die Angaben bei NICCOLÒ MODRUSSENSIS: „Quingentos fere pascebat familiares: partim illustri partim nobili omnes honesto loco natos: prelatos milites doctores oratores poetas, aut alicui alii honestae arti deditos [ . . . ] " ; bzw. die als mahnendes exemplum
angesichts des Todes gedachte Schilderung von Pietros magnificentia
bei
AMMANNATI 1997, Bd. 3, S. 1 7 8 6 - 1 7 9 5 (Nr. 708): Pietro ließ selbst aus Florenz Maler für die Ausstattung seiner Festapparate und -bühnen kommen. 18 NICCOLÒ MODRUSSENSIS; die Haupt-Grabrede hielt N i c c o l ò Perotti, Oratio habita in funere Peri [!] cardinalis Divi Sixti, in: BAV, Vat. lat. 8750, fol. 152r-161v. - Zur Gattung der humanistischen Grabrede allgemein MCMANAMON 1989. 19 MCMANAMON 1989, S. 25 und 175, Anm. 74; zu weiteren gedruckten Schriften für Riario s. MIGLIO / FARENGA 1984; dort S. 135 f. der wichtige Hinweis, daß zunächst getrennt gedruckte Schriften nachträglich zu einem ,Sammelband' zu Ehren Pietros zusammengebunden werden konnten.
Die Gaben der
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neuen M e d i u m des gedruckten Buches sinnvoll erschien - keinem anderen Verstorbenen im Italien des 15. Jahrhunderts wurde diese Auszeichnung gedruckter M e m o r i a l - G e d i c h t e zuteil! Schließlich und endlich: N i c h t Riario, sondern allein Alessandro wurde in den Reigen der zu diesem Zeitpunkt rund 500 Personen aufgenommen, deren Gesichtszüge durch eine eigene Medaille festgehalten und gefeiert wurden (Farbtf. I; A b b . A.10). Wobei Alessandros Schaumünze alle früheren Exemplare an G r ö ß e übertrifft, meist sogar um ein Vielfaches. Insgesamt scheinen die ,mobilen' und ,modernen' Gedächtnisformen für den sechzehnjährigen Pagen Alessandro - Medaille und gedruckte Gedichtsammlung - dem memorialen Aufwand für einen Kardinalnepoten mindestens gleichzukommen, wenn nicht gar diesen zu übertreffen und damit zumindest alle heutigen Erwartungen auf den K o p f zu stellen. A b e r noch eine weitere Gemeinsamkeit verband die beiden Betrauerten: Zu Lebzeiten pflegten sie nicht nur mit einem teils identischen Personenkreis freundschaftlichen U m gang, sondern in einigen Fällen offenbar auch eine .homosexuelle Beziehung' - eine ,Sünde', die in der zeitgenössischen Terminologie zumeist unter dem Begriff der ,Sodomie' oder aber des .unsagbaren Lasters (wider die N a t u r ) ' subsummiert wurde. 2 0 F ü r Alessandro wird das im weiteren die Gedichtsammlung und eine genauere Analyse seines Freundeskreises zu erkennen geben. Riarios nicht festgelegte sexuelle Vorlieben und seinen ausschweifenden Lebenswandel enthüllen zahlreiche C h r o n i k e n und Berichte sowie die unmittelbar nach seinem Tod in U m l a u f gebrachten a n o n y m e n Schmähschriften - besonders deutlich die fiktive Grabinschrift eines ,Pantagathus': „ H i e r liegt begraben das Verbrechen und die Schande unseres Jahrhunderts, / Kardinal Pietro [ . . . ] . / D e n Pietro betrauern Salviati, T i r exis und das ,Schaf' [ein Spottname]; / dieser war sein Kuppler, jene seine H u r e , der dritte sein Lustknabe. / O h Bürger, tilgt sein Gedächtnis und werft [die Leiche des] Pietro in den T i b e r / - ein Körper, der bisher M e n s c h e n und G ö t t e r befleckte." 2 1 Allerdings gilt es gleich einzuschränken, daß solche sexualisierten Polemiken immer auch topische Elemente enthalten und zumeist ganz anderen Z w e c k e n dienen konnten, als tatsächlichen Aufschluß über das Liebesleben des Geschmähten zu geben (darauf wird ebenfalls n o c h näher ein-
20 Zur Terminologie s. vorläufig Mark Jordan, The Invention of Sodomy in Christian Theology, Chicago 1997; allerdings existierten in der Renaissance auch schon andere, spezifische Bezeichnungen (amor socraticus, amor virile usw.), s. DALL'ORTO 1989 und CADY 1992; genauere Differenzierungen folgen im weiteren Text. 21 „Hic tegitur nostri scelus atque infamia secli / Petrus cardinei [...]/ Plorat Salviatus Petrum Tirexis et Agnus / Hic leno, hec meretrix ille cinedus erat / Obruite, o cives, Tiberique immergite Petrum / corpus adhuc homines inficit atque deos" (im Cod. 287 der Biblioteca Ciassense, Ravenna, einem jPantagathus' zugeschrieben; sollte es sich um den gleichen Autor handeln, der auch an der Gedichtsammlung für Alessandro beteiligt ist, würde dies zeigen, daß nicht alle Personen automatisch beiden Freundeskreisen angehörten). - Der Spottname .Agnus' könnte sich auf Ludovico de Agnellis beziehen, der 1478 Kleriker, 1497 Bischof von Cosenza wird und 1499 stirbt. - Zu Riarios Lustknaben auch - und neben Nachrichten zu Riarios Kurtisane Teresa und dem Ubertreten des Fastengebotes - FULGOSUS 1541, S. 956 (IX, 1): „Amicam Thiresiam non palam solum, sed tanto etiam sumptu alebat, quantus ex eo intellegi potest, quod calcéis margaritarum tegmento insignibus utebatur. Temporis meliore parte inter scorta atque exoletos adolescentes consumpta, carnibus toto anno etiam parte ea cui carnium usum religio interdixit, vescebatur". - Auf die Spottgedichte über Pietro und dann Sixtus IV. (s.u.) machte bereits SCHMARSOW 1886, S. 17 f., 337f. und 381 aufmerksam.
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zugehen sein). Jedenfalls stand nicht allein Pietros Verhalten als Kardinal in der Kritik; Gerüchte wollten wissen, daß er überhaupt seinen Aufstieg und die Gunst des Papstes nicht dem Umstand verdankte, dessen Neffe oder gar illegitimer Sohn, sondern vielmehr gemeinsam mit seinem Bruder Girolamo dessen Lustknabe gewesen zu sein.22 Sixtus IV. - „puerorum amator et sodomita" - überhäufte laut dem Bericht des Zeitgenossen Stefano Infessura auch eine Reihe weiterer famuli und insbesondere den Sohn seines Barbiers, den er „zwölf Jahre lang ständig um sich hatte", mit Geschenken und Amtern. Selbst wenn diese Berichte großenteils anderweitig nicht zu verifizieren sind - so dürfte etwa der Diarist mit einiger Sicherheit den Barbiers-Sohn mit dessen Vater verwechselt haben - , belegt die für einen Papst neuartige Flut sodomitischer Beschuldigungen doch in jedem Fall die Irritation der Zeitgenossen ob solcher ungewöhnlichen Begünstigungen über alle Standesgrenzen hinweg. 23 Ein weiteres Musterbeispiel zeitgenössischer Verdächtigungen lieferte die steile kuriale Karriere des Giangiacomo Sclafenato, der zunächst genau wie Alessandro Cinuzzi in Diensten Girolamo Riarios gestanden hatte. Infessura berichtet, der Papst habe ein Auge auf den hübschen jungen Mann geworfen, woraufhin dieser - angeblich noch keine zwanzig Jahre zählend, in Wirklichkeit aber bereits dreiunddreißigjährig - 1483 zum Kardinaldiakon erhoben wurde. Das Gerücht um diesen Vorgang erwies sich als so wirkmächtig, daß noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Inschrift auf Sclafenatos Grabmal im Kreuzgang von S. Agostino (1497), die neben seinen geistigen auch die „körperlichen Vorzüge" des Kirchenmannes erwähnt, als zweideutig angesehen wurde, obgleich es sich dabei keineswegs um eine singuläre Formulierung handelt: „OB I N G E N I V M F I D E M S O L E R TI AM C O E T E R A S Q V E ANIMI ET C O R P O R I S DOTES". 2 4 Welchen zeitgenössischen Bekanntheitsgrad jedenfalls die päpstlichen Gunstbezeugungen jungen Männern gegenüber erreichten - ganz egal, ob im Einzelfall wirklich nachweisbar oder nicht - zeigte sich dann erwartungsgemäß beim Tode Sixtus' IV. 1484 in einer wahren Flut entsprechender Schmähschriften, -gedichte und fiktiver Epitaphien: „Endlich, Sixtus, liegst Du darnieder / Deine Leiche beweinen die Lustknaben und Huren [...]". 2 5 Es verwun-
22
MASINI / PORTIGLIOTTI 1916. - Zu anderen Kritiken an Riario etwa STROBL 2 0 0 3 .
23
INFESSURA 1890, S. 155f.; dazu ausführlich MASINI / PORTIGLIOTTI 1916. - Bereits im posthumen Prozess gegen B o n i f a z V I I I . wurden Sodomie-Verdächtigungen laut, s. HERGEMÖLLER 2 0 0 0 , S. 57; zu späteren, u.a. durch die R e f o r m a t i o n forcierten Päderastie-Vorwürfen gegen die Päpste etwa PUFF 2003, S. 148f. und 1 5 1 - 1 5 3 . - Allerdings scheinen bei den unmittelbaren Vorgängern Sixtus' IV. solche Vorwürfe keine oder keine nennenswerte R o l l e gespielt zu haben, vgl. zu anderen Polemiken etwa D E VINCENTIIS 2002.
24
INFESSURA 1890, S. 107: „d. Iacobus de Parma, qui fuit dictus cardinalis de Parma, puer nondum viginti annorum, et quidem formosus; hic, ut fertur, n o n multum ante regacis fuit dicti comitis H i e r o n i m i , deinde camerarius cardinalis Sancti Vitalis, deinde cubicularius castellani Sancti Angeli; quem, c u m eum Sixtus vidisset, m o x ad se advocavit, illumque multis equidem opulentissimis beneficiis insignitum, tandem ad cardinalatus apicem, contra aliorum, ut fertur, voluntatem assumpsit, iuvenis est quidem bonae indolis, et formosus, ut videri potest; literas autem n o n habet." - Vgl. etwa die genau zeitgleiche Formulierung (1497) auf dem G r a b m a l des Kardinaldiakons Lonati in S. Maria del P o p o l o : „ C O R P O R I S D I G N I T A T E M : A N I M I Q [ u e ]
Bernardino
SOLLERTIAM";
dazu mit weiteren Beispielen KAJANTO 1980, S. 1 2 9 - 1 3 1 ; zur der in diesem K o n t e x t ebenfalls relevanten körperlichen Schönheit Pauls II. s. D E VINCENTIIS 2 0 0 2 , S. 47 f. 2 5 Zitiert nach B C A , Ms. 181, fol. 39r: „ E P Y T H A P H I V M S I X T I P O N . M A X . / / [ . . . ] Sixte iaces tandem scelerum sentina malorum / C u l t o r nequitiae perfidi[a]eque C a p u t . / [ . . . ] Sixte iaces tandem
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dert angesichts dieser offenen Vorwürfe gegen das Oberhaupt der Christenheit und einen seiner nächsten .Stellvertreter' geradezu, daß der Glanz von Alessandros Andenken nur in einem anderen Punkt getrübt wurde: In einer unabhängig von der großen Gedichtsammlung und offenbar auch nur ein einziges Mal überlieferten, fiktiven Spott-Grab-Inschrift wird nämlich behauptet, der Jugendliche habe sich insbesondere als „größter Fresser und Säufer von allen" hervorgetan, sein tödliches Fieber sei selbstverschuldetes Resultat des Alkohols und exzessiven Feierns.26
Ausgehend von diesem in aller Kürze skizzierten römischen Szenario des Jahres 1474 und den Ereignissen nach dem Tod des Pagen Alessandro Cinuzzi lassen sich in seltener Klarheit die Bedeutung und Funktion von Kunstwerken und Schriften im Kontext von (Toten- bzw. Freundes-)Gedächtnis, Geschenk-Austausch, forcierter Demonstration von humanistischer Gelehrsamkeit sowie von Männerbeziehungen zwischen amicitia und amor erhellen - vier für die Kultur der Frühen Neuzeit zentrale Bereiche, deren vielschichtiges Zusammenspiel mit den Bildkünsten für die italienische Renaissance bislang erst ansatzweise untersucht ist. Dieses Buch will daher erstmals konsequent Männerfreundschaft, Gabentausch, ingenium und memoria als die fundamentalen Kategorien einer profanen, humanistisch geprägten Renaissance-Bilderwelt herausarbeiten. Denn nicht - so die These die vielbeschworene humanistische .Gelehrsamkeit' allein und quasi als Selbstzweck verstanden (,Gelehrsamkeit um der demonstrativen Gelehrsamkeit willen', wie es zahlreiche ikonographische Arbeiten suggerieren) liefert den Schlüssel zur (profanen) RenaissanceKunst. Es gilt zu zeigen, daß in der Vorstellung dieser Zeit jegliche Form menschlicher Kreativität und jegliche Gelehrsamkeit ,Liebe' und .Freundschaft' (vor allem zwischen Männern) als conditio sine qua non voraussetzen und als primäres Movens des ingenium verstehen. Entsprechend gewinnen Geist und Gelehrsamkeit erfordernde Bilder und Kunstobjekte überhaupt erst als Liebes- und Freundschaftsgaben ihre volle Bedeutung. Umgekehrt läßt sich die frühneuzeitliche Freundschafts- und Geschenk-Kultur nur dann wirklich verstehen, wenn die künstlerische Gestaltung der ausgetauschten Objekte und ihre mit großem Aufwand hergestellten materiellen/visuellen Eigenschaften vollgültig in die Überlegungen miteinbezogen werden - mit den Worten Jean Starobinskis: wenn man den „Zuwachs an Sichtbarem", den Kunst durch das „innere Schenken" des Künstlers erhält,
deflent tua busta Cynedi / scortaque [...] / Pontificum scelus hoc tegitur sub marmore Sixtus / [ . . . ] . " D i e Handschrift enthält fol. 17r nicht nur ein weiteres Spottgedicht,
sondern
fol. 119v-120r auch eine lobende Kurzvita auf den Pontifex. - Zu einem ähnlich beginnenden und mehrfach überlieferten Gedicht („Xyste, iaces tandem superis invisus et imis / [ . . . ] ) von Fausto Andreiini da Forlì und dessen anderen Invektiven gegen Sixtus s. Gilbert Tournoy, Sisto IV, Fausto Andreiini ed il Tebaldeo, in: U n pontificato ed una città 1986, S. 5 5 7 - 5 6 7 , hier vor allem S. 565 f.; vgl. auch SCHMARSOW 1886, S. 377 und 381 sowie MASINI / PORTIGLIOTTI 1916, S. 4 6 2 f . - Jean de Marconville, D e l'Heur et malheur de mariage, Paris 1571, fol. 34r behauptet, daß sich der Pontifex im Hinblick auf seine Untertanen ganz im Gegenteil um ,sexuelle Hygiene' bemüht und öffentliche Bordelle habe einrichten lassen, damit die R ö m e r ihre Stadt gerade nicht in die „Citez de Sodome et G o m o r r h e " verwandelten. 26 Vgl. C.10.
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wenn man ihr visuelles Surplus und dessen entscheidende Funktionen im Gaben-Kontext ernst nimmt.27 Insofern ist für die folgende Untersuchung das methodische Postulat von ,komplexen Kontexten' vor allem auch als Forderung zu verstehen, die ,performativen Zusammenhänge' und die damit einhergehende Sinnzuschreibung und -entfaltung der Kunstobjekte, ihr durch soziale Interaktion generiertes ,Bedeutungsgewebe' im Kontext des (römischen) Freundschaftskults der Renaissance zu (re-)konstruieren.28 Versucht wird dabei zum einen, die Nahsicht einer Fallstudie, die überhaupt erst den konkreten Umgang und die Wahrnehmungsweisen solcher Geschenkobjekte zu erkennen erlaubt, zu verbinden mit Kapiteln, die diese in größeren chronologischen und thematischen Zusammenhängen verorten; versucht wird zum anderen, durch intensive Zusammenschau visueller und TextQuellen sowie durch ein kritisch-distanzierendes Aufzeigen der kunsthistorischen Forschungstradition zumindest eine Annäherung an die Seh-, Deutungs- und Empfindungshorizonte im Rom der Jahrzehnte um 1500 zu erzielen. Innerhalb dieses andeutungsweise aufgespannten Koordinatensystems von Freundschaft, Gabe, Gedächtnis und ingenium spielen neben Schriften zwar auch Gemälde und Skulpturen eine wichtige Rolle. Eine mediale Schlüsselstellung kommt jedoch der neu entwickelten Gattung der Medaille zu, in frühneuzeitlicher Wahrnehmung zugleich eine der wichtigsten Kunstformen und die .soziale Währung' der Zeit schlechthin (dieser Terminus soll hier eingeführt werden). Ihre aus heutiger Sicht kaum mehr richtig einschätzbare Bedeutung, Funktion und Handhabung wird im Folgenden gerade auch über den Vergleich und das Zusammenspiel mit dem zweiten, ebenfalls neu erfundenen Vervielfältigungsverfahren des 15.Jahrhunderts, dem Buchdruck, erhellt. Die Schwierigkeiten einer modernen Annäherung liegen dabei erwartungsgemäß nicht nur im allgemein gewandelten Rezeptionsverhalten, sondern in besonderem Maße auch in der Tradition der Kunstgeschichte begründet, die Medaillen und ähnliche .niedere' Objekte kaum beachtet, sie seit dem späten 19.Jahrhun27 STAROBINSKI 1994, S. 11, allerdings inn zur „unvollendeten und verweigerten Gabe" des Künstlers weiterargumentierend. - Ohne hiei lie vielfach referierte Forschungsdiskussion über Formen und Funktionen des Gabentauschs seit < m klassischen Werk von Marcel Mauss (1925; vgl. MAUSS 1990) erneut zu wiederholen (ausführlich · weiter unten), verstehen sich meine Überlegungen im Fragenund Methodenhorizont einer historischen Gaben-Forschung, wie sie Gadi Algazi, Introduction. Doing Things with Gifts, in: Negotiationg the Gift 2003, S. 9 - 2 7 skizziert (allerdings immer noch mit zu wenig Gewicht auf der materiell-künstlerischen Dimension der Geschenke): „This suggests a research strategy that can be described as a double move away from 'The Gift' as an overarching category: both 'beyond' it, to the reconstruction of whole configurations of transaction models, and 'beneath' it, to the particulars of specific folk models." Vgl. in diesem Sinne aber auch schon KLAPISCH-ZUBER 1 9 8 5 , S. 2 2 0 .
28 Eine der wenigen exemplarischen kunsthistorischen Arbeiten zu diesen Zusammenhängen bisher von FUMERTON 1986. - Zu kunsthistorischer Kontextforschung s. Norman Bryson, Art in Context, in: Studies in Historical Change, hg. ν. Ralph Cohen, Charlottesville/London 1992, S. 18—42 (unter semiotischem Blickwinkel) und Wolfgang Kemp, Kontexte. Für eine Kunstgeschichte der Komplexität, in: Texte zur Kunst, 2, 1991, S. 89-101. - Zum performative turn der Geschichtswissenschaft jüngst zusammenfassend Jürgen Matuschek / Steffen Patzold, Geschichtswissenschaft und performative turn': Eine Einführung in Fragestellung, Konzepte und Literatur, in: Geschichtswissenschaft und .performative turn' 2003, S. 1-31; vgl. zum methodischen Spektrum aus Sicht der Kulturgeschichtsschreibung Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a.M. 4 2004, etwa S. 248-253 zu Möglichkeiten und Problemen einer .dichten Beschreibung' sozialer Praktiken nach Clifford Geertz.
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dert als ,Kunstgewerbe' oder (mehr oder weniger exzentrische) ,Sonderkategorie' klassifiziert und - von wenigen Ausnahmen abgesehen - höchstens als ikonographisches Repertorium nutzt.29 Einschätzungen wie die von Cornelius von Fabriczy (1903), Medaillen seien ganz im Gegenteil als „die Kunst der Renaissance par excellence" anzusehen, blieben immer Sondervoten.30 Dies erscheint nicht nur angesichts der aktuellen Überlegungen zu . B i l d w i s senschaft', ,Bildanthropologie', ,Visual Studies' und ähnlichen Versuchen einer Neubestimmung der Disziplin Kunstgeschichte über die Grenzen von ,(Hoch-)Kunst' hinaus erstaunlich. Erstaunlich zumal, da bereits einer der in den letzten Jahren vielbemühten Heroen zumindest der Bildwissenschaft, Aby M. Warburg, bekanntlich explizit eben diese „Grenzerweiterung" der Disziplin gefordert hatte: Dabei sollte Warburg diese Öffnung nicht allein in seinem unveröffentlichten Hauptwerk des Bilderatlases M N E M O S Y N E mittels der Zusammenschau von ,,Werke[n] der freiesten und angewandtesten Kunst" - Malerei, Skulptur, Briefmarken, Stiche, Zeitungsillustrationen usw. - vorexerzieren, sondern selbst einen unmittelbar unser Thema betreffenden Aufsatz zu den „Imprese amorose", der Liebesthematik auf den ersten Florentiner Kupferstichen der Frührenaissance, veröffentlichen.31 Noch erstaunlicher wird die kunsthistorische Vernachlässigung ,niederer Bildmedien' mit Blick auf das zunehmende Interesse anderer Fächer am Erkenntnispotential aller materiellen Relikte des Mittelalters und der (Frühen) Neuzeit - verwiesen sei etwa auf die .Material Culture Studies' oder auf Arbeiten, die zwar weiterhin unter dem traditionellen Signum der ,Geschichte' firmieren, sich aber dennoch innovativ mit verschiedensten Bildgattungen und -zeichen auseinandersetzen.32 Am erstaunlichsten freilich erscheint die immer noch weitverbreitete kunsthistorische Mißachtung von Medaillen, bedenkt man, daß die Zeitgenossen selbst bei dieser Gattung gerade nicht den kunstgewerblichen Aspekt des .Angewandten', sondern den .reinen Kunstcharakter' (und damit also eigentlich den vermeintlich angestammten Kernbereich des Faches Kunstgeschichte) demonstrativ in den Vordergrund stellten - so weit dies in der Frühen Neuzeit überhaupt möglich war: Denn ungeachtet aller anderen Funktionen von Medaillen wollen diese doch immer auch und zentral das ingenium ihres Schöpfers, die inventio und künstlerische Ausarbeitung unter Beweis stellen. Daher wird es in einem späteren Kapitel auch nur als logische Konsequenz erscheinen, daß die Beschäftigung mit (antiken) Münzen und (modernen) Medaillen späte-
29
V g l . j e d o c h die m e t h o d i s c h e n F o r d e r u n g e n b e i PASTOUREAU 1 9 8 6 u n d PASTOUREAU 1 9 8 9 . -
Zur
kunsthistorischen Kategorie des ,Kunstgewerbes' zusammenfassend Andrea Schaller, Kunstgewerbe, in: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, hg. v. Ulrich Pfisterer, S t u t t g a r t / W e i m a r 2 0 0 3 , S. 2 0 3 - 2 0 8 . 30
FABRICZY 1 9 0 3 , S. 10.
31 Die Zitate aus dem Schluß-Absatz von: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo S c h i f a n o j a z u F e r r a r a ( 1 9 1 2 ) , in: WARBURG 1 9 9 8 , B d . 2 , S. 4 5 9 ^ 8 1 , h i e r S. 4 7 8 f . ; v g l . w e i t e r h i n :
Delle „Imprese amorose" nelle più antiche incisioni fiorentine (1905), in: ebd., Bd. 1, S. 77-88 und Aby Warburg, Der Bilderatlas M N E M O S Y N E (Gesammelte Schriften, Bd. II/l), hg. v. Martin Warnke, Berlin 2000. - Aus der Fülle aktueller Neubestimmungsversuche der Kunstwissenschaft etwa BELTING 2001; James Elkins, Visual Studies. A Skeptical Introduction, New York u.a. 2003 u n d BREDEKAMP 2 0 0 3 .
32 Exemplarisch für das Einbeziehen materieller Alltagsrelikte in die neuzeitliche Historiographie sei verwiesen auf: James Deetz, In Small Things Forgotten. An Archeology of Early American Life, 2. erw. Aufl. New York u.a. 1992; weiterhin etwa HASKELL 1995; Peter Burke, Augenzeugenschaft. B i l d e r als h i s t o r i s c h e Q u e l l e n , B e r l i n 2 0 0 3 [engl. O r i g i n a l a u s g . 2 0 0 1 ] ; SLANICKA 2 0 0 2 .
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stens um die Mitte des C i n q u e c e n t o zu einer neuen methodisch-systematischen Beurteilung von künstlerischem Stil führte - und dies entgegen der bislang gültigen Lehrmeinung, die Anfänge einer solchen wissenschaftlichen Stilkritik von Kunstwerken seien erst im frühen 17.Jahrhundert auszumachen. D i e Renaissance-Numismatiker dürfen daher ohne jede U b e r t r e i b u n g neben Vasari einen Ehrenplatz unter den ,Vätern der Kunstgeschichte' beanspruchen. D a r ü b e r hinaus begründen antike M ü n z e n und Renaissance-Medaillen geradezu das neuzeitliche Sammlungswesen in dem Sinne, daß erstmals diese O b j e k t g a t t u n g in aller K o n s e q u e n z die Frage möglicher Systematisierungen und historischer Reihenbildungen, aber auch das Verlangen nach Vollständigkeit der K o l l e k t i o n provozierte - alles Eigenschaften, die (wenngleich hier zwangsläufig vereinfacht resümiert) auf konzeptioneller E b e n e eine neuzeitliche Sammlung von mittelalterlichen Anhäufungen von Schätzen und Kuriositäten unterscheiden. 3 3 Schließlich partizipieren Medaillen an der explosionsartigen Vermehrung von Bildern und sinnhaltigen Bildzeichen in der Gesellschaft ab dem 14. Jahrhundert, auch dies ein erst neuerdings intensiver untersuchtes Phänomen. D e r Untertitel dieser Arbeit jedenfalls - ,Das erste Jahrhundert der Medaille' - will dieses Fragenspektrum und den damit verbundenen prinzipiellen Anspruch andeuten. I m Falle des Alessandro C i n u z z i führt der glückliche U m s t a n d , daß hier eine Medaille und Gedichtsammlung zusammengesehen werden können, dazu, einen der wichtigsten römischen B r o n z e k ü n s t l e r des Q u a t t r o c e n t o mit dem Pseudonym ,Lysippus der J ü n g e r e ' namentlich identifizieren zu können. D i e daraus resultierende, im A n h a n g (A) erarbeitete Œ u v r e - L i s t e des Lysippus versteht sich dabei zumindest in einigen Aspekten als Plädoyer für eine neue F o r m des Medaillen-Katalogs: N e b e n dem Stil ermöglichen hier eine detaillierte R e k o n s t r u k t i o n der Biographie der Dargestellten und insbesondere der Ikonographie ihrer Medaillen, ein größeres Werkverzeichnis eines Quattrocento-Medailleurs
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logisch - und nicht wie bisher für die Renaissance zumeist geschehen nach Werkgruppen oder alphabetisch nach den Dargestellten - zu ordnen. 3 4 D a m i t lassen sich nicht nur künstlerische Entwicklungen besser erkennen, sondern auch viel differenzierter weitergehende Fragen zu sich wandelnden Auftraggeberkreisen von Medaillen und ihrem Selbstverständnis, zu Funktionsweisen von Bildbotschaften, zu ,Modeerscheinungen' usw. beantworten.
33 Die kaum mehr überschaubare Literatur zum Sammlungswesen der Frühen Neuzeit betont die Bedeutung der Numismatik m.W. bislang nicht genügend - eine Ausnahme stellt Krzysztof Pomian, Collectionneurs, amateurs et curieux: Paris - Venise, XVI C -XVIII C siècle, Paris 1987 dar; vgl. zum Forschungsstand etwa FINDLEN 1989; Ingo Herklotz, Neue Literatur zur Sammlungsgeschichte, in: Kunstchronik, 47, 1994, S. 117-135; einen neuen, allgemein verständlichen Uberblick über Geschichte und Psychologie des Sammeins versucht Philipp Bloom, The Have and to Hold. An Intimate History of Collectors and Collecting, London 2003. 34 Das jüngste Musterbeispiel für eine topgraphisch-chronologische Ordnung bis in die einzelnen Œuvres hinein, allerdings erst für die dokumentarisch wesentlich besser erschließbare Zeit ab 1530 und ohne systematische Erarbeitung der einzelnen Ikonographien, bietet ATTWOOD 2003, zur Begründung S. 6-10; im Gegensatz dazu übernehmen viele andere Kataloge weithin schlicht die Angaben aus Hills Corpus (sofern sie von diesem behandeltes Material katalogisieren, ein Beispiel: BÖRNER 1997); wesentlich differenzierter dagegen das Vorgehen bei Künstlermonographien, in denen Medaillen nur einen Teil des Werkes ausmachen, etwa: James J. Draper, Bertoldo di Giovanni. Sculptor of the Medici Household, Columbia 1992; vgl. auch Wolfgang Steguweit, Raimund Falz, Medailleur des Barock, Berlin 2004.
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Reiz und Ziel der folgenden Untersuchung lassen sich so zusammenfassen, daß hier angesichts einer selten so vollständigen Uberlieferungslage eines der visuellen Leitmedien der Renaissance mit den intellektuellen bzw. sozialen ,Leitkonstellationen' der Zeit enggeführt werden kann: mit humanistischer Gelehrsamkeit, der Kultur des Schenkens und der Memoria, mit Liebe, Freundschaft und Homoerotik. Daß gerade auch der Knaben- oder Männerliebe eine solche Schlüsselrolle für die Renaissance zuzusprechen sei, wurde bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen.35 Die Begründung läßt sich so zusammenfassen, daß diese gleichgeschlechtliche Liebesbeziehung in Nachahmung antiker Vorbilder und gegen die (offizielle) christliche Tradition strukturell - aufgrund des damit einhergehenden Zwangs zur Umschreibung des .unaussprechlichen Lasters' - just die beiden Hauptmerkmale der Epoche spiegeln würde, nämlich ihr Erkennen der Alterität und ihr dennoch möglichst weitgehendes Aneignen antiker Kultur, ihr fast schon manisches Aufgreifen jeglicher antiker Inhalte und Formen verbunden mit dem unausweichlichen Zwang zur Umdeutung des pagan Vergangenen ins christlich Aktuelle - eine Spannung, die zu einer neuen Form historisch-kultureller Selbstbewußtwerdung (angeblich ähnlich der Homosexualität) führte. Selbst bei Vorbehalten gegen diesen Gedanken und gegen das Postulat gleich einer homoerotischen Leitkonstellation' der Renaissance bleibt doch die auffällige und erklärungsbedürftige Koinzidenz bestehen, daß nicht nur bereits Dante die ,Sodomiten' des Inferno (15, 107) als „Gelehrte, groß einst und mit großem Namen" bezeichnet hatte, sondern überhaupt einer der ersten Nachweise für eine Verwendung des Wortes .Humanist' in eben einem solchen homoerotischen Kontext zu finden ist. Denn Ludovico Ariosto wird 1523/24 auf der Suche nach einem Lehrer für seinen Sohn die Mehrheit der neuen Gelehrtengruppe unter dem Namen umanisti mit Bedauern und Spott nicht nur als Päderasten charakterisieren: „O nostra male aventurosa etade, / che le virtudi che non abbian misti / vici nefandi si ritrovin rade! / Senza quel vizio son pochi umanisti / che fe' a Dio forza, non che persüase, / di far Gomorra e i suoi vicini tristi." In anderem Kontext bezeichnet er diese ,sodomitischen Humanisten' doppeldeutig gar als Medaillen-Sammler, die sich an den „rovesci", den (eigentlich besonders gelehrt ausgearbeiteten) .Rückseiten' also, erfreuen würden.36
35 BARKAN 1991, besonders deutlich S. 53 f. und 71-74; vgl. auch die Schlußfolgerungen bei STEWART 1997, S. 37 über den Zusammenhang von humanistischen Studien und der Gefahr des Sodomie-Verdachtes. 36 ARIOSTO 1954, S. 562 (Satire, 6, 22-27); zu dieser Stelle Augusto Campana, The Origin of the "Word „Humanist", in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 9, 1946, S. 60-73 und BARKAN 1991, S. 67f.; daß das weite Feld der .Sodomie' häufig auch für Polemiken und Beschimpfungen verwendet wurde, wird noch zu besprechen sein. - Cesare Segre verweist im Kommentar der zitierten Ausgabe auf das Stück I Studenti, vv. 970-972: „A me già non ti volger; / volgeti a questi umanisti che cercano / medaglie, e di rovesci si dilettano." - Weitere Sodomie-Vorwürfe gegen einen Lehrer des Quattrocento formulieren etwa zwei Gedichte des Girolamo Balbi, in: BNMV, ms. lat. cl. XII, 210 = 4689, fol. 34r: „Ad Ludovicum patavum puerorum magister". Dagegen dürfte der bekannteste Fall eines Hauslehrers unter Päderastie-Verdacht, die Entlassung Angelo Polizianos 1479 durch Clarice Orsini, Gattin des Lorenzo de' Medici, weniger die realen Motivationen dieses Vorgangs als die historische Phantasie des späteren 18. und 19. Jahrhunderts widerspiegeln; zur schwierigen Interpretation der Quellen und einer Deutung, die den Konflikt zwischen Ciarice und Angelo eher in ihrem konkurrierenden Verhältnis zu Lorenzo sieht, STEWART 1997, v. a. S. 19-34; dort weiterhin zur Situation in England S. 84-121.
1. Der Tod in Rom
15
Dabei setzt meine Untersuchung nicht auf der Ebene tatsächlich praktizierter sodomia an, sondern bei dem fundamental,homosozialen' Selbstverständnis der Renaissance-Gesellschaft und insbesondere auch der intellektuellen Zirkel: Zu zeigen sein wird, inwiefern in einer seit Jahrhunderten Männer-dominierten Gesellschaft Europas/Italiens gerade die humanistischen Denkmodelle als eine besonders intensive Form der Homosozialität zu verstehen sind. Es geht im Folgenden also zunächst und primär um den sozialen Normalfall des frühneuzeitlichen Italiens, um Freundschaft unter Männern als eine ,Grundbefindlichkeit' und deren Bedeutung für die Bildkünste, nicht darum, im Gefolge des von Michel Foucault und John Boswell ausgelösten Konstruktivisten-Essentialisten-Streites Position zu beziehen. Zur Erinnerung: Während Foucault die ,Erfindung der Homosexualität' als Vorstellung von einer dauerhaften Persönlichkeitsveranlagung und nicht mehr einer kurzfristigen sexuellen Devianz (,Sodomie') vor allem in den medizinisch-juristischen Diskursen des 19. Jahrhunderts ausmachte, plädierte Boswell für eine Kontintuität,homosexueller (Sub-)Kultur' (und damit einer homosexuellen Selbstbewußtheit) durch alle Zeiten hindurch; wobei sich in der neuen Queer-Forschung die Forderung durchzusetzen scheint, die alten Gräben der Geschlechterkategorien nicht durch diese neuen, freilich genauso rigiden Wissenschaftsdoktrinen zu ersetzen, sondern zunächst wesentlich mehr konkrete Einzelstudien zu liefern. 37 Hier interessiert jedenfalls zunächst der allgemeine visuelle Code innerhalb einer praktisch in allen Bereichen von Männerfreundschaften dominierten Kultur und in diesem Zusammenhang dann die Adaptations- wie Absetzungsversuche, die durch die (Ideal-)Konstruktion von konträr- und gleichgeschlechtlichen Beziehungen nach denselben Parametern entstehen. Denn in vieler Hinsicht - so auch bei Kunst und Geschenken tritt Männerfreundschaft in Parallele oder Konkurrenz zu Minne, Ehe und selbst Gottesliebe. Durch den fließenden Ubergang in Terminologie, Bildsprache und Verhaltensweise von einem homosozialen zu einem homoerotischen Verhältnis entstehen dabei innerhalb dieser (humanistisch konzeptualisierten) Männerfreundschaften bereits für die Zeitgenossen Spannungen und Mißverständnisse. Vor diesem Hintergrund fallen schließlich unter ,homosoziale' (Freundschafts-)Bilder auch wesentlich mehr und andere Beispiele als die bislang diskutierten männlichen Aktdarstellungen, melancholisch-verführerisch blickenden Jünglingsbildnisse oder aber die sogenannten ,Freundschaftsbildnisse' im engeren Sinne, d.h. Porträts, auf denen zwei oder mehr Freunde zusammen dargestellt wurden. Im Folgenden soll dieses erweiterte Spektrum relevanter Bildformen zumindest exemplarisch angedeutet werden. Zum Argumentationsgang des Buches im einzelnen: Mit Blick auf den unzeitigen Tod des Alessandro Cinuzzi und seinen beiden außergewöhnlichen Gedächtnisgaben der Freunde umreißt das folgende Kapitel zunächst deren zeitgenössischen ,Wahrnehmungshorizont', nämlich Möglichkeiten und Beispiele von im 15. Jahrhundert praktizierten Formen der Erinnerung in Text und Bild an eine frühverstorbene Person, sei er oder sie noch Kind, Jugendliche/r oder aber schon junger Mann bzw. junge Frau. Dadurch gewinnen die im Anschluß genauer untersuchten Gedächtnisgaben für Alessandro Cinuzzi - gedruckte Gedichtsammlung und Medaille - und der dafür verantwortliche Freundeskreis zum einen präzisere Konturen, erscheinen in anderer Hinsicht jedoch um so erklärungsbedürftiger.
37
FOUCAULT 1 9 7 7 - 1 9 8 6 ; BOSWELL 1980; speziell z u r R e n a i s s a n c e e t w a CADY 1992 u n d 1992; analysierend a u c h HIRSCHAUER 1992 u n d HALPERIN 2002.
GOLDBERG
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Die Gaben der
Unsterblichkeit
Insbesondere auch die Wahrnehmungsweise der Medaille läßt sich dabei über eine Bestimmung ihrer (Revers-)Ikonographie hinaus nur dann wirklich verstehen, betrachtet man die knapp hundertjährige Vorgeschichte dieses neuen Mediums. Das zweite Hauptkapitel der Arbeit zu den ,Gaben des Geistes' geht daher in seinen vier Unterabschnitten dieser Entstehung nach: Zunächst wird die Entwicklung der Kunstform Medaille und speziell die bislang in vielen Untersuchungen nicht richtig akzentuierte Bedeutung der Stadt Rom während der 1450er bis 1480er Jahren für deren Produktion und Rezeption dargestellt. Es schließen zwei Abschnitte zu den Denkbildern auf den Reversen sowie zur im 14. Jahrhundert einsetzenden Forschungsgeschichte von Münzen und vor allem - bislang von der Forschung noch nicht geschrieben - von Medaillen an. Erst vor diesem Hintergrund läßt sich das weit verbreitete Desinteresse der Kunstgeschichte an dieser .Bildgelegenheit' verstehen, aber auch die von heutigen Kategorien entscheidend abweichende, theoretische Verortung von Medaillen in der Renaissance wird so deutlich. Schließlich trägt die kritische Auseinandersetzung mit der Forschungsgeschichte dazu bei, den bislang allein unter Pseudonym bekannten Medailleur Lysippus d.J. zu identifizieren sowie seinen Werdegang und sein Œuvre neu zu bestimmen. Die meisten der biographischen, stilistischen und ikonographischen Probleme zu einzelnen Medaillen sind dabei in den Anhang (A) mit Medaillen-Katalog ausgelagert. Die abschließenden vier Kapitel des Buches zu den .Gaben der Liebe' versuchen, die Funktionen von Renaissance-Medaillen als .sozialer Währung' und die Formen der Freundschafts- und Liebesbilder des 15.Jahrhunderts insgesamt zu rekonstruieren. Neben dem Vergleich von Geschenken und Bildern, wie sie zwischen Männern und Frauen bzw. nur zwischen Männern ausgetauscht wurden, läuft die Argumentation darauf hinaus, die Kodierungsebenen der homosozialen Bilderwelten aufzuzeigen - von .öffentlichen' Botschaften bis hin zu .unter dem Mantel des Sokrates' nur für ein ganz bestimmtes Publikum verborgenen Bedeutungsmöglichkeiten von Bildern im Spannungs- und Ubergangsfeld von zwischenmännlichen Freundschafts- und Liebesbeziehungen. Der Epilog zu Michelangelos Gaben soll abschließend zumindest einen kurzen Ausblick auf die bedeutsame, nun erstmals in ihren Entstehungsbedingungen faßbare Nachfolge dieser Zusammenhänge von Männerfreundschaft bzw. -liebe, ingenium, Geschenk- und Gedächtniskultur im 16. Jahrhundert bieten. Zunächst aber gilt es, nach den möglichen Gedächtnisformen in Bild und Text für Frühverstorbene im 15. Jahrhundert zu fragen - auch dies eine zumindest auf Seiten der Kunstgeschichte bislang offene Frage, die einmal mehr aus einer immer noch weithin praktizierten Trennung von Monument-Gattungen zu resultieren scheint.
2. Gedächtnismonumente für Frühverstorbene „Montag Morgen, am 19. Mai 1406, wurde mein erstgeborenes Söhnchen, Alberto, krank und bekam [zunächst] heftiges Nasenbluten. [...] Sein Körper war [bald] aufgedunsen und hart und er schien sich unter Schmerzen zu winden; und kein Herz wäre so hart, daß es nicht um ihn und beim Anblick solcher Schmerzen mitgeweint hätte. Und er empfahl sich vielfach Gott und dessen Mutter, der Jungfrau Maria, und ließ sich die Bildtafel der Lieben Frau vorhalten, die er mit so viel Inbrunst und so vielen Gebeten und Bitten umarmte, daß es kein so hartes Herz gibt, das bei diesem Anblick nicht zu großem Mitleid bewegt worden wäre. [...] Schließlich starb er, [...]. Ich hätte mir nie vorstellen können, daß mich Gott von
2. Gedächtnismonumente
für
Frübverstorbene
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meinem Sohn trennen würde, [...]• Es sind schon viele M o n a t e vergangen seit der Stunde seines Todes, aber weder ich noch seine M u t t e r können ihn vergessen; dauernd haben wir sein Abbild vor uns, wir erinnern alle seine Verhaltensweisen, seine Befindlichkeiten, seine W o r t e und sein Tun, Tag und N a c h t , vom F r ü h s t ü c k bis zum Abendessen, im Haus und draußen, schlafend und wachend [ . . . ] . " 3 S D ü r f t e gerade der vorzeitige Tod von Kindern und Heranwachsenden immer schon als besonders grausamer Schicksalsschlag empfunden w o r den sein, so mehren sich doch mit dem 15. Jahrhundert schlagartig die Belege dafür, daß die untröstlichen Hinterbliebenen durch neuartige Text- und Bildformen die Erinnerung an ihre geliebten Frühverstorbenen intensiv präsent halten wollten. 3 9 D a b e i konnten die Vor-
38 MORELLI 1956, S. 455-459, hier S. 458: „[...] lunedì mattina a dì 19 di maggio 1406, prese male Alberto mio primo figliuolo, con frusso di sangue del naso. [...] Egli avea il corpo infiato e duro e parea ispasimasse di pena: e non è sì duro cuore che non avesse avuto piata de lui, veggendolo in tanta pena. E' si raccomandò moltissime volte a Dio e alla sua madre Vergine Maria, facendosi recare la tavola della Donna innanzi, quella abbracciando con tante invenie e con tanti prieghi e boti, che non è sì duro cuore che non fusse mosso a gran pietà di vederlo. Appresso, e' si raccomandava al padre, alla madre, ai parenti e a chi era presente, con tanta umiltà e con tanta effezione di parole ch'era mirabile cosa. Ultimamente e' si morì, com'è detto; [...] Aveva buona memoria, buona lingua, buona ritenitiva, buono aspetto e gentile e costumato: era un poco peritoso e salvatico. La perdita di questo figliuolo fu dolore inistimabile al padre e alla madre; [...]. Non arei mai potuto ¡stimare che l'avere Idio doviso da me il mio sopra iscritto figliuolo, passando di questa vita ad altra, mi fusse suto e mi sia sì gravoso coltello. Pogniamo che molti mesi sieno già passati dall'ora della sua morte, non si può per me né eziandio pella madre dimenticare; ma di continuo abbiamo la sua immagine innanzi, di tutti i modi, le condizioni, le parole e' suoi fatti ricordandoci, il dì, la notte, a disinare, a cena, in casa, fuori, dormendo, vegghiando, [...]. E questo veramente non avviene perché in quello volontariamente ci specchiamo, ma è il contradio; ca dal dì si partì da noi ci siamo dal pensiero di lui istranati quanto è possibile potere fare, accetto che dall'orazione." - Zu diesen Vorgängen TREXLER 1985, S. 172-185; vgl. auch Richard Trexler, In Search of Father: The Experience of Abandonment in the Recollections of Giovanni di Pagolo Morelli, in: History of Childhood Quarterly, 3, 1975, S. 225-252; zur literarischen Gattung solcher Ricordi und der Familien-Chroniken und Hausvaterliteratur allgemein Christian Bec, Les marchands écrivains: affaires et humanisme à Florence, 1375-1434, Paris u.a. 1967, v.a. S. 53-75 und 263-299; William J. Connell,,Libri di famiglia' and the Family History of Florentine Patricians, in: Italian Culture, 8, 1990, S. 279-292 und Philippe Braunstein, Annäherungen an die Intimität: 14. bis 15. Jahrhundert, in: Geschichte des privaten Lebens, hg. ν. Philippe Ariès / Georges Duby, Frankfurt a. M. 1991, S. 451-522. 39 Die lange gültige Vorstellung, Kinder und Kindheit würden überhaupt erst im 18. Jahrhundert entdeckt' und wichtig, darf als überholt gelten, vgl. etwa Philippe Ariès, Geschichte der Kindheit, München 1975; Storia dell'infanzia, hg. ν. Egle Becchi, Rom 1996, 2 Bde.; speziell zum Florentiner Quattrocento auch KLAPISCH-ZUBER 1985, S. 94-116 - Allerdings findet sich im Quattrocento weiterhin auch traditionellere Trostliteratur, in der die Bedeutung von Kindern relativiert wird, so der Dialog des BALDUS DE TAMBENIS in der Art von Petrarcas De remediis mit zwei Sprechern, von denen der eine stets wiederholt: (1. Teil) „Filium habui", (2. Teil) „Filium admisi", (3. Teil) „Filij mei / Illius morte doleo", teils mit Ergänzung, wogegen der andere ausführlicher Gegenargumente liefert; ζ. Β. fol. 34r: „Illius morte doleo. // aut infelix aut ut beatus erat, si infelix infelitium evitanda sunt consortia, si beatus beatum defiere dementia est. [...]." Fol. 36r: „Illius morte doleo. quia iuvenis mortuus est. // Sibi affuit in media tempestate tranquilitas. animus enim est non tempore sed eternitate dignus." Oder aber ein Gedicht des Leonardo Montagna auf seinen noch nicht vierjährig verstorbenen Sohn Angelo, das auf dem Motiv der von Würmern zerfressenen Leiche basiert, s. DOREZ 1909, S. 465.
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Die Gaben der
Unsterblichkeit
Stellungen von und Klagen über eine mors immatura ein weites Altersspektrum umfassen, von infantes über pueri und puellae bis hin zu adolescentes oder aber iuvenes, also Personen, die im dritten Jahrzehnt ihres Lebens standen.40 Der Florentiner Kaufmann Giovanni di Pagolo Morelli beschreibt jedenfalls den kaum zu verwindenden Schmerz beider Eltern über den Verlust des Söhnchens nicht nur mit den eingangs zitierten, bewegend-persönlichen Sätzen in der Familienchronik. Am ersten Jahrtag des Todes von Alberto - die Trauer und Selbstvorwürfe des Vaters sind ungemindert - vollzieht Giovanni eine Art Selbstbestrafungsritual in Form einer langen Meditation vor dem Kruzifix, vor dem auch sein Söhnchen häufig um Genesung gebetet hatte. In einer daran anschließenden, zunächst beängstigenden, schließlich erlösenden Traumvision erscheint ihm Alberto (anfangs in Vogelgestalt) und kann dem Vater endlich beruhigenden Trost zusprechen. 41 Text und Bild - freilich nicht das Porträt des Sohnes, sondern ein mit ihm eng verbundenes Kruzifix - zusammen dienen dazu, die Erinnerung festzuhalten oder heraufzubeschwören. Zumindest tendenziell scheint sich die neue Bedeutung, die dem frühen Tod von Kindern beigemessen wurde, auch daran zu zeigen, daß nun neben den vielen Beispielen privater Memoria in einigen Situationen auch ein öffentliches Interesse an Frühverstorbenen entsteht, das selbst zur massenhaften Produktion kommemorativer Texte und Bilder führen
40 D i e gängige Einteilung in 7-Jahres-Schritten referiert etwa Martinus Phileticus, In Ciceronem de senectute commentarla, R o m 1482, fol. AAiiir; vgl. insgesamt Creighton Gilbert, W h e n Did a Man in the Renaissance G r o w Old?, in: Studies in the Renaissance, 14, 1967, S. 7 - 3 2 ; Elizabeth Sears, T h e Ages of Man. Medieval Interpretations of the Life Cycle, Princeton 1986. 41 MORELLI 1956, S. 4 7 5 - 5 1 6 : „Già era corso il tempo d'uno benedetto anno, nel quale discorso la perdita del mio diletto figliuolo mai da me s'era potuta dimenticare, ma di continuo in dolore e affrizione, di lui e della sua fortuna ricordandomi, s'era per me il detto tempo trapassato. [...] dinanzi alla figura del crocifisso Figliuolo di D i o , alla quale esso molte volte la salute del corpo raccomandata nella sua infermità avea, a ginocchie ignude e 'n camicia [...] incominciai prima a immaginare e ragguardare in me i miei peccati, [...]. E appresso, considerando con quanta dura, acerba e scura passione Yesù Cristo crocifisso, la cui figura raguardava, [...]. E detto ch'i' ebbi l'orazione sopra scritta con quella divota riverenza che mi fu da D i o conceduta, levatomi in piè, presi con divozione la tavola e ne'propri luoghi basciandola, dove dolcemente il mio figliuolo avea nella sua infermità baciata dopo il molto raccomandarsi della sua sanità racquistare; [ . . . ] . " - Es folgt eine erneute Kreuzmediation, dann geht Morelli schlafen und wird zunächst von einem Alptraum und Schuldgefühlen über zu wenig gezeigte Vaterliebe gequält, auch im Traum bringt das Kruzifix endlich Erleicherung. Daraufhin erscheint ihm eine positive Vision, die darin gipfelt, daß in einer strahlenden LichtErscheinung die Hl. Katharina von Alexandrien umgeben von einer Schar Vögel auftritt: „E questi pensieri proposti nel cuore mio, vedea uno di quelli uccelli con grandissima festa farsi innanzi a questa reina, e quasi tutta intorniandola con dolcissimi boci mi parea disiderasse che essa il pigliasse. E poco istante, questa reina santa gli porse la mano: e questo che parea uccello le venne a' piedi, e divenuto ispirito, mi parea che la sua mano se li posasse sopra il capo. Era questo ispirito come un angelo bianco e risprendea tutto a modo che di razzi d'oro; e volgendosi esso verso di me, mi parve mi facesse festa tutto pieno d'allegrezza. E io assicurato, riguardando più efficacemente, perché lo sprendore m'impedia, mi parve nella faccia il mio dolce figliuolo, per la salute del quale poco dinanzi faticato m'era; e per grande e smisurata letizia parea che il cuore in corpo mi si struggesse d'abbracciarlo e baciarlo. E gridato forte .Figliuolo mio! Alberto mio!', corsi per abbracciarlo; [ . . . ] . " Daraufhin wird Morelli endgültig in seiner Sorge und Trauer von Sohn und Hl. Katharina getröstet. Zur Vogel-Symbolik Georg Weicker, D e r Seelenvogel in der alten Litteratur und Kunst, Leipzig 1902.
2. Gedächtnismonumente
für
Frühverstorbene
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konnte - insbesondere, wenn sich die Todesumstände als ungewöhnlich oder gar gewaltsam darstellten: So geschah es am prominentesten im Falle des zweieinhalbjährigen Simonino, der am 24. März 1475 plötzlich aus seiner elterlichen Wohnung in Trient verschwunden war und dessen Leiche man wenig später grausam gequält und verstümmelt in einem Straßengraben auffand. Des Ritualmordes verdächtigt wurde sofort die jüdische Gemeinde der Stadt, die in einem europaweit Aufsehen erregenden Prozeß schließlich unter Folter .gestand' und zur Strafe vollständig ausgelöscht wurde (die Männer getötet, Frauen und Kinder vertrieben).42 Da sich der Papst, Sixtus IV., diesem Vorgehen zunächst entgegengestellt hatte, schließlich aber dem wachsenden Propaganda-Druck der Gegenseite nachgeben mußte, die den kleinen Simon zum Märtyrer emporstilisieren wollte und dazu in weiser Voraussicht der Wirkung die neue Technik der Druckerpresse in Trient einführte, müssen Texte und Bilder des Knaben insbesondere auch die Ewige Stadt (ein Jahr nach dem Tod des Alessandro Cinuzzi) geradezu überschwemmt haben.43 Ein jüngst entdeckter Einblattdruck, der um 1476 entstand und mit zu den ersten Erzeugnissen dieser Massenpropaganda zugunsten Simons zählt, präsentiert sich dabei den Gläubigen als .Grabbild' (Abb. 3): Ein zweispaltig gedrucktes Epitaphium gloriosi pueri Symonis tridentini novi martiris skizziert Leben und Martyrium des Jungen aus der Ich-Perspektive, darunter erscheint der neue „Beatus" im Bild auf seinem Himmelsthron, von Engeln mit der Märtyrerkrone ausgezeichnet, zudem mit Palme und attributiver Marter-Zange.44 Gedächtnis-, Verehrungs- und Andachtsfunktion fallen so bei dieser Darstellung des angehenden Kinder-Heiligen zusammen. Sieht man freilich von solchen spektakulären Sonderfällen ab - mit welchen anderen (neuen) Formen der Memoria für Frühverstorbene wird im 15. Jahrhundert experimentiert? Zunächst seien die naheliegenden und verbreitetsten Gedächtnisträger, die Grabmonumente, Epitaphien und Grabsteine, betrachtet: In Italien sind bis um 1500 aufwendige, figürliche Sepulkralmonumente für Frühverstorbene sehr selten.45 Um nur die Situation in Rom etwas genauer zu betrachten: Ob der päpstliche Protonotar Lorenzo Colonna, der 1484 auf Befehl Sixtus' IV. enthauptet wurde und dessen fragmentarisch erhaltenes Grabmonument in SS. Apostoli eine jugendlich-ideale Büste im Clipeus zeigt, noch als iuvenis galt, läßt sich 42 Aus der umfangreichen Literatur dazu seinen nur zwei neuere Zusammenfassungen genannt: Ronni Pochia Hsia, Trient 1475. Geschichte eines Ritualmordprozesses, Frankfurt a. M. 1997 [engl. O r i ginalausg. 1992] und Wolfgang Treue, D e r Trienter Judenprozeß. Voraussetzungen - Abläufe Auswirkungen ( 1 4 7 5 - 1 5 8 8 ) , Hannover 1996. 43 Zu R o m Diego Quaglione, Propaganda antiebraica e polemiche di Curia, in: U n pontificato ed una città 1986, S. 2 4 3 - 2 6 6 und ergänzend zu den anfänglichen Regulierungsversuchen und Verehrungsbzw. Darstellungs-Verboten Sixtus' IV. ESCH 2006, S. 295 f. 44 Zu diesem Blatt mit den Maßen 29,5 Χ 15,5 cm s. EISERMANN 2004, Bd. 3, S. 557 (T-12) und die unpublizierte Magisterarbeit von U r t e Krass, Simon von Trient (gest. 1475). Funktionswandel seines Bildes in der Druckgraphik bis um 1500, Hamburg 2003. 45 Vgl. das Grabmal für den kleinen Guarnerio Castracani degli Antelminelli in S. Francesco in Sarzana, signiert und datiert 1328 von Giovanni di Balduccio, s. Niveo del marmore. L'uso artistico del marmo di Carrara dall' X I al X V secolo, hg. v. Enrico Castelnuovo, Genua 1992, S. 3 2 4 - 3 2 7 (Kat. 119); dieses Beispiel nicht bei Sabine Runde, D i e Entwicklung des figürlichen Kindergrabmals vom Mittelalter bis zum Ende der Hochrenaissance, Diss. 1982, Frankfurt a. M. 1986, die Bd. 1, S. 6 8 - 7 0 nur ein Trecento-Grab in Neapel anführt (zu ergänzen wäre etwa auch ein Kinder-Sarkophag der Familie Caracciolo aus dem 2. Viertel des 15. Jh.s im Museo Nazionale di San Martino, Neapel, Inv. 29829).
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Die Gaben der
Unsterblichkeit
If •»•Mn» ¡ i M l m r · , B p j · · r, ¡mtimmímttm» S M r w Α fp»· : qu» neper m vitr rrtlfι 4ΤΙΛΓΈ·ΗΙί j UCEO HOCWHOWIU.SI rVLCHRt. j J f I RV5 DICíNATI'S-ϊ ST
Abb. 6
G r a b m a l f ü r den H u n d des H e r z o g s von Mantua, Rubino. SBB, Ms. Harn. 26, fol. 126v
f ü r l i e f e r t e d i e A n t i k e d a s V o r b i l d e r - e t w a M a r t i a l m i t e i n e m G e d i c h t (I, 109) auf s e i n v e r s t o r b e n e s H ü n d c h e n Issa u n d d e r e n M e m o r i a l b i l d n i s . U n t e r die b e r ü h m t e s t e n Fälle v o n H u n d e g r a b m ä l e r n d e r R e n a i s s a n c e r e c h n e t d e r a m 7. A u g u s t 1462 w o h l a n A l t e r s s c h w ä c h e g e s t o r b e n e L i e b l i n g s h u n d des L u d o v i c o II. G o n z a g a v o n M a n t u a n a m e n s R u b i n o , f ü r dess e n E p i t a p h , d a s d e r H e r z o g u n v e r z ü g l i c h i n e i n e m Brief a u f z u s t e l l e n b e f a h l , h i e r e r s t m a l s ein B i l d z e u g n i s v o r g e l e g t sei ( A b b . 6). 5 9 A b e r a u c h , p o e t i s c h e M o n u m e n t e ' w u r d e n g e s e t z t :
pulcrorum cum Epigraphis ..., o . O . 1579, Nr. 125; zu Renaissance-Monumenten f ü r Kurtisanen s. D o m e n i c o Gnoli, L'epitaffio e il m o n u m e n t o d'Imperia cortigiana, in: N u o v a Antologia, 207, 1906, S. 469-476; A r t u r o Graf, U n a cortigiana fra mille: Veronica Franco, in: ders., Attraverso il Cinquecento, Turin 1926, S. 175-295, hier S. 222 f.; zu den Funeralgedichten auf Imperia s. Giuseppe L. Moncallero, Imperia de Paris nella R o m a del Cinquecento e i suoi cantori funebri, R o m 1962. - Epitaphien f ü r H u n d e („sexcenta essent huius generis epitaphia recensenda"), teils aus der Anthologia Graeca und den Carmina Latina Epigraphica, bei Ulisse Aldrovandi, D e quadrupedibus digitatis viviparis libri tres et de quadrupedis digitatis oviparis libri duo, Bologna 1645, S. 524 f.; antike Grabmäler f ü r Pferde erwähnen P o m p o n i u s Laetus, s. ZABVGHIN 1909-1912, Bd. 2, S. 77, u n d P O N T A N O 1 9 9 9 , S. 1 1 8 .
59 SBB, Ms. H a m . 26, fol. 126v; allerdings sind f ü r die A b b i l d u n g sowohl angesichts der stilistisch fortgeschrittenen Architektur der Ädikula als auch der Lokalisierung des M o n u m e n t s in R o m (zudem als .antik' vorgestellt?) Zweifel angebracht, ob der Kopist der H a n d s c h r i f t aus U n k e n n t n i s des Originals hier nicht einfach ein Grabmal erfunden hat. - D e r Brief Gonzagas und die bisherigen Informationen zu R u b i n o u n d anderen Grabmälern f ü r H u n d e bei R o d o l f o Signorini, A dog named
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Die Gaben der
Unsterblichkeit
Nachdem der Alterstod des Schoßhundes von Papst Paul II., Zaccharina, selbst durch dessen Leibarzt Cristoforo di Piacenza nicht mehr aufzuhalten gewesen war, wurde ,Zuckerchen' in einem Memorial-Gedicht des Humanisten Giannantonio Campano verewigt. Bereits der Vorgänger auf dem Thron Petri, Pius II., hatte den frühen Tod seines Hündchens Musetta in den Commentarli als Exemplum herangezogen und dem Tier so ein literarisches Monument gesetzt; wenige Jahrzehnte sollte dann das 1512 verstorbene Hündchen Aura der Isabella d'Esté sogar eine ganze Gedichtsammlung erhalten.60 Es existierten neben Grabmälern und Epitaphien aber auch noch andere, ergänzende Möglichkeiten, die Memoria an ein totes Kind - und speziell im Kirchenraum - präsent zu halten: So stiftete Giovan Battista Scappi in den 1490er Jahren eine Sacra Conversazione für die Familienkapelle in der Bologneser Annunziata-Kirche als Erinnerungsbild für seinen mit circa zwanzig Jahren - „viel zu früh" - verstorbenen Sohn; eine große Inschrift im Bild erinnert jeden Betrachter an den Anlaß: J O A N N E S SCAPPVS OB IMMATVRVM / LACTA[n]TII FILII OBITVM PIENTISSIME / AFFECTVS HOC VIRGINI DIVO Q[ue] PAVLO / DICAVIT" (Abb. 7).61 In Raffaels Pala Baglione in Perugia agiert dagegen das geliebte Kind als Grabträger Christi, wobei keine Inschrift, wohl aber das aus der Reihe von Idealgesichtern herausstechende Porträt des Sohnes die Auftraggeberin an ihren Liebling erinnerte.62 Erneut ist jedoch Rom der Ort besonders ausgefallener Gedächtnisformen. Als etwa am 18. Oktober 1473 der siebenjährige Marco Antonio, Sohn des Bildhauers Andrea Bregno, aufgrund der Fahrlässigkeit seiner Aufsichtsperson tödlich verunglückte, nutzte der Vater die Möglichkeit, seine Signatur am gerade fertig gestellten Hochaltar von S. Maria del Popolo anzubringen, um diese in eine Gedenkinschrift für das geliebte Kind umzuwandeln. Der Text rechnete dabei offenbar weniger mit der allgemeinen Sichtbarkeit als mit der Privilegiertheit des Ortes und also mit dem besonders wohlwollenden Blick Gottes, Mariens und des Klerus eben auf den Hochaltar dieser Kirche.63 Marcantonio Altieri
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Rubino, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 41, 1978, S. 317-321; ergänzend ders., Dittico Mantegnesco. I. Sulla frequentazione antica della Camera Dipinta del Mantegna e una .figliola' del cane Rubino, in: Civiltà Mantovana, 27, 1992, S. 77-82. - Zum Hund ( c y g n o s ) auf dem Grabmal des Kynikers Diogenes, wie es Diogenes Laertios, 6, 78 beschreibt, s. A L B E R T I 1966, S. 697 (Vili, 4) und BSB, Monac. lat. 716, fol. 232r-234v. Zu Zaccharina C A M P A N U S 1495, carm. VIII, 3: „Ad Paulum .ii. de Catella"; zu Musetta, „nondum menses nata undecim", die innerhalb kürzester Zeit zweimal aus Lebensgefahr gerettet wurde, diesen Vorzeichen eines frühen Todes dann bei der dritten Gefahr aber erlag, s. Pius II., Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, hg. v. Adrian van Heck, 2 Bde., Città del Vaticano 1984, hier Bd. 2, S. 712; zu Aura s. Luzio / R E N I E R 1899-1903, hier 20/39, 1902, S. 229 f.; vgl. auch Jan Papy, Lipsius and his dogs: humanist tradition, iconography and Rubens's Four Philosophers, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 62, 1999, S. 167-198. Das Gemälde stammt von Francesco Francia, heute Bologna, Pinacoteca Nazionale, inv. 571, s. Emilio Negro / Nicosetta Roio, Francesco Francia e la sua scuola, Modena 1998, S. 146 f. (Kat. 15): Der Sohn wurde am 29. Aug. 1475 geboren, die Datierung der Tafel schwankt zwischen ,vor 1495' und ,um 1499'. Zusammenfassend Hubert Locher, Raffael und das Altarbild der Renaissance. Die ,Pala Baglione' als Kunstwerk in sakralem Kontext, Berlin 1994. ,,DV[m] ANDREAS H O C OPVS COMPONIT M. ANTONII DILECTI PARCA REPENTI IND[o]LIT CVSTODVM IN / CVRIA MORITVR QVI VIXIT ANNOS VII MENSES V i l l i DIES XXIIII HORAR X / M.CCCC.LXXIII D. XVIII OCTOBRIS." - Zu Inschrift und Hoch-
2. Gedächtnismonumente
Abb. 7
für
Frühverstorbene
27
F r a n c e s c o F r a n c i a , Sacra C o n v e r s a z i o n e des G i o v a n n i B a t t i s t a Scappi. Bologna, Pinacoteca Nazionale
dagegen, bekannt als Chronist der römischen Intellektuellenzirkel der Jahre um 1500, ließ einem antiken Grabaltar durch eine neue Inschrift zum Gedenkmonument für seinen 1501 verstorbenen Sohn Candido umarbeiten (Abb. 8). Bemerkenswerterweise diente der Altar jedoch - im Unterschied zu den Heerscharen seit langem zweitverwendeter und mit neuen Inschriften versehener antiker Sarkophagen - nicht als Grabmal, das sich für Candido wohl bei der Familiengrablege in S. Maria sopra Minerva befand, sondern verblieb offenbar immer im Haus der Altieri als Gedenkstein und Teil der Antikensammlung, für die Marcantonio in seinem Testament von 1513 wiederum festlegte, daß sie als unveräußerlicher Familienbesitz das Haus und Geschlecht auf ewig „zieren" sollte. H Altieris Vorgehen war
aitar s. U m a n e s i m o e p r i m o R i n a s c i m e n t o in S. M a r i a del P o p o l o , hg. ν. R o b e r t o C a n n a t a u . a , R o m 1981, S. S. 23 f. u n d S. 99; KÜHI.HNTHAL. 1 9 9 7 / 9 8 , S. 1 8 3 - 1 9 4 ; T h o m a s Pöpper, A n d r e a B r e g n o s H o c h a l t a r ä d i k u l e n in S. M a r i a del P o p o l o ( R o m ) u n d Santa M a r i a della Q u e r c i a (bei V i t e r b o ) , in: M e d e d e l i n g e n van het N e d e r l a n d s Instituut te R o m e , 59, 2 0 0 0 , S. 2 5 1 - 2 7 8 . 64
A b b i l d u n g v o n A l t a r und I n s c h r i f t in D o s i o s S k i z z e n b u c h : „ D
M / CANDIDO ALTERIO /
PATRIAE A E Q U E P A R E N / TIBVS C A R I S S I M O / V I X A N XVIIII M VIII / M A N T O N I V S A L T E R I V S / F I L I O V N I C E D I L E C T O . " D a s Z e i c h n u n g s b l a t t gibt auch die P r o v i n i e n z an: „II s o p r a d e t t o D . M . è in casa di m. meli altieri in su la piazza del J e s ù , A n t i c o B e n c h e le lettere siano m o d e r n e " . D a z u C h r i s t i a n H ü l s e n , D a s S k i z z e n b u c h des G i o v a n n a n t o n i o D o s i o im staatlichen K u p f e r s t i c h k a b i n e t t zu B e r l i n , B e r l i n 1933, S. 54 zu Taf. C X L V I I I (fol. 159v); der A l t a r n o c h m a l s
28
Abb. 8
Die Gaben der
Unsterblichkeit
Giovanantonio Dosio, Skizzenbuch, daraus: Antiker Grabaltar mit Renaissance-Inschrift für Candido Altieri. SBB, Ms. lat. Fol. 6In., fol. 159v
d a b e i n i c h t in j e d e r H i n s i c h t n e u : B e r e i t s 1471 h a t t e n z w e i j u n g e S c h ü l e r d e s P o m p o n i u s Laetus, eben unser M a r c a n t o n i o selbst u n d Gaius A n t o n i u s Septimuleius, d e m verehrten M e i s t e r z u L e b z e i t e n v o r d e n T o r e n d e r S t a d t a n d e r V i a A p p i a u n d e i n g e r e i h t in d i e a n t i k e n Grab- u n d G e d ä c h t n i s m o n u m e n t e eine ehrende Inschrift, ohne jeden figürlichen oder ornam e n t a l e n S c h m u c k , g e s e t z t . 6 5 G a n z ä h n l i c h l i e ß f ü r d e n 1478 m i t n u r 32 J a h r e n v e r s t o r b e abgebildet bei Jean J. Boissard, Romanae Urbis Topographia, Frankfurt a. M. 1597, Bd. 5, S. 18; zu Candido Alteri auch Laura Onofri, in: Marc A. Altieri, Li Baccanali, Rom 2000, S. XXV. - Zu Marcantonio Alteris Testament vom 13. Oktober 1513 und der Formulierung „pro singulari domus nostre ac totius Alteriorum familie ornamento" s. Kathleen Wren Christian, The De' Rossi Collection of Ancient Sculpture, Leo X, and Raphael, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 65, 2002, S. 132-200, hier S. 158-164; daß dieser Wunsch nach Unveräußerlichkeit der Antikensammlung keinen Sonderfall darstellte, zeigt das Testament von Gabriele de' Rossi, ESPOSITO 2004, S. 330 f. - Vgl. auch den ,antiken' Gedenkstein auf einen „filius dulcissimus" bei MAZOCHIUS 1521, fol. LXXIIIIr. und den zum Gedenkstein umfunktionierten antiken (und mittelalterlichen) Cippus im Kreuzgang von S. Giovanni in Laterano, den Giuliano Dati seinen „NEPOTIBVS I N M A T V R A M O R T E SVBLATIS" angeblich im Jubeljahr 1500, in Wirklichkeit aber mindestens 18 Jahre später setzt, dazu Giovanna Curcio, Giuliano Dati: „Conincia el tractato di santo Ioanni Laterano", in: Scrittura, biblioteche e stampa 1983, S. 271-304. 65 „D M S / IVLIO P O M P O N I O QVI VIXIT / D O N I C V M FATA PERMISERVNT / M A N T O NIVS ALTERIVS ET / C A N T O N I V S SEPTIMVLEIVS / DE VOTI / Β M VIA APPIA POSVERVNT" - Dazu Ν. Petrucci, Pomponio Leto e la rinascita dell'Epitaffio antico, in: Vox Lapidum: dalla riscoperta delle iscrizioni antiche all'invenzione di un nuovo stile scrittorio (Eutopia,
2. Gedächtnismonumente
für
Frühverstorbene
29
nen Domizio Calderini, trotz seines geringen Alters einer der berühmtesten und am meisten angefeindeten Humanisten des römischen Gelehrtenkreises der 1470er Jahre, der Vater in der Geburtsstadt Torri del Benaco am Ufer des Gardasees um die Jahreswende 1479/80 eine 280 cm hohe, beidseitig beschriftete Gedenkstele all'antica errichten, deren eines Lobgedicht der mit Calderini befreundete Angelo Poliziano geliefert hatte. 66 Wobei die an dieser Gedenkstele verwendete Form des römischen Cippus mit halbrundem Abschluß und Akroteren bzw. Voluten offenbar unmittelbar zuvor wiederum in Rom in den Formenkanon der Renaissance-Gedächtnismonumente eingeführt worden war: Bartolomeo Platina hatte seinem 1478 oder 1479 verstorbenen Bruder Stefano ein so gestaltetes Grabmal in S. Maria Maggiore gesetzt, nachdem bereits auf dem Titelblatt seiner Vitae Pontificum, ,Text-Denkmäler' der Päpste also, ein entsprechendes gemaltes Monument prangte. 67 Porträts der Frühverstorbenen sind im Kontext der bislang vorgestellten GedächtnisObjekte selten, trotz der allgemeinen Anlehnung an antike Sepulkralmonumente, auf denen sich Kinderbildnisse häufiger finden. Allerdings mag dieser Eindruck zum Teil auch daraus resultieren, daß Fertigungsanlaß und Funktion der aus dem Quattrocento bekannten Konterfeis von Kindern und Jugendlichen heute weitgehend unbekannt sind: So läßt sich etwa bislang nur darüber spekulieren, ob die nicht unbeträchtliche Reihe von (vor allem toskanischen) Kinderbüsten der zweiten Hälfte des Jahrhunderts möglicherweise ähnlich den Deschi da parto als Talismane bzw. Apotropaia im Haus aufgestellt wurden oder nicht doch (auch) kommemorative Funktionen für verstorbene kleine Lieblinge übernahmen. 68 Bei einer farbig gefaßten Büste eines Kleinkindes, die möglicherweise Francesco Laurana zwischen 1476 und 1483 fertigte, könnte jedenfalls der kränklich-maskenhafte Gesichtsausdruck auf ein posthumes Bildnis hinweisen (Abb. 9). 69 Wieder scheint Rom eine Ausnahme darzustellen: In vier Exemplaren erhalten hat sich eine wohl dort in den Jahren um 1500 gefertigte, etwa 15 cm hohe Bronzeplakette mit der Büste eines Jugendlichen in antikischer Gewandung über einem Inschriften-Parapetto (Abb. 10). Sein abgekürzt mit „Asto." angegebener N a m e hätte etwa auf Astorre oder Astolfo lauten können. Die nicht mehr eindeutig aufzulösenden, auch schon bei den Zeit3/1-2), 1994, S. 19-44; A. Lunelli, Pomponius Sabinus alias Pomponius Laetus: perché Sabinus. C o n osservazioni sul Ms. Corsiniano 1839 (43 F 21) e su C I L VI/5, 3477*, in: Filologia umanistica 1997, Bd. 2, S. 1207-1222, hier S. 1221 f.; MAGISTER 1998, S. 173 f. (Nr. 2); Roma di Alberti 2005, S. 327. - Vgl. für Alteris Verehrung Laetus gegenüber auch R. Bernardini, Ventuno falecii di Marco Antonio Altieri in onore di Pomponio Leto nel Oliveriano 958, in: Studi Oliveriana, 9, 1971-1982, S. 47-59 und Altieri 1995, App. IV, S. 72*, wo unter anderem in den Testamenten Altieris festgelegt wird, daß die Gedächtnisfeiern für ihn auch den Freunden Laetus und Piatina gelten sollen. 66 WEISS 1960b; Il Giardino di San Marco 1992, S. 100-102; CAMPANELLI 2001, S. 3f. und S. 81 zu den sieben Büchern, die Calderini ins Grab gelegt wurden. 67 Antonio Campana, Antonio Biado e Bartolomeo Platina, in: Miscellanea bibliografica in memoria di don Tommaso Accurti, R o m 1947, S. 39-50; U n pontificato ed una città 1986, S. 450 f. und 476 f. 68 Eine Zusammenstellung bei Arnold V. Coonin, Portrait Busts of Children in Quattrocento Florence, in: Metropolitan Museum Journal, 30, 1995, S. 61-71; Überlegungen zur Funktion bei JOHNSON 2000, S. 220 f. 69 Avignon, Musée Calvet, auf 1476/83 datiert von Chrysa Damianaki, in: In the Light of Apollo 2003, Bd. 1, S. 206 f. (Kat. 11.17); diese und eine weitere Kinderbüste (im Museum von Aix-en-Provence) abgeschrieben von Hanno-Walter Kruft, Francesco Laurana, ein Bildhauer der Frührenaissance, München 1995, S. 175.
Die Gaben der
30
Abb. 9
Unsterblichkeit
Francesco Laurana (?), Kinderbüste. Avignon, Musée Calvet
g e n o s s e n einen e i n g e w e i h t e n R e z i p i e n t e n k r e i s v o r a u s s e t z e n d e n T e x t - A n g a b e n lassen sich z u m i n d e s t s o w e i t v e r s t e h e n , d a ß die E l t e r n d a m i t an i h r e n „ s ü ß e n S o h n " , der m i t f ü n f z e h n J a h r e n v e r s t a r b , e r i n n e r n w o l l t e n . 7 0 E i n V o r z u g d i e s e r v o r b i l d l o s e n D a r s t e l l u n g in F o r m e i n e r P l a k e t t e d ü r f t e die M ö g l i c h k e i t l e i c h t e r V e r v i e l f ä l t i g u n g g e w e s e n sein, so d a ß das G e d ä c h t n i s - B i l d n i s des S o h n e s an m e h r e r e n O r t e n p r ä s e n t sein k o n n t e . J u s t dieser V o r z u g a b e r z e i c h n e t e in n o c h viel h ö h e r e m M a ß e das n e u e M e d i u m der M e d a i l l e aus. D a h e r d i e n t e a u c h gleich eine der e r s t e n in R o m g e f e r t i g t e n M e d a i l l e n d i e s e r
Memorialfunk-
t i o n ( A b b . 11): D a s s e h r w a h r s c h e i n l i c h E n d e d e r 1 4 4 0 e r J a h r e v o n V a r r o n e
d'Agniolo
B e l f e r d i n o , e i n e m G e h i l f e n F i l a r e t e s , m o d e l l i e r t e E x e m p l a r zeigt eine u n b e k a n n t e ältere,
70 Ein zugehöriges Grabmal war in R o m nicht auffindbar - die Plaketteninschrift lautet: „ · D[eo] • Mfaximo] · G · L · F · P A R E N T E S · A S T O · / · Efphebo?] · F I L I O · D V L C I S I M O · V I X I T · A N N I · X V · " - Die vier Exemplare im Museo Nazionale del Bargello, Florenz, Inv. 216B (150 Χ 134 mm) und 220B (149 χ 134 mm); im Museo Nazionale, Ravenna, Inv. 10747 (V.l. n. 252) und in den Staatlichen Museen zu Berlin (Inv. 994, erworben aus der Sammlung Bandini, Florenz) (154 Χ 137 mm); dazu TODERI / VANNEL TODERI 1996, S. 163 f. (Nr. 302 f.); Piccoli bronzi e placchette del Museo Nazionale di Ravenna, hg. v. Luciana Martini, Ravenna 1985, S. 73 (Nr. 21); E. F. Bange, Die italienischen Bronzen der Renaissance und des Barock II: Reliefs und Plaketten (Staatliche Museen zu Berlin. Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen), Berlin/Leipzig 1922, S. 27 (Nr. 211): „Ursprünglich vielleicht auf einen Denar mit der Inschrift Sors zurückgehend, den Dressel, Zeitschr. f. Numismatik X X X I I I , S. 24 besprochen hat." - Daß es sich bei allen Stücken um späte Fälschungen bzw. Nachgüsse handelt, wird durch eine Erwähnung im Florentiner Inventario della Galleria von 1769 ausgeschlossen; dagegen scheint mir ein anderes Exemplar einer Jünglingsbüste in Relief (TODERI / VANNEL TODERI 1996, S. 124 f. [Kat. 223]) sehr zweifelhaft.
2. Gedächtnismonumente
A b b . 10
für
Friihverstorbene
31
Plakette für den Jüngling „ A S T O . " (Bronze). Berlin, B o d e - M u s e u m S M P K
o f f e n b a r jüngst v e r s t o r b e n e Frau, die ausnahmsweise den B e t r a c h t e r ihrer Medaille direkt anspricht:
„MEIP[s]AM
PE[re]N[ne] M E M O R
RESPICE
ET
FORMAM
HABEBIS
VIVE
ET
VALE
ET
E S T O " - eine Inschrift, die ich gegen die bisherige F o r s c h u n g
f o l g e r n d e r m a ß e n aufzulösen v o r s c h l a g e : 7 1 „Sieh mich an und D u hast meine [äußere] E r scheinung [erfaßt]; lebe, laß es D i r gut gehen und denke auf ewig an m i c h ! " Z u n ä c h s t zielt auch diese Medaille o h n e N a m e n s n e n n u n g - ähnlich der , A s t o . ' - P l a k e t t e - auf ein wissendes P u b l i k u m , d . h . auf die B e k a n n t e n der Verstorbenen. D e r Appell zu ewigem G e d ä c h t n i s rekurriert darüber hinaus auf die Vorstellung, w o n a c h ein Bildnis (nur) die äußere Gestalt überliefern k ö n n e , die sodann in der .lebendigen' E r i n n e r u n g des B e t r a c h t e r s um die seelisch-charakterlichen Eigenschaften der Dargestellten ergänzt werden müsse. D i e an diesem Beispiel besonders explizit thematisierte M e m o r i a l f u n k t i o n von Medaillen, auf die n o c h ausführlich einzugehen sein wird, findet bald auch A n w e n d u n g auf F r ü h v e r s t o r b e n e
-
zunächst in indirekter F o r m : D e n n als 1448 in B o l o g n a Camilla M a l v e z z i an der Pest stirbt, läßt ihr adeliger G e l i e b t e r G a l e a z z o M a r e s c o t t i von einem Verwandten, A n t o n i o M a r e s -
71
H . 1 1 4 7 , d e r das S t ü c k u n t e r d e n a n o n y m e n M e i s t e r n r u b r i z i e r t u n d die A b k ü r z u n g „ P E N " falsch a u f l ö s t ; d a g e g e n k a n n WALDMAN 1 9 9 2 , S. 1 1 4 f., n a c h d e m SPENCER 1 9 8 8 e i n e z u v o r u n b e k a n n t e , s i g n i e r t e M e d a i l l e des V a r r ò d ' A g n i o l o p u b l i z i e r t h a t , Z u s c h r e i b u n g u n d A u f l ö s u n g d e r I n s c h r i f t b e r i c h t i g e n ; a l l e r d i n g s s c h e i n t m i r d a n n a b e r seine U b e r s e t z u n g n i c h t das G e m e i n t e z u t r e f f e n : „ R e f l e c t u p o n m e and y o u will p o s s e s s b e a u t y ; live, a n d b e w e l l , and a l w a y s r e m e m b e r [ m e ] . "
32
Die Gaben der
Abb. 11
Unsterblichkeit
Vairone d ' A g n i o l o Belferdino, Medaille auf eine verstorbene Frau (Bronze, nach H . 1147)
cotti, eine Medaille fertigen, die nicht ihr Bildnis, sondern sein eigenes auf dem Avers zeigt, auf dem Revers ergänzt um Galeazzos anläßlich dieses trauigen Ereignisses neu angenommene Imprese: eine Säule, die durch einen Blitzeinschlag zerbirst (Abb. 12). Das Sinnbild steht für die Verstorbene, die - wie Galeazzo in einer Cancione dolorosa mitteilt - ihm eigentlich als „feste Säule" seines Lebensweges hätte dienen sollen und die nun, in Anlehnung an Petrarcas Klage über den Tod der Laura in Sonett 269: „Rotta e l'alta colonna", geborsten an Tod und Verlust erinnert. 72 Tatsächlich das Porträt einer Frühverstorbenen könnte dann auf der berühmten ,DIVA IVLIA'-Medaille wiedergegeben sein (Abb. 13): Deren Stil verbindet zwar florentinische Porträtkonventionen mit einer norditalienischen Modellierung, aber sie zeigt möglicherweise ein Mitglied der römischen Adelsfamilie der Astalli. Entstanden sein dürfte sie in den 1480er Jahren. 73 Der melancholisch gesenkte Blick des Mädchens in Verbindung mit dem aus Flammen aufsteigenden Phoenix auf dem Revers, Symbol der Auferstehung und des ewigen Lebens, scheinen ebenfalls auf eine posthume Gedächtnisgabe hinzuweisen. Das bisher zu Memorial-Objekten Gesagte zusammenfassen und um einen wichtigen Aspekt ergänzen kann eine Unterhaltung in Angelo Decembrios De politia Iliteraria (niedergeschrieben in den 1450er Jahren, aber vorgeblich frühere Ereignisse referierend): Die Diskussion einer Humanisten- und Höflingsrunde um den Fürsten Leonello d'Esté kreist unter anderem um die Frage des Nachruhms vermittels Schriften und Kunstwerken, wobei insbesondere das Beispiel antiker Münzbildnisse behandelt wird. Zum Abschluß des Gesprächs lenkt einer der Teilnehmer, der junge Ferrareser Dichter Tito Strozzi, das Gespräch wieder zurück auf die Gegenwart, indem er die beiden ständig mitgeführten und ihm Trost 72 H.86; die Cancione
und Deutung des Sinnbildes - ohne H i n w e i s auf Petrarca - bei FRATI 1895,
S. 3 1 2 - 3 1 6 u n d S. 349.
73 H.218; vgl. die kritische Zusammenfassung der Forschung von Alison Luchs, in: C u r r e n c y of Fame 1994, S. 84 f. (cat. 19a); außerdem Eleonora Luciano, in: Virtue and Beauty 2001, S. 121-123 (Kat. 8) und z u m größeren Kontext SYSON 1997b.
2. Gedächtnismonumente
A b b . 12
für
Frühverstorbene
33
A n t o n i o M a r e s c o t t i , Medaille für G a l e a z z o M a r e s c o t t i auf den T o d der G e l i e b t e n ( B r o n z e ) . Privatsammlung
A b b . 13 spendenden
M a n t u a n e r K ü n s t l e r (?), D I V A I V L I A ( B r o n z e ) . W a s h i n g t o n , N a t i o n a l G a l l e r y Andenken
an seine j ü n g s t
verstorbene,
jungfräuliche
nämlich eine b l o n d e H a a r l o c k e , gleichsam eine fetischhaft-magische
Angebetete
herzeigt,
Körperreliquie,
und
ein D ö s c h e n mit i h r e m „ b e i n a h e l e b e n d i g " s c h e i n e n d e n B i l d n i s ( w o b e i w e d e r M a t e r i a l und T e c h n i k des D ö s c h e n s n o c h des Bildnisses g e n a u e r spezifiziert w e r d e n ; bei d e m
Porträt
d ü r f t e es s i c h a b e r w o h l n o c h n i c h t u m e i n e M e d a i l l e , f ü r d i e d a n n a b d e m s p ä t e r e n 15. J a h r h u n d e r t solche A u f b e w a h r u n g s - D ö s c h e n d o k u m e n t a r i s c h vielfach n a c h g e w i e s e n sind, sond e r n e h e r u m M a l e r e i o d e r e i n e W a c h s s k u l p t u r in M e d a i l l e n - ä h n l i c h e r haben).74 Ein vergleichbares ,Gedächtnis-Behältnis' 74
Form
gehandelt
mit farbigem W a c h s - B i l d n i s und
In-
BAXANDALI. 1963, S. 325 f.: „At Titus facete concludens adiecit E t ego non ex r o m a n o r u m antiquis m o n u m e n t i s : sed ex ferrariensium puellarum novis insignibus vultum habeo virginis minima c o m -
34
Die Gaben der
Unsterblichkeit
schrift hat sich im übrigen aus den Jahren vor 1502 erhalten, wenngleich aus einem anderen Kontext: Es zeigt den für seine Anhänger jüngst zu unrecht hingerichteten, vielmehr im Ruch der Heiligkeit stehenden Fra Girolamo Savonarola, modelliert nach dem Vorbild oder sogar parallel zu seiner Medaille und wohl beidesmal vom gleichen Künstler, Francesco della Robbia (?). Wobei auch in diesem Fall neben verschiedenen Porträtmedien .materielle Reliquien' (etwa Kleidungsstücke) der Erinnerung, Verehrung, ja ,körperlichen Teilhabe' an der Gnadenkraft des Mönchs dienten (Abb. 14). 75 Ein weiteres Beispiel für eine solche Dose aus Elfenbein oder Edelholz mit Bildnis der Geliebten - und zugleich erstes Indiz dafür, daß Strozzis Objekt keine literarische Erfindung darstellte - liefert das Porträt wohl des Grafen Fortunato Martinengo Cesaresco, von M o retto da Brescia um 1542 gemalt, auf dem der in Melancholie versunkene Adlige eben über einem solchen vor ihm geöffnet auf dem Tisch liegenden Döschen den Blick in die Ferne schweifen läßt (daneben ein zweites, geschlossenes Behältnis). Die Frage, wessen Porträt er betrachtet hat, läßt sich möglicherweise mittels der griechischen Inschrift seiner goldenen Hut-Enseigne lösen: Wenn sich diese nicht nur als „Ach, ich erstrebe/erhoffe zu viel", sondern auf einer zweiten, versteckten Ebene auch als Anspielung auf den Namen einer Geliebten („Julia") verstehen läßt, dann dürfte es sich bei dem Bildnis in dem Holzdöschen nicht um eine weitere antike Kaisermünze handeln, von denen zwei andere auf dem Tisch liegen, sondern um das Konterfei eben dieser Geliebten, über dem der junge Mann in Liebesschmerz meditiert (Abb. 15). 76 Vorgeschlagen sei hier außerdem, auch das wohl im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts entstandene Botticelli-Porträt eines jungen Mannes, der heute ein Heiligenbild vorzeigt (Washington, National Gallery), in diesem Kontext zu verstehen (Abb. 16). 77 Das pactum in pyxide aurea coma, pro cuius nuper interim, cum lacrymabile carmen excudissem. H o c quoque teneo perpetuae memoriae testimonium in quo nihil videtur praeter vocem deesse. Simul haec dicens pyxidem virginei vultus aperuit: omnibus dulce spectaculum." Vgl. jetzt die Gesamtausgabe DECEMBRIO 2002, S. 4 2 5 - 4 3 2 (VI, 68). - Zur erotischen Magie goldblonder Haare etwa RINALDI 1588, S. 51 f.; zusammenfassend Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. v. Hanns Bächtold-Stäubli, Bd. 3, Berlin/Leipzig 1930/31, Sp. 1 2 3 9 - 1 2 8 8 (Hanns Bächthold-Stäubli). Zur Memorialfunktion von Haaren und ihrer Geschichte s. (mit weiterer Lit.) Lothar Schmitt, Dürers Locke, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 66, 2003, S. 261—272 und Christiane Holm, Intime Erinnerungsgeflechte: Memorialschmuck aus Haaren um 1800, in: kritische berichte, 32, 2004, S. 2 9 41. - Für den späteren Umgang mit solchen Miniaturporträts vgl. FUMERTON 1986 - Zu Wachsporträts etwa Julius Menadier, Medaillenmodelle der Renaissance aus farbigem Wachs, in: Amtliche B e richte aus den Königlichen Kunstsammlungen, 31/10, 1910, S. 3 1 4 - 3 2 0 ; Stephen K . Scher, A sixteenth century wax model, in: T h e Medal, 9, 1986, S. 14-21 und ATTWOOD 2003, S. 4 1 - 4 3 . 75 SCUDERI / RASARIO 1998, S. 6 4 - 6 6 zu Medaille und Döschen; der gesamte Band dokumentiert die Savonarola-Reliquien und -Verehrung. 76 Zu dem Gemälde und den möglichen Lesarten der Inschrift Nicholas Penny, National Gallery Catalogues. T h e Sixteenth Century Ialian Paintings, Bd. 1, L o n d o n 2004, S. 172-181 ( N G 299); wenn es sich bei dem O b j e k t in der D o s e doch um eine Kaisermünze handeln sollte, dann würde hier wohl eine Goldmünze im Unterschied zu der Silber- bzw. B r o n z e - M ü n z e auf dem Tisch in einem eigenen Behältnis aufbewahrt. - Zu zwei erhaltenen Exemplaren solcher Döschen mit den Profilbildnissen Karls V. und Franz I. von Frankreich, Gold auf Obsidian in Holzrahmen, ca. 1 5 3 5 - 4 0 , s. Manfred Leithe-Jasper, in: Isabella d'Esté 1994, S. 3 6 8 - 3 7 1 (Kat. 117). 77 Richard Stapleford, Botticelli's portrait of a young man holding a Trecento medallion, in: Burlington Magazine, 129, 1987, S. 4 2 8 - 4 3 6 ; dazu der wichtige Brief von Keith Christiansen, in: ebd.,
2. Gedächtnismonumente
A b b . 14
für
Frühverstorbene
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F r a n c e s c o della R o b b i a ( ? ) , W a c h s b i l d n i s S a v o n a r o l a s in e i n e r b e m a l t e n H o l z d o s e . F l o r e n z , M u s e o di S a n M a r c o
K o n g l o m e r a t von giovane
und santo
paßt kaum z u s a m m e n . N i c h t nur stammt das Heili-
genbild tatsächlich aus dem T r e c e n t o und wurde w o h l nachträglich zurecht geschnitten und eingepaßt. A u c h der braune (und nicht wie bei Heiligendarstellungen übliche vergoldete!) T o n d o - R a h m e n , der wohl t r o t z seiner G l a n z l i c h t e r am ehestens aus H o l z (und nicht etwa aus B r o n z e ) zu denken ist, deutet darauf hin. A m wahrscheinlichsten haben wir daher bei dem auf der P a r a p e t t o - K a n t e aufgestellten und leicht nach hinten geneigten T o n d o erneut das Unterteil einer etwas größeren H o l z d o s e v o r uns, in der sich ursprünglich am naheliegendsten und mit dem jugendlichen Alter des Porträtierten gut z u s a m m e n g e h e n d eben das Bildnis der (fernen, v e r s t o r b e n e n ? ) G e l i e b t e n vermuten läßt - das B o t t i c e l l i - P o r t r ä t würde so auch teilweise seinen bisherigen Sonderstatus verlieren, greift es dann doch nicht nur formal Botticellis früheres Bildnis eines jungen M a n n e s mit Medaille des C o s i m o de' Medici auf, sondern erweitert auch das S p e k t r u m der , L i e b e s / V e r l o b u n g s ' - D o p p e l b i l d nisse, wie man sie von Filippo Lippi oder seines U m k r e i s e s und anderen kennt. 7 8
S. 7 4 4 , d e r s e h r ü b e r z e u g e n d e A r g u m e n t e d a f ü r a n f ü h r t , d a ß f ü r das B i l d i m B i l d u r s p r ü n g l i c h n i c h t das H e i l i g e n b i l d n i s aus d e m T r e c e n t o v o r g e s e h e n g e w e s e n sein k a n n ; D a v i d A . B r o w n , in: V i r t u e a n d B e a u t y 2 0 0 1 , S. 1 7 6 - 1 7 9 ( K a t . 2 6 ) s c h l ä g t e i n e n R u n d s p i e g c l f ü r die Ö f f n u n g v o r ; z u l e t z t die in a n d e r e R i c h t u n g z i e l e n d e n Ü b e r l e g u n g e n bei DOMBROWSKI 2 0 0 4 , v.a. S. 5 3 f. 78
V g l . e t w a SIMONS 1 9 9 2 ; D a v i d A . B r o w n , in: V i r t u e a n d B e a u t y 2 0 0 1 , S. 1 0 6 - 1 0 9 ( K a t . 3). - E i n B e i spiel aus d e m 1 6 . J h . v o n G i o v a n n i C a r i a n i ( ? ) bei PALLUCCHINI / R o s s i 1 9 8 3 , S. 133 (cat. 6 0 ) .
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Die Gaben der
Unsterblichkeit
M o r e t t o da Brescia, P o r t r ä t des G r a f e n F o r t u n a t o M a r t i n e n g o C c s a r c s c o (?). L o n d o n , National Gallerv
2. Gedächtnismonumente
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Frühverstorbene
Botticelli, Porträt eines jungen Mannes. Washington, National Gallery
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Unsterblichkeit
Strozzis Bemerkungen in De politia litteraria machen jedenfalls deutlich, daß sich im Gegensatz zur Erinnerung an große Männer und Frauen, deren Leistung ehrendes und Vorbild-Funktion einübendes Andenken fordert und rechtfertigt, das Gedächtnis an Frühverstorbene, die mit solchen Verdiensten kaum schon aufwarten konnten, zumeist ausschließlich aus der Liebe motiviert - der Liebe von Eltern zu ihren Kindern, der Liebe von Mann und Frau, der Liebe von nahen Verwandten zueinander oder der Liebe zwischen Freunden. Totengedenken an Frühverstorbene ist Liebesgedenken, daher können die Objekte, die dieses Erinnern auslösen, häufig sowohl zu Lebzeiten als Liebesgaben, Liebespfänder und zur Erinnerung an die geliebte Person wie dann gleichermaßen als posthume Memorialzeichen dienen: So dürfte auch Strozzi das Bildnis und die Locke der Geliebten bereits zu deren Lebzeiten als stetes Unterpfand, als Talisman und Trost seiner Liebe während der Abwesenheit der amata bei sich getragen haben. Nach dem Tod des Mädchens wandelte sich beides umstandslos zu Gedächtnisobjekten. Sollte die jüngst geäußerte These das Richtige treffen, daß Domenico Ghirlandaios berühmtes Porträt der Giovanna Tornabuoni in ganz ähnlich gelagerter Konstellation zunächst als Verlobungsbild entstanden und erst nach dem überraschenden Tod der jungen Braut durch Beifügen des Martial-Zitats zu einer Memorialtafel umgewandelt worden war, dann ließe sich ein solches Objekt auch im erhaltenen Bestand nachweisen. 79 Die Erkenntnis jedenfalls - die Transformation der Liebes- zu Memorialobjekten - ist uralt (und dabei im 15. Jahrhundert bestens bekannt): Bereits der mythische Ursprung von Malerei und Skulptur - das Umzeichnen des Schattens, mit dem die Tochter des griechischen Töpfers Butades ihren Geliebten im Umriß an der Wand festhielt und das anschließende Ausmodellieren dieser Zeichnung - resultiert nicht allein aus der Liebe eines Mädchens zum scheidenden Geliebten, sondern auch aus ihrer Vorahnung, daß dieser in der Schlacht fallen und das erste Bildnis also zugleich dem Liebes- und Totengedächtnis dienen werde. 80
79 ZÖLLNER 2005, S. 26-28 unter Verweis auf die noch unveröffentlichte Diss, von Susanne Kress. Zum ursprünglichen Aufstellungskontext s. Susanne Kress, Frauenzimmer der Florentiner Renaissance und ihre Ausstattung: Eine erste .Spurensuche', in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei H o f e in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini, Stuttgart 2000, S. 91-113, hier S. 108-110. 80 Besonders prominent die Schilderung bei PATRIZI 1567, fol. 131r-v zu Beginn des Kapitels über De amoris affectu ... (IV, 11): „[...]. Addunt quoque amorem quasi inventorem quendem extitisse plurimarum artium, cuius rei exemplum eiusmodi ponere possumus. Scribunt vetustissimi artem illam figuralem (quam σχηματικην Graeci appellant, quamque Praxiteles matrem statuariae sculpturae ac celaturae esse dixit, ut qui quanvis in omnibus praestaret, nihil tarnen unquamfecerit antequam finxerit) amoris beneficio fuisse inventam. Affirmant enim Debutadem Sicyonium eam Corinthi invenisse filiae opera, quae quum sponsi amore teneretur, & ille in militiam profecturus esset, ut desiderio eius minus tabesceret, & ex simulacro amoris solatium caperet, umbram ex amati sponsi facie ad lucernam in pariete lineis circunscripsisse, sumpto ex igne extincto carbone. Pater autem eius rei novitatem admiratus, lineas argilla impressit, primamque formam fecit (erat enim figulus) & cum ceteris fictilibus duratam igne concoxit. res ex similitudine admiranda omnibus visa est, & proinde Veneri consecrata diutius in templo mansit. Huius puellae exemplum complures praestantissimae foeminae priscis seculis imitatae sunt, quae virorum desyderium pictis imaginibus emolitae, facilius eorum redditum expectaverunt, ut de Laodamia Protesilai uxore veteres poetae testantur." Vgl. dann VERGILIUS 1509, II/xxv ,De primis Plastices inventoribus'. - Zu antiken Liebesbildern BETTINI 1992.
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Strozzis Andenken machen aber noch einen zweiten Punkt bewußt: Der Locke als einer Form der profanen Reliquie und als pars pro toto körperlicher Anwesenheit dürfte im Bewußtsein des Liebenden mindestens soviel Bedeutung zugekommen sein wie einem künstlerisch noch so bedeutenden (und wertvollen) Bildnis.81 Totengedächtnis und - darauf wird ein späteres Kapitel noch ausführlich zurückkommen - Liebesgaben können in ganz unterschiedlicher, selbst einfachster zufällig-ephemerer Gestalt, ihre Wirkung entfalten. Die folgende Untersuchung muß daher möglichst alle Arten von relevanten Objekten, nicht allein Kunstwerke, betrachten. Wenn freilich Erinnerung und Liebesgedenken an solche verschiedenen Trägermedien geknüpft sein können, dann wird umgekehrt auch besonders nachdrücklich zu fragen sein, welchen Bedeutungs-Überschuß Kunstwerke in diese Kontexte einzubringen vermögen.
Bleiben im 15. Jahrhundert alle über Grabsteine hinausgehenden Objekte eines visuellen Totengedächtnisses für Frühverstorbene weitgehend Experimentalformen und praktisch immer Einzelfälle (zumindest die sicher nachweisbaren Beispiele), so etablieren sich in diesem Zeitraum doch bestimmte literarische Gepflogenheiten der Memoria. Dabei ist schon die Ausgangslage auf der Ebene der Texte eine ganz andere, existierte doch eine weit zurückreichende, reiche Tradition sowohl antiker als auch mittelalterlicher Trostliteratur, die zumindest in einigen Fällen bereits auf den Tod von Kindern oder Jugendlichen Anwendung gefunden hatte.82 Aber auch auf dieser Ebene der Texte änderte sich Zahl, Intensität und Stil der Trauerbekundungen mit dem 15. Jahrhundert - abzulesen etwa an den Schriften, mit denen zwischen 1400 und 1461 allein vier der bekanntesten Humanisten, Coluccio Salutati, Giovanni Conversini da Ravenna, Giannozzo Manetti und Francesco Filelfo, aber eben auch Autoren von ,Hausväterliteratur' wie Giovanni di Pagolo Morelli, den Tod ihrer Söhne beklagten.83 Entscheidend im Hinblick auf die posthumen Ehrungen des Alessandro Cinuzzi ist aber nicht diese gesamte, in den letzten Jahren gut untersuchte Formenvielfalt humanistischer Trostliteratur - Traktate, Grabreden, Briefe, Gedichte oder Epitaphien, d.h. mehr oder weniger fiktive Grabinschriften - , sondern der Umstand, daß für den Sieneser 81 Die Brüchigkeit dieses Codes der Liebesgeschenke wird spätestens deutlich, als Honoré Daumier die unterschiedliche Wahrnehmung des ,Wertes' von Liebesgeschenken in einer Karikatur von 1837 verspottet, in der unter der Überschrift „Exploitation de l'amour" ein vermeintlich Liebender das kostbare Geschenk eines Miniaturporträts der Geliebten mit einer (wertlosen) Haarlocke erwidert, vgl. Honoré Daumier 1808-1879. Bildwitz und Zeitkritik, Münster 1979, Nr. 82. 82 Etwa von Vinzenz von Beauvais der Tractatus consolatorius ad Ludovicum IX regem de obitu filii; insgesamt M o o s 1971-1972. 83 MCCLURE 1991, hier S. 93-115 zu den genannten vier Humanisten; zu den sog. marchands écrivains s. Christian Bec, Les marchands écrivains: Affairs et humanisme à Florence, Paris 1961; an den Vater gerichtete Trostbriefe des Ambrogio Traversari auf den Tod des trotz seines Titels als Erzbischof noch als „iuvenis" bezeichneten Eustasius bei Ludwig Bertalot, Zwölf Briefe des Ambrogio Traversari, in: BERTALOT 1975, Bd. 1, S. 251-267, hier Nr. 3-5. - Daß auch Frauen ihre Klage in schriftliche Form faßten, belegen die Briefe zum Tod eines Sohnes (1459) von Alessandra Macinghi degli Strozzi, Briefe, hg. v. Alfred Doren, Jena 1927, S. 76-85. - Ein Beispiel (zwischen 1411-1413) für den Einfluß byzantinischer Trostliteratur bei Antonio Rollo, La lettera consolatoria di Manuele Crisolora a Palla Strozzi, in: Studi Umanistici, 4 - 5 , 1993-94, S. 7-85.
Die Gaben der
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Unsterblichkeit
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Zeichen der falschen Gulden, München: Hans Schaur 1482. BSB, Rar. 420
Donis zwei Jahre später erscheinenden Mondi zu sehen, die im Zwischentitel als „i mondi sopra le medaglie" präzisiert werden und damit als eine Art Gegenentwurf zu dem wenig früheren Buch verstanden werden können (Abb. 85): Der Polygraph entwickelt hier sieben satirisch-kritische ,verkehrte' oder aber utopische Welten und schildert das Wirken der Fortuna-Occasio als deren allesbeherrschende Instanz. Die Titel-Illustration zeigt diese Schicksalsgöttin, wie sie die sieben Globen über einer Anhäufung von Medaillen rotieren läßt - Sinnbild ihres willkürlichen Wirkens, das Männer gleichermaßen zu Berühmtheiten erheben wie in den Staub werfen kann. Bei den Assistenzfiguren dürfte es sich dann jedoch nicht um die im Text genannten Begleiter der Fortuna, die Zeit (ein Jüngling mit dem Bart eines Greises) und das Fatum (mit Buch) handeln, sondern eher um den Gegensatz zwischen der rational unkontrollierten und diesem Schicksal daher hilflos unterworfenen Natur (in Gestalt des hockenden Satyrs oder aber auch Pans rechts, den die zeitgenössi-
7. Medaillenkunde
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auf dem Weg zur Wissenschaft
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A n t o n Francesco D o n i , I M o n d i ..., Venedig 1552
sehen Mythographen als Verkörperung des Kosmos deuteten) und dem über allen Schicksalsschlägen stehenden Weisen. Die dreigeteilte griechische Inschrift nach 1. Cor. 3,19 bestätigt und relativiert auf einer weiteren Ebene diese hier nur in ihren Grundzügen skizzierte Bild-Text-Aussage: „ H Γ Α Ρ Σ Ο Φ Ι Α Τ Ο Υ Κ Ο Σ Μ Ο Υ Τ Ο Υ Τ Ο Υ / Μ Ω Ρ Ι Α Π Α Ρ Α / Τ Ω 426 Θ Ε Ω Ε Σ Τ Ι " - „Denn die Weisheit des ganzen Kosmos ist Torheit gegenüber Gott". Daß
426 DONI 1552; im Zuge der von D o n i u n d Marcolini praktizierten Mehrfachverwendung von Illustrationen erscheint die Darstellung 1552 auch noch auf Titelblättern der Moral filosophia und den Marmi, vgl. Ricottini Marsili-Libelli [wie A n m . 405], S. 75-78, 86-88 und 92-100 (Kat. 36, 39, 41). Z u r D e u t u n g vgl. A n t o n Francesco D o n i , I M o n d i e gli Inferni, hg. ν. Patrizia Pellizzari, Turin 1994, S. 38 f. zu F o r t u n a u n d ihren Begleiterinnen, sowie die E i n f ü h r u n g ; im „Ragionamento Secondo" des „ M o n d o Risibile" werden Buchdruck u n d Medaillen als A n t i d o t zur Vergänglichkeit besprochen; zu D o n i insgesamt u n d zu Deutungsansätzen des Titelblattes auch Paul F. G r e n d ler, Critics of the Italian World (1530-1560): A n t o n Francesco D o n i , N i c o l ò Franco & O r t e n s i o
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Die Gaben des Geistes
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M a r c o Bigio, A l l e g o r i e des m e n s c h l i c h e n L e b e n s u n d R u h m s .
R o m , Galleria N a z i o n a l e d ' A r t e A n t i c a di P a l a z z o B a r b e r i n i
ein weiterer intertextueller Bezug - den Donis gelehrte Akademie-Kollegen, denen das Buch gewidmet ist, mit Sicherheit erkannt hätten - zu Ariosts Orlando Furioso (35, 11-16) geschlagen wird, läßt sich hier ebenfalls nur andeuten: Bei Ariost versehen die Parzen die Lebensfäden der Menschen mit metallenen Namensplättchen, die ein alter Mann - C h r o n o s als Sinnbild der alles vernichtenden Zeit - in den Fluß des Vergessens schüttet (vergleichbar
L a n d o , M a d i s o n u . a . 1969, S. 6 0 f . u n d 8 5 - 8 7 ; A n n a C o m i , V o m G l a n z u n d E l e n d des M e n s c h e n . U n t e r s u c h u n g e n z u m W e l t b i l d v o n A n t o n F r a n c e s c o D o n i , T ü b i n g e n 1998, v. a. S. 52f., s o w i e A n t h o n y Parr, T i m e and t h e Satyr, in: H u n t i n g t o n L i b r a r y Q u a r t e r l y , 68, 2005, S. 4 2 9 - 4 6 5 , hier S. 452 f. - Z u r D e u t u n g des P a n vgl. vielleicht a m p r o m i n e n t e s t e n die A u s f ü h r u n g e n in Alciatis Emblemata
ab d e n A u f l a g e n v o n 1550, hier zit. n a c h A n d r e a Alciati, E m b l c m a t a . E l u c i d a t a d o c t i s -
simis C l a u d i ) M i n o i s c o m m e n t a r i i s , L y o n 1614, S. 3 4 1 - 3 4 3 ( E m b l . XCV11).
7. Medaillenkunde
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auf dem Weg zur
Wissenschaft
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J a c o p o Strada, I m p e r a t o r u m R o m a n o r u m ... Imagines ..., Zürich 1559
d e m I n - d e n - S t a u b - T r e t e n bei D o n i ) . N u r w e n i g e n dieser . M e d a i l l e n ' (denn als solche scheinen die . M e t a l l p l ä t t c h e n ' sofort interpretiert w o r d e n zu sein, w i e ein G e m ä l d e des M a r c o B i g i o m i t d i e s e r S z e n e w o h l a u s d e n 1 5 3 0 e r J a h r e n e r s t m a l s z e i g t ) ist es v e r g ö n n t ,
von
w e i ß e n S c h w ä n e n in d e n T e m p e l der U n s t e r b l i c h k e i t u n d des e w i g e n G e d ä c h t n i s s e s gerettet z u w e r d e n ( A b b . 86).427
427 Zu d e m G e m ä l d e Bigios, heute R o m , Galleria N a z i o n a l e del P a l a z z o Barberini, das f r ü h e r S o d o m a zugeschrieben w u r d e , scheint keine eingehendere U n t e r s u c h u n g zu existieren, vgl. L o r e n z a M o c h i O n o r i , in: I Borgia, hg. v. C a r l a Alfano/Felipe V. Garin L l o m b a r t , R o m / M a i l a n d 2002, S. 7 2 - 7 4 (Kat. 1.18). Z u m U r s p r u n g dieser Vorstellung Ullrich Leo, Petrarca, Ariost und die Unsterblichkeit, in: Romanische Forschungen, 63, 1951, S. 241-281; zu den illustrierten O r l a n d o - F u r i o s o - A u s gaben, die ab der Valgrisi-Edition 1556 diese Szene zeigen, u n d zu D e r u t a - M a i o l i k e n nach diesen s. C a r o l a Fiocco / Gabriella Gherardi, L'allegoria della Poesia vittoriosa sul Tempo e s u l l ' O b l i o in un piatto del Frate nel M u s e o delle ceramiche di Deruta, in: N o t i z i e da P a l a z z o Albani, 32, 2003, S. 8 5 - 8 8 ; schon z u v o r scheint sich Vasari f ü r ein F r e s k e n p r o j e k t der J a h r e u m 1545 an dieser Szene inspiriert zu haben, s. J u l i a n Kliemann, Su alcuni concetti umanistici del Vasari, in: G i o r g i o Vasari tra decorazione ambientale e storiografia artistica, hg. v. Gian C . Garfagnini, F l o r e n z 1985,
Die Gaben des Geistes
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Abb. 97
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J.-B.-L.-G. Seroux d'Agincourt, Histoire de l'art par les monumens .. Paris 1823, Tf. XLVII
7. Medaillenkunde
auf dem Weg zur
Wissenschaft
201
Stil- und Geschmacksentwicklung zubilligte.467 Daß die Numismatik selbst des 19.Jahrhunderts - trotz aller Kritik - immer noch Einfluß auf ganz andere Wissenszweige nahm, sei hier schließlich nur noch angedeutet: So illustrierte etwa Francis Galton sein ab 1877 verfolgtes Projekt von „portraits composites" zur Erstellung und Erfassung von Menschen- bzw. Verbrecher-Kategorien an den Typenreihen und Varianten antiker Münzen und NapoleonMedaillen.468 Und die Verfechter einer .kulturellen Evolutionstheorie' in der Nachfolge Darwins führen als einen wesentlichen ,Beweis' ihrer Thesen die sukzessiv-,evolutionären' Veränderungen und .Degenerationen' antiker Münzbilder in der Rezeption nordalpiner Völker an. 469 Auf dieser Grundlage sollten in der Folge die kunsthistorische Erforschung und weitere Katalog-Erschließung italienischer Renaissancemedaillen große Erfolge zeitigen - als Ergebnis erschienen zu Beginn der 1880er Jahre gleich drei große Corpus-Werke: Alois Heiss' Les Medailleurs de la Renaissance (1881-1892, 9 Bde.), eine Folge von Leben und Werk behandelnden Künstlermonographien bedeutender Medaillen-Meister, erstmals auch mit vielen auf Photographien basierenden Abbildungen, Julius Friedländers Die italienischen Schaumünzen des fünfzehnten Jahrhunderts (1430-1530) (1880), wobei der Sohn des Münzsammlers J. G. Benoni Friedlaender und Direktor (ab 1868) des Berliner Münzkabinetts herausragende Kennerschaft mit präziser Erschließung der Ikonographie und der Schriftquellen zu den Medaillen verband, schließlich Les médailleurs italiens des quinzième et seizième siècles (1883-1887, 3 Bde.) des französischen Connoisseurs Alfred Armand, ein Katalog, der mehr aufgrund seines umfassenden Anspruchs denn der wegweisenden wissenschaftlichen Bearbeitung der Einzelobjekte zum neuen Referenzwerk aufsteigen sollte.470 Obwohl in der Folge Großmeister des Faches wie Wilhelm von Bode, aber auch
467 BOLZENTHAL 1840, Vorwort: ,,[E]s scheint [...] dem Verfasser endlich an der Zeit zu sein, die kleinen, zum Theil kostbaren Denkmäler plastischer Kunst, welche man in den Münz- und MedaillenSammlungen vereinigt antrifft, von einem andern Standpunkt aus zu betrachten, als zu geschehen pflegt. Man sieht darin fast nur Zeugnisse historischer Thatsachen, deren Gewißheit durch eine zahllose Menge von Schriften verbürgt ist, oder benutzt jene höchstens, wenn das Bedürfnis eintritt, ein Portrait herbeizuschaffen, in ikonologischer Hinsicht; man vergisst aber dabei, dass sie einen ganz eigenthümlichen Werth als Kunstprodukte haben, indem sie eine stätige Reihe von Denkmälern darbieten, an denen die Bildung, Umbildung und Fortbildung des Geschmacks leicht und bestimmt zur Anschauung zu bringen ist." 468 Pierre Saurisse, Portraits composites: la photographie des types physionomiques à la fin du X I X e siècle, in: Histoire de l'art, 37/38, 1997, S. 69-78. 469 John Evans, O n the Date of British Coins, in: The Numismatic Chronicle and the Journal of the Numismatic Society, 12, 1850, S. 127-137; ders., The Coins of Ancient Britons, London, 1864, S. 24-32 und ders., On the Coinage of the Ancient Britons and Natural Selection, in: Royal Institution of Great Britain. Proceedings, 7, 1875, S. 24-32 mit Tafel: hierauf verweist dann 1874/75 der eigentliche Begründer einer .Evolutionslehre menschlicher Artefakte', A. Lane-Fox Pitt-Rivers, vgl. dessen The Evolution of Culture and Other Essays, hg. v. J. L. Myres, Oxford 1906, S. 15. 470
HEISS 1 8 8 1 - 1 8 9 2 ; FRIEDLAENDER 1 8 8 0 , S. 1 2 6 f. zu L y s i p p u s d . J . , u n d FRIEDLAENDER 1 8 8 3 ; z u r
Sammlung Benoni Friedlaender sowie zur Biographie und Forschung von Julius s. J. G. Benoni Friedlaender. Die biographische Skizze seines Sohnes Julius, in: Zeitschrift für Numismatik, 24, 1904, S. 1-16 und Bernhard Weisser, Julius Friedlaender, Theodor Mommsen und das Königliche M ü n z k a b i n e t t zu B e r l i n , in: G e l d g e s c h i c h t e vs. N u m i s m a t i k 2 0 0 4 , S. 9 1 - 1 0 8 ; ARMAND 1 8 8 3 - 1 8 8 7 ,
hier zu Hermes Flavius Bd. 1, S. 120; zu Lysippus d.J. Bd. 1, S. 54-56.
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Die Gaben
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Umberto Rossi, Cornelius von Fabriczy, Ernest Babélon oder Fernand Mazerolle entscheidende Beiträge zur Erforschung italienischer Renaissance-Medaillen - insbesondere auch zum Werk des jüngeren Lysippus - liefern, Leonardo Forrer ein achtbändiges biographisches Lexikon der Medailleure (1904-1930) und Georg Habich 1922/23 ein Überblickswerk zur Medaillenkunst auf dem aktuellen Stand der Kunstgeschichte vorlegen sollten 4 7 1 , blieb die Beschäftigung mit diesen Objekten aus der Perspektive der ,eigentlichen' Kunsthistoriker doch weiterhin ein (kunstgewerbliches) Randgebiet. Ein Randgebiet, dessen überragende Persönlichkeit im 20. Jahrhundert Sir George Francis Hill (1867-1948) wurde, Kustos der Münzsammlung des British Museum: 4 7 2 Nach jahrzehntelangen Vorarbeiten - u. a. einem Aufsatz zu den Medaillen des Lysippus und Candida - erschien 1930 sein zweibändiges Corpuswerk der italienischen Renaissancemedaillen „vor Cellini". Bis vor wenigen Jahren gab es den unbestrittenen Standard bei der Katalogisierung von Schaumünzen vor, die nun eine Beschreibung der beiden Seiten und Wiedergabe ihrer Inschriften, Material, Technik, Größe, nachweisbare Exemplare, Zustand, Identifizierung des Dargestellten, ikonographische Analyse, Zuschreibung und Datierung sowie Angaben zur älteren Bibliographie umfaßte. Beinahe jeder beliebig gewählte Vergleich der Einträge bei Hill mit den entsprechenden bei Armand macht den wissenschaftlichen Zugewinn schlagartig deutlich - Hills Vorgehen und Ergebnisse zu den 1333 aufgelisteten Medaillen sollten bis heute nur in wenigen Punkten verbessert werden. 473 Erst in den letzten beiden Jahrzehnten emanzipiert sich die Forschung langsam vom Erbe dieses .Ubervaters' und es kommt ein neuer Forschungsimpuls zum Tragen, der nun verstärkt nach größeren Kontexten, Funktionen, dem Zusammenwirken von Auftraggeber, Künstler und möglichen humanistischen Beratern, dem (paragonalen) Verhältnis des Mediums Medaille zu Porträt, Schrift und Imprese, schließlich der Präsentation und Rezeption aller Objektqualitäten von Medaillen fragt. Die wichtigsten und von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommenen Beiträge in diese Richtung waren eine 1994 organisierte Ausstellung und der begleitende Katalog Currency of Farne in New York und Washington, sowie eine Reihe von Büchern und Aufsätzen aus der Feder von Michel Pastoureau, Conservateur des Cabinet des Médailles der Bibliothèque Nationale in Paris, der die bislang avanciertesten methodischen Postulate zur Erforschung von Medaillen formuliert hat. 474 Speziell zu Lysippus d.J. schließlich repräsentiert den Stand der Forschung ein im Jahr 2000 publizierter, kürzerer Beitrag von Louis A.Waldman, in dem dieser vor dem skizzierten aktuellen Fragenhorizont erstmals
471 Vgl. etwa BODE 1904; Rossi 1888a und 1888b; FABRICZY 1903; BABÉLON 1901; Fernand Mazerolle, Les médailleurs français du XV e siècle au milieu du XVII e , 3 Bde., Paris 1902-1904; Leonard Forrer, Biographical Dictionary of Medallists, 8 Bde., London 1904-1930; HABICH 1923. 472 Vgl. zu Biographie und wissenschaftlichem Werk die zwischen 14. Februar 1946 und 31. Oktober 1947 niedergeschriebenen Notes for Autobiography von Hill [Exemplar im Kunsthistorischen Institut in Florenz, Sig. C 1880m], sowie Graham Pollards biographische Skizze in HILL 1978. 473 Mit der Angabe des Gewichtes der einzelnen Stücke scheinen MIDDELDORF / STIEBRAL 1983 eine allerdings zunächst kaum rezipierte Neuerung eingeführt zu haben; den besten aktuellen Stand der Katalogisierung liefert ATTWOOD 2003. 474 Zuvor hatte schon BAXANDALL 1965 zu Medaillen und Paragone gearbeitet; Currency of Fame 1994; vgl. weiterhin etwa die A r b e i t e n von SYSON 1 9 9 7 b , SYSON 2 0 0 2 und SYSON / THORNTON
2001; JONES 2000, WALDMAN 2000 oder die Tagungsakten Designs on Posterity 1994, Perspectives 2000 und Renaissance-Medaille 2004; PASTOUREAU 1986, 1988 und 1989.
8. Auf der Suche nach dem Künstler: Leben und Werk des neuen Lysippus
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auf die offensichtliche Bedeutung von Freundschaftsgaben unter Männern in der Medaillen-Produktion dieses Künstlers hinweist - wobei dessen ungeklärte Identität weiterhin das größte Handicap darstellt, wird so doch jede genauere sozio-kulturelle Einordnung vereitelt.475 Die Lösung dieses Personen-Rätsels erschließt sich nun aber über den Umweg der Medaille für Alessandro Cinuzzi von Hermes Flavius de' Bonis.
8. Auf der Suche nach dem Künstler: Leben und Werk des neuen Lysippus Die Medaille des Hermes Flavius auf Alessandro Cinuzzi stellte nicht nur im späten Quattrocento, sondern auch noch im Corpus von George F. Hill einen Sonderfall dar - denn ausnahmsweise sollte sich der Spezialist bei ihr gleich in doppelter Hinsicht täuschen (Farbtf. I, Abb. A.10). Hill hatte zunächst, freilich unter großen Vorbehalten, Armands Vorschlag in Erwägung gezogen, der ,Alexander Etruscus' sei als der 1510 geborene Alessandro de' Medici zu identifizieren: Das Porträt schien nicht gut mit anderen, gesicherten Bildnissen des Medici-Sprößlings vergleichbar, jedoch „chronologically there is no difficulty about the identification" (d.h. schätzt man den Porträtierten auf mindestens zehn Jahre, käme man mit Hill zu einer Entstehungszeit der Medaille in den frühen 1520er Jahren). 476 Da zudem die damals einzigen bekannten biographischen Nachrichten über Hermes Flavius besagten, daß er in Padua geboren und ab 1483 in den Diensten zunächst des Kardinals Francesco, dann Ludovico Gonzagas tätig war, wurde der Künstler in ein entsprechendes Umfeld - zwischen die Mantuaner Nachfolger des Antico und Gian Cristoforo Romano - eingereiht.477 Bei einem hypothetisch auf ca. 1460 festgesetzten Geburtsdatum müßte es sich dann bei der Medaille um das Spätwerk eines Sechzigjährigen handeln. Aber noch während der Drucklegung seines Buches gelangte Hill auf unbekanntem Wege in Kenntnis der Epigrammata·. In einer kurzen Liste mit Corrigenda am Ende des Haupttextes änderte er daher seine Identifizierung des .Alexander Etruscus' in Alessandro Cinuzzi, dessen Todesdatum und damit auch die Entstehungszeit der Medaille er nun offenbar entsprechend dem im Gesamtkatalog der Wiegendrucke angegebenen (falschen) Erscheinungsdatum der Epigrammata in das Jahr 1477 versetzte.478 Konsequenzen aus dieser radikalen Verschiebung - nicht nur von Mantua nach Rom, sondern auch über vierzig Jahre in der Chronologie nach vorne - deutete Hill aber ebensowenig an, wie sie offenbar für spätere Forscher zu ziehen waren. Der neueste, im Jahr 2000 erschienene Katalog der italienischen Medaillen des 16. Jahrhunderts übersieht sogar die nachträglichen Korrekturen Hills, nennt wieder Alessandro de' Medici als vermutlich Dargestellten und datiert das Stück auf ca. 15 1 5. 479 Daß der Literaturwissenschaftler Federico Patetta bereits 1899 in einer Sieneser Lokalzeitschrift einen Aufsatz zu den Epigrammata mit Überlegungen auch zu der Medaille
475 WALDMAN 2000; vgl. zuletzt zusammenfassend Stephen K. Scher, Lysippus the younger, in: Encyclopedia of Italian Renaissance & Mannerist Art, New York 2000, Bd. 1, S. 930 f. 476 H. S. 54. 477 Vgl. Rossi 1888a und CHAMBERS 1992. 478 H. S. 314. 479
T o D E R i / VANNEL TODERI 2 0 0 0 , B d . 1, S. 1 2 9 .
Die Gaben des
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Geistes
veröffentlicht hatte, war allen Kunsthistorikern und Numismatikern entgangen. Tatsächlich hatte der Literaturwissenschaftler Patetta zu dem Objekt als solchem auch wenig beizutragen, aus seiner Kenntnis der Gedichte heraus, in denen der Name des antiken Bildhauers Lysippus genannt wurde, erwog er jedoch die Hypothese, möglicherweise sei der Alessandros Schaumünze signierende Hermes Flavius mit dem unter dem Pseudonym ,Lysippus der Jüngere' während des Pontifikats Sixtus' IV. tätigen römischen Medailleur identisch. 480 Die Klärung der Frage verwies er an die zuständigen Kunsthistoriker. Greift man nach über einhundert Jahren seinen Vorschlag auf und geht das Wagnis ein, in Hills Corpus knapp einhundert Tafeln zu überblättern und eine zunächst als ,mantuanisch, frühes 16. Jahrhundert' klassifizierte Medaille mit den römischen der 1470/80er Jahre zu vergleichen, findet sich schnell eine erste, schlagende Gemeinsamkeit: Die meisten Medaillen des 15.Jahrhunderts weisen entweder gar keine Randprofilierung auf oder aber begnügen sich mit einem Perlstab bzw. einer einfachen Leiste. Aufwendigere Rahmungen sind selten und dann individuell äußerst verschieden - d. h. im Falle von Medaillen weiten sich die Morelli'schen Zuschreibungskriterien von Ohren, Augen, Händen und ähnlichem auf das .unbelebte Beiwerk' der Rahmung, der Buchstaben- und der Ornamentformen aus. Das komplizierte, mehrfach gestufte Randprofil, das Hermes Flavius für seine Medaille von Alessandro Cinuzzi benutzte, wird jedenfalls unter Hills 1333 aufgelisteten Stücken nur noch ein einziges Mal exakt wiederholt, und zwar an einem Werk eben des römischen Lysippus (Abb. A.5). Basierend auf Vorarbeiten insbesondere von Julius Friedländer, Cornelius von Fabriczy und Wilhelm Bode hatte Hill diesem Lysippus ein Œuvre von 27 Werken zugeordnet, wobei zwei mit dem Pseudonym signierte Schaumünzen seit jeher den Ausgangspunkt der Zuschreibungen bildeten. 481 Auf den besten dieser Stücke wird eine wunderbar ausgearbeitete, plastisch erhabene Schrift all'antica verwendet, die in ihren Proportionen und der Detailausgestaltung der Antiqua-Buchstaben derjenigen des Hermes Flavius geschwisterlich verwandt erscheint. Hier wie dort finden sich auch dreieckige, geschwungene Trennpunkte und teils Blätter verschiedener Baumspezies zwischen die Worte eingestreut - auch diese Blätter eine auf früheren Medaillen des 15. Jahrhunderts derartige Seltenheit, daß man darin immerhin eine Art visuelle Signatur des Lysippus vermutet hat.482 Bei einem Stilvergleich der Bildnisbüsten schließlich gilt es den enormen Größenunterschied zwischen den Medaillen zu bedenken, der dieses Vorgehen erschwert: Die Mehrzahl der von Hill ermittelten Werke Lysipps, so auch die beiden signierten, bewegen sich in den üblichen Dimensionen von rund 40 Millimetern Durchmesser (Abb. A.14, A.15). Auffälligerweise schuf Lysippus aber auch mehrere deutlich größere, die bis zu 85 Millimeter Durchmesser erreichen, allerdings zeigen diese junge Männer, keine Knaben. Dieser Einschränkungen eingedenk, lassen die Porträtierten auf der Medaille des Hermes Flavius und denen des Lysipp doch eine sehr ähnliche, weiche und zugleich plastische Modellierung erkennen, die kaum vom struktiven Knochengerüst ausgeht, dabei wenig differenzierte, glatt rasierte Wangen, aber tief ausgeschnittene Augenhöhlen zeigt, wobei insbesondere die Profillinie der individuellen Charakterisierung dient. Freilich scheinen sich auch einige wenige stilistische Differenzen zwischen Hermes und Lysippus finden zu lassen: Ein Haupt-
480
PATETTA 1 8 9 9 , S. 1 6 8 f .
481 Vgl. A p p e n d i x A . 482
HABICH 1 9 2 3 , S. 8 2 f.
8. Auf der Suche nach dem Künstler: Leben und Werk des neuen Lysippus
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merkmal für viele Zuschreibungen an Lysippus ist ein charakteristischer Büstenausschnitt, der nur einen scharf begrenzten, schmalen Streifen der Brust zeigt, wobei dieser häufig vorne spitz nach unten zulaufend bis zum Medaillenrand verlängert ist. Allerdings zeigen gerade die größeren Exemplare des Lysipp auch andere, der Alessandro-Medaille besser vergleichbare Lösung (Abb. A.2, A.3). Bei der stilistischen Bewertung solcher Unterschiede der Büste sollte man sich jedenfalls bewußt halten, daß bei ihnen selbst ein Kenner wie Hill grundlegend falsch liegen konnte, wogegen die hier im Morelli'schen Sinne angeführten Elemente, die für eine Gleichsetzung von Hermes Flavius mit Lysippus sprechen, umso eindeutiger sind: Rahmenprofil, Buchstabenform und eingestreute Blätter zeigen fast hundertprozentige Ubereinstimmung. Vollends unzweifelhaft wird die Identifizierung von Hermes mit Lysippus jedoch durch zwei ergänzende, außerkünstlerische Argumente. Zunächst: Ausgerechnet Giovanni Alvise Toscani, der Herausgeber der Epigrammata, ist auch Hauptkunde des Lysippus, von dem er sich in den Jahren unmittelbar vor und nach Alessandros Tod allein sechs verschiedene Medaillen - offenbar zumeist in höherer Auflage und teils in Silber - fertigen läßt (Abb. A.6-8, A.17-19). 4 8 3 Es wäre nun aber schwer vorstellbar, daß Toscani nicht den befreundeten Medailleur Hermes, sondern einen außenstehenden und weitgehend unbekannten Künstler beauftragte, obwohl sich beide, ginge man von zwei Personen aus, dann doch stilistisch so nahe stünden. Die zweite Überlegung basiert auf dem Pseudonym .Lysippus der Jüngere'. Nun gehören zwar lobend-hyperbolische Vergleiche von zeitgenössischen Künstlern mit den Großmeistern der Antike von Anfang an zum Standardrepertoire humanistischen Schreibens. Aber vor dem ,neuen Lysippus' scheint noch kein Renaissance-Künstler für längere Dauer mit einem antiken Kunstnamen belegt worden zu sein - die ersten Nachweise etwa für das Pseudonym ,Praxiteles' des Bildhauers Giorgio Lascaris stammen aus den 1480er Jahren, zu dieser Zeit scheint auch Mantegna zunehmend und immer ausschließlicher mit Apelles assoziiert worden zu sein. Ob (wenn überhaupt) Andrea Bregno, den sein Grabstein von 1500 als „cognomento Polycletus" rühmt und der bezeichnenderweise Nachbar des Bartolomeo Platina war, zu Lebzeiten wirklich so tituliert wurde, bleibt dagegen unbekannt.484 Der weitverbreitete Usus solcher antikischen noms de guerre führt jedenfalls einmal mehr in den Kreis der Römischen Akademie: Nicht nur scheint Iulius Pomponius Laetus dabei
483 Daß die Bestandsangaben in Hills Corpus auch nicht entfernt die tatsächlich erhaltene Zahl von Toscani-Medaillen erfaßt, kann eine beliebige Stichprobe in kleineren Sammlungen belegen, die etwa zwei weitere Exemplare in Krefeld (Italienische Renaissancekunst im Kaiser Wilhelm Museum Krefeld, hg. v. Volker Krahn / Johanna Lessmann, Krefeld 1987, S. 87f. [Kat. 32 f.]) und eine Medaille in Duisburg (Die Beschwörung des Kosmos. Europäische Bronzen der Renaissance, hg. v. Christoph Brockhaus, Duisburg 1994, S. 339 [Kat. 198]) zutage fördert. 484 Vgl. etwa den Quellenanhang bei KRISTELLER 1902; Claudio Crescentini, „Andreas Marmorarius Sculptor egregius" e sua prima produzione funeraria, in: Sisto IV 2002, S. 363. - zu .Praxiteles' alias Giorgio Lascaris s. Pomponius Gauricus, De Sculptura (1504), hg. v. André Chastel / Robert Klein, Genf 1969, S. 255. - Allerdings gibt es schon viel früher Fälle, in denen die tatsächlichen Taufnamen antiken Vorbildern folgen, so wenn der um 1380 geborene Sohn des Peruginer Malers Cola Petruccioli .Policleto' genannt wird (PFISTERER 1999, S. 74); und andererseits können - aus heute unbekannten Gründen - im Rom der 1460er Jahre selbst Mönche den Beinamen .Praxiteles' erhalten, vgl. BIANCA 1987, S. 231 f., Anm. 52.
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Die Gaben
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als erster „aus L i e b e zur A n t i k e " dreigeteilte N a m e n s f o r m e n nach antikem Vorbild eingeführt zu haben, sondern diese sollten seiner Vorstellung nach auch als didaktischer A n s p o r n für ihre (zumeist j u g e n d l i c h e n ) Träger dienen, den klassischen Vorbildern nachzueifern. 4 8 5 D e m e n t s p r e c h e n d hatten sich die Mitglieder der A c c a d e m i a allesamt s c h o n seit den 1 4 6 0 e r J a h r e n K u n s t n a m e n zugelegt, mit denen sie dann nicht nur in den Epigrammata
figurierten,
sondern die sie etwa auch als G r a f f i t i - S i g n a t u r e n auf den antiken Wandmalereien der . G r o t ten' der D o m u s A u r e a hinterließen - eine bereits in den A u g e n der Zeitgenossen von R o m ausgehende M o d e e r s c h e i n u n g antikisierender W u n s c h - I d e n t i t ä t e n also, die - zunächst teils kritisch beäugt (und zeitweise v o n den Trägern sicher auch als s c h ü t z e n d e . D e c k n a m e n ' b e n u t z t ) - s c h o n w e n i g e J a h r e später von L u d o v i c o A r i o s t o o d e r F r a n c e s c o B e r n i spöttisch belächelt werden k o n n t e . 4 8 6 E s liegt daher nahe, daß auch der ,neue Lysippus' durch engen K o n t a k t eben mit der A k a d e m i e zu seinem alter
ego
k a m - aber w a r u m w u r d e gerade
dieser antike K ü n s t l e r als Vorbild gewählt? D i e einzig d e n k b a r e E r k l ä r u n g läuft ü b e r das tertium
comparationis
, A l e x a n d e r ' : S o wie
ehemals der griechische Lysippus den großen Alexander, so porträtierte nun der ,neue Lysippus', d. h. H e r m e s Flavius, den Alessandro. A u f die vielfachen Verbindungen, die die
485 Die antikischen Wahlnamen waren bereits im Prozeß gegen die Akademie 1468 eines der Verdachtsmomente, das auch in zahlreichen zeitgenössischen (Gesandten-)Berichten über die Vorgänge referiert wird; das Verhörprotokoll hält dabei die verteidigende Erklärung des Pomponius Laetus fest: „Modo id sine dolo ac fraude fiat. Amore namq[ue] vetustatis antiquo[rum] preclara nomina repetebat quasi quaedam calcharia quae nostram iuventutem aemulatione ad virtutem incitaret." Weiterhin polemisiert Michele Canesi in der überarbeiteten Version seiner Vita Pauls II. gegen diese von Laetus und seinen Gefolgsmännern benutzten antikischen Kunstnamen, s. Vite di Paolo II 1904, S. 153 f. - Dazu ZABUGHIN 1909-1912, Bd. 1, S. 2 - 5 und zur umfassenderen Tradition Klára Pajorin, La funzione e l'importanza dei nomi umanistici, in: Acta Conventus Neo-Latini Cantabrigiensis, hg. v. Rhoda Schnur, Tempe 2003, S. 427-434. Allerdings ist auch zu bedenken, daß Pomponius Laetus möglicherweise bewußt seinen eigentlichen Namen verbarg, um dadurch ,auratischer' zu erscheinen, dazu Carlo de Frede, Il concetto umanistico di nobiltà, Pomponio Leto e la sua famiglia, in: Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell'Università di Napoli, 2, 1952, S. 210-241. 486 Vgl. etwa ARIOSTO 1954, S. 563 (Satire, 6, 58-66): „II nome che di apostolo ti denno / O d'alcun minor santo i padri, quando / cristiano d'acqua, e non d'altro ti fenno, / in Cosmico, in Pomponio vai mutando; / altri Pietro in Pierio, altri Giovanni / in laño o in Iovi'an va riconciando; / quasi che Ί nome i buoni giudici inganni, / e che quel meglio t'abbia a far poeta / che non farà lo studio de molti anni." - Bernis Schmähschrift aus dem Jahr 1526 wendet sich nicht nur gegen solche Kunstnamen, sondern kritisiert im größeren Zusammenhang den Usus, kleine, aber kostbar hergestellte und schmeichelnde Gedichtsammlungen an (einfluß-)reiche potentielle Gönner zu dedizieren, s. Francesco Berni, Dialogo contra i poeti, in: ders., Poesie e prose, hg. ν. Ezio Chiorboli, Genf 1934, S. 275: „sfacciatamente si mettano in laude sua a fare distichi, tetrastici, endecassillabi, selve e boschi; meton poi ogni cosa insieme, e te ne fanno un libretto in quarto foglio di forsi dodici carte, messo ad oro, coperto di taffetà bertino o turchino, o verde che significa speranza, con fettuccie alla divisa, et cetera; dentro fanno la prefazione in lettere majuscule in triangulo, pongono gli cognomi, prenomi e agnomi loro, che si hanno mendicati dalli antichi per parer dotti e persone rare. [...] e si chiameranno verbigrazia, se uno ara nome Giovanni Iano, se Domencio Domizio, se Luca Lucio, se Pietro Pierio, se Tomaso Tamira o Tamisio. Al signore a chi scrivono diranno Mecenate o Varrò, e così li faranno un presente del quale non crederanno avere ricompensa se si desse loro tutti li vescovadi del mondo."
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Epigrammata zwischen Alexander d.Gr. und Alessandro Cinuzzi herstellten, wurde bereits hingewiesen. Emilio Boccabella, vermutlich maßgeblich beteiligt an der Konzeption von Alessandros Medaille, machte in einem seiner Gedichte [B.26] auch die Verbindung Hermes Lysippus explizit: Allein der antike Lysippus habe den .Fürsten aus Pella' („pell[a]eum ducem"), d. h. den in dieser Stadt geborenen Makedonenherrscher, in Erz porträtieren dürfen, nun solle Hermes entsprechend das Bildnis seines Freundes Alessandro in Erz formen. Boccabellas Vergleich war über die Namensgleichheit von Alessandro mit Alexander hinaus hervorragend und anspielungsreich gewählt - und das, obwohl nicht überliefert ist, daß Lysipp Münzen oder Medaillen gefertigt hatte.487 Denn nicht nur ließ sich Alexander d. Gr. unter Strafandrohung eben nur von Lysippus in Bronze abbilden (und entsprechend bekanntlich von Apelles in Malerei, von Pyrgoteles in Steinschnitt), denn allein dieser Künstler vermochte seine Darstellungen vollkommen lebendig wirken zu lassen.488 Die Porträtserie Alexanders d.Gr. begann laut den Quellen zudem in seiner Kindheit, es mußte also (wenn auch im 15. Jahrhundert nicht mehr bekannt) Jugendporträts des makedonischen Herrschers gegeben haben ähnlich dem Bildnis des jugendlichen Sienesen. Vor allem aber überliefert Plinius einzig von Lysippus, daß er unter den berühmten antiken Bronzebildnern als .Autodidakt' gelten müsse und auch „Bildnisse von Freunden", nämlich den Freunden Alexanders, gefertigt habe. Schließlich weisen die meisten Autoren des 1 S.Jahrhunderts, die sich zu Lysippus äußern, auch darauf hin, daß der römische Dichter Martial ausgerechnet ein Werk des Lysipp als „Geschenk" bezeichnet hatte: „nobile Lysippi munus". 489 Wie wichtig und bewußt gerade dieser Geschenk-Aspekt etwa für Boccabella war, belegt der Umstand, daß er seine Umschreibung Alexanders als „Pellaeus" aus der unmittelbar folgenden Gedichtzeile Martials übernommen hatte. Lysippus erscheint somit als der Lieblingskünstler sowohl des antiken wie des modernen Alexander, der den plastischen Porträts in neuer Weise unsterbliches Leben einhaucht, und der vor allem Freundschaftsbildnisse als Geschenke fertigt. Alle diese Bezüge verlangen aber, in Hermes Flavius als dem Freund Alessandros den ,neuen Lysippus' zu sehen. Allerdings kann der Kunstname 1474
487
Allerdings läßt das entsprechende Material und die Technik leicht Verbindungen zwischen Bronzestatuen und Medaillen herstellen; so kann etwa Erasmus in einem Brief an Willibald Pirckheimer diesem einen neuen Lysippus für seine Medaille wünschen (s.u.); für das Jahr 1530 führt WALDMAN 2000, S. 1 0 1 - 1 0 3 einen italienischen Beleg dafür an, daß auch dort Lysippus als Medailleur galt. Ein Uberblick zu den tatsächlichen Werken des Lysippus und ihrer Uberlieferung in: Lisippo. L'arte e la fortuna, hg. v. Paolo Moreno, R o m 1995.
488 Zum Wissen um diese Episode vgl. etwa bereits PETRARCA 1951, S. 304, Canzoniere, Nr. 232; RABY 1987, S. 187; besonders ausführlich CRINITO 1955, X V I , vii; PATRIZI 1567, fol. 68v nennt Polyklet anstelle von Lysipp. - Zu diesem Argument auch WALDMAN 2000, S. 1 0 1 - 1 0 3 . 489
Plinius, Nat. hist., 34, 6 1 - 6 5 ; Propertius, 3, 9, 9; Quintilian, Inst. Or., 12, 10, 9; Martial, 9, 43; zur Kenntnis dieser antiken Quellen im 15. Jahrhundert s. die Belege bei PFISTERER 1999, hier 9 2 - 9 5 . Zu ergänzen das Wissen um ein Freundschaftsbild in Gestalt einer gemeinsamen Jagdszene bei PATRIZI 1567, fol. 36v (II, 1): „Haec tarnen venado tanti fuit, ut earn Craterus vir illustris, & Alexandre gratissimus, a Lysippo Leochareque (qui praecipui omnium artificum eo tempore habebantur) aere conflatum Delphico Apollini suspendí fecerit. Cernebatur illic Alexander, qui leonem adoriebatur, & iuxta eum aderat Craterus inter comes, alios venatores. Expressit enim Lysippus similitudinem Alexandri, & amicorum eius adeo, ut pene spirantes vivique esse viderentur."
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noch nicht geläufig gewesen sein, da die Medaille für Alessandro mit .Hermes' signiert wurde. Das Pseudonym etablierte sich offenbar erst im Gefolge dieses Ereignisses und sehr wahrscheinlich initiiert oder zumindest beschleunigt durch das Gedicht Boccabellas. Alle mit ,Lysippus' bezeichneten Medaillen müssen daher nach 1474 entstanden sein eine problemlos mit der noch darzustellenden Stil-Entwicklung übereingehende Forderung. Waren die biographischen Informationen zu Hermes Flavius und Lysippus ,dem Jüngeren' getrennt betrachtet mehr als spärlich, ergeben sie zusammengesetzt - nachdem die Identität beider nun erwiesen ist - ein recht gutes Bild vom Leben des Künstlers. Die einzigen Angaben zu ,Lysippus' hatte der Humanist Raffaele Maffei Volterrano in seiner 1506 publizierten Enzyklopädie über das antike und moderne Rom im Rahmen einer kurzen Geschichte der dort tätigen Medaillenkünstler geliefert - zur Verläßlichkeit dieser Angaben sei vermerkt, daß Maffei selbst eine Medaille von Lysipp gefertigt bekam, ihn also aus erster Hand kannte: „Andreas aus Cremona [d. h. Guazzalotti] - über den es ein Gedicht des Campano gibt - formte ein Medaillenbildnis von Pius II.; Cristoforo aus Mantua eines von Paul II.; Lysippus jedoch, sein Neffe, [fertigte] als Heranwachsender eines von Sixtus IV. Und es ist verwunderlich, daß in dieser Familie selbst die Frauen, die ohne Lehrer Bilder von allem nach der Natur selbst abzuzeichnen gelernt hatten, für gewöhnlich in Wachs zu modellieren verstanden." 490 Bei Lysippus handelt es sich demnach um den .Neffen' des berühmten, aus Mantua stammenden Bronzebildners und Medailleurs Cristoforo di Geremia, der seit 1456 in Rom ansässig war, für mehrere Päpste, Kardinäle, die Gonzaga und Aragon Schaumünzen fertigte und wohl 1466-1468 auch das bronzene Reiterstandbild des Marc Aurel restaurierte - das dann zusammen mit den Rossebändigern und dem vermeintlichen Sarkophag der Costanza eine von Paul II. geplante, monumentale Platzanlage vor seinem Palazzo Venezia schmücken sollte. 491 Nun konnte ,Neffe' in Italien nicht nur den Verwandtschaftsgrad zu den Kindern von Geschwistern bezeichnen, sondern als eine Art Sammelbegriff auch wesentlich weitgreifendere familiäre Beziehungen. So ist zwar eine norditalienische Herkunft des Lysippus zu erwarten, es braucht aber nicht zu verwundern, daß aus den Archivdokumenten über Hermes Flavio de' Bonis - so dessen voller Name - zu erfahren ist, daß er nicht aus Mantua, sondern dem rund 200 Kilometer entfernten Padua stammte. 492 Damit klärt sich auch das Rätsel, was die Buchstaben ,L' und ,P' auf zwei Medaillen für Toscani zu bedeuten haben, für deren Auflösung bislang wenig überzeugend .Lysippus Pictor' oder .Legatus Pontificalis' vorgeschlagen wurde, obwohl weder der Künstler als Maler noch Toscani als päpstlicher Legat bezeugt sind (Abb. A.18,
490 MAFFEI 1506, fol. ccc v: „Andreas Cremonenfsis] Piu[m] .ii. Iconicu[m] in numismate expressif In que[m] est Ca[m]pani epigra[m]ma. Christophorus aut[em] Mantuanus Paulu[m] .ii. Lysippus vero eius nepos adolescens X y s t u m .iiii. Miru[m]q[ue] in ea domo vel feminas nullo praeceptore picturas o[mn]is ab ipsa natura delineare edoctas cera et[iam] fingere sólitas fuisse." Zu Andrea Guazzalotti und dem erwähnten Gedicht des Giannantonio Campano auf ihn s. Anm. 250.
491 Vgl. R o s s i 1888b; WOODS-MARSDEN 1990, S. 2 1 - 2 4 ; zu dem erst jüngst bekannt gewordenen Platz-Projekt MODIGLIANI 2003; vor diesem Hintergrund wird die konträre Bedeutung der Stiftung von Antiken auf das Kapitol durch Sixtus IV. umso deutlicher, vgl. BUDDENSIEG 1983 und D a Pisanello 1988. 492 R o s s i 1888a.
8. Auf der Suche nach dem Künstler: Lehen und Werk des neuen Lysippus
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A.19). 493 Hill hatte dagegen mit der Vermutung eines Herkunftsadjektivs bereits die richtige Richtung gewiesen494: ,L P' steht für .Lysippus Patavinus'. Das genaue Geburtsdatum des Hermes/Lysipp bleibt dagegen weiterhin unbekannt. Wenn er jedoch laut Maffei eine Medaille für Sixtus IV. als adolescens gegossen hat eine Altersangabe, mit der in der Regel zumindest annähernd der Zeitraum vom 14. bis 21. Lebensjahr bezeichnet wurde 495 - und die in Frage kommenden Schaumünzen ihrerseits mit Sicherheit zwischen Ende 1471 und Anfang 1473 datieren (Abb. A.l, A.4), dann ergibt sich ein mögliches Geburtsdatum zwischen ca. 1450 und 1459. Bezieht man in die Uberlegungen das 1473/74 entstandene Selbstbildnis des Künstlers ein, auf das noch ausführlich zurückzukommen sein wird und das einen jungen Mann um die 20 zu zeigen scheint, dann spricht alles für ein Geburtsdatum zwischen 1450 und 1455. Hermes wäre beim Tod Alessandros also wohl etwas jünger gewesen als der dritte Freund im Bunde, Demetrius - jedenfalls stammten die beiden .Erinnerungsgaben' an den 16jährigen Sieneser Pagen mit größter Wahrscheinlichkeit von zwei jungen Männern in ihren 20er Jahren. Wann genau Hermes nach Rom übersiedelt ist, entzieht sich ebenfalls unserem Wissen. Daß einem so jungen und offenbar noch mit keinem bedeutenden Werk hervorgetretenen Mann gleich der Auftrag für eine päpstliche Medaille zugesprochen wurde, läßt sich freilich überhaupt nur aufgrund der Protektion und Empfehlung durch den ,Onkel' Cristoforo verstehen, der als bedeutendster römischer Bronzebildner der Zeit eigentlich für diese Aufgabe zuständig gewesen wäre und der vermutlich eine Art .Garantieerklärung' für seinen jungen Adepten abgab. Einmal als päpstlicher Medailleur ins Rampenlicht getreten, scheint Hermes dann aber auch vermittels seines Freundeskreises und hier insbesondere durch Giovanni Alvise Toscani, der offenbar für sich selbst allein sechs Schaumünzen orderte, an Aufträge von Juristen und Sekretären der päpstlichen Kurie gekommen zu sein: Zu ersteren zählte Pietro Antonio de Clapis und vermutlich Giovanni Battista Orsini (Abb. A.27, Α.3), zu zweiteren Raffaele Maffei, der Spanier Francisco Vidal, Gianfrancesco Marasca und wahrscheinlich Malitia Gesualdi (Abb. A.2, A.l 1-13, A.29, A.26). In diesem Umfeld bewegten sich auch die hohen kirchlichen Funktionäre Niccolò Franco und Raffaele Riario (Abb. A.20, A.22). Bemerkenswerterweise erhalten vier weitere Personen: Francesco de' Massimi, Catelano de' Casali, Girolamo Calagrani und Antonio di Santamaria Medaillen von Hermes (Abb. A.l6, A.23, A.24, A.25), um mehr oder weniger kurze Zeit später dann in päpstliche Dienste aufgenommen zu werden (möglicherweise muß auch der auf seinem Medaillen-Bildnis entsprechend gekleidete Alfonso Morosini (Abb. A.21) in diese Gruppe gerechnet werden, allerdings sind über ihn keine biographischen Daten zu ermitteln). Mit aller Vorsicht läßt sich angesichts dieser Situation also mutmaßen, daß Medaillen zum einen dazu benutzt wurden, wichtige Lebensabschnitte auch jüngerer Personen - wie die Aufnahme unter die päpstlichen Abbreviatoren oder Protonotare - festzuhalten.496 Andererseits aber ließen sich Medaillen als eine Art Propagandainstrument auch dazu benutzen, den eigenen Namen bekannt zu machen und bei Stellenbesetzungen ins
493
D e r Vorschlag „Lysippus p i c t o r " von FRIEDLÄNDER 1882, S. 126 f.; „Legatus Pontificalis" mit Vorbehalt von WALDMAN 2 0 0 0 , S. 101.
494
H I L L 1 9 0 8 , S. 2 7 8 .
495
Z u Altersangaben im 15. J a h r h u n d e r t vgl. die Literatur in A n m . 40.
496
Z u diesen päpstlichen Ä m t e r n bzw. auch nur Ehrentiteln HOFMANN 1914 und FRENZ 1986.
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Spiel zu bringen, zumindest könnte dieses Vorgehen bei den vier genannten Gelehrten so ähnlich funktioniert haben (als Alternative wäre zumindest theoretisch und wenig wahrscheinlich auch denkbar, daß sie ihren neuen Titel auf der Medaille nicht nennen). Angesichts dieser sozial weitgehend homogenen Gruppe von Medaillen-Empfängern setzt sich eine zweite, kleinere Anzahl von Schaumünzen für .Freunde' um so deutlicher ab: Hierzu rechnet neben der Medaille für Alessandro Cinuzzi das Exemplar für Giuliano Marasca (Abb. Α. 15), deren Inschrift auf dem Revers: „LYSIPPVS A M I C O O P T I M O " ein Geschenk von Hermes an den Jugendlichen vermuten läßt, der als „bester des Nachwuchses" oder aber als „von besten Anlagen" charakterisiert wird (je nachdem, wie man die Abkürzung „ I N D O L " auflöst und versteht). Giuliano und sein älterer Bruder (?) Gianfrancesco waren die Neffen des Bartolomeo Marasca, zunächst Haushofmeister von Kardinal Francesco Gonzaga, ab 1468/69 dann mit mehreren verantwortungsvollen Aufgaben in päpstlichen Diensten betraut (u.a. war Bartolomeo Maiordomus Pauls II. und ging auch mit Girolamo Riario auf die Jagd), 1473 erschienen zwei seiner religiösen Schriften im Druck, ein Jahr später wurde er zum Bischof von Città di Castello geweiht. Beide Neffen werden in Bartolomeos Testament vom 20. September 1487 als Kleriker erwähnt. 497 Nicht bekannt war bislang, daß Giuliano Latein-Unterricht bei Pomponius Laetus erhalten hatte und sich also wiederum im unmittelbaren Umkreis der Akademie bewegte. 498 Daß auch Giulianos älterer Bruder (?) Gianfrancesco eine Medaille von Hermes vorzuweisen hat, erklärt sich leicht aus der Freundschaft des Künstlers zu Giuliano, denn daß umgekehrt der MedaillenAuftrag des 1479 zum abbreviator apostolices ernannten Gianfrancesco den Hermes erst in Kontakt mit dem jüngeren Giuliano gebracht hätte, scheint angesichts der baldigen Abreise des Künstlers aus Rom, aber auch aufgrund des Stils der beiden Exemplare weniger wahrscheinlich (Abb. A.29). Ohne daß sich das Alter Giulianos genauer bestimmen ließe, fällt doch angesichts seines kindlich-runden Gesichtes auf, daß sich hier offenbar eine ähnliche altersungleiche Freundschaft wiederholte wie bereits zwischen Alessandro Cinuzzi und Hermes. Anders dagegen - das läßt sich an dieser Stelle vorerst nur konstatieren - präsentiert sich die Situation bei der Medaille für den „ P A R T H E N I V S A M I C V S " (Abb.A.28), der dem Bildnis nach zu schließen in etwa das Alter von Hermes gehabt haben dürfte. Von den vielen Personen mit diesem Pseudonym dürfte kaum der obskure Humanist Bartolomeo Par497 Bartolomeo Marasca, Libro de la preparazione alla morte, Rom 1473 (mit Widmung an Susanna und Cecilia Gonzaga) und Oratio in Parasceve anni 1468, Rom 1473; die erste Schrift ist freilich worauf mich Claudia Märtl hingewiesen hat - ein weitgehendes Plagiat nach dem Memoriale ad passagium mortis des Bartolomeo Vitelleschi, dazu Claudia Märtl, Bartolomeo Vitelleschi (fl463). Ein italienischer Rat Friedrichs III., in: Festschrift für Karl-Friedrich Krieger zum 65. Geburtstag, hg. v. Jörg Schwarz / Franz Fuchs [im Druck]. Zur Person Marascas s. David S. Chambers, Bartolomeo Marasca, Master of Cardinal Gonzagas Household (1462-1469), in: Aevum, 63, 1989, S. 265-283, das Testament S. 280 f., Anm. 116 und ders., Renaissance Cardinals and their Worldly Problems, Aldershot 1997, Nr. IX, Additions and Corrections S. 8; die Jagd-Episode überliefert G H E R A R D I 1 9 0 4 , S. 3 9 .
498 BAV, Ottob. lat. 1982, fol. 30r und 39r eindeutig „Pomponio Ad Giulio Marensis" bzw. „Antonio pinfrenato ad giuliano maresca"; weiterhin erscheint ein „Julianus" auf fol. 25v-26v, 29v, 30v, 39r-v. - Ob es sich auch bei dem „Juliano suo", der 1482 zweimal im Namen des Pomponius für dessen Professur die Entlohnung der Gabella Studii in Empfang nimmt, um Giuliano Marasca handelt, ist für mich nicht zu klären, s. CHAMBERS 1976, S. 89 und 91.
8. Auf der Suche nach dem Künstler:
Leben und Werk des neuen Lysippus
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tenio da Brescia in Frage k o m m e n , v o n d e m sich gesicherte N a c h r i c h t e n ü b e r seine L e h r tätigkeit am Studium Urbis erst in den J a h r e n 1490/93 f i n d e n , u n d auch nicht A n t o n i o Partenio da Verona, der z w a r seinen 1486 in Brescia g e d r u c k t e n C a t u l l - K o m m e n t a r d e m P o m p o n i u s Laetus dedizierte, f ü r den aber ü b e r h a u p t kein R o m - A u f e n t h a l t n a c h z u w e i s e n ist, s o n d e r n allein P a r t h e n i u s M i n u t i u s Paulinus, ein A b k ö m m l i n g der r ö m i s c h e n Familie der Pallini, dessen P s e u d o n y m . P a r t h e n i u s ' sich in V e r b i n d u n g mit der Jahreszahl 1475 u n t e r den Graffiti der K a l i x t - K a t a k o m b e n e b e n d e n j e n i g e n v o n Laetus u n d d e n anderen A k a d e m i e - M i t g l i e d e r n f i n d e t u n d der später m e h r f a c h mit Laetus zusammenarbeitete. 4 9 9 D a ß es sich auch bei einem Medaillen-ähnlichen Bronzespiegel mit d e m Selbstbildnis des Lysipp u m ein weiteres G e s c h e n k f ü r einen F r e u n d handelte, wird ebenfalls n o c h zu zeigen sein ( A b b . A.5). Es bleibt als einziges W e r k des H e r m e s , das sich nicht eindeutig den zwei Kategorien . K u r i e ' o d e r . F r e u n d e ' z u o r d n e n läßt, die Medaille auf den b e r ü h m t e n H u m a nisten, poeta laureatus u n d comes palatinus M a r t i n u s Phileticus ( A b b . A.14). Allein der U m s t a n d , d a ß das E x e m p l a r f ü r den Griechisch- u n d L a t e i n - P r o f e s s o r am Studium der Stadt auf d e m Revers nach d e m Vorbild antiker K ü n s t l e r mit „ΕΡΓΟΝ Λ Υ Σ Ι Π Π Ο Υ NEO T E P O Y " signiert ist, k ö n n t e auf f r e u n d s c h a f t l i c h e Beziehungen zu H e r m e s hinweisen: D e n n nicht n u r w u r d e sein K u n s t n a m e o f f e n b a r v o n den Gelehrten im Kreis u m Alessandro C i n u z z i e r f u n d e n , s o n d e r n in der Folge ausschließlich auf Medaillen f ü r amici - Giuliano Marasca u n d G i o v a n n i Alvise Toscani - b e n u t z t . N a c h d e m Weggang aus R o m ließ H e r m e s das P s e u d o n y m o f f e n b a r ganz fallen. Allerdings ist nicht auszuschließen, d a ß Phileticus d u r c h eine griechische Lysippus-Signatur auch n u r das antikische .Flair' seiner Medaille e r h ö h e n wollte. In jedem Fall scheint Phileticus aber z u d e m in engerer V e r b i n d u n g zu Toscani gestanden zu haben. 5 0 0 Letzte gesicherte Zeugnisse f ü r H e r m e s ' A u f e n t h a l t in R o m sind zwei 1478 datierte M e daillen ( A b b . A.22, A.23) sowie ein Stück, das a u f g r u n d externer A r g u m e n t e sicher auf .nach 11. J a n u a r 1479' angesetzt w e r d e n k a n n ( A b b . A.29). Wohl wenige M o n a t e später verließ H e r m e s die Ewige Stadt. G r ü n d e f ü r die Abreise k ö n n t e n z u n ä c h s t der Tod seines . O n k e l s ' C r i s t o f o r o di G e r e m i a im J a h r 1476 gewesen sein. Z u d e m fällt in das f o l g e n d e J a h r der E n t s c h l u ß Toscanis, die klerikalen Weihen zu e m p f a n g e n : A b diesem Z e i t p u n k t zog dieser sich nicht n u r aus der h u m a n i s t i s c h e n B u c h p r o d u k t i o n z u r ü c k , s o n d e r n n a h m m ö g licherweise auch seine p r o t e g i e r e n d e H a n d v o n H e r m e s . Jedenfalls e r f a h r e n wir aus einem Brief des Kardinals Francesco G o n z a g a v o m 20. J a n u a r 1480, d a ß zu diesem Z e i t p u n k t H e r m e s bereits in seinem N a m e n in Bologna einen B r o n z e l e u c h t e r in A u f t r a g gegeben u n d ü b e r dessen strittigen Preis verhandelt hatte - der a u f g r u n d seiner Medaillen als F a c h m a n n in allen B r o n z e o b j e k t e b e t r e f f e n d e n Fragen ausgewiesene H e r m e s w a r also w o h l spätestens E n d e 1479 in G o n z a g a - D i e n s t e eingetreten u n d hatte z u m i n d e s t zeitweise R o m verlassen. 501 D a j e d o c h ab 28. D e z e m b e r 1480 Francesco G o n z a g a selbst f ü r ein k n a p p e s J a h r in der U r b s seine Residenz aufschlug, k ö n n t e auch H e r m e s in dieser Zeit w i e d e r d o r t h i n
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S o s c h o n N O L H A C 1 8 8 6 u n d ZABUGHIN 1 9 0 9 - 1 9 1 2 , B d . 1, S. 2 6 2 f., B d . 2, S. 182; DELLA T O R R E
1903 glaubt ihn fälschlich unter den 1468 Eingekerkerten. 500 BIANCA 1996, S. 273 vermutet mit guten Gründen, daß Phileticus seinen Horaz-Kommentar von 1470/71 Toscani widmete, sicher auch mit dem Hintergedanken, daß dieser ihm zur Drucklegung verhelfen könnte. 501 CHAMBERS 1992, S. 69, 84 f. sowie die Erwähnungen in der Korrespondenz des Kardinals S. 201 f.; der erwähnte Brief von 1480 in CHAMBERS 1995, S. 155-170, hierS. 159.
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zurückgekehrt sein. Spätestens jedoch als dann Papst Sixtus IV. nach der Wiedereroberung Otrantos aus türkischer Hand (10. September 1481) eine Schaumünze auf den Sieg fertigen lassen wollte, stand sein bewährter Medailleur endgültig nicht mehr zur Verfügung: Dieser und der nachfolgende päpstliche Auftrag gingen offenbar in Ermangelung besserer Alternativen an Andrea Guazzalotti, der - wie gesehen - schon für Nikolaus V., Calixt III. und Pius II. die Medaillen geformt hatte, dann aber von dem künstlerisch weit überlegenen Cristoforo di Geremia abgelöst worden war.502 Im Gefolge Gonzagas dürfte Hermes spätestens im Dezember des Jahres 1481 erneut nach Bologna aufgebrochen sein. In dem dort am 20. Oktober 1483 abgefaßten Testament des Kirchenmannes erwähnt ihn der Kardinal unter seinen Famiiiaren und „dauernden Tischgenossen", denen er sein Tafelsilber vermachte. Dies bestätigt nochmals, daß Hermes zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits länger in seinen Diensten stand und sich seine Zuneigung erworben hatte. Das Testament des Kardinals verzeichnet unter den Bedachten zudem die ehemals an den Epigrammata beteiligten Pietro Marso und Baccio Ugolini. Boccabella hatte schon gleich nach dem Tode Pietro Riarios 1474 versucht, die Gunst Francesco Gonzagas zu erlangen. Dieser erschien also einer ganzen Reihe von Personen aus dem Umkreis der Römischen Akademie als ein vielversprechender neuer Patron, möglicherweise funktionierten auch noch immer einige Verbindungen des ehemaligen Freundeskreises.503 Als Francesco wenige Tage nach Abfassung seines letzen Willens tatsächlich verstarb, wechselte Hermes mit einem großen Teil der .Kardinalsfamilie' noch im gleichen Jahr in den Dienst des vor allem von Mantua aus (mit Ausnahme eines kurzen Romaufenthaltes von Frühjahr bis September 1484) agierenden Bruders Ludovico Gonzaga, der jahrelang und letztlich vergeblich hoffte, zum Kardinal und damit Nachfolge seines verstorbenen Bruders ernannt zu werden.504 Zahlreiche Belege dokumentieren in den folgenden Jahren die Tätigkeit des Hermes als dessen ,Kunstsachverständiger', „inzegnere"/Architekt und Gesandter, wobei er in den Quellen nie mehr direkt als Medailleur angesprochen wird, so daß ab den frühen 1480er Jahren keine allzu intensive (wenn überhaupt) Tätigkeit auf diesem Gebiet zu erwarten ist. Dies spricht rückwirkend dafür, auch in früheren Jahren, als seine Medaillen großen Erfolg hatten, Hermes nicht als ausschließlichen ,Berufskünstler' zu sehen, sondern als eine vielfältig in einer Hofhaltung einzusetzende Person mit besonderen künstlerischen Fähigkeiten - eben als den oben beschriebenen dilettante im besten Sinne. Sein letzter nachgewiesener Brief aus Florenz datiert vom 10. August 15 03. 505 Aber noch im August 1526 wird er als Nutznießer einer Präbende unweit Mantuas genannt: „reverendus dominus Hermes Flavius de Bonis de Padua habitator Gazoli rector et legitimus administrator ecclesie loci Cerlongi". 506 Wie die 502 H.751, H.752. 503 CHAMBERS 1992, S. 135 f. zum Testament, S. 185 zum Post-Mortem-Inventar (das Pferd des Hermes); David S. Chambers, Il Platina e il cardinale Francesco Gonzaga, in: Bartolomeo Sacchi il Platina 1986, S. 9-19. 504
V g l . CHAMBERS 1 9 9 2 u n d CHAMBERS 1 9 9 5 , S. 1 6 4 - 1 6 7 .
505 Rossi 1888a, S. 37f. - Zu Hermes' Tätigkeit als ,Architekt' an der villa von Quingentole (1492) und den palazzi in Ostiano, Castelgoffredo und Gazzuolo auch Alberto Berselli/Gianni Borghi, Per una recostruzione della villa vescovile di Quingentole, in: Civiltà Mantovana, 30/101, 1995, S. 57-79. 506 Andrea Canova, Prime ricerche su Ludorico Gonzaga vescovo eletto di Mantova, con un documento riguardante Andrea Mantegua, in: Annali di Storia Moderna e Contemporanea, 2, 1996, S. 215-240, hier S. 218 f.; mit „Gazoli" dürfte Gazzuolis gemeint sein.
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genauen Geburtsangaben sind auch Todesdatum und -ort von Hermes Flavius de' Bonis unbekannt. Hilft dieses neue Bild vom Leben des Lysippus nun auch, die künstlerische Entwicklung seiner Werke besser zu verstehen? Versucht wird auf der neuen Grundlage erstmals (in Anhang A), alle ihm hier zugeschriebenen 33 Medaillen in eine chronologische Ordnung zu bringen, wofür zunächst ein Grundgerüst aus den fest datierten bzw. über die Biographie der Dargestellten und des Künstlers sicher datierbaren Stücken - knapp die Hälfte des Œuvres - erstellt wurde. Kandidat für den Platz des frühesten bekannten Werkes des Hermes scheint dabei zunächst die Medaille des jungen päpstlichen scriptor Raffaele Maffei zu sein (Abb. A.2), wäre diese unmittelbar nach dessen Ernennung 1468 entstanden. Allerdings macht der Vergleich mit der sicher auf Ende 1471/Anfang 1472 datierbaren Krönungsmedaille für Sixtus IV. sehr wahrscheinlich (Abb. A.l), daß die Maffei-Schaumünze mit ihren sowohl in der szenischen Bewegung als auch plastischen Durcharbeitung entwickelteren Revers-Figuren wohl doch nach dem Exemplar für den Papst anzusetzen ist - zumal bei einer früheren Datierung höchstens noch eine weitere Medaille für den langen Zeitraum von 1468 bis Ende 1471 in Frage käme. Setzt man dagegen die Sixtus-Medaille an den Anfang, wären in einer annähernd kontinuierlichen Folge der Großteil aller Schaumünzen des Hermes für in Rom ansässige Personen im knappen Jahrzehnt zwischen Ende 1471 und 1479/81 entstanden. Zumindest drei Tendenzen einer künstlerischen Entwicklung zeichnen sich dabei deutlich ab: 1.) Die ungewöhnlich großen Medaillen (Durchmesser ab 60 bis 124 mm) des Hermes (Abb. A.2, A.3, A.5, A.6, A.10) entstehen allesamt zu Beginn seiner Tätigkeit, zwischen 1471 und 1474. Danach nähern sich seine Durchmesser dem allgemein Üblichen an und bewegen sich zwischen 33 und 45,5 mm. Erst seine möglicherweise letzte Medaille wird wieder größer (A.33). 2.) Die Revers-Gestaltung gewinnt zu Beginn des Jahres 1477 eine neue Qualität der Antikentreue. Zwar werden auch zuvor antike Texte und Bilder umgesetzt, aber erst der Pallas Athena auf einer der Medaillen Toscanis und der Ecclesia/ Abundantia auf der Medaille für Niccolò Franco scheint in der Gesamtgestaltung eine antike Münze als konkretes Vorbild zugrunde gelegen zu haben (Abb. A.l8, A.20; dieser Tendenz scheint auch die Größen-Angleichung an antike Sesterze zu folgen). Insgesamt würde sich dieses Bemühen gut dem allgemeinen Interesse unter Sixtus IV. an einem immer besseren Antiken-Verständnis einfügen. 3.) Trotz steigender Antikennähe scheint jedoch die künstlerische Qualität der Medaillen des Hermes im Laufe dieses Jahrzehnts zumindest teilweise abzunehmen. Die geschlossene Serie exzeptioneller Stücke - und dieser Eindruck stellt sich nicht nur aufgrund ihrer Größe ein - reicht bis zu den frühen Medaillen für Toscani 1473/75. Danach entstehen Schaumünzen sehr unterschiedlicher Ausarbeitungsqualität. So zeigen nicht nur einige der Porträts maskenhaft erstarrte Gesichter und vergleichsweise schematisch gestaltete Haare (Abb. A.16). Für die Reverse werden Vorbilder anderer Künstler übernommen: Das mag im Falle der Schaumünze für Filetico einen bewußten Bezug auf das Vorbild des großen Humanisten und Lehrer Vittorino da Feltre implizieren, deshalb hätte aber der Pelikan nicht von einer dritten Medaille abgegossen und nur unbefriedigend der neuen Rückseite integriert werden müssen (Abb. A.l4, Abb. 98, 99). Das Revers von A.20 adaptiert eine Figur des Cristoforo di Geremia (Abb. 100), auch in diesem Fall ein sinnstiftender Rekurs, der in dieser Form bei den frühen Medaillen dennoch nicht vorkam. Schließlich verflachen die anfänglich präzise ausmodellierten Blatt-Kränze zu flach-stereotypen Blattchiffren (Abb. A.15, A.16). Als Gründe für diese Entwicklung wäre
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Die Gaben des Geistes
Abb. 98 Pisanello, Vittorino da Fcltre (Bronze). University of California at Santa Monica, Sigmund Morgenroth Collection
d e n k b a r , d a ß H e r m e s in der z w e i t e n H ä l f t e der 1 4 7 0 e r J a h r e d e u t l i c h m e h r A u f t r ä g e e r h a l ten zu h a b e n s c h e i n t ( b z w . s t ä r k e r auf die B e z a h l u n g d i e s e r A r b e i t e n a n g e w i e s e n w a r ) , so d a ß n u n b e i m A u f w a n d der k ü n s t l e r i s c h e n G e s t a l t u n g n a c h B e d e u t u n g ( u n d B e z a h l u n g ? ) variiert w o r d e n sein k ö n n t e . Z u d e m s t i r b t 1 4 7 6 C r i s t o f o r o di G e r e m i a - a n g e s i c h t s d e r s e h r w a h r s c h e i n l i c h e n B e d e u t u n g des , O n k e l s ' f ü r A u s b i l d u n g u n d f r ü h e K a r r i e r e des H e r m e s in R o m entfielen n u n d e s s e n H i l f e u n d ü b e r r a g e n d e r k ü n s t l e r i s c h e r M a ß s t a b . I n s g e s a m t g e s e h e n m u ß m a n d e m j ü n g e r e n L y s i p p u s a b e r in j e d e m F a l l z u g e s t e h e n , ä h n l i c h w i e s c h o n C r i s t o f o r o eine i n d i v i d u e l l e S t i l v a r i a n t e m i t h o h e m W i e d e r e r k e n n u n g s w e r t a u s g e b i l d e t zu h a b e n . B e i d e K ü n s t l e r l ö s t e n sich v o n d e m z u v o r I t a l i e n - w e i t v e r b i n d l i c h e n
.Medaillen-
S t a n d a r d ' , d e n P i s a n e l l o g e s e t z t h a t t e u n d d e m e t w a n o c h u m die J a h r h u n d e r t m i t t e M a t t e o d e ' Pasti, F r a n c e s c o L a u r a n a u n d a n d e r e m i t ihren S c h a u m ü n z e n w e i t g e h e n d g e f o l g t w a r e n . D a g e g e n s e t z t e o f f e n b a r in d e n 1 4 7 0 e r J a h r e n n i c h t n u r in R o m , s o n d e r n a u c h an a n d e r e n H ö f e n ein B e d ü r f n i s n a c h . k ü n s t l e r i s c h e r D i v e r s i f i z i e r u n g ' u n d e x k l u s i v e r U n v e r w e c h s e l b a r k e i t der ( H o f - ) K ü n s t l e r , i h r e r P r o d u k t e u n d d a m i t l e t z t l i c h a u c h i h r e r A u f t r a g g e b e r ein.507 D i e V e r m u t u n g , H e r m e s h a b e n a c h d e m T o d des C r i s t o f o r o z u m i n d e s t z e i t w e i s e d e s s e n W e r k s t a t t ü b e r n o m m e n , k ö n n t e s c h l i e ß l i c h a u c h die Z u s c h r e i b u n g eines der r ä t s e l h a f t e s t e n W e r k e der B r o n z e k u n s t i m R o m des späten 15. J a h r h u n d e r t s erhellen helfen ( A b b . 1 0 1 , 1 0 2 ) . 1 4 7 7 w e r d e n f ü r d e n R e l i q u i e n s c h r e i n der K e t t e n P e t r i in e i n e r S e i t e n k a p e l l e v o n S. P i e t r o in V i n c o l i z w e i n e u e b r o n z e n e T ü r f l ü g e l m i t T e i l v e r g o l d u n g gestiftet -
die I n s c h r i f t e n
n e n n e n S i x t u s IV. u n d d e n 1 4 7 1 e r n a n n t e n N e p o t e n u n d K a r d i n a l der T i t e l k i r c h e , G i u l i a n o della R o v e r e , d e n s p ä t e r e n J u l i u s I I . 5 0 8 D i e b e i d e n in g l e i c h e r W e i s e h o r i z o n t a l d r e i g e t e i l t e n 507 Dies untermauert die wichtigen Beobachtungen von SYSON 2004 für das Beispiel des Bertoldo di Giovanni und Florenz. 508 Auf dem linken Türflügel mit Papst-Wappen: „ S I X T V S Q V A R T V S P O N T I F E X M A X " ; auf dem rechten Türflügel mit Kardinalswappen: „IVL. C A R D . S. P E A D V I N C V L A S R O M A N A E
8. Auf der Suche nach dem Künstler: Leben und Werk des neuen Lysippus
A b b . 99
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A n d r e a G u a z z a l o t t i , Pius I I . ( B r o n z e ) . M e d a g l i e r e V a t i c a n o
Flügel zeigen in den g r o ß e n , annähernd quadratischen Mittelfeldern je eine Szene der Vita des H l . Petrus, seine Verurteilung durch H e r o d e s Agrippa und die w u n d e r b a r e Befreiung aus dem Gefängnis durch einen Engel (von der simultan zwei M o m e n t e gezeigt werden), darüber in längsrechteckigen Feldern - von Putten gehalten - R o v e r e - W a p p e n und darunter e b e n s o gestützte Inschriftentafeln. E i n R a h m e n mit l o c k e r e m A k a n t h u s - B l a t t w e r k umfängt das G a n z e . D i e älteren Z u s c h r e i b u n g e n an A n t o n i o P o l i a m o l o bzw. den jungen C a r a d o s s o sind ü b e r h o l t , ein weiterer Vorschlag: C r i s t o f o r o di G e r e m i a schien angesichts dessen Todesdatums, aber auch aus G r ü n d e n der uneinheitlichen Ausführungsqualität der B r o n z e T ü r e n nicht zutreffend. 3 0 9 D a g e g e n haben A n t h o n y Radcliffe und vor allem jüngst A n n a Cavallaro die motivischen U b e r e i n s t i m m u n g e n mit W e r k e n C r i s t o f o r o s und deren räumlich und plastisch nicht ganz gelungene A u s f ü h r u n g mit dem Stil des Lysippus in Verbindung gebracht. 5 1 2 Freilich würde im bis dato nachgezeichneten W e r k des H e r m e s nichts einen solchen G r o ß a u f t r a g rechtfertigen. U n d w e n n man ihm auch die k o m p o s i t i o n e i l e n
E C C L . M A I O R . P E N I T E N T I A R I V S M C C C C L X X V I I " . - Von den beiden s z e n i s c h e n Reliefs existieren z u d e m jeweils leicht v e r k l e i n e r t e und i k o n o g r a p h i s c h a b g e w a n d e l t e , P l a k e t t e n - ä h n l i c h e V e r s i o n e n in Paris und L o n d o n , die aber n i c h t v o m K ü n s t l e r der T ü r e n selbst s t a m m e n müssen, dazu POPE-HENNKSSY 1964, B d . 1, S. 2 8 5 ( N r . 2 9 5 ) . 509
D i e Z u w e i s u n g an P o l i a m o l o bereits v o n P o m p e o U g o n i , H i s t o r i a delle stationi di R o m a , R o m 1588, S. 55; MÜNTZ 1 8 7 8 - 1 8 8 2 , B d . 3, S. 8 6 z u m P r o b l e m , w a n n P o l l a i u o l o nach R o m k o m m t ; die Z u s c h r e i b u n g an C a r a d o s s o zuerst v o n A d o l f o Venturi, L e p r i m i z i e del C a r a d o s s o a R o m a , in: L ' A r t e 6, 1 9 0 3 , S. 1—6; für C r i s t o f o r o di G e r e m i a plädiert C h a r l e s S e v m o u r , S c u l p t u r e in Italv, 1 4 0 0 - 1 5 0 0 , H a r m o n d s w o r t h 1966, S. 156 u n d 162.
510
A n t h o n y R a d c l i f f e , in: T h e T h y s s e n - B o r n e m i s z a C o l l e c t i o n . R e n a i s s a n c e and L a t e r S c u l p t u r e with W o r k s o f A r t in B r o n z e , hg. v. A n t h o n y R a d c l i f f e / M a l c o l m B a k e r / M i c h a e l a M a e k - G e r a r d , L o n d o n 1992, S. 198 ( K a t . 3 1 ) und A n n a C a v a l l a r o , L e p o r t e i l e di S. P i e t r o in V i n c o l i , in: S i s t o I V 2 0 0 0 , S. 3 9 9 - 4 1 0 .
Die Gaben des Geistes
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C r i s t o f o r o di G e r e m i a , Konstantin d. Gr. (Bronze). L o n d o n , British M u s e u m
E n t w ü r f e der beiden vielfigurigen Szenen mit ihrer k o m p l i z i e r t e n architektonischen H i n t e r g r u n d s k u l i s s e vielleicht noch z u t r a u e n wollte, der Stil der plastisch-bewegten Blätter des R a h m e n s u n d z u m i n d e s t die oberen Putten mit ihrer schwellenden Körperlichkeit k ö n n e n k a u m von derselben H a n d stammen, die die H i s t o r i e n u n d deren gelängte, kantige u n d reliefhaft-flach bleibende Figuren modellierte. Gerade dieser w i d e r s p r ü c h l i c h e B e f u n d aber - einer der anspruchsvollsten und prestige-trächtigsten A u f t r ä g e der Zeit für einen B r o n z e b i l d e r in R o m , aus stilistisch auffällig divergierenden Elementen z u s a m m e n g e s e t z t , teils M o d e l l e des C r i s t o f o r o di Geremia aufgreifend, im Detail der A u s a r b e i t u n g aber eher auf H e r m e s deutend - ließe sich mit der Situation der J a h r e 1475-1477 sehr plausibel erklären: Der k a u m in nur einem J a h r zu b e w ä l t i g e n d e A u f t r a g w ä r e - vermutlich im Gefolge der von G i u l i a n o della Rovere ab 1474 initiierten Erneuerungsarbeiten in der Kirche 5 1 1 u m 1475/76 zunächst an den einzigen dafür in Frage k o m m e n d e n Künstler in R o m ergangen, an C r i s t o f o r o di Geremia. Dieser hätte den Entwurf geliefert und mit seiner Werkstatt den R a h m e n inklusive der Putten ausgearbeitet. D a n n starb C r i s t o f o r o jedoch 1476 und hinterließ die V e r a n t w o r t u n g für die Fertigstellung, insbesondere der erzählenden Reliefs, von denen m ö g l i c h e r w e i s e die H i n t e r g r ü n d e bereits fertig angelegt w a r e n , seinem vielleicht schon z u v o r an den Arbeiten mitbeteiligten , N e f f e n ' H e r m e s , dessen bislang am M e d a i l l e n format geübte M o d e l l i e r k u n s t von Figuren der neuen H e r a u s f o r d e r u n g freilich nicht ganz gewachsen war. N a c h d e m definitiven Weggang aus R o m 1481 w i r d H e r m e s in den Quellen jedenfalls am keiner Stelle mehr w e d e r als , L y s i p p u s ' noch als M e d a i l l e u r angesprochen - er scheint seine bildkünstlerische Tätigkeit w e i t g e h e n d eingestellt zu haben. Die nur noch vier weiteren, ihm hier im Katalog versuchsweise zugeschriebenen Medaillen aus diesen n a c h - r ö m i s c h e n
511 D a z u B E N Z I 1990, S. 165 f. u n d L o r e n z o Finocchi Ghersi, O r n a m e n t i .all'antica' in alcune f a b briche c o m m i s i o n a t e dal cardinale G i u l i a n o della Rovere: architetti e p r o b l e m i di stile, in: Q u a derni del D i p a r t i m e n t o P a t r i m o n i o Architettonico e Urbanistico, 5 - 6 , 1993, S. 7 1 - 9 6 .
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A b b . 101
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C r i s t o f o r o di G e r e m i a u n d L v s i p p u s ,
B r o n z e t ü r e n f ü r d a s A l t a r r e l i q u i a r d e r K e t t e n P e t r i . R o m , S. P i e t r o in V i n c o l i
J a h r e n tragen d e m R e c h n u n g : A n g e s i c h t s des g r o ß e n zeitlichen A b s t a n d e s b r a u c h t es nicht zu v e r w u n d e r n , d a ß die k ü n s t l e r i s c h e n C h a r a k t e r i s t i k a n u r teilweise b e i b e h a l t e n w u r d e n . A n d e r e r s e i t s scheint H e r m e s , dessen M e d a i l l e n g e s t a l t u n g f ü r viele K ü n s t l e r des a u s g e h e n den 15. J a h r h u n d e r t s v o n g r o ß e r B e d e u t u n g gewesen war, bei seinem letzten Stück (?) aus den J a h r e n u m o d e r k u r z nach 1500 ( A b b . A.33) seinerseits z u m i n d e s t teilweise u n t e r den E i n f l u ß d e r n e u e n M a n t u a n e r Schule eines A n t i c o u n d ihrer radikalen A n t i k e n a n e i g n u n g
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Die Gaben des Geistes
A b b . 102b
C r i s t o f o r o di G e r e m i a u n d L y s i p p u s , B e f r e i u n g Petri. R o m , S. P i e t r o in Vincoli
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geraten zu sein, möglicherweise versucht seine Medaille für C o s t a n t i n o Arianiti noch präziser faßbar die scharfgratige Ästhetik der geschlagenen Medaillen des Mantuaners Gianmaria Cavalli zu imitieren. 5 1 2 D a m i t sind wir abschließend tatsächlich ungefähr dort angekommen, w o Hill zunächst dachte, die Werke des H e r m e s Flavius einordnen zu können - im Mantua des frühen Cinquecento. Vale Vutltr, Q- in Amor it Vidi, fi potei, ne Unitosi ve tiens, cantt».
512 Vgl. zur Manutaner Schule H. S. 47-65; Karl Schulz, in: Isabella d'Esté 1994, S. 60 (Kat. 29f.) und S. 373-383 (Kat. 120-128) und mehrere Beiträge in: I Gonzaga 1995.
Die Gaben der Liebe
9. Renaissance-Medaillen als ,soziale Währung' Soll in d e r h e u t i g e n F o r s c h u n g d i e F u n k t i o n v o n R e n a i s s a n c e - M e d a i l l e n in p r ä g n a n t e r K ü r z e definiert werden, so spricht m a n zumeist von den „Scheidemünzen des R u h m e s " oder d e r „ c u r r e n c y of f a m e " - u n d e r w e i s t d a m i t e i n m a l m e h r J a c o b B u r c k h a r d t d i e R e f e r e n z . 5 1 3 H a t t e d o c h der Basler ( K u n s t - ) H i s t o r i k e r mit diesem Schlagwort das n e u e B i l d m e d i u m im H o r i z o n t s e i n e r g r o ß e n T h e s e v o n d e r . E n t d e c k u n g d e s I n d i v i d u u m s ' in d e r i t a l i e n i s c h e n Renaissance charakterisiert.514 U n d dies o f f e n b a r - u n d w i e so h ä u f i g - sehr z u t r e f f e n d : D e n n bereits in d e r Renaissance selbst scheint im Z u s a m m e n h a n g mit jeder A r t v o n Bildnis u n d a l s o a u c h b e i M e d a i l l e n d i e e r s t e F r a g e auf d i e S e l b s t - P r ä s e n t a t i o n z u z i e l e n , g e n a u e r g e s a g t : auf m ö g l i c h s t g r o ß e V e r b r e i t u n g d e s e i g e n e n K o n t e r f e i s , auf d a d u r c h g a r a n t i e r t e n l a n g a n h a l t e n d e n ( N a c h - ) R u h m u n d auf e i n e n m ö g l i c h s t . p o s i t i v e n A u f t r i t t ' , d . h . e i n e ansprechende äußere und .innere' Erscheinung.515 W o b e i s i c h in e i n i g e n F ä l l e n d i e F r a g e allein a u f d i e s e s e l b s t v e r l i e b t e , s c h m e i c h l e r i s c h e o d e r gehässige D i s k u s s i o n u m das A u s s e h e n reduzierte: Ist j e m a n d gut u n d vorteilhaft
513 Vgl. etwa C u r r e n c y of Fame 1994. 514 Jacob Burckhardt, Das Altarbild. Das Porträt in der Malerei. Die Sammler, hg. v. Stella von Boch u.a. München/Basel 2000, S.361; Burckhardts forschungsgeschichtliche Stellung und sein Einfluß sind bestens untersucht, wenn auch nicht speziell im Hinblick auf seine Äußerungen zu Medaillen, vgl. etwa die Beiträge in den Sammelbänden: Jacob Burckhardt: storia della cultura, storia dell'arte, hg. v. Maurizio G h e l a r d i / M a x Seidel, Venedig 2002; The Renaissance in the Nineteenth Century, hg. Yannick Portebois/Nicholas Terpstra, Toronto 2003; Renaissance und Renaissancismus von Jacob Burckhardt bis Thomas Mann, hg. v. August Buck, Tübingen 1990; eine kritische Bestandsaufnahme zu Begriff und Vorstellung von .Individuum' in der Renaissance bei J o h n Martin, M y t h s of Renaissance Individualism, Basingstoke u.a. 2004; vgl. schließlich neben Burckhardt auch die zunächst forschungsgeschichtlich kaum bemerkbaren Impulse von A b y Warburg f ü r die Porträt- und Individuums-Diskussion, resümierend dazu Georges D i d i - H u b e r m a n , The Portrait, the Individual and the Singular. Remarks on the Legacy of A b y Warburg, in: Image of the Individual 1998, S. 165-188. 515 Besonders explizit formuliert in einem Brief des Kanonikers u n d H u m a n i s t e n T i m o t e o Maffei an Sigismondo Malatesta von 1453: „Ad q u a n d a m tui nominis immortalitatem Matthaei Pasti Veronensis opera, industri quidem Viri, vidi aere, auro et argento innúmeras, quasi caelatas imagines, quae vel in defossis locis dispersae, vel muris intus locatus, vel ad extras nationes transmissae sunt." D a z u PFISTERER 1998, S. 208 und A n m . 21; vgl. in diesem Sinne etwa auch SCHER 1989.
Die Gaben der Liebe
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getroffen, oder aber zu dick, zu dünn, zu blaß, zu gerötet und ähnliches? 5 1 6 Dies läßt sich insbesondere auch für den Umgang mit Medaillen vielfach belegen: So ist sich der Mailänder Gesandte am Aragonesen-Hof zu Neapel im O k t o b e r 1456 nicht zu schade, seinem Herrn Francesco Sforza in einer Depesche ausführlich zu berichten, wie ein Bleiguß der bekannten Pisanello-Medaille des Herzogs (Abb. 103) von König Alfonso V. im Kreis seiner Höflinge nicht nur begutachtet, sondern auch zum Anlaß für eine schmeichelhaft-schlagfertige Antwort genommen wurde: „Der Großseneschall [Alfonsos] sagte, er hätte Euch [Francesco Sforza] nicht wiedererkannt: Ihr schienet ihm dick geworden. D e r König erwiderte, das sei ja auch nicht zu verwundern, da Ihr doch in der Lombardei wäret, wo es die besten Dinge der Welt gebe, und wenn er selbst, der König, häufiger in der Lombardei gewesen wäre als er tatsächlich gewesen ist, dann wäre er, so glaube er, wohl auch dick geworden." 5 1 7 Wohl noch schmeichelhafter dürfte die briefliche Anfrage gewesen sein, die im Mai 1465 Ludovico II. Gonzaga in Mantua erreichte: E r wurde gebeten, ein aktuelles Porträt nach Bologna zu schicken, damit sein Bildnis in die Reihe der berühmtesten antiken und einiger weniger zeitgenössischer Herrschergestalten aufgenommen werden könne, die in Form von plastischen Medaillons den Innenhof des Palazzo Bentivoglio schmücken sollten. Man habe bislang jedoch nur seine „veraltete", nämlich vor knapp zwanzig Jahren gefertigte Medaille von Pisanello zur Hand. 5 1 8 Dagegen berichtet im Juni 1471 der Medailleur Lodovico da Foligno aus Mailand an Lorenzo de' Medici, gerade eben sei seine Schaumünze der Bona von Savoyen, der Frau des Herzogs Galeazzo Maria Sforza, mit großem Wohlgefallen aufgenommen worden, stelle sie doch nach einer Zeichnung die Herzogin so dar, wie sie zum Zeitpunkt der Hochzeit vor etlichen Jahren ausgesehen habe. Im Augenblick arbeite Lodovico dagegen an zwei Silber-Medaillen des Herrscherpaares, auf denen die in der Zwischenzeit sehr dick gewordene B o n a in aktuellem Aussehen wiedergegeben sei. 519 516 Beispiele für Tafelbilder, nicht Medaillen, liefern der Wettstreit von J a c o p o Bellini und Pisanello um das bessere Porträt des Leonello d'Esté, dazu die Texte von Ulisse degli Aleotti (Documenti e fonti 1995, S. 9 6 - 1 0 0 [Nr. 38]) und Angelo Decembrio (Documenti e fonti 1995, S. 1 2 0 - 1 2 2 [Nr. 52]); vgl. dann etwa die Diskussionen am H o f e der Isabella d'Esté über Bildnisse, zusammenfassend Giovanni Romano, Verso la maniera moderna: da Mantegna a Raffaello, in: Storia dell'arte italiana, Bd. 6/1 Dal Cinquecento al Ottocento, hg. v. Federico Zeri, Turin 1981, S. 3 - 8 5 , hier S. 4 2 - 5 7 . 517 Dispacci Sforzeschi da Napoli, I ( 1 4 4 4 - 1 4 5 8 ) , hg. v. Francesco Senatore, Neapel 1997, S . 4 4 7 f . (Nr. 168); zu diesem Brief (mit Übersetzung) ESCH 2001. 518 D e r Brief des Bernardo Benedusio, der ausdrücklich bittet, diese Anfrage nicht als „presumptione" zu verstehen, in: Documenti e fonti 1995, S. 173 f. (Nr. 80). D i e entscheidende Passage lautet: „[...] inserire alqune imagine de segnor dignissimi de Italia, fra le signorie di quali fu commemorata la imagine de la vostra signoria segondo la medaglia vechia del Pisano; e non volendo però assentire a quella, se'l se potesse far di mancho, dimandóno se'l ce era imagine che demostrassi la faza de la vostra signoria segondo el tempo presente." - Zu den erhaltenen Fresken des Giovanni Badile nach Pisanello-Medaillen (um 1443) in S. Maria della Scala, Verona, s. Pisanello. I luoghi del gotico internazionale nel Veneto, hg. v. Filippa M . Aliberti Gaudioso, Mailand 1996, S. 59; zur Ubersendung von Bleimedaillen von Padua nach Augsburg durch Sigismund Gossenbrot s. Documenti e fonti 1995, S. 169 f. (Nr. 77). - 1506 entsteht in Messina ein Marmor-Bildnis der Isabella d'Esté nach der Vorlage eines Bleiabgusses ihrer Medaille, dazu L u z i o / RENIER 1 8 9 9 - 1 9 0 3 , hier 20/40, 1902, S. 318. 519
„Quisti zorni passati portai a presentare al D u c a de Milano la medaia della donna sua, prop[r]io come era quando venne a marito de Franza, che me fo mandata disignata in carta subito come
9. Renaissance-Medaillen
A b b . 103
als,soziale
Währung'
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Pisanello, Francesco Sforza (Bronze). Mailand, Civiche Raccolte Numismatiche
D e n o f f e n b a r weithin verbreiteten und b e k a n n t e n U n v e r s t a n d vieler B e t r a c h t e r angesichts des eigenen A b b i l d s n i m m t dagegen eine 1565 publizierte N o v e l l e über eine Medaille des Goldschmieds und Steinschneiders Giovanni Bernardi da C a s t e l - B o l o g n e s e ( 1 4 9 6 - 1 5 5 3 ) auf's K o r n . D e r Künstler wollte aus eigenem A n t r i e b und in der H o f f n u n g auf mäzenatische E n t l o h n u n g einem reichen, aber körperlich wenig anziehenden K a u f m a n n eine unter dem A s p e k t der Ä h n l i c h k e i t und künstlerischen G e s t a l t u n g sehr gelungene Medaille verehren: „Als der H e r r die Medaille, die der K ü n s t l e r ihm bei G e g e n w a r t vieler junger L e u t e überreicht hatte, in E m p f a n g g e n o m m e n , fand er nicht nur kein Gefallen daran, sich darauf modelliert zu sehen, sondern schämte sich sogar gewissermaßen ü b e r sich selbst, sich so k u m m e r v o l l zu sehen, wie ihn, der N a t u r entsprechend, das Bildnis zeigte: denn o b w o h l der w a c k e r e K ü n s t l e r beim M o d e l l i e r e n dieses G e s i c h t s , das so mager war, daß die K n o c h e n sich überall durch die H a u t hindurch erkennen ließen, allen Fleiß angewandt hatte, ihm die b e s t m ö g l i c h e F o r m zu verleihen, o h n e die natürliche Ä h n l i c h k e i t preiszugeben, hatte er bei aller Meisterschaft und beim besten Willen nicht zu erreichen v e r m o c h t , daß jene außerordentliche H a g e r k e i t nicht in die E r s c h e i n u n g trete. D e r H e r r wandte sich also zu den Seinen, die ihn umstanden und sprach zu ihnen: ,Sagt mir, ähnelt mir vielleicht dieses G e s i c h t ? ' " 5 2 0 N a c h d e m der Künstler die Medaille hatte mehrfach umarbeiten
müssen,
venne ad m a r i t o . Q u a n d o el duca e Ila m a d o n n a la v e d e r o , tucti n ' e b e r u u n o grande e singulare piacere, per m o d o che m e ne f i e r o n o d e m o n s t r a z i o n e de averlla a b u t o cara la ditta medaia. Sa b e ' Ila Vostra M a g n i f i c e n z a q u a n t o l'è grassa m a d o n n a duchessa. I o f o [ r ] m o al presente la medaia del duca e quella della duchessa c o ' s o n n o ora. Li fici a M i l a n o l ' u n o e ll'altru de cera, m o ' li f a b r i c o d ' a r z e n t o . " - D a z u U m b e r t o R o s s i , L o d o v i c o e G i a n n a n t o n i o da F o l i g n o . O r e f i c i e medaglisti ferraresi, in: G a z z e t t a N u m i s m a t i c a , 6, 1 8 8 6 , S. 6 5 - 8 8 ; der T e x t des B r i e f e s u n d K o m m e n t a r auch in F u s c o / CORTI 2 0 0 6 , S. 2 8 3 f. 520
G i a m b a t t i s t a Giraldi C i n z i o , H e c a t o m m i t h i . . . , B o l o g n a 1565, N o v e l l e I I / 1 0 / 1 ; nach K ü n s t l e r n o v e l l e n 1910, S. 1 2 6 - 1 2 9 .
Ubersetzung
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Die Gaben der
Liebe
konnte er schließlich dem uneinsichtigen Kaufmann seine Verblendung in gewitzter Wendung vor Augen führen. Natürlich gilt es bei der Bewertung dieser und ähnlicher Äußerungen, die zeitgenössische .Schönheit gleich Tugend'-Vorstellung mitzubedenken: Seit dem Aufstieg des physiognomischen Denkens im 13. und 14.Jahrhundert, das von der Möglichkeit ausging, die Charaktereigenschaften am äußeren Erscheinungsbild einer Person zumindest tendenziell abzulesen, aber auch durch erneuten intensiven Kontakt mit antiken Texten zum griechischen Kalokagathia-Ideal verstand man eine schöne Gestalt in der Renaissance als gewichtiges Indiz für einen tugendhaften, ja als conditio sine qua non eines .glücklichen' Menschen und als besonderes Gnadenzeichen Gottes bzw. der Natur: „Perché impossibile cosa è, che in un corpo distorto et malcompacto, gli possa habitare una anima bella et pura, perché il corpo, essendo organo de l'anima, gli è necessario che lo interiore huomo allo esteriore se assimiglie." 521 Insofern war es keineswegs reine Eitelkeit, sich sorgfältig mit seinem Aussehen auf Porträts auseinanderzusetzen, sondern unter Umständen sogar höchstes politisches Gebot, als .schöner' und damit tugendhafter und begnadeter Herrscher zu erscheinen. Und mehr noch: Nicht nur die eigene schöne Gestalt, sondern auch die künstlerische Schönheit des neuen Mediums ließ sich positiv auf den Herrscher rückbeziehen. Dies deutet sich schon 1446 bei Flavio Biondos Lob gegenüber Leonello d'Esté an, sein eigenes Bildnis nach antikem Vorbild zehntausendfach verbreitet zu haben; explizit formuliert es dann Isabella d'Esté über ihre Medaille des Giancristoforo Romano. 522 Ganz ähnlich wird 1497 Sabadino degli Arienti das allgemeine Verlangen nach dem .naturgetreuen' Bildnis des Ercole d'Esté auf dessen Gold- und Silbermünzen mit dem „Vergnügen" und Besitzverlangen vergleichen, das die antiken Kunstkenner beim Anblick des Lysipp'schen Hercules überkam. 523 Schönheit der eigenen Gestalt und Schönheit der künstlerischen Ausarbeitung trugen also gleichermaßen und ganz entscheidend zu Ruhm und Tugend desjenigen bei, der sich auf einer Medaille (oder Münze) darstellen ließ. Davon unbenommen scheint ein egozentrisches Interesse am eigenen (Medaillen-)Bildnis aber doch ebenfalls einen Faktor der neuen Medaillen-Produktion darzustellen. Zumal in 521 Mehrfach und besonders explizit zu Beginn des 16. Jh.s Bernardino Cacciante, s. MARTINI 1982, S. 31 (hier das Zitat) und S. 358-361 am Beispiel von Polyklets Kanon bzw. Doryphoros; vgl. bereits Guarino da Verona, De vocabulorum observatione (zit. nach Michael Baxandall, Giotto and the Orators, Oxford 1971, S. 14): „virtus enim est et pulchritudo in vilem ponuntur, sicuti etiam e contra malatia et vitium pro deformitate"; Francesco Filelfo rühmt di e pulchritudo corporis und statura heroica Papst Pauls II. in diesem Sinne als Tugend-Signum (DE VINCENTHS 2002, S. 47 f.); EQUICOLA 1513 (Reprint 1973, S. 118); allerdings läßt sich auch die gegenteilige Vorstellung nachweisen, etwa bei Octavianus Mirandula, Illustrium Poetarum Flores, Straßburg 1544, fol. 184v: „Ingenium exornat saepe corporalem deformitatem, [...]" unter Verweis auf Ovid und Titus Calphurnius. - Zum gesamten Spektrum der Schönheits-Vorstellungen der Renaissance auch: Concepts of Beauty 1998 und Virtue and Beauty 2001; zum Aufstieg der Physiognomik ZIEGLER 2001. 522 Dazu Anm. 386 und 541. 523 SABADINO DEGLI ARIENTI 1972, S. 109: „Di che per vederlo sarà non manco mirata che desiderata possedere la sua effigie [des Ercole I. d'Este] spirante et naturale in le sue egregie numismate de auro e de argento, et non con minor dilecto fusse la ymago de Hercule sculpta infra seicento opere de Lysippo. infra li statuarii excellentissimo, tanta singulare che Alexandro et Hannibale et Sylla volseno questa opera per excellentia havere."
9. Renaissance-Medaillen
als ¡soziale
Währung'
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einigen Fällen dem fast manischen Bemühen, die eigene Unsterblichkeit durch eine möglichst große Zahl von Darstellungen des eigenen Konterfeis in möglichst breit gestreuten Kontexten zu sichern, das neue Medium der Medaille mit seinen beinahe unbegrenzten Vervielfältigungsmöglichkeiten, seinem unverwüstlichen Material und der Möglichkeit, das Porträt durch Inschriften und ein Denkbild auf dem Revers zu ergänzen, hervorragend zuarbeitete. Tatsächlich ließen sich mittels Medaillen selbst die extremsten Ansprüche an fama und memoria der eigenen Person erfüllen - Extreme, die einem der Hauptinitiatoren dieser neuen weltlichen Ruhmessucht, Paul II., 1468 in aller Offenheit von einem seiner Kardinäle vorgehalten wurden: „Pontifex Paul, dich beherrscht - wie ich sehe - ein großes Verlangen nach Ewigkeit [d.h. ewigem Andenken]. [...] Aus diesem Grund läßt du nicht nur Schau-Münzen mit deinen Gesichtszügen herstellen, sondern versenkst sie in den Mauern deiner Bauten, damit diese in tausend Jahren, vom Alter zerfallen, die (Gedenk-) Monumente an den Namen Pauls freigeben. [...] Dies alles ist Eitelkeit." 524 Tatsächlich hatte der zukünftige Paul II. noch in seiner Funktion als Kardinal von S. Marco in die Fundamente und Wände des Palazzo Venezia eigens hergestellte Gründungsmedaillen in großer Zahl eingebracht - ein Vorgehen, das er dann als Papst bei allen seinen Bauvorhaben beibehielt und das dann etwa Sixtus IV. beim Ponte Sisto oder Sigismondo Malatesta in Rimini aufgreifen sollten.525 Auch die bleiernen Dachplatten des Palazzo Venezia zierten im übrigen abwechselnd Abgüsse von Medaillen (allerdings auch von anderen Personen) und Darstellungen des päpstlichen Wappens mit der Inschrift: „PAVLVS VENETVS PAPA SECVNDVS SVIS IMPENSIS FIERI F E C I T A N N O CRISTI M C C C C L X V I I " . 5 2 6 Im Palast ließ Paul eine Werkstatt zur Herstellung von Plaketten, u. a. wiederum mit Blick auf die Verbreitung seines Bildnisses, einrichten.527 Ganz in diesem Sinne läßt Paul II. auch seine päpstliche Bleibulle neu gestalten, die nicht nur in ihrer formalen Gestaltung den Medaillen sehr ähnlich ist, sondern angesichts des Dokumenten-Ausstosses der päpstlichen Kanzlei wohl auch noch weiter verbreitet gewesen sein dürfte als jene. Entgegen der viereinhalb Jahrhunderte alten Tradition sind nun auf der einen Seite nicht mehr nur die Köpfe, sondern die sitzenden Ganzfiguren der Apostelfürsten zu sehen, auf der anderen Seite thront Paul, dessen Porträt trotz der geringen Größe der Bullen zu erkennen ist, zwischen zwei Kardinälen und empfängt kniende
524 AMMANNATI 1997, Bd. 2, S. 1 2 0 2 - 1 2 0 5 (Nr. 364): „Pontífice Paule, est tibi, ut video, magna aeternitatis cupido. Praedicare de te optas sequentia saecula. Numismata earn ob causam tuae imagines, non cudis modo, sed fundamentis aedificiorum parietibus admisces, ut illis, vetustate ruentibus, exiliant post mille annos monimenta nominis Pauli. Títulos etiam operibus iubes incidi, quae vel publica sunt, vel usum domesticum habent. Aemulator quoque vanitatis antiquae, saeculares ludos et epulum R o m a n o more populo exhibes. [ . . . ] Vanitas est his intendisse. Sapiens nemo numismata et títulos et lasciva plebis delinimenta probavit, peccatum etenim continent. [ . . . ] . " 525 Silvana de C a r o Balbi, D i alcune medaglie di Paolo II rinvenute nelle mura del Palazzo di Venezia, in: Medaglia, 5, 1973, S. 2 5 - 3 4 ; ein Beispiel von Umbauten Pauls II. am Vatikan in: R o m a di Alberti 2005, S. 131. 526 Bei den Abgüssen dienten sowohl die 1465 von Paul II. beauftragte Baumedaille als auch Stücke von Pisanello als Modelle, s. H . Stevenson, N o t e sur les tuiles de plomb de la basilique de San Marc, in: Mélanges d'Archéologie et d'Histoire, 8 , 1 8 8 8 , S. 4 3 9 - 4 7 7 , und WEISS 1958b, S. 39 und 54. 527 Rilievi e placchette 1982; zu einem Ring Diana Scarisbrick, A signet ring of Pope Paul II, in: Burlington Magazine, 127, 1985, S. 293 f.
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Die Gaben der
Liebe
Besucher. Der „entschiedene[] Wille[], die monarchische Position des Papsttums zu betonen", ist in dieser neuen ,Bildpropaganda' unverkennbar.528 Schließlich hatte der Pontifex vermutlich erstmals auch Bucheinbände mit Abdrucken seiner Porträtmedaille versehen lassen und selbst auf seiner tragbaren Sonnenuhr, die der deutsche Astronom Regiomontanus für ihn konstruiert hatte, prangte sein Bildnis in Medaillenform.529 Allerdings gilt es gerade im Fall dieses neuartigen päpstlichen Bemühens um ,Nachruhm-Sicherung' durch materielle Relikte und Monumente auch wieder einschränkend zu bedenken, daß die päpstliche Chronistik, der diese Aufgabe bislang zu einem Gutteil zugekommen war, seit Eugen IV. eine tiefe Krise durchlief (wie waren die alten Textformen, voran der Liber Pontificalis, mit den neuen Ansprüchen an Sprache und Geschichtsschreibung in Einklang zu bringen?). Gerade den Einwohnern Roms mit seinen die Jahrhunderte überdauernden antiken Ruhmes-Monumenten mußten daher Medaillen, Statuen, Bauten und andere Kunstwerke als besonders naheliegende Alternative erscheinen. 530 Mit den Schaumünzen war jedenfalls den zeitgenössischen Eliten eine neue Möglichkeit der ehrenden und tugendhaften Selbstdarstellung gegeben, die dem eigenen Ruhmesverlangen auf militärischem, politischem, intellektuellem oder künstlerischem Gebiet ein langes Andenken sicherte und selbst Frauen als tugendhafte Töchter bzw. Ehegattinnen oder aber als schöne Geliebte zu einer solchen Auszeichnung gelangen ließ.531 Medaillen waren, schon allein aufgrund ihrer Herstellungskosten, Prestige-Objekte, die Ansehen und fama des Dargestellten verbreiten und das Gedächtnis sichern sollten. Das 16. Jahrhundert wird dann eine richtiggehende Schwemme solcher Medaillenporträts und ihrer Abgüsse auf allen möglichen Gegenständen - von Majolika und anderem Geschirr über Möbel und Gebrauchsgegenstände bis hin zu Musikinstrumenten - erleben: Pietro Aretino etwa als ein Meister des Self-Fashioning sollte sich 1545 in einer Mischung aus Geschmeichelt-Sein und Ironie darüber auslassen können, daß sein Medaillenbildnis zwischen denjenigen Caesars und Alexanders selbst auf Schachteln für Kämme zu finden sei.532 Diese Grenzphänomene massenhafter Verbreitung scheinen dabei erneut das Urteil Burckhardts von den „Scheidemünzen des Ruhms" zu bestätigen. Der bislang skizzierten Logik entspricht schließlich auch, daß bereits wenige Jahre nach der Etablierung des neuen Mediums,soziale Aufsteiger' diese Bildform für sich zu adaptieren versuchten. Musterbeispiel dafür ist ein Prozeß des Jahres 1479 gegen den Medailleur Sperandio, in dem der Bologneser Kaufmann und Stoffhändler Giacomo dal Gilio letztlich vergeblich versuchte, den Preis für seine schon seit fünf Jahren fertige Bleimedaille (bezeichnenderweise das billigste Metall!) zu drücken, wobei
528 Dazu MÄRTL 2007, S. 37 f., die mich auf die Bedeutung der Bulle hingewiesen hat. 529 Zu den Bucheinbänden s. Anm. 232. - Die Sonnenuhr in Nürnberg, GNM, Inv. W17. 530 MODIGLIANI 2003, S. 138-146; zu den Anfängen einer päpstlichen Geschichtsschreibung mittels Bildwerken unter Eugen IV. s. Ulrich Pfisterer, Filaretes historia und commentarius: Uber die Anfänge humanistischer Geschichtstheorie im Bild, in: Der stumme Diskurs der Bilder, hg. v. Klaus Krüger / Rudolf Preimesberger / Valeska von Rosen, München/Berlin 2003, S. 139-176. 531 Zu Frauen auf Renaissance-Medaillen s. SYSON 1997b. 532 Pietro Aretino, Lettere sull'arte, 3 Bde., hg. ν. Ettore Camesasca, Mailand 1957-1960, Bd. 2, Nr. 196 und 234. - Vgl. weiterhin Stewart Pollens, Flemish Harpsichords and Virginals in The Metropolitan Museum of Art. An Analysis of Early Alterations and Restaurations, in: Metropolitan Museum Journal, 32,1997, S. 85-110; ATTWOOD 2003, S. 58.
9. Renaissance-Medaillen
als,soziale
Währung'
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besonders offensichtlich die nach Höherem strebenden Prätentionen persönlichen .Glanzes' (splendor) und eine wohl bereits von den Zeitgenossen als solche wahrgenommenen .Krämerseele' kollidierten.533 Das im Vergleich zur prosaischen Tätigkeit des Mannes geradezu lachhaft anspruchsvolle Sinnbild des Revers zeigt eine Leier-spielende Nymphe dal Gilio wollte also nicht allein sozialen, sondern auch intellektuellen-musischen Anspruch über seine Medaille beweisen. Damit dürfte er just in jene Kategorie von Männern gefallen sein, über die sich Polizian zur gleichen Zeit beklagte, daß sie bar jeglichen eigenen Ingeniums - allein einer Mode folgend und dabei das ihrer eigenen Person Angemessene vollkommen vergessend - ihn ständig mit der Bitte um möglichst geistvolle ImpresenEntwürfe für jeden noch so banalen Gegenstand belästigten.534 Allerdings gilt es angesichts der Fülle von (Medaillen-)Bildnissen doch differenzierend festzuhalten, daß diese zumindest noch im 15. Jahrhundert bei aller Anwendungsvielfalt nur in einem ganz bestimmten Rahmen des privatum verbreitet werden konnten, wogegen etwa die auf der Objektebene so nahe verwandten Münzen als zur Sphäre der res publica
533 Francesco Malaguzzi Valeri, La chiesa .della Santa' a Bologna, in: Archivio storico dell'arte, ser. 2, 2, 1896, S. 7 2 - 8 7 , hier S. 8 4 - 8 6 zum 1479 in Bolgona geführten Prozeß um die 1474 gefertigte Medaille für den Kauffmann und Stoffhänder Giacomo dal Gilio. Als Schiedsrichter wurde der Maler Francesco Francia benannt, der den Preis auf drei ducati d'oro larghi festsetzte: „Spere in dj. Suprascripti Magnifici Dominj Ancianj quibus constat pro eorum parte mandatum fuisse Jacobo de Gilio strazarolo qui coram eis comparere deberet et presentare arbitrum per eum assumptum qui habebat laudare super deferentijs vertentibus unter ipsum Jacobum ex parte una et magistrum Spera in deum ex altera vixis mandatis factis dicto Jacopo et vixa contumatia dictj Jacobi qui nunquam comparuit nec presentavit eius arbitrum ut ei mandatum fuit. Et in eius contumatia supradictj Magnifico dominj Anciani loco dicti Arbitrj non presentati Suprascripti Magnifici Domini Ancianj vigore eorum officij et arbitri) et omni alio meliorj modo, Jure, via et forma quibus magis et melius poterunt et possunt eligerunt et assumerunt Magistrum Franciam aurificem presentem et acceptantem Cui suprascripti Magnifici dominj Anciani dederunt unam medagliam plombeam cum naturalj figura dicti Jacobi de Gilio in ea impressa in uno latere dicte medaglie et cum litteris circum circha dictam figuram tenoris infrascripti videlicet „Jacobus lilius bononiensis delitiarum Specimen" et in alio latere cum una Nimpha pulsante citara cum certis adminiculis et cum infrascripto numero videlicet c c c c L x x i i i j et cum infrascriptis litteris circum circha dictum ninpham tenoris infrascripti videlicet „effectu ut nomine potest: opus Spere in dej" primo tarnen delato juramento dicto m° Francia de veritate dicenda super constructione diete medaglie constructe per dictum Spera in deum. Qui magister Francia ad delationem suprascriptorum dominorum Antianorum corporaliter juravit de veritate dicende iudicio ipsius et existimatione ipsius assumpti. Qui Francia vixa et diligenter inspecta et considerata dieta medaglia et consideraos que consideranda fuerunt Retulit prefatis Magnificis dominis Ancianis ac extimavit iudicavit et taxavit arbitrio suo Salarium et mercedem Spere in dej et eius operarum circha magisterium et constructione diete medaglie assendere ad sumam ducatorum trium Auri largorum et non minus iudicio ipsius Francie." - Diese Tendenz scheint sich im Cinquecento noch verstärkt zu haben; 1561 bemerkt etwa Leone Leoni sarkastisch in einem Brief: „per la Lombardia [...] ogni persona oggi si fa ritrarre [im Medium Medaille]"; dazu mit weiteren Beispielen ATTWOOD 2003, S. 24. 534 POLITIANUS 1970-1971, Bd. 1, S. 26: „Nam si quis breve dictum, quod in gladij capulo, vel in anulo legatur emblemate: si quis versum lecto, aut cubiculo, si quis insigne aliquod non argento dixerim, sed fictilibus omnino suis desiderat, ilico ad Politianum cursitat, omnesque iam parietes a me quasi a limace videas oblitos argumentis varijs, & titulis."
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Die Gaben der
Liebe
gehörend ganz anderen Bedingungen gehorchten.535 Anders formuliert: Münzen unterlagen - über das selbstverständlich festgelegte Metall und Gewicht hinaus - sehr eng gesteckten und kontrollierten Vorschriften und Vorstellungen, wogegen die Fertigung und Gestaltung einer Medaille (und der damit geschmückten Objekte) weitgehend individuellen Wünschen entsprechen konnte. Besonders deutlich wird dies daran, daß Paul II. zwar alle seine in Auftrag gegebenen Werke mit seinen ,Zeichen' - Bildnis, Wappen, Namen - überziehen ließ, die päpstliche Münzprägung aber weiterhin bei den etablierten Formen mit Navicella oder den Apostelfürsten, jedenfalls ohne Porträt des aktuellen Papstes blieb (Abb. 104). 536 Sein Nachfolger Sixtus IV. sollte dann allerdings erstmals silberne testoni und doppio testoni mit seinem Konterfei schlagen lassen und um die Mitte des 16. Jahrhunderts konnte die päpstliche Münzprägung in den Städten des Kirchenstaates geradezu als Musterbeispiel propagandistischer Verbreitung des eigenen Herrschaftsanspruchs vermittels des Porträts gelten (Abb. 105). 537 Allerdings muß innerhalb der Papst-Medaillen nochmals unterschieden werden: So wird etwa die Tiara auf Quattrocento-Medaillen nur bei Darstellungen offiziell-liturgischer Handlungen getragen - die einzigen Ausnahmen stellen erneut die von Andrea Guazzalotti gefertigten Schaumünzen für Sixtus IV. dar.538 Entsprechende Ein-
535 D i e bewußt gewählten lateinischen Begriffe sollen den Unterschied zu den deutschen Termini .öffentlich' und ,privat' deutlich machen, die auf den Gegensatz von allgemein Bekanntem und Zugänglichem vs. restriktiv-intimer Wahrnehmung zielen, wogegen
publicus und privatus Hand-
lungen etc. mit öffentlichem/für die Allgemeinheit relevantem Auftrag gegen solche stellen, die nur Einzelpersonen und deren engsten Familien- und Freundeskreis betreffen, aber durchaus von allen wahrgenommen werden und allen bekannt sein können; für die Verwendung der Kategorie .öffentlich' - .privat' und zur Forschungsgeschichte s. etwa Giorgio Chittolini, T h e ,Private', the .Public', the State, in: T h e Origins of the State in Italy 1 3 0 0 - 1 6 0 0 , hg. v. dems. u.a., Chicago 1995, S . 3 4 - 6 1 [Journal of Modern History 67, Suppl.]; Peter von Moos, Das Öffentliche und das Private im Mittelalter. Für einen kontrollierten Anachronismus, in: Das Öffentliche und das Private in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. dems. / Gerd Melville, Köln / Wien 1997, S. 3 - 8 3 ; ders.,,Öffentlich' und ,privat' im Mittelalter. Zu einem Problem historischer Begriffsbildung, Heidelberg 2004 [Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 33], 536 D i e päpstlichen Münzprägungen des Mittelalters bis zur Hochrenaissance zusammengestellt bei Francesco Muntoni, Le monete dei Papi e dagli stati pontifici, Bd. 1, R o m 1972, zu Paul II. und Sixtus IV. die Tf. 1 4 - 1 8 ; zu Konstanz und Wandel eines der verwendeten Bilder etwa Tobias Leuker, Zur Fortune des Nachens der Kirche auf päpstlichen Münzen und Medaillen bis 1550, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte, 50, 2000, S. 127-135. 537 D i e Bildnis-Münzen für Sixtus wurden von dem Goldschmied Emiliano Orfini hergestellt, dazu WEISS 1961, S. 19 und ALTERI 1997, S. 2 7 - 2 9 (Kat. 22 und 24). - Zur Wahrnehmung päpstlicher Münzprägung nach .antik-griechischem Vorbild' das 1550 datierte Vorwort des J a c o p o Strada in: U F B G , A.1243a (zit. nach CYPRIAN 1714, S. 86 f.): „aliquot [numismata] autem reperiuntur, cum aedificis, templis scilicet aut aedibus, ut ego ex his, quae penes me sunt, possum ostendere. Eodem quoque modo hodieque Romani utuntur, non tarnen Romani ipsi, verum Romanus Pontifex, qui eorum tenet imperium. Atque hoc antiquitatis illius imitatione, vult ut in qualibet civitate ecclesiae illius subdita, cudatur moneta: semperque cum eius effigie, aut insignibus: imitatione vero Graecarum priscis temporibus cusarum, etiam earum, ubi cuduntur, civitatum apponunt nomen." 538 Zum unter Paul II. entbrannten Streit über das Tragen der Tiara und den zeitgenössischen H i n weisen auf die Bildtradition dazu s. Massimo Miglio / Silvia Maddalo, Veteres per templa per urbes picturae, saxive perennis imago, in: R o m a nel Rinascimento 1991, S. 5 2 - 6 1 ; weiterhin TARQUINI 2001. - D i e beiden Sixtus-Medaillen H.751 und 753.
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als ,soziale
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Währung'
TAVOLA 14
A b b . 104
Beispiele f ü r die M ü n z p r ä g u n g u n t e r Paul II. (nach MUNTOMI 1972, T f . 14)
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Die Gaben der Liebe
schränkungen gelten im Quattrocento auch für Venedig, wo der einmalige Versuch des Dogen Niccolò Tron, 1471/73 eine lira mit seinem Porträt in Umlauf zu bringen, sofort Gegenmaßnahmen des Großen Rates nach sich zog, der für die Zukunft solche Bildnisse auf Münzen strikt zu verbieten versuchte.539 Daß in Italien Münzen mit den Porträts der herrschenden Fürsten zuerst in den 1450er Jahren in Neapel und Mailand aufkamen, wogegen etwa der .demokratische' Stadtstaat Florenz bis zum Tyrannen Alessandro de' Medici auf eine solche .Individualisierung' der Währung verzichtete, belegt, daß diese Unterscheidung von öffentlich-überpersönlicher Münze ohne Bildnis (wie sie sich in den italienischen [Stadt-]Staaten nach Friedrich II. eingebürgert hatte) und privater Medaille zumindest tendenziell wahrgenommen und zunächst auch nur von .absoluten Machthabem' wie dem König von Neapel und dem Mailänder Herzog wieder aufgehoben werden konnte. Andererseits macht es dieser Umstand auch notwendig, das in einem vorausgehenden Kapitel zur zeitgenössischen Unterscheidung von Münzen und Medaillen Gesagte, nochmals zu relativieren: Die Begrifflichkeit mochte aus heutiger Sicht unscharf sein und ebenso die Vorstellung über die Funktion von antiken Münzen und Medaillen, bei zeitgenössischen Erzeugnissen dagegen wurde die Decorum-Grenze von öffentlicher Münzprägung und privater Medaillen-Gestaltung sehr genau erkannt.
So eingängig und angesichts der langen Reihe von Beispielen und Belegen gut abgesichert die Burckhardt'sche These von den Scheidemünzen des Ruhmes' sich zunächst auch darstellt, sie bietet doch nur ein partielles Erklärungsmodell für Renaissance-Medaillen. An der Schaumünze für Alessandro Cinuzzi etwa scheitert sie spektakulär: Für deren Herstellung spielten weder Ruhm noch Macht noch überragende Eigenschaften eine Rolle (ebensowenig wie unmittelbar damit zusammenhängende Motivationen der eigentlichen Auftraggeber der Medaille) - und dies scheint auch noch für eine große Zahl anderer Renaissance-Medaillen zuzutreffen. Es muß im Folgenden also darum gehen, die tatsächliche Spannweite der Funktionen und Rezeptionsmöglichkeiten von Medaillen abzustecken. Gar nicht bestritten werden soll, daß die Vorstellung von den „Scheidemünzen des Ruhms" eine wichtige Rolle spielte, jedoch gilt es, diese in das umfassendere Konzept von Medaillen als einer .sozialen Währung' einzuordnen. Wobei sich - das müssen die folgenden Beispiele zeigen - dieses erweiterte Verständnis des Gesamtphänomens Medaille am besten mit Hilfe der großen anthropologisch-ethnologischen Kategorien des Rituals, der Gabe und der conspicuous consumption fassen läßt.
539 Beim .ersten' Beispiel einer venezianischen Porträtmünze unter Antonio Venier ( 1 3 8 2 - 1 4 0 0 ) wird weiterhin die traditionelle Chiffre des knieenden Dogen vor dem Hl. Markus verwendet, allerdings scheinen die winzigen Gesichtszüge etwas differenzierter gestaltet, s. Alan M . Stahl, A Fourteenth-Century Venetian C o i n Portrait, in: T h e American Numismatic Society. Museum Notes, 30, 1985, S. 2 1 1 - 2 1 4 ; zum größeren Kontext auch ders., Zecca: T h e Mint of Venice in the Middle Ages, Baltimore/London 2000 und ders., Numismatic Portraiture in Renaissance Venice, in: Q u a derni Ticinesi di Numismatica e Antichità Classica, 30, 2001, S. 3 0 5 - 3 1 2 ; zu den Versuchen des N i c o l ò Tron ( 1 4 7 1 - 1 4 7 4 ) und der zeitgenössischen Kritik daran, daß dies einem Tyrannenstaat, keiner Republik anstünde, bereits G . Werdnig, Die Osellen oder Münz-Medaillen der Republik Venedig, Wien 1889.
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Währung'
TAVOLA
PAOLO II
s i s T o IV
A b b . 105
Beispiele f ü r die M ü n z p r ä g u n g u n t e r Sixtus IV. (nach MUNTONI 1972, T f . 16)
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Die Gaben der Liebe
Zunächst verband sich mit der visuellen (Selbst-)Stilisierung und Panegyrik von Medaillen stets auch die Mahnung, den prätendierten Ansprüchen gerecht zu werden und tatsächlich als Vorbild zu dienen. Auf die Exemplum-Funktion fremder Bildnisse berief sich bereits Petrarca, als er 1354 in Mantua Karl IV. einige antike Münzen mit Cäsaren-Bildnissen überreichte und den Kaiser mahnte, deren Vorbild zu folgen - ein Vorgang, der sich dann etwa entsprechend 1432 mit König Sigismund und Ciriaco d'Ancona (der eine Trajans-Münze überreichte, „ut optumi principis exemplar haberet") wiederholen sollte.540 Sammlungen antiker Münzen und zeitgenössischer Medaillen, prinzipiell jede Bildnisreihe berühmter Männer und eigener Vorfahren, beinhalteten so für die Rezipienten, insbesondere wenn sie sich mit einer eigenen Medaille in diesen Reigen einreihten oder einzureihen gedachten, immer auch die Verpflichtung, dieser Tradition gerecht zu werden.541 Dabei scheint lange Zeit allein schon das Medium Münze/Medaille ,Tugend' signalisiert zu haben wobei man offenbar weitgehend davon absehen konnte, wer oder was darauf tatsächlich dargestellt war. Ganz in diesem Sinne dienten Münzbildnisse römischer Cäsaren zunächst offenbar überwiegend und undifferenziert als virtus-Signal, obgleich sich darunter auch viele .schlechte' Imperatoren fanden. Zusammenstellungen von Bildnissen römischer Kaiser, die auf Münzen rekurrierten und explizit als Negativ-Exempla gedacht waren, finden sich dagegen häufiger erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts: etwa in einem in Italien gefertigten Büchlein für den französischen Kardinal Georges d'Armagnac, das auf seinen ausschließlich aus Abbildungen bestehenden Seiten Kaisermünzen bis hin zu Hadrian abwechselnd mit kurzen lobenden oder mahnenden Sinnsprüchen verbindet (Farbtf. VI). Oder aber auf einem Entwurf Theodor de Brys für eine Prunkschüssel mit der Inschrift „IMMODICA IRA G I G N I T INSANIAM", umrahmt von den Münz-Konterfeis des Nero, Caligula und Galba.542 Die Funktion eines sozialen ,Erziehungs- und Prüfinstruments' kam den Medaillen aber noch in zwei anderen Hinsichten zu: Zum einen stellten das Wissen um den Dargestellten, die Entschlüsselung der rückseitigen Bildchiffre und die Bewertung der künstlerischen Leistung eine Herausforderung an Geisteskraft und Bildung jedes Betrachters dar - Medaillen figurierten (um es nochmals zu wiederholen) ähnlich den antiken Münzen als eine der intellektuell anspruchvollsten Kunstgattungen der Frühen Neuzeit. Zum anderen enthielt schon 540 PETRARCA 1968, Bd. 3, S. 315 (XIX, 3, 15); zur Deutung Hannah Baader, Francesco Petrarca: Das Porträt, der Ruhm und die Geschichte. Exempla virtutis (1355), in: Porträt, hg. v. Rudolf Preimesberger, Berlin 1999, S. 189-194; Vita Viri Clarissimi Kyriaci Anconitani by Francesco Scalamonte, hg. v. Charles Mitchell / Edward W. Bodner, S.J., Philadelphia 1996, S. 67 (§ 97). 541 Linda Klinger Aleci, Images of Identity. Italian Portrait Collections of the Fifteenth and Sixteenth Century, in: The Image of the Individual 1998, S. 67-79; KEILEN 2002; zur umfassenden Bedeutung von exempla sei hier nur verwiesen auf Maria M. Donato, Gli eroi romani tra storia ed ,exemplum'. I primi cicli umanistici di Uomini Famosi, in: Memoria dell'antico nell'arte italiana, hg. v. Salvatore Settis, Bd. 2, Turin 1985, S. 97-152 und John D. Lyons, Exemplum: The Rhetoric of Example in Early Modern France and Italy, Princeton 1989. 542 CAESARVM IMAGINES. - Im Fall de Brys zeigen drei ergänzende Entwürfe noch die übrigen neun .positiven' Cäsaren aus Sueton jeweils in Dreiergruppen unter bestimmten Motti, dazu F.H.W. Hollstein, Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts, ca. 1450-1700, Bd. 4, Amsterdam s. a., S. 49 [Nr. 191-194]. - Vgl. bereits 1533 zum Geschenk von vier antiken Münzen den Begleitbrief an Erasmus: „numismata [...] quattuor aurea, bonorum Imperatorum" (Opus epistolarum, hg. v. P. S. und H. M. Allen, Bd. 5, Oxford 1924, S. 41 f. [Nr. 1272]).
9. Renaissance-Medaillen
als,soziale
Währung'
233
die materiell-herstellungstechnische Komponente aller münzähnlichen Objekte eine metaphorische Mahnung: Diese ließ sich aus dem verwendeten Metall ableiten - so erscheinen etwa die Porträts Doni's Medaglie geordnet nach Gold, Silber, Bronze und ,Fälschungen'.543 Aber auch das Hervorgehen aus einer Matrize diente seit den Kirchenvätern als anschauliches Exempel für das Verhältnis von Gottvater und Sohn bzw. für das Verhältnis von Gott und dem Menschen ,nach seinem Abbild', wobei es im Grundgedanken stets darum geht, daß das Produkt aus der Matrize möglichst vollkommen sein Modell wiederspiegeln sollte. Dante verwendete eine ähnliche Metapher im 24. Gesang des Paradiso (82 ff.), als er angesichts seiner Prüfung durch den Apostel Petrus den Vergleich mit einer gut geprägten Münze als Ausweis des rechten Glaubens aufruft. Menschliche Sünden konnten dagegen das göttliche Abbild entstellen, ähnlich wie es Falschmünzerei tat. 544 Lag eine solche ,Mißbildung' vor oder war der Abguß bzw. der Abschlag nicht ganz gelungen, ließ sich das Metall unter gewissen Umständen einschmelzen und erneut in eine bessere Münze verwandeln - auch dies ein Gedanke, der in der mittelalterlichen Kontemplationsliteratur und Mystik verbreit war.545 Spätestens seit dem 14. Jahrhundert konnte dieser Herstellungsprozeß und das daraus resultierende gelungene oder mißratene Abbild auch ohne epliziten Verweis auf Gott als moralisches Simile für Tugenden oder Laster einer Person fungieren; und im Roman de la Rose produzierte die Natur überhaupt alle ihre Lebewesen ,wie aus Münzstempeln'.546 Leon Battista Alberti sollte dann in noch weiterer Übertragung des Vergleichs versuchen, die Tatsache unterschiedlicher Begabungen bei Jugendlichen damit zu erklären, daß auch bei der Münzproduktion aus einunddemselben Stempel nicht absolute gleiche, perfekte Stücke resultierten.547 Schließlich wird nicht erst Raffaele Maffei um 1500 diese Überlegungen auf die Definition von wahren und falschen Freunden übertragen, wobei letztere ähnlich dem äußeren Schein gefälschter Münzen ihre freundschaftliche Gesinnung nur vorspielen - ein Gedanke, der dann 1553 in einem Emblem Guillaume de La Perrières
543
D O N I 1 5 5 0 a ; THOMPSON 2 0 0 7 , S. 2 3 1 .
544 Zur christlichen Ausdeutung von Münzen, insbesondere im Anschluß an das Christuswort zu den Zöllnern vom „Cuius est imago haec et superscriptio" (Mt 22, 18-22; Mk 12, 13-17, Luk 20, 20-26), zusammenfassend WOLF 2002, S. 3-12. Bei Alanus ab Insulis, De planctu naturae, hg. v. Nikolaus H. Häring, in: Studi Medievali, 19, 1978, S. 797-876, hier S. 840 prägt dann die Natur ihre Geschöpfe wie Münzen nach Gottes Vorbild. 545 So etwa Hugo von St. Viktor, De arca noe mystica (Patrologia Latina, Bd. 176, Sp. 696 f.), der die durch „ignorantia" erzeugten Bruchstücke der Seele und menschlichen Tugenden durch die göttliche Liebe eingeschmolzen und dann „in monetam divinae similitudinis" umgeformt sieht; zu diesem Text Joachim Ehlers, Area significat ecclesiam. Ein theologisches Weltbild aus der ersten Hälfte des 12.Jahrhunderts, in: Frühmittelalterliche Studien, 6, 1972, S. 171-187, insbesondere S. 183. 546 So dichtet etwa Francesco d'Altobianco degli Alberti: „il mondo è pien di vesciche gonfiate / [ . . . ] / strane monete e pessime derate;" dazu und mit weiteren Beispielen Stefano Grazzini, Un sonetto De contemptu mundi di Francesco d'Altobiano degli Alberti, in: Interpres, 15, 1995-96, S. 3 6 8 377; von einem „sigillo in sè de virtute" spricht SABADINO DEGLI ARIENTI 1972, S. I l i ; Guillaume Lorris / Jean de Meung, Der Rosenroman, 3 Bde., hg. v. Karl Ott, München 1976-1979, vv. 1601016032. 547 Leon Battista Alberti, De Iciarchia, in: ALBERTI 1960-1973, Bd. 2, hier S. 282: „Questo argentario con questi instrumenti, con questo medesimo artificio e modo non può d'una medesima massa d'oro stampare monete tutte simili e finite e da ogni parte perfette".
234
Die Gaben der
Liebe
verbildlicht wird ( A b b . 106). 5 4 8 Bereits Plutarch hatte in etwas anderer Wendung von den „Münzen der F r e u n d s c h a f t " (νόμισμα φιλίας) gesprochen, die reichlich an die Freunde ausgeteilt werden müßten, nämlich guter Wille, Freundlichkeit und Tugend - eine im 15. J a h r hundert wieder aufgegriffene Vorstellung: „Sentenzia di Plutarco ancor mantiensi: / benivolenzia con virtute e grazia / numisma d'amicizia esser condensi". 5 4 9 F ü r A n t o n i o degli Agli wird in seinem Beitrag zum Certame
Coronario
zudem die Freundschaft zur Feuers-
glut, die das Metall (insbesondere das G o l d der M ü n z e n ) auf seinen Gehalt prüft und reinigt: „ È la vera Amicizia una fucina / dove si purga l ' o r o e dove spenta / si truova, ove perisce altra ramira." 5 5 0 Petrarca schließlich verglich überhaupt das Zusammentreffen mit einer Person, die sich dann als echter Freund erwies, mit dem Glücksfund eines M ü n z s c h a t zes (aber auch den damit verbundenen Gefahren). 5 5 1 W o es eine positive und ernsthafte Sinnbildlichkeit gibt, liegt zudem die Abwandlung zu einer satirischen oder o b s z ö n e n Verwendung nicht fern. D a h e r sei zumindest kurz angedeutet, daß sich im Italien der Renaissance um M ü n z e n auch eine ausgeprägte Spott- und Sexualmetaphorik rankte. 5 5 2 Bei den frühesten tatsächlich nachweisbaren Spottmedaillen aus den 1530er (?) Jahren auf Pietro A r e t i n o ziert ein Phalluskopf in Anspielung auf A r e tinos Modi-Sonette
zu Marcantonio Raimondis Stichen von sexuellen Stellungen das
Revers - w o d u r c h ein möglichst größer Kontrast zur tugendhaften sozialen Auszeichnungsform erzielt wurde ( A b b . 107). 5 5 3 Zusammenfassen läßt sich jedenfalls, daß M ü n z e n und in der Folge auch alle münz-ähnlichen O b j e k t e im 15. und 16. Jahrhundert in besonders starkem M a ß e moralisch konnotiert waren. 548 MAFFEI 1576, fol. 169r als zusammenfassender Kommentar zum neunten, der Freundschaft gewidmeten Buch der Nikomachischen Ethik des Aristoteles: „Amici qui ob mores ac virtutem se amare simulant, utilitatem potius ac voluptatem sequentes, dissuendi sunt, vitandique non minus quam ij qui nummos adulterant, nisi quidam seipsos decipiant ab initio." - LA PERRIÈRE 1553, Nr. 39: „ T E T R A S T I C H O N . // Sit bonus aut falsus nummus suus ante probabit, / Quam velit ilio uti, qui sapit ille sibi: / Sic prius est tibi, quam sit opus, tentanda voluntas / Illius, Sc loculi cuius amicus eris. - QVATRIN. // Auant auoir besoing de ta monoye, / Si elle est bonne ou fause, prés de soing: / Plustost aussi que malheur te guerroye, / Pruue l'amy, & n'attens le besoing." - In der Schweiz und Süddeutschland bedienten sich eine Reihe von Streit- und Schmähschriften gegen die finanzielle Abhängigkeit/Bestechung lokaler Entscheidungsträger durch italienische Fürsten der Doppeldeutigkeit von valschem und walschem [= welschem] Geld, dazu G R O E B N E R 2000, S. 177. 549 Plutarch, De mult. amie. 93E-F; zitiert etwa von Francesco d'Altobianco Alberti in seinem Beitrag zum Certame Coronario, s. De vera amicitia 1993, S. 196. 550 De vera amicitia 1993, S. 232; vgl. für einen ähnlichen Gedanken bereits Ovid, Trist. 1, 5, w. 25 f. 551
PETRARCA 1968, B d . 3, S. 2 8 8 f. ( X V I I I , 8, 5 f.).
552 Zusammenfassend TOSCAN 1981, Bd. 2, S. 991-1006: der Beutel, der mit verschiedenen Münzen gefüllt wird, spielt auf die Käuflichkeit der Liebe bzw. des weiblichen Sexualorgans an, die verschiedenen Münzgrößen (danaro, quattrino etc.) konnten zur Bezeichnung von Anus und Vulva dienen, usw. 553 Paolo Giovio, Opera, Bd. 1: Epistularum pars prior, hg. v. Giuseppe G. Ferrerò, Rom 1956, S. 92-94 (Brief an Gian Matteo Giberti vom 18. März 1522): „E perchè a caso sono entrato in menzion di medaglie, ve ne mando alquante, le quali sono venute da Roma, dove oguno è diventato maledico alle forma della commedia antica." Dazu Raymond Waddington, A satirist's impresa: the medals of Pietro Aretino, in: Renaissance Quarterly, 42, 1989, S. 655-681; weitere Beispiele bei EVELYN 1697, S. 2 4 f. und MANNING 2 0 0 2 , S. 2 0 6 f. - Z u r Gestaltung v o n Münzen/Medaillen in
Relation zu Tugend und Laster des Dargestellten vgl. spottend auch DONI 1549, fol. 17ν.
9. Renaissance-Medaillen
als ¡soziale Währung'
235
TET^STICHO N. Sit bonus tutftifus nummusfuus tate probabili Quam teilt ilio vti, w u . ( û K £ Yerme >Bít cciifificitî t e »midie "2Γ ï t r m A t i u i à f f t t b û ' ríptc ncsj armi'ítuui itttccocO«uic cmVju: l i m í t a m e · c a r U u t í t n u l o a t cflUtÉbtoutir f a u - a i m e cuv pife u'icjjUiM' w t i e lea a i m « .
tfteú»· wbZS* μΐ'· s Die bislang nur unzureichend bekannten U m s t ä n d e und die C h r o n o l o g i e einer solchen , B i l d n i s - G a b e ' in d e r R e n a i s s a n c e k a n n e x e m p l a r i s c h d e r in s e l t e n e r V o l l s t ä n d i g k e i t e r h a l tene Briefwechsel zwischen Pietro B e m b o und der jungen W i t w e Maria Savorgnan erhellen, P r o d u k t i h r e r e i n e i n h a l b J a h r e - v o n A n f a n g 1500 b i s M i t t e 1501 - d a u e r n d e n 758
Liebes-
D a z u (mit d e r v o r a u s g e h e n d e n Lit.) Vanessa W a l k e r - O a k e s , R e p r e s e n t i n g the Perfect Prince: P o n t o r m o ' s Alessandro de' Medici, in: C o m i t a t u s , 32, 2001, S. 1 2 7 - 1 4 6 u n d C a r l B r a n d o n S t r e h l k e , in: P o n t o r m o , B r o n z i n o , and the M e d i c i . L h e T r a n s f o r m a t i o n of the R e n a i s s a n c e Portrait in F l o r e n c e , hg. v. d e m s . , P h i l a d e l p h i a 2004, v. a. S. 1 1 2 - 1 1 5 (Kat. 26).
304
Die Gaben der Liebe
romanze: Nicht allzu lange Zeit nach ihrem Kennenlernen muß Bembo das Versprechen der Angebeteten für ein Porträt erhalten haben, das dann im wohl sechsten Monat ihrer Liebe und nach dem Austausch von knapp einem halben Hundert Briefe und anderen Geschenken (Rosen, Gedichten, Bücher usw.) - am 22. Juli bei ihm eintraf. Das kurze Begleitschreiben Marias bezeugt derweil ihre Unzufriedenheit über das Konterfei: „non sta bene; pur vi lo ricomando!" 759 Bembo seinerseits scheint sich als guter Petrarkist mit zwei Sonetten nach dem Vorbild der beiden Laura-Sonette, bedankt zu haben, die auch den beauftragten Künstler, Giovanni Bellini, nennen: „O imagine mia celeste e pura / [...]." 76 ° Allerdings gab sich Bembo nicht mit diesem Stand der Dinge zufrieden. Schon Mitte September bat er Maria offenbar um ein weiteres Porträt, das nun als Vorlage für eine Medaille dienen sollte. Die einfachste Erklärung, warum er dafür nicht einfach das von Bellini gefertigte Konterfei benutzte, dürfte darin zu suchen sein, daß dieses kein reines Profil zeigte. Am 27. September des Jahres willigte Maria jedenfalls ein, ein weiteres Bildnis anfertigen zu lassen, da sie kein passendes zur Hand habe. Die Antwort Bembos vom gleichen Tag versucht sie zwar davon zu überzeugen, ein bereits Existierendes zu nehmen, das Bembo bei ihr gesehen hatte und dessen „Schatten" Maria nicht stören müßten, da man solche bei der Modellierung einer Medaille bräuchte. Maria beharrte jedoch anscheinend auf ihrem Wunsch, ein neues Porträt als Grundlage anfertigen zu lassen, so daß sie erst am 11. November die endgültige Ubersendung der nun fertigen Schaumünze für den kommenden Tag ankündigen konnte. 761 Dies ist nicht nur einer der frühesten dokumentierten Fälle, daß eine Frau so intensiv mit dem Auftrag für ihre eigene Medaille als Liebesgabe involviert scheint (oder zumindest 759
B E M B O / SAVORGNAN 1950, S. 8 (Nr. 9): „missa cium imagine" vermerkte Bembo auf Marias Brief; seine Reaktion S. 77-79 (Nr. 40) und in den folgenden Briefen; zu Rosen S. 6 (Nr. 7) und S. 105 (Nr. 58); zu Gedichten etwa S. 124 f. (Nr. 70); vgl. auch den Kommentar des Herausgebers S. 142, der mir aber in dem Punkt nicht unbedingt überzeugend scheint, daß Bembos Brief Nr. 60 (S. 107) nicht vom 28. Sept. 1500 stamme, sondern von seinem Schreiber selbst nachträglich fehldatiert wurde und eigentlich ganz an den Anfang der Korrespondenz gehöre; der Eingangsatz: „Nè risposta, nè la vostra imagine ho avuto" läßt sich problemlos auf das zweite (Medaillen-)Bildnis beziehen (s. u.). - Zu den beiden Protagonisten Antonio E. Quaglio, Intorno a Maria Savorgnan, in: Quaderni utinensi, III, 5-6, 1985, S. 103-118, IV, 7-8, 1986, S. 77-101 und W A L T E R / Z A P P E R I 2007, S. 75-98; zur intellektuellen persona Marias auch Marina Zancan, L'intellettualità femminile nel primo Cinquecento: Maria Savorgnan e Gaspara Stampa, in: Annali d'Italianistica, 7, 1989, S. 42-65.
B E M B O 1 9 6 6 , S. 5 2 1 - 5 2 3 , Sonetto XV: „ O imagine mia celeste e pura, / Che splendi più che Ί sole agli occhi miei / E mi rassembri Ί volto di colei, / Che scolpita ho nel cor con maggior cura, / Credo che Ί mio Bellin con la figura / T'abbia dato il costume anco di lei, / Che m'ardi, s'io ti miro, e per te sei / Freddo smalto, a cui giunse alta ventura. / E come donna in vista dolce, umile, / Ben mostri tu pietà del mio tormento; / Poi, se mercè ten prego, non rispondi. / In questo hai tu di lei men fero stile, / N é spargi sì le mie speranze al vento, / Ch'almen, quand'io ti cerco, non t'ascondi." Sonetto XVI beginnt: „Son questi quei begli occhi, in cui mirando / [...]." - Dazu und zur weiteren Geschichte dieses heute nicht mehr nachweisbaren Bildnisses s. Rona Goffen, Giovanni Bellini, New Häven/London 1989, S. 196. 761 B E M B O / SAVORGNAN 1950, S. 32 (Nr. 55 vom 27. Sept. 1500): „Aspetto di far uno retrato novo, che non ho cosa bona, e quello arete." S. 33 (Nr. 57 zum 11. Nov. 1500) zur Abholung; S. 106 (Nr. 59) findet sich Bembos Beschwichtigung vom 27. Sept. 1500: „Di vostro ritratto nuovo, non vorrei vi pigliaste altro pensiero. A me parea pure, che uno, che io vidi, fosse molto proprio e bello. N è importa che vi sieno quelle ombre, o no, avendosi a far questo in medaglia, come sapete." 760
11.
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
305
deren Ausführung mit kontrolliert; wie es dann vor allem auch für Isabella d'Esté bekannt ist). Die Formulierungen in Bembos Antwortbrief verdeutlichen zudem die mit einem solchen Medaillen-Geschenk verbundene widersprüchliche Spannung zwischen eifersüchtiger Exklusivität und stolzem Offentlichmachen: Das Objekt sei allein für seine Augen bestimmt, und könne doch zugleich in Tausenden von Jahren „der Welt" eine Vorstellung vom jetzigen Aussehen seiner Angebeteten vermitteln.762 Wobei der zweite Aspekt nicht allein den ,Paragone-Reflex' des Literaten Bembo wach rief, der Maria gegenüber insbesondere auch seine Schriften als ewiges Monument ihrer Liebe pries 763 , sondern Bembo irrte sich hier grundlegend: Denn von Maria Savorgnans Medaille hat sich entweder aufgrund zu geringer Auflage oder aber zu restriktiver Verteilung kein Exemplar bis heute erhalten. Mehr Glück hatte dagegen wenige Jahre später ihre Tochter Lucina, die ebenfalls und wohl aus ähnlichen Motivationen wie bereits die Mutter eine eigene Medaille vorzuweisen hatte, von der immerhin ein - wenn auch sehr korrodierter - Guß in Brescia nachgewiesen wurde.764 Erhalten hat sich dagegen Raffaels berühmtes Bildnis des Baidassare Castiglione samt einem zugehörigen Gedicht aus der Feder des Porträtierten selbst. Die Verse verleihen Baidassares Frau Stimme. Sie lobt, welche Erleichterung ihr und ihrem Sohn der Blick auf das Bildnis des Ehemanns und Vaters während dessen Abwesenheit verschaffen würde.765 Dieses Beispiel ehelich-familiärer Zuneigung zeigt erneut, wie fließend die Grenzen von Liebesbildern waren. Und angesichts des Umstandes, daß Castiglione das Empfinden seiner Frau als öffentlichen Qualitäts-Indikator Raffael'scher Porträtkunst nutzte, gilt es auch nochmals festzuhalten, daß im Rahmen von Gelehrten- und anderen Männer-Freundschaften der eigentlich intime Gedanken- und Gefühls-Austausch zwischen Liebenden leicht zu einer Angelegenheit aller amici werden konnte: Nicht nur konnten Liebesbriefe bzw. -gedichte stellvertretend für Freunde (und selbst im Auftrag) geschrieben werden. Auch der anschließende Austausch der literarischen Produkte trug zum Ruhm der Geliebten wie des eigenen ingenium, aber eben auch zur Untermauerung freundschaftlicher Männerbeziehungen bei. 766 Aus dieser Logik heraus erscheint es auch leicht nachvollziehbar, daß zu 762 BEMBO / SAVORGNAN 1950, S. 106 (Nr. 59): „Due occhi soli oltra i miei Γ hanno a vedere, e non più. E a me si fa tardi, che io vi vegga in figura di qualità, che ella mille e mille anni vi possa mostrare al mondo che doppo noi verrà, tale quale ora sete." 763 BEMBO / SAVORGNAN 1950, S. 108-115 (Nr. 61), hier S. 114: „E in brieve de' nostri amori e di noi medesimi o tardi o per tempo niente altro rimane tra gli uomini nelle seguenti stagioni, che la voce sola e il grido. E questi tanto e tali bastano, chente e quali un valoroso amante, sè insieme con la sua donna ritraendo, gli sa nelle durevoli scritture far bastare." 764 H.1333. 765 John Shearman, Castiglione's portrait of Raphael, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 38, 1994, S. 69-97. 766 Zu Auftrags-Schriften und -Dichtungen s. etwa SAVIOZZO 1965, S. 31-36; FRATI 1895, der S. 311 bzw. 326 f. auch das Begleitschreiben eines Bedoro de' Preti abdruckt, das zwei Liebesbriefe Galeazzo Marescottis an dessen Geliebte Camilla begleitet, die nun freilich in .Zweitverwendung' an Sigismondo Malatesta gerichtet sind und die aus moderner Sicht widersprüchliche Haltung zwischen „segreto"/,privat' und .öffentlich' besonders deutlich machen: „[...] io debba trarre la coppia de duo amorose lettere che tien [Galeazzo] registrate in un suo libro molto caro e segreto; le qual' lettere già gli scrisse, non sono molti anni passati, una prestantissima donna de generosi parenti dicesa, cum intendimento di volerle mandare per fante prorio alla III. S.V. sì perchè quella
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Die Gaben
der
Liebe
Ehren der Geliebten der gesamte Freundeskreis ihres Liebhabers antreten konnte: so etwa prominent geschehen im Fall der 1493 von A m b r o g i o L e o n e N o l a n o mit N a c h d r u c k betriebenen Gedichtsammlung Beatricium
auf seine Geliebte, Beatrice de' Notari, und ihre (heute
verschollene) M a r m o r b ü s t e von T o m m a s o Malvito. 7 6 7 Im späten 15.Jahrhundert sollte dann neben dem Ideal der einen Geliebten auch dasjenige möglichst vieler Geliebter Bildstatus erlangen: So läßt Galeazzo Maria Sforza 1473 die schönsten Mädchen seines H e r z o g t u m s malen, allerdings ohne daß wir mehr über ihr Verhältnis zum H e r z o g wüßten, und nicht nur F r a n z I. von Frankreich wird dem Vorbild dieser Schönheitsgalerie folgen, sondern auch die vielen Auftraggeber und Käufer von (bald mehr oder weniger standardisiertem) Majolika-Geschirr, auf dem nun ganze Serien mit idealisierten Schönheiten zu sehen waren ( A b b . 130). W o b e i dann im Laufe des C i n q u e cento selbst kleine Reihen von Kurtisanen-Medaillen entstanden zu sein scheinen. 7 6 8 Jeden Zweifel über die A r t der Beziehung räumt jedenfalls das B u c h aus, das die Venezianer nach ihrem Sieg bei F o r n o v o 1495 über den französischen K ö n i g , Karl V I I I . , in dessen Zelt fanden und das seine auf dem Kriegszug in Italien .gesammelten' Geliebten (bzw. vergewaltigten [?] Kurtisanen) in aufreizenden Positionen darstellte. 7 6 9 Dieser .pornographische' D a r possa comprendere per la elegantia et ornamento di tal' lettere quai fusse il valore di tanta donna, et sì ancho per porre in meggio di gran pensieri e maneggi sì pertinenti al proprio stato quanto all'apparecchio de l'arme qualche exercitio o ragionamento d'amore." Zur ,Öffentlichkeit' von Liebesbeziehungen auch das Beispiel des Gonzaga-Hofes von 1514 bei Oler Grandi, „Noi andamo tra caldo del cielo et di amore: l'uno in corpo, l'altro affana et inquieta". In viaggio con Mario Equicola e con le dame di Isabella d'Este, in: Civiltà Mantovana, 41/121, 2006, S. 65-79. - Zum Liebesbild als Möglichkeit des „homosocial bonding between men" zusammenfassend SIMONS 1995, S. 288 u.ö. - Vgl. die Analyse für das England des späten 16. Jahrhunderts bei FUMERTON 1986. 767 Dazu Luigi Ammirati, Ambrogio Leone nolano, Marigliano 1983 und der Kommentar in TEBALDEO 1989-1992, Bd. 2/2, S. 227f. - Ein freundschaftlicher Wettstreit zwischen einem Bildhauer (Alfonso Lombardi fertige eine Büste auf Camilla Gonzaga) und mehreren Dichtern (die mit ihren poetischen Reaktionen auf die Büste teils den Künstler, teils sich gegenseitig zu überbieten versuchten) motivierte auch die Sammlung La Gonzaga bei C A S I O 1528, fol. 65r-96v. 768 Zu Galerien schöner Frauen, möglicherweise nach dem Vorbild von Cicero, Att., 6, 1, 25, vgl. CAMPBELL 1990, 218-220; zur Miniatur-Galerie und einem Reprint des Cod. Trivulziano 2159, den der Maler Giovanni Ambrogio Noceto um 1518 Franz I. schenkte, Giulia Bologna, Tutte le dame del Re: Ritratti di dame milanesi per Francesco I re di Francia, Mailand 1989; Marta Ajmar / Dora Thornton, When is a portrait not a portrait? Belle donne on maiolica and the Renaissance praise of local beauties, in: Images of the Individual 1998, S. 138-153; Carmen Ravanelli Guidotti, Delle gentili donne di Faenza. Studio del .ritratto' sulla ceramica faentina del Rinascimento, Ferrara 2000; zur abgebildeten Maiolica-Schale aus Deruta, 1. Hälfte 16. Jh. s. Carola Fiocco / Gabriella Gherardi / Liliane Sfeir-Fakhri, Majoliques italiennes du Musée des Arts Décoratifs de Lyon. Collection Gillet, Dijon 2001, S. 127 (Kat. 87); vgl. auch Romolo Magnani, La ceramica a Mantova negli anni del Mantegna e di Isabella d'Este, in: Civiltà Mantovana, 41/122, 2006, S. 183-195 [Sonderheft: Nel segno di Andrea Mantegna]; zu den vermutlichen Kurtisanen-Medaillen s. ΑττwooD 2003, S. 25; insgesamt zur Gattung Porträtgalerien: Wolf-Dietrich Lohr, Porträtgalerie, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. v. Manfred Landfester, Bd. 15/2, Stuttgart/Weimar 2002, Sp. 501-516. 769 CAMPBELL 1990, S. 209, Anm. 88 zu den Quellenschriften des Bernardino Corio, 1503 (der von .Vergewaltigung' spricht) und Alessandro Benedetti, 1496: „In ipsa praeda librum vidimus in quo pellicum variae formae sub diverso habitu ac aetate ex naturali depictae erant prout libido in quaque ac vesanus amor eum traxerat; eas memoriae gratia pietas secum deferebat".
11.
A b b . 130
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
307
,Bella' (Maiolika-Teller, Deruta). Lyon, Musée d'Arts Décoratives
stellungsmodus erinnert auch daran, daß neben der beschriebenen Tradition von hehren Liebesbildern natürlich immer auch sexuell erregende oder obszöne A b b i l d u n g e n einherg i n g e n u n d teils m i t e r s t e r e n i n t e r f e r i e r t e n . 7 7 Z T r o t z d i e s e r b e r e i t s seit d e m H o c h m i t t e l a l t e r r e i c h b e l e g t e n T r a d i t i o n an L i e b e s g a b e n u n d - b i l d e r n e r g i b t sich d o c h b e i m V e r s u c h e i n e s U b e r b l i c k s ü b e r d i e e r h a l t e n e n B e i s p i e l e d e r E i n d r u c k , in d e r z w e i t e n H ä l f t e d e s 15. J a h r h u n d e r t s w ü r d e in I t a l i e n d i e s e O b j e k t - u n d B i l d g a t t u n g n o c h m a l s g e r a d e z u e x p l o d i e r e n , so a l l g e g e n w ä r t i g e r s c h e i n t n u n p l ö t z l i c h d i e L i e b e thematisiert. 7 7 1 S c h u l d d a r a n sind die n e u e r d i n g s v e r s t ä r k t mit B i l d s c h m u c k a r b e i t e n d e v e n e z i a n i s c h e G l a s p r o d u k t i o n , d i e a l l e r d i n g s erst g e g e n 1470/80 e i n s e t z t e n d e w e i t e r e Verbreitung von D r u c k g r a p h i k , vor allem aber die avancierte Herstellung von bemalten M a j o l i k e n , d. h. z u m i n d e s t t e i l w e i s e v e r h ä l t n i s m ä ß i g b i l l i g e u n d an v i e l e n O r t e n p r o d u z i e r t e Bildträger: M a n k o n n t e n u n ein m e h r oder w e n i g e r standardisiert-idealisiertes Bildnis s e i n e r . B e l l a ' auf T r i n k g e f ä ß e n , K r ü g e n , T e l l e r n o d e r T o i l e t t e n u t e n s i l i e n e r w e r b e n o d e r z w i s c h e n v e r s c h i e d e n e n K o m b i n a t i o n e n v o n J ü n g l i n g s - u n d M ä d c h e n b ü s t e n auf d e m G e s c h i r r a u s w ä h l e n ( A b b . 131, 132). D i e z a h l l o s e n L i e b e s s i n n b i l d e r i m A n g e b o t u m f a ß t e n
770
Da/.u ( j e w e i l s m i t w e i t e r f ü h r e n d e r L i t e r a t u r ) J o n l s 1994; T a l v a c c h i a 1999; U l r i c h P f i s t e r e r , Z e u gung der Idee - S c h w a n g e r s c h a f t des Geistes. Sexualisierte T h e o r i e n und M e t a p h e r n zur W e r k g e n e s e in d e r R e n a i s s a n c e , in: D a s K u n s t w e r k als L e b e w e s e n , h g . v. d e m s . / A n j a Z i m m e r m a n n , B e r l i n 2 0 0 5 , S. 4 1 - 7 2 ; T i m o t h y W i l s o n , U n . i n t r i c a m e n t o ' tra L e o n a r d o ed A r c i m b o l d o , in: C e r a m i c a A n t i c a , 15/2, 2 0 0 5 , S. 1 0 - 4 4 .
771
Ein Ü b e r b l i c k z u r L i e b c s i k o n o g r a p h i e bei Camii.i.i-: 2 0 0 0 ; s p e z i e l l z u r H e r z i k o n o g r a p h i e A n d r e a s B r ä m , V o n H e r z e n . E i n B e i t r a g z u r s y s t e m a t i s c h e n I k o n o g r a p h i e , in: Il c u o r e 2 0 0 3 , S. 1 5 9 - 1 9 2 u n d A r m a n d S t r u b e l , C o e u r p e r s o n n i f i é , r é i f i é , h y p o s t a s i é : les a v a t a r s d e l ' o r g a n e d a n s la l i t t é r a t u r e d u X V e s i è c l e , in: e b d . , S. 4 4 9 - 4 6 8 .
308
Die Gaben der Liebe
Abb. 131
Tintenfaß. Boston, Museum of Fine Arts
simple pfeildurchbohrte, blutende Herzen oder zwei sich festhaltende Händen ebenso wie anspruchsvollere und auch als Kupferstiche erwerbbare Kompositionen, ζ. B. eine Frau, die auf einen gefesselten Amor mit Pfeil und Bogen schießt. Die Spannweite der Inschriften schließlich reicht vom vielfach nachweisbaren und wohl in Serie und auf Vorrat produzierten „Liebe will Vertrauen/Treue" („Amor vuol fede") und seinen Abwandlungen über kurze Äußerungen zum Seelenzustand offenbar des Schenkenden - Beispiele wären „liebe!" („ama") oder „o welche Grausamkeit" („o quanta crudeltà") - bis hin zu originelleren, als individuelle Bestellung denkbaren Erklärungen wie „Dies schenke ich Dir aus Liebe, Schöne" („Quista te dono per amore, bella") bzw. mehr oder weniger tiefsinnigen Andeutungen wie „Genug verlangt, wer schweigend dient" („Asai dimanda chi servendo tace"). Kurz: Glas und Maiolika boten das ideale Liebesgeschenk sowohl für die vorehelichen Amouren als auch zur Hochzeit. Und selbst an den schmälsten Geldbeutel war gedacht, konnte man doch Spindelgewichte aus Maiolika mit Aufschriften wie „DVRSIANA.BELA" oder „ A P P O L O N I A B." kaufen, die ganz offensichtlich als billigere Liebesgaben gedacht waren. 772 Daß auch die Zeitgenossen diese Inflation an Lie-
772 Zahllose Quattrocento-Beispiele für alle Arten von Maiolika (Trinkgefäße, Teller, Schreibtischutensilien, Glocken usw.) als Liebesgeschenke bei R A C K H A M 1977, etwa Nr. 58, 73, 92, 95 f., 112-114, 162, 627, 817, 619; Glocke und Schreibgerät bei A. Darcel / Henri Delange, Receueil de Faïences Italiennes des XV e , XVI e e XVII e siècles, Paris 1869, Taf. VIII und XII; Teller mit Belle (sog. coppe amatorie) sind bereits seit Ende des 14. Jahrhunderts bekannt, s. ein Beispiel in: Ceramic Art of the Italian Renaissance, hg. ν. Timothy Wilson, London 1987, S. 144-148; dort wird für eine 1524 datierte Platte mit Jünglingskopf und Inschrift „LVTIO" auch überlegt: „It is open to doubt, however, wether dishes like the ,Lutio' were gifts to young men from lovers of either sex." Zu Spindelgewichten ebd., S. 233 (cat. 233); vgl. auch Jörg Rasmussen, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg: Italienische Majolika, Hamburg 1984, S. 106. - Zu Gläsern als Liebesgeschenken bzw. mit Liebesikonographie vgl. Robert Schmidt, Die venezianischen Emailgläser des XV.
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
Abb. 132
309
Giovanni Maria Obizzo, Glaspokale mit Idealbildnissen eines Liebespaares. London, British Museum
besbildern in den ,neuen Medien' wahrnahmen, scheint sich zumindest durch einige Indizien anzudeuten. So zeigt die einzige bekannte Selbstdarstellung eines Majolika-Malers bei der Arbeit - der im übrigen nicht als bloßer Handwerker, sondern wie ein Künstler eingestuft wurde - diesen ausgerechnet mit einem (Liebes-)Paar, das ihm offenbar einen Auftrag erteilt. 7 7 3 Andererseits kann sich dann 1534 Pietro Aretino der zu diesem Zeitpunkt im allgemeinen Bildgedächtnis bereits tief verankerten L i e b e s s y m b o l e bedienen, um einen noch größeren Schockeffekt zu erzielen: Schildert er doch in seinem Skandalbuch der Sei Giornate,
wie zwei N o n n e n in erregter Erwartung ihrer Liebhaber einen Esstisch im
Kloster herrichten und dabei diesen an den E c k e n ausgerechnet mit den traditionellen Sinn-
und XVI. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen, 32, 1911, S. 249-286, hier etwa S. 258f, 262f. und 265f.; Rosa Barovier Mentasti, Il vetro veneziano. Dal Medioevo al Novecento, Mailand 2 1988, einige frühe Beispiele umfassen S. 47: Glasschale mit Frauenbüste im zentralen Medaillon, 1470/80, Trento, Mus. Nazionale; S. 48f.: .Coppa Barovier', 1470/80, Murano, Mus. Vetrario, blaues Trinkgefäß mit Männer- und Frauenbüste sowie dem Zug zur und dem Bad in der Quelle der Liebe und Jugend; S. 54: Trinkgefäß, auf dem Putti zwei Tondi mit männlicher und weiblicher Büste halten, neben dem Mann ein Inschriftenband: „AMOR. V O L . FEE.", Murano Ende 15. Jh., London, British Museum; S. 56, Trinkgefäß mit Darstellung von Mann, der eine Frau umarmt und ihr an die Brust greift, Murano, Ende 15.Jh., London, British Museum; S. 74 f.: Tringefäße aus lattimo, ,Milchglass', jeweils mit zwei Tondi, Frau und Jüngling, Trento, Mus. Civico und Cleveland Museum of Art, beide 1500-1510. Zu zwei lattimo-Schalen, 1500/10, mit Frau („AMOR MASALIE") bzw. Jüngling („EGO VOBIS SERVO S O N " ) in KHM, Wien (Inv. 9052) bzw. im Corning Glass Museum, Corning (NY) s. Timothy H. Clarke, Lattimo - a group of Venetian glass enameled on an opaque-white ground, in: Journal of Glass Studies, 16, 1974, S. 22-56, hier S. 35-37; vgl. S. 49 f. zwei Pokale (Trient, Mus. Naz., und Prag, Nazionalmus.) und einen Becher (Cleveland, hier Jüngling mit Laute) mit je zwei Tondi mit Paaren. 773
SYSON / T H O R N T O N 2 0 0 1 .
310
Die Gaben der Liebe
bildern des pfeildurchbohrten Herzens, der verschränkten Hände usw. schmücken, wodurch sie diese Zeichen tiefempfundener Liebe und Treue in ihrer Lasterhöhle entweihen.774
Dieses in Kürze abgesteckte Panorama heterosexueller Liebesgaben und Liebesbilder hilft in zweierlei Hinsicht, das eigentliche Thema dieses Kapitels, die Gaben zwischen Männern und die Bilder ihrer Liebe bzw. Freundschaft, präziser zu fassen. Deutlich wird zum einen, wie sehr sich auch auf dieser .materiellen' - und nicht allein auf der im vorangehenden Kapitel erörterten theoretischen - Ebene amor und amicitia zwischen Männern am Modell der Liebe zwischen Mann und Frau orientieren. Andererseits werden aber auch ganz deutlich genuin männliche Geschenk- und Bildformen erkennbar. Einigermaßen überrascht stellt man zunächst fest, daß auch zwischen Mäzenen und Humanisten bzw. zwischen Gelehrten-Freunden untereinander Lebensmittel, Textilien und Geschirr, insbesondere Trinkgefäße, aber etwa auch Brillen verschenkt wurden.775 Selbst der Antiken-begeisterte Pomponius Laetus freute sich über (moderne) Gläser und ein Kissen seines Schülers und Intimus Marco Antonio Sabellico (für den als Venezianer Gläser natürlich besonders naheliegende Gaben waren).776 Und Giannantonio Campano, dessen Gedichte ein häufiges Hin- und Her von Karpfen aus dem Gardasee, eingelegten Kürbissen oder speziellen Würsten dokumentieren, formuliert explizit (allerdings witzig gemeint), daß sich solche Gaben mit Gegen-Gedichten aufrechnen lassen.777 Ebenfalls ganz im oben entwickelten Sinne des love trade betonte 1465 der Kardinal Jacopo Ammannati angesichts eines ziselierten und vergoldeten Bechers, daß dieses Geschenk nicht zum Bereich des „commercium avaritiae" rechne, sondern „ewiges Monument" des Andenkens an den Freund sei.778 Giovanni Gioviano Pontano wird wenig später in seiner Abhandlung De splendore
774
ARETINO 1 9 6 9 , S. 3 0 .
775 Zur gelehrten Wahrnehmung von Keramikgeschenken s. die Briefe und Gedichte in Augusto Campana, Poesie umanistiche relative a ceramiche, in: Faenza, 32, 1946, S. 59-68; zu Brillen Vincent Ilardi, Eyeglasses and Concave Lenses in Fifteenth-Century Florence and Milan: New Documents, in: Renaissance Quarterly, 29, 1976, S. 341.360, hier S. 345 f.; Korrekturen zu diesem Aufsatz von James H. Beck in: ebd. 30, 1977, S. 284 f. - Weitere Beispiele für Humanisten-Geschenke bei F u s c o / CORTI 2006, S. 180-182. 776 Marcus Antonius Sabellicus, Opera omnia, Basel 1560, Bd. 4, Sp. 440: „[...] accipies [...] pulvinos duos Maecoticos. [...] Attulit et quatuor scorteos specierum sacculos, ex nobilissimo orbis emporio tibi delectos, curuli rota insignitos: adiecimus corollarium crystallina quaedam: pateram unam striatam aureo supercillo: craterem versicolorem, quo myrrhini loco uti poteris: pyxidem aureis squamis, ore contractiore, fastigiato operculo: ialina duo carchedonij lapidis aemula, et cum his cyathum unum Teutonicum, circulatum nitidulis nodis, aureoque labro insignem. Sunt haec video parva, ac propemodum ridicula: sed tu Pomponi suavissime tui Sabellici animum, non rem expedito, ut magna fiant [...]." - Vgl. MAGISTER 1998, S. 172. 777 CAMPANUS 1495, carm. V, 17; zu diesen Schenkgedichten zusammenfassend HAUSMANN 1972, S. 2 9 f. 778 AMMANNATI 1997, Bd. 2, S. 5 9 8 - 6 0 3 (Nr. 99f.): Brief an Stefano da Varda „Pro muñere tuo tibi gradas innúmeras habeo. Pulcherrimum fuit et locuples et dignum, quod a tanto patre filio mitteretur. Erit id poculum abaci nostri ornamentum, mensae voluptas et pignus continuum tui in me animi diceturque saepe, cum plenum mero attolletur, propheticum illud: ,En calix meus inebrians, quam
11.
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
311
feststellen, d a ß häufig nicht der schiere G e l d w e r t , s o n d e r n Schönheit, Seltenheit u n d A u s gewähltheit einer G a b e d e r e n , G l a n z ' u n d B e d e u t u n g ausmachten. 7 7 9 A n z u m e r k e n ist, daß dabei prinzipiell alle diese G e s c h e n k e auch zu verschlüsselten h o m o e r o t i s c h e n Liebesgaben u m f u n k t i o n i e r t w e r d e n k o n n t e n - wie es etwa im Falle eines H o s e n - G e s c h e n k s a u s n a h m s weise n a c h w e i s b a r ist, das zwei . S o d o m i t e n ' im Z ü r i c h des b e g i n n e n d e n 16. J a h r h u n d e r t s z u m Verhängnis w u r d e , als es z u m P r o z e ß wegen ihres .unaussprechlichen Lasters' k a m u n d dieses Kleidungsstück d u r c h eine unvorsichtige B e m e r k u n g als Beweis ihrer B e z i e h u n g h e r a n g e z o g e n w e r d e n konnte. 7 8 0 E r w a r t u n g s g e m ä ß u m f a ß t jedoch ein zweiter Geschenk-Sektor n u n genuin H u m a n i s t i s c h Männliches: Sieht man v o m ,Austausch v o n F r a u e n ' ab, der in der Renaissance im weiteren Sinne ebenfalls in Kategorien der F r e u n d s c h a f t s - G a b e verstanden w e r d e n k o n n t e 7 8 1 , handelte es sich b e v o r z u g t u m Bücher o d e r k ü r z e r e Schriften, o b v o n anderen A u t o r e n o d e r aus eigener P r o d u k t i o n - w o b e i die explizite W i d m u n g an den E m p f ä n g e r die h ö c h s t e F o r m dieser G a b e darstellte. Ja, im R o m der späten 1460er u n d f r ü h e n 1470er Jahre scheinen ganze Sparten des neuen B u c h d r u c k s v o n v o r n e h e r e i n weniger d e m Verkauf u n d G e w i n n als eben d e m G e s c h e n k a u s t a u s c h u n t e r H u m a n i s t e n u n d damit einer elitären G r u p p e n k o n stitution intellektuell Gleichgesinnter gedient zu haben. 7 8 2 Freilich k o n n t e es sich bei H u m a n i s t e n g e s c h e n k e aber auch u m K u n s t w e r k e u n d K u r i o s a handeln, w o b e i hier Medaillen (wie gesehen) u n d antike Relikte (unter diesen w i e d e r u m b e v o r z u g t G e m m e n u n d antike M ü n z e n ) eine herausragende Rolle spielten. 7 8 3 A u c h in diesen Fällen b e g r ü n d e t e stets
praeclarus est'. Caelationes et inaurationes et artificia huiusmodi eo aestimatiora apud nos sunt, quo et rariora." - Im folgenden Brief bedankt sich Ammannati beim gemeinsamen Freund Giano Pannonio für ein unbekanntes Geschenk: „Munera tua iucunda mihi fuerunt, quippe quae non ad commercium avaritiae, sed ad tui in me animi inditium sint missa. Erunt mecum continue oculisque obiecta, munimentum perenne dabunt mei Quinquecclesiensis presulis." 779 PONTANO 1999; vgl. dazu auch WELCH 2002, S. 211 f. 780 PUFF 2002. 781 KLAPISCH-ZUBER 1985, ν. a. S. 213-260; v. a. zu England HUTSON 1994; ergänzend zur auch aktiven Rolle von Frauen in der Familienpolitik und -Ökonomie (insbesondere im Venedig der Renaissance) CHOJNACKI 2000; unter anthropologisch-ethnologischem Blickwinkel Gayle Rubin, The Traffic in Women: Notes on the 'Political Economy' of Sex, in: Towards an Anthropology of Women, hg. v. Rayna R. Reiter, New York 1975, S. 157-210. - Zu weiblicher Geschenkkultur ansatzweise Dagmar Eichberger, The Culture of Gifts. A Courtly Phenomenon from a Female Perspective, in: Women of Distinction. Margaret of York / Margret of Austria, hg. v. ders., Mechel e n / L e u v e n 2 0 0 5 , S. 2 8 7 - 2 9 5 .
782 Diese These gut begründet im zweiten Teil der Studie von FELD 1985/1986. - Vgl. zu literarischen Geschenken auch Tobias Leuker, Un dono poetico di Bartolomeo della Fonte per Alessandro Cortesi, in: Rinascimento, 42, 2002, S. 399-406; zu Frankreich Natalie Zemon Davis, Beyond the Market: Books as Gifts in Sixteenth-Century France, in: Transactions of the Royal Historical Society, 5 ser. 33, 1983, S. 6 9 - 8 8 ; zu E n g l a n d STEWART 1997, S. xxix-xxxiv; zu E r a s m u s JARDINE 1995.
783 Besonders explizit zu den Motivationen eines Münzgeschenks ein Schreiben des Matteo Bossi an Giovanni Marcanova (SIGHINOLFI 1921, S. 198 f.): „Numismata haec ego, Johannes, ad voluptatem ubi satis sum conspicatus: coepi de te mox cogitare: qui ante omnes visis es mihi eo munusculo dignus: quippe qui soles post philosophiam et ornamenta doctrinae pictura et illustrium virorum imaginibus mire equidem delectari et post studia litterarum intentionem et animum circaegregia haec antiquitatis monumenta remittere. [··•]." - Zusammenfassend zu Münzgeschenken CuNNALLY 1994, zu Medaillen SCHER 2003, die dort angeführten Beispiele ließen sich insbesondere für
312
Die Gaben der
Liebe
weniger der materielle Wert als der (intellektuelle) Beitrag zur freundschaftlichen StudienGemeinschaft die Bedeutung eines solchen „pignus amoris". 784 Das gesamte Spektrum dieses zwischen Männerfreunden gepflegten Austauschs kann etwa nochmals die Briefkorrespondenz des humanistisch interessierten Kamaldulenserabtes Ambrogio Traversari enthüllen, in der von einer Jesus-Statuette und den arma Christi in einer Nußschale über Tafelbilder und Manuskripte bis hin zu antiken Gemmen und Münzen alles vertreten ist.785
das Quattrocento noch ausgiebig ergänzen, etwa Poggio Bracciolini, Lettere, hg. ν. Helene Harth, Bd. 2, Florenz 1984, S. 192 (Nr. 3), Brief vom 15. August 1437 an Leonello d'Esté: „Vir doctissimus Aurispa noster dedit mihi nummos áureos quos misisti." Gentile de'Becchi schickt zusammen mit einem Gedicht den Abguss einer Cosimo-Medaille an eine unbekannte Person (CAGLIOTI / GASPAROTTO 1997, S. 16): „Mittens imaginem Cosmianam in sulphure. Excusatio materie: Si caput invictum fragili de sulphure, princeps / Mittitur, admonuit hostia facta deum." 784 So beginnt der Dankesbrief des Carlo Aretino auf die Ubersendung der berühmten Merkurzeichnung des Ciriaco d'Ancona (nach B N C F , Magi. X X V . 6 2 6 , fol. 1 3 8 r - 1 3 9 r ) : „Kiriaci tui benevolentiae munus et egregium pignus amoris [ . . . ] . " POLITIANUS 1 9 7 0 - 1 9 7 1 , Bd. 1, S. 54 kontrastiert besonders explizit Geschenke zwischen Freunden und solche zwischen Mann und Frau (der Brief datiert vor 1484): „Nempe igitur sicuti amatores munuscula suae quisque Veneris diligenter servant, anellum pta, catellam, sudariolum, violam quoque, nonnumquam rosam, flosculum: sic ego tuas illas, &í item Grimani litteras amoris veri gratissima pignora, non modo paulo incuriosius non habeo, sed & sub oculos crebro revoco, nunc mihi ipse, nunc amicis recitans, [.·.]•" ~~ PONTANO 1999, S. 212 gibt verschiedene Gründe für den ,Wert' eines Geschenkes, so etwa seine Seltenheit und Kuriosität; als Beispiel wird ein Bernstein mit eingeschlossener Fliege genannt, deren Flügel geöffnet waren, den wiederum Ciriaco dem König Alfonso von Neapel geschenkt hatte. 785 Ambrosii Traversarii [ . . . ] Latinae Epistolae, Florenz 1759, Bd. 2, Sp. 416 f. (lib. V I I I , ep. xxxxvii und xxxxviii): „Ambrosius Nicolai suo salutem. Ex Venetiis scripsi ad te, misique libros, donum Barbari mei, quos iam redditos puto: nec ambigo, illos tanti facies, quanti a me fiunt. Conveni D o m i n u m Benedictum Dandalum: numumque, in quo Berenicis Reginae insculpta erat effigies, vidi; nam crystallinam Alexandri imaginem, videre idcirco fas non erat; quod hand possessor ineptus distraxisse, Barbaro auctore, ferebatur. Licet subspecta illi erat perfidia hominis, metuentis ne hanc sibi vir amicissimus aut prece, aut pretio extorqueret invito. Berenicis imaginem pridie quam proficiscerer, in plumbo exprimi iussi optime, & diligentissime, quam ad te misissem continuo, si adfuisset, cui tuto comitti posset. Earn vel mecum feram, vel mittam. E x eo viro factus sum certior magistrum Franciscum Pistorensem, quem offendit in Syria, multa tuo nomine quaerere, pluraque iam invenisse. N e c tamen expresse quid invenerit retulit. N u m m u m ipsum aureum liberaliter obtulit; sed nolui ingratus videri. N u m m o s quosdam áureos latiores unciae, ac semis pondere C o n stantiae inventos Constantini, Constantis ostendit pulchros quidem, sed prioris artem nequaquam exaequantes. Doluit vir ille, & alius nobilis se non antea scivisse adventum meum. Multa enim id genus numismata Venetiis haberi apud plaerosque Nobilium, quae videnda mihi adtulissent. [ . . . ] . " Vgl. Sp. 566 f. (lib. X I , ep. lxxvi). - Bd. 2, Sp. 1037 (lib. X X I V , ep. lxiv): „Frati Ambrosio Viro Sancto Bertus Ildebrandus suus salutem. Speravi parvulum ilium Iesum, quem tibi debeo, quam primum Senas reiissem, pro meo arbitrio invenire, & habere posse. Sed necesse fuit ut hunc, quem tibi reddendum ad praesens Michaeli de Sancto D o n a t o communi mulioni trado, ab integro sculpendum, formandum, ac deliniendum curarem. E t inde res ad hunc usque diem dilata est. E u m ergo hac inclusum capsula, & vestitum, non ut meritum fuisset ad Angelorum nuptias proficiscentem, sed ut Dornum pauperculam exeuntem decet, utque conversatio sua in terris, dum id aetatis agebat, exigere via est iocalibus quibusdam puerilibus, laeto animo suscipe. Q u o d si in his omnibus debito meo, & merito erga me tuo non fit satis, patientiam habe, adfectum meum erga te, non rem ipsam intuens. [ . . . ] . " - Bd. 2, Sp. 975 (lib. X X I V , ep. iv): „Iordanus Ursinus Fratri A m b r o s i o salutem plu-
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
313
Einen Sonderfall stellt es freilich dar, w e n n P o n t a n o gar den A r m des verehrten Livius aus Padua als eine Art Reliquie f ü r seine bereits erwähnte Familienkapelle in Neapel erhält. 786 Schließlich sind auch .Geschenke unter Künstlern' bezeugt, so w e n n der Maler Gianfrancesco C a r o t o ein Bildnis des Freundes Giulio della Torre gegen eine Medaille dieses Juristen u n d dilettierenden Plastikers austauscht - und zudem ein anderes Gemälde über die Inschrift z u m , F r e u n d s c h a f t s m o n u m e n t ' erhebt. 7 8 7
rimam dixit. [...] P o s t r e m o m u n u s c u l u m hoc, Dominicae scilicet instrumenta passionis eburneo osse mirabili, atque subtilissimo artificio sculpta, parvaque nuci testa clausa ut hilari adspicias animo, acceptumque (tum res te digna est, t u m in mei memoriam) diligenter conserves, accuratissime postulo." - Bd. 2, Sp. 670 f. (lib. XIV, ep. xxix): „Frater A m b r o s i u s Sanctae Camaldulensis H e r e m i Prior venerabili fratri nostro Gregorio salutem in D o m i n o , & sanctae charitatis adfectum. Legimus, Gregori Pater, literas tuas, quibus vereri cepisse videris, ne tui oblivis nos ceperit, admonesque hyemis instantis, & pellium f o v e n d o senili corpori a d c o m m o d a t a r u m , quas mittere ad te polliciti sumus. [...] Itaque ignosces, Gregori Pater, ignoscent & ceteri libenter, si c o r p o r e o adcessu ad vos minime proficiscimur, quia nonnisi iustis ex caussis id facimus. A n i m o tamen, & cogitat o n e vobiscum semper sumus. A t q u e utinam corpore q u o q u e esse aliquando possumus, id, q u o d , teste D e o , m u l t u m certe cupimus. Res tua nobis est curae, velim credas, quia Veronam paucis post diebus profecturi sumus Pontificis iussu, tuncque satisfaciemus votis tuis. Pictam tabulam filii nostri suavissimi E u p h r o s y n i , sive quam ipsi pingi feceramus, p r o fratre Francisco cupiebamus nos adferri, & d o n o a vobis dare. [...]." - Bd. 2, Sp. 433 (lib. V i l i , ep. Iii): „Ambrosius Nicolao suo salutem. [...] Tunc etiam Stephanus Porcius Praetor civitatis clarissimus R o m a n u s Eques anulum, & quidem m u l t u m renitenti d o n o dedit onyca habentem cum effigie candida prominente Hadriani, an alterius nescio, o m n e m admirationem exscedentem, oravitque, ut illum in sui m e m o r i a m ferrem. Fateor nullum u n q u a m gratius insculptum sigillum vidi." - Bd. 2, Sp. 344 f. (lib. VII, ep. xvi): „Ambrosius Laurentio salutem. Stephanus Porcius, q u u m essem Bononiae, ante u n u m mensem, anulum aureum cum onyche effigiem habentem pulcherrimam mihi d o n o dedit; oravitque, ut illum sui gratia gestarem. N o n est quidem meae consuetudinis, ut nosti, anulatum incedere. Iam n o n desunt qui hanc meam in hoc genere continentiam non probent; & hi ipsi viri satis graves dicentes convenire ferre anulum loci, q u e m indignus teneo, gratia. E u m ad te mitto; ut, si videtur, denuo ligari ad f o r m a m digiti nostri in auro facias. Q u a m quidem f o r m a m Frater R. ad te feret. Vale." - Bd. 2, Sp. 397 (lib. VIII, ep. xxxvi): „Amatissimo frater Nicoiao Ambrosius. [...] U n u m omiseram, q u o d significandum tibi fuit: Philonis illud volumen, quod Philelphi erat, in nostrum ius concesisse. N a m q u u m ille me saepissime obtunderet; contra m o r e m m e u m volui impudens esse, petiique d o n o illud mihi daret. N e q u e negare id potuit, satisque libenter largitus est." 786 Paolo Sambin, Il Panormita e il d o n o d ' u n a reliquia di Livio, in: Italia Medioevale e Umanistica, 1, 1958, S. 276-281. 787 D a z u Sergio Marinelli, Ipotesi per il p r i m o C i n q u e c e n t o veronese, in: Verona illustrata 9, 1996, 51-57, hier S. 56 zu Vasaris Bericht, C a r o t o habe das Bildnis des Freundes Giulio della Torre gemalt im Austausch f ü r eine Medaille des dilettierenden Plastikers, s. auch die Inschrift auf C a r o tos .Gottvater mit den Tugenden', Verona, ehem. Palazzo Della Torre-Portalupi: „ H V I V S C E ARTIS P A R I V O L V P T A T E A M I C I T I A I N I T A F R A N C I S C V M C A R O T V M / I V L I O . M. D E L A T V R R E H O C O P V S FECISSE I N P V L I T M D X X I I I I " . - Zu einer .Gemeinschaftsarbeit von F r e u n d e n ' (um 1549/51), einem b r o n z e n e n lebensgroßen M e r k u r (inschriftlich bezeichnet als: „ Z A N O B I L A S T R I C A T I C I A N O C O M P A G N I , F I O R E N T I N I A M I C I F A C I E V A N O P E R I N P A R A R E " ) s. L'ombra del genio. Michelangelo e l'arte a Firenze 1537-1631, hg. v. Marco Chiarini u.a., Florenz/Mailand 2002, S. 218f. (Kat. 78). - Z u r weiteren Geschichte von Künstlerf r e u n d s c h a f t e n j a n P. Filedt Kok, Artists portrayed by their friends: Goltzius and his circle, in: Ten essays for a friend: E. de J o n g h 65 (Simiolus, 24, 1996), Zwolle 1996, S. 59-79 und BEYER 2004.
314
Die Gaben
der
Liebe
Jedes Geschenk ruft dabei in der Vorstellung des Betrachtenden immer wieder das Bild des Schenkenden auf - dies geschieht am nachdrücklichsten, wenn das Geschenk ein reales Bildnis des Gebers barg: Dazu zählen etwa eine ganze Reihe von heute zumeist pauschal ,Autorenbilder' genannten Porträts in Handschriften, mit denen sich die Schreiber ihren .befreundeten' Patronen empfehlen wollten. 788 Eine der interessantesten Lösungen findet sich in einem 1472 datierten Gedicht-Bändchen des lange Jahre in R o m tätigen Veroneser Humanisten Leonardo Montagna an den Kardinal von S. Maria in Porticu, Battista Zeno: Das abschließende Gedicht erläutert darin die Eingangsminiatur, die im Buchstaben ,P' das Konterfei des Autors auf Wolken und in einer sich perspektivisch verkürzenden Porticus zeigt (Abb. 133). 789 Der Gicht-geplagte Montagna wolle so zumindest in effigie vor dem Auge seines Gönners erscheinen, der über das argumentum a nomine der schützenden Architektur („Cardinalis Porticum") evoziert wird. Medaillen mußten eine entsprechende freundschaftliche Imaginationsleistung durch ihr Porträt auf dem Avers und das personalisierte Denkbild auf dem Revers, aber auch durch ihren ,intimen' Objektcharakter bestens befördern - man konnte sie, wie gesehen, in die Hand nehmen, mit sich führen, sie wurden warm usw. Daß Freundschaft eine ,vergegenwärtigene Wirkung' des amicus entfaltet, ähnlich wie dem Liebenden stets die Geliebte vor Augen steht, war den Humanisten nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch durch die Lektüre einer ihrer höchsten Autoritäten: aus Ciceros Traktat Laelius sive de amicitia, vertraut: „Wer nämlich sein Auge auf einen wahren Freund richtet, schaut gleichsam auf ein Vorbild seiner selbst. So kommt es, daß Abwesende zugegen, Arme reich, Schwache stark und, was man kaum mit Worten richtig ausdrücken kann, Tote lebendig sind". 7 9 0 Bevor allerdings diese Passage im Hinblick auf Freundschaftsbildnisse gedeutet wurde und bevor sich im Kontext von (humanistischen) Männerfreund788 Daß prinzipiell jedes Geschenk das Bildnis des Gebers evozieren kann, belegen etwa Gedichte des Porcellio zu Antiken-Geschenken, BAV, Urb. Lat. 1193, fol. 229r-230r zum Geschenk eines antiken Bellona-Kopfes an Federigo da Montefeltro: „Ut quotiens aspicies et dona poetae / Te subeat totiens dilecti vatis imago"; dazu und mit weiteren Beispielen Ulrich Pfisterer, Filaretes Künstlerwissen und der wiederaufgefundene Traktat De Arte Fuxoria des Giannantonio Porcellio de' Pandoni, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 46, 2002, S. 121-151, hier S. 123, und Fusco / CORTI 2006, S. 134. 789 Zu Montagna, seiner Handschrift, die neben dem eröffnenden Autorenbildnis auch noch gemalte Schmuckstücke an den Rändern zeigt, und dem erläuternden Abschlußgedicht (danach noch die Datierung und ein nachträglich angefügtes Volgare-Gedicht) DOREZ 1909, ν. a. S. 448 f.: „Ad Bfaptistam Zenum seu Zenonem] Card. Porticum // Mitto tibi gemmas pietas in margine libri. / Porticibus pictum me quoque mitto tibi. / Non possum veras tibi tradere, Portice, gemmas. / Has dare Pontificis ditior arca potest. / Nec mea viva potest, ut conveniebat, imago / Accedere ad Divi Principis ora mei. / Me podagra et rerum pondus tenet. Hic sub opacis / Porticibus sedeo. Portice dive, vale." - Ähnlich motiviert wenig später (1474) Raffaele Zovenzoni seine wohl von Giovanni Bellini gefertigte Bildnisminiatur in der Präsentationskopie seiner Istrias an den Trienter Bischof Johannes Hinderbach, dazu Jennifer Fletcher, The Painter and the Poet. Giovanni Bellini's Portrait of Raffaele Zovenzoni Rediscovered, in: Apollo, 134, 1991, S. 153-158; auch FORTINI-BROWN 1996, S. 185-187. Insgesamt zu Autorenbildern des Quattrocento Immaginare l'autore. Il ritratto del letterato nella cultura umanistica, hg. v. Giovanna Lazzi, Florenz 1998; LOHR 2006. 790 Cicero, De amicitia, 23: „Verum enim amicum qui intuetur, tamquam exemplar aliquod intuetur sui. Quocirca et absentes adsunt et egentes abundant et imbecilli valent et, quod difficilius dictu est, mortui vivunt; tantus eos honos, memoria, desiderium prosequitur amicorum."
11.
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
A b b . 133
315
A u t o r e n b i l d n i s des L e o n a r d o M o n t a g n a .
Paris, B i b l i o t h è q u e de l ' I n s t i t u t R o y a l e de F r a n c e
Schäften solche Bildnisse einbürgerten, mußte wiederum erst der tatsächliche Austausch von Porträts zwischen Liebespaaren vor Mitte des 14. Jahrhunderts eingeführt sein. So kann etwa noch der Augustiner Alexander de Fabriano in seiner Abhandlung De perfecta amicitia wohl aus dem 14.Jahrhundert zwar Cicero unter seinen herangezogenen Autoren anführen und dann ausführlich das Verlangen nach dem Anblick des Freundes als „signum amicitiae" thematisieren, vergleichend sogar darauf hinweisen, daß auch bei Geliebten das intensive Denken an den abwesenden Gegenpart diesen vergegenwärtige, aber doch an keiner Stelle explizit von einem Porträt des amicus sprechen. 791 Das früheste Zeugnis für reale Feundschaftsbildnisse scheint sich wiederum erstmals im Zusammenhang mit Petrarca gegen Ende der 1350er Jahre zu finden. Der Princeps Poetarum Modernorum berichtet in einem Brief von einem Goldschmied aus Brescia, der um jeden Preis zu den Freunden Petrarcas zählen wollte. Als der aurifaber nach größten und lang andauernden Anstrengungen sein Ziel erreicht hatte, schmückte er jeden Winkel seines Hauses mit den „Abzeichen, dem Namen und dem Bildnis des neuen Freundes", vor allem aber trug er Petrarca unaus-
791
A L E X A N D E R D E F A B R I A N O , Ν. a . f o l . 1 0 4 v - 1 0 6 v . - N o c h
1 4 8 7 beschreibt POMPILIO, fol. 61 Ν die W i r -
k u n g der q u a s i - b i l d h a f t e n E r i n n e r u n g an den F r e u n d o h n e k o n k r e t e P o r t r ä t s zu
erwähnen:
„Tarnen & a b s e n t e m a m a m u s : [ . . . ] f o r m a t u m aliqua menti n o s t r a e impressa: quae p r o o b i e c t o retinetur: & quae est finis m o t u s a m o r i s . "
316
Die Gaben
der
Liebe
löschlich in sein H e r z „eingemeißelt". 7 9 2 A b e r der U m k r e i s Petrarcas zeichnete auch für den einflußreichen, bereits in der Antike begründeten und in der F r ü h e n N e u z e i t lang andauernden Paragone-Streit verantwortlich, o b Schriften und Briefe oder aber Bildnisse das .bessere A b b i l d des G e l e h r t e n ' darstellten; eine Frage, die in der Folge auch über den Stellenwert von F r e u n d e s - G a b e n nachdenken ließ - wobei die . I k o n o p h o b e n ' nicht nur das eigentliche geistige A b b i l d besser in den Schriften wiedergespiegelt sahen, sondern auch die Handschrift eines Freundes (etwa auf einem Brief) als dessen tatsächliche .Spur' lobten. Petrarcas Paduaner amicus
Giovanni D o n d i bezog 1366 jedenfalls eindeutig Stellung:
„Wenn uns Bildnisse unserer abwesenden Freunde angenehm sind, da sie das Gedächtnis wach halten und den Wunsch nach dem Abwesenden durch falschen, fiktiven Trost lindern, um wieviel lieber sind uns dann Briefe, die uns wirkliche Spuren des Abwesenden, wirkliche Nachrichten bringen. D e n n für das Auge gibt es doch nichts Süßeres, als die H a n d schrift des Freundes auf einem B r i e f zu erkennen." 7 9 3 Vor diesem Hintergrund sollte 1435 L e o n Battista Alberti in De pictura
die C i c e r o -
Passage dann als theoretischen Beweis für die W i r k m a c h t der Malerei anführen: „In der Tat, 792 Neben den Bildnissen und anderen visuellen Freundschaftszeichen beschaffte er sich alle Schriften Petrarcas, vgl. PETRARCA 1968, Bd. 4, S. 79-82 (21, 11): „iam primum patrimonii sui partem non exiguam in meum decus expendere, signum nomen imaginem novi amici in omnibus domus sue angulis, sed in pectore altius insculptam habere; partem alteram scribendis quecunque michi stilo quolibet effluxerunt". 793 Zum Topos „carmina maior imago sunt mea" s. Ovid, Tristia, 1, 7,11 f.; zusammenfassend LUDWIG 1998. - Giovanni Dondi in einem Brief an Magister Guidoni, 1366: „si ymagines nobis amicorum absentium iocunde sunt, que memoriam rénovant et desiderium absentium falso atque inani solatio levant, quanto iocundiores sunt litere que vera amici absentis vestigia, veras notas afferunt. Nam quod in conspectu dulcissimum est, id amici manus epistole impressa prestat agnoscere." (nach Paul O. Kristeller, Il Petrarca, l'umanesimo e la scolastica a Venezia, in: ders., Studies in Renaissance Thought and Letters, Bd. 2, Rom 1985, S. 217-238, hier S. 233). - Vgl. zum Topos des Briefes als ,Bildnis' oder ,Spiegel' (der Seele) des Schreibers Seneca, ep. 40,1: „quanto iucundiores sunt litterae, quae vera amici absentis vestigia, verasque notas adferunt?" Geradezu als Ansporn des amor („amor litteris augetur") versteht den Brief dann Ambrosius, ep. 46, 1. - Aufgegriffen wird die Brief-Topik dann etwa bei PETRARCA 1968, Bd. 4, S. 118-123 (22, 7): „inque hac pagina quasi in speculo detersam animi tui faciem videbis"; ders., De vita solitaria, hg. ν. Marco Noce, Mailand 1992, S. 12 (praef.): „pauca quidem ex multis, sed in quibus parvo velut in speculo totum animi mei habitum, totam frontem serene tranquilleque mentis aspicias"; Cincius Romanus, der die .Erfindung' dieses Topos allerdings dem Manuel Chrysoloras zuschreibt (nach BERTALOT 1975, Bd. 2, S. 144, 150, 168 und 180, der früheste Brief 1416); Guarino da Verona, Epistolario, hg. v. Remigio Sabbadini, Venedig 1915-1919, Bd. 1, S. 397 (Brief von 1424): „Iacobus Tertius [...] tuas mihi litteras reddidit, [...]; quas perinde ac dulcissimum ingenii tui simulacrum et expressam clarissimae indolis effigiem veneratus amplector"; Hieronymus Aliotti, Epistolae et opuscula, hg. v. Gabriele M. Scaramalli, Arezzo 1769, Bd. 1, S. 469 (Brief von 1464): „Contemplor amicos meos eorum in litteris seu quodam in speculo"; POLITIANUS 1970-1971, Bd. 1, S. 35; weitere Beispiele bei Franz Römer, Ein .Freundschaftsbrief' des Battista Guarini an Albrecht von Bonstetten, in: Humanística Lovaniensia, 36, 1987, S. 138-146 und Nella Giannetto, Un'orazione inedita di Bernardo Bembo per Cristoforo Moro, in: Atti dell'Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti, 140, 1981/82, S. 257-288, hier S. 272. - Zu diesen Topoi auch Klaus Thraede, Grundzüge griechischrömischer Brieftopik [Zetemata 48], München 1970, Wolfgang Müller, Der Brief als Spiegel der Seele. Zur Geschichte eines Topos der Epistolartheorie von der Antike bis Samuel Richardson, in: Antike und Abendland, 26, 1980, S. 138-157 und LOHR 2006.
11.
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
317
sie [die Malkunst] birgt eine geradezu göttliche Kraft in sich und leistet nicht nur - was man der Freundschaft nachsagt - daß sie Abwesende vergegenwärtigt; vielmehr stellt sie auch Verstorbene erkennbar vor Augen, sogar noch denen, die viele Jahrhunderte später leben. [...] So könnte man denn sagen, daß die Züge der Verstorbenen im Bilde irgendwie ein verlängertes Leben führen." 794 Alberti berichtet an anderer Stelle zudem, daß er in praxi sich selbst und seine Freunde porträtiert habe. 795 Sind diese Darstellungen der Freunde auch allesamt verschollen, so haben sich doch mehrere Selbstbildnisse Albertis erhalten - und zwar ausschließlich Plaketten und Medaillen. 796 Scheint man für alle diese eine Funktion als Freundschaftsbilder mitbedenken zu dürfen, so läßt sich eine solche Funktion zumindest für ein Objekt mit größter Wahrscheinlichkeit rekonstruieren: Es handelt sich dabei um einen gerade einmal 41 χ 27,3 mm großen Bronze-Anhänger, in einem einzigen, stark abgegriffenen Exemplar erhalten, der auf beiden Seiten die im Profil dargestellten all'anticaBüsten Albertis zeigt (Abb. 134). 797 Die eine entspricht mit ihrem um die Schultern geschlungenen Mantel dem Typus der Selbstbildnis-Plakette. 798 Das Konterfei der anderen Seite ist nicht nur ganz nackt gegeben, es läßt sich am Hinterkopf zwischen den gelockten, etwas besser erhaltenen Haaren gerade noch ein Reif erkennen, wodurch sich dieses Porträt als Pendant zu einer dem Anhänger in ihrer Größe exakt entsprechenden ovalen Medaille Albertis zu erkennen gibt. 799 Will man diese Differenzierung nicht nur als variatio abtun, dann wäre zu vermuten, daß die Darstellung von Alberti im Mantel sein Wirken und seine Tugenden für die Gesellschaft thematisiert, das Gegenstück eher den Aspekt des (inspirierten) Dichters und Gelehrten - also in gewisser Weise Aspekte von vita activa und contemplativa. Wann und in welchem Kontext könnte dieses Stück (bzw. auch mehrere Exemplare davon) geschaffen worden sein? Die ersten Indizien scheinen für eine Entstehung in den frühen 1430er Jahren zu sprechen, als auch die Selbstbildnis-Plakette entstand, auf der ein vergleichbarer Kopf des 30jährigen Alberti festgehalten scheint. Allerdings läßt sich das Alter der hochgradig idealisierten (und zudem eben schlecht erhaltenen) Anhänger-Bildnisse kaum so präzise festlegen. Auffällig wäre dann zumindest auch, daß Albertis Imprese des .Flügelauges', die sich zwischen ca. 1432 und 1438 mehrfach auf seinen Werken findet, fehlt - wogegen er nach ca. 1438 das Interesse an dieser Bildchiffre verloren zu haben
794 ALBERTI 2001, S. 234 f. (§ 25): „Nam habet ea quidem in se vim admodum divinam non modo ut quod de amicitia dicunt, absentes pictura praesentes esse faciat, verum etiam defunctores longa post saecula viventibus exhibeat, ut summa cum artificis admiratione ac visentium voluptate cognoscantur. [ . . . ] Itaque vultos defunctorum per picturam quodammodo vitam praelongam degunt." 795
A L B E R T I 1 9 7 2 , S . 7 2 f.
796 Vgl. die Zusammenstellung in PFISTERER 1998 und R o m a di Alberti 2005, S. 288 f. und 296. 797 I m Florentiner Bargello mit Provinienz aus den großherzoglichen Sammlungen, s. TODERI / VANNEL TODERI 1996, S. 39 (Nr. 56); vgl. auch die Miszelle des Autorenpaares: U n autoritratto inedito di Leon Battista Alberti, in: Memorie dell'Accademia di Studi Filatelici e Numismatici, Reggio Emilia 1995, S. 155f. 798 Zur Deutung PFISTERER 1998 und Michel Paoli, Autoportrait d'humaniste en athlète prodigieux: P,autobiographie' et la plaquette ,L.BAP.' de Leon Battista Alberti, in: Letteratura & arte, 1, 2003, S. 1 3 5 - 1 4 3 . 799 Vgl. H . 1 8 .
318
Die Gaben der
Abb. 1 3 4 a - b
Liebe
Leon Battista Alberti (?), Selbstbildnis-Anhänger (Bronze). Florenz, Bargello
scheint.800 Dies und die mögliche Akzentuierung seines Dichter-Status' könnten daher Argumente liefern, den Anhänger eher im Zusammenhang mit dem Certame Coronario von 1441 entstanden zu denken - dem von Alberti initiierten Dichterwettstreit in Volgare ausgerechnet zum Thema .Freundschaft' und mit dem Siegerpreis eines goldenen Lorbeerkranzes. 80 ' Auch wenn sich in diesen Punkten wohl keine letzte Klarheit mehr erzielen läßt, so kann der Anhänger - bemerkenswerterweise ohne jede erläuternde Inschrift - nur für einen privat-vertrauten Gebrauch gedacht gewesen sein. Er ist überhaupt nur als Geschenk um den Hals eines Freundes vorstellbar, dessen intensiver und jahrelanger ,haptischer Umgang' mit diesem Objekt die Bronze weitgehend abgerieben hat. So wichtig diese Alberti'sche Umdeutung der Cicero-Passage im Sinne der neuen Funktion .Freundschaftsbild' erscheint, zumindest die nächstfolgenden Quattrocento-Kommentatoren von Ciceros De amicitia hatten zur genannten Stelle nicht viel Neues zu sagen, wenn sie überhaupt Porträts erwähnten.802 Dagegen greift den Gedanken variierend Feiice Feliciano wieder auf (möglicherweise um 1470) in einer Art Sammlung von Musterbriefen, wie man sie an Freunde richten soll: „Volendo mostrare al amico absente, che sempre pensi
800 Seit PFISTERER 1998 sind zur Deutung des Flügelauges u. a. erschienen: Alberto G. Cassani, Explicanda sunt mysteria: L'enigma albertiano dell'occhio alato, in: Leon Battista Alberti. Actes du Congrès Internationale de Paris, hg. v. Francesco Furlan u.a., Paris 2000, Bd. 1, S. 245-304; Gabor Hajnoczi, „Quid tum". L'emblema con occhio alato e il programma per il pittore ideale nel De pietura di Leon Battista Alberti, in: Nuova Corvina, 5, 1999, S. 75-87, und MARSH 2003. 801 Dieser wurde allerdings nicht vergeben, vgl. GORNI 1972. 802 Vgl. etwa GUARINO DA VERONA, D e amicitia, fol. [95r] zur entsprechenden Cicero-Stelle: „Vivant mortui quae res difficilis est ad credendum [...] vivunt mortui amici per memoriam et honorem quem habent de ipsis mortuis amici viventes"; oder die gedruckten Kommentare: Tulli de offieiis amicitia & senectute [...] Opus Benedicti Brugnoli studio emaculatum [...] cum recognitione commentariorum Petri Marsi & Francisci Maturantii Perusini, Mailand 1508, fol. 209v-224v, bzw. Tullius D e Offieiis: de amicitia: de senectute [...] In amicitia vero Omniboni eiusdem Ascensij, Venedig 1508, fol. 176r-v.
11.
A b b . 135
Liebesbilder/Freundsckaftsbilder/Spiegelbilder
319
G i o v a n n i B a t t i s t a M o r o n i , B i l d n i s eines U n b e k a n n t e n . B r e s c i a , Pinacoteca Tosio Martinengo
di luj: e sempre lhabij nella mente: N o n p o t e n d o c o m e io sempre voria [ . . . ] vedervj personalmente spesse volte nella imagine vostra mi specchio et con essa l o n g a m e n t e parlo."
s:5
A u ß e r Zweifel steht jedenfalls, daß im Q u a t t r o c e n t o weitere ,Freundschaftsbildnisse' verschenkt wurden, allerdings ergibt sich die große Schwierigkeit, diese heute als solche zu identifizieren: D e n n offenbar unterschied sich ihr Darstellungsmodus zumeist nicht oder nicht auffällig von anderen zeitgenössischen Porträts. U m nur je ein berühmtes italienisches und nordalpines Beispiel des frühen 16. Jahrhunderts zu nennen: Beschäftigte sich M o r o nis u n b e k a n n t e r norditalicnischer cortegiano Abhandlungen
nicht mit drei Büchlein, deren Titel sie als
„ D e l l ' a m i c i t i a " , „Del Fine d e l l ' A m o r e " und „ . . . A f f e t t i " ausweist, nie-
mand würde diese Darstellung eines Mannes in den K o n t e x t von Freundschaft und Liebe rücken ( A b b . 135). 8 = 4 U n d wäre das (eigenständig gerahmte D i p t y c h o n - ) P e n d a n t zu Q u i n t e n
803
FELICIANO, fol.
804
M i n a G r e g o r i , G i o v a n Battista M o r o n i [I P i t t o r i B e r g a m a s c h i , I I I ] , B e r g a m o 1979, S. 2 4 4 (Nr. 67).
[87r],
Z u r ,spanischen M o d e ' k o m p l e t t s c h w a r z e r K l e i d u n g und der neuen E t i k e t t e vgl. G i o v a n n i B a t tista M o r o n i - Il C a v a l i e r e in n e r o . L ' i m m a g i n e del g e n t i l h u o m o nel C i n q u e c e n t o , hg. ν. A n n a l i s a Z a n n i / A n d r e a di L o r e n z , M a i l a n d 2 0 0 5 . - Vgl. ähnlich gelagerte Lalle v o n F r e u n d s c h a t t s b i l d e r n bei DAVIS 2 0 0 7 .
Die Gaben der Liebe
Abb. 136
Q u i n t e n Massys, Bildnis des Erasmus. L o n d o n , H a m p t o n C o u r t
Massys Erasmus-Bildnis, ein Konterfei seines Freundes Peter Gillis, nicht erhalten und hätten wir nicht Briefe, in denen sich Thomas Morus über das Geschenk beider Tafeln unter Rekurs auf das Ciceronische Freundschaftsbild bedankt, wir hätten ein vermeintlich ganz .normales' Gelehrtenbildnis des Erasmus vor uns (Abb. 136).805 Ebenfalls am Beispiel des Erasmus und seines in dieser Hinsicht außergewöhnlich detaillierten und aufschlußreichen Briefwechsels läßt sich besonders gut zeigen, daß diese Problematik vielleicht sogar in noch stärkerem Maße f ü r Medaillen galt (wobei Erasmus an anderer Stelle weiterhin die ,geistigen' Gaben, also Schriften, über die ,materiellen' stellte): Zwei Jahre nach seinem Porträtbildnis, 1519, bestellte der H u m a n i s t bei Massys eine Schaumünze mit seinem Konterfei auf dem Avers und seiner Terminus-Imprese, begleitet von dem M o t t o „ C O N C E D O N V L L I " , auf dem Revers, wobei ihn die Anfertigung mit 30 Florin ebenso viel kostete wie das frühere Gemälde (Abb. 137). 806 D a ß er noch knapp ein 805 L o m e Campbell / Margaret M. Philipps / H.S. H e r b r u g g e n / Joseph B. Trapp, Q u e n t i n Matsys, Erasmus, Pieter Gillis and T h o m a s More, in: Burlington Magazine, 120, 1978, S. 716-725 und Joseph B. Trapp, A Postscript to Matys, in: Burlington Magazine, 121, 1979, S. 434 und 437. 806 Victor Tourneur, Q u e n t i n Matsys médailleur, in: Revue belge de N u m i s m a t i q u e , 72, 1920, S. 139— 160; Luc Smolderen, Q u e n t i n Metsys, médailleur d'Erasme, in: Scrinium Erasmianum, 2, 1969,
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
A b b . 137
321
Quinten Massys, Erasmus (Bronze). Cambridge, Fitzwilliam Museum
J a h r z e h n t später einem K o l l e g e n ausführlich den Sinn der T e r m i n u s - F i g u r auf der R ü c k seite als an ihn selbst gerichtete M a h n u n g zu B e s c h e i d e n h e i t angesichts des unausweichlichen Todes erläutern m u ß t e (angesichts des visuellen Befundes eine nicht vollends ü b e r zeugende D e u t u n g ) , zeigt, daß w o h l viele B e t r a c h t e r ganz im Gegenteil das M o t t o „Ich weiche n i e m a n d e m " als an maßlose S e l b s t ü b e r h e b u n g grenzende, stolze B e k u n d u n g des b e r ü h m t e s t e n G e l e h r t e n der Zeit verstanden - die Medaille also zunächst oder zumindest auch als V e r b r e i t u n g s m e d i u m für E r a s m u s ' E i g e n l o b w a h r n a h m e n . B e s t i m m t waren die in g r o ß e r Auflage und verschieden wertvollen Metallen gefertigten E x e m p l a r e s o w o h l als E r i n n e r u n g s s t ü c k e für wichtige P e r s ö n l i c h k e i t e n o d e r als D a n k e s g a b e n , andererseits aber auch als F r e u n d s c h a f t s z e i c h e n : S o hatten E r a s m u s und der p o l n i s c h e H u m a n i s t J o h a n n e s D a n t i s c u s jeweils die Medaille des anderen in ihrem
studiolo
aufgehängt. 8 2 7 A b e r n o c h auf
eine dritte R e z i p i e n t e n s c h i c h t zielte die Medaille, wie der U m s t a n d erkennen läßt, daß E r a s m u s einigen N ü r n b e r g e r G o l d s c h m i e d e n die K o n z e s s i o n erteilte, seine Medaille in billigeren Metallen zu reproduzieren und gewinnbringend zu verkaufen - der R u h m des E r a s m u s sorgte also nicht nur für breitestes Interesse an seinem Bildnis, sondern umgekehrt verstand es der Gelehrte, auch auf dieser E b e n e G e w i n n daraus zu schlagen. 1838 F ü r die Frage nach dem Freundschaftsbildnis folgt daraus j e d o c h , daß E r a s m u s die gleiche Medaille s o w o h l k o m m e r z i e l l , mit B l i c k auf seinen R u h m , als G a b e für den A u f b a u und die E r haltung von dem eigenen Vorteil dienenden sozialen N e t z w e r k e n und dann eben auch als
S. 5 1 3 - 5 2 5 und n o c h m a l s z u s a m m e n f a s s e n d ders., in: C u r r e n c v o f F a m e 1994, S. 3 4 8 - 3 5 0 (Nr. 157); A n t o i n e B o d a r , E r a s m u s en het geleerdenportret, in: Leids K u n s t h i s t o r i s c h J a a r b o e k , 8, 1990, S. 1 7 68; zu E r a s m u s ' E i n s c h ä t z u n g v o n F r e u n d s c h a f t s g e s c h e n k e n insgesamt s. JARDINE 1 9 9 5 . 807
Z u D a n t i s c u s und E r a s m u s s. BURKE 1999, S. 2 6 8 ; z u r M e d a i l l e des Willibald P i r c k h e i m e r , die E r a s m u s als P e n d a n t zu dessen g e m a l t e m Bildnis in s e i n e m S c h l a f z i m m e r aufgehängt hatte, s. L u c S m o l d e r c n , in: C u r r e n c y o f F a m e 1994, S. 3 4 8 - 3 5 0 ( N r . 157).
808
S. die L i t e r a t u r in A n m . 7 4 3 .
322
Die Gaben der Liebe
.interesseloses' Freundschaftszeichen nutzte. Da ähnliche Verhältnisse auch für die Vergabe vieler anderer Renaissance-Medaillen anzunehmen sind809, läßt sich insgesamt festhalten, daß ,Freundschaftsmedaillen' zumeist allein aufgrund des performativen Kontextes, also der Umstände der Ubergabe und des Rezipienten zu erkennen sind, nicht aber aufgrund formaler Charakteristika. Wieder bietet das Œuvre des Lysippus alias Hermes Flavius de' Bonis bemerkenswerte Ausnahmen. Denn zwei Medaillen sind - darauf wurde schon kurz hingewiesen - inschriftlich als Werke für Freunde gekennzeichnet: Bei der nur in einem Exemplar erhaltenen Schaumünze für den jugendlichen Giuliano Marasca mit der Inschrift „LYSIPPVS A M I C O O P T I M O " möchte man an eine Neuauflage des Verhältnisses von Hermes und Alessandro Cinuzzi (nach dessen Tod) denken (Abb. A.15) - wobei hier freilich die Medaille als Freundesgeschenk zu Lebzeiten überreicht wurde. Allerdings läßt sich die Art der Beziehung zwischen Künstler und angehendem Kleriker auf der oben skizzierten Skala homosozialer Beziehungen wohl nicht mehr genauer präzisieren. Zumindest als ein weiteres Indiz für ein sehr .emotionales' Geschenk läßt sich das Loch in der Medaille anführen, macht es doch wahrscheinlich, daß dieses für Lysippus recht kleine Stück wenn nicht von Anfang an, so doch nicht lange nach Fertigung aufgehängt, möglicherweise sogar als Anhänger ähnlich der Alberti-Plakette mitgetragen wurde. Das andere Freundschaftsbild des Lysippus zeigt den „Parthenius Amicus" (Abb. A.28), der ungefähr gleich alt wie der Künstler gewesen sein dürfte, d.h. in den Jahren 1478/79, der hier vorgeschlagenen Entstehungszeit der Medaille, um die 25 Lebensjahre zählte. Das Revers ziert eine Lilie, deren Stengel mit drei unterschiedlich aufgegangenen Blüten und zahlreichen Wurzeln aus einer öden (?) Erdscholle emporwächst. Die Inschrift „ F L O R E S C O C A L O R E PARTHENII" - „Ich blühe durch die Wärme des Parthenius", bzw. weniger logisch und wahrscheinlich: „Ich blühe aus Wärme für Parthenius" - verdeutlicht dabei den singulären Umstand, daß sich das Sinnbild allein indirekt auf den Porträtierten bezieht. Denn nicht die Lilie steht laut Begleittext für Parthenius, sondern sie veranschaulicht nur dessen Wirkung: seine belebende ,Wärme'. Wenn dabei Parthenius nicht unerklärlicherweise für die innere Wärme der Lilie verantwortlich sein soll, hätte die größte Logik für sich, daß Parthenius als die außerhalb des Medaillenrunds (auf dem Avers?) befindliche Sonne vorgestellt und ergänzt werden muß, unter deren Strahlen die Pflanze gedeiht und erblüht. So verstanden, setzt das Sinnbild nicht allein die Cicero-Metapher von der Freundschaft als „Sonne" der Tugenden um (Laelius 13, 47), sondern läßt auch an einen Satz aus Jes. 35 denken, wonach die Wüste unter dem Licht der göttlichen Gnade jauchzen und die Steppe fruchtbar werden solle, „wie die Lilie erblüht sie" - „florebit sicut lilium"; ein Rekurs auf biblische Symbolik, der sich auch bei anderen Lysippus-Medaillen findet. 810 Aber wen stellt dann die Lilie dar, wer .erblüht' unter der .Wärme' des Freundes Parthenius? Die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat, auch hierin ein Geschenk des Künstlers an den Humanisten, professionellen Schreiber und
809 D i e 1544 von Francesco da Sangallo für N i c c o l ò Martelli gefertigte Medaille trägt nicht nur die Aufschrift: „ F R A N C E S C O S A N G A L L O A M I C O S V O C A R O F A C I " , sondern es ist auch das Dankesschreiben Martellis erhalten; dazu und zu weiteren Beispielen des Cinquecento Α τ τ ¥OOD 2003, S. 29 und 330 f. 810 Zur omnipräsenten Metapher der Geliebten als Sonne etwa bereits PETRARCA 2004, S. 280 f.; zu biblischen Allusionen auf Humanisten-Medaillen PFISTERER 1998, S. 2 0 5 - 2 0 7 ; vgl. zur Pflanzensymbolik aber etwa auch Ovid, Met. IV, 2 0 6 - 2 7 0 .
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
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Miniator, d. h. wie Lysippus auch (dilettierenden) Künstler, zu erkennen - wobei der Vergleich von Lilien (oder allgemeiner: Blumen) mit befreundeten jungen Männern ganz geläufig war. 811 Lysippus w ü r d e sich mit dieser Medaille f ü r geleistete Hilfe und dauernde Freundschaft des Parthenius bedanken - in gewisser Weise scheint sein Werk überhaupt durch dessen Intervention .erblüht' zu sein, ein Vorgang, der sich idealerweise fühlbar an der Medaille vollzog, wenn sie sich in der Hand ihrer Bestimmungsperson erwärmte. Allerdings sind von der Medaille f ü r Parthenius anders als bei Giuliano Marasca mehrere Exemplare erhalten - sie kursierte also vermutlich zahlreicher und in weiteren Kreisen. Dies scheint bei der Revers-Gestaltung jedoch schon mitbedacht. Gewinnt doch dessen zunächst sehr persönliche Aussage „Ich erblühe ..." und dessen Bild, v o m ursprünglichen Anlaß abgelöst, eine allgemeine Aussageebene f ü r den (generell) helfenden, unterstützenden Parthenius. Dazu muß man sich bewußt machen, welche Aussage der Humanist bereits mit der Wahl des Kunstnamens Parthenius getroffen hat (bzw. welche Bedeutung sich potentiell von anderen Personen mit dieser Titulierung verbinden ließ). Es bieten sich mehrere Alternativen an: Angespielt sein könnte auf eine Herkunft von den illyrischen Partheni, Parthenius hieß ein Dichter und Grammatiklehrer Vergils, das Lexikon des Suidas nennt einen weiteren obskuren Poeten diesen Namens, ein Berg, ein Meer und ein Fluß tragen den Namen, und schließlich firmieren die Kamillen-Gewächse unter Parthenium.9'2 Weitaus am bekanntesten jedoch dürfte unter den römischen Humanisten der vielfach genannte Mäzen des Dichters Martial namens Parthenius gewesen sein (ohne damit eine weitere .verborgene' Schicht ganz in Abrede stellen zu wollen, die darin auch eine Allusion auf jungfräuliche' Tugenden, .parthenias', erkennen könnte). 8 1 3 Das Revers der Parthenius-Medaille, die außer811 Bussi 1978, S. 23 nennt die antiken Autoren .zerbrechliche Freunde' („amicis" und „delicatis hominibus"), die es es ,wie kostbare Lilien zu schützen gelte'; Ambrogio Traversari schreibt über einen Jüngling: „aspiciens immaturam rosam repente demessam liliumque candidissimum" (zitiert nach B E R T A L O T 1975, Bd. 1, S. 255), Rodrigo di Arevalo Sanchez, Bischof von Calahorra, in einem Brief 1468 an Marco Lucido Fosforo: „Qui Ν. tarn facunde tarn docte tarn denique mature in ipso adolescentiae flore disserit quid sperandum est in virilibus annis", d.h. mit Rekurs auf Seneca: Die Blüte der Jugend bringt später die Früchte (zitiert nach Z A B V G H I N 1909-1912, Bd. 1,S. 162 f . ) . - Z u Parthenius als Buchmaler s. den Vers aus einem an sein Werk adressierten Gedicht (BAV, Vat. lat. 3595): „Pinxit Parthenius manu nitenti", vgl. N O L H A C 1886. 812 Unter dem Namen ,Parthenios/-us' war in der Antike nicht nur der Grammatiklehrer Vergils bekannt (so W A L D M A N 2000), sondern auch - vgl. die RE, Bd. 17/2, Sp. 1891-1904 - der Kammerdiener des Domizian, laut Suidas zwei Dichter, außerdem ein „mons Archadiae" und „fluvius Palagonum" (so die Lexika des P E R O T T I 1496 und C A L E P I N O 1570); im übrigen eine Kamillen-Sorte (nach Catull, 61, 134 und Plinius, Nat. hist., 22, 14). 813 Martial, 4, 45; 5, 6; 11, 1 etc.; vgl. zu diesem etwa Pietro Crinito, De poetis latinis, in: ders., De honesta disciplina, s.l. 1548, S. 775-777 (cap. LXXI M. Valerius Martialis): „Inter amicos praecipue habuit [...] Parthenium [...]." - Wenige Jahre später wird etwa entsprechend Ludovico Lazzarelli, ebenfalls Mitglied der Römischen Akademie, behaupten, daß sein „laurus" aufgrund der Förderung des Mäzens Giulio Cesare Varano erblühe, dazu Claudia Corfiati, Ii Cod. Vat. Lat. 2853: Per una storia dei Fastorum Christianae Religionis Libri di Ludovico Lazzarelli, in: Roma nel Rinascimento 2003, S. 245-276, hier S. 269f. - Zum allusiven Potential vgl. Coluccio Salutati, De laboribus Herculis, hg. v. Bernad L. Ullmann, Zürich 1951, Bd. 1, S. 65 im Zusammenhang mit der Verteidigung des Vergil gegen den Vorwurf, Jungen in sexueller Lust verfallen gewesen zu sein: „[...] hic poeta Parthenias, quod ex Greco Latine .virginem' sonat, publice vocatus sit, non debet cuipiam esse credibilem tam illustre nomen inditum talis tantique flagitii criminoso."
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Die Gaben der Liebe
A b b . 138
V e n e z i a n i s c h A n f a n g 16. Jh., D o p p e l b i l d n i s eines u n b e k a n n t e n M ä n n e r p a a r e s . Paris, L o u v r e
gewöhnliche Dankesgabe an den Freund würde sich im ,intertextuellen Rekurs' darauf zu einem rühmenden Sinnbild für dessen mäzenatisches Bewußtsein überhaupt öffnen. In jedem Fall ist das Lysipp-Gleichnis von der mäzenatischen ,Freundessonne' mit Lilie auch in Zusammenhang zu sehen mit anderen Sonnen-Metaphern: der Vorstellung von der .fürstlichen Sonne', die die Arbeit der Künstler ermöglicht und die mit Filaretes Selbstbildnismedaille aus den 1450er Jahren beginnt, oder aber der stolzen und ehrenden Selbstdarstellung als ,Sonne' (etwa am Firmament der Kunst), wie sie ihren Höhepunkt in van Dycks Selbstporträt mit Sonnenblume erreicht. 814 Ahnlich wie Lysipps Medaillen einen Versuch darstellen, den weit gespannten Verwendungsrahmen von Schaumünzen auf eine spezifische Ikonographie des ,Freundesbildnisses' und der ,Freundesgaben' zu präzisieren, läßt sich auch in Malerei und Skulptur ab der Mitte des 15. Jahrhunderts langsam und verstärkt dann mit der Wende zum Cinquecento die Tendenz beobachten, eine Spezialgattung des ,Freundschaftsbildes' mit eindeutig erkennbaren Merkmalen auszubilden. Heute versteht man unter diesem Begriff nur noch diese besonderen Darstellungen, auf denen sich zwei (später auch mehrere) befreundete Männer gemeinsam und unmißverständlich auf einem Bildträger als Freunde porträtieren lassen - wobei 814 Z u Filaretes M e d a i l l e vgl. die L i t e r a t u r in A n n i . 239; N i l s B ü t t n e r , „ . . . is said t o f o l l o w t h e light of t h e S u n " - Van D y c k s S e l b s t b i l d n i s m i t d e r S o n n e n b l u m e , in: Z e i t s c h r i f t f ü r K u n s t g e s c h i c h t e , 65, 2002, S. 2 4 - 4 2 ; die S o n n e n b l u m e n - M e t a p h e r bereits auf Pisanellos M e d a i l l e H . 3 6 .
11.
A b b . 139
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
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V i t t o r i a n o B e l l i n i a n o (?), D o p p e l b i l d n i s eines u n b e k a n n t e n M ä n n e r p a a r e s . Houston, Museum of Fine Arts
ein s o l c h e s D o p p e l b i l d m s n i c h t n u r f ü r e i n e n der b e i d e n D a r g e s t e l l t e n , s o n d e r n a u c h f ü r eine dritte P e r s o n gefertigt sein k o n n t e . D i e s s c h e i n t e t w a der Fall g e w e s e n zu sein bei R a f faele D o p p e l p o r t r ä t der v e n e z i a n i s c h e n D i c h t e r A n d r e a N a v a g e r o u n d A g o s t i n o
Beazzano
aus d e m F r ü h j a h r 1 5 1 6 , das o f f e n b a r f ü r den D r i t t e n im B u n d e , P i e t r o B e m b o ,
bestimmt
g e w e s e n w a r - b e v o r es d i e s e r 1 5 3 8 s e i n e r s e i t s a n B e a z z a n o s c h e n k t e . 8 1 5 D u r c h d i e W a h l
815
Zu Raffaels D o p p e l b i l d n i s z u s a m m e n f a s s e n d A r n o l d N e s s e l r a t h , in: H o c h r e n a i s s a n c e im Vatikan. K u n s t und K u l t u r im R o m der Päpste I, 1 5 0 3 - 1 5 3 7 , B o n n 1 9 9 9 , S. 481 f. ( K a t . 158), mit B l i c k auf die f o l g e n d e n Ü b e r l e g u n g e n b e m e r k e n s w e r t ist, daß im P r a d o g e t r e n n t e K o p i e n der beiden B i l d nisse existieren; z u m F r e u n d s c h a f t s b i l d n i s ist nach KELLER 1967 keine u m f a s s e n d e Studie m e h r e r s c h i e n e n , C e c i l G o u l d , L o r e n z o L o t t o and the D o u b l e P o r t r a i t : T r a n s f o r m a t i o n o f D e l i a T o r r e P i c t u r e , in: Saggi e M e m o r i e di Storia d e l l ' A r t e , 5, 1966, S. 4 5 - 5 1 ; K r i s t i n a H e r m a n n - F i o r e , D u e artisti allo s p e c c h i o . U n d o p p i o ritratto del M u s e o di W ü r z b u r g a t t r i b u i t o a G i o v a n n i Battista Paggi, in: S t o r i a dell'arte, 4 7 , 1983, S. 2 9 - 3 9 ; N o r b e r t o G r a m a c c i n i , Raffael und sein S c h ü l e r - eine gemalte K u n s t t h e o r i c , in: G e o r g e s - B l o c h - J a h r b u c h des K u n s t g e s c h i c h t l i c h e n S e m i n a r s der U n i versität Z ü r i c h , 2, 1995, S. 4 4 - 5 5 ; H a n n a h Baader, Sehen, T ä u s c h e n und E r k e n n e n . Raffaels S e l b s t bildnis im L o u v r e , in: D i l e t t o e Maraviglia. A u s d r u c k und W i r k u n g in der K u n s t von der R e n a i s sance bis z u m B a r o c k , hg. v. C h r i s t i n e G ö t t l e r u.a., E m s d e t t e n
1998, S. 4 1 - 5 9 . - E i n späteres
Beispiel fur eine literarische G a b e des einen an zwei weitere F r e u n d e - die beiden v e n e z i a n i s c h e n P a t r i z i e r N i c o l ò B a r b a r i g o und M a r c o Trcvisan - ist die v o n P a o l o Sarpi in A u f t r a g g e g e b e n e
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von Raffael als ausführendem Künstler, der seinerseits freundschaftlichen Umgang mit allen drei Männern pflegte, wurde im übrigen auch noch über den Malstil eine weitere Dimension des Freundschaftszeichens und der Verbindung zum Künstler gesetzt (entsprechend war etwa auch Quinten Massys mit Erasmus und Gillis befreundet). Eine weitere Alternative dürften zwei Doppelbildnisse verschiedener venezianischer Meister der ersten Jahre des Cinquecento darstellen (Abb. 138, 139) 8 1 6 : Gezeigt wird jeweils dasselbe Freundespaar, das auf beiden Gemälden zwar die gleiche kostbare Kleidung anbehalten, allerdings die Positionen getauscht hat. Die demonstrative Beziehungslosigkeit der Dargestellten auf beiden Werken, die weder räumlich nebeneinander noch psychologisch in Kontakt miteinander zu stehen scheinen, wird man kaum als Unvermögen gleich zweier Maler einschätzen wollen. Vielmehr soll wohl ganz bewußt deutlich gemacht werden, daß beide Freunde nicht real beisammen sind, sondern nur - vermittelt durch das Bildnis - aufgrund eines Aktes imaginativer Vergegenwärtigung. Wahrscheinlich scheint daher auch, daß jeder der beiden eines der Doppelporträts besaß und auf seiner Version jeweils dem Freund den Vordergrund und Vortritt überließ. Diese These von der im Bild selbst thematisierten imaginativen Vergegenwärtigung läßt sich noch durch ein seit 1945 aus der Berliner Gemäldegalerie verschollenes kleines Doppelbildnis stützen, das mit einem von Vasari in Venedig beschriebenen Gemälde der beide französischen Musiker Obrecht und Verdelot von der Hand des Sebastiano del Piombo in Zusammenhang gebracht wurde - freilich nicht zweifelsfrei (Abb. 140) 8 1 7 : Es zeigt die beiden Porträtierten wiederum vollkommen beziehungslos, der linke fixiert den Betrachter vor dem Gemälde, der rechte ist in die Lektüre eines Briefes versunken. Als ob es sich um ein Dokument der Versöhnung des Paragone-Streits handelt, werden hier die Macht des Briefes, dessen Schreiber im Geiste des Lesenden heraufzubeschwören, und die Bildmacht des Porträts - das sich in seiner affektivsten Form des direkten Blicks aus dem Bild präsentiert - als zwei offenbar gleichwertige Alternativen vorgeführt, den Freund zu vergegenwärtigen, wobei es sowohl vorstellbar ist, daß sich das Doppelbildnis im Besitz des als lesend Dargestellten befand, als auch, daß es für eine dritte Person bestimmt war. Bewußt halten muß man sich in jedem Fall stets, daß es sich bei allen diesen Beispielen eigentlich nur um Sonderfälle der zahllosen zwischen Freunden ausgetauschten Bildnisse handelt - der moderne Begriff des Freundschaftsbildes also zu revidieren ist. 818 Aufschlußreich ist nach diesem einführenden Blick auf beispielhafte Gemälde des frühen 16. Jahrhunderts eine Zusammenstellung der wenigen aus dem Quattrocento bekannten und wesentlich schlechter hinsichtlich Gestalt und Kontext dokumentierten Exemplare von Doppelbildnissen: A m Anfang dieser Tradition scheint prominent der Name Andrea ManUbersetzung von Montaignes Abhandlung über die Freundschaft, dazu Gaetano C o z z i , U n a vicenda della Venezia barocca: Marco Trevisan e la sua „eroica amicizia", in: Studi Veneziani, 2, 1960, S. 6 1 - 1 5 4 . 816 Fritz Heinemann, Giovanni Bellini e i Belliniani, 3 Bde., Venedig/Hildesheim 1 9 6 2 - 1 9 9 1 , Bd. 1, S. 804 und V. 71; PALLUCCHINI / R o s s i 1983, S. 164 (cat. 64), 278 (cat. A 23) und 298 (A 41); Michel Laclotte, in: Le Siècle de Titien 1993, S. 272 f. (Kat. 5). 817 Auf dieses Gemälde mit den Abmessungen 102 x 8 7 cm verweist bereits ohne genauere Analyse KELLER 1967, S. 165 f.; zuletzt Rainer Michaelis, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Dokumentation der Verluste, Bd. 1 Gemäldegalerie, Berlin 1995, S. 73 (Nr. 152) und am ausführlichsten GROOS 1996, S. 330 f. 818
Lankheit 1952; für das 15. Jahrhundert Keller 1967; wichtige Kritik an Lankheits Vorstellungen, die die hier formulierten Überlegungen teils vorwegnehmen, bei BÜTTNER 2002.
11.
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Liebesbilder/Freundscbaftsbilder/Spiegelbilder
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V e n e z i a n i s c h , sog. Bildnis d e r M u s i k e r O b r e c h t u n d V e r d e l o t . E h e m . Berlin, K a i s e r - F r i e d r i c h - M u s e u m
tegnas zu stehen. Zwar dürften seine beiden Konterfeis (1449) des Ferrareser Stadtherrn Leonello d'Esté und des Günstlings Folco da Villafora, den Leonello mit kostbaren Geschenken überhäufte, noch auf Vorder- und Rückseite einer Tafel verteilt gewesen sein. sl9 Bei dem ebenfalls verschollenen Doppelporträt des Janus Pannonius und Galeotto Marzio da Narni - gefertigt anläßlich der Abreise des Janus 1458 von Padua nach Ungarn - wird in einem dankenden und wohl als intellektuelle .Gegengabe' gedachten Lobgedicht des Janus auf Mantegna beschrieben, daß die beiden Freunde zusammen auf einer Tafel ,wie lebendig atmend' dargestellt seien. Doch auch in diesem Fall ließe sich das „tabula [...] in una" immer noch als auf die zwei Seiten einer Tafel verteilte Bildnisse verstehen oder aber als PorträtDiptychon. Entscheidend ist freilich, daß diese wie auch immer zu konkretisierende Porträtform nun eindeutig als ,Frcundschaftsbild' bestimmt erscheint. Dies wird zum einen durch das .Gegengeschenk' eines Gedichtes deutlich. Dort wird die Funktion des Pannonius/Marzio-Doppelporträts dann auch durch den expliziten Rekurs auf Ciceros De amichici genannt: Beide Männer würden durch diese Präsentationsform ewig im Gedächtnis 819 W ä h r e n d K e l l e r 1967, S. 162 f. n o c h v o n z w e i e i n a n d e r z u g e w a n d t e n P r o f i l b i l d n i s s e n ausgeht, plädiert L i g h t b o v ì ' N 1986, S. 457 ü b e r z e u g e n d f ü r eine A n b r i n g u n g auf V o r d e r - u n d R ü c k s e i t e die relevante Passage d e r Q u e l l e lautet: „(... ) u n o q u a d r o l u n g o i n c a s t r a d o e ì n c o r n i s a d o e terz e s s a d o e r a s s a d o da t u t i d u i i lati lo q u a l e fiece t o r e lo I l l u s t r i s s i m o n o s t r o . S. per fase r e t r a r c dal n a t u r a l e a m " A n d r e a da P a d o a d i p i n t o r e da u n o lato dal altro lato folcilo da villafora".
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Abb. 141
Nach Entwurf Leonardo da Vincis (?), „ACHADEMIA L E O N A R D O V I N C I " Kupferstich. Paris, B N F
weiterleben und beim Blick auf das Bildnis trotz größter Distanzen aneinander erinnert und sozusagen „einander am Busen liegen" (also erneut: imaginiative Vergegenwärtigung)
-
kurz: Es würde sie anschaulich der „ K n o t e n echter Freundschaft" („nodus amicitiae") verbinden, von dem schon C i c e r o prominent gesprochen hatte. 8 2 0 N u r am Rande sei angemerkt, daß diese C i c e r o - M e t a p h e r v o m .Freundschaftsknoten' in den berühmten sieben Kupferstich-Versionen mit K n o t e n o r n a m e n t e n und der (leicht variierenden und teils erweiterten) Aufschrift „ A C H A D E M I A L E O N A R D I V I N C I " darge-
820 LIGHTBOWN 1986, S. 459 f., dort auch das schon mehrfach publizierte Gedicht: „Laus Andreae Mantegnae, Pictoris Patavini. A. MCCCCLVIII. // Quälern Pellaeo fidum cum rege sodalem / Pinxit Apelleae, gratia mira, manus; / Talis cum Iano tabula Galeottus in una, / Spirat inabruptae nodus amicitiae. / [ . . . ] / Tu [Mantegna] facis ut nostri vivant in saecula vultus, / Quamvis amborum corpora terra tegat. / Tu facis, immensus cum nos disterminet orbis, / Alter in alterius possit ut esse sinu. / [...]." Vgl. weiterhin die Hypothesen von Marianna D. Birnbaum, Thoughts on Janus Pannonius and the ,Portrait of a Young Man' in the J. Paul Getty Museum, in: Acta Historiae Artium, 35, 1990-92, S. 41-52. - Zum nodus amicitiae Cicero, De amicitia, 51; Leon Battista Alberti, I libri della famiglia, in: ALBERTI 1960-1973, Bd. 1, S. 305f. spricht von den „vincoli, [...] quali tengano gli animi a noi adiunti e dedicati". Und in einem nicht vorgetragenen Text für den Certame Coronario 1442 imaginiert Antonio degli Agli „dell'Amicizia il santo noto" (De vera amicitia 1993, S. 423).
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
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stellt wird (Abb. 141): Das verschlungen-verknotete Seil-Ornament k ö n n t e zwar auf einer ersten Sinnebene zunächst als Visualisierung des N a m e n s .Vinci' (d. h. eben auch: .Knoten') dienen. Aber bevor man die weiteren bislang vorgeschlagenen D e u t u n g e n akzeptiert - das Knotenmuster als Ausdruck der Verschlingungen des menschlichen Denkens oder aber von pbantasia bzw. ingenium gepaart mit regola, als Symbol des Kosmos, als intellektuelle H e r a u s f o r d e r u n g in der Nachfolge des Gordischen Knotens, als Vorlageblätter (für Schüler) und anderes mehr - , liegt doch die Assoziation des freundschaftlichen, .fest verknoteten' Bandes zwischen allen Mitgliedern und Freunden einer wie auch immer u m Leonardo gruppierten .Akademie' wesentlich näher (wobei der Begriff .Akademie' in den Jahren u m 1500 am wahrscheinlichsten eine lose, weder fest organisierte noch an bestimmte Räumlichkeiten gebundene G r u p p e gleichgesinnter Freunde bezeichnete). 821 Damit gew i n n t auch die Vermutung, die in ihrer weiteren F u n k t i o n rätselhaften Stiche hätten möglicherweise als eine Art Erkennungszeichen u n d .Eintrittsbillett' in eben diese Akademie gedient, einige Wahrscheinlichkeit: Es handelt sich auch hier u m ein (zumindest im Ansatz geheim-restriktives) Freundschaftszeichen, das zudem dadurch geadelt wurde, daß es bis auf Horapolls Hieroglyphica als einem der U r s p r ü n g e einer solchen Bildsprache des Arkanwissens z u r ü c k z u f ü h r e n ist. D e n n bereits d o r t wird der Knoten als Sinnbild der Liebe angef ü h r t - u n d nicht nur liebende Freundschaft, sondern auch liebendes Streben nach Erkenntnis u n d Tugend scheint ein Hauptziel der Achademia Leonardi Vinci gewesen zu sein, zeigt ein anderes ihrer Abzeichen doch eine erotisiert-inspirierende Muse. 822 Der Verweis auf H o r a p o l l u n d diese Muse erinnert z u d e m daran, daß auch diese .männlichen' Freundschafts-Knoten ihr Gegenstück in den bereits erwähnten .Liebesknoten', den .Liebesschlingen' u n d geknoteten .Liebesfesseln' finden, in denen sich metaphorisch die liebende Seele verfängt u n d die Männer u n d Frauen auch schon längst vor Leonardo als Sinnbild ihrer Verbindung austauschten oder am Körper trugen. 8 2 3
821 Z u r Verwendung von vinci vgl. nur Dante, Par., 14, 129: „mi legasse con sì dolce vinci", u n d das offenbar als ingeniös angesehene K n o t e n - M u s t e r f ü r ein Kleidungsstück der Isabella d'Esté, das 1493 Niccolò da Correggio f ü r sie erfunden hatte und das als „fantasia dei vinci" beschrieben wird, s. L u z i o / RENIER 1896, S. 462; zum K n o t e n als Abzeichen eines Ritterordens in Süditalien s. BOULTON 1990, S. 111. - Zu den bisherigen D e u t u n g e n und Versionen der Kupferstiche (mit der älteren Literatur) s. Gigetta Dalli Regoli, O r d e r and Fantasy: Fra' D o m e n i c o de' Fossi and Leonardo, in: Achademia Leonardi Vinci, 1, 1988, S. 11-15; C a r m e n Brambach Cappel, Leonardo, Tagliente, and D ü r e r : ,La scienza del far di groppi', in: Achademia Leonardi Vinci, 4, 1991, S. 72-98 (vgl. auch die Ergänzung von ders. und Lucy Whitaker ebd., S. 107-110); Mark J. Zucker, T h e Illustrated Bartsch. 24 C o m m e n t a r y Part 4. N e w York 1999, S. 136-146; am nächsten k o m m t der Freundesdeutung mit seinem Hinweis auf Liebesknoten Carlo Pedretti, ,Nec Ense', in: Achademia Leonardi Vinci, 3, 1990, S. 82-90. - Z u späteren Akademie-Sinnbildern, aber ohne Hinweis auf Leonardo, R o b e r t o P. Ciardi, ,A Knot of Words and Things': Some Clues for Interpreting the Imprese of Academies and Academicians, in: Italian Academies 1995, S. 3 7 - 6 0 . - Z u m Bedeutungsspektrum von accademia u m 1500 s. HANKINS 1991. 822 Mit A b b i l d u n g in Horapollo, D e sacris aegyptiorum notis, Paris 1574. 823 Zu nordalpin-spätmittelalterlichen Beispiele s. A n m . 658; zu Knoten auf italienischen Frauen- und Männer-Porträts von Beginn des 16. Jahrhunderts s. J o h n Shearman, Raphael at the C o u r t of U r bino, in: Burlington Magazine, 112, 1970, S. 72-78 u n d Koos 2006, S. 179-184. - .Verknotungen' beim Liebesakt beschreibt etwa Ariosts Orlando Furioso, X X I I I , 103, 1 - 2 : „Angelica e M e d o r con cento nodi / legati insieme, [...]."
Die Gaben der Liebe
A b b . 142
Filippino Lippi, D o p p e l b i l d n i s des M a l e r s mit Piero del Pugliese. Denver, Denver A r t M u s e u m
Das Gedicht des J a n u s P a n n o n i u s auf M a n t e g n a erhellt aber noch einen anderen P u n k t : Es beginnt mit d e m vergleichenden H i n w e i s auf Apelles, der entsprechend A l e x a n d e r d. Gr. mit einem treuen F r e u n d gemalt habe. Die bereits oben angeführten, vagen A n g a b e n des Plinius w e r d e n hier so konkretisiert, daß A l e x a n d e r d.Gr. und sein M a l e r Apelles die Porträtgattung .Freundschaftsbild' geradezu erfunden zu haben scheinen. D a m i t rückt aber auch die Medaille auf Alessandro C i n u z z i , den ,toskanischen A l e x a n d e r ' , noch offensichtlicher in den Kontext der frühen Freundschaftsbilder. Wenn der bisherigen A u f z ä h l u n g schließlich noch ein drittes verlorenes Beispiel angefügt w i r d , dann nicht nur, da es möglicherweise mit einer weiteren Variante der Verbindung von z w e i Bildnisse a u f w a r t e n kann: Im Camerino delle Anticaglie des Venezianers Gabriele Vendramin verzeichnete ein Inventar von 1567/68 ein kleines Bildnis des Giovanni Bellini, dem als „Deckel" ein Porträt „seines Schülers Vetor" (Vittore Belliniano) diente - m ö g licherweise stammten beide Tafeln von der H a n d Vittores. O b tatsächlich das eine Porträt als Deckel des anderen fungierte oder ob der Verfasser des Inventars nicht eher ein D i p t y chon vor sich hatte, bei dem er das Bildnis des w e n i g e r bekannten Schülers als . A b d e c k u n g ' für Bellinis Konterfei begriff, m u ß offen bleiben. 8 2 4 Angesichts dieser u n g e w ö h n l i c h e n Verb i n d u n g von Meister und Lehrling dürfte jedoch insbesondere an B e d e u t u n g g e w i n n e n , daß
824 A l d o Ravà, IL . C a m e r i n o delle Antigaglie' di Gabriele Vendramin, in: N u o v o A r c h i v i o Veneto, 22 (39), 1920, S. 1 5 5 - 1 8 1 , hier S. 169: „Un altro q u a d r e t o con il retrato de Zuan Belin et de Vetor suo d i x i p u l o nel coperchio." - Für ein D i p t y c h o n plädiert DÜLBERG 1990, S. 36f.
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
A b b . 143
331
F c r r a r e s c r W e r k s t a t t , P l a k e t t e mit D o p p e l b i l d n i s ( B r o n z e ) . Florenz., B a r g e l l o
eines der Gedichte des 15. Jahrhunderts, das Päderastie mit am unverblümtesten schildert, eben an Giovanni Bellini gerichtet war: Wenn er nur den wunderschönen Knaben, mit dem er des Nachts sein Bett teile, zum Modell nähme, könne er selbst die vollendeten antiken Statuen übertreffen. 8 2 5 Tatsächlich erhalten haben sich dagegen nur vier hier möglicherweise relevante Doppelporträts: A m Herzogspalast von U r b i n o findet sich eine um 1470 entstandene Steinlünette, die in zwei einander zugewandten Profilköpfen den H e r z o g Federigo da Montefeltro und seinen illegitimen Bruder (?), Sekretär, Stellvertreter und Freund, G r a f Ottaviano Ubaldini, zeigt. 826 Vor 1484 muß des weiteren eine Tafel des Filippino Lippi datieren, die den jungen Maler erneut räumlich und psychisch seltsam unverbunden neben einen seiner wichtigsten (und deutlich älteren) Auftraggeber, Piero del Pugliese, stellt - auch hier spricht vieles dafür,
825
D a s G e d i c h t s t a m m t von B a r t o l o m e o F u s c u s , in: Venedig, B i b l i o t e c a M a r c i a n a , A r c h . M o r e l l i 10 ( 1 2 5 0 7 ) , fol. 3 6 (zitiert nach
Fletcher
1 9 9 0 , S.
173f.): „ A d I o a [ n ] n e m b e l l i n u m e x i m i u [ m ] p i c t o -
r e [ m ] // Q u i d tibi sors potuit maius B e l l i n e parare / C o n v e n i e n s arti c o n s p i c u u m q u e tue? / C u m p u e r o tota f o r m o s o n o c t e quiescis: / Q u a l e m n o [ n ] aetas protulit ulla prius. / H o c p o t e s e x e m p l o veteres superare figuras, / E x a c t i renovans q u i e q u i d u b i q u e fuit. / N a m m o d o d u [ m ] nítidos s p e c tas d u o sidera o c e l l o s : / C o m p a r a t accensas u n d e C u p i d o faces: / Tu melius o p i f e x o c u l o s quis finget a m a n d o s ? / A t q u e l o c u t u r o s o r b e in u t r o q u e vagos? / C a n d i d a n u n c roséis d u [ m ] suspicis ora labellis / L u m i n a , q u o p o s s u n t flectere c u n c t a v i r u [ m ] : / Q u a e tibi c o m p a r erit t o t i e n s laudata vetustas / M a m o r e seu p a r i o sive cariste t u o ? / A t s p e c i m e n t o t o c o n c o r s d u [ m ] c o r p o r e lustras: / H i c tibi d i v i n u [ m ] n o n n e resurget o p u s ? / D i g n i o r ijs a n i m u s , sed si c o n s p i r e t amicus: / E s t Iovis in r e g n o pulchrius hercle nihil. / O m n i s o p t a t a s c u l p t o r u f m ] s o r t e b e a t e f m ] ; / Q u i vel n o c t e queas arte vel esse d e u s . " - Z u einem u n g e w ö h n l i c h e n K n a b e n b i l d n i s Bellinis in B i r m i n g h a m s. K o o s 2 0 0 6 , S. 4 6 - 4 8 .
826
I r m l i n d L . H e r z n e r / J a n L a u t s , F e d e r i c o da M o n t e f e l t r o , H e r z o g von U r b i n o , M ü n c h e n / B e r l i n 2 0 0 1 , S. 3 8 8 .
Die Gaben der Liebe
332
A b b . 144
Lombardi-Werkstatt, Doppclbildnis. Wien, K H M
daß die beiden Bildnisse nicht unter g e s c h ä f t l i c h e n ' , sondern tatsächlich u n t e r den V o r zeichen der F r e u n d s c h a f t vereint wurden ( A b b . 142). 8 2 7 E i n e Plakette ( F e r r a r a ? ) des späten 15. J a h r h u n d e r t s zeigt parallel hintereinander gestaffelt einen jüngeren und einen älteren M a n n , bei denen man freilich am ehesten Vater und Sohn, d . h . eine genealogische S u k z e s sion, erkennen m ö c h t e ( A b b . 143). 8 2 8 Schließlich bewahrt das K u n s t h i s t o r i s c h e M u s e u m in W i e n ein M a r m o r r e l i e f der L o m b a r d i - W e r k s t a t t (um 1495/1500) auf, das die Profilbildnisse eines älteren und eines jüngeren M a n n e s fast auf B e r ü h r u n g gegenüberstellt ( A b b . 144) eine A n o r d n u n g , die mehrfach mit einer Z e i c h n u n g L e o n a r d o s aus eben diesen J a h r e n verglichen wurde, auf der ähnlich das G e g e n ü b e r eines (allerdings idealisierten) J ü n g l i n g s und
827
A l l e r d i n g s c h a r a k t e r i s i e r e n zwei z e i t g e n ö s s i s c h e G e d i c h t e A l e s s a n d r o B r a c c e s i s , die sich sehr w a h r s c h e i n l i c h auf diese Tafel b e z i e h e n , das W e r k n i c h t explizit als F r e u n d s c h a f t s b i l d n i s . Z u d e m G e m ä l d e in D e n v e r , D e n v e r A r t M u s e u m s. G i a r d i n o di San M a r c o 1 9 9 2 , S. 9 8 - 1 0 1 ; J o n a t h a n K a t z N e l s o n / Patrizia Z a m b r a n o , F i l i p p i n o L i p p i , M a i l a n d 2 0 0 4 , S. 3 3 4 f . ( K a t . 2 2 ) ; u n d z u l e t z t ausführlich BURKE 2 0 0 4 , S. 8 5 - 9 8 mit den G e d i c h t e n S. 2 2 2 f . - E i n ähnliches, 1 5 0 0 datiertes S t ü c k ( O r v i e t o , D o m o p e r a ) zeigt Signorelli mit d e m v e r a n t w o r t l i c h e n ( j ü n g e r e n ) D o m o p e r a i o für die F r e s k e n a u s m a l u n g der B r i z i o - K a p e l l e ,
N i c c o l ò F r a n c h i , allerdings b e s t e h e n sehr
begründete
Z w e i f e l an der A u t h e n t i z i t ä t dieses auf einen Ziegelstein g e m a l t e n D o p p e l b i l d n i s s e s , s. L a u r e n K a n t e r / T o m H e n r y , L u c a Signorelli, M ü n c h e n 2 0 0 2 , S. 2 6 0 ( K a t . 4 7 ) . 828
H.139ter.
11.
A b b . 145
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
333
Venezianisch (?), D o p p c l b i l d n i s . E h e m . Perthshire, Rossie P r i o r y
eines (typisierten) Greises zu sehen ist. S 2 t ) Bereits in die ersten J a h r e des 16. J a h r h u n d e r t s datieren dann G i o r g i o n e s (?) D o p p e l b i l d n i s L u d o v i s i , auf dem einer der Dargestellten von m e l a n c h o l i s c h e m L i e b e s s c h m e r z gequält w i r d 8 3 2 , und ein heute an u n b e k a n n t e n O r t verbrachtes venezianisches G e m ä l d e mit zwei erneut deutlich im A l t e r u n t e r s c h i e d e n e n P r o t a gonisten, bei denen es sich aber anstelle von F r e u n d e n erneut genauso gut um Vater und S o h n oder L e h r e r und S c h ü l e r handeln k ö n n t e ( A b b . 1 4 5 ) . S M M e h r e r e s läßt sich aus dieser k u r z e n Ü b e r s i c h t folgern: Z u n ä c h s t zeigen F r e u n d s c h a f t s bilder P e r s o n e n auf gleicher . A u g e n h ö h e ' (egal, o b dies der Realität entspricht o d e r k o n 829
L e o n a r d o e Venezia, hg. ν. A u g u s t o M a r i n o n i u.a., Venedig 1992, S. 3 8 8 f . (Kat. 85); LUCHS 1995, S. 8 1 - 8 3 . - D i e L e o n a r d o - Z e i c h n u n g als moralisches G e g e n s a t z - E x e m p l u m deutet J o h n F. M o f f i t t , Puer et Sene.r in Didactic Contrapositimv.
C o n t e x t s for Leonardo's G r o t e s q u e Heads, in: A c h a d e -
mia Leonardi Vinci, 7, 1994, S. 1 2 4 - 1 2 8 . 830
„ M a n i n c o n i a " beschreibt etwa Pietro B e m b o als eine seiner G r u n d b e f i n d h c h k e i t e n in den Briefen an Maria Savorgnan, s. BEMBO / SAVORGNAN 1950, S. 56 (Nr. 13), S. 59 (Nr. 17), S. 79 (Nr. 41). Z u m G e m ä l d e BAI.LARIN
831
1983.
Als G i o v a n n i Bellini (?) bei Bernard B e r e n s o n , Italian Pictures of the Renaissance. Venetian S c h o o l , L o n d o n 1957, Bd. 1, S. 254; als Alvise Vivarini (?) von Michel Laclotte bestimmt in: Le Siècle de Titien 1993, S. 2 7 2 f . (zu Nr. 5); erinnert sei auch an das Doppelbildnis mit starkem Altergefälle, wie es das B o t t i c e l l i - P o r t r ä t eines jungen Mannes mit Medaille des C o s i m o de' Medici zeigt, s. zuletzt N i c o l e t t a P o n s in: Botticelli e Filippino. L'inquietudine e la grazia nella pittura fiorentina del Q u a t t r o c e n t o , Mailand 2 0 0 4 , S. 2 2 0 - 2 2 2 (cat. 34) und HKSSI.LR 2 0 0 7 , S. 7 7 f .
334
Die Gaben der
Liebe
struiert ist). Allein in dieser Konstellation kann - wie oben gesehen - amicitia im echten Sinne gedeihen. Daher sind alle anderen Arten von Renaissance-Bildnissen, auf denen zwei oder mehrere Männer agieren, trotz einiger vergleichbarer Aspekte aus dieser Kategorie auszuschließen, also Darstellungen von Herr bzw. Mäzen und Untergebenem (hierunter wären auch viele Dedikationsbilder zu verbuchen), von Ritter und Knappe, von Lehrer und Schüler, von Würdenträger und Sekretär, von Vater und Sohn usw.832 Mit Blick auf homoerotische Freundschaftsverhältnisse muß allerdings einschränkend angemerkt werden, daß zumindest in der Außenwahrnehmung und literarischen Umschreibung für den passiven Partner tatsächlich häufig auch Bezeichnungen untergebener Diener - wie fante, servitore oder vassallo - verwendet wurden, während der aktive Liebhaber als padrone oder bravo bezeichnet werden konnte (seltener werden andere Vergleiche zu Personen, die ebenfalls ein Schwert führen, bemüht).833 Sodann glaubte man im 15. Jahrhundert, den Ursprung des Freundschaftsbildnisses nicht allein aufgrund literarischer Uberlieferung in der Antike, genauer eben bei Alexander d. Gr. und seinen Sodalen, verorten zu dürfen. Scheinbar hatten sich solche Doppelbildnisse in beachtlicher Zahl auch erhalten - und zwar vor allem in Gestalt von antiken Münzen und Gemmen mit Doppelporträts - wie zahllose Buchmalereien ab den 1470er Jahren belegen.834 In diese antike Tradition dürfte sich etwa auch ein um 1470 entstandener Kupferstich mit zwei einander zugewandten, phantastischen Kriegerköpfen all'antica im Profil einreihen lassen.835 Trotz dieser doppelten antiken Herleitung des Freundschaftsbildes über Text- und Bildzeugnisse wird schließlich - drittens - aber erneut ganz deutlich, daß für seine Entwicklung seit Petrarca und dann insbesondere ab dem 15.Jahrhunderts der parallele Fall von Mann-Frau-Doppelbildnissen eine entscheidende Rolle gespielt hat. Wie in der terminologischen Benennung von heterosexuellen Liebesbeziehungen und homosozialen Freundschaften nicht klar unterschieden wurde, so konnten auch für beide Porträtaufgaben offenbar die gleichen oder doch sehr ähnliche Bildformeln 836 der körperlichen Nähe, der Ausrichtung aufeinander und verschiedener Spielarten des Blicks zum Einsatz kommen. Beiden Bildgattungen liegt eine sehr ähnliche Theorie des amor zugrunde; beide fallen unter die große Kategorie der Liebesbilder. Als Auffälligkeit sei abschließend zumindest auch nochmals kurz festgehalten, daß drei der vier erhaltenen Dop-
832 Vgl. etwa Miniatura Fiorentina 1985, Bd. 2, Abb. 375-383; Michael Jaffé, Pesaro Family Portraits: Pordenone, Lotto and Titian, in: Burlington Magazine, 113, 1971, S. 696-702; zu Dedikationsszenen mehrere Beiträge in: Immaginare l'autore. Il ritratto del letterato nella cultura umanistica, hg. Giovanna Lazzi u.a., Florenz 2000; für das Cinquecento auch ZEMON DAVIS 2002, S. 86-98; zu Mehrfiguren-Bildnissen, wie sie etwa in Rom seit dem Porträt Eugens IV. „e due altri de' suoi apresso di lui" von Jean Fouquet bekannt waren, s. CAMPBELL 1990. 833 TOSCAN 1981, Bd. 1, S. 218-221 mit zahlreichen Belegen. 834 Vgl. die Beispiele in: Miniatura a Padova 1999, S. 353-357 (Kat. 145) oder S. 363-365 (Kat. 148); BROWN 1996; Teresa D'Urso, Un manifesto del,classicismo' aragonese: il frontispizio della Naturalis historia di Plinio il Vecchio della Biblioteca di Valenza, in: Prospettiva, 105, 2002, S. 29-50, v.a. S. 34 (zu Giovanni Todeschino); bekannte Doppelporträts auf antiken Münzen etwa bei PANVINIUS 1 5 5 7 , S . 6 4 , 9 3 u n d 1 2 8 .
835 Arthur M. Hind, Early Italian Engravings. A critical catalogue ..., London 1938-1948, Bd. 1, S. 48 (cat. 57), Bd. 2, Tf. 53c. 836 Dazu etwa Baldwin, Robert, ,Gates Pure and Shining and Serene'. Mutual Gazing as an Amatory Motif in Western Literature and Art, in: Renaissance and Reformation, N.S. 10, 1986, S. 23-48.
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
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pelporträt-Beispiele des Q u a t t r o c e n t o deutliche Altersunterschiede zwischen den Dargestellten zeigen. Wie eine Zusammenfassung der bislang entwickelten Überlegungen zum Freundschaftsbild des Q u a t t r o c e n t o lesen sich die in den Jahren um 1500/02 von Pietro B e m b o niedergeschriebenen Regeln seines venezianischen Freundeskreises. 8 3 7 Wer immer dort aufgenommen wurde - und dies war, wie bei der Ehe, ein Eintritt auf Lebenszeit - , der mußte von nun an am linken Handgelenk als Erkennungszeichen eine kleine Medaille, „gefertigt vom besten Meister dieser K u n s t " , mit den Grazien auf der einen Seite, dem Wahlspruch „Amicorum Sodalitati" auf der anderen, tragen (ganz ähnlich der vermuteten F u n k t i o n des Alberti-Anhängers). Zwar hatten die Grazien in der Antike noch nicht als Sinnbild der Freundschaft gedient, b o t e n sich für diese Deutung jedoch in doppelter Hinsicht an: Sie waren nackt, will sagen: ohne Täuschung, und sie verkörperten das freundschaftliche E m p fangen durch Geben. 8 3 8 A b e r nicht genug damit, hatte sich jedes neue Mitglied auch noch
837 Die Regeln sind nach einer Handschrift der Biblioteca Ambrosiana, ms. S. 99 Sup., fol. 206r-208v publiziert in BEMBO 1966, S. 699-703, die in unserem Kontext wichtigsten Passagen lauten: „Perciò che nessuna cosa puote nella vita de gli huomini ritrovarsi più giovevole o più dolce dell'amistà, e questa, quanto più e virtuosamente governata, tanto a coloro, che ella col suo noo congiungere, maggiore e più soave frutto rende di sé in ogni tempo, è piaciuto a M.V.Q. [Vincenzo Querini] e M.T.G. [Trifon Gabriele] e M.N.T. [Niccolò Tiepolo] e M.P.B. [Pietro Bembo] di porre queste leggi, quasi termini, nelPamicitia loro; [...] Vogliono adunque primieramente proprio nome porre a questa loro amistà, sotto la cui certa voce sanza altro particolare difinimento essi tutti sieno compresi; il quale parimente a ciascuno piace che sia questo: La Compagnia de gli Amici. E perché questa voce sia tra essi con quella riverenza usata, con che essere dee il nome di cosa a ciascuno di loro così gratiosa e cosi cara, vogliono che sia tra essi vietato il potere in alcuna guisa di soprascritto nelle loro lettre chiamare per amico alcuno che della loro ompagnia non sia. Et perciò che sì come alcun proprio nome, così alcuna propia insegna in ogni lodevole fratellanza pare che sia richiesta da essere da ciascuno de' compagni portata per rimembranza della loro compagnia, vogliono che la loro insegna sia una Medaglietta di purissimo oro, nell'uno de' canti della quale si veggiano le Gratie ¡scolpite, e nell'altro si leggano lettere dicenti: A M I C O R U M SODALITATI. E questa medaglietta ad una catena pure di purissimo oro, sopra Γ gomito la nuda polpa del sinistro braccio cingente, pendevole si porti per ciascuno de' compagni, in modo che, una volta postavi, mai più né in vita né in morte non se ne lievi, se per alcuno necessitevole caso, a fine di subitamente ritornarvi, non si levasse. Alla qual Medaglia scolpire, perché sia una istessa in ciascuno, non si possa usare se non un solo conio e sola stampa, che per mani di valorosissimo maestro di quest'arte si faccia a questo fine, e più o meno di mezza uncia non pesi. E oltre a queso vogliono, che per mano di singolare dipintore il più ritrarre si faccia del naturale ciascuno in una tavoletta di pari ampiezza e qualità; da l'uno de' canti con lettere, che semplicemente il loro nome rendino a gli leggenti; dall'altro vi pongano una loro particolare impresa; e queste tavolette, tutte insieme poste a guisa di libro, diligentemente si serbino a lunga memoria de gli aspetti e delle conoscenze loro. [...] Vogliono ancora che nessuna fatica di lettre, che in poema o altrimenti in opra legittima di prosa si distende per alcuno della compagnia non sia, sanza ispressissimo e libero consentimento di tutta la compagnia." - Auf die kunsthistorische Bedeutung dieser Vorschriften zuerst hingewiesen hat BALLARIN 1983; zu späteren .Freundschaftsregeln' etwa BURKE 1999, S. 2 6 7 .
838 Zur Deutung der Grazien als Sinnbild der Freundschaft, die in den aristotelischen und stoischen Texten angelegt, aber dann erst vom Mythographus Vaticanus III, später auch von Erasmus in den Adagia von 1500 explizit formuliert ist, s. Veronika Mertens, Die drei Grazien. Studien zu einem Bildmotiv in der Kunst der Neuzeit, Wiesbaden 1994, S. 133-145; vgl. ZEMON DAVIS 2002,
Die Gaben der Liebe
336
von einem „herausragenden M a l e r " porträtieren zu lassen, damit dieses in seiner G r ö ß e genau festgelegte Bildnis, versehen mit einer Namensunterschrift und der persönlichen Imprese auf der Rückseite, in einem B u c h mit den anderen Porträts des Freundeskreises zusammengebunden werden konnte - ein weiteres frühes Zeugnis für ein album
amicorum.
Erneut bestätigt sich dadurch die T h e s e von der Medaille als .sozialer W ä h r u n g ' insbesondere im Freundeskreis und vom Bildnis als einer A r t Unterpfand und Gedächtnistempel der Freundschaft. Allerdings wurde eine weitere und eigentlich ganz naheliegende K o n s e q u e n z aus allen diesen Überlegungen erst im dritten J a h r z e h n t des 16. Jahrhunderts realisiert -
nämlich
Medaillen (in Art der bereits existierenden Ehepaar-Medaillen), die entweder auf ihren zwei Seiten die Porträts von Freunden vereinen, oder aber ein Doppelbildnis auf dem Avers piazieren. 8 3 9 Schließlich kursierte im nordalpinen Bereich der Jahren um 1500 eine ganz eigene K u n s t f o r m , die münzförmige O b j e k t e und Freundschaftskult verband: kostbare Schüsseln oder Pokale, besetzt zumeist mit antiken M ü n z e n , als zeremonielle Trinkgefäße für G e l e h r ten-Sodalitäten und Freundeskreise - am berühmtesten ist die heute in Dresden, Grünes G e w ö l b e , verwahrte Schale des O l m ü t z e r Humanisten Augustin Käsenbrot von 1508. 8 4 0
M i t der Evokation des abwesenden bzw. des verstorbenen Freundes sind j e d o c h n o c h nicht alle F u n k t i o n e n des Freundschaftsbildes benannt. Es übte auch - und n o c h intensiver als andere Bildnisse - eine starke moralisch-didaktische Wirkung aus. Dies erfolgte nicht nur durch die vorbildliche Gestalt des Freundes, sondern auch beim B l i c k auf das eigene Porträt, das in diesem Ideenhorizont stets als Aufforderung zu verstehen war, nicht nur dem eigenen, sondern zugleich dem Anspruch des Freundes gerecht zu werden. Ein Brief Claudio Tolomeis an den befreundeten Maler Sebastiano del P i o m b o kann den Deutungsspielraum dieses Gedankens erhellen: Er, Claudio, bittet darin (nach längerer captado volentiae
bene-
für die vermeintlich eitle A n m a ß u n g ) um ein Bildnis seiner selbst, damit er sich
nicht nur an die Kunstfertigkeit seines Freundes erinnere, sondern auch seine Seele in dessen Darstellung wie durch eine A r t göttlichen Spiegel von Verfehlungen gereinigt sehe und somit angehalte werde, nach entsprechender Lebensführung, W ü r d e und R u h m zu streben. 8 4 1 Tolomeis Porträt läßt sich nicht mehr nachweisen, dafür haben sich im Veneto und S. 2 2 - 2 4 ; als wichtige frühe Quelle wäre zu ergänzen Johannes von Salisbury, Policraticus, hg. v. Katharine S.B. Keats-Rohan, Turnholt 1993, I, 189f. und 211 („Solebant antiquitus Gratiarum simulachra effigiari nuda, eo quod soliditas amicitiae et Veritas fidei, sine qua nec quidem nomen subsistit, nullo simulationis fuco valeat obumbrari"); dann etwa auch bei ALEXANDER DE FABRIANO, fol. 97v-98r. 839 Vgl. Cavinos Freundschaftsmedaille, die das eigene Bildnis mit denjenigen Bassanos und Benavides' verbindet, s. Giovanni Gorini, N e w Studies on Giovanni da Cavino, in: Italian Medals 1987, S. 4 5 - 5 4 . 840 Zusammenfassend und mit der gesamten früheren Literatur dazu Lubomir Konecy, Augustine Käsenbrot of Olomouc, His Golden Bowl, and the Renaissance Revival of ,Poetic' Bacchus, in: Artibus et Historiae, 48, 2003, S. 185-197. 841 D e r Brief vom 20. Aug. 1543 in: Delle lettere di M. Claudio Tolomei libri sette, Venedig 1581, fol. 97r-98v: „[...] quando da uoi mi uenga gratia (come spero) alhora mi parerà hauer guadagnato uno
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
337
der Emilia eine Reihe von Bildnissen mit der Aufschrift ,V' oder , W
erhalten. Deren
impresenartig verschlüsselter Sinn konnte jüngst mithilfe einer in Ferrara entstandenen Schrift des Pandolfo Collenucci, dem Specchio
d'Esopo
(veröffentlich allerdings erst 1525),
erhellt werden: D o r t werden die Buchstaben als virtù und verità
aufgelöst, positive Eigen-
schaften, anhand derer man seinen ,Seelenspiegel' zu reinigen habe - offenbar sollten also auch diese Porträts als .externe Spiegel' im Sinne Tolomeis zu einer Selbstläuterung hin zu Tugend und Wahrheit beitragen. 8 4 2 Ganz ähnlich stellt nicht ein Bildnis, sondern nun tatsächlich ein Spiegel mit geschnitzem Rahmen wohl aus dem späteren 15.Jahrhundert (heute im Victoria & Albert Museum, L o n d o n ) jeden, der sich in ihm betrachtet, vor die Option des pythagoräischen Ypsilons (Abb. 146): Folgt der Blick der rechten Hälfte des Spiegelrahmens, an deren unterem Beginn ein Satyr, an deren oberem Ende ein Knochenmann steht, dann entscheidet man sich für das „ M A L V M " , wie verstreute kleine Buchstaben explizit zu erkennen geben. Folgt der Blick dagegen der linken Hälfte, die mit einer rennenden Frauengestalt (?) beginnt und bei einem Engel/einer F a m a endet, dann führt dies zum „ B O N V M " . 8 4 3 Die Vorstellung vom Spiegel als Instrument der Selbsterkenntnis und tugendhaften Selbstverbesserung führten jedenfalls alle Renaissance-Autoren auf Sokrates (und dann auch auf Seneca) zurück - auf eine kurze Formel gebracht: „Socrates volebat quod sepe adolescentes in speculo se conspicerent". 8 4 4 Verband man diese Aufforderung mit der
specchio, il quale io sempre chiamarò specchio diuino, percioche in quello uedrò uoi, e me stesso insieme. Voi, uedendo ne l'imagin mia la uostra singoiar uirtu, e'I uostro marauiglioso artificio. Me, uedendo nell'arte uostra espressa uiuamente la mia imagine, laquale mi sarà continuo stimolo a purgare l'anima di molti suoi mancamenti [...] mi s'accenderà l'anima a bel desiderio d'honore e di gloria." - Auf diese Passage weist CAMPBELL 1990, S. 195 f. und Anm. 20 hin. 842 Ausführlich dazu Giancarlo Fiorenza, Pandolfo Collenuccio's Specchio d'Esopo and the Portrait of the Courtier, in: I Tatti Studies, 9, 2001, S. 63-87, v. a. S. 71-77. 843 Dazu nur Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970 und Kristine Patz, Von der Täuschung zur Reflexion: zum pythagoreischen Y im Werk des Andrea Mantegna, Berlin 1993. 844 So der Randkommentar des Marianus de Magistris zu seiner 1461 datierten Abschrift von Petrus Paulus Vergerius' De ingenuis moribus, in: BAV, Vat. lat. 1690, fol. 340r, der Gedanke nach Diogenes Laertios, Leben der Philosophen, II, 33; dazu auch Concetta Bianca, Marianus de Magistris de Urbe, in: Scrittura, biblioteche e stampa 1983, S. 555-599, hier S. 568; für das 16. Jahrhundert und speziell mit Blick auf die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Benutzern/ Betrachtern s. auch Patricia Phillippy, Painting Women. Cosmetics, Canvases, and Early Modern Culture, Baltimore 2006, S. 98-132. - Vgl. zum Wissen des Quattrocento über Sokrates und Seneca die 1440 entstandenen Viten von MANETTI 1979. Ausführlich dann auch RICCHIERI 1550, S. 560f. (Kap. XV, xii .Specula cur inventa [...]'): „Socratem philosophum scribit Apuleius, speculo, quod mirum fortasse videatur, ad morum disciplinam esse usum. Quippe suasisse discipulis fertur, crebro ut semet in speculo contemplarentur, ut qui eorum foret pulchritudine sibi complacitus, procuraret, ne coporis dignitatem morum dehonestamento pollueret. Qui vero minus in se visendam formam inspectasset, minusque se eo nomine commendabilem, naviter consurgeret, ut virtutis splendore inopiam formae collustraret, ac ingenio corporis damna rependeret. Seneca quoque Naturalium primo: specula esse tradit inventa, ut homo ipse se nosceret: Multi, inquit, ex hoc consequuntur primo sui notitiam, mox & consilium quoddam:" - Dagegen stellt VERGILIUS 1509 die Erfindung von Münzen und Spiegeln nebeneinander, lib. II, cap. xx: „Saturnum nummos
Die Gaben der Liebe
338
Abb. 146
Geschnitzer, teilvergoldeter Spiegelrahmen. London, Victoria & Albert Museum
( p l a t o n i s c h e n ) V o r s t e l l u n g , d a ß ein w a h r e r , , l i e b e n d e r ' F r e u n d w i e ein Spiegel des e i g e n e n I c h s agiere - „ d e n n d a ß er w i e in e i n e m Spiegel im L i e b e n d e n sich s e l b s t b e s c h a u t , w e i ß er n i c h t " ( P l a t o , P h a i d r o s , 2 5 5 c - e ) - , ist m a n auf d e m k ü r z e s t e n W e g bei d e m G e d a n k e n a n g e k o m m e n , der F r e u n d stelle in j e d e r H i n s i c h t e i n e n A n s p o r n z u r T u g e n d d a r ( n o c h m a l s a u s f ü h r l i c h dazu w e i t e r u n t e n ) . 8 4 5 A u c h dies i m ü b r i g e n ein G e d a n k e , der m i t n u r l e i c h t e r Verschiebung auch für andere ,Liebes-Verhältnisse' Verwendung fand: Z u m einen für den B l i c k des l i e b e n d e n G l ä u b i g e n zu G o t t ; 8 4 6 z u m a n d e r e n f ü r die L i e b e z w i s c h e n M a n n u n d F r a u . H i e r k o n n t e der Spiegel n i c h t n u r v o r d e m G l a n z der s c h ö n e n G e l i e b t e n quasi .verb l a s s e n ' , s o n d e r n e n t s p r e c h e n d f ü r den G e l i e b t e n o d e r die G e l i e b t e , ja s o g a r f ü r d e n E h e aereos latinis primum instituisse. speculum argenteum auctore Pli. in .xxxiij. Praxiteles primus fecit, Magni Pompei aetate. Inventa sunt item specula ex ferro, plumbo, crystallo, vitro, mixtisque materijs, incertis tarnen auctoribus, in quibus effigiem nostram contemplamur." 845 Zur Bedeutung des Sehens für die neoplatonische ,sokratische' Liebestheorie HYATTE 1993. 846 Die wahrscheinlich ausführlichste und komplexeste Spiegelsymbolik, bei Nikolaus von Kues, analysiert Werner Beierwaltes, Visio Facialis. Sehen ins Angesicht. Zur Coinzidenz des endlichen und unendlichen Blicks bei Cusanus, München 1988; zur Bedeutung des Sehens Gottes für Plakette und Imprese Albertis vgl. PFISTERER 1998; bei NESI werden dann Gott, Spiegel, Künstler-Selbstbildnis (der Schild des Phidias) und sokratischer Tugendspiegel ausgehend von Aristoteles' Nikomachischer Ethik ausführlich diskutiert; vgl. zu diesem Traktat Rosella Bonfanti, Su un dialogo filosofico del tardo '400: il De Moribus del Giovanni Nesi (1456-1522?), in: Rinascimento, 11, 1971, S. 2 0 3 - 2 2 1 .
11.
A b b . 147
Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
339
J e a n Perreal, Bildnis des Pierre Sala und begleitendes G e d i e h t in Spiegelschrift. L o n d o n , British Library, Ms. S t o w e 955
p a r t n e r als , T u g e n d s p i e g e l ' f u n g i e r e n : D a z u l i e ß s i c h g a n z k o n k r e t d a s B i l d n i s d e r g e l i e b t e n P e r s o n m i t e i n e m ( m a h n e n d e n ) S p i e g e l als D e c k e l o d e r G e g e n p a r t v e r s e h e n . 8 4 7 W o h l die b e i d e n e i n f a l l s r e i c h s t e n U m s e t z u n g e n d i e s e r I d e e n liefern ein ( h e u t e v e r l o r e n e s ) P o r t r ä t - D c i s c h e n des H e r z o g s v o n M a i l a n d , G i a n g a l e a z z o V i s c o n t i , u n d e r n e u t das k l e i n e B ü c h l e i n des P i e r r e Sala f ü r s e i n e v e r g ö t t e r t e M a r g u e r i t e , das z u e r s t b e s p r o c h e n sei: D i e Folge
der L i e b e s - S i n n b i l d e r
wird
hier nämlich
durch
ein M i n i a t u r - P o r t r ä t
Salas
s c h l o s s e n , das ein k u r z e s G e d i c h t auf der g e g e n ü b e r l i e g e n d e Seite begleitet. E s
abgefordert
d i e „ F r e u n d i n " z u m „ M i t l e i d " m i t d e m „ t r e u e n F r e u n d " a u f - a l l e r d i n g s in S p i e g e l s c h r i f t ( A b b . 147).S4S Z u lesen w a r der T e x t also a m e i n f a c h s t e n mithilfe eines kleinen 847
Handspie-
Zuletzt zusammenfassend dazu CRANSTON 2 0 0 0 , S. 1 6 3 - 1 6 7 zu den Spiegel-Gedichten Serafino Aquilanos, den hinter einem Spiegel versteckten G e d i c h t e n des Pietro B e m b o auf das Porträt der Elisabetta G o n z a g a und ein im Libro
dt spesi diversi
des L o r e n z o L o t t o erwähntes Porträt mit
einem Spiegeldeckel; allerdings sind die Ausführungen von C r a n s t o n vor der Folie der teils berechtigten Kritik von Patricia E m i s o n , R e z . In: Art Bulletin, S4, 2 0 0 2 , S. 3 8 8 - 3 9 2 , hier S. 3 9 0 zu lesen. - Ergänzen ließen sich etwa G e d i c h t e bei ANGKRIANO 1995, S. 109 ( L I X ) zu einem Spiegel mit A m o r auf dem R a h m e n und S. 110 f. ( L X I ) , 123 ( L X X I V ) , 138 f. ( X C ) ; in F r a n c e s c o Barbaros De re uxoria
von 1416 wird Sokrates, der den Jünglingen den Spiegel zur Selbsterkenntnis e m p -
fiehlt, als Modell für Eheleute vorgestellt (zit. nach BARBARO 1933). 848
„Reguardez en p y t y e / votre loyal amy / qui na jour ne demy / Bien pour votre a m y t v e . " - Vgl. auch die Literatur in Anni. 265. - Möglicherweise diente eine Episode aus Gaspare Viscontis
Ritb-
mi ... (Mailand 1493) als Vorlage für diese Erzählung: „F^ssendo nel tempo del carnevale un certo
340
Die Gaben der Liebe
gels, in dem die Frau mit Sicherheit nicht nur den Text, sondern eben auch sich selbst betrachtet hätte, wodurch ihr .Bildnis' wohl in ungefähr der gleichen Größe neben bzw. über der Buchmalerei erschien und so das gesamte Assoziationsspektrum eines speculum amoris et virtutis aufgerufen worden wäre. Giangaleazzo Viscontis Umgang mit dem Porträt seiner Geliebten, das in einem Elfenbein-Döschen mit Medaille auf der einen, Spiegel auf der anderen Seite aufbewahrt wurde, faßt dagegen so viele verschiedene Aspekte dieser Arbeit zusammen (Liebe, Tugend, Schönheit, Ingenium, Medaille, Spiegel, Porträt usw.), daß der Bericht davon, wie ihn Sabba da Castiglione um die Mitte des 16. Jahrhunderts festhält, ausnahmsweise ausführlich zitiert werden soll: „[...] Giovan Galeazzo Visconti, duca di Milano e conte di virtù, certo principe magnanimo e degno di memoria [...] essendo ancora giovanetto, fu innamorato d'una gentildonna molto virtuosa e bellissima e, come dicono, della casa di Correggio [...]· Ma ritorniamo a Giovan Galeazzo, duca di Milano, che per amore di questa gentildonna il buon principe portava per impresa nella gamba dritta sotto il ginocchio, un correggino azzurro, con le spranghe d'oro, come si vede nelle sue figure di naturale. Essendo il povero signore in queste fiamme accese, le quali male si possono celare, più volte da alcune gran gentildonne lombarde, con le quali aveva molta domestichezza, gli fu detto: ,Signore, sì come noi siamo certe e sicure che voi siete innamorato, così vi preghiamo per cortesia siate contento farci intendere di chi, [...].' Il duca, come persona modesta, savia e accorta ch'egli era, ancora che fosse in quegli amorosi [...] le interteneva con parole. Ma per essere alle donne naturale che le cose, quanto più gli sono vetate, tanto più gli cresce il desiderio di saperle, ogni giorno più lo molestavano, onde lo afflitto principe, per liberarsi di una sì noiosa e continua battaglia, si risolse come savio a contentarle e, ordinato un lauto e splendido convito, come era il suo solito, fece invitare tutte quelle gran gentildonne e specialmente la Correggia, la quale ancora essa insieme con le altre instava di sapere quello che essa meglio che Ί duca sapeva. Finito il solenne e magnifico convito [...] il buon principe di sua mano donò a ciascuna di quelle donne (come alcuno dice) una collanetta d'oro di ducati cinquanta e alcun altro dice che fu un diamante del medesimo valore, poi fece portare in sulla tavola una bussola d'avoglio, ornata d'oro e di alcune gioie, nella quale in una parte era una medaglia, ovvero ritratto di naturale di una bellissima giovane, dall'altra banda, per riverso di quella, era un lividissimo specchio e con allegro viso, contra il costume degli innamorati, gli disse: ,Donne mie care [...] lo amore ch'io porto a tutte voi e le continoe e ardenti preghiere vostre mi costringono a contentarvi, e però ho deliberato (poi che da voi è tanto desiderato) mostrarvi la donna la quale sola al mondo io amo sopra ogni altra cosa e adoro come idolo. E, aperta la
giovane a la presentía de alcune damigelle tra le quali era la amata sua: et essendo pregato da esse: che gli dicesse qual era la sua innamorata esso disse che per alcun modo non li nominaría mai quel nome suavissimo: qual era indegno de nominare: Ma quando pur gli piacesse glie la mostraría retracta in camaino: et datto ordine a questo tornato da loro li portò uno camaino che a caso avea comprato: dove era una testa non conosciuta: et mostrandola a tutte separatamente poco in discosto da l'altra: quando fu ad quella qual era l'unico cor suo: volse il giovane il camaino et mostrolli il reverso: dove era uno piccolo spechio nel quale essa attentamente mirando vidde se stessa: et erubuit dolcemente: trovandosi il predicto giovane da lì ad alquanto tempo solo in camera: et guardando quello spechio fa questo sonetto parlando al predicto spechio. [...]" (zit. nach Rodolfo Renier, Gaspare Visconti (I.), in: Archivio storico lombardo, 13,1886, S. 509-562, hier S. 544 f.).
11. Liebesbilder/Freundschaftsbilder/Spiegelbilder
341
bussola ove era il ritratto della bella donna, esso stesso volle mostrare quello ad una ad una a ciascuna di esse. Ma q u a n d o fu all'amata Correggia, la qual fu l'ultima (che così era ordinato), con destrezza, coperchiando il ritratto, scoperse lo specchio e dissegli: ,Questa è la viva, vera e naturale effigie di quella donna, la quale più che l'anima mia amo.' [...] Q u e s t o uso dello specchio del b u o n duca, ancora che fosse una accorta e ingegnosa vanità, insegnàtali per avventura da amore il quale suole aguzzare gli ingegni umani, io no Ί laudo né lo c o m m e n d o , perché fu una sensuale leggerezza non molto conveniente alla gravità di un gran principe. [...] io voglio lo specchio, acciocché mirandosi in esso l ' u o m o sozzo e laido si sforzi con le virtù riparare e supplire al difetto naturale della deformità [es folgen detaillierte Anweisungen f ü r verschiedene Altersstufen u n d speziell f ü r den „litterato"]. 8 4 9 Das Freundschafts- wie das Liebesbild übernahmen jedenfalls als .gemalte Spiegel' sei es des Freundes, sei es der Geliebten, sei es des eigenen Ichs ganz selbstverständlich all' diese (positiven) Assoziationen u n d Funktionen. D a ß im übrigen daneben noch ganz andere, teils vollkommen konträre Bedeutungen des Spiegels existierten, etwa als Attribut der Luxuria, wie es kurz nach 1500 vor allem in Venedig u n d der Terraferma im Bildtyp der Kurtisane mit Spiegel zahlreich aktualisiert wurde, scheint dabei zwar nicht als störend e m p f u n d e n w o r d e n zu sein, jedoch zeichnet sich auch in dieser Hinsicht wiederum die Möglichkeit eines fließenden Ubergangs bzw. das Verwechslungspotential zwischen tugendhafter und sinnlicher Liebe ab. 850 Vor diesem H i n t e r g r u n d erweitert sich n u n auch das Verständnis einer Reihe von erhaltenen u n d offenbar f ü r Männer bestimmten Renaissance-Spiegel. Bislang leicht zu verstehen waren diejenigen Exemplare gewesen, die etwa römische Imperatoren (z. B. Julius Caesar) oder aber exemplarische Taten wie den unerschrocken-stoischen Freitod des Seneca vor N e r o zeigen u n d damit ganz in die Kategorie belehrend-motivierender Tugend-Instrumente fallen. 851 Dagegen lassen sich Spiegel mit Darstellungen von Zeitgenossen - so etwa eine Plakette mit dem Altersbildnis des Tito Strozzi, um 1500 in mehreren Exemplaren und in
849 SABBA DA CASTIGLIONE 1999, S. 1 7 0 - 1 7 2 . - Z u m A u t o r als K u n s t k e n n e r vgl. A n t o n i e t t a Paolillo, Fra Sabba da Castiglione: a n t i q u a r i o e teorico del c o l l e z i o n i s m o nella F a e n z a del 1500, F a e n z a 2000; Sabba da Castiglione, 1480-1554: dalle corti rinascimentali alla c o m m e n d a di Faenza, hg. v. A n n a R. Gentilini, F l o r e n z 2004. 850 Z u r Semantik v o n Spiegeln i n s b e s o n d e r e i m H i n b l i c k auf Venus carnalis s. J o h n B. F r i e d m a n , L ' i c o n o g r a p h i e de V é n u s et d e s o n m i r o i r à la fin d u M o y e n âge, in: L'érotisme au M o y e n âge, hg. v. B r u n o Roy, M o n t r e a l 1977, S. 5 3 - 8 2 u n d C a t h y Santore, T h e Tools of Venus, in: Renaissance Studies, 11, 1997, S. 179-207; z u m s e m a n t i s c h e n S p e k t r u m des Spiegels in der Malerei e t w a CRANSTON 2000, S. 127-167 u n d (mit w e i t e r e r Literatur) U l r i c h Pfisterer, Visio u n d Veritas. A u g e n t ä u s c h u n g als E r k e n n t n i s w e g in der n o r d a l p i n e n Malerei am U b e r g a n g v o n Spätmittelalter zu F r ü h e r N e u z e i t , in: D i e A u t o r i t ä t des Bildes in d e r F r ü h e n N e u z e i t , hg. v. F r a n k B ü t t n e r / G a b r i e l e W i m b ö c k , M ü n s t e r 2005, S. 157-204. 851 Z u m .Julius Caesar'-Spiegel, d e r teilweise Filarete zugeschrieben u n d M i t t e des 15. Jh.s datiert w i r d (Bargello, Inv. 223B), s. TODERI / VANNEL TODERI 1996, S. 62 f. (Nr. 103). - Z u einem . N e r o ' mit p r o f i l i e r t e m R a n d u n d versilberter Rückseite (Berlin, Staad. M u s . S k u l p t u r e n s a m m l . , Inv. 1546), ebenfalls s c h o n Filarete b z w . d e m , M a e s t r o degli I m p e r a t o r i R o m a n i ' zugeschrieben, s. E. F. Bange, D i e italienischen B r o n z e n d e r Renaissance u n d des B a r o c k II: Reliefs u n d Plaketten (Staatliche M u s e e n zu Berlin. B e s c h r e i b u n g d e r B i l d w e r k e der christlichen E p o c h e n ) , B e r l i n / L e i p z i g 1922, S. 612.
Die Gaben der
342
Abb. 148
Liebe
Sperandio, Spiegcl-Pkkctte mit Bildnis des Tito Vespasiano Strozzi. Oxford, Ashmolean Museum
s p e z i e l l e r M e t a l l - L e g i e r u n g m i t p o l i e r t e r R ü c k s e i t e a u s g e f ü h r t - e i g e n t l i c h n u r als F r e u n d e s g a b e n v e r s t e h e n ( v o m S o n d e r f a l l a b g e s e h e n , d a ß der D a r g e s t e l l t e s e l b s t das S t ü c k b e n u t z t e ) ( A b b . 1 4 8 ) . S 5 - I m F r e u n d als .Spiegel des S e l b s t ' fallen bei diesen O b j e k t e n l i e b e n d e s E r i n n e r n u n d B e w u ß t m a c h u n g des T u g e n d - u n d A n s p r u c h s n i v e a u s für die e i g e n e P e r s o n in eins. W o h l am a u g e n f ä l l i g s t e n e r s c h e i n e n h i e r die L i e b e s - , F r e u n d s c h a f t s - u n d S p i e g e l b i l d e r der R e n a i s s a n c e als a u s t a u s c h b a r e b z w . f l i e ß e n d i n e i n a n d e r ü b e r g e h e n d e K a t e g o r i e n . D a m i t sind w i r a b e r i m H i n b l i c k auf A l e s s a n d r o C i n u z z i u n d d e n K r e i s u m L y s i p p u s bei der l e t z t e n F r a g e a n g e k o m m e n : W e l c h e k ü n s t l e r i s c h e n F o r m e n n e h m e n B i l d e r an, w e n n aus der M ä n n e r f r e u n d s c h a f t ein w i r k l i c h e s L i e b e s v e r h ä l t n i s w i r d . W i e s e h e n
homoerotische
L i e b e s b i l d e r u n d L i e b e s g a b e n der R e n a i s s a n c e aus?
852 Christopher Lloyd, Reconsidering Sperandio, in: Italian Medals 1987, S. 9 9 - 1 1 3 ; Jeremy Warren, Renaissance Master Bronzes from the Ashmolean Museum, Oxford. The Fortnum Collection, Oxford 1999, S. 54 f.: Von den acht nachweisbaren Exemplaren der Bildnisplakette Strozzis diente zumindest dasjenige in Ferrara, heute verloren, wohl ebenfalls als Spiegel.
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
343
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für Eingeweihte Erst in den 1520er und 30er Jahren fällt der .Mantel des Sokrates', unter dem der Philosoph gemeinsam mit dem schönen Alkibiades angeblich trotz aller Versuchungen tugendhaft-keusch die N a c h t verbracht hatte, endgültig und legt zukünftig die Geheimnisse des amor socraticus dem voyeuristischen Blick unverhüllt offen. 8 5 3 Im Gefolge der .Erfindung der Pornographie' in Bild und Text während des zweiten Viertels des 16. Jahrhunderts kann nun auch die Schilderung und Visualisierung homoerotischer Szenen in bis dato undenkbarem Maße explizit werden. 8 5 4 Denn w o ließe sich in Italien vor diesem Wendepunkt eine minutiöse Beschreibung darüber finden, wie ein Mädchen zunächst einen Jüngling beim Onanieren, wenig später beim mutuellen Analverkehr mit einem Freund, schließlich mit seiner frisch angetrauten Ehefrau beobachtet (im letzten Fall kniet die Voyeurin vor ihren Madonnenbildern!); um dann - nachdem sie von einer älteren Frau in ihr zuvor unbekannte körperliche Lüste eingeweiht worden ist - zunächst mit beiden dieser jungen Männer eine Liebesbeziehung einzugehen und später als Kurtisane zu leben (u. a. wird eine menage
à
trois mit einem Jüngling und einem älteren homosexuellen Kleriker geschildert). Schließlich resümiert sie ihre gesamten Erfahrungen der denkbaren Stellungen zwischen Frau und Frau, Mann und Mann und insbesondere die 35 modi zwischen Mann und Frau für eine Kollegin. 8 5 5 (Wobei ungeachtet aller Neuerungen die sexuelle Stimulanz und Provokation dieses Textes auch als Ubersteigerung oder ,Um-Kontextualisierung' einer zumindest ansatzweise bekannten Tradition eben solcher Voyeure in Liebesromanen und solcher .Stellungskataloge' etwa in den Sündenregistern der Theologen funktionierte. 8 5 6 ) U n d welche 853 Zur Vorstellung vom amor socraticus als .Mantel' für Homoerotik auch DALL'ORTO 1989. 854 Dazu FRANTZ 1989; FINDLEN 1994; TALVACCHIA 1999. - Zu den Formen und Traditionen spätmittelalterlicher Darstellungen von Sexualität s. zusammenfassend JONES 1994; zu alltäglichen Straßen-Graffitti und anderen Formen obszöner Späße und Beleidigungen etwa Elizabeth S. Cohen, Honor and Gender in the Streets of Early Modern Rome, in: Journal of Interdisciplinary History, 22, 1992, S. 597-625. 855 Pietro Aretino [eigentlich: Niccolò Franco], La Puttana Errante overo Dialogo di Madalena è Giulia, s.l. s.a. [ca. 1600], die zentralen Passagen S. 9f. und 11 lauten: „e poi [i due giovani] parme si accordassero; & ecco quell'altro giovine appoggiò le mani alla sedia, & il capo al telaio, e Federigo gli alzò la camiscia di dietro, e pigliò la facenda sua in mano, che era dritta, e messovi suso un poco di sputo, e con le mane molle toccava anchora le natiche di quel fanciullo, come se ci se tenesse per non cadere, e menando il culo indietro, & inanzi, alla fine spinse forte e stette così un pezzo; il fanciullo non diceva nulla, ma pareva che gli dogli esse poi se cavò fore e se l'asciugò a la camiscia, & in poco spatio egli medesimo s'acconcia nella medesima maniera che s'era acconccio il fanciullo: il quale fece il medesimo. [...] io in quella [stanza] di dietro, per non esser matonata, ne finita non vi tenevanno niente, & io vi havea poste alcune imagini di Nostra Donna, avanti delle quali mi inginocchiava, e diceva le mie orazioni ogni sera, prima che andassi al letto; [...] avenne che voltai occhi e viddi un poco di splendore, che veniva di sotto al quale accostandomi viddi ch'era un nodo, per avanti uscito d'un asse d'abero il quale era drittamente sopra il letto di Frederigo [...]." Das Resümee der 35 modi S. 31-34; aufschlußreich für die Einschätzung sexueller Praktiken wird erst ganz am Ende (S. 37f.) und quasi als maximale Steigerung und letzte Verwerflichkeit kurz heterosexuelle Fellatio erwähnt. - Dazu auch TOSCAN 1981, Bd. 1, S. 269 f. und FRANTZ 1989, S. 93-95. 856 Vgl. etwa A.C. Spearing, The Medieval Poet as Voyeur: Looking and Listening in Medieval LoveNarratives, Cambridge 1993 und James A. Brundage, Let Me Count the Ways: Canonists and
Die Gaben der Liebe
344
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Abb. 149
Umkreis des Raffael, Apoll mit Knabe. Stockholm, Nationalmuseum
frühere Darstellung wäre vergleichbar mit dem Zeichnungsblatt aus dem R a f f a e l - U m k r e i s , das offenbar Apoll mit einem seiner geliebten K n a b e n auf dem S c h o ß zeigt, wie er dessen Geschlechtsteil stimuliert und dabei - ähnlich der oben geschilderten Situation - von einer nun freilich weniger neugierigen denn entsetzten N y m p h e beobachtet wird ( A b b . 149)? 8 5 7 O d e r aber mit der fragmentarisch erhaltenen Zeichnung Parmigianinos, auf der ein älterer M a n n seinen mächtigen erigierten Phallus einem nebenstehenden Jüngling darbietet ( A b b . 150)? 858 O d e r mit einem Blatt Francesco Salviatis, das einen Jüngling wiederum in einer menage
a trois mit zwei älteren Männern eng aneinandergedrückt zeigt ( A b b . 151)? 8 5 9
Theologians Contemplate Coital Positions, in: Journal of Medieval History, 10, 1984, S. 8 1 - 9 3 . Selbst die Titelformulierung könnte auf einen spätmittelalterlichen französischen Roman wie Le Chevalier Errant anspielen. 857 Stockholm, Nazionalmuseum, Inv. 347, 288 x 2 2 9 mm; s. Bette Talvacchia, in: Giulio Romano, Mailand 1989, S. 283. 858 Arthur E. Popham, Catalogue of the drawings of Parmigianino, N e w Haven u.a. 1971, Nr. 496; vgl. die satirische Darstellung Nr. 409 zu einem Sänger/Apollo Citharoedus; zu diesen Zeichnungen jetzt auch David Ekserdjian, Parmigianino, N e w Häven/London 2006, S. 109-117. 859 Zu diesem Blatt, Paris, Ecole nationale supérieure des Beaux-Arts, Inv. E.B.A. n. 348 s. Alessandro Nova, in: Francesco Salviati o la Bella Maniera, hg. ν. Catherine Monbeig Goguel, Paris/Mailand 1998, S. 202 f. (Kat. 71).
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
345
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«w Abb. 150
Parmigianino, Erotische Szene. Paris, Louvre
Auch Parmigianinos Skizze eines jungen Mannes, an dessen Bein ein Hunderüde seine sexuelle P o t e n z erprobt, gewinnt angesichts des lächelnden Gesichtsausdrucks des Mannes eine mehr als zweideutige Konnotation. 8 6 0 E b e n s o ein Kupferstich dieser Jahre, auf dem Putten einen nackten, lagernden Bacchus umringen und just über seinem Geschlecht einen Schmetterling so in Empfang nehmen, als o b sie die ,Seele' des G o t t e s gerade aus diesem Köperteil befreit hätten. 8 6 1 Schließlich gelten seit jeher insbesondere M ö n c h e und Kleriker als der Päderastie ergeben, dargestellt wird dies aber dennoch erst mit neuartig-drastischem Spott auf einer Majolikaschale von 1532, auf der ein nackter Junge sein Hinterteil vor dem inschriftlich identifizierten F r a Mariano in Sicherheit zu bringen versucht. 8 6 2
860 Arthur E. Popham, Catalogue of the drawings of Parmigianino, New Haven u.a. 1971, Nr. 460. 861 Dem .Master of the Die' zugeschrieben, vgl. The Illustrated Bartsch, Bd. 29, hg. v. Suzanne Boorsche, New York 1982, S. 180 (23. I [199]); HERGEMÖLLER 2000, S. 56f.: Panormita spricht in einem Brief einen seiner Freunde als .farfalla' an; zu den im weiteren Sinne hier ebenfalls relevanten Sexualmetaphern des Fliegens und zu ingegno als Verweis auf den Penis s. TOSCAN 1981, Bd. 2, S. 1158-1160. 862 Vgl. RACKHAM 1977; SASLOW 1999. - Renaissance-Beispiele für die Vorstellung eines notorisch .sodomitischen Verhaltens' von Geistlichen bei TOSCAN 1981, Bd. 1, S. 215 f., LIMBECK 2000 und Lauro Martines, Raging against Priests in Italian Renaissance Verse, in: Society and Individual in Renaissance Florence, hg. v. William J. Connell, Berkeley u.a. 2002, S. 261-277.
346
Die Gaben der
A b b . 151
Liebe
Francesco Salviati, Jüngling mit zwei Männern.
Paris, E c o l e nationale supérieur des Beaux-Arts
Natürlich waren Homoerotik und Päderastie auch schon zuvor beschrieben und dargestellt worden - im nachantiken Italien aber doch vergleichsweise zurückhaltend: Laut Plinius war nicht nur die Knidische Venus des Praxiteles, sondern auch eine seiner Eros-Statuen von einem Betrachter .befleckt' worden. 863 Nachweislich zu sehen war im Rom des 15. Jahrhunderts auf dem Quirinal ein antiker Sarkophag, auf dem die beiden Liebesabenteuer des Jupiter in Gestalt eines Vogels: Leda und Ganymed, einander gegenüber standen. 864 Ebenso kannte man bereits Versionen einer Statuengruppe mit Pan, der mit erigiertem Phallus dem Olympos das Flöte-Spielen beibringt (Abb. 152). 865 Pädophilie sollte auch nicht erst mit Aretinos Komödie II Marescalco (1527/1533) zum zentralen Bühnenthema aufsteigen, sondern bereits 1437 mit dem Studentenstück De falso hypocrita des Mercurino Ranzo. 8 6 6 Daß der homoero-
863
Plinius, Nat. hist., 36, 22 f.; zum Gesamtphänomen s. Bertold Hinz, Statuenliebe - antiker Skandal und mittelalterliches Trauma, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 2 3 , 1 9 8 9 , S. 1 3 5 - 1 4 2 . Ein Beispiel für den burlesk-homoerotischen Blick des 16. Jahrhunderts auf eine Statue gibt A n t o n
Francesco Grazzinis Gedicht In lode della statua di san Giorgio di Donatello a Orsanmichele, dazu SCHRÖDER 2004, S. 4 7 - 5 4 . 864
B O B E R / RUBINSTEIN 1 9 9 1 , S. 5 3 f., N r . 5.
865
B O B E R / RUBINSTEIN 1 9 9 1 , S. 1 0 9 , N r . 74.
866 Dazu LIMBECK 2000. - Vgl. allerdings auch schon zu früheren Ansätzen Claire Sponsler, T h e King's Boyfriend. Froissart's Political Theatre of 1326, in: Queering the Middle Ages, hg. v. Steven F. Kruger / Glenn Burger, Minneapolis 2001, S. 1 4 3 - 1 6 7 .
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Abb. 152
Eingeweihte
347
Enea Vico (?), Kupferstich nach einer antiken Statuengruppe mit Pan und Olympos (Illustrated Bartsch, 30, S. 32)
tische Gehalt des Ganymed-, Narziß- oder Orpheus-Mythos Künstlern wie gelehrten Betrachtern des 15. Jahrhundert sehr wohl präsent war, kann etwa die druckgraphische Darstellung des Orpheus-Todes aus dem Mantegna-Umkreis belegen, auf der die vor den angreifenden Mänaden wegrennenden Knäblein deutlich signalisieren, daß sich Orpheus nach dem Tod der Eurydike der Pädophilie zugewandt hatte - auf Dürers Nachzeichnung des Stiches wird der mythische Sänger dann explizit als „puseran" identifiziert. 867 Dagegen scheint ein auf den 9. April 1506 datierter Stich des Marcantonio Raimondi, der zeigt, wie Apoll einen Arm um die Schultern eines seiner geliebten Jünglinge legt, wobei der begleitende Amor keinen Zweifel an der Art ihrer Verbindung läßt, erstmals ein gleichgeschlechtliches Liebespaar ohne 867 Zu Mantegna und Dürer, allerdings ohne wirklich auf das Thema Sodomie einzugehen, Antoinette Roesler-Friedenthal, Ein Porträt Andrea Mantegans als Alter Orpheus im Kontext seiner Selbstdarstellungen, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana, 31, 1996, S. 149-186; weiterhin zur Vorgeschichte der Mythendeutung Thomas Bein, Orpheus als Sodomit. Beobachtungen zu einer mittelhochdeutschen Sangspruchstrophe mit (literar)historischen Exkursen zur Homosexualität im hohen Mittelalter, in: Zeitschrift für deutsche Philologie, 109, 1990, S. 33-55. - Eine Ganymed-Darstellung im Liebeskontext etwa auf dem Titelblatt zu einer Abschrift von Ovids Ars amatoria aus den 1470er Jahren, vgl. Miniatura Fiorentina 1985, Bd. 2, Abb. 489.
348
Die Gaben der Liebe
153a-d
Florentiner Bildhauer des letzten Viertels des 15. Jh.s, Platonischer Jüngling. Florenz, Bargello
o f f e n s i c h t l i c h e m o r a l i s c h e V e r u r t e i l u n g darzustellen. 8 6 8 S c h l i e ß l i c h setzte m a n sich in der R e n a i s s a n c e intensiv m i t d e m W e s e n u n d den s i n n l i c h - s e x u e l l e n R e i z e n v o n H e r m a p h r o d i t e n auseinander. 8 6 9 V e r l ä ß t m a n die a n t i k e M y t h e n - u n d U b e r l i e f e r u n g s t r a d i t i o n im e n g e r e n S i n n e , b o t e n z u d e m m i t t e l a l t e r l i c h e H a n d s c h r i f t e n in i h r e n R a n d i l l u s t r a t i o n e n D a r s t e l l u n g e n , s o d o m i t i s c h e r A k t e ' . 8 7 0 U n d auf e i n e m s i n g u l ä r e n B e i n - K ä s t c h e n aus der v e n e z i a n i s c h e n W e r k s t a t t
868 Konrad Oberhuber, in: Humanismus in Bologna 1490-1510, hg. v. Marzia Faietti u.a., Ausstellungskat., Bologna/Wien 1988, S. 136f. (Kat. 24). Eine im Motiv vergleichbare Umarmung zeigt eine antike Statuengruppe, die sich in der Sammlung Angelo Coloccis befand und die als ,Sokrates umarmt Alcibiades' mißgedeutet wurde (anstatt .Dionysos und ein Satyr'), vgl. zuerst Andrea Fulvio, Antiquitates urbis, Rom [1527]. - Ungefähr zeitgleich zu dem Stich wäre Giorgiones Darstellung eines antiken Negativ-Exemplums homoerotischen Begehrens, der Übergriff des Gaius Lucius auf Trebonius (Plut., Marius), vorausgesetzt man akzeptiert den Deutungsvorschlag Edgar Winds für das schlecht erhaltene Doppelbildnis eines Kriegers und alten Mannes in Wien, vgl. Edgar Wind, Giorgiones Tempest, Oxford 1969, S. 8 - 1 0 und 31 f. sowie jüngst zusammenfassend zur neuen Forschungslage Sylvia Ferino Pagden, in: Giorgione. Mythos und Enigma, hg. v. ders. / Giovanna Nepi Scirè, Wien 2004, S. 2 1 2 - 2 1 4 (Kat. 12). 869 Vgl. BOBER / RUBINSTEIN 1991, S. 130, Nr. 98. - Zu einem berühmten mittelalterlichen Gedicht auf einen Hermaphroditen s. E. H. Alton, W h o wrote the Hermaphroditus?, in: Hermathena, 46, 1931, S. 136-141; zu Fällen des 15. Jahrhunderts (auch cross-dressing) s. HERGEMÖLLER 2000, S. 28 f. und 5 4 - 5 6 ; Naomi Yavneh, The Spiritual Eroticism of Leone's Hermaphrodite, in: Playing with Gender. A Renaissance Pursuit, hg. v.Jean R . Brink u.a., Urbana/Chicago 1991, S. 85-98. 870 Vgl. etwa Michael Camille, Image on the Edge. The Margins of Medieval Art, London 1992, S. 3 6 - 4 7 .
12. Unter dem Mantel des Sokrates:
Bilder für Eingeweihte
349
der Embriachi, entstanden im späten 14. Jahrhundert, sind auf dem Deckel nackte Jünglingspaare zu sehen, die wohl bei sportlichen Wettkämpfen eine Hand an das Geschlecht ihres Partners/Gegners führen - das könnte man zwar als eine etwas mißglückte kompositioneile Möglichkeit verstehen, die Pudenda zu verhüllen, mindestens so naheliegend scheint aber auch, diese Geste mit den antiken Berichten darüber zusammen zu bringen, daß die Knabenliebe im Kontext der griechischen Sitte, sich in den Gymnasia nackt zu ertüchtigen, entstanden und verbreitet worden war. 871 Im Gegensatz zu allen bisherigen Untersuchungen 872 vermuteter homoerotisch konnotierter Bildwerke und homoerotischer Gestaltungs- und Wahrnehmungsformen etwa von Männerakten in der Renaissance wird hier nun freilich nicht schon für das Quattrocento nach den wenigen Beispielen dieser vermeintlich ,expliziten' Visualisierungen gefragt. Gerade Aktdarstellungen an öffentlichen Statuen - etwa den Daviden von Donatello bis Michelangelo - scheinen zumindest bis ins frühe 16. Jahrhundert keinen großen Anstoß erregt zu haben. Trotz zahlreicher zeitgenössischer Äußerungen finden sich homoerotische Umdeutungen und Persiflagen zu diesen erst mit der Mitte des Cinquecento. 873 Nicht über
871 Zu dieser sehr schlecht bearbeiteten Objektgattung und dem genannten Stück: SCHLOSSER 1899, S. 233 (Nr. 124) im KHM, Wien, Inv. 8020; Elena Merlini, La .Bottega degli Embriachi' e i cofanetti eburnei fra Trecento e Quattrocento: una proposta di classificatione, in: Arte Cristiana, 76, 1988, S. 267-282, hier S. 274. - Zum Wissen über die antike Sitte nackter körperlicher Ertüchtigung s. Bessarions (allerdings apologetisches) Kapitel „Quomodo Plato mares ac feminas nudos exerceri voluerit", s. MÖHLER 1923-1942, Bd. 2, S. 523-531. 872 Vgl. etwa Joseph Manca, Sacred vs. Profane: Images of Sexual Vice in Renaissance Art, in: Studies i n I c o n o g r a p h y , 1 3 , 1 9 8 9 - 9 0 , S. 1 4 5 - 1 9 0 ; S t e r n w e i l e r 1 9 9 3 ; FULTON 1 9 9 7 ; RANDOLPH 2 0 0 2 , v . a .
S. 139-192 mit der weiteren Literatur zu Donatellos Bronze-David. 873
E i n B e i s p i e l b e i SCHRÖDER 2 0 0 4 .
350
Die Gaben der
Liebe
Darstellungen von Jünglings- oder Männerakten also, sondern vielmehr anhand von zunächst .unverdächtigen' Kunstobjekten und Bildwerken, die auch in Kontexten von heterosexuellem Liebesdiskurs und zwischenmännlicher amicitia verwendet wurden, läßt sich das eigentliche Potential einer homoerotischen Bildsprache erschließen. Denn zumeist weniger die Darstellung an sich (sei es in formaler oder inhaltlicher Hinsicht) als die mit ihr verbundenen Handlungs- und Wahrnehmungszusammenhänge konstituierten die homoerotische Bildsprache. Anders formuliert: Entsprechend dem Modell der Literatur und Dichtung gaben sich bestimmte Kunstobjekte unter dem Deckmantel tradierter Tugend- und Liebesikonographien ausschließlich einen eingeweihten Kreis von Rezipienten als homoerotisch konnotierte Bildchiffren zu erkennen. Die methodische Schwierigkeiten einer solchen These sind offensichtlich: Basierte in der bisherigen Genderforschung schon die Beurteilung der homoerotischen Anziehungskraft von männlichen Akt- oder knabenhaft-androgynen Porträtdarstellungen in vieler Hinsicht auf dem subjektiven, modernen Empfinden des jeweiligen Forschers bzw. der jeweiligen Forscherin, so scheint eine solche bewußt verhüllte Bildsprache den wissenschaftlichen Deutungsbemühungen noch größere Hemmnisse und Unsicherheitsfaktoren in den Weg zu stellen. Weiterkommen läßt sich nur über minutiöse Rekonstruktionen des sozialen Umfeldes der Hersteller und Besitzer solcher Bilder - wie es hier für den Kreis um Alessandro Cinuzzi im Quattrocento festgemacht werden sollte. Es sei daher vor diesem Fragenhorizont eine erneute, letzte Sichtung der relevanten Werke des Quattrocento - und insbesondere der Medaillen des Lysippus - unternommen. Nun ließe sich im 15.Jahrhundert das früheste Zeugnis einer nur leicht verschleierten Lobeshymne auf die Knabenliebe in Bildgestalt leicht benennen, wenn es sich nur bei der bronzenen Jünglingsbüste im Florentiner Bargello gesichert um ein Werk Donatellos aus den 1440er oder 1450er Jahren handeln würde (Farbtf. IX, Abb. 153): Die annähernd lebensgroße, 39,2 cm hohe und an der ausladensten Stelle des Sockels 42 cm breite Büste stellt einen ernst blickenden Jüngling mit leicht nach vorne und zur Seite geneigtem Kopf dar, dem allein ein Mantel um die Schultern gelegt scheint und der eine große Plakette mit der Auriga Piatonis als Brustschmuck an einem Band um den Hals trägt - also jenes im platonischen Dialog Phaedrus im Kontext von Schönheit, Liebe, Aufstieg und Unsterblichkeitshoffnung der Seele entwickelte Sinnbild vom Pferdelenker im zweispännigen Wagen mit einem nach oben und einem nach unten steuernden Zugpferd, d. h. den guten und schlechten Eigenschaften der Seele, die der intellekt- oder aber triebgesteuerte menschliche Wille in die eine oder andere Richtung zwingt.874 Freilich ist an diesem Werk alles so umstritten - ein Teil der Forschung schreibt es Donatello zu und datiert entweder um 1440, um 1453/55 oder um 1460, andere Attributions-Vorschläge favorisieren etwa Bertoldo di Giovanni und setzten es erst um 1470/75 an875 - , daß es an dieser Stelle unumgänglich ist zu
874 Erstmals erkannt von Rudolf Wittkower, A symbol of platonic love in a portrait bust by Donatello, in: Journal of the Warburg Institute, 1, 1937, S. 260 f. - Eine farbliche Differenzierung der Pferde nach ihrem Wesen - bei Piaton ist das gute weiß, das schlechte schwarz - findet sich dann auch außerhalb neoplatonischer Kontexte, etwa in Ariosts Orlando furioso, dazu SALZA 1901, S. 358f., und nördlich der Alpen etwa bereits nach 1452 bei Roi René, Mortifiement de vaine plaisance, Bibliothèque Royale Belgique, ms. 10.308, fol. 43r-v. 875 Für Donatello plädieren etwa Horst W. Janson, The Sculpture of Donatello, Princeton 1957, S. 141-143 (Datierung um 1440); Luba Freedman, Donatello's Bust of a Youth and the Ficino Canon of Proportion, in: Il ritratto e la memoria. Materiali 1, hg. v. Augusto Gentilini, Rom 1989,
12. Unter dem Mantel
des Sokrates:
Bilder für
Eingeweihte
351
klären, ob wir hier tatsächlich ein erstes und wegweisendes Bildzeugnis für die Florentiner Renaissance des amor
socraticus
vor uns haben, die n o c h vor der Neuübersetzung Marsilio
Ficinos und dem dadurch ausgelösten P l a t o n - K u l t unter L o r e n z o il Magnifico datieren würde. 8 7 6 Gleich vorab seien auch die beiden einzigen bislang bekannt gewordenen Archivquellen benannt, die möglicherweise z u m Verständnis des Werkes beitragen: In einem Brief v o m 12. September 1454 informiert Piero de' Medici seinen Verwalter der Villa von Cafaggiuolo, daß eine Sendung u . a . mit drei Gepäckstücken aus Donatellos Besitz unterwegs sei, darunter eine nicht weiter spezifizierte „testa di b r o n z o " . 8 7 7 D i e erste unzweifelhafte N e n n u n g der Büste findet sich dann 1560 im Medici-Inventar der Guardaroba C o s i m o s , allerdings mit der bezeichnenden Fehldeutung der „medaglia" auf der Brust als Apoll auf dem (Sonnen-)Wagen. 8 7 8 Zunächst gilt es nochmals zu betonen: N i c h t nur der B r u s t s c h m u c k mit dem ungleichen Pferdegespann rekurriert auf Piatons Vorgaben, sondern auch der Umstand, daß sich das O b j e k t am Hals eines Jünglings befindet, beschreibt doch Piaton explizit im K o n t e x t der Pferdegespann-Metapher die Liebe zu einem schönen K n a b e n oder Jüngling als Movens des Aufstiegs der guten Seelenkräfte, ja Piaton deutet sogar an, daß dessen Bildnis seine Stelle einnehmen könne - denn insbesondere der Philosoph verehrt und opfert dem Schönen „wie
S. 113-132, der eine komplizierte Hilfskonstruktion bemühen muß, um eine 1469 publizierte Schrift Ficinos auf ein von ihm ,um 1460' datiertes Werk anwenden zu können, das er zudem als Idealporträt des Isokrates, Lieblingsschüler des Sokrates, deutet; und jüngst mit den besten Argumenten LEWIS 2001; weiterhin Ilaria Taddei, in: Pulchritudo Amor Voluptas 2001, S. 104 f. (Kat. 15); eine in den 1460er Jahren entstandene, neoplatonisch inspirierte Memorialbüste für einen Verstorbenen, möglicherweise Giovanni de' Medici, den zweiten Sohn Cosimos, vermutet dann ohne jedes nachvollziehbare Argument Francis Ames-Lewis, Neoplatonism and the visual arts at the time of Marsilio Ficino, in: Marsilio Ficino: his theology, his philosophy, his legacy, hg. v. Michael J. B. Allen / Valéry Rees, Leiden/Boston/Köln 2002, S. 327-338, jüngst für Donatello, möglicherweise entstanden während der Paduaner Periode, argumentiert Maria G. Vaccari, in: In the Light of Apollo 2003, Bd. 1, S. 197 (Kat. II.3). - Gegen Donatello und für eine Datierung 1460/ 80 Jenö Lányi, Problemi della critica Donatelliana, in: La Critica dArte, 19, 1939, S. 9-22; CHAS T E L 1961, S. 3 9 - 4 4 macht bereits darauf aufmerksam, daß das Bild der Auriga Piatonis überhaupt erst gegen 1475 allgemein bekannt wurde, seine Zuschreibung schwankt zwischen Desiderio da Settignano oder Mino da Fiesole; für den dilettantischen Charakter' der Ausführung und eine Entstehung um 1470/75, möglicherweise von der Hand des Bertoldo di Giovanni, argumentiert Marco Collareta, in: Omaggio a Donatello 1386-1986, hg. ν. Paola Barocchi u.a., Florenz 1985, S. 336-342, und in: Eredità del Magnifico, Florenz 1992, S. 24 f.; ohne eigenen Vorschlag, aber gegen eine Zuschreibung an Donatello Artur Rosenauer, Donatello, Mailand 1993, S. 315 f. (Nr. 87) und John Pope-Hennessy, Donatello, New York 1993, S. 7. - Nicht weiter aufgegriffen wurde der Vorschlag von Alessandro Parronchi, Il busto bronzeo di Giovane del Bargello, in: Scritti di Storia delPArte in onore di Roberto Salvini, Florenz 1984, S. 301-307, ein Porträt Leonello d'Estes von der Hand Albertis zu erkennen. 876 Zur Datierung von Brunis Übersetzung HANKINS 1990, Bd. 2, S. 383. 877 Philip Foster, Donatello Notices in Medici Letters, in: Art Bulletin, 62, 1980, S. 148-150, der Eintrag läßt auch offen, ob es sich dabei überhaupt um ein Werk von Donatello selbst handeln muß: „Una tavola di bronzo / Una testa di bronzo / Una capsa vecchia - sono di Donatello". 878 Archivio di Stato, Guardaroba Medicea 45, fol. 65v und Guardaroba Medicea 65, fol. 165r: „una testa con parte del busto et co' capelli et nel petto una medaglia entrovi Febo sul carro"; zitiert nach C O L L A R E T A 1 9 8 5 , S . S . 3 3 6 f. u n d 4 8 3 f.
352
Die Gaben
der
Liebe
einem heiligen Bildwerk oder einem G o t t " . 8 7 9 Gerade weil die B r o n z e b ü s t e mit ihrer K o m bination von Jüngling und Plakette aber so eindeutig die Ausführungen des platonischen Phaedrus
aufgreift, scheidet Brunis lateinische Fassung von 1424 als Textgrundlage zwei-
felsfrei aus: Setzte der Florentiner Kanzler doch - wie bereits o b e n angedeutet - alles daran, die Verbindung v o m Seelenaufstieg des Tugendhaften bzw. von der Auriga
mit jugendlich-
männlicher Schönheit und H o m o e r o t i k / P ä d o p h i l i e zu verschleiern. N i c h t nur in seiner gekürzten Fassung des Pferdegespann-Gleichnisses im Phaedrus
- und dann auch in ande-
ren Schriften Brunis, die dieses oder ein ähnliches Simile auf die Seele beziehen - sind alle Hinweise auf Jünglinge und den amor
socraticus
konsequent unterdrückt; entsprechend
transformierte Bruni auch in seiner Übertragung der Rede des Alkibiades aus dem
Sympo-
sium von 1435 den Text und insbesondere den zentralen Verführungsversuch des Alkibiades an Sokrates vollständig zu einem jeder erotischen K o m p o n e n t e entkleideten L o b s o m a t i scher Weisheit und Tugend. 8 8 0 N o c h im F l o r e n z der J a h r e u m 1460 finden sich in den
879 Piaton, Phaidros, 251a. - Eine neuere Zusammenfassung von Piatons Gedanken und weiterführende Literatur bei EBBERSMEYER 2003, S. 26-31. 880 HANKINS 1990, Bd. 1, S. 80 f. - Es können hier nur die beiden zentralen Ubersetzungs-Passagen zur Auriga Piatonis wiedergegeben werden, s. B R U N I , fol. 46r-50r: „Similis videtur ingenita potentia alato viro Sc aurige. Deorum igitur equi Sc aurige: Omnes hi boni & ex bonis: Alij permixti: Se primo quidem nostri dominator habenas regit: Deinde quorum alter bonus pulcher Si ex talibus. alter contrarius & ex contrarijs: ex quo fit: ut gravis sit Sc difficilis aurigatio nostra: unde ergo mortale Sc inmortale animal vocitatur conandum est dicere. [...] Pulcritudo autem quemadmodum diximus cum illis fulgebat tunc Sc hue profecti eius similitudinem criminis cernimus. perefficacissimum sensum nostrorum efficacissime fulgentem: Visus enim innobilis acutissimus est sensuum omnium qui per corpus fiunt: quo sapientia non cernitur. Incredibiles enim excitarent amores siquid tale simulacrum oculis cerni posset : Item est de ceteris eiuscemodi desiderabilibus: At enim pulcritudo sola hoc habet ut Sc cerni possit Sc desiderabilis sit : Quamlibet vero animam ab initio trifariam divisimus: Duae equorum forme: duae quedam speties. Auriga vero tertia: Equorum vero Alter bonus: alter non: bonus forma rectus & articulatim distinctus: ardua cervice: nitido colore: nigris oculis argutis naribus: honoris appetens cum temperantia & pudore promptus cohortatione solum Sc ratione regitur. Alter intortus & multiplex brevi atque vigenti collo fusco colore: oculis cesijs: inglorius contumax vix flagello: stimulisque obtemperans: cum ergo aurige obiectum est aliquid quod in cupiditatem sui pelliceat tunc qui inobediens est equorum petulantia fretus: neque stimulis: neque habenis: neque verberibus coerceri potest: sed exultât ac violentia elatus convicinum sibi equum: aurigamque perturbât & rapit donec quadriga se ipsum damnamus ac resipiscens frenos incutit; atque os impurum: linguamque deverberans sistere tandem: temperareque compellit: [...]·" - Allein der erste Teil des Vorworts zu Brunis Ubersetzung mit der Widmung an Antonio Loschi ist publiziert in Leonardo Bruni Aretino, Humanistisch-philosophische Schriften mit einer Chronologie seiner Werke und Briefe, hg. v. Hans Baron, Leipzig/Berlin 1928, S. 125f. Zu einer anderen Pferde-Metapher für die Seele in Brunis Isagogicon moralis diseiplinae (1421/24); ansonsten eine an der Nikomacbischen Ethik des Aristoteles orientierte Schrift) vgl. ebd. S. 29 f. In De interpretation recta (um 1420?), ebd. S. 88 f., erläutert Bruni am Beispiel von Phaedrus 237B ff. die Schwierigkeiten einer angemessenen Ubersetzung von ,geschmückten' Sprach- bzw. Schreibstilen; dabei ist zwar vom amans, von amicitia, voluptas und libido die Rede, aber für den unvoreingenommenen Leser kaum homoerotisch interpretierbar; allgemein zu Sokrates/Platon als Vorläufer christlichen Gedankengutes schließlich S. 71 f. - Vgl. auch die Schilderung und Deutung der Alkibiades-Episode in der 1440 niedergeschriebenen Sokrates-Vita des MANETTI 1979, S. 131 und 151 f.
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
353
Hunderten von Seiten der an Piaton orientierten ,Liebesschrift' des Lorenzo Pisano zwar Hinweise zum Aufstieg der .gefiederten Seele' des Guten, nicht aber das vollständige Gleichnis vom Wagenlenker und seinen beiden konträren Rossen. 881 Ähnliches gilt auch noch später für die Erwähnung des „currus animae" bei Cristoforo Landino, Ugolino Verino und Giovanni Nesi. 882 Wenn also - wie bereits gezeigt - des Sokrates' und Piatons Vorlieben für Knaben den Humanisten trotz vielfacher Zensurbemühungen ab den 1420er Jahren über andere Wege bekannt wurden, so bleibt doch weiterhin als gewichtiges Gegenargument zur Frühdatierung der Jünglingsbüste bestehen, daß über diese Texte nun gerade kein expliziter Zusammenhang zwischen Auriga Piatonis und Homophilie herzustellen war. Dies änderte sich erst mit Bessarions Verteidigungsschrift In Calumniatorem Piatonis, die 1469 in lateinischer Ubersetzung im Druck erschienen erstmals in diesem Kontext ausführlich das Gleichnis des Wagenlenkers und seiner beiden Pferde anführt, ja das gesamte vierte Buch ausschließlich darauf verwendet, den Vorwurf der voluptas gegen Sokrates und Piaton zu entkräften: Zwar bestreitet Bessarion gar nicht, „daß es in jeder Nation zahlreiche Personen pervertierter Natur und verkommener Sitten gegeben hat, die nicht die Seelen, sondern die Körper von Männern liebten", aber für seine beiden Heroen gelte dies in keiner Weise, wie seine ganz wörtliche und getreue Auslegung der strittigen Passagen - u.a. die Schilderung der auriga Piatonis - zeige. 883 In Ficinos Arbeiten zu Piaton finden sich Schilderungen des Wagenlenkers dann ab 1457 mehrfach, seine neue Phaedrus-Xibtrstvzung entstand mit einiger Wahrscheinlichkeit zwischen 1466 und 1468 - die volle Bedeutung homoerotischer Schönheit für das platonische Ideal des Seelenaufstiegs dürfte dabei insbesondere in Verbindung mit seinem Symposion-Kommentar (De amore), der ebenfalls zwischen 1468 und 1469 niedergeschrieben, mehrfach revidiert und 1484 endgültig und zusammen mit der PhaedrusÜbersetzung im Druck publiziert wurde, deutlich geworden sein. 884 1 5 06 sollte dann etwa Raffaele Maffei Volterrano gleich sein Kapitel zur .unzüchtigen Liebe' mit dem Hinweis auf das schlechte Pferd im Platonischen Seelengespann beginnen. 885 Allein die Chronologie des Bekanntwerdens von Piatons ^4«nga-Gleichnis scheint also Datierungen der Darstellung vor Ende der 1450er Jahre definitiv auszuschließen; setzt man zur Entstehungszeit der Büste eine gewisse Bekanntheit der platonischen Schriften in den gelehrten (Florentiner) Kreisen voraus, wird eine Datierung ab ca. 1470 die meiste Wahrscheinlichkeit beanspruchen dürfen.
881
PISANO.
882 Bei LANDINO 1980, 3, 134 und Ugolino Verino, Carlias, hg. v. Nikolaus Thum, München 1995, VIII, vv. 205-225 in Verbindung gebracht mit dem alttestamentarischen Wagen des Elias und etwa Anticlaudianus, 5, 248 ff.; bei NESI, Buch I (erste Fassung 1484) wird die Vorstellung vom Menschen als biga aus Seele und Körper auf Marcus Varrò zurück geführt. 883 MÖHLER 1923-1942, hier Bd. 2, S. 461-475 (IV, 2, 11-18), als Einleitung die Versicherung: „Sed quae aliter a Platone dicta sunt, quam ipse recitet, explicabo nihil addens aut comminuens aut mutans aut instar adversarii depravans atque corrumpens, quoniam auctoris sententiam sincere et de verbo, ut aiunt, ad verbum interpretabor." 884 Dazu ausführlich mit allen Texten ALLEN 1981. - Vgl. dann auch 1484 ff. Giovanni Nesi, De moribus, BMLF, Laur. plut. 77, 24, wo zu Beginn des ersten Buches die tugendhafte Körperliebe des Socrates („philosomatus") und das Pferdegespann-Gleichnis vorgestellt werden. 885 Vgl. Appendix D.
354
Die Gaben
der
Liebe
N i m m t man nun die Büste selbst in den Blick, so erinnert auf den meist frontal aufgen o m m e n Photographien der versonnen-melancholisch wirkende Ausdruck des kurzgelockten Jünglings mit seinem ovalen und ideal-glatten Gesicht zunächst an D o n a t e l l o s B r o n z e David aus den Jahren um 1440. 8 8 6 Dieser vergleichbare E i n d r u c k resultiert freilich nicht primär aus ihrer engen stilistischen Verwandtschaft, sondern daraus, daß beide jungen M ä n n e r mit leicht nach vorn geneigtem K o p f gedankenverloren schräg am Betrachter vorbei einen entfernten Punkt am B o d e n zu fixieren scheinen. Versetzt man jedoch Donatellos David in seinen ursprünglichen K o n t e x t auf eine übermannshohe Säule im H o f des Palazzo Medici zurück, relativiert sich bei diesem der E i n d r u c k des Träumerischen. Entsprechend dürfte auch die B r o n z e b ü s t e für eine erhöhte Aufstellung gedacht gewesen sein, allerdings nur so hoch, daß das Relief auf der Brust noch gut zu erkennen war - eine Plazierung, wie sie ähnlich auch für andere Frührenaissance-Büsten überliefert ist 8 8 7 : D e r Jüngling hätte sich dann gerade nicht als in sich selbst verloren, sondern als konzentriert-ernstes, durch die angedeutete K o p f w e n d u n g sogar auf den Betrachter reagierendes Gegenüber präsentiert. Allerdings ein G e g e n ü b e r aus ferner Vergangenheit oder einer .Wunschzeit', wie die antikische Gewandung, ein nur über die Schultern gelegter Mantel, deutlich macht. Dieser so demonstrativ von der zeitgenössischen Tracht abweichende, antikische U m h a n g wirft Fragen auf: W o m i t ist der Jüngling noch bekleidet oder m u ß man ihn sich abgesehen vom Mantel nackt vorstellen? Wie hält der Stoff überhaupt auf den Schultern, und: warum ist er an der linken Schulter im Fall der Stoffbahn waagerecht abgeschnitten, wogegen die rechte Schulter nur vom Stoffende mit seinen Quasten bedeckt scheint, wobei der Mantelwurf und die Falten bereits auf der Rückseite dem Verlauf der Standplatte zu folgen beginnen und diese dann vorne sogar an einer Stelle überlappen? M ö g e n diese Bemerkungen zunächst wenig relevant klingen, sie führen doch zu zwei zentralen Punkten: der seltsamen, möglicherweise mangelnden Durchdachtheit der Gewandung, wie sie sich in dieser F o r m bei D o n a t e l l o ansonsten nicht nachweisen läßt, und dem Verhältnis von G e w a n d und Standplatte. D i e profane Büste der Frührenaissance betont mit ihrem horizontalen Schnitt durch die Brust der dargestellten Person im Gegensatz zum geschwungenen antiken B ü s t e n - A b schluß die Fiktion, man stehe dem .gesamten' lebenden Menschen gegenüber. 8 8 8 Deutlich sichtbare Standplatten, die dieser Wirkung wieder entgegen arbeiten, finden sich dagegen bezeichnenderweise erstmals mit gesicherter Datierung bei M i n o da Fiesoles
all'antica-Por-
trät des Alesso di Luca Mini in antikischer Rüstung ( 1 4 5 6 ) und wohl noch etwas früher bei einer Reihe von plastischen Darstellungen des jugendlichen Johannes d. T., des Christus-
886 Sollte Luba Freedman, Donatello's Bust of a Youth and the Ficino Canon of Proportion, in: II ritratto e la memoria, hg. ν. Augusto Gentilini, Bd. 1, Rom 1989, S. 113-132 mit seiner Beobachtung recht haben, daß das Gesicht der Jünglingsbüste nach dem neuen, von Ficino in De amore entwickelten Proportionskanon gestaltet wurde, würde auch dies - gegen Freedmans eigenen, früheren Datierungsvorschlag - doch wohl am einfachsten für eine Entstehung nach 1469 sprechen. Im größeren Kontext von .Idealporträts' nochmals behandelt von Luba Freedman, The Counter-Portrait: The Quest for the Ideal in Italian Renaissance Portraiture, in: Il ritratto e la memoria, hg. Augusto Gentiniii u. a., Bd. 3, Rom 1993, S. 62-81. 887 Vgl. zusammenfassend JOHNSON 2000 und Dora Thornton, The status and display of small bronzes in the Italian Renaissance interior, in: Sculpture Journal, 5, 2001, S. 33-41. 888 Irving Lavin, On the Sources and Meaning of the Renaissance Portrait Bust, in: Art Quarterly, 33, 1970, S. 207-226.
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
355
Eingeweihte
A b b . 154. D e s i d e r i o da Settignano, S. G i o v a n n i n o W i d e n e r . Washington, National Gallerv
k n a b e n b z w . bei Reliefs mit d e n K ö p f e n antiker C ä s a r e n (von D e s i d e r i o da
Settignano,
A n d r e a d e l l a R o b b i a u n d A n t o n i o R o s s e l l i n o ) - alles B ü s t e n a l s o , d i e e i n e h e r o i s c h - h i s t o r i s c h e o d e r h e i l s g e s c h i c h t l i c h e D i s t a n z i e r t h e i t z u m B e t r a c h t e r i n t e n d i e r e n ( A b b . 154). S S 9 D a ß sich die S c h ö p f e r dieser B ü s t e n des W i d e r s p r u c h s z u m f r ü h e r e n P r i n z i p des s o c k e l l o sen D u r c h s c h n i t t s sehr b e w u ß t w a r e n , zeigen dabei a u c h hier h ä u f i g die k u n s t v o l l
den
Sockel nicht nur umspielenden, sondern geradezu thematisierenden Gewandfalten.
Nun
889 F ü r M i n o s. Z u r a w 1993, S. 502-508 (zu Alesso di Luca Mini u n d d e m 1461 datierten R i n a l d o della Luna), S. 7 6 0 - 7 6 6 ( z u m 1464 datierten Diotisalvi N e r o n i ) , S. 7 3 5 - 7 4 0 (die f r ü h e s t e J o h a n n e s Büste in Lyon, wahrscheinlich 1455), S. 743-745, 741-750 (spätere J o h a n n e s - B ü s t e n ) ; zu D e s i d e r i o (mit D a t i e r u n g u m 1455/60) u n d d e m späteren Werk des A n t o n i o Rossellino s. Ida Cardellini, D e s i d e r i o da Settignano, Mailand 1962, S. 194-197 u n d die Beispiele in D e s i d e r i o da Settignano 2007; z u r f r ü h e s t e n glasierten T e r r a c o t t a - B ü s t e eines Cristo Fanciullino (Paris) mit Standplatte von A n d r e a della R o b b i a , u m 1460, s. G i a n c a r l o Gentilini, I della R o b b i a , F l o r e n z 1992, Bd. 2, S. 173; vgl. auch die unglasierte T e r r a c o t t a - K n a b e n b ü s t e eines D e s i d e r i o - N a c h f o l g e r s in Paris, s. Françoise de la M o u r e v r e - G a v o t y , Institut de France, Paris - M u s é e J a c q u e m a r t - A n d r é : Sculpture Italienne, Paris 1975, N r . 37 („vers 1470"); schließlich zu einer in m e h r e r e n E x e m p l a r e n unterschiedlichen Materials erhaltenen K n a b e n b ü s t e mit H ü n d c h e n auf Sockelplatte (um 1465/75) Linda Pisani, Per il .Maestro delle M a d o n n e di m a r m o ' : una rilettura ed una p r o p o s t a di identificazione, in: P r o s p e t tiva, 106-107, 2002, S. 144-165, hier S. 149. Zu weiteren Bsp. die Beiträge v o n Philine Helas u n d Linda Pisani in: K o p f / B i l d 2007.
Die Gaben
356
der
Liebe
stellt Donatello auch in dieser Hinsicht insofern eine Ausnahme dar, als bereits bei seiner Reliquienbüste des Hl. Rossore, entstanden zwischen 1422 und 1427, also lange vor den genannten anderen Beispielen, der Mantel des Ritterheiligen an der vorderen Unterkante der Büste teils auf einem erd-ähnlichen Hügel aufzuliegen scheint, teils hinter einer Kante (einem Rüstungsteil?) verschwindet. 890 Allerdings erweist sich auch der Vergleich mit diesem Beispiel weniger als Argument für die Zuschreibung des .platonischen Jünglings' an Donatello als dagegen: Selbst wenn der am unteren Abschluß unschön bearbeitete Bronzeabschluß des Jünglings mit einiger Sicherheit in einen Sockel eingelassen werden sollte, so muß er doch im oberen Bereich angesichts der den Rand überlappenden Gewandung an der rechten Schulter sichtbar geblieben sein. Dabei drängt sich nun aber der Eindruck auf, diese zaghafte und in ihrer Logik undurchsichtige Gewandauffassung setze nicht die exzeptionelle Lösung des Hl. Rossore fort, zu dessen Gewandbehandlung kein größerer Kontrast bestehen könnte, sondern adaptiere vielmehr wenig souverän eben erst die Lösungen von Desiderio, Mino da Fiesole oder Antonio Rossellino. Auch diese Überlegungen führen zum Ergebnis, daß der Jüngling dann frühestens ab ca. 1460 entstanden sein kann. Wenden wir uns schließlich dem auffälligsten Element zu, der übergroßen Plakette bzw. der im Inventar von 1560 so genannten medaglia.™ Geschnittene Steine als Anhänger wurden zu dieser Zeit tatsächlich von jungen Männern getragen. Allein durch diesen Umstand war etwa Niccolò Niccoli um 1429 in den Besitz der berühmten Diomedes-Gemme gekommen - er hatte sie am Hals eines Straßenjungen entdeckt und diesem dann abgekauft. Auch Bronzeplaketten des 15. Jahrhunderts, sogar genau das Motiv des Wagenlenkers, sind als Anhänger überliefert. 892 Aber alle diese Beispiele sind deutlich kleiner als das Exemplar des Bronzejünglings. Gut vergleichbar in dieser Hinsicht erscheinen jedoch Frauenbüsten in mehr oder weniger erhabenem Relief, die an einer Kette einen überdimensioniert großen Spiegel oder allgemeiner formuliert: einen runden Einsatzrahmen für ein Objekt um den Hals und vor der Brust hängend tragen. Das früheste bekannte Exemplar von der Hand Desiderios wird um 1465 datiert, die weiteste Verbreitung erlangten diese idealen Frauendarstellungen aber erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts (Abb. 155, 156). 893 Der Spiegel, in dem sich der liebende Betrachter selbst gesehen hätte, aber auch ein genauso denkbares Einsatzbildnis des Geliebten mußten gleich eine ganze Assoziationskette von Gedanken aufrufen: Zunächst durfte man sich in dauerndem Kontakt mit der Geliebten
890 Artur Rosenauer, Donatello, Mailand 1993, S. 102 f. (Kat. 16); zuletzt Laurie Taylor-Mitchell, Donatello's San Rossore,
the battle of San R o m a n o and the church of Ognissanti, in: Burlington
Magazine, 148, 2006, S. 6 8 5 - 6 8 8 . 891
G e m m e n mit zweispännigen Pferdewagen und geflügelten Lenkern sind im
15.Jahrhundert
mehrere bekannt; allerdings scheint doch auffällig und könnte meinen Datierungsvorschlag unterstützen, daß erst 1471 Lorenzo de' Medici ein solches Stück aus der Sammlung Pauls II. erwirbt; dazu Nicole Dacos u.a., Il tesoro di Lorenzo il Magnifico: Le gemme, Florenz 1972, Nr. 7. 892 Zu Niccoli und der G e m m e s. PFISTERER 2002, S. 187 f.; zur Plakette TODERI / VANNEL TODERI 1996, S. 18 (Nr. 1) und Marco Sealini, in: In the Light of Apollo 2003, Bd. 1, S. 198 (Kat. II.4). 893 Zu Desiderios Büste in Paris s. ZURAW 1993, S. 8 1 3 - 8 1 6 (cat. 48), allerdings mit dem durch kein weiteres Indiz zu stützenden Vorschlag, den Brustschmuck als „reliquiary container" zu verstehen; zu einem Exemplar aus dem Venedig des späten 15. Jahrhunderts und einem Sieneser Stück aus Cartapesta (Mitte 1470er Jahre), s. Pope-Hennessy 1964, Bd. 1, S. 2 7 0 f . (Nr. 284); ein um 1500 entstandenes Exemplar aus Maiolika in London, V & A Museum, bei RACKHAM 1977, Nr. 351.
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
A b b . 155
Eingeweihte
35 7
W e r k s t a t t des N e r o c c i o d e ' L a n d i , S p i e g e l r a h m e n aus b e m a l t e r
und vergoldeter Cartapesta. L o n d o n , Victoria & Albert M u s e u m
w ä h n e n , der A mor Pictor
das eigene K o n t e r f e i quasi auf und ins H e r z e n gemalt hätte. A n d e -
rerseits stellen Spiegel oder Bildnis - wie bereits gesehen - auch eine mahnende Verpflichtung (im Sinne des „ E r k e n n e D i c h s e l b s t " ) an den B e t r a c h t e r dar, nämlich dem ,Tugendspiegel' der geliebten Person auch wirklich gerecht zu werden. 8 9 4 E i n ähnliches ( S i n n - ) B i l d beschreibt im übrigen bereits Alberti für eine S o n d e r f o r m der ( N ä c h s t e n - ) L i e b e , nämlich die . W o h l t a t ' , wenn es in seiner E r z ä h l u n g Picturae der Tugenden und Laster zur beneficentia
in einer R e i h e von Personifikationen
heißt: „ A n dritter Stelle ist eine nackte Frau
gemalt. Anstelle eines H e r z e n s befindet sich ein Spiegel v o r ihrer B r u s t , und anstelle eines Spiegels hält sie ein H e r z v o r sich. In diesem H e r z e n erscheint das Bild eines Spiegels, und in dem Spiegel v o r ihrer B r u s t erscheint das Bild der ganzen Frau. U b e r ihr steht geschrieben: W o h l t a t , ( . . . ) . " s 9 5 D e r E m p f ä n g e r der W o h l t a t wird so z u m Bildnis des Spenders wie in der (neu-)platonischen Liebeslehre der L i e b e n d e zu d e m j e n i g e n der/des G e l i e b t e n und vice versa. In jedem Fall verweist das A b - oder Spiegelbild v o r der Brust letztlich auf die seelische Verfaßtheit, so daß in Ü b e r t r a g u n g auf die b r o n z e n e J ü n g l i n g s b ü s t e auch hier die medaglia
als ,Seelenspiegel' des Betrachters gedeutet werden darf.
D a m i t aber würde ein weiteres, zentrales E l e m e n t der im Phaedrus und von F i c i n o (De amore,
894
( 2 5 5 c - e ) entwickelten
7, 8) aufgegriffenen L i e b e s t h e o r i e anschauliche Gestalt gewin-
Z u diesen Vorstellungen s.o.; z u r didaktisch-seelenbildnerischen
Funktion von
Quattrocento-
Porträts zuletzt Z Ö L L N E R 2005. 895
L e o n B a t t i s t a A l b e r t i , A l c u n e i n t e r c e n a l i i n e d i t e , hg. ν. E u g e n i o G a r i n , in: R i n a s c i m e n t o , N . S . , 4, 1 9 6 4 , S. 1 3 1 .
358
Die Gaben der Liebe
Abb. 156 Mino da Fiesole, Spiegelrahmen (Marmor). Paris, Bibliothèque Nationale, Cabinet des Médailles nen - die Vorstellung, „daß er [unwissend] wie in einem Spiegel im Liebenden sich selbst beschaut". Sieht man dies mit der Aussage Plutarchs (Symp. 5, 7) zusammen, der Liebende .zerschmelze' beim Anblick des Geliebten, dann könnten zudem die ,umformbaren' Materialien der Büste - das Wachs des Modells bzw. die B r o n z e der Ausführung - das Assoziationsfeld sogar noch bereichern. Thematisiert wird mit der Büste jedenfalls das Zusammenfallen und gegenseitige Anverwandeln von (älterem) Liebenden und (jüngerem) Geliebten vermittelt über die M a c h t des Sehens. D a b e i war dieser Topos v o m ,Ich D u , D u I c h ' in ähnlicher (natürlich zumeist auf M a n n - F r a u - B e z i e h u n g e n angewandter) F o r m das gesamte Mittelalter präsent, in Italien hatten ihn etwa schon Dante, Petrarca und dann C o l u c c i o Salutati skizziert. 8 9 6 Ziel dieses zirkulären Prozesses ist jedenfalls Tugend auf beiden Seiten.
896 Diese Vorstellung, wie sie für Ficino ausführlich HYATTE 1993 und EBBERSMEYER 2003, S. 79-88 darstellen, ist auch in der christlichen Tradition geläufig, vgl. Dante Alighieri, Convivio (Opere Minori II/l), hg. ν. Cesare Vasoli / Domenico De Robertis, Mailand/Neapel 1995, S. 296-306 (III, 1 , 9 - 2 , 9); Francesco Petrarca, De secreto conflictu curarum mearum, in: ders., Prose, hg. v. Guido Martellotti u.a., Mailand/Neapel 1955, S. 144; SALUTATI 1891-1905, hier Bd. 3, S. 44; zur Bedeutung des Blicks auch ALEXANDER DE FABRIANO, fol. 87v; schließlich Antonio degli Aglis Beitrag zum Certame Coronario in: De vera amicitia 1993, S. 227; Felicano spricht vom „per speculo inanzi agli occhi", dazu RIVA 1963; insgesamt zur mittelalterlichen Vorgeschichte OHLY 1974; zur Rezeption im Cinquecento CRANSTON 2000, S. 160-162. - Daß auch die Liebe zwischen Mann und Frau des weiteren mit Flugmetaphern beschrieben werden kann, läßt sich etwa aus Sonetten Petrarcas ersehen, vgl. Joachim Küpper, Schiffsreise und Seelenflug. Zur Refunktionalisierung christlicher Bilderwelten im Canzoniere, in: K Ü P P E R 2002.
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
359
Der Liebende idealisiert sein Gegenüber, wie es wiederum nicht erst Ficino beschreibt, der seiner Diotima jedoch den besonders expliziten Rat an Sokrates in den Mund legt, den Alkibiades imaginativ aus den schönsten Körperteilen ihm bekannter Jünglinge in vollkommener Form zusammenzusetzen (bekanntlich auch das Vorgehen des Malers Zeuxis).897 Bereits Guarino da Verona vergleicht 1437 das Erfassen des wahren und zugleich idealen Inneren des Freundes im Gegensatz zum .äußerlichen' Lob des Schmeichlers mit zwei Malern, deren einer das Wesen einer Person in seiner überhöhten Darstellung einzufangen vermag, wogegen der andere, schlechte Porträtist sich bei den äußerlichen Details wie Hautfalten, Haaren und ähnlichem als den vermeintlich wichtigen Charakteristika aufhält.898 Dieser Überhöhungsprozeß auf Seiten des Liebenden spornt dabei zugleich den Geliebten an, sich diesem Ideal anzunähern - möglicherweise darf man in diesem Sinne die prominente Ader auf der Stirn der Jünglingsbüste verstehen: Sie könnte für den widerspenstigen Teil seiner Natur stehen (das .schlechte Pferd' der Auriga Piatonis), den es kontinuierlich willentlich zu zähmen gilt.899 Der antikisch nackte, nur mit übergeworfenem Mantel bekleidete Jüngling - in dem man nun den zum beros idealisierten Geliebten Ficinos erkennen darf - mit einem Anhänger des platonischen Wagenlenkers um den Hals hätte also den Theorien in der Nachfolge Piatons zum Seelenaufstieg, angetrieben vom Liebe entflammenden Anblick jugendlich-männlicher Schönheit, anschauliche Gestalt verliehen. Allein die Idee für einen solchen ,Seelenspiegel' auf der Brust, für eine solche Bildchiffre in Bronze, wäre eine Neuerfindung ohne antikes Vorbild, die nächsten Parallelen fänden sich bei modernen Frauenbüsten mit Spiegeln vor dem Herzen. Nun lassen sich aber zeitgleiche oder nur wenig spätere Text- und Bildquellen anführen, die darauf hindeuten, daß in der Renaissance auch diese Vorstellung vom Brustschmuck als Seelenspiegel für ,antik' gehalten wurde. So erläutern Niccolò Perotti und Ambrogio Calepino in ihren Lexika aus den 1470er Jahren bzw. von 1502 unter dem Stichwort .Bulla' ausführlich, daß die Römer den freigeborenen, edlen heranwachsenden Knaben zunächst denjenigen, die sich in besonderem Maße bewährt hatten - eine bulla um den Hals hängten, d.h. ein „Abbild ihres Herzens" in „runder Herzform", das als Amulett und zugleich hieroglyphenartige Bildchiffre Charakter und zukünftig erhoffte Taten des Trägers 897 FICINO 2004, S. 2 8 8 - 2 9 9 (6, 18). - Interessanterweise spottet PLATINA 1999, S. 99 f. gerade über diese visuelle Dimension des Liebesbegehrens, die das Gegenüber zum Ideal verklärt: „Verum multa res profecto est quae nos falso magis haec inter bona adiudicare faciat quam oculorum nostrorum crassus et obtusus intuitus, quo turpes ac informes Veneri et Narcisso plerumque comparamus." 898
GUARINO DA VERONA, fol. 43v: „[...]. Pictores mali cum eximiam corporis staturam per artis inopiam et imbecillitatem ingenij representare non possint, nescio quas rugis, sentiginibus, cicatricibus similitudines referunt. Sic et assentator cum virtutes assequi non lieceat [ . . . ] . " - Dieser Brief an Leonello d'Esté wird in der ansonsten ausgezeichneten Briefausgabe von Remigio Sabbadini, GUARINO DA VERONA 1 9 1 5 - 1 9 1 9 , Bd. 2, S. 2 6 0 - 2 6 2 (Nr. 676) nach anderen Handschriften in stark verkürzter, nur die erste Hälfte des gesamten Schreibens wiedergebender Version transkribiert die hier zitierte Passage fehlt dort.
899 In diese Richtung argumentieren jüngst BAADER 2002; ZÖLLNER 2005, S. 3 7 - 4 0 und - mit Hinweis, daß die untere Körperhälfte als Sitz der niederen Begierden des Menschen bei Büsten fehle Jeanette Kohl, Talking Heads. Reflexionen zu einer Phänomenologie der Büste, in: Kopf / Bild 2007, S. 9 - 3 0 , hier S. 1 9 - 2 2 ; zum mittelalterlichen Problem der Willensfreiheit im Zusammenhang mit der Physiognomik-Lehre und den (pseudo)antiken Quellen s. ZIEGLER 2001.
360
Die Gaben der Liebe
C O R D E
Ρ R A E S D Y
A b b . 157
T A N -
M.
G i o v a n n i Pierio Valeriano, H i e r o g l y p h i c a ..., Basel 1556, fol. 301r
anzeigte bzw. dem Träger als Ansporn diente und ihn beschützte. 900 Ähnlich sollte Giovanni Pierio Valeriano in seinen Hieroglyphica von 1556 den Ursprung dieses Brauches nicht nur über die Römer hinaus bis zu den Etruskern, mit Vorbehalten sogar bis zu Pythagoras zurückführen (so daß einen die Kombination von platonischem Sinnbild und eigentlich römischem Anhänger nicht weiter zu verwundern brauchte), sondern er bildet auch eine möglicherweise auf eine antike Statue rekurrierende Knabenbüste mit Bulle ab, deren Größe
900 D e n U r s p r u n g der bulla erklären Perotti und C a l e p i n o im G e f o l g e v o n M a c r o b i u s , Saturnalia, 1, 6 aus einer den Träger v o r N e i d s c h ü t z e n d e n Triumphinsignie, s. PEROTTI 1496, fol. 64v: „ T a r q u i n i u s [ . . . ] Praetexta ac bulla aurea donavit insigniens p u e r u m [ d . h . seinem S o h n ] s u p r a a n n o s f o r t e m praemiis virilitatis: & honoris. N a m sicut Praetexta m a g i s t r a t u m : ita bulla t r i u m p h a n t i u m gestam e n erat. [ . . . ] Bulla autem insigne a u r e u m : vasculi f o r m a : q u o d triumphantes ante pectus gerebant inclusis in eo remediis q u a e adversus invidiam: & o m n i a veneficia p u t a b a n t valentissima esse: [ . . . ] N o s a P r a e b e n d o ut sit tutus: qui id in collo gerit: P r a e b i u m : & ab A m u l a A m u l e t u m v o c a m u s . " CALEPINO 1570, S. 146f.: „Bulla, βοϋλλα, Insigne erat t r i u m p h a n t i u m , q u a m in t r i u m p h o p r a e se gerebant, inclusis intra earn remediis, q u a e crederent adversus invidiam valentissima. H i n c d e d u c tus m o s , ut praetexta [...], q u a e m a g i s t r a t u u m erat, etiam in usu p u e r o r u m n o b i l i u m u s u r p a r e t u r ad o m e n & v o t a conciliandae virtutis, ei similis, cui primis in annis m u ñ e r a ista cesserunt. E r a t haec bulla r o t u n d a (ut M a c r o b i u s scribit) in cordis f i g u r a m f o r m a t a , q u a m ante pectus annectebant in collo, ut b u l l a m inspicientes, ita d e m u m se h o m i n e s esse cogitarent, si c o r d e praestarent. R o m a n i d e p o s i t a adolescentia earn exuebant. [...]. P r i m u s a u t e m Tarquinij Prisci filius, q u o d se in bello viriliter gessisset, bulla aurea d o n a t u s est t o g a praetexta. D e i n d e o m n i b u s pueris facta est c o m m u nis, q u o r u m parentes C u r u l e m m a g i s t r a t u m gessissent." - Z u m m o d e r n e n K e n n t n i s s t a n d ü b e r die antike bulla s. R E , 5. H B d . , Sp. 1048-1051 u n d J . Liegle, D i e Bulla der K n a b e n auf römischen M ü n z e n , in: Berliner Münzblätter, 50/325, 1930, S. 1 - 6 u n d 50/326, 1930, S. 19-24.
12. Unter dem Mantel
A b b . 158
des Sokrates:
Bilder für
Eingeweihte
361
A n t o n i o Rosscllino und Werkstatt, Geflügelter Wagenlenker
v o m G r a b m a l des K a r d i n a l s v o n P o r t u g a l . F l o r e n z , S. M i n i a t o al M o n t e
gut vergleichbar mit der Plakette der B r o n z e b ü s t e ist ( A b b . 157). 9=1 K u r z : Perotti, C a l e p i n o u n d d a n n Valeriano e n t w i c k e l t e n a n h a n d v o n I n f o r m a t i o n e n v o r allem aus M a c r o b i u s u n d D i o g e n e s Laertios z u r a n t i k e n bulla eine d e r Bildchiffre der I m p r e s e u n d des MedaillenRevers sehr n a h e k o m m e n d e T h e o r i e . E n t s p r e c h e n d ließe sich die Auriga Piatonis u m den H a l s d e r J ü n g l i n g s b ü s t e als antike Bulla begreifen u n d d a m i t nicht n u r als ,Seelenspiegel' des Betrachters, s o n d e r n auch als S i c h t b a r m a c h u n g u n d zugleich a m u l e t t a r t i g e n Schutz d e r k o r r e s p o n d i e r e n d - e x e m p l a r i s c h e n , H e r z e n s v e r f a s s u n g ' des Jünglings. Wie gehen n u n die bislang g e n a n n t e n I n d i z i e n f ü r eine S p ä t d a t i e r u n g der B r o n z e - B ü s t e m i t d e m stets z u m Vergleich h e r a n g e z o g e n e n P f e r d e g e s p a n n mit geflügeltem J ü n g l i n g z u s a m m e n , das sich a m Sockel des G r a b m a l s d e r Kapelle des K a r d i n a l s v o n P o r t u g a l in S. M i n i a t o zu F l o r e n z b e f i n d e t ( A b b . 158) - eine Kapelle, f ü r die das B i l d p r o g r a m m nachweislich v o r d e m 14. S e p t e m b e r 1459 festgelegt w o r d e n war, die A u s f ü h r u n g d u r c h A n t o n i o Rossellino u n d W e r k s t a t t erfolgte in d e n J a h r e n v o n 1461 bis 1466? Bereits 1964 h a b e n F r e d e r i c k H a r t t u n d C l a r e n c e K e n n e d y v o r g e s c h l a g e n , diesen W a g e n l e n k e r nicht als Auriga Piatonis, s o n d e r n i n n e r h a l b eines u m die T h e m e n L e b e n , T o d , T u g e n d u n d A u f e r s t e h u n g k r e i s e n d e n
901
VALERIANO 1556, fol. 3 0 1 r - v : „Lib. X L I , D E B U L L A . C a p . I. B u l l a m a p u d R o m a n o s c o r d i s effigicm h a b u i s s e , m u l t i p r o f i t e n t u r . H e t r u s c o r u m sane g e s t a m e n illud ab L u c u m o n e H e t r u s e o d u c e , q u e m R o m u l u s tarn c o n d e n d a e q u a m i n s t i t u e n d a e u r b i s s o c i u m , h a b u i t a c c e p t u m . E u m v e r o P y t h a g o r i c u m fuisse A u s o n i u s o s t e n d i t , u b i Samii L u c u m o n i s a c u m e n célébrât. [...]. [ C O R D E P R A E S T A N D U M ] E r a t v e r o a p u d R o m a n o s gestaminis h u j u s h i e r o g l y p h i c u m s i g n i f i c a t u m , ut i n g e n u i p u e r i f i g u r a m h u j u s m o d i d e collo s u s p e n s a m a n t e p e c t u s inspicientes, se t u m d e m u m h o m i n e s f u t u r o s c o g i t a r e n t , si c o r d e p r a e s t a r e n t . I d e o q u e T a r q u i n i i Prisci f i l i u m , q u a t u r o d e c i m n o n a m p l i u s a n n o s n a t u m , virili e d i t o f a c i n o r e , h o s t e q u i p p e in acie caeso, Bulla p r i m u m o m n i u m ea aetatula d o n a t u m a j u n t . [ . . . ] . " - V g l . a u c h fol. 2 4 1 v - 2 4 3 r : „Lib. X X X I I I I , D E C O R D E . U t v e r o a c o r d e e x o r d i a m u r , p e r id ita c o n c i n n a t u m u t l o r o c a t e n u l a v e s u s p e n s u m a g u t t u r e p r o p e n d e r e t in p e c t u s , [..•]."
362
Die Gaben der
Liebe
Grabmalprogramms als Sonnengott und damit als zyklisch neu heraufziehenden Tag zu deuten - eine Sicht, die in der Folge vor allem angesichts der für Apoll ungewöhnlichen Flügel des Lenkers nicht alle Forscher überzeugen konnte (allerdings sei nochmals daran erinnert, daß das Medici-Inventar von 1560 für die Bronzebüste ebenfalls vom „carro di Febo" sprach).902 Als Alternative bietet sich an, die Szene ganz allgemein als Triumph der menschlichen Seele zu verstehen: Jedenfalls wird auch im 1457 begonnenen Inventar des Kardinals von S. Marco, Pietro Barbo, zweimal ein entsprechender geschnittener Stein mit „duo equi cum curru et iuvenis allatus super curru" (im übrigen ebenso fünf andere Pferdegespanne mit Jünglingen ohne Flügel) als „triumphus" gedeutet (und die Ähnlichkeit der Plakette zur römischen bulla als ursprünglicher Triumph-Insignie könnte diese Verbindung noch bestärken).903 Sollte es sich dennoch um das platonische Seelengefährt handeln, dann jedenfalls um einen mit der Bruni'schen Ubersetzung völlig kompatiblen Wagen ohne jeden Bezug zur Knabenliebe, der für die Tugenden des Kardinals einstand. Alle diese formalen und inhaltlichen Überlegungen zusammengefaßt, scheidet nun nicht nur Donatello als Künstler der die platonisch-homoerotische Liebesthematik so offensichtlich thematisierenden Jünglings-Büste aus, diese kann auf keinen Fall vor Ende der 1450er Jahre entstanden sein - weshalb es sich auch bei der 1454 von Piero de' Medici erwähnten „testa di bronzo" nicht um dieses Stück handelte. Die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat jedoch ein deutlich späteres Entstehungsdatum ab den 1470er Jahren, als nicht nur Ficinos neue, nun auch hinsichtlich der paidophilia dem originalen Wortlaut folgende Pbaedrus-Obersetzung in Verbindung mit dem Symposium-Kommentar langsam in Umlauf kam, sondern auch Frauenbüsten mit großen, umgehängten Tondi vor der Brust. Die nächstfolgenden gesicherten Beispiele für die Darstellung einer Auriga Piatonis in Italien finden sich dann überhaupt erst wieder im frühen 16. Jahrhundert. 904 Treffen diese Uberlegungen das Richtige, dann ließe sich die Büste tatsächlich als Wahrzeichen eines wie auch immer gearteten Treffpunktes der Florentiner Intelligentsia im Umkreis Ficinos vorstellen mit ihrem einen Hauptzweck der Erziehung (der männlichen Jugend) zum Seelenideal:
902 Frederick Hartt / Gino Corti / Clarence Kennedy, The Chapel of the Cardinal of Portugal 1434-1459 at San Miniato in Florence, Philadelphia 1964, S. 83-86; unentschieden zwischen Sonnen- und Seelen-Deutung bleibt etwa Patrizia Castelli, Orphica, in: Il Lume del Sole. Marsilio Ficino medico dell'anima, hg. v. ders., Florenz 1984, S. 51-64, hier S. 56. 903 MÜNTZ 1878-1882, Bd. 2, S. 223, 245 nicht geflügelt: 224, 225, 228, 230 (2 Exemplare), mit vier Pferden S. 2 5 8 . - Vgl. auch BOBER / RUBINSTEIN 1991, S. 202 f., Nr. 172.
904 O b auf dem in den frühen 1490er Jahren entstandenen Fries der Villa von Poggio a Caiano tatsächlich ein guter und ein schlechter Wagenlenker als Sinnbilder der konträren Seelenvermögen dargestellt sind (beide dann in jedem Fall abweichend von der einen Auriga Piatonis), ist umstritten, vgl. Cristina Accidini Luchinat, La scelta dell'anima: la vita dell'iniquo e del giusto nel fregio di Poggio a Caiano, in: Artista, 3, 1991, S. 16-25. Zu den Beispielen aus dem Cinquecento zählen dann: eine Zeichnung in Dresden (Inv. C432; s. Lorenza Melli, I disegni italiani del Quattrocento nel Kupferstich-Kabinett di Dresda, Florenz 2006, S. 57-61); eine Medaille des Giulio della Torre für einen Verwandten (H.565); ein Stich Ghisis nach Giulio Romano mit zwei Putten auf einem Vierspänner und der Inschrift „ANIMI I M P E R I O SENSVVM O B S E Q V I O " (Immagini del Sentire. I cinque sensi nell'arte, hg. ν. Sylvia Ferino-Pagden, Venedig 1996, S. 102 f.); vgl. weiterhin WOLF 2002, S. 270 f. und Uwe Bischoff, Roelant Saverys „Kavalier mit Schimmel und braunem Pferd". Eine Allegorie der menschlichen Seelenkräfte nach Piatons Dialog „Phaidros", in: WallrafRichartz-Jahrbuch, 59, 1998, S. 167-200.
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
A b b . 159
Eingeweihte
363
A n d r e a R i c c i o (?), J ü n g l i n g s b ü s t e . V e n e d i g , M u s e o C o r r e r
Denn nicht nur in der , A k a d e m i e ' Piatons w i e dann auch Ciceros waren B i l d w e r k e aufgestellt, Ficino selbst nutzte nachweislich zumindest Wandmalereien für sein didaktisches Konzept. Er hätte unter d e m Schutz der J ü n g l i n g s - B ü s t e jedenfalls als ,neuer Sokrates' eines ,neuen Athens' agieren und sie als E x e m p l u m und genius loci vorführen können. ,=;> Wobei es auch daran zu erinnern gilt (ohne hier die Frage von gegenseitigen A b h ä n g i g k e i t e n zu klären), daß annähernd zur gleichen Zeit, in den 1470er und 1480er Jahren, die Bedeutung und Rolle von adolescentes in der Florentiner Gesellschaft allgemein eine entscheidende A u f w e r t u n g erfuhren (etwa indem spezielle Bruderschaften für diese eingerichtet w u r d e n ) und sich insbesondere auch ein an Knaben und J ü n g l i n g e n orientiertes Schönheitsideal und 905
N a c h d e m A u f s a t z v o n HANKINS 1991 k a n n n i c h t m e h r v o n d e r in d e r F o r s c h u n g m v t h i s i e r t e n . P l a t o n i s c h e n A k a d e m i e ' g e s p r o c h e n w e r d e n , d i e es im S i n n e e i n e r f e s t e n P e r s o n e n g r u p p e , d i e sich in b e s t i m m t e n R ä u m l i c h k e i t e n traff, n i e g a b ; z u d e n s e l t e n e n B e l e g e n f ü r d i e V e r w e n d u n g d e s T e r m i n u s a e a d e m m f ü r d i e G e l e h r t e n u m F i c i n o ( f r ü h e s t e n s a b 1474) s. S. 4 4 5 f f . ; zu M a l e r e i e n in F i c i n o s R ä u m e n ( e t w a H e r a k l i t u n d D e m o k r i t ) s. S. 4 4 7 f . , z u F i c i n o als . n e u e m S o k r a t e s ' S. 4 6 2 f . s o w i e FIKI.D 1988, S. 175 u n d 195F.; a l l e r d i n g s z u r V o r s t e l l u n g v o n P i a t o n s . A k a d e m i e ' als e i n e m b e s t i m m t e n ( V i l l e n - ) G e b ä u d e FERNANDUS CORDUBKNIUS, fol. 8 v - 9 r : „ [ . . . ] d e g i t a c h a d e m i a m : ut posset vaccare philosophiae villam ab urbe proeul". - Z u m Q u a t t r o c e n t o - W i s s e n über die Statuen f ü r d i e „ A c h a d e m i a " d e s C i c e r o , w i e er sie in s e i n e n B r i e f e n a n A t t i c u s b e s c h r e i b t , v g l . e t w a d a s S c h r e i b e n d e s S i g i s m o n d o M a l a t e s t a v o n 1462 bei RABY 1987, S. 187; z u r p o s t h u m v o n K ö n i g M i t h r i d a t e s g e s t i f t e t e n P l a t o n - S t a t u e in d e r A t h e n e r A k a d e m i e PATRIZI 1567, fol. 12v (I, 5).
364
Die Gaben der Liebe
ein damit verbundener moralischer Impetus der Selbstformung etablierte. 906 In diesem Rahmen wird allerdings auch deutlich, daß die Bronzebüste zumindest im Hinblick auf die Datierung kein einzigartiges, um Jahrzehnte der allgemeinen Entwicklung vorausgehendes Bildzeugnis für den amor socraticus darstellt: Das Werk entstand vielmehr annähernd zeitgleich mit den Medaillen des römischen Kreises um Alessandro Cinuzzi. Und es könnte sogar einen nur um wenige Jahre jüngeren Verwandten in der Bronzebüste des Museo Correr in Venedig haben, die vermutlich in den 1480er Jahren in Venedig oder Padua entstanden ist (Abb. 159): 907 Wiedergegegeben ist die Büste eines jungen Mannes, der einerseits durch die hochmodische Frisur der zazxara in die Gegenwart des späten Quattrocento gehört, andererseits durch den antikischen Uberwurf, der ihm auf der einen Seite von der Schulter geglitten ist und den ansonsten nackten Körper erahnen läßt, eine antikische aetas aurea heraufbeschwört. Allerdings erlaubt unsere mehr als bruchstückhafte Kenntnis dieses ebenfalls so offensichtlich jugendlich-männliche Schönheit feiernden Stückes keine über dieses Konstatieren des visuellen Befundes hinausgehenden Mutmaßungen zu Intention und Publikum.
Lassen sich nun über diese ideale Bronze-Büste und über die im vorangegangenen Kapitel zusammengestellten Freundschaftsbildnisse hinaus im Quattro- und frühen Cinquecento tatsächliche Porträts von Knaben, Jünglingen oder Männern nachweisen, die als Liebesobjekt in einem homoerotischen Verhältnis fungierten? Daß es sie in jedem Fall gab (bzw. daß sie zumindest in der poetischen Fiktion vorstellbar waren), beweist ein bislang nicht beachtetes, 34zeiliges Gedicht „IN DANIELEM ADOLESCENTVLVM PRIMARIVM" des Giovanni Antonio Romanelli. Dieser Romanelli wird bereits von einem deutschen (?) Kopist seiner Gedichte im späten 15. Jahrhundert als „Sodomit" klassifizierte. Zudem stellt dieser unbekannte Abschreiber darüber hinaus auch noch die (in ihrer Intention sehr durchschaubare) widersprüchliche Warnung voran, dieser schändliche Text mit seinen „schmutzigen Gelüsten" sei zwar der Lektüre unwürdig, aber zur Schande des Autors und seiner Komplizen dennoch wiedergegeben. 908 In diesem Gedicht nun phanta906 Zu einer Ästhetik jugendlich-männlicher Schönheit etwa FULTON 1997, v. a. S. 37, und David Hemsoll, Beauty as an aesthetic and artistic ideal in late fifteenth-century Florence, in: Concepts of B e a u t y 1998, S. 6 6 - 7 9 ; z u r B e d e u t u n g d e r adolescentes
i n s g e s a m t TREXLER 1985, S. 3 6 7 - 4 1 8 .
907 Zur verschlungenen Forschungsgeschichte und der Möglichkeit, daß ein Bildnis des Giovanni Bellini dieselbe Person, diesesmal noch mit Lorbeerkranz im Haar, wiedergibt, s. zusammenfassend LUCHS 1995, S. 14-17; z u m jugendlich-männlichen Schönheitsideal VOLPI 1903 und GabrielA n d r é Pérouse, La Renaissance et la beauté masculine, in: Le corps à la Renaissance, hg. ν. Jean Géard u.a., Paris 1990, S. 61-76. 908 Die deutsche Abschrift in U F B G , Cart. A 717, fol. 17r-v: „Carmen seu epistola nefandissimi (quem Deus perdat) Iohannis Anthonii Romani, quae q u a m q u a m legi digna nulli sit, tarnen ut etiam huius ingenium in letiferis ac sordidis libidine ac turpitudine maneat cum nequissima sua acta et opera videri desiderat, ea in suam perpetuam diffamiam & s u o r u m complicum hoc loco scribere statui. - I O H A N N E S A N T H O . Roma, [nachträglich eingefügt] Z O D O M I . I N D A N I E L E M A D O L E S C E N T V L V M P R I M A R I V M // [...]. - Auf das Gedicht w u r d e m.W. bislang nur hingewiesen in Friedrich Jacobs / Friedrich August U k e r t , Beiträge zur älteren Litteratur oder M e r k w ü r d i g k e i t e n der Herzoglichen öffentlichen Bibliothek zu Gotha, Leipzig
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
365
siert Giovanni Antonio vor dem „glänzenden Bildnis des Daniel", das seine „feste Hoffnung" darstellt, und im Dialog mit diesem über seinen geplanten Freitod durch das Schwert, um den Liebesqualen, die der unnahbare Knabe verursache, ein Ende zu setzen. Einzige Erlösung von seinen „Liebesflammen" könnten die Lippen Daniels und eine gemeinsam verbrachte Nacht bringen. D e m Gedicht schließt sich eine fiktive Grabinschrift an. Alle aufgerufenen Topoi: der Ersatz-Dialog mit dem strahlenden Porträt anstelle der abweisenden Person selbst, die Liebesschmerzen und ihre .Heilmittel', die Todesankündigung usw. folgen so exakt den Bahnen des heterosexuell kodierten Liebesbildnisses und den dazu gehörigen Dichtungen, daß kein Zweifel über die Natur der von Antonius angestrebten Beziehung mit Daniel bestehen kann (bezeichnenderweise gilt das zweite bekannte Gedicht Romanellis einer Frau, wobei der Dichter ebenfalls seinen bevorstehenden Tod beklagt und die Angebetete daran erinnert, daß sie die von ihr verursachte Wunde des Liebespfeils allein durch ihre Blicke und Worte auch wieder heilen könne). 9 0 9 Einzelheiten über die „imago" des geliebten Jünglings werden zwar nicht genannt, aber es darf bezweifelt werden, daß man diese Darstellung von einem für eine Frau bestimmten Jünglings-Porträt hätte unterscheiden können. Wie sich die literarischen Ausdrucksformen von homoerotischen an denen von heterosexuellen Beziehungen orientieren, so auch die visuellen. U n d genau an diesem Problem der Unterscheidung scheitert bislang auch der jüngst mehrfach vertretene, interessante Vorschlag, daß insbesondere die im Gefolge Giorgiones in Venedig und Norditalien um und nach 1500 entstandenen ,lyrischen' Jünglings- und Männerporträts mit ihrer .effeminierten' Schönheit für eine solche homoerotische Rezeptionshaltung geschaf-
1 8 3 5 - 1 8 4 3 , Bd. 3, S. 7, Nr. 8; dem folgt PFISTERER 2006, S. 239, noch ohne Kenntnis der hier neu gefundenen, besseren italienischen Abschrift mit vollständiger Namensnennung des Autors in B N F , Nouv. Acq. Lat. 472, fol. 50r-52r: „Carmina Joannis antonij Ro. / / O spes firma mihi fulgens Danielis imago / Luminibus pupilla meis iam tempore longo / Vror amore tui: telumque in pectore porto / Sautius: sed nostri non est tibi cura doloris. / Ad te nunc supplex venio mea vulnera flendo: / E n morior ne sis quaeso mihi durus amanti. / Tu miserere mei: finem tu solus amori / Languentique animae poteris donare salutem. / O mea lux Daniel puero mihi clarior omni / Aut pro te moriar: aut te mea carmina flectent. / O utinam daret ipse mihi pharetratus apollo / Dulcisonam cytharam: quae te dulcedine vocum / Flecteret: & placidus fieres velut agnus amanti. / Sed vereor ne forte ferant mea carmina venti / Nequicque veniant miserae a pectore voces. / Durior es saxis: scaevusque fortior ursis. / Q u o d si amor nescis: sed cum maturior aetas / Venerit: infelix similes patiare labores. / Sic statuere dij: Juvenes [!] qui spreverat omnes / Fronte super vitreo periit narcysus amore. / Q u e n a m lingua meos posse narrare dolores? / N o c t e & enim nullos capiunt mea lumina somnos. / N e c sapit ore cibus: odio quodcumque suave est. / Quid faciam? quid plura loquar? mihi vivere mors est. / Me miserum aspicias: libeatque audire precantem. / Te peto! quem lacrimis meruque quo charior alter / N o n datur: unam ut mecum consumere noctem / Ipse velis oro: tua lactea sugere labra / Expecto sitiens: measque extinguere flammas. / At si forte neges puero formosior omni / Q u o d petimus. animumque nolis quietare dolentem. / Ante tuos vultus gladio mea pectora dextra / Percutiet effundetque animam furibundo dolore. / Talia de hinc nostro scribentur carmina saxo. / / Epitaphium / / Hic iacet aspicite ó Iuvenes quem perfidus ille / Formosus Daniel crudeli morte peremit, / Spectator inde meae mortis & diceris auctor." 909 Dieses in der Handschrift unmittelbar vorausgehende Gedicht nennt auch den vollen N a m e n des Autors, „Carmina Joannis Antonij Romanelli"; zu den Liebestopen s. PFISTERER 2006, S. 239 f.
366
Die Gaben
Abb. 160
der
Liebe
Giorgione, Jüngling mit Pfeil. Wien, K H M
f e n w o r d e n s e i e n ( A b b . 160); m ü ß t e s i c h d i e s e r h o m o e r o t i s c h e B l i c k d o c h z u m i n d e s t a n e i n e m Beispiel gesichert n a c h w e i s e n lassen -
ansonsten wäre eben jedes einzelne
Bei-
spiel a u c h i m K o n t e x t d e s p e t r a r k i s t i s c h e n L i e b e s d i s k u r s e s z w i s c h e n M a n n u n d F r a u v e r ortbar.910 D i e s e r b i s d a t o n o c h n i c h t g e l u n g e n e N a c h w e i s ist b e i m d e r z e i t i g e n S t a n d d e r F o r s c h u n g a m e h e s t e n ü b e r e i n J ü n g l i n g s b i l d n i s d e s in V e r o n a t ä t i g e n v e n e z i a n i s c h e n M a l e r s F r a n c e s c o T o r b i d o , h e u t e in d e r M ü n c h n e r A l t e n P i n a k o t h e k , z u f ü h r e n ( F a r b t f . X ) . ' " 1 S i g n i e r t u n d
910 Z u m ,lyrischen Männerbildnis' vor allem SIMONS 1997 und K o o s 2003, K o o s 2004, K o o s 2006 sowie ähnlich bereits in dies., Imagination, Identity, and the Poetics of Desire in Giorgione's Painting, in: American Imago, 57, 2000, S. 369-385. - D a ß insbesondere das Attribut eines Pfeiles, wie es Giorgiones Knabe vorzeigt, neben allen metaphorischen Konnotationen auch zur ,realen Ausstattung' hochgestellter Jugendlicher gehören konnte, belegt FILARHTE 1972, Bd. 1, S. 179, wo es zu Galeazzo Maria Sforza und seinen „compagni" heißt: „in mano tenevano certe saette che parevano quelle che portava Febo q u a n d o andava di rieto a D a m p n e " . 911 Inv. 1013; 62,5 χ 51,8 cm; den Forschungsstand zu diesem Gemälde geben die kurzen B e m e r k u n gen von Marina Repetto Contaldo, Francesco Torbido: Da Giorgione alla .maniera', in: Arte Veneta, 36, 1982, S. 62-80, hier S. 65-67; dies., Francesco Torbido detto ,il M o r o ' , in: Saggi e memorie di storia dell'arte, 14, 1984, S. 43-82 und 133-168, hier S. 54f. (Kat. 6), dort auch der Hinweis, daß der
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
367
1516 datiert, zeigt das kleine Leinwandgemälde das Brustbildnis eines unbekannten bartlosen jungen Mannes mit langen dunkelblonden Haaren in weißer camicia,
schwarzem, halb
geöffnetem O b e r g e w a n d und Barett. M i t dem Blick sucht er den Bildbetrachter, der M u n d ist leicht geöffnet als wolle er zum Sprechen ansetzen, seine H a n d schließlich, auf eine Art steinerne Brüstung oder einen Sockel aufgelegt, hält eine rote R o s e . D e n Sinn dieses Arrangements enthüllt eine längere Inschrift, die sich auf dieser Steinplatte und über der KünstlerSignatur befindet: „ Q V I D S T V P E A S S P E C I E : P A P H I E R O S A F R A / G R A T A D E M P T A / M A N E : S E D O C C A S V F L A C C A T : O L E T Q V E / M I N V S C S " - in etwa zu übersetzen als: „Warum solltest D u o b der schönen Gestalt erstaunen? D i e paphische R o s e [d.h. die R o s e der Venus] duftet früh am M o r g e n gepflückt, aber zum Sonnenuntergang ist sie welk und riecht weniger [intensiv]." Dieses in Analogie Setzen von schnellem Verblühen der R o s e (oder allgemeiner: B l u m e n ) und dem Schwinden körperlicher Schönheit rekurriert auf vielfach variierte und verwendete antike Liebestopik. In diesem Sinne verbinden etwa Properz, Florus oder O v i d das sprichwörtliche Carpe
diem
mit der Vergänglichkeit von Blu-
m e n - S c h ö n h e i t - der Gedanke findet sich aber auch auf antiken Grabinschriften. 9 1 2 F ü r die folgenden Überlegungen u m s o wichtiger wird angesichts der weiten Verbreitung dieser Grundgedanken, daß unter den antiken Texten ein griechisches Gedicht des Straton die engsten inhaltlichen Bezüge zur Gemälde-Inschrift aufweist: „Bist du stolz auf die Schönheit, oh wisse, es blüht auch die R o s e . / Welkt sie, dann wirft man jedoch rasch auf den Kehricht sie hin. / D e n n der B l u m e und Schönheit ward gleiche D a u e r gegeben: / beide läßt sie zugleich neidisch verwelken die Zeit." 9 1 3 F ü r die Renaissance wird aber noch ein zusätzlicher A s p e k t bedeutsam: der im Vergleich zu A n t i k e deutlicher herausgestellte . H a n d lungskontext' bzw. Anlaß. D e n n nun tauchen entsprechende Gedichte in zweierlei, nicht immer eindeutig zu trennenden Zusammenhängen auf, entweder begleiteten sie tatsächliche Blumengeschenke oder aber sie halten die reflektierende Kontemplation des Liebenden über einer R o s e fest. Das schon besprochene, 1512 publizierte Erotopaegnion
des G i r o l a m o
Angeriano gibt für beides Beispiele. In Verbindung mit einem G e s c h e n k : „Ich, die zu E u c h k o m m e n d e Blume, bringe folgende Botschaft: Eine einzige Stunde beraubt mich meiner strahlenden Schönheit, eine einzige [auch] euch." O d e r aber kontemplierend: „ D u , schöne R o s e , hast nur eine kurze [Lebens-]Zeit, und eine ebenso kurze Zeit ist der Schönheit [ver-
Settecento-Autor G.B. Cignaroli das Gemälde als Selbstbildnis ansprach, sowie Alessandra Zamperini, in: In the Light of Apollo 2003, Bd. 1, S. 511 f. (Kat. XIV.2) wieder. 912 Vgl. Anth. Graeca, 5, 74 und 118; Properz, 2, 15, 51 ff.; Florus, 11, 8; Ovid, ars am. 3, 79 f.; eine besonders explizite antike Grabinschrift überliefert die vor 1469 niedergeschriebene Sylloge HAB, Cod. Guelf. 114.3 Extrav., fol. 27r-v; zur traditionellen Rosen-Symbolik im Liebeskontext CAMILLE 2000, S. 107-111. 913 Es handelt sich um die Nummer 234 im 12. Buch der Anthologia Graeca, hg. v. Hermann Beckby (danach auch die Ubersetzung; zur Uberlieferung dort Bd. 1, S. 70-86 und ausführlich James Hutton, The Greek Anthology in Italy to the Year 1800, Ithaca [NY] 1935). Bereits im 15. Jahrhundert zirkulierten mehrere Handschriften der zugrunde liegenden Anthologia Palatina; am leichtesten greifbar dürfte jedoch die im Gegensatz zu dieser in zwei Druckausgaben (ed. princeps Florenz 1494) vorliegende Anthologia Planudea gewesen sein, in der sich das Gedicht ebenfalls findet, allerdings unter dem Namen des Meleagros und aus seinem päderastischen Kontext (s.u.) herausgenommen, vgl. die zweite, in Venedig bei Aldus erschienene Ausgabe (noch ohne lateinische Übersetzung): Florilegium diversorum epigrammatum in Septem libros, Venedig 1503, fol. LLii v .
368
Die Gaben der
Liebe
gönnt]. S o hast du, R o s e , eine der Schönheit gleich bemessene Z e i t . " 9 1 4 Was resultiert nun daraus für das M ü n c h n e r Bildnis? G e h e n wir zunächst hypothetisch davon aus, der J ü n g ling wolle sozusagen auf dem Bild in effigie die R o s e seiner Geliebten überreichen, anstelle der B l u m e würde das Gemälde als G e s c h e n k übersandt. D a n n entstünde die wenig schmeichelhafte Situation, daß das Staunen über die Schönheit (und natürlich auch die folgende Mahnung) angesichts der engen Verbindung von R o s e und Antlitz des Jünglings doch w o h l zunächst auf diesen und nicht auf die Geliebte vor dem Bild bezogen würde. Das G e s c h e n k liefe in dieser Konstellation höchste Gefahr, als selbstreferentiell mißverstanden zu werden. A b e r auch wenn man annimmt, der Porträtierte schenke nichts, sondern sinne nur über die Vergänglichkeit von R o s e und eigener Schönheit nach, bleibt die Frage, für wen diese B o t schaft eigentlich gedacht war. W o h l kaum wollte der Dargestellte mit dem Gemälde sich selbst ermahnen, wohl kaum wollte er einer potentiellen Geliebten seine eigene Bereitschaft bekunden, den A u g e n b l i c k zu ergreifen. E b e n s o unwahrscheinlich scheint, daß eine dritte Person den Jüngling mit dieser Darstellung auffordern wollte, die eigene Schönheit und Zeit mit B l i c k auf das andere Geschlecht nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. F ü r die D e n k möglichkeit schließlich, daß eine Frau ihrem Geliebten dieses Bildnis als aufforderndes G e s c h e n k überreichte und also das in den Gedichten zu diesem Zeitpunkt n o c h stets eingehaltene Rollenverhalten umgekehrt worden wäre, existiert kein einziges Vergleichsbeispiel. 9 1 5 Alle diese Schwierigkeiten entfallen jedoch, geht man davon aus, bei dem Bildnis handele es sich um eine G a b e unter M ä n n e r n - wobei sich Belege, daß insbesondere auch H e r a n wachsende ebenfalls mit R o s e n verglichen und zugleich vor narzißtischer Selbstverliebtheit in das eigene Aussehen gewarnt werden, sowohl in der Antike als auch der Renaissance leicht finden. 9 1 6 Mehrere plausible Szenarien lassen sich dann vorstellen: E n t w e d e r der
914 ANGERIANO 1995, S. 179 (CXXXVIII): „Flos // Flos ego qui venio sum nuntius. Alloquor: hora / Fulgorem una meum praeripit, una tuum." - S. 69 (X): „Ad Rosam // Pulchra brevi duras rosa tempore, forma brevique / Tempore. Sic formae par, roas, tempus habes." - Hier auch noch andere gute Vergleichsbeispiele, etwa Nr. 55, 77, 102 usw.; vgl. auch: Poesie edite ed inedite di Lionardo Giustiniani, hg. v. Bertold Weise (Scelta di curiosità letterarie inedite o rare, 193), Bologna 1883, bei dem die Rose eine Art Leitmotiv seiner Liebesdichtung darstellt (etwa S. 21f., 200, 270, 331, 391, 402 f., 407), undTEBALDEO 1989-1992, Bd. 2/1, S. 141 f. (Nr. 13): „[...]/Belleza è come i fior', che nel matino / son freschi e vaghi e poi la sera spenti, / [ . . . ] / Manca ogni cosa, e se nel specchio guardi, / vedrai che non sei quella che fusti heri: / però provedi a non pentirti tardi." - Als Emblem dann in LA PERRIÈRE 1553, Nr. 87. 915 Allerdings wird wenige Jahre später im Zuge des ,weiblichen Petrarkismus' eine solche Tendenz zur Umkehrung der Rollen einsetzen, s. dazu etwa Renate Förster, Liebe, Poesie, Emanzipation. Petrarca und die Dichterinnen der italienischen Renaissance, Frankfurt a.M. 1985 und Patricia Oster, Weibliche Bildfindung im Petrarkismus. Zur Anthropologie geschlechtsspezifischer Anschauungsformen bei Gaspara Stampa, in: Historische Anthropologie und Literatur, hg. v. Rudolf Behrens / Roland Galle, Würzburg 1995, S. 39-51, v.a. S. 46f. 916 Anth. Palatina, 12, 195; Vergil, Bucolica, 2, vv. 17 f. als Mahnung des verschmähten Corydon an Alexis; Nemesianus, Ecl. 4, 21 ff.; Traversari: „aspiciens immaturam rosam repente demessam liliumque candidissimum" (nach BERTALOT 1975, Bd. 1, S. 255). - Bereits im nur indirekt und fragmentarisch überlieferten Liber poéticas adolescentie des Petrarca-Freundes Gabrio de' Zamorei findet sich die Warnung unter jungen Männern (VATTASSO 1904, S. 52 f.): „Cur tibi forma placet, modicos que durât in annos? / Fiet adhuc iuvenis, non dubitetur, anus. / Que tibi pre cunctis nunc
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für Eingeweihte
369
Geliebte erhält sein eigenes Bildnis als Geschenk anstelle einer Rose, aber in gleicher Absicht - nämlich als Aufforderung, nicht verzückt über die eigene Schönheit die sich bietende Liebe gering zu achten. Oder aber und wahrscheinlicher: Das emotional so intensiv ansprechende, wohl als leicht melancholisch interpretierbare Porträt wäre überhaupt für den Liebhaber bestimmt gewesen (sei es als eigener Auftrag, sei es als Geschenk des Geliebten oder aber von Freunden). Es hätte ihm dauerhaft den begehrten Anblick geboten in Verbindung mit einer Warnung vor der Vergänglichkeit dieser körperlichen Schönheit aus dem Munde des Liebsten selbst, also Liebestrost und Mahnung zugleich. Dabei wäre es ganz gleich gewesen, ob Betrachter und Dargestellter nun eine ,echte Beziehung' verband oder der Betrachter nur einem unerfüllten Wunschtraum nachhing. Ein letztes Indiz dafür, daß dieses .lyrische Männerporträt' tatsächlich als Resultat eines homoerotischen Blicks verstanden werden darf, könnte der inhaltliche Rekurs der Inschrift auf das Epigramm des Straton liefern. Denn Straton ist der dichtende Knabenliebhaber kat'exochen, inspiriert von einer ,Knabenmuse' (Παιδική Μοΰσα). Sein im 12. Buch der Anthologia Palatina versammeltes Werk (ergänzt um einige Gedichte gleichgesinnter Kollegen) gilt fast ausschließlich den „reizenden Jungen", idealerweise mit ca. 16 Jahren, dunklen Augen, Kußlippen, „rotblond und strahlend wie Eros" - nur zufälligerweise auch eine treffende Beschreibung des Münchner Bildnisses? 917 Erst einmal auf Torbido aufmerksam geworden, kommt noch ein zweites, bislang ebenfalls kaum beachtetes Gemälde aus dem weiteren Giorgione-Umkreis, heute in Vercelli, in den Blick, das zumindest versuchsweise ebenfalls schon Torbido zugeschrieben wurde (Abb. 161): zwei Flötenspieler in Halbfigur vor einem Landschaftshintergrund, ein junger, offensichtlich idealisierter Knabe, dahinter in den Schatten zurückgenommen ein älterer Mann mit Kranz im Haar, der zwar nachdrücklich in Richtung des Jüngeren blickt, aber doch wieder irritierend unverbunden neben diesem steht. 918 Nun existieren unter der großen Zahl von Darstellungen mit Musizierenden zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch einige Gemälde, auf denen nur junge Männer zu sehen sind - aber kein anderes mit einem so deutlichen Altersunterschied. Vergleichbar scheint dagegen etwa ein Werk wohl des Bernardino Licinio aus den Jahren um 1530, das einen bekränzten älteren Dichter oder Musiker mit einer jungen Frau (als Sängerin und inspirierende Muse?) zeigt. 919 Sollte die Bildnunc spectanda videtur / Candida, purpureo leta colore suo, / Aut cito deficiens morientia lumina claudet, / Aut faciem rugis curva senecta dabit." - Schließlich eines der Spiegel-Gedichte des TORY 1530, s. p.: „Ipse videre Puer mihi formosissimus esse, / Effice ne vitio commaculere tuo." 917 Anth. Palatina 1 2 , 4 , 2 2 und 97. - Zu dieser Gattung des Knaben-Gedichts RICHLIN 1983, S. 3 4 - 4 4 . 918
O l auf Leinwand, 76 x 63 cm; dazu Vittorio Viale, Civico Museo Francesco Borgogna, Vercelli I Dipinti, Vercelli 1969, S. 75 (Nr. 112). - F ü r den ,fliessenden' Ubergang von Jünglingsporträt zu Idealbildnis liefert wiederum das Œuvre Torbidos ein besonders gutes Beispiel (Padua, Museo Civico, Inv. 455): ein wohl 1525/26 entstandenes Bildnis eines jugendlichen Feldhauptmannes konnte, als es nicht bezahlt wurde, einige Jahre später durch Ubermalen der Rüstung und des Baretts mit Fell und Lorbeerkranz leicht zu einem musizierenden, ,melancholischen'
Hirten
umgewandelt werden; vgl. Malerei in Venetien/Pittura nel Veneto 1 5 0 0 - 1 8 0 0 . 50 Werke aus dem Museo Civico in Padua, Freiburg i.Br. 1987, S. 76f. (Kat. 16). 919 Vgl. etwa die Zusammenstellung bei GROOS 1998, die S. 3 0 2 - 3 0 4 mit der älteren Forschung das Gemälde im Gemälde im Depot des Kunsthistorischen Museums, Wien (Inv. 3052) noch Giovanni Carinani zuschreibt, sowie neuerdings Alexander Wied, in: Dipingere la musica. Musik in der Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. v. Wilfried Seipel, Wien/Mailand 2001, S. 254 (Kat. IV. 15).
370
Die Gaben der
A b b . 161
Liebe
G i o r g i o n e - U m k r e i s , M a n n mit J ü n g l i n g b e i m F l ö t e n s p i e l . Vercelli, C i v i c o M u s c o F r a n c e s c o B o r g o g n a
Anlage in Vercelli auf eine ähnliche ,Inspirationsszene' verweisen, dann würde hier nicht allein ein A p o l l o - g l e i c h e r J ü n g l i n g den eros
des Alteren zu b u k o l i s c h e r M u s i k bewegen,
sondern das Bild würde ziemlich genau die b e r ü h m t e K o n s t e l l a t i o n von Vergils z w e i t e m b u k o l i s c h e m G e d i c h t spiegeln, in dem der ältere H i r t e C o r y d o n , alter
ego
des D i c h t e r s
Vergil selbst, den s c h ö n e n K n a b e n Alexis begehrt und z u m gemeinsamen Flötenspiel auffordert: „ m e c u m una in silvis [ . . . ] c a n e n d o . " K o m m e n wir v o r diesem H i n t e r g r u n d ein letztes Mal auf Lysippus und sein Verhältnis zu A l e s s a n d r o C i n u z z i z u r ü c k . Bereits bei der Z u s c h r e i b u n g von Alessandros S c h a u m ü n z e an Lysippus hatte eine als B r o n z e s p i e g e l präparierte, einseitige Medaille ( F a r b t f . I I , A b b . A . 5 ) deshalb eine b e s o n d e r e R o l l e gespielt, da sie als einziges W e r k nicht nur des Lysippus, sondern überhaupt im M e d a i l l e n - C o r p w j von Hill eine exakt identische Randgestaltung wie Alessandros Medaille aufwies. D a s Avers zeigt das Profilbildnis eines j u n g e n M a n n e s , umgeben von der einzigen V o l g a r e - I n s c h r i f t auf einem W e r k des Lysippus: „ D I L A I L B E L V I S O E Q V I I L T V O S E R V O M I R A " - als erste Ü b e r s e t z u n g s m ö g l i c h k e i t bietet sich an: „ D o r t b e w u n d e r e D e i n schönes A n t l i t z und hier D e i n e n D i e n e r " . Sprache, F o r m u l i e r u n g und Vokabular, die B e w u n d e r u n g für das „ s c h ö n e G e s i c h t " und die Selbsterniedrigung z u m „ D i e n e r " der G e l i e b t e n , e n t s t a m m e n dabei ganz offensichtlich dem petrarkistischen Liebesdiskurs. W o h l am besten k ö n n e n Petrarcas C a n z o n e 77 Per mirar
Policleto,
in der
12. Unter dem Mantel des Sokrates:
Bilder für
Eingeweihte
371
Simone Martinis Laura-Bildnis als zur Erde gebrachtes Zeugnis ihres himmlischen „bei viso" beschrieben wird, und das in petrarkistischer Tradition stehende 17. Sonett Chiare acque des Lorenzo de' Medici, in dem Lorenzo eine Quelle und seine Augen in ihrer Funktion als .Spiegel' für das Gesicht der Geliebten („specchio al suo bel viso") vergleicht und das er in seinem zeitgleich mit der Spiegel-Medaille entstandenen Comento de' miei sonetti (ca. 1470-1478) selbst erläutert, die zentralen Gedanken dieser singulären, nur in einem Exemplar bekannten Bronzescheibe erhellen. 920 Zunächst läßt sich das Stück analog den Gedichten überhaupt nur als Liebesgabe verstehen - als eine sehr persönliche Liebesgabe, die auf jede Namensnennung verzichten kann. Die Bronzescheibe sollte wohl aufgehängt werden, wie die überaus sorgfältig eingebohrte und daher mit großer Wahrscheinlichkeit von Anfang an vorgesehene Ose vermuten läßt. 921 Allerdings erschöpft sich ihr Bedeutungspotential dann nicht darin, daß bei der Benutzung auf Vorder- und Rückseite das dauerhafte Profilbildnis des Schenkenden mit dem momentanen Spiegelbild der beschenkten Person zusammengeführt und so ihre ,ewige' Liebesverbindung und ihr gemeinsames .Wachsen' aneinander symbolisiert, das Bildnis des einen in das des anderen „transformiert", das ,Du' zum ,Ich', das ,Ich' zum ,Du' in unauflösbar-paradoxer Verschränkung wird. 922 Der Spiegel gerät zur Metapher für das Auge des Liebenden selbst, wie es im Vergleich mit dem .Spiegel' der Wasseroberfläche das kommentierte Sonett des Lorenzo de' Medici vorführt: Jeder Blick ins Wasser verweist auf den Blick in die spiegelnden Pupillen des Liebenden, jede Spiegelfläche wird zur Konkurrenz für den Liebenden und seine Augen wie umgekehrt auch zu deren Projektionsfläche für das Bild der Geliebten. 923 Lysippus hat diese Wechselbeziehungen in einer neuen Form von Ersatzobjekt vereint, bei dem der Blick in den Metall-Spiegel an den liebenden Geber erinnert und diesem zugleich ermöglicht, in effigie andauernd seinen .Augenspiegel' auf die geliebte Person gerichtet zu halten und zugleich mit dieser zu verschmelzen. Aber mehr noch: Die Entscheidung, die Rückseite der Medaille als Spiegelfläche zu gestalten, rekurriert zugleich in geistreicher Variation auf den .Undarstellbarkeits'-Topos, wie
920 PETRARCA 1951, S. 115; MEDICI 1991, S. 230-235; vgl. aber auch zahllose andere Autoren, etwa bereits um 1400 SAVIOZZO 1965, S. 228: „Tu se' lo specchio in cui l'anima mia / sempre si specchia virtüosamente, / vedendo la tua bella leggiadra. / E ben ch'io sia un minimo servente, / ti prego per la tua gran cortesia / che m'abbi accetto in mezzo della mente." Giovanni Gherardi (Lirici toscani 1973, S. 648): „[·..] In paradiso / für fatte quelle membra e Ί suo bel viso." Dann Bernardo Altoviti (Lirici toscani 1973, S. 156 bzw. 158): „[...] / specchiando nel bel viso e cape' d'oro." „[...] Ma piccol vento mia barchetta pinse, / quantunque abbia di seta e d'or le sarte, / a cantar del bel viso, o porre in carte / suo nobiltà, [...]." 921
V g l . z u r P r ä s e n t a t i o n SYSON 2 0 0 2 .
922 Als zentraler Terminus erscheint „trasformazione" etwa im Commento des Lorenzo de' Medici, s. MEDICI 1991, S. 288 f., 291 und 313; zur Vorgeschichte dieser Vorstellung s.o. - In negativer Wendung dieses Gedankens beschreibt TEBALDEO 1989-1992, Bd. 3/1, S. 336 f. (Nr. 407) die Frustration eines Liebenden, der seine Angebete und sich zusammen im Spiegel gesehen hat, später aber und allein dort nurmehr sein eigenes Antzlitz vorfindet. - Vgl. zu diesen Transformationsprozessen etwa auch OHLY 1974 und K o o s 2006, etwa S. 196-200. 923
M E D I C I 1 9 9 1 , S . 2 3 0 - 2 3 5 ; v g l . a u c h d i e F o r m u l i e r u n g b e i T E B A L D E O 1 9 8 9 - 1 9 9 2 , B d . 2 / 1 , S. 1 6 5
(Nr. 36): „A che presti, superba, a un vetro fede? / Se ben comprender vói la tua belleza, / spècchiate in me, ché tanta è sua grandeza, / quanto è l'incendio mio, che ogni altro excede; / [·..]."
372
Die Gaben der
Liebe
ihn Petrarca eben in seinen Laura-Gedichten aufruft und wie er sich im späteren 15. Jahrhundert vielfach findet - so etwa in Girolamo Bolognis In arcbetypa Laurae effigies in pictura Jacobi Bellini oder einem anonymen Sonett, das explizit ein Bild- wie Formulierungskünste überforderndes „bei viso" besingt 924 : Entsprechend kann Lysippus zwar das Bildnis des Gebenden überzeugend darstellen, angesichts des strahlenden, überirdischen, für menschliche Augen und Imagination nicht faßbaren „bei viso" der empfangenden Person versagt seine Kunst; er muß die Darstellung dem Spiegel und damit der Natur selbst überlassen. Der Spiegel und die mit ihm verbundene Metaphorik schwingt sich so - ausgelöst durch die kurze und auf den ersten Blick möglicherweise wenig originell scheinende Inschrift - zu einem weit über das Lob des ,schöne Gesicht' hinausgehenden panegyricus auf. Daß im übrigen eine solche Deutung auch das Potential des kleine Medaillen-Mediums keineswegs überstrappaziert, kann ein wenige Jahrzehnte später entstandenes Poem des Dichter-Medailleurs Janus Secundus belegen, das erneut ganz ähnlich das Versagen der künstlerischen Fähigkeiten angesichts der göttlichen Schönheit der Geliebten beschreibt: „Hätt' ich doch nun des Praxiteles Finger und die des Mentor / Nun die Hände Lysipps, die des Phidias auch! / Iulia nämlich, die goldene, wünscht sich gemeißelt zu werden, / Nicht nur in Büchern von mir ewig gemacht sich zu sehn. / Gern geb ich's zu, ich tauge nicht, himmlische Formen zu bilden, / Aber der Herrin Befehl nicht zu beachten, wär' falsch. / Nicht werd' ich dich aus dem härtesten Marmor erschaffen, mein Licht, / Jenes Material ziemt einem rauhen Gemüt. / Goldenes Werkzeug gar werden dein Antlitz dir formen, denn niemals, / Paßt die eißerne Feil' zu deinem zarten Gesicht. / Sieh nur, übergroß wird schon der Ruhm meinen Künsten, und Venus / Bild' ich, die Himmlische selbst, mit meinem Werkzeug, wie's scheint. / Aber solange ich dich sehe und nah in die Augen dir schaue, / Augen, die wetteifern mit Strahlen phoebischen Lichts, / Können die meinen den funkelnden Glanz im Gesicht nicht ertragen, / Hält die erschlaffende Hand nicht das Werkzeug mir mehr, / Und es schwindet der Geist, er erstarrt, und keine Kunst ist / Er sich noch immer bewußt, noch seiner selbst eingedenk. / Ach, nicht erlaubt ist es Sterblichen, Göttinnen kunstreich zu formen, / Schwindlig wird's mir, ich stutz', mir selbst entrissen werd' ich." 925 924 Zu Bologni s. Paul Holberton, To Loosen the Tongue of Mute Poetry: Giorgione's Self-Portrait ,as David' as a Paragone Demonstration, in: Poetry on Art. Renaissance to Romanticism, hg. v. Thomas Frangenberg, Donington 2003, S. 29-46. Das anonyme Sonett in BNF, Ital. 561, fol. 54r, vgl. auch fol. 51r und 59r. 925 Da Secundus seine zwei Medaillen Julias wahrscheinlich 1531 und 1532/33 schuf, dürfte das Gedicht 1530/31 entstanden sein: „Nunc mihi Praxitelis digiti, nunc Mentoris essent, / Nunc Lysippeae Phidiacaeque manus. / Iulia namque meo sculpi cupit aurea cáelo, / Nec tantum in libris nomen habere meis. / Non ego sum, fateor, coelestem effingere formam / Qui ualeam, at Dominae spernere iussa nefas. / Non ego te, mea lux, faciam de marmore duro, / Illa decet rigidum materies animum, / Quin et caela tuos formabunt aurea uultus, / Non facit ad molleis ferrea lima genas. / Iam iam fama meis maior uenit artibus, ipsam / Sculpere mi videor coelicolam Venerem. / Sed dum te uideo, et propius tua lumina specto, / Aemula phoebeis lumina luminibus, / Ferre negant oculi iaculantem spicula uultum, / Caelaque nota negat languida ferre manus, / Deficit, et torpet, nec iam sibi conscius artis / Vllius est animus, nec memor ipse sui. / Ah, nulli fas est mortali effingere Diuas, / Mens cadit, obstupeo, heu, et mihi surripior." - Text und Ubersetzung (mit Änderung von caela als ,Meißel' in das neutralere ,[Bildhauer-]Werkzeug') nach Stefan Faller, Die Aporie des Bildhauers - Secundus Elegie 1, 6, in: Johannes Secundus und die römische Liebeslyrik, hg. v. Eckart Schäfer, Tübingen 2004, S. 71-87. - Die Deutung, die Faller zu diesem Gedicht liefert, scheint mir
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
373
Zurück zu unserer Spiegelmedaille: Bei alledem bleibt erstaunlich, warum auf dieser der Inschriften-Text im zweiten Teil auch Bewunderung für den „servo" einzufordern scheint, zumal dessen zu große, knubbelige und möglicherweise gebrochene Nase so demonstrativ gegen jeglichen Schönheitskanon verstößt? Diese Irritation durch die verkürzte Inschrift ließe sich auf zweifache Weise lösen: Verständlich würde die Formulierung, wenn man keine parallele (und damit wenig ingenio verratende) Satzkonstruktion annimmt, also nicht den „bei viso" des Dargestellten bewundert, sondern etwas anderes an diesem - wobei sich dann eigentlich nur anbietet, die Aufforderung auf die Art der Darstellung, auf die Bewunderung für das Kunstprodukt Medaille zu übertragen. Denn im Gegensatz zum Revers mit seiner Spiegelfläche ist auf dem Avers ja tatsächlich Modellierkunst zu bewundern. Die Inschrift wäre dann zu verstehen als: „Dort bewundere Dein schönes Gesicht und hier die Darstellungskunst Deines Dieners". Aus dieser Engführung von Diener und Darstellungskunst folgt jedoch mit größter Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei diesem Profilporträt um das Selbstbildnis des Künstlers Lysippus handelt - wie es bereits George Francis Hill vermutet hatte.926 Erst wenn der Künstler des Stückes zugleich der Schenkende ist, gewinnt die Inschrift ihr volles Sinnpotential. Und erst dann entfaltet die demütige Geste, das eigene künstlerische Unvermögen einzugestehen, das .göttliche Bildnis' der geliebten Person auf der anderen Seite modellieren zu können, ihre höchste Aussagekraft. Lysipps Spiegel zeigt also das Selbstbildnis des liebenden Künstlers. Zu entsprechendem Ergebnis, wenngleich auf etwas anderem argumentativem Weg führt im übrigen eine alternative Verständnis- und Übersetzungsmöglichkeit der Inschrift, die das „bei viso" als „schönes Abbild" und das „mira" als imperativisches „zielt/strebt nach" versteht: „Dort strebt das schöne Antlitz und hier Dein Diener [nach Dir]." Auch in diesem Verständnis zeigt das Bildnis des jungen Mannes den Künstler Lysippus, der gleich dem Spiegel auf den (zur Tugend) erhebenden Anblick der geliebten Person hofft. Für die Spiegelfläche würde diese Lesart noch eine weitere Steigerung bedeuten, betont sie doch nochmals in neuer Wendung, daß das mechanisch produzierte Abbild unweigerlich weit hinter die lebendige Präsenz der/des sich Spiegelnden zurückfallen würde. Alle Abbilder streben jedenfalls letztendlich vergeblich danach, Schönheit und Wesen dieser geliebten Person adäquat festzuhalten. Bereits unserem Spiegel eignet damit die für viele Porträts der Jahre um 1500 - der ,Hochphase' des Petrarkismus - konstatierte Ambivalenz einer intensiven affektiven Aufladung des Begehrens, der hoffnungsvollen Sehnsucht und zugleich melancholischer Distanz, Unerreichbarkeit und Enttäuschung.927
in zweierlei Hinsicht korrekturbedürftig: Zunächst wird ausschließlich nach antiken Referenztexten gesucht und damit etwa der .moderne Liebes-Klassiker' Petrarca übersehen; andererseits glaubt Faller plausibel machen zu können, daß es sich bei dem plastischen Porträt der Julia um eine Büste handele, da Secundus eine Medaillen ja gefertigt habe; jedoch lassen sich nicht nur mit den benutzten Vokabeln der Bildhauerei (sculpere, caelare etc.) alle Formen des plastischen Bildens beschreiben, auch der Unsagbarkeitstopos ,im Angesicht des Göttlichen' darf in seinem poetisch-fiktionalen Charakter nicht für bare Münze genommen werden (wobei freilich gut vorstellbar wäre, daß das Gedicht der ersten, auf Bitten der Geliebten gefertigten Medaille, die diese offenbar in Anlehnung an den Timanthes-Topos verschleiert zeigte, als eine Art captado benevolentiae vorausging). 926 Am ausführlichsten HILL 1912, S. 35 f., wo Hill auch schon vermutet, der Spiegel sei für einen , F r e u n d ' b e s t i m m t gewesen; dann auch WALDMAN 2 0 0 0 und SYSON / THORNTON 2 0 0 1 , S. 51 f.
927 Dazu vor allem CROPPER 1995; weiter ausführend und differenzierend K o o s 2006, S. 294-297.
Die Gaben der Liebe
374
Abb. 162
Adriano Fiorentino, Unbekannter Jüngling (Inschrift nachträglich - Bronze). Washington, National Gallery
Fragt man sich abschließend, für wen Lysippus in der Zeit um 1474 eine solche anspruchsvolle, bei allen topischen Elemenenten doch singulare und tiefste emotionale B i n dung signalisierende Liebesgabe geschaffen haben könnte, bleibt eigentlich nur eine A n t wort: für Alessandro C i n u z z i ! N i c h t allein scheint es angesichts der zusammengetragenen Indizien mehr als unwahrscheinlich, daß H e r m e s Flavius de' B o n i s - von dem wir in den Quellen übrigens nie hören, er sei verheiratet gewesen oder habe Kinder gehabt - ein Liebesverhältnis zu einer Frau eingegangen wäre. U n d selbst gesetzt den Fall, dann hätte er angesichts der misogynen Grundhaltung seines römischen Freundeskreises dieses Verhältnis kaum mit einem derart aufwendigen, bedeutungsträchtigen und bei aller Intimität auch auf .Sichtbarkeit' angelegten G e s c h e n k untermauert. 9 2 8 Vor allem aber würde dann auch nicht verständlich, warum er nur ein einziges Mal in seinem Œuvre und ausgerechnet bei dem Spiegel und der Gedächtnismedaille für Alessandro das gleiche komplizierte R a n d profil verwendete. Waren jedoch beide Stücke für Alessandro gedacht, das eine als G e schenk wohl im J a h r 1473, das andere als posthume G a b e 1474, dann würde allein schon durch den gemeinsamen R a h m e n ihre Zusammengehörigkeit signalisiert: Lysippus, dem es zu Lebzeiten Alessandros in petrarkistischer Tradition nicht gegeben war, dessen strahlend schönes Gesicht darzustellen, hätte nach dessen Tod die Gnade erfahren, das Antlitz sozusagen ,im Jenseits' zu schauen und dann auf einer Gedächtnismedaille festhalten zu dürfen. D e r neue Lysippus erschiene so zugleich als Reinkarnation von Petrarcas Simone Martini, der in der poetischen Fiktion die Züge von Laura ja ebenfalls erst im H i m m e l geschaut hatte.
928 Man denke nur an den Auftakt von Emilio Boccabellas Gedicht Contra Mulleres, in: BSB, Monac. lat. 716, fol. 141 r-v: „Quisquís pedicet [...] Sodales / Femine vulvas fugiatis oro /Est viri morbi [...]."
12. Unter dem Mantel des Sokrates: Bilder für
Eingeweihte
375
Einmal auf diese mögliche Verwendung einer einseitigen Jünglingsmedaille aufmerksam geworden, drängen sich unmittelbar noch andere vergleichbare Stücke in Hills Corpus auf, insbesondere ein Adriano Fiorentino zugeschriebenes, nur einmal nachgewiesenes Exemplar von beachtlicher Größe (84 mm im Durchmesser), der Knabe wohl noch jünger als Alessandro, aber durch keine Inschrift identifiziert, erneut ein zusätzliches Indiz für die sehr persönliche Verwendung (Abb. 162). 9 2 9 Freilich erinnert der Umstand, daß in allen diesen anderen Fällen über Spekulationen wohl nicht mehr hinauszukommen sein wird, nochmals an das Besondere der hier analysierten Beispiele von Lysippus d.J. alias Hermes Flavius de' Bonis: Dessen Spiegel- und dessen Gedächtnismedaille für Alessandro Cinuzzi haben sich als die frühesten nachweisbaren, als Liebesgeschenke zwischen Männern konzipierten Kunstobjekte mit den Porträts der Beteiligten zu erkennen gegeben - realisiert in einer Bildsprache, die diese Beziehung unter dem .Mantel' des Freundschaftskultes bzw. in Anlehnung an den visuellen und sprachlichen Code heterosexueller Liebesbeziehungen präsentierte. Am Ende dieser Untersuchung sind damit auch die Konterfeis ihrer beiden zu Anfang unbekannten Protagonisten wieder gewonnen und kontextualisiert. Die Liebesbilder des Lysippus haben - nicht zuletzt auch aufgrund ihrer exzeptionellen Verbindung mit den Epigrammata - die vorgesehene Aufgabe und die in sie gesetzten Hoffnungen, wenngleich mit einigen Schwierigkeiten, erfüllt: die Erinnerung an eine außergewöhnliche Freundesgruppe im R o m des späten 15. Jahrhunderts wach zu halten.
Víifefe
Mortafei.
Τ f,aÇerns & Cbry* ris vías
veniatis
"voi ecfocent
929
H.346.
Michelangelos Gaben - Epilog
Alles bislang mit Blick auf H e r m e s Flavius, Alessandro C i n u z z i u n d die Situation im R o m des späteren 15. J a h r h u n d e r t s Gesagte läßt sich mit n u r leichter Perspektiv-Verschieb u n g auch als Vorgeschichte zu den h o m o e r o t i s c h e n Liebesgaben des Michelangelo B u o n a r r o t i im R o m des 16. J a h r h u n d e r t s verstehen - o d e r anders f o r m u l i e r t : M u ß t e n Michelangelos K u n s t - G e s c h e n k e an Jünglinge bislang als weitgehendes N o v u m erscheinen, so g e w i n n e n sie jetzt erst ihren eigentlichen K o n t e x t wieder. M e h r noch: N i c h t n u r Michelangelos Z e i c h n u n g s g e s c h e n k e , s o n d e r n ü b e r h a u p t sein K u n s t v e r s t ä n d n i s , seine D i c h t u n g u n d seine Selbststilisierung k ö n n e n geradezu als r e s ü m i e r e n d e Z u s a m m e n f a s s u n g aller hier bislang verfolgten, im Italien der Renaissance k u r s i e r e n d e n G e d a n k e n zu Liebe, F r e u n d schaft, G e d ä c h t n i s , G e s c h e n k e n , K u n s t u n d selbst Medaillen gelten. N u r zu alten M ü n z e n dies in Parenthese - d ü r f t e Michelangelo in seinen letzten L e b e n s j a h r e n ein zwiespältiges Verhältnis entwickelt haben, n a c h d e m er 1563 u n t e r d e m Verdacht f e s t g e n o m m e n u n d verh ö r t w o r d e n war, am U n t e r s c h l a g eines S c h a t z f u n d e s im Weinberg des O r a z i o M u t i beteiligt gewesen zu sein - eine Verwechslung, die Michelangelo im ü b r i g e n mit schlagfertigen A n t w o r t e n gegenüber d e m R i c h t e r quittierte u n d die d u r c h seine einflußreichen F r e u n d e u n d G ö n n e r schnell aufgeklärt wurde. 9 3 0
930 Das Ereignis überliefert in handschriftlicher Form Flaminio Vacca, Memorie di varie antichità trovate in diversi luoghi della città di Roma (abgefaßt 1594), abgedruckt in lateinischer Ubersetzung in Bernard de Montfaucons Diarium Italicum (1702) und dann ab der 2. Auflage im originalen Italienisch in: Famiano Nardini, Roma antica (1704); ein Brief des Tiberio Calcagni vom 8. August 1563 bestätigt nicht nur, daß es sich um keine Legende handelt, sondern korrigert auch, daß der erwähnte Diener Michelangelos nicht Urbano, sondern Pier Luigi Gaeta hieß, dazu die Michelangelo-Bibliographie, hg. v. Ernst Steinmann / Rudolf Wittkower, Leipzig 1927, Nr. 1954: „Al tempo di Paolo IV appresso S. Vitale fu trovato un Tesoro nella Vigna del Sig. Orazio Muti, e lo trovò un suo vignarolo, di gran quantità di Medaglie d'oro, e gjoie di valore e si fuggì. Il detto Sig. Orazio andando alla vigna, e non trovando il vignarolo, cercando per la vigna ritrovò dove il Tesoro era stato cavato, trovandosi alcuni vasi di rame, e caldarozze rotte; cercando in quella terra vi trovò delle medaglie d'oro, e accortosi dell'inganno, avvisò tutti li Banchieri ed Orefici di Roma, se alcuni vi capitasse con monete di oro, o gjoie lo dessero in mano della Corte; occorse che in quel tempo Michel'Angelo Buonarroti mandò un suo chiamato Urbino a cambiare alcune monete che a quel tempo non si usavano più; rimasto maravigliato il Banchiere, e ricordandosi del successo fece opera che di fatto andasse in prigione ed essendo esaminato disse aver avuto quelle monete da
378
Michelangelos
Gaben - Epilog
In welcher Hinsicht nun bietet Michelangelos Denken und Kunst eine .Zusammenfassung'? Michelangelo - als ,neuer Phidias' seiner Zeit gefeiert 931 , auch darin ähnlich unserem Hermes, dem jüngeren Lysippus' - unterhielt zu seinen wichtigsten geliebten Jünglingen der 1520er bis 1540er Jahre, zu Gherardo Perini, Andrea Quaratesi, Febo di Poggio, Cecchino Bracci und Tommaso de' Cavalieri, Verhältnisse, die in vielerlei Aspekten die Beziehung von Hermes Flavius zu Alessandro Cinuzzi variierend aufgreifen: Zunächst sind von Michelangelo, dem notorischen Feind jeder Form des Porträts und dessen durch die Naturnachahmung zwingend bedingten Deformation des Idealen, als Ausnahmen nur eine hochgradig ausgearbeitete Selbstbildnis-Zeichnung (?) und zwei weitere Porträts des Andrea Quaratesi und Tommaso de' Cavalieri bezeugt, wobei von den beiden letzteren nur dasjenige des Quaratesi überliefert scheint (Abb. 163). Kein anderer noch so hochgestellter Auftraggeber erlangte je die Gunst eines solchen gezeichneten Konterfeis von der Hand des divino. Diese entstanden (mit den Worten Michelangelos) ausschließlich „per amore e non per obrigio". 932 Und als am 6.Januar 1544 überraschend der fünfzehnjährige Cecchino Bracci verstarb, dem angeblich die doppelte Liebe Michelangelos und des einflußreichen Onkels und Michelangelo-Freundes Luigi del Riccio gegolten hatte, klagte Michelangelo gar in dichterischer Form, nicht rechtzeitig die Schönheit des Jünglings im Porträt festgehalten zu haben. Allerdings könne er im Nachhinein zur Not auch Luigi als Modell für ein solches nehmen, denn gut platonisch gedacht transformiere sich ja das Antlitz des einen Liebenden in das des anderen.933 Der Meister lieferte schließlich den Entwurf für ein Grabmal des Cecchino in S. Maria Aracoeli in Rom sowie eine Sammlung von 50 vierzeiligen ,Epitaphien', die offenbar ursprünglich in die Gedichtsammlung verschiedener Autoren zum Tode Cecchinos eingehen sollte - eine Sammlung, die Luigi unter seinen Freunden ver-
Michel'Angelo; ordinò il Giudice che fosse carcerato Michel'Angelo, così fu fatto; giunto lo esaminarorono, e prima li fu dimandato come si chiamava; rispose: Mi fu detto che mi chiamavo Michel'Angelo delli Buonarroti; D i che paese siete voi: dicono che sono Fiorentino; conoscete voi li Muti? C o m e volete voi che io conosca li Muti, se non conosco quelli che sanno favellare? Intanto certi Cardinali avendo inteso il fatto, subito mandarono alcuni Gentiluomini al Giudice, che lo dovessero lasciare e lo rimenorono a casa sua, e l ' U r b i n o rimase prigione per alcuni giorni; ed il Sig. O r a z i o Muti ebbe sentore che il vignarolo era stato visto in Venezia. Il povero Gentiluomo andò a Venezia, e trovò che il vignarolo aveva dato le gioje, e Medaglie alla Signoria, quale lo aveva fatto cittadino con una buona entrata, ed il Sig. O r a z i o dette querela alla Signoria; non ne cavò altro che gli donarono quanto poteva aver speso nell'andare e tornare a R o m a . Se questo ragionamento non concerne Antichità pigliatelo per intermedio; e miri V.S. di grazia, che burla fece la fortuna al fortunato Michel'Angelo nel fine della sua vita." - Vgl. zuletzt Giuseppina A. Cellini, Notizie di rinvenimenti monetali a R o m a nel X V I e X V I I secolo, in: Quaderni Ticinesi di Numismatica e Antichità Classica, 30, 2001, S. 3 3 9 - 3 6 0 , hier S. 3 4 2 f . - Michelangelo ist bereits 1510 als Zwischenhändler für antike geschnittene Steine und Münzen tätig, vgl. einen Brief vom 9. O k t o b e r des Jahres an seinen Bruder, dazu MICHELANGELO 1 9 6 5 - 1 9 8 3 , hier Bd. 1, S. 111. 931 D i e Zusammenstellung der Indizien dafür bei PFISTERER 1999, S. 73 ist zu ergänzen um eine Bemerkung des Sabadino degli Arienti in einem Brief vom 24. Febr. 1508 an Isabella d'Esté über Michelangelos Julius-Statue für Bologna (nach ( L u z i o / RENIER 1 8 9 9 - 1 9 0 3 , hier 19/38, 1901, S. 52 f.): „E opera tanto magna et excelsa per chi intende, che se Phidias statuarius vixisset non creditur hac statua nobiliorem facere potuisset [ . . . ] . " 932
D a z u H I R S T 1 9 8 8 , S. 1 0 6 f . u n d FROMMEL 1 9 7 9 , v.a. S. 6 6 f .
933 Vgl. den Briefwechsel in MICHELANGELO 1 9 6 5 - 1 9 8 3 , Bd. 4, ab S. 177 (Nr. 1018).
Michelangelos Gaben - Epilog
A b b . 163
379
Michelangelo, Andrea Quaratcsi. London, British Museum
a n l a ß t e u n d r e d i g i e r t e - , w o b e i M i c h e l a n g e l o s G e d i c h t e d a n n a b e r o f f e n b a r als g e t r e n n t e r und eigenständiger Beitrag belassen wurden.934 Z u ihren L e b z e i t e n freilich b e d a c h t e M i c h e l a n g e l o die geliebten J ü n g l i n g e besondere Tommaso
de'
Cavalieri -
mit
Gedichten,
teils mit V o r l a g e - B l ä t t e r
Zeichenunterricht, vor allem aber auch mit einer neuen F o r m von v o l l k o m m e n
934
und für
insihren
ausgearbei-
Z u s a m m e n f a s s e n d zu diesen V o r g ä n g e n CRANSTON 2 0 0 0 , S. 168—191 und jetzt i n s b e s o n d e r e und mit präziser D o k u m e n t a t i o n C h r i s t o p h L . F r o m m e l , M i c h e l a n g e l o und das G r a b m a l des C e c c h i n o B r a c c i in S. Maria in Araceli, in: D o c t a M a n u s . Studien z u r italienischen S k u l p t u r für J o a c h i m P o e s c h k e , hg. v. J o h a n n e s M y s s o k / J ü r g e n Wiener, M ü n s t e r 2 0 0 7 , S. 2 6 3 - 2 7 7 ; bei beiden nicht zitiert A . J . S m i t h , F o r the D e a t h o f C e c c h i n o B r a c c i , in: T h e M o d e m L a n g u a g e Review, 58, 1963, S. 3 5 5 - 3 6 3 ; vgl. auch CLEMENTS 1966, S. 1 3 4 - 1 5 3 . - S e h r ähnlich erscheint der Fall des in j u g e n d lichem A l t e r v e r s t o r b e n e n F r e u n d e s v o n D a n i e l e da Volterra, O r a z i o Piatesi, dessen G r a b m a l mit B ü s t e in der F l o r e n t i n e r K i r c h e S. M i c h e l e B e r t e l d i errichtet w u r d e ; die I n s c h r i f t r ü h m t den g l e i c h e r m a ß e n in L i t e r a t u r und W a f f e n gebildeten J ü n g l i n g , der sich auch als dilettantischer M a l e r versuchte: „ D . O . M . / H O R A T I O P I A T E T O C I V I / R O M A N O A D O L E S C E N T I C V [ M ] I N LITTERIS E G R E G I E TVM IN / ARMIS STRENVE VERSATO / AC PICTURAE IGNARO /DANIEL VOLATERRANVS PICTOR AMICO / OPTIMO
NON
CARISSIMOQ[VE]
P . C . A . M . D . L V I I " ; dazu A l e s s a n d r o C e c c h i , in: D a n i e l e da Volterra 2 0 0 3 , S. 156 (cat. 4 8 ) .
380
Michelangelos Gaben - Epilog
teten, als eigenständige Kunstwerke gedachten ,Geschenk-Zeichnungen'. 935 Diese Blätter mit Themen wie dem Raub des Ganymed, dem Sturz des Phaeton oder den Qualen des Tityos (sehr wahrscheinlich gehören auch ,Der Traum', die ,Bogenschützen' und das ,Kinderbacchanal' zu dieser Gruppe) adaptieren und vermischen etablierte Mythen und antike Motive, neoplatonisches Gedankengut und petrarkistische Topoi, die Michelangelo freilich ähnlich dem Vorgehen bei seinen Gedichten in neuartiger formaler und inhaltlicher Variation und Kombination präsentierte (Abb. 164, 165).936 Die Zeichnungen lassen sich dabei sowohl als allgemeine moralische Ermahnungen und Exempla wie auch als Spiegel der innersten Seelenzustände Michelangelos verstehen. Auch sie folgen damit dem oben beschriebenen Prinzip des ,sokratischen Mantels' für unterschiedliche Rezipienten: Den E i n geweihten' offerierten sie eine „self-revelation" des liebenden Künstlers, für das weitere Publikum betrieben die Themen ein „self-concealment" - eine Ambivalenz des ,Ver- und Entschleierns', die Judith Anne Testa anhand der Zeichnungen wohl bislang am eingehendsten analysiert und in der paradoxen, einerseits sehr treffenden, andererseits viel zu modern denkenden Wendung vom „veiled exhibitionism" Michelangelos zusammengefaßt hat. 937 Es mag sein, daß Michelangelo von vorneherein wußte, daß seine Geschenke vor dem weiteren Kreis der Kunstinteressierten nicht geheim zu halten waren. Genauso dürfte aber auch wieder zutreffen, daß Michelangelo selbst gar nicht anders konnte als seine Liebe zum Thema des .Freundeskreises' zu machen. Ganz in diesem Sinne nahm er nicht nur bei den Zeichnungen, sondern auch bei seinen Briefen offenbar keinerlei Anstoß daran, daß etwa sein Bote zu Tommaso de' Cavalieri, Bartolomeo Angelini, die Gedichte vor Übergabe an den eigentlichen Empfänger stets für sich kopierte und damit (ausgewählten Freunden?) publik machte. 938 935 Der Begriff presentation drawing, der 1949 von Johannes Wilde für diese Blätter .erfunden', dann aber auf ganz unterschiedliche Typen von hochausgearbeiteten Zeichnungen angewandt wurde, scheint mir besser auf die .Präsentationszeichnungen' für Auftraggeber zuzutreffen; dazu jetzt zusammenfassend SCHUMACHER 2007, S. 39 f. 936 Zu den Zeichnungen und ihrer komplexen und hochkontroversen Forschungsgeschichte etwa PANOFSKY 1 9 8 0 ; TESTA 1 9 7 9 ; H I R S T 1 9 8 8 , S. 1 0 5 - 1 1 8 ; BARRAN 1 9 9 1 , S. 7 2 - 1 0 3 ; N A G E L 1 9 9 7 ; M a r i a
Ruvoldt, Michelangelo's Dream, in: Art Bulletin, 85, 2003, S. 87-113 und jüngst zusammenfassend und mit weiterer Lit. SCHUMACHER 2007. - Wenig beachtet sind bislang die petrarkistischen Elemente dieser Zeichnungen, die mir aber etwa im Fall des Phaeton erst den wesentlichen Gedanken zu liefern scheinen: Petrarca hatte in dem zentralen 23. Gedicht des Canzoniere besungen, wie grundlegend ihn die Macht der Liebe verändert hatte, nur um dann beim unerwarteten Tod Lauras seine unberechtigt hochfliegenden Hoffnungen gleich dem vom Blitz Jupiters getroffenen Phaeton abzustürzen zu sehen: „folminato et morto giacque / il mio sperar che tropp'alto montava". Entsprechendes fürchtet nun Michelangelo mit seiner ihn verwandelnden Liebe gegenüber Tommaso de' Cavalieri. Zu Petrarcas canzone s. etwa Albert J. Rivero, Petrarch's „Nel Dolce Tempo de la Prima Etade", in: Modem Language Notes, 94, 1979, S. 92-112. 937 TESTA 1979. - Vgl. zu den Gedichten und der auch bei diesen umstrittenen Frage, in welchem Maße sie überhaupt Aufschluß über Michelangelos Seelenleben und .Identität' geben, etwa CLEMENTS 1966; SASLOW 1988; James M. Saslow, The Poetry of Michelangelo, N e w Häven/London 1991, v. a. S. 26-29; Christopher Ryan, The Poetry of Michelangelo. An Introduction, Madison u. a. 1998, zu den Gedichten für Tommaso S. 94-128; GRAMATZKI 2004. 938 Vgl. etwa MICHELANGELO 1965-1983, Bd. 4, S. 56 (Nr. 937: Brief des Angelini an Michelangelo vom 18. Okt. 1533): „[...] io mi trovo la vostra [lettera] de' dì xi d'ottobre, insieme cholla di messer Thomao e li bellissimi sonetti, delli quali n'ò servato chopia e dipoi datoli a chi amdavano, per
Michelangelos
Abb. 164
Gaben
-
Epilog
381
Michelangelo, Sturz des Phaeton. London, British Museum
Die hier aufscheinende, unauflösbare Verbindung von Kunst, T u g e n d ü b u n g und s c h a f t / L i e b e in M i c h e l a n g e l o s D e n k e n l i e f e r t a u c h d i e b e s t e L e t z t b e g r ü n d u n g f ü r c h e n u n t e r r i c h t , d e n er o f f e n b a r a u s g e w ä h l t e n j u n g e n M ä n n e r n g a b u n d f ü r d e n d i e s o g e n a n n t e n teste divine als V o r l a g e n u n d L e h r s t ü c k e e n t s t a n d e n w a r . 9 3 9 N i c h t seitige Vermittlung einer manuellen Fertigkeit u n d u m W e r k s t a t t - A u s b i l d u n g ging
Freundd e n ZeiSerie der u m eines d a b e i ,
saper quanta afezione e' porti a tutte le chose vostre." Vgl. entsprechend S. 50 f. (Nr. 933). - Die Formulierung von der anima Michelangelos scheint S. 13 (Nr. 907: Brief Angelinis an Michelangelo vom 12.Juli 1533) den Brief an Cavalieri zu meinen: „io detti quell'anima a messer Thomao"; unklar dagegen S. 14 f. (Nr. 908) und S. 32 f. (Nr. 921). Leider unwahrscheinlich die Vermutung bei F R O M M E L 1979, S. 50, es könne sich um eine Medaille handeln. - Zu dieser Offentlichmachung von ,privaten' Gedichten etwa auch Walter L. L. Bullock, Some Notes on the Circulation of Lvric Poems in Sixteenth-Century Italy, in: Essays in Honor of Carleton Brown, New York 1940, S. 2 2 0 - 2 4 1 ; CLEMENTS 1966, S. 1 4 6 f .
939 Dazu am besten Alexander Perrig, Michelangelo's Drawings. The Science of Attribution, New Haven/London 1991 und S C H U M A C H E R 2007.
Michelangelos Gaben - Epilog
382
A b b . 165
M i c h e l a n g e l o (oder K o p i e nach), R a u b des G a n y m e d . Cambridge (MA), Fogg Art Museum
sondern es wurde gemeinsam und im gegenseitigen Austausch am disegno im höchsten und umfassenden Sinne gearbeitet. N u r ein so verstandener Zeichenunterricht war auch für Michelangelo selbst Möglichkeit und Ansporn zur tugendhaften Selbstformung. N u r vor dem Hintergrund dieser Freundschafts-Fiktion läßt sich verstehen, daß der Divino etwa den Rat des jungen Tommaso de' Cavalieri für die erste Version der Phaeton-Zeichnung einholte: „Herr Tommaso, wenn Euch diese Skizze nicht gefällt, dann sagt es [...], auf daß ich Zeit habe, bis morgen abend eine andere anzufertigen [...] und wenn sie Euch gefällt, und Ihr wünscht, daß ich sie ausführe, dann schickt sie mir zurück." 9 4 0 Erst indem Michelangelo das Urteilsvermögen des Geliebten herausfordert und seinerseits an dessen Urteil zu wachsen vorgab, erst in diesem vorgeblich altruistisch schenkenden Zirkel gegenseitiger Geistesbildung und Tugendübung, war die (neuplatonische) Vorstellung vom Seelen-Aufstieg durch Schönheit, Liebe und Kunst zu virtus, idea und Gott zu verwirklichen. 940
L o n d o n , British M u s e u m 1 8 9 5 - 9 - 1 5 - 5 1 7 : ,,[Mess]er t o m a o se questo scizzo n o [ n ] ui piace ditelo a Urbino [accijo / ch[e] io abbi t e m p o d auerne facto un altro d o m a [ n i ] dassera / [co]me ui promessi e se ui piace e uogliate chfe] io lo finisca / [rimjandate me l o " .
Michelangelos
Gaben -
Epilog
383
Zumindest in der Rolle des Beschenkten schließlich läßt sich Michelangelo auch mit Medaillen als Freundschafts- und Liebesgaben in Verbindung bringen: Die 1560 von Leone Leoni für den alten Meister gefertigte Schaumünze, die dessen blinde Pilgerschaft von der Sünde zur Erlösung versinnbildlicht, nahm der „uomo divino" offenbar gerne als .Zeichen freundschaftlicher Liebe' entgegen. 941 Wobei sich neben Michelangelo selbstverständlich noch andere Künstler - wie etwa Benvenuto Cellini - zwar ebenfalls zentral mit den Themen Freundschaft und Liebe auseinandersetzten, allerdings teils mit grundlegend divergierenden Konzepten und Umsetzungen. So kann etwa Cellini gerade im stolzen Verkünden seiner gleichermaßen auf Frauen wie Jünglinge ausgerichteten körperlich-aggressiven Liebschaften seine männliche Künstler-persona entwerfen und bestätigen. U m so bezeichnender muß es daher erscheinen, daß selbst noch für Cellinis saturnisch-genialisches Streben nach Transgression gesellschaftlicher Normen im Hinblick auf die Gaben-Kultur eine absolute Grenze gesetzt war: Denn als einer der drei wichtigsten Auftraggeber Cellinis, Herzog Cosimo de' Medici, für den Kunst-Transfer das etablierte Modell des love trade als eines freundschaftlich-freigebigen Mäzenatentums zugunsten des genau bemessenden monetären Warenverkehrs und der marktorientierten Konkurrenz abändern wollte (und dies im Gegensatz zu Cellinis anderen Haupt-Patronen, den Päpsten und Franz I.), rächte sich Cellini noch nachträglich in seiner Vita mit der Bemerkung, er habe Cosimo fälschlich als Herzog anstatt als Krämerseele behandelt: „non conoscendo io che questo Signiore aveva più modo di mercatante che di duca, liberalissimamente procedevo con sua Eccellenzia come duca e non come mercatante." 9 4 2 Freilich riefen nicht nur Cellinis notorische sexuelle Ausschweifungen, sondern auch Michelangelos sublimierende Liebesgaben in Verbindung mit seiner dauernden und intensiven Rede vom brennenden amor zu diesen Jünglingen den Verdacht der Zeitgenossen über 941 Zu Leonis Erklärung, er habe die Medaille „per amore" nach Rom geschickte, „per ambitione" in die restliche Welt, und zur Deutung der Medaille jetzt umfassend Andreas Schumacher, Leone Leonis Michelangelo-Medaille. Porträt und Glaubensbekenntnis des alten Buonarroti, in: Renaissance-Medaille 2004, S. 169-190, der Leoni-Brief S. 174; ergänzend Philine Helas, Michelangelo Pellegrino. Zur Bildnismedaille von Leone Leoni für Michelangelo Buonarroti, in: Curiosa Poliphili. Festschrift für Horst Bredekamp zum 60. Geburtstag, hg. v. Nicole Hegener u. a., Leipzig 2007, S. 70-77. - Zur Kritik an einigen angeblich nicht ganz naturgetreu dargestellten Elementen dieser Medaille s. dann Alexander Browne, Ars pictoria: or an Academy treating of drawing, painting, limning, and etching, London 1669, S. 75: „[...] as not long since fell out, in the work of a good carver, who in the wrong side [d.h. auf dem Revers], where he had carved Michael Angelo, made a blind Beggar led by a Dog tyed with a string about his Neck, which seemed to be so stretched, that it was as stiff as a staff, without any bowing·, which gave occasion to a -waggish Boy to scoft at it, saying, that if the Dog, had straitned the string so harde, he had either been strangled, or not able to go any farther, which caused certain Painters which were there to break into an extreme laughter." 942 CASTIGLIONE / CELLINI 1960, S. 862 (II, 53); dazu Jane Tylus, Writing and Vulnerability in the Late Renaissance, Stanford 1993, S. 31-53 („The Merchant of Florence: Benvenuto Cellini, Cosimo de' Medici, and the Vita"); G A L L U C C I 2003, u.a. S. 79f. und 130-133; zu einer ähnlichen, komplexer gelagerten Episode bei Michelangelo s. William Wallace, Michelangelos Leda: The Diplomatie Context, in: Renaissance Studies, 15, 2001, S. 473-499 und NAGEL 2003, S. 319 f.; zum größeren Kontext WARNKE 1985, S. 210-216. - Zur sich im späteren 16. Jh. teilweise ändernden Einschätzung von Großhandel vgl. jedoch WELCH 2005, etwa S. 68 f.; dort allerdings auch Beispiele (etwa S. 286f.) für den Einsatz von .Freundschafts-Fiktionen' bei Handelsgeschäften.
Michelangelos
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Gaben - Epilog
die wahre Natur dieser Verhältnisse auf den Plan. Ein Vorgang, der sich im übrigen ganz vergleichbar auch für Michelangelos Visualisierungen des intensiven Liebesverhältnisses von (totem) Christus und Gottesmutter konstatieren läßt, wo die Zeitgenossen ebenfalls Anstoß an der Übertragung von (in diesem Fall freilich visuellen) Metaphern aus dem profan-erotischen in den religiös-geistigen Bereich nahmen.943 Der divino selbst setzte angesichts fortgesetzter Spekulationen zum dichterischen Gegenschlag und zur Rechtfertigung an: „Und wenn der pöbel, klein, gemein und leer, / Den andern dessen, was er fühlt, bezichtigt, / Ist tiefer wille dadurch nicht entwichtigt, / Nicht liebe, treu und ehrliche begehr." 944 Sein späterer Neffe, Michelangelo Buonarroti d.J., sollte freilich als Erbe und Herausgeber der Gedichte im Druck - und ähnlich, wie es bereits Leonardo Bruni mit dem Platon-Poem auf Aster vorexerziert hatte - alle in zweideutigen Liebes-Kontexten auftauchenden männlichen Namen und Formen in weibliche oder sogar göttliche umändern.945 Dabei hatte schon Michelangelo selbst über das eine zitierte Verteidigungsgedicht hinaus alles unternommen, die Rolle eines ,neuen Sokrates' für sich in Anspruch zu nehmen: ebenfalls ein Bildhauer, dessen vielfach bezeugte untadelige Lebensführung gar nichts anderes denn keusche Tugendliebe zu den Jünglingen erlaubt hatte.946 In der vom Meister ,authorisierten' Biographie des Ascanio Condivi wird diese Vorstellung unter explizitem Rekurs auf das antike Vorbild aufgerufen: „Er [Michelangelo] hat auch die Schönheit des Körpers geliebt wie einer, der sie bestens kannte, und dergestalt geliebt, daß er gewisse lüsterne Menschen, die keine Liebe zur Schönheit kennen außer der wollüstigen und unanständigen, veranlaßte, schlecht von ihm zu denken und zu reden, als ob nicht Alkibiades, ein wunderschöner Jüngling, von Sokrates aufs keuscheste geliebt worden wäre, von dessen Seite er sich, wenn er bei ihm ruhte, nicht anders zu erheben pflegte als von der seines Vaters. Ich habe mehrere Male Michelangelo die Liebe erörtern und diskutieren hören und dann von jenen, die dabei waren, vernommen, er spreche nicht anders über die Liebe, als wie man es bei Plato geschrieben lese." 947 Entsprechend spielt etwa auch der Bericht über Michelangelos (fiktives) ,erstes Werk', eine Faunsmaske, mit der Ähnlichkeit des äußerlich satyrhaften Sokrates mit dem durch die gebrochene Nase ebenfalls entstellten Renaissance-Künstler.948
943 STEINBERG 1970 verfolgt insbesondere - teils mit sehr weit gehenden Deutungen - das Motiv der ineinander verschlungenen Beine. 944 MICHELANGELO 1964, S. 53 (Nr. 54): „ [ . . . ] / E se Ί uulgo maluagio, isciocho e rio / D i quel che sente altrui segnia e addita, / N o n è l'intensa uoglia men gradita, / L' amor, la fede e 1' onesto desio. / [ . . . ] . " Die deutsche Ubersetzung von Heinrich Heine. 945 So wird etwa auch aus dem „signor" für Tommaso de' Cavalieri ein „Signor" für G o t t ; dazu CLEMENTS 1966, S. 1 4 8 - 1 5 2 und GALLUCCI 2003, S. 48. 946 Das Spektrum der sokratischen Selbststilisierung Michelangelos versuchte erstmals konsequent Paul Barolsky, Michelangelo's N o s e . A M y t h and Its Maker, University Park/London 1990 auszuloten; vgl. ausführlicher ders., T h e Faun in the Garden. Michelangelo and the Poetic Origins of Italian Renaissance Art, University Park 1994; ein neuerer allgemeiner Überblick zu Michelangelos Orientierung an antiker griechischer Kunst bei Seymour Howard, Michelangelo and Greek Sculpture, in: T h e Rediscovery of Antiquity, hg. ν. Jane Fejfer u.a. [Acta Hyperborea 10], Kopenhagen 2003, S. 3 7 - 6 2 . - Zum Quattrocento-Wissen über Bildhauer-Beruf und Aussehen des Sokrates s. MANETTI 1979, S. 119, 138 und 151 sowie CRINITO 1955,1, xi. 947
La vita di Michelangelo Buonarroti ... scritta di Giorgio Vasari e da Ascanio Condivi, hg. v. Cari Frey, Berlin 1887, S. 204.
948 Zusammenfassend PFISTERER 2003.
Michelangelos
A b b . 166
Gaben -
Epilog
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Z e i c h n u n g n a c h e i n e m S t u c k r e l i e f d e s D a n i e l e da V o l t e r r a in R o m ,
S. T r i n i t à dei M o n t i . R o m , B i b l i o t e c a A n g e l i c a , m s . 1564, c. 2 8 7 v
Ein drittes frühes, dennoch wenig beachtetes Zeugnis für die sokratischc Selbststilisierung Michelangelos liefert schließlich die Stuckdekoration seines Adepten Daniele da Volterra in der Cappella Orsini der römischen Kirche S. Trinità dei Monti, die in den Jahren zwischen 1543 und 1550, am ehesten um 1548, entstand. Heute zerstört, ist sie partiell über Nachzeichnungen des späten 16. Jahrhunderts sowie mehrere Beschreibungen rekonstruierbar. Hier von Interesse ist eines von zwei ganz außergewöhnlichen Stuck-Feldern, auf denen Daniele in Abwandlung der antiken Erzählung von der Verleumdung des Apelles zwei satirisch-allegorische Bilder entworfen hatte, mit denen er sich gegen vorhersehbare Kritik an seinem Werk verteidigen wollte (Abb. 166). 949 Es zeigt den Innenraum der Kapelle, in dem drei Personen zusammen stehen, wobei die Rückenfigur ihr Gesicht in einem Spiegel betrachtet, die Person rechts daneben offenbar einen geöffneten Zirkel gegen sich
949
D a z u D a v i d J a f f é , D a n i e l e d a V o l t e r r a ' s S a t i r i c a l D e f e n c e of his A r t , in: J o u r n a l of the W a r b u r g a n d C o u r t a u l d I n s t i t u t e s , 54, 1991, S. 2 4 7 - 2 5 2 , B a r b a r a A g o s t i in: D a n i e l e d a V o l t e r r a 2 0 0 3 , S. 8 4 - 8 7 (cat. 15) u n d j ü n g s t v o r a l l e m KLIEMANN 2 0 0 6 ( m i t w e i t e r e r Lit.).
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selbst gerichtet in H ä n d e n hält, von links scheint eine weibliche Gestalt mit einer Waage in der erhobenen Linken heranzueilen. Vasari identifiziert die beiden Männer als Michelangelo mit Spiegel und Sebastiano del Piombo mit Zirkel. 9 5 0 Drei griechische Inschriften, die offenbar auf die Sprichwortsammlung Adagia des Erasmus rekurrieren (I, 6, 95 f.), bezeugen deren ,sokratisches Tun': „ΓΝΩΘΙ ΣΕΑΥΤΟΝ" - .Erkenne dich selbst' - ist direkt über dem Spiegel zu lesen. A m oberen und unteren Rand des Blattes w i r d weiter erläutert: ,,ΠΑΣΙ ΠΑΡΑΓΓΕΛΛΩ ΜΗΔΕΝ / ΥΠΕΡ TON METPON" - in etwa: „Mein Rat an alle: Nichts / [sei] über dem [bzw.: abweichend v o m ] [rechten] M a ß " . Die visuelle Botschaft umfaßt also neben einer positiv formulierten Kunsttheorie der aurea mediocritas auch die M a h n u n g , zunächst die eigenen (künstlerischen) Schwächen zu erkennen, bevor man Danieles Werk kritisieren zu können glaubte. Wobei insbesondere der U m s t a n d , daß der eigentlich fehlerfreie u n d überragende Michelangelo diese Warnung ausspricht, einerseits alle anderen Künstler in ihre Schranken verweist, andererseits auch indirekt die tatsächliche .Vollendung' von Danieles Werk herausstellt. Für die Frauengestalt hat jüngst Julian Kliemann überzeugend die Deutung als eine Art J u s t i t i a des gerechten Kunsturteils' entwickelt. Diese erinnert möglicherweise auch daran, daß das alleinige Hantieren mit dem Proportionszirkel (wie es im Relief .Sebastiano', w e n n diese Identifizierung stimmt, vorführt) und damit das Betonen der alleinigen Gesetzmäßigkeit von Kunst in kluger Gewichtung zu ergänzen ist u m das A u g e n m a ß , w i e es Michelangelo, der in den Spiegel blickt, mit seiner sprichwörtlichen seste nell'occhio vorführen w ü r d e (wobei Zirkel und Richtscheit zusammen dann bei Cesare Ripa auch als Attribute des Disegno figurieren). Der .sokratische C h a r a k t e r ' dieser Darstellung w i r d noch evidenter, w e n n man Achille Bocchis berühmte Symbolicarum Quaestiones von 1555 heranzieht, deren G a n y m e d - E m b l e m eindeutig auf Michelangelos Zeichnung für Tommaso de' Cavalieri zurückgeht. Hier findet sich auch eine Sokrates-Szene mit Spiegel und der Ermahnung des .Erkenne dich selbst', die große Ä h n lichkeit mit dem römischen Relief aufweist u n d bei der Sokrates den Spiegel einem Jüngling präsentiert (Abb. 167) - w o d u r c h im Gegenzug nochmals ganz klar wird, daß der Michelangelo des Reliefs deshalb von hinten dargestellt ist, damit w i r als Betrachter mit der richtigen Einstellung die Chance haben, ebenfalls einen Blick in den Spiegel sokratischer (Selbst-) Erkenntnis des .Guten' und .Wahren' zu werfen (wie es auch das 36. Emblem Bocchis durch einen Doppel-Zirkel thematisiert). 9 5 1 Dieser sokratisch-(neu)platonische Michelangelo, der im qualvollen Bewußtsein eigener U n v o l l k o m m e n h e i t aus Liebe seine jugendlichen amici beschenkt und dem Kult der Schönheit als Signum, Mittel und Weg der Tugend und göttlichen Güte huldigt, konnte in letzter Konsequenz Kunst überhaupt nur in Kategorien der Gabe für sich selbst begreifen. Insbesondere seine Sonette und Briefe an Vittoria C o l o n n a verdeutlichen, daß Michelangelo die eigene A u s n a h m e - B e g a b u n g gemäß dem Christus-Wort (Matth. 10, 8): „Gratis accepistis, gratis date" als A u s f l u ß göttlicher grazia empfand, deren Produkte ihrerseits nicht unter Maßgaben eines ökonomischen Handelns, sondern allein als A u s d r u c k der .Liebe' des Künstlers weitergegeben werden durften. 9 5 2 Ungeachtet dieser Selbstbescheidung des Künst9 5 0 VASARI 1 9 6 6 - 1 9 9 4 , Bd. 5, S. 5 4 0 - 5 4 2 .
951 Elizabeth See Watson, Achille Bocchi and the Emblem Book as Symbolic Form, Cambridge 1993, S. I l l zum Ganymed-Emblem, S. 122 zu Sokrates, allerdings hier mit Mißverständnis des hölzernen Spiegel-Deckels und nicht ganz überzeugender Deutung. 952 Dazu mit ausführlichen Belegen NAGEL 1997 und NAGEL 2003.
Michelangelos
cxxvi
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LIB. IT.
EN VIVA E SPECVLO FACIES SPLENDENTE REFER.TVR, HINC
SAPIES, DVM
POTE RISO; IPSE
Symb.
Abb. 167
OMNIA,
V ELIS·
LIX.
Achille Bocchi, Symbolicarum Quaestionum ... Libri Quinqué, Bologna 21574
lers w u r d e n im G e g e n z u g freilich die Bildkünste selbst u n d ihre Werke d u r c h diesen G e d a n k e n aufgewertet; sie traten n u n e b e n b ü r t i g neben die ebenfalls nicht m o n e t ä r verrechenbare u n d d e m P r i n z i p des f r e u n d s c h a f t l i c h e n A u s t a u s c h s folgende humanistische Literatur u n d Wissenschaft. M a n k ö n n t e z w a r auch auf das Vorbild des antiken Meisters Zeuxis verweisen, dessen u n s c h ä t z b a r wertvolle G e m ä l d e allein an w ü r d i g e E m p f ä n g e r zu verschenken waren. 9 5 3 Vor allem aber folgte Michelangelo mit diesen Idealvorstellungen erneut d e m Vorbild des Sokrates, der nach antiker wie mittelalterlicher D e u t u n g sein Wissen u n d die Philosophie insgesamt als G a b e verstanden hatte. 9 5 4 Wenn d a h e r D a n t e s Göttliche Komödie mit der Einsicht endet, die Liebe regiere die Sonne u n d Sterne, will sagen: das kosmische Gesamt, und w e n n A m o r z u d e m , wie gesehen, ü b e r h a u p t als U r s p r u n g aller geistig-krea-
953 Plinius, Nat. hist., 35, 62; diese Verbindung zieht etwa bereits PATRIZI 1567, fol. 317v-318r (IX, 17), der das Vorgehen des Zeuxis in Verbindung mit Gunsterweisen und Geschenken erwähnt. 954
D a z u P O S T / G I O C A R I N I S / KAY 1 9 5 5 , v. a. S. 2 0 2 - 2 0 6 .
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Michelangelos
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tiven Tätigkeiten gelten konnte, dann läßt sich übertragen für Michelangelo folgern: l'amor che muove l'arte·955 Insgesamt erweist sich, daß für die gesamte Renaissance(-Kunst) zentrale Vorstellungen, wie sie im Rom des jüngeren Lysippus, des Alessandro Cinuzzi und Pomponius Laetus ihren Anfang genommen hatten, hier so vollständig weiterentwickelt sind, daß ein Sonett Michelangelos aus den Jahren um 1540 geradezu die Argumentation und die Stichworte für die inhaltliche Gliederung dieser Arbeit zu den Gaben der Unsterblichkeit, den Gaben des Geistes und schließlich den Gaben der Liebe vorgegeben haben könnte. In ganz vergleichbarer Klimax nennt der divino Geist, Kunst und (Ruhmes-)Gedächtnis, über denen freilich letztendlich das unschätzbare (göttliche) Liebes-Geschenk triumphiert 956 :
Pagar può sol del suo chi è mortale.'
Va(e Lefíor/eíix,tfm^ J « .
ferßes.
955 Dante, Par. 33, 145; zur Geschichte des Gedankens Peter D r o n k e , L'amor che move il sole e l'altre stelle, in: Studi medievali, 6 , 1 9 6 5 , S. 3 8 9 - 4 2 2 ; William R. B o w e n , Love, the Master of All the Arts: Marsilio Ficino on Love and Music, in: Love and Death in the Renaissance, hg. v. Kenneth R . Bartlett u.a., Ottawa 1991, S. 5 1 - 6 0 und Thomas Leinkauf, A m o r in supremi opificis mente residens: Athanasius Kirchers Auseinandersetzung mit der Schrift , D e A m o r e ' des Marsilius Ficinus, in: Zeitschrift für philosophische Forschung, 43, 1989, S. 2 6 5 - 3 0 0 . 956 MICHELANGELO 1964, S. 184 (Nr. 109); vgl. für die Formulierungen ein Gedicht des Giovanni Betti für den Certame Coronario, allerdings nicht vorgetragen (De vera amicitia 1993, S. 467): „ D o n singulare, celeste e divino / è da D i o dato e per lu' costituto, / in chi spuntano libero o soluto, / per amor ama e lo strano ο Ί vicino. / [ . . . ] . "
Farbtf. I H e r m e s Flavius d e B o n i s alias L y s i p p u s , A l e s s a n d r o C i n u z z i ( B r o n z e ) . L o n d o n , British M u s e u m
F a r b t f . III H e r m e s Flavius d e B o n i s alias L v s i p p u s , M e d a i l l e S i x t u s ' IV. z u r E i n w e i h u n g des P o n t e Sisto (Bronze). Medagliere Vaticano
F a r b t f . IV , D i c D r e i ß i g T y r a n n e n ' , in: H i s t o r i a A u g u s t a . R o m , B i b l i o t e c a N a z i o n a l e C e n t r a l e V i t t o r i o E m a n u e l e II, F o n i l o V i t t o r i o E m a n u e l e 1004, f o l . 1 4 9 r
Farbtf. V B a r t o l o m e o S a n v i t o , I l l u m i n i e r t e H a n d s c h r i f t v o n S u c t o n , Vitae I m p e r a t o r u m . B N F , M s . lat. 5814, fol. 22v
I
i F a r b t t . VI , I )i vus A u g u s t u s P a t e r ' , in: C A E S A R V M I M A G I N E S . B N F , N o u v . A c q . Lat. 637, toi. 3r
F a r b t f . VII P o r t r ä t k a r n e o l Pauls II. ( F l o r e n z , P a l a z z o Pitti, M u s e o degli A r g e n t i ) u n d die beiden Seiten eines B r o n z e a b g u s s e s d a n a c h (Medagliere Vaticano)
mu
Farbtf. VIII F r e u n d s c h a f t s a l l e g o r i e , in: B N F , N o u v . A c q . Lat. 1905, fol. 65v
r.irbtf. IX F l o r e n t i n e r B i l d h a u e r i m l e t z t e n V i e r t e l d e s 15. J a h r h u n d e r t s , P l a t o n i s c h e r J ü n g l i n g . Ilorenz,
Bargello
Farbtf. Χ F r a n c e s c o T o r b i d o , J ü n g l i n g mit R o s e . M ü n c h e n , A l t e P i n a k o t h e k
Appendices
Α. K a t a l o g der Medaillen des Lysippus d . J . alias Hermes Flavius de' Bonis Dieses Verzeichnis ist als Ergänzung und Korrektur zu Hills Corpus gedacht, es wiederholt nicht alle bereits dort gegebenen Informationen zu den Medaillen (Hills Werkliste zu ,Lysippus' ist erweitert um A.9, A.10, A.32 und A.33; die bibliographischen Angaben nennen nur Titel, die sich direkt auf die Medaillen beziehen und noch nicht bei Hill aufgeführt sind). Versucht wird erstmals eine chronologische Ordnung der Stücke, um eine stilistische Entwicklung des Hermes Flavius de' Bonis verfolgen zu können. In das Grundgerüst aus inschriftlich datierten oder durch externe Informationen sicher datierbaren Medaillen (gekennzeichnet durch einen Punkt · ) sind die übrigen Exemplare eingefügt, die aufgrund von Stil und historischem Kontext nur lose einem ,Zeitfenster' zuzuordnen sind und deren genaue Reihenfolge untereinander sich nur annähernd bestimmen läßt. Eckige Klammern für die Nummerierung [Α.] signalisiert Zuschreibungen, die hypothetisch bleiben müssen. Ein kurzer Kommentar gibt weitere Auskunft über die Zuschreibungs- und Datierungsargumente sowie Hinweise zum Dargestellten und - erstmals systematisch - zur Ikonographie. Als Symbole werden verwendet: 0 Außendurchmesser; _L größte Reliefstärke; = Reliefstärke des Randes (einschließlich Perlstab, Leiste oder anderer Profilen; die letzten beiden Angaben nur, sofern die Medaillen im Münzkabinett, S M P K Berlin, vermessen werden konnten).
• A.l [H.807] Sixtus IV. (1414-1484), Ende 1471 0 41 mm; _L 5,0 mm; = 3,4 mm Obs. S I X T V S IUI P O N T [ i f e x ] M A X [ i m u s ] S A C R I CVLT[or] Rev. + H E C D A M V S I N T E R R I S A E T E R N A DABVNTVROLIMPO Francesco della Rovere, Kardinal seit 1467, wurde am 9. August 1471 als Sixtus IV. zum Nachfolger Pauls II. gewählt, seine Krönung erfolgte am 25. des Monats (zur Person LEE 1978; Isidoro Liberale Gatti, „Singularis eins inaudita doctrina": la formazione intellettuale e francescana di Sisto IV e suoi rapporti con gli ambienti culturali,
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Appendices
in: Sisto IV 2000, S. 21-32). Dieses Ereignis soll die Schaumünze offenbar erstmals kommemorieren. Dabei wäre denkbar, daß eine (zur Konkurrenz herausfordernde) Anregung, die Krönung darzustellen, von den unmittelbar zuvor, zwischen 1462 und 1472, geprägten carlini Ferrantes von Neapel ausgegangen ist, die eine grosso modo entsprechende Komposition zeigen (dazu GRIERSON 2002, S. 388 f.). Auch wenn zu den Vergabemodalitäten dieser ersten päpstlichen .Krönungsmedaille' des 15. Jahrhunderts keine Dokumente bekannt sind (im übrigen auch nicht zu den späteren des Quattrocento), war sich der neue Papst doch der öffentlichen Wirkung solcher ,Propaganda-Mittel' sehr bewußt, wie auf einem anderen Sektor seine offenbar unmittelbar nach der Stuhlbesteigung in Angriff genommene, inschriftlich dann auf Dezember 1471 datierte Statuenstiftung für das Kapitol bezeugt (dazu BUDDENSIEG 1983). Diese allgemeine Eile dürfte dafür sprechen, daß auch Lysippus seinen Auftrag wohl spätestens bis Ende 1471 erledigt haben mußte. Gezeigt wird der Pontifex zwischen seinen ihn mit der Tiara krönenden Namens- bzw. Schutzheiligen Franziskus von Assisi und Antonius von Padua - denn Francesco della Rovere entstammte nicht nur dem Franziskaner-Orden und hatte zeitweise als dessen decanus et regens fungiert, sondern auch in Padua studiert und dort dann als Professor gelehrt. Beiden Heiligen (und der Maria) errichtete er im übrigen später eine Kapelle in Alt-St. Peter und begünstigte ihrem Schutz unterstellte Institutionen. Die Inschrift liefert ein frühes Beispiel für die unter Sixtus dann geläufige Adaptation antikpaganer Vorstellungen und Begriffe (,Olymp') auf die christliche Religion. Die demonstrative Nebeneinanderstellung von irdischer und himmlischer Gewalt erinnert zumindest entfernt an die zeitgenössischen Diskussionen und Unterscheidungen von „potentia Dei absoluta" und „potentia Dei ordinata", in die Sixtus selbst als Kardinal mit einem kurzen Traktat De potentia Dei eingegriffen hatte; Sixtus als von Gott mit Weisheit, Gerechtigkeit und Tugend ausgestatteten .zweiten Gott auf Erden' beschreibt etwa Lippo Brandolini in De laudibus et rebus gestis Sixti IUI. Pont. Max. (dazu Concetta Bianca, Francesco della Rovere: un francescano tra teologia e politica, in: Un pontificato ed una citta 1986, S. 19-55, hier S. 4 2 - 4 5 , und John W. O'Malley, Praise and Blame in Renaissance Rome. Rhetoric, Doctrine, and
Reform in the Sacred Orators of the Papal Court, c. 1450-1521, Durham (NC) 1979, S. 113 und 209). Der von Hill zunächst geäußerte Zweifel, ob der lineare Stil des Revers mit den anderen Werken des Lysippus zu vereinbaren sei, darf zwischenzeitlich als positiv entschieden gelten. Dabei ist es kaum anders vorstellbar als daß der junge Medailleur durch die Vermittlung seines arrivierten, für Paul II. tätigen .Onkels' Cristoforo di Geremia an diesen prestigeträchtigen Auftrag kam, an dessen Werk das Revers auch in einigen Elementen erinnert. Bemerkenswert erscheint zudem, daß sich auch Lysipps späterer Hauptauftraggeber, Giovanni Alvise Toscani, mit einem Gedicht auf die Krönung von Sixtus dem neuen Papst empfiehlt, vgl. Francesco Elio Marchese in SABINUS 1474, fol. 126r-v (dazu BIANCA 1987, S. 231). Bibl.
WEISS 1 9 6 1 , S. 1 3 - 1 8 ; H I L L / P O L L A R D
1967, Nr. 2 1 9 ; POLLARD 1984, N r . 175; BAUMAN 1990, S. 2 0 - 2 3 ; BÖRNER
1997, Nr. 305;
ALTERI
1997; WALD MAN 2000, S. 98; MODESTI 2002-2004, B d . 1, S . 3 3 9 f . ; A L T I E R I 2 0 0 4 , S . 2 5 ;
2007, Bd. 1, Nr. 250.
POLLARD
Appendices
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daille. Hills Angaben, Maffei habe dann zwischen 1476 und 1480 dauerhaft R o m verlassen, müssen korrigiert werden: 1478 wird er Mitglied der Confraternità von S. Spirito in Sassia; erst Ende 1479/Anfang 1480 führt ihn eine Reise im Dienst des Kardinals Giovanni d'Aragona nach Ungarn; als Autor der 1506 publizierten Commentariorum urbanorum libri wird er eine der wichtigsten Quellen für das Rom des späten 15.Jahrhunderts und die erste Kurzvita des Lysippus liefern. Für die Datierung gilt es zum einen das jugendliche Alter des Porträtierten zu berücksichtigen, der höchstens die frühen 20er Jahre erreicht hat. Andererseits zeigen die Revers-Figuren einen deutlichen Fortschritt im plastischen Verständnis gegenüber der Krönungs-Darstellung auf A . l . Auch der Brustausschnitt des Bildnisses mit seinem deutlichen Ansatz des Oberarms erscheint sehr vergleichbar den auf ,um 1473/74' datierbaren Medaillen A.5 und A.6/7. Aber weder die Plazierung der Büste Maffeis auf dem unteren Medaillenrand noch die halbrunde Standfläche der Revers-Figuren werden später (jedoch gleichzeitig bei A.3) nochmals aufgegriffen; v.a. diese beiden ,Experimcntalformen' deuten darauf hin, die Maffei-Medaille unmittelbar vor A.5 und A.6/7 anzusetzen, also um 1472/73.
A.2 [H.797] Raffaele Maffei Volterrano (1451-1522), um 1472/73 0 83.5-85 mm Obs. R A P H A E L M A F F E V S V O L A T E R R f a n u s ] S C R I P T [ o r ] APOS[tolicus] Rev. S I C 1TUR A D A S T R A Raffaele wurde als Sohn des aus Volterra stammenden päpstlichen abbreviator Jacopo Gherardi in Rom geboren und erzogen (zur Vita s. D'AMICO 1983, S. 82-85; ergänzend und teils mit abweichenden Daten FRENZ 1986, S. 360, Nr. 1098 und S. 438, Nr. 2015). 1468 (nach Frenz: 1469) erlangte er mit 17 Jahren die Ernennung zum senptor apostolica - sicherer terminus post quem für die Me-
Das Motto des Revers aus Vergil, Aen. 9, Z. 641: „Heil, mein Knabe der Erstlingstat; so steigt man zu den Sternen" (ohne diese Stelle zu erwähnen zu dem sehr ähnlichen Sprichwort unbekannter Herkunft „Per aspera ad astra" Hildebrecht Hommel, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft, 4, 1949/50, S. 157165) behält Maffei ein Leben lang bei, es findet sich noch auf seinem Grabmal in Volterra. Das zugehörige Bild basiert auf einer anderen Passage der Aeneis (6, Z. 136), als Aeneas bei der Begegnung mit der Cumäischen Sibylle am Eingang der Unterwelt den Goldenen Zweig erhält (zur Bildtradition dieser Episode zuletzt Antonie Wlosok, Vergils Unterwelt [Aeneis VI] in der Buchmalerei von der Spätantike bis zur Renaissance, in: Leitbilder aus Kunst und Literatur, hg. v. Jürgen Dummer / Meinolf Vielberg, Wiesbaden 2002, S. 95-147). Servius' Kommentar ad locum vergleicht diesen Zweig mit dem Sinnbild des pvthagoräischen ,Y', das den heranwachsenden Jüngling vor die Entscheidung zwischen Gut und Böse stelle (dagegen interpretiert um 1470 LANDINO 1980, S. 224 den Goldenen Zweig nur als Zeichen
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Appendices
der „sapientiam [...], sine qua non est speculatio eligendarum agendarumque rerum iudex", nicht explizit als pythagoräisches Y; ein Vergleich von Maffei mit Pythagoras dann 1481 bei POLITIANUS 1970-1971, Bd. 3, S. 497). Eine speziell auf die Lebensentscheidung Heranwachsender gemünzte Deutung mag zudem durch Persius, Sat. III. 56 f. angeregt sein - allgemein als Sinnbild für den Weg der menschlichen Seele zu Gott werden die Irrfahrten des Aeneas im christlichen Mittelalter und entsprechend immer noch von Humanisten des 15. Jahrhunderts gedeutet. Zudem glaubte man Vergil selbst ein Gedicht De litera Y zuschreiben zu dürfen, in den Druckausgaben des 16. Jahrhunderts wird es von einem ausführlichen Kommentar des Badius Ascensius begleitet (etwa P. Vergilii Maronis Universum Poema, Venedig 1562, fol. 403r-404v). Dieser Vergil'schen Situation entsprechend begrüßt jedenfalls der junge Maffei die Sibylle, die ihm aktiv den Weg nach oben zu den Sternen weist (und daher moraliter als Tugendpersonifikation zu verstehen ist), wobei sie in der anderen Hand ein überdimensioniertes ,Y' so hält, daß dessen dicker und damit guter Buchstabenarm (im Gegensatz zu dem nach unten gebogenen schwachen) ihre Zeigegestik unterstreicht und so zu erkennen gibt, daß sich Maffei bereits auf dem richtigen Weg befindet (vgl. diese singulare Lösung mit den Beispielen in Wolfgang Harms, Homo viator in bivio, München 1970). Ohne daß sich ein gewichtiger Einschritt bzw. eine Entscheidungssituation in Maffeis Leben um 1472/73 erkennen ließe (es sei denn die brutale Eroberung seiner Heimatstadt Volterra durch die Medici 1472), ist doch daran zu erinnern, daß zu diesem Zeitpunkt in ihren Bemühungen um eine korrekte antike Epigraphik etwa Piatina und v.a. Papst Sixtus ihren Namen mit ,Y' zu schreiben und pythagoräisch auszudeuten begannen und damit eine richtiggehende ,Y-Mode' auslösten (die frühesten .offiziellen' Zeugnisse dafür datieren von 1473/74, s. PORRO 1986, S.416-418 und CRESCENTINI 2000, S.364f.; allerdings verwendete etwa bereits Andrea Bussi im Vorwort zum ersten Band der von ihm 1471/72 herausgegebenen Postillae des Nicolaus von Lyra [editto princeps] die Schreibweise .Xystus IV'). Dies würde nicht nur die vorgeschlagene Datierung unterstützen, das Sinnbild könnte dann auch als subtile Anspielung darauf zu verstehen sein, daß Maffeis ,Weg zu den Sternen' über .XYSTVS' IV. verläuft (zur
gleichzeitigen Aktualität des pythagoräischen ,Y' in Norditalien vgl. Kristine Patz, Form und Bedeutung. Zum Verhältnis von Historia und Allegoria in einigen Werken Mantegnas, in: Fifteenth-Century Studies, 24, 1998, S. 242-253). Bibl. M I D D E L D O R F / S T I E B R A L 1983, Nr. XV; Peter Porçal, Le allegorie del Corregio per lo studio die Isabella d'Esté a Mantova, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 28, 1984, S. 225-276, hier S. 252; John F. d'Amico, The Raffaele Maffei Monument in Volterra: Small Town Patronage in the Renaissance, in: Supplementum Festivum. Studies in honor of Paul Oskar Kristeller, hg. v. James Hankins u.a., Binghamton (NY) 1987, S. 469-488; Rolf Bagemihl, Cosini's Bust of Raffaelo Maffei and Its Funerary Context, in: Metropolitan Museum Journal, 31, 1996, S. 41-57; Novella Vismara, in: In the Light of Apollo 2003, S. 160 (Nr. 1.43).
Appendices
393
nen Giovanni Battista des Familienzeiges der O r sini di Monterotondo, der 1503 auf Befehl der Borgia vergiftet wurde (Francesco Sansovino, De gli Huomini Illustri della casa Orsina ... Libri Quattro, Venedig 1556, fol. 5 v - 6 r ) . Dabei hätte er als Vizerektor des Studium Urbis in den Jahren 1 4 7 5 / 7 6 (INFESSURA 1 8 9 0 , S. 1 5 9 , n o .
1;
CHAM-
BERS 1976, S. 86) und damit kurz nach der vermuteten Entstehungszeit der Medaille gute Kontakte zum Kreis um Pomponius Laetus gehabt. Die 1475 im Druck erschienene Widmung des TibullKommentars von Cillenio da Verona nennt ihn zudem „Baptistae Ursino aerarli pontificis custodi et almae Urbis Gymnasii vicerectori" (DELLA TORRE 1903, S. 234). Freilich zeigt nicht nur die Medaille keinerlei Hinweise auf seine (kirchliche) Karriere, wie bereits Hill erkannt hat, sondern auch das Sinnbild des Revers scheint besser auf seinen gleichnamigen Verwandten zu passen. Bei diesem handelt es sich um den kaum bekannten Giambattista aus der Linie der Orsini di Bracciano, zweitgeborener Sohn des berühmten Gentil Virginio, Enkel des Napoleone und Großneffe des Kardinals und Kämmerers der römischen Kirche Latino, der später ebenfalls zum Protonotar und chierico di camera aufstieg (möglicherweise ist dieser Giovanni Battista bei GHERARDI 1904, S. 126 gemeint: „vir summae industriae et peritia legum admodum clarus, sed inter gentiles").
A.3 [H.801] Giovanni Battista Orsini (gest. nach 1503), um 1472/72 0 60 mm Obs. IO[annes] BAP[tista] R O M A N V S VRSINVS Rev. ΠΛΕΟΝ ΗΜΙΣΥ ΠΑΝΤΟΣ (die Hälfte ist mehr als das Ganze) Die Identifizierung dieser Person wird dadurch erschwert, daß annähernd gleichzeitig mindestens zwei Orsini-Abkömmlinge gleichen Namens auftreten: Bei dem hier Porträtierten handelt es sich wohl nicht um den als Knaben zum LateranKanoniker, dann 1477 zum Protonotar und am 15. November 1483 zum Kardinaldiakon erhobe-
Die sprichwörtliche, allerdings in ihrem Sinn dem 15. Jahrhundert umstrittene und nicht ganz eindeutig festgelegte Wendung auf dem Revers (vgl. noch die bemühten Erklärungsversuche bei Erasmus, Adagia 1, 9, 95: „Dimidium plus toto") geht auf Hesiod, Erg. 40 zurück, wird aber auch bei Aulus Gellius, Noct. 18, 2, 13 und dann etwa in den Paroimiai des Griechen Michael Apostolos (ca. 1422-1480) überliefert. Cicero (nach Macrobius, Sat. 2, 3, 4) überträgt den Ausspruch scherzhaft auf ein Clipeus-Bildnis seines kleinwüchsigen Bruders („Frater meus dimidius maior est quam totus"), von PHILETICUS 1992, S. 132 als Beweis für Ciceros witzig-schlagfertiges Ingenium zitiert. Grundlage für die Medaillen-Inschrift dürfte dennoch am wahrscheinlichsten der Originaltext Hesiods gewesen sein, der in der zweiten Hälfte des Quattrocento gut bekannt war (Niccolò della Valle erstellte in den frühen 1460er Jahren sogar eine Übersetzung, die 1471 von Swevnhevm und Pannartz im Anhang zur Punica des Silius Italicus gedruckt %vurde). Damit könnte
394
Appendices
man nicht nur die bärtige Gestalt mit Umhang und ungewöhnlicher Kopfbedeckung, die möglicherweise einen antik-östlichen ,Weisen' darstellen soll, als Bild des Hesiod selbst verstehen. Ursprünglich äußerte Hesiod die später sprichwörtliche Bemerkung im Zuge seines Lobes auf das einfach-anspruchslose Leben, das ihm teilweise durch seinen Bruder aufgezwungen worden war, der das väterliche Erbe zum Großteil für sich beansprucht hatte. Diese Situation ließe sich gut auf Giovanni Battista übertragen, der als zweitgeborener der beiden legitimen Söhne Gentil Virginios (von den beiden unehelichen wurde einer vom Papst anerkannt) hinter Gian Giordano, dem späteren signore von Bracciano, Campagno, Trevignano, Scrofano, Galería, Fornello und Vicovaro, zurückstehen mußte. Allerdings bleibt damit noch unerklärt, warum die .Hälfte', die mehr (wert) sein soll als das Ganze, durch zwei Stöcke bzw. einen in zwei Teile zerbrochenen Stock illustriert wird, wobei die bärtige Gestalt einen der Stöcke fallen läßt. Denkbar wäre ein Rekurs auf die alttestamentarische Prophezeiung Zach. 11: „Assumpsi duas virgas, unam vocari decorem, alteram vero funiculum [...]", die so ausgedeutet wurde, daß eine als Meßlatte für die Tugend, die andere für irdische Nichtigkeiten erscheint (zum theologischen Deutungsspektrum einer virga ab Mitte des 14. Jahrhunderts Petrus Berchorius, Dictionarium, vulgo Repertorium Morale, Köln 1731, Bd. 3, S. 222-224; zur Diskussion über Besitz und Wissen bereits der Apostel am Beispiel einer virga
auch POST / GIOCARINIS / KAY 1955,
S. 225-227). Orsini würde den ,Zollstock' des Besitzes und eitlen Strebens (nach dem Erbe usw.) wegwerfen und dadurch das .Ganze', nämlich die von allem Materiell-Irdischen unabhängige Tugend, gewinnen, womit zugleich das Sinnbild als allgemeines Exempel und nicht allein als biographische Aussage zu lesen wäre. O b eine zweite Medaille eines „ I O A N B A P T V R S I N V S " (H.1133) von einem unbekannten Künstler tatsächlich den zuerst erwähnten Giovanni Battista aus der Monterotondo-Linie darstellt, wie Hill v. a. aufgrund des Kreuzes glaubt, oder nicht erneut unseren oder einen späteren Giovanni Battista Orsini, muß offen bleiben. Bibl. -
• A.4 [H.806] Sixtus IV. (1414-1484), Anfang 1473 0 4 0 - 4 1 mm; 1 4,4 mm; = 3,5 mm Obs. SIXTVS IUI PONT[ifex] MAXfimus] SACRICVLTOR Rev. C V R A RERVM P V B L I C A R V M Nach INFESSURA 1890, S. 76 erfolgte am 29. April 1473 die feierliche Grundsteinlegung des Ponte Sisto, bei der Gold-Medaillen - mit aller Wahrscheinlichkeit Exemplare diesen Typs - versenkt wurden, die dann erstmals das Bildnis des Stifters mit einer getreuen Darstellung seines Bauwerks vereint hätten („Dereto ad quella pietra [dem Grundstein mit Inschrift] misse lo papa certe medaglie d'oro colla soa testa"). Die Erneuerung der Brücke (mit ihren antiken Vorgängern), aber auch die Emission der Medaille mit ihrer ReversInschrift steht im Kontext von Sixtus' großem Projekt einer .Erneuerung der Stadt', die ihn laut seinen Panegyrikern und anderen Inschriften und Medaillen zum urbis renovator (H.753), zum urbis restitutor (H.816£er.), wenn nicht gar zum -
Appendices
395
nach Romulus und Augustus dritten conditor urbis erhoben, der das zeitgenössische R o m zu seiner antiken Würde zurückführte (BENZI 1990, S. 27; Paola Guerrini, L'epigrafia sistina come momento della „Restaurado Urbis", in: Un pontificato ed una città 1986, S. 4 5 3 - 4 7 9 und am ausführlichsten die unten zitierte Arbeit von Röh 1999, S. 112-132). Anders als auf den genannten Medaillen H.753 und H.816ter. wird hier jedoch durch die Betonung der publica utilitas vor jedem privatus usus die Rechtfertigung solcher durch Bauten demonstrierten und am aristotelischen Tugendkatalog orientierter magnificentia in den Vordergrund gestellt (vgl. etwa die Formulierungen in den Lobschriften auf Sixtus' Bautätigkeit von Lippo Brandolini und Andreas Trapezuntius bei BUDDENSIEG 1983, S. 62-65, aber auch die Inschriften unter den die Brücke zeigenden Fresken in S. Spirito in Sassia mit Szenen aus dem Leben von Sixtus IV.; zur tatsächlichen Finanzierung s. Ulrich Schwarz, Sixtus IV. und die deutschen Kurialen in Rom. Eine Episode um den Ponte Sisto [1473], in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, 71, 1991, S. 340-395). Im Gegenzug erinnert die Formulierung von der päpstlichen cura aber auch die Einwohner Roms an ihre dankbare Verpflichtung dem Pontifex gegenüber (wie es explizit Piatinas Epigramm unter dem berühmten BibliotheksFresko Melozzo da Forlis anspricht: „Plus tarnen debet urbs"). Bibl.
WEISS
1961,
S.
14 u n d
1 8 f.;
POLLARD
1984, Nr. 174; Matthias Winner, Papa Sisto IV quale exemplum virtutis magnificentiae nell'affresco di Melozzo da Forlì, in: Arte, committenza ed economia 1995, S. 171-195, hier S. 181 f.; BÖRNER 1997, Nr. 304; ALTERI 1997; Brigitta Röh, Studien zur politischen Ikonographie des Brückenbaus in Ober- und Mittelitalien vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Hamburg u.a. 1999, S. 120; WALDMAN 2000, S. 98; Giancarlo Alteri, Il Giubileo di Sisto IV attraverso alcune testimonianze numismatiche dirette e indirette, in: Sisto IV 2000, S. 151-154; M O D E S T I 2 0 0 2 - 2 0 0 4 , B d . 1, S . 3 4 3 f . ; S A T Z I N G E R 2 0 0 4 , S . 1 0 6 f.; A L T I E R I 2 0 0 4 , S . 2 8 f.
A.5 [H.796] Spiegel-Medaille mit Selbstporträt, 1473 0 8 2 . 5 - 8 3 mm Obs. D I LA I L B E L V I S O E Q V I I L T V O SERVO MIRA Rev. blank Diese nur in einem Exemplar erhaltene Medaille, deren Rückseite durch Politur als Spiegel diente, zeigt nicht nur exakt dieselbe Randprofilierung wie A.10 (1474), sondern auch das Bildnis bewegt sich stilistisch zwischen A.2 (1472/73) und A.6/7 (1473/74). Beides würde zu einer Datierung um 1472/74 führen. Da jedoch S. 370 ff. plausibel gemacht werden kann, daß dieses Stück als Geschenk für Alessandro Cinuzzi gedacht war und also dessen Tod am 8.Januar 1474 vorausging, präzisiert sich die Entstehung wohl auf 1473. Bibl. Currency of Fame 1994, Nr. 36; WALDMAN 2 0 0 0 , S . 9 9 ; SYSON / T H O R N T O N 2 0 0 1 , S . 5 1 f.
396
Appendices Die Inschrift der Rückseite reiht das Stück unter die frühesten Bildzeugnisse des im 15.Jahrhundert aufkommenden Kultes der Frühbegabung ein; Toscanis frühreifes Dichtertum rühmt etwa auch SABINUS 1474, fol. 126r-v: „Nam quid referam eum poetica facúltate praestantem, in qua a teneris unguiculis nutritus multa et praeclara scripsit? [...] Profecto non immerito poetae nomen etiam tum puer assecutus videtur." Eibl.
WEISS
1958;
HILL
/
POLLARD
1967,
N r . 2 2 1 ; POLLARD 1 9 8 4 , N r . 1 7 9 ; G O R I N I / PARISE LABADESSE / SACCOCCI
1991,
S.
102
(cat.
147);
B Ö R N E R 1 9 9 7 , N r . 3 0 9 ; WALDMAN 2 0 0 0 , S. 1 0 0 f.;
PFISTERER 2 0 0 3 , S. 2 6 7 f.; POLLARD 2 0 0 7 , B d . 1,
Nr. 253 f.
• A.6 [H.812] Giovanni Alvise Toscani (ca. 1450-vor O k t . 1478), 1473/Anfang 1474 0 7 0 - 7 5 mm; _L 7,3 mm; = 3,1 mm Obs. I O H A N N E S ALOISIVS T V S C A N V S ADVOCATVS Rev. P R E V E N U AETATEM I N G E N I V M PRECOX Toscani wurde vor Dezember 1473 zum advocatus consistorialis ernannt, da er mit diesem Titel im Kolophon einer Ausgabe von Bartolo da Sassoferrato, Consilia, Rom 1473, fol. 134v firmiert. Die Medaille kommemoriert dieses Ereignis herausragend das abgebildete Silber-Exemplar (96,56 g) der Staatl. Münzsammlung München.
Appendices
39 7
interpres, quoi vel Scaevola cederet, ex iunioribus autem quem in his tibi conferre possem non inverno. Tu poeta et orator excellentissimus, et historias seis omnis et fabulas. Tu denique philosophus multa laude digna." - , von Angelo Sabino (SABINUS
1474, fol.
126r-v;
v g l . BIANCA
1987,
S. 231) und einer Briefadressierung von Francesco Elio Marchese von 1475 (BIANCA 1987, S. 246): „Ioanni Alosio Tuscano, amico lepidissimo, poetç dulcissimo oratorique pariter et jurisconsulto clarissimo". Bibl. WEISS 1958; POLLARD 1984, Nr. 180; BÖRNER 1 9 9 7 , N r . 3 1 0 ; WALDMAN 2 0 0 0 , S. 1 0 0 f.
• A.7 [H.813] Giovanni Alvise Toscani (ca. 1 4 5 0 - v o r O k t . 1478), 1473/74 0 7 0 - 7 2 mm; 1 7,9 mm; = 4,0 mm Obs. I O H A N N E S A L O I S I V S T V S C A N V S ADVOCATVS
Rev. I N C E R T V M I V R I S C O N S V L T V U S ORATOR AN POETA PRAESTANTIOR Wohl gleichzeitig mit A.6 entstanden unter Verwendung desselben Obvers mit alternativer Revers-Inschrift. Diese ist in ihrem Lob der Universalität Toscanis, der gleichermaßen als Jurist, Redner und Dichter herausragt, gut vergleichbar mit den Elogien auf ihn von Martino Fileticos (1471 f.) - „Tu optimus sanetissimorum legum
• A.8 [H.810] Giovanni Alvise Toscani (ca. 1 4 5 0 - v o r Okt. 1478), 1473/75 0 34 mm Obs. I O H A N N E S A L O I S I V S T V S C A N V S ADVOCATVS Rev. blank Diese kleine Medaille auf Toscani, die ihn etil' antica mit Lorbeerkranz zeigt, dürfte ihn als Dichter feiern (dazu WEISS 1958a). Der Datierungsspielraum ergibt sich zwingend aus der Titulierung als advocatus consistorialis. Bibl. Weiss 1960.
Appendices
398
A.9 [H.823] Giovanni [di Salvatore Filangieri] Candida (ca. 1445/50 - ca. 1498/99), um 1473/75 0 58 χ 48 mm Obs.
IOHANNIS
CANDIDA
Rev. blank Gibt man die - im Gefolge von Hill oft wiederholte, dabei von Anfang an stark hypothetische und seit Hill um keine weiteren stichhaltigen Argumente gestützte - Vorstellung, der adelige dilettante Candida sei ,Schüler' des Lysippus gewesen, angesichts der gesichterten Daten auf, die Candida bereits 1463 am Burgundischen Hof Karls des Kühnen belegen, als dessen Sekretär er ab 1472 firmierte, dann wird man auch die postulierten stilistischen Abhängigkeiten und Ähnlichkeiten zwischen beiden Medailleuren kaum noch als überzeugend und besonders eng beschreiben wollen (zur Biographie DBI, Bd. 17, 1974, S. 7 7 4 776). Hill führte für diese These als Bindeglieder zwei Medaillen an (H.824 und H.825), die er stilistisch zunächst .halbwegs' zwischen Candida und Lysipp piaziert, dann aber als Frühwerke dem Candida zuschlägt. Beide lassen sich aber genauso gut als kurzfristig von Lysipp beeinflußte Schöpfungen Candidas während eines Rom-Aufenthalts oder aber noch überzeugender als Produkte eines anonymen römischen Nachfolgers des Lysippus begreifen. 1475 und 1477 jedenfalls ist Candida in Rom dokumentiert, zum späteren Zeitpunkt offenbar sogar als päpstlicher Sekretär tätig (HOFMANN 1914, Bd. 2, S. 116; FRENZ 1986, S. 367, Nr. 1179). Unbestrit-
ten bleibt, daß Candida einige Anregungen der Medaillenkunst des Lysippus aufgegriffen hat, die stilistische Differenz bleibt aber doch so beachtlich, daß die nur in einem Exemplar (Washington, Kress Collection) überlieferte Plakette mit dem Porträt Candidas auf jeden Fall von der Hand des Lysippus stammen muß (in diesem Sinne jüngst auch Waldman 1994 und Pollard 2007). Dafür spricht zudem eine andere, stilistisch stark abweichende, dennoch eine ungefähr gleich alte oder etwas jüngere Person zeigende Selbstbildnis(?)-Medaille (H.822) des Candida. Die enge Vergleichbarkeit der weichen und zugleich präzis-charakterisierenden Modellierung der KressPlakette mit dem Bildnis Toscanis auf A.6/A.7 deutet auf eine Datierung dieses Stücks spätestens in die Zeit von Candidas dokumentiertem Romaufenthalt 1475 (bereits 1473 ist er in Venedig, so daß schon ab diesem Zeitpunkt nicht dokumentierte Romreisen möglich gewesen wären). Bibl.
HABICH
1923,
S. 8 3 ;
HILL /
POLLARD
1967, Nr. 222; Louis Waldman in: Currency of Fame 1994, S. 121 f.; POLLARD 2007, Bd. 1, Nr. 255.
Appendices
• Α.10 [H.220] Alessandro Cinuzzi (1458-1474), 1474 0 123-124 mm Obs. A L E X A N D E R E T R V S C V S A D O L E S C E N T E PRINCEPS Rev. H E R M E S FLAVIVS A P O L L I N I S V O CONSECRAVIT Kommentar und Bibl. s. hier Kap. 1, 4 und 8. Links ist das Exemplar in London, Victoria & Albert M u s e u m , rechts dasjenige in Paris, BNF, Cabinet des Médailles abgebildet.
399
400
Appendices
A . l l [H.814] Francisco Vidal (Lebensdaten unbekannt), vor 1477 0 39-41 mm; 1 5,9 mm; = 3,7 mm Obs. FRANCISCVS VITALIS NOIANVS Rev. GRATITVDO ETBENEFICEN TIA Der aus der Gegend zwischen Tarragona und Barcelona (dort der Fluß Igualanda, lateinisch: Noianus Equate), stammende Humanist Vidal, Tutor Ferdinands des Katholischen, wurde 1477 von Sixtus IV. mit dem Priorat der Basilica del Pilar de Zaragoza bedacht, wohin er 1479 übersiedelte (die Behauptung, er sei auch päpstlicher Protonotar gewesen, läßt sich nicht durch zeitgenössische Zeugnisse stützen). In Saragossa erschien dann 1493 die editio princeps seiner erfolgreichen Sallust-Übersetzung ( C a t h i l i n a r i o y Jugurtha). Daß auf der Medaille kein entsprechender Titel genannt wird, deutet auf ein Entstehungsdatum vor 1477. Dafür spricht auch der Stil: Die nackte Männerfigur des Revers erscheint in ihrer Dreiviertelansicht mit dem Philosophen auf A.3 (1472/73?) vergleichbar, ihr nächstes Pendant hinsichtlich des minutiös durchartikulierten muskulösen Männerkörpers findet sie aber im Neptun von A.17 (Anfang 1477). Das Doppel-
Blatt zur Worttrennung auf dem Vidal-Obvers erscheint ebenfalls auf dem Selbstbildnis-Spiegel von 1473 (A.5) und nochmals auf der bereits genannten Medaille Toscanis von Anfang 1477 (A.17). Der sehr schmale und spitz zulaufende Brustausschnitt schließlich ähnelt A.8, A.14 und A.18, die erneut sehr wahrscheinlich einen Zeitrahmen von 1473 bis 1477 aufspannen. Eine mittlere Datierung um 1475/76 scheint daher am ehesten in Frage zu kommen. Das Revers mit dem friedlich hinter einem Löwen stehenden und diesem in die Mähne greifenden nackten Mann illustriert die Geschichte von Androklos (Aulus Gellius, Noctes Atticae, 5, 14 bzw. Aelian, De Nat. An., 7, 48), der die Raubkatze von einem Dorn in der Pfote befreit hatte und dafür später, als Androklos zum Tod durch wilde Tiere in der Arena verurteilt worden war, von ihr verschont wurde - angesichts der Nacktheit des Mannes soll möglicherweise dieser Moment im Zirkus dargestellt sein. Das auf helfender Wohltat und Dankbarkeit basierende Verhältnis beider wird auch durch die Inschrift thematisiert; auf welches Ereignis im Leben Vidais dies zu übertragen ist, entzieht sich freilich der Kenntnis. Bibl. P O L L A R D 1984, Nr. 181; B Ö R N E R 1997, Nr. 311.
A.12 [H.815] Francisco Vidal (Lebensdaten unbekannt), vor 1477 0 33.5-34 mm Obs. FRANCISCVS VITALIS NOIANVS [wieH. 814] Rev. REGVMPR AECEPTOR Als Variante wohl gleichzeitig mit A . l l entstanden, das Bildnis von dort übernommen, das Re-
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401
vers zeigt Vidais Wappenschild, in das offenbar als Gunstbeweis Ferdinands des Katholischen, K ö n i g von Sizilien zwischen 1468 und 1479, das sizilische Wappen a u f g e n o m m e n wurde.
Bibl. -
A.14 [H.789] M a r t i n o Filetico (ca. 1 4 3 0 - c a . 1483/90), 1474 ff. 0 42 mm; _L 4,2 mm; = 2,3 m m Obs. M[artinus] P H I L E T H I C V S P O E T A LAVfreatus] E T E Q V E S C O M [ e s ] PAL[atinus] Rev. Ε Ρ Γ Ο Ν Λ Υ Σ Ι Π Π Ο Υ N E O T E R O U (Werk des jüngeren L v s i p p u s ) A.13 [H.816] F r a n c i s c o Vidal ( L e b e n s d a t e n u n b e k a n n t ) , 1477/79 oder f r ü h e r 0 33.5-34 mm Obs. F R A N C I S C V S V I T A L I S N O I A N V S [wie H . 8 1 4 ] Rev. C R V X N O I A N A Als Variante zu A . l l entstanden, das Bildnis von dort übernommen. Sollte das Wappenschild des Revers mit seinen k r e u z f ö r m i g angeordneten, geknoteten und in Troddeln auslaufenden Stricken mit seiner Ernennung z u m Prior in der Basilica del Pilar zusammenhängen, wäre die Entstehung der Medaille auf 1477 bis spätestens 1479 zu präzisieren. Bibl.
POLLARD 1 9 8 4 , N r . 182.
Filetico wird 1468 durch Friedrich III. in R o m z u m Ritter geschlagen und z u m Dichter gekrönt, weitere H ö h e p u n k t e seiner Karriere sind 1473 die Ernennung zum N a c h f o l g e r des G a s p a r e da Verona als R h e t o r i k p r o f e s s o r am römischen Studium U r b i s und die B e r u f u n g an die Pistoieser Universität (am 4. Mai 1474; unsicher bleibt, ob Filetico annimmt, denn spätestens 1475 ist er in R o m zurück; zur Biographie s. Concetta Bianca, Filetico, Martino, in: D B I , 47, R o m 1997, S. 6 3 6 640). Mit Toscani tritt Filetico spätestens nach seiner H o r a z - V o r l e s u n g 1470/71 in Kontakt, er dediziert ihm in der Folge das Manuskript wohl auch in der H o f f n u n g , daß Toscani zu dessen D r u c k l e g u n g beitragen könnte (dazu BIANCA
402
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1996). Als sein universitärer Ruhm angesichts von neuen Methoden und Dozenten wie Domizio Calderini im Laufe der 1470er Jahre zu sinken beginnt, scheint er sich insbesondere auch auf Griechisch-Vorlesungen (Homer) konzentriert zu haben - eine Sprache, die eine Reihe seiner Konkurrenten nur unvollständig beherrschte (vgl. zu Fileticos Auseinandersetzungen DIONISOTTI 1958, zum Vorwurf, andere Humanisten könnten Vergil mangels Kenntnis seiner griechischen Quellen nicht richtig interpretieren, auch Norma Rinna, Martino Filetico e la sua attività di docente, in: Quaderno del Quinto Centenario di Martino Filetico, hg. v. Biancamaria Valeri, Ferentino 1992, S. 77-95, hier S. 90). Schließlich wendet sich Filetico mit der Schrift In corruptores latinitatis (hg. v. Maria A. Pinelli, Rom 2000; S. X L I zur Datierung ,1481/82') explizit gegen diese neue Richtung und gegen Anschuldigungen u. a. aus dem Umkreis der römischen Akademie bereits einige Zeit vor dieser Publikation dürfte eine Medaille von Hermes als einem so offensichtlich mit der Akademie liierten Künstler kaum noch möglich gewesen sein. Die zweisprachige Medaille, aufgrund der Verwendung des Pseudonyms ,Lysippus' für Hermes mit einem sicheren terminus post quem von Januar 1474 (zur Begründung S.205 ff.), signalisiert also nicht nur Fileticos doppelte Sprachkompetenz, sondern könnte auch als eine Art Kompensation für dessen sinkenden Ruhm entstanden sein. Das Revers der Schaumünze Fileticos zeigt einen Pelikan (oder Phoenix, s.u.), der mit dem eigenen Blut der Brust den Nachwuchs nährt (dazu zusammenfassend MAFFEI 1506, fol. C C C L X V I I v - C C C L X V I I I r : „Pelicanus [...] In epistolis divi Hieronymi mirum legitur hanc avem ubi pullos suos necatos a serpentibus viderit e sanguine suo ab latere incusso atque insperso nidis in vitam restituere. [...]."). Diese Chiffre hat zwei im Rom der Zeit mit Sicherheit bekannte Vorläufer - oder besser .interpikturale Bezugspunkte': Pisanellos Medaille für Vittorino da Feltre (H.38) und Guazzalottis Exemplar für Pius II. (H.749), wobei bereits WEISS 1961, S. 22 festgestellt hat, daß Lysippus den Vogel nach der Papst-Medaille kopierte, da sich nur hier der verkürzte hintere Flügel vorgebildet findet. Fileticos bewußter Verzicht auf ein eigenes Sinnbild dürfte daher auch ein doppeltes semantisches Bezugsfeld aufmachen: auf den Papst, der noch als Enea
Silvio Piccolomini ebenfalls von Friedrich III. 1442 zum poeta laureatus gekrönt worden war, wohl mehr noch und vor allem aber auch auf den großen humanistischen Lehrer Vittorino und dessen .Aufopferung' für seine Schüler (zur Deutung von Vittorinos und Pius' Medaillen PFISTERER 1998, S. 206 f. und HELAS 2004, S. 78-82; vgl. auch DOMENICHI 1557, S. 97f.: „tale è l'amore e la carità di lui [des Inhabers einer Pelikan-Imprese] verso i suoi figliuoli spirituali commeßi al governo di lui, che per salvezza loro volontariamente spenderebbe la propria vita"). Wenn der Vogel aber auch eine Identifizierung als Phoenix erlaubt, wie Francesco Prendilaquas Interpretation in seiner Vita des Vittorino von ca. 1470 deutlich macht, wäre ein zusätzlicher Rekurs auf eine Vorstellung Petrarcas naheliegend, wonach der Phoenix unter seinen Schwingen das dichterische ingenium und lyrische Ich .ausbrütet' und nährt (vgl. Francesco Zambón, Sulla fenice del Petrarca, in: Miscellanea di Studi in Onore di Vittore Branca, Florenz 1983, Bd. 1, S. 411-425) - womit neben Phileticus' pädagogischer Leistung, Liebe und Lehre, erneut seine eigene literarisch-dichterische Produktion, zumal als poeta laureatus, thematisiert worden wäre. Formal ist der Vogel mit seiner Brut jedoch wenig glücklich in das Bronze-Rund mit der Künstlersignatur gequetscht, Hermes gelingt es offenbar nur ungenügend, den Abguß des Pelikans der Pius-Medaille seiner Ausarbeitung zu adaptieren. Akzeptiert man die These vom Qualitätsabfall der Werke des Hermes mit dem Tod Cristoforo di Geremias (vgl. S. 213f.), könnte dieser stilistische Befund die Datierung auf die Jahre ab 1476/77 präzisieren. Bibl. W E I S S 1961; F I L E T I C O 1992, S. 53, Anm. 4 3 ; HELAS 2 0 0 4 , S. 79f.
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schematische Haarbehandlung scheinen zudem gut mit A.23 von 1478 vergleichbar. Giulianos Medaille dürfte daher zwischen 1475 und 1478 entstanden sein.
Bibl. Waldmann 2000, S. 99.
Α.15) [Η.788] Giuliano Marasca (Lebensdaten unbekannt), u m 1475/78 0 37 m m Obs. I V L f i a n u s ] M A R A S f c a ] O P T I M [ u s ] I N D O L f i s oder - e ] A D O L f e s c e n s ] Rev. LYSIPPVS A M I C O O P T I M O M i t großer W a h r s c h e i n l i c h k e i t k o m m t H e r m e s ü b e r die Schule des P o m p o n i u s Laetus mit G i u liano M a r a s c a in Kontakt, N e f f e des päpstlichen H a u s h o f m e i s t e r s B a r t o l o m e o M a r a s c a u n d sehr w a h r s c h e i n l i c h B r u d e r von G i a n f r a n c e s c o - vgl. dazu S . 2 1 0 . Die F r e u n d s c h a f t z w i s c h e n J u g e n d lichem u n d Künstler dürfte auch für den späteren M e d a i l l e n a u f t r a g des B r u d e r s ( A . 2 9 ) v e r a n t w o r t lich gewesen sein. Die S i g n a t u r mit , L y s i p p u s ' zeigt, daß G i u l i a n o s S c h a u m ü n z e auf jeden Fall nach J a n u a r 1474 entstanden sein m u ß ; der K r a n z auf d e m Revers findet seine nächste Parallele auf der M e d a i l l e f ü r Francesco de' M a s s i m i (Α. 16) von 1475/78, der im J a n u a r 1479 g e m e i n s a m mit Giulianos Bruder Gianfrancesco zum abbreviator ernannt w i r d . Brustausschnitt u n d e t w a s
A . 1 6 [ H . 7 9 9 ] Francesco [de'] Massimi (gest. 1498), um 1475/78, sicher v o r 1479 0 38 m m ; 1 4,3 mm; = 3,0 m m Obs. F R A N C I S C V S M A X [ i m u s ] M I L E S A C V [ t r i u s q u e ] I[uris] D O C [ t o r ] Re v. P R O PA T R I A Der adlige römische B ü r g e r Francesco, Sohn des Pietro de' M a s s i m i , ist nicht zu v e r w e c h s e l n mit d e m g l e i c h n a m i g e n , bereits 1471 verstorbenen Sohn eines seiner G r o ß o n k e l , der g e m e i n s a m mit d e m B r u d e r Pietro den D r u c k e r n S w e v n h e i m u n d P a n n a r t z ein H a u s in R o m z u r V e r f ü g u n g gestellt hatte. U n s e r Francesco scheint - den
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Lebensdaten seiner Frau und seines einzigen Sohnes Mario nach zu schließen - um 1435/40 geboren; 1473 wird er Lector am neu gegründeten Studium von Pisa, 1474 Rector, 1475 Bürger der Stadt. 1477 wird er zum Podestà von Siena gewählt, tritt den Posten aber nicht an, da er anläßlich des Todes seines Vaters in diesem Jahr nach Rom zurückkehren muß. Dort scheint er die nächsten Jahre geblieben zu sein, denn mit der Neuorganisation des päpstlichen Abbreviatorenkollegs am 11. Januar 1479 erhält er die Ernennung zum abbreviator (FRENZ 1986, S. 331, Nr. 749). Zwar widersetzt er sich 1485 einer Anweisung Papst Innozenz' VIII. mit Waffengewalt (Il Diario della città di Roma dall'anno 1480 all'anno 1492, hg. v. Giuseppe Chiesa [RIS 2 XXIII/3], Città di Castello 1904, S. 503), fungiert aber 1488-90 (auf Empfehlung Lorenzo de' Medicis) als Amtsperson in Florenz, 1493/94 dann als Stadthalter von Benevent (dazu Alfred Reumont, Aneddoti storico-letterati, in: Archivio storico italiano, 20, 1874, S. 186-192, hier S. 191 f.). Aus biographischen Erwägungen kommen also v. a. drei Zeitpunkte für die Entstehung der Medaille in Frage (wobei weitere kürzere RomAufenthalte natürlich nicht auszuschließen sind): vor der Anstellung in Pisa 1473, zum Erhalt der Pisaner Bürgerschaft, als möglicherweise im Gegenzug die römische Herkunft affirmiert werden sollte, oder aber der Zeitraum nach der Rückkehr nach Rom und vor Ernennung zum abbreviator, ca. 1477/78. Die Medaille zeigt ein zunächst jugendlich wirkendes, bei näherem Zusehen maskenhaft erstarrtes Gesicht, dessen Alter schwer zu bestimmen ist. Stilistisch am nächsten dürfte ihr die Schaumünze für Giuliano Marasca kommen (A.15), die v. a. einen entsprechenden, aus sich stets wiederholenden drei Blättern schematisch gebildeten Kranz aufweist. Dagegen sind die früheren Laub-Kränze bei Sixtus IV. und Toscani, allerdings auch noch bei Vidal (A.4, A.6/7, A.13) nicht nur viel plastischer modelliert, sondern zeigen eine realisch beobachtete Bindetechnik, bei der sich zwei bzw. drei Blätter abwechselnd auf Lücke überlappen. Die vergleichsweise schematische Haarbehandlung mit den regelmäßig eingekerbten Linien anstelle plastisch modellierter Locken führt ebenfalls in die Nähe von A.15 und der 1478 datierten Casali-Medaille (A.23). Die Frühdatierung 1473 scheidet damit
aus, denkbar bleibt 1475, vorgeschlagen sei aber eine Entstehung um 1477/78, Francesco wäre dann - trotz des zunächst jugendlich scheinenden Aussehens - vermutlich knapp 40 Jahre alt und mit dem Tod des Vaters gerade Familienoberhaupt geworden. Das Revers zeigt eine aus einer Wolke hervorkommende Hand, die in die Flammen eines Reisigbündels gehalten wird; das Holz umschlingt eine Banderole mit der Inschrift ,Für das Vaterland'. Der Verweis auf den jungen römischen Bürger Caius Mucius Scaevola, der sich in gegnerischer Gefangenschaft selbst die Hand verbrannte, um seine Standhaftigkeit unter Beweis zu stellen (Livius, Ab urbe condita, 2, 12), konnte nicht nur ganz allgemein entsprechende Tugenden des miles Francesco signalisieren, sondern würde auch gut zu seiner Rückkehr nach Rom 1477 passen, verließ er doch offenbar zugunsten der Familie und des Dienstes in der Heimatstadt („Pro Patria") die Anstellungen in Pisa bzw. Siena. Allerdings dürfte für die Bildchiffre noch eine andere Überlegung ausschlaggebend gewesen sein - ansonsten hätte sich wohl ein alternativer Rekurs auf den vermeintlichen Familien-Ahn und Kriegshelden Fabius Maximus Cunctator doch eher angeboten. Einen solchen zusätzlichen Sinnbezug könnte der durch die Heldentat des Scaevola für die Nachfahren begründete Beiname des .Linkshänders' liefern - denkt man bei dem Verweis auf die Scaevola doch auch an den berühmten Juristen des 2.Jahrhunderts n.Chr., Cervidius Scaevola, der dem Doktor beider Rechte Francesco de' Massimi als Vorbild besonders nahe gestanden haben dürfte (vgl. RE, Bd. 3, Sp. 1988-1993). Daß der Vergleich mit diesem Cervidius für römische Juristen des späten Quattrocento geläufig war, belegt auch das Lob des Martino Filetico auf Giovanni Alvise Toscani: „Tu optimus sanctissimarum legum interpres, quoi vel Scaevola cederet" (vgl. BIANCA 1996). Bibl.
BÖRNER
1997, Nr. 300.
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offenbar trotz seiner Abwendung von der Antike beibehalten wollte, a priori eine Botschaft im Sinne der christlichen Mythen-Allegorese vermuten dürfen.
• A.17 [H.811] Giovanni Alvise Toscani (ca. 1 4 5 0 - v o r Okt. 1478), Anfang 1477 0 4 0 - 4 3 mm; _L 4,7 m m ; = 3,6 m m Obs. I O A N N E S A L O I S I V S T V S C A [ n u s ] A V D I T O R CAMferae] Rev. V I C T A IAM N V R S I A FATIS A G I T V R Toscani wird durch päpstliches motu proprio vom 12. Januar 1477 zum auditor camerae ernannt, die Medaille dürfte sehr wahrscheinlich zu diesem Anlaß entstanden sein. Bereits am 20. Februar desselben Jahres erklärt Toscani im Widmungsschreiben einer Ausgabe von Durandus' Rationale divinorum officiorum (Rom 1477, fol. lv), das Studium der Antike gemäß seinem neuen Kleriker-Status aufgeben zu wollen. Will man die Entstehung der beiden antikischen Revers-Bilder von A.17 und A.18, die seine neue Stellung kommemorieren, nicht in diese vierwöchige Zwischenzeit zwängen und kurz vor dem 20. Februar einen radikalen Gesinnungswandel postulieren, wird man für die dem Medium Medaille angemessene klassische Bildsprache, die Toscani
Die Inschrift der Rückseite wurde dabei in den bisherigen Deutungsversuchen stets falsch übersetzt: N V R S I A bezeichnet nicht die Stadt Norcia in Latium, zu der Toscani keinerlei nachweisbaren Bezug hatte, sondern die etruskische Form der Glücksgöttin Fortuna (s. R E , Bd. 33, Stuttgart 1936, Sp. 1048-1051; Erkinger Schwarzenberg / Beatrice Paolozzi Strozzi, Norzia o la costante Fortuna - la lunetta di Alessandro Allori a Poggio a Caiano, in: Kunst des Cinquecento in der Toskana, München 1992, 197-206, hier v. a. 203). Als solche ruft sie Emilio Boccabella, der als Mitarbeiter der Epigrammata doch wohl mit Toscani befreundet war, an (BOCCABELLA, fol. 152r): „Tarn varias agitat Nursia ceca rotas". Bekannt geworden sein dürfte die Göttin im Rom des späteren 15.Jahrhunderts v.a. über Iuvenal, 10, 74, dessen Handschriftenüberlieferung großenteils „Nursia" wie auf der Medaille bzw. bei Boccabella und nicht ,Norria' schreibt und dessen editio princeps 1469 in R o m erschienen war; der Kommentar des Domizio Caldenni, wohl aus den Jahren 1 4 7 0 - 7 4 , wurde erstmals 1475 in Venedig gedruckt (ad locum heißt es: „Nursia: nomen per fortuna accipio: quidem nusquam legi: sed per dea tuscorum: cuius meminit Livius in Séptimo ab urbe." - Zit. nach der Ausgabe Venedig 1487, fol. giii v). Dabei ist wiederum nicht nur Calderini mit Toscani befreundet (am Ende seines 1474 in Venedig gedruckten Martial-Kommentars vemerkt jener über diesen: „et doctissimus et mei amatissimus"), sondern Toscani finanzierte auch den Druck von Angelo Sabinos konkurrierenden Paradoxa in luvenalem (Rom 1474; zum Kontext des Streites zwischen Sabino und Calderini s. CAMPANELLI 2001, S. 2 1 - 2 6 ) . Das Medaillen-Motto mit seiner entlegenen Namenswahl - möglicherweise wurde die dea tuscorum auch als Anspielung auf den Namen ,Tuscanus' verstanden - dient so als Signum der mythographisch-antiquarischen G e lehrsamkeit Toscanis; übersetzen ließe es sich annähernd mit: „Wenngleich die Glücksgöttin besiegt ist, treibt einen [doch] das Schicksal voran." Das Bild Neptuns auf seinem Wagen über den bewegten Meereswogen wäre dann im Sinne des Vergil'schen Quos ego (Aen. 1, 136) zu
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verstehen, wie er die Winde (des Schicksals) in ihre Schranken verweist bzw. eben verwiesen hat, so daß sich nun die Wogen glätten. Der Text und Bild verbindende Gedanke scheint zu besagen, daß trotz einer stoisch-christlichen Resistenz gegen die unmittelbare Einwirkung von Glücksund Unglücksschlägen der eigene Lebensweg doch einer umfassenden Vorbestimmung folgt und sich an deren Verwirklichung messen muß. Dieses Thema würde in doppelter Hinsicht passen zur neuen schicksalhaften Verantwortung Toscanis als Generalauditor, der damit zugleich über das Schicksal anderer entscheidet. Das hier greifbare Verständnis der Quos ego-Episode geht damit in eine auch bei Cristoforo Landinos Disputationes Camaldulenses von ca. 1470 nachweisbare Richtung (LANDINO 1980, S. 162-170), Neptun über den Wogen zunächst als innermenschlichen Sieg der rationalen, Gott-gegebenen Seelenteile über die Affekte und Triebe zu verstehen, um sie dann - angewandt auf die menschliche Gesellschaft - zum Sinnbild für die rational beherrschte Führungsschicht des .guten Staates' auszuweiten. Diese christlich-neoplatonische Tendenz der Mythendeutung würde auch bestens zu Toscanis angekündigter Intention passen, sich aus der Beschäftigung mit der ,heidnischen Antike' zurückzuziehen. Bibl. H I L L / POLLARD 1967, Nr. 220; POLLARD 1984, Nr. 178; Michaela J. Marek, Ekphrasis und Herrscherallegorie. Antike Bildbeschreibungen bei Tizian und Leonardo, Worms 1985, S. 92; B Ö R N E R 1 9 9 7 , N r . 3 0 8 ; WALDMAN 2 0 0 0 , S. 1 0 1 ;
POLLARD 2 0 0 7 , B d . 1, N r . 251 f.
• A.18 [H.808] Giovanni Alvise Toscani (ca. 1450-vor Okt. 1478), Anfang 1477 0 33-35 mm; X 3,8 mm; = 3,8 mm Obs. I O A N N E S ALOISIVS TVSCANVS A V D I T O R CAM[erae] Rev. QVIDNONPALLAS Lfysippus] Pfatavinus] Die kleine Medaille des all'antica gekleideten Toscani mit Lorbeerkranz präsentiert sich entsprechend als Pendant zu A.17 wie bereits einige Jahre zuvor A.8 zu A.6/7. Diese Gegenüberstellung der Amtsperson Toscani mit dem humanistischen Dichter könnte auch dafür sprechen, daß die Botschaft des enigmatischen Revers möglicherweise in ähnliche Richtung wie das Quos ego-Sinnbild zu verstehen ist: Pallas Athena würde dann als Göttin der Weisheit auftreten, gewappnet mit Schild und Speer, den die sich darum windende Schlange als Waffe der Klugheit spezifiziert. Allein sie ist in der Lage, auf einem Delphin als dem Symbol schneller, unberechenbarer Beweglichkeit aufrecht zu stehen, ihn zu kontrollieren (und ihn möglicher-
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407
weise sogar zum Halt zu zwingen, wie der auf den Boden aufgestellte Speer anzudeuten scheint) - die Inschrift wäre dann aufzulösen als: „Was vermag nicht Pallas?" Die Beweglichkeit des Delphins ist aber noch konkreter zu fassen: Er fungiert im späten 15.Jahrhundert - u.a. auf zahlreichen Medaillen (H.857, H.958, H.968, H.981 usw.) - als Trägertier der Glücksgöttin höchstpersönlich und ihres unberechenbaren Dahineilens. Ahnlich wie Neptun die Wogen des Schicksals beherrscht, würde damit die Athena Toscanis das in eben diesen Wogen beheimatete Wassertier als Synekdoche der Fortuna durch ihre Klugheit meistern - Toscani würde für sich absolute Selbstbeherrschung in jeder Hinsicht in Anspruch nehmen (zu diesen und weiteren Bedeutungsaspekten des Delphins als Tier der Venus und Lust usw. s. Guy de Tervarent, Attributs et symboles dans l'art profan, Genf 2 1997, S. 177-180). Ein solches aus antiken Sinnchiffren zu einem neuartigen Gesamt synthetisierte Denkbild wäre dabei einer Medaille des hier in der Rolle des ingeniösen Dichters auftretenden Toscani besonders angemessen. Bibl.
POLLARD 1 9 8 4 , N r . 1 7 6 ; BÖRNER
1997,
N r . 3 0 6 ; WALDMAN 2 0 0 0 , S. 1 0 0 f.
• A.19 [H.809] Giovanni Alvise Toscani (ca. 1450-vor Okt. 1478), Anfang 1477 0 33,5-34 mm; _L 4,9 mm; = 4,0 mm Obs. I O A N N E S A L O I S I V S TVSCAfnus] A V D I T O R CAMferae] Rev. Wappen L[ysippus] Pfatavinus] Eine Variante nach A.18 mit dem Wappen der Mailänder Toscani auf dem Revers. Bibl.
Nr. 307.
POLLARD 1 9 8 4 , N r . 177; BÖRNER
1997,
408
Appendices
A.20 [H.794] Niccolò Franco (gest. 1486), 1477/78 0 41 mm; _L 4,5 mm; = 2,9 mm Obs. N I C O L A V S F R A N C V S EPIS[copus] PARRENTIfnus] Rev. ΕΛΕνΘΕΡΙΟΤΗΣ (Freigebigkeit) B[ene] Mferentia] Terminus post quem der Medaille ist die Ernennung Francos 1477 zum Bischof von Parenzo, dieses Ereignis dürfte auch Anlaß der Schaumünze gewesen sein. Das Revers mit der stehenden, von den zwei Buchstaben ,B' und ,M' flankierten Frauenfigur auf einer dünnen Standleiste über der (griechischen) Beischrift zeigt eine dem antikrömischen Vorbild der Münzgestaltung getreu folgende inventio des Hermes. Entsprechende Kompositionen finden sich auf A.18, A.27, A.29 und A.31, die früheste scheint die ToscaniMedaille von Anfang 1477 zu sein. Dabei kopiert Hermes mit dieser Figur ein Vorbild des Cristoforo di Geremia (Η.755), das später auch nochmals Andrea Guazzalotti (H.753) und ein unbe-
kannter römischer Künstler (H.864) übernehmen sollten. Bereits Hill hat erkannt, daß die auf Griechisch als Personifikation der Freigebigkeit bezeichnete Revers-Figur mit Füllhorn auf den N a m e n Francos anspielt, der sich vom mittellateinischen Begriff francus, der .freie Mann', ableitet. Der griechische Begriff eleutheriotes wird entsprechend in Piatons Staat, 402c3 als nur dem frei geborenen, tugendhaften Mann mögliche F o r m des freigebigen Umgangs mit seinem Besitz beschrieben. Allerdings hält die Figur zudem noch eine Vase/Kelch in der ausgestreckten Rechten, und sollte ihre Kopfbedeckung nicht nur das geknotete Tuch des Vorbildes von Cristoforo di Geremia etwas vergröbert wiedergeben, könnte man fast an eine A r t Bügelkrone denken. Beides ließe sich aus dem Umstand erklären, daß die entsprechende Frauenfigur mit Füllhorn und verhülltem Haar auf den drei anderen genannten Medaillen als Personifikation der Kirche auftritt, wobei die Cornucopia offenbar für deren unerschöpflichen G n a d e n f u n d u s und ihre wohltätige Caritas steht. Damit bekäme auch die Botschaft von Francos Medaille eine neue Wendung. Die .Freigebigkeit' wäre nicht nur Verbildlichung seiner namensgebenden Tugend, sondern würde auch für die freigebige Kirche stehen, die Franco mit Gnadenbeweis und Bischofsamt versieht und für die er steht. Wenn aber Franco auch als Empfänger von Freigebigkeiten erscheint, dann wäre das ,B' und ,M' am ehesten als benemerentia, benemerens, benemerenti oder benemerenter auflösen, w o d u r c h seine Ernennung als .wohlverdient' charakterisiert würde (der Wechsel der Sprachen ließe sich dann auch möglicherweise als Anspielung auf das Wechselspiel von Geben und Empfangen verstehen). Bibl.
BÖRNER 1 9 9 7 , N r . 2 9 7 .
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A.21 [H.800] Alfonso Morosini (Lebensdaten unbekannt), 1474/79 0 4 3 - 4 4 mm Obs. A L F O N S V S M O R O S I N V S Rev. blank Uber den Dargestellten offenbar aus der venezianischen Adelsfamilie Morosini ist nichts bekannt; möglicherweise steht sein römischer Aufenthalt in Zusammenhang mit dem Gesandten der Serenissima, Pietro Morosini (ab Juni 1467). Es ist die einzige Medaille des Hermes, bei der sich so deutlich der Hilfs-Kreis auf der Unterseite des Buchstabenkranzes abzeichnet; dies und das blank gelassene Revers dürften - wie bei A.27 auf eine gewisse Eile bei der Anfertigung deuten. Eine stilistische Präzisierung der Datierung ist allerdings kaum möglich - einzig die Form der Buchstaben scheint eher gegen eine späte Datierung ganz am Ende des römischen Aufenthaltes von Hermes zu sprechen. Bibl. -
• A.22 [H.791] Raffaello Riario-Sansoni ( 1 4 6 0 - 1 5 2 1 ) , 1478 0 3 5 - 3 6 mm; _L 3,8 mm; = 2,8 mm Obs. R A P H A E L A N N O R V M X V I I C A R D I NALIS S G E O R G I I Rev. V I R T V S M C C C C L X X V I I I Der Neffe von Pietro Riario, Sohn von dessen Schwester Violante, wurde in jugendlichem Alter am 10. Dezember 1477 zum Kardinal erhoben; seine spätere Ernennung 1483 zum Kämmerer der römischen Kirche halten eine Medaille von Adriano Fiorentino (H. 333) und ein Exemplar ohne Bildmsbüste möglicherweise von Hermes (A.30) fest. Die engen Verbindungen Riarios zu Laetus und der römischen Akademie ließen ihn u.a. den Druck klassischer Texte, so den Vitruv von 1486 [eigentlich 1487/88?], unterstützen. Über den Schutzheiligen seiner Titelkirche, S. Georg, wird er als christlicher Tugendheld charakterisiert, ein Ideal, das ihn gleichzeitig in einem Brief etwa auch Marsilio Ficino (Opera Omnia, Basel 1576, Bd. 1, S.795 ff.) zu realisieren auffordert.
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Bibl. Christoph L. Frommel, Raffaele Riario, committente della Cancelleria, in: Arte, committenza, economia 1995, S. 197-211, hier S. 198; BÖRNER 1997, Nr. 296; Daniel Pócs, L'affresco di Mattia Corvino a C a m p o de' Fiori: quesiti stilistici e iconografici, in: Arte Lombarda, N . S . 139, 2003, S. 101-109.
• A.23 [H.790] C a t e l a n o [de'] Casali ( 1 4 5 3 - v o r 19. J a n . 1501), 1478 0 33-35 mm; _L 4,5 mm; = 3,1 mm Obs. C A T E L A N V S C A S A L I V S B O N O N I E N f s i s ] AN[norum] X X V Rev. H O N O R A M O R V E R I T A S M C C C C LXXVIII Anläßlich der Neuorganisation des Abbreviatorenkollegs am 11. Januar 1479 zum abbreviator ernannt, wird Catelano 1480 scriptor und erreicht später noch weitere Karrierestufen (BURCHARD 1 9 4 2 , B d . 2 , S . 11; F R E N Z 1 9 8 6 , S . 3 1 0 , N r . 4 9 9 ) .
Die Medaille des 25jährigen Bolognesen ist wenige Monate vor dieser ersten päpstlichen Anstellung datiert. Bibl.
BÖRNER 1997, Nr. 295.
A.24 [H.792] G i r o l a m o C a l a g r a n i de C e v a (gest. v o r Sept. 1497), u m 1478 0 38-38,2 mm Obs. H I E R O N I M V S C A L L A G R A N V S D E CEVA Rev. Wappen Calagrani wird 1484 Subdiakon und cubicularius secretas, 1490 Bischof von Mondovi und 1492 abbreviator
(BURCHARD 1911, B d . 1 , S . 26; FRENZ
1986, S. 346, Nr. 935). Als Datierungsanhalt wird hier v. a. die Profilierung des Revers herangezogen, die A.23 exakt entspricht. Bibl. -
Appendices
A.25 [H.805] Antonio di Santamaria (gest. vor Okt. 1498), um 1478 0 3 7 - 3 8 mm Obs. A N T O f n i u s ] D E S A N C T A M A R I A Ifuris] V[triusquc] D[octor] C O M [ c s ] PAL[atinus] Rev. Wappen Santamaria wird 1486 collector plitmbi, 1492 Sekretär und Notar (FRENZ 1986, S. 288, Nr. 233). Als Datierungsanhalt wird hier v. a. die Profilierung des Revers herangezogen, die A.23 und A.24 exakt entspricht. Bibl. -
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A.26 [H.795] Malitia Gesualdi dei Conti di C u m a n a (gest. 1488), um 1477/1479 0 41,5 mm; ± 4,1mm; = 2,3mm Obs. ΜΑΛΙΤΙΑΣ ΙΕΣΟΥΑΛΔΟΥΣ (Malitias Iesoualdous) Rev. Μ Ε Χ Ρ Ι ΤΟΥ Τ Ε Λ Ο Υ Σ (unerschütterlich bis zum Ende) Gesualdi wird am 9. August 1482 zum Bischof von Rapallo ernannt (BURCHARD 1911, Bd. 1, S. 238), die Medaille entstand auf jeden Fall vor diesem Datum. Das Revers mit der stehenden, feingliedrigen Männerfigur, die nur einen Mantel um Schulter und Hüfte geschwungen hat und mit der Rechten nach oben zeigt, kommt der Frauenfigur auf A.29 (1479) am nächsten und erscheint nicht mehr ganz so muskulös wie die Männer auf A . l l und A.17 (vor und um 1477). Allerdings lassen sich damit nur schwache Anhaltspunkte für eine Datierung zwischen 1477 und 1479 gewinnen. Zudem deuten die an römischen Sesterzen orientierte Größe und Dicke der Medaille auf eine spätere Entstehungszeit (s. S.213 f.).
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412
D i e Revers-Inschrift variiert wahrscheinlich einen Passus aus Hebr. 3, 14: „Sind wir doch Genossen Christi geworden vorausgesetzt, daß wir die anfängliche Glaubenszuversicht bis ans Ende unerschütterlich festhalten." Das Sinnbild zeigt einen offenbar knorrig-alten Baum, der aller Aste
beraubt
dennoch
unerschütterlich
einen
neuen Seitenstamm ausbildet - eine solche Wiedergeburts-, Hoffnungs- und Ewigkeits-Symbolik wurde seit der Antike in vielen Kontexten verwendet und mit zahlreichen Baumsorten (hier vielleicht am ehesten eine Olive) verbunden (dazu Gerhard B. Ladner, Vegetation
Symbolism
and the C o n c e p t of Renaissance, in: D e artibus
:- » I R I C
opuscula X L . Essays in h o n o r of Erwin Panofs-
I VM
ky, hg. v. Miliard Meiss, N e w York 1961, S. 3 0 3 322, v. a. Anm. 15; J o s t Trier, Wiederwuchs, in: Archiv für Kulturgeschichte 43, 1961, S. 1 7 7 - 1 8 7 und Janet C o x - R e a r i c k , Dynasty and Destiny in Medici Art, Princeton 1984). Malitias persönliches Sinnbild ließe sich dabei zugleich als Verweis auf den zentralen O r t seines Lebens, die Stadt Rom, verstehen, deren Vermögen zur Selbsterneuerung trotz aller Widrigkeiten bereits Livius, A b urbe condita, 6, 1, 3 in einer entsprechenden Vegetations-Metaphorik
beschrieben hatte, die
dann etwa auch 1468 L o r e n z o Manili an der Fassade seines Hauses (vgl. T u c c i 2 0 0 1 ) und (zu einem nicht genau ermittelbaren D a t u m ) Emilio Boccabella in einem Gedicht (BAV, Vat. lat. 3603, fol. 8 r - 9 r ) aufgreifen sollten. D e r Ursprung und die Richtung des verbildlichten
Erneuerungs-
Strebens nach oben dürfte hier aber nicht allein den profanen R u h m Malitias, der nach den Sternen greift, meinen (wie bei A.2 und A.29), sondern - erkennt man die Inschrift als Bibelzitat auf G o t t zielen. D a ß schließlich unter den M e daillen des Hermes einzig Malitia auch seinen Namen auf dem Obvers in griechischer
Um-
schrift angibt, ließe sich auch als Versuch verstehen, die negative Bedeutung von Lateinischen zu umgehen.
Bibl.
B Ö R N E R 1997, Nr. 298.
malitia[s\
im
• A . 2 7 [ H . 7 9 3 ] Petrus A n t o n i u s de Clapis (ca. 1 4 3 5 / 4 0 - 1 5 1 2 ) , O k t o b e r 1478 oder A p r i l / M a i 1479 0 43,5 mm Obs. P E T R V S A N T O N I V S D E C L A P I S Sfedis] A[postolicae] P R O T H O f n o t a r i u s ] Rev.
blank
D e r aus dem Städtchen Finale an der ligurischen Küste stammende Humanist und Jurist Petrus Antonius de Clapis ging nach seiner P r o m o t i o n zum
Doctor legum
1465 in Basel an den Heidel-
berger H o f Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen. In dessen Auftrag war er ab 1469
praktisch
jährlich als Gesandter an der päpstlichen Kurie. A m 6. O k t o b e r 1478 wird er von Sixtus IV. zum Protonotar ernannt, reist aber wohl noch im gleichen Monat nach Deutschland zurück. Von April bis Mai des folgenden Jahres ist er erneut in R o m , dann folgt eine Pause seiner Gesandtentätigkeit bis zum Sommer 1482 (zur Vita umfassend, allerdings ohne jeden Hinweis auf die Medaille, Veit Probst, Petrus Antonius de Clapis [ca. 1512], Ein italienischer Humanist im
1440Dienste
Friedrich des Siegreichen von der Pfalz, Paderborn 1989, v. a. S. 83 f. zum Protonotars-Titel). Als mögliche Entstehungsdaten für die Medaille kommen damit nur der O k t o b e r 1478 oder die beiden Monate im Frühjahr 1479 in Frage, verläßt Hermes doch schon Ende 1479 zumindest zeitweise, spätestens 1481 endgültig R o m . D e r großen
Eile
bei
Ausführung
dieses
Auftrags
dürfte auch zuzuschreiben sein, daß de Clapis bei seiner Schaumünze auf ein Revers verzichtete.
Bibl. -
Appendices
413
weis eines Rom-Aufenthaltes fehlt. Mit Abstand bester Kandidat scheint dagegen Parthenius Minutius Paulinus, ein Abkömmling der römischen Familie Pallini, dessen Werdegang ansatzweise NOLHAC 1 8 8 6 und ZABUGHIN 1 9 0 9 - 1 9 1 2 ,
A.28 [H.802] Parthenius Minutius Paulinus (Lebensdaten unbekannt), um 1478/79 0 35-37,5 mm; _L 4,6 mm; = 2,7 mm Obs. P A R T H E N I V S A M I C V S Rev. F L O R E S C O C A L O R E P A R T E N I I Daß es sich bei dem Dargestellten um Bartolomaeus Parthenius Benacensis handelt, wie Hill glaubte, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden: Die Angabe, er habe um 1480 am Studium Urbis gelehrt, stammt erst aus dem 17. Jahrhundert; zeitgenössische Quellen bezeugen ihn dagegen 1490-93 in Rom (LEE 1978, S. 190 f.; um 1480 scheint er vielmehr in intensivem Kontakt mit Druckern in Treviso zu stehen, vgl. seine Begleitbriefe zu Livius, Decades, Treviso 1480; Junianus Maius, De priscorum proprietate verborum, Treviso 1480; Thucydides, Historia belli Peloponesiaci, Treviso s. a.). Nicht viel wahrscheinlicher ist eine Identifizierung mit Antonius Parthenius Veronensis (oder Lacisius), der v. a. einen Catull-Kommentar mit Begleitbrief an Pomponius Laetus verfaßte (editio princeps Brescia 1486), für den aber jeglicher Nach-
Bd. 1, S. 262 f., Bd. 2, S. 182 rekonstruiert haben: Im Kontext der Akademie ist er erstmals 1475 unter den Namens-Graffitti in den Katakomben anzutreffen. Zwei Manuskripte (BAV, Vat. lat. 3274 und 3595) belegen zudem, daß er zuvor bei Domizio Calderini die Vorlesungen der Jahre 1471-1474 über Statius, Ovid und Properz gehört hatte, die Abschriften der Klassiker-Texte und Kommentare dürften gegen Ende dieser Zeit und kurz vor oder parallel mit Calderinis Druckausgabe von Statius, Ovids Sappho-Epistel und einem Kurzkommentar zu Properz (Rom 1475) entstanden sein, also 1474/75. Zu diesem Zeitpunkt ist Parthenius „adolescens", also vermutlich um die 16 bis 20 Jahre alt, womit sich möglicherweise auch erklären ließe, warum er noch kein eigenes Gedicht zu den Epigrammata auf den wohl wenig jüngeren Alessandro beisteuerte wenn er überhaupt schon zu diesem Freundeskreis zählte. Später arbeitet Parthenius mit Pomponius Laetus zusammen, offenbar als Schreiber und ohne durch eigene Texte hervorzutreten. Wann und wie seine Freundschaft mit Hermes entstand, bleibt im Dunkeln. Auffällig wäre in der hier vorgeschlagenen Chronologie der LysippusMedaillen allerdings die regelmäßige Abfolge von dessen wenigen, explizit so bezeichneten amici: Nach der Freundschaft zu Alessandro in den Jahren 1473 und Anfang 1474 folgt 1475/77 Giuliano Marasca (Α. 15), um dann um 1478/79 von Parthenius abgelöst zu werden. Das Revers der Schaumünze zeigt eine Blume (mit drei verschieden weit geöffneten Knospen bzw. einer Blüte, wahrscheinlich eine Lilie) und der Beischrift „Ich blühe durch die Wärme des Parthenius". Die Ikonographie wird im Haupttext S.322 ff. analysiert. In der stilistischen Ausarbeitung zeigt die Medaille mit ihrer einfachen Randleiste und den teigig verschwommenen kleinen Buchstaben des Revers einige Übereinstimmungen mit dem Stück für Gianfrancesco Marasca (A.29). Dennoch läßt sich der Datierungsvorschlag ,um 1478/79' nicht vollends absichern. Bibl.
H I L L / POLLARD 1 9 6 7 , N r . 2 1 7 ;
BÖRNER
1 9 9 7 , N r . 3 0 1 ; WALDMAN 2 0 0 0 , S. 9 8 f.; STEWERING
2000, Anm. 16; POLLARD 2007, Bd. 1, Nr. 248.
414
Appendices auf A.20 oder Maffeis Revers (A.2) - , läßt sich nur vermuten: Möglicherweise wird zugleich auf Venus und den sidus Iulium angespielt als Signum für die Stadt Rom und die höchste (mythische) Auszeichnungsform, die ein Mensch (durch Vergöttlichung) erhoffen kann. Nicht ausschließen läßt sich ungeachtet der Nacktheit der Frauengestalt auch eine Allusion auf die göttliche (unschuldig nackte) Liebe, wie sie in 1 Cor. 13, 7 beschrieben wird: ,,παντα ελπίζει". Bibl.
B Ö R N E R 1 9 9 7 , N r . 2 9 9 ; WALDMAN 2 0 0 0 ,
S. 9 8 ; POLLARD 2 0 0 7 , B d . 1, N r . 2 4 7 .
m A.29 [H.798] Gianfrancesco Marasca (Lebensdaten unbekannt), 1479 0 36-37,5 mm; J_ 3,7 mm; = 2,2 mm Obs. IOfannes] Ffranciscus] M A R A S C H A ACOLYftus] E T L[itterarum] A[postolicum] ABBREVIAT[or] Rev. ΕΛΠΙΞΕΙ (er erhofft) Den terminus post quem für die Medaille liefert die mit der Neuorganisation des Abbreviatorenkollegs am 11. Januar 1479 erfolgt Ernennung Gianfrancescos zum abbreviator (FRENZ 1986, S. 378 f., Nr. 1295); als „acolutus pape" bezeichn e t i h n BURCHARD 1 9 1 1 , B d . 1, S. 1 3 5 ( z u m J a h r 1485), 137 und 243; zur Verwandtschaft mit Bar-
tolomeo Marasca und Giuliano s. S. 210. Auf dem Revers weist eine stehende und bis auf ein Tuch vor der Scham nackte weibliche Figur mit Füllhorn im Arm auf einen Stern hin in Verbindung mit der Unterschrift grosso modo als Sinnbild der Hoffnung auf ein glückbringendes und ,emporführendes' Schicksal zu verstehen, nicht unähnlich dem Wahlspruch Raffaele Maffeis: „Sic itur ad astra". Warum bei einem Kleriker die Frauengestalt aber nackt dargestellt ist - etwa im Unterschied zu der sehr ähnlichen
[A.30] [H.804] Raffaello Riario-Sansoni, 1483 ff. 0 39,5 mm; 1 4,9 mm; = 4,9 mm Obs. R A P H A E L R I A R I V S SAVONENS[is] Rev. CAR[dinalis] S[ancti] GEOR[gii] Sfacrosanctae] R[omanae] E[cclesiae] CAMER[arius] Riario (vgl. A.22) wird 1483 Kämmerer der römischen Kirche, zu diesem Anlaß scheint eine Medaille des Adriano Fiorentino entstanden (Η.333); wozu dagegen die hier besprochene,
Appendices Getto-ähnliche Medaille gedient hat, ist unbekannt. Ob das Stück nach der Abreise des Hermes 1481 aus Rom wirklich an anderem Ort für den Kardinal gefertigt wurde, der sich möglicherweise seines Medailleurs der ersten Schaumünze bedienen wollte, läßt sich nicht mehr eindeutig entscheiden - sowohl die nicht ganz überzeugenden Buchstabenformen als auch das Blatt am Ende der Revers-Inschrift könnten leicht auch von einem der Nachfolger des Hermes in Rom imitiert worden sein. Bibl.
BÖRNER
1997, Nr. 303.
415
Hills aufgrund der vermuteten Lebensdaten des ,Lysippus' nur mit Einschränkungen vorgetragener Vorschlag, in dem Dargestellten Francesco Maria Rangoni zu erkennen, der ab 1487 und bis zu seinem Tod 1511 eine wichtige Rolle in der Modeneser Politik spielte, gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man Hermes spätestens ab 1481 in Norditalien weiß. Die beiden Buchstaben ,S' und ,M' des Revers dürften - in Abwandlung des antiken ,SC' (Senatus Consulto) - als Renatus Mutinensis' aufzulösen sein, die Medaille wäre dann sehr wahrscheinlich als Ehrengabe der Stadt an den verdienten Politiker, Kastellan und Soldaten zu verstehen (bestehen bleibt das Problem der abweichenden Vornamen). Der (ähnlich wie Pallas Athena bei A.18) auf einem Fuchs oder Wolf stehende Krieger in antikischer Rüstung mit Schild in der einen Hand, einem Speer und einer Schlange in der anderen, läßt sich leicht als Sinnbild der Sicherheit für das Volk' (und als Abwandlung des alten Psychomachie-Schemas) verstehen, erkennt man in dem Speer mit der Schlange ein Symbol der (mit Klugheit gepaarten) Fortitudo (vgl. H.46), die den verschlagenen Feind bzw. die Streitereien verschiedener Parteien beherrscht. Bibl.
H I L L / POLLARD
1967, Nr. 218;
BÖRNER
1 9 9 7 , N r . 3 0 2 ; POLLARD 2 0 0 7 , B d . 1, N r . 2 4 9 .
A.31 [H.803] Giovanni Francesco dei Rangoni (gest. 1511), nach 1487 0 37-37,5 mm; X 5,8 mm; = 4,4 mm Obs. D[omini] IO[annis] FRANCIS[c]I D[e] R A N G O N I B V S P[?] V[?] V[?] Rev. SECVRITAS P[o]P[uli] S[enatus] M[utinensis]
416
Appendices
[A.32] [H.1125] Cristoforo di C e r v i g n a n o (Lebensdaten unbekannt), u m 1490/1500 0 49 m m Obs. X P O F O R V S [= C h r i s t o f o r u s ] C[er]VEGNAN[us] Rev. M E O . P E C T O R E . SENPfer], ERIT. S.M.K. Diese heute offenbar nur in einem einzigen Exemplar erhaltene Medaille war nach ihrer A u f n a h m e in A r m a n d s C o r p u s - W e r k (II, 75, 8) verschollen u n d tauchte erst 1974 in einer L o n d o n e r Versteigerung von Sotheby's wieder auf (12. Juli, lot 117). Sowohl A r m a n d (dem H.1125 ohne Kenntnis des Originals zwangsweise folgen mußte) als dann auch Pollard übersahen, daß nicht nur der Vorname , C h r i s t o f o r u s ' auf dem O b v e r s u n d das .semper' auf dem Revers verk ü r z t sind, sondern auch der N a c h n a m e : Dieser ist nicht als .Cuegnan' zu lesen, s o n d e r n aufgrund der Ligaturen am ,C' und am abschließenden , N ' als .Cervegnanus' aufzulösen. Diese aus der gleichnamigen O r t s c h a f t Cervignano bei
Mailand stammende Adelsfamilie f ü h r t e in ihrem s p r e c h e n d e n ' W a p p e n einen Hirsch (cervo, s. Stemmario Trivulziano, hg. v. Carlo Maspoli, Mailand 2000, S. 108c). Das Wappentier erscheint .belebt' auf dem Revers der Medaille u n d bestätigt so nicht n u r die A u f l ö s u n g des Familiennamens, sondern trägt z u d e m ein anderes, nicht m e h r eindeutig bestimmbares Wappen u m den Hals u n d vor der Brust hängend (vgl. einige Jahrzehnte später das ähnliche Revers einer Medaille der Margherita Paleologa, Gattin des Federigo Gonzaga, in: Medaglie dei G o n z a g a 2000, S. 73 [Nr. 69]). Dieses Sinnbild aus heraldischen Bestandteilen ergänzt das umlaufende M o t t o , w o nach C r i s t o f o r o eine andere Person ständig in seiner ,Brust' - d . h . in seinem H e r z e n und in seinen G e d a n k e n - präsent hält. Das MedaillenRevers d o k u m e n t i e r t so die Verpflichtung u n d das Treueversprechen gegenüber einer anderen Person (Mann / Frau ?) in F o r m der K o m b i n a tion von eigenem heraldischem Tier und f r e m dem Wappenschild. D a m i t wird aber auch eine über die F u n k t i o n als .zufälliges' Wappentier hinausgehende Eigenschaft des Hirsches aufgerufen, die zahlreiche mittelalterliche zoologische Texte unterstreichen: D a ß das H e r z des Hirsches dem menschlichen am ähnlichsten sei, weshalb das Tier als bevorzugtes Symbol in Liebesdingen verwandt w u r d e (vgl. Marcelle Thiebaux, T h e Stag of Love. T h e Chase in Medieval Literature, Ithaca 1974; Bernhard Domagalski, D e r Hirsch in spätantiker Literatur und Kunst, in: J a h r b u c h f ü r Antike u n d Christentum, Erg.bd., 15, 1990, S. 1 198). In Liebes-Impresen finden sich Hirsche daher besonders häufig verwendet (vgl. Gabriele Symeoni, Imprese heroiche e morali, Lyon 1559, S. 53; ders., Imprese versificate, Lyon 1561, S. 33; Girolamo Ruscelli, Imprese illustri, Venedig 1584, S. 273-277 auf Lucrezia Gonzaga, mit Verweis auf Petrarcas Identifizierung von Laura mit einer „cerva bianca"; vgl. auch A n t o n i o Fileremo Fregoso, Cerva Bianca, Mailand 1510). In Verbindung mit den Buchstaben .S.M.K.', die nicht mehr aufzulösen sein dürften und den w o h l von A n fang an intendierten arkan-exklusiven Charakter der Medaillen-Botschaft unterstreichen, scheint die Schaumünze - auch in Verbindung mit ihrer offenbar sehr geringen Auflage - daher am ehesten auf ein Liebesversprechen in Erz hinweisen. F ü r die Zuschreibung des sehr qualitätvollen, bislang nicht genauer z u o r d e n b a r e n Stückes an
Appendices Hermes sprechen - auch eingedenk der etlichen Jahre Abstand zu den römischen Werken - die Plazierung und der Brustausschnitt der Büste und die physiognomische Charakterisierung, die Haargestaltung verweist auf A.33 voraus. Unter den Buchstaben erinnert insbesondere das charakteristische ,A' mit der Abschrängung an der Spitze an Hermes (bereits bei A.1/A.2). Schließlich findet sich das typische Doppelblatt auf dem Avers. Bibl. John G. Pollard, Appendix, in: H., Bd. 1, S. [382],
[A.33] [H.l 124] Costantino Arianiti (Arnithi, Arenith) bzw. Cominato (um 1456-Mai 1530), 1495 ff. 0 57-58 mm; J. 8,4 mm; = 5,0 mm Obs. CONSTANTINVS COMINATVS Rev. ADLOCVTIfo]
417
Die bereits bei Hill zusammengestellten, reinen Lebensdaten zu Costantino Arianiti, albanischer Fürst und Verwandter der Markgräfin Maria Brankovic von Monferrat, sind zu ergänzen um Franz Babinger, Das Ende der Arianiten, München 1960 und Oliver J. Schmitt, Das venezianische Albanien (1392-1479), München 2001, v.a. S. 598 und 603 f.: Despina Arianiti flieht zusammen mit ihren Söhnen vor den Osmanen nach Venedig; von dort aus reisen sie nach Rom, wo Costantino von Sixtus IV. zum Protonotar erhoben wird (Frenz 1986). Costantino begibt sich dann aber schnell unter Aufgabe dieser Stellung ins Monferrat, wo er von 1495-1499 die Regentschaft für Guglielmo IX. übernimmt; seit dieser Zeit ist er auch als Heerführer in verschiedensten Auseinandersetzungen und Konstellationen tätig; ab 1501 fungiert er als Gesandter zwischen Papst und Kaiser; 1504 wird er Statthalter in der Romagna, 1513 Kapitän des Lateranskonzils, 1515 Gouvaneur von Fano. Die allein schon durch ihre Größe und verwendete Materialmenge sehr eindrucksvolle Medaille zeigt den „general capitano" und „uomo delicatissimo di bella statura", den DA PORTO 1857, S. 109 (I, 27) in einem Brief von 1509 beschreibt, nicht aber (so die Fortsetzung bei Da Porto), daß er als „poco da' soldati amato e stimato" galt. Die von Habich 1924 angedeutete Annäherung an .Lysippus' („steht unserem Meister nicht fern") gewinnt angesichts der neu ermittelten Lebensdaten des Medailleurs noch größere Wahrscheinlichkeit - beide Männer dürften sich in Rom im Umfeld von Sixtus IV. kennen gelernt haben. Bei der später angefertigten Medaille würde es sich um das letzte bekannte Werk des Hermes handeln, bei dem dieser unter dem Einfluß seines Mantuaner Umfeldes (Cavalli) und der Schule des Antico seine immer getreuere antikische Formsprache ein letztes Mal zu noch größerer Plastizität, scharfgratiger Detailliertheit und Antikennähe, wie sie sich in der AdlocutioSzene des Revers zeigt, weiterentwickelt hätte. Eine Datierung bereits zu Beginn des 16.Jahrhunderts scheint dem am besten gerecht zu werden. Allerdings gilt es abschließend angesichts der wenigen heranziehbaren Vergleiche für diese Zuschreibung und ohne weitere Quellenzeugnisse den hypothetischen Charakter zu betonen. Bibl. H A B I C H 1923, S. 82 f.
418
Appendices
Β. Epigrammata multorum poetarum in obitu Alexandri pueri senesi, Rom 1474/75 In der Transkription w u r d e n A b k ü r z u n g e n aufgelöst, o f f e n s i c h t l i c h e D r u c k f e h l e r b e r i c h t i g t u n d u / v d e m m o d e r n e n G e b r a u c h angeglichen. D e r originale
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S t e r n ("') g e k e n n z e i c h n e t , d i e A b s ä t z e , Z e i l e n l ä n g e n s o w i e die G r o ß - u n d K l e i n s c h r e i b u n g d e r
[B.3] Sigismundus Fulginas. Ille ego sum sacra n i m i u m dilectus in aula: C u i genus et patriam sena superba dédit. N o m i n e alexander cunctis praelatus ephebis: Ingenio: forma: voce: p u d o r e : fide. Vivere q u e m p o s t fata facit pia cura D e m e t r i : O q u a n t u s veris f r u c t u s amicitiis. Is similes n o s t r o vultus formavit in aere. Is me materiam Vatibus esse dedit.
Vorlage sind beibehalten. D i e D u r c h n u m m e r i e rung der Gedichte w u r d e zur leichteren A u f f i n d u n g eingefügt.
[B.l] A r g u m e n t u m Alexander Senensis / nobili ac vetusta c i n n u t i o r u m familia ortus: puerilibus annis R o m a m mittitur: ubi p r o p t e r aegregias atque praeclaras animi dotes ab omnibus mirificae diligitur. adeo ut ilium comes H i e r o n i m u s h o m o clarissimus & Six. Q u a r t i Ponti. Max. nepos in familiam suam assummere n o n d u b i tarit. A n n u m deinde natus sextum & d e c i m u m Senas aeger repetit: ibique c u m luctu o m n i u m s u o r u m acer bissimo vita defungitur. Socios habuit D e m e t r i u m & H e r m e t e m : q u o r u m opera & offitio pueri c o n sultum est immortalitati. N a n q u e simulac d e f u n c t u s est puer: alter i 11 i carmen: alter similes in aere vultus eius m e m o r i e dedicavit.
••'Alexandri Pueri Senensis m u l t o r u m nostri temporis P o e t a r u m E p i g r a m m a t a foeliciter incipiunt. [B.2a] I O A N N E S A L O I S I V S . A l e x a n d r e adolescentulo p r o h dolor: eleganti gratissimaque f o r m a conspicuo .xvi. an. n o n d u m trans missis: te manibus R o m a e plorantis aerepto: c u m ab Vrbe ubi multa surgentis virtutis: & p r e c o q u i s in genii m o n u m e n t a dederat: Senas u n d e nobilibus pa rentibus o r i u n d u s o r t u s q u e erat: reversus aput suo r u m lachrymas animam efflavisset.
[B.4] A d D e m e t r i u m de m o r t e sodalis Manilius Rallus Spartanus. Tecum fiere iuvat liquidoque madescere luctu: E t tecum in d u r o s f u n d e r e verba deos. Semper enim extincti r e n o v a t u r cura sodalis: A t q u e a n i m u m assiduo saeva dolore premit. D e f o r m a r e suos p o t u i t m o r a atra capillos: Q u o cecidit tantus mentis et oris h o n o s . Illi quid facies? quid virtus p r o f u i t ? aut quid Aetas? P e r p e t u o vivere digna sua. I n u n c et facie letum contempne: s o r o r u m N o n novit f o r m a e parcere t u r b a t r i u m Occidit hie: & tota s u u m flet R o m a cadaver: H e u q u a n t u s parvo t e m p o r e fluxit honos. Tecum fiere iuvat: m o d o sit d o l o r utilis: atque C o n i u g i s euridicen n o n revocavit amor. M a t e r n o luctu p o t u i t n u m Thetis Achillem: Eximere? aut gemitu Pelea rauca s u u m ? E u a d n e quid maesta suo p r o coniuge fecit? Vulnere n o n p o t u i t haec nisi maesta frui '"Quod superest igitur manes a n i m a m q u e rogemus: Perluat ante m a n u s p u r u s u t r i q u e liquor. Succinti pulla relegemus veste favillis Ossa: super n o s t r u m f u n d a t u t e r q u e m e r u m . H a e c etiam niveo f u n d a n t u r nectare: p o s t hac Q u a e cadit ex oculis ilia laventur aqua. Q u a e q u o m M i g d o n i o c o n d a n t u r m a r m o r e : circum Mirra fluet: circum thurea d o n a fragrent. H i s actis cinerum hoc foelix casa carmen habebit: Q u o possit titulo cultior esse brevi. H i c situs est q u o n d a m R o m a n a e gloria pubis: R a p t u s alexander: flens pie lector: abi. [B.5] Manilius Rallus Spartanus.
[B.2b] Amici pientiss. bene meren. posuere.
H i c situs extruscae Senae pius urbis alumnus: Clarus alexandrum dixit u t e r q u e parens.
[B.2c] Q u o d desiderium pueri mors atra relinquis? Affectus q u a n t o s contegis ude lapis. O c c u b u i t medio florentis vere iuventae: H e u n u n q u a m magnis est data longa dies.
Bis consumavit septenae t e m p o r a messis: Invidit lustris q u o m mala parca tribus. F r o n t e deas: cantu teñeras vincire puellas Et valuit f o r m a sollicitare viros. Q u e m pallas: q u e m sancta venus: charitesque venustae
Appendices Bellipotensque ferox instituere simul.
419
E t simul infoelix magno congressus Achilli:
Pondere parce suum tellus violare cadaver:
Priamides curru tractus ab ille suo.
Sospes nam fuerat non gravis ille tibi.
* E t Gnidius lyrico celebratus carmine Giges: Q u i n & bucolica clarus Alexis ope.
* [ B . 6 ] Quarqualius.
D e n i q u e pieriis si quis fuit auctor amoris Vatibus: huic puero cederet: ille puer.
M o r i b u s ut forma cunctos superávit ephebos:
Caesareas servabat opes: & tecta tonantis
Cuius in hoc tumulo menbra decora iacent. Vix tribus hunc rapuit lustris mors saeva peractis N o m e n alexander: patria Sena fuit.
Vnicus & celsa splendor in arce Iovis. Seu fora seu templum charitum subisset alumnus: Sive etiam populis atria piena ducum: Esset purpureo cum talis in ore venustas:
[Β.7] T h o m a s Astyus.
Tantaque sideriis gratia luminibus.
Clarus alexander tria lustra peregerat: illi
In se oculos omnis mox convertisset ab omni:
E x t r e m u m statuit quom fera parca diem.
Parte senum: & matrum: virginis & iuvenum.
Passa domus summa est incommoda: luget ademptum Virtutum & pulcri corporis omne decus. Senensem ad patriam cum R o m a remisit alumnum H i e obit heu iuvenis: proh dolor atque nephas. [B.8] Patricio Iuveni T h o m a e T o r n a b o n o florem in mor te Alexandri Senen. pueri formosiss. Marsus Defleat infoelix aevum lachrymabile fatum: N a n q u e suum etrusca fluxit in urbe decus. Flete pii comités: & cari flete sodales: Heu iacet in tusco marmore vester honos. Flete Iovis magni proceres: flete aurea tecta: Decidit heu vester qui modo cultus erat. *Defleat omnis amans: R o m a n a q u e virgo nurusque E t fleat amissos nympha latina iocos. Fle quoque cum geminis Venus aurea amoribus una: H e u periit toto numen in orbe tuum. Frange arcus: extingue faces faretrate Cupido: E t sint in digitis spicula nulla tuis. Heu periit latiae quod erat decus o m n e inventae: E t simul humani delitiae generis.
Attrahit aes rigidum qualis magnesia virtus: C o r d a q u e sic hominum subtrahere ille potens. Adde etiam formae vitam: moresque púdicos Esset ut aegida castior yppolito. Moribus ingenium si quis superadderet unque: Diceret hunc certe non habuisse parem. Eloquiumque fuit puerili in pectore tantum: Heu quantum prisci vix habuere senes. Et cui summa fides: in rebus herilibus ingens Cura erat: ut posses dicere abesse nihil. Caesareis aderatque epulis si quando minister: Inferior pueris non erat iliacis: Sive ferocis equi lentas tenuisset habenas: Coepisset cursu ludere sive pale: "'Iudicio heorum pulcrum superasset Iulum: E t simul erutili candida facta phrygis. Tractassetque levi suaves si pollice cordas: Pierios cantus emodulante lyra: O r p h e a dixisses: seu clarum Amphiona ab aura: Emersum in superas inferiore domos. Q u a n t u m foelices hunc qui peperere: dedissent Facta magis longos si meliora dies. Indole cum de se bene iam sperare liceret:
Heu puer aegregius nivea iam conditur urna:
E t magnam patriae polliceretur opem:
Q u a n t u m immaturo raptus ab ille die.
Heu decoris tantum mors insperata repenti:
Clarus alexander: quo nil generosius usque
Vulnere dira suum sustulit ante diem.
Esse puto: iliacos nam referebat avos.
N o n d u m terquinos anno superaverat annos:
E t patria insignis: Tyrrena a sede prefectus: R o m a m : virgine quem peperere Senae. E t forma illustris: quo nil illustrius orbe: Vidit in eo sol & in occiduo. Cui niveus cessisset hylas: & raptus ab ida: Q u i superis liquidas nectare miscet aquas. E t miserum vitreas qui se male vidit ad undas: Cepheso natus muñere lyriopes. Oebalides c r o c e o signât qui in flore querelas: Q u i q u e orbum fecit amphidamanta Senem. E t Cynara mirraque fatus monumenta doloris: O cytherea tui dente peremptus apri.
C u m cadit ille aevi gloria magna sui. Conficitur m o r b o celsa miserabilis arce: Ad Vaticani templa verenda dei. Sperat mutato cum posse sub aere corpus: Solvere ab infandis febribus horridilum: In patriam infoelix & nota in tecta refertur: H e u heu quod medici consuluere truces. H i c languens inter fratrum gemitusque sororum: Vtrasque & misera matre secante genas: Plangentique simul dictu miserabile / pectus: Pallidulas etiam sepe fovente manus: E t desiderio & lachrymis sine fine relictis:
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Appendices
Castum exhalavit pectore spiritulum. "Spiritulus superas cessit peregrinus in auras: Redditur infausto sydere corpus humo. Magnus Alexander: sub primo extinguitur aevo Heu pilii vita dignior ille senis. Corruit hetruscae specimenque & gloria pubis. Et pulcrum in nostro tempore quidquid erat. Cur dederas cito quod raperes parca impía lumen Sidereum? O votis invidiosa piis. Hunc tantum terris fata ostendere latinis: Cur non in latino longius esse sinunt. Ditibus invidit coelum: & fera sidera terris: Nunc quibus heu tantum surripuere bonum Flete igitur decus amissum: nam flerer iuvabit Tyrreni: & gentis pectora Romulae. Ante alios te clare Thomae Tornabone amico: Aerepto in coeli culmina fiere licet. Nam quod stellifero iam nos despectet ab arce: Sed quod a nostro lumine lumen abest. Quod periere ioci: casta & tua sola voluptas: Solamenque tuum deliciaeque tuae. Quod nisi maerorem toto nihil orbe reliquit: Et desiderii pectora plena sui. Quid superest? Caro lachrymas exolve sodali: Signentur pictis tristia busta notis. Marmor alexandrum generoso e sanguine natum H o c tenet: etruscae quem peperere Senae. '•'Nulli erat inferior forma: nullique secundus: Moribus: heu terna raptus olympiade: Sustulit e miseris fulgentia lumina terris: Hic situs: & tota fletur ab etruria.
Tot de me aerepto laudes & facta canuntur. Ingeniis quot sunt / aedita disparibus. Syrenas vici: niveumque argutus olorem: Cum sibi supremum iam videt esse diem. Vicimus & forma: miscentem vina tonanti: Rarior & nostro stabat in ore pudor. Attamen ista brevi perierunt dona volatu: Nulla igitur fatis est adhibenda fides. [B.10] Fl. pantagathus. S. A. ex voto. Vix terquinque mihi Lachesis perneverat annos: Cum miserum fati: pressit acerba dies. Nomen alexander: Domus est cynnutia: mater Sena fuit: cantus: forma: pudorque: vale. [Β. 11] Iohannes Baptista Viterbien. Flebilis ante diem iacet hac Alexander in urna: Da lachrimas maesto: quisque ades tumulo. Sena dedit cunas: aluit sed Roma: supremum Quae dederat cunas: & dederit interitum. Digna deo facies: grato conspersa decore Aemula pestantis ore fuere rosis. "'Sparsus erat molles per candida colla capillos: Forma tamen castis moribus aequa fuit. Ingenio facilis: mactus virtute: vetustis Nobilis etrusco sanguine cretus avis. Dum repetit patrios securus ab urbe penates: Immeritos clausit mors violenta oculos. Flete nephas: toto facinus miserabile seclo est: Vix quater impletas vidit olympiadas.
[B.9] FI. Pantagathus
[B.12a] Lucidus Aristophilus.
Ad mea formosi Iuvenes concurrite fata: Lugete: & mecum dilaniate genas.
Me thuscae peperere Sene: Cinnutia gens est. Heu valui forma: voce: pudore: fide.
Et quae sit fallax vitae mensura levisque: Scire vel ex nostro funere quisque potest. Ah quam saeva mihi: quantum fuit impia Cloto: Neverit infausta: pullaque fila manu. Dum vixisse iuvat: viridisque irrepserat aetas: Et velut ex alto precipitatus: obi. Rebar enim priamum superare: Castora canum: Fata negant: vixi vix tria lustra miser. Laude tamen vivam / quoniam mihi flavius Hermes Addidit: aetati: muñera magna meae. Vivere me faciet longevae saecla sibillae: Invida mors laudes non rapit ulla meas.
Nomen alexander: quem vir: quem foemina amavit: Et nunc extinctum foemina virque dolet: Nam cui non mea mors sic immatura doleret? Si tu non poteris fiere viator: abi. [B.12b] Maesti parentes filio sanctiss. Qui vixit an. xx. men. octo. D. xx. H. xi. sibi posterisque suis. Posuerunt.
Ille meum nomen: vultumque effinxit in aere: Heu quantum potuit ingeniosa manus.
"'Grata fuit quoniam patriae mea forma: pudorque Et vox & fidibus non minus apta manus. Forma: pudor: cantus: mecum perire: lyraeque Heu quis non posset morte dolere mea? Aut quem non moveat tanti iactura doloris? Exemplum vite sum brevioris: abi.
Et ne vel longo pereat mea tempora imago: Rumperet aut tandem: tam pia signa dies: ¡f Mille poetarum collegit carmina: quae me Eternis faciant: vivere temporibus.
[B.13] Lucidus Aristophilus. Quantum Sena meo gavisa est nobilis ortu: Tantum immaturo tristior est obitu.
Appendices [B.14] Franciscus N o x e t u s . H i e situs est per quern f o r m a Narcissus: & ipse C r i n i b u s et cantu victus A p o l l o fuit. Mitis alexander / patria Senensis: atroces I m p u b e m fiente h u n c o r b e tulere deae. [B.15] Eiusdem Fer t u m u l o violas: & lilia: basia mixtis Fer lachrymis: transis quisquís: & iste lege D i g n u s adorato p u e r est post fata sepulcro. G r a t u s o d o r cunctis & meus ante fuit. Par superis species: maestos superávit olores: Vox mea: delitiae splendor & urbis eram O r t u s alexander Sena: quae lustra peregi Vix tria: quid gemitus f u n d i s amice? vale.
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[B.19] Alexis in A l e x a n d r u m Senen. P u e r u m f o r m o siss. Hic p u e r est patriae d u m vixit amena voluptas: Publicus et contra m o r t u u s ille dolor. Q u o certae d y a n a s u u m mutasset e p h e b u m : Tanta venustatis f o r m a nitentis erat. Q u i q u e etiam nimphis habitu permixtus eodem: Falleret intuitus deciperetque tuos. C u m n o n d u m tenerea signât lanugine malas. Et ter o l y m p i a c o pulvere vidit equos. Invida m o r s huius claros extinxit ocellos H u m a n i generis p r o h mala conditio. [B.20] Eiusdem
"'Quem luxit: q u o nil vidit f o r m o s i u s orbis: Tuscus Alexander contegor hoc t u m u l o .
Q u i p o t u i N y m p h a s Sena generatus etrusca: A t q u e deas f o r m a sollicitare mea. N o s t r a bis octonos aetas cum viderit annos. O c c u b u i fato peripiente diem. :: "Et quamvis lachrymas ciat haec tibi lector: & illa Plus est q u o d d o m i n i cura d o l o r q u e fui.
[B.17] Eiusdem de D e m e t r i o
[B.21] Eiusdem.
D i m i t r i u m quid fiere vetas nimis i m p r o b a turba? Q u i d prohibes miseras dilaniare genas? Iussit alexandrum p o s t q u e sua tecta subire Iupiter: huic animae d i m i d i u m rapuit. D i m i t r i o f u i t is spes unica: vita: voluptas:
Sena genus: phrygii fuerat cui f o r m a ministri: N o m e n alexander hic p u e r ossa tegit.
[B.16] Eiusdem
Et n u m e n : cessant haec q u o q u e cuncta simul. Maestus alexandro cur n o n siet ille p e r e m p t o ? Q u e m p r o p t e r Tigres ingenuisse ferunt. [B.18a] Eiusdem P o s t q u a m C i n n u t i u m A l e x a n d r u m Senensem forma: p u d o r e : c a n t u q u e n o n minus insignem: q u a m gestis: Alex ander ille Macedo fuit: tam i m m a t u r o obitu fata rapuere: risus tacet: charités squalent: pullata Venus est: f e r t u r q u e pyerides dolore tactas non nisi lu gubre Vatibus subministrare carmen: & iurasse n o n prius aliam sumpturas lyram quam muñere suo: toto n o t u s orbe: & immortalis Alexander factus sit. [B.18b] Vixit an. xv. Men. viii. D . xx. H . vi. *Tam bene meren. P u e r o sacrum hoc simul & divi n u m n u m i s m a pientiss. sodales flavius H e r m e s & Dimitrius lugentes.
[B.22] Eiusdem. Q u a e genus ante dedit: n u n c dat mihi sena sepulcrum C u m caperent annos iam tria lustra meos. N o m i n e alexandrum miseri dixere parentes: H e c mihi q u a m parvo t e m p o r e u t e r q u e parens. Q u i potui cantu Syrena: decore napeas Vincere: relliquias haec habet urna meas. [B.23] Eiusdem Alexis R o m a n i . H e t r u s c a s decus unicum per oras. Senae gloria nobilis superbae. Ideo similis p u e r ministro: C o m m u n i s calor utriusque sexus: N a t u r a e speculum laboriose: Lustris c u m tribus addidisset u n u m Fato p r o h scelus i m p i u m / maligno " Raptus: m a r m o r e c o n d i t u r sub isto. C u i iam si lachrymas neges viator: C r e d a m te q u o q u e denegasse patri. [B.24] Publius A m e r i n u s .
Posuere.
Mores: forma: p u d o r : cantus: cytharaeque: lyraeque Ilicet heu vester concidit omnis honos. Pressit alexandrum mors immatura Senensem: Vivere qui n o s t r o m u ñ e r e dignus erat.
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Appendices
Flet patria extinctum: flet gens cinnutia florem: Amissos deflet sexus uterque iocos. N e pueri niveum marmor preme membra sepulti: Sed te quae fuerant candidiora fove.
Pallorem albentes m o x diffudere per artus: D u m calor aut gelidae frigora febris habent. Invasere metus puerilia pectora mortis: Spectabat stigiae nam prope vela ratis. Aeripitur tandem / dubium / Iovis alite: sive
[ B . 2 5 ] Publius amerinus. M a r m o r e alexander iacet hoc: cinnutia proles: Cui similem etruscae non genuere Sene. N o m i n e : gente: loco: foelix: foelitior ore: E t fidibus: cantu: moribus: ingenio. Q u a e puero poterant ars & natura dederunt: H e u puerum indigne mersit acerba dies. Q u o d si dii terris talem invidere ministrum: D e b u e r a t phrygio pro ganimede rapi. •'[B.26] Emilius. Talis alexander iacet hie: super ethera qualis P h r y x puer aligeri proditus ungue Iovis. Huius alexandri lector si forma sepulti A n t e oculos posset viva venire tuos. Tarn fleres tenero raptam crudeliter aevo: Q u a m superi pelopis indoluere necem. Parvus alexander iacet hic: sic pubis etruscae: Martis ut Emathii gloria magnus erat. E t bene nunc avido sublatus uterque tonanti: Sufficiet pugnas ille: sed iste dapes. Syrenas cantu puer: ore Medusa ferebar: D u m vixi cunctis obvius ardor eram. H e r m e tuis nostros accrescere desinat annos: Iupiter: astra mihi sero habiture comes. [B.27] Emilius de morte alexandri Senen. E r g o nephas summis rebus optare senectam: Vilia quaeque diu stant: pretiosa parum. Testis alexander iuvenisque aereptus Achilles: H i e troie domitor: alter & Orbis erat. Testis alexander / puerorum gloria / tuscus: Delitiae quondam patria Sena tuae. Cui genus & mores equitis cinnutia proles: A cynna veteres consule iactat avos. '"'Corporis atque animi cui formosissima virtus:
A cygno paphiae ductus in ora deae. Ille vel igniferum phoebi subiturus in axem: Q u i radiante novum proférât ore diem. N e c phaetonteas reddi trepidabit habenas: U s t a semel pluvio questaque terra Iovi. H i c est ille puer qui dum bene vixit: amicos Fovit: amatores perdidit usque fugax. H i c flavi Hermetis constanti foedere solo: Tentus amicitiae mutua iura tulit. "'Matris ab intuitu moriens distractus: acerba Culpavit lachrymas conditione pias. Inquit enim coeli repeto foelicior aulam: O r b a licet: nullis luctibus esse colas. A d m o n u i t fratres: tristes solatus amicos: A n t e alios flavi próxima vota sui. Protinus extinctum feralia dona sequuntur: Ante cupressiferos & toga nigra lares. Fertur ad exequias: lugubri N e n i a planctu E t rosonat tota luctus in etruria. R o m a novi postque crudelis nuntia leti: Fama venit: scissas verberat ungue genas. Incusare deos si phas mihi devia terris: N e c superum pietas incolit aequa d o m o s . Aut si qua immodicis cessât succurrere rebus: Magna adeo satis invidiosa ruunt. N u n c si quando ullis animantur imagine cerae: Tempus adest: statuas m a r m o r & aera ferant Vivat alexander tenero spectabilis aevo: Pictus Appellea parrasiave manu. Tuque age: pelleum veluti Lysippus ademptum: Belligerum sculpto reddidit aere ducem. H e r m e tuum variis Pyladen sic perfice signis: E t quacunque potes: utere parte fruì. Hesperii pariter famae monumenta poetae: D e n t sua: post summum non obitura rogum. " Ipse ego non potero manes laudemque sepulti Huius & officio prosequar ossa pia.
Cantus & orpheae dignus honore lyre. H u n c solita ardenti perquirere Nais ab unda: C o n a t a est tedis flectere posse suis. H u n c & amadriadum certavit habere sororum: Turba virum: querno cortice vulsa caput. H o c & A m a z o n i o s iam permutasset amores Delia: ni flavi continuisset amor. Dilexere omnes: oderunt impia fata Sola: quibus praestat ferrea corda calybs. Q u a e subito langore oculos / duo sydera / terris Stantia: compressis occuluere genis.
[ B . 2 8 ] Timotheus Lucensis. Postquam Alexander puer Senensis virtute & forma admirabilis extinctus est: credidere mortales: su peros iterum in pueros exarsisse. [ B . 2 9 a ] Iohannes Ferrarien. H e u qui quondam clara ex stirpe Cinnutia Senis ac R o m a e tanquam Lucifer matutinus emicuit: & inef fabilis formae gratia praefulgens ad sui contempla
Appendices tionem cunctorum mortalium oculos allexerat: cuius decori natura ipsa cesserat / ad quem forman dum omnis superum chorus: & planetarum amica biles aspectus convenisse creduntur Qui orpheum cythara: dryades chorea: cantuque peonías puellas: omnium inditio superasse comprobatur. Proh dolor iterum clamare licet heu heus O lepidissimus puer Alexander invidis fatis immaturo raptus in teritu: hoc angusto nimis & funesto amarissimis omnium lachrymis deploratus: nunc defunctus universis desolatis occubat in tumulo: ! í An exalto prospectans piissimus deus commoveri flectique non debuit tantarum maxime splendore vir tutum. Verum coelicolas nescio quo zelo censuisse arbitor iniuriam ipsis celestibus fieri / ni eterris ad superna tam nobilis thesaurus raperetur. [B.29b] Senenses nymphae gelidi quoque numina fontis. Plangite discisso pectora vestra sinu. Vester amor tuscas quo non formosior urbes. Viderat: aut domino gratior ullus erat. Quid non fattrahunt: teneris correptus in annis. Extinxit patriae lumina quanta suae. [B.29c] Quae túseos colles & amena fontibus urbem: Turba colis: laceros iam bene piange sinus. Qui fuerat viduae lux quondam clara parenti: Primaevo cassus muñere lucis obit. Mors matri: patriaeque nimis lugenda Senensi: Haut dispar domino cura dolorque fuit. Turba pios luctus tantaque impendía formae. Solari cupiens talia verba refer: Sit modus hic moneo lachrymis ñeque ultra dolendo Laedite conversas in meliore vices. Macte puer valuit cuius certare puellis: Vultus olorinos vox superare modos. deus aethereo purgatum sumat olympo: Perpetuus: reparet & tua damna bonis.
!i Te
[B.30] Chyriacus Floren. Compleram tria lustra Senas: me roma remisit. Interii: multis mors mea saeva fuit. Tu quicunque legis nostra sub imagine carmen: Ad superos pro me te rogo funde preces. Sic tibi contingant longevae tempora vitae: Atque tuae videas fuñera tarda domus. [B.31] Pro alexandro Senesi formoss. atque optimo A dolescenti materno sermone Aug. Urbinas Lasso cum quai suspiri: o cum quai pianto Di te mi daglia? o impia morte: e dura:
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Chel suo thesoro hai tolto alla natura: Et alla terra la sua gloria: el vanto: Oime el bel viso: iome quel lume santo Pocha polluere e facto: e ombra obscura Oime che breve fossa asconde: e fura La chioma doro: el riso: el sono: el canto. Siche veder fra noi già più non lice Vera beltà: ne più sentire dolceza: Ne più virtù: ne più sperar costumi ' Ό Siena: o patria afflieta: o infelice Regno damor: che fusti in tanta alteza: Versate oramai sempre amari fiumi. [B.32] Baccius in somnium flavii Hermetis. Stenchi di lacrymar: di somno gravi Prendean breve riposso el far del giorno Gliochi miei: quando un Angioletto adorno Ale assali cum parole alme & suavi. Dissemi: Io son colui che vivo amavi O r morto piangi: & semiguardi intorno Vedrai: che in più bello habito ritrono Che al spoglia mortale / che si laudavi Quel che era in me mortale / lassato ho in terra Con lo spirito in ciel sono: nel daltro ho pena Che del tuo pianger vano / mia morte acerba O r più non te doler: le ossa mie serra In un marmo con forme: e ¡pianti affrena Che & più dolce eser mecho in ciel ti sereba. [B.33] Chyriachus. Inun bel prato sottol clima thosco Suelto e per forra il verde & nobil fiore Chera degnaltro in uesta etade honore "" Per chui diventa illoco & laere foscho. Splender più gentileza non conosco Perduta e leggiadra in human core Hor veggo ben rimaso in nudo amore Senza pharetra Si archo / solo & loscho. Hai cruda morte dogni ben nimica. Che per voler seguir lempia tua voglia Facto hai infiniti cori dogliosi & moesti Qui sol rima la bella & vaga spoglia Lui torna al ciel con suo dalti acti honesti. Sciolto dal mondo & dal mortai fatica. [B.34] Bachius Floren. Quanto pote natural / studio / & arte / Di grazia / di belleze / & di costumi / Concedere adun solo: Morte or consumi E in vola al mondo la miglior sua parte. Quante lachryme meste ad terra sparte. Vedren: chiusi ¡celesti & chiari lumi:
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Appendices
Quanti poi de Elicone derivar fiumi. Quante perme stracharsi inchiostri & carte O superi invidiosi: o crudel parca Chi tha permessa potestà si in terra Che ardischa anchor nelli Angeli sevire. O non nascer costui / che Suyge or narcha. O per gratia del ciel poi che nato era: Dovea per certo non poter morire. [B.35a] Bernardini Cyl. Veronen. Epitaphium de alex. Senen. Heu hospes / sive nostrate lingua: sive sapis exotica Hue ades: paululum te volo. Alexandre Senensi. Cinnutia equestris ordinis familia genito: Cuius pulcritudine: gratia: probitate: Comitate: hesitavere mortales: Annos agentis sexdecim interitu pullata Roma condoluit. Flavius Hermes & Demetrius impotente amore: & amissi desiderio foelicissimis animis sacrum hoc Cupidinum posuere. [B.35b] Moribundi. Hoc te ut scires volui. I. Valens in negotium. [B.36] Eiusdem. Qui sit amicitiae nexis dulcedine fructus: Ex me disce puer: tuque puella rudis. Ipse ego Alexander / proles cinnutia Senis Editus: exacti corporis unus honos. Languidus excelsa Sixti dum vector ab aula Ut foveam patrio mortua menbra solo: Quina male incoepta vidi triatercia messe: Raptus & angusto marmore claudor in hoc. N o n movere deos viduae suspiria matris. Mors tenet hic: hominum fama per ora volat '•'Hermeti nostros formare numismate vultus: Carmina demetrio fundere certat amor. [B.37] Eiusdem N o n tam clara meae cinnutia gentis origo: Senaque natali nobilitata novo: N o n decor & cantus: quibus haud mortalia dicor Pectora / sed magnos exuperasse deos. Quid mihi fiorenti prodest coluisse iuventa: Hermetem sotios Demetriumque pios. Fata bis octonos ineuntem lentius annos: Hoc rapiunt tumulo depositura brevi. Vivo tamen vino: & quantum Romana manebit Curia: de nostro stabit honore sonus. Carmina demetrius lachrymosa fidelis adoptat: Et revocat vultus alter in aere meos.
[B.38] Pindari Theotonici. Sena locus patriae: pater est cinnutius: & se Consule de cynna iactat origo mea. Nomen alexander: pueros dum vita manebat: Senenses inter par mihi nullus erat. Sed genus & patriam superávit forma manusque: Contentusque mea sum modo laude puer. "'Intonso poteram cythara contendere phoebo: Et phrygio forma non ganimede minor. [B.39] Eiusdem. Si verum est parcas fatalia condere iura: Nascentique suas cuique notare dies: Sic puto de puero tris constituisse sorores: Vive parum: summum post aditure Iovem. [B.40] Eiusdem. Pontificis sacra summi dum vixit in aula: Candor: alexander conditus hoc tumulo est. Q u o melior forma: nec cantu dultior alter: Tergemmo fuerat visus in orbe puer. Sive suos cythare dígitos aptabat: Vlixen: Cum surda potuit detinuisse rate: Seu voluisset equo tenerum superedere corpus: Enituit forma pulcher iule tua. Huius in aspectu pueri / quid prosequor ultra? Crediderim cunctos elaborasse deos. [B.41] Pindari Theotonici Carmen. "'Quisquís multa sui per saecula tendere famam Nominis: nique dies clarior esse velit: Discat ab exemplo: mortem puer ecce senensis: Carmine perpetuo vindicat ipse suam. Qui licet in terris iam vix tria lustra peregit: Carminis annosum nestora vincit ope. Einzig bei einem der beiden Exemplare der Epigrammata in der Pariser Bibliothèque Nationale (Sig. mye 5) ist auf dem Verso des hinter Blatt 1 eingeschobenenen Blattes noch folgendes, nicht genauer zuordenbares Gedicht abgedruckt: AD CAESAREM Ut possem niveam tuam referre Linguam Caesar & eruditionem: Esset nunc studiis tuis & alto Nobis ingenio vel arte opusque Praestanti eloquio: Sed hoc libenter Praestamus: potuis pusilla quantum Vox ac discipuli notare dextra
Appendices Id tantum capias velim clientis Ingens officium: velut solebas Tuarum modo partium patronus.
C. Die Handschriften-Überlieferung der
Epigrammata Die bei Paul O. Kristeller, Iter Italicum. A finding list of uncatalogued or incompletely catalogued humanistic manuscripts of the Renaissance in Italian and other libraries, 7 Bde., Leiden u.a. 1963-1997, ad ind. und bei Ludwig Bertalot, Initia humanística latina, hg. v. Ursula Jaitner-Hahner, Tübingen 1985, Nr. 65, 110, 733, 1795, 2299, 2599, 3301, 3402, 4726 und 6737 aufgeführten Handschriften zu Alessandro Cinuzzi sind um C.6, C.15 und C.17 ergänzt. [C.l] Arezzo, Biblioteca Comunale (ehem. Biblioteca della Fraternità dei Laici), Ms. 181, fol. 37v-38r und 39v-40r Cart, misc., spätes 15.Jh., 182 fols. Das toskanische Manuskript interessiert sich ausschließlich für die vier Volgare-Texte der Epigrammata. Allein hier werden die Gedichte anderen Autoren zugeschrieben und gemäß der Fiktion, Grabinschrift zu sein, werden Anrufe Gottes und Lebensdaten Alessandros ergänzt: Auf „IN ALEXANDRVM ADOLESCENTEM SEN E N S E M A N T O N I V S WL[teranus]" folgt B.32, beschlossen von der Angabe „VIX. AN. X I I I I / MENS V D I E B / III H Ö R V". B.31 wird angekündigt mit „BACCIVS VGOL[inus] FLORfentinus] IN E U M D E M ALEX.", gerahmt wird es von „ D * O M · " und „VIXIT V T SVPRA". Nach einem Einschub nicht zugehöriger Gedichte finden sich B.33 unter der Uberschrift „G. EP[i]S[copus] IMOL[ensis] IN M O R TEM ALEXAN. SEN." bzw. B.34 unter „ANTONIVS W L T E R A N V S IN MORTEM A L E X ANDRI SEN" und ergänzt um ein „D M S". [C.2] Augsburg, Staats- und Stadbibliothek, 2° Cod. H. 23 (ehem. Halder 526), fol. 62v Cart, misc., 16. Jh., 130 fols. Vier Gedichte aus den „Epitafphia] Alex[andri] pueri Senensis": B.18a-b
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[allerdings ohne die drei letzen Zeilen], B.28, B.29a [mit Auslassung von „Cinnutia Senis" in der ersten Zeile], B.35a. [C.3] Cambridge (MA), Harvard University, Houghton Library, ms. lat. 358, S. 259-278 Cart, misc., 16. Jh., 365 S., möglicherweise in Ferrara geschrieben. Unter der Überschrift „De Alexandre Cinnutio Senensi" folgt beginnend mit B.2c die gesamte Gedichtsammlung mit Ausnahme von B.18a-b, B.28, B.29a, den Beiträgen in Volgare B.31-B.34 sowie B.35a-b. Damit stimmt die Handschrift mit C . l 3 überein. [C.4] Leipzig, Universitätsbibliothek, cod. 1270, fol. 163v-172r Cart, misc., um 1500, 228 fols. Die offenbar für einen nordalpinen Empfänger bestimmte Abschrift der Epigrammata in der Leipziger Sammelhandschrift ist von einem unbekannten „frater Anthonius" signiert und 1500 datiert (fol. 223v). Zugrunde lag ihr - wie es sich entsprechend auch für andere in dieser Handschrift enthaltene Texte nachweisen läßt - keine anderes Manuskript, sondern die Druckausgabe. Allerdings scheint es sich um einen Fehldruck (nicht nur eine Fehlbindung) gehandelt zu haben, bei dem der Text von Blatt 3a mit dem von 5a vertauscht worden war und der Text von Blatt 4b mit dem von 6b; dadurch erscheinen Teile der Gedichte B.4, B.8, B.9 und B . l l miteinander vermischt. [C.5] München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 434, fol. 73r Cart, misc., frühes 16. Jh., 264 fols. Die aus dem Besitz Hartman Schedels stammende und von ihm selbst geschriebene Handschrift verzeichnet unter den „Epigrammata Alexandri Senenfsis]" zunächst zwei nicht zugehörige Anrufungen an Herkules, es folgen A.14 und A.30, dann: „Aliud Sena genus: phrigii fuerat cui forma ministri Nomen alexander hic puer ossa tegit."
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Appendices
[C.6] München, Bayerische Staatsbibliothek, elm 716, fol. 132r-v Cart., um 1500, 331 fols. Im „Liber antiquitatum cum epigrammatibus ab Hartmanno Schedelio collectus atque exaratus" finden sich folgende Gedichte der „Alexandri pueri senensis Epigrammata": B.2a-b, B.3, B.6 und B.12a-b. [C.7] Neapel, Biblioteca Nazionale Centrale, XVI A 1., fol. 303v Cart., 16. Jh., 316 fols. In der humanistischen Gedichtsammlungen finden sich zwei anderweitig nicht überlieferte Texte. EPITAPHIVM ALEX[andri] C I N V C I I SEN[ensis] pueri Hic modo qui toti tam flebilis occidit urbi Claudit alexandri mollia membra lapis. Vix heu quinta meos Trieteris viderat annos Dulce mihi parcae quum rapuere caput Sirenas cantu potui superare: lyraeque Orphea: collatus phryx mihi maurus erat. Patria sena fuit: proles Cinuccia: vates Magna pudicitiae fama fuere meae. IDEM. Vidisset phrygij quum iam barbata ministri Aspraque supermus Iuppiter ora suj. Quis iam quis superi mihi qui carchesia übet Dixit: & ambrosiam qui mihi ponat erit? Quaerit in italia tota quum turba deorum Tuscus alexander hic venus inquit erit. [C.8] Padua, Biblioteca del Seminario, ms. 19, fol. 138v-139r Cart., 15./16. Jh. Hier finden sich im dritten, Antonio Morosini gewidmeten Buch der Promiscuorurn libri sex des Girolamo Bologni (Hieronymus Bononius Tarvisius) zwei Gedichte auf Alessandro (das letzte Gedicht auch in Venedig [C.14]). Die Bekanntschaft Bolognis mit Laetus belegt in dieser Sammlung etwa ein Gedicht Ad Pomponium Laetum rhetorem auf fol. 168r. Alexandri Cannutij Senensis epitaphia. Vivit ut Herculeus priscorum Carmine vatum Nec minus oebalides [d.h. Hyazinth] / Iliacusque [d. h. Ganymed] puer.
Vivit Alexander patriae nova gloria senae Dignus ab aeterna posteritate legi. Aemula paestanis fuerat cui forma rosetis: Cui Charités dederant muñera cuneta deae. Vicit holorinos dulci qui carmine cantus: Hyblaeos solitus fundere voce favos. Lugentes quinta trieteride liquit amicos: Heu quantus tota maeror in Ausonia. Corpus id exanimum marmor tegit: aurea manes Astra colunt: merito nomen honore viget. Raptus Alexander vixdum trieteride quinta Hic iaceo phoebi pieridumque dolor. Me genuit Lydis proles Cannutia senis Hic suprema dies: hic mihi prima fuit. Roma pio vates castos devinxit amore Funeris heu lachrymas qui cecinere mei. Ingenio fuerim prohibet pudor edere quali: Quam fuerit formae Gratia rara meae: At ne forte modum videar transiré pudoris Quod placui doctis laus mihi magna sat est. Dulcis Cannutiae domus alumnus Hic quintodecimo recumbit anno At lector lachrymas graves remitte. Quod mortale fuit iacet cadaver. Cunctis ingenium est perenne saeclis Et formae decus elegantis illud Romani cecinere quod poetae.
[C.9] Paris, BNF, ms. lat. 8458, fol. 159v-164v Mbr., spätes 15.Jh., 164 fols. Nach einer Abschrift von Catulls Carmina verzeichnet die Handschrift unter der Uberschrift „Epigrammata in laudem Alexandri Senesis : ingenio : forma : voce : pudore : fide cunctis praelatus ephebis : a nonnullis peritissimis viris edita" und beginnend mit [B.2a] alle Gedichte bis zur dritten Zeile von [B.18a]. Angesichts offensichtlich verlorener Pergament-Lagen dürfte es sich um eine vollständige Version der Epigrammata (ohne das „Argumentum") gehandelt haben, allerdings mit kleinen Abweichungen bei den Uberschriften, im Text und in der Orthographie. Da die Seitenaufteilung im Vergleich zu C . l l auf dem (durch den fragmentierten Zustand nur) einen vergleichbaren Blatt übereinstimmt, ließe sich überlegen, ob das zudem in den Überschriften nicht vollendete
Appendices Manuskript C . l l von der hier besprochenen Paris Version abgeschrieben wurde. [C.10] Perugia, Biblioteca C o m m u n a l e 'Augusta', ms. F 5., fol. 81v Cart, misc., 16. Jh., 154 fols. Die Handschrift listet in einer Zusammenstellung von Epitaphien ein mit leichten Abweichungen nur noch in Neapel [C.7] überliefertes Gedicht auf: ,,Epita[phium] Alexandri cinuci Senensis pueri Vidisset frigii cum iam barbata ministri Aspraque supremas iupiter ossa sui Quis iam quis superi mihi qui carchesia libet Dixit et ambrosiam qui mihi nectar erit Queris in ausonia tota cum turba deorum Tuscus alexander hic verius inquit erit." [ C . l l ] R o m , Biblioteca Angelica, cod. 1350, fol. 1 2 6 r - 1 3 1 v und 132v Cart, misc., spätes 15. Jh. Die Handschrift umfaßte ursprünglich sehr wahrscheinlich die vollständige Gedichtsammlung, da jedoch die ersten Blätter verloren gingen, setzt sie heute oben auf fol. 126r mit den letzten beiden Zeilen von B . l l ein. Zudem fehlen noch alle - wohl in anderer Farbe nachträglich einzusetzenden — Überschriften und Autorennamen. Bei der Abschrift vergessen wurde bei B.18b in der Alterangabe Alessandros das „D. xx.". Nach einem Einschub einiger Gedichte auf andere Personen folgt eine nur hier nachweisbare, anonyme Spott-Grabinschrift für Alessandro: „In Alexandrum Senensem. Qui hac iter facis: siste gradum Neque enim pedibus est calcanda tellus. An nescis quod Iuvenis alexander etruscus omnium edacissimus bibacissimusque hic cubo Heu ab magnitudinefm] poculorum letali contracta febre iuvenem miserabiliter a valetudine destitutum horcus illacrimabilis eripuit."
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[C.12] R o m , Biblioteca Casanatense, cod. 1732, fol. 1 3 v - 1 4 v Cart, misc., spätes 15.Jh., 107 fols. Die Zusammenstellung von Gedichten und Briefen überliefert unter der Überschrift „Epitaphia Alexandri pueri Senensis incipiunt" neben B.14, B.15 und B.6 noch vier nur hier nachweisbare Gedichte: „Iacobus Emilianus. Cuius in hoc pario Clauduntur membra Sepulchro: Parvus Alexander nomine dictus eram: Urbs mihi sena fuit patria: & Cinnutia proles: Clarus & Ingenio: Clarior atque fide: Voce fui patrijs quidam prelatus ephorbis: Moribus et forma Consimilisque deo Vix tua lustra mihi Complétant saecula: Cloto Stamina cum vitae fregit acerba meae. Idem. Clausus Alexander iacet hoc sub marmore forma Vincere quae cerni sécula dignus erat: At pede quem celeri[us ?] mors abstulit invida : Phoebus N o n sinit hunc docta posse perire Chelj. Francus advogarius. Qui fuerat cultu, forma, virtute, Juventa, Moribus, & cantu splendidiore nitens. Claudor in hoc tumuli retro miserabilis antro : Dictus Alexander, Patria Sena fuit. Ludovicus Arpa Notus. Marmor Alexandri tegit hoc pia membra Senensis: Qui fuit a magnis cultus in urbe viris. Qui forma similis Ganymedi vixit in orbe : Aspectu dulcis, colloquioque gravis Ingenio praestans Cultu superaverat omnes : Et Musas cantu vicerat ipse suo. Moribus ingenuis ornatus lustra peregit Vix tria, cum Lachesis Stamina rupit atrox." [C.13] R o m , BAV, Vat. lat. 3352, fol. 1 4 1 r - 1 4 5 r Cart., 16.Jh., 320 fols. Unter dem Titel „De Alexandra Cinnutio Senensi Epitaphia" folgt beginnend mit B.2c die gesamte Gedichtsammlung mit Ausnahme von B . 1 8 a - b , B.28, B.29a, den Beiträgen in Volgare B . 3 1 - B . 3 4 sowie B . 3 5 a - b . Damit stimmt die Handschrift mit C.3 überein.
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Appendices
[C.14] Uppsala, Universitetsbiblioteket, C 687, fol. 5 4 v - 7 2 v Cart. misc. 15./16.Jh., 300 fols. Die von Jakob Wimpfeling (1450-1528) zusammengestellte Handschrift („Jacobi Sturm ex dono Jacobi Wympfe[ling] sacre pagine licentiati") enthält eine exakt mit der Druckfassung übereinstimmende Version der Gedichte. Bemerkenswert sind - der Schriftform nach zu schließen - ein nur wenig späterer Kommentar zum Titel insgesamt („Nota levitatem et impudentiam eorum, vel suis vel alienis nominibus In Alexandrum epigrammata scripserunt.") und die Interlinearglose zu den „nostri temporis poetarum": „Impudentissimorum et Flagitiosissimorum: sulp hure pire [i.e. pyrae] & igne diginissimorum". Ansonsten finden sich nur ganz wenige Wortverbesserungen und allein zu B.41 wird vermerkt: „Mentius quis Theutonicorum Pindarus nominatus e[st]."
[C.15] Vendig, Biblioteca Marciana, cod. Marc, lat. cl. XIV, 112, fol. 186r Cart, misc., 16./17. Jh., 300 fols. In einer Sammlung von Gedichten des Girolamo Bologni finden sich folgende, auch aus dem Paduaner Manuskript C.8 bekannten Zeilen (s. dort auch zum Autor); publiziert auch in DELLA TORRE 1903, S. 232: „Dulcis Cannuttiae domus alumnus Hic quintodecimo recumbit anno, At, Lector, lachrymas graves remitte: Quod mortale fuit, iacet cadaver: Cunctis ingenium et perenne sechs Et formae decus elegantis illud, Romani cecinere quod Poetae."
[C.16] Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Q 114, fol. 7 0 v - 7 2 v Cart., spätes 15. Jh.; in der Handschrift mit einer Gedichtsammlung findet sich gegen Ende die Angabe „Bononie M C C C C L X X X I " . Aus den Epigrammata sind hier nur die beiden Gedichte B.26 und B.25 von Emilius Boccabella aufgenommen, allerdings ohne dessen Namen zu nennen. B.25 ist durch Überschriften ( E P I T H . E I V S -
D E M - E I V S D E M - E I V S D E M - E I V S D E M ) in vier eigenständige Teile à 2, 4, 4 und 4 Zeilen zerlegt.
[C.17] Aufbewahrungsort unbekannt PATETTA 1899, S. 152, Anm. 6 vermerkt, daß in seiner Ausgabe der Epigrammata durch einen Fehldruck fol. 15v leer geblieben ist und handschriftlich mit zwei lateinischen Gedichten unbekannter Autoren beschrieben wurde, wobei das zweite mitten im Vers abbricht. Durch Streichung und Tilgung waren sie für Patetta kaum lesbar, die ersten beiden Zeilen des ersten Eintrags gibt er an als: „Invida mors teneros totiens quid corripis annos / E t laceras vitae stamina casta [?] meae? [.··]·"
D. Die ersten .Geschichten der Homosexualität': Francesco Patrizi, Raffaele Maffei Volterrano und Johannes Ravisius Textor [ D . l ] Francesco Patrizi, De Regno et Regis Institutione, Libri IX, Paris 1567, fol. 231v und 2 3 8 v - 2 3 9 r [verfaßt 1 4 8 1 - 1 4 8 4 ] De Amoris affectu, de de variis philosophorum ac poetarum super eo opinionibus. [Lib. IV] Tit. XI. [ . . . ] Stoici amaturum sapientem dicunt, & praecipue iuvenes illos, qui cum formae venustate indolem peregregiam habent, & acumine ingenij pollent: quasi speciem futurae virtutis, non formatti, aut aetatis mollitiem benevolentia complectantur. Qua in re admirari se summopere ait Cicero, quod nemo formosum senem, aut informem adolescentem diligebat, deinde quasi coactus in hanc sententiam accédât, addit, Sit sane sapientis amor, ut dicitis (non enim repugno) dummodo sit sine solicitudine & suspirio. Addunt praeterea iidem philosophi amorem conatum esse amicitiae, firmamentumque benevolentiae quod quidem ex formae venustate, non ex amplexu corporis proficiatur. Dicunt etenim Thrasonidem eiusdem disciplinae philosophum pereximium, quum in potestate haberet pusio-
Appendices nem quem unice adamaret, semper abstinuisse, ne male audiret, odioque haberetur. Amorem amicitiae esse vinculum Chrysippus in libro de amore scripsit, ñeque ilium vitio dandum esse existimat, quandoquidem pulchritudo virtutis sit flos, Verius tarnen (ut mihi videtur) Socrates pulchritudinem definivit, qui earn modici temporis tyrannidem esse dixit. Theophrastus vero tacitam deceptionem. Sed hanc Stoicorum sententiam non statuit Zeno, quanquam eorum princeps habetur, dicit tarnen amore esse inexplebilem quandam libidinem ingerentem se per placidam pulchritudinem. Addit edam amore in praestantis ingenij viros non cadere, quippe qui studio industriaeque insidietur. [...] L. Pedanium Secundum urbis praefectum scribit Cornelius Tacitus a proprio servo fuisse interfectum, qui ei admodum infensus erat amore cuiusdam exoleti, quum nec dominum quidem amoris sui ivalem, atque obtrectatorem perferre posset. Quinetiam Pausanias Lacedaemoniorum dux, qui Mardonium Medum vicit, ab Argilio adolescente, cuius insano amore tenebatur, accusatus quod Graeciam Persarum regi prodere vellet, turpissima mortem subivit: & non modo vitam amisit ex amatoria causa, verum quaesitae laudis gloriam perpetuo dedecore obscuravit. Sed ut haec tam tetra scelera omittam, compellit plerunque amor ad ea flagitia, quae aut turpia sunt, aut dignitatem diminuunt. [...] Turpius vero Galba, qui in exoletos semper exarsit: quorum nonnullos palam arctissimis complexibus osculisque excipiebat, & quum confestim ut vellerentur imperasset, seducebat. [...] Amantes puerorum ingenium Lycurgus non spernendos esse ait, ut qui illorum indolem ad virtutem excitent, Amatores autem formae execratur, & iure optimo. Quis enim Teij Anacreontis Lyrici poetae peregregij amores tulerit, qui grandis etiam natu dilecti pueri Battylli duritiam carminibus flevit, & a Vulcano pateram poposcit, in qua non caelestis currus, aut sydera caelata essent, sed Bacchus, Cupido, & Batyllus, quospariter deos esse arbitrarentur? Quis graecos illos audire potest, qui scribunt Pindarum foeliciter obiisse, quod in grmio amati a se pueri nonagenarius spiritum emiserit, quasi suavissimo somno consopitus? Tolerabilior habendus fuisset Xenophon, si venia aliqua adolescentiae danda esset, nam turpes etiam amores suos lusit, dixit-
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que, Si iussu Iovis necessarium esset ut oculis sie captus essem, ut vel solum Cliniam amatum puerum cernerem, & ad reliqua omnia caecus essem, vel reliquia omnia viderem, Cliniam autem neutiquam intueri possem, eligerem solius Cliniae potius aspectum, & ab omnium rerum forma fraudari contemnerem. Sed maior deinde factus, relicta hac turpitudine muliebres amores concupivit, edoctus a magistro suo Socrate, ut opinor, qui admirationi fuit universae Graeciae, quod ab Alcibiade omnium formosissio abstinuerit.
[D.2] Raffaele Maffei Volterrano, Commentariorum urbanorum ... libri, Rom 1506, fol. CCCCLIIv-CCCCLIIIr De amore impudico. Theophrastus, amor est, inquit, animi concupiscentia, quae celerem habet ingressum, tardum vero regressum. [...] Plato in Phaedro animam comparat geminis equis alteri bono rationis: alteri malo, appetitus: peioremque concupiscentiae quam irae appetitum esse. Aristoteles ait, amantes ad oculos protinus respicere ante omnia in quibus pudor continetur. [...] Lacedemonii ante pugnam amori sacrificabant, velut in amore certantium & certa amicitia victoria consistere. Cretenses in praeliis optimos ac pulcherrimos amore devinctos scernebant, ac per eos annua sacra fiebant. Apud Athenienses sacra cohors appellata ex amantis & amantibus consistebat: ut tradit Alexis, in qua summa erat fiducia. Ex Athenaeo. [...] Sed utinam sexum non mutaremus: in hac parte multo feris nocentiores quum illae naturae legem custodiant. In Gymnasiis grecorum hec reperta sunt vitia. Primi enim Lacedemonii teste Thucydides puerorum corpora ad palestram nudaverunt sic postea nulla priscorum societas hac caruit nota. Inter Argonautas Has [i.e. Hylas] Herculi delectus qui quum aquas [h]aurire descendisset apud Arganthonium Bithyniae raptus nymphis dicitur: quem hercules quaesitum exiens & ipse non amplius ad naves rediit: Nircus qui ad troiam venit pulcherrimus unus ponitur Iiiados ß. Eurialus Virgilianus Parthenopeus Statianus. Sic deinde variis varii adamanti ut Cottalus puer Siculus Anacreonti. Magnes Gygi lydorum regi Harmodius Hippiae: Aster Piatoni: Q . Catulo Roscius Piso Galbae Antinous Hadriano. Nec Pindarum poetam hec
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Appendices
infamia liberavit qui teste Val. in gymnasio in gremio pueri adamanti obdormiscens expiravit: Duos quoque Romanos équités Plinius li. vii. sua aetate dicit in venere Pantomimi mythici forma praecellentis obiisse. Huiuscemodi etiam fatum exitumque Cor. Gallo praetorio & Q . Heterio equiti romano diversis temporibus contigisse. Quin & bruta saepius adamanta ut a Cratide pastore capra. Amanti & homines a beluis, ut a delphino puer Corinthi. Apud Solos puer X e n o phontis a cane. Alius a graculo apud Spartam. Ab ansere quoque Citharistria. Haec Aelianus. Vidimus & nos huius generis his temporibus exempla: primum quod accidit puero Romae dum adequiraret, fore cercopithecus de maiore genere e fenstris vicecancellarii conspiciens, illieo eum consectatur versus Hadriani pontem, metu quoque adcelerantem, & ipse insiliens tandem in equum capite colloque horrendo spectaculo complexus est: ille pene exanimatus concidit, ductusque in próxima tabernam: fera perseveravit eo modo, aliquamdiu nihil aliud prorsus agendo, dein prosiliit. Postremo loco, quod omnibus incredibile forte fuerit, referam recentissima historia, ut illud iactare carmen possimus. Crédité Romani Dictaeo crédité tauro: Vidimus, accepit fabula prisca fidem. Siquidem sub Pio tertio in Hetruria puella quaedam cum cane quem maxime amabat rem habens, gravidaque ex eo facta, semicanem peperit, hoc est, pedibus manibusque ac auriculis caninis, caetera hominem: res expiationis gratia ad ponteficem delata. Inventi quoque qui inanimata dilexerunt, ut iuvenis Athenensis statuam Fortunae in Pytaneo consistentem, quae quum ei negaretur precio mercari volenti, apud eam se noctu interfecit. autor Aelianus. Plinius item de signo Veneris scribit, quod quum iuvenis deperiret, saepe cum eo congressus, turpitudinis signa apparuerunt. Oenomanthi denique sophistae insaniam verbaque in Imaginem pueri dilectam Philostratus ponit quam referre ob turpitudinem supersedo. Vitandae libidinis duo maxima remedia Ovid, his carminibus ponit: Ocia si tollas periere Cupidinis arcus. Et in alio loco: O nimis exitio nata theatra meo. Quapropter soleo mirari gravitatem Romanam spectacula permisisse Vestalibus. Nam Augustus contra praetoris tribonal, eis locum in theatro adsignavit. Tertium addit omnium praestantissimum Hieronymus ad Rusticum monachum: Sacrorum voluminum theologiaeque Studium.
[D.3] Johannes Ravisius Textor, Officina partim historijs partim poeticis referta disciplinis, [Paris] 1520
De sodomia, cinoedis, paediconibus [Lib. V] Cap. LXIV.
& pathicis.
Iupiter ut poetae fabulantur, Ganymedem ob formam praestantissimam foedo amore complexus est, ut Naso cecinit lib. 10.
Rex superum quondam Phrygii amore Arsit, etc. -
Ganymedis
Cretenses adolescentum, & puerorum amores primi videntur usurpasse: atque his deditum esse, nihil apud illos turpitudinis atque ignominiae habebat. Hera in Politicis. Laium aiunt primum formosorum poerorum juvenum amoribus arsisse, & Chrysippum filium Pelopis rapuisse; ex quo factum est, ut honestum apud Thebanos haberetur, speciosos & elegantes amare. Aemil. lib. 13 Phaedon philosophus, quum adolescentulus Athenis esset in Servitute, a domino in lupanari constitutus est, ut prostaret, & corpore faceret quaestum. Demetrius Democlem pulcherrimum adolescentem, eius stuprum abnuentem, in balneum prosequutus est, ut eius amore potiretur. Verum Democles cum eius libidinem aliter effugere nequiret, se in proximum ferventis aquae lebetem praecipitavit. Volat. lib. 18. Anthrop. Chariton Agrigentinus pulchritudinis amator, & circa formam juvenum infeliciter versatus, ardenti desiderio Menalippum amavit adolescentem honestum, ac pulchritudine inprimis insignem. Aelianus de varia hist. libr. 2. Agesilaus Lacedaemoniorum rex, Magabetam Persam formosissimum adolescentem, Spartanorum more, turpissime amasse dicitur. Fulgosus libr. 4 cap. 3. Bacchus Ampelon puerum formosissimum, ut poetae fabulantur, amavit. Melanthius ob gulam ac turpissimos amores in masculos, notatur apud Suidam. Hipparchus Pisistrati filius, stuprato Armodio Aristogitonis puero, utriusque coniurationem in se concitavit. Libanius Sophista Antiochenus Constantinopoli ob impúdicos amores puerorum pulsus est. Demum Nicomedia (quo se reeeperat) caudem ob causam detrusus.
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Appendices Agathoclem poetam foedo amore Pausanias
busque (quod foedo amori consentire
nollet)
figulus amavit, de quorum amatoriis contentioni-
tractasset: a Veturio accusatus, poenas dedit, sta-
bus lege Aelianum lib. 2 de varia histor.
timque lex lata est, ne quis ob aes alienum quem-
Cleomenem nefando illi omnibusque modis detestando amori operam dedisse, ex eius ad Nicagoram responso colligimus apud Polybium lib. 1.
piam ligaret in posterum. Valer. Max. de Pudicitia. Volater. libro 20. Romani Alceum & Philistum Epicúreos ex
N a m postquam Nicagors ad eum in Alexan-
urgbe eiecerunt, eo quod multarum flagitiosa-
driam navigans, equos generosos ac ad bellandum
rumque libidinum autores essent. Aelianus lib. 9.
utiles se advehere dixisset: Cleomenes respon-
Aemylii cuiusdam cinoedi obscoenos amores,
diese dicitur, Mallem cinoedos sambucasque n o -
mollesque delicias, postremo infinitas libídines
bis advexisses.
notât Catull.
Attalus Pausaniae adolescenti stuprum
per
vim intulit, in conviviis etiam pro scorto usus est. Trogus. Pausanias Lacedaemonius habuit stupri consuetudinem cum Argilio adolescente. Erasmus Comoediae
maledictis
Multus homo es Naso, ñeque tecum multus homo, sed Descendit Naso, multus & pathicus.
vetens
Gargilianum quendam Mart. Lib. 3. arguit, ut
proscissum,
Cinoedum mollem, quem depilatoriis unguentis,
in adagiis ait, Cleocritum scriptorem
Idem in Nasonem quendam pathicum his invehitur verbis:
quod Cinoedus esset. Q u a m notam
Agyrrhio
cuidam inuit.
faciem lavare consuevisse dicit. Catullus in Thallum adolescentem impudicum
A r m o d i o & Aristogitoni apud Athenienses mutua erat Veneris consuetudo. Cratinus Atheniensis Comoediographus notatus est etiam Paederastiae seu obscoeni in pueras amoris.
his verbis invehitur :
Cinoede Thalle mollior cuniculi capillo, Vel anserus medulla, vel hinnula molli cella. Idem quoque Portium & Socrationem suis versibus infamat, quod stupri meritis a Pysone
Sotades Meronites Cynoedus & poeta scripsit jamborum libros, quos appellavit Cinoedicos, eo quod varios amorum modos in his describeret.
Praetore praepositi sint duobus aliis adolescentulis, scilicet Varaniolo & Fabullo. Mamurram
Formianum
&
Caesarem
Huius meminit Mart. & Volat. Lib. 19 Anthroph.
notât ut Cinoedos & Pathicos, dum ait:
Pindarus poeta laboravit hac infamia, qui in
Pulchre convenit improbis Cinoedis, Mammurae pathicoque Caesarique; Nec mirum, muculae pares utrisque.
grembo pueri adamanti obdormiscens vitam efflavit. teste Valer. Alexander Abonotichites copiam sui corporis
idem
Sed & Suetonius ait, nihil famam pudicitiae Caesaris laesisse, praeter Nicomedis regis B i t h y -
mercede faciebat. autor Lucianus. Theophrastus philosophus N i c o m a c h u m Ari-
niae contubernium.
stotelis filium ad praeposteram usque Venerem
N e r o Imperator Sporum puerum in mulieb-
adamavit. Ferunt, Ibycum historicum patria R h e -
rem conatus est naturam vertere, exectis testibus.
ginum, insano puerorum amore exarsisse.
O Imperatorem R o m a n u m ac gentium dominum
L. Quintus Flaminius vir consularis, puerum ar-
insignem, qui rerum naturae tarn nefariae inscius
debat, a cuius latere nunquam discedebat. Quine-
marem in foeminam trasmutare simulante foeda
tiam ad eius nutum hominem quendam securi per-
libidine tentare ausus est, magna ac perpetua R o -
cussit, dum ille coram se aliquem oprasset interfici.
mani imperii ignominia. Pontanus lib. D e imma-
L. Papyrius Publicum adolescentem in vinculis tenuisse, plagisque & contumeliis
nitate cap. 17.
(quod
Sigismundus Malatesta, qui Romandiolae do-
stuprum pati noluisset) affecisse dicitur. Q u a re
minus fuit, Robertum filium suum ad nefarium
ad Senatum delata, damnatus est, lege lata, ne quis
concubitum saepenumero tentare ausus est. P o n -
in corpora libera ob aes alienum jus haberet.
tan. de immanitate.
Volebat enim
hoc sibi licere Papyrius,
quod
Publius eidem esset debitor. Caelius Plotius cum T. Veturium adolescentem propter aes alienum vinculis ligasset, verberi-
Hue aliqua ex parte referri possunt, quae annotata sunt titulis de D e o r u m ac hominum amasiis [lib. V, cap. LVII],
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I m Folgenden w e r d e n nur grundlegende bzw. mehrfach zitierte Quellen u n d Sekundärliteratur aufgeführt; alle anderen Verweise finden sich vollständig in den A n m e r k u n g e n verzeichnet. Geläufige antike A u t o r e n u n d die Bibel erscheinen ausschließlich in A b k ü r z u n g zitiert, es sei denn, es wird eine Renaissance-Ausgabe benutzt.
Abkürzungen BAV BCA BLL BLMF BNCF BNMV BNF BSB BSP DBI GRI GW HAB H.
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H.: 11, 37, 38, 42, 55, A.3, A.8, A.12, A.14, A.21, A.23, A.24, A.25, A.26, A.27, A.30, A.32 In the Light of Apollo 2003: 9, A.2 [Mailand, Civiche Raccolte Numismatiche], Farbtf. Χ Isabella d'Esté 1994: 39, 80, 113, 116, 126 Cesare Johnson / Rodolfo Martini, Catalogo delle medaglie. Milano, Civiche Raccolte Numismatiche, Bd. 1, Mailand 1986; 24, 103, A.22 Kunsthistorisches Institut, Florenz: 1, 2, 10, 12, 26, 28, 57, 33, 34, 35, 48, 51, 52, 86, 101, 102, 138, 139, 141, 142, 146, 153, 154, 156, 158, 159 Le medaglie ponteficie degli anni santi. La Sardegna nei giubilei, hg. v. Giancarlo Alteri / Luisa d'Arienzo, Mailand 2000: 50, 99, A.4 [Medagliere Vaticano], Farbtf. III, VII Le Muse e il Principe 1991: 40, 74, 81 London, BLL: 67, 68, 148
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SYSON /
THORNTON 2 0 0 1 : 56, 59, 100, 131, 132, 1 5 5
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Register
Medaillen H.l
91
H.218
32
H.2
85 f.
H.220
60-74, 203 f., 399
H.3
Anm. 213
H.221
245
H.4
85 f.
H.260
61
H.5-9
85
H.308
61
H.10
92 f.
H.333
409,414
H.ll
92 f.
H.337
261
H.12
Anm. 224
H.346
61, 375
H.13
100
H.366
90 f., Anm. 746
H.14
89
H.387
Anm. 621
H.15
89
H.389
237
H.18
317
H.391
237
H.19
99 f.
H.406
H.20 H.21
97 f.
H.421
65, Anm. 250 72
97
H.559
Anm. 171
H.36
222, Anm. 814
H.565
Anm. 904
H.38
2 1 3 , 2 3 7 , 246
H.573
66
H.39 H.41
61 222
H.574 H.604
66 107
H.43
60
H.731
60, 102 f.
H.52
Anm. 746
H.732
60, 102 f.
H.59
Anm. 746
H.733-736
102 f.
H.64
Anm. 746
H.737-739
104
H.68
90
H.740
104
H.69
90
H.741
104
H.86
31 f.
H.742-744
244
H.90 H.96
Anm. 165, Anm. 746
H.748
Anm. 244
Anm. 562
H.749
Anm. 244,213
H . l 18
H.751
212, Anm. 5 3 8 , 2 3 6 f.
H.141
61 Anm. 746
H.752
212, 236 f.
H . l 46
Anm. 746
H.753
Anm. 538, 394
H . l 62
81
H.754
105
H . l 96
61
H.755
213
H.203
61
H.756
111
476 H.775 H.788 H.789 H.790 H. 791 H.792 H.793 H.794 H.795 H.796 H.797 H.798 H.799 H.800 H.801 H.802 H.803 H.804 H.805 H.806 H.807 H.808 H.809 H.810
Register Anm. 566 210, 322,403 211,237,401 f. 209,211,410 209, 211,409 f. 209,410 209,412 209, 408 209,411 f. 204, 370-375, 395 Abb. 94, 208,209,391 f. 209-211,414 209, 403 f. 209, 409 209, 393 f. 210 f., 322-324,413 415 414 f. 209,411 105,209,394 f. 209, 389 f. Abb. 94, 205, 208 f., 406 f. Abb. 94, 205, 208 f., 407 205, 397
H.811 H.812 H.813 H.814 H.815 H.816 H.816ter H.822 H.823 H.857 H.864 H.940 H.958 H.968 H.981 H.1002 H.1003-1005 H.1124 H.1125 H.1129bis H.1147 H.1203 H.1333
Abb. 94, 205, 405 f. 61, Abb. 94, 205, 396 Abb. 94, 205, 397 209, 400 209, 400 f. 209, 401 394 398 398 407 408 65 407 407 407 Anm. 578 Anm. 577 217-219,417 416 f. Anm. 165 30 f., 103 Anm. 168 305, 394
Manuskripte Arezzo BCA, MS. 181 Anm. 25, Anm. 48, Anm. 53, Anm. 359, Anm. 704, 425 Augsburg SSBA, 2° Cod. H. 23 (ehem. Halder 526) Anm. 57, 425 Berlin SSB, Ms. Ham. 26
London BLL, BLL, BLL, BLL,
Add. 41068/A Anm. 167 Add. 10100 142-146 Harl. 5271 Anm. 110, 318 f. Ms. Stowe 995 118 f., 339 f.
Los Angeles GRI, n. 850625* Anm. 48 GRI, 87-A781 Anm. 429
Anm. 59, 142-146
Cambridge (MA) Harvard University, Houghton Library, ms. lat. 358 425 Chantilly Museé Condé, ms. 388
119
Den Haag Museum Mermanno Westernianum, I O D I 259 f.
Modena Biblioteca Estense, ms.a L.5.15. (lat. 992)
München BSB, clm 109 278 f., 353 BSB, clm 434 425 BSB, clm 716 Anm. 48, Anm. 59, Anm. 94, Anm. 99, Anm. 359, Anm. 701, 426 Neapel Biblioteca Nazionale Centrale, XVI A 1
Florenz BMLF, Laur. 54, 10 Anm. 86 BMLF, Laur. 90, sup. 28 Anm. 97 BMLF, Plut. 19, 30 Anm. 39 BMLF, Plut. 76, 43 Anm. 876, 352 BMLF, Plut. 77, 24 Anm. 846, Anm. 884 BMLF, Plut. 90, sup. 37 Anm. 359 BMLF, Plut. 91, sup. 43 Anm. 49, Anm. 668, Anm. 706 BMLF, Conv. Soppr. 486 Anm. 651,315, Anm. 838, Anm. 896 BNCF, Conv. Soppr. J. IX. 10 111 BNCF, Magi. XXV. 626 Anm. 57 BNCF, Nuovi Acquisti 227 Anm. 87 Kunsthistorisches Institut (MPI), Bibliothek, Sig. C 1880m Anm. 472 Gotha UFBG, Cart. A 717 364 f. UFBG, A. 1706 und 1763 139 Holkham Hall Ms. 373 40 Leipzig Universitätsbibliothek, cod. 1270
425
300 f.
426
New York Pierpont Morgan Library, Ms. M. 819
293
Oxford Bodleian Library, Ms. Canon. Mise. 378 Padua BSP, ms. 19 59, Anm. 262, 426 BSP, ms. 89 Anm. 898 BSP, ms. 142 Anm. 802 Paris BNF, Ital. 561 Anm. 924 BNF, MS lat. 8458 426 f. BNF, MS lat. 12947 278 BNF, MS fr. 1584 297 BNF, Nouv. Acq. Lat. 472 364 f. BNF, Nouv. Acq. Lat. 637 232 BNF, Nouv. Acq. Lat. 1905 262 Perugia Biblioteca Communale 'Augusta', ms. F 5 427 Ravenna Biblioteca Ciassense, Cod. 287
Anm. 21
149 f.
478
Register Siena
Rom Biblioteca Angelica, cod. 1350
427
Biblioteca Casanatense, cod. 1732 Biblioteca Vallicelliana, ms. I, 22
427
Universitetsbiblioteket, C 687
BAV, Chigi P. VII. 11
Anm. 14
BAV, Ottob. lat. 1153
Anm. 382
BAV, Ottob. lat. 1982
Anm. 498
BAV, Ottob. lat. 2280
Anm. 16, Anm. 176, 284
BAV, Palat. lat. 43
Anm. 89
BAV, Palat. lat. 1594
BAV, U r b . lat. 1193
Anm. 13
Uppsala
R o m / Vatikan
BAV, U r b . lat. 745
Anm. 13
Archivio di Stato, ms. A.34
Anm. 680,
Anm. 905
BAV, Reg. lat. 1991
Archivio di Stato, ms. A.31
Anm. 89 Anm. 161 Anm. 672 Anm. 87, Anm. 788
BAV, Vat. lat. 603
Anm. 16
BAV, Vat. lat. 707
Anm. 16
BAV, Vat. lat. 1670
Anm. 161
BAV, Vat. lat. 1690
Anm. 844
BAV, Vat. lat. 2094
157
BAV, Vat. lat. 2222
266, 280, Anm. 791
428
Venedig B N M V , ms. lat. cl. X I I , 210 = 4689 B N M V , ms. lat. cl. XIV, 112
428
Verona Biblioteca Civica di Verona, cod. 1366 Anm. 94 Biblioteca Civica di Verona, Ms. it. 3039 Anm. 110 Weimar Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Ms. Q 114 Anm. 128, 428
BAV, Vat. lat. 3233
154
BAV, Vat. lat. 3352
Anm. 704, 427 f.
H A B , C o d . Guelf. 43 Aug. 2°
BAV, Vat. lat. 3603
412
H A B , C o d . Guelf. 114.3 Extrav.
BAV, Vat. lat. 3624
Anm. 16
BAV, Vat. lat. 3906
Anm. 338
BAV, Vat. lat. 5620
Anm. 16
BAV, Vat. lat. 8750
Anm. 18
BAV, Vat. lat. 14871
138 f.
Anm. 36,
Anm. 699
Wolfenbüttel
Anm. 161, Anm. 912
138,153 Anm. 57,
Personen Abelard
A n m . 722
A m m a n n a t i Piccolomini, J a c o p o
Abraamson, Abraham
A n m . 461
Accolti, Benedetto di Michele
A n m . 616,
A n m . 625 245
Androklos
Achillini, Giovanni Filoteo
107, 160
A n m . 445, 251
Angelini, B a r t o l o m e o Angelo C a m p a n o
61, 261, 375, 409, 414
Aelian (Claudius)
380 A n m . 403, A n m . 436
A n m . 94
Angeriano, G i r o l a m o A n j o u , René d '
400
A n m . 25
400
Angeloni, Francesco
A n m . 179
A d r i a n o Fiorentino Aeneas
124 f., A n m . 749, 302, 308, 346,
Andreiini da Forlì, Fausto
59, 63, 266
A d d i s o n , Joseph Adonis
Amor / Cupido 347 f., 357
Accolti, Bernardo Achilles
A n m . 17,
A n m . 327, 144, A n m . 524, 271, 310
302, A n m . 847, 367 f.
A n m . 55, 48, A n m . 874
Antico (Pier J a c o p o Alari Bonacolsi)
391 f.
Agli, A n t o n i o degli
A n m . 296, 234, A n m . 625,
A n m . 651, A n m . 820, A n m . 896 Agnellis, L u d o v i c o de Agricola, G e o r g
A n t o n i a n o , Silvio
A n m . 396 154
A n t o n i u s Militianus
141 A n m . 544
Alberti, Francesco d ' A l t o b i a n c o degli A n m . 59, 68,
390
Apelles
A n m . 345, 205, 207, 296, 330, 385
Apollo
64, 69-72, 344, 347 f., 351, 362
Appel, J o s e p h
A n m . 546, 261 Alberti, Leon Battista
A n m . 94
A n t o n i u s von Padua (Hl.)
248
203, 217, 417
A n m . 154, A n m . 248
A n t o n i n u s Pius
A n m . 21
Agrippa (Marcus Vipsanius) Alanus ab Insulis
Antinous
Apuleius
A n m . 448
A n m . 659, 274
A n m . 194, 99, 108, 110, A n m . 268,
Aragona, A l f o n s o II. d '
A n m . 277, 125, 138, 233, 241, 248, 263,
Aragona, A l f o n s o V. [als König von Neapel: I.] d '
265 f., 291, 316-318, A n m . 820, A n m . 846, 357 Albertus M a g n u s
A n m . 313
Albizzi, Albiera degli Alciati, A n d r e a
Aldrovandi, Ulisse
A n m . 516
Alexander ab A l e x a n d r e Alexander d.Gr.
391
A n m . 428, 226, 234, 309, 343, 346
Arianiti, C o n s t a n t i n o
219,417
14, 178, 206, 268, A n m . 715,
A n m . 823, A n m . 874 Aristippus, H e i n r i c h
152
59, 63 f., 66, 73, A n m . 345, 152,
206 f., 226, 240, 266, 296, 330, 334 Alexander de Fabriano
3 f., 91, A n m . 746
Aragona, Giovanni d '
Ariosto, L u d o v i c o
24
Aleotti, Ulisse degli
60, A n m . 225, 105, 222, A n m . 784 Aragona, E l e o n o r a d ' Aretino, Pietro
42
115, 141, A n m . 559
236
A n m . 651, 315, A n m . 838,
Aristogeiton Aristoteles
A n m . 663
261 A n m . 5, A n m . 548, 258 f., 270, 277,
A n m . 718,294, A n m . 846 Armagnac, G e o r g e s d '
A n m . 896 Alexis R o m a n u s (Alessio Stati?)
55 f., 284
A r m a n d , Alfred
Alighieri, Francesco
151
A r n o b i u s d.Ä.
Allotti, H i e r o n y m u s
A n m . 793
Ascensius, Badius
392
Aspertini, A m i c o
107
Assario, Camillo
21
Alkibiades
343, 352, 359
Almadianus Viterbiensis, J o h a n n e s Baptista Altieri, C a n d i d o Altoviti, Bernardo
26-28, 255 A n m . 920
A m a d e o , Giovanni A n t o n i o A m a d i o da Milano A m b r o s i u s (Hl.)
A n m . 253
90 259, A n m . 793
A m e r b a c h , Basilius
108
A t h e n a s. Minerva / Pallas A t h e n a
27
Altieri, M a r c a n t o n i o
A n m . 640
Assassino, G a l e o t t o dall'
A n m . 94, A n m . 132, 57
232
201
A n m . 227, A n m . 326
Atri, J a c o p o d '
A n m . 271, 246, A n m . 589
Augurelli, Giovanni Aurelio Augustin, A n t o n i o A u g u s t i n u s (Hl.) Augustus 395
A n m . 265, A n m . 289
165,169,172 270, 280, 298
63, 93 f., A n m . 373, 155, 156, 159, 248,
480
Register
Aulus Gellius 274,279, 393,400 Ausonius Anm. 179 Aversa, Giovanni Aloisio di 42 Avogaro, Marco dell' 155 Azzolini, Isidoro Ugurgieri Anm. 13 Babélon, Ernest 202 Badile, Giovanni Anm. 518 Bagarris, Pierre Antoine Rascas de 171 f. Baiardo, Andrea Anm. 590 Balbi, Girolamo Anm. 36, 284 Bandello, Matteo 285 Bandini, Francesco 43 Barbaro, Ermolao 138 Barbaro, Francesco 41, Anm. 847 Barbato di Sulmona Anm. 108 Bargagli, Girolamo 256 Bartholomaeus Aristophilus Anm. 94 Bartolo da Sassoferrato Anm. 304 Bassano, Alessandro da 165, Anm. 839 Baumgarten, Martin von Anm. 336 Beazzano, Agostino 325 Beccadelli Panormita, Antonio Anm. 56, Anm. 318, 274 f., Anm. 861 Becchi, Gentile de' Anm. 783 Bechorius, Petrus 394 Belferdino (bzw. Beltrame Belfradelli), Varrone d'Agniolo 30 f., 103 Belfradelli s. Belferdino Bellerophon 64 Belli, Valerio 168, Anm. 437 Bellini, Gentile 242 f. Bellini, Giovanni 304, Anm. 789, 330 f., Anm. 907 Bellini, Jacopo 67, 154 f., Anm. 516, 372 Belliniano, Vittore 326, 330 f. Bellori, Giovan Pietro Anm. 403 Bembo, Bernardo 65, 112, Anm. 289 Bembo, Pietro Anm. 148, 65, 120, 122 f., Anm. 312, Anm. 313, Anm. 326, 235 f., Anm. 712, Anm. 715, Anm. 728, Anm. 729, Anm. 744, 303 f., 325, Anm. 830, 335 f., Anm. 847 Benavides, Marco Mantova Anm. 199, 133 f., Anm. 839 Bendidio, Marcantonio Anm. 714 Benedetti, Alessandro Anm. 769 Benedusio, Bernardo Anm. 518 Benigno, Giorgio 278 Benivieni, Girolamo 46 Benoîte de Sainte-Maure Anm. 723 Bentivoglio, Giovanni II. 237
Berardino von Siena 267 Berger, Lorenz 192 Bernardi da Castel-Bolognese, Giovanni 223 f. Berni, Francesco Anm. 428, 206 Bertoldo di Giovanni Anm. 569, 350 Besozzo, Michelino da 88 Bessarion, Kardinal Anm. 6, 56, Anm. 647, 277-279, Anm. 871,353 Betti, Giovanni Anm. 956 Bie, Jacques de 186 Biffoli, Benedetto 124 Bigio, Marco 179 Biondo, Flavio 138, 152, 153, 171, 224 Bizot, Pierre Anm. 435 Boccabella, Paolo Emilio Anm. 7, Anm. 16, 46, 56, 63, 69 f., 71, 72 f., 207, 212, 284, Anm. 928, 405, 412 Boccaccio, Giovanni Anm. 659 Bocchi, Achille 386 Bode, Wilhelm von 201, 204 Boetius de Broodt, Anselm Anm. 429 Boissard, Jean Jacques Anm. 64 Boldù, Giovanni 72 Bologni, Girolamo 59, Anm. 262, 372, 426 Bolzenthal, Heinrich 199 f. Bonanni, Filippo 187,192 Boncompagno da Siena Anm. 614 Bonifaz Vili. (Benedetto Caetani) 9 Bonis, Hermes Flavius de (alias Lysippus der Jüngere) 13, 54 f., 107 f.; Anm. 381, 199, 202, 203-219, 322-324, 370-375, 395 Borghesi, Bartolomeo 195 Borgia, Lucrezia Anm. 206, 120 Borromeo, Federico Anm. 312 Bossi, Matteo Anm. 277, Anm. 783 Boswell, John 15 Botticelli, Sandro 34 f., Anm. 831 Boulton, Jonathan Dacre d 'Arcy 115 Bourbon, Ludwig von Anm. 268 Braccesi, Alessandro Anm. 827 Bracci, Checcino 378 Bracciolini, Poggio Anm. 668, Anm. 704, Anm. 783 Brandolini, Lippo Anm. 94, Anm. 131, 390, 395 Bregno, Andrea 6, 26, 205 Bregno, Marc Antonio 26 Brenta, Andrea Anm. 248 Browne, Alexander Anm. 941 Bruni, Leonardo Anm. 381, 273 f., Anm. 876, 352 Bry, Theodor de 232
Personen Budé, Guillaume
Cassiodor
140 f.
Bullioud, Marguerite Burckhardt, J a c o b
118 f., 3 3 9 f.
Anm. 416
Castiglionchio, Lapo da
129,221,226,230
Burgkmair, Hans
481
A n m . 110, A n m . 587
Castiglione, Baidassare
A n m . 2 5 0 , 126, 2 5 6 , 2 6 1 ,
2 7 6 , 305
139
Busleiden, H i e r o n y m u s
A n m . 258
Castracani degli Antelminelli, Guarnerio
Bussi, Giovanni Andrea
A n m . 190, A n m . 194,
Catull
Cavalieri, Giovanni Battista de'
Anm. 811,392 Butades
Cavalieri, T o m m a s o de'
38
Cavallaro, Anna Eustochius ( C . Laurentius) Cacciante, Bernardino
A n m . 94
A n m . 148, A n m . 275,
215
Cavalli, Gianmaria
A n m . 2 5 0 , 219, 417
Cavino, Giovanni
96, A n m . 399, 168, 183,
209,410
Ceccuti gen. Il Coppetta, Francesco
Calcagni, Tiberio
Anm. 930
Celadenus, Alexius
Calcagnini, C e l i o
Anm. 320
Cellini, B e n v e n u t o
A n m . 7, 28 f., 42, 47,
A n m . 127, 56, 2 7 8 , 284, 4 0 2 , 405, 413
Céneau, R o b e r t
A n m . 2 0 8 , 107, 383
141
Cennini, C e n n i n o
A n m . 208
A n m . 6 1 5 , A n m . 623
Cervignano, C r i s t o f o r o di
Calepino, A m b r o g i o
A n m . 812, 3 5 9
Cesaresco, F o r t u n a t o Martinengo
A n m . 3 6 8 , A n m . 382, 232
Calixt III. ( A l f o n s o Borgia) Callimacho Esperiente Calmeta, Vincenzio
Cesi, Pier D o n a t o
212
A n m . 117
Camerarius, J o a c h i m
141
Campagnola, G i u l i o
160 f.
Campano, Giannantonio
A n m . 16, 26, 46,
75
Chartier, Alain
48
Chiara da Montefalco Chimaira
294
64
C h o u l , Guillaume de
108,202,398
Chronos
A n m . 329, A n m . 4 8 5
Cantelma, Margherita
A n m . 305
Chrysoloras, Manuel Cicero
Anm. 294, 290
Capodiferro, D o m e n i c o Maddaleni
165
178 41, A n m . 793
Chyriacus Florentinus
A n m . 393
Capellanus, Andreas
58
40, A n m . 89, 47, 71, 154, 259, A n m . 630,
266, A n m . 768, 314 f., 318 f., 322, 327 f., A n m . 161
A n m . 46
A n m . 905, 393 Cicognara, L e o p o l d o
199
Capranica, Giovanni Battista s. Pantagathus, Flavius
Cillenio da Peschiera, Bernardino
Caradosso, Cristofano
Cillenio, Giovanni Testa
Carafa, Oliviero
215
A n m . 262
Caravaggio, Michelangelo da C a r b o n e , Ludovico
Cincius R o m a n u s 272
A n m . 2 9 9 , 159, A n m . 590,
284
57
A n m . 300, 393
A n m . 793
Cinuzzi, Alessandro
4 f., 7 - 1 3 , 45, 4 8 - 7 4 , 2 0 3 f.,
267, 282, 370-375, 399 Cinuzzi, Andreoccio di G h e r a r d o
Caretino, C a r l o
A n m . 784
C a r o , Annibale
A n m . 172, A n m . 396, A n m . 405
Carolus Bernardus Caesenas C a r o t o , Gianfrancesco Carrara, Francesco I. Carrara, Francesco II. Casali, Catelano de' Casciotti, B a r t o l o m e o Casio, G i r o l a m o
A n m . 381
188
Cholières, Nicolas, Signeur de 151 f. 298
Candida, Giovanni
Capponi, Luigi
186
Chapelain, J . C .
Chevalier, Nicolas
300, 310 Campbell, L o m e
Capell, Rudolf
34
C h e r i c o , Francesco d ' A n t o n i o del
A n m . 148, A n m . 4 9 0 , 271, A n m . 672, A n m . 707,
Canesi, Michele
416
185
C h a c o n , Alfonso
46, 2 6 5 , 284
276
56
Calderoni, Anselmo Caligula
20
295, 378-383
A n m . 838
A n m . 521, A n m . 629 Calagrani de Ceva, G e r o l a m o
Calderini, D o m i z i o
A n m . 45
2 7 5 f., 279, 300, A n m . 812, 413
Ciriaco d ' A n c o n a A n m . 94
313 85 f., 134 85 f., 91, 134, A n m . 381
209, 4 1 0 A n m . 92
163, A n m . 767
A n m . 13
A n m . 2 2 5 , 141, 152, 2 3 2 ,
A n m . 784 Clapis, Pietro A n t o n i o de Claudius
209,412
103, A n m . 382
Clemens V I I . (Giulio de' Medici) Clemens von Alexandrien Cleofilo, O t t a v i o
A n m . 17
Collenucci, Pandolfo C o l o c c i , Angelo
267
Anm. 640
337
139, A n m . 868
482
Register
Colonna, Francesco 23, 66 f. Colonna, Lorenzo 19 f. Colonna, Vittoria 386 Commynes, Philippe de Anm. 308, Anm. 561 Condivi, Ascanio 384 Contarini, Andrea 278 Conti (de Comitibus Fulginas), Sigismondo de' Anm. 94, 58, Anm. 197 Contile, Luca Anm. 280 Conversini da Ravenna, Giovanni 39 Corbizzeschi, Michele Anm. 652, Anm. 729 Corio, Bernardino Anm. 4, Anm. 7, Anm. 8, Anm. 769 Cortesi, Paolo Anm. 102, Anm. 148 Cortesi, Alessandro 285 Cosmico, Niccolò Lelio 58, 65, 284 Cornigli Raguseo, Benedetto Anm. 280 Cotton, Robert Anm. 394 Cranach d.A., Lucas 239 Crinito, Pietro 66, Anm. 359, Anm. 488, Anm. 813, Anm. 946 Cristoforo di Piacenza 26 Da Porto, Luigi Anm. 611,417 Dalberg, Johannes III. 139 Damon 266 Daniele da Volterra Anm. 934, 385 f. Dante Alighieri 14, Anm. 293, 233, 294, Anm. 821, 358, 387 f. Dantiscus, Johannes 321 Darwin, Charles 201 Dati, Giuliano Anm. 64 Datini, Francesco di Marco Anm. 268 Davanzati, Mariotto d'Arrigo Anm. 615, Anm. 651 Davis, Natalie Zemon 256 Decembrio, Angelo Anm. 57, 32 f., Anm. 225, Anm. 516 Decembrio, Pier Candido 149 Delaroche, Paul 199 Demokrit Anm. 905 Desiderio da Settignano 355 f. Diana 114 Diogenes Laertios Anm. 59, 270, 273, Anm. 844 Diogenes Anm. 59 Diokletian Anm. 364 Dolce, Ludovico Anm. 714 Dolfo, Floriano Anm. 308 Domenichi, Lodovico Anm. 281, 183, 402 Domenico da Prato Anm. 92, Anm. 729 Domenico di Piero 133
Domitianus 150 Donatello 104,349-364 Donato, Piero 149 Dondi dall'Orologio, Giovanni 316 Doni, Anton Francesco Anm. 138, Anm. 383, 175-179, 233, Anm. 553 Dosio, Giovannantonio Anm. 64 Du Molinet, Claude 187, 192 Dubos, Jean-Baptiste 196 Duc de Berry (Jean de Valois) 93-96 Dürer d.Ä., Albrecht Anm. 336 Dürer, Albrecht 347 D y c k , Antonis van 324 Eberhard von Cersne Anm. 716 Eckhel, Joseph H. 195, Anm. 464 Edo, Pietro A n m . 169, Anm. 277, Anm. 719, Anm. 727 Edward III. Anm. 307 Egnatius, Giovanni Battista Anm. 342 Embriachi (Werkstatt) 348 f. Encina, Juan del Anm. 116 Equicola, Mario 113, 122, 126, Anm. 576, Anm. 587 Erasmus, Desiderius Anm. 342, Anm. 487, Anm. 542, 250 f., Anm. 651, Anm. 688, Anm. 782, 320 f., 386, 393 Erizzo, Sebastiano 165, 169, Anm. 601 Este, Alfonso d' 61, Anm. 590 Este, Alfonso II. d' Anm. 401 Este, Beatrice d' Anm. 558 Este, Borso d' 90, 108, 155, 171, Anm. 562 Este, Ercole I. d' 3 , 9 1 , 1 1 1 , 1 2 7 , 224, Anm. 746 Este, Ippolito d' 113, 122 f. Este, Isabella d' 26, Anm. 93, 44, Anm. 271, 122, 127, 133, 164, Anm. 516, 224, 236, 237, 245, 250, Anm. 600, 296, 301 f., 305, Anm. 821 Este, Leonello d' 32, 90, A n m . 516, 224, Anm. 590, Anm. 783, 327, Anm. 898 Este, Niccolò III. d' 40, 90 Eugen IV. (Gabriele Condulmaro) 100, 226, Anm. 587, Anm. 832 Eusebius Anm. 227 Eu ty ches 152 Evans, John Anm. 469 Evelyn, John Anm. 407 Eyck, Jan van 298 Fabricius, Joseph A. Anm. 424 Fabriczy, Cornelius von 12, 202, 204 Faella, Giacomo Filippo 245
Personen Faliero, Marin
131
Farnese, Alessandro Fasanini, Filippo
135
120
F u n c k , Engelhard
A n m . 99
Furini, Francesco
A n m . 427
Fusco, B a r t o l o m e o
Fazini, Lucido F o s f o r o Feliciano, Felice
483
A n m . 110, A n m . 160, A n m . 209,
Gaddi, Caterina
A n m . 92
A n m . 2 4 8 , A n m . 2 5 0 , A n m . 2 7 4 , 318 f.,
Gaetani, Pietro A.
A n m . 896
Galba
Fendt, Tobias
A n m . 57 261, 278
299
Galton, Francis
201
Fernando de C o r d o b a
A n m . 680, A n m . 905
Gambara, Vasino
Ferrante I. von Neapel
Anm. 415, 390
Ganymed
Ferrarino, Michele Fabrizio
A n m . 366
58, 116, A n m . 623, A n m . 632,
2 7 6 f., 2 7 9 , A n m . 718, 300, 3 5 1 - 3 6 4 , 4 0 9 Filarete, A n t o n i o Averlino gen.
30, 60, 1 0 1 - 1 0 3 ,
110, A n m . 3 1 1 , 2 5 5 , 324, A n m . 851, A n m . 9 1 0 Filelfo, Francesco
39, 50, A n m . 521, A n m . 6 3 5 ,
A n m . 704 A n m . 4 0 f., 76, 2 1 1 , 2 1 3 , 2 3 7 ,
Garzoni, Tomaso
Anm. 400
Gaspare da Verona
401
Gaspare R o m a n o (da Padova)
Fladt, P.W.L.
97
Flaminius, Antonius
G a t t o , Giovanni
277
Gaza, T h e o d o r a
Anm. 262 327
F o l q u e t de Marseilles
Forrer, Leonardo Fortini, Pietro
A n m . 724
82 2 0 9 , 411 f. Anm. 280,
A n m . 920
202
Gherardi da Volterra, J a c o p o
A n m . 711
A n m . 94, A n m . 132,
Anm. 497, 3 9 1 , 3 9 3
176
Ghiberti, L o r e n z o 131
Foucault, Michel
192
Gesualdi dei C o n t i , Malitia Gherardi da Prato, Giovanni
138, 153
Forzetta, Oliviero
105, 107 f., 111, A n m . 381,
Gessner, Jean-Jacques
A n m . 342
Fonzio, Bartolomeo
249
402, 4 0 8 Gesner, K o n r a d
Fontaine, Charles
108
277
A n m . 4 3 1 , 2 0 8 , 2 1 1 , 2 1 2 , 2 1 3 f., 215 f., 2 4 7 , 390,
367
F o l c o da Villafora
96, 104, A n m . 298
Ghirlandaio, D o m e n i c o
A n m . 53, 38, 155
15
Ghislieri, Bonaparte
A n m . 271
F o u q u e t , Jean
A n m . 832
G i a c o m o da Lentini
292
Fra G i o c o n d o
Anm. 346
Giehlow, Kurt
Francia, Francesco
A n m . 61, A n m . 533 209, 2 1 3 , 408
Gillis, Peter
Franco, N i c c o l ò ( 16. J h . )
343
Giorgione
A n m . 76, 134, 174, 306, 383
Franziskus (Hl.)
293, 390
Fregoso, A n t o n i o Fileremo
115
Gilio, G i a c o m o dal
Franco, N i c c o l ò (15. J h . ) Franzi.
Giotto
333, A n m . 868, 365 f., 3 6 9
A n m . 312
G i o v i o , Paolo 416
2 2 6 f.
320
113, 115, A n m . 2 8 4 , A n m . 4 2 9 ,
A n m . 553, A n m . 704
Fregoso, Battista
A n m . 9, A n m . 21
Giraldi C i n z i o , Giambattista
Fridolin, Steffan
139
Giraldi, Lilio G r e g o r i o
Friedländer, Julius Friedrich II.
201,204
Giustiniani, L e o n a r d o
79, 2 3 0 , 292
Friedrich III. Froissard, J e a n
Glareanus, Henricus
401 f.
A n m . 635, A n m . 914 141
Goldthwaite, Richard 165
A n m . 520
A n m . 375
G o e t h e , J o h a n n Wolfgang von
125
Fugger, Hans J a k o b
Anm. 211,
A n m . 213
Geremia, C r i s t o f o r o di
A n m . 458
A n m . 377, 156
Gatari, Galeazzo und B a r t o l o m e o
Gennep, Arnold van
2 8 0 , 393, 397, 401 f. Fillon, Benjamin
Fortuna
44
A n m . 135, 70 f., 3 4 6 f., 3 8 0
Gauricus, Pomponius
Filetico, Martino
Florus
188
92, 2 3 2 , A n m . 748
Galli, Angelo
Ferdinando II. von Neapel
Ficino, Marsilio
A n m . 825
A n m . 103, A n m . 811
198
255
Goltz, Hubert
165,187
Fulgosus s. Fregoso
G o n d i , Simone
43
Fulvio, Andrea
G o n z a g a di B o z z o l o , Gianfrancesco
160 f., A n m . 868
F u n c k (?), Bernardin Salomon
44
Gonzaga, Camilla
A n m . 767
A n m . 318
484
Register
Gonzaga, Federico II.
Horaz
A n m . 155
Gonzaga, Francesco (Kardinal)
55, 58, 59, 106,
H u t t i c h , Johannes
131, 156, 2 0 3 , 2 1 0 , 2 1 1 f. Gonzaga, Gianfrancesco II.
Ianus
Gonzaga, Ludovico II.
A n m . 545, 263 163, A n m . 398
61, 111, A n m . 308,
237 Gonzaga, Gianfrancesco I.
69, 78, A n m . 500, 270, 401
H u g o von St. V i k t o r
89, 97
161
Ianus Pannonius s. Janus Pannonius
25, 89, 97, A n m . 415, 222,
246
Infessura, Stefano
A n m . 9, 9, 394
I n n o z e n z V I I I . (Giovanni Battista C i b o )
Gonzaga, L u d o v i c o (Bischof)
203, 212
Anm. 131,404
273
Iohannes Ferrariensis
Gonzáles-Casanova, R o b e r t o ] . G o o r l e (Gorlaeus), A b r a h a m van
Anm. 229,
Isabella d'Aragona
58
A n m . 589
Isabella von Portugal
A n m . 325 G o s s e n b r o t , Sigimund Gracchus, Gaius
A n m . 518
Grolier, Jean
A n m . 863
Iustinianus Iuvenal
Anm. 326
Groebner, Valentin
298
A n m . 275, 263
Iudicibus, Giovanni Battista de
45
Grazzini, A n t o n Francesco Grimani, Marino
Isidor von Sevilla
405
256
135, A n m . 6 3 5
Gröning, Johann
Janus Pannonius
191,195
Jardine, Lisa
327
255
Gualandi, Giovan Bernardo
A n m . 342
J o b e r t , P. Louis
Guarini da Verona, G u a r i n o
41, 125, A n m . 521,
J o h a n n e s von Salisbury
A n m . 648, 274, A n m . 793, A n m . 802, 3 5 9 Guastis, Ludovicus de Guazzalotti, Andrea
A n m . 225, A n m . 621 103 f., A n m . 2 5 0 , 1 0 8 , 208,
212, 228, 2 3 6 f., 244, 402, 408 Guazzelli, Pietro D e m e t r i o Guibert von N o g e n t
54 f., 209
Jones, Marc
193
Julius Caesar
60, 93 f., 139, 152, 155, 165, 181,
226, 341 Julius Firmicus Maternus Jupiter
297
Käsenbrot, Augustin
202,417
Karl IV.
A n m . 154, 232
Harmodios
Karl V.
261 361
152,232
Haskeil, Francis
297
Karl V I I I .
Hasenbeyn, Johannes
A n m . 57
167
8 3 , 1 0 8 , 306
Katharina von Kleve Kennedy, Clarence
Hauschild, J o h a n n Friedrich
197
336
108, 3 9 6
A n m . 76, 108, 174, 181
Karl V I .
Hartt, Frederick
Anm. 377 361
Kentmann, Johannes
82
Heinrich IV.
171 f.
K l o t z , Christian A d o l p h
Heiss, Alois
201
Köhler, J o h a n n David
Heloise
A n m . 722
Heraklit
Krafft, Ulrich
61 393 f.
L a Boétie, Étienne de
Hill, G e o r g e Francis
Homer
278 202, 203 f., 209, 219, 373, 375
A n m . 135
Holcot, Robert
268
59,115,402
Hopfer, Daniel Horapollo
A n m . 846
215
Hilarión von Verona Hippolytos
93-95
239
Kues, Nikolaus von
Herodes Agrippa
196 190, 192
161
Konstantin d.Gr.
93-95
Herkules Hesiod
Konrad III.
A n m . 905
Heraklius
Anm. 640
70 f., 154, 346, A n m . 936
Karl der Kühne Hadrian
A n m . 838
254
282
Guillaume de Machaut Habich, Georg
A n m . 16
139
139
113,116,120,329
L a Bruyère, Jean de
A n m . 657 194
L a Perrière, Guillaume de Labbé, Philippe
233 f., A n m . 914
163
Laetus, Julius P o m p o n i u s
6, 23, A n m . 58, 28,
4 4 - 4 6 , 52, 56, 57, A n m . 148, 72, 77, 138, 146, 1 5 3 - 1 5 5 , 205 f., 210, 264, 266, 2 7 9 - 2 8 4 , 310, 393,413
Personen Lalaing, Jacques de Lamy, Perronet
A n m . 301 353, 391 f., 4 0 6
Lanfredini, Giovanni
43 f., 53, 54
Lascaris, Giorgio
29,214
L a u r o Padovano
A n m . 377
Lazius, Wolfgang
165,172
Lazzarelli, Ludovico
209
A n m . 94, A n m . 813
Maffei, T i m o t e o (s. auch Timotheus Luccensis) 515
L e Pois, Antoine
A n m . 390, 165
Magistris, Marianus de Maius, Junius
346 A n m . 2 7 6 , A n m . 313
Malatesta, D o m e n i c o
Leonardo da Vinci
A n m . 590, 291, 3 2 8 f., 332 f.
Malatesta, Luigi
306
A n m . 428, 383
Leuckfeld, J o h a n n G .
A n m . 438
Malatesta, Sigismondo Malvezzi, Camilla
31
Malvito, T o m m a s o
Licinio, Bernardo
369
Mancini, G i u l i o
165, A n m . 4 3 7 192
Lindener, Michael
A n m . 711
Lippi, Filippino Lippi, Filippo
Manenti, G i r o l a m o
A n m . 13
Manetti, G i a n n o z z o Manili, L o r e n z o
39, 41, A n m . 844, A n m . 946
412 A n m . 94
Mansionario, Giovanni
35
Lippincott, Kristin Livius
306 167
Manilius Rallus
331 f. 115 257
L o d o v i c o da F o l i g n o
A n m . 767
Manuzio, Paolo
129 f.
66, 332
Marabella, Vincenzo
Lomia, Francesco
Anm. 439
Marasca, B a r t o l o m e o
Anm. 2 4
L o o n , Gerard van
A n m . 435
Anm. 439 210
Marasca, Gianfrancesco Marasca, Giuliano
286
Marc Aurei
Lorris, Guillaume
A n m . 546, 2 9 6
Marcanova, Giovanni
A n m . 89
Lotto, Lorenzo
A n m . 847
Lucidus Phosphorus Luck, Johann Jacob
Marcello, Valerio
41 f.
41 f., 50, 53, 54 390, 3 9 7
Marconville, Jean de
A n m . 25
A n m . 2 6 9 , Anm. 703
Marescotti, A n t o n i o
31 f., A n m . 746
181 f.
A n m . 310, 188, 190, 194
Luhmann, Niklas
A n m . 318, A n m . 783
Marcello, J a c o p o A n t o n i o
58, 77
108,128
Ludwig X I V .
60, 208
Marchese, Francesco Elio
A n m . 192
Lucidus Aristophilus
Ludwig X I .
209,414
210,322,403
Loredan, A n t o n i o Loschi, A n t o n i o
126 f.
Marescotti, Galeazzo
31 f., A n m . 766
Marescotti, L o d o v i c o
276
Maria von Kleve
48
Mariano da G e n n a z z a n o
Luna, Fabricio
120
M a n n e l l o , Alessio
Luther, Martin
188, A n m . 643
Markus ( H l . )
43
56
A n m . 539
Lysippus der Jüngere s. Bonis, H e r m e s Flavius de
Marrasio, Giovanni
Lysippus
Marso, Paolo
A n m . 139, 152
Marso, Pietro
56 f., 72, 212
2 0 4 , 2 0 6 f., 224
Macchiavelli, N i c c o l ò
A n m . 116,
Anm. 250
Lombardi, Pietro Lonati, Bernardino
147
154 f., 2 0 5 , A n m . 745, 3 2 6 f.,
Mantuano, Giovanni Battista 222
L o m b a r d i , Alfonso
Mantegna, Andrea 347
313,404,412
Lochner, J o h a n n
Lucan
A n m . 381, 2 2 5 , A n m . 580,
A n m . 766, A n m . 905
75
Lilienthal, Michael
A n m . 381
123
Lichtwark, Alfred Ligorio, Pirro
A n m . 844
Anm. 5
Leonardi, Camillo
Leoni, Leone
A n m . 5, A n m . 102,
69, 105, 107 f., A n m . 338, 213, 233, A n m . 617, A n m . 687, A n m . 704, A n m . 706, 353, 391 f., 402,
A n m . 58
Leone Nolano, Ambrogio
A n m . 381
A n m . 192, 2 0 8 ,
414
Lais von K o r i n t h Leda
192
Maestro del Senofonte Hamilton
Maffei Volterrano, Raffaele
205
Laurana, Francesco
274, 279, A n m . 900, 393
Maffei Volterrano, A g o s t i n o
43 f.
Lanfredini, O r s i n o
Macrobius
Madai, David Samuel
149 f.
Landino, C r i s t o f o r o
485
A n m . 10, 268
Martelli, N i c c o l ò
A n m . 105, 2 7 4 , A n m . 713
A n m . 809
486 Martial
Register 38, 53, 207, 275 f., 279, 323
Martin V. (Oddo Colonna) Martinelli, Fioravante Martini, Simone Marullus
Anm. 234, 113
Mommsen, Theodor
195
Montagna, Leonardo
Anm. 39, Anm. 125, 314
Montaigne, Michel de
Anm. 437
Anm. 629, Anm. 815
Montefeltre, Federico da
298, 374
Anm. 166
41, Anm. 307, 237,
Anm. 788, 331
Marzio da Narni, Galeotto
327
Montefeltre, Guido da
Massimi d'Ascoli, Pacifico
276
Montefeltro, Oddantonio da
Massimi, Francesco de' Massys, Quinten
209, 403 f.
Anm. 327
Masuccio Salernitano Matteo da Milano Mauss, Marcel Maximilian I.
118
Morlini, Girolamo
Anm. 659
Moses
202 Anm. 53, Anm. 64, Anm. 127,
Anm. 161, Anm. 352, 152, 162 Mazziere, Angolo / Donnino del Medici, Alessandro de' Medici, Cosimo de'
34
Morus, Thomas
108,139
Anm. 591
663, 275, 279, Anm. 783 Medici, Cosimo I. de'
Anm. 559, 320
116
Müntz, Eugène
136
Murus, Didacus Muti, Orazio
Anm. 116 377
Nardini, Famiano Narziß
134 f., 171, Anm. 433, 351,
383
Anm. 930
347
Navagero, Andrea
325
Neander, Michael
Medici, Giovanni
Nemesianus
132
Neptun
40
141
Anm. 916
405
Medici, Giuliano de'
112, Anm. 289, Anm. 290
Nero
Medici, Lorenzo de'
Anm. 36, 41, Anm. 109,
Nesi, Giovanni
60,150,159,232,341 Anm. 846, 353
Anm. 125, 58, Anm. 265, 125, Anm. 297, 133,
Niccoli, Niccolò
Anm. 346, Anm. 428, 222, Anm. 569, 247, 279,
Niccolò da Correggio
285, Anm. 727, 2 9 5 , 3 5 1 , 3 7 1 Medici, Piero de' Medusa
41,129-131,351
64
Mehmet II.
141,356 111, Anm. 305, Anm. 572,
Anm. 712, Anm. 729, Anm. 751, Anm. 821 Niccolò da Ferrara
152
Niccolò da Modrussa Anm. 168, 242 f., Anm. 580
Melanchthon, Philipp Melioli, Bartolomeo Melozzo da Forlì
48, Anm. 345 Anm. 155 188
Anm. 546, 296
Meyer, Heinrich
198
Michael Apostolos
Michelangelo Buonarroti
384
16, 272, 295, 349,
377-388
Nikolaus V. (Tommaso Parentucelli) Noceto, Giovanni Ambrogio
104, 212
Anm. 768
Anm. 146
Nogarola, Leonardo
42
Notari, Beatrice de'
306
Noxetus, Franciscus
58
Occo, Adolf
Anm. 180, Anm. 289,
354 f. 269
Anm. 521
Orpheus
Orsini, Clarice Orsini, Cosimo
Moehsen, J.C.W.
Orsini, Fulvio
292
111, Anm. 537
347
Mocenni, Tommaso Anm. 13 197
260
266
Orfini, Emiliano di Pier Matteo
Mirabelli, Domencio Nanni Mirandula, Octavianus
Anm. 438
346
Oresme, Nicolas Orestes
152, 213, 406 f.
165
Olearius, Johann Ch. Olympos
Minerva / Pallas Athena
Moleta, Vincenzo
7 65, 247
393
Michelangelo Buonarroti d.J.
Mino da Fiesole
Niccolò Fiorentino
Noceto, Pietro da
395
Menestrier, Claude-François Meung, Jean de
319
209, 409
203, 230, 302 f.
35, 40 f., Anm. 381, Anm.
Medici, Francesco I.
16-18, 39
Moretto da Brescia
Morosini, Alfonso
Anm. 27, 251
Mazochi, Jacopo
276
Anm. 930
Moroni, Giovanni Battista
Anm. 271
Mazerolle, Fernand
Montfaucon, Bernard de
Morelli, Giovanni di Pagolo
319 f.
Mastro, Paolo dello
61
Anm. 36 58 151 f., 165, Anm. 401
Orsini, Giovanni Battista
209, 393 f.
487
Personen Orsini, Giovanni Ovid
Perini, G h e r a r d o
149
A n m . 177, A n m . 178, A n m . 521, A n m . 550,
270, A n m . 719, A n m . 793, A n m . 810, A n m . 867,
Persius P. Franciscus Amerinus Pacioli, Luca Pajas, Pitas
A n m . 94
118,250
A n m . 193, 392
Petau, Paul
A n m . 419
Petrarca, Francesco
110
150, 152, A n m . 488, 232, 234, 264, 271, 294, 298,
416
Palaiologos, Johannes V I I I . Palazzi, Giovanni
99 f., A n m . 381
315 f., A n m . 810, 358, 3 7 0 - 3 7 2 , A n m . 936, 402, 416
Anm. 440
Palemón, Quintus Rhemnis
A n m . 336
Petrecino
A n m . 562
Pallas Athena s. Minerva
Petruccioli, C o l a
Palmieri, Matteo
Petrus (Hi.)
108
Palmieri, N i c c o l ò
162
176,346
Pandolfini, Pierfilippo
A n m . 126
Panel, P. Alexandre-Xavier
380
Phidias
A n m . 846, 378 174
Philippus I.
Pantagathus, Flavius (Giovanni Battista Capranica)
Phintias
Panvinio, O n o f r i o Paradin, Claude Parmigianino
292 181, A n m . 834
252 f. 113 f. 344 f.
211
Parthenius Paulinus, Minutius
A n m . 161, 70 f.,
Patetta, Federico Patin, Charles
81, 214, A n m . 580 115, 202
266
Pisanello
60, A n m . 219, 9 7 - 1 0 0 , 106, 107, 125,
147, 154 f., A n m . 381, A n m . 440, A n m . 458, 299, A n m . 814, 402 Pisano, L o r e n z o
A n m . 5, A n m . 80, A n m . 261,
266
Platina, B a r t o l o m e o
A n m . 897, 392, 395
A n m . 24, 26, 44 f., 71,
67, 123, 125, 259, 266, 271, 2 7 3 - 2 8 0 ,
A n m . 718, 338, 3 5 0 - 3 6 4 , 408 Plethon, Georgios G e m i s t o s Plinius
248,281,362
Pegasus
Plinius-Meister A n m . 746
A n m . 92 193
Plutarch
A n m . 377
A n m . 148, A n m . 248, A n m . 275, 148,
234, 258, A n m . 868, 358 Poggio, F e b o di
64-66
378
P o l d o d'Albénas, Jean
Peiresc, Nicolas Fabri de Pellegrino, Fulvio
277
93, A n m . 329, 207, A n m . 561, A n m . 621,
A n m . 670, A n m . 812, 330, 346, A n m . 953 A n m . 57
Pavoni, Vittore und Taddea Peacham, H e n r y
A n m . 312,
29, 42, A n m . 94, A n m . 102,
159, 167, 208, 210, A n m . 521, 225, 228, 241 f.,
Pazzi, Ippolita de'
26, A n m . 87,
A n m . 126, 55, 205, 265, 278, A n m . 686, 282, 285,
A n m . 225, 96, 104, 105, 136 f., 144, 151, 157,
Paulus D i a c o n u s
A n m . 469
110 f., 144, 2 0 8 , 2 1 1 , 4 0 2
Platon
Paul II. (Pietro B a r b o )
2 7 8 f., 353
185
A n m . 488, A n m . 905, A n m . 953 Patroklos
141, A n m . 487, A n m . 807
Pirithous
Pius IV. (Giovanni Angelo Medici)
203 f.
A n m . 418, 193
Patrizi, Francesco
Pirckheimer, Willibald
Pius II. (Enea Silvio Piccolomini)
A n m . 439
Pastoureau, Michel
58
Pitt-Rivers, Augustus L a n e - F o x
210 f., 3 2 2 - 3 2 4 , 4 1 3 Pasti, Matteo de'
46, 247, A n m . 667
Pindarus T h e u t o n i c u s
A n m . 460, 214, 222, A n m . 526, 237, A n m . 590,
2 1 0 f., 413
Partenio da Verona, A n t o n i o
Paruta, Filippo
A n m . 934
Pico della Mirandola, Giovanni
Partenio da Brescia (Parthenius Benacensis), B a r t o lomeo
300
266
Piatesi, O r a z i o
Anm. 2 1 , 5 6 , 2 8 5
139
Phaeton Philipp II.
192
139
Pfeffinger, Degenhardt
Panormita s. Beccadelli Panormita
Panuccio del Bagno
A n m . 484
215,233
Peutinger, Conrad
244
Palumba, Giovanni Battista
Parenti, M a r c o
A n m . 39, 32, A n m . 105, 47,
110, 120, A n m . 288, A n m . 293, A n m . 312, 131,
287
Palaeologa, Margherita
Pan
A n m . 18, A n m . 130, 138, 276,
278, A n m . 812, 359 Perréal, Jean
367,413
378
Perotti, N i c c o l ò
A n m . 394
A n m . 714
Polenton, Sicco Poliziana, Maria
280 247
A n m . 154
488
Register
Poliziano, Angelo
Anni. 36, 29, 48, A n m . 125,
A n m . 131, A n m . 2 6 9 , 138, 145, 153, 163, 2 2 7 , 2 4 7 , A n m . 672, 283, A n m . 784, A n m . 793, 392 Poliamolo, A n t o n i o Polyklet
215
Pomponius
A n m . 601
363 f.
Richard II.
378 f.
297
Richter, J o h a n n G o t t f r i e d
P o n t a n o , Giovanni Gioviano
A n m . 5, A n m . 8,
63 f.,
A n m . 176, A n m . 844 R i c c i o , Luigi del
56, 2 6 6 , 2 8 0 , A n m . 791
2 0 9 , 4 0 9 f., 4 1 4 f.
Ricchieri (Rhodiginus), Ludovico Celio Riccio, Andrea
2 0 5 , A n m . 4 8 8 , A n m . 521
Pompilio, Paolo
Riario-Sansoni, Raffaele
Ridolfi, G i r o l a m o
A n m . 448
65
A n m . 9, A n m . 58, 4 4 , A n m . 178, A n m . 2 2 5 ,
Rinaldi, Giovanni de'
A n m . 2 8 0 , A n m . 714
A n m . 570, A n m . 604, 3 1 0 f., A n m . 784, 313
Ringhieri, I n n o c e n z o
256
Pontormo, Jacopo
302 f.
Ripa, Cesare
Ponzetti, Beatrice und Lavinia Porcari, Bernardino
20
386
R o b b i a , Andrea della
21
355
R o b b i a , Francesco della
Porcellio de' Pandoni, G i a n n a n t o n i o
A n m . 7,
R o c k e , Michael
34
267
A n m . 16, A n m . 49, A n m . 92, A n m . 161, 111,
Romanelli, Giovanni A n t o n i o
138, 2 8 4 , A n m . 788
R o m a n o , Gian C r i s t o f o r o
Porzio, Leonardo
140
Poullain, H e n r i Praxiteles
A n m . 589, 2 9 6
128
Romulus
205,346
Prendilacqua, Francesco Probus, Valerius Properz
395
Rosselli, Francesco
Prisciani, Pellegrino
A n m . 260, 4 0 2
153
A n m . 381
Rossellino, A n t o n i o Rossi, Gabriele de'
143, A n m . 3 5 9
Rossi, U m b e r t o
A n m . 177, A n m . 489, 367, 413
Prosper Spiritus Viterbiensis Pu[e]cher, Vito
A n m . 94
49 f.
Roty, O . L .
202
75
Rouille, Guillaume
181
142
58
Ruccellai, Bernardo
Pugliese, Piero del
331 f.
Ruggiero, G u i d o
A n m . 377
Ruiz, Juan
2 6 6 , A n m . 701
Pyrgoteles
287 A n m . 208, 168, 4 1 6
Ruspagiari, Alfonso Russi, F r a n c o de'
Questenberg, J a c o b Aurelius Quinterio, A n t o n i o
112 f.
56, 58
138 f.
A n m . 108
Sabadino degli Arienti, Giovanni Sabba da Castigione
A n m . 641
A n m . 172, A n m . 311,
A n m . 4 0 1 , A n m . 600, 3 4 0 f. Sabellico, M a r c o A n t o n i o
Radcliffe, A n t h o n y Raffael
26, 305, 325 f., 344
Sabino, Angelo
175, 2 3 4 , 347 f.
Rangoni, Giovanni Francesco dei R a n z o , Mercurio
346
415
138
Sallust
226
Salutati, C o l u c c i o
Riario, G i r o l a m o Riario, Pietro
A n m . 148, A n m . 192, 4 0 0 39, A n m . 631, A n m . 667,
A n m . 6 8 8 , A n m . 813, 358
268
Rhalles, Manilius Cabacius
186
118 f., 2 5 0 , 3 3 9 f.
Redditi, Filippo
Reisch, G r e g o r
162
Saint-Armand, Tristan de Sala, Pierre
Anm. 449
A n m . 130, 396, 397, 4 0 5
Sadoleto, J a c o p o
Regiomontanus Reineck, Thomas
4 6 f., 153, A n m . 695,
310
215
Raimondi, M a r c a n t o n i o
111, 2 2 4 ,
A n m . 590, A n m . 931
Anm. 489
Quintus Curtius Rufus
108 A n m . 381
Rustici, C e n c i o dei
378
Quarquaglio, C h e r u b i n o di B a r t o l o
Quintilian
138, 151, 169 267
Ruscelli, G i r o l a m o
207
Quaratesi, Andrea
A n m . 6,
214, A n m . 589, A n m . 931
Publius Amerinus
Pylades
355, 361 f. A n m . 64, A n m . 3 3 0
Rovere, Giuliano della (später Julius II.)
Publicóla (Marcus Valerius)
Putti-Meister
364 f.
126, 2 0 3 , 2 2 4 , 245 f.,
Salviati, Francesco 57
4 f., 9, 2 1 0 , 285
1 - 9 , 59, 212, 4 0 9
Salviati, J a c o p o
344
43
Sambucus, Johannes Sandrart, J o a c h i m von
A n m . 391 A n m . 311
489
Personen Sangallo, Francesco da Sannazzaro, J a c o p o
A n m . 809
Sansovino, Francesco
A n m . 116
Signorelli, Luca
142-146
Santamaria, A n t o n i o de
209, 411
A n m . 709
Sanvito, B a r t o l o m e o
A n m . 160, A n m . 248,
19
Slanicka, Simona
176 Anm. 227 Anm.
293, A n m . 766, A n m . 9 2 0 Savonarola, G i r o l a m o Savorgnan, Lucina
222, A n m . 560, A n m . 5 6 6
Scaevola (Caius Mucius) Scaevola (Cervidius)
Squarcialupi, A n t o n i o
43
10
A n m . 52, 70
Strada a Rosberg, O t t a v i o Strada, J a c o p o
26
Straton
A n m . 644 147
181,186
A n m . 390, 165, 181, A n m . 537
367,369
Strozzi, Alessandra Macinghi degli
Scholarios, G e o r g i o s Gennadios
277
Strozzi, Filippo
156 f.
A n m . 7, 32 f., 38, 299,
341 f.
Sclafenato, G i a n g i a c o m o
9
Struvius, Burcard G .
108 f.
A n m . 393
Stufa, Sigismondo della
Sebastiano del P i o m b o
326, 3 3 6
Sturm, J a c o b
Secundus, J o h a n n e s (Johann N i c o Everaerts) 108,372 Sedgwick, Eve K o s o f s k y
272
42
52
Sueton
148, 155, 156, A n m . 391
Suidas
323
Sulzer, J o h a n n G e o r g
A n m . 391
197
Surbeck, Pierre Eugène de
259, 264, 266, A n m . 793, A n m . 811, A n m .
844, 341
Symeoni, Gabriele Syson, L u k e
Septimuleius Campanus, Gaius Antonius
192
165, A n m . 420, A n m . 432, 4 1 6
241
28, 45 f.,
52
Tambenis de Faventia, Baldus de A n m . 280, A n m . 712
Serafino Aquilano
A n m . 97, 49, A n m . 715, 295 f.,
A n m . 751, A n m . 847 199
391
Sforza, Francesco
286
Tebaldeo, A n t o n i o
A n m . 92, A n m . 93, 44,
A n m . 914, A n m . 922, A n m . 923 Teperelli, Francesco Maria Testa, Judith A n n e
A n m . 224
Sesto, L o r e n z o und M a r c o Sforza, Battista
92 f.
Theseus
A n m . 87, A n m . 415, 222 222, 306
380
266
T h o m a s Astyus
41
Sforza, Galeazzo Maria
A n m . 39
Teatino, Bernardo
A n m . 174, A n m . 93, 245, A n m . 712, 302,
Seroux d'Agincourt, J e a n - B . - L - G . Sesto, Alexander
A n m . 82
113 f.
Strozzi, T i t o Vespasiano
169
Sellarius, Henrichus
65, 91, 2 2 6 f.,
58
Starobinski, Jean Statius
404
Scappi, Giovan Battista
Scipio Africanus
193
Stati, Alessio s. Alexis R o m a n u s
404
40 f.
Schröter, Elisabeth
71, 125, 259, 264, 274, 282 f., 337 f.,
A n m . 847, 3 4 3 - 3 7 5
Staccoli, Agostino
Savoyen, B o n a von
Schmitt, Annegrit
Sokrates
A n m . 621, A n m . 746, 342
A n m . 169, 120 f., A n m . 728,
Schedel, Hartmann
A n m . 318, A n m . 4 2 7
Sperandio ( B a r t o l o m e o Savelli)
A n m . 729, 303 f.
Scala, B a r t o l o m e o
115
Sodoma
Spanheim, Ezekiel
34, A n m . 428, 242
305
Savorgnan, Maria
Ser Giovanni
1, 9 f., 19, 54,
394 f.
138
Saviozzo, Simone Serdini da Siena, detto II
Servius
A n m . 561
214, 225, 228, 236, 248, 257, 276, 282, 389 f., 392,
165
Saulmon, Michelet
Seneca
76
Simonetta, C i c c o
Sixtus IV. (Francesco della Rovere)
A n m . 815
Sassetti, Francesco
Scorel, Jan
Silber, Eucharius
56, 57, 62, 78, 105, 142, 157, 204, 2 0 8 f., 212 f.,
Sardi, Alessandro
Satyr
232
A n m . 827
Simonino von Trient
1 5 5 - 1 5 8 , 160 Sarpi, Paolo
A n m . 558, A n m . 562
Sigismund von Luxemburg
83 f.
Santacroce, Andrea de
A n m . 253, 128, A n m . 566
Sforza, Ludovico Maria
Sanseverino, R o b e r t o da
Sañudo, M a r i n o
Sforza, Gian Galeazzo
246
58
T h o m a s von Aquin T h o m a s von Bretagne
263 29
107
490 Tiberius 93 f., 150,155 Timotheus Luccensis (Timoteo Maffei?) Titus Calphurnius Anm. 521 Tityos 380 Tizio, Sigismondo Anm. 13 Tolomei, Claudio 164, 336 f. Tomasini, Jacopo Filippo 183 Torbido, Francesco 366-370 Tornabuoni, Giovanna Anm. 53, 38 Tornabuoni, Giovanni 56 Tornabuoni, Lodovica 247 f. Tornabuoni, Tommaso 55 f., 58 Torre, Giulio della 66,108,313 Torre, Marcantonio della 66 Torrentinus, Hermann Anm. 688 Torrentius, Laevinus Anm. 401 Tortelli, Giovanni 138, 151 Tory, Geoffroy 23 f.
Register
58
Toscani, Giovanni Aloisio 50, 54, 58, 76 f., 205, 208 f., 211, 213, 390, 396 f., 401 f., 405-407 Tossati, Annibale 183 Trapezuntius, Andreas 278, 395 Trapezuntius, Georgius 277 f. Traversari, Amborgio Anm. 82, 273, 312, Anm. 811, Anm. 916 Trevisan, Lodovico 111, 131 f., Anm. 431 Trevisani, Cesare 123 Tron, Niccolò 230 Tunstall, Cuthbert Anm. 342 Tura, Cosmè Anm. 155 Typotius, Jakob Anm. 429
Varius Heliogabalus Anm. 9 Varrò (Marcus Terentius) 161 f. Vasari, Giorgio 13, 96, Anm. 234, Anm. 298, Anm. 326, 167, Anm. 427, 187, 326, 386 Vegio, Maffeo Anm. 92, Anm. 105 Vendramin, Gabriele Anm. 318, 330 f. Venier, Antonio Anm. 539 Venus 69-71, 247, 302, Anm. 850, 346, 367, 414 Vergerlo, Pier Paolo 87, Anm. 844 Vergil Anm. 56, 236, 275, 280, Anm. 916, 370, 391, 402, 405 f. Vergilio, Polidoro Anm. 80, Anm. 193, Anm. 844 Verino, Michele 43 Verino, Ugolino Anm. 92, 43, 353 Veterani, Federigo 41 Vettori, Francesco 268 Vico, Enea Anm. 172, Anm. 185, Anm. 216 , 145, Anm. 370, Anm. 382, 162, 165, 167 f., 175 Vidal, Francisco 209, 400 f. Vinzenz von Beauvais Anm. 82 Visconti, Filippo Maria 97 Visconti, Gaspare Anm. 848 Visconti, Giangaleazzo 85, 88, 110, 339-341 Vitelleschi, Bartolomeo Anm. 497 Vitellius 85, Anm. 748 Vitruv Anm. 299, 409 Vittorino da Feltre Anm. 260, 213, 237, 246, 402
Ubaldini, Ottaviano degli 299 Ubaldini, Ottaviano 331 Ugolini, Baccio 58,212 Ugoni, Pompeo Anm. 437, Anm. 509 Ursino, Francesco 138, 163
Waldman, Louis A. 202 f. Walther, Samuel Anm. 456 Warburg, Aby M. 12, Anm. 514, 270 Warnke, Martin 298 Watriquet de Couvin Anm. 216 Weiss, Roberto 142 Wimpfeling, Jakob 52 Winckelmann, Johann Joachim 194 Wind, Edgar 247
Vacca, Flaminio Anm. 930 Valeriano, Giovanni Pierio Anm. 58, 360 f. Valla, Lorenzo 47 f., Anm. 191 Valle, Niccolò della 393 Vannozzo, Francesco 110
Zamorei, Gabrio de' Anm. 619, 271, Anm. 916 Zantani, Antonio 165 Zeno, Battista 314 Zeuxis 359, Anm. 953 Zovenzoni, Raffaele Anm. 789