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German Pages 277 [279] Year 2012
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 272 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Andreas Maurer
Lex Maritima Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts
Mohr Siebeck
Andreas Maurer, geboren 1976; Studium der Rechtswissenschaften und anschließendes Referendariat in Frankfurt am Main; Wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt am Main, danach seit 2007 an der Universität Bremen; 2006/2007 LL.M. Studium an der Osgoode Hall Law School, Toronto; 2011 Promotion.
eISBN 978-3-16-152022-8 ISBN 978-3-16-151781-5 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. d-nb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Diese Arbeit ist vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Bremen im Herbst 2011 als Dissertation angenommen worden. Sie ist zu großen Teilen durch den Sonderforschungsbereich 597 „Staatlichkeit im Wandel“ der DFG gefördert worden. Ich danke den Mitgliedern meines Promotionskolloquiums Christian Joerges, Benedikt Buchner, Till Markus und Hermann Hoffmann für ihre Mitwirkung und vor allem meinen Gutachtern Gralf-Peter Calliess und Christoph Schmid für die zügige Erstellung der Gutachten und viele wichtige Hinweise. Außerdem danke ich dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme der Arbeit in sein Verlagsprogramm sowie den Herausgebern der „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ für die Aufnahme in ihre Schriftenreihe. Die Gedanken in dieser Arbeit sind beeinflusst und inspiriert von vielen Menschen und ihren Ansichten und Perspektiven auf das Recht und seine Umwelt. Einige von ihnen möchte ich besonders hervorheben. Mein Doktorvater Gralf-Peter Calliess hat nicht nur mit mir zusammen das Thema entwickelt und mich im Prozess des Entstehens dieser Arbeit eng begleitet, er hat mir auch den Blick für das Zusammenspiel von rechtlichen und ökonomischen Institutionen im grenzüberschreitenden Handel eröffnet und geschärft. Besonders wichtig aber war, dass es ihm immer gelungen ist, ein ausgesprochen fruchtbares und inspirierendes akademisches Umfeld zu schaffen, das abseits von universitären Hierarchien kontroverse Diskussionen und spannende Debatten ermöglicht und befördert hat. Gunther Teubner habe ich erstmals während seiner Antrittsvorlesung in Frankfurt am Main erlebt. Ich war dabei von der Komplexität seiner Gedanken und Ideen geradezu erschlagen und zugleich auch unendlich neugierig geworden auf seine Sicht auf das Recht. Es war ein großes Glück für mich, dass er mich als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlichen Mitarbeiter aufgenommen hat. Gunther Teubner war zudem der „Netzwerkknoten“, der mich nicht nur mit Gralf-Peter Calliess verbindet, sondern auch mit Peer Zumbansen. Peer Zumbansen verdanke ich nicht nur, dass ich ein Jahr in Toronto studieren durfte. Er hat mir auch immer wieder vor Augen geführt, dass nichts im Recht selbstverständlich ist. Seine Rechtskritik ist nicht ideologisch aufgeladen. Sie richtet sich vielmehr gegen die Unterkomplexität, mit der das Recht allzu häufig beschrieben wird. Sein
VI
Vorwort
Drängen, immer wieder nach den Hintergründen von Regeln und Entscheidungen zu suchen, die Interessen hinter rechtlichen Fragen zu verstehen und nichts als gegeben hinzunehmen, hat mich zu vielen Fragen geführt, die ich ansonsten niemals gestellt hätte. Rudolf Wiethölter schließlich beeindruckt mich bis heute mit der Dichte seiner Gedanken wie auch mit seiner „Gedankendichte“. Sein Verständnis von Recht und Gesellschaft und seine Assoziationen zur „Recht-Fertigung“ haben mich immer wieder stark beeinflusst. Nirgends hätte ich die für Juristen so wichtigen „Einsichten in die philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Rechts“ besser verstehen können als bei diesen Lehrern. Wichtige Lehrer waren mir aber darüber hinaus auch meine Kollegen. Ich hatte ausgesprochen intensive Diskussionen und „Lernerfahrungen“ mit Thomas Dietz, Holger Nieswand, Jens Mertens, Moritz Renner, Mauro Zamboni und vor allem Hermann Hoffmann. Sie waren mir immer wichtige Diskussionspartner und Ratgeber. Meinen Kolleginnen und Kollegen Jennifer Brehmer, Ann Christine Musmann, Christian Wesemann und Stephan von Harder danke ich ebenfalls für ihre Anregungen, die Gespräche mit ihnen und vor allem für ihre Geduld mit mir. Ich will auch keinesfalls vergessen, meinen Helden des Alltags zu danken, die mir immer wieder unermüdlich in allen Lagen meines akademischen Lebens zur Seite gestanden haben. Auf Nadja Alpers, Henrike Bruns, Insa Buchmann, Marlena Harnisch, Tobias Lehr, Sonia Lüttjohann, Lars Stegemann und besonders Petra Schreiber habe ich mich immer uneingeschränkt verlassen können. Petra Schreiber, Sonia Lüttjohann und vor allem Henrike Bruns haben zudem das Manuskript dieses Buches derart gründlich redigiert, dass ich für einen Moment gezögert habe, sie von der Verantwortung für eventuell doch noch verbliebene Fehler zu entbinden. Selbstverständlich aber sind und bleiben alle Fehler meine eigenen. Alle inhaltliche und logistische Unterstützung aber wird in den Schatten gestellt durch den Rückhalt, den ich von meinen Eltern, meiner Familie und vor allem von meiner wunderbaren Freundin Anja erfahren habe. Sie hat zu jeder Zeit, insbesondere aber auch in den nicht selten schwierigen Zeiten der Entstehung dieser Arbeit, an meiner Seite gestanden und Auslandsaufenthalt, Umzüge, Arbeit an Abenden und Wochenenden und die Unsicherheiten eines akademischen Lebens nicht nur mitgetragen, sondern mich immer wieder auch in meinen Entscheidungen bestärkt. Hierfür angemessen zu danken, ist kaum möglich. Ebenfalls ist es kaum möglich, meinen Eltern dafür zu danken, dass sie mir immer in jeglicher Hinsicht den Freiraum gegeben haben, meinen Wünschen und Interessen nachzugehen. Ihnen und Anja dieses Buch zu widmen, kann bestenfalls ein Anfang des Dankens sein. Andreas Maurer, Bremen im Frühjahr 2012
Inhaltsverzeichnis
Vorwort............................................................................................................. V Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ XIII
Einführung ......................................................................................................1 A. Das Seehandelsrecht in der Rechtswissenschaft .......................................1 B. Seehandelsrecht und Globalisierung: vier Arbeitsthesen .........................3 C. Die Geschichte des (See-)Handelsrechts ..................................................7 I. Antikes Seerecht .....................................................................................8 II. Mittelalterliches (See-)Handelsrecht .....................................................8 III. Handelsrecht in der Moderne .............................................................11 D. Seehandelsrecht heute: transnational und privatisiert ...........................11 I. Transnationales Recht ...........................................................................12 1. Verwendungskontexte ......................................................................14 a) Transnationales Recht als Recht der grenzüberschreitenden Sachverhalte ...........................................14 b) Transnationales Recht und Neue Lex Mercatoria als Rechtsquellen ...............................................................................16 c) Transnationalisierung als Prozess ..............................................19 2. Reichweite und Bedeutung der Begrifflichkeit ................................21 II. Transnationales Seehandelsrecht .........................................................22 E. Gang der Untersuchung ..........................................................................23
Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels ................................................................................................24
VIII
Inhaltsverzeichnis
A. Einheitsrecht im Seehandel .....................................................................27 I. Vereinheitlichungsversuche durch internationale Übereinkommen ...................................................................................27 1. Vereinheitlichungshindernisse..........................................................29 2. Vereinheitlichungsprobleme am Beispiel des Gütertransports auf See...............................................................................................30 a) Haager Regeln .............................................................................30 b) Das Visby-Protokoll zu den Haager Regeln ..............................33 c) Die Hamburg-Regeln ..................................................................35 d) Die Rotterdam-Regeln ................................................................38 II. Privat erzeugte Regeln im internationalen Seehandel – Standardklauseln, Modellregeln und allgemeine Geschäftsbedingungen..........................................................................42 1. Maritime Law without the State .......................................................42 2. Standardformulare und Musterregeln im grenzüberschreitenden Seehandel .....................................................44 a) Die York-Antwerp Rules ............................................................44 b) UCP ..............................................................................................46 c) Incoterms ......................................................................................47 d) Musterverträge .............................................................................49 aa) Charter .....................................................................................49 bb) Schiffsbau und Schiffskauf .....................................................50 e) Weitere Musterregelungen ..........................................................51 B. Ordnungsmuster einer transnationalen Seehandelspraxis......................52 I. Der Rechtscharakter privater Regelungen im grenzüberschreitenden Seehandel ........................................................................52 1. Die Debatte um den Rechtscharakter der UCP ................................52 2. Zum Rechtscharakter der Incoterms .................................................54 3. Musterverträge und York-Antwerp Rules ........................................56 II. Legitimation einer Lex Maritima ........................................................58 1. Grundzüge einer sozialwissenschaftlich inspirierten Rechtstheorie ....................................................................................59 2. Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts .........................67 a) Die erwartungsstabilisierende Funktion privat erzeugter Regeln ...........................................................................................67 b) Zu den Entstehungsprozessen privat erzeugter Regeln ............70 aa) Chartern und andere Musterverträge (insbesondere BIMCO).....................................................................................70 bb) Die UCP und Incoterms (International Chamber of Commerce) ................................................................................72
Inhaltsverzeichnis
IX
cc) York-Antwerp Rules (Comité Maritime International)...........74 c) Die normative Kraft sozialer Prozesse .......................................77 aa) Erste Annäherung: Bottom-Up Lawmaking............................77 bb) Legitimatorische Defizite staatlichen Rechts..........................79 cc) Partizipationsmöglichkeit als Quelle von Legitimation ..........81 III. Rechtspluralismus im transnationalen Handel ...................................85 IV. Private Regeln des grenzüberschreitenden Seehandels als transnationales Recht ............................................................................88 V. Zusammenfassung und Zwischenergebnis ..........................................90 C. Die Integration privat erzeugter Normen: Vorschläge für Gesetzgeber und Seehandelspraxis ..........................................................91 I. Einhegung privater Regelsetzung durch prozedurale Rechtsformen........................................................................................91 1. Das Konzept prozeduralen Rechts ....................................................92 a) Rechtsparadigmen .......................................................................93 aa) Formales Rechtsparadigma .....................................................94 bb) Materielles Rechtsparadigma ..................................................95 cc) Prozedurales Rechtsparadigma im Sinne eines reflexiven Rechts .......................................................................97 b) Formen prozeduralen Rechts im internationalen Seehandel ......................................................................................99 2. Zusammenfassung und These .........................................................101 II. Verständnis privater Regelsetzung als öffentliche Aufgabe..............102 1. Gefährdungslagen ...........................................................................102 2. Berücksichtigung öffentlicher Interessen bei der Regelsetzung ...................................................................................103 3. Emergenz eines zwingenden transnationalen Rechts – der „ordre public transnational“ ............................................................106 4. Zusammenfassung und These .........................................................110
Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung ......................................111 A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung .........................................112 I. Die Rolle staatlicher Gerichte für das Seehandelsrecht ......................113 II. Die Rolle von Schiedsgerichten im Seehandel ..................................116 III. Gründe für den Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte im grenzüberschreitenden Seehandel ......................................................119 1. Strukturelle Gründe ........................................................................119 2. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit ................................................121
X
Inhaltsverzeichnis
3. Bedarf für wirtschaftliche Effizienz ...............................................122 4. Aufteilung nationaler und internationaler Fälle..............................123 5. Ergebnis ..........................................................................................126 IV. Private Schiedsgerichtsinstitutionen im grenzüberschreitenden Seehandel ......................................................126 1. Verfahren der LMAA und der SMA ..............................................128 a) Die Verfahren der London Maritime Arbitrator’s Association ..................................................................................129 aa) Small Claims Procedure ........................................................129 bb) Fast and Low Cost Arbitration (FALCA) .............................130 cc) Intermediate Claims Procedure .............................................130 dd) Das LMAA-Standardverfahren.............................................131 b) Das Verfahren der Society of Maritime Arbitrators ...................131 V. Zusammenfassung .............................................................................131 B. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit – Streitschlichtung inter partes oder mehr? .............................................................................................132 I. Grundlagen..........................................................................................132 II. Gesetzesrecht und Richterrecht .........................................................135 1. Der Grundsatz der Gewaltenteilung ...............................................135 2. Richterrecht und Gewaltenteilung ..................................................136 3. Historische Hintergründe und aktuelle Debatten............................137 4. Richterrecht im transnationalen Raum ...........................................140 5. Gewaltenteilung im Common Law.................................................142 C. Transnationales Richterrecht ................................................................143 I. Die Funktion der Entscheidung ..........................................................143 II. Voraussetzungen eines transnationalen (Richter-)Rechts .................146 1. Der soziologische Rechtsbegriff .....................................................147 2. Verbalisieren und Erinnern – Richterrecht und Rechtssicherheit ..............................................................................148 3. Richter und Präzedenzen ................................................................150 D. Reaktionsmöglichkeiten von Staat und Seehandelspraxis ....................152 I. Anerkennung privater Rechtsregimes in der Rechtsprechung – Ein Kollisionsrecht für privat erzeugtes Recht...................................152 1. Gefahren für staatliches Recht bei fehlender Anerkennung privat erzeugter Regeln ...................................................................153 a) Die Mobilität privater Verträge ................................................153 b) The Vanishing Trial ..................................................................155 c) Der Verlust der Rechtsfortbildungsmöglichkeit ......................157
Inhaltsverzeichnis
XI
2. Ein Kollisionsrecht für Privatregimes ............................................158 a) Internationales Privatrecht als „Orientierungsverwandte“ für ein rechtstheoretisch gewendetes Kollisionsrecht ...........................................................................159 b) Zur Definition von Kollisionsnormen ......................................163 c) Verhältnis des transnationalen Rechts zum staatlichen IPR ..............................................................................................164 d) Bewältigungsstrategien staatlichen Rechts ..............................167 aa) VOB/B ...................................................................................168 bb) ADSp ....................................................................................169 e) Ausblick .....................................................................................171 3. Zusammenfassung und These .........................................................172 II. Engere Anbindung von Schiedsgerichten an die Rechtsentwicklung .............................................................................173 1. Ermöglichung von Rechtsfortbildung durch Veröffentlichung von Entscheidungen und Gründen ..................................................175 2. Das Selbstverständnis der Schiedsrichter .......................................178 3. Wechselseitige Beobachtung staatlicher und privater Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsorgane ..................................181 a) Die „Kyzikos“ und die Änderung der Voylayrules .................182 b) Auslegung im deutschen Recht nach englischem Rechtsverständnis ......................................................................185 c) Ein Musterfall ............................................................................186 4. Zusammenfassung und These .........................................................187
Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel ........................................................................................189 A. Klage- und Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten des Gläubigers im Inland .....................................................................................................190 B. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland ...........................................................................................191 I. Anerkennung gemäß § 328 ZPO ........................................................191 II. Anerkennung nach zwischenstaatlichen Übereinkommen und europäischem Recht ...........................................................................192 1. EuGVÜ ...........................................................................................192 2. LugÜ ...............................................................................................193 3. EuGVVO ........................................................................................194 4. Inhaltliche Regelungen ...................................................................194
XII
Inhaltsverzeichnis
C. Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile im Ausland ...........195 D. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen ........................196 I. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach der ZPO ....................................................................................................196 1. Inländische Schiedssprüche ............................................................197 2. Ausländische Schiedssprüche .........................................................197 II. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im Ausland ...............................................................................................198 E. Der Schiffsarrest....................................................................................199 I. Arrest ..................................................................................................199 1. Deutschland ....................................................................................201 a) Arrestanspruch ...........................................................................201 b) Arrestgrund ................................................................................202 c) Arrestfolgen ...............................................................................204 2. Großbritannien ................................................................................205 3. Niederlande .....................................................................................206 II. Rechtsvergleich .................................................................................207 F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung ................208 I. Selbstdurchsetzende Verträge .............................................................210 1. Spieltheoretische Vorüberlegungen ................................................211 2. Anwendungsbeispiele im Seehandel ..............................................213 II. Reputationsnetzwerke........................................................................216 1. Theoretische Vorüberlegungen.......................................................216 2. Anwendungsbeispiele im Seehandel ..............................................218 G. Zusammenfassung .................................................................................219
Schluss .........................................................................................................221 A. Festzuhaltendes .....................................................................................221 B. Transnationales Seehandelsrecht – Why Care? ....................................227
Literaturverzeichnis .......................................................................................230 Register ..........................................................................................................258
Abkürzungsverzeichnis Am.J.Comp.L. Am.J.Soc. Am.Law Rev. Am.Sociolog.Rev. Am.U.L.Rev. An.Catedra Fr.Suarez AnwBl ANZ Mar.L.J. APLPJ Arb.Int'l. Arch.de Phil.du Droit ARSP Art. ASIL PROC. AwD AWES BB BGB BGBl. BGH BIMCO BT-Drs. Buff.Env.L.J. B.U.L.Rev. BVerfGE CAA Cal.L.Rev. Cardozo L.Rev. CAS CENTRAL C.J.S. CLSP CMI CMR Colum.L.Rev. Cornell L.Q. COTIF C/P DB Disp.Resol.J.
The American Journal of Comparative Law American Journal of Sociology American Law Review American Sociological Review American University Law Review Anales de la Cátedra Fransisco Suarez Anwaltsblatt Australian and New Zealand Maritime Law Journal Asian-Pacific Law and Policy Journal Arbitration International Archives de Philosophie du Droit Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel American Society of International Law Proceedings Außenwirtschaftsdienst Standard Shipbuilding Contract der Association of European Shipbuilders and Shiprepairers Betriebs-Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Baltic and International Maritime Council Bundestagsdrucksache Buffalo Environmental Law Journal Boston University Law Review Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Contemporary Asia Arbitration Journal California Law Review Cardozo Law Review Court of Arbitration for Sports Center for Transnational Law Canadian Journal of Sociology Current Law and Social Problems Comité Maritime Internationale Convention relative au contrat de transport international de Marchandises par Route Columbia Law Review Cornell Law Quarterly Convention relative aux transports internationaux ferroviaires Charterparty Der Betrieb Dispute Resolution Journal
XIV
Abkürzungsverzeichnis
DRiZ DVA
Deutsche Richterzeitung Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen ebenda Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Journal of International Law European Journal of International Relations European Journal of Legal Studies European Law Journal Emory Law Journal Entertainment Law Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive. Siehe auch: UCP Europäische Union EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständig keit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Transport Law folgende Fast and Low Cost Arbitration Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Fußnote Foreign Affairs Grundgesetz German Law Journal German Maritime Arbitrators Association Gerichtsverfassungsgesetz Hansa – International Maritime Journal Harvard International Law Journal Harvard Journal of Law and Public Policy Harvard Law Review Handelsgesetzbuch Historical Journal Herausgeber Haag-Visby-Regeln Internet Corporation for Assigned Names and Numbers International Chamber of Commerce International Center for the Settlement of Investment Disputes Internationales Handelsrecht (Zeitschrift) International Labour Organization International Commercial Terms Indiana Journal of Global Legal Studies International and Comparative Law Quarterly International Review of Law and Economics International Trade Law Journal International Business Lawyer
ebd. EG EGV EJIL EJIR EJLS ELJ Emory L.J. Ent.Law ERA EU EuGVÜ
EuGVVO
Europ.Transp.L. f. FALCA FAZ ff. Fn. Foreign Aff. GG GLJ GMAA GVG Hansa Harv.Int'l L.J. Harv.J.L.& Pub.Pol'y Harv.L.Rev. HGB Hist.J. Hrsg. HVR ICANN ICC ICSID IHR ILO Incoterms Ind.J.Global L.Stud. Int.Comp.L.Quart. Int.Rev.L.Econ. Int'l Trade L.J. Int'l.Bus.Law.
Abkürzungsverzeichnis
IPR JA J.B.L. J.Econ.Issues J.Econ.Perspect. JELS J.Int'l.Arb. J.L. & Econ. J.L. & Soc’y J.L.S. J.Legal Plur. J.Mar.L. & Com. J.Polit. J.Polit.Philos. JuS JW JZ KJ KritV
Internationales Privatrecht Juristische Ausbildung Journal of Business Law Journal of Economic Issues Journal of Economic Perspectives Journal of Empirical Legal Studies Journal of International Arbitration Journal of Law and Economics Journal of Law and Society Journal of Legal Studies Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law Journal of Maritime Law and Commerce Journal of Politics Journal of Political Philosophy Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kritische Justiz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kommunikation und Recht Lloyd's Maritime and Commercial Law Quarterly Law and Social Inquiry Louisiana Law Review Law & Society Review Law and Contemporary Problems Landgericht London Maritime Arbitrators Association Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships Monatsschrift für Deutsches Recht Michigan Journal of International Law Michigan Law Review Journal Maritime Law Association of Australia and New Zealand Journal Modern Law Review Milliarden Medien und Recht – International Edition North Carolina Central Law Journal Standard Newbuilding Contract Neue Juristische Wochenschrift Nummer Northwestern University Law Review New York University Journal of International Law and Politics Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Ocean and Coastal Law Journal Ohio State Law Journal Oberlandesgericht
KuR L.M.C.L.Q. L.Soc.Inquiry La.L.Rev. Law Soc. Rev. LCP LG LMAA LugÜ
MARPOL MDR Mich.J.Int'l L. Mich.L.Rev. MLAANZ Mod.L.Rev. Mrd. MR-Int. N.C.Cent.L.J. NEWBUILDCON NJW Nr. N.W.U.L.Rev. NYU J.Int'l L. & Pol. NZA Ocean & Coastal L.J. Ohio St.L.J. OLG
XV
XVI
Abkürzungsverzeichnis
ORDO
ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Penn State International Law Review Political Science Quarterly Politische Vierteljahresschrift Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatecht Ratio Iuris – An International Journal of Jurisprudence Philosophy of Law Revue critique de droit inlernational privé Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Seite Southern California Law Review Zeitschrift für Schiedsverfahren Schweizerische Juristenzeitung Society of Maritime Arbitrators Social Epistemology Social & Legal Studies International Convention for the Safety of Life at Sea Soziale Systeme – Zeitschrift für soziologische Theorie Soziale Welt Stetson Law Review Syracuse Journal of International Law and Commerce Temple International and Comparative Law Journal Texas International Law Journal Texas Law Review Transportation Law Journal Transportrecht Tulane European and Civil Law Forum Tulane Law Review Tulane Maritime Law Journal Uniform Customs and Practice for documentary credits, siehe auch: ERA University of Illinois Law Review University of Miami Law Review United Nations United Nations Commission on International Trade Law United Nations Commission for Trade and Development International Institute for the Unification of Private Law Uniform Law Review UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche United States of America University of San Francisco Maritime Law Journal University of Toronto Law Journal versus Vanderbilt Journal of Transnational Law Versicherungsrecht Verordnung
Penn St.Int'l L.Rev. Pol.Sci.Quart. PVS RabelsZ Ratio Iuris and RCDIP RGBl. RIW Rn. S. S.Cal.L.Rev. SchiedsVZ SJZ SMA Soc.Epistem. Soc.Leg.Stud. SOLAS Soziale Systeme SozW Stetson L.Rev. Syracuse J.Int'l L.& Com. Temp.Int'l & Comp.L.J. Tex.Int'l L.J. Tex.L.Rev. Transp.L.J. TranspR Tul.Eur. & Civ.L.F. Tul.L.Rev. Tul.Mar.L.J UCP U.Ill.L.Rev. U.Miami L.Rev. UN UNCITRAL UNCTAD UNIDROIT Unif.L.Rev. UNÜ USA U.S.F.Mar.L.J. U.T.L.J v Vand.J.Transnat'l L. VersR VO
Abkürzungsverzeichnis
VOB Vol. VOYLAYRULES 93 Wayne L.Rev. Wis.L.Rev. WM Wm. & Mary L.Rev. WTO Yale J.Int'l L. Yale Rev. YAR ZAÖR
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Volume Voyage Charterparty Interpretation Rules 1993 Wayne Law Review Wisconsin Law Review Wertpapier-Mitteilungen William & Mary Law Review World Trade Organization Yale Journal of International Law The Yale Review York-Antwerp Rules Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtssoziologie Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift für Rechtspolitik
ZEuP ZfRSoz ZGP ZGS ZHR ZIP ZPO ZRG-GA ZRP
XVII
Einführung „Die Seefahrt steht in der Spannung zwischen Tradition und Quantensprüngen der Technologie, so auch – mit Schlagseite zur Tradition – ihr Recht.“1
A. Das Seehandelsrecht in der Rechtswissenschaft A. Das Seehandelsrecht in der Rechtswissenschaft
Schlägt man einen Gesetzestext des deutschen Handelsgesetzbuchs auf, entsteht schnell der Eindruck, das Seehandelsrecht habe keine große Bedeutung. Zwar umfasst es mehr als 400 Vorschriften und füllt das fünfte Buch des HGB. An der Stelle aber, wo das Seehandelsrecht zu finden sein sollte, findet sich oft nur der Hinweis, dass vom Abdruck abgesehen worden sei. Einige Werke und Gesetzestexte ersparen dem Leser zumindest diese Enttäuschung und weisen bereits im Titel darauf hin, dass auf den Abdruck oder die Bearbeitung des Seehandelsrechts verzichtet worden sei. Eine Begründung wird in beiden Fällen nicht geliefert. Eine naheliegende Erklärung wäre, dass dem Seehandelsrecht keine große Bedeutung zukommt. Das Gegenteil ist der Fall. Die ökonomische Bedeutung des Wirtschaftszweigs, für den das Seehandelsrecht maßgeblich ist, ist kaum zu überschätzen. Das gilt vor allem für eine Exportnation wie Deutschland. Der internationale Warenumsatz auf dem Seeweg hat sich seit 1970 von 2,566 Mrd. Tonnen auf 7,843 Mrd. Tonnen im Jahr 2009 mehr als verdreifacht.2 Zwar hat die Seeverkehrswirtschaft ebenso wie andere Wirtschaftszweige mit der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. 3 Jedoch hat sich diese Lage mit der Erholung der Weltwirtschaft wieder entspannt. Die Verlagerung von Produktionsstätten als Folge von Globalisierungsprozessen spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie ist neben anderen Faktoren eine wichtige Ursache für die Notwendigkeit von Seetransporten in erheblichem Umfang. Die Umsätze, die welt 1
Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 2. UNCTAD, Review of Maritime Transport 2010, S. 8, Tabelle 1.3. 3 Vgl. dazu UNCTAD, Review of Maritime Transport 2009. 2
2
Einführung
weit allein durch den Transport von Waren erzielt werden, sind von 189,8 Mrd. US-Dollar im Jahr 1990 auf 632,4 Mrd. US-Dollar 2005 gestiegen, wobei die Transportkosten etwa 5 % des Wertes der umgesetzten Waren ausmachen.4 Diese Zahlen sind beeindruckend und können doch nur eine vage Vorstellung davon geben, wie wichtig der Markt des Seehandels tatsächlich ist. Diese enorme Bedeutung des Seetransports führt aber nicht dazu, dass eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Seehandelsrecht stattfinden würde. 5 Vielmehr ist die wissenschaftliche Debatte um das Seehandelsrecht begrenzt auf einige wenige Spezialisten, die sich bislang insbesondere im Umfeld des Hamburger Instituts für Seerecht und Seehandelsrecht finden. Von einer breiten wissenschaftlichen Bearbeitung der Materie oder gar von einer wichtigen Rolle des Seehandelsrechts in der rechtswissenschaftlichen Ausbildung kann hingegen keine Rede sein. Symptom dieses Befundes ist zum Beispiel der Umstand, dass die beiden wichtigsten Lehrbücher über das Seehandelsrecht in ihren aktuellsten Auflagen aus den Jahren 19976 und 19997 datieren. Eine Neuauflage des Lehrbuchs von Rolf Herber ist für 2013 angekündigt – vierzehn Jahre nach der Erstauflage. Das ist angesichts der Auflagenfrequenz von Lehrbüchern anderer Rechtsgebiete bemerkenswert. Nicht besser sieht es in der Kommentarliteratur aus. Der Kommentar zum Seehandelsrecht aus der Reihe der Beck’schen Kurzkommentare stammt in seiner vierten und neuesten Auflage aus dem Jahr 2000.8 Ebenfalls in der vierten und damit neuesten Auflage datiert der Großkommentar in zwei Bänden aus der de GruyterReihe der Großkommentare der Praxis aus dem Jahr 1978.9 Die Zeitschrift „Hamburger Seerechts Report“ wurde im Jahr 2000 begründet und ist ab 2009 in der „Hamburger Zeitschrift für Schifffahrtsrecht“ aufgegangen. In ihr werden jedoch im Wesentlichen lediglich Gerichtsentscheidungen und Schiedssprüche veröffentlicht. Die Zeitschrift „Hansa“ enthält in jeder Ausgabe einige Beiträge zum Seerecht, die sich jedoch nicht an ein wissenschaftliches, sondern eher an ein praxisorientiertes Publikum richten. Allein mit der Zeitschrift „Transportrecht“ hat das Seehandelsrecht ein Organ, das ihm zwar nicht exklusiv, aber doch recht zuverlässig eine wissenschaftliche Stimme verleiht.
4 UNCTAD, Review of Maritime Transport 2007, S. 79. In späteren UNCTADBerichten sind diese Daten nicht mehr verfügbar. 5 Das beklagt zum Beispiel auch Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht, 1995, S. 1. 6 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997. 7 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999. 8 Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000. 9 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978.
B. Seehandelsrecht und Globalisierung
3
So steht derjenige, der sich dem Seehandelsrecht nähern möchte, vor einem Problem: Es ist in der wissenschaftlichen Literatur kaum auffindbar und wenn doch, dann überwiegend hoffnungslos veraltet. Und doch gibt es eine beachtliche Szene von Anwälten und Unternehmensjuristen, von Bankern und Versicherern, von Spediteuren, Befrachtern und Reedern und vielen anderen am Seehandel Beteiligten, die das Seehandelsrecht tagtäglich bearbeiten, anwenden, fortbilden und so entwickeln. Allerdings geschieht dies mit oftmals hanseatischer Zurückhaltung vorwiegend in Hinterzimmern, weitgehend verborgen vor den Augen einer wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit.
B. Seehandelsrecht und Globalisierung: vier Arbeitsthesen B. Seehandelsrecht und Globalisierung
In diesem Arkanum ist das Seehandelsrecht für seine rechtswissenschaftliche Umwelt kaum sichtbar. Und auch umgekehrt findet innerhalb der Debatten im Seehandelsrecht kaum eine Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen vor allem in der Rechtstheorie statt. Dieser Umstand ist bedauerlich, denn einerseits könnte das Seehandelsrecht angesichts seiner originären Internationalität enorm von rechtswissenschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Globalisierung und den Debatten um deren Folgen für das Recht profitieren. Andererseits könnte es seinerseits als Beispiel für ein globalisiertes transnationales Recht dienen. Der Begriff des transnationalen Rechts ist bereits seit einiger Zeit in das Zentrum rechtswissenschaftlicher und rechtstheoretischer Betrachtungen gerückt. Dieses Stichwort – transnationales Recht – beinhaltet die Frage, ob das nationalstaatlich geprägte Recht mit der Globalisierung der Wirtschaft mithalten kann oder ob neue Konzepte von Recht geschaffen werden müssen, um das Recht nicht „als eine europäische Anomalie, die sich in der Evolution einer Weltgesellschaft abschwächen wird“10, abschreiben zu müssen. Dabei kommen insbesondere normative Kräfte gesellschaftlicher Selbstorganisation in den Blick. Es ist dabei die Rede von der „lex mercatoria“, der „lex constructionis“, der „lex sportiva“ und anderen Gebieten, in denen staatliches Recht eine untergeordnete Rolle spielt und in denen die Regeln, nach denen entschieden wird, ebenso wie die Entscheidungsorgane privaten Ursprungs sind. Solche Regeln entstehen im Rahmen gesellschaftlicher Selbstorganisation und daher stellt sich die Frage, in wel 10
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 586.
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Einführung
chem Verhältnis derartige Regeln und Normen zum Recht stehen. 11 Für Debatten, die sich mit solchen Fragen befassen, ist das Seehandelsrecht ausgesprochen attraktiv. Denn es bietet umfangreiches Anschauungsmaterial für ansonsten weitgehend abstrakt erörterte Probleme: Chartervertragsformulare, Regeln über die Haftung im Falle einer Havarie, Akkreditivbedingungen und vieles mehr entstammen nicht etwa der Feder eines nationalen oder internationalen Gesetzgebers, sondern werden vielmehr von privaten Organisationen entworfen und verwaltet, die jeweils ganz eigene Verfahren der Beteiligung von Interessenträgern entwickelt haben. Daneben erfolgt die Rechtsprechung im Bereich des Seehandelsrechts überwiegend durch private Schiedsgerichte, die einerseits zwar unter Umständen staatliches Recht, aber in großem Umfang auch die innerhalb der Branche privat erzeugten Regeln anwenden und fortentwickeln. Genau diese Konstellationen sind es, die als „Transnationalisierung des Rechts“ oder einfach nur als „transnationales Recht“ bezeichnet werden. Rechtswissenschaftler, Soziologen, Politologen und Ökonomen haben bereits seit längerer Zeit versucht, derartige hybride Regulierungsformen von staatlichem, internationalem und privat erzeugtem Recht zu erfassen und zu konzeptualisieren. Aus diesen Arbeiten ergibt sich eine ganze Reihe von Erkenntnissen, die den Praktikern und Wissenschaftlern im Bereich des Seehandelsrechts durchaus als Argumente nützlich sein können. Es lohnt sich daher, das Seehandelsrecht als Anwendungsfall transnationalen Rechts zu verstehen und für die entsprechenden Debatten fruchtbar zu machen. Denn auch unter Seerechtlern ist seit jeher eine „Entstaatlichung des Seehandelsrechts“12 beobachtet worden. So hat bereits im Jahr 1930 Hans Großmann-Doerth darauf hingewiesen, dass das staatliche Recht diejenige Rechtsquelle sei, die für den Überseekauf die geringste Bedeutung habe.13 Tatsächlich sind es heute mehr denn je standardisierte Verträge, internationale Modellgesetze, Standardklauseln und grenzüberschreitende universelle Handelsbräuche, die das Seehandelsrecht prägen. 14 Insbesondere im Charterverkehr, aber auch in anderen Bereichen wie der maritimen Versicherungswirtschaft oder dem Recht des Akkreditivverkehrs, spiegeln Modellgesetze und Standardverträge nicht nur einen grenzüberschreitenden Konsens über geltende Regeln wider, sondern stellen auch weithin anerkannte Interpretations- und Auslegungsregeln zur Verfügung (z. B. die
11 Zu dieser Frage siehe zum Beispiel Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290. 12 Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 12. 13 Großmann-Doerth, Das Recht des Überseekaufs, 1930, S. 40. 14 Tetley, International Maritime Law, 2000 Tul.Mar.L.J, 775–856, S. 782 ff.; Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 413.
B. Seehandelsrecht und Globalisierung
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vom Comité Maritime Internationale herausgegebenen Charterparty Laytime Interpretation Rules 1993).15 Umgekehrt kann jedoch auch das Seehandelsrecht von den Vorarbeiten der Rechtstheorie Argumente und Erkenntnisse übernehmen und verarbeiten und so seine Bedeutung für einen grenzüberschreitenden Handel deutlich erhöhen. Bislang nämlich scheint das Seehandelsrecht zumindest in der deutschen Justiz keine große Rolle zu spielen. 16 Demgegenüber lässt sich beobachten, dass ein großer Teil der Streitschlichtung im Seehandel nicht vor staatlichen Gerichten, sondern vor privaten Schiedsgerichten ausgetragen wird.17 Auf beide Aspekte wird später ausführlich einzugehen sein. Beispielhaft für die Privatisierung von Regelsetzung sind Organisationen wie das Baltic and International Maritime Council (BIMCO), das mit seinen Entwürfen von Standardvertragsformularen für viele relevante Transaktionstypen einen enormen Einfluss auf die rechtliche Ausgestaltung des internationalen Seehandels ausübt.18 Ebenso hat die Seehandelsbranche mit Organisationen wie der London Maritime Arbitrators Association (LMAA) oder der Society of Maritime Arbitrators (SMA) wichtige Institutionen der maritimen Streitschlichtung herausgebildet, die in vollem Umfang privat organisiert sind. In beiden Fällen treten private „Rechtsdienstleister“ in einen Wettbewerb zu staatlichen Gerichten und Gesetzgebern 19 , der dem internationalen Seehandel durchaus nützlich ist. Denn staatliche Gesetzgebung und Justiz können der Internationalität der Seefahrtsbranche nur unzureichend gerecht werden. Nationale Sonderwege und Eigenheiten lassen die Frage aufkommen, ob ein nationales Seehandelsrecht überhaupt eine Chance haben kann, Wirkung zu entfalten. 20 Selbst internationale Übereinkommen zum Beispiel zu Haftungsfragen sind uneinheitlich und ihre Anwendung ist alles andere als vorhersehbar.21 15
Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 133 f. 16 Die Zahl der jährlichen Entscheidungen deutscher Gerichte zum Seehandelsrecht liegt im einstelligen oder unteren zweistelligen Bereich. Dazu später mehr in Kapitel 2. Siehe hierzu auch Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15. 17 Im Gegensatz zu der übersichtlichen Zahl gerichtlicher Entscheidungen in Deutschland steht zum Beispiel ein Eingangsvolumen von ca. 3.000 Fällen jährlich bei den Schiedsgerichten der London Maritime Arbitrators Association (LMAA). Siehe zu den statistischen Zahlen McKenzie, Maritime Services, 2007, S. 11. 18 Siehe hierzu Hunter, Standard Forms – The BIMCO Experience, 2008, 1–15. 19 Diese Beobachtung macht auch Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9– 15, S. 13. 20 Diese Frage wirft zum Beispiel Karsten Schmidt auf, Schmidt, Gesetzliches Seehandelsrecht: Hat das HGB noch eine Chance?, 2006. 21 Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13 („Wenn heute über einen Seetransport von Hamburg nach Casablanca ein Konnossement ausgestellt wird,
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Einführung
Das führt dazu, dass das Haftungsrecht überhaupt nicht mehr zur Abwicklung von Transportschäden genutzt wird, sondern diese vielmehr auf Transportversicherer überwälzt werden, die ihrerseits die Risiken auf die Versicherten abwälzen und damit die Kosten eines Schadensfalls sozialisieren.22 Beispiele für die Unzulänglichkeit nationaler oder auch internationaler Regeln gibt es eine ganze Reihe. Sie werden später noch thematisiert werden. Jedenfalls ist aber zu beobachten, dass staatliches Seehandelsrecht offenbar häufig nicht zu adäquater Konfliktlösung imstande ist. Stattdessen werden Rechtsdienstleistungen privatisiert oder Risiken versichert und damit sozialisiert. An dieser Stelle soll der archimedische Punkt der Untersuchung liegen. Mit dieser Arbeit soll untersucht werden, wie und an welchen Stellen das internationale Seehandelsrecht gänzlich oder zumindest weitgehend ohne staatlichen Einfluss auskommt und in welcher Form staatliche Regeln mit privat erzeugten Regeln zusammenwirken. Es soll damit eine Verbindung hergestellt werden zwischen dem Seehandelsrecht und Debatten innerhalb Rechtstheorie und der „Recht-und-Gesellschaft“Forschung. Folgende Hypothesen leiten die Untersuchung: 1. Private Institutionen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Regeln im internationalen Seehandel. Die in diesem Zusammenhang entwickelten Formen von Beteiligung der Betroffenen sind wichtige Beispiele für die Fähigkeit privater Akteure, Regeln zu schaffen, die Akzeptanz und darüber hinaus auch Legitimität für sich beanspruchen können (dazu in Kapitel 1). 2. Private Schiedsgerichte spielen im internationalen Seehandel eine weitaus wichtigere Rolle als staatliche Gerichte. Darüber hinaus haben private Schiedsgerichte die Chance, an der Schaffung eines globalen (transnationalen) Seehandelsrechts mitzuwirken (dazu in Kapitel 2). 3. In Bezug auf die Durchsetzung maritimer Forderungen halten Schiedssprüche gegenüber den Urteilen staatlicher Gerichte den großen Vorteil bereit, aufgrund internationaler Übereinkommen in fast allen Ländern der Welt vollstreckt werden zu können. Die Seehandelsbranche hat aber darüber hinaus bereits damit begonnen, private Governance-Mechanismen zu verwenden, um Transaktionssicherheit zu gewährleisten und damit von staatlicher Rechtsprechung und Vollstreckung unabhängig zu werden (dazu in Kapitel 3). 4. Sowohl die Seehandelsbranche als auch Nationalstaaten können mit bestimmten Maßnahmen dazu beitragen, ein transnationales Seehandels wissen wir im Voraus, dass es einen Entscheidungseinklang bei potentiellen Streitigkeiten nicht geben kann.“). 22 Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13.
C. Die Geschichte des (See-)Handelsrechts
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recht zu entwickeln und so bestehende Rechtsunsicherheit zu mildern oder zu beseitigen. Diese Hypothesen betreffen mehr als das Seehandelsrecht, denn ihre Bestätigung hat Auswirkungen auf eine ganze Reihe aktueller rechtswissenschaftlicher Entwicklungen. Es geht hierbei insbesondere auch um den Streit über das Bestehen einer Neuen Lex Mercatoria, die als Handelsrecht jenseits des Staates autonom neben staatlichem Recht besteht und abstrakter noch um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen transnationales Recht insgesamt als autonome Rechtsordnung angesehen werden kann.23 Um diesen Fragen nachgehen zu können, ist es zunächst erforderlich, einen groben theoretischen Rahmen zu stecken, innerhalb dessen die Untersuchung stattfinden soll und den Begriff des transnationalen Rechts etwas genauer zu fassen. Zuvor aber soll ein kurzer Überblick über die Geschichte des (See-)Handelsrechts eine erste Einführung in das Thema bieten und seine reichen Traditionen zumindest andeuten.
C. Die Geschichte des (See-)Handelsrechts C. Die Geschichte des (See-)Handelsrechts
Mit dieser Arbeit kann und soll kein ausführlicher und den Anforderungen von Historikern genügender Überblick über die Geschichte des Seehandelsrechts gegeben werden. Es geht vielmehr darum, die Grundlagen für spätere Überlegungen zu legen, um darauf zurückgreifen zu können. Insbesondere für die Suche nach einem globalen Recht ohne Staat ist es wichtig, die Grundlagen kaufmännischer Bräuche und Regeln zu verstehen, ohne deren Übersetzung in staatliches Recht voraussetzen zu müssen. Dieses Unternehmen wird wesentlich erleichtert, wenn ein Perspektivwechsel vorgenommen wird und Handelsrecht nicht als Ausfluss politisch geleiteter nationalstaatlicher Gesetzgebung, sondern als Kodifikation ohnehin bestehender Handelsbräuche verstanden wird. 24 Der Fokus dieses historischen Abrisses soll daher auf Umständen und historischen Gegebenheiten liegen, die für spätere Argumente grundlegend sind.
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Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290; Zumbansen, Lex Mercatoria, Schiedsgerichtsbarkeit und Transnationales Recht, RabelsZ 2003, 637–682. 24 So z. B. Berman/Kaufmann, The Law of International Commercial Transactions, 1978 Harv.Int'l L.J., 221–277, insbesondere S. 273, Fn. 197.
Einführung
8 I. Antikes Seerecht
Das Recht des Seehandels ist alt. Überlieferungen datieren erste (ungeschriebene) Regeln, das Rhodische Seerecht, zurück auf das 8. und 9. Jahrhundert vor Christus.25 Die Quellenlage aber ist dünn26 und der einzige historische Beleg für ein Seerecht von Rhodos ist dessen Erwähnung in den Digesten des Corpus Iuris Civilis.27 Bereits an dieser Stelle werden die Regeln über die Havarie erwähnt, die bis heute weitgehend unverändert fortbestehen. Ob nun ein Rhodisches Seerecht bereits lange vor christlicher Zeitrechnung bestand oder erst später von römischen Seefahrern den Griechen zugeschrieben wurde, ist für die späteren Überlegungen nicht entscheidend. Interessanter ist die Frage nach einer mittelalterlichen lex mercatoria, um die es maßgeblich im nächsten Abschnitt gehen soll. II. Mittelalterliches (See-)Handelsrecht Während in der Antike schriftliche Quellen über Regeln des Seehandels nicht oder nur sehr vereinzelt existierten, brachte das frühe Mittelalter bereits seehandelsrechtliche Kodifikationen hervor. Erste schriftliche Kodifikationen des Seehandelsrechts finden sich im 7. und 8. nachchristlichen Jahrhundert. 28 Hier ist insbesondere das byzantinisch-rhodische Seerecht erwähnenswert, weil es bereits zu dieser Zeit Regelungen für Schiffspfand 25
Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 109; Reddie, A Historical View of the Law of Maritime Commerce, 1841 (Neudruck 2005), S. 63. 26 Skeptisch in Bezug auf die Existenz eines Seerechts von Rhodos insbesondere Benedict, The Historical Position of the Rhodian Law, 1909 Yale L.J., 223–242, der nach genauer Quellenexegese nur wenige Hinweise auf eine Lex Rhodos gefunden hat. Die Leistung der Entwicklung eines antiken Seerechts will er den Römern zugutehalten, Benedict, The Historical Position of the Rhodian Law, 1909 Yale L.J., 223–242, S. 242. Bereits in der Oeconomischen Encyclopädie von Krünitz wird die Existenz eines Rhodischen Seerechts angezweifelt („Daß aber die angebliche Sammlung Rhodischer Gesetze in Griechischer Sprache, wie sie in Leunclavii Thesauro Juris Graeco Romani Th. II. und aus diesem in Vinnii notis ad Peckium de re nautica, im Anfange steht, nicht ächt sey, ist längst erwiesen. Wahrscheinlich ist diese Sammlung erst im 11ten oder 12ten Jahrhunderte und zum Theil aus den römischen Gesetzen zusammen getragen worden.“, Krünitz, Rhodisches Recht, 1773, S. 318. Unbeantwortet bleibt die Frage nach einer Existenz Rhodischen Rechts in vorchristlicher Zeit schließlich auch bei Hershey, The History of International Relations During Antiquity and the Middle Ages, 1911 AJIL, 901–933, S. 917. 27 Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Texte und Übersetzung, Digesten 11–20, 1999, Dig. 14.2. 28 Ashburner, The Rhodian Sea-Law, 1909/1976, ccix ff.; S. 96 ff.; Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 109.
C. Die Geschichte des (See-)Handelsrechts
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rechte und -hypotheken beinhaltete.29 Zu den wichtigsten bestätigten und geschriebenen Regeln des Seehandels gehören aber die Rôles d’Oléron, die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts den Seehandel in Europa weitgehend bestimmten.30 Weit wichtiger aber als einzelne Kodifikationen im Seehandelsrecht ist eine seit etwa dem 11. Jahrhundert einsetzende Entwicklung von lokalen Handelspunkten einerseits und transterritorialen Handelsbräuchen andererseits, die sich quasi in Ko-Evolution entwickelt haben. Die Lokalisierung von Handelsstätten vollzog sich dabei zunächst in Form einer Selbstbefreiung von zentraler Herrschaftsgewalt in Handelsstreitigkeiten, was insbesondere durch die Etablierung von spezialisierten kaufmännischen Sondergerichten erreicht wurde, die bei großen Märkten, Messen und Häfen eingerichtet waren. 31 Solche Gerichte waren besetzt mit einer Gruppe von Kaufleuten, die sich zur einen Hälfte aus einheimischen Händlern und zur anderen Hälfte aus fremden Kaufleuten zusammensetzte.32 Diese kannten die Probleme der Kaufmannschaft und waren mit deren Bräuchen vertraut. Die Lösung von Konflikten war orientiert an den Bedürfnissen der Händler und Kaufleute, was sich insbesondere auch in England zeigte, wo Equity als Verbindung von Gerechtigkeit und gutem Glauben zum Maßstab der rechtlichen Beurteilung handelsrechtlicher Streitigkeiten avancierte.33 Ein so verstandenes und angewendetes Konzept von Equity verband die wirtschaftlichen Erwartungen der Kaufleute mit der ebenfalls erwarteten und für den Handel unerlässlichen Rechtssicherheit.34 Es ging vor allem darum, Konflikte schnell und wirtschaftlich zu lösen, um so die eigentliche Aufgabe, nämlich den Handel, nicht durch Rechtsstreitigkeiten zu behindern.35 Zusammen mit der Lokalisierung von Märkten, Handelsstätten und Gerichtsstätten vollzog sich gleichzeitig auch ein Austausch nicht nur von Waren, sondern auch von Bräuchen und Regeln. Die Mobilität der Händler führte zu einer Verbreitung der Regeln von Gerichten einzelner Märkte
29 Reddie, A Historical View of the Law of Maritime Commerce, 1841 (Neudruck 2005), S. 126. 30 Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 110. 31 Mitchell, Essay on the Early History of the Law Merchant, 1903, S. 24 f. 32 Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 49. 33 Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, S. 11; Mitchell, Essay on the Early History of the Law Merchant, 1903, S. 16. 34 Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, S. 11. 35 Laut dem im mittelalterlichen England berühmten Chief Justice Sir Edward Coke mussten die Messgerichte so schnell entscheiden, wie „der Staub von den Füßen der Kaufleute fiel“. Zitiert nach Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 49.
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Einführung
und Städte, was im Einzelfall dazu führen konnte, dass Handelsbräuche weit über die Grenzen von deren Entstehungsorten hinaus bekannt wurden und Wirksamkeit entfalteten. Beispiele hierfür sind die bereits erwähnten Rôles d’Oléron, die als Kodifikation der Bräuche und Handelsregeln der Insel Oléron im 12. Jahrhundert entstanden, der Consulato del Mare, der seit dem 14. Jahrhundert weit über seinen Entstehungsort Barcelona hinaus bekannt und angewendet wurde, und schließlich die Wisby-Regeln, die unter baltischem Einfluss ab dem 16. Jahrhundert große Verbreitung erlangten.36 All diese Regeln enthielten niedergeschriebene Handelsbräuche, die die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Kaufleute widerspiegelten, und waren nicht etwa Recht in Form von hoheitlich verordneten Sollensnormen.37 Die Verbreitung solcher lokaler Regeln war indes nicht unproblematisch. Denn die mittelalterliche Kaufmannschaft war keine homogene Gruppe. Vielmehr führten unterschiedliche Sprachen, kulturelle Hintergründe, Kommunikationsschwierigkeiten über große Distanzen und letztlich auch fehlendes Vertrauen untereinander zu großen Problemen in der Durchführung von Transaktionen, die nur durch eine Vereinheitlichung der etablierten Bräuche und Regeln gelöst werden konnten.38 Ergebnis dieser Schwierigkeiten, die durch die Verbreitung lokaler Regeln entstanden waren, war eine Vereinheitlichung gemeinsamer Regeln in einer überregionalen lex mercatoria, die im Streitfall lokales Recht auch verdrängte.39 Diese mittelalterliche lex mercatoria diente in vielerlei Hinsicht als Vorbild für heutige Diskussionen um eine Neue Lex Mercatoria, ein New Law Merchant.40
36 Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, S. 4; Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 111. 37 Malynes, Lex Mercatoria, 1686 schreibt in der Einleitung zu seinem frühen Werk über das mittelalterliche Handelsrecht: „I have intituled the Booke according to the ancient name of Lex Mercatoria and not Ius Mercatorum because it is customary Law approved by the authorities of all Kingdomes and Commonweales, and not a Law established by the Soveraigntie of any Prince.” Zitiert nach Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, S. 5. 38 Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, S. 8–9. 39 Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, S. 9. Kritisch zur historischen Bewertung der Lex Mercatoria Cordes, Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen Lex Mercatoria, ZRG-GA 2001, 168–184, S. 172 ff. sowie Dasser, Mouse or Monster? Some Facts and Figures on the lex mercatoria, 2008, 129–157, S. 155. 40 Für eine frühe Identifizierung dieses Phänomens siehe Schmitthoff, International Business Law: A New Law Merchant, 1961 CLSP, 129–142; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 59.
D. Seehandelsrecht heute: transnational und privatisiert
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III. Handelsrecht in der Moderne Das Handelsrecht der Moderne ist gekennzeichnet von den Entwicklungen, die diese Epoche wesentlich ausmachen. Insbesondere die Staatenbildung und die damit einhergehende Idee der Kodifizierung von Recht als Ausdruck der Souveränität des Gesetzgebers und als bewusster Schöpfungsakt des Volkes, das seine Macht gerade erst durch die Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts erlangt hatte, hatte massive Einflüsse auf das Handelsrecht. 41 Die Entwicklung territorial definierter Nationalstaaten hatte auch einen Wechsel des institutionellen Rahmens des Handels zur Folge. Die Erkenntnis, dass eine starke Wirtschaft auch zu nationalem Wohlstand führt, hat die Steuerungsphantasien nationalstaatlicher Gesetzgeber beflügelt. Die Kontrolle über das Handelsrecht und damit den Handel selbst versprach Kontrolle über die Wirtschaft und so waren die Lokalisierung und Nationalisierung des Handelsrechts nur eine logische Folge.42 Jedoch spielte nicht nur die nationalstaatliche Kontrolle des Handelsrechts eine wichtige Rolle bei dessen Nationalisierung, sondern insbesondere die Abschaffung der mittelalterlichen kaufmännischen Sondergerichte und die Unterwerfung handelsrechtlicher Streitigkeiten unter nationales Recht. 43 Die Gründe für die Nationalisierung des Handelsrechts waren vielfältig44 und der Prozess war uneinheitlich und vollzog sich keinesfalls gleichzeitig. 45 Die Ergebnisse aber waren die gleichen: Das Handelsrecht verlor seinen universellen Charakter, den es im Mittelalter gewonnen hatte und musste sich in das Korsett nationalstaatlicher Kodifizierung einpassen.
D. Seehandelsrecht heute: transnational und privatisiert D. Seehandelsrecht heute: transnational und privatisiert
Derartige Nationalisierungstendenzen haben in den letzten Jahrzehnten immer stärker werdende Gegenbewegungen erlebt. Darauf weisen Diskussionen um eine Neue Lex Mercatoria im Zusammenhang mit aktuellen
41 Cutler, Global Power and Private Authority, 2003, S. 141 ff.; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 50. 42 In diesem Sinne beschreibt Cutler, Global Power and Private Authority, 2003, S. 144 den institutionellen Wandel im Zuge der nationalstaatlichen Entwicklung. 43 Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Common Heritage Part II – The Modern Law Merchant, 1981 J.Mar.L. & Com., 153–182, S. 157. 44 Cutler, Global Power and Private Authority, 2003, S. 146 beschreibt als Gründe für Nationalisierungs- und Vereinheitlichungstendenzen im Handelsrecht die Konsolidierung des Common Law-Systems in England, die Durchführung der durch die Revolution eingeführten Ideale in Frankreich, die politische Vereinigung der deutschen Teilstaaten in Deutschland und die Übernahme des englischen Handelsrechts und dessen Einführung in den USA. 45 Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 50 f.
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Einführung
Globalisierungstendenzen deutlich hin. Der zunehmende Bedeutungsverlust nationalstaatlicher Souveränität, der zunehmende Bedeutungsgewinn grenzüberschreitenden globalen Handels und die damit einhergehende Entstehung einer globalen Zivilgesellschaft fördern die Entstehung privater Rechtsregeln und die Etablierung privater Rechtsdienstleister. Global handelnde Anwaltsfirmen und erfolgreich institutionalisierte private Schiedsgerichte für viele Branchen bieten den Rahmen für die Erzeugung von Recht durch private Akteure.46 Das Seehandelsrecht war ebenso wie andere Teile des Handelsrechts der Nationalisierung unterworfen und auch heute noch sehen etablierte Seehandelsrechtler den Kern des Seehandelsrechts im 5. Buch des HGB. 47 Eine genaue Betrachtung aber wird zeigen, dass das Seehandelsrecht sich schon in bedeutenden Bereichen und durchaus umfangreich aus dem Korsett nationalstaatlicher Gesetzgebung befreit hat und dass die Gegenbewegungen der Privatisierung des Seehandelsrechts auch weiterhin andauern. Solche Emanzipationsbestrebungen werden unter den Stichworten transnationales Recht, New Law Merchant oder Neue Lex Mercatoria diskutiert. Die Begriffsverwendung erfolgt dabei oftmals synonym, teilweise aber auch mit inhaltlichen Unterschieden. Da transnationales Recht gerade nicht aufgrund staatlicher Setzung entsteht, gehört es zu den Eigenheiten der Debatte darum, auf ausschließlich staatsbezogene Rechtstheorien zu verzichten. Das gilt selbst dann, wenn transnationales Recht im Kontext einer – zwar veränderten aber dennoch vorhandenen – Staatlichkeit thematisiert wird. Wichtig ist die Akzeptanz der Möglichkeit eines „Law without the State“, auch wenn dieses stets im Zusammenhang mit staatlichem und internationalem Recht zu sehen ist. Das Verhältnis von transnationalem Recht einerseits und staatlichem oder internationalem Recht andererseits soll im Laufe dieser Untersuchung eine hervorgehobene Stellung einnehmen. Zuerst soll es aber darum gehen, einen Rahmen für die spätere Untersuchung zu stecken und den Begriff des transnationalen Rechts einzugrenzen. I. Transnationales Recht Im deutschen Sprachraum lässt sich der Begriff des transnationalen Rechts bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen. Bereits im Jahr 1931 sprach Max Gutzwiller von „transnationalen Normen“, „transnationalem IPR“ und
46 Für die Bedeutung international tätiger Anwaltsfirmen siehe Sosa, Cross-Border Dispute Resolution from the Perspective of Mid-sized Law Firms: The Example of International Commercial Arbitration, 2009, 107–155. Beispiele für die Entstehung autonomer Rechtsregimes außerhalb staatlicher Einflussspähren siehe Fischer-Lescano/ Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006. 47 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 20.
D. Seehandelsrecht heute: transnational und privatisiert
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„transnationalem materiellen Recht“.48 Gutzwiller meinte damit international übliche Verweisungsnormen und sprach in diesem Zusammenhang von transnationalen Normen. 49 In einem ähnlichen Zusammenhang sprachen auch Ernst Rabel von „trans-national rules“50 und Gustav Walker von „sogenanntem ‚transnationalen‘ Privatrecht“.51 Dieser frühe Begriff des transnationalen Rechts als international gemeinsames Recht ist aber heute Begriffen wie „staatsvertragliches IPR“ oder „internationales Einheitsrecht“ gewichen.52 Weltweite Beachtung fand der Begriff des transnationalen Rechts erst, nachdem der amerikanische Rechtswissenschaftler und Richter am Internationalen Gerichtshof Philip C. Jessup im Jahr 1956 in den von ihm gehaltenen Storrs Lectures on Jurisprudence an der Yale Law School das transnationale Recht zum Gegenstand seines Vortrags gemacht hatte.53 Seither wird der Begriff in der Rechtswissenschaft geradezu inflationär und mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verwendet.54 Nicht weniger als vier amerikanische Law Journals haben sich ausschließlich oder weitgehend der Untersuchung dieses Phänomens gewidmet 55 und in Deutschland haben sich bereits verschiedene Forschungsstellen zum transnationalen Recht wie zum Beispiel das CENTRAL (Center for Transnational Law) 56 oder die Forschungsstelle für Transnationales Wirtschaftsrecht57 etabliert. Die Literatur zum Thema ist mittlerweile kaum mehr überschaubar.58 Insbesondere die unterschiedlichen Bedeutungskontexte des Begriffs machen seine Verwendung problematisch. Die geradezu überbordende Literatur zum Thema hat dazu geführt, dass der Begriff des transnationalen
48 Gutzwiller, Das Internationalprivatrecht der durch die Friedensverträge eingesetzten Gemischten Schiedsgerichtshöfe, Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen 1931, 123–152. 49 Gutzwiller, Das Internationalprivatrecht der durch die Friedensverträge eingesetzten Gemischten Schiedsgerichtshöfe, Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen 1931, 123–152, S. 128. 50 Rabel, The conflict of laws: a comparative study, 1945, Bd. 1, S. 39. 51 Walker, Internationales Privatrecht, 1934, S. 13. 52 Siehr, Sachrecht im IPR, Transnationales Recht und Lex Mercatoria, 1985, 103– 126, S. 109. 53 Jessup, Transnational Law, 1956. 54 Fälschlicherweise wird die Erfindung des Begriffs „transnational“ oftmals Jessup zugeschrieben. Er selbst nennt aber in Fußnote 3 seines Textes Quellen, aus denen er seinerseits den Begriff übernommen hat, Jessup, Transnational Law, 1956, S. 2. 55 Columbia Journal of Transnational Law; Vanderbilt Journal of Transnational Law; Journal of Transnational Law and Policy; Transnational Law and Contemporary Problems. 56 http://www.central.uni-koeln.de/ (zuletzt besucht am 06.02.2012). 57 http://www2.jura.uni-halle.de/telc/(zuletzt besucht am 06.02.2012). 58 Für einen groben Überblick über die Literatur zum transnationalen Wirtschaftsrecht siehe zum Beispiel nur http://www.tldb.net/ (zuletzt besucht am 06.02.2012).
Einführung
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Rechts immer mehr an Kontur verloren hat, sodass es notwendig erscheint, die jeweils eigene intendierte Bedeutung zunächst zu erläutern, um Klarheit über den Gegenstand der eigenen Untersuchung zu schaffen.59 Es sollte sich daher die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen derart unkonturierten Begriff einzuführen. Es besteht damit die Gefahr, an der Verwässerung des Begriffs mitzuwirken. Der Begriff des transnationalen Rechts ist allerdings inzwischen so weit verbreitet, dass eine Teilnahme an den entsprechenden wissenschaftlichen Debatten ohne Bezugnahme auf transnationales Recht kaum mehr möglich ist. Es ist gerade die Suche nach einem gemeinsamen Begriffsrahmen, die auch einen großen Teil der Debatten ausmacht, die darum geführt werden.60 Um den Begriff sinnvoll zu nutzen, ist es daher erforderlich, den Rahmen und den Kontext seiner Verwendung vorab festzulegen. Dazu werden im Folgenden zunächst die wichtigsten Verwendungskontexte vorgestellt, um dann den Rahmen der eigenen Verwendung abzustecken. 1. Verwendungskontexte a) Transnationales Recht als Recht der grenzüberschreitenden Sachverhalte Philip Jessups Ausgangspunkt für die Verwendung des Begriffs „transnational law“ ist ein Defizit. Er erkennt die Notwendigkeit, soziale und auch politische und rechtliche Phänomene einer sich für ihn abzeichnenden Weltgesellschaft („world community“) zu beschreiben, findet aber mit dem ihm in der traditionellen staatszentrierten Semantik zur Verfügung stehenden Begriff des Internationalen keinen adäquaten Beschreibungsrahmen, weil seine staatszentrierte Bedeutung auf Verhältnisse allein zwischen den Nationen zu eng sei.61 Vielmehr hatte Jessup erkannt, dass eine im Entstehen begriffene „Weltgesellschaft“ nicht nur aus Staaten bestehen könne, sondern dass auch private Akteure wie multinationale Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle in der Konfliktlösung grenzüberschreitender Sachverhalte spielen würden. Aus diesem Grund führte er den Begriff des transnationalen Rechts ein. Dieser Begriff erfasse alles Recht, das Handlungen oder Ereignisse reguliert, die nationale Grenzen überschreiten, und zwar sowohl staatliches als auch internationales Recht und darüber hinaus auch Regeln, die nicht in diese Kategorien pas 59
So zum Beispiel Wai, The Interlegality of Transnational Private Law, 2008 LCP, 107–127, S. 107 („This article describes transnational private law as a decentralized and intermediate form of transnational governance that recognizes and manages the multiplicity of norms generated by plural normative systems in our contemporary world society.“). 60 Ein umfassender Überblick findet sich bei Zumbansen, Transnational Law, 2006, 738–754. 61 Jessup, Transnational Law, 1956, S. 2.
D. Seehandelsrecht heute: transnational und privatisiert
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sen.62 Jessups Definition ist gerade im Kontext der Globalisierungsdebatte noch immer hochaktuell, weil vor allem dort deutlich wird, wie wenig sich die Dichotomie von nationalem und internationalem Recht eignet, um grenzüberschreitende Regelungsphänomene adäquat zu beschreiben.63 In der Tat erscheint es verkürzt, den traditionellen Nationalstaat in den Mittelpunkt einer Untersuchung zu rücken. Genau dies aber implizieren die Begriffe national und international. Insbesondere das internationale Recht, das wörtlich übersetzt als Recht „inter nationes“ das Recht zwischen den Staaten ist, erfasst gerade nicht solche Phänomene, die sich außerhalb des staatlichen Rahmens vollziehen. Vielmehr regelt das internationale Recht als public international law oder auch Völkerrecht Beziehungen zwischen Staaten. 64 Sukzessive wird als Völkerrecht darüber hinaus auch das Recht internationaler Organisationen angesehen.65 Jedenfalls aber werden die Beziehungen zwischen privaten Rechtssubjekten untereinander sowie die Einflüsse privater Akteure auf die Entstehung von Regeln und Recht nicht erfasst. Das internationale Privatrecht im Gegensatz dazu umfasst diejenigen (nationalen) Rechtsregeln, nach denen entschieden wird, welche von mehreren nationalen Privatrechtsordnungen zur Entscheidung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts herangezogen wird.66 Auch hier passen private Akteure nicht in den Beschreibungsrahmen. Im Gegensatz dazu beschreibt der Begriff des transnationalen Rechts Sachverhalte, die diese engen Grenzen des nationalen und internationalen Rechts transzendieren. Dieser Umstand macht den Begriff attraktiv, weil er ausgesprochen weit ist. Zugleich ist dies aber auch sein Problem. Insbesondere vor dem Hintergrund des weltweit expandierenden Handels verliert Jessups Begrifflichkeit an Schärfe. Wenn im grenzüberschreitenden Handel alle Transaktionen als transnational im Sinne Jessups gekennzeichnet werden müssen, ist eine sinnvolle begriffliche Abgrenzung nicht mehr möglich. Von transnationalem Recht in Jessups Sinne wären sowohl rein
62 Jessup, Transnational Law, 1956, S. 2 („[…] I shall use, instead of ‘international law’, the term ‘transnational law’ to include all law which regulates actions or events that transcend national frontiers. Both public and private international law are included, as are other rules which do not wholly fit into such standard categories.”). 63 Siehe hierzu zum Beispiel Zumbansen, Transnational Law, 2006, 738–754, S. 738; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 212 ff. 64 Vitzthum/Bothe, Völkerrecht, 2010, S. 6 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 2009, S. 2; Zumbansen, Die vergangene Zukunft des Völkerrechts, KJ 2001, 46–68. Für die nahezu deckungsgleiche Definition im angloamerikanischen Rechtsraum siehe Gifis, Barron's Law Dictionary, 2003, S. 265. 65 Boyle/Chinkin, The making of International Law, 2007, S. 41 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 2009, S. 88 ff.; Vitzthum/Bothe, Völkerrecht, 2010, S. 13; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 213. 66 Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, S. 1; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2000, S. 4–24.
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nationalstaatliche Normen erfasst, die grenzüberschreitende Sachverhalte regeln, als auch das internationale Privatrecht und letztlich darüber hinaus auch Regeln des internationalen Handels, die von privaten Akteuren aufgestellt werden, wie zum Beispiel die Incoterms der Internationalen Handelskammer. Insoweit liegt die Schwäche von Jessups Begriff in dem Umstand, dass er sich nicht auf eine bestimmte Rechtsquelle bezieht, sondern lediglich eine Aussage über die Reichweite des zu beurteilenden Sachverhalts trifft. Aus diesem Grund rücken seit den 1950er- und vor allem den 1960erJahren die Bemühungen insbesondere von Handelsrechtlern in den Vordergrund, den Begriff des transnationalen Rechts einzugrenzen und ihm klarere Konturen zu verleihen. Sie versuchen, transnationales Recht im Sinne eines transnationalen Handelsrechts zu konzeptualisieren und verfolgen damit dieselben Ziele wie die Anhänger der Lehre von der Neuen Lex Mercatoria.67 b) Transnationales Recht und Neue Lex Mercatoria als Rechtsquellen Am 04. Oktober 1956 erschien in der französischen Tageszeitung Le Monde ein Artikel von Berthold Goldman über die Betreibergesellschaft des Suezkanals.68 Dieser Text wird als der Beginn der Debatte um eine Neue Lex Mercatoria gewertet. 69 Goldman stellte dabei heraus, dass diese Gesellschaft keinem einzelnen Staat oder einer einzelnen Rechtsordnung zugeordnet werden könne. Vielmehr handele es sich bei der Betreibergesellschaft des Suezkanals um „une société internationale, relevant directement de l'ordre juridique international“. 70 Den Begriff des transnationalen Rechts verwendete Goldman später mit Verweis auf Jessup, um damit ein grenzüberschreitendes Handelsrecht zu kennzeichnen. 71 Bis heute besser bekannt und bestimmend für die Debatte um eine Neue Lex Mercatoria ist aber Clive Schmitthoffs Untersuchung aus dem Jahr 196172, die er in den folgenden Jahren immer wieder mit unterschiedlichen Akzenten ausgeführt
67 Siehr, Sachrecht im IPR, Transnationales Recht und Lex Mercatoria, 1985, 103– 126, S. 111 f. 68 Goldman, La Compagnie de Suez – société international, 1956 Le Monde, 3. 69 Berger, Berthold Goldman, Philippe Fouchard and Philippe Kahn – The Rebirth of the Lex Mercatoria by the French School, www.trans-lex.org/000001 (zuletzt besucht am 06.02.2012). 70 Goldman, La Compagnie de Suez – société international, 1956 Le Monde, 3. 71 Goldman, Frontières du droit et „lex mercatoria“, 1964 Arch.de Phil.du Droit, 177– 192, S. 184. 72 Schmitthoff, International Business Law: A New Law Merchant, 1961 CLSP, 129– 142. Eine deutsche Abwandlung des englischen Textes ist Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77.
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hat.73 Zu den frühen Protagonisten der Bewegung zählen neben Schmitthoff und Goldman 74 auch Eugen Langen 75, Aleksandar Goldstajn76, Charalambos Fragistas77 und Gyula Eörsi78. Transnationales Recht wird in diesem Zusammenhang als Tertium neben nationalem und internationalem Recht angesehen79, das unter anderem als Neue Lex Mercatoria vor allem von der internationalen Kaufmannschaft geschaffen und fortgebildet wird. 80 Diese Bezeichnung schließt an das universelle Kaufmannsgewohnheitsrecht, die „lex mercatoria“, des Mittelalters an, das, wie zuvor im Rahmen des historischen Abrisses des Seehandelsrechts bereits beschrieben, von der internationalen Kaufmannschaft auf den Märkten und Foren der Handelsplätze gebildet wurde.81 Die im Zuge der Bildung der Nationalstaaten erfolgte Kodifizierung des Handelsrechts hat dieses Gewohnheitsrecht in den Hintergrund gedrängt, bevor die Globalisierung der Märkte zur Bildung eines „Welthandelsrechts“ in
73 Beispielhaft seien hier nur genannt: Schmitthoff, International Trade Law and Private International Law, 1963, 257–272; Schmitthoff, The Law of International Trade, its Growth, Formulation and Operation, 1964, 3–38; Horn/Schmitthoff (Hrsg.), The Transnational Law of International Commercial Transactions, 1982. 74 Siehe neben den bereits zitierten Werken insbesondere auch Goldman, Lex Mercatoria, Forum Internationale 1983, 3–23. 75 Langen, Vom Internationalen Privaterecht zum transnationalen Handelsrecht, NJW 1969, 358–360; Langen, Transnationales Handelsrecht, NJW 1969, 2229–2233; Langen, Transnational Commercial Law, 1973; Langen, Transnationales Recht, 1981. 76 Goldstajn, The New Law Merchant, 1961 J.B.L., 12–17; Goldstajn, International Conventions and Standard Contracts as Means of escaping from the Application of Municipal Law, 1964, 103–117; Goldstajn, The New Law Merchant Reconsidered, 1973, 171–185. 77 Fragistas, Arbitrage étranger et arbitrage international en droit privé, 1960 RCDIP, 1–20. 78 Eörsi, Regional and Universal Unification of the Law of International Trade, 1967 J.B.L., 144–150. 79 Calliess versteht das transnationale Recht in einem von ihm skizzierten „Tetralemma des globalen Rechts“ als eine Kategorie, die weder nationales noch internationales Recht ist, sondern sich aus der Dichotomie beider Begriffe denklogisch ergibt, Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 219, Tab. 3; zur Denkfigur des Tetralemmas und seiner Anwendung auf das Recht siehe Calliess, Das Tetralemma des Rechts, ZfRSoz 2000, 293–314. 80 Berger, The Creeping Codification of Lex Mercatoria, 1999, 42 f.; in diesem Sinne versteht Calliess auch den von ihm so bezeichneten post-etatistischen Ansatz, Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006, S. 216 ff. 81 Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 49; ausführlich wird dieses Narrativ von Trakman, The Evolution of the Law Merchant: Our Commercial Heritage – Part I, 1980 J.Mar.L. & Com., 1–24, beschrieben. Siehe aber dazu erneut Cordes, Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen Lex Mercatoria, ZRG-GA 2001, 168–184, der sich gegen eine solche Interpretation wendet und in der mittelalterlichen Rechtswirklichkeit kein einheitliches Kaufmannsrecht entdecken kann.
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der Form von internationalen Übereinkommen, Handelsbräuchen, einheitlichen Formularen und internationalen Schiedssprüchen geführt hat, das Tendenzen einer eigenen Autonomie aufweist.82 Solche Bräuche und Formulare bilden einen „common core“ des internationalen Handelsrechts. Zudem bilden die privaten Schiedsgerichte zum Beispiel der internationalen Handelskammer ICC, aber insbesondere auch auf dem Gebiet des Seehandelsrechts die Schiedsgerichte der London Maritime Arbitrators Association (LMAA), der in New York ansässigen Society of Maritime Arbitrators (SMA) oder der deutschen German Maritime Arbitrators Association (GMAA) Spruchkörper aus, die ein privat erzeugtes Recht des Welthandels durch ihre Entscheidungen mit bilden und verwalten. Hintergrund einer solchen Sichtweise ist ein rechtssoziologisch beeinflusstes Rechtsverständnis, das Recht interdisziplinär als „lebendes Recht“83 begreift. Dabei wird gesellschaftlichen Prozessen ebenso wie einem nationalen Gesetzgeber rechtserzeugende Kraft zugemessen. 84 Von transnationalem Recht wird in diesem Kontext gesprochen, um Normen und Normentstehungsprozesse zu kennzeichnen, die sich abseits von traditionellen nationalen oder internationalen Rechtsquellen vollziehen und von Staaten nicht beeinflusst werden. Die globale Zivilgesellschaft selbst deckt so ihren Normbedarf, ohne auf einen Rückgriff auf nationale oder internationale Gesetzgeber angewiesen zu sein.85 Ein solcher Begriff von transnationalem Recht bietet einige Vorteile gegenüber dem von Jessup vorgeschlagenen Verständnis. Eine Definition von transnationalem Recht, die darauf abstellt, dass solches Recht von privaten Akteuren geschaffen und angewendet wird, bietet deutliche Abgrenzungskriterien zu anderen Rechtsphänomenen im internationalen Raum. Wenn transnationales Recht dadurch von anderen Formen des Rechts unterschieden werden kann, dass es seinen Ursprung im Handeln privater Akteure hat, kann es ohne weiteres von nationalem und internationalem 82
Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77, S. 58–77. Der Begriff des lebenden Rechts wurde im deutschsprachigen Raum von Eugen Ehrlich geprägt, der das Recht immer auch als gesellschaftliche Wirklichkeit verstanden hat („Der Schwerpunkt der Rechtsentwicklung liegt auch in unserer Zeit, wie zu allen Zeiten, weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtsprechung, sondern in der Gesellschaft selbst.“), Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913), S. 390; im amerikanischen Recht gibt es eine ähnliche Entwicklung, die als Rechtsrealismus bezeichnet wird und ihren Ausgang unter anderem in dem Beitrag Law in the Books and Law in Action nahm, Pound, Law in Books and Law in Action, 1910 Am.Law Rev., 12–36. 84 Zur rechtserzeugenden Kraft gesellschaftlicher Prozesse siehe insbesondere auch Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290. 85 Teubner, Privatregimes: Neo-spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft, 2000, 437–453, S. 438. 83
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Recht unterschieden werden, dessen Charakteristikum seine staatliche Setzung ist. Das „Entweder-oder“ der Dichotomie von nationalem und internationalem Recht wird ergänzt durch ein „Weder-noch“ des transnationalen Rechts. So gewinnt der Begriff des transnationalen Rechts gegenüber der von Jessup vorgeschlagenen Definition erheblich an Schärfe. Allerdings ist ein derartiges Verständnis von transnationalem Recht nicht unumstritten. Kritiker wenden sich insbesondere gegen die Forderung der Autonomie eines solchen privat erzeugten transnationalen Rechts. 86 Die Gegner einer autonomen Neuen Lex Mercatoria führen mit ihren Hauptargumenten an, dass es einerseits eine Rechtsordnung nicht geben könne, die lediglich auf Verträgen und Übungen beruhe. Es gebe keinen „rechtsordnungslosen Vertrag“. Die Billigung der Regelungen hänge vielmehr stets vom staatlichen Recht ab.87 Andererseits könne auch nicht von einer autonomen Schiedsgerichtsbarkeit ausgegangen werden, denn auch Schiedsgerichte hätten unter Einschaltung des internationalen Privatrechts nach staatlichem Recht zu entscheiden.88 Ohne näher auf den Streit zwischen Befürwortern und Gegner der Lehre von der Neuen Lex Mercatoria einzugehen 89 , wird hier ein dritter Weg vorgeschlagen. Dabei soll transnationales Recht zunächst (noch) nicht als geschlossenes autonomes System angesehen werden, sondern vielmehr Transnationalisierung als Prozess und das Recht als Teil dieses Prozesses begriffen werden. c) Transnationalisierung als Prozess Zum besseren Verständnis der Rolle des Rechts in der Transnationalisierung von wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Prozessen ist es 86
Dazu Siehr, Sachrecht im IPR, Transnationales Recht und Lex Mercatoria, 1985, 103–126, S. 115. 87 Reimann, Zur Lehre vom „rechtsordnungslosen“ Vertrag, 1970, S. 60; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht: zu Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts, 1981, S. 331 f. 88 Mann, Internationale Schiedsgerichte und nationale Rechtsordnung, ZHR 1967, 97– 129; S. 101 ff.; Mann, Lex Facit Arbitrum, 1967, 157–183, S. 159 ff. 89 Siehe dazu insbesondere auch im Hinblick auf die später noch zu erörtenden einheitlichen Richtlinien für Dokumentenakkreditive den ausgezeichneten Überblick von Grundmann, Lex Mercatoria und Rechtsquellenlehre, 1991, 43–70. Siehe auch die voraussetzungsreichen Ausführungen von Teubner, Die unmögliche Wirklichkeit der Lex Mercatoria, 1998, 565–588, der auf den eigenartigen Charakter der Neuen Lex Mercatoria als Recht und Nicht-Recht zugleich hinweist. Interessant im Zusammenhang mit dem Recht des internationalen Warenkaufs die ablehnende Haltung von Herber, „Lex mercatoria“ und „Principles“ – gefährliche Irrlichter im internationalen Kaufrecht, IHR 2003, 1–10, der allerdings stark in einer staatszentrierten Auffassung von Recht verhaftet ist und die Hoffnung auf eine Rechtsvereinheitlichung durch staatliches und internationales Recht aufrecht erhält.
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sinnvoll, das Recht nicht neben oder über solchen Prozessen zu sehen, sondern in deren Mitte. Ausgehend vom ursprünglichen Verständnis Jessups, der als transnationales Recht alles Recht ansehen wollte, das grenzüberschreitende Sachverhalte regelt, und zwar unabhängig davon, ob die angewendeten Normen öffentlicher oder privater, nationaler oder internationaler Natur waren, sprechen die Vertreter einer prozessorientierten Begriffsdeutung von transnationalem Recht, wenn bei der Entstehung von Recht Prozesse der Globalisierung (Internationalisierung) ebenso eine Rolle spielen wie Prozesse der Privatisierung. 90 Ein naheliegendes Anwendungsgebiet für diesen Bedeutungskontext ist das öffentliche Recht, in dem private Akteure keine ausschließliche Rolle spielen, sondern der hoheitliche Charakter des Rechtsverhältnisses wesentlich ist. Das weitet allerdings zugleich den Anwendungsbereich des Begriffs enorm aus. Die Trennschärfe eines Verständnisses von transnationalem Recht, das allein aus privater Feder entspringt, wird durch diese Sichtweise weitgehend eingebüßt. Jedoch eröffnen sich zugleich auch neue Perspektiven, die ein Verständnis des transnationalen Rechts lediglich als selbst geschaffenes Recht des globalen Handels 91 nicht bietet. Empirische Untersuchungen zeigen zudem, dass in der Praxis des internationalen Handels keinesfalls ausschließlich privat erzeugte Normen zur Anwendung kommen, sondern dass je nach Bedarf privat erzeugte Normen und staatliches Recht, private Streitentscheidungsinstitutionen oder staatliche Gerichte herangezogen werden.92 So entsteht in der Praxis des globalen Handels ein Institutionencocktail, der sich aus privaten und öffentlichen Regelungsinstrumenten zusammensetzt. Dieser Befund scheint sich in aktuellen Debatten fortzusetzen und der Fokus von einem Verständnis transnationalen Rechts als rein privat geschaffenes Recht verschiebt sich auf ein Verständnis von transnationalem Recht, das sich durch ein maßgeschneidertes Zusammenspiel staatlicher und privater Mechanismen auszeichnet, die zur Streitschlichtung
90 Siehe in diesem Sinne zum Beispiel jüngst Fischer-Lescano, Transnationales Verwaltungsrecht, JZ 2008, 373–383, S. 374 f. Bereits früher ist der Befund einer „Zerfaserung“ des Nationalstaats durch Tendenzen der Internationalisierung und der Privatisierung in dem Band Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008 diagnostiziert worden, siehe insbesondere Hurrelmann/Leibfried/ Martens/Mayer, Die Zerfaserung des Nationalstaats: Ein analytischer Rahmen, 2008, 21– 53 und Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer, Die Transformation des Nationalstaats: Ergebnisse und Perspektiven, 2008, 303–322. 91 Siehe zu der Idee eines selbst geschaffenen Rechts der Wirtschaft bereits Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, 1933. 92 Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, 2008, 143–175. In die gleiche Richtung geht auch Basedow, The State's Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 2008 Am.J.Comp.L., 704–721, S. 718 ff.
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und Regulierung grenzüberschreitender Sachverhalte herangezogen werden.93 Wohlgemerkt, nicht etwa das Erfordernis staatlicher Gewährleistung privat gesetzter Normen führt zu einer Rückverlagerung des Verständnisses von transnationalem Recht auch auf staatliche und internationale Institutionen. 94 Denn auch nichtstaatliche Institutionen sind in der Lage, Rechtssicherheit zu gewährleisten.95 Es ist vielmehr ein Wettbewerb staatlicher und nichtstaatlicher Regulierungsinstrumente, der für die Zusammensetzung des Institutionencocktails sorgt. 96 Vor diesem Hintergrund erscheint die Verwendung dieser Begrifflichkeit eher geeignet, die unterschiedlichen Regelungskontexte des Rechts des grenzüberschreitenden Seehandels zu beschreiben. Transnationales Recht steht dann nicht allein für die Bearbeitung grenzüberschreitender Sachverhalte und nicht allein für eine Rechtsquelle, sondern vielmehr für eine Methode des Rechts und der Rechtswissenschaft, mit Globalisierungsprozessen umzugehen, die staatliches Recht mit seinem Instrumentarium nicht bewältigen kann.97 2. Reichweite und Bedeutung der Begrifflichkeit Ungeachtet der unterschiedlichen Verwendungskontexte des Begriffs transnationales Recht deutet der breite Gebrauch bereits seine große Attraktivität für eine ganze Reihe von Bereichen der Rechtswissenschaft an. Das Bedürfnis, neue Rechtsphänomene zu erkennen und zu beschreiben, weil traditionelle Rechtsbegriffe weder in der Lage sind, Realität zutreffend zu beschreiben noch Lösungsansätze für neu entstehende Rechtsfragen zur Verfügung zu stellen, ist groß. Wirtschaftliche Globalisierung erfordert rechtliche Lösungen, die staatliches Recht wie auch internationales Recht nicht zur Verfügung stellen können. Indem transnationales Recht Bewegungen von Globalisierung und Privatisierung nachvollzieht und mit
93 Calliess/Hoffmann, Effektive Justizdienstleistungen für den globalen Handel, ZRP 2009, 1–5. 94 So aber wohl Röthel, Lex mercatoria, lex sportiva, lex technica – Private Rechtsetzung jenseits des Nationalstaates?, JZ 2007, 755–763, S. 763. 95 Siehe hierzu jüngst Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010. Grundlegend zum Beispiel Charny, Nonlegal Sanctions in Commercial Relationships, 1990 Harv.L.Rev., 373–467. 96 Instruktiv zum Wettbewerb von privater und staatlicher Justizdienstleistung Calliess/Hoffmann, Effektive Justizdienstleistungen für den globalen Handel, ZRP 2009, 1– 5, S. 1 ff. sowie Calliess/Hoffmann, Justizstandort Deutschland im globalen Wettbewerb, AnwBl 2009, 52–53. Siehe auch bereits Hoffmann-Riem, Justizdienstleistungen im kooperativen Staat, JZ 1999, 421–430. 97 Zur Sichtweise des transnationalen Rechts als Methode der Rechtsfindung im globalen Raum siehe Gaillard, Transnational Law: A Legal System or a Method of Decision Making?, 2001 Arb.Int'l., 59–71, insbesondere S. 62 ff. sowie jüngst Zumbansen, Die Lehren der Lex Mercatoria: Notizen zur Emergenz und Methodologie privater Normsetzung in der Globalisierung, 2012 (i.E.).
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rechtlichen Begriffen beschreibbar macht, erweitert es nicht nur die Bühne der Normentstehung, sondern erweitert den Rechtsbegriff selbst fundamental. 98 Traditionelle Regelungsinstrumente haben sich als wirkungslos erwiesen99, so dass die Rechtskategorie neuzeitlich-westlicher Tradition auf dem Prüfstein steht. Transnationales Recht erlaubt es, den traditionellen Rahmen staatlichen Rechts zu verlassen und die Globalisierungskräfte normativ einzufangen, ohne die Rechtskategorie verlassen zu müssen. II. Transnationales Seehandelsrecht Nach dieser kurzen „tour de force“ durch Begrifflichkeiten gilt es, das Phänomen des transnationalen Rechts für die Beschreibung des Rechts im grenzüberschreitenden Seehandel fruchtbar zu machen. Für das Seehandelsrecht ist die Verwendung des Begriffs „transnational“ nicht gängig. In aller Regel wird im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Sachverhalten von internationalem Seehandelsrecht gesprochen, ohne auf die Defizite dieses Begriffs einzugehen und private nichtstaatliche Formen der Regelbildung zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen erscheint es aber gerade für das Seehandelsrecht naheliegend, es als transnational zu kennzeichnen. Die Rechtsquellen des Seehandelsrechts sind vielfältig. Neben nationalem Recht stehen internationale völkerrechtliche Abkommen, Entscheidungen staatlicher und internationaler Gerichte, aber auch und vor allem privat erzeugte Normen im Bereich zum Beispiel des Charterrechts sowie die Schiedssprüche privater Schiedsgerichtsorganisationen und nicht zuletzt auch Handelsbräuche im Zentrum der Entwicklung eines globalen Seehandelsrechts.100 Diese Rechtsquellen spielen in kaum zu durchschauender Weise zusammen. Das Maß der Vermischung unterschiedlicher Rechtsquellen zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das amerikanische Seehandelsrecht trotz seiner Verankerung in einem Common-LawRechtssystem beachtliche Einflüsse des Civil Law in sich aufgenommen hat. 101 Eine begriffliche Vereinigung all dieser Rechtsquellen ist in der traditionellen Rechtskategorie nicht möglich. Sie ist nicht in der Lage, die grenzüberschreitende Bildung privat erzeugter Normen und Rechtsprechungsinstitutionen zu erfassen.
98 In diesem Sinne auch Zumbansen, Transnational Law and Societal Memory, 2007, 129–146, S. 133. 99 So mit weiteren Nachweisen zum Beispiel Stein, Lex Mercatoria, 1995, S. 212. 100 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, 403 ff.; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 20 ff. 101 Tetley, Maritime Law as a Mixed Legal System, 1999 Tul.Mar.L.J, 317–350.
E. Gang der Untersuchung
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E. Gang der Untersuchung E. Gang der Untersuchung
Wenn unter einem transnationalen Seehandelsrecht staatlich erzeugte und internationale Rechtsnormen als Recht verstanden werden sollen, so bedarf dies keiner weiteren Rechtfertigung. Anders sieht es aus, wenn im Rahmen eines transnationalen Seehandelsrechts auch privat erzeugte Normen als Recht verstanden werden sollen. Nicht jede AGB und nicht jede Vertragsklausel ist bereits Recht und nicht jede Entscheidung eines unparteiischen Dritten über den Konflikt zweier Streitparteien kann für sich beanspruchen, der Rechtskategorie zu genügen. Wann aber privat erzeugte Regeln zu Recht werden, wann eine Entscheidung Anschlussfähigkeit im Rechtssystem erlangt und welche Möglichkeiten der Transaktionssicherung den Parteien verbleiben, wenn eine staatliche Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten ist oder keinen Erfolg verspricht, soll Thema dieser Untersuchung sein und deren Struktur vorgeben. Verrechtlichung findet auf drei Ebenen statt: Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung. 102 Eine Regel muss entstehen, angewendet und schließlich auch durchgesetzt werden. Privat erzeugte Regeln müssen auf allen Stufen der Verrechtlichung bestehen können. Erst dann stehen privat erzeugtes Recht und staatliches und internationales Recht auf gleicher Stufe in einem transnationalen Seehandelsrecht. In den drei Teilen dieser Untersuchung soll daher ein Überblick über den Bestand und die Emergenz des transnationalen Seehandelsrechts gegeben werden, jedoch mit einer deutlichen Tendenz zur Untersuchung privater Regelsetzungs-, Rechtsprechungs- und Rechtsdurchsetzungsinstitutionen. Dabei soll offengelegt werden, in welchem Zusammenspiel staatliche, internationale und private Regeln das transnationale Seehandelsrecht bilden. Den Anfang bildet dabei die Untersuchung der Rechtsetzung. Dabei wird es zunächst darum gehen, die Unzulänglichkeit völkerrechtlicher Verträge und internationaler Konventionen darzustellen, um dann auf Rechtsetzungsprozesse privater Akteure im Seehandel einzugehen. Danach wird es um die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ihre Rolle im grenzüberschreitenden Seehandel gehen. Letztlich werden im dritten Kapitel Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten thematisiert, wobei es sowohl um Möglichkeiten der staatlichen Vollstreckung als auch um Formen der Transaktionssicherung durch private Governance-Mechanismen gehen wird.
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Calliess, Transnationales Handelsvertragsrecht – Private Ordnung und staatlicher Rahmen, 2004, 160–178, S. 166.
Erstes Kapitel
Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels “The general maritime law is a ius com mune, is part of the lex mercatoria and is composed of the maritime customs, codes, and practices from earliest times to present, which have had no international boundaries and which exist in any particular jurisdiction unless limited or excluded by a particular statute.”1 Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
Im Folgenden wird es darum gehen herauszustellen, welchen Regeln der Seehandel folgt. Das Besondere dabei ist, dass die zu beurteilenden Sachverhalte in aller Regel grenzüberschreitend sind.2 Dieser Umstand stellt für das nationalstaatliche Recht nicht notwendigerweise eine Herausforderung dar. Für grenzüberschreitende Sachverhalte stellt das nationalstaatliche Recht schließlich das internationale Privatrecht zur Verfügung. Mit seiner Hilfe wird beurteilt, nach dem Recht welches Staates ein Sachverhalt zu beurteilen ist, der Grenzen überschreitet. Mit diesem Tenor hat etwa Peter Mankowski bereits im Jahr 1995 seine Dissertation vorgelegt, die auf nahezu 700 Seiten beschreibt, wie die seerechtlichen Vertragsverhältnisse mit Hilfe des internationalen Privatrechts angemessen bearbeitet werden können.3 Allerdings stellt Mankowski bereits in seiner Einleitung fest, dass die Seeschifffahrt zwar einerseits den wohl am stärksten international ausgerichteten Wirtschaftszweig überhaupt darstelle, dass aber andererseits das Seeprivatrecht keineswegs, wie es zu erwarten wäre, im Zentrum der
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Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 108. 2 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 402 („Kaum ein Sachverhalt hat nicht internationale Bezüge“.). 3 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht, 1995.
Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
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Aufmerksamkeit des internationalen Privatrechts stehe. 4 Vielmehr sei es im Seehandelsrecht so, dass dort ein utilitaristischer Pragmatismus vorherrsche, in dessen Hintergrund die Ansicht der Branche und ihrer Rechtsvertreter stehe, das internationale Privatrecht verkompliziere die Rechtsanwendung nur unnötig. 5 Die von Mankowski dargestellte und von ihm später auch kritisierte Gegenposition findet sich dann auch regelmäßig in der seehandelsrechtlichen Literatur wieder. Sehr pointiert weist zum Beispiel Puttfarken darauf hin, dass die Regelungstechnik des internationalen Privatrechts, nationales Recht auf internationale Sachverhalte anzuwenden, für das Seehandelsrecht nicht funktioniere.6 Vielmehr gäbe es Institutionen des Seerechts, die eine gleichförmige Geltung von Regeln überall erreichen könnten. Dieses Ideal sei zwar nicht in vollem Umfang für alle Regelungsbereiche zu erzielen, jedoch sei im Seerecht für das internationale Privatrecht weder Raum noch Bedarf.7 Diese Ansicht stellt zwar einen weit entfernten Gegenpol zu Mankowskis Einschätzung der Bedeutung des internationalen Privatrechts dar, jedoch finden sich in der seerechtlichen Literatur durchaus Beschreibungen der Probleme, die die Anwendung internationalen Privatrechts mit sich bringt. So hat beispielsweise Abraham bereits in den 1960er-Jahren darauf hingewiesen, dass das anzuwendende Recht zum Beispiel für eine Beurteilung des Seefrachtvertrages nach dem internationalen Privatrecht zu bestimmen sei, wenn eine ausdrückliche Rechtswahl der Parteien nicht vorliege und der hypothetische Parteiwillen nicht zu ermitteln sei.8 Dann aber ergäbe sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten der Rechtsanknüpfung. So könne der Ort des Vertragsschlusses, der Versendeort, das Recht des Flaggenstaates des Schiffs, das Recht des Erfüllungsortes, das Recht der Hauptniederlassung des Verfrachters oder schließlich die lex fori maßgeblich sein.9 Hinzu kommt das Problem, dass nicht alle Rechtsverhältnisse aus einem Frachtvertrag demselben Recht unterstehen müssen. So ist zum Beispiel das Recht des Abladehafens (Ausgangsort des Seetransports) für alle Rechtsverhältnisse anzuwenden, 4
Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht, 1995, S. 1; siehe dazu auch Flessner, Reform des internationalen Privatrechts: was bringt sie dem Seehandelsrecht?, 1987, S. 42 und Henrich, Besprechung von Schlegelberger/Liesecke „Seehandelsrecht“ und Schaps/Abraham „Das deutsche Seerecht“, RabelsZ 1960, 739–741, S. 739. 5 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht, 1995, S. 1 mit Verweis auf Flessner, Reform des internationalen Privatrechts: was bringt sie dem Seehandelsrecht?, 1987, S. 37 f. und Henrich, Besprechung von Schlegelberger/Liesecke „Seehandelsrecht“ und Schaps/Abraham „Das deutsche Seerecht“, RabelsZ 1960, 739–741, S. 739. 6 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 406. 7 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 406 und S. 413. 8 Abraham, Das Seerecht, 1960, S. 113. 9 Abraham, Das Seerecht, 1960, S. 114.
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die mit der Beladung des Schiffes zusammenhängen,10 während das Recht des Bestimmungsortes maßgeblich ist für Rechtsverhältnisse, die in Zusammenhang mit der Erfüllung des Frachtvertrages stehen.11 Letztlich ist das internationale Privatrecht aber ausgesprochen komplex und damit kaum mehr handhabbar. So sagt zum Beispiel Basedow mit Blick auf die Normstruktur des Art. 6 EGHGB, der den Anwendungsbereich zwingenden Konnossementsrechts regelt: „Ein Labyrinth kann keine Orientierung geben“.12 Puttfarken lehnt diese Vorschrift sogar als abwegig ab, weil sie das deutsche Recht ohne Grund zwingend anwendbar mache, wo die Anwendbarkeit internationalen Rechts geboten wäre.13 Dieser Debatte liegen einige tiefer gehende Fragen zu Grunde. Es geht darum, welche Wege zur Konfliktlösung in grenzüberschreitenden Rechtsfällen eingeschlagen werden sollten. Während das internationale Privatrecht ein bloßes Verweisungsrecht ist und grenzüberschreitenden Streitigkeiten lediglich einem nationalen Recht unterstellt, geht es bei der Frage nach einem Einheitsrecht darum, ob es ein grenzüberschreitendes „Entscheidungsrecht“ gibt, das inhaltliche Regelungen vorgibt. Dieser Unterschied darf nicht übersehen werden.14 Im Folgenden soll untersucht werden, welches „materielle Recht“ der grenzüberschreitende Seehandel anwendet. Das internationale Privatrecht wird dabei allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Der Begriff des materiellen Rechts ist dabei in Anführungszeichen zu setzen, weil es auch darum gehen wird, privat erzeugte Normen als Recht zu kennzeichnen. Dies sei bereits jetzt vorausgeschickt, denn damit hängt zusammen, dass eine ganze Reihe lieb gewordener Paradigmen im Zusammenhang mit einem staatszentrierten Rechtsverständnis aufgegeben werden müssen. Es wird zunächst darum gehen, Vereinheitlichungstendenzen im grenzüberschreitenden Seehandel aufzuzeigen (A.), wobei zuerst Vereinheitlichungsversuche durch völkerrechtliche Übereinkommen und dann Vereinheitlichungsversuche durch private Akteure ins Zentrum der Betrachtung rücken werden. Unter B. sollen dann durch private Akteure geschaffenen Ordnungsmuster einer transnationalen Seehandelspraxis untersucht werden und es wird gezeigt werden, dass private Organisationen durchaus in der Lage sind, Regeln zu schaffen, die die Funktion von Recht erfüllen und die Normativität für sich beanspruchen können. Außerdem wird es darum gehen, einen Perspektivwechsel einzunehmen weg vom Paradigma der 10
Abraham, Das Seerecht, 1960, S. 114. BGHZ 6, S. 127 = NJW 1952, S. 1134–1135. 12 Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13. 13 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 119. Kritisch dazu aber Czerwenka, HansJürgen Puttfarken – Seehandelsrecht, VersR 1998, 567–569. 14 Davor warnt insbesondere auch Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, S. 32. 11
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Rechtsvereinheitlichung hin zu einem pluralistischen Verständnis eines grenzüberschreitenden Seehandelsrechts. In Teil C. werden Vorschläge erarbeitet, wie eine Integration privat erzeugter Normen in staatliche Normengefüge gelingen kann und welche Anforderungen auch an privat erzeugtes Recht zu stellen sind.
A. Einheitsrecht im Seehandel A. Einheitsrecht im Seehandel
In der Schifffahrtsbranche besteht offensichtlich ein Bedarf nach einheitlichem Recht und einheitlicher Rechtsanwendung, der durch das internationale Privatrecht nicht in ausreichendem Maße befriedigt werden kann. Dieser Umstand sowie der grenzüberschreitende Charakter des Seehandelsrechts haben bereits frühzeitig zu Bemühungen um eine Rechtsvereinheitlichung geführt.15 Diese Rechtsvereinheitlichung vollzieht sich auf unterschiedlichen Ebenen. Sowohl internationale Übereinkommen als auch privat erzeugte Regeln tragen zu einer Vereinheitlichung des Seehandelsrechts bei. Dabei werden sowohl internationale völkerrechtlich bindende Übereinkommen als auch Modellgesetze, Handelsbräuche und allgemeine Geschäftsbedingungen als Quellen des grenzüberschreitenden Seehandelsrechts angesehen.16 Vor allem für Modellgesetze, Handelsbräuche und allgemeine Geschäftsbedingungen ist jedoch keinesfalls klar, dass sie als Recht bezeichnet werden können. Wann derartige privat erzeugte Regeln Rechtsqualität erlangen, soll Gegenstand der Untersuchung sein. Privat erzeugte Regeln sind oftmals die Reaktion auf die Unzulänglichkeit nationalstaatlicher oder internationaler Regelungen. Daher soll ebenfalls thematisiert werden, warum Privatisierung überhaupt stattfindet und welche Defizite staatliche oder internationale Lösungen aufweisen. I. Vereinheitlichungsversuche durch internationale Übereinkommen Das internationale Seerecht ist in weiten Teilen von internationalen Übereinkommen geprägt. Sie betreffen unterschiedlichste Regelungsgegenstände und reichen von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen17, über 15
Necker, Zur Statutenkollision im Seefrachtrecht, 1979, 89–100, S. 89. Siehe auch Basedow, Seerecht als internationales Wirtschaftsrecht, ZHR 1983, 340–354, S. 344, wo die Rechtseinheit als Grundbedürfnis der Seewirtschaft gekennzeichnet wird. Siehe dazu auch Richter, Tendenzen in der Entwicklung des internationalen Seehandelsrechts, 1982, 729–748, S. 729 f. 16 Tetley, International Maritime Law, 2000 Tul.Mar.L.J, 775–856, S. 787 ff. 17 Übereinkommen vom 23.09.1910 zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen, abgedruckt in französischer Originalsprache im RGBl. 1913, S. 49 und S. 89.
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die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei derartigen Zusammenstößen 18, die Behandlung von blinden Passagieren19, die Beförderung von Passagieren und die Haftung für deren Gepäck20, die Haftung für Ölverschmutzungsschäden21, die Beförderung von Kernmaterial auf See22 bis hin zur Haftung im Zusammenhang mit der Beförderung giftiger und gefährlicher Stoffe auf See 23. Diese kurze Zusammenstellung soll nur einen oberflächlichen Überblick über die thematische Reichweite internationaler seerechtlicher Übereinkommen geben. Für das Seehandelsrecht aber sind insbesondere solche Übereinkommen interessant und bemerkenswert, die den Seetransport an sich oder einzelne Aspekte davon zum Gegenstand haben. Insoweit rücken vier internationale Übereinkommen ins Zentrum des Interesses. Es handelt sich dabei um die so genannten Haager Regeln, die so genannten Haag-Visby-Regeln, die so genannten Hamburg-Regeln und die so genannten Rotterdam-Regeln, deren Inhalt und Verhältnis zueinander unten ausführlicher beleuchtet werden wird. Interessant im Zusammenhang dieser Untersuchung ist darüber hinaus das Übereinkommen über die Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe, das im dritten Kapitel über die Vollstreckung im Seehandelsrecht zentrale Bedeutung gewinnen wird.
18 Übereinkommen vom 10.05.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen, abgedruckt im BGBl. 1972 II, S. 653 und S. 663. 19 Übereinkommen vom 10.10.1952 über blinde Passagiere, das allerdings nicht in Kraft getreten ist. 20 Für die Beförderung von Passagieren wurde das Übereinkommen vom 29.04.1961 über die Beförderung von Passagieren auf See vereinbart, es galt jedoch lediglich zwischen zehn Staaten. Bedeutende Schifffahrtsnationen, darunter auch Deutschland, traten dem Übereinkommen nicht bei, weil es an Regelungen in Bezug auf das Gepäck fehlte. Dieses Defizit wurde durch eine Zusammenfassung der Personenbeförderung und Gepäckhaftung im Athener Übereinkommen vom 13.12.1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See überwunden, das mittlerweile immerhin zwischen 32 Staaten gilt. Hierzu siehe ausführlich Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 34 und S. 40–41. 21 Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden von 1992, BGBl. 1996 II, S. 301, S. 305 ff. 22 Übereinkommen vom 17.12.1971 über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterial auf See, BGBl. 1975 II, S. 1026. Dazu siehe auch Welck, Die Haftung für nukleare Schäden beim Seetransport von Kernmaterial nach der Londoner Konvention vom 17. Dezember 1971, VersR 1973, 313–316. 23 Übereinkommen vom 03.05.1996 über die Haftung und Entschädigung für Schäden im Zusammenhang mit der Beförderung gefährlicher und giftiger Stoffe auf See, abgedruckt in TranspR 1997, S. 450. Siehe dazu Ganten, Internationale Gefahrguthaftung beim Seetransport, TranspR 1997, 397–403.
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1. Vereinheitlichungshindernisse Die Rechtsvereinheitlichung durch internationale Übereinkommen scheitert oftmals daran, dass ihre Geltung begrenzt ist. Sie sind für ihre Wirksamkeit darauf angewiesen, von Staaten ratifiziert zu werden. Im Fall des Seehandelsrechts sind eine ganze Reihe von Konventionen nicht in Kraft getreten oder wurden nur von wenigen Staaten ratifiziert.24 Jedoch behindern auch die Inhalte von Konventionen deren universelle Wirksamkeit. Die Inhalte internationaler Übereinkommen sind vielfältig und zu Beginn dieses Abschnitts auszugsweise bereits angedeutet worden. 25 Sie alle hier zu behandeln, würde den Rahmen sprengen und die Untersuchung kaum weiterführen. Es soll vielmehr im Folgenden kurz darum gehen zu untersuchen, inwieweit die verfolgte Rechtsvereinheitlichung durch internationale Übereinkommen überhaupt Erfolg versprechend sein kann. Obwohl die Rechtsvereinheitlichung seit langem Ziel großer Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft gewesen ist26, wurde sie kaum erreicht.27 Es entsteht so ein „internationales Patchwork“28 nationaler seehandelsrechtlicher Regelungen, das im Hinblick auf Aspekte der Rechtssicherheit mehr Schaden anrichtet als nutzt.29 Rolf Herber hat daher vor einiger Zeit zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den internationalen seehandelsrechtlichen Regeln kaum um „ein geschlossenes oder gar lückenloses System seerechtlicher Sachnormen, sondern um einen bunt gewirkten Flickenteppich mit vielen Unvollkommenheiten handelt: Zwischen den einzelnen Stücken aus verschiedenstem Material klaffen häufig
24 Tetley, International Maritime Law, 2000 Tul.Mar.L.J, 775–856, S. 782. Dort finden sich auf den S. 826 ff. auch eine umfangreiche Übersicht über seehandelsrechtliche internationale Übereinkommen sowie die Anzahl ihrer Mitgliedstaaten und den Status ihres Inkrafttretens. 25 Eine umfangreiche Übersicht findet sich bei Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 30 ff. 26 Siehe dazu insbesondere Berlingieri, Uniformity in Maritime Law and Implementation of International Conventions, 1987 J.Mar.L. & Com., 317–350; Sturley, Uniformity in the Law Governing the Carriage of Goods by Sea, 1995 J.Mar.L. & Com., 553–579, S. 556. 27 Siehe dazu auch Herber, „Lex mercatoria“ und „Principles“ – gefährliche Irrlichter im internationalen Kaufrecht, IHR 2003, 1–10, S. 3 f. 28 Schmidt, Gesetzliches Seehandelsrecht: Hat das HGB noch eine Chance?, 2006, S. 11. 29 Zu diesem Befund siehe die Beispiele für die teilweise unglaubliche Rechtsunsicherheit, die im grenzüberschreitenden Seehandel zu beklagen ist, Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13.
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große Löcher, andere überlappen sich oder liegen gar einfach übereinander.“30 Treffender lässt sich die Rechtslage kaum beschreiben. 2. Vereinheitlichungsprobleme am Beispiel des Gütertransports auf See Diese Probleme lassen sich exemplarisch am Beispiel der Regelungen zur Haftung im Rahmen des Gütertransports auf See aufzeigen. Mittlerweile regeln nicht weniger als vier internationale Übereinkommen die Haftungsfragen für den Gütertransport auf See, jeweils mit leicht unterschiedlicher Stoßrichtung. Diese Übereinkommen sind ein vorzügliches Beispiel für den zuvor nach Herber zitierten „Flickenteppich“ im internationalen Seefrachtrecht. Bei den Übereinkommen handelt es sich um das Haager Übereinkommen vom 25.08.1924 über die Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente (Haager Regeln), das hierzu verabschiedete Zusatzprotokoll vom 23.02.1968 zur Änderung des Übereinkommens vom 25.08.1924 zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente (Visby-Regeln oder Haag-Visby-Regeln), das UN-Übereinkommen vom 31.03.1978 über die Beförderung von Gütern auf See (Hamburg-Regeln) und schließlich das am 23.09.2009 unterzeichnete UN-Übereinkommen über Multimodaltransportverträge (engl. Originaltitel: United Nations Convention on Contracts for the International Carriage of Goods Wholly or Partly by Sea), das auch kurz als Rotterdam-Regeln bezeichnet wird. Im Folgenden sollen die wichtigsten Regelungen und Unterschiede der Konventionen dargestellt und auf die Problematik ihres Nebeneinanders eingegangen werden. a) Haager Regeln Hintergrund der Haager Regeln aus dem Jahr 1924 ist das seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachtende streng formale Verständnis von Privatautonomie.31 Während des 18. Jahrhunderts war es unüblich, dass in Konnossementen englischer Verfrachter Haftungsausschlüsse vereinbart wurden. 32 Das änderte sich mit dem aufkommenden Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts, so dass Verfrachter von einer weit verstandenen Vertragsautonomie regen Gebrauch machten und ihre Haftung für Ladungs 30
Herber, Gedanken zur internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, 1979, 55–77, S. 56. 31 Siehe dazu für die Hintergründe des Wirtschaftsliberalismus in Deutschland Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft: Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 12. Dezember 1952, 1953, S. 7 ff.; für den amerikanischen Rechtskreis siehe insbesondere das den Wirtschaftsliberalismus auf die Spitze treibende Urteil Lochner v. New York [1905] 198 U.S. 45 mit der abweichenden Meinung von Justice Holmes. 32 Dockray, Cases & Materials on the Carriage of Goods by Sea, 2004, S. 151.
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schäden weitgehend ausschlossen. 33 Eine Inhaltskontrolle von Verträgen fand in aller Regel nicht statt. Ihre nahezu marktbeherrschende Stellung erlaubte es Verfrachtern, den Befrachtern die Vertragsbedingungen zu diktieren und sich von jeglicher Haftung in Konnossementen freizuzeichnen. 34 Da die Seeschifffahrt zur damaligen Zeit fast ausschließlich in englischer Hand war, führte dies für die USA, die über keine nennenswerte Überseeschifffahrt unter ihrer Flagge verfügten, aber auch für andere auf Importe angewiesene Nationen zu Problemen.35 Für sie bestand lediglich die Möglichkeit, entweder die Bedingungen englischer Verfrachter anzuerkennen oder gänzlich auf den Gütertransport zu verzichten.36 Die Reaktionen auf diesen Umstand waren aus heutiger Sicht nicht überraschend, damals aber bahnbrechend. Im Jahr 1883 erließen die USA den so genannten Harter Act als Gegengewicht gegen die englische Vormachtstellung in der Überseeschifffahrt, durch den Verfrachtern von und nach den USA erstmals eine zwingende Haftung für anfängliche Seeuntüchtigkeit und fehlerhafte Ladungsbehandlung auferlegt wurde. 37 Ähnliche Gesetze folgten in den Jahren 1904 in Australien (Sea Carriage of Goods Act) und 1910 in Neuseeland (Water Carriage of Goods Act). 38 William Tetley beschrieb den Harter Act zwar in der Bezeichnung unpassend, in der Sache aber durchaus richtig als erstes Verbraucherschutzgesetz und unterstrich dadurch die außergewöhnliche Stellung, die dieses Gesetz einnimmt.39 Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zersplitterung der Haftungsregeln auf Grund jeweils unterschiedlicher nationaler Gesetzgebungen, insbesondere aber auch wegen der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg, die Englands Vormachtstellung in der Überseeschifffahrt stark in Frage stellten, war es bald erforderlich, eine 33
Siehe Reynolds, The Hague Rules, the Hague-Visby Rules, and the Hamburg Rules, 1990 MLAANZ Journal, 16–34, S. 16 sowie Dockray, Cases & Materials on the Carriage of Goods by Sea, 2004, S. 151. 34 Baughen, Shipping Law, 2007, S. 107; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 208. 35 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897. 36 Dockray, Cases & Materials on the Carriage of Goods by Sea, 2004, S. 151. 37 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 308. Zu den Hintergründen und Inhalten des Harter Act siehe insbesondere Sweeney, Happy Birthday, Harter – a Reappraisal of the Harter-Act on Its 100th Anniversary, 1993 J.Mar.L. & Com., 1–42, S. 1–5; Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897. 38 Dockray, Cases & Materials on the Carriage of Goods by Sea, 2004, S. 151. Ähnliche Gesetze gab es in diesem Zeitraum auch auf den Fidschi-Inseln und in Kanada, Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897. 39 Tetley/McDonough/Nixon, Marine cargo claims, 1988, S. 573.
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international verbindliche einheitliche Regelung zu finden.40 Ergebnis solcher Vereinheitlichungsbemühungen waren die Haager Regeln, die sich inhaltlich weitgehend am Harter Act orientierten.41 Im Kern geht es bei den Haager Regeln um eine zwingende Mindesthaftung des Verfrachters. Nachdem vor ihrer Geltung faktisch die vollständige Freizeichnung der Beförderer von der Haftung die Regel war, wurde durch die Haager Regeln ein dreistufiges System etabliert, in dem 1.) die Haftung der Beförderer die Regel ist, 2.) Haftungsausschlüsse nur ausnahmsweise möglich sind, dabei aber 3.) die Haftung für bestimmte Umstände keinesfalls ausgeschlossen werden darf. 42 Für den Fall zum Beispiel, dass ein Konnossement ausgestellt wird, kann eine Haftung des Verfrachters für anfängliche See- und Ladungsuntüchtigkeit sowie für das so genannte kommerzielle Verschulden nicht ausgeschlossen werden.43 Allerdings gilt die zwingende Haftung nicht für nautisches Verschulden. Weitere Einschränkungen zeigen, dass es bei den Haager Regeln insbesondere auch darum ging, die Verkehrsfähigkeit des Konnossements zu schützen. Soweit sich der Verfrachter nämlich von der Haftung für jegliches Verschulden freizeichnen könnte, würde der Indossatar (Konnossementsempfänger) die Katze förmlich im Sack kaufen. Denn er wüsste im Zeitpunkt der Übernahme des Konnossements nicht, ob die sich unter Umständen noch auf dem Seeweg befindliche Fracht bereits beschädigt ist oder noch beschädigt wird. 44 Vor diesem Hintergrund wird auch klar, dass die Haager Regeln nur auf Stückgutverträge, für die ein Konnossement ausgestellt wurde, anwendbar sind. Für Raumfrachtverträge (Chartern) gelten die Haager Regeln nur, wenn das Konnossement an einen Dritten begeben wurde.45 Die Haager Regeln wurden 1939 vom Deutschen Reich ratifiziert und waren zuvor bereits durch das Seefrachtgesetz vom 10.08.1937 46 in das HGB eingearbeitet worden.47 Obwohl sich die Haager Regeln aber weitgehend bewährt und insbesondere für eine weitgehende Vereinheitlichung des Rechts des internationalen Seehandels gesorgt hatten48, bedurfte es in 40
Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897. Siehe auch Necker, Der räumliche Geltungsbereich der Haager Regeln, 1962, S. 2 f. 41 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 308. 42 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 56. 43 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897; Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 55 ff. 44 Zu diesem Problem siehe Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897. 45 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 897. 46 RGBl. 1937 I, S. 891. 47 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 308. 48 Sturley, The History of COGSA and the Hague Rules, 1991 J.Mar.L. & Com., 1– 57, S. 55 f.; Sturley, The United Nations Commission on International Trade Law's Transport Law Project: An Interim View of a Work in Progress, 2003 Tex.Int'l L.J., 65–
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den späten 1950er-Jahren ihrer Modernisierung und Anpassung an veränderte Umstände. Ergebnis dieser Anpassungen war die Ergänzung der Haager Regeln durch das so genannte Visby-Protokoll. b) Das Visby-Protokoll zu den Haager Regeln Die Haager Regeln erfuhren durch das auf der Brüsseler Seerechtskonferenz am 23.02.1968 beschlossene Protokoll zur Änderung der Haager Regeln, das wegen der Verabschiedung eines Vorentwurfs in der schwedischen Stadt Visby auf Gotland auch als Visby-Regeln bezeichnet wird, einige Ergänzungen und Modernisierungen. 49 Im Zentrum der Ergänzungen durch das Visby-Protokoll stand eine Umstellung der Haftungshöchstgrenzen für den Beförderer. Während die Haager Regeln in Art. 4, § 5 eine Haftungshöchstgrenze von 100 Pfund Sterling pro Stück oder Verpackungseinheit vorsahen, glichen die Visby-Regeln diese Haftungsdeckelung an die veränderten Umstände im Seefrachtverkehr an. Einerseits wurde der Haftungsbetrag umgestellt auf den Goldfranken (entspricht 290 Milligramm reinen Goldes) und die Höchsthaftungssumme auf 10.000 Goldfranken festgelegt.50 Andererseits wurde neben der Haftung pro Stück oder Verpackungseinheit auch die Haftung pro kg (30 Goldfranken pro kg) eingeführt. Diese Kombination aus einer relativ niedrigen Haftungssumme pro kg und einer hohen Haftungssumme für Stückgüter sollte eine zweckmäßige Lösung für das Problem sein, dass einerseits der Wert von Massengütern berücksichtigt werden musste, andererseits aber auch hochwertige leichte Güter hinreichend abgesichert werden sollten.51 Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems wurde die Haftungseinheit durch ein weiteres Protokoll vom 21.12.1979 in Sonderziehungsrechte umgestellt.52 Darüber hinaus wurde es nach der Einführung des Seefrachtcontainers und seinem Siegeszug in den 1960er-Jahren 53 erforderlich, auch 110, S. 66. Siehe auch Diamond, The Hague-Visby Rules, 1978 L.M.C.L.Q., 225–266, S. 226. 49 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 308. 50 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 903. 51 Herber, Die Revision der Haager Regeln, 1974, S. 10; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 309 f. 52 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 32. Siehe zur Umrechnung von Goldfranken in Sonderziehungsrechte insbesondere Klingsporn, Die Umrechnung des Goldfrankens in haftungsrechtlichen Bestimmungen, WM 1978, 918–922. Zum Hintergrund der Festlegung auf Goldfranken bzw. Sonderziehungsrechte siehe Herber, Zur Berücksichtigung von Währungsschwankungen in internationalen privatrechtlichen Übereinkommen, 1984, 281–299. 53 Nachdem es zuvor üblich war, Waren in Kisten, Fässern oder Säcken zu verfrachten, spricht Puttfarken im Zusammenhang mit der Einführung des Seefrachtcontainers von der zweiten Kopernikanischen Wende der Seeschifffahrt nach der Umstellung von Segelschiffen auf Dampfschiffe. Siehe Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 161 f.
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hierfür Sonderregelungen in Bezug auf die Haftungsbegrenzung zu treffen (§ 5 c) Haag-Visby-Regeln). 54 Schließlich sind es noch Beweisregeln, die durch die Visby-Regeln geändert wurden: Die Einführung der Skripturhaftung des Konnossements schützt den gutgläubigen Konnossementserwerber, indem der Verfrachter ohne Möglichkeit eines Entlastungsbeweises haftet, wenn die Ware nicht im auf dem Konnossement angegebenen Zustand oder in der angegebenen Menge abgeliefert wird.55 Bereits durch diese Anpassungen aber wurde die durch die Haager Regeln erreichte Rechtsvereinheitlichung beeinträchtigt. Denn bereits für die Haager Regeln galt, dass sie keineswegs überall inhaltsgleich wirksam waren. Zwar haben eine ganze Reihe von Staaten die Haager Regeln ratifiziert56, jedoch haben einerseits nicht alle Staaten die Regeln ohne Änderung in ihre nationalen Gesetze übernommen 57 , andererseits wurden die Regeln von einer ganzen Reihe von Staaten übernommen, ohne dass sie ratifiziert worden wären, und so kann es in Einzelfällen durchaus zu Abweichungen vom offiziellen Text des Abkommens gekommen sein. 58 Schwierigkeiten bereitete insbesondere der Umstand, dass die Höchsthaftungssummen der Haager Regeln in die jeweiligen nationalen Währungen geändert wurden.59 Das an sich wäre nicht problematisch, wäre dabei nicht häufig eine Bindung an den Goldwert unterblieben, was die Verwendung der Einheit des Goldfrankens noch gewährleistete.60 So unterschieden sich faktisch die Haftungshöchstgrenzen trotz intendierter Vereinheitlichung. Von einer Rechtseinheit konnte damit bereits zu dem Zeitpunkt keine Rede sein, als die Haager Regeln das einzige Regime zur Regulierung der Haftung für den Seetransport waren. Die Verabschiedung des Visby-Protokolls aber führte anstatt zu größerer Vereinheitlichung eher zu weiterer Fragmentierung. 61 So wies Rolf Herber bereits im Jahr 1974 darauf hin, dass beide Regelungen, die Haager Regeln wie auch das Visby-Protokoll, nebeneinander gelten und es daher zu erheblichen Problemen kommen kann. 62 Er bildete das Beispiel eines Falles, in dem Seetransporte unter Konnossement zwischen Staaten erfolgen, von denen einer die Visby-Regeln übernommen hat, ein anderer nicht. 54
Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 903. Herber, Die Revision der Haager Regeln, 1974, S. 14; Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 903. 56 Für eine Übersicht siehe Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 898 ff. 57 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 901. 58 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 900. 59 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 901. 60 Von einem „Beginn des Niedergangs der Haftungssummen“ spricht in diesem Zusammenhang Drews, Seehandelsrecht, 2008, S. 32. 61 So auch Necker, Zur Statutenkollision im Seefrachtrecht, 1979, 89–100, S. 93. 62 Herber, Die Revision der Haager Regeln, 1974, S. 16. 55
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Ein Gericht hätte dann bei einem Verfrachter aus einem Staat, der zwar die Haager Regeln ratifiziert hat, nicht aber das Visby-Protokoll, die alten Haftungssummen anzuwenden. Einem Empfänger gegenüber aber, der sich in einem Staat befindet, der sowohl die Haager wie auch die Visby-Regeln ratifiziert hat, hätte ein Gericht die neuen Haftungssummen anzuwenden.63 Diese Problematik verschärfte sich noch dadurch, dass bereits im Zeitpunkt der Verabschiedung des Visby-Protokolls unter der Leitung der Welthandelskonferenz (UNCTAD) sowie dem UN Ausschuss für Handelsrecht (UNCITRAL) eine noch weiter gehende Reform der Haager Regeln in Planung war.64 Auch vor diesem Hintergrund wurden die Visby-Regeln von Staaten nur zögerlich angenommen.65 Mit der Absicht, nun endlich zu einer Rechtsvereinheitlichung im Seefrachtrecht zu kommen und die Mängel der Haager und der Haag-Visby-Regeln zu vermeiden, wurde das von den Vereinten Nationen betreute Übereinkommen über die Beförderung von Gütern auf See im Jahr 1978 auf einer diplomatischen Konferenz in Hamburg verabschiedet und erhielt die Bezeichnung „Hamburg-Regeln“.66 c) Die Hamburg-Regeln Im Gegensatz zu den Haager Regeln gelten die Hamburg-Regeln – und das ist wohl einer der bedeutendsten Unterschiede im Vergleich zu den Haager und den Haag-Visby-Regeln – nicht nur für Güter, für die ein Konnossement ausgestellt worden ist, sondern für alle Stückgutbeförderungen.67 Eine weitere wichtige Neuerung der Hamburg-Regeln liegt darin, dass der Verfrachter für nautisches Verschulden der Besatzung des Schiffes einzustehen hat und zwingend für die gesamte Zeit seiner Obhut haftet.68 Darüber hinaus beinhalten die Hamburg-Regeln eine Mithaftung des ausführenden Frachtführers sowie Regeln zur Beweislastumkehr.69 63
Herber, Die Revision der Haager Regeln, 1974, S. 16. Siehe dazu Herber, Die Revision der Haager Regeln, 1974 sowie Richter-Hannes, Die Hamburger Regeln 1978: Neuregelung über die Beförderung zur See, 1982, S. 15 ff. 65 Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 903. 66 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 310. 67 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 310. 68 Force, A Comparison of the Hague, Hague-Visby, and Hamburg Rules: Much Ado About (?), 1996 Tul.L.Rev., 2051–2089, S. 2079; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 310. 69 Wegen der Einzelheiten der Hamburg-Regeln siehe insbesondere Richter-Hannes, Die Hamburger Regeln 1978: Neuregelung über die Beförderung zur See, 1982 sowie auch Herber, Gedanken zum Inkrafttreten der Hamburg-Regeln, TranspR 1992, 381–390. Siehe aus amerikanischer Perspektive sowie in Bezug auch auf die historischen Hintergründe die ausführliche fünfteilige Stellungnahme von Sweeney, The UNCITRAL Draft Convention on Carriage of Goods by Sea, 1976–1977 J.Mar.L. & Com., 69–125; 327– 350; 487–503; 615–670 (1976); 167–194 (1977). 64
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Hier soll jedoch nicht so sehr ein inhaltlicher Vergleich dieser Konventionen im Zentrum der Betrachtung stehen.70 Vielmehr geht es um die Frage, inwieweit internationale Konventionen zu der mit ihnen verfolgten Vereinheitlichung des Seehandelsrechts führen können. 71 Bereits die Ergänzung der Haager Regeln durch das Visby-Protokoll hat eher zu einer Fragmentierung statt zu einer Vereinheitlichung geführt. Die HamburgRegeln und ihr Inkrafttreten haben diese Fragmentierung noch verstärkt.72 Denn die verschärfte Verfrachterhaftung hat insbesondere die großen Schifffahrtsstaaten wie Großbritannien, die Niederlande oder Griechenland abgeschreckt, so dass die Hamburg-Regeln zwar im Jahr 1992 in Kraft traten, jedoch nur von einigen wenigen für den Seeverkehr wichtigen Staaten ratifiziert wurden.73 Der Grund für diese Zurückhaltung in der Umsetzung der Hamburg-Regeln und der damit verbundenen Abwendung von den Haager und Haag-Visby-Regeln ist in einer ganzen Reihe insbesondere politischer aber auch ökonomischer Umstände zu sehen. Vor allem kommt dabei der beabsichtigte Schutz der Verfrachter zum Tragen, für die die Hamburg-Regeln im Vergleich zu den Haag-Visby-Regeln erhebliche Verschärfungen gebracht haben.74 Aber auch Reeder und nicht zuletzt die Seerechtsanwälte, die durch die Möglichkeit einer freien Gerichtsstandsvereinbarung in den Hamburg-Regeln Nachteile fürchteten, stellten sich gegen eine Ratifikation der Hamburg-Regeln in Deutschland.75 Insgesamt ist das Scheitern der Hamburg-Regeln jedoch in dem Umstand begründet, dass sie 70
Siehe daher zu den Hintergründen der Hamburg-Regeln und zu deren Entstehungsprozess Herber, Die Revision der Haager Regeln, 1974. 71 Siehe dazu den Überblick von Meyer-Rehfueß, Zwischen Hamburg und Haag/Visby – Aktuelle Entwicklungen im internationalen Seefrachtrecht, TranspR 1998, 236–241, in dem sie den internationalen Rechtszustand nach Inkrafttreten der Hamburg-Regeln darstellt. 72 Albrecht, Hamburg Rules – warum?, Hansa 1979, 895–898, S. 897 f.; Hasche/Schubert, Hamburg-Rules – Folgen auch für die Deutschen Verkehrskreise, Hansa 1992, 1254–1257, S. 1257. Siehe auch die resignierte Schlussfolgerung von Tetley, The Hamburg Rules – A Commentary, 1979 L.M.C.L.Q., 1–20, S. 20 („The Rules as a new Convention in many cases do not clarify the law at all, nor do they arrive at the new social balance expected. Instead they make concessions to shippers and create new law in one direction and concessions to carriers and new law in another, all the while establishing a third international convention which in itself opposes the principle of uniformity in the world of commerce and shipping.”). 73 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 310. 74 Im Einzelnen siehe hierzu Necker, Zur Statutenkollision im Seefrachtrecht, 1979, 89–100, S. 98 f.; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 310 f. So ist es auch nicht verwunderlich, dass aus der Perspektive der Befrachter die HamburgRegeln durchaus begrüßt werden, Nicoll, Do the Hamburg Rules Suit a ShipperDominated Economy?, 1993 J.Mar.L. & Com., 151–179, S. 179. 75 Basedow, Seefrachtrecht: Die Hamburger Regeln sind in Kraft, ZEuP 1993, 100– 119, S. 116 f.
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in einem überwiegend politischen Prozess zustande gekommen sind, in dem die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten nicht hinreichend berücksichtigt worden waren.76 So zeigt sich bis heute im internationalen Seehandel, nicht zuletzt auch wegen des Scheiterns der Hamburg-Regeln, ein Bild erheblicher Rechtsfragmentierung anstelle der eigentlich verfolgten Rechtsvereinheitlichung. 77 Jürgen Basedow spricht in diesem Zusammenhang von einem „Generationswechsel des internationalen Einheitsrechts“ und meint damit den bereits angedeuteten Umstand, dass die in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren vereinbarten internationalen Übereinkommen weniger vom Leitbild der Rechtsvereinheitlichung als vielmehr von den Forderungen der Entwicklungsländer nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung geprägt gewesen seien.78 Auch wenn einige Autoren darauf hingewiesen haben, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Abkommen in der Praxis und insbesondere in den erzielten Ergebnissen zumindest teilweise nur marginal seien79, sind diese Unterschiede im Einzelfall durchaus beachtlich und nicht von der Hand zu weisen. Von internationaler Rechtseinheit kann jedenfalls kaum gesprochen werden. 80 Neben die Unterschiede im Sachrecht treten dann auch kollisionsrechtliche Fragen, die im Einzelfall kaum mehr zu beantworten sind. Jürgen Basedow hat diesen Zustand beispielhaft wie folgt beschrieben: „Wenn heute über einen Seetransport von Hamburg nach Casablanca ein Konnossement ausgestellt wird, wissen wir im Voraus, daß es einen Entscheidungseinklang bei potentiellen Streitigkeiten nicht geben kann. Während deutsche Gerichte die Haag-VisbyRegeln anwenden würden, müßte der Richter in Marokko die Hamburg-Regeln heranziehen. Unter dem Gesichtspunkt von Rechtseinheit und Rechtssicherheit ist die Lage also
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Frederick, Political Participation and Legal Reform in the International Maritime Rulemaking Process: From the Hague Rules to the Hamburg Rules, 1991 J.Mar.L. & Com., 81–117, S. 116 f.; Sturley, The United Nations Commission on International Trade Law's Transport Law Project: An Interim View of a Work in Progress, 2003 Tex.Int'l L.J., 65–110, S. 109 f. 77 Ramberg, Global Unification of Transport Law: A Hopeless Task?, 2009 Penn St.Int'l L.Rev., 851–857, S. 852. 78 Basedow, Seerecht als internationales Wirtschaftsrecht, ZHR 1983, 340–354, S. 347 f. 79 Force, A Comparison of the Hague, Hague-Visby, and Hamburg Rules: Much Ado About (?), 1996 Tul.L.Rev., 2051–2089, S. 2085. Siehe insbesondere zu Ähnlichkeiten sowie Unterschieden in den Beurteilungen gleicher Fälle im Lichte der Haager Regeln einerseits und der Hamburg-Regeln andererseits aber auch die vergleichende Studie von Bauer, Conflicting Liability Regimes: Hague-Visby v. Hamburg Rules – A Case by Case Analysis, 1993 J.Mar.L. & Com., 53–74. 80 Sturley, Uniformity in the Law Governing the Carriage of Goods by Sea, 1995 J.Mar.L. & Com., 553–579, S. 564 („Indeed, any informed observer should be able to see that there is no real international uniformity today, […]“).
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nicht viel besser, als wenn es nie Bemühungen um eine Rechtsvereinheitlichung gegeben hätte.“ 81
So ist das Seefrachtrecht von dem Ziel einer weltweiten Vereinheitlichung weit entfernt. Dieser Zustand hat dazu geführt, dass erneut Anläufe unternommen wurden, einheitliche Regeln für grenzüberschreitende Transporte zu schaffen. Ergebnis dieser Bestrebungen sind die so genannten Rotterdam-Regeln. d) Die Rotterdam-Regeln Die eben beschriebene Fragmentierung der unterschiedlichen Rechtsregimes zur Haftung im grenzüberschreitenden Seetransport bildet den Hintergrund, vor dem ein weiterer Versuch der internationalen Staatengemeinschaft gesehen werden muss, das internationale Seehandelsrecht zu vereinheitlichen.82 Hinzu kam jedoch auch, dass die bis dahin in Kraft getretenen Regimes für die Haftung während des Seetransports ausschließlich für diesen galten. Tatsächlich aber finden Transporte seit der Einführung des Seefrachtcontainers üblicherweise multimodal statt (door-to-door statt port-toport), d. h. neben dem Seetransport üblicherweise auch auf der Straße, der Schiene oder in der Luft. 83 Bezieht man die jeweiligen Haftungsregimes für diese Transportmittel ein, verstärkt sich die bereits für den Seetransport allein beobachtete Fragmentierung noch weiter. Anhand der Haftungshöchstsummen im Rahmen der einzelnen Regimes lässt sich diese Zersplitterung gut nachvollziehen.84 Nach den Haager Regeln gilt eine Haftungshöchstgrenze von 100 Pfund Sterling pro Packstück, während nach den Haag-Visby-Regeln zwei Sonderziehungsrechte pro kg Fracht oder 666,67 Sonderziehungsrechte pro Packstück als Haftungshöchstgrenze festgelegt sind. Nach den Hamburg-Regeln gilt eine Haftungsbegrenzung in Höhe von 2,5 Sonderziehungsrechten pro kg oder 835 Sonderziehungsrechten pro Packstück. Nach der für den Straßentransport geltenden Internationalen Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen (CMR – Convention relative au contrat de transport international de Marchandises par Route) gilt eine Haftung in Höhe von 8,33 Sonderziehungsrechten pro kg Fracht. Für den Schienentransport gilt nach dem Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF – Convention relative aux transports 81
Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13. Sturley, The United Nations Commission on International Trade Law's Transport Law Project: An Interim View of a Work in Progress, 2003 Tex.Int'l L.J., 65–110, S. 68 f. 83 Ramberg, Global Unification of Transport Law: A Hopeless Task?, 2009 Penn St.Int'l L.Rev., 851–857, S. 851. 84 Die nachfolgenden Zahlen stammen aus UNCTAD, Multimodal Transport: The Feasibility of an International Legal Instrument 2003, Table 1, S. 8. 82
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internationaux ferroviaires) eine Haftungshöchstgrenze von 17 Sonderziehungsrechten pro kg Fracht und schließlich gilt nach dem Warschauer Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (seit 1999 ersetzt durch das Montreal-Übereinkommen) eine Haftungsbegrenzung in Höhe von 17 Sonderziehungsrechten pro kg Fracht. Für den multimodalen Transport bedeutet dies eine kaum hinnehmbare Rechtsunsicherheit. Hinzu kommen weitere Regionalisierungstendenzen, die in unterschiedlichen Regelungstechniken und Regelungstraditionen der einzelnen Nationalstaaten oder Rechtskreise begründet sind.85 Vor diesem Hintergrund wurde das Bedürfnis der Wirtschaft immer größer, ein kosteneffektives System, das zugleich auch Rechtssicherheit für den multimodalen Transport bietet, zu etablieren. Eine Befragung, die von der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) durchgeführt wurde und an der sowohl Regierungen von Staaten (insgesamt 60 Rückmeldungen) als auch Vertreter der Wirtschaft (49 Rückmeldungen) teilgenommen haben, hat ein eindeutiges Bild ergeben.86 Das Ergebnis dieser Befragung zeigte deutlich, dass erheblicher Handlungsbedarf bestand. Von den insgesamt 109 Rückmeldungen gaben 83 % an, dass das existierende Rechtsregime für multimodale Transporte nicht zufriedenstellend sei. 87 Darüber hinaus gaben 76 % der Teilnehmer der Befragung an, das existierende Rechtsregime sei nicht kosteneffektiv, weil zusätzlich zum Transport erhebliche Kosten für Versicherungen, Rechtsberatung und Rechtsdurchsetzung anfielen.88 Um die Defizite der Hamburg-Regeln, die insbesondere in der fehlenden Beteiligung der Wirtschaft in der Entwurfsphase lagen89, bei diesem Projekt zu vermeiden, arbeiteten UNCITRAL und das CMI bei dem Entwurf für ein internationales Abkommen zum multimodalen Transport zu-
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So zum Beispiel Sturley, The United Nations Commission on International Trade Law's Transport Law Project: An Interim View of a Work in Progress, 2003 Tex.Int'l L.J., 65–110, S. 68. Siehe für einen Vergleich der US-amerikanischen und europäischen Regelungstechnik Ulfbeck, Multimodal Transports in the United States and Europe – Global or Regional Liability Rules?, 2009 Tul.Mar.L.J, 37–90. 86 UNCTAD, Multimodal Transport: The Feasibility of an International Legal Instrument 2003, S. 3, para. 2. 87 UNCTAD, Multimodal Transport: The Feasibility of an International Legal Instrument 2003, S. 11, para. 21. 88 UNCTAD, Multimodal Transport: The Feasibility of an International Legal Instrument 2003, S. 11, para. 21. 89 Siehe dazu Frederick, Political Participation and Legal Reform in the International Maritime Rulemaking Process: From the Hague Rules to the Hamburg Rules, 1991 J.Mar.L. & Com., 81–117.
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sammen.90 Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist die im Dezember 2008 verabschiedete und als „Rotterdam Rules“ oder „Rotterdam-Regeln“ bezeichnete Konvention über Multimodalverträge (Convention on Contracts for the International Carriage of Goods Wholly or Partly by Sea).91 Wichtigste Neuerung gegenüber vorangegangenen Regelwerken ist einerseits die Erstreckung dieser Konvention auf multimodale Transporte, Art. 1 Nr. 1 der Rotterdam-Regeln. Eine wichtige Neuerung gegenüber anderen Regelungen ist aber auch die Einbeziehung von elektronischen Transportdokumenten in den Regelungsbereich der Konvention, Art. 8 bis 10 und 35 bis 42 der Rotterdam-Regeln. Dieses Regelwerk hat mit 96 Artikeln eine hohe Regelungsdichte und ist sehr detailliert.92 Hiergegen richtet sich allerdings bereits erste Kritik. In Deutschland hat insbesondere der Deutsche Anwaltverein Bedenken geäußert, dass die Regelung zu detailliert und komplex sei und ihr damit möglicherweise ein ähnliches Schicksal bevorstehe wie dem UNKaufrecht, das zwar politische Akzeptanz bei den Vertragsstaaten genieße, von der Wirtschaft aber kaum angenommen worden sei. 93 Und auch die Deutsche Gesellschaft für Transportrecht scheint zurückhaltend, was die Bewertung der Rotterdam-Regeln anbelangt und stellt ihnen gegenüber die Vorteile der Hamburg-Regeln heraus.94 Eher neutral verhält sich die Sachverständigengruppe zur Reform des deutschen Seehandelsrechts in ihrem Abschlussbericht, wenn sie vorschlägt, die Rotterdam-Regeln angesichts der Ungewissheit ihrer Geltung noch nicht ins deutsche Seefrachtrecht zu übernehmen, sie aber bei der Ausgestaltung neuer Regeln im deutschen Recht zu berücksichtigen.95 Trotz aller Kritik aber stellen erste Einschätzungen aus der deutschen Seerechtspraxis die Alternativlosigkeit der Rotterdam-Regeln in den Vordergrund der Überlegungen, weil ansonsten
90 Sturley, The United Nations Commission on International Trade Law's Transport Law Project: An Interim View of a Work in Progress, 2003 Tex.Int'l L.J., 65–110, S. 69 ff. 91 G.A.Res. 63/122, U.N. Doc. A/Res/63/122 (11.12.2008), einzusehen unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/transport_goods/2008rotterdam_rules.h tml (zuletzt besucht am 06.02.2012). 92 Eine erste Kommentierung bieten Baatz/Debattista/Lorenzon/Serdy/Staniland/ Tsimplis, The Rotterdam Rules: A Practical Annotation, 2009. 93 Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf See (Rotterdam-Regeln), http://anwaltverein.de/ downloads/Stellungnahmen-09/SN37-09.pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012), S. 3–4. 94 Deutsche Gesellschaft für Transportrecht, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrechts, http://www.transport recht.org/html/Stellungn29012010.pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012). 95 Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrechts, Abschlussbericht der Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrechts 2009, S. 75.
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weitere Regionalisierung insbesondere durch die EU und die USA und damit ein „Wildwuchs von Vorschriften über die Haag-, Haag-Visby- und Hamburg-Regeln hinaus“ drohe. 96 Im Gegensatz hierzu scheinen erste Stimmen aus den USA die Vorteile der Rotterdam-Regeln deutlich hervorzuheben.97 Ob sich die Rotterdam-Regeln gegenüber anderen Regelungsregimes für den grenzüberschreitenden Seehandel durchsetzen werden, ist derzeit nicht absehbar. Eine erste Hürde für ihren Erfolg hat die Konvention genommen, indem sie durch ihre Unterzeichnung durch 20 Staaten in Kraft getreten ist.98 Unter den Unterzeichnerstaaten sind die USA, deren Bekenntnis zu den Rotterdam-Regeln ihre Attraktivität zusätzlich steigern wird. Eine Garantie für ihren Erfolg ist das freilich nicht. Dieser wird vielmehr davon abhängen, ob eine breite Mehrheit der seefahrenden Staaten von den alten Rechtsregimes zu Gunsten der Rotterdam-Regeln abrücken wird. Eine deutliche Tendenz hierzu ist jedenfalls derzeit noch nicht erkennbar, langfristig aber auch unwahrscheinlich. Vielmehr zeigt die Erfahrung mit internationalen Konventionen, dass neue Regelwerke aus verschiedenen Gründen entweder nicht angenommen werden oder aber dass Probleme aus dem Umstand entstehen, dass zwar neuere Konventionen ratifiziert, alte aber nicht gleichzeitig gekündigt werden.99 So wird es vorerst bei einem Flickenteppich der Rechtsregimes im grenzüberschreitenden Seehandel bleiben. Fest steht jedenfalls, dass die bislang unternommenen Versuche, durch internationale Übereinkommen eine Vereinheitlichung im Recht des internationalen Seehandels herzustellen, gescheitert sind. So kann im Ergebnis jedenfalls festgehalten werden, dass internationale Übereinkommen keineswegs das Mittel der Wahl zu Herstellung von Rechtseinheit sind. Auch wenn es hier nur um die Haftung für den Gütertransport ging, stehen die vorgestellten Regeln doch pars pro toto für die Schwierigkeiten der Rechtsvereinheitlichung durch Völkerrecht überhaupt. Es sind aber nicht nur internationale Übereinkommen, mit denen eine Vereinheitlichung des internationalen Seehandelsrechts versucht wurde.
96 Wirtz, Internationales Syposium in Hamburg – The Rotterdam Rules, Hansa 2009, 80–84, S. 84. Siehe auch Hollmann, Rotterdam Rules scheiden die Geister, Hansa 2009, 94–97, S. 94. 97 Sturley, Modernizing and Reforming U.S. Maritime Law: The Impact of the Rotterdam Rules in the United States, 2009 Tex.Int'l L.J., 427–455; vorsichtig aber grundsätzlich zustimmend auch Minichello, The Coming Sea Change in the Handling of Ocean Cargo Claims for Loss, Damage or Delay, 2009 Transp.L.J., 229–260. 98 Der Status und die aktuellen Unterzeichnerstaaten der Rotterdam Rules kann unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/transport_goods/rotterdam_status.html eingesehen werden (zuletzt besucht am 06.02.2012). 99 Im Einzelnen siehe hierzu Griggs, Uniformity of Maritime Law – An International Perspective, 1999 Tul.L.Rev., 1551–1583, S. 1564.
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Vielmehr wurde dies mit einer ganzen Reihe anderer Instrumente versucht, von denen im Folgenden zunächst Standardklauseln, Modellgesetze und allgemeine Geschäftsbedingungen herausgestellt werden sollen. II. Privat erzeugte Regeln im internationalen Seehandel – Standardklauseln, Modellregeln und allgemeine Geschäftsbedingungen Nachdem zuvor Vereinheitlichungsversuche durch internationale Übereinkommen dargestellt worden sind, soll es im Folgenden um einen Perspektivwechsel hin zu Vereinheitlichungstendenzen gehen, die durch private Akteure angeleitet und betrieben werden. Damit ist ein Punkt erreicht, an tiefer gehende Fragen aufgeworfen werden müssen. Wenn es wie hier um Transnationalisierungstendenzen gehen soll, um Tendenzen also, die als Recht nicht mehr nur staatlich gesetzte Regeln verstehen, sondern die als Recht auch die von privaten Akteuren hervorgebrachten Regeln, Standards und Normen betrachten, dann stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen im Zusammenhang mit solchen privat erzeugten Regeln auch von Recht gesprochen werden kann. Oder anders formuliert: Gibt es ein transnationales Seehandelsrecht, eine Lex Maritima, die unabhängig von staatlichem Recht als Teil einer lex mercatoria existiert und aus Handelsbräuchen und maritimem Gewohnheitsrecht in Form von Modellgesetzen und allgemeinen Geschäftsbedingungen jenseits staatlicher Grenzen besteht? 1. Maritime Law without the State Dass das Seehandelsrecht in weiten Teilen auch aus Regelungen besteht, die außerhalb des Staates entstehen, ist weitgehend unstreitig. Bereits im Jahr 1930 stellte Hans Großmann-Doerth fest, dass das staatliche Recht diejenige Rechtsquelle sei, die für den Überseekauf die geringste Bedeutung habe.100 Diese Beurteilung gilt auch heute noch, selbst wenn renommierte Seerechtler wie zum Beispiel Rolf Herber den Mittelpunkt des Seehandelsrechts im staatlichen Recht sehen.101 Dass diese Einschätzung kaum den Realitäten des modernen Seeverkehrs gerecht werden kann, zeigt der Umstand, dass ausschließlich inländische Seeschifffahrt in Deutschland mit Ausnahme des Fährverkehrs zu den deutschen Inseln heute nicht mehr stattfindet (etwas anderes gilt freilich für die Binnenschifffahrt). 102 Seehandel ist grenzüberschreitend und damit kann ein einzelner nationaler Gesetzgeber gar nicht in der Lage sein, dieses Rechtsgebiet abschließend zu regeln. Jedes Subjekt des Seehandelsrechts ist gerade wegen dessen 100
Großmann-Doerth, Das Recht des Überseekaufs, 1930, S. 40. Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 20 („Im Mittelpunkt des Seehandelsrechts steht das 5. Buch des Handelsgesetzbuchs, […]“). 102 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 403. 101
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grenzüberschreitenden Charakters zugleich auch immer verschiedenen nationalen Gesetzgebern unterworfen. 103 Das erkennen selbst die Anhänger einer nationalen Kodifikation an und betonen, dass eine solche Kodifikation kein nationaler Sonderweg sein dürfe, sondern sich mit den internationalen Regeln des Seehandelsrechts zu einem konsistenten Regelwerk integrieren müsse.104 Das heißt noch nicht, dass nationale Regelungen oder internationale Abkommen keine Rolle im internationalen Seehandel spielen. Jedoch erscheint auch vor dem Hintergrund einer Untersuchung der Tätigkeit nationaler Gerichte im Bereich des Seehandelsrechts der Befund einer „Entstaatlichung des Seehandelsrechts“105 nicht abwegig. Dieser Befund wird auch international geteilt. William Tetley, einer der wohl renommiertesten Seerechtler weltweit, bejaht die Existenz einer privat erzeugten Lex Maritima ohne Weiteres.106 Doch so einfach scheint es nicht zu sein. Immer dann, wenn es darum geht, ein Recht jenseits des Nationalstaats zu identifizieren, melden sich Bedenkenträger zu Wort, die die Legitimation oder gar das Bestehen eines Rechts außerhalb des Nationalstaats in Frage stellen.107 Empirische Beobachtungen deuten hingegen darauf hin, dass Regelbildungen außerhalb nationalstaatlicher Einflussbereiche nicht nur stattfinden, sondern vollwertige funktionale Äquivalente zu nationalstaatlichem Recht darstellen.108 Der Streit ist alt und es geht ums Ganze. „Glaubenskrieg“109 und „Ideologiestreit par excellence“ 110 werden diagnostiziert. Es steckt also mehr dahinter als nur die Frage, ob es eine lex mercatoria gibt oder nicht. Es geht um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Regelwerke außerhalb des Staates Recht sein können.111 Diese Fragen seien hier nur vorangestellt, um die Brisanz der folgenden Überlegungen deutlich zu machen. Es wird nun zunächst darum gehen, einige mögliche Elemente einer Lex Maritima vorzustellen, um dann darauf ein 103 104
Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 413. Schmidt, Gesetzliches Seehandelsrecht: Hat das HGB noch eine Chance?, 2006,
S. 11. 105
Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 12. Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145. Zu den praktischen Problemen der Anwendung einer Lex Maritima siehe Lord, Dispute Resolution on the High Seas, 2002 Ocean & Coastal L.J., 71–89, S. 81 ff. 107 Röthel, Lex mercatoria, lex sportiva, lex technica – Private Rechtsetzung jenseits des Nationalstaates?, JZ 2007, 755–763; mit speziellem Bezug auf eine Lex Maritima siehe Mankowski, Wider ein transnationales Cyberlaw, AfP 1999, 138–143. 108 Siehe hierzu insbesondere die Untersuchungen von Beiträgen aus dem Sammelband Gessner (Hrsg.), Contractual Certainty in International Trade, 2009. 109 Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290, S. 264. 110 Stein, Lex Mercatoria, 1995, S. 6. 111 Michaels, The True Lex Mercatoria: Law Beyond the State, 2007 Ind.J.Global L.Stud., 447–468. 106
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zugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen sie als Recht betrachtet werden können. 2. Standardformulare und Musterregeln im grenzüberschreitenden Seehandel Weitaus größere Vereinheitlichungen als durch die zuvor betrachteten internationalen Konventionen wurden im Seehandel in der Tat durch standardisierte Klauseln und Modellregelungen erzielt. Es handelt sich dabei allerdings meist um einzelne Sparten und Aspekte des Seehandels. Von übergreifenden Regelungen kann nur in den wenigsten Fällen die Rede sein. Im Folgenden sollen einige der wichtigsten Modellgesetze und Standardklauseln dargestellt werden. Dabei handelt es sich teilweise auch um solche Klauseln, die nicht exklusiv auf den Seehandel beschränkt sind, sondern auch andere Aspekte des grenzüberschreitenden Handels betreffen. Das für die Untersuchung Interessante an diesen Klauseln ist, dass sie ausnahmslos durch private Akteure geschaffen wurden und dennoch eine erhebliche faktische Wirkung entfalten sowie Vereinheitlichungen auf ihren jeweiligen Gebieten geschaffen haben. Exemplarisch sollen daher im Folgenden die York-Antwerp Rules zum Schadensausgleich im Falle der Havarie (a), die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für DokumentenAkkreditive (ERA) oder in englischer Sprache die Uniform Customs and Practice for documentary credits (UCP) (b), die Incoterms der Internationalen Handelskammer (c) sowie einige seerechtliche Mustervertragsformulare vorgestellt werden ((d) und (e)). a) Die York-Antwerp Rules Die York-Antwerp Rules (YAR) sind Regeln über den Schadensausgleich im Rahmen der großen Haverei (frz.: avarie grosse, engl.: general average). 112 Hintergrund dieser Regeln ist ein Gedanke, der bereits bis in das frühe griechische Seerecht in vorchristlicher Zeit zurückgeht113: Die Seefahrt ist eine gefährliche Angelegenheit und während einer Reise kann viel passieren. Das galt zumindest in Zeiten, in denen Segelschiffe Nussschalen glichen, die den Gewalten des Meeres hilflos ausgesetzt waren. In diesen Fällen bildeten die Interessenträger im Rahmen einer Seefahrt (Schiffsei 112
Die YAR sind in ihrer Fassung von 2004 erhältlich unter http://www.tisgdv.de/tis/bedingungen/gesetze/yar/yar_2004.pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012). Sie werden jedoch auch in früheren Fassung noch verwendet. 113 Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 109. Skeptisch in Bezug auf eine genaue Datierung aber zum Beispiel Benedict, The Historical Position of the Rhodian Law, 1909 Yale L.J., 223–242. Belegbare Erwähnung des rhodischen Rechts zur Havarie finden sich erstmals im Corpus Iuris Civilis, Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Texte und Übersetzung, Digesten 11–20, 1999, Dig. 14.2.
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gentümer, diverse Ladungseigentümer, Kapitän) eine Gefahrgemeinschaft. Geht das Schiff unter, ist sowohl Ladung als auch das Schiff selbst verloren. Daher ist es in Fällen erheblicher Gefahr für Schiff oder Ladung für den Kapitän unter Umständen erforderlich, Schiff oder Ladung zu beschädigen, um größeren Schaden für das gesamte Unternehmen abzuwenden.114 Dazu kann gehören, Ladung über Bord zu werfen oder den Mast des Schiffes zu kappen. Die Schäden, die so entstanden sind, sollten jedoch angesichts der Rettung des übrigen Ladungsguts und/oder des Schiffes nicht allein vom Geschädigten getragen werden, sondern von allen Beteiligten, die gemeinsam Vorteil aus dem Schaden eines Einzelnen gezogen haben. Die Voraussetzungen der großen Haverei sind damit 1.) eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung, die 2.) erheblich ist und unmittelbar bevorsteht, für deren Abwendung 3.) absichtlich ein Schaden verursacht wird, der 4.) zur Abwendung der Gefahr führt.115 Die Haverei gibt es auch heute noch, wenn es auch nicht mehr vorkommen mag, dass Mäste gekappt werden. Dass aber Ladung zum Beispiel im Falle von Schlagseite des Schiffes über Bord geworfen werden muss, um das Schiff und seine Güter an Bord zu retten, ist durchaus auch bei den heute im Verkehr befindlichen Schiffen denkbar. Im HGB ist die Haverei in den §§ 700 ff. geregelt. Besondere Aktualität haben jedoch in letzter Zeit die Regelbeispiele des § 706 Nr. 5 und 6 HGB erlangt. Darin ist festgelegt, dass die Regeln über die Haverei auch dann anzuwenden sind, wenn das Schiff und seine Ladung gegen Feinde oder Seeräuber verteidigt werden müssen. Während Rabe in seinem Kommentar zum Seehandelsrecht im Jahr 2000 noch schrieb, dass es Seeräuberei heute praktisch nicht mehr gebe116, dürfte diese Einschätzung heute angesichts der zahlreichen aktuellen Fälle von Piraterie insbesondere am Horn von Afrika wohl anders ausfallen. Allein im Jahr 2008 gab es laut dem Jahresbericht des ICC International Maritime Bureau Piracy Reporting Centre 293 Zwischenfälle mit Piraten und bewaffneten Seeräubern, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 11 % bedeutet.117 Das Institut der großen Haverei ist vor diesem Hintergrund daher auch heute noch (oder wieder) im Zusammenhang mit Piraterie und Seeräuberei enorm wichtig.118 Daneben ist das Insti
114 Im Einzelnen siehe hierzu Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, Vor § 700, Rn. 4; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 375 ff. 115 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 322 ff.; siehe auch in noch detaillierterer Definition Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 1115 ff. 116 Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, § 706, Rn. 50. 117 ICC International Maritime Bureau, Piracy and armed robbery against ships – IMB Piracy Annual Report 2008 2009, S. 26. 118 Spencer, Hull Insurance and General Average – Some Current Issues, 2009 Tul.L.Rev., 1227–1287, S. 1257 ff. Siehe zu diesem Aspekt auch Hasche, Piraterie –
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tut der Haverei wichtig für Kosten, die in Notfällen durch das Schleppen des Schiffes oder das Anlaufen eines Nothafens entstehen können. Interessant für diese Untersuchung ist der Umstand, dass die große Haverei zwar nationalstaatlich zum Beispiel in Deutschland in den §§ 700 ff. HGB geregelt ist, diese Regelungen aber praktisch keine Bedeutung haben.119 An ihre Stelle treten regelmäßig die York-Antwerp Rules, die als internationale Regelungen in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen Eingang in praktisch jedes Konnossement und jeden Chartervertrag gefunden haben.120 Die York-Antwerp Rules nehmen dabei eine besondere Stellung ein. Ohne Gesetz oder internationale Konvention zu sein, gelten sie umfassend durch Einbeziehung in fast alle Verträge des Seerechts und gelten so nicht etwa auf Grund nationalstaatlicher Setzung, sondern auf Grund freiwilliger Unterwerfung der gesamten Seeschifffahrtsbranche.121 Zusätzlich interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die York-Antwerp Rules von einer privaten Organisation, dem Comité Maritime International, erstellt und verwaltet werden. Die Prozesse der Entstehung und Veränderung der York-Antwerp Rules werden später noch ausführlicher erörtert. b) UCP Ein weiteres Beispiel für internationale Vereinheitlichung durch privat erzeugte Regelwerke sind die Uniform Customs and Practice for documentary credits (UCP) oder übersetzt die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA). Sie werden von der Internationalen Handelskammer ICC verwaltet und weiterentwickelt. Dabei handelt es sich zwar nicht um Regeln, die ausschließlich den Seehandel betreffen, sie gehören aber dennoch in die Reihe derjenigen Regelwerken, die für den grenzüberschreitenden Seehandel wichtig sind, weil sie eine ganze Reihe von Vorschriften für den See- oder den Multimodaltransport enthalten. Auswirkungen auf Charterparty und Konnossement, Hansa 2009, 65–66, S. 66 sowie Schwampe, Rechtsfragen der Piraterie, TranspR 2009, 462–476, S. 468. 119 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 376. 120 Puttfarken bezeichnet die einschlägigen §§ 700 ff. HGB als „totes Recht“, Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 321. Siehe weniger drastisch aber in die gleiche Richtung gehend auch Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, Vor § 700, Rn. 8 und Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 376. 121 Siehe dazu Hudson, The York-Antwerp Rules: Background to the Changes of 1994, 1996 J.Mar.L. & Com., 469–478, S. 469. Treffend fasst es auch Foster, General Average – A Unique Indemnifications Feature of Admirality, 1972 N.C.Cent.L.J., 114– 125, S. 124 zusammen: „These non-legal, non-binding Rules seem to have indirectly bound most maritime contracts and to have gained general acceptance as the laws of the subject.”
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Akkreditive spielen insbesondere im grenzüberschreitenden Handel eine wichtige Rolle. 122 Sie gewährleisten Transaktionssicherheit, indem eine Bank auf Weisung eines ihrer Kunden dem Verkäufer einer Ware die Zahlung des Kaufpreises unter bestimmten vorher festgelegten Bedingungen, nämlich die Übergabe vorgeschriebener Dokumente und Erfüllung der Akkreditivbedingungen, garantiert. 123 Zu diesen Dokumenten können zum Beispiel das Konnossement oder ein Frachtbriefduplikat gehören, aber auch Versicherungspolicen, Herkunftszeugnisse, Wiegebestätigungen oder Analysezertifikate.124 Die Geschichte der UCP geht bis ins Jahr 1933 zurück. Sie wurden dann in den Jahren 1951, 1962, 1974, 1983, 1999 und zuletzt 2007 revidiert.125 Auf den konkreten Inhalt der UCP muss hier nicht eingegangen werden.126 Wichtig für die Untersuchung ist jedoch, dass die UCP weltweit Verwendung finden und anerkannt sind.127 c) Incoterms Ein weiteres Beispiel für die internationale Vereinheitlichung privat erzeugter Regeln sind die Incoterms. Die International Commercial Terms (Incoterms) sind Klauseln, die es den Parteien ermöglichen, im Rahmen eines Kaufvertrags umfangreiche Regelungen über den Leistungsort, weitere Leistungspflichten der Vertragsparteien und die Gefahrtragung zu treffen. 128 Die Incoterms wurden erstmals 1936 entworfen und dann in den Jahren 153, 1967, 1976, 1980, 1990, 2000 und zuletzt 2010129 überarbeitet
122 Habersack in: Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, 2009, § 783, Rn. 39. 123 Dies fasst die Definitionen in Art. 2 der UCP 600 zusammen. Siehe auch Häberle, Zahlung und Zahlungssicherung mit Dokumentenakkreditiven (Documentary Credits), 2002, 755–829, S. 757. 124 Habersack in: Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, 2009, § 783, Rn. 42. 125 Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive, IHR 2007, 136–150, S. 136. 126 Einen Überblick über die inhaltlichen Neuerungen der UCP 600 gegenüber den vorangegangenen Regelungen bietet Holzwarth, Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive, IHR 2007, 136–150. 127 Häberle, Zahlung und Zahlungssicherung mit Dokumentenakkreditiven (Documentary Credits), 2002, 755–829, S. 759 („Von den Kreditinstituten in wenigen (Klein-) staaten abgesehen, sind die ERA von den Banken bzw. Bankenverbänden aller Länder angenommen worden.“). Aus der Perspektive des Common Law siehe Goode, Commercial law, 2004, S. 985. 128 Wertenbruch, Die INCOTERMS – Vertragsklauseln für den internationalen Kauf, ZGS 2005, 136–142, S. 136. 129 Zu der aktuellen Fassung der Incoterms siehe insbesondere Ramberg, ICC Guide to Incoterms 2010, 2011; Grüske, INCOTERMS 2010 – Praxishandbuch, 2011; Bernstorff,
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und den Entwicklungen des internationalen Handels angepasst. 130 Eingeteilt in unterschiedliche Klauselgruppen legen sie einen Teil des Pflichtenumfangs der Parteien beim Versendungskauf fest. So bestimmt beispielsweise die einzige Klausel der so genannten E-Gruppe, dass die Ware vom Käufer im Werk des Verkäufers abzuholen ist (EXW: ab Werk [engl.: EX Works]).131 Die zweite Gruppe, die so genannte F-Gruppe beinhaltet Klauseln, nach denen der Haupttransport vom Verkäufer nicht bezahlt wird (FCA: Frei Frachtführer [engl.: Free Carrier]; FAS: frei längsseits Schiff [engl.: Free Alongside Ship]; FOB: frei an Bord [engl.: Free On Board]).132 In einer dritten Gruppe, der so genannten C-Gruppe, sind Klauseln zusammengefasst, die bestimmen, dass der Haupttransport vom Verkäufer bezahlt wird (CFR: Kosten und Fracht [engl.: Cost and FReight]; CIF: Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungshafen/Bestimmungsort [engl.: Cost Insurance Freight]; CPT: Fracht, Porto bezahlt bis [engl.: Carriage Paid To]; CIP: Fracht, Porto und Versicherung bezahlt bis [engl.: Carriage Insurance Paid]).133 In der letzten Gruppe, der so genannten D-Gruppe, finden sich schließlich alle Klauseln, die als Ankunftsklauseln Bringschulden beschreiben.134 Die bislang geltenden Klauseln der DGruppe (DAF: frei Grenze [engl.: Delivered At Frontier]; DES: frei ab Schiff [engl.: Delivered Ex Ship]; DEQ: frei ab Kai [engl.: Delivered Ex Quay]; DDU: frei unverzollt [engl.: Delivery Duty Unpaid] und DDP: frei verzollt [engl.: Delivery Duty Paid]) wurden mit der Neufassung im Jahr 2010 durch zwei neue Klauseln (DAP: geliefert Ort [engl.: Delivered At Place] und DAT: geliefert Terminal [engl.: Delivered At Terminal]) ersetzt, die die Incoterms an neue Anforderungen des Marktes anpassen.135 Diese Klauseln werden täglich in tausenden von Transaktionen verwendet und gehören damit zu den wichtigsten Lieferbedingungen im weltweiten Handel.136 Zwar beziehen sich die Incoterms lediglich auf das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer und betreffen damit Seetransportverträge nicht direkt137, jedoch sind insbesondere bei Verträgen, deren Gefahrübergang bei Beladung oder Entladung der Ware vom Schiff vereinbart ist, auch maritime Aspekte wichtig und unbedingt zu berücksichtigen.138 Eini Incoterms 2010 – Kommentierung für die Praxis, 2010 sowie Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, 672–679. 130 Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, 672–679, S. 674. 131 Häberle, Anhang: Incoterms 2000, 2002, 985–1044, S. 990. 132 Häberle, Anhang: Incoterms 2000, 2002, 985–1044, S. 990. 133 Häberle, Anhang: Incoterms 2000, 2002, 985–1044, S. 990. 134 Häberle, Anhang: Incoterms 2000, 2002, 985–1044. 135 Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, 672–679, S. 676. 136 Lehr, Die neuen INCOTERMS 2000, VersR 2000, 548–557, S. 548. 137 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 427. 138 Hierzu ausführlich Trappe, Maritime Aspects under an International Contract of Sale and Purchase, 1992 Europ.Transp.L., 3–15, der einige Fälle vorstellt, in denen mari-
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ge Klauseln gelten zudem ex definitionem ausschließlich für Schiffstransporte (FAS, FOB, CFR, CIF, DAT).139 d) Musterverträge Im Folgenden soll es nun um Modellregelungen im grenzüberschreitenden Seehandel gehen, die ganze Vertragssparten betreffen. Besonders interessant sind dabei Chartervertragsbedingungen, die von privaten Organisationen erstellt und regelmäßig überarbeitet werden. Darüber hinaus finden sich Modellregeln aber auch für den Schiffsbau, den Schiffskauf und viele andere Transaktionen im Bereich der Seeverkehrswirtschaft. Auch sie sind hier interessant, weil sie ebenfalls von privaten Organisationen erstellt werden, weltweit Anerkennung finden und so schließlich ebenfalls zu umfangreicher Vereinheitlichung führen. aa) Charter Anders als der Güterbeförderungsvertrag, dessen Gegenstand die Ladung ist und der rechtlich im grenzüberschreitenden Handel durch die Haager Regeln, die Haag-Visby-Regeln oder die Hamburg- oder RotterdamRegeln strukturiert ist, ist die Charter ein Vertrag, der sich auf das Schiff bezieht.140 Der Chartervertrag wird häufig auch Charterpartie genannt, wobei dieser Begriff ursprünglich nur die Urkunde, nicht aber den Vertrag an sich bezeichnete.141 Er geht zurück auf „carta partita“ (=geteilte Urkunde), da der Vertragstext in früherer Zeit mehrfach auf ein Blatt geschrieben wurde, das dann durch zackigen Schnitt geteilt wurde, so dass jede Partei des Vertrages ein Exemplar erhielt, dessen Echtheit durch das Aneinanderfügen der einzelnen Teilblätter festgestellt werden konnte.142 Beim Chartervertrag handelt es sich um einen Vertrag zur Schiffsüberlassung, der der Miete ähnelt, wobei die Einzelheiten variieren können.143 Die Grundformen der Charter sind Zeitcharter, Reisecharter und Bareboat Charter.144 Die einfachste Form der Charter ist die so genannte Bareboat time Aspekte im Rahmen der Incoterms wichtig wurden. Siehe zu einer abstrakten Beschreibung insbesondere auch im Hinblick auf die Systematik des deutschen Seehandelsrechts Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, Vor § 556, Rn. 74. Zu den Problemen, die im Rahmen des Überseekaufs entstehen können, wenn keine „maritime terms“ vereinbart sind, siehe Trappe, Zur Zählung der Liegezeit in der Seeschiffahrt, TranspR 2007, 437–457, S. 456. 139 Zur Eignung für Schiffstransporte sowie ausführlich zu den Bedeutungen der einzelnen Klauseln siehe Lehr, Die neuen INCOTERMS 2000, VersR 2000, 548–557. 140 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 131. 141 Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, § 557, Rn. 1. 142 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1950, S. 232. 143 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 327. 144 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 132.
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Charter, bei der das Schiff ohne Besatzung an den Charterer „vermietet“ wird. 145 Bei Reisecharter und Zeitcharter wird das Schiff mit Besatzung und Ausrüstung „vermietet“, wobei dies bei der Zeitcharter für eine bestimmte vorher festgelegte Zeit und bei der Reisecharter für eine bestimmte vorher festgelegte Strecke geschieht.146 Die Einzelheiten sind umfangreich und müssen hier nicht detailliert dargestellt werden. Wichtig für diese Untersuchung ist, dass sich in der Praxis Standardformulare für Charterverträge entwickelt haben, die teilweise auf ganz spezielle Bedürfnisse zugeschnitten sind. 147 Sie regeln Transportbedingungen, insbesondere die Art der Güter, die Gebräuche der Lade- und Löschhäfen sowie die Anforderungen von Verladern, Verfrachtern und Empfängern.148 So findet zum Beispiel das so genannte Aracon-Charter-Formular Anwendung auf den Transport von Erdnüssen von Westafrika nach Europa, das so genannte Ferticon-Formular wurde entwickelt für Düngemittelladungen, und das so genannte Saltcon-Formular wird verwendet für Salzlieferungen vom Mittelmeer nach Norwegen. Derlei Formulare gibt es in großer Zahl und großer Vielfalt. 149 Gibt es kein spezielles Formular, so greifen allgemeinere Formulare wie zum Beispiel die Uniform General Charter („GENCON C/P“) für die Reisecharter, die Baltime Charter oder die New York Produce Exchange Charter (NYPE) für die Zeitcharter und die Barecon Charter für Bareboat-Charterverträge.150 bb) Schiffsbau und Schiffskauf Ebenso wie für die Charter stehen auch für den Schiffsbau und den Schiffskauf Mustervertragsformulare zur Verfügung. Die Basis für Schiffskaufverträge bildet regelmäßig die Norwegian Saleform. 151 Für Schiffsbauverträge bestehen verschiedene Standardformulare, so zum Beispiel dasjenige der Shipbuilder’s Association of Japan (SAJ Form) oder 145
Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 327. Zu den Einzelheiten siehe Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, § 556. 147 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1950, S. 231. Daran hat sich bis heute nichts geändert, Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, § 557, Rn. 8 und Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 252. 148 Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, Anh. § 557, Rn. 4. 149 Für einen groben Überblick siehe Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, Anh. § 557, Rn. 4. 150 Siehe hierzu im Detail Athanassopoulou, Schiffsunternehmen und Schiffsüberlassungsverträge, 2005, S. 119 zu Barecon, S. 154 zu NYPE und Baltime. Zur „Gencon C/P“ siehe Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, § 557, Rn. 8. Der Text der „Gencon C/P“ findet sich bei Prüssmann/Rabe a.a.O., Anh. § 557, Rn. 1. 151 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 443. Im Einzelnen siehe Breitzke, Die Norwegian Saleform: Probleme der freiwilligen Seeschiffsveräußerung, dargestellt am Standardformular der Norwegian Saleform, 1971. 146
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das Vertragsmuster der Association of West European Shipbuilders (AWES Form).152 e) Weitere Musterregelungen Neben den zuvor bereits etwas ausführlicher vorgestellten Regeln gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Regeln, die hier nicht in Einzelheiten bearbeitet werden sollen, dennoch aber Erwähnung verdienen. Hierzu gehören zum Beispiel die so genannten „Voyage Charterparty Interpretation Rules 1993“ (VOYLAYRULES 93), die vom CMI herausgegeben werden, oder die nahezu inhaltsgleichen 153 „Baltic Code 2003 Charterparty and Laytime Terminology and Abbreviations“ sowie die unter anderem von CMI und BIMCO herausgegebenen „Charterparty Laytime Definitions 1980“.154 Alle drei Regelwerke enthalten Definitionen von Begriffen, die im Zusammenhang mit Ansprüchen wegen Überschreitung der Liegezeit eines Schiffes im Hafen bei Reisechartern zusammenhängen.155 Ebenfalls in die Reihe der Musterregelungen gehören die wiederum vom CMI herausgegebenen „CMI Rules for Electronic Bills of Lading“ sowie die „CMI Uniform Rules for Sea Waybills“156, die einen rechtlichen Rahmen für die elektronische Übermittlung von Seefrachtbriefen und Konnossementen bieten sollen.157 In der maritimen Versicherungswirtschaft sind es Formulare wie das „Lloyd’s SG Form“ oder das „Lloyd’s Mar Form“, die zu internationaler Vereinheitlichung geführt haben.158 Neben diesen Regelungen finden sich im grenzüberschreitenden Handel weitere Mustervertragsformulare und Musterklauseln, die für Einheitlichkeit sorgen und damit weit besser den Bedürfnissen des grenzüberschreitenden Handels dienen, als internationale Übereinkommen mit ihren oben dargestellten Problemen dies könnten. Es stellt sich allerdings die Frage, welchen Rechtscharakter diese Regelungen haben. Sind sie überhaupt Recht? Und wie soll das nationalstaatliche Recht mit ihnen umgehen? Um diese Fragen soll es im Folgenden gehen.
152 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 446. Für eine detaillierte Darstellung siehe Curtis, The Law of Shipbuilding Contracts, 1991. 153 Trappe, Zur Zählung der Liegezeit in der Seeschiffahrt, TranspR 2007, 437–457, S. 455. 154 Siehe zu diesen Regelwerken das umfangreiche Nachschlagewerk von Schofield, Laytime and Demurrage, 2005. Dort sind die Regelwerke auf den Seiten 453, 457 und 461 abgedruckt. 155 Siehe insbesondere Schofield, Laytime and Demurrage, 2005 sowie Trappe, Zur Zählung der Liegezeit in der Seeschiffahrt, TranspR 2007, 437–457, S. 455. 156 Siehe hierzu Tetley, International Maritime Law, 2000 Tul.Mar.L.J, 775–856, S. 787 f. mit Nachweisen zu Fundstellen der Regelungen. 157 Nöcker, Die beleglose Spedition, 2002, S. 276. 158 Tetley, International Maritime Law, 2000 Tul.Mar.L.J, 775–856, S. 789.
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B. Ordnungsmuster einer transnationalen Seehandelspraxis B. Ordnungsmuster einer transnationalen Seehandelspraxis
Zuvor ging es um die Vereinheitlichungstendenzen im grenzüberschreitenden Seehandel, die durch staatliches Recht in Form von internationalen Übereinkommen einerseits und privat erzeugte Regeln andererseits erreicht werden soll. Die Qualifikation privat erzeugter Regeln ist jedoch hoch umstritten. Ihre Einordnung reicht von einer Charakterisierung als lex mercatoria, also als eigenständiges autonomes Rechtssystem außerhalb des Staates, über ihre Qualifizierung als allgemeine Geschäftsbedingungen bis hin zu der Annahme, es handele sich dabei um Gewohnheitsrecht oder Handelsbräuche. Im Folgenden sollen hier die wichtigsten Positionen nachvollzogen werden, bevor es darum gehen wird, zu argumentieren, dass die oben vorgestellten Regelungen einen Teil eines sich herausbildenden transnationalen Rechts des (See-)Handels darstellen. I. Der Rechtscharakter privater Regelungen im grenzüberschreitenden Seehandel Die rechtliche Qualifizierung von privaten Regelungen stellt die Rechtswissenschaft vor große Probleme. Eine Ursache für die Schwierigkeiten mit der Einordnung privat erzeugten Rechts zur Regelung grenzüberschreitender Sachverhalte ist die regelmäßig dazu eingenommene nationalstaatliche Perspektive. Am meisten umstritten ist die Einordnung der UCP. 1. Die Debatte um den Rechtscharakter der UCP Schon oft ist versucht worden, den Rechtscharakter der UCP zu ergründen.159 Am weitesten geht dabei die Ansicht, die UCP seien eine Rechtsordnung sui generis. 160 Dieser Ansicht ist insbesondere Claus-Wilhelm 159
Des Streits offensichtlich überdrüssig handelt Jens Nielsen in der zweiten Auflage seines Kommentars zu den UCP 500 diese Frage noch kurz unter der Überschrift „Der unendliche Streit über die Rechtsnatur der ERA“ ab, Nielsen, Richtlinien für Dokumenten-Akkreditive, 2001, S. 13 f., um in der dritten Auflage seines Werkes zu den UCP 600 gar nicht mehr darauf einzugehen, Nielsen, Richtlinien für Dokumenten-Akkreditive, 2008. Als Überblicksliteratur zu diesem Streit mit vielen weiteren Nachweisen siehe nur Stapel, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998, S. 21 ff.; Eberth, Zur Rechstnatur der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, 1985, 199–216; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008. Siehe jüngst Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, S. 9 ff. 160 So bereits zur Fassung der UCP von 1962 Eisemann, Die neuen Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive der Internationalen Handelskammer (Neufassung 1962), AwD 1963, 139–142, S. 142 („Ganz unbestreitbar handelt es sich hier um eine Ordnung sui generis. […] Man wird daher auf die Dauer nicht umhin
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Canaris ungewöhnlich scharf mit dem Argument entgegengetreten, die Anerkennung der UCP als Ordnung sui generis beruhe ausschließlich auf deren faktischer Geltung, könne daraus aber keine Normativität schöpfen.161 Ebenso sei der internationalen Handelskammer als privater Organisation, die die UCP entwirft, revidiert und verwaltet, keine Gesetzgebungskompetenz zuzugestehen. 162 Letztlich fehle den UCP die einer Rechtsordnung eigene Geschlossenheit und Vollständigkeit.163 Zwischen diesen beiden Extrempositionen finden sich eine ganze Reihe von Kompromissvorschlägen mit je eigenen Argumenten. Von Teilen der Literatur werden die UCP als Gewohnheitsrecht qualifiziert, wobei dies teilweise auf die gesamten Regeln bezogen wird164, teilweise nur auf einzelne Regelungskomplexe. 165 Gegen eine Einordnung der UCP als Gewohnheitsrecht wenden Kritiker jedoch ein, ihnen würden die für Gewohnheitsrecht konstitutiven Voraussetzungen der gleichförmigen Übung und des Rechtsgeltungswillens der beteiligten Verkehrskreise nicht zuletzt deshalb fehlen, weil sie fortwährend revidiert und damit inhaltlich geändert würden.166 Weitere Teile der deutschen und auch ausländischen Rechtslehre erkennen in den UCP Handelsbräuche. 167 Gegen diese Qualifizierung wird je können, dieser Ordnung normativen Charakter und somit rechtsquellenmäßige Bedeutung zuzusprechen.“). Siehe auch Eberth, Zur Rechstnatur der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, 1985, 199–216, S. 214 („internationale Ordnung sui generis“). Jüngst erneut: Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, S. 39 („übergreifende Ordnung […], die auf weltweite Geltung angelegt wird“). 161 Canaris, Bankvertragsrecht, 2005, S. 640, Rn. 925. 162 Canaris, Bankvertragsrecht, 2005, S. 639, Rn. 925. 163 Stapel, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998, S. 23. 164 Herold/Lippisch, Bank- und Börsenrecht: systematischer Grundriß, 1962, S. 51. 165 Wessely, Die Unabhängigkeit der Akkreditivverpflichtung von Deckungsbeziehung und Kaufvertrag, 1975, S. 47 ff. für solche Regelungen, die sich auf die Abstraktheit des Akkreditivs beziehen. Siehe auch Schönle, Missbrauch von Akkreditiven und Bankgarantien, SJZ 1983, 53–61 und 73–78, S. 55 für den Grundsatz der Dokumentenstrenge und das Prinzip „Zahlung gegen Dokumente“. 166 Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, S. 36; Stapel, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998, S. 24 ff.; Eberth, Zur Rechstnatur der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, 1985, 199–216, S. 202 f. Mit der Einschränkung, dass gegen eine Anerkennung als Gewohnheitsrecht keine grundsätzlichen Bedenken bestünden, die Voraussetzungen von Gewohnheitsrecht durch die UCP aber nicht erfüllt seien, Canaris, Bankvertragsrecht, 2005, S. 640, Rn. 926. 167 Schmidt-Dencker, Die Korrespondenzbank im Außenhandel, 1982, S. 98 ff.; Gleisberg, Die Prüfung von Dokumenten des kombinierten Transports beim DokumentenAkkreditiv, 1980, S. 34 ff.; Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Do-
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doch vorgebracht, die UCP seien auf Grund ihres Entstehungsprozesses unter Federführung der ICC nicht „gewachsene“ Ordnung, sondern „gesetzte“ Ordnung. 168 Die UCP enthielten keineswegs nur empirische Feststellungen eines zuvor bereits befolgten Rechtszustands, sondern beruhten in weiten Teilen auf einer von Zweckmäßigkeitserwägungen getragenen Festsetzung und könnten daher nicht als Bräuche qualifiziert werden.169 So enden die Kritiker einer weiter reichenden Qualifikation der UCP als Handelsbrauch, Gewohnheitsrecht oder Ordnung sui generis schließlich bei der Erkenntnis, es handele sich bei den UCP um allgemeine Geschäftsbedingungen.170 Dass aber auch diese Einordnung problematisch ist und den UCP in ihrer Bedeutung und ihrem Entstehungsprozess nicht gerecht wird, soll später thematisiert werden. Zuvor aber soll die Debatte um die Rechtsnatur der Incoterms nachvollzogen werden. 2. Zum Rechtscharakter der Incoterms Weitaus weniger engagiert und leidenschaftlich als die Frage nach der Rechtsqualität der UCP wird die Frage um die Rechtsqualität der Incoterms geführt, wenn sie denn überhaupt zum Gegenstand der Forschung gemacht wird. Ohne nähere Begründung lehnen zum Beispiel Bredow und Seiffert eine Qualifikation der Incoterms als Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch ab und nehmen an, es handele sich vielmehr um vorformulierte Vertragsklauseln, deren verbindliche Geltung sich lediglich durch ausdrückliche Bezugnahme im Vertrag erreichen lasse.171 Ebenfalls als Vertragsklauseln sieht Jimenez die Incoterms an. Jedoch differenziert er im Gegensatz zu Bredow und Seiffert insoweit, als eine Einbeziehung der Incoterms in einen Vertrag dann ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung erfolgen könne, wenn ein Handelsbrauch existiere, der die Verwendung von Incoterms vorsehe. 172 Auch hier fehlt aber eine umfassende Auseinandersetzung mit der Thematik. Gänzlich ohne Diskussion kumenten-Akkreditive, IHR 2007, 136–150, S. 149. Weitere Nachweise bei Stapel, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998, S. 26, Fn. 36 sowie ebenfalls mit Nachweisen für ausländische Literaturmeinungen Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, S. 36, Fn. 49 und 50. 168 Stapel, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998, S. 28. 169 Canaris, Bankvertragsrecht, 2005, S. 640, Rn. 926. 170 So zum Beispiel Stapel, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998, S. 29 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, 2005, S. 641, Rn. 927, jeweils mit weiteren Nachweisen. 171 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000: Kommentar, 2000, S. 5. 172 Jiménez, The International Chamber of Commerce: Supplier of Standards and Instruments for Internationale Sale, 1996 Unif.L.Rev., 284–298, S. 294.
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qualifizieren von Bernstorff173 oder Grüske174 in ihren Praxishandbüchern die Incoterms als AGB. Aus den Praxiskommentierungen sticht immerhin die offizielle Kommentierung der ICC heraus, in der es als Missverständnis gewertet wird, die Incoterms lediglich als AGB zu verstehen. Vielmehr seien sie Ausdruck der internationalen Wirtschaftspraxis. 175 Eine Auseinandersetzung über die rechtliche Qualifikation der Incoterms findet jedoch auch dort nicht statt. In dieser Hinsicht hat sich Frédéric Eisemann verdient gemacht, indem er sich dem Forschungsgegenstand ausführlich im Rahmen seiner Abhandlung zum Wesen und Geltungsgrund der Incoterms gewidmet hat.176 Dabei lehnt er eine Qualifikation der Incoterms als Gewohnheitsrecht177, als Handelsbrauch oder Verkehrssitte 178 oder als Hilfsmittel zur Vertragsauslegung179 ab, um dann zu der Schlussfolgerung zu kommen, die Incoterms seien auf Grund ihrer weltweiten Anerkennung einem „gemeinsamen kulturellen Fundus des in der Überzeugung der Vernünftigkeit und Billigkeit tatsächlich Geübten zuzurechnen, der nach Treu und Glauben als objektiver Maßstab für die Erkenntnis des rechtlich Gebotenen heranzuziehen“ sei.180 Zu dieser zugegebenermaßen wenig handhabbaren Einordnung der Incoterms kommt Eisemann, weil er versucht, deren Geltungsgrund der Incoterms, ohne sich dabei aber auf die Rechtssoziologie einzulassen.181 Interessant für die hier angestellten Überlegungen ist in diesem Zusammenhang Eisemanns Einschätzung, die Incoterms seien zwar kein objektives Recht, jedoch gingen sie über die bloße vertragliche Vereinbarung hinaus und könnten „– zumindest faktische – Geltung beanspruchen“.182 Dieser normative Überschuss, den Eisemann hier bei den Incoterms gegenüber bloßer vertraglicher Vereinbarung ausgemacht hat, wird jedoch meist verkannt. Die Vielzahl der Kommentatoren sieht in den Incoterms 173
Bernstorff, Incoterms 2010 – Kommentierung für die Praxis, 2010, S. 19. Grüske, INCOTERMS 2010 – Praxishandbuch, 2011, S. 19. 175 Ramberg, ICC Guide to Incoterms 2010, 2011, S. 8. 176 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967. Dort weist er darauf hin, dass die Frage nach dem Geltungsgrund der Incoterms „schlechthin als ungeklärt bezeichnet werden darf“, S. 31. 177 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967, S. 32 ff. 178 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967, S. 42 ff. 179 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967, S. 45 ff. 180 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967, S. 56. 181 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967, S. 51 f. und S. 55. 182 Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1967, S. 54. 174
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Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
schlichte allgemeine Geschäftsbedingungen.183 Auch hier ist es der Entstehungsprozess der Incoterms, der ihre Qualifikation als allgemeine Geschäftsbedingungen als nicht angemessen erscheinen lässt. 3. Musterverträge und York-Antwerp Rules Die Rechtsnatur der York-Antwerp Rules, die Regeln über die havarie grosse enthalten, wird kaum ernsthaft diskutiert. William Tetley bezeichnete die YAR einerseits als Modellregeln184, an anderer Stelle weist er jedoch ausdrücklich auf deren vertraglichen Charakter hin.185 Ohne weitere Begründung bezeichnet Puttfarken die YAR als „modernes SeeEinheitsrecht“186 und Herber spricht von „internationalen AGB, die heute praktisch in jedem Konnossement und in jeder Charterpartie in Bezug genommen werden“. 187 Ausführliche Untersuchungen zur Rechtsnatur der YAR gibt es jedoch nicht. Ähnlich verhält es sich mit den Musterverträgen des Seehandelsrechts wie Charterpartien, Musterkonnossemente sowie andere Musterverträge, die international weite Verbreitung gefunden haben. Ihre Einordnung als allgemeine Geschäftsbedingungen ist weitgehend unbestritten. Lediglich die sich daraus ergebenden Folgen werden diskutiert. Um diesen Umstand zu erhellen, soll im Folgenden ein Fall, den der Bundesgerichtshof im Jahr 1983 zu entscheiden hatte, kurz dargestellt werden, um dann auf die daran geübte Kritik einzugehen. Im Herbst 1977 transportierte das Schiff „Nordholm“ etwa zwei Tonnen Profileisen. In der Biskaya geriet das Schiff in ein schweres Unwetter mit 7 bis 8 Windstärken, also starkem bis stürmischem Wind. Es kam zu Verwindungen des Schiffskörpers, die wiederum dazu führten, dass die Luken undicht wurden und Seewasser in den Laderaum des Schiffes eindrang. Die transportierten Profileisen begannen nach dem Kontakt mit dem Seewasser zu rosten. Die Klägerin verlangte aus abgetretenem Recht der Befrachterin der Profileisen Schadensersatz von dem Reeder des Schiffes und dem Verfrachter gemäß § 485 S. 1 HGB, wonach der Reeder für den Schaden verantwortlich ist, den die Schiffsbesatzung einem anderen schuldhaft zufügt. Die Beklagten verteidigten sich unter Berufung auf eine Haftungs 183 Hopt/Merkt/Baumbach, Handelsgesetzbuch, 2010, 2. Teil, IV, (6), Rn. 7; Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch, 2009, § 346, Rn. 126 ff.; Schmidt, Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2009, § 346, Rn. 112, allerdings mit der Einschränkung, dass einzelne Incoterms aus Handelsbräuchen hervorgegangen oder sich zu solchen entwickelt haben. 184 Tetley, International Maritime Law, 2000 Tul.Mar.L.J, 775–856, S. 788. 185 Tetley, The General Maritime Law – The Lex Maritima, 1994 Syracuse J.Int'l L.& Com., 105–145, S. 128. 186 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 321. 187 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 376.
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freizeichnungsklausel zu ihren Gunsten im Chartervertrag. Der Bundesgerichtshof gab der Klage statt und befand, dass die Haftungsfreizeichnungsklausel im Chartervertrag wegen eines Verstoßes gegen AGB-Recht unwirksam gewesen sei. Das als Chartervertrag verwendete Formular sei nämlich als allgemeine Geschäftsbedingung zu werten und könne daher einer Inhaltskontrolle unterzogen werden.188 Interessant erscheint dabei vor allem die Kritik, die an dieser Entscheidung geübt wurde. Es wurde beanstandet, dass der BGH den Chartervertrag, dem das oben bereits erwähnte „GENCON C/P“-Einheitsformular zu Grunde lag, als allgemeine Geschäftsbedingung qualifiziert hatte, mit der Folge, dass eine Inhaltskontrolle durchgeführt und die streitgegenständliche Klausel letztlich für unwirksam erklärt wurde. 189 Über diesen Punkt wurde reichlich gestritten. Dabei interessierte die beteiligten Rechtswissenschaftler und Praktiker vor allem die Frage, ob ein Chartervertrag überhaupt eine allgemeine Geschäftsbedingung darstellen könne, ob, wenn ja, ein Chartervertrag als eine Vertragsbedingung zu sehen sei, die eine Partei stellt, und schließlich auch, ob eine einzelne Partei überhaupt als „Verwender“ im Sinne des § 305 BGB identifiziert werden könne.190 Johannes Trappe zum Beispiel ist der Ansicht, dass es sich bei dem im Fall „Nordholm“ streitgegenständlichen Vertrag nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen gehandelt habe, weil die Parteien weite Teile des Vertrages mit der Folge ausgehandelt hätten, dass eine AGB-Kontrolle gemäß § 305b daher nicht stattfinden dürfe.191 Fischer-Zernin hingegen befasst sich ebenfalls ausführlich mit der Frage, ob die Vertragsbedingungen im Rahmen eines vorformulierten Chartervertrages im Sinne des AGB-Rechts ausgehandelt seien. 192 Demgegenüber wendet Dieter Rabe ein, dass das AGBRecht den Gedanken verfolge, dass auch im kaufmännischen Verkehr das vertragliche Gleichgewicht zu wahren und Ungleichgewichten Rechnung zu tragen sei und daher eine Inhaltskontrolle durchaus stattfinden dürfe.193 Diese rechtstechnischen Fragekomplexe, die den Schwerpunkt der Diskussion im Anschluss an die „Nordholm“-Entscheidung bildeten, dürfen 188
BGH VersR 1983, 549–550. Zu dieser Kritik siehe insbesondere Trappe, Der Fall „MS Nordholm“, VersR 1985, 206–210; Rabe, Inhaltskontrolle von Charterverträgen? Betrachtungen zum „Nordholm“-Fall, VersR 1985, 1010–1017. 190 Rabe, Inhaltskontrolle von Charterverträgen? Betrachtungen zum „Nordholm“Fall, VersR 1985, 1010–1017; Trappe, Der Fall „MS Nordholm“, VersR 1985, 206–210; Fischer-Zernin, Der Chartervertrag – Formularvertrag im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG oder zwingende Individualvereinbarung?, VersR 1986, 418–425. 191 Trappe, Der Fall „MS Nordholm“, VersR 1985, 206–210. 192 Fischer-Zernin, Der Chartervertrag – Formularvertrag im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG oder zwingende Individualvereinbarung?, VersR 1986, 418–425. 193 Rabe, Inhaltskontrolle von Charterverträgen? Betrachtungen zum „Nordholm“Fall, VersR 1985, 1010–1017. 189
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aber den Blick auf die tiefer liegende Fragestellung nicht verdecken. Die großen Unsicherheiten bei der Einordnung all dieser Regeln deuten auf einen Konflikt hin, der noch nicht hinreichend identifiziert ist. Dieser Konflikt liegt darin begründet, dass einerseits Regeln im Mittelpunkt stehen, die durch private Akteure geschaffen wurden, andererseits liegt ihm aber auch der Umstand zu Grunde, dass diese Regeln grenzüberschreitende Anwendung finden. Mit beiden Phänomenen ist das nationalstaatliche Recht nicht in der Lage, adäquat umzugehen. Ebenso wie bei den Debatten über die Frage, ob Incoterms, UCP, YorkAntwerp Rules und andere privat erzeugte Musterregeln des Seehandels Recht, Handelsbrauch oder Vertragsbedingungen seien, handelt es sich bei der Debatte um den Fall „Nordholm“ juridisch verfremdet um die Frage, inwieweit eine nationale Rechtsordnung zentrale Gepflogenheiten, Bräuche, etablierte Standardverträge und Formulare des grenzüberschreitenden Seehandels aufnehmen und im Sinne eigenständiger geltender Regeln anerkennen muss oder sie dem staatlichen zwingenden Recht unterordnen und eventuell für ungültig erklären darf. 194 Oder abstrakter: In welchem Maße enthält die transnationale Seehandelspraxis eigenständige Ordnungsmuster für die Lösung von Konflikten in diesem Bereich?195 II. Legitimation einer Lex Maritima Vertreter einer staatszentrierten Rechtstheorie wenden gegen privat erzeugte Normen insbesondere ein, dass die Gesetzgebungskompetenz allein dem Staat zukomme und daher allein staatliche Gesetze Legitimität für sich beanspruchen könnten. 196 In diesem Zusammenhang stehen auch Hoffnungen auf eine wie auch immer geartete „Einheit der Rechtsordnung“, die es zu schützen gilt und die die Grundfunktionen des Rechts – die Gewährung von Rechtssicherheit und Gerechtigkeit – verbürgen soll.197 194
Siehe hierzu ausführlich Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811–825. Diese Frage erkennt Trappe zwar, wenn er dem BGH vorwirft, dieser habe statt der von den Parteien gewählten Anspruchsgrundlage aus dem „Gencon C/P“-Formular eine Anspruchsgrundlage aus dem HGB gewählt, nähert sich der Frage aber dann doch wieder auf dem rechtsdogmatischen Weg, indem er das Vorliegen der Voraussetzungen von allgemeinen Geschäftsbedingungen untersucht, Trappe, Der Fall „MS Nordholm“, VersR 1985, 206–210. Zu dieser Frage siehe auch Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811– 825. 196 Canaris, Bankvertragsrecht, 2005, Rn. 925 ff. Siehe grundsätzlich gegen die Lehre von der lex mercatoria Hoffmann, Grundsätzliches zur Anwendung der „lex mercatoria“ durch internationale Schiedsgerichte, 215–233; Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 80 ff. oder Lorenz, Die Lex Mercatoria: Eine internationale Rechtsquelle?, 1985, 407–429. 197 Siehe zu diesem Prinzip insbesondere Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, der die Einheit der Rechtsordnung als Widerspruchsfreiheit versteht, ebd. S. 68. Dass das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung auch heute noch große Aktualität besitzt, 195
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Erst diese Einheit der Rechtsordnung erlaubt es der Rechtswissenschaft, Modelle eines Stufenbaus oder einer Normenhierarchie überzeugend zu begründen. 198 Einem derartigen staatszentrierten Einheitsdenken stehen freilich Konzepte gegenüber, die insbesondere auf der Grundlage sozialwissenschaftlich informierter Theorien nicht auf die formell verfahrensmäßige Setzung eines Rechtsakts abstellen, sondern vielmehr auf die soziale Befolgung bestimmter Normen. Vertretern derartiger soziologischer Theorien des Rechts wird indes unter anderem vorgeworfen, die Normativität von Rechtsnormen mit der Faktizität tatsächlichen sozialen Verhaltens zu verwechseln.199 Aus einem Sein könne kein Sollen folgen, ohne dass Kernelemente des Rechts aufgegeben werden müssten. Darum geht es aber nicht und soll es im Folgenden auch nicht gehen.200 Vielmehr wird kurz der theoretische Kern soziologischer Rechts- und Normentheorie vorgestellt, bevor es darum gehen wird, zu zeigen, dass faktische Befolgung auch außerhalb des Staates nicht notwendigerweise auf normative Elemente verzichten muss. Im Gegenteil wird das Argument untermauert, dass Legitimation in Zeiten der Globalisierung und der sozialen Fragmentierung nicht lediglich auf staatliche Setzung zurückgeführt werden kann, sondern dass auch die Eigenrationalitäten von spezifischen Sozialbereichen zur Erzeugung von Normativität und damit auch Legitimität beitragen können. 1. Grundzüge einer sozialwissenschaftlich inspirierten Rechtstheorie Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs die Erkenntnis heran, dass Recht nicht allein aus seiner Binnenperspektive mit den Methoden der zeigt die Tagung der Vereinigung Junger Zivilrechtswissenschaftler im Jahr 2008, die unter dem Generalthema „Einheit des Privatrechts“ stand. Siehe hierzu den Tagungsband Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Einheit des Privatrechts, 2009 und dort insbesondere zu den aktuellen theoretischen Überlegungen zur Einheit der Rechtsordnung vor dem Hintergrund der Europäisierung des Privatrechts den Beitrag von Herresthal, Die Einheit des Privatrechts in der europäischen Integration – Palladion oder Relikt einer vergangenen Epoche?, 2009, 139–176. 198 Der wohl berühmteste Vertreter des Stufenbaus der Rechtsordnung ist Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934 (Neudr. 1994). 199 So konkret Krawietz, Staatliches oder gesellschaftliches Recht? Systemabänderlichkeiten normativer Strukturbildung im Funktionssystem Recht, 1992, 247–301. Siehe zur Problematik auch die weiteren Beiträge in dem Band Krawietz/Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme – Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, 1992. Zur unterschiedlichen Perspektive von Rechtswissenschaftlern und Soziologen auf das Recht siehe Rottleuthner, Rechtstheorie und Rechtssoziologie, 1981, S. 33 ff. 200 Dass auch die Rechtssoziologie nicht schlicht dazu übergegangen ist, Faktizität zu beschreiben, sondern Normativität zu markieren sagt zum Beispiel Niklas Luhmann ausdrücklich mit Bezug auf die Kritiker einer Soziologie des Rechts, Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 501 f.
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Rechtsdogmatik betrachtet werden dürfe. Vielmehr zeigten die Beobachtungen der Wirklichkeit, dass das „law in action“ oder das „lebende Recht“ (Eugen Ehrlich) sich deutlich vom „law in the books“ (Roscoe Pound) unterschied.201 In den USA hat eine sozialwissenschaftlich inspirierte Rechtswissenschaft eine lange Tradition. Unter dem begrifflichen Dach „American Legal Realism“ wurde eine ganze Bewegung zusammen gefasst, die sich zunächst lediglich gegen eine radikal-formalistische Rechtswissenschaft wendete, damit aber später das rechtswissenschaftliche Fundament für großgesellschaftliche Entwicklungen wie insbesondere den Roosevelt’schen „New Deal“ legte. 202 Kristallisationspunkt für die Kritik des Legal Realism war die Entscheidung „Lochner gegen New York“ des US Supreme Court. 203 Darin entschied das Gericht, dass ein Gesetz zur Begrenzung der Arbeitszeit von Bäckereiangestellten gegen die Verfassung verstoße, weil damit die verfassungsmäßig garantierte Vertragsfreiheit eingeschränkt werde. In dieser Entscheidung drückte sich die in der amerikanischen Rechtsprechung lange gewachsene Überzeugung aus, dass Privatautonomie und Eigentum apolitische Rechtsinstitute seien, denen das Recht jedenfalls zur Geltung verhelfen müsse. Hiergegen richtete sich die Kritik der Legal Realists.204 Während die frühe Kritik sich vor allem gegen eine mechanische Anwendung der Prinzipien von Eigentum und Vertragsautonomie richtete205, differenzierten sich die Einwände später aus. Insbesondere wurde gefordert, die Binnenperspektive des Rechts zu verlassen und politische und gesellschaftliche Einflüsse auf das Verständnis von Vertragsrecht und Eigentum zu erkennen. So stellte Morris Cohen heraus, dass das Vertragsrecht nicht neutral und apolitisch sei, sondern durchaus politische und moralische Wertungen enthalte.206 Auch sei das Rechtsinstitut Eigentum keineswegs naturgegeben, sondern vielmehr Gegenstand politischer Entscheidung über die Allokation wirtschaftlicher Güter.207 Diese Befunde standen in krassem Gegensatz zu der zuvor vorherrschenden Auffassung, Eigentum und Vertragsfreiheit seien naturgegebene Faktoren, de 201 Pound, Law in Books and Law in Action, 1910 Am.Law Rev., 12–36; Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913), S. 393 ff. 202 Zum Einfluss des Legal Realism auf die US-amerikanische Rechtswissenschaft bis heute siehe insbesondere Singer, Legal Realism Now, 1988 Cal.L.Rev., 465–544. 203 Lochner v. New York [1905] 198 U.S. 45. 204 Siehe dazu die historische Bewertung von Horwitz, The Transformation of American Law, 1870–1960: The Crisis of Legal Orthodoxy, 1992, S. 189. 205 Pound, Mechanical Jurisprudence, 1908 Colum.L.Rev., 605–623; Pound, Liberty of Contract, 1909 Yale L.J., 454–487. 206 Cohen, The Basis of Contract, 1933 Harv.L.Rev., 533–592. 207 Hale, Coercion and Distribution in a Supposedly Non-Coercive State, 1923 Pol.Sci.Quart., 470–494; Dawson, Economic Duress – An Essay in Perspective, 1947 Mich.L.Rev., 253–290; Cohen, Property and Sovereignty, 1927 Cornell L.Q., 12–30.
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ren Schutz vornehmliche Aufgabe des Rechts sei. Vielmehr hat die LegalRealism-Bewegung zu einem Perspektivwechsel beigetragen, durch den politische und gesellschaftliche Einflüsse auf das Recht und seine Institute sichtbar wurden. In dieser Tradition stehen die neueren rechtstheoretischen und sozialwissenschaftlich informierten Strömungen in den USA. Zu ihnen gehören zum Beispiel die Vertreter der Critical Legal Studies, die eine ausgesprochen inhomogene Gruppe von Rechts- und Sozialwissenschaftlern sind, deren Forschungsprogramm sich am ehesten als politische Rechtstheorie bezeichnen lässt.208 Zu ihren prominentesten und einflussreichsten Vertretern zählt Duncan Kennedy, der immer wieder auf den Zusammenhang von Rechtsdogmatik und politischer und gesellschaftlicher Einflussnahme hingewiesen hat.209 Aber auch die eher als konservativ eingestufte Bewegung, die sich die ökonomische Analyse des Rechts zum Gegenstand eigener Forschungsarbeit gemacht hat, wird tendenziell in der Tradition des Legal Realism gesehen.210 Insgesamt ist die „Law and Society“-Forschung in den USA heute ein etabliertes Forschungsfeld, das mit zu der dort vorherrschenden Selbstverständlichkeit beigetragen hat, dass Recht ohne seine gesellschaftlichen Bezüge kaum verstanden werden kann. Während aber in den USA die Verknüpfung von Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft auf eine lange Tradition zurückblicken kann, führte die soziologische Jurisprudenz in Deutschland ein Schattendasein. Eine stärkere Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit bei der Rechtsfindung forderten zwar zum Beispiel Vertreter der Freirechtslehre (Eugen Ehrlich, Hermann Kantorowicz) und der insbesondere in Tübingen entwickelten Interessenjurisprudenz (Philipp Heck) bereits zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts. 211 Nachdem aber die Rechtssoziologie nach 1933 vollständig zum Erliegen gekommen war und auch nach dem Zweiten 208
Frankenberg, Partisanen der Rechtskritik: Critical Legal Studies etc., 2009, 93– 111, S. 94. 209 „Duncan Kennedy nimmt mit seiner literarischen Produktivität und politischen Dynamik ohne Zweifel den Rang eines Paten und Klassikers von CLS ein“, Frankenberg, Partisanen der Rechtskritik: Critical Legal Studies etc., 2009, 93–111, S. 95, Fn. 6. Siehe beispielhaft die einflussreichen Werke Kennedy, Form and Substance in Private Law Adjudication, 1976 Harv.L.Rev., 1685–1778 und Kennedy, Three Globalizations of Law and Legal Thought: 1850–2000, 2006, 19–73. 210 Singer, Legal Realism Now, 1988 Cal.L.Rev., 465–544, S. 508 ff. 211 Zu den wichtigsten Schlüsselwerken gehören hier Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903; Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913); Kantorowicz (Gnaeus Flavius), Der Kampf um die Rechtswissenschaft, 1906; Kantorowicz, Rechtswissenschaft und Soziologie, 1911; Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, AcP 1914, 1–318. Einen knappen Überblick über die Entwicklung der Rechtssoziologie in Deutschland gibt Röhl, Rechtssoziologie, 1987, S. 43 ff.
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Weltkrieg nur mühsam wieder Fuß fassen konnte, war einer kontinuierlichen Entwicklung der Boden entzogen.212 Einfluss gewinnen die Sozialwissenschaften auf die Rechtswissenschaft erst wieder mit den Werken Niklas Luhmanns und Gunther Teubners zur Systemtheorie des Rechts.213 Auf Basis ihrer Werke soll es im Folgenden kurz um einen Abriss moderner soziologischer Rechtstheorie gehen, der aber aufgrund der hohen Abstraktion der Theorie lediglich Eckpunkte darstellen kann. 214 Die Perspektive bleibt dabei auf die Möglichkeit eines Rechts außerhalb des Staates gerichtet. Ein solches Recht außerhalb des Staates muss hohen Anforderungen genügen. Darauf haben Gunther Teubner und andere Vertreter der an Niklas Luhmanns Systemtheorie des Rechts anschließenden rechtssoziologischen Literatur mehrfach hingewiesen. 215 Die von Luhmann ins Feld geführte Systemtheorie des Rechts basiert darauf, dass Gesellschaft nicht mehr aus der Perspektive von Individuen begriffen wird, sondern dass eine Analyse der Gesellschaft auf der Beobachtung von Kommunikationen basiert. 216 Dabei besteht die Gesellschaft aus (Kommunikations-)Systemen, die sich von ihrer Umwelt durch den Gegenstand der Kommunikation abgrenzen. Das Rechtssystem zum Beispiel grenzt sich dadurch von anderen Systemen ab, dass seine Kommunikationen dem binären Code Recht/Unrecht unterworfen sind.217 Andere Systeme wie Wirtschaft, Politik, Kunst oder Religion grenzen sich durch andere Unterscheidungen ab. 218 Sobald eine Kommunikation auf den Code Recht/Unrecht abstellt, kann sie als dem Rechtssystem zugehörig behandelt werden. Immer dann also, wenn ein Richter, eine Streitpartei oder irgendjemand einen Zustand als Recht oder Unrecht bezeichnet, wird diese Kommunikation dem Rechtssystem zugerechnet. Dass eine Kommunikation dem Rechtssystem 212
Raiser, Die Entstehung der Vereinigung für Rechtssoziologie, 1998, 11–18, S. 11. Zu den wichtigsten und einflussreichsten Werken gehören an dieser Stelle wohl Luhmann, Rechtssoziologie, 1987; Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993 sowie Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989. 214 Luhmann selbst sagt über die Systemtheorie: „Der Nachteil der Systemtheorie (wenn es denn ein Nachteil ist) liegt in ihrer hohen Eigenkomplexität und der entsprechenden Abstraktheit ihrer Begriffe“, Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 24. 215 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 61; in Bezug auf die Emergenz eines globalen Rechtssystems siehe Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290, S. 269 und neuerdings in gleicher Richtung Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280, S. 268 f. 216 Luhmann, Soziale Systeme, 1984, S. 242 ff.; Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 55. 217 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 60. Ausführlicher noch Luhmann, Die Codierung des Rechtssystems, Rechtstheorie 1986, 171–203. 218 Zu den einzelnen Differenzcodes siehe Krause, Luhmann-Lexikon: eine Einführung in das Gesamtwerk von Niklas Luhmann, 2001, S. 43 f. 213
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zugeordnet wird, macht ihren Gegenstand aber noch nicht zu Recht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Anwendung dieses Rechtscodes wiederum einer Beobachtung zweiter Ordnung nach dem Code Recht/Unrecht unterworfen wird.219 Erst durch eine solche Beobachtung zweiter Ordnung könne es gelingen, die operative Geschlossenheit des Rechtssystems zu sichern. 220 Das bedeutet nichts anderes, als dass Recht außerhalb eines staatlichen Rechtssystems in der Lage sein muss, sich seiner Operationen zu vergewissern und diese in Frage zu stellen. Das gelingt durch Verbalisierung und Erinnerung.221 Etwas weniger abstrakt formuliert bedeutet dies: Für die Qualifikation von Regeln als Recht kommt es nicht auf den Ort ihrer Entstehung an. Auch privat erzeugte Regeln können also ohne weiteres Recht sein. Ob sie dies aber tatsächlich sind, zeigt sich erst in ihrer fortgesetzten Anwendung. Entscheidet ein Schiedsgericht zum Beispiel, dass eine bestimmte Klausel eines Standardchartervertrages wirksam sei, dann hat das Gericht dieser Klausel den Wert „Recht“ zugeordnet und damit den ersten Schritt getan, um diese Klausel zu Recht werden zu lassen. Das reicht aber noch nicht aus. Erst wenn andere Gerichte wiederum diese Entscheidung für richtig halten, kondensiert sich die Regel zu einer Rechtsnorm. Die Entscheidung, dass die Charterklausel Recht sei, wird also wiederum mit dem Wert „Recht“ versehen und kann nun allmählich als Recht angesehen werden. Je häufiger solche Entscheidungen über Entscheidungen bestätigt werden, desto stärker wird die Regel konfirmiert und wird ihre Geltung bestätigt. Diese Geltungsbestätigung schafft Erwartungssicherheit und genau hieran schließt der soziologische Rechtsbegriff an. Recht sei danach die „Struktur eines sozialen Systems, die auf kongruenter Generalisierung normativer Verhaltenserwartungen beruht.“ 222 Das bedeutet nichts anderes, als dass Recht sich dadurch auszeichnet, dass an seinen Regeln auch dann festgehalten wird, wenn sie nicht befolgt werden. Die fortgesetzte Anwendung einer Regel also und damit ihre wiederholte Bestätigung und die wiederholte Sanktionierung des Regelverstoßes bewirken ihre Transformation zu Recht. Diese Operationen des Rechtssystems, die Entscheidungen über Entscheidungen, sind aber nur dann überhaupt möglich, wenn die Entscheidung anschlussfähig ist, das heißt, wenn sie im Rechtssystem sichtbar ist. Diese Sichtbarmachung von Entscheidungen geschieht durch ihre Veröffentlichung. Erst wenn Urteile veröffentlicht und damit als Kommunika 219
Siehe z. B. Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S. 51 f. Zuletzt auch in Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006, S. 42–43. 220 Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S. 48 ff. 221 Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280, S. 268 f. 222 Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 105.
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tion dem Rechtssystem zugänglich gemacht werden und dann im Wege der weiteren Beurteilung (Rechtsprechung) entweder bestätigt oder zurückgewiesen werden, erlangt Kommunikation unter den Vorzeichen des binären Rechtscodes Recht/Unrecht den Charakter eines Rechtssystems, das dann aus der rekursiven Verknüpfung von Normsetzung und Rechtsprechung besteht. Es geht Luhmann und seinen Nachfolgern um einen funktionalistischen Ansatz. Recht ist darauf spezialisiert, Verhaltenserwartungen dergestalt zu generalisieren, dass in kontingent auftretenden Fällen bindend nach dem binären Code Recht/Unrecht entschieden werden kann. Von normativen Verhaltenserwartungen kann im Gegensatz zu kognitiven Verhaltenserwartungen dann gesprochen werden, wenn im Enttäuschungsfall kontrafaktisch an ihnen festgehalten wird. 223 Das Recht institutionalisiert solche normativen Verhaltenserwartungen in zeitlicher, sachlicher und sozialer Hinsicht.224 Zentralbegriffe sind dabei Komplexität, Kontingenz und Verhaltenserwartung. Diese Begriffe müssen vor dem Hintergrund der soziologischen Beobachtung gesehen werden, dass die Welt, in der wir leben, eine Fülle von Möglichkeiten des Erlebens und Handelns bietet. Beispielhaft lässt sich das mit einem Bild erklären, an dem ein Mensch an einer Straßenkreuzung steht. Er hat nun die Möglichkeit, nach rechts, nach links, geradeaus oder zurück zu gehen und damit auch den Erlebnishorizont all derer zu beeinflussen, denen er auf seinem Weg begegnen würde. Es ist dabei allerdings nicht möglich, alle Handlungsalternativen zugleich zu realisieren. Damit ist der Begriff der Komplexität erläutert, unter dem Luhmann versteht, dass es stets mehr Handlungs- und Erlebnismöglichkeiten gibt als realisiert werden können.225 Der Begriff der Kontingenz kennzeichnet den Umstand, dass keine der Handlungsalternativen vorgegeben ist, sondern alle Möglichkeiten gleichermaßen eintreten können.226 Aus der Sicht eines Beobachters ist es unklar, welche der sich bietenden Möglichkeiten der Mensch an der Kreuzung realisieren wird. Aus diesem Umstand, dem Zusammentreffen von Komplexität und Kontingenz, erwächst ein Problem für die individuelle Daseinslage, das sich dadurch noch verstärkt, dass es in jedem Moment des Erlebens eine Vielzahl von Umständen gibt, die durch Komplexität und Kontingenz gekennzeichnet sind. Aus der Sicht des Beobachters, der den Menschen an der Kreuzung sieht und ihm möglicherweise entgegenkommt, stellt sich nicht nur das Problem, dass er nicht wissen kann, für welche Richtung sich der beobachtete Mensch entscheidet. 223
Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 40 ff. Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 94. Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 31. 226 Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 31. 224 225
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Ihn müsste darüber hinaus ebenfalls beschäftigen, was andere Menschen tun, ob der Boden, auf dem er läuft, standsicher ist, ob ein Gegenstand aus einem über ihm liegenden Fenster auf ihn herabfällt usw. Würde er ständig mit allen Erlebnisalternativen rechnen, mit denen die komplexe und kontingente Welt ihn konfrontiert, wäre er nicht mehr in der Lage, sein Leben zu führen. Um Blockaden durch den alternativreichen Horizont von Möglichkeiten zu vermeiden, werden Erwartungen gebildet und damit die unterschiedlichen Verhaltensmöglichkeiten selektiert. So kann Komplexität reduziert und individuelles Erleben handhabbar gemacht werden. In Bezug auf die Umwelt werden also Erwartungen gebildet, die stabilisiert oder revidiert werden können. Auf einer trockenen sauberen Straße kann erwartet werden, nicht auszurutschen. Andernfalls wäre jeder Schritt ein neues Risiko, das jeweils wieder neu bewertet werden müsste. Durch die Erwartung, auf trockener Straße nicht auszurutschen, wird ein erheblicher Teil an Komplexität reduziert. So werden für jeden Aspekt des Erlebens Erwartungen gebildet, die es ermöglichen, Handlungsalternativen zu selektieren und so Komplexität zu reduzieren. Solche komplexitätsreduzierenden Erwartungen werden unterschieden in kognitive und normative Erwartungen. Kongnitiv sind dabei solche Erwartungen, an denen im Enttäuschungsfall nicht festgehalten wird. Normative Verhaltenserwartungen sind hingegen enttäuschungsfest, das bedeutet, im Enttäuschungsfall wird an ihnen festgehalten. Eine normative Verhaltenserwartung kann zum Beispiel sein, dass die Farbe auf einem Blatt Papier nicht abfärbt. Geschieht dies ausnahmsweise doch, weil zum Beispiel ein Kopiergerät nicht ordnungsgemäß funktioniert hat und der Toner nicht fixiert wurde, so wird darauf nicht damit reagieren werden, in Zukunft regelmäßig ein Abfärben von Druckerfarbe zu erwarten. Konsequenz davon wäre nämlich, jedes bedruckte Blatt Papier zunächst daraufhin zu untersuchen, ob die Druckerfarbe ordnungsgemäß fixiert wurde. Vielmehr wird auch in Zukunft an der Erwartung festgehalten, dass die Farbe sich nicht löst. Es handelt sich um eine normative Verhaltenserwartung. Eine Enttäuschung der Erwartung (Abfärben des Toners) führt nicht zu einer Änderung der Verhaltenserwartung „bedrucktes Papier färbt bei Hautkontakt nicht ab“. Das Recht institutionalisiert normative Verhaltenserwartungen, indem es sie auf verschiedenen Ebenen absichert. Es kann aber nicht alle normativen Verhaltenserwartungen in seiner ihm eigenen Form kongruent generalisiert stabilisieren. Vielmehr erbringt es eine Selektionsleistung, die darauf abzielt, bestimmte Erwartungen normativ abzusichern. 227 Damit kommt dem Recht keine besondere Bedeutung in Bezug auf seine eigene Normativität, also auf einen intrinsischen Wert, der seine Befolgung for 227
Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 100.
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dert, zu. Vielmehr dient es lediglich dazu, Erwartungen zu stabilisieren und so Komplexität zu reduzieren. Das Recht wird so auf seine Funktion beschränkt begriffen. Aus dieser Perspektive werden die Normativität des Rechts oder die an eine Rechtsnorm anknüpfende Sanktion zwar nicht belanglos für das Recht, sie bilden jedoch auch keine Wesensvoraussetzung.228 Das Recht bietet damit eine Erwartungserleichterung. Das Individuum wird vom Zwang zur Selektion von Erwartungen weitgehend entlastet, denn das Recht gibt vor, was im Einzelnen erwartet werden darf.229 Eine derartige Sichtweise auf das Recht sieht sich freilich erheblicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere Jürgen Habermas hat als einer der bedeutendsten Kritiker der Systemtheorie des Rechts angemerkt, dass ein dergestalt verstandenes Recht zu einer „Auslöschung aller Spuren, die das normative Selbstverständnis des Rechtssystems in den klassischen Gesellschaftstheorien noch hinterlassen hatte“, führe.230 Eine derartige empiristische Umdeutung der normativen Aspekte des Rechts bewirke eine Ablösung von moralischen und politischen Aspekten vom Recht und es verliere so seine sozialintegrative Wirkung, auf die moderne Gesellschaften angewiesen seien. 231 Für Habermas liegt die sozialintegrative Kraft moderner Gesellschaften in der Verständigung über die gemeinsam geteilten Regeln und Werte und deren rationale Akzeptabilität.232 Im Folgenden soll es nun darum gehen, beide Theorien für den Umgang mit transnationalen Normen fruchtbar zu machen. Vielen Regelungen, die in der Lage sind, Verhaltenserwartungen zu stabilisieren, fehlt es an staatlicher Setzung, die Gerichten und anderen Rechtsanwendern noch immer als Voraussetzung für eine Akzeptanz solcher Regeln als verbindlich gelten. Und dennoch erfüllen sie die gleiche Funktion wie Recht, indem sie Komplexität reduzieren und Erwartungsstabilität schaffen. Oftmals ist es der Hinweis auf fehlende Normativität, mit der die Nichtbeachtung einer Regelung begründet wird. Es wird allerdings zu zeigen sein, dass auch privat erzeugte Regeln in der Lage sind, Normativität zu erzeugen und zumindest von allen von der Regelung Betroffenen allgemein akzeptiert zu werden. Der Weg zur Erzeugung derartiger Normativität ist die Beteiligung der Betroffenen am Entstehungsprozess der Regeln und die ernsthafte Möglichkeit der Einflussnahme.
228
Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 99 f. Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 100. 230 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 70. 231 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 70. 232 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 30 ff., sowie S. 34 und S. 43. 229
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2. Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts Die oben bereits dargestellten großen Schwierigkeiten, die die Rechtsdogmatik mit der Einordnung privat erzeugter Regeln einer grenzüberschreitend tätigen Branche hat, liegen darin begründet, dass es sich bei ihnen durch die dogmatische Brille des staatlichen Rechts zwar rein äußerlich betrachtet um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Diese allgemeinen Geschäftsbedingungen haben aber mit dem Leitbild der AGB, die von einem marktmächtigen Akteur seinen schwächeren Vertragspartnern aufgezwungen werden, rein gar nichts zu tun. a) Die erwartungsstabilisierende Funktion privat erzeugter Regeln Vielmehr zeigen die Versuche, diese Regelungen als Handelsbräuche einzuordnen, die auch ohne Kenntnis der Beteiligten gelten, dass hier eine erhebliche Stabilisierung von Verhaltenserwartungen stattgefunden hat. Dies zeigt sich auch daran, dass Gerichte sowohl ERA/UCP 233 als auch Incoterms 234 als Handelsbrauch anerkannt haben, der ohne ausdrückliche Einbeziehung in den Vertrag gilt.235 Daran ist zu ersehen, dass hier auch bei einer nicht ausdrücklichen Einbeziehung daran festgehalten wird, dass die jeweiligen Regelungen gelten sollen. Anders formuliert: Es handelt sich um kongruent generalisierte und stabilisierte normative Verhaltenserwartungen. Gleiches gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenfalls für Musterklauseln und Formularverträge im grenzüberschreitenden Seehandel. Nach einer rechtssoziologischen Betrachtungsweise wäre dies bereits ausreichend, um die genannten Regeln als funktionale Äquivalente von Recht zu bezeichnen. Ähnliche Ansätze finden sich auch in der amerikanischen Rechtstheorie, wobei in diesem Zusammenhang David Snyder mit seinem Konzept des „Private Lawmaking“ hervorzuheben ist.236 Besonders interessant an seinem Konzept ist erstens der Umstand, dass er eine staatszentrierte Rechtstheorie verlässt und zweitens ebenfalls einen funktionalistischen Rechtsbegriff aufgreift. Für diese Untersuchung ist seine Theorie vor allem auch interessant, weil Snyder auf die Entstehungsprozesse von 233
LG Frankfurt am Main, WM 1996, 153–154 („Sind die ein Akkreditiv-Verhältnis bildenden Parteien Kaufleute, ist davon auszugehen, dass die Einbeziehung der ERA kraft Handelsbrauch konkludent gewollt ist.“). 234 OLG München NJW 1958, 426. Dabei geht das Gericht zwar davon aus, dass die Incoterms kein allgemeiner Handelsbrauch seien, um sie dann aber gleichwohl anzuwenden, obwohl die Parteien eine entsprechende Vereinbarung nicht getroffen haben. 235 Zustimmend insgesamt Schlosser in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2006, § 305, Rn. 188 m.w.N. 236 Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449.
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staatlichem Recht und privat erzeugten Normen sowie auf das Argument der faktischen Geltung abstellt.237 Snyders Theorie ist funktionalistisch, weil er Recht nicht ausschließlich nach der Person seines Autors bestimmen möchte, sondern vielmehr auf den „Effekt“ (die Funktion) der Regelung abstellt. 238 Dieses Argument konkretisiert Snyder, wenn er darauf abstellt, dass privat erzeugte Normen häufig denselben „Effekt“ (dieselbe Funktion) wie staatlich erzeugtes Recht haben. 239 Snyder bedient sich neben anderen Beispielen auch des Beispiels der UCP. Sie seien zwar ihrer äußeren Erscheinung nach allgemeine Geschäftsbedingungen und bei allgemeinen Geschäftsbedingungen könne nicht grundsätzlich von Recht gesprochen werden. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn diese Geschäftsbedingungen in klassischen Zweiparteienverträgen Anwendung fänden und von einer Partei aufgestellt worden seien. Regeln wie die UCP gingen aber darüber hinaus. Vielmehr gehe es bei den UCP darum, dass eine private Vereinigung vertragliche Regeln erstelle, denen sich nicht nur eine Partei, sondern beide Parteien unterwerfen müssten. Bei einer allgemeinen Branchenüblichkeit der Regelungen sei es den Parteien auch nicht möglich, anderweitige Vereinbarungen zu treffen. Aus diesem Grunde müsse deutlich zwischen allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers, der diese seinen eigenen Verträgen zu Grunde legt, und solchen Bedingungen einer privaten Organisation, deren Bedingungen quasi allgemeinverbindlich sind, unterschieden werden.240 Gerade beim Beispiel der Dokumentenakkreditive sei es deutlich, dass die von der ICC aufgestellten Regeln für alle Banken faktisch ebenso verbindlich seien wie staatliches Recht, weil es kaum denkbar sei, andere Banken zu finden, die sich auf einen Akkreditivverkehr unter Ausschluss der UCP einließen. Derart stark in einer Branche verankerten Regeln komme deshalb die gleiche oder sogar eine noch stärkere Wirkung zu wie zwingendem Recht im staatlichen Kontext. 241 Während ein Verstoß gegen zwingendes staatliches Recht „lediglich“ dazu führe, dass ein Vertrag nicht vollstreckt wird, könne der Verstoß gegen privat erzeugte Regeln zumindest wirtschaftlich weitaus gravierendere Folgen haben, die bis zum Ausschluss aus dem Handel insgesamt reichten.242 Wirkmächtige Normgefüge sind jedoch nicht nur im Akkreditivhandel zu finden. Auch für zahlreiche andere Branchen und Kontexte sind Normstrukturen außerhalb des staatlichen Rechts nachgewiesen worden, die des 237
Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449, S. 405 ff. Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449, S. 405. 239 Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449; S. 405. 240 Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449, S. 406. 241 Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449, S. 412. 242 Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449, S. 412. 238
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sen Wirkung in nichts nachstehen und damit funktionale Äquivalente zum Recht bilden.243 Allerdings sieht sich eine rein funktionalistische Theorie dem Vorwurf fehlender Normativität ausgesetzt. Eine Aussage über die Funktion von Regeln sagt nichts über die Qualität deren Inhalts aus, sei es unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten oder Gesichtspunkten der Legitimation von Regeln. Im Folgenden soll es darum gehen zu zeigen, dass die Kritik an einer funktionalistischen Betrachtungsweise in den hier untersuchten Fällen nicht greift. Den oben beschriebenen Regeln des grenzüberschreitenden Seehandels, seien es die UCP, die Incoterms, die York-Antwerp Rules oder die diversen Vertragsmuster zu Chartern, Schiffsbau- oder Schiffskaufverträgen, ist eines gemeinsam: Sie sind ihrer äußeren Erscheinung nach Vertragsmuster, werden aber – wie gleich nachgewiesen wird – nicht lediglich von einer Vertragspartei entworfen und aufgestellt, wie es dem Leitbild allgemeiner Geschäftsbedingungen im deutschen Recht entspricht. Vielmehr lassen insbesondere die im Rahmen des Entstehungsprozesses der Musterverträge bestehenden Partizipationsmöglichkeiten der Interessenträger und späteren Vertragspartner basisdemokratische Züge erkennen. In diesem Zusammenhang wird ein Gedanke bedeutend, der in der Literatur immer weitere Verbreitung findet: Die Einwände fehlender Normativität, Gerechtigkeit oder Ausgewogenheit privat erzeugten Rechts verlieren umso mehr an Überzeugungskraft, je mehr die fehlende Zweckmäßigkeit staatlichen Rechts die Akzeptanz privater Ordnungen befördert und Partizipation zum Zweck der Legitimation privat erzeugter Normen ermöglicht wird.244 In dem Maße, in dem die später betroffenen Branchenkreise an der Setzung ihrer eigenen Regeln mitwirken können, steigt die Rationalität des Prozesses und damit auch seine sozialintegrative und normative Kraft.245
243 Bernstein, Opting Out of the Legal System: Extralegal Contractual Relations in the Diamond Industry, 1992 J.L.S., 115–157 für den Diamantenhandel; Bernstein, Private Commercial Law in the Cotton Industry: Creating Cooperation Through Rules, Norms, and Institutions, 2001 Mich.L.Rev., 1724–1790 für die Baumwollindustrie, kritisch aber zu der Forderung Bernsteins, dass das staatliche Recht die privaten Normen berücksichtigen sollte Johnston, Should the Law Ignore Commercial Norms? A Comment on the Bernstein Conjecture and its Relevance for Contract Law Theory and Reform, 2001 Mich.L.Rev., 1791–1810. Zu privaten Normen im Holzhandel siehe Konradi, The Role of Lex Mercatoria in Supporting Globalised Transactions: An Empirical Insight into the Governance Structure of the Timber Industry, 2009, 49–86. 244 Köndgen, Privatisierung des Rechts, AcP 2006, 477–525, S. 522; Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, ZEuP 1993, 247–267, S. 266; Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811–825, S. 818; Maurer, Die Inhaltskontrolle transnationalen Rechts, 2010. 245 Das bedeutet aber auch, dass Normativität nicht als „Alles-oder-nichts“-Prinzip verstanden werden darf, sondern graduell gedacht werden muss. Siehe dazu auch Schmidt, Lex mercatoria: Allheilmittel? Rätsel? Chimäre?, 2007, 153–183, S. 170, wo er
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Es geht dabei gerade nicht um bloße Selbstregulierung. Es handelt sich bei der Entstehung der hier im Zentrum der Untersuchung stehenden Regeln um eine Form der Prozeduralisierung, die als Paradigma neben Formalisierung und Materialisierung einen Modus des Rechts beschreibt, der seine normative Kraft aus der Bereitstellung entsprechender Verfahren schöpft und Gerechtigkeit durch Verfahren sichert. 246 Dieser Aspekt wird später noch weiter vertieft werden. b) Zu den Entstehungsprozessen privat erzeugter Regeln Bevor aber noch weiter auf die normative Kraft dieser Verfahren eingegangen wird, sollen zunächst die Verfahren der Entstehung von privat erzeugten Regeln dargestellt werden. Es wird dabei in erster Linie um die zuvor bereits behandelten Regelwerke gehen, also Charterverträge und andere Musterverträge des Seehandels, die unter anderem durch die private Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) erstellt werden (aa), die UCP und Incoterms, die von der Internationalen Handelskammer (ICC) erstellt werden (bb) sowie die York-Antwerp Rules zur Havarie Grosse des Comité Maritime International (CMI) (cc). In einem letzten Schritt wird es dann unter Punkt c) darum gehen, die hier im Folgenden vorgestellten Prozesse der Entstehung privater Normen einzuordnen und deren Normativität näher zu beleuchten. aa) Chartern und andere Musterverträge (insbesondere BIMCO) Die Antwort auf die Frage, was die Charterverträge und anderen Musterverträge des Seehandels von allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB unterscheidet, lässt sich am Beispiel ihres Zustandekommens geben, das für die meisten im Seehandel verwendeten Vertragsmuster paradigmatisch ist. Einer der wichtigsten Herausgeber von seehandelsrechtlichen Musterverträgen, insbesondere von Charterverträgen, ist die BIMCO, die eine ganze Reihe unterschiedlicher Standardverträge für den grenzüberschreitenden Seehandel zur Verfügung stellt. Während aber in der Regel allgemeine Geschäftsbedingungen von einem Vertragspartner gestellt werden, ist das Besondere an den Formularverträgen der BIMCO, dass sie unter Beteiligung von Vertretern verschiedenster Interessen entworfen und herausgegeben werden. Der Prozess des Entwurfs eines neuen Vertragsformulars oder der Überarbeitung eines bereits existierenden Formulars folgt immer gleichen Re zwar einzelenen Regeln einer lex marcatoria Normqualität zubilligt, der lex mercatoria als Ganzes aber normative Defizite bescheinigt. 246 Calliess, Prozedurales Recht, 1999, insbesondere S. 180.
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geln.247 Eine Gruppe der BIMCO, das so genannte Documentary Committee, koordiniert die gesamte Tätigkeit der BIMCO auf dem Gebiet der Musterverträge. Das Interessante dabei und wichtig für die folgenden Überlegungen ist der Umstand, dass dieses Documentary Committee besetzt ist mit Vertretern von unterschiedlichen an der Seefahrt beteiligten Interessenträgern, darunter Vertreter von Staaten,248 Vertreter von Protection-and-Indemnity-Versicherungen (P&I Clubs), das sind Zusammenschlüsse von Schiffseignern und Charterern zur Selbstversicherung von Schiffen, Vertreter von Schiffshandelsvereinigungen, die Vertreter von internationalen Schifffahrtsvereinigungen wie der International Chamber of Shipping oder der Federation of National Associations of Ship Brokers and Agents (FONASBA) sowie Vertreter des BIMCO-Sekretariats. Im Vorfeld der Arbeiten an Musterverträgen werden darüber hinaus alle Mitglieder der BIMCO in den Entwurfsprozess eingebunden, indem die Nutzer der Standardverträge im Rahmen von Umfragen zur Rückmeldung über problematische Teile der bestehenden Formulare und zur Abgabe von Verbesserungsvorschlägen aufgefordert werden. Durch diese Beteiligung wird die Akzeptanz der zu erstellenden Formulare erheblich gefördert. Nach derartigen Vorbereitungsarbeiten wird ein kleineres, mit Spezialisten besetztes Drafting Committee eingesetzt, das den eigentlichen Entwurf vorbereitet. Entwürfe werden danach zum Zweck einer breiten Einbeziehung der beteiligten Kreise zirkuliert, so dass spätere Nutzer des Formulars Kommentare und Anregungen geben können, die wiederum in den Entwurf eingearbeitet werden. Ist ein endgültiger Entwurf gefunden, leitet das Drafting Committee diesen an das Documentary Committee zur finalen Beschlussfassung weiter. Dieser gesamte Prozess dauert in der Regel zwischen zwei und dreieinhalb Jahren. Der Inhalt der fertig gestellten Formulare ist vielfältig. In der Regel sind Standardformulare des Seehandels zweigeteilt in einen Teil, der aus feststehenden Regelungen besteht und einen zweiten Teil, dem so genannten Box Layout, in dem die Parteien entweder eigenständige Regeln vereinbaren oder aus vorgegebenen Alternativen wählen können. Insbesondere aber stellt jedes Formular ein eigenes Haftungsregime zur Verfügung, das sowohl die Besonderheiten des Seehandels als auch der konkreten Transaktion berücksichtigt. Ist ein Formular fertiggestellt, wird es veröffentlicht und vermarktet. 247
Hunter, Standard Forms – The BIMCO Experience, 2008, 1–15, S. 2 ff. Die folgenden Ausführungen beziehen sich hierauf. 248 Zuletzt war das Documetary Committee ausweislich der BIMCO Homepage mit Vertretern aus Belgien, China, Zypern, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Indien, Japan, Südkorea, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Russland, Singapur, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei, des Vereinigten Königreichs und der USA besetzt.
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bb) Die UCP und Incoterms (International Chamber of Commerce)249 Einem ähnlichen Entwurfsprozess unterliegen auch die UCP und die Incoterms der ICC. Sowohl die UCP als auch die Incoterms werden von der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) entworfen, herausgegeben und verwaltet. Die ICC sieht sich als Dienstleister der international tätigen Wirtschaft. Zu ihren mehr als 7.000 Mitgliedern gehören Unternehmen, Banken, Verbände und nationale Handelskammern.250 Die ICC wurde 1919 gegründet und ist durch so genannte Nationalkommitees in über 130 Staaten vertreten. 251 Die deutsche Sektion der ICC, die ICC Deutschland, ist ein eingetragener Verein, dem Wirtschaftsunternehmen, aber auch Anwaltskanzleien, Verbände und Industrie- und Handelskammern in Deutschland beigetreten sind.252 Die ICC bildet Unterausschüsse, die sich mit den Fragen und Problemen einzelner Branchen befassen. Die UCP werden beispielsweise von der „Gesamtkommission Banken“ der ICC verwaltet. Ausgangspunkt einer Änderung oder Anpassung einzelner Regelwerke ist immer die Beobachtung der Praxis sowie Eingaben der Mitglieder der ICC. Ist über längere Zeit die Erkenntnis gereift, dass gewisse Regelwerke einer Anpassung bedürfen, beauftragt die jeweils zuständige Gesamtkommission eine so genannte Drafting Group mit der Ausarbeitung eines Vorschlags. Diese Drafting Group ist besetzt mit 6 bis 10 Experten der jeweils zu regelnden Materie, die in den meisten Fällen aus unterschiedlichen Nationen stammen, um zum Beispiel die Interessen unterschiedlicher Rechtskreise zu berücksichtigen. Derartige Entwürfe gehen zurück an die Nationalkommitees der ICC, die wiederum unter Mitwirkung ihrer Mitglieder eine Kommentierung zu dem vorgelegten Entwurf erarbeiten. Im Falle der UCP wirken dabei die deutschen Banken, der Sparkassen- und Giroverband oder die Genossenschaftsbanken mit. Diese Kommentierungen enthalten Fragen und Änderungsvorschläge zu den vorgelegten Entwürfen. Die Kommentierungen wiederum werden bei der Drafting Group gesammelt, ausgewertet und in einen neuen Entwurf eingearbeitet und der Prozess beginnt erneut. Der überarbeitete Entwurf wird den Ländergruppen zugeleitet, diese kommentieren ihn unter Mitwirkung ihrer Mitglieder und leiten diese Kommentierung der Drafting Group zu. Der Prozess kann sich mehrfach wiederholen. Liegt am Ende dieses Prozesses ein weitgehend gebilligter Entwurf vor, so wird die Drafting Group zu einer so genannten Consultative Group erweitert, der weitere Ländervertreter angehören, um einen mög
249 Die folgenden Ausführungen basieren auf einem Telefoninterview, das am 19.05.2010 mit dem für die INCOTERMS und UCP zuständigen Mitglied der Geschäftsleitung der Internationalen Handelskammer Deutschland geführt wurde. 250 Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, 672–679, S. 675. 251 Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, 672–679, S. 675. 252 ICC Deutschland e.V., ICC Deutschland Jahresbericht 2009, S. 39 ff.
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lichst breiten Konsens zu schaffen. Ist ein solcher Konsens erzielt, wird die Änderung vom Gesamtkomitee der ICC beschlossen. Vor diesem Hintergrund sieht es zunächst so aus, als sei die ICC einseitige Vertreterin von Wirtschaftsinteressen, was ihrem Selbstverständnis nach grundsätzlich auch nicht zu leugnen ist.253 Jedoch beschränkt sich die ICC bei den UCP nicht lediglich auf Interessenvertretung. So weist zum Beispiel Schütze darauf hin, dass die ICC beim Entwurf der UCP durch die Einbeziehung von UNCITRAL eine ausgesprochen breite Basis für Beteiligungen am Entwurf der Regeln geschaffen hat und sowohl Regierungen als auch Bank- und Handelsinstituten der nicht in der ICC vertretenen Länder eine Beteiligungsmöglichkeit eröffnet wurde.254 Umgekehrt erhöht diese Beteiligung von UNCITRAL die Wahrscheinlichkeit, dass die UCP in nationalstaatliches Recht Einzug finden oder berücksichtigt werden.255 Denn wenn Staaten auf die Entwicklung der UCP Einfluss nehmen konnten, erhöht sich auch ihre Bereitschaft, diese Regeln anzuerkennen. Bis heute werden sowohl die UCP als auch die Incoterms von UNCITRAL „endorsed“. Das bedeutet, UNCITRAL emfpiehlt beide Regelwerke auf seinen Internetseiten als „wertvollen Beitrag zum internationalen Handel“.256
253
Siehe zum Beispiel die Selbstbeschreibung der ICC Deutschland als „starke Stimme der Wirtschaft“, http://www.icc-deutschland.de/index.php?id=23 (zuletzt besucht am 06.02.2012). 254 Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, S. 28. 255 Levit, Bottom-Up Lawmaking through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 2008 Emory L.J., 1147– 1225, S. 1179 f. 256 „The United Nations Commission on International Trade Law, Expressing its appreciation to the International Chamber of Commerce for transmitting to it the revised text of ‘Uniform Customs and Practice for Documentary Credits’, which was approved by the Commission on Banking Technique and Practice of the International Chamber of Commerce on 25 October 2006, with effect from 1 July 2007, Congratulating the International Chamber of Commerce on having made a further contribution to the facilitation of international trade by bringing up to date its rules on documentary credit practice to allow for developments in the banking, transport and insurance industries and new technological applications, noting that ‘Uniform Customs and Practice for Documentary Credits’ constitutes a valuable contribution to the facilitation of international trade, Commends the use of the 2007 revision, as appropriate, in transactions involving the establishment of a documentary credit.” United Nations, Report of the United Nations Commission on International Trade Law 2009, S. 70. Ebenso in nahezu wortgleicher Formulierung für die Incoterms 2000 siehe United Nations, Report of the United Nations Commission on International Trade Law 2000, S. 103.
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cc) York-Antwerp Rules (Comité Maritime International) Die York-Antwerp Rules, aber auch eine ganze Reihe anderer Musterregelungen werden vom Comité Maritime International (CMI) entworfen. Das CMI ist eine traditionsreiche Organisation, die aber im Laufe ihrer Geschichte erheblich an Einfluss verloren hat. Das CMI wurde 1897 in Antwerpen von einem Juristen und einem Versicherer gegründet.257 Vorangegangen war der Gründung des CMI der Versuch von insbesondere belgischen Politikern und Händlern, ein internationales Einheitsrecht für den Seehandel zu entwerfen, in dem die gängigen Handelsbräuche des internationalen Seehandels kodifiziert werden sollten.258 Seither wurde versucht, im CMI die an der Schifffahrt beteiligten Kreise einzubeziehen und somit am Entwurf jener Regelungen, die ihre eigene Branche betrafen, zu beteiligen. Das Comité Maritime International ist eine private Vereinigung, in der nationale Schifffahrtsorganisationen zusammenkommen, in denen wiederum Reeder, Befrachter, Versicherer, Beamte, Anwälte und andere Seerechtsexperten zusammengeschlossen sind.259 Interessant ist, dass die Arbeit des CMI lange Zeit nicht nur darin bestand, Musterregelungen für den internationalen Seehandel zu entwerfen, sondern es war insbesondere seine Aufgabe, internationale Konventionen und völkerrechtliche Verträge inhaltlich vorzubereiten. Bis in die 1970er-Jahre hinein war die Arbeit des CMI in dieser Hinsicht ausgesprochen erfolgreich. Fast alle seehandelsrechtlichen Übereinkommen waren bis dahin von ihm entworfen worden.260 Der Arbeitsgang stellte sich dabei grob folgendermaßen dar261: Das Executive Council des CMI bildete für zuvor ausgewählte Probleme Kommissionen, die mit der Ausarbeitung von Entwürfen und vorbereitenden Arbeiten betraut wurden. An diesen Kommissionen waren Vertreter von nationalen Schifffahrtsorganisationen beteiligt, so dass bereits in diesem Stadium unterschiedliche internationale Interessen berücksichtigt werden konnten. Der so entstandene Entwurf wurde dann von einer internationalen Konferenz des CMI beraten und festgelegt. War dies geschehen, so wurde der Konventionstext an
257 Berlingieri, The Work of the Comité Maritime International: Past, Present, and Future, 1983 Tul.L.Rev., 1260–1273, S. 1260. 258 Ziegler, The Comité Maritime International (CMI): The Voyage from 1897 into the next Millennium, 1997 Unif.L.Rev., 728–756, S. 728. 259 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, S. 89. 260 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, S. 89; Ziegler, The Comité Maritime International (CMI): The Voyage from 1897 into the next Millennium, 1997 Unif.L.Rev., 728–756, S. 728. 261 Ausführlich beschrieben bei Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, S. 89 f.; Ziegler, The Comité Maritime International (CMI): The Voyage from 1897 into the next Millennium, 1997 Unif.L.Rev., 728–756, S. 732 ff. Siehe zu den Einzelheiten der Abläufe auch die Statuten und Regeln des CMI unter http://www.comitemaritime.org.
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die belgische Regierung mit der Bitte um die Einberufung einer diplomatischen Konferenz zur Verabschiedung des Textes weitergeleitet. Da den Regierungsdelegationen der diplomatischen Konferenzen regelmäßig auch Mitglieder der nationalen Schifffahrtsorganisationen angehörten, kam es regelmäßig zu einvernehmlichen Lösungen und die Vorschläge des CMI wurden als internationale Konvention verabschiedet. Obwohl das Comité Maritime International auch heute noch existiert, hat es erheblich an Bedeutung verloren, nachdem die UNO die Gründung der Intergovernmental Maritime Consultative Organization (IMCO), die heute International Maritime Organization (IMO) heißt, initiiert hatte. Deren Gründung geht zurück auf ein Internationales Übereinkommen, das im März 1948 vereinbart und im Jahr 1958 wirksam geworden ist.262 Der Hintergrund dieser Kompetenzübergabe ist wohl politischer Natur. Obwohl anerkannt war, dass die CMI die Interessen ihrer Mitglieder und damit die Interessen aller am Seehandel beteiligten Interessenträger aus den einzelnen Mitgliedstaaten ausgewogen und fair berücksichtigt hatte, indem umfangreiche Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen wurden263, wurde insbesondere von Entwicklungsländern und zum damaligen Zeitpunkt auch von sozialistischen Ländern kritisiert, das CMI vertrete vor allem „privatkapitalistische Schifffahrtsinteressen“ und verkörpere die „Rechtsanschauungen bürgerlicher Juristen“. 264 Offensichtlich erschienen die Einbeziehung dieser Staaten und damit eine Reaktion auf deren Kritik im Rahmen der UNO durch eine Übernahme der CMI-Aktivitäten möglich. Unwahrscheinlich ist jedenfalls, dass die Weigerung des CMI in den 1960er-Jahren, das Konzept der Haager Regeln mutiger zu verändern als dies vorgesehen war, zu Unmut bei vielen Regierungen geführt und daher das CMI an Einfluss verloren habe. 265 Dies passt bereits zeitlich nicht zusammen, denn die Gründung der IMO geht auf das Jahr 1948 zurück. Obwohl die IMO also zunächst nur Aufgaben im Bereich der technischen Zusammenarbeit und insbesondere der Schiffsicherheit übernommen hatte, wurden die Aufgaben des CMI und vor allem dessen faktisches Initiativrecht später auch von der United Nations Commission for Trade and
262 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, S. 55; siehe auch: http://www.imo. org/About/HistoryOfIMO/Pages/Default.aspx (zuletzt besucht am 06.02.2012). 263 Berlingieri, The Role of the CMI for the International Unification of Maritime Law, 1993, 167–169; Berlingieri, The Work of the Comité Maritime International: Past, Present, and Future, 1983 Tul.L.Rev., 1260–1273, S. 1261. Zum großen Erfolg der Tätigkeit des CMI siehe auch Herber, Gedanken zur internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, 1979, 55–77, S. 59 f. 264 Frenzel, Geschichte und Wirken des Internationalen Schiffahrtkomitees, Seeverkehr 1967, 78–80, S. 79. 265 So aber Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 35.
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Development (UNCTAD) sowie der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) übernommen.266 Heute spielt das CMI nur noch eine Nebenrolle im Zustandekommen internationaler Übereinkommen. Es ist mittlerweile lediglich ein beratendes Gremium der IMO neben anderen267, jedoch durchaus mit erheblichem Einfluss. 268 Neben dieser Tätigkeit hat sich das CMI jedoch auch neuen Aufgaben zugewendet. Hierzu gehören zum Beispiel der Entwurf von allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formulardokumenten, insbesondere auch der York-Antwerp Rules, die Beratung von Staaten im Bereich der Gesetzgebung, die Rechtsvergleichung sowie die Überwachung der Umsetzung von internationalen Übereinkommen in nationalstaatliches Recht.269 Der zuvor beschriebene Arbeitsprozess hat sich dabei nicht geändert. Auch heute noch entstehen CMI-Regeln unter Beteiligung einer breiten Basis von Interessenträgern im grenzüberschreitenden Seehandel. Insbesondere bei der Fortentwicklung der York-Antwerp Rules wird das CMI hauptverantwortlich tätig. Das ist wichtig, weil hier einer privaten Organisation die Rolle des Normgebers für international verbindliche Regelungen zukommt.270 Das CMI setzt mit den York-Antwerp Rules Regeln, die im Ergebnis umfassend anerkannt werden und daher faktisch in der Schifffahrtsbranche international verbindlich sind. Das ist eine Leistung, die mit völkerrechtlichen Konventionen in anderen Bereichen nicht erreicht wurde. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Argument für privat erzeugtes Recht im Rahmen des grenzüberschreitenden Seehandels deutlich an Kontur: Wenn Regeln wie die York-Antwerp Rules, die UCP, die Charterverträge der Seeschifffahrt oder die Incoterms als allgemeine Geschäftsbedingungen betrachtet werden, trifft dies den Charakter dieser Normen nicht. Die zuvor angedeuteten Mechanismen und Verfahren haben eines gemeinsam: Sie bringen Vertragsmuster hervor, die nach der Definition des deutschen Rechts und auch anderer Rechtsordnungen als allgemeine Ge 266
Berlingieri, The Work of the Comité Maritime International: Past, Present, and Future, 1983 Tul.L.Rev., 1260–1273, S. 1264. 267 Die umfangreiche Liste der beratenden Nichtregierungsorganisationen der IMO kann unter http://www.imo.org/About/Membership/Pages/NGOsInConsultativeStatus. aspx eingesehen werden (zuletzt besucht am 06.02.2012). 268 Zum immer noch vorhandenen Einfluss des CMI siehe Herber, Gedanken zur internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, 1979, 55–77, S. 62. Siehe hierzu ebenfalls Berlingieri, The Work of the Comité Maritime International: Past, Present, and Future, 1983 Tul.L.Rev., 1260–1273, S. 1264 ff. 269 Berlingieri, The Work of the Comité Maritime International: Past, Present, and Future, 1983 Tul.L.Rev., 1260–1273, S. 1266 ff. 270 Zur Entstehung der York-Antwerp Rules und den Modalitäten ihrer Fortentwicklung siehe beispielhaft für die Änderungen im Jahr 1994 Hudson, The York-Antwerp Rules: Background to the Changes of 1994, 1996 J.Mar.L. & Com., 469–478.
B. Ordnungsmuster einer transnationalen Seehandelspraxis
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schäftsbedingungen qualifiziert werden könnten. Anders als das Leitbild der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach deutschem Recht aber geht es hier gerade nicht darum, dass eine vermeintlich stärkere Partei einer schwächeren Partei eine für letztere ungünstige vertragliche Risikoverteilung aufgezwungen hätte. Vielmehr gewährleisten die Verfahren, in denen diese Vertragsmuster zustande kommen, eine Beteiligung von Vertretern aller später vom Vertrag direkt Betroffenen. Es scheint genau diese hybride Mischung zu sein, die eine Einordnung der zuvor besprochenen Regelungen in einem Dreieck zwischen größtmöglicher Generalisierung durch allgemeine Formulierung, Beteiligung der Interessenträger und damit weitgehender Akzeptanz sowie der Beobachtung und Verbesserung bereits bestehender Regeln im Hinblick auf die Praxis schwierig macht. Im Folgenden soll es nun darum gehen, die normative Kraft derartiger Prozesse im transnationalen Raum zu erhellen. c) Die normative Kraft sozialer Prozesse aa) Erste Annäherung: Bottom-Up Lawmaking Eine erste Annäherung an eine normative Kraft privater und gesellschaftlicher Rechtsschöpfungsprozesse bietet das Konzept des „Bottom-Up Lawmaking“ der amerikanischen Völkerrechtlerin Janet Koven Levit, das sie in verschiedenen Zusammenhängen vorgestellt hat. 271 Bottom-Up Lawmaking soll dabei verstanden werden als ein Prozess, in dem auf privater Ebene Regeln entstehen. Sie basieren insbesondere auf den Bemühungen von Praktikern, die ihre täglich auftretenden Probleme durch Standardisierungsprozesse und Vereinheitlichungsbemühungen zu lösen versuchen. Am Ende eines solchen Prozesses stehen Normen, die allgemeine Akzeptanz in einer Branche oder Gruppe finden. 272 In einem zweiten Schritt geht es Levit dann darum, dass diese Regelungen, die privaten Ursprungs sind, in staatliche Rechtsordnungen „eingebettet“ werden. 273 Am Beispiel der auch hier besprochenen UCP erklärt Levit, wie eine solche
271 Levit, A Cosmopolitan View of Bottom-Up Transnational Lawmaking: The Case of Export Credit Insurance, 2005 Wayne L.Rev., 1193–1208; Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 2005 Yale J.Int'l L., 125–209; Levit, Bottom-Up International Lawmaking: Reflections on the New Haven School of International Law, 2007 Yale J.Int'l L., 393–420; Levit, BottomUp Lawmaking through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 2008 Emory L.J., 1147–1225. 272 Levit, Bottom-Up Lawmaking through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 2008 Emory L.J., 1147– 1225, S. 1155 f. 273 Levit, Bottom-Up Lawmaking through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 2008 Emory L.J., 1147– 1225, S. 1156.
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Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
Einbettung erfolgen kann. Die UCP zum Beispiel werden durch (teilweise) Zitierung in nationalstaatlichem Recht oder durch Bezugnahme in nationalstaatlichen Normen und internationalen Übereinkommen in das Recht „offizieller Rechtsetzungsorgane“ (Levit – official lawmaking communities) eingebettet. Dieses Bild und das gesamte Konzept von Levits Bottom-Up Lawmaking ist jedoch noch immer erheblich im staatszentrierten Denken verankert, das gerade überwunden werden soll. Das hatte im Übrigen auch bereits Hans Wüstendörfer im Jahr 1951 erkannt. In einem Werk zur Vereinheitlichung des internationalen Seehandelsrechts beschrieb er für das Seehandelsrecht ähnliche Vorgänge wie Levit. So machte Wüstendörfer deutlich, dass der Gesetzgeber die zuvor durch Übung herausgebildeten und dann durch die Rechtsprechung zu Gewohnheitsrecht verdichteten Regeln nicht selten in gesetzliche Vorschriften gefasst habe. 274 Seine Betonung liegt dabei aber auf der normativen Kraft privater Regelsetzungsaktivitäten: „Die einsetzende Modernisierung zeigt jedoch auf ihrem Wege zunächst nur wenig Marksteine internationaler Gesetzgebung. Dies neue Recht lebt in VertragskIauseIn, zunächst von Fall zu Fall, allmählich dann in Konnossementsklauseln von stereotypem und internationalem Inhalt, welche widerspiegeln die allgemeinen Geschäftsbedingungen der großen Linienreedereien für den Transport von Stückgütern; es lebt ferner in einheitlichen Charterformularen, aufgestellt von Verbänden der Reeder, Schiffsmakler und Handelskreise. Und diese Häufung kongruenter, typischer Vertragsschlüsse schafft allmählich eine neue zeitnahe Verkehrsübung, die schließlich einen internationalen Stempel trägt. Nicht selten wird solche Übung dann von der Rechtsprechung verdichtet zu neuem Gewohnheitsrecht. Und erst gegen Abend erhebt sich langsam der Gesetzgeber vom Lager und formt zu gesetzlicher Vorschrift, was kaufmännische Klugheit und richterliche Entschlußkraft tagsüber vorbereitet.“275
Die Normativität und damit die Gültigkeit der Normen scheinen für Levit jedoch gerade erst aus der Umsetzung privat erzeugter Normen in nationalstaatliches Recht zu erfolgen. Nach der hier vertretenen Auffassung kann privat erzeugtes Recht aber bereits ohne Umsetzung in nationalstaatliches Recht unter bestimmten Voraussetzungen Normativität für sich beanspruchen. Was aber von Levits Konzept für die hier vorgenommene Untersuchung wichtig ist, ist das Bild der Verwobenheit von nationalstaatlichen Normen und privat erzeugten Normen. Die Möglichkeit der Einbettung – und zwar der wechselseitigen Einbettung – von staatlichem Recht und privat erzeugten Normen scheint besonders fruchtbar für die Erklärung des transnationalen Seehandelsrechts, in dem privat erzeugte Normen und
274 Wüstendörfer, Leistungen und Grenzen der internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, MDR 1951, 449–454, S. 449. 275 Wüstendörfer, Leistungen und Grenzen der internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, MDR 1951, 449–454, S. 449.
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staatliches und internationales Recht eine so enge Verbindung eingehen, dass sie kaum trennscharf voneinander abgrenzbar sind. Wegen der immer noch vorhandenen Staatszentriertheit ist aber Levits Konzept hier nur eingeschränkt nützlich. Eine der wichtigsten Prämissen für die Konzeption eines transnationalen Rechts ist der Verzicht auf eine staatszentrierte Rechtsform. Die Transnationalisierung der Gesellschaft, des Handels und schließlich auch des Rechts erfordert die Akzeptanz einer Rechtsform, die mit diesem Wandel kompatibel ist. Dazu gehört es auch, die Normativität des Rechts nicht mehr ausschließlich an seine Entstehung im Rahmen staatlicher Institutionen zu koppeln. bb) Legitimatorische Defizite staatlichen Rechts Angesichts seines Zustandekommens ist es ohnehin nicht überzeugend, staatlichem Recht die ausschließliche Legitimation und damit Geltungschance zuzusprechen. 276 Gralf-Peter Calliess hat auf diesen Umstand im Zusammenhang mit der Europäisierung des Privatrechts hingewiesen.277 Er macht darauf aufmerksam, dass das deutsche Privatrecht in großem Umfang auf der Umsetzung europäischer Richtlinien beruhe, auf deren Zustandekommen der deutsche Gesetzgeber aber kaum Einfluss nehmen könne. Sein Tätigwerden beschränke sich auf die Umsetzung der Richtlinien, die, an demokratischen Kriterien gemessen, kaum Legitimation für sich beanspruchen könnten.278 Noch wesentlich treffender aber dürfte das Argument sein, dass die Anerkennung von Privatrecht durch Gerichte weltweit kaum davon abhängt, ob dieses an demokratischen Maßstäben gemessen wirksam zustande gekommen ist. Deutsche Gerichte würden keine Minute zögern, auch iranisches Recht anzuwenden, dessen Ursprung wohl kaum als demokratisch bezeichnet werden kann. So hatte der Bundesgerichtshof keinerlei Problem damit, im Jahr 1980 – ein Jahr nach Ausrufung der islamischen Republik Iran – in einer Entscheidung zum Handelsvertreterrecht iranisches Recht anzuwenden. 279 Auf die demokratische Legitimation des angewendeten Rechts scheint es dem Gericht dabei nicht angekommen zu sein. Entlarvend ist insoweit auch die Entscheidung des OLG Köln vom 12.04.2002
276 So aber zum Beispiel Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, § 2, Rn. 76 („Das staatliche Recht hat stets das letzte Wort; was es nicht autorisiert, das hat – gerade auch im demokratischen Staat – keine Geltungschance.“). 277 Calliess, Weitgehende Übereinstimmung und laufendes Programm. Zur Legitimation von Privatrecht im Zeitalter der Globalisierung, 2006, 109–120, S. 116 f. 278 Calliess, Weitgehende Übereinstimmung und laufendes Programm. Zur Legitimation von Privatrecht im Zeitalter der Globalisierung, 2006, 109–120, S. 116. 279 BGH NJW 1981, 1899–1900.
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zur Anwendung chinesischen Rechts, bei der das Gericht im dritten Leitsatz ausführte: „Das Recht der Stellvertretung im chinesischen Zivilgesetzbuch ist nahezu unverändert aus dem BGB übernommen worden. Diesen mit dem inländischen Recht übereinstimmenden Rechtssätzen kann grundsätzlich dieselbe Bedeutung eingeräumt werden, wie den inländischen Normen, ohne dass es noch weiterer, tief gehender Nachforschungen bedarf.“ 280
Hier kam es dem Gericht ausdrücklich nur auf den inhaltlichen Gehalt der Normen an, nicht etwa auf die Frage, ob sie demokratisch legitimiert sind. Einzig der ordre-public-Vorbehalt ermöglicht es den Gerichten, in derartigen Fällen die Anwendung ausländischen Rechts zu beschränken. Dass schließlich insbesondere in Ehe- und Familiensachen regelmäßig das islamische Recht der Scharia angewendet wird, ist keine Seltenheit und wird in der deutschen Rechtswissenschaft durchaus mit Sympathien gesehen, wenn es einer kulturellen Eingliederung der Betroffenen dient.281 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die staatliche Setzung von Recht unter demokratisch-legitimatorischen Prämissen kaum ein Kriterium für Rechtsgeltung sein kann.282 Normativität und Legitimation lediglich in den Quellen staatlicher Setzung zu suchen, erscheint in diesem Licht kaum mehr vertretbar. Darüber hinaus stellt der grenzüberschreitende Charakter des Handelsrechts im Allgemeinen und des Rechts der Seeschifffahrt im Besonderen das Recht vor neue Herausforderungen, die es umso weniger vertretbar erscheinen lassen, ausschließlich die staatliche Setzung zum Maßstab für legitimes Recht zu machen. Die Transnationalisierung gesellschaftlicher Prozesse erfordert auch eine Veränderung der Rechtsform. Das Recht findet seine Legitimation und normative Kraft nicht mehr ausschließlich in staatlicher Setzung, sondern darüber hinaus auch in den Rationalitäten gesellschaftlicher Prozesse, die in je eigenen Sozialbereichen spezifische Normativitäten hervorbringen. Die hier vorgestellten Regeln, die York-Antwerp Rules, die Standardverträge der Seeschifffahrt, die Incoterms und die UCP, sind solche Normen, die außerhalb des Staates zustande kommen und durch die Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen ihrer Entstehungsprozesse sehr wohl Normativität für sich beanspruchen können. Es handelt sich bei ihnen gerade nicht nur um allgemeine Geschäftsbedingungen, deren Inhalt der Disposition der Einzelparteien unterliegt. Sie transportieren vielmehr einen gesell 280
OLG Köln, OLGR Köln 2002, S. 392–395. Andrae, Anwendung des islamischen Rechts im Scheidungsverfahren vor deutschen Gerichten, NJW 2007, 1730–1733, S. 1733. 282 So auch Calliess, Weitgehende Übereinstimmung und laufendes Programm. Zur Legitimation von Privatrecht im Zeitalter der Globalisierung, 2006, 109–120, S. 117. 281
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schaftlichen Mehrwert, eine legitimatorische Kraft und Normativität, die es verbietet, sie lediglich als Vertragsbedingungen zwischen zwei Parteien zu verstehen. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den entsprechenden Versuchen einer rechtlichen Einordnung dieser Regeln wieder. So meint zum Beispiel der ausgewiesene Kenner der UCP, Jens Nielsen, in der zweiten Auflage seines Standardwerkes: „Der Qualifikation der ERA [hier als UCP bezeichnet – Verf.] als AGB, die ihrer Entstehungsgeschichte nicht gerecht wird – wegen der Mitwirkung aller am Außenhandel Beteiligten (Versicherer, Banken, Vertreter der Industrie) in den Gremien der ICC fehlt es an einem Verwender i.S.v. § 1 AGBG sowie am Tatbestand der einseitigen Aufstellung von Bedingungen – ändert nichts daran, dass die Mehrzahl der Bestimmungen der ERA Handelsbrauch wiedergeben und ihre Geltung mithin weder von der ausdrücklichen Vereinbarung noch von der Anerkennung oder Nachprüfbarkeit durch nationale Gerichte abhängt.“283
Und auch in der amerikanischen Literatur bestehen Schwierigkeiten, die UCP lediglich als Vertragsbedingungen zweier Parteien einzuordnen. Auch hier werden die UCP trotz ihres formell vertraglichen Charakters als eine Art lex mercatoria nahe dem Recht gesehen.284 „Some might argue that the UCP 500 is not law – or even law merchant – but rather acts as a term of a contract, because it applies only when incorporated into the text of the letter of credit. However, because the vast majority of letters of credit do incorporate the UCP in one version or another, its characterization here as a type of law merchant approximating law is appropriate.”
Dabei wird aber lediglich die umfassende Verwendung der Regeln als Geltungsgrund gesehen. Das hier vertretene Argument geht aber darüber hinaus. Privat erzeugte Regeln entfalten insbesondere dann normative Kraft, wenn partizipative Verfahren eine breite Beteiligung von Interessenträgern an den Prozessen ihrer Entstehung ermöglichen. cc) Partizipationsmöglichkeit als Quelle von Legitimation Die Schwierigkeiten einer Einordnung gesellschaftlich erzeugter Regeln liegen insbesondere in der klassischen Theorie der Rechtsquellen begründet. Die großen Schwierigkeiten, die die Rechtsquellenlehre mit dem Umgang mit Normen hat, die nicht staatlicher Setzung entspringen, verstellen den Blick auf die zunehmende Bedeutung der Selbstorganisation sozialer 283
Nielsen, Richtlinien für Dokumenten-Akkreditive, 2001, S. 14. Macintosh, Liberty, Trade, and the Uniform Commercial Code: When Should Default Rules be Based on Business Practices?, 1997 Wm. & Mary L.Rev., 1465–1543, S. 1486, Fn. 102. 284
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Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
Prozesse und der spontanen Rechtsbildung. 285 Dabei sind die hier beschriebenen Prozesse keineswegs vergleichbar mit der Entstehung zum Beispiel von Gewohnheitsrecht, das auch in der klassischen Rechtsquellenlehre gesellschaftlichen Prozessen einen normerzeugenden Raum schafft. Gemeinsam ist den hier beschriebenen Normen des Seehandels mit dem Gewohnheitsrecht zwar der Umstand, dass es sich bei beiden um Normkomplexe gesellschaftlichen Ursprungs handelt, die gerade nicht durch positive Setzung eines staatlichen Souveräns entstanden sind.286 Während es sich aber bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht um diffuse Vorgänge und Prozesse handelt, „die sich stillwirkenden Kräften informeller Verhaltenskoordination verdanken“ 287 , geht es bei der Entstehung der oben beschriebenen Regeln des Seehandels um koordinierte und planvolle Prozesse und Verfahren, die im Gegenteil zur Entstehung von Gewohnheitsrecht hochformalisiert sind und umfangreiche Beteiligungsmöglichkeiten bieten. Es sind genau diese Beteiligungsmöglichkeiten, die hier die Normativität der sozialen Prozesse begründen.288 Private Normen ziehen ihre normative Kraft nicht aus vermeintlichen Mehrheitsentscheidungen, die selbst im demokratischen Rechtsstaat wie oben gezeigt nicht zwingend vorliegen. Sie beziehen ihre Normativität aus einer ausgewogenen Einbeziehung aller betroffenen Interessen in die Aushandlungsprozesse, innerhalb derer sich die Normbildung strukturiert. 289 Solche „negotiated orders“, wie Simon Roberts sie nennt, haben ihre eigenen Rationalitäten, die sich von denen des staatlichen Rechts unterscheiden.290 Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht in der Lage wären, Normativität zu erzeugen. Im Gegenteil hat der internationale Seehandel Formen und Foren der Partizipation herausgebildet, die es allen Beteiligten ermöglichen, in Diskurse miteinander einzutre
285 Vesting, Kein Anfang und kein Ende. Die Systemtheorie des Rechts als Herausforderung für Rechtswissenschaft und Rechtsdogmatik, JA 2001, 299–305, S. 304 f. Zum Begriff der spontanen Rechtsbildung siehe Teubner, Privatregimes: Neo-spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft, 2000, 437–453, S. 440. 286 Teubner, Privatregimes: Neo-spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft, 2000, 437–453, S. 440. 287 Teubner, Privatregimes: Neo-spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft, 2000, 437–453, S. 440. 288 So kommt dann Köndgen auch völlig zu Recht zu dem Ergebnis, dass Partizipation das Legitimationsprinzip privater Normbildung sei, Köndgen, Privatisierung des Rechts, AcP 2006, 477–525, S. 522. 289 Köndgen, Privatisierung des Rechts, AcP 2006, 477–525, S. 522. 290 Roberts, After Government? On Representing Law Without the State, 2005 Mod.L.Rev., 1–24, S. 23, („Negotiated orders have their own rationalities: they involve a different orientation to the normative repertoire from those of state law; decision-making is through agreement, reached through cyclical processes of information exchange and learning, rather than the imposed order of a third party […].”).
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ten. Die Ergebnisse dieser Diskurse können Normativität für sich beanspruchen, gerade weil Partizipationsmöglichkeiten eröffnet waren. Ähnlich wie im nationalstaatlichen Raum ist es dabei nicht erforderlich, dass alle Betroffenen den gefundenen Lösungen auch tatsächlich zustimmen oder nicht der Meinung sein dürften, auch bessere Lösungen kämen in Betracht. Es ist aber nötig, dass die Akteure eine Lösung herbeiführen, die abseits strategischer Interessen Einzelner zumindest die Akzeptabilität aller Betroffenen anstrebt. In dem Maße, in dem der Prozess der Normfindung für alle potentiell Betroffenen geöffnet wird und strategische Einzelinteressen in den Hintergrund rücken, steigt das Maß der Akzeptabilität und damit auch der Normativität der gemeinsam gefundenen Norm.291 Im transnationalen Raum kann Legitimation freilich nicht in der gleichen Form wie im demokratischen Rechtsstaat erzeugt werden. Auf genau diesen Umstand weist Christiana Ochoa hin, wenn sie unter Rückgriff auf die Forschungen der amerikanischen Politologin Carole Pateman 292 und des italienischen Soziologen Daniele Archibugi293 den Begriff der „participatory law formation“ für Prozesse der Rechtsbildung unter Beteiligung einer breiten, nicht auf einzelne Staaten bezogenen Zivilgesellschaft einführt.294 Während aber Pateman den Begriff der „participation“ in Verbindung mit dem Demokratiekonzept verwendet, um Mitbestimmungsrechte von Arbeitern zu begründen, und damit ein dezidiert linkes Projekt verfolgt 295 , geht es Ochoa um die Begründung der Legitimation von privat erzeugten Normen. Ochoa sieht die oben bereits für den Nationalstaat beschriebenen legitimatorische Defizite auch auf der internationalen Ebene, wo Regierungen an der Rechtsbildung mitwirken, die von ihren Völkern keineswegs immer demokratisch legitimiert worden sind.296 Demgegenüber sieht sie in vielen Lebensbereichen Regelungsaktivitäten, die immer härter werdendes Soft Law produzieren. 297 Und auch wenn freilich die Gefahr 291
Zu diesen Zusammenhängen im demokratischen Rechtsstaat siehe Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 15 ff.; 349 ff. 292 Pateman, Participation and Democratic Theory, 1970. 293 Archibugi, Cosmopolitan Democracy and its Critics: A Review, 2004 EJIR, 437– 473. 294 Ochoa, The Relationship of Participatory Democracy to Participatory Law Formation, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 5–18. 295 Pateman, Participation and Democratic Theory, 1970, Kap. 5 und S. 103 ff. 296 Ochoa, The Relationship of Participatory Democracy to Participatory Law Formation, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 5–18, S. 9 f. Siehe auch Nye, Globalization's Democratic Deficit, 2001 Foreign Aff., 2–6, S. 4, der auf das Demokratiedefizit durch die Regel „ein Staat eine Stimme“ hinweist, die dazu führt, dass ein Bürger der Malediven gegenüber einem Bürger von Indien theoretisch das zigtausendfache Stimmgewicht in internationale Entscheidungen einbringen kann. 297 Ochoa, The Relationship of Participatory Democracy to Participatory Law Formation, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 5–18, S. 15. Siehe dazu insbesondere für den Bereich
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bestehe, dass eine „participatory law formation“ zunächst potentiell eine auf Eliten beschränkte Form der globalen Nutzung von Teilhabemöglichkeiten sei, bedeute dies nicht, dass derartige Prozesse undemokratisch seien. Vielmehr befördere die Ermöglichung der Teilhabe demokratische Entwicklungsmöglichkeiten in einem Bereich, in dem repräsentative Demokratie nicht denkbar sei. 298 Es sind demnach Chancen auf Teilnahme und Teilhabe an gesellschaftlichen Normsetzungsprozessen, die Normativität in einem transnationalen Raum schaffen. Auf derartige Beteiligungschancen stellen auch Gralf-Peter Calliess und Peer Zumbansen ab, wenn sie die Theorie eines transnationalen Rechts nicht etwa im demokratischen Prozess, sondern vielmehr in „weitgehender Übereinstimmung und laufendem Programm“ („rough consensus and running code“) sehen.299 Kern dieser Idee ist es, Normen und deren Akzeptabilität und tatsächliche Akzeptanz einem Praxistest zu unterziehen. Rückmeldungen und Anpassungen führen dann nicht etwa zu einer grundlegenden Zustimmung aller, sondern es genügt eine „weitgehende Übereinstimmung“ oder eben ein „rough consensus“. Die derart erzeugten Normen erlangen ihre Wirksamkeit durch Anwendung und werden so zu „laufendem Programm“ oder „running code“, das aber nicht statisch ist, sondern unter der Bedingung der vorgegebenen Prozesse auch Anpassung und Veränderung unterliegen kann und darf.300 Kaum anders funktionieren die vorgestellten Prozesse der Normbildung im grenzüberschreitenden Seehandel. Private Institutionen, sei es das CMI, die ICC, die BIMCO oder ein anderer Akteur, stellen unter Beachtung der Bedürfnisse des Seehandels und unter Einbeziehung aller potentiell von der Regelung Betroffenen Normen, Vertragsklauseln oder Regelwerke auf, wobei es nicht auf die Zustimmung aller, sondern lediglich auf eine grobe Übereinstimmung ankommt. Die auf diese Weise gefundenen Normen werden einem Praxistest unterzogen und können so ihre Tauglichkeit durch andauernde Verwendung beweisen. Kommt es zu Veränderungen in der Praxis, werden die Regeln entsprechend unter Beachtung der Verfahren des Umweltschutzes Rohrschneider/Dalton, A Global Network? Transnational Cooperation among Environmental Groups, 2002 J.Polit., 510–533. Daneben stellt Ochoa auch ausdrücklich auf Janet Koven Levits Untersuchungen zu den UCP ab, Ochoa, The Relationship of Participatory Democracy to Participatory Law Formation, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 5–18, S. 17. Siehe auch Ochoa, Syposium Introduction: Democracy and the Transnational Sector, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 1–3 sowie die in derselben Ausgabe des Indiana Journal of Global Legal Studies abgedruckten Konferenzbeiträge. 298 Ochoa, The Relationship of Participatory Democracy to Participatory Law Formation, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 5–18, S. 16. 299 Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code. A Theory of Transnational Private Law, 2010. 300 Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code. A Theory of Transnational Private Law, 2010, S. 134 ff.
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geändert („running code“). Auch hier ist es die Partizipationsmöglichkeit und Zustimmung zur Regel, die für Legitimation und damit Normativität sorgt. So ist zugleich auch die anfangs angedeutete Veränderung der Rechtsform im transnationalen Raum beschrieben. Recht ist nicht lediglich das im Nationalstaat – unter Umständen völlig undemokratisch – zustande gekommene Recht. Auch privat erzeugte Regeln können unter den zuvor beschriebenen Voraussetzungen sozialbereichsspezifische Normativität erlangen und so zu Recht werden. Sie treten aber nicht notwendigerweise in Konkurrenz zu staatlichem Recht, sondern ergänzen es und werden unter Umständen sogar im Sinne von Levits Bottom-Up Lawmaking in staatliches Recht „eingebettet“. Dieser Gedanke setzt aber eine weitere konzeptionelle Anforderung an die Akzeptanz eines transnationalen Rechts voraus, nämlich dass die Rechtsform vielfältig gedacht werden muss. Das Recht besteht dann nicht mehr lediglich aus staatlichem Recht, sondern aus anderen Rechtsnormen, die neben staatlichem Recht gleichberechtigt im transnationalen Raum existieren. Es geht dann zusätzlich darum, einen Rechtspluralismus im transnationalen Raum zu akzeptieren. III. Rechtspluralismus im transnationalen Handel Wenn anerkannt wird, dass es neben dem staatlichen Recht auch gesellschaftliche Prozesse gibt, die die erwartungsstabilisierende Funktion von Recht erfüllen und darüber hinaus Normativität für sich beanspruchen können, dann ist es erforderlich, die Form des transnationalen Rechts neu zu bestimmen. Es wird jedenfalls nicht mehr ausreichen, Recht lediglich als nationalstaatliches Recht zu konzeptualisieren. Die Form dieser Neubestimmung ist das Konzept des Rechtspluralismus. Der Umstand, dass neben staatlichem Recht auch andere normative Ordnungen eine Rolle für gesellschaftliche Organisation spielen können, ist nicht neu. Noch lange bevor grenzüberschreitender Handel, Globalisierung und Transnationalisierung des Rechts zu Schlagworten in der rechtswissenschaftlichen Diskussion geworden waren, ist das Phänomen des Rechtspluralismus vor allem in den USA seit dem frühen 20. Jahrhundert auf die Forschungsagenda genommen worden. Den Hintergrund dieser Forschungsrichtung bilden die Erkenntnisse von Anthropologen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die in den vormodernen Gesellschaftsformationen in den Kolonialgebieten des Commonwealth Regeln und Sanktionsmechanismen beobachteten und beschrieben, die dort mindestens ebenso wirksam waren wie das englische Recht der Kolonialherren. Das damit
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entstehende Nebeneinander und Miteinander von Common Law und Eingeborenenrecht wurde als „Legal Pluralism“ charakterisiert.301 Dieser recht enge Fokus auf das Nebeneinander von Eingeborenenrecht und Common Law wurde seit den 1970er-Jahren von sozialwissenschaftlich ausgerichteten Rechtswissenschaftlern insbesondere in den USA, in Großbritannien und in Frankreich erweitert und auf nichtkolonialisierte Industrienationen ausgedehnt. 302 Ihnen diente das Paradigma des Legal Pluralism als Schablone für die Beschreibung des Verhältnisses von staatlichem Recht zu gesellschaftlichen Normordnungen sowie des Verhältnisses solcher gesellschaftlicher Normordnungen untereinander.303 Das zentrale Anliegen eines normativ gewendeten Rechtspluralismus ist nicht nur das Infragestellen, sondern die gänzliche Verabschiedung einer staatszentrierten Rechtstheorie. Solange der Staat im Zentrum der Gesellschaft steht und ihre Geschicke gleichsam ohne deren Zutun regelt, ist für Rechtspluralismus kein Raum.304 Sobald aber der Blick erweitert wird auf gesellschaftliche Zusammenhänge, auf Netzwerke und soziale Kooperationen, die ihrerseits Normen schaffen, eröffnet sich eine umfassende neue Perspektive auf das Recht selbst. Das Recht erscheint dann nicht mehr als Monopolist sozialer Regulierung, sondern als primus inter pares gesellschaftlicher Ordnungsgaranten. Die Gesellschaft stellt sich unter diesen Vorzeichen nicht mehr wohlgeordnet, sondern als loser Verbund teilweise überlappender und fragmentierter Gruppen und Gemeinschaften dar.305 Deutliche Parallelen zeigen sich dabei zum Forschungsprogramm der Systemtheorie, für die das Kommunikationssystem Recht lediglich ein gesellschaftliches Teilsystem neben anderen darstellt. Gesellschaftliche Fragmentierung ist Folge sozialer Ausdifferenzierung, die auch vor nationalstaatlichen Grenzen nicht Halt macht. Gerade die Verbindung von Rechtspluralismus und Systemtheorie ist es, mit der etwa Gunther Teubner die Entwicklung von Gesellschaft und Recht unter den Bedingungen von Globalisierung zu erklären und zu verstehen sucht306 und seinen Blick auf ein „global law without the state“ richtet.307
301 Eine solche Fallstudie hat zum Beispiel Malinowski, Crime and Custom in a Savage Society, 1926 vorgelegt. 302 Merry, Legal Pluralism, 1988 Law Soc. Rev., 869–896, S. 872. 303 In diesem Sinne Macaulay, Private Government, 1986, 445–518. 304 Griffiths, What is Legal Pluralism?, 1986 J. Legal Plur., 1–55, S. 3. 305 Galanter, Justice in many Rooms: Courts, Private Ordering, and Indigenous Law, 1981 J.Legal Plur., 1–47, S. 22. 306 Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290. 307 Siehe dazu die Beiträge von Teubner und anderen in Teubner (Hrsg.), Global Law without the State, 1996.
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Das Unternehmen jedoch, nichtstaatliche normative Ordnungen anzuerkennen, fällt in westlicher Tradition sozialisierten Juristen nicht leicht.308 Allzu sehr wird nach Systemen309, nach geschlossenen hierarchischen Ordnungen310, nach secondary rules311, nach dem Leviathan, der für die Einheit von Recht und Staat Sorge tragen möge, gesucht. Bereits Eugen Ehrlich stellte aber fest, dass das lebende Recht nicht im Abstrakten, sondern im Konkreten zu suchen sei.312 Es sind die Einzelfälle, die Neuerungen, die Verträge, die wegen ihrer hohen Qualität und ihres gerechten und ausgewogenen Interessensausgleichs immer wieder verwendet werden und so
308 Insbesondere das Unbehagen dabei, Verträge als Recht anzusehen, geht wohl zurück auf Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1849, Band I, S. 12 („Will man z. B. die Bedingungen irgend eines Rechtsverhältnisses vollständig aufzählen, so gehört dazu unzweifelhaft sowohl das Daseyn einer Rechtsregel, als eine dieser Regel entsprechende Thatsache, also z. B. ein Gesetz, welches die Verträge anerkennt, und ein geschlossener Vertrag selbst. Dennoch sind diese beiden Bedingungen specifisch verschieden, und es führt auf Verwirrung der Begriffe, wenn man Verträge und Gesetze auf eine Linie als Rechtsquellen stellt.“). Doch bereits zu Savignys Zeiten war diese Haltung umstritten. Rudolf von Jhering zum Beispiel bezeichnete Formularverträge bereits als Vorläufer des dispositiven Rechts: „[…] was gelten soll, muß von den Partheien selbst gesetzt sein, die ‚lex contractus‘ muß um so vollständiger sein, als die lex publica lückenhaft ist.“, Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 1869, S. 560. Siehe dazu auch Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäfts-Bedingungen, 1935 (Neudr. 1961), S. 24 sowie zum Problem des Vertrags als Rechtsquelle insbesondere die Zusammenfassung von Hillgruber, Der Vertrag als Rechtsquelle, ARSP 1999, 348–361. Aus systemtheoretischer Perspektive ist die apodiktische Haltung staatszentrierter Rechtstheorien aber kaum mehr vertretbar, jedoch auch kein Grund für „kulturkritische Untergangsszenarien“, Vesting, Kein Anfang und kein Ende. Die Systemtheorie des Rechts als Herausforderung für Rechtswissenschaft und Rechtsdogmatik, JA 2001, 299–305, S. 304. 309 Zur Geschichte der Bestrebungen, insbesondere im Privatrecht eine Systembildung zu betreiben ,siehe Coing, Die Geschichte des Privatrechtssystems, 1962, der zwar meint, es könne nicht darauf verzichtet werden, das Privatrecht zum System zu entwickeln, andererseits aber könne man das historisch überlieferte Systemdenken nicht ohne Weiteres weiterführen, Coing, ebd., S. 27. Informativ außerdem Wilhelm, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 2003 (1. Aufl. 1954), der angefangen von Savignys Versuchen einer Systembildung den Übergang der historischen Schule zur Begriffsjurisprudenz beschreibt. Zu einem umfassenden jüngeren Versuch der Systembildung im Privatrecht siehe Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996. 310 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934 (Neudr. 1994), S. 62 ff. („Das Recht als Ordnung oder die Rechtsordnung ist ein System von Rechtsnormen. […] Eine Vielheit von Normen bildet eine Einheit, ein System, eine Ordnung, wenn ihre Geltung auf eine einzige Norm als letzten Grund dieser Geltung zurückgeführt werden kann. Diese Grundnorm konstituiert als die gemeinsame Quelle die Einheit in der Vielheit aller eine Ordnung bildenden Normen.“). 311 Hart, The Concept of Law, 1994 (1. Aufl. 1961), S. 79 ff. 312 Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913), S. 405 („Die Erforschung des lebenden Rechts ist es also, womit die Soziologie des Rechts beginnen muss. Sie wird zunächst nur auf das Konkrete, nicht auf das Allgemeine gerichtet sein.“).
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zur Stabilisierung von Erwartungen führen. 313 Handelsbräuche, Gewohnheitsrecht oder Standardverträge sind ebenso geeignet, Verhalten zu steuern, wie eine Verwaltungsverordnung oder eine Allgemeinverfügung und verdienen daher die gleiche Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft. Die Perspektive dieses rechtstheoretischen Ansatzes löst sich damit vom Leitbild der Einheit des Rechts und nimmt stattdessen die Vielheit gesellschaftlicher Normordnungen in den Blick. Das Recht erscheint so als mal friedlich, mal unfriedlich koexistierend mit nichtstaatlichen und außerrechtlichen sozialen Ordnungsleistungen. Wenn etwa die Musikindustrie nicht auf den Schutz geistigen Eigentums durch den Staat vertraut, schafft sie sich Kopierschutzvorrichtungen, die in ihrer Wirkung funktional äquivalent zu Recht sind. 314 Der internationale Seehandel schafft sich in Ermangelung verbindlicher staatlicher Regelungen selbst Verträge, die von Interessenvertretern aller am Seehandel Beteiligten ausgehandelt und universell verwendet werden. 315 Lex mercatoria 316 , lex electronica 317 , lex contructionis318, lex sportiva319 oder lex financiaria320 sind lediglich Synonyme für die damit einhergehende Entstaatlichung und Vergesellschaftung des Rechts. Dabei verschwimmen die Unterschiede zwischen staatlichem Recht und privat erzeugten Normen zusehends. Eine Rechtstheorie, die sich auf die „Einheit der Rechtsordnung“ stützen will, verkennt einerseits die gesellschaftlichen Kräfte der sozialbereichsspezifischen Normsetzung in eklatanter Weise, versäumt es aber andererseits auch, sich diese normativen Kräfte zu eigen zu machen und zu nutzen. IV. Private Regeln des grenzüberschreitenden Seehandels als transnationales Recht Nach diesem Vorschlag für die Legitimation privat erzeugter Regeln im grenzüberschreitenden Seehandel kann ein erstes Fazit gezogen werden: Privat erzeugte Regeln können die Funktion von Recht erfüllen, indem sie 313
Siehe hierzu in einer Vorstudie in Bezug auf das Seehandelsrecht Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811–825. 314 Lessig, Code and other Laws of Cyberspace, 2000; Lessig, Free Culture, 2004, S. 116 ff. 315 Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811–825. 316 Siehe hierzu statt vieler anderer Stein, Lex Mercatoria, 1995. 317 Karavas, Digitale Grundrechte: Elemente einer Verfassung des Informationsflusses im Internet, 2007. 318 Vec, Das selbstgeschaffene Recht der Ingenieure. Internationalisierung und Dezentralisierung am Beginn der Industriegesellschaft, 2004, 93–112. 319 Röthel, Lex mercatoria, lex sportiva, lex technica – Private Rechtsetzung jenseits des Nationalstaates?, JZ 2007, 755–763, S. 757. 320 Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006, S. 133 ff.
B. Ordnungsmuster einer transnationalen Seehandelspraxis
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erwartungsstabilisierend wirken, und sie können darüber hinaus auch Legitimität und Normativität für sich beanspruchen. Diese Normativität beziehen sie nicht aus staatlicher Setzung, sondern aus dem Verfahren ihrer Entstehung auf privater Ebene. Wichtig ist dabei, dass die hier untersuchten Regeln, die York-Antwerp Rules, die UCP, die Incoterms sowie auch die Standardverträge des grenzüberschreitenden Seehandels, zwar der äußeren Form nach Vertragsbedingungen sind. Allerdings würde es ihrem Entstehungsprozess und der ihm innewohnenden normativen Kraft nicht gerecht werden, sie lediglich als vertragliche Regeln zu betrachten, deren Einbeziehung in den Vertrag der Disposition der Parteien und deren Inhalt der Kontrolle staatlicher Gerichte unterliegen. Vielmehr müssen diese Regeln als Recht anerkannt werden. Das Konzept des Bottom-Up Lawmaking erkennt die Rechtsetzungskraft privater Akteure an. Dabei ist es nicht erforderlich, dass private Regeln auch in staatliches Recht „eingebettet“ werden. Sie können auch eigenständig Normativität erlangen. Hintergrund einer eigenständigen Normativität sind die sozialen Prozesse, durch die privat erzeugte Regeln zustande kommen. Ähnlich wie beim Konzept des rough consensus and running code sind es im grenzüberschreitenden Seehandel Prozesse, die auf Praxiserfahrungen reagieren und dann unter der umfassenden Beteiligung von Interessenträgern Regeln finden, testen, variieren und neu fassen und so nicht nur äußerlich Akzeptanz der Regeln erreichen, sondern auch eine innere Befolgung der Betroffenen, die sich in deren Beteiligung am Entstehungsprozess der Regeln gründet. CMI, ICC und BIMCO wie auch die anderen privaten Akteure des grenzüberschreitenden Seehandels sind damit private Rechtsetzungsorgane, die sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst sind. Sie sind gerade nicht darauf aus, lediglich Partikularinteressen zu vertreten, sondern vielmehr Regelungen zu finden, die allgemein akzeptabel sind. So führen Prozesse privater Rechtsetzung zwar zu Vereinheitlichungstendenzen im grenzüberschreitenden Seehandel. Viel wichtiger als Vereinheitlichung scheint aber die Akzeptanz eines bestehenden Rechtspluralismus sowohl in der Branche als auch in der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zu sein. Das Paradigma des Rechtspluralismus ist der Schlüssel für die Verarbeitung der Vielzahl von unterschiedlichen Normen – staatlich oder privat – im grenzüberschreitenden Seehandel. Ein transnationales Seehandelsrecht muss verstanden werden als ein Recht, das keine Einheit verbürgt, sondern Vielfalt ermöglicht. Es geht um nicht weniger als die Anerkennung einer unitas multiplex, um den Paradigmenwechsel vom Einheitsrecht zur Einheit in Vielheit, zu einem globalen Rechtspluralismus, in dem die Regeln des transnationalen Rechts in einen Wettbewerb tre-
Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
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ten.321 Gerade in einer traditionellen Branche wie der Seeschifffahrt dürfte das als große Herausforderung wahrgenommen werden. Dennoch lässt die Globalisierung des Handels keinen anderen Weg zu, wenn das Recht ihr folgen soll. V. Zusammenfassung und Zwischenergebnis Zu Beginn dieses Kapitels standen Vereinheitlichungstendenzen im grenzüberschreitenden Seehandel im Zentrum der Betrachtung. Dabei ging es zunächst um Vereinheitlichungstendenzen im Rahmen völkerrechtlicher Übereinkommen, wobei am Beispiel des Haftungsregimes für Gütertransporte auf See deutlich wurde, mit welchen Problemen sich Vereinheitlichungsbestrebungen auf dieser Ebene konfrontiert sehen. Anderen Problemen sehen sich Tendenzen der Vereinheitlichung durch privat erzeugte Regeln ausgesetzt. Ihnen mangelt es insbesondere an Anerkennung durch die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft. Bestenfalls werden privat erzeugte Regeln als allgemeine Geschäftsbedingungen verstanden, die aber dann wieder der Inhaltskontrolle durch nationale Gerichte unterliegen sollen. Im zweiten Teil dieses Kapitels ging es darum, privat erzeugte Regeln des grenzüberschreitenden Seehandels neu zu konzeptualisieren. Ziel war es, eine sozialwissenschaftlich informierte und inspirierte Rechtstheorie insbesondere für eine Anerkennung privat erzeugter Normen in Stellung zu bringen. Das Ergebnis dieses Perspektivwechsels weg von einer staatszentrierten Rechtstheorie hin zu einer Rechtstheorie, die privat erzeugte Normen in den Blick nimmt, war die Erkenntnis, dass privat erzeugte Regeln die Funktion von Recht erfüllen, indem sie Erwartungen stabilisieren. Darüber hinaus können solche privat erzeugten Normen aber auch Normativität für sich beanspruchen, wenn die Verfahren ihres Zustandekommens Partizipation und gleichmäßige Einflussnahmemöglichkeiten der später von den Regeln Betroffenen ermöglichen und so nicht nur durch äußeren Zwang, sondern durch innere Anerkennung vermittelte Normbefolgung ermöglichen. Neben der Akzeptanz der Möglichkeit privater Normerzeugung erfordert eine sozialwissenschaftlich inspirierte Theorie des grenzüberschreitenden Seehandels einen Paradigmenwechsel weg von einem staatszentrierten Rechtsverständnis hin zu einer Konzeption des transnationalen Seehandelsrechts als pluralistisches Recht. Das Modell des Rechtsplura 321
In diese Richtung geht allgemein auch Calliess, Reflexive Transnational Law, ZfRSoz 2002, 185–216, S. 216. Zum Gedanken der Auflösung der Hierarchie des Rechts und der damit einhergehenden unitas multiplex siehe insbesondere auch Teubner, Des Königs viele Leiber. Die Selbstdekonstruktion der Hierarchie des Rechts, Soziale Systeme 1996, 229–255.
C. Die Integration privat erzeugter Normen
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lismus akzeptiert eine Vielzahl von Normgebern und stellt das staatliche Recht auf eine Stufe mit privat erzeugten normativen Ordnungen. Staatliches Recht kann dann nur noch als primus inter pares verstanden werden, der aber im Wettbewerb mit anderen Ordnungsmustern steht. Hierzu können Vertragsmuster, aber auch Standardklauseln oder ganze Regelwerke für bestimmte Transaktionstypen gehören. Sie als Recht zu verstehen, dürfte Juristen, die mit einem staatszentrierten Rechtsdenken sozialisiert worden sind, viel abverlangen. Wer aber diesen Schritt bereit ist mitzugehen, dem eröffnet sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten auch zur Entlastung des mit den Globalisierungs- und Transnationalisierungstendenzen des Handels überforderten staatlichen Rechts. Es wäre töricht, die enormen Selbstorganisationskräfte privater Akteure, die, entlastet von der Hypothek strategischen Handelns, eigene normative Regeln entwickeln, wirkungslos verpuffen zu lassen.
C. Die Integration privat erzeugter Normen: Vorschläge für Gesetzgeber und Seehandelspraxis C. Die Integration privat erzeugter Normen
Mit diesem Befund ist jedoch noch nichts gewonnen. Die Frage bleibt, wie es dem Staat gelingen kann, private Selbstorganisationskräfte aufzugreifen und nutzbar zu machen. Umgekehrt kann aber auch die Entwicklung privater Regeln nicht ohne Einschränkung erfolgen. Staaten verfolgen in erster Linie die Interessen ihrer Bürger. Diesen Gemeinwohlinteressen dürfen auch privat erzeugte Regeln nicht widersprechen, wenn ihnen eine staatliche Anerkennung zukommen soll. Im Folgenden soll es daher darum gehen, eine Möglichkeit vorzuschlagen, wie staatliches Recht private Regelsetzung einhegen und für sich nutzbar machen kann, ohne die gesellschaftlichen Selbstorganisationskräfte zu schwächen (I.). Danach wird der Zusammenhang zwischen privater Rechtsetzung und Gemeinwohlinteressen aufgezeigt (II.). I. Einhegung privater Regelsetzung durch prozedurale Rechtsformen Für die hier untersuchte Konstellation des Rechts einer Branche, das sich aus staatlichen, internationalen, aber auch privaten Rechtsformen zusammensetzt, ist es unbedingt erforderlich, die unterschiedlichen Rechtsformen miteinander kompatibel zu halten. Dazu ist es nicht nur nötig, dass sich die unterschiedlichen Formen des Rechts wechselseitig erkennen, sondern es muss auch Möglichkeiten des wechselseitigen Bezugs geben. Insbesondere die privaten Formen des Rechts, die zuvor bereits besprochen worden sind, bedürfen einer Einbeziehung und Einhegung durch staatli-
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ches Recht. Das ist im Interesse beider Rechtsformen, denn das privat erzeugte Recht entfaltet deutlich mehr Wirkung, wenn es auch von staatlichen Institutionen anerkannt wird, und staatliches Recht erhöht seine Attraktivität, wenn es auch private Rechtsformen anerkennt. Im Folgenden soll eine Möglichkeit der Einbindung privater Selbstorganisationsformen in staatliches Recht vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um Formen der Prozeduralisierung des Rechts, die hier insbesondere am Beispiel reflexiven Rechts vorgestellt werden sollen. 1. Das Konzept prozeduralen Rechts Prozedurale oder prozeduralistische Rechtskonzepte sind in unterschiedlichen Variationen angeboten worden.322 Im Folgenden sollen insbesondere zwei Konzepte prozeduralen Rechts vorgestellt werden, die für die hier vorgestellten Überlegungen von besonderem Interesse sind. Es handelt sich dabei zum einen um das Konzept eines prozeduralen Rechtsparadigmas, wie es von Jürgen Habermas eingeführt worden ist, und zum anderen um Konzepte reflexiven Rechts, die von Gunther Teubner entwickelt worden sind. Beide Konzepte sind Antworten auf die Steuerungskrise des Rechts, die sich deutlich sichtbar in den Problemen und Regulierungsschwierigkeiten des Sozialstaats gezeigt hat. Diese Steuerungskrise des Rechts wiederholt sich nun um ein Vielfaches potenziert im Angesicht von Globalisierungstendenzen des Handels und auch des Rechts. Dabei soll zunächst anhand des Paradigmendreiklangs formal/material/prozedural zum Problem hingeführt werden, um dann mit Teubners Konzept des reflexiven Rechts Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Um deutlich zu machen, welche Entwicklungen dem Vorschlag für ein prozedurales Rechtsparadigma vorangegangen sind, und so zu erklären, wie diese Entwicklungen als Lernerfahrungen323 für zukünftig anstehende Aufgaben für das Recht im Zusammenhang mit Globalisierungstendenzen fruchtbar gemacht werden können, soll im Folgenden zunächst dargestellt werden, wie sich das prozedurale Rechtsparadigma an ein formales und materiales Paradigma anschließt, um es dann im Einzelnen näher zu erläutern. 322
Siehe dazu ausführlich Calliess, Prozedurales Recht, 1999, S. 91 ff. Siehe auch die ausführliche Stellungnahme von Eder, Prozedurales Recht und Prozeduralisierung des Rechts, 1990, 155–185. 323 Zum Begriff der Lernerfahrung und dem Umstand, dass juristischer Begriffsbildung immer auch der Umstand innewohnt, dass Vergangenes verarbeitet und Zukunftshoffnungen einbezogen werden, siehe Zumbansen, Ordnungsmuster im modernen Wohlfahrtsstaat: Lernerfahrungen zwischen Staat, Gesellschaft und Vertrag, 2000, S. 34. Siehe auch Zumbansen, Das soziale Gedächtnis des Rechts oder: Juristische Dogmatik als Standeskunst, 2003, 151–179, S. 158.
C. Die Integration privat erzeugter Normen
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a) Rechtsparadigmen Die Unterscheidung zwischen formalen und materialen Rationalitäten des Rechts geht zurück auf Max Weber.324 In seiner Tradition hat Jürgen Habermas diese Unterscheidung aufgenommen und die jeweiligen Rationalitäten mit Paradigmen verknüpft. Habermas hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Rechtsparadigmen einen objektivierenden Blick auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge innerhalb einer bestimmten Zeit erlauben.325 Den Begriff des Rechtsparadigmas setzt er in diesem Zusammenhang gleich mit häufiger anzutreffenden Begriffen wie Sozialmodell oder Sozialideal.326 Rechtsparadigmen sollen danach verstanden werden als ein Bild, das sich das Recht von der Gesellschaft macht, in der es wirksam ist, ein Bild also, das sich das Recht von „seiner“ Gesellschaft macht.327 Sie erlauben es, sowohl deskriptive als auch normative Elemente zu vereinen, und lassen so Rückschlüsse auf gesellschaftliche Strömungen und Problemlagen zu.328 Wichtig ist dabei, nicht zu vergessen, dass die im Folgenden vorgestellten Rechtsparadigmen zwar in verschiedenen historisch-sozialen Kontexten verstärkt aufgetreten sind und auch gewisse evolutorische Tendenzen aufweisen. Dennoch dürfen sie nicht in einer strengen historischen Abfolge verstanden werden, in der jeweils ein Paradigma das vorangegangene abgelöst hätte. Vielmehr ist wohl zumindest heute
324
Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1972 (Nachdruck 1990), S. 468 ff. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 468. 326 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 469. 327 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 468; siehe auch Calliess, Prozedurales Recht, 1999, S. 50 („Ein Rechtsparadigma ist mit anderen Worten ein im Rechtssystem wirksames Gesellschaftsbild.“). Den Begriff des Sozialideals hat Otto Kahn-Freund bereits in den 1930er-Jahren eingeführt, um damit die Rechtsprechungstätigkeit des jungen Reichsarbeitsgerichts zu kritisieren, Kahn-Freund, Das soziale Ideal des Reichsarbeitsgerichts, 1931, 149–210. Geprägt wurde der Begriff des Sozialmodells insbesondere durch Franz Wieacker, der damit den Übergang des Formalrechts zu einem materialisierten Recht gekennzeichnet hatte, Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft: Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 12. Dezember 1952, 1953. Wieackers Begriff des Sozialmodells hat Barbara Dauner-Lieb verwendet und definiert als „das Bild der wirtschaftlichen Realität, auf die sich das Recht bezieht“, Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983, S. 52 f., Fn. 91. Kritisch zum Begriff des Sozialmodells weil „zu anspruchsvoll und zu schillernd“ äußert sich Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, AcP 2000, 273–364, S. 289. 328 Dieser Umstand stellt einen wichtigen Vorteil des Begriffs dar. Kritisch in genau dieser Hinsicht äußern sich aber Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, 1996, S. 30 und Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 743 f. 325
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stets von einem Nebeneinander der unterschiedlichen Rechtsparadigmen auszugehen.329 aa) Formales Rechtsparadigma Das formale Rechtsparadigma wird verbunden mit dem Rechtszustand am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der geistesgeschichtlichen Tradition der französischen Revolution und der Unabhängigkeitsbewegung in den USA war das Privatrecht als Mittel freier und gleicher Bürger verstanden worden, ihre sozialen Verhältnisse durch Verträge und unter Garantie des Eigentums selbstverantwortlich untereinander zu regeln.330 Die Privatautonomie in Form von Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit garantierte den Bürgern eine Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse ohne Einmischung durch den Staat. Dabei ging die Zurückhaltung durch den Staat so weit, dass angesichts der Vertragsfreiheit selbst als ungerecht erkannte Ergebnisse toleriert wurden. So hatte das Reichsgericht im Jahr 1883 in einer seehandelsrechtlichen Streitigkeit mit deutlichen Bedenken eine Haftungsbeschränkung für wirksam gehalten: „So wenig billig und gerecht nun auch diese Abwälzung einer im Wesen der Seetransportübernahme begründeten Haftung vom Rheder sein und so sehr sie das natürliche Verhältnis verschieben mag, so fehlt es doch, mangels einer gesetzlichen Einschränkung der Vertragsfreiheit, in dieser Beziehung an der Möglichkeit, der betreffenden Vereinbarung die Gültigkeit zu versagen.“331
Dieses formale Verständnis des Rechts und der Gesellschaft geriet jedoch bereits früh ins Zentrum der Kritik. Denn die Freiheit und Gleichheit der Bürger war lediglich ein unerreichtes Ideal. Vielmehr wurde kritisiert, dass das neu verfasste Bürgerliche Gesetzbuch ganze Bevölkerungsschichten benachteilige, weil diejenigen, denen die wirtschaftlichen oder intellektuellen Möglichkeiten fehlten, ihre gesetzlich garantierten Freiheiten auch zu nutzen, gerade nicht in den Genuss formeller Gleichheit kommen könn-
329 Gotthold, Anfragen an die Konzeption des reflexiven Rechts bei Teubner/Willke, 1984, 241–268, S. 249 ff. Siehe auch jüngst die umfangreiche Ausarbeitung von Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union: Privatrecht und Privatrechtskonzeptionen in der Entwicklung der Europäischen Integrationsverfassung, 2010, S. 15–92, insbesondere S. 69 f. und 77 ff. 330 Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft: Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 12. Dezember 1952, 1953, S. 9. Siehe auch Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 2005, S. 190. 331 Reichsgericht 1883, RGZE 11, 100–111, S. 110. Es handelt sich bei dieser Entscheidung im Übrigen um ein Beispiel für den Rechtszustand, der zur Einführung der Haager Regeln geführt hatte.
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ten.332 So forderte Otto von Gierke bereits vor Inkrafttreten des BGB den bekannt gewordenen „Tropfen sozialistischen Öls“, der in das BGB durchsickern müsse.333 In historischer Beurteilung war das BGB bereits im Zeitpunkt seines Inkrafttretens nicht mehr aktuell334 und so markierte dieser Zeitpunkt zugleich auch die Wende von einer kapitalistischen Ära hin zum Sozialstaat und zu einem materiellen Rechtsparadigma.335 bb) Materielles Rechtsparadigma Kern des materiellen Rechtsparadigmas ist der Umstand, dass neben der formellen Gleichheit der Bürger deren faktische Ungleichheit ins Zentrum der Betrachtung rückte. Aus der Kritik am bürgerlichen Formalrecht ist das Sozialstaatsmodell hervorgegangen, das vor allem seit den 1950er-Jahren das deutsche Gesellschaftsbild bestimmte. 336 Die Materialisierung des Formalrechts zielte auf den empirischen Befund wirtschaftlicher und intellektueller Ungleichheit zwischen den Bürgern und Lösungsstrategien waren die Herstellung von Chancengleichheit und die faktische Gleichstellung der Bürger insbesondere durch Instrumente staatlicher Steuerung.337 Im Privatrecht spiegelt sich dieser sozialstaatliche Paternalismus in Formen des zwingenden Rechts im Verbraucherschutz, im Schwächerenschutz im Allgemeinen, in der Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen und in der Drittwirkung der Grundrechte wider, die allgemein unter dem Oberbegriff eines sozialen Schuldrechts zusammengefasst werden.338
332 Siehe dazu Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1908. Aus der Sicht des Historikers Franz Wieacker war das frühe BGB Ergebnis der „Usurpation einer einzigen Klasse der Wirtschaftsgesellschaft“, nämlich des besitzenden Bürgertums, Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft: Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 12. Dezember 1952, 1953, S. 10. 333 Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts: Vortrag gehalten am 5. April 1889 in der juristischen Gesellschaft zu Wien, 1889, S. 10. 334 Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft: Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 12. Dezember 1952, 1953, S. 9 („Insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896 ist das spätgeborene Kind der Pandektenwissenschaft und der nationaldemokratischen, insoweit vor allem vom Liberalismus angeführten Bewegung seit 1848.“). 335 Bark, Die Entstehung des BGB im Spiegel der bürgerlichen Rechtsgeschichte, KJ 1973, 158–171, S. 162. 336 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 484. 337 Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 490. 338 Diesen Begriff hatte Eike Schmidt eingeführt, Esser/Schmidt, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Teilband 1, 1975, S. 8 ff. Kritisch dazu Schmidt, Ein 'soziales Obligationsmodell' im Schuldrecht?, AcP 1976, 381–395. Siehe aber auch mit Fokus auf Frankreich Ewald, A Concept of Social Law, 1986, 40–75.
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Die gegen das materielle Paradigma gerichtete Kritik betont besonders den Umstand, dass die Materialisierung des Rechts und sozialstaatlicher Paternalismus stets Gefahr liefen, mit dem fürsorgenden Wohlfahrtsstaat nicht nur faktisch bestehende Ungleichgewichtslagen zwischen Bürgern, sondern gleichzeitig auch die bürgerlichen Freiheiten zu beseitigen. 339 Aber auch aus anderer Richtung wurde deutliche Kritik am Wohlfahrtsstaat geäußert. Niklas Luhmann hat darauf hingewiesen, dass die Inklusionsdynamik des Wohlfahrtsstaats nicht nur unüberschaubare Kosten produziert340, sondern einerseits zwar Zugang zu Lebenschancen bietet, andererseits aber auch Abhängigkeit der individuellen Lebensführung von ihnen verursacht.341 Problematisch ist dabei, dass der Wohlfahrtsstaat sich nicht darauf beschränkt, Mindeststandards sozialen Wohlergehens zu sichern, sondern darüber hinaus auch Sonderprobleme der verschiedensten Art zu lösen versucht. 342 Letztlich setzte sich die Erkenntnis durch, dass die erhoffte Steuerung durch das Recht nicht möglich war, sich also eine „Steuerungskrise des Rechts“ abzeichnete.343 In diesem Licht erscheinen sowohl ein formales wie auch ein materielles Rechtsparadigma mit dem Makel behaftet, gesellschaftliche Bedürfnisse nicht hinreichend abbilden zu können. Die formalrechtliche Gewährleistung von individuellen Freiheiten erschien unzureichend, um auch faktisch bestehende Ungleichheiten erfassen zu können, und die soziale Steuerung durch Recht schränkt diejenigen (materiellen) Freiheiten ein, die zu verwirklichen sie angetreten war. Es ist allerdings gerade die Steuerungskrise des Rechts, die Parallelen zwischen der Lage im Nationalstaat seit den 1980er-Jahren und den Regulierungsproblemen im Zusammenhang mit Globalisierungsprozessen mehr als deutlich werden lässt. Ebenso wie im Nationalstaat geht es auch unter Bedingungen der Globalisierung darum, einerseits rechtliche Steuerung zur Gewährung von Kollektivinteressen zu 339
So die Analyse bei Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 490 ff. Ausdrücklich angegriffen werden Materialisierungstendenzen im Privatrecht teilweise verbunden mit deutlichen Re-Formalisierungsforderungen von Zöllner, Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht, AcP 1996, 1–36; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, AcP 2000, 273–364 oder Martinek, Vertragstheorie und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005. 340 Luhmann, Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, 1982, S. 19. 341 Luhmann, Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, 1982, S. 25. 342 Luhmann nennt hier nicht ohne Ironie Bootsstege für Sonntagssegler und Heißlufttrockner in öffentlichen Toiletten, die als öffentliche Aufgabe rekonstruiert würden, Luhmann, Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, 1982, S. 27. 343 Siehe dazu Denninger, Der Präventions-Staat, KJ 1988, 1–15, S. 10 ff. sowie insbesondere auch Günther, Der Wandel der Staatsaufgaben und die Krise des regulativen Rechts, 1990, 51–68 und Folke Schuppert, Grenzen und Alternativen von Steuerung durch Recht, 1990, 217–249. Siehe darüber hinaus jüngst Calliess, Die Steuerungskrise – jetzt auch im Privatrecht?, 2009, 465–479.
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gewährleisten, andererseits aber gesellschaftliche Normsetzungsinitiativen nicht von vornherein zu verhindern, indem ihnen rechtliche Geltung versagt wird. Eine mögliche Antwort bietet hier (im Nationalstaat) wie dort (unter Globalisierungsbedingungen) ein Umschwenken auf ein prozedurales Rechtsparadigma. cc) Prozedurales Rechtsparadigma im Sinne eines reflexiven Rechts Unter dem Titel „Reflexives Recht“ veröffentliche Gunther Teubner im Jahr 1982 einen Aufsatz344, der in fünf Sprachen übersetzt wurde und bis heute weltweit Beachtung gefunden hat. 345 Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Für Teubner ist reflexives Recht eine Form von Recht, die reflexive Orientierung realisiert, indem strukturelle Voraussetzungen für Reflexionsprozesse in anderen Sozialsystemen geschaffen werden. 346 Oder mit einfacheren Worten ausgedrückt: Es geht um Steuerung von Selbstregulierung.347 Hintergrund der Überlegungen Teubners ist die oben bereits angedeutete Krise des insbesondere seit den 1970er- und 1980er-Jahren hervorgetretenen Wohlfahrtsstaates mit seiner regulatorisch-steuernden Rechtsform. Während einerseits gesellschaftliche Komplexität durch Ausdifferenzierungstendenzen stetig wächst, verliert das Recht zunehmend die Fähigkeit, 344
Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59. Siehe zum Konzept des reflexiven Rechts auch Teubner/Willke, Kontext und Autonomie: Gesellschaftliche Selbststeuerung durch reflexives Recht, ZfRSoz 1984, 4–35. 345 Insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts hat das Konzept reflexiven Rechts große Beachtung gefunden, siehe zum Beispiel Rogowski, Autopoietic Industrial Relations and Reflexive Labour Law in the World Society, 1998, 67–81; Arthurs, Corporate Self-regulation: Political Economy, State Regulation and Reflexive Labour Law, 2008, 19–36; Arthurs, Labour Law Without the State?, 1996 U.T.L.J, 1–45, S. 32 ff.; Rogowski, Reflexive Regulation of Labour and Employment Conflict Resolution, 2009, 573–585. Aber auch in anderen Bereichen wie dem Verbraucherrecht, Calliess, Transnational Consumer Law: Co-Regulation of B2C-E-Commerce, 2008, 225–258. S. 240 ff.; Tonner, Verbraucherrecht und Selbstregulierungskonzepte, KJ 1985, 107–125, S. 119 ff. oder in Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungs- und/oder Globalisierungsprozesse insgesamt, Arato, Reflexive Law, Civil Society, and Negative Rights, 1996 Cardozo L.Rev., 785– 789; Scheuerman, Reflexive Law and the Challenges of Globalization, 2001 J.Polit.Philos., 81–102; Calliess, Reflexive Transnational Law, ZfRSoz 2002, 185–216; Capps/Olson, Legal Autonomy and Reflexive Rationality in Complex Societies, 2002 Soc.Leg.Stud., 547–567; Gaines, Reflexive Law as a Legal Paradigm for Sustainable Development, 2002 Buff.Env.L.J., 1–24 ist die Idee des reflexiven Rechts rezipiert worden. 346 Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59, S. 51. 347 Teubner, Verrechtlichung – Begriffe, Merkmale, Grenzen, Auswege, 1984, 290– 344, S. 334.
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Konflikte innerhalb hochspezialisierter sozialer Subsysteme zu lösen. 348 Aus diesem Grund muss es darum gehen, für postmoderne Gesellschaftsstrukturen Regulierungsmuster zu entwickeln, die einerseits gesellschaftliche Integration leisten, andererseits aber auch auf zunehmende und immer größer werdende soziale Komplexität reagieren können. Das staatliche Recht bildet gleichsam einen lockeren Rahmen um gesellschaftliche Selbstorganisationsprozesse. In Anlehnung an das Habermas’sche Konzept der Demokratisierung gesellschaftlicher Teilsysteme 349 schlägt Teubner vor, das staatliche Recht als „äußere Verfassung“ für Selbstregulierung innerhalb bestimmter Bereiche zu verstehen.350 Die theoretischen Details sind kompliziert. Für diese Untersuchung genügt es, klarzustellen, dass reflexive Rechtsrationalität eine Antwort auf die Krise von Steuerungstendenzen staatlichen Rechts bieten kann. Während Teubners Vorschlag sich auf die Steuerungskrise staatlichen Rechts innerhalb des Nationalstaats bezog, soll es hier nun darum gehen, diesen Gedanken zu übertragen auf die Fragestellungen grenzüberschreitender Sachverhalte, für die staatliches Recht jedenfalls keine hinreichende Antwort bereit hält. Es geht also für das staatliche Recht darum, private Selbstregulierungstendenzen nicht sich selbst zu überlassen. Teubners Konzept unterscheidet sich deutlich von marktradikalen Positionen.351 Anders als dort müssen bei Teubner autonome Selbstorganisation und gesellschaftliche Kontextvorgabe produktiv kombiniert werden. Für den Bereich des Seehandelsrechts bedeutet das, dass Selbstorganisationskräfte der Branche erkannt, bewertet und in staatliches Recht eingebunden werden müssen. Teubner sieht hier die Generalklauseln als mögliche Orte, an denen reflexive Rechtsmechanismen institutionalisiert werden können. 352 Hintergrund dieser Überlegung ist, dass Generalklauseln die Aufgabe haben, außerrechtliche Umstände (gute Sitten, Treu und Glauben, Handelsbräuche etc.) in rechtliche Kategorien zu übersetzen, und andererseits die Möglichkeit bieten, soziale Prozesse rechtsintern zu rekonstruieren und zu simulieren. Wenn es zum
348 Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59, S. 40. 349 Zum Beispiel ausgeführt in Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, Band 2, S. 544 („An die Stelle des als Medium benutzten Rechts müssen Verfahren der Konfliktregelung treten, die den Strukturen verständigungsorientierten Handelns angemessen sind – diskursive Willensbildungsprozesse und konsensorientierte Verhandlungs- und Entscheidungsverfahren.“). 350 Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59, S. 49. 351 Tonner, Verbraucherrecht und Selbstregulierungskonzepte, KJ 1985, 107–125, S. 118. 352 Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59, S. 54.
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Beispiel in § 346 HGB heißt, dass auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen sei, dann bedeutet das, dass Gewohnheiten und Gebräuche des Handels, die ansonsten keine Rechtskategorie darstellen, nun für das Recht und seine Beurteilung einer Sachlage wichtig werden. Auf die Inhalte der Handelsbräuche kann das Recht aber keinen Einfluss nehmen, der Richter entscheidet allenfalls, ob ein Handelsbrauch mit dem von den Parteien vorgetragenen Inhalt existiert. Ein solcher Handelsbrauch kann aber weder vom Richter noch vom Gesetzgeber konstruiert werden. Genau dieser Mechanismus der Generalklauseln ist es, der für Teubners Konzept des reflexiven Rechts interessant ist.353 Er reicht aber für das Seehandelsrecht und die oben bereits aufgezeigten hochspezialisierten Formen der Selbstregulierung des internationalen Seehandels nicht aus. Daher soll es im Folgenden kurz darum gehen, Formen reflexiven oder prozeduralen Rechts für den grenzüberschreitenden Seehandel zu entwerfen. b) Formen prozeduralen Rechts im internationalen Seehandel Wenn im Zusammenhang mit prozeduralen Rechtsformen von regulierter Selbstregulierung die Rede ist, dann muss es im Zusammenhang mit dem Seehandelsrecht darum gehen, wie Formen der Selbstregulierung im Recht rekonstruiert werden können. Dabei ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass die rechtliche Qualifikation der UCP, der Incoterms, der YorkAntwerp Rules und der Musterverträge des Seehandels problematisch war. Die Schwierigkeiten treten vor allem im Zusammenhang mit den UCP zu Tage. Es wurde an deren Beispiel überdeutlich, dass das Recht erhebliche Probleme hat, Selbstregulierungsversuche der Wirtschaft adäquat zu verarbeiten. Insbesondere war dabei aufgefallen, dass eine rechtliche Verarbeitung der UCP als Gewohnheitsrecht wegen fortwährender zielgerichteter positiver inhaltlicher Änderung der Regelungen abgelehnt und eine Anerkennung als Handelsbrauch aus dem gleichen Grunde versagt wurde. An dieser Stelle aber kann das Recht ansetzen und sich gegenüber gesellschaftlicher Selbstregulierung öffnen. Während Gewohnheitsrecht und Handelsbräuche grundsätzlich im Recht verarbeitet werden können, fehlt es für „gesetzte“ private Normordnungen an Ansatzpunkten für das staatliche Recht. Auch deren Qualifikation als Vertragsklauseln wird weder ihrer breiten Anerkennung noch ihrem Entstehungsprozess gerecht. 354 Hier besteht die Möglichkeit für staatliches Recht, die gesellschaftlichen Selbstorganisationskräfte des internationalen Seehandels zu nutzen und zu verar 353 Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59, S. 54. 354 Siehe dazu im Zusammenhang mit den UCP nochmals Nielsen, Richtlinien für Dokumenten-Akkreditive, 2001, S. 14.
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beiten und schließlich auch in eigene Strukturen einzuhegen. Es bedarf dazu einer Rechtsvorschrift, die die selbstgesetzten Normen des internationalen (See-)Handels zu berücksichtigen erlaubt, ohne sie lediglich als Vertragsklauseln zu verstehen. Die partizipatorischen Besonderheiten ihres Zustandekommens und die damit und mit ihrer weitgehenden Anerkennung verbundene normative Kraft erfordert eine spezifische Öffnungsklausel des staatlichen Rechts, die in Form einer Generalklausel wie zum Beispiel § 346 HGB Wirksamkeit entfaltet. Das bedeutet aber nicht, dass kritiklos alle gesellschaftlichen Selbstorganisationsprozesse im Recht Berücksichtigung finden sollen. Gerade weil es dem staatlichen Recht nicht gelingen wird, Verfahren für die privaten Selbstorganisationsprozesse vorzugeben, muss es darum gehen, die partizipativen und diskurs- und konsensorientierten Selbstorganisationsprozesse der internationalen Kaufmannschaft zu stärken, indem ihnen die Wirksamkeit in nationalstaatlichem Kontext nicht grundsätzlich versagt wird. Eine reflexive Regelung in Bezug auf die privat erzeugten Normen des Seehandels muss also deren prozeduralen Charakter in den Mittelpunkt stellen. Nur solche privat erzeugten Regeln können anerkannt werden, die in normativitätserzeugenden und -steigernden – also weitgehend offenen partizipativen – Verfahren zustande gekommen sind. Das stärkt die Legitimität von privaten Prozessen und stabilisiert ihre Geltung jedoch nur, wenn sie den Vorgaben des staatlichen Rechts entsprechen. Ein Beispiel für derartige Regelungen stammt aus dem öffentlichen Planungsrecht. Hier finden sich Vorschriften wie zum Beispiel § 3 BauGB, in denen die Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit an der Aufstellung von Bauleitplänen vorgeschrieben wird. In Anlehnung an solche Beteiligungsvorgaben kann auch staatliches Recht Vorschriften erlassen, die einerseits die privaten Selbstorganisationskräfte erfassen, andererseits aber auch nur solche Selbstorganisationsprozesse anerkennen, die ein Mindestmaß an Beteiligungschancen für Betroffene und öffentliche Interessen zulassen. In Anlehnung an § 346 HGB und § 307 BGB sowie an den Entwurf zu Art. 3 Abs. 2 der ROM-I-Verordnung355 könnte eine solche Vorschrift wie folgt lauten: „Eine Inhaltskontrolle von international anerkannten Regeln und Musterverträgen oder ähnlichen Klauseln findet im Verkehr unter Kaufleuten nicht statt, wenn diese Regeln oder Klauseln in Verfahren zustande gekommen sind, die die Beteiligung breiter Verkehrskreise und die Berücksichtigung öffentlicher Interessen erlauben.“
355 Dort war in Art. 3 Abs. 2 noch die Möglichkeit enthalten, nichtstaatliches Recht anzuwählen: „Die Parteien können als anzuwendendes Recht auch auf internationaler oder Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts wählen.“ Siehe KOM (2005) 650 endgültig, S. 16. Siehe dazu ausführlich Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary on the European Rules of the Conflict of Laws, 2011, Artikel 3 ROM I, S. 65 f. Siehe auch unten Kapitel 3, D., I., 2., c).
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So kann staatliches Recht auf eigene inhaltliche Entscheidungen verzichten und dennoch Vorgaben für die Erzeugung von Normativität außerhalb seines Einflussbereichs machen. Die UCP, die Incoterms oder die seehandelsrechtlichen Musterverträge wären dann zu behandeln wie Gewohnheitsrecht oder Handelsbräuche, ohne es zu sein.356 Dies würde jedoch nur dann gelten, wenn sie in Verfahren zustande gekommen sind, die den Vorgaben des staatlichen Rechts entsprechen. Zudem ist freilich erforderlich, dass das staatliche Recht, das sich mit den privat geregelten Materien befasst, als dispositives Recht ausgestaltet und nur der innerste Kern eines ordre public in Form von zwingenden Normen vorgeschrieben wird. Ein nationales Seehandelsrecht, das Materien, die im transnationalen Raum üblicherweise durch Musterverträge geregelt werden, mit zwingendem Recht massiv behindert, wird im grenzüberschreitenden Handel jedenfalls keine Bedeutung erlangen. 2. Zusammenfassung und These Auf die Steuerungskrise staatlichen Rechts unter Bedingungen der Globalisierung kann durch die Ausbildung einer prozeduralen Rechtsform in Form von reflexivem Recht reagiert werden. Gegenstand reflexiven Rechts ist es, gesellschaftliche Selbstorganisationskräfte einzubinden, indem nicht inhaltliche Vorgaben des staatlichen Rechts selbst Inhalt seiner Regulierung sind, sondern die Vorgaben für Prozesse der privaten Selbstregulierung. Als Schlagwort kann in diesem Zusammenhang das Wort der „Regulierung von Selbstregulierung“ dienen. Freilich ist aber auch das Konzept des reflexiven Rechts nicht ohne Kritik geblieben.357 Zumindest deutsches staatliches Recht ist aber derzeit nicht darauf eingestellt, normativitätsstiftende Selbstregulierungsprozesse des internationalen Seehandels adäquat zu verarbeiten. Es ist daher erforderlich, in Anlehnung an die Generalklauseln des Privatrechts wie zum Beispiel § 346 HGB Normen zu schaffen, die eine adäquate Einbeziehung privater Selbstorganisationsprozesse in staatliches Recht ermöglichen. Ein prozedurales Rechtsparadigma im Sinne reflexiven Rechts bietet hierfür eine Möglichkeit. Dass ein prozedurales Rechtsparadigma dabei aber niemals 356
Siehe zu Möglichkeiten, wie dies geschehen könnte unten, Kapitel 2, D., I., 2). Siehe dazu insbesondere Gotthold, Anfragen an die Konzeption des reflexiven Rechts bei Teubner/Willke, 1984, 241–268; Plett, Assoziationen zu Teubner/Willke, Kontext und Autonomie, 1984, 215–220; Luhmann, Einige Probleme mit „reflexivem Recht“, ZfRSoz 1985, 1–18; Nahamowitz, „Reflexives Recht“: Das unmögliche Ideal eines post-interventionistischen Steuerungskonzepts, ZfRSoz 1985, 29–44; Maus, Perspektiven „reflexiven Rechts“ im Kontext gegenwärtiger Deregulierungstendenzen, KJ 1986, 390–405 sowie aus amerikanischer Perspektive Nelken, Blinding insights? The limits of a reflexive sociology of law, 1998 J.L. & Soc’y, 407–426. 357
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für sich allein existiert, sondern stets umfangreiche Verflechtungen und unterschiedliche Gewichtungen das Zusammenwirken der drei Rechtsparadigmen bestimmen, hat zum Beispiel Christoph Schmid eindrucksvoll herausgearbeitet. 358 Während aber formales und vor allem auch materiales Rechtsparadigma stark mit nationalstaatlichen Steuerungsversprechen verbunden sind, scheint das prozedurale Rechtsparadigma für die Bearbeitung grenzüberschreitender Sachverhalte besonders gut geeignet zu sein. Denn ihm ist im Gegensatz zum materialen Rechtsparadigma die Zurücknahme und Selbstbeschränkung des Staates sowie die Stärkung privater Normsetzung immanent. Im Gegensatz zum formalen Rechtsparadigma erlaubt es jedoch eine Einhegung von übermächtiger wirtschaftlicher oder sozialer Überlegenheit. Ein transnationales Recht wird in seiner Struktur also wichtige Elemente reflexiven Rechts beinhalten. II. Verständnis privater Regelsetzung als öffentliche Aufgabe 1. Gefährdungslagen Gegen transnationales Recht in Form von privat erzeugtem Recht werden immer wieder Bedenken vorgebracht, die damit zusammenhängen, dass öffentliche Interessen nicht hinreichend berücksichtigt würden. Dabei geht es zum Beispiel um Grundrechtsgefährdungen, die von privaten Akteuren ausgehen können. Sie können, so der Einwand, ebenso gravierend sein wie Grundrechtsgefährdungen, die von der Staatsgewalt ausgehen.359 Arbeitnehmer, Verbraucher oder ganze Staaten seien den Individualinteressen der „Global Player“, der Mega-Konzerne, Banken und Börsen schutzlos ausgeliefert.360 Gewerkschaften und Verbraucherverbände scheiterten an der Internationalität ihrer Gegenspieler und an ihrer eigenen nationalen Beschränktheit.361 Andreas Fischer-Lescano zieht zum Beispiel vor dem Hintergrund möglicher Grundrechtsgefährdungen durch private Akteure den Schluss, dass private Rechtserzeuger, die sich zur Absicherung ihrer ökonomischen Logiken eines privat erzeugten Rechts bedienen, sich auch „Responsivitätspflichten“ in Bezug auf die Gewährleistung
358 Schmid, Die Instrumentalisierung des Privatrechts durch die Europäische Union: Privatrecht und Privatrechtskonzeptionen in der Entwicklung der Europäischen Integrationsverfassung, 2010, S. 15–92, insbesondere S. 69 f. und 77 ff. 359 Siehe dazu und zu den entsprechenden Fallgestaltungen Teubner, Die anonyme Matrix: Menschenrechtsverletzungen durch „private“ transnationale Akteure, Der Staat 2006, 161–187. 360 Hohmann-Dennhardt, Wo bleiben die Bürger und ihre Rechte?, 2009, 753–763, S. 758. 361 Hohmann-Dennhardt, Wo bleiben die Bürger und ihre Rechte?, 2009, 753–763, S. 758.
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von Grundrechten und Schutzpflichten zu unterwerfen hätten.362 Oder mit anderen Worten: Wer sich anschickt, Recht privat erzeugen zu wollen, der darf nicht nur Interessenpolitik im Auge haben, sondern muss auch Gemeinwohlinteressen berücksichtigen („Der Rechtsbegriff ist ohne diese Pflichten nicht zu haben […]“).363 Ein Beispiel für mögliche Rechtsgefährdungen, die sich aus der Internationalität des Seehandels ergeben können, ist das Seearbeitsrecht. Hier entstehen Probleme insbesondere dann, wenn der Rechtsstatus von Schiffen beurteilt werden soll, die unter „billigen Flaggen“ fahren.364 Denn gemäß Art. 92 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, dem die Bundesrepublik Deutschland am 02. September 1994 beigetreten ist365, gilt auf Hoher See das Recht des Flaggenstaats. So kann die Situation eintreten, dass sich ein deutscher Arbeitnehmer auf dem unter ausländischer Flagge fahrenden Schiff eines deutschen Reeders dem Recht des Flaggenstaats unterwerfen muss, das unter Umständen ein deutlich geringeres Schutzniveau aufweist als das deutsche Recht. Die Bezeichnung eines Schiffes als „Gefängnis auf See“366 mag übertrieben sein. Die von den Kritikern privat erzeugten Rechts angesprochenen Probleme aber sind vor diesem Hintergrund durchaus erkennbar. Ein weiteres Beispiel, das den Zusammenhang zwischen dem Seehandel und Gemeinwohlinteressen herstellt, ist die Frage von Umweltgefährdungen durch die Seeschifffahrt. Umweltkatastrophen wie das Kentern der Exxon Valdez vor Alaska oder die Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zeigen die Risiken und Gefahren für Allgemeininteressen deutlich auf. 2. Berücksichtigung öffentlicher Interessen bei der Regelsetzung Der Kritik an privat erzeugten Regeln muss sich auch die Seefahrtsbranche stellen. Die Berücksichtigung von öffentlichen Interessen ist für private Organisationen jedoch schwierig. Wenn zum Beispiel die BIMCO Chartervertragsformulare entwirft, so liegt es in der Natur der Sache, dass diese Verträge ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen zwei Parteien in Bezug auf eine Charter regeln. Das gilt selbst dann, wenn viele Interessen
362 Fischer-Lescano, Europäische Rechtspolitik als transnationale Verfassungspolitik, ZERP-Diskussionspapier 2010, 1–26, S. 25. 363 Fischer-Lescano, Europäische Rechtspolitik als transnationale Verfassungspolitik, ZERP-Diskussionspapier 2010, 1–26, S. 25. 364 Zu dieser Problemkonstellation siehe Geffken, Internationales Recht im Seeleutestreik, NJW 1979, 1739–1746, S. 1741 f. 365 BGBl. II 1994, S. 1798 ff. 366 Siehe dazu das Essay auf der Seite „mare online“ von Nelson, Endstation Gran Canaria, http://www.mare.de/index.php?article_id=1943&setCookie=1 (zuletzt besucht am 06.02.2012).
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träger am Entwurf der Verträge beteiligt waren. Regelungen zum Beispiel über die Beseitigung von Wrackschäden, die im öffentlichen Interesse liegen würden, können in einem Chartervertrag nicht vereinbart werden. Derartige Erwägungen wären schlicht sachfremd und können von den Parteien nicht beeinflusst oder berücksichtigt werden. Gleiches gilt in der Regel auch für den Schutz der Arbeitsbedingungen von Seeleuten und den Schutz von deren sozialen Belangen. Hierfür findet sich in einem Chartervertrag kein Raum. Eine Parallele zum Kaufvertrag macht dies noch deutlicher: Weder ist es Sache der Kaufvertragsparteien, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer des Herstellers oder die Entsorgung des Automobils zu regeln, noch ist der Kaufvertrag der richtige Ort dafür. Denn so würden Pflichten vereinbart, deren Erfüllung nicht im Einflussbereich der Parteien liegt. Zudem stellt sich die Frage, ob an private Akteure höhere Anforderungen gestellt werden können als an Staaten. Dass Staaten gerade im Hinblick auf die Internationalität einer bestimmten Branche die Hände gebunden sind, wenn es um die Durchsetzung von Grundrechtsgewährleistungen geht, zeigt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995, das sich mit seearbeitsrechtlichen Fragen zu befassen hatte. 367 Es ging dabei um die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung im Seeschifffahrtsregistergesetz (konkret ging es um § 21 Abs. 4 dieses Gesetzes). Im Ergebnis bewirkte die angegriffene Regelung, dass Arbeitsverhältnisse auf Schiffen grundsätzlich nicht nach dem Recht des Flaggenstaates (im Fall deutscher Handelsschiffe also nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland), sondern nach dem Recht des Heimatstaates der Seeleute zu beurteilen waren. Diese Regelung ermöglichte es Reedern, Heuerverträge und Kollektivvereinbarungen zu vereinbaren, bei denen der Einfluss der deutschen Gewerkschaften gleichsam ausgeschaltet war.368 So ist zum Beispiel das Kündigungsschutzgesetz auf solche Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar.369 Interessant ist dabei, dass das Gericht in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Staat Regelungen mit geringerem Schutzniveau treffen darf, wenn sich der zu regelnde Sachbereich auf Grund von dessen Internationalität der Verfügungsgewalt des Staates entzieht. 370 Das traf in diesem Fall zu, denn die deutsche Handelsschifffahrt bewegt sich auf einem internationalisierten Markt. Bezeichnend und bemerkenswert sind dann auch die weiteren Ausführungen des Gerichts: 367
BVerfGE 92, 26–53 = NJW 1995, S. 2339–2343. BVerfG NJW 1995, 2339–2343, S. 2339. 369 Lagoni, Koalitionsfreiheit und Arbeitsverträge auf Seeschiffen, JZ 1995, 499–503, S. 503. 370 BVerfGE 92, S. 26–53, Orientierungssatz 1a. 368
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„Steht der deutsche Gesetzgeber vor der Alternative, den deutschen Grundrechtsstandard entweder ungeschmälert zu wahren, ihm damit im Bereich der Hochseeschifffahrt praktisch das Anwendungsfeld zu entziehen oder ihm ein Anwendungsfeld unter gleichzeitiger Inkaufnahme eines geminderten Grundrechtsstandards zu erhalten, so können Positionen von Koalitionen, die sich in der internationalen Rechtswirklichkeit ohnehin nicht behaupten lassen, jedenfalls dann aufgegeben werden, wenn gleichzeitig hinreichende Anreize für deutsche Reeder geschaffen werden, ihre Schiffe weiterhin unter deutscher Flagge zu betreiben.“371
Derart unverblümte Kapitulationen des Staates vor einer globalisierten Wirtschaft sieht man selten. Sie spiegeln aber genau das Problem wider, um das es geht. Eine globalisierte Wirtschaft entzieht sich zwangsläufig einzelstaatlichen Regelungen. Wenn nun diese Entscheidung mit der Feststellung kontrastiert wird, der Rechtsbegriff sei ohne die Gewährleistung von sozialen Rechten und Grundrechten nicht zu haben372, drängt sich die Frage auf, ob das staatliche Recht ebenso seine Rechtsqualität verlieren kann, wenn es zur Gewährleistung der geforderten Rechte nicht mehr vollumfänglich in der Lage ist. Das ist sicherlich nicht der Fall. Und so ist es auch zweifelhaft, ob privat erzeugtem Recht tatsächlich die Rechtsqualität versagt werden kann, weil ein Schutz öffentlicher Güter nicht im gleichen Umfang möglich ist wie für Staaten. Und dennoch muss die Globalisierung der Wirtschaft und des Handels nicht zwangsläufig zu einer vollständigen Aushöhlung des Schutzniveaus führen, das das staatliche Recht in seiner langen Entwicklung erreicht hat. Transnationales Recht ist ein relatives Novum. Seine Besonderheit liegt darin begründet, dass es die klassische Rechtsform des nationalstaatlichen Rechts herausfordert, indem es den Rechtsbegriff auf gesellschaftliche Normbildungsprozesse ausdehnt. 373 Es wäre daher verfehlt, private Normerzeugungsprozesse dem staatlichen Recht gegenüber zu stellen und zu verlangen, dass privat erzeugte Normen erst dann als Recht zu akzeptieren wären, wenn sie öffentliche Interessen in dem Umfang verwirklichen, wie dies von staatlichem Recht erwartet wird. Dass diese Erwartung häufig nicht eingelöst werden kann, bedarf keiner besonderen Erwähnung und wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt und gebilligt. Transnationales Recht muss vielmehr als Hybrid verstanden werden zwischen staatlicher Rechtserzeugung und privater Normsetzung in Bereichen, in die staatliches Recht auf Grund seiner territorialen Beschränkungen
371 BVerfGE 92, 26–53, S. 42. Kritisch zu dieser Entscheidung äußern sich Wimmer, Minderer Grundrechtsschutz bei internationalen Sachverhalten?, NZA 1995, 250–256 und Puttfarken, Grundrechte im internationalen Rechtsraum, RIW 1995, 617–627. 372 Siehe oben, Fischer-Lescano, Europäische Rechtspolitik als transnationale Verfassungspolitik, ZERP-Diskussionspapier 2010, 1–26, S. 25. 373 Zumbansen, Transnational Law and Societal Memory, 2007, 129–146, S. 133.
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nicht vordringen kann. 374 Das staatliche Recht wirkt dabei als Anleitung privater Normerzeugung, die sowohl über Erfahrungen als auch über Fehler informieren kann.375 Privat erzeugtes Recht wird aber seinerseits Entwicklungen durchlaufen, die sich, ebenso wie es bei staatlichem Recht der Fall ist, als Fehlentwicklungen erweisen werden. Es bedarf genau aus diesem Grund einiger Geduld mit Prozessen privater Normerzeugung. Die Strukturen, die sich im Nationalstaat innerhalb von ca. 200 Jahren herausgebildet haben und sowohl Partizipation als auch die Formulierung von Missständen ermöglichen, sind im transnationalen Raum nicht innerhalb weniger Jahre nachzuvollziehen. Zudem ist die althergebrachte klassische Rechtsform kaum geeignet, transnationale Prozesse zu erkennen und zu steuern. Hier bedarf es eines grundsätzlichen Umdenkens, das auf die Fragmentierung und Polyzentrizität solcher Prozesse Rücksicht nimmt.376 Dass das transnationale Recht aber auch auf dem Wege ist, die Entwicklungen des staatlichen Rechts nachzuvollziehen, zeigt die Entstehung von transnationalen Normen, die als zwingend angesehen werden. 3. Emergenz eines zwingenden transnationalen Rechts – der „ordre public transnational“ Die Suche nach zwingenden transnationalen Normen hat Moritz Renner als Ausgangspunkt für seine umfassende Studie zu einem transnationalen ordre public gewählt. 377 Dabei hat Renner hunderte Schiedssprüche der Schiedsgerichtsbarkeit der internationalen Handelskammer (ICC), der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit des International Center for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) sowie der Internet Domain-NameSchiedsgerichtsbarkeit der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) ausgewertet. Seine Ergebnisse zeigen unterschiedliche Ausprägungen einer Entwicklung des transnationalen ordre public. In den Schiedssprüchen der ICC findet Renner zwar eine sich abzeichnende Emergenz eines ordre public transnational, wobei er als praxisrelevante Fallgruppen für die Anwendung transnationalen zwingenden Rechts insbesondere das Wettbewerbsrecht, Antikorruptionsvorschriften und das Handelsvertreterrecht identifiziert.378 Jedoch schränkt er in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit der ICC auch ein, dass sich zwar die Anwendung zwingender Normen in den Schiedssprüchen nachweisen ließe, dass aber 374
Zumbansen, Transnational Law and Societal Memory, 2007, 129–146, S. 133. Zumbansen, Transnational Law and Societal Memory, 2007, 129–146, S. 141. 376 So wohl auch Fischer-Lescano, Europäische Rechtspolitik als transnationale Verfassungspolitik, ZERP-Diskussionspapier 2010, 1–26, S. 25. 377 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011. Siehe auch Renner, Towards a Hierarchy of Norms in Transnational Law?, 2009 J.Int'l.Arb., 533–555. 378 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 123. 375
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eine konsistente Dogmatik für einen ordre public transnational in diesem Bereich noch nicht existiere.379 Ähnlich fällt das Ergebnis in Bezug auf die Untersuchungen der ICSID aus. Hier sei es noch schwieriger, eine konsistente Dogmatik zwingenden transnationalen Recht zu rekonstruieren. Das liege insbesondere daran, dass die von der ICSID zu entscheidenden Fälle die Rechtsbeziehungen zwischen Staaten und meist ausländischen Investoren zum Gegenstand hätten. 380 Aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfungsmöglichkeiten an das Recht des Anlegerstaats wie auch an das Recht des Gaststaates ergäben sich hier erhebliche Probleme. Soweit das Recht des Gaststaates stark regulativ geprägt sei, kämen auch völkervertragsrechtliche Schutzstandards zur Anwendung.381 Diese Gemengelage kompliziere die streitgegenständlichen Rechtsverhältnisse häufig und verhindere eine systematisierende Präjudizienbildung. 382 So komme es zwar zur Anwendung zwingenden Rechts, die dogmatischen Begründungen seien aber unter Umständen sehr unterschiedlich.383 Am ehesten lasse sich die Entwicklung eines ordre public transnational an der Schiedsgerichtspraxis des ICANN-Schiedsgerichts erkennen. Dies werde begünstigt durch die einerseits eng umrissene Aufgabenstellung des Schiedsgerichts, das lediglich für markenrechtliche „Cybersquatting“Streitigkeiten zuständig ist. Andererseits ermögliche die Veröffentlichung der Schiedssprüche den Rückgriff auf eine umfangreiche Kasuistik.384 So sei es in diesem Zusammenhang insbesondere das Recht auf Meinungsfreiheit, das den Kern eines ordre publik transnational bilde.385 Renner kommt somit insgesamt zu dem Ergebnis, dass sich ein transnationaler ordre public zwar noch in einem frühen Stadium seiner Entstehung befinde, dass aber die von ihm gefundenen Beispiele durchaus zeigten, dass transnationales Recht keineswegs ausschließlich ökonomischer Logik unterliege.386 Gemeinwohlbelange fänden in immer stärkerem Maße Berücksichtigung in der Rechtsprechung privat organisierter Schiedsgerichte. Unabhängig von der Schiedsgerichtsbarkeit können sich aber gemeinwohlbezogene Prozesse im Rahmen der Seehandelspraxis auch auf anderen 379
Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 124. Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 298. 381 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 153 f. 382 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 169. 383 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 169. 384 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 197. 385 Renner, Zwingendes transnationales Recht, 2011, S. 299. Siehe zur Meinungsfreiheit im Internet insbesondere auch Karavas/Teubner, http://www.CompanyName Sucks.com: Drittwirkung der Grundrechte gegenüber „Privaten“ im autonomen Recht des Internet?, 2003, 249–272. 386 Renner, Towards a Hierarchy of Norms in Transnational Law?, 2009 J.Int'l.Arb., 533–555. 380
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Ebenen herausbilden. Eine wichtige Rolle nehmen dabei so genannte Klassifikationsgesellschaften ein. Sie sind der „TÜV“ für Seeschiffe. 387 Entstanden ist die Klassifikation von Schiffen, die überwiegend von privaten Organisationen vorgenommen wird, aus der Seeversicherung.388 Vor einer Reise wurde von dem Versicherer ein Gutachten in Auftrag gegeben, um festzustellen, ob und zu welcher Prämie das Schiff versichert werden konnte. 389 Heute kommen den Klassifikationsgesellschaften im Wesentlichen zwei Funktionen zu: Erstens bestimmen sie die Klasse eines neu gebauten Schiffs und überprüfen in regelmäßigen Abständen den Erhalt der Klasse. Mit der Klassifizierung ist verbunden, dass das Schiff bestimmten Sicherheitsvorschriften in Bezug auf den Schiffskörper und die Maschine entsprechen muss, und es muss insgesamt seetüchtig sein.390 Eine zweite Funktion kommt den Klassifikationsgesellschaften insoweit zu, als sie die Übereinstimmung der zu klassifizierenden Schiffe mit den SOLAS- (Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See) und MARPOL- (Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe) Konventionen überwachen.391 Die Überwachung der internationalen Schifffahrt durch Klassifikationsgesellschaften ist deshalb so effektiv, weil praktisch alle Verträge, die ein Reeder zur wirtschaftlichen Nutzung eines Schiffes abschließt, voraussetzen, dass ein Schiff eine bestimmte Klasse besitzt und/oder für die Laufzeit des Vertrages behält.392 Zu derartigen Verträgen gehören zum Beispiel Schiffskaskoverträge, Standardverträge für Chartern393 oder Güterversicherungsverträge394 sowie auch Darlehensverträge bis hin zu Arbeitsverträgen, bei denen die Seeleute höhere Heuern als Risikozuschläge im Falle einer niedrigen Schiffsklasse aushandeln. 395 Ein Reeder wird sich daher der 387
Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 255. Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 255. 389 Basedow/Wurmnest, Die Dritthaftung von Klassifikationsgesellschaften, 2004, S. 5; Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 255. 390 Mandakara-Sheppard, Modern Maritime Law, 2007, S. 282 f. Siehe auch Honka, The Classification System and its Problems with special Reference to the Liability of Classification Societies, 1994 Tul.Mar.L.J, 1–36, S. 3 f. 391 Mandakara-Sheppard, Modern Maritime Law, 2007, S. 283. 392 Basedow/Wurmnest, Klassifikationsverträge als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, VersR 2005, 328–337; Basedow/Wurmnest, Die Dritthaftung von Klassifikationsgesellschaften, 2004, S. 6 f. 393 Siehe nur Clause 6 des BIMCO-Zeitcharterformulars NYPE 93 („The Owners […] shall maintain the Vessel's class and keep her in a thoroughly efficient state in hull, machinery and equipment for and during the service, and have a full complement of officers and crew.”). 394 Holtappels, Haftung von Klassifikationsgesellschaften in der Handelsschiffahrt, TranspR 2002, 278–282, S. 279 f. 395 Basedow/Wurmnest, Die Dritthaftung von Klassifikationsgesellschaften, 2004, S. 7. 388
C. Die Integration privat erzeugter Normen
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Kontrolle durch Klassifikationsgesellschaften kaum entziehen können, ohne sich der wirtschaftlichen Nutzbarkeit seines Schiffes zu begeben. Demgegenüber haben Klassifikationsgesellschaften ein Interesse an einer ordnungsgemäßen Klassifizierung des Schiffs, denn ihre Haftung für Fehlklassifizierungen ist zwar umstritten, steht aber dennoch immer im Raum.396 An diesem Beispiel zeigt sich, dass private Organisationen durchaus in der Lage sein können, öffentliche Interessen zu vertreten und zu schützen. Zudem kann indirekter Schutz zum Beispiel dadurch gewährleistet werden, dass Schiffsversicherer keine unsicheren Schiffe versichern, weil das Risiko auch für die Versicherung unabsehbar ist, oder dass Häfen Tankern das Einlaufen verbieten, die nicht durch eine Doppelwandkonstruktion in besonderem Maße vor dem Auslaufen der Ladung im Fall einer Kollision geschützt sind.397 Öffentliche Interessen werden in der internationalen Seeschifffahrt aber häufig auch im Rahmen der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren geschützt. So resultieren aus der Zusammenarbeit zwischen der International Maritime Organization (IMO) und dem Comité Maritime International (CMI) zum Beispiel internationale Konventionen zum Schutz vor Ölverschmutzung oder zur Haftung in Bezug auf den Transport nuklearer Güter. 398 Enge Zusammenarbeit findet auch mit der International Labour Organization (ILO) statt, aus der zum Beispiel eine Konvention zum Schutz inhaftierter Seeleute im Ausland resultiert.399 So entsteht aus dem Engagement privater Akteure, aber auch aus der Zusammenarbeit zwischen internationalen Organisationen und privaten Akteuren langsam aber stetig ein Rahmen zum Schutz öffentlicher Interessen in der internationalen Seeschifffahrt. Das ist auch nötig, denn in der Tat wäre eine ausschließliche Verfolgung individueller wirtschaftlicher Interessen in einer internationalen Branche vor der Weltöffentlichkeit kaum zu rechtfertigen. 396
Honka, The Classification System and its Problems with special Reference to the Liability of Classification Societies, 1994 Tul.Mar.L.J, 1–36; Basedow/Wurmnest, Die Dritthaftung von Klassifikationsgesellschaften, 2004; Basedow/Wurmnest, Klassifikationsverträge als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, VersR 2005, 328–337. Ausführlich auch zu den in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen im deutschen Recht Kraft/Schlingmann, Die Dritthaftung von Klassifikationsgesellschaften, VersR 2004, 1095–1104. 397 Gruber, Nachhaltigkeit im Umgang mit Tankern, VersR 2004, 766. 398 Ziegler, The Comité Maritime International (CMI): The Voyage from 1897 into the next Millennium, 1997 Unif.L.Rev., 728–756, S. 747 f. 399 Guidelines on fair treatment of seafarers in the event of a maritime accident, http://www.imo.org/knowledgecentre/informationresourcesoncurrenttopics/informationre sourcesoncurrenttopicsachives/documents/fair%20treatment%20of%20seafarers%20(december%202007).pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012).
110
Erstes Kapitel: Das Recht des grenzüberschreitenden Seehandels
Die Berücksichtigung öffentlicher Interessen trägt aber freilich auch dazu bei, dass die Ergebnisse privater Normsetzung auf breiter Basis Akzeptabilität erlangen. Aus diesem Grund ist es auch im Interesse privater Akteure, sich ihrer Aufgabe und Verantwortung auch zum Schutz öffentlicher Interessen bewusst zu sein. 4. Zusammenfassung und These Die Bildung eines transnationalen Rechts birgt Gefahren für die Rechte und Rechtsgüter Dritter. Daher müssen private Akteure, die an der Normsetzung, aber auch an der Rechtsprechung im transnationalen Raum beteiligt sind, öffentliche Interessen berücksichtigen. Dies geschieht in vielfältiger Weise. Internationale Schiedsgerichte bilden langsam, aber beobachtbar, einen ordre public transnational heraus. Private Organisationen, insbesondere Klassifikationsgesellschaften, sorgen für Sicherheit auf See. Private Normsetzungsorganisationen beteiligen sich am Entwurf und Zustandekommen internationaler Übereinkommen, die ebenfalls dem Schutz von Allgemeinwohlinteressen dienen. So ist der Vorwurf, private Normsetzung achte nicht auf die Verwirklichung öffentlicher Interessen, zumindest im Seehandel teilweise verfehlt. Dennoch müssen private Akteure bei ihren Handlungen öffentliche Interessen und Allgemeinwohlbelange berücksichtigen, nicht zuletzt auch, um ihre eigene Legitimität nicht in Frage zu stellen.
Zweites Kapitel
Maritime Rechtsprechung „It is understandable that these new proce dural institutions, the international arbitration tribunals, are intent to create their own substantive law. Substantive law is often born in the womb of procedure. In keeping with their international character the law which these international arbitral bodies create is transnational. It is the new lex mercatoria.”1
Nachdem es im ersten Kapitel um transnationales Seehandelsrecht im materiellen Sinne ging, sollen im zweiten Kapitel die seehandelsrechtlichen Gerichte und hier vor allem die Schiedsgerichte im Zentrum der Betrachtung stehen. Als Arbeitsthese war in der Einleitung bereits formuliert worden, dass private Schiedsgerichte im internationalen Seehandel eine weitaus wichtigere Rolle spielen als staatliche Gerichte und darüber hinaus an der Schaffung eines globalen (transnationalen) Seehandelsrechts mitwirken können. Das gilt es im Folgenden zu untersuchen und nachzuweisen. Es wird daher zunächst um eine Bestandsaufnahme gehen. Mit Hilfe statistischer Daten wird empirisch die Wirklichkeit maritimer Streitschlichtung rekonstruiert werden. Dabei wird sowohl die staatliche Gerichtsbarkeit als auch die Schiedsgerichtsbarkeit Berücksichtigung finden (A.). Danach wird es darum gehen, herauszuarbeiten, dass ein transnationales Richterrecht auf der Grundlage schiedsgerichtlicher Entscheidungen denkbar ist und welche Rechtsqualität ein solches transnationales Schieds-Richterrecht hat (B. und C.). Vor dem Hintergrund einer im kontinentaleuropäischen Rechtskreis traditionell kritischen Sicht auf das Richterrecht wird dabei zunächst das Verhältnis zwischen Richterrecht und Gesetzesrecht beleuchtet (B.). Im Folgenden werden die Voraussetzungen eines transnationalen Richterrechts beschrieben, das sich insbesondere auch auf den Urteilen von 1
Schmitthoff, International Trade Usages, 1987, S. 48.
112
Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
Schiedsgerichten gründet (C.). Schließlich werden Vorschläge unterbreitet, welche Handlungsoptionen Staaten und Seehandelspraxis vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse sinnvollerweise zu empfehlen wären (D.).
A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung
Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung kennt zwei Wahrheiten: Einerseits betonen Anwälte und Praktiker immer wieder die Bedeutung nationalen Rechts und staatlicher Justiz. Andererseits zeigen statistische Auswertungen, auf die sogleich einzugehen sein wird, dass nationale Gerichte in der Bewältigung seehandelsrechtlicher Streitigkeiten eine deutlich untergeordnete Rolle spielen. Das ist bemerkenswert, denn dem grenzüberschreitenden Seehandel steht selbstverständlich regelmäßig der Weg zu den nationalen Gerichten offen. In der Bundesrepublik Deutschland besteht nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sogar die Möglichkeit, Kammern für Handelssachen als Schifffahrtskammern auszugestalten. § 95 Abs. 1 Nr. 4 f) GVG bestimmt, dass Handelssachen diejenigen Rechtsstreitigkeiten sind, die aus Rechtsverhältnissen des Seerechts, insbesondere aus denen, die sich auf die Reederei, auf die Rechte und Pflichten des Reeders oder Schiffseigners, auf die Haverei, auf Fälle des Zusammenstoßes von Schiffen, auf die Bergung sowie auf Ansprüche von Schiffsgläubigern beziehen. § 110 GVG bestimmt darüber hinaus, dass an so genannten Seeplätzen Handelsrichter auch aus dem Kreis der Schifffahrtskundigen benannt werden können.2 In den USA ist die Zuweisung seerechtlicher und seehandelsrechtlicher Fälle an die staatliche Gerichtsbarkeit sogar verfassungsrechtlich verankert. Dort heißt es in Article 3, section 2 „The judicial Power shall extend to […] all Cases of admiralty and maritime Jurisdiction“. Seit der Gründung der Vereinigten Staaten hat der traditionelle Prozess der staatlichen Streitbeilegung für die Seekaufmannschaft eine wichtige Rolle gespielt.3 Desgleichen sind in Großbritannien Admirality Courts eingerichtet, die gemäß Rule 61.2 der britischen Civil Procedure Rules für Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen, die das Schiff betreffen, zuständig sind. Gemäß Rule 58.1 ist daneben der Commercial Court of the Queen’s Bench Divisi
2 Der Begriff des Schifffahrtskundigen ergibt sich aus § 2 Seemannsgesetz, Zimmermann in Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2008, § 110 GVG, Rn. 2. Danach sind Schifffahrtskundige Kapitäne sowie erste Offiziere. 3 Force/Mavronicolas, Two Models of Maritime Dispute Resolution: Litigation and Arbitration, 1991 Tul.L.Rev., 1461–1518, S. 1462.
A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung
113
on zuständig für Streitigkeiten, die aus dem Transport von Sachen zu Lande, zu Wasser, in der Luft oder in Fernleitungen („Pipelines“) entstehen. Gerade in Deutschland aber ist die Bedeutung staatlicher Gerichte für das Seehandelsrecht ausgesprochen gering. Das gilt zumindest dann, wenn die Anzahl von Fällen, die von Gerichten bearbeitet werden, als Indikator für die Bedeutung der Gerichtsbarkeit herangezogen wird. I. Die Rolle staatlicher Gerichte für das Seehandelsrecht Wenn Jürgen Basedow von einer Entstaatlichung des Seehandelsrechts 4 spricht, hat er dabei insbesondere Deutschland vor Augen. In einer Stichprobenuntersuchung vergleicht er die Anzahl der in der Spezialzeitschrift „Transportrecht“ veröffentlichten höchstrichterlichen Entscheidungen zu seehandelsrechtlichen Fragen in den Jahren 1995 bis 1997 (drei Entscheidungen) sowie die Anzahl solcher Entscheidungen von Obergerichten und BGH im Zeitraum von 1985 bis 1987 (zwölf Entscheidungen) mit der Anzahl seehandelsrechtlicher Entscheidungen, die in der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitung im Jahr 1935 veröffentlicht wurden (24 Entscheidungen).5 Dieser sicherlich angreifbare und statistisch wenig signifikante Überblick mag keine Grundlage für Schlussfolgerungen sein. Es handelt sich dabei wohl vielmehr um „Anecdotal Evidence“, um mehr oder minder anekdotische Beweisführung also, die belastbare Schlussfolgerungen kaum zulässt. Basedow beschreibt aber eine Tendenz, die von Spezialisten der Branche durchaus geteilt wird. Der Einschätzung Basedows lässt sich jedoch etwas mehr Plausibilität verleihen, wenn sie durch umfangreichere statistische Daten ebenfalls belegt werden kann. Allerdings ist die Erhebung von Daten, die auf einen Bedeutungsverlust der staatlichen Gerichte im Bereich des Seehandelsrechts hindeuten, durchaus problematisch. Dabei verhindert insbesondere der Umstand, dass bei Gerichten keine detaillierten Statistiken geführt werden, eine präzise Erhebung. Belastbare statistische Daten lassen sich aber durch eine Auswertung der juristischen Datenbank Juris erzielen. Eine solche Auswertung ist hier erfolgt. Dabei ist die Datenprobe so gewählt, dass lediglich solche Entscheidungen erfasst wurden, bei denen streitentscheidende Normen aus dem Seehandelsrecht stammten. Das Ergebnis der Auswertung ist beeindruckend. Die Abfrage der Juris-Datenbank zu Entscheidungen im gesamten Seehandelsrecht (§§ 476–900 HGB) im Zeitraum von 1950 bis November 2011 ergab eine Gesamtzahl von 587 Urteilen, von denen 174 auf den BGH entfielen, 269 auf alle Oberlandesgerichte, 58 auf Landgerichte 4 5
Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 12. Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 12–13.
114
Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
und 8 auf Amtsgerichte. Der verbleibende Rest wurde vor Arbeits-, Finanz- und anderen Gerichten verhandelt.6 Die Verteilung der Fälle zeigt, dass in aller Regel die Anzahl der entschiedenen Fälle insgesamt im einstelligen oder unteren zweistelligen Bereich liegt. Eine Spitze von etwa 30 Fällen pro Jahr findet sich in den frühen 1970er-Jahren und ist möglicherweise auf den kurz zuvor eingeführten Containerverkehr zurückzuführen. Der Verdeutlichung dient die Abbildung 1: Seehandelsrechtliche Fälle vor Deutschen Gerichten
2011
2006
2001
1996
1991
1986
1981
1976
1971
1966
1961
1956
1951
35 30 25 20 15 10 5 0
Abbildung 1: Quelle der Daten: Juris-Datenbank; Grafik: eigene Darstellung
Auch diese Zahlen sind freilich allenfalls aussagekräftig, soweit es um eine Tendenz geht. Denn viele Entscheidungen finden ihren Weg nicht in die Juris-Datenbank und viele Fälle werden vor einer Entscheidung durch Vergleich oder andere verfahrensbeendende Maßnahmen erledigt. Eine präzisere Auswertung ist nicht möglich, denn genaue Statistiken werden bei den Gerichten, die in ihrer Geschäftsordnung seehandelsrechtliche Angelegenheiten in aller Regel als Sonderzuständigkeit an allgemeine Kammern verlagern, nicht geführt. Tendenziell jedenfalls aber liegt die Anzahl der seehandelsrechtlichen Streitigkeiten, die vor deutschen Gerichten entschieden werden, durchschnittlich im einstelligen bzw. unteren zweistelligen Bereich jährlich. Selbst wenn die nicht veröffentlichten oder durch vorzeitige Verfahrensbeendigung nicht erfassten Verfahren hinzugezählt würden, wäre die Anzahl der seehandelsrechtlichen Verfahren vor deutschen Gerichten denkbar gering. Anders scheint die Lage vor englischen Gerichten zu sein. Hier sind der Commercial Court und der Admirality Court zuständig für Streitigkeiten aus seerechtlichen Fällen. Die hier erhobenen Zahlen sind deutlich höher 6
Die Zahlen beruhen auf einer Auswertung, die zuletzt am 21.11.2011 vorgenommen wurde.
A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung
115
als die Zahlen vor deutschen Gerichten. Allerdings zeigt sich eine deutlich abnehmende Tendenz. Während in den Jahren 1995 bis 1997 noch etwa 2.000 Fälle vor staatlichen Gerichten entschieden wurden, fällt diese Zahl in den Folgejahren rapide auf etwa 800 bis 1.000 Fälle pro Jahr ab. Zu beachten ist dabei, dass die Zahlen nur Annäherungen sind, weil eine getrennte Auswertung der seerechtlichen Streitigkeiten bei dem auch für andere Streitigkeiten zuständigen Commercial Court nicht vorgenommen wird. Hier kann davon ausgegangen werden, dass etwa die Hälfte der Fälle des Commercial Court seerechtlicher Natur sind. 7 Die folgende Abbildung 2 gibt hier eine grafische Übersicht: Seehandelsrechtliche Fälle vor staatlichen Gerichten in Großbritannien 1600 1400 1200 1000 800
Commercial Court 1/2
600
Admirality Court
400 200 2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
0
Abbildung 2: Quelle der Daten: Angaben der jeweiligen Institution; Grafik: eigene Darstellung
Auch wenn die Zahlen vor englischen Gerichten deutlich höher sind als diejenigen vor deutschen Gerichten, ist deren Gesamtzahl im Vergleich mit den Fällen, die vor privaten Schiedsgerichten bearbeitet werden, sehr gering. Ähnliches gilt im Übrigen für Exequaturverfahren. Hier finden sich in der Juris-Datenbank im Zeitraum von 1998 bis 2011 lediglich rund 80 Entscheidungen, wobei dies den Gesamtwert darstellt und nicht etwa nur Entscheidungen, die seerechtliche Streitigkeiten betreffen. Das allerdings ist nicht verwunderlich, denn Schiedssprüche werden von der unterlegenen Partei in der großen Mehrzahl aller Fälle freiwillig erfüllt.8 Die Befolgung 7
McKenzie, Maritime Services, 2009, S. 8. So z. B. Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, ZEuP 1993, 247–267, S. 257. Siehe auch Blackaby/Partasides/Redfern, Redfern and Hunter on international arbitration, 2009, S. 622. 8
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
von Schiedssprüchen wurde von Wissenschaftlern der Queen Mary University in London im Auftrag des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers untersucht. Grundlage der Untersuchung waren 82 Fragebögen und 47 Interviews, die mit internationalen Unternehmen geführt wurden, die sich in Streitfällen der Schiedsgerichtsbarkeit bedienen.9 Die im Rahmen dieser Studie erhobenen Daten zeigen, dass lediglich in 3 % aller Schiedsgerichtsentscheidungen eine freiwillige Befolgung des Schiedsurteils in vollem Umfang ausblieb. In 84 % der Fälle aber wurde die vom Schiedsgericht zugesprochene Summe zumindest in großen Teilen gezahlt (>76 %). 10 In den übrigen Fällen erfolgte eine teilweise Zahlung der Schiedssumme. Insgesamt gaben die Befragten an, dass lediglich in 11 % aller Fälle Bemühungen zur Vollstreckung eines Schiedsurteils erforderlich waren. 11 Besonders interessant für die vorliegende Untersuchung ist dabei, dass die Schifffahrtsbranche ein besonders hohes Maß an Befolgung von Schiedssprüchen verzeichnet.12 II. Die Rolle von Schiedsgerichten im Seehandel Gegenüber staatlichen Gerichten spielen private Schiedsgerichte für das Seehandelsrecht eine deutlich gewichtigere Rolle. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der London Maritime Arbitrators Association zu. Die LMAA ist eine Organisation, die private Streitschlichtung in seehandelsrechtlichen Angelegenheiten anbietet. Dort ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass durchweg ca. 3.000 neue Verfahren pro Jahr eröffnet und ca. 500 durch einen Schiedsspruch beendet werden (der überwiegende Rest endet mit Vergleichen).13 Zuletzt hat sich dieser Trend nochmals deutlich verstärkt. Bei der LMAA konnten im Jahr 2009 insgesamt mehr als 4.300 Verfahrenseingänge verzeichnet werden, jedoch war im Jahr 2010 wieder ein Rückgang auf ca. 3.500 Verfahren zu verzeichnen. Allerdings sind im Jahr 2010 auch die Verfahrenseingänge bei staatlichen Gerichten um ca. 20 % zurückgegangen. Es spricht daher einiges dafür, dass es sich bei diesen Rückgängen um einen Effekt der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 handelt, durch die aufgrund geringerer Handelsvolumina auch der Seetransport stark zurückgegangen ist. 9
Lagerberg/Mistelis, International Arbitration: 2008, S. 2. 10 Lagerberg/Mistelis, International Arbitration: 2008, S. 8. 11 Lagerberg/Mistelis, International Arbitration: 2008, S. 10. 12 Lagerberg/Mistelis, International Arbitration: 2008, S. 8. 13 McKenzie, Maritime Services, 2007, S. 8 f.
Corporate Attitudes and Practices, Corporate Attitudes and Practices, Corporate Attitudes and Practices, Corporate Attitudes and Practices,
A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung
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Eine weitere bedeutende Streitschlichtungsinstitution sind die Verfahren nach dem Lloyd’s Open Form Salvage Agreement. In diesem Verfahren geht es allein um die Festsetzung von Bergegeld und es wird traditionell von einem Schiedsrichter durchgeführt.14 Jährlich werden etwa 100 solcher Verfahren durchgeführt. So ergibt sich in der Zusammenschau der Fälle, die vor staatlichen Gerichten verhandelt werden, und jenen, die Schiedsgerichten zur Entscheidung vorgelegt werden, ein eindeutiges Bild: Zwar werden in Großbritannien vor den staatlichen Commercial Courts und Admirality Courts Fälle mit seehandelsrechtlichen Bezügen verhandelt. Deren Anzahl bleibt jedoch insbesondere in den letzten Jahren weit hinter den Zahlen der Fälle, die bei der LMAA und anderen privaten Streitschlichtungsorganisationen bearbeitet werden, zurück. 15 Eine Übersicht ergibt sich aus Abbildung 3, die zeigt, dass in Großbritannien erstens der Trend hin zur maritimen Schiedsgerichtsbarkeit in den letzten Jahren erheblich ansteigt und dass zweitens die staatliche Gerichtsbarkeit in seehandelsrechtlichen Fällen nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Seehandelsrechtliche Fälle in Großbritannien 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0
LMAA Commercial Court 1/2 Open Form of Salvage Agreement
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
Admirality Court
Abbildung 3: Quelle der Daten: Zahlenmaterial der jeweiligen Organisationen; Grafik: eigene Darstellung
Noch deutlicher wird der Trend hin zur privaten Streitschlichtung, wenn die Fallzahlen vor privaten Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten kumuliert gegenübergestellt werden.
14 Siehe dazu Miller, Lloyd's Standard Form of Salvage Agreement „LOF 1980“: A Commentary, 1981 J.Mar.L. & Com., 243–261, S. 248 f. 15 McKenzie, Maritime Services, 2007, Table 5, S. 8 und Table 6, S. 9.
118
Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
Seehandelsrechtliche Fälle in Großbritannien kumuliert 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0
Private Streitschlichtung
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
Gerichtsfälle
Abbildung 4: Quelle der Daten: Zahlenmaterial der jeweiligen Organisationen; Grafik: eigene Darstellung
Diese Zahlen gelten allerdings nur für Großbritannien. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit gibt es aber auch anderswo. In den USA hat sich die Society of Maritime Arbitrators (SMA) als größte maritime Schiedsgerichtsorganisation etabliert. Sie bearbeitet pro Jahr ca. 500 Fälle und fällt 50 Entscheidungen.16 In Deutschland existiert seit 1983 die German Maritime Arbitrators Association (GMAA), deren Fallzahlen jedoch nicht an die der LMAA und der SMA heranreichen. 17 Die LMAA und die SMA decken mit 70 % bzw. 20 % der weltweiten seehandelsrechtlichen Streitschlichtungsfälle den weit überwiegenden Anteil der Verfahren ab.18 Die Konfliktparteien im grenzüberschreitenden Seehandel sind also nicht notwendigerweise auf staatliche Gerichte angewiesen. Vielmehr hat sich weltweit eine starke maritime Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt, deren
16 Eine Anfrage bei der SMA ergab, dass Verfahrenseingänge nicht zentral registriert werden, doch die Zahl der Entscheidungen (50 pro Jahr) entspreche etwa einem Zehntel der begonnenen Verfahren. 17 Das liegt aber nicht etwa allein an der längeren Tradition seehandelsrechtlicher Streitschlichtung in London wie etwa Rieckhoff, Deutsche Seeschiedsgerichtsbarkeit unter der GMAA Schiedsordnung in vergleichender Betrachtung englischer Seeschiedsgerichtsbarkeit unter dem LMAA Reglement, 2006, S. 343, meint, sondern vielmehr wohl daran, dass in Standardverträgen im Seehandel, insbesondere in Charterverträgen wie der „Gencon C/P“, Schiedsklauseln verwendet werden, die London oder New York als Schiedsgerichtsstand vorgeben, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, Lord, Dispute Resolution on the High Seas, 2002 Ocean & Coastal L.J., 71–89, S. 72. 18 Tassios, Choosing the Appropriate Venue: Maritime Arbitration in London or New York?, 2004 J.Int'l.Arb., 355–366, S. 355 und 359.
A. Die Wirklichkeit maritimer Rechtsprechung
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Bedeutung gemessen an den verhandelten Fällen die der staatlichen Gerichtsbarkeit bei weitem übersteigt.19 Dies gilt im Übrigen aber nicht nur für das Seehandelsrecht. In einer aktuellen Studie sind die Ergebnisse diverser Einzelstudien zur Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit im internationalen Handel zusammengetragen und mit aktuellen Erkenntnissen und Auswertungen kombiniert worden.20 Ergebnis dieser Untersuchung ist der Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für grenzüberschreitende Transaktionen in einer Vielzahl unterschiedlicher Branchen. Demgegenüber stehen erhebliche Zuwächse im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.21 III. Gründe für den Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte im grenzüberschreitenden Seehandel Es ist also zu beobachten, dass der weit überwiegende Teil der Streitigkeiten aus seehandelsrechtlichen Rechtsverhältnissen im Rahmen von Schiedsgerichten bearbeitet wird.22 Dieser Umstand mag historische Hintergründe haben, jedoch scheinen auch andere Faktoren eine Rolle zu spielen, die hier im Folgenden dargestellt werden sollen. 1. Strukturelle Gründe Der Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für den Seehandel wird teilweise damit erklärt, dass der Seehandel und die Schifffahrt schlicht weniger Anlass hätten, Konflikte streitig auszutragen. Die Rechtsunsicherheit im grenzüberschreitenden Seehandel lasse die Parteien eher auf kommerzielle Instrumente zur Streitvermeidung wie zum Beispiel Versicherungen zurückgreifen und begünstige im Streitfall außergerichtliche Verhandlun 19
Auf diese Verlagerung der Streitschlichtung von staatlichen Gerichten auf private Organisationen weist Marrella, Unity and Diversity in International Arbitration: The Case of Maritime Arbitration, 2005 Am.U.L.Rev., 1055–1100, S. 1077 hin („It […] reveals the widespread turn to arbitration and, therefore, the spinning off from domestic jurisdiction in the main sectors of the shipping business.”). 20 Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302. 21 Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302. 22 Dies gilt jedenfalls für London, siehe McKenzie, Maritime Services, 2007, S. 9, Table 6, und New York, Force/Mavronicolas, Two Models of Maritime Dispute Resolution: Litigation and Arbitration, 1991 Tul.L.Rev., 1461–1518. Für die USA generell siehe Zekos, Maritime Arbitration and the Rule of Law, 2008 J.Mar.L. & Com., 523–550, S. 540. Für Deutschland siehe Trappe, Maritime Schiedsgerichtsbarkeit, 1994, 459–476, S. 459 („[…], dass der Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel der Moderne eine wichtige und in manchen Teilbereichen eine fast ausschließliche Rolle zufällt.“).
120
Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
gen. 23 An anderer Stelle vermutet man, die höhere Sicherheit moderner Seeschiffe helfe dabei, Schäden und damit auch Streitigkeiten zu verhindern, was zu einer rückläufigen Anrufung der staatlichen Gerichte führe.24 Es wird darüber hinaus auch auf die oftmals unklare und schwer zu ermittelnde Rechtslage hingewiesen 25, die die Parteien ein Schiedsgericht anwählen lasse, das regelmäßig nicht so sehr rechtliche Vorschriften, sondern eher die wirtschaftliche Vernunft zur Grundlage einer Entscheidung macht.26 Möglicherweise spielen auch schlicht vertragsimmanente Gründe eine Rolle. So ist zum Beispiel eine besonders wichtige Ursache für den „claim drain“ der staatlichen Gerichte der Umstand, dass in den Standardverträgen des Seehandels und insbesondere im Bereich der Charterverträge den Parteien so gut wie immer eine Rechtswahl vorgegeben wird 27, die vor allem bei der Verwendung von Chartervertragsformularen regelmäßig mit einer Schiedsklausel verbunden ist. 28 Folge ist, dass die Parteien die Schiedsklausel ausdrücklich ausschließen müssten, wenn sie in einem späteren Streitfall staatliche Gerichte anrufen wollten. 29 Das aber geschieht selten. Hinzu kommt außerdem eine zumindest vereinzelt zu beobachtende Gleichgültigkeit staatlicher Gerichte der Materie gegenüber. So beklagt zum Beispiel Dieter Rabe, dass sich der Bundesgerichtshof bei wichtigen Entscheidungen des Seehandels- und Transportrechts ausgesprochen zurückhaltend bei deren Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung zeige.30
23 So die Vermutung bei Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13 und Rabe, Seehandelsrecht – Ist es für den Bundesgerichtshof noch von Interesse?, TranspR (Sonderbeilage) 2004, XXIX–XXXII, S. XXIX. 24 Siehe erneut Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 13. 25 Leurent, Reflections on the International Effectiveness of Arbitration Awards, 1996 Arb.Int'l., 269–285, zum Beispiel identifiziert die Vermeidung von Rechtskonflikten und die Möglichkeit, den Fall in einem neutralen Forum zu verhandeln, als einen Hauptvorteil der Schiedsgerichtsbarkeit, ebd. S. 271. 26 So hat eine Umfrage unter im Seehandelsrecht tätigen Juristen aus dem Jahr 1984 ergeben, dass acht von 25 Befragten der Meinung waren, dass Schiedsrichter ihre Kompetenzen nicht überschreiten, wenn sie das nach dem Vertrag anwendbare Recht nicht anwenden, unter anderem, weil die Parteien oftmals nach einer wirtschaftlichen Lösung suchten, nicht nach einer rechtlichen, Iwasaki, A Survey of Maritime Arbitration in New York, 1984 J.Mar.L. & Com., 69–93, S. 80 f. 27 Stahl, Das IPR der Charterverträge (Reise-, Zeit- und Bareboat-Charter), TranspR 2010, 258–261, S. 58. 28 Lord, Dispute Resolution on the High Seas, 2002 Ocean & Coastal L.J., 71–89, S. 72. 29 Zu den Schiedsklauseln in den unterschiedlichen Standardverträgen siehe Berlingieri, International Maritime Arbitration, 1978 J.Mar.L. & Com., 199–247, S. 217 ff. 30 Rabe, Seehandelsrecht – Ist es für den Bundesgerichtshof noch von Interesse?, TranspR (Sonderbeilage) 2004, XXIX–XXXII.
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2. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit Ein anderes Erklärungsmuster für die sinkende Anzahl von seehandelsrechtlichen Verfahren vor staatlichen Gerichten stellt hingegen die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit in den Vordergrund. 31 Hervorgehoben wird dabei, dass die Entscheidung für ein schiedsgerichtliches Verfahren den Parteien erlaubt, ihren Schiedsort selbst zu wählen. Darüber hinaus sei es für die Parteien auch möglich, die Regeln für die Schiedsverhandlung selbst zu bestimmen und zwar im Hinblick auf die Verfahrensregeln32 wie auch auf das anwendbare Recht. 33 Insbesondere die Flexibilität in der Rechtswahl vor Schiedsgerichten ist vor staatlichen Gerichten in dieser Form kaum denkbar. So ist es den Parteien grundsätzlich möglich, jede staatliche Rechtsordnung für die Entscheidung ihres Rechtsstreits zu wählen, daneben aber auch nichtstaatliche Rechtsregeln wie die UNCITRALRegeln, aber auch die lex mercatoria, allgemeine Grundsätze der Kaufmannschaft oder anderes transnationales Recht.34 Vertrauen in Schiedsrichter, ihre Spezialisierung, ihre Vertrautheit mit den Gepflogenheiten der Branche und ihr Verständnis der originären Internationalität der Streitfälle35 sowie ein flexibleres Verfahren ohne einen langwierigen Instanzenzug stehen ebenfalls auf den Listen derjenigen, die eine maritime Schiedsgerichtsbarkeit staatlichen Gerichten vorziehen.36 Neben diesen Gründen ist für viele Autoren die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens entscheidend37, wobei diese Vertraulichkeit in der maritimen Schiedsgerichtsbar 31
Siehe zum Beispiel Berlingieri, International Maritime Arbitration, 1978 J.Mar.L. & Com., 199–247, S. 99; Villareal/Fotopulos/Overly, International Maritime Arbitration, 1983 Stetson L.Rev., 342–362, S. 42 f.; Force/Mavronicolas, Two Models of Maritime Dispute Resolution: Litigation and Arbitration, 1991 Tul.L.Rev., 1461–1518, S. 1469 ff. 32 Siehe dazu in Bezug auf die unterschiedlichen Verfahrensordnungen im Civil Law und Common Law Elsing/Townsend, Bridging the Common Law-Civil Law Divide in Arbitration, 2002 Arb.Int'l., 59–65. 33 Siehe Lew, Determination of Applicable Substantive Law, 1997 Int'l.Bus.Law., 157–160 und Sabater, National Courts, Supranational Courts and Arbitral Tribunals in International Litigation, 2005 Int'l Trade L.J., 3–17, S. 7 f. Siehe zur Anwendbarkeit der Lex Mercatoria auch Lando, The Lex Mercatoria in International Commercial Arbitration, 1985 Int.Comp.L.Quart., 747–768. 34 Blackaby/Partasides/Redfern, Redfern and Hunter on international arbitration, 2009, S. 195 ff. und S. 215 ff. 35 Eisemann, See-Schiedsgerichtsbarkeit, 1979, S. 28. 36 Villareal/Fotopulos/Overly, International Maritime Arbitration, 1983 Stetson L.Rev., 342–362, S. 342 f.; Berlingieri, International Maritime Arbitration, 1978 J.Mar.L. & Com., 199–247, S. 199. 37 Prütting, Vertraulichkeit in der Schiedsgerichtsbarkeit und in der Mediation, 2001, 629–639, Blackaby/Partasides/Redfern, Redfern and Hunter on international arbitration, 2009, S. 33. Siehe auch Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristisch-ökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S. 75 f. m.w.N.
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keit nur mit Einschränkungen gilt und insgesamt eine Erosion des Vertraulichkeitsdogmas in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu verzeichnen ist. 38 Besonders wichtig für eine Entscheidung zu Gunsten der Schiedsgerichtsbarkeit dürfte aber der Umstand sein, dass schiedsgerichtliche Entscheidungen gegenüber den Urteilen staatlicher Gerichte eine deutlich größere Chance haben, in den meisten Staaten der Welt anerkannt und vollstreckt zu werden.39 Vor diesem Hintergrund wird die Schiedsgerichtsbarkeit bisweilen fast euphorisch als wichtigstes Mittel der Wahl in maritimen Streitigkeiten dargestellt. 3. Bedarf für wirtschaftliche Effizienz Differenzierter nähern sich allerdings Force und Mavronicolas dem Verhältnis zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Justiz. Aus dem Umstand, dass es sowohl eine gut etablierte maritime Schiedsgerichtsbarkeit als auch in der staatlichen Justiz verhandelte seerechtliche Fälle gibt, schließen sie, dass es offenbar ein Bedürfnis sowohl für den staatlichen Rahmen als auch für den privaten Rahmen seerechtlicher Streitbewältigung gebe. 40 In der Tat halten sich einige Unternehmen durchaus beide Wege offen. Die Cities Service Company zum Beispiel, die heute als Citgo Petroleum Corporation zu den großen ölverarbeitenden Unternehmen in den USA gehört, hat sich in ihren Charterverträgen die Option sowohl für ein schiedsrichterliches Verfahren als auch für die Anrufung eines staatlichen Gerichts vorbehalten. 41 Force und Mavronicolas vergleichen vor diesem Hintergrund öffentliche und private Streitschlichtungsmechanismen und kommen dabei zu dem Ergebnis, dass staatliche Gerichte durch verfahrensmäßige Fairness und private Schiedsgerichte durch wirtschaftliche Effizienz gekennzeichnet seien.42 Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese dichotome Gegenüberstellung haltbar ist. Insbesondere eine Effizienz durch eine kurze Verfahrensdauer oder geringere Kosten vor Schiedsgerichten kann
38 Rogers/Miller, Non-Confidential Arbitration Proceedings, 1996 Arb.Int'l., 319–345 und Neill, Confidentiality in Arbitration, 1996 Arb.Int'l., 287–317, die jeweils darlegen, dass Grenzen der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens selbst dann bestehen, wenn die Parteien die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens ausdrücklich vereinbart haben. Siehe ebenso Trakman, Confidentiality in International Commercial Arbitration, 2002 Arb.Int'l., 1–18, der zeigt, dass die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt und keinesfalls stets angenommen werden kann. 39 Siehe zu den Einzelheiten der internationalen Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen Kapitel 3, Teil D. 40 Force/Mavronicolas, Two Models of Maritime Dispute Resolution: Litigation and Arbitration, 1991 Tul.L.Rev., 1461–1518, S. 1469 f. 41 Thomajan, Tanker Problems in Arbitration, 1983 J.Mar.L. & Com., 225–241, S. 237. 42 Force/Mavronicolas, Two Models of Maritime Dispute Resolution: Litigation and Arbitration, 1991 Tul.L.Rev., 1461–1518, S. 1470 ff.
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nicht in jedem Fall festgestellt werden. So hat zum Beispiel Hermann Hoffmann nachgewiesen, dass die Verfahrensdauer vor staatlichen Gerichten abhängig vom jeweiligen Staat durchaus deutlich geringer sein kann als die Verfahrensdauer vor Schiedsgerichten. 43 Und auch in Bezug auf die Kosten eines Verfahrens kann – abhängig vom Streitwert – die Anrufung eines staatlichen Gerichts wesentlich wirtschaftlicher sein als die Anrufung eines Schiedsgerichts.44 4. Aufteilung nationaler und internationaler Fälle Ein weiterer Erklärungsansatz für die unterschiedliche Bedeutung staatlicher Gerichte und der Schiedsgerichtsbarkeit findet im Bereich der schiedsgerichtsfreundlichen Literatur seit jeher namhafte Anhänger. So wurde mit Blick auf die geringe Zahl der Entscheidungen vor staatlichen Gerichten zum Beispiel auch im Bereich des Seehandelsrechts vertreten, dass zwischen nationalen Gerichten und Schiedsgerichten eine faktische Aufteilung der anfallenden Fälle dergestalt stattgefunden habe, dass nationale Streitfälle vor staatliche Gerichte gelängen und internationale Streitfälle vor Schiedsgerichte.45 Diese These ist nicht auf den Bereich des Seehandelsrechts beschränkt. Sie wird für das Verhältnis von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Justiz insgesamt seit langem vertreten. 46 Es lohnt
43 Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristischökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S. 69 ff. Siehe dazu auch Hobeck, Flucht aus der deutschen Gerichtsbarkeit bei wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten – warum?, DRiZ 2005, 177–180, S. 177 und Hobeck/Mahnken/Koebke, Schiedsgerichtsbarkeit im internationalen Anlagenbau – Ein Auslaufmodell?, SchiedsVZ 2007, 225–237, S. 229 oder mit empirischen Nachweisen Schmidt-Diemitz, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit – eine empirische Untersuchung, DB 1999, 369–372, S. 371. 44 Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristischökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S. 98 f. Zu den Kosten eines Schiedsverfahrens siehe im Einzelnen Gotanda, Awarding Costs and Attorneys' Fees in International Commercial Arbitration, 1999 Mich.J.Int'l L., 1–50, S. 5 ff. sowie Gotanda, Setting Arbitratos' Fees: An International Survey, 2000 Vand.J.Transnat'l L., 779–827. 45 Strohbach, Internationalisierungstendenzen auf dem Gebiet der Seeschiedsgerichtsbarkeit, 1979, 125–129, S. 125. 46 Sie deutet sich bereits bei Großmann-Doerth, Der Jurist und das autonome Recht des Welthandels, JW 1929, 3447–3451 an. So analysiert Großmann-Doerth, dass mangelnde Fähigkeiten staatlicher Richter im Umgang mit Fällen des grenzüberschreitenden Handels in dem Umstand begründet lägen, „daß der Welthandelskauf dem Juristen durch die immer höher und steter werdende Mauer der Schiedsklausel mehr und mehr verschlossen wird.“ (ebd. S. 3451). Siehe auch Großmann-Doerth, Das Recht des Überseekaufs, 1930, S. 50 („Wenn es aber wirklich einmal zum Streitverfahren kommt, so ist dieses, von verschwindend wenigen und immer seltener werdenden Ausnahmen abgesehen, nicht der staatliche Gerichtsprozeß, sondern das private Schiedsverfahren.“). Eine ähnliche Andeutung macht Rabel, Privatrecht auf internationaler Ebene, 1950, 309–311,
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sich daher eine etwas genauere Untersuchung dieser Vermutung, zumal deren Vertreter keine Daten zur Unterstützung ihrer Ansicht vorweisen können. Eine selbst durchgeführte statistische Auswertung der Gerichtsfälle bestätigt die These der „Arbeitsteilung“ zwischen staatlichen Gerichten einerseits und Schiedsgerichten andererseits nur teilweise. Grundlage der Untersuchung war erneut eine Abfrage der Juris-Datenbank. Erkenntnisse sollten über die Frage gewonnen werden, ob vor staatlichen Gerichten tatsächlich ausschließlich oder überwiegend nationale Fälle verhandelt werden. Da nicht alle seehandelsrechtlichen Fälle untersucht werden konnten, erfolgte eine Stichprobe. Hierfür dienten diejenigen Fälle, die vor dem Bundesgerichtshof entschieden worden sind und bei denen eine Norm des deutschen Seehandelsrechts streitentscheidend war. Zeitlich erfolgte die Auswahl der Stichprobe bis ins Jahr 1981 zurück, weil Gerichte die entsprechenden Verfahrensakten nur fünf Jahre und die dazugehörigen Vollstreckungstitel 30 Jahre aufbewahren. Nach Ablauf der 30 Jahre sind Informationen über einst anhängige Verfahren nicht mehr verfügbar, sofern nicht die Entscheidung und die Gründe in allgemein zugänglicher Form veröffentlicht worden sind. Eine Auswertung mit diesen Kriterien (BGH, streitentscheidende Norm aus dem Seehandelsrecht, Entscheidung ab 1981) führte zu insgesamt 46 Fällen. Darin enthaltene Fälle aus dem Bereich des Binnenschifffahrtsrechts wurden nicht berücksichtigt, so dass es bei einer Anzahl von 40 Fällen blieb, bei denen die Nationalität der Verfahrensbeteiligten ermittelt wurde, um so festzustellen, ob es sich um nationale oder internationale Fälle handelt. Als nationale Fälle wurden dabei solche verstanden, bei denen die Parteien ihren (Wohn-)Sitz in Deutschland hatten. Als internationale Fälle hingegen wurden solche gewertet, bei denen mindestens eine Partei ihren Sitz nicht in Deutschland hatte.47 In den 40 ausgewerteten Fällen48 waren 19 Fällen national im Sinne der hier verwendeten Definition, es waren also ausschließlich deutsche Partei S. 309. Siehe aus jüngerer Zeit nochmals Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, ZEuP 1993, 247–267, S. 257 sowie Vultejus, Nachdenken über neue Justizstrukturen – Anfragen eines Juristen an die Rechtssoziologie, 2000, 119–141, S. 136, der darauf hinweist, dass nationale Gerichte den Problemen grenzüberschreitender Verträge nicht mehr gewachsen seien. Ausdrücklich unterstützen die These der „Arbeitsteilung“ Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302, S. 296 und Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristisch-ökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S. 39. 47 Diese Definition geht zurück auf Gessner, Internationale Cases in German First Instance Courts, 1996, 149–207, S. 151. 48 Im Einzelnen stellt sich die Auswertung wie folgt dar: I ZR 181/08 vom 18.03.2010: Kl.: Schweden, Bekl.: Deutschland; I ZR 212/06 vom 29.07.2009: Kl.:
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en beteiligt. In weiteren 19 Fällen waren eine deutsche und eine ausländische Partei beteiligt, wobei in sieben Fällen davon der ausländische Beteiligte aus dem europäischen Ausland stammte. Diese Verfahren wurden hier als internationale Fälle gewertet. Lediglich in 2 Fällen, also in 5 % der ausgewerteten Rechtsstreitigkeiten, waren ausschließlich ausländische Parteien beteiligt. Damit waren nach der hier verwendeten Definition 21 von 40 Fällen oder 52,5 % der seehandelsrechtlichen Fälle, die seit 1981 beim Bundesgerichtshof verhandelt wurden, internationale Fälle. Von einer klaren Aufteilung zwischen nationalen Gerichten und Schiedsgerichten in der Hinsicht, dass vor nationalen Gerichten nur nationale Fälle verhandelt Deutschland; Bekl.: Deutschland; I ZR 140/06 vom 18.06.2009: Kl.: Angola, Bekl.: Deutschland; I ZR 207/04 vom 13.09.2007, Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; I ZR 20/04 vom 26.10.2006: Kl.: England, Bekl.: Deutschland; I ZR 325/02 vom 03.11.2005: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 72/97 vom 22.06.1998: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; I ZR 248/94 vom 26.06.1997: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 157/95 vom 23.09.1996: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 120/94 vom 16.10.1995: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 261/91 vom 30.11.1992: Kl.: Belgien, Bekl.: Deutschland; II ZR 184/91 vom 16.11.1992: Kl.: Libanon, Bekl.: Deutschland; II ZR 53/91 vom 09.12.1991: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 274/90 vom 02.12.1991: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 13/90 vom 25.03.1991: Kl.:Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 52/90 vom 04.02.1991: Kl.: Dänemark, Bekl.: Liberia; II ZR 49/90 vom 21.01.1991: Kl.: Deutschland, Bekl. Zu 1.: Japan, Bekl. zu 2.: Hong Kong; II ZR 249/89 vom 12.11.1990: Kl.: Deutschland, Bekl.: Japan; II ZR 69/89 vom 09.07.1990: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 75/89 vom 09.04.1990: Kl.:Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 15/89 vom 22.01.1990: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 298/88 vom 04.12.1989: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 305/88 vom 04.12.1989: Kl.: Belgien, Bekl.: Deutschland; II ZR 252/86 vom 25.04.1988: Kl.: Marokko, Bekl.: Deutschland; II ZR 182/87 vom 25.01.1988: Kl.: Belgien, Bekl.: Liechtenstein; II ZR 62/87 vom 12.10.1987: Kl.: Luxemburg, Bekl.: Deutschland; II ZR 200/86 vom 15.06.1987: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 26/86 vom 25.09.1986: Kl.: Königreich Saudi-Arabien, Bekl. zu 1: Norwegen; Bekl. zu 2 + 3: Deutschland; II ZR 133/84 vom 15.04.1985: Kl.: Deutschland, Bekl.: Österreich; II ZR 249/83 vom 27.11.1984: Kl. zu 1, 2, 4–7, 9, 11–15, 17, 18, 21, 25, 27, 28–31, 33, 36, 43, 45: Südafrika; Kl. zu 3, 8, 10: England; Kl. zu 19, 20, 22, 29, 32, 34, 35, 39–42; Kl. zu 30: Mosambik; Kl. zu 16, 23, 24, 26, 37, 38, 44, 46: unbekannt, Bekl. zu 1 + 3: Deutschland; Bekl. zu 2: Südafrika; II ZR 208/82 vom 19.09.1983: Kl.: Deutschland, Bekl.: Venezuela; II ZR 135/82 vom 30.05.1983: Kl.: Deutschland, Bekl.: Indien; II ZR 141/82 vom 25.04.1983: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 31/82 vom 28.02.1983: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland; II ZR 259/81 vom 17.01.1983: Kl.: Dänemark, Bekl.: Deutschland; II ZR 28/82 vom 20.12.1982: Kl.: Norwegen, Bekl.: Deutschland; II ZR 136/81 vom 19.04.1982: Kl.: Deutschland, Bekl.: (ehem.) UdSSR; II ZR 11/81 vom 28.09.1981: Kl. zu 1–10, 12, 13, 15, 16: Deutschland; Kl. zu 11, 14, 17: Großbritannien; Kl. zu 18: Italien, Bekl.: Deutschland; II ZR 91/80 vom 13.07.1981: Kl. zu 1, 3, 4: Deutschland; Kl. zu 2: Belgien; Kl. zu 6: Schweiz; Kl. zu 8: England; Kl. zu 5 + 7: unbekannt, Bekl.: Liberia; II ZR 87/80 vom 09.02.1981: Kl.: Deutschland, Bekl.: Deutschland. Die Daten entstammen entweder den veröffentlichten Entscheidungen oder wurden von erstinstanzlichen Gerichten oder dem Bundesgerichtshof auf Anfrage mitgeteilt.
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würden, kann vor diesem Hintergrund für den Bereich des Seehandelsrechts nicht ausgegangen werden. Kaum bestreitbar aber bleibt die überragende Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit für den internationalen Seehandel. 5. Ergebnis Die Motivlage für eine überproportionale Anrufung von Schiedsgerichten und die Meidung staatlicher Gerichte ist multifaktoriell und kann kaum prototypisch in einzelnen Gründen gesehen werden.49 Historisch gewachsene Traditionen, eine oftmals unklare Rechtslage oder strukturelle Gründe bilden neben weiteren Faktoren kumulative Ursachen für die sinkende Attraktivität staatlicher Gerichte für die Seehandelsbranche. Faktum scheint jedenfalls zu sein, und das belegen die oben eingeführten Zahlen, dass die Schiedsgerichtsbarkeit für die am Seehandel Beteiligten ausgesprochen attraktiv ist und in den letzten Jahren nochmals erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Allerdings ist die institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit zuletzt auch in die Kritik geraten. Insbesondere die zuvor bereits angedeuteten steigenden Kosten und Verfahrensdauern der Schiedsgerichtsbarkeit haben ihr den Vorwurf des Legalismus eingebracht.50 Aus diesem Grund scheint sich in den letzten Jahren neben der Schiedsgerichtsbarkeit auch ein weiterer privater Streitschlichtungsmechanismus zu etablieren: die Mediation. 51 So haben mittlerweile auch die großen Schiedsorganisationen LMAA und SMA Mediationsverfahren eingerichtet, die den Weg zurück zu einer Verhandlungssituation der Parteien im Rahmen der Streitschlichtung suchen und die zunehmend formalisierte Schiedsverfahren umgehen und ersetzen.52 IV. Private Schiedsgerichtsinstitutionen im grenzüberschreitenden Seehandel Um den Untersuchungsgegenstand weiter zu erhellen, werden im Folgenden die Verfahren institutioneller Schiedsgerichtsorganisationen darge
49 Zu den unterschiedlichen Gründen für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit siehe die empirische Studie von Iwasaki, A Survey of Maritime Arbitration in New York, 1984 J.Mar.L. & Com., 69–93. 50 Stipanowich, Arbitration: The „New Litigation“, 2010 U.Ill.L.Rev., 1–59, S. 22. Siehe auch die empirische Untersuchung von Phillips, Is Creeping Legalism Infecting Arbitration?, 2003 Disp.Resol.J., 37–42, in der 72 % der befragten Schiedsrichter meinten, die Schiedsgerichtsbarkeit nähere sich der staatlichen Justiz immer weiter an und könne ihr Versprechen einer schnellen und günstigen Streitschlichtung nicht mehr halten, ebd. S. 38. 51 McKenzie, Maritime Services, 2009, S. 8. 52 Measter/Skoufalos, The Increasing Role of Mediation in Resolving Shipping Disputes, 2002 Tul.Mar.L.J, 515–561, insbesondere S. 546 f.
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stellt. Nicht nur wegen ihrer zuvor beschriebenen überragenden praktischen Bedeutung, sondern auch aus einem anderen Grund soll hier das Hauptaugenmerk auf private Schiedsorganisationen gelegt werden: Im Rahmen der Debatten um wirtschaftliche und gesellschaftliche Globalisierung geht es aus rechtlicher Perspektive insbesondere um die Frage, wie mit der Verlagerung ehemals staatlicher Aufgaben auf private Akteure umgegangen werden kann und wie eine solche Entstaatlichung des Rechts zu bewerten ist.53 Daher soll auch hier im Folgenden vornehmlich die private Seite maritimer Rechtsprechung untersucht werden. Und auch hier soll das Hauptaugenmerk nicht auf Ad-hoc-Verfahren gelegt werden, also solche Verfahren, in denen die Parteien ohne Zuhilfenahme institutioneller Einrichtungen das Schiedsverfahren selbst organisieren. 54 Derartige Adhoc-Schiedsverfahren unterliegen in aller Regel dem Recht eines bestimmten Staates und eignen sich daher nicht für die Suche nach einem transnationalen Seehandelsrecht. Viel interessanter für dieses Unterfangen ist eine Untersuchung institutioneller Schiedsorganisationen, denn sie unterliegen oft eigenen Regeln, die nicht notwendigerweise an staatliches Recht gekoppelt sein müssen und daher ihren transnationalen Charakter entfalten können.55 Private Schiedsorganisationen für maritime Streitigkeiten haben sich in vielen Regionen der Welt herausgebildet. Zu den bedeutenden Schiedsorten gehören zum Beispiel China 56 , Griechenland 57 oder der pazifische
53 Siehe zu diesen Fragen insbesondere auch Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, 2008, 143–175. 54 Zum Unterschied zwischen Ad-Hoc-Schiedsgerichtsbarkeit und institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit siehe im einzelnen Berger, Streitentscheidung durch Schiedsgerichte – Ad Hoc oder Institutionell?, AnwBl 2009, 771–774. 55 Berlingieri, International Maritime Arbitration, 1978 J.Mar.L. & Com., 199–247, S. 200 („[…] whilst ad hoc arbitration is always necessarily linked with one country, institutional arbitration may be, although not always is, truly international, for arbitration may be conducted through arbitrators of any nationality whatsoever and according to rules which have no national link, subject only to compliance with public policy principles.“). 56 Shujian, The New Rules Governing Maritime Arbitration in China, 1990 J.Mar.L. & Com., 129–136; Hamilton, Sailing in a Sea of Obscurity: The Growing Importance of China's Maritime Arbitration Commission, 2002 APLPJ, 477–527, der darauf hinweist, dass China gerade wegen erheblicher Probleme im staatlichen Rechtssystem zu einer einflussreichen Größe auf dem Gebiet der alternativen Streitschlichtung herangewachsen ist. Zum staatlichen Rechtsrahmen in China siehe Tang, Maritime Jurisdiction of the People's Republic of China: Legal Framework, Recent Developments, and Future Prospects, 1994 J.Mar.L. & Com., 251–278. Zur institutionellen Verankerung der Schiedsgerichtsbarkeit in China siehe N.N., Maritime Arbitration in China, 1988 ANZ Mar.L.J., 27–37. Zur Schiedsgerichtsbarkeit in Hong Kong siehe Caldwell, Maritime Arbitration in Hong Kong, 1997 Tul.Mar.L.J, 155–162 sowie auch Wing To, Developments of the Hong Kong International Arbitration Centre, 2000 Int'l.Bus.Law., 506–512.
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Raum, insbesondere Neu Seeland, Australien und Japan58. Den weit überwiegenden Teil der auftretenden Streitfälle bearbeiten allerdings die institutionalisierte London Maritime Arbitrator’s Association (LMAA) und die Society of Martime Arbitrator’s (SMA) in New York. Sie sollen daher beispielhaft untersucht werden. Zwar hat auch Deutschland mit der German Maritime Arbitrator’s Association (GMAA) eine institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit, deren internationale Bedeutung aber weit hinter der Bedeutung der Schiedsplätze in London und New York zurückbleibt.59 So ist auch deutschen Seerechtlern klar, dass trotz einer in den letzten Jahren vor dem Hintergrund schiedsfreundlicher Gesetzesänderungen und Rechtsprechungspraxis insgesamt deutlich attraktiver werdenden deutschen Schiedsgerichtsbarkeit60 in der Regel nur unter großen Problemen ein deutscher Schiedsgerichtsstand in internationalen Verträgen durchzusetzen sein wird.61 1. Verfahren der LMAA und der SMA Sowohl die LMAA als auch die SMA haben umfangreiche Verfahrensordnungen zur Verfügung gestellt, nach denen die jeweiligen Schiedsverfahren ablaufen. 62 Während die SMA aber lediglich ein Verfahren anbietet, 57
Zekos, An Overview of Greek Maritime Arbitration, 1999 J.Mar.L. & Com., 81–84; Timagenis, Arbitration in Piraeus – A Growing Trend, 1977 L.M.C.L.Q., 319–329. 58 Einen allgemeinen Überblick bietet Allsop, International Commercial Law, Maritime Law and Dispute Resolution: The Place of Australia, New Zealand and the Asia Pacific Region in the Coming Years, 2007 ANZ Mar.L.J., 1–16. Mit dem Hinweis auf die dort kulturell verankerte Bestrebung nach Harmonie und Streitvermeidung stellt Cohen, Maritime Arbitration in Asia, 1998 J.Mar.L. & Com., 117–121, kurz Mechanismen der alternativen Streitbeilegung in Asien vor. Auf die kulturellen Hintergründe zu Gunsten der Streitvermeidung weist auch Cole, Commercial Arbitration in Japan: Contributions to the Debate on „Japanese Non-Litigiouness“, 2007 NYU J.Int'l L. & Pol., 29–114 hin, jedoch nicht nur auf seehandelsrechtliche alternative Streitschlichtung begrenzt, sondern in Bezug auf das japanische Schiedswesen in Handelssachen insgesamt. Zur maritimen Schiedsgerichtsbarkeit in Australien siehe Willis, Special Maritime Arbitration Institutes, 1981 Int'l.Bus.Law., 401–404. Die Regeln des Schiedswesens in Australien und Hong Kong untersucht Anderson, Applicable Arbitration Rules for Maritime Disputes in Australia and Hong Kong, 1994 U.S.F.Mar.L.J., 387–434. 59 Rieckhoff, Deutsche Seeschiedsgerichtsbarkeit unter der GMAA Schiedsordnung in vergleichender Betrachtung englischer Seeschiedsgerichtsbarkeit unter dem LMAA Reglement, 2006, S. 2 m.w.N. Argumente für die deutsche institutionalisierte maritime Schiedsgerichtsbarkeit liefert indes Trappe, Maritime Arbitration in Hamburg, 1986 Int'l.Bus.Law., 12–16. 60 Hunter, Arbitration in Germany – A Common Law Perspective, SchiedsVZ 2003, 155–163. Siehe zu den Einzelheiten der deutschen institutionalisierten Schiedsgerichtsbarkeit auch Herber, Schiedsgerichtsbarkeit im Transportrecht, TranspR 2000, 435–441. 61 Herber, Schiedsgerichtsbarkeit im Transportrecht, TranspR 2000, 435–441, S. 437. 62 Zu den einzelnen Verfahrensordnungen siehe die jeweiligen Internetseiten http://www.lmaa.org.uk/terms.aspx und http://www.smany.org/sma/about6-1.html (je-
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haben sich bei der LMAA diverse Verfahrensordnungen ausdifferenziert. So bietet die LMAA neben ihrem Standardverfahren und dem oben bereits erwähnten Mediationsverfahren eine „Fast and Low Cost Arbitration“ (FALCA), eine „Small Claims Procedure“ und neuerdings auch eine „Intermediate Claims Procedure“ an. Um diese Verfahren soll es im Folgenden im Schwerpunkt gehen.63 a) Die Verfahren der London Maritime Arbitrator’s Association aa) Small Claims Procedure Die „Small Claims Procedure“ der LMAA hält ein vereinfachtes Verfahren bereit, das für Forderungen bis 50.000,- US-Dollar Anwendung findet und besonders schnell und kostengünstig durchgeführt werden kann. 64 Kern dieses Verfahrens ist insbesondere die Bestellung nur eines Schiedsrichters, eine strenge Verfahrensführung, die einen Abschluss des Verfahrens nach spätestens drei Monaten vorsieht und der Umstand, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung vorgesehen ist und es schließlich keine Möglichkeit der Überprüfung des Schiedsspruchs durch staatliche Gerichte gibt. 65 Die Beliebtheit dieses Verfahrens allerdings bereitet der LMAA einige Sorgen, denn es besteht die Tendenz, dieses Verfahren auch dann zu nutzen, wenn der Fall wegen seiner Komplexität eines umfangreicheren Verfahrens bedürfte.66 weils zuletzt besucht am 06.02.2012). Siehe darüber hinaus zur Schiedsordnung der LMAA das umfangreiche Nachschlagewerk Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009 sowie den Vergleich zwischen der Schiedsordnung der LMAA mit derjenigen der deutschen GMAA bei Rieckhoff, Deutsche Seeschiedsgerichtsbarkeit unter der GMAA Schiedsordnung in vergleichender Betrachtung englischer Seeschiedsgerichtsbarkeit unter dem LMAA Reglement, 2006. Zur Schiedsordnung der SMA siehe zum Beispiel Bauer, Maritime Arbitration in New York, 1980 Int'l.Bus.Law., 306–312. 63 Einen grundsätzlichen Vergleich zwischen der britischen und der amerikanischen Schiedspraxis bietet Zubrod, Arbitration from the Arbitrator's Point of View, 1975 Tul.L.Rev., 1054–1064. 64 Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009, S. 6. 65 Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009, S. 7. 66 London Maritime Arbitration Association, Commentary on the Small Claims Procedure (2006), http://www.lmaa.org.uk/terms-commentary-on-the-lmaa-small-claimsprocedure.aspx (zuletzt besucht am 06.02.2012), („There has been a regrettable tendency to apply the Procedure regardless of the complexity of the issues involved in a particular dispute (and occasionally, regardless of the amounts involved). This is likely to lead to dissatisfaction with and criticism of the Procedure since the constraints on the arbitrator and the parties imposed by the limited financial remuneration for their services (which is an essential part of the Procedure) may mean that a particular dispute is not dealt with as the parties envisage. Parties proposing to use the Procedure are therefore encouraged to consider at the outset whether it is appropriate to vary the terms of the Procedure (for example, by mutually agreeing to increase the maximum amount of recoverable costs).”).
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bb) Fast and Low Cost Arbitration (FALCA) Die FALCA-Regeln wurden 1996 aufgenommen und können für Verfahren gewählt werden, deren Streitwert zwischen 50.000,- US-Dollar und 250.000,- US-Dollar liegt. Mit der „Small Claims Procedure“ haben die FALCA-Regeln gemeinsam, dass es nur einen Schiedsrichter, keine mündliche Verhandlung und keine Möglichkeit gibt, staatliche Gerichte zur Revision des Schiedsspruchs anzurufen. Lediglich der Zeitrahmen, innerhalb dessen das Verfahren abgeschlossen sein muss, beträgt im Gegensatz zur „Small Claims Procedure“ acht Monate. 67 Obwohl aber die FALCARegeln kurz nach ihrem Inkrafttreten als möglicher Ausweg aus stark formalisierten, teuren und langwierigen Verfahren angesehen wurden68, haben sie sich im Laufe der Zeit als relativ unbeliebt erwiesen und sind heute weitgehend von der „Intermediate Claims Procedure“ verdrängt.69 cc) Intermediate Claims Procedure Die „Intermediate Claims Procedure“ soll die Verbindung zwischen der „Small Claims Procedure“ und dem Standardverfahren der LMAA, der „Full Procedure“, herstellen. 70 Alle Forderungen, die über die „Small Claims Procedure“-Grenze von 50.000,- US-Dollar hinausgehen aber 400.000,- US-Dollar nicht übersteigen, können von den Parteien unter den Regeln der „Intermediate Claims Procedure“ verhandelt werden. Im Gegensatz zu den FALCA-Regeln und der „Small Claims Procedure“ wird bei der „Intermediate Claims Procedure“ ein „tribunal“, also eine Gruppe von drei Schiedsrichtern bestellt. Das Verfahren an sich ist aber gegenüber einem Standardverfahren der LMAA beschleunigt. Das bedeutet insbesondere, dass der Sachvortrag grundsätzlich im ersten Schriftsatz vollumfänglich zu erfolgen hat. Nachträge zum Sachverhalt oder ein Zeugen- und Sachverständigenbeweis sind nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Schiedsrichter dies ausdrücklich erlauben.71
67 London Maritime Arbitration Association, Commentary on the LMAA FALCA Rules, http://www.lmaa.org.uk/terms-commentary-on-the-falca-rules.aspx (zuletzt besucht am 06.02.2012). 68 Sperling, New London Arbitration Rules: Paradise Regained?, 1997 Tul.Mar.L.J, 557–591, S. 582 f. 69 Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009, S. 7. 70 London Maritime Arbitration Association, Commentary on the Intermediate Claims Procedure (2009), http://www.lmaa.org.uk/terms-commentary-on-ICP.aspx (zuletzt besucht am 06.02.2012). 71 Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009, S. 8 f.
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dd) Das LMAA-Standardverfahren Das LMAA-Standardverfahren schließlich sieht für das Schiedsverfahren ein Gericht bestehend aus drei Schiedsrichtern und umfangreiche Vortragsund Beweiserhebungsmöglichkeiten vor. Es beinhaltet keine zeitlichen Grenzen und die Parteien haben umfangreiche wechselseitige Informations- und Dokumentationspflichten. Das Standardverfahren gibt die Möglichkeit mündlicher Verhandlungen und eine Entscheidung wird in der Regel sechs Wochen nach Abschluss des Verfahrens bekannt gegeben.72 b) Das Verfahren der Society of Maritime Arbitrators In der Schifffahrtsbranche sind Schiedsgerichtsverfahren bei der SMA wenig beliebt, weil sie als langsam und teuer gelten.73 Dennoch finden dort – nach London – weltweit die meisten Verfahren vor einem institutionalisierten Schiedsgericht statt.74 Das Verfahren selbst ist wenig formalisiert. Es gibt die Möglichkeit, Zeugen zu hören, Beweise vorzubringen oder Schriftsätze einzuführen.75 Als großer Vorteil der SMA wird aber gesehen, dass die Schiedsrichter dort umfassende einschlägige Erfahrung in der Schifffahrtsbranche vorweisen können und in der Regel die wirtschaftlichen Belange der Streitparteien vor juristische Formalität stellen.76 V. Zusammenfassung Die vorangegangenen Ausführungen haben die Bedeutung der institutionalisierten Schiedsgerichtsbarkeit für den grenzüberschreitenden Seehandel betont. Eine kurze Übersicht der Verfahrensregeln vor den wichtigsten institutionalisierten Schiedsgerichten zeigt eine erstaunliche Vielfalt von Verfahrensarten, insbesondere bei der LMAA. Diese Flexibilität dürfte
72 Siehe zum Standardverfahren Harris, Maritime Arbitration in London, 2003, Part 11, Rn. 11–037 und Harris/Summerskill/Cockerill, London Maritime Arbitration, 1993 Arb.Int'l., 275–302. Siehe ebenso zum Standardverfahren sowie auch zu den anderen Verfahren die Übersichten in Appendix L bei Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009. Zu den Vorteilen der Londoner Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt siehe Sutton, Choosing a Forum for International Commercial Arbitration in London, 1982 ASIL PROC., 178–181. 73 Tassios, Choosing the Appropriate Venue: Maritime Arbitration in London or New York?, 2004 J.Int'l.Arb., 355–366, S. 359 ff. 74 Tassios, Choosing the Appropriate Venue: Maritime Arbitration in London or New York?, 2004 J.Int'l.Arb., 355–366, S. 359. 75 N.N., A Comment on the Rules of the Society of Maritime Arbitrators, Inc. (New York), 1989 J.Mar.L. & Com., 199–203, S. 202. 76 Tassios, Choosing the Appropriate Venue: Maritime Arbitration in London or New York?, 2004 J.Int'l.Arb., 355–366, S. 360. Allgemein zur Handhabung von maritime Streitigkeiten in den USA siehe Lord, Dispute Resolution on the High Seas, 2002 Ocean & Coastal L.J., 71–89.
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ebenfalls Hintergrund der Beliebtheit von Schiedsgerichten im grenzüberschreitenden Handel sein. Es bleibt jedoch im Rahmen dieser Untersuchung die Frage offen, auf welche Weise internationale Schiedsgerichte ihrerseits an der Entstehung von transnationalem Recht beteiligt sein können. Darum soll es im Folgenden gehen.
B. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit – Streitschlichtung inter partes oder mehr? B. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit – Streitschlichtung inter partes?
Nachdem zuvor die Wirklichkeit der maritimen Streitschlichtung im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, soll es nun darum gehen, das Potenzial der umfassend und gut etablierten institutionalisierten maritimen Schiedsgerichtsbarkeit zu ergründen. Die Frage ist dabei, ob und unter welchen Bedingungen Schiedsgerichte neben ihrer Funktion der Streitschlichtung zwischen einzelnen Parteien eines Rechtsstreits auch in der Lage sind, ein transnationales Seehandelsrecht zu generieren. I. Grundlagen Das hier angestrebte Unternehmen einer Darstellung des transnationalen Seehandelsrechts ist nicht weniger als der Versuch, eine grenzüberschreitende Rechtsordnung beschränkt auf ein Rechtsgebiet zu untersuchen. Versuche, ein Weltrecht zu denken, gab und gibt es viele. Gerade am Beispiel des Seeverkehrs hatte Kant in seinem Werk über den ewigen Frieden die Notwendigkeit internationaler wechselseitiger Anerkennung von Rechten beschrieben: „Die Unwirtbarkeit der Seeküsten (z. B. der Barbaresken), Schiffe in nahen Meeren zu rauben, oder gestrandete Schiffsleute zu Sklaven zu machen, oder die der Sandwüsten (der arabischen Beduinen), die Annäherung zu den nomadischen Stämmen als ein Recht anzusehen, sie zu plündern ist also dem Naturrecht zuwider, welches Hospitalitätsrecht aber, d.i. die Befugnis der fremden Ankömmlinge, sich nicht weiter erstreckt, als auf die Bedingungen der Möglichkeit, einen Verkehr mit den alten Einwohnern zu versuchen. – Auf diese Art können entfernte Weltteile mit einander friedlich in Verhältnisse kommen, die zuletzt öffentlich gesetzlich werden, und so das menschliche Geschlecht endlich einer weltbürgerlichen Verfassung immer näher bringen können.“77
Zwar beschrieb Kant hiermit Grundlagen des Völkerrechts, jedoch wird auch daran bereits klar, dass grenzüberschreitender Handel Voraussetzungen unterliegt, die von Einzelstaaten nicht gewährleistet werden können. 77
Kant, Zum ewigen Frieden, 2008, 152–204, S. 169 f.
B. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit – Streitschlichtung inter partes?
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Kants Hoffnungen auf ein Weltrecht beruhten im Völkerrecht. Heute aber ist klar, dass ein Weltrecht zurzeit nicht durch das Völkerrecht gewährleistet werden kann. Niklas Luhmann zumindest erteilt einem auf dem Völkerrecht basierten Weltrecht eine deutliche Absage. Das Weltrecht einer Weltgesellschaft sieht er jedenfalls nicht in „der Form von Staatsverträgen, die nach langen diplomatischen Verhandlungen kaum noch Substanz aufweisen“ und auch nicht „in der Form von Beschlüssen und Absichtsbekundungen internationaler Organisationen, die eine aufs Papier beschränkte Existenz führen“. 78 Luhmanns Frage nach den Bedingungen für die Entstehung eines Weltrechts 79 nähert sich Tanja Lieckweg und kommt zu dem Ergebnis, dass das Rechtssystem unter dem Globalisierungsdruck der Wirtschaft Veränderungen unterliege und ein Recht der Weltgesellschaft nur als plurales Recht denkbar sein könne. 80 In diese Richtung gehen auch die Überlegungen von Gunther Teubner, der Globalisierung des Rechts nur in Form eines Rechtspluralismus zu erkennen vermag81, in dem das Recht als „gentle civilizer of social systems“ Konflikte und Kollisionen unterschiedlicher sozialer Regimes durch die Offenhaltung von Anschlussmöglichkeiten für Rechtskommunikation bearbeitbar macht.82 Angesichts solcher Aussichten scheint es für das Recht nationalstaatlicher Prägung keine großen Überlebenschancen zu geben und vielleicht ist Niklas Luhmanns zuvor bereits zitierte Einschätzung, das Recht sei möglicherweise nur „eine europäische Anomalie, die sich in der Evolution einer Weltgesellschaft abschwächen wird“83, eine zutreffende Beobachtung. Allzu großer Pessimismus ist jedoch nicht angezeigt. Noch ist es das Recht, das als universelle Sprache der Konfliktlösung weltweit eine Rolle spielt. Allerdings wird es nötig sein, das Recht weiter zu verstehen als lediglich im Rahmen nationalstaatlich organisierter und initiierter Verfahren zustande gekommene Normierung. Vor allem wird eine Perspektivverschiebung erforderlich sein, die nicht den nationalstaatlich legitimierten Gesetzgeber, sondern vielmehr die Ge 78
Luhmann, Ethik in den internationalen Beziehungen, SozW 1999, 247–254, S. 250. Luhmann, Ethik in den internationalen Beziehungen, SozW 1999, 247–254 („Wenn man annimmt, dass eine Weltgesellschaft entstanden […] ist: Wie soll man sich dann die Entstehung eines Weltrechts denken?“). 80 Lieckweg, Das Recht der Weltgesellschaft, 2003, S. 133. 81 Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290, S. 261 („Hier liegt der tiefere Grund dafür, daß weder politische noch institutionelle Theorien des Rechts angemessene Erklärungen für die Globalisierung des Rechts liefern können, sondern nur eine – erneuerte – Theorie des Rechtspluralismus“). 82 Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006, S. 170. 83 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 586. 79
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richte – und auch die Schiedsgerichte – als Zentrum des Rechtssystems84 ins Auge fasst. Bereits im Jahr 1913 hatte Eugen Ehrlich diese Sichtweise eröffnet, indem er unter anderem das gerichtliche Urteil ins Zentrum der Quellenlehre eines „lebenden Rechts“ stellte.85 Das gerichtliche Urteil sei gerade nicht etwa nur Ausdruck der Auslegung der Gesetze, sondern enthalte darüber hinaus einen gesellschaftlich verankerten Ausdruck des Rechts selbst. 86 Und auch neueste Forschungen zur Rolle des Rechts in einer globalisierten Welt sehen im Zentrum des Rechts die Gerichte, während sich in dessen Peripherie autonome Rechtsregimes an den Grenzen der gesellschaftlichen Umwelten des Rechts finden. 87 Eine solche Sichtweise aber fällt dem kontinentaleuropäisch sozialisierten Juristen nicht leicht. 88 Allzu sehr ist die Rechtskultur des „Civil Law“ dem Gedanken verhaftet, dass das Recht vom Gesetzgeber vorgegeben und vom Richter angewendet werde. 89 So ergibt sich scheinbar eine Hierarchie zwischen Rechtsetzung und Rechtsprechung in der Form, dass der Richter die Gesetze des Gesetzgebers anwendet und so gleichsam seinen Weisungen gehorcht. 90 Selbst in „reinen“ Formen des Rechtspositivismus kommt aber dem Richterrecht eine konstitutive Bedeutung zu.91 Ob also eine Hierarchie zwischen Gesetzgebung und Richterspruch tatsächlich existiert und existieren sollte, ist vor allem unter den Bedingungen von Globalisierung und Transnationalisierung wirtschaftlicher Prozesse zweifelhaft. Dieser Umstand ist für die Suche nach einer Lex Maritima wichtig. Denn an vielen 84
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 321 („Die Organisation der Gerichtsbarkeit wäre demnach dasjenige Teilsystem, in dem das Rechtssystem sein Zentrum hat.“). 85 Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913), S. 399. 86 Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913). 87 Teubner/Fischer-Lescano, Wandel der Rolle des Rechts in Zeiten der Globalisierung: Fragmentierung, Konstitutionalisierung und Vernetzung globaler Rechtsregimes, 2007, 3–55, S. 19. 88 Ohne auf konkrete Beispiele einzugehen bezeichnet Karl Engisch das Buch von Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982 als abschließende „Dokumentation eines fest bestimmten konservativen dogmatischen Standpunktes, von dem aus die Rechtswissenschaft unter Abwehr gegenläufiger, zuweilen revolutionärer rechtstheoretischer Tendenzen als eine rationale geisteswissenschaftliche Disziplin verteidigt wird“, Engisch, Subsumtion und Rechtsfortbildung, 1986, 1–9, S. 1. 89 Dass dies sowohl faktisch als auch nach der dogmatischen Ausgangslage nicht der Fall ist, belegt Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes an die rechtsprechende Gewalt, 1986, 11–37, S. 12 f. 90 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 302. 91 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934 (Neudr. 1994), S. 79 („Die Funktion der so genannten Rechtsprechung ist vielmehr durchaus konstitutiv, ist Rechtserzeugung im eigentlichen Sinne.“).
B. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit – Streitschlichtung inter partes?
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Stellen der Weltgesellschaft fehlt ein Gesetzgeber als Normerzeuger und es sind Gerichte und Schiedsgerichte, die diese Aufgabe neben anderen privaten Akteuren übernehmen müssen. Vor diesem Hintergrund kann Clive Schmitthoff zu seiner eingangs zitierten Einschätzung kommen, es seien die Schiedsgerichte, die das transnationale Recht erschaffen.92 Juristen, die wie Clive Schmitthoff in einem Rechtssystem des Common Law sozialisiert sind, fällt die Akzeptanz dieses Umstandes leicht. Sie sind es gewohnt, in Richtern mindestens ebenso effektive und wirkungsvolle Gesetzgeber zu sehen wie in Parlamenten. Für kontinentaleuropäisch orientierte Juristen aber ist eine solche Sichtweise nicht selbstverständlich und Gegenstand heftiger Debatten. Da in dieser Arbeit der oben bereits beschriebene Perspektivwechsel hin zu (Schieds-)Gerichten als eine der maßgeblichen Regelsetzungsinstanzen eingenommen werden wird, ist es lohnend, auf die Begründung dieses Perspektivwechsels ein wenig Raum zu verwenden. Im Folgenden soll daher holzschnittartig das Verhältnis zwischen Richterrecht und Gesetzesrecht in der europäischen Tradition nachgezeichnet werden, bevor eine Theorie eines transnationalen Richterrechts skizziert werden kann. Bei allen folgenden Ausführungen wird der Blick immer auf das Privatrecht und in diesem Kontext das Handelsrecht gerichtet sein. II. Gesetzesrecht und Richterrecht Das Unbehagen, das vor allem deutsche Juristen empfinden, wenn es darum geht, den Richterspruch als Recht anzuerkennen, wurzelt tief. Es ist vor allem der Grundsatz der Gewaltenteilung, der in Gefahr zu geraten droht, wenn dem Richter zugleich auch normsetzender Einfluss zugeschrieben werden soll. Wenn im Folgenden nun der Versuch unternommen wird, das Verhältnis von Gesetzesrecht und Richterrecht etwas zu erhellen und dann Richterrecht als eines der Mittel der Wahl zur Bildung transnationalen Rechts zu beschreiben, so muss doch nochmals betont werden, dass dies allenfalls oberflächlich erfolgen kann. Die umfangreichen Debatten, die sich mit der Legitimation von Richterrecht oder den Problemen von Entscheidung und Begründung befassen, können lediglich angerissen werden.93 1. Der Grundsatz der Gewaltenteilung Die heutige moderne Ausformung der Idee der Gewaltenteilung geht zurück auf Montesquieu, der in seinem Werk über den Geist der Gesetze be 92
Siehe nochmals Schmitthoff, International Trade Usages, 1987, Rn. 71. Für einen groben Überblick siehe Bydlinski, Hauptpositionen zum Richterrecht, JZ 1985, 149–155 und Müller, Richterrecht – rechtstheoretisch formuliert, 1986, 65–84. 93
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reits die Trennung zwischen Legislativgewalt, Exekutivgewalt und Judikative beschrieb.94 Es geht in erster Linie darum, das staatliche Gewaltmonopol in rechtsstaatliche Schranken zu weisen und so Legitimation für das Gewaltverbot der Bürger zu schaffen.95 Aus dieser Perspektive ist es die Aufgabe der Justiz, die Legislative und die Exekutive zu überwachen. Besondere Ausprägungen dieser Aufgabe sind die gerichtliche Normenkontrolle gemäß Art. 100 GG und das verwaltungsgerichtliche Verfahren. 96 Die Gerichte ihrerseits sind verfassungsmäßig gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Diese Gesetzesbindung wird in Art. 97 Abs. 1 GG nochmals bestätigt. Ebenso wie für die anderen Gewalten gelten auch für die Judikative der Vorrang und der Vorbehalt des Gesetzes. Einer Entscheidung ohne gesetzliche Grundlage oder gegen das Gesetz ist damit eine deutliche Absage erteilt.97 2. Richterrecht und Gewaltenteilung Vor diesem Hintergrund fordert der Gedanke an ein von Richtern erzeugtes Recht den kontinentaleuropäisch denkenden Juristen heraus. Wie sollte ein Richter Recht schaffen, wenn er doch seinerseits an Gesetz und Recht gebunden ist? Daher gefährde auch, so meint zum Beispiel Eduard Picker, ein Richterrecht die richterliche Bindung an Recht und Gesetz. 98 Ein Schweigen des Gesetzgebers sei gerade keine Ermächtigung für den Richter, vermeintlich neu entstandene legislatorische Kompetenzen zu nutzen.99 Zwar erfordere die Gesetzeslücke beherztes Judizieren, um auf unsicherem juristischem Terrain Eckpunkte zu setzen, die vom Gesetzgeber später aufgegriffen werden könnten. 100 Gerade in ungesicherten und ungeklärten Fragen könne dem Richterspruch jedoch keine formale Rechtsqualität zukommen. 101 Dadurch würden solche Regelungsbereiche, die vom Gesetzgeber bewusst ausgelassen wurden, von richterlicher Rechtsetzungstätig 94
Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, 1968, S. 200 ff. Siehe hierzu bereits Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1972 (Nachdruck 1990), S. 822 („Heute dagegen werden wir sagen müssen: Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes – dies: das ‚Gebiet‘, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht. Denn das der Gegenwart Spezifische ist, daß man allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht zur physischen Gewaltsamkeit nur soweit zuschreibt, als der Staat sie von ihrer Seite zuläßt: er gilt als alleinige Quelle des ‚Rechts‘ auf Gewaltsamkeit.“). 96 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, 1987, 982–1043, S. 1015 f. 97 Sachs, Art. 20 GG, 2007, Rn. 119. 98 Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 2, JZ 1988, 62–75, S. 73. 99 Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 2, JZ 1988, 62–75, S. 73. 100 Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 2, JZ 1988, 62–75, S. 73. 101 Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 2, JZ 1988, 62–75, S. 73. 95
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keit usurpiert.102 Es ist also die Befürchtung der Entstehung demokratisch nicht legitimierten Rechts, die hier Platz greift. Nur eine Rückbindung des Richters an den demokratischen Volkswillen könne eine Entfesselung des Richters und seine Flucht aus demokratischer Kontrolle verhindern.103 3. Historische Hintergründe und aktuelle Debatten Die Bedenken gegen richterliche Freiheit gegenüber gesetztem Recht wurzelt in Deutschland tief. Historischer Hintergrund derartiger Vorbehalte ist eine Entwicklung, die sich auf Grundsatzdebatten im 19. Jahrhundert zurückführen lässt. Namentlich kann eine solche Grundsatzdebatte mit dem bis heute berühmt gebliebenen Richtungsstreit zwischen Thibaut und Savigny verbunden werden.104 Bereits im Jahr 1814 setzte sich Thibaut für eine naturrechtlich-liberal inspirierte Kodifikation, ein im ursprünglichsten Sinne „bürgerliches Recht“, ein105 und hoffte damit, die nationale Einheit durch Rechtseinheit erreichen zu können.106 Savigny hingegen stand diesem Vorhaben skeptisch gegenüber. 107 Noch im selben Jahr nahm er zu Thibauts Vorschlag Stellung und verwarf ihn mit Hinweis auf die fehlende Reife der Nation für eine gemeinsame Kodifikation.108 Er setzte sich für einen humanistisch-historisch-wissenschaftlichen Unterbau ein, der eine Kodifikation erst vorbereiten müsse109 und wendete sich so gegen die neu erwachten nationalen Kräfte, die auf eine Umgestaltung der deutschen Verhältnisse in Freiheit und Gleichheit drängten. 110 Letztlich setze sich Savigny durch und bereitete so den Weg für die so genannte historische 102
Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 2, JZ 1988, 62–75, S. 73. Diese Sichtweise allerdings wirkt für den Common Lawyer geradezu naiv, Kennedy, Konsequenzen der richterlichen Entscheidung, 1995, 55–87, S. 55. 104 Zur Bedeutung dieser Debatte für die Rechtspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, S. 238 ff. 105 Thibaut, Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, 1814. 106 Thibaut, Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, 1814, S. 12 („Ich bin dagegen der Meynung, daß unser bürgerliches Recht (worunter ich hier stets das Privat- und Criminal-Recht, und den Proceß verstehen werde) eine gänzlich schnelle Umänderung bedarf, und daß die Deutschen nicht anders in ihren bürgerlichen Verhältnissen glücklich werden können, als wenn alle Deutschen Regierungen mit vereinten Kräften die Abfassung eines, der Willkühr der einzelnen Regierungen entzogenen, für ganz Deutschland erlassenen Gesetzbuchs zu bewirken suchen.“). 107 Hierzu vor allem die Antwort auf Thibaut in Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 1814. 108 Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 1814, S. 161. 109 Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 1814; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, S. 235 ff. 110 Wieacker, Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher, 1974, 79–93, S. 88. 103
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Rechtsschule, die unter dem Einfluss Georg Friedrich Puchtas, dem Nachfolger Savignys auf dessen Lehrstuhl in Berlin, auf die Spitze getrieben wurde. Puchta war einer der bedeutendsten Vertreter der Pandektenwissenschaft, die sich aus der historischen Schule entwickelt hatte, und prägte eine formal-begriffliche Methode, die später von Jhering in seiner frühen Schaffensphase Mitte des 19. Jahrhunderts zu ihrer absoluten Höhe als „Konstruktionsjurisprudenz“ geführt wurde, bevor er sie als Begriffsjurisprudenz entlarvt und gekennzeichnet hatte.111 Diese Begriffsjurisprudenz, die Hegel zum Kern seiner Rechtsphilosophie machte112 und die im Gesetzespositivismus Kelsen‘scher Prägung den Einzug ins 20. Jahrhundert geschafft hatte, zeichnete sich durch die Erwartung der begrifflichen Geschlossenheit des Rechtssystems und damit auch durch die Hoffnung auf seine Lückenlosigkeit aus. Folge war die richterliche Bindung an eine wissenschaftliche Methode, die in ihrem Kern noch der historischen Schule geschuldet war.113 Diese Vorstellung einer einheitlichen Rechtsordnung hat prominent Karl Engisch im Jahr 1935 ausgeführt, der die Einheit der Rechtsordnung als Freiheit von Widersprüchen versteht114 und diese Einheit sowohl axiomatisch als auch als Postulat verstanden wissen will. 115 Bis heute ist die Utopie einer einheitlichen Rechtsordnung, die widerspruchsfrei auf alle an sie herangetragenen Fragen Antwort geben kann, Gegenstand rechtswissenschaftlicher Forschung.116 Auch wenn aber heute die Vorstellung eines eindeutig aus dem kodifizierten Gesetz folgenden Richterspruchs überwunden scheint 117, ist noch immer eine ganze Reihe von Rechtswissenschaftlern einem Bild des Richters verhaftet, das diesen vornehmlich als Gesetzesanwender zeigt, der selbst an der Schaffung von Recht nicht beteiligt ist und dies auch nicht sein sollte. Heute allerdings ist die Debatte um eine strikte Gesetzesbindung der Debatte um die Methodenwahl richterlicher Rechtsfindung gewi-
111
In Form einer Glosse beschreibt Jhering die Begriffsjursiprudenz als „anatomischpathologisches Begriffskabinet“, Jhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1892, S. 259. Siehe auch Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 2005, S. 145 ff. sowie S. 154 und S. 165. 112 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, 1821, § 211. 113 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, S. 272. 114 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 68. 115 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 69 f. 116 Siehe zum Beispiel den Tagungsband der Vereinigung Junger Zivilrechtswissenschaftler aus dem Jahr 2008, Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Einheit des Privatrechts, 2009. 117 Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation: Die Bindung des Richters an das Gesetz, 2004, 251–269, S. 52 f. und S. 263 f.
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chen.118 Kritiker sehen hierbei insbesondere die objektiv-teleologische Gesetzesauslegung als Einfallstor für „beliebige Abweichungen von den erkennbaren Regelungszielen und Normzwecken der Gesetzgebung“ und geißeln sie als Wegbereiter eines „oligarchischen Richterstaats“.119 Die Vertreter der Gegenposition weisen auf das zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit bestehende Spannungsverhältnis hin und untermauern so die sich daraus ergebende Notwendigkeit richterlicher Rechts(fort)bildung.120 Diese Notwendigkeit folge darüber hinaus auch aus einer veränderten Qualität von Gesetzen, die heute eher als politische Leitlinien zu sehen seien und daher häufiger der Auslegung bedürften.121 Mit Verweis auf den prägenden Charakter des Richterrechts für die Rechtswirklichkeit geht der Präsident des Bundesgerichtshofs Günter Hirsch so weit zu behaupten, dass Richtersprüche materielles Recht schafften, das neben dem formellen Recht der Gesetze stehe. 122 Zentral jedenfalls für Befürworter eines eigenständigen Richterrechts ist die Diskrepanz zwischen Gesetzesrecht und Rechtswirklichkeit. Diese Diskrepanz hat Rechtswissenschaftler bereits vor rund 100 Jahren beschäftigt und liegt der Entstehung der so genannten Freirechtslehre zu Grunde.123 Deren Vertreter haben wiederholt darauf hingewiesen, dass es dort, wo das Gesetz keine Antworten für den Rechtssuchenden parat habe, am Richter sei, das „freie Recht“ anzuwen-
118 Siehe hierzu insbesondere die seit einigen Jahren geführte Debatte zwischen dem Präsidenten des Bundesgerichtshofs Günter Hirsch, dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer und dem ehemaligen Vorsitzenden des Deutschen Richterbunds Wolfgang Arenhövel einerseits und insbesondere dem Rechtsmethodologen und Privatrechtler Bernd Rüthers andererseits: Arenhövel, Wichtige Urteile sollten in der Öffentlichkeit vorbereitet werden, ZRP 2005, 69–70; Rüthers, Geleugneter Richterstaat und vernebelte Richtermacht, NJW 2005, 2759–2761; Rüthers, Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz, JZ 2006, 53–60; Hirsch, Zwischenruf – Der Richter wird's schon richten, ZRP 2006, 161; Hassemer, Gesetzesbindung und Methodenlehre, ZRP 2007, 213–219; Hirsch, Auf dem Weg zum Richterstaat?, JZ 2007, 853– 858; Rüthers, Gesetzesbindung oder freie Methodenwahl? – Hypothesen zu einer Diskussion, ZRP 2008, 48–51. 119 Rüthers, Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz, JZ 2006, 53–60, S. 60. Siehe auch die gegen Günter Hirsch gerichtete Polemik von Christoph Möllers, Möllers, Mehr oder weniger virtuos, FAZ 26.10.2006, 37. 120 Siehe zum Beispiel Hirsch, Zwischenruf – Der Richter wird's schon richten, ZRP 2006, 161. 121 Arenhövel, Wichtige Urteile sollten in der Öffentlichkeit vorbereitet werden, ZRP 2005, 69–70, 69. 122 Hirsch, Zwischenruf – Der Richter wird's schon richten, ZRP 2006, 161. 123 In der Freirechtslehre wird der Beginn der Revolte gegen die traditionelle Jurisprudenz gesehen, deren Axiom die Erkennbarkeit des Rechts durch kontrollierte intellektuelle Prozesse auf der Grundlage abstrakter Prämissen war, siehe Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 1, JZ 1988, 1–12, S. 3.
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den.124 Die Freirechtslehre eröffnete so eine soziologische Perspektive auf das Recht, die auch für die weitere Untersuchung fruchtbar gemacht werden soll. Es geht darum, Recht auch dort anzuwenden oder zu „erfinden“, wo ansonsten kein Recht existiert, nicht identifiziert werden kann oder seine Anwendbarkeit nicht zweifelsfrei feststeht. Auch kommt freilich der Fall in Frage, dass Parteien privatautonom die Anwendung zum Beispiel der „Grundsätze des internationalen Handels“ vereinbaren. Darauf muss ein Richter (oder Schiedsrichter) mit der Schaffung von Recht reagieren können. 4. Richterrecht im transnationalen Raum Einer Kritik des Richterrechts ist aber folgende Überlegung im Zusammenhang mit einer Suche nach einem transnationalen (Seehandels-)Recht entgegenzuhalten: Nationalstaatlich orientierte Rechtstheorie in Bezug auf die Bindung des Richters an Recht und Gesetz verliert in dem Maße an Überzeugungskraft, wie das nationalstaatliche Terrain verlassen wird und eine grenzüberschreitende Perspektive eingenommen werden muss. Im Seehandelsrecht, das das Thema dieser Untersuchung sein soll, ist dies in besonders hohem Maße der Fall.125 Es gilt daher, ein transnationales Seehandelsrecht anders zu konzeptualisieren als die deutsche Rechtstradition dies nahe legen würde. Die Vorstellung einer strengen Bindung des Richters an ein demokratisch legitimiertes Gesetz muss daher sprichwörtlich über Bord geworfen werden. Dort, wo es an einem demokratisch legitimierten Gesetzgeber mangelt, ist auch die Hoffnung auf ein traditionell demokratisch legitimiertes Gesetzesrecht verfehlt. Was aber dem deutschen Juristen Sorgenfalten auf die Stirn treibt, lässt den im Common Law sozialisierten Rechtswissenschaftler ruhig schlafen. Das Rechtsmonopol der staatlichen Gesetzgebung im kontinentaleuropäischen Rechtskreis wird im angloamerikanischen Rechtskreis ersetzt durch die Vorstellung, das Recht werde durch den Richter gefunden. 126 Das 124
Kantorowicz (Gnaeus Flavius), Der Kampf um die Rechtswissenschaft, 1906, S. 11; Kantorowicz, Aus der Vorgeschichte der Freirechtslehre, 1925, S. 5; Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913), 393 ff., S. 399. 125 Die Bedeutung des Richterrechts im Bereich des Seehandels hat Rabe, Seehandelsrecht – Richterrecht? Rückblick und Ausblick, MDR 1984, 881–884, selbst für das staatliche Recht herausgestellt. 126 Dennis, Interpretation and Application of the Civil Code and the Evaluation of Judicial Precedent, 1993 La.L.Rev., 1–17, S. 3 („In the common law, judicial precedent plays a leading role, serving both as a source of law and as an example of a prior judge's methodology in reasoning from the case-law materials. On the other hand, a civil-law judicial precedent plays only a supporting role. The Civil Code is the primary source of law, and precedent serves merely as an example of a prior judge's interpretation and ap-
B. Maritime Schiedsgerichtsbarkeit – Streitschlichtung inter partes?
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Common Law wird nicht von einer „rationalisierten Ethik eines säkularisierten Vernunftrechts“ geprägt, sondern basiert auf den gesellschaftsvertraglich begründeten altnaturrechtlichen individuellen Freiheiten und auf einer ursprünglich geistlichen Gewissensrechtsprechung der königlichen Kanzlei.127 Bei der Herausstellung derartiger Unterschiede sollte aber nicht übersehen werden, dass die Entstehung des englischen Rechts und die des römischen Rechts durchaus Parallelen aufweist, die sich allerdings historisch in unterschiedlichen Epochen gezeigt haben. Das englische System der Writs, also von hoheitlich ermächtigten Personen ausgestellte Klagerechte, weist erstaunliche Parallelen zum altrömischen System der Actiones auf.128 Trotz solcher Gemeinsamkeiten aber unterscheidet sich das heutige Common Law methodologisch grundlegend vom Civil Law. Während im Civil Law die Deduktion von allgemeinen Regeln zum besonderen Fall im Zentrum der Methode steht129, sind im Common Law „precedent“, „stare decisis“ und „ratio decidendi“ die methodologisch maßgeblichen Grundsätze. Dahinter steht in knappen Worten formuliert die Regel, dass gleich gelagerte Fälle auch immer gleich zu entscheiden seien. 130 Ist ein Fall einmal entschieden, sind zukünftige gleich gelagerte Fälle damit präjudiziert. Unbehagen bereitet dem kontinentalen Juristen dabei nicht etwa der Umstand, dass die ständige Wiederholung bestimmter Entscheidungen irgendwann zu einem wie auch immer gearteten Gewohnheitsrecht verfestigt wird, sondern vielmehr der Umstand, dass ein einziges Präjudiz genügt, um für die Zukunft gleich gelagerte Fälle stets verbindlich danach entscheiden zu müssen. 131 Es erscheint abenteuerlich, dass ein einziges Gerichtsurteil, so falsch es auch sein mag, wegweisend für alle Zukunft sein sollte. Diese Sorge ist allerdings bei genauerer Betrachtung unbegründet. Der Richter im Common Law ist nicht darauf beschränkt, nur ein einziges Präjudiz für seine Entscheidung heranzuziehen. Er wird in der Regel aus ver plication of legislated law“). Siehe aus deutscher Perspektive auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, S. 299. Zu den grundsätzlichen Unterschieden zwischen Common Law und Civil Law siehe die Übersicht bei Cappalli, At the Point of Decision, 1998 Temp.Int'l & Comp.L.J., 87–105, S. 92 f., die freilich starke Tendenzen zu Gunsten des Common Law aufweist und das Civil Law System geradezu leichtfertig missversteht. Hierzu siehe in direkter Antwort auf Cappalli Adriaansen, At the Edges of the Law: Civil Law v. Common Law, 1998 Temp.Int'l & Comp.L.J., 107–113. 127 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, S. 299. 128 Peter, Actio und Writ, 1957, insbesondere S. 8. 129 Zu den unterschiedlichen Methoden der klassischen Rechtserkenntnislehre Kaufmann, Rechtsphilosophie, 1997, S. 68 ff. 130 Algero, The Sources of Law and the Value of Precedent, 2005 La.L.Rev., 775–822, S. 783. 131 Radbruch, Rechtsquellen und Rechtsfindung in England, Universitas 1946, 1085– 1092, S. 1089.
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schiedenen Präjudizien auswählen, diese in einen geordneten Zusammenhang bringen und dann im Wege einer induktiven Rechtsfindung aus der Natur der Sache sowohl produktiv als auch reproduktiv zu neuen Rechtsprinzipien gelangen.132 Das Common Law darf dabei nicht als Konglomerat fester Regeln betrachtet werden, sondern muss vielmehr als Sammelbecken von Prinzipien gesehen werden, die es dem Richter erlauben, flexibel und mit Rücksicht auf Gerechtigkeit, Vernunft und gesunden Menschenverstand und ausgerichtet an den Interessen der Streitparteien mit Rücksicht auf allgemeine Wertvorstellungen zu entscheiden. 133 Diese Vorstellung kommt dann auch wesentlich näher an ein transnationales Seehandelsrecht als die Vorstellung einer in Einheit verfassten Rechtsordnung. 5. Gewaltenteilung im Common Law Diese Methodologie des Richterrechts sollte aber nicht zu dem Missverständnis führen, dass Großbritannien, Amerika, Australien, Teile Kanadas oder andere Staaten, in denen das Common Law Anwendung findet, keine Gewaltenteilung kennen würden. Während der kontinental-europäische Jurist mit Montesquieu die Rechtsschöpfung dem Parlament vorbehalten wissen möchte, betont der Common Lawyer die Eigengesetzlichkeit des Rechts. Erst diese Eigengesetzlichkeit gewährleistet eine Unterordnung der Staatsgewalt unter das Recht und ermöglicht so die wirksame Garantie des Rechtsstaats. 134 Vor allem aber lässt sich der Gewaltenteilungsgrundsatz deutscher Prägung nicht ohne weiteres durchhalten. Das durch den demokratischen Gesetzgeber erlassene Normprogramm ist notwendigerweise unvollständig und es ist die Aufgabe von Richtern, normative Fehlmengen anhand des konkreten Falles zu ergänzen.135 Aus dieser Perspektive wiegen die vor allem in Deutschland gegen richterliche Rechtsfortbildung und Richterrecht vorgebrachten Einwände deutlich weniger schwer. Gerade aber die Loslösung vom Gesetzgeber und die Eigengesetzlichkeit des Richterrechts prädestinieren das Common-LawSystem für einen Einsatz im transnationalen Raum, wo ein Gesetzgeber originär fehlt. Ein transnationales Seehandelsrecht wird sich vor diesem
132 Radbruch, Rechtsquellen und Rechtsfindung in England, Universitas 1946, 1085– 1092, S. 1090. 133 Miller v. Monsen [1949] 37 N.W.2d 543, S. 543 („The common law does not consist of absolute, fixed and inflexible rules, but broad and comprehensive principles based on justice, reason, and common sense, and is of judicial origin and promulgation, and principles are susceptible of adaptation to new conditions, interest, relations, and usages as the progress of society may require.”). 134 Radbruch, Rechtsquellen und Rechtsfindung in England, Universitas 1946, 1085– 1092, S. 1086 f. 135 In diese Richtung geht zum Beispiel auch Ohly, Generalklausel und Richterrecht, AcP 2001, 1–47, S. 34.
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Hintergrund in weiten Teilen an einem richterrechtlichen Ansatz orientieren müssen. In diesem Lichte soll im Folgenden kurz eine Theorie eines transnationalen Richterrechts skizziert werden.
C. Transnationales Richterrecht C. Transnationales Richterrecht
Auch wenn ein transnationales Seehandelsrecht nicht gänzlich auf Regeln und gesetztes Recht verzichten muss, so muss es doch in anderen Strukturen gedacht werden, als dies in einem nationalstaatlichen Kontext möglich wäre. Da es an einem Weltgesetzgeber fehlt, ist ein transnationales Recht mit einigen Ausnahmen (siehe Kapitel 1) weitgehend auf Gerichte und Gerichtsurteile als Rechtsquellen angewiesen. Die allerdings sehen sich häufig nicht etwa vor dem Problem, dass kein Recht zu finden wäre, das angewendet werden könnte. Vielmehr stellt sich Gerichten im Rahmen grenzüberschreitender Fälle oftmals das Problem, entscheiden zu müssen, welches Recht und welche Rechtsordnung aus mehreren zur Verfügung stehenden angewendet werden sollte. Derartige Probleme werden in der Regel durch das internationale Privatrecht erfasst.136 Auch diese Sichtweise aber setzt gewissermaßen eine Hierarchie zwischen Gesetzgebern und Rechtsprechung voraus. Von diesem Konzept des Richters, der vorhandenes Recht lediglich anwendet, gilt es sich aber zu verabschieden. I. Die Funktion der Entscheidung Einen anderen, für die hiesige Untersuchung wesentlich fruchtbareren Ansatzpunkt beschreibt Niklas Luhmann, wenn er darauf hinweist, dass Gerichte im Rechtssystem eine Sonderstellung deshalb einnehmen, weil sie den ihnen vorgelegten Fall unbedingt entscheiden müssen (Justizverweigerungsverbot).137 Das gerichtliche Verfahren kennt nicht die Alternative des Gesetzgebers, ein Gesetz nicht zu erlassen, oder die Alternative privater Akteure, einen Vertrag nicht abzuschließen. Einigen sich die Parteien nicht und beenden das Verfahren durch Vergleich oder lenkt nicht eine Partei durch Zahlung oder Klagerücknahme ein, bleibt die Entscheidung des Gerichts alternativlos. Das gilt für staatliche Gerichte ebenso wie für privat institutionalisierte Schiedsgerichte. 136 137
Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2004, S. 4. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 310 ff.
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Gerade dieses Verbot der Justizverweigerung ist Dreh- und Angelpunkt einer Analyse der richterlichen Entscheidungstätigkeit, denn es offenbart ein tief liegendes Problem im Rechtssystem, das auch nicht dadurch aufzulösen ist, dass gesetztes Recht eine Entscheidung anleiten kann. 138 Das Problem liegt gerade darin, dass eine Entscheidung nur dann erforderlich ist, wenn sich ein Ergebnis nicht logisch ableiten lässt, wenn eine Lösung nicht erkennbar ist. „Stünde die richtige Lesart fest oder wäre sie unter gehöriger Anstrengung aller intellektuellen Kräfte zu erkennen, gäbe es keine Entscheidung mehr.“139 Was auf den ersten Blick wie Wortklauberei klingt, offenbart auf den zweiten Blick ein enormes Maß an analytischer Schärfe. Kann ein richterliches Urteil direkt durch Subsumtion des Sachverhalts unter eine gesetzliche Norm gefasst werden, so beinhaltet es keine Entscheidung im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Erkenntnis. Es bedarf dann keiner Auswahl zwischen zwei gleichermaßen zur Verfügung stehenden Alternativen (Entscheidung). Dass in derartigen Fällen der Rechts-Erkenntnis-Findung in aller Regel aber dennoch von einer Entscheidung gesprochen wird, ist bestenfalls eine sprachliche Unschärfe. Diese Fälle, in denen es weniger um eine Entscheidung im eigentlichen Wortsinne als vielmehr um eine Rechtserkenntnis geht, bilden zwar den weitaus überwiegenden Teil der Rechtspraxis, jedoch muss sich die richterliche Arbeit vor allem an denjenigen Fällen messen lassen, die sich gerade nicht ohne weiteres durch logische Deduktion ableiten (erkennen) lassen. Geht es aber um eine Entscheidung in dem Sinne, dass zwischen zwei gleichermaßen einschlägigen Alternativen eine ausgewählt werden muss, wird die Pflicht zur Entscheidung paradox.140 Fälle, in denen sich die Pflicht der Gerichte zur Entscheidung des Unentscheidbaren141 besonders deutlich zeigt, hat Ronald Dworkin als „hard cases“ bezeichnet.142 Dabei geht es darum, dass Fälle anhand unzweifelhaft vorliegender und geltender Rechtsnormen unter Umständen auch dann nicht zu eindeutigen Entscheidungen führen, wenn der Richter logisch korrekte Formen deduktiver Rechtsfindung anwendet.143 Der Versuch, solche Rechts- oder Gesetzeslücken mit mathematischer Axiomatik auflösen zu 138
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 317. Fögen, Die Tragödie des Entscheidens, Ancilla Iuris 2007, 42–47, S. 45. 140 Siehe hierzu insbesondere auch Lahusen/Renner, Gespenster zweiter Ordnung, 2009, 69–82. Die Autoren erklären hier die Paradoxie des Entscheidens anhand des Gleichnisses von Buridans Esel, der, zwischen zwei identischen Heuballen stehend, droht zu verhungern, weil eine rationale Entscheidung unmöglich ist, ebd. S. 72. 141 Zur „Heimsuchung durch das Unentscheidbare“ siehe Derrida, Gesetzeskraft – Der mystische Grund der Autorität, 1991, S. 49 ff. Siehe ebenfalls zu Derridas „Gespenst“ der Unentscheidbarkeit Lahusen/Renner, Gespenster zweiter Ordnung, 2009, 69–82. 142 Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 81 ff. 143 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 314. 139
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können144, ist bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Wenn A gleich B und zugleich A nicht B ist, ist eine mathematisch logische Entscheidungsfindung nicht möglich. Sie verschleiert allenfalls den Umstand der Unentscheidbarkeit. Jene Unentscheidbarkeit steht allerdings – und hier liegt die Paradoxie des Entscheidens – wiederum unter Entscheidungszwang. Es ist dann die Sache des Richters, die Entscheidung zu treffen und in dieser Entscheidung Entscheidungsregeln zu Grunde zu legen, die er selbst entwickelt hat und die nicht durch das Gesetz vorgegeben sind und sei es auch nur eine Regel für den Umgang mit der Unentscheidbarkeit im konkreten Fall. In derartigen Fällen muss der Richter Recht schaffen, postulieren, voraussetzen. Dieses Recht kann durchaus umstritten bleiben. Es erlangt aber im konkreten Fall durch das Institut der Rechtskraft Verbindlichkeit145, auch wenn es später verworfen werden sollte. Aus dem Zwang zu entscheiden ergibt sich für den Richter aber in jedem Fall die Pflicht, Recht zu erfinden, wenn es nicht gefunden werden kann.146 So eröffnet sich auf das Richterrecht eine gänzlich neue Perspektive. Der Zwang zur Entscheidung besteht für den Richter unabhängig von gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen. Ob es ein Weltrecht gibt oder nicht, ob ein Gesetz eine Entscheidungsregel zur Verfügung stellt oder nicht, spielt für die Lösung des konkreten Falles zwar eine entscheidende Rolle, nicht aber für den Umstand, dass entschieden werden muss. Eine Entscheidung ist gerade auch dann zwingend erforderlich und geboten, wenn es keine Rechtsvorschrift und kein Gesetz gibt, das sie anleitet. So wird das rechtspositivistische Argument, Richterrecht sei Lückenfüller in einer grundsätzlich durch Gesetze ausgeformten Rechtsordnung, auf die Spitze getrieben.147 Die Gesetzeslücke ist im transnationalen Raum umfassend. Selbst wenn aber eine Regel existierte, die angewendet werden könnte, würde ihre Anwendung immer zugleich auch Zustimmung zu ihr bedeuten, „die wieder eine Gründung oder Stiftung ist, so, als würde
144 Siehe den sehr frühen Beitrag zum Common Law von Holmes, The Common Law, 1881, S. 1 („The life of the law has not been logic: it has been experience […] it cannot be dealt with as if it contained only the axioms and corollaries of a book of mathematics.”). Ein solcher Versuch aber, Recht zu Mathematik werden zu lassen, ist par excellence bei Koller, Theorie des Rechts – Eine Einführung, 1997, S. 227 ff. zu beobachten. Gegen eine „Mechanische Rechtswissenschaft“ siehe auch Pound, Mechanical Jurisprudence, 1908 Colum.L.Rev., 605–623. 145 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 314. 146 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 317. 147 Zu diesem Argument siehe aus der Perspektive der Gegenposition zum Beispiel Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 81.
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am Ende das Gesetz zuvor nicht existieren, als würde der Richter es in jedem Fall selbst erfinden.“148 Aus der Sicht des Richters sowie auch aus der Sicht des Rechtssuchenden ist angesichts der Pflicht zur Entscheidung der Umstand, ob kodifiziertes Recht die Entscheidung anleitet oder nicht, kontingent. Ob kodifiziertes Recht herangezogen werden kann oder nicht, ob es herangezogen wird oder nicht, ändert nichts an der Notwendigkeit, zu entscheiden. Und wenn aus der Vielzahl der in unterschiedlichen Rechtsordnungen zur Verfügung stehenden teilweise redundanten, teilweise widersprüchlichen Normen eine angewendet wird, so ist dies immer auch eine Zustimmung zu ihr und eine Verwerfung der widersprüchlichen Norm. Mit der begründeten Auswahl einer Norm schafft der Richter neues Recht. II. Voraussetzungen eines transnationalen (Richter-)Rechts In dem Gedanken aber, dass der Richter stets Recht erfindet – und das mag die Kritiker des Richterrechts beruhigen – öffnet sich keineswegs das Tor zu hemmungslosem Dezisionismus. Dass an das Recht immer zugleich nicht nur die Forderung nach Gerechtigkeit, sondern auch nach Vorhersehbarkeit herangetragen wird, dürfte kaum zu bestreiten sein. Zur Vorhersehbarkeit – oder technischer: Rechtssicherheit – bedarf es aber keines Gesetzes. Bereits Oliver Wendell Holmes definierte Recht als die Vorhersage dessen, was Gerichte tun werden.149 In dieser Definition vereinte er einerseits das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, andererseits aber auch die Erkenntnis, dass weniger der Gesetzgeber bestimmt, was Recht sei, sondern der Richter. Wie aber kann aus dem einzelnen Richterspruch vorhersehbares Recht erwachsen? Auch bei der Beantwortung dieser Frage hilft die bereits zuvor eingenommene soziologische Perspektive auf das Recht. Sie soll im Folgenden entfaltet werden. Für die Anhänger einer staatszentrierten Rechtstheorie, die ihren Rechtsbegriff ausschließlich über demokratisch legitimierte Verfahren definiert, wird ein soziologischer Rechtsbegriff nur schwer zu akzeptieren sein. Für die Beschreibung eines Rechts außerhalb eines Natio
148 Derrida, Gesetzeskraft – Der mystische Grund der Autorität, 1991, S. 47. Zur Epoché der Regel, die Derrida mit dem Zitat beschreibt, siehe Seibert, Dekonstruktion der Gerechtigkeit, 2009, 27–52, S. 43. 149 Holmes, The Path of Law, 1897 Harv.L.Rev., 457–478, S. 461 („The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.”). Im Zusammenhang mit seiner Einschätzung, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Richterstaat, hat Bernd Rüthers diese Definition abgewandelt und als Hypothese zur Diskussion für das deutsche Rechtswesen gestellt, jedoch ohne diesen Umstand zu begrüßen: „Recht ist in der Bundesrepublik das und im Streitfall nur das, was die letzten Instanzen „Im Namen des Volkes“ für Recht erklären“. Siehe Rüthers, Gesetzesbindung oder freie Methodenwahl? – Hypothesen zu einer Diskussion, ZRP 2008, 48–51, S. 48.
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nalstaats aber, in dem die erforderlichen demokratischen Kräfte und Verfahren derzeit exklusiv zur Verfügung stehen, ist ein Perspektivwechsel auf eine soziologische Jurisprudenz unverzichtbar. 1. Der soziologische Rechtsbegriff Während bereits Autoren wie Eugen Ehrlich vor fast 100 Jahren das Recht als ein „lebendes Recht“ konzipiert hatten und damit meinten, dass Recht gerade nicht nur vom Gesetzgeber her kommen dürfe, sondern seine Inhalte sich auch und vor allem aus der Gesellschaft selbst speisten 150, bietet Niklas Luhmann mit seinem zuvor bereits vorgestellten systemtheoretischen Ansatz eine analytisch deutlich schärfere Theorie an. Für die Qualifikation von geltenden Regeln als Recht kommt es nach dieser Theorie nicht darauf an, dass sie positiviert wurden. Seine Geltungskraft gewinnt das Recht anders als in vielen positivistisch ausgerichteten Rechtstheorien nicht aus dem Akt der Setzung. Das Recht gewinnt seine Geltung vielmehr aus seiner ständigen Bestätigung in der Rechtspraxis.151 Recht kann gesetzt sein, es muss aber nicht gesetzt sein. Unabhängig von seiner Setzung kommt es für das Recht einerseits darauf an, dass Kommunikation über Recht sich an dem binären Code Recht/Unrecht orientiert und dass andererseits Verhaltenserwartungen in der gesellschaftlichen Praxis kontrafaktisch stabilisiert werden. Erst wenn also ein weitgehender gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, dass an bestimmten Regeln und Verhaltenserwartungen auch dann festgehalten werden soll, wenn sie von einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft enttäuscht werden, kann im soziologischen Sinne von Recht gesprochen werden. Soweit Luhmann seine Theorie als positivistisch kennzeichnet, geschieht dies nicht etwa im Anschluss an den Rechtspositivismus als Reflexionssystem, sondern eher in Abgrenzung zu natur- und vernunftrechtlichen Rechtsphilosophien. 152 Während das Recht in natur- und vernunftrechtlichen Theorien eine Fremdreferenz außerhalb seiner selbst in Form von Werten, Natur oder Vernunft sucht, liegt im Rechtspositivismus eine Selbstreferenz: Recht ist, was das Recht als Recht bestimmt.153 Mit dieser Zirkularität stellt Luhmann auf die Autopoiese, also die Selbstreproduktion 150
Ehrlich, Grundlegung zur Soziologie des Rechts, 1929 (Neudruck der 1. Aufl. 1913), S. 393 ff. 151 Luhmann, Rechtssoziologie, 1987, S. 207 ff.; siehe auch Luhmann, Die juristische Rechtsquellenlehre aus soziologischer Sicht, 1973, 387–399. 152 Bolsinger, Autonomie des Rechts? Niklas Luhmanns soziologischer Rechtspositivismus – Eine kritische Rekonstruktion, PVS 2001, 3–29, S. 7. 153 Luhmann, Positivität als Selbstbestimmtheit des Rechts, Rechtstheorie 1988, 11– 27, S. 15; Bolsinger, Autonomie des Rechts? Niklas Luhmanns soziologischer Rechtspositivismus – Eine kritische Rekonstruktion, PVS 2001, 3–29, S. 7.
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des Rechtssystems durch seine eigenen Operationen innerhalb seiner eigenen Strukturen, ab.154 Die rechtsinterne Anschlussmöglichkeit an Strukturen (Rechtstexte, Gesetze, Urteile, etc.) und die damit verbundene Möglichkeit, Erwartungen und Handlungen als rechtmäßig oder unrechtmäßig zu beurteilen, ist der Kern der Positivität des Rechts im Sinne Luhmanns.155 Es bleibt damit dabei, dass es für Luhmann nicht allein auf die Erfassung von Recht als Gesetz ankommt, sondern dass eine rechtsinterne Operabilität erhalten bleibt, die rekursive Bezugnahmen auf systeminterne Strukturen zulässt. Recht ist nicht allein, was als Gesetz verankert ist, sondern was im Rechtssystem als Recht gekennzeichnet wird. 2. Verbalisieren und Erinnern – Richterrecht und Rechtssicherheit Dieser Rechtsbegriff führt allerdings sehr weit. Eine Abgrenzung zwischen dem, was Recht ist und dem, was nicht Recht ist, wird schwierig, wenn das Kriterium der positiven Setzung durch einen legitimierten Gesetzgeber wegfällt. Wenn alle kongruent stabilisierten und generalisierten normativen Verhaltenserwartungen Recht sein sollen, wird der Rechtsbegriff stark beansprucht. Eine Abgrenzung zwischen Recht und Nicht-Recht ist dann kaum noch möglich. Diese Schwierigkeit spiegelt sich wider in den Debatten um so genanntes Soft Law. Gegenüber dem so genannten Hard Law, welches in der Regel staatliches Gesetzesrecht bezeichnet, beschreibt Soft Law diejenigen Regeln, die zumindest vom Staat als nicht verbindlich angesehen werden.156 Hiermit sind privat erzeugte Standards, Kodizes, Verhaltensregeln und andere Regeln gemeint, deren Nichteinhaltung staatlicherseits nicht sanktioniert wird. Dennoch greift die Ansicht immer mehr Platz157, dass Regeln und Standards, die nicht positiv gesetzt sind, sondern
154 Luhmann, Positivität als Selbstbestimmtheit des Rechts, Rechtstheorie 1988, 11– 27, S. 24 („Man kann ihn [den Begriff Positivismus] durch den Begriff des autopoietischen Systems ersetzen.“). Zur Theorie der Autopoiese des Rechts siehe insbesondere Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989. 155 Bolsinger, Autonomie des Rechts? Niklas Luhmanns soziologischer Rechtspositivismus – Eine kritische Rekonstruktion, PVS 2001, 3–29, S. 8. 156 Siehe hierzu instruktiv Cutler, Global Power and Private Authority, 2003, S. 13. 157 Eine wichtige Vertreterin dieser Ansicht ist Cutler, Global Power and Private Authority, 2003, mit vielen weiteren Nachweisen. Eine Besprechung zu Cutler und eine weitergehende Analyse finden sich bei Zumbansen, Sustaining Paradox Boundaries: Perspectives on Internal Affairs in Domestic and International Law, 2004 EJIL, 197–211. Analysen, die sich auf einzelne Gebiete beziehen, bieten zum Beispiel Kerwer, Rules that Many Use: Standards and Global Regulation, 2005 Governance, 611–632; Schanze, International Standards: Functions and Links to Law, 2005, 83–103; Sossin/Smith, Hard Choices and Soft Law: Ethical Codes, Policy Guidelines and the Role of the Courts in Regulating Government, 2003 Alta.L.Rev., 867–893; Arthurs, Labour Law Without the State?, 1996 U.T.L.J, 1–45.
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durch soziale Sanktionen ihre Geltung erlangen158, ebenfalls als Recht anzusehen seien. Um hier eine Einschränkung vorzunehmen und den soziologischen Rechtsbegriff handhabbar und abgrenzbar zu machen, wird vorgeschlagen, Recht aus einer soziologischen Perspektive daran zu messen, ob die entstehenden Regeln sich im Rechtssystem behaupten können. In systemtheoretischer Sprache heißt das, dass es nicht ausreicht, den binären Rechtscode zu betrachten. Die Anwendung des binären Rechtscodes muss darüber hinaus ihrerseits einer Beobachtung zweiter Ordnung nach dem Code Recht/Unrecht unterworfen werden.159 Es wird also eine erste Bewertung, ob ein Zustand oder Umstand Recht oder Unrecht ist, ihrerseits wiederum genau dieser Bewertung unterworfen. Während eine einzelne Entscheidung lediglich zwischen den am Rechtsstreit beteiligten Parteien Wirksamkeit entfaltet und damit für diese – und nur für diese – zu Recht wird 160, hängt ihre Qualifikation als Recht in einer generalisierten Form von ihrer Rezeption im Rechtssystem ab. Wird die Entscheidung von anderen Gerichten aufgegriffen, bestätigt und damit konfirmiert und geschieht dies mehrfach, so spricht einiges dafür, dass die Entscheidung richtig, also Recht war. Wird sie aber nicht wieder aufgegriffen oder nicht bestätigt, bleibt sie ein Einzelfall und Rechtsqualität kann ihr auch im soziologischen Sinne nicht zukommen. In der Systemtheorie gewährleistet diese Beobachtung zweiter Ordnung die operative Geschlossenheit des Rechtssystems. 161 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, wie gesichert werden kann, dass das Rechtssystem seine Operationen überhaupt einer Beobachtung zweiter Ordnung unterwerfen kann. Wie können die Operationen eines Systems transnationalen Seehandelsrechts anschlussfähig für Rechtskommunikation bleiben? 162 Die Antwort auf diese Frage lautet: Dies gelingt durch Verbalisierung und Erinnerung.163 158
Siehe zu den Möglichkeiten der sozialen Sanktion im Gegensatz zur rechtlichen Sanktion bereits Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1972 (Nachdruck 1990), S. 17 f. Zu den aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Sanktionen zum Beispiel in Form von Reputationsmechanismen oder Formen der Vertragsgestaltung, die abweichendes opportunistisches Verhalten nicht zulassen, siehe Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010. 159 Siehe z. B. Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S. 51 f. Zuletzt auch in Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006, S. 42–43. 160 Corbin, The Law and the Judges, 1914 Yale Rev., 234–250, S. 238 („Do the judges make the law? Undoubtedly they do, so far as the litigating parties are concerned. As to the parties to the suit, the court of last resort can and does lay down the rule according to its will.”), zitiert nach Elliot, The Evolutionary Tradition in Jurisprudence, 1985 Colum.L.Rev., 38–94, S. 56. 161 Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S. 48 ff. 162 Zu diesem Problem siehe insbesondere Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 338 ff. 163 Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280, S. 269.
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Diese Antwort leuchtet sofort ein. Wie sollte eine Entscheidung eines Gerichts auch von anderen Gerichten aufgegriffen werden, wenn sie ihnen niemals bekannt geworden ist? Verbalisierung und Erinnerung bedeutet insoweit nichts anderes, als dass Entscheidungsgründe verfasst (verbalisiert) und veröffentlicht (erinnert) werden müssen. Nur so wird Anschlussfähigkeit für juristische Kommunikation gesichert, die wiederum Voraussetzung für die Gewährleistung von Rechtssicherheit ist.164 Es bleibt dann noch die Frage, wie eine Entscheidung vom Richter zu treffen ist und welche Folgen dies hat. 3. Richter und Präzedenzen Bislang ist der Vorwurf des Dezisionismus, der gegen das Richterrecht regelmäßig vorgebracht wird,165 dadurch entkräftet worden, dass eine Entscheidung im Rechtssystem gleichsam zur Diskussion gestellt wird und so von verschiedenen Gerichten bestätigt werden muss, bevor sich die in ihr enthaltene Regel so stark kondensiert hat und konfirmiert wurde, dass von Recht in einem generalisierbaren Sinne gesprochen werden kann. Zugleich aber ändert sich auch die Anforderung an die Begründung der Entscheidung und im selben Maße die Verantwortung des Richters. Er muss sich bei der Bildung neuer Rechtsregeln an die im Rahmen seiner Profession üblichen Standards und Regeln halten.166 Weil der Richter eine Regel bildet, die unter der Prämisse steht, auf alle zukünftigen gleich gelagerten Fälle gleichermaßen angewendet zu werden, muss er Folgen abschätzen, die in der Zukunft liegen. In diesem Licht ist Zurückhaltung geboten, um den Unsicherheitsbedingungen, unter denen die Regel zwangsläufig entstehen muss, Rechnung zu tragen. Unter dieser Selbstbeschränkung entscheidet der Richter. Und anlässlich jeder Entscheidung entwickelt er damit eine neue Regel. Richard Posner hat insofern den Gedanken geprägt, dass Präzedenzfälle ein Nebenprodukt der Entscheidung seien. 167 Das ist
164 Weniger aus rechtstheoretischer und mehr aus praktischer Perspektive kommt Schlosser zu demselben Ergebnis, Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, Rn. 748. 165 Siehe hierzu die Auseinandersetzung mit dem Thema bei Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 1, JZ 1988, 1–12 und Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Teil 2, JZ 1988, 62–75. 166 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 321, siehe auch Eisenberg, The Nature of Common Law, 1988, S. 3 („Like a conventional trustee, the judge is morally bound by his acceptance of office to obey the rules that govern the conduct of his office.”). Ebenfalls in diese Richtung Willard, Changing the Law: The Role of Lawyers, Judges and Legislators Concerning Social Engineering and the Common Law, 1988 Harv.J.L.& Pub.Pol'y, 23–34, S. 33, der darauf hinweist, dass im Common Law sozialpolitische Entscheidungen großer Tragweite dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben sollten. 167 Posner, Economic Analysis of Law, 2007, S. 584 („[…] [W]e must consider the character of precedents as a by-product of the litigation process”).
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insofern zum Verständnis eines transnationalen Richterrechts hilfreich, als vor diesem Hintergrund (Rechts-)Regelentstehung unabhängig vom Vorhandensein gesetzten Rechts gedacht werden kann. Ob sich diese Rechtsregeln dann zu Recht verfestigen, ist unbestimmt und hängt davon ab, in welchem Maße die auf diesem Wege gefundenen Regeln durch andere Gerichte und die soziale Praxis zu normativen Verhaltenserwartungen kondensiert und konfirmiert werden. Es geht hier gerade nicht um „binding precedent“, der es aufgrund eines staatlich institutionalisierten Instanzenzuges Obergerichten erlaubt, die Entscheidung von Untergerichten zu kassieren. Es geht vielmehr um „persuasive precedent“, der sich nur aufgrund des besseren Arguments im Rechtssystem durchsetzt. So wird Präzedenzen der fade Beigeschmack der Dezision genommen. Die zu findende Regel wird unter professioneller Selbstbeschränkung des Richters aus dem konkreten Fall direkt gewonnen und für die Regelung zukünftig auftretender, gleich gelagerter Fälle vorgeschlagen. 168 Zur Recht-Werdung dieser Regel ist es dann zunächst erforderlich, die Regel zu verbalisieren und so der Diskussion in einer breiten juristischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Anschluss an die Regel erfolgt durch deren Aufgreifen und Wiederverwenden, er kann aber auch in ihrer Verwerfung durch andere Gerichte liegen.169 Setzt sich eine Regel in diesem Prozess durch, so wird sie zu Recht. Ein transnationales Richterrecht müsste also, von einer rechtstheoretischen Warte aus gesehen, folgenden Entstehungsprozess durchlaufen: 1. Ein konkreter Fall wird vor ein professionelles (Schieds-)Gericht gebracht. 2. Am konkreten Fall entwickeln die Richter eine Regel zu dessen Lösung, die auch für zukünftige, gleich gelagerte Fälle Anwendung finden soll. 3. Bei der Entwicklung der Regel wird professionelle Zurückhaltung geübt, in dem Folgenabschätzungen auch abseits des konkreten Falls bedacht werden. 4. Die Entscheidung muss veröffentlicht werden, um so ihre Anschlussfähigkeit im Rechtssystem zu sichern. 5. Andere Gerichte greifen die Regel auf und kondensieren und konfirmieren sie entweder oder verwerfen sie. Maßstab ist dabei die Güte des Arguments. 168
Siehe dazu auch nochmals Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 323 und S. 326. 169 Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280; siehe zur Funktionsweise des Rechtssystems und der juristischen Argumentation auch Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, Kap. 8.
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6. Wird eine Regel dauerhaft angewendet und dadurch kondensiert und konfirmiert, erwächst sie zu Recht. So gewonnenes Recht mag zwar nicht den Anforderungen an ein demokratisch legitimiertes Recht nationalstaatlicher Prägung genügen, aber es beinhaltet durch den andauernden Prozess der Beobachtung zweiter Ordnung eine Richtigkeitsvermutung, die ihrerseits im Prozess der Fortentwicklung transnationalen Richterrechts einer ständigen Kontrolle unterliegt und entsprechend hinterfragt werden kann. Nach diesem Vorschlag, wie ein transnationales Richterrecht (nicht nur) im Bereich des grenzüberschreitenden Seehandels gedacht werden kann, muss es im Folgenden darum gehen, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und auf die Folgen für Staat und Seehandelspraxis einzugehen.
D. Reaktionsmöglichkeiten von Staat und Seehandelspraxis D. Reaktionsmöglichkeiten von Staat und Seehandelspraxis
Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen Überlegungen beziehen sich insbesondere auf das Verhältnis zwischen staatlichen Gerichten und staatlichem Recht einerseits und Schiedsgerichten und privat erzeugtem Recht andererseits. Vor allem von Seiten der staatlichen Institutionen sind Schiedsgerichte und privat erzeugtes Recht bislang jedenfalls nicht oder nicht in angemessener Weise wahrgenommen und berücksichtigt worden. Wie später zu zeigen sein wird, birgt die Ignoranz des staatlichen Rechts gegenüber einem transnationalen Handelsrecht jedoch auch Gefahren für das staatliche Recht selbst. Um eine Verwirklichung derartiger Gefahren zu verhindern und private Normerzeugungspotenziale nicht ungenutzt zu lassen, wird hier vorgeschlagen, privat erzeugtes Recht als transnationales Recht anzuerkennen und mit Hilfe eines weit verstandenen theoretisch gewendeten Kollisionsrechts auch in die Rechtsprechung staatlicher Gerichte einzubinden (I.) und Schiedsgerichte enger als dies bislang geschehen ist in die Rechtsentwicklung einzubinden (II.). I. Anerkennung privater Rechtsregimes in der Rechtsprechung – Ein Kollisionsrecht für privat erzeugtes Recht Eine der wichtigsten Erkenntnisse des ersten Kapitels war der Umstand, dass private Akteure Regeln erzeugen, die, am Maßstab eines transnationalen Rechtsparadigmas gemessen, Rechtsqualität aufweisen. Doch die Anwendung und Anerkennung dieses Rechts ist uneinheitlich. Während private Schiedsgerichte Standardverträge, Musterklauseln oder auch schlicht die Grundsätze der internationalen Kaufmannschaft anerkennen und anwenden, zeigen sich staatliche Gerichte in dieser Hinsicht sehr zurückhal-
D. Reaktionsmöglichkeiten von Staat und Seehandelspraxis
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tend. Aus diesem Umstand ergibt sich eine ganze Reihe von Problemen, die sowohl für das privat erzeugte Recht als auch für staatliches Recht Nachteile mit sich bringen. Das privat erzeugte Recht „lebt“ mit der Gefahr, von staatlichem Recht nicht anerkannt zu werden und damit keine Wirkung zu entfalten. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist der im ersten Kapitel dargestellte Fall „Nordholm“, in dem der Bundesgerichtshof ein Chartervertragsformular der BIMCO einer AGB-Kontrolle unterzogen und einzelne Klauseln des Vertragsformulars für unwirksam erklärt hatte. 170 Doch auch das privat erzeugte Recht hat seinerseits durchaus Potenzial, für staatliches Recht zur Gefahr zu werden. Solches Potenzial soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Allerdings darf es nicht darum gehen, staatliches Recht und privat erzeugte Normen gegeneinander in Stellung zu bringen. Ziel einer Rechtstheorie, die Transnationalisierung und damit einhergehende Fragmentierung von Recht ernst nimmt, muss es vielmehr sein, Verbindungslinien zwischen staatlichem Recht und privat erzeugtem Recht herzustellen. Darum soll es in einem zweiten Schritt gehen. 1. Gefahren für staatliches Recht bei fehlender Anerkennung privat erzeugter Regeln Staatliches Recht ist zwar in seinem Bestand nicht durch private Normen gefährdet. Jedoch droht es an Bedeutung zu verlieren, sobald sich Privatakteure durch Vereinbarung seiner Geltung entziehen. a) Die Mobilität privater Verträge Das Problem, dass sich Privatakteure durch Vereinbarung einem bestimmten staatlichen Recht entziehen, wird vor allem im Zusammenhang mit allgemeinen Geschäftsbedingungen diskutiert. Dabei geht es meist darum, dass Unternehmer ihre Verträge zum Beispiel in Deutschland im Streitfall einer AGB-Kontrolle ausgesetzt sehen, die den ursprünglichen Vertrag und seine Risikoverteilung in Frage stellt und einzelne Klauseln dem Schicksal der Unwirksamkeit zuführt.171 Gegenstand der Kritik sind dabei insbeson
170 Zur Kritik an dieser Entscheidung sei nochmals hingewiesen auf Trappe, Der Fall „MS Nordholm“, VersR 1985, 206–210; Rabe, Inhaltskontrolle von Charterverträgen? Betrachtungen zum „Nordholm“-Fall, VersR 1985, 1010–1017; Fischer-Zernin, Der Chartervertrag – Formularvertrag im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG oder zwingende Individualvereinbarung?, VersR 1986, 418–425 sowie Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811–825, S. 812 ff. 171 Siehe dazu insbesondere Lischek/Mahnken, Vertragsverhandlungen zwischen Unternehmen und AGB – Anmerkungen aus der Sicht der Praxis, ZIP 2007, 158–163; Berger/Kleine, AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2007, 2137– 2141; Kessel/Jüttner, Der Vorbehalt der Individualabrede im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2008, 1350–1355; Kondring, Flucht vor dem deutschen AGB-Recht bei Inlandsverträgen, RIW 2010, 184–191 sowie Stubbe, Englisch als Gerichtssprache?,
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
dere die Gerichte, die wirtschaftliche Erwägungen und praktische Gegebenheiten in ihre Entscheidungen oftmals nicht einbeziehen. 172 So sei es zum Beispiel im unternehmerischen Verkehr durchaus üblich, dass Haftungsfreistellungsklauseln oder Haftungsbegrenzungen als „Paketlösungen“ mit Zugeständnissen beider Vertragsparteien in die Verträge einbezogen oder wie andere Risiken der Vertragsdurchführung und Vertragsabwicklung „eingepreist“ würden.173 Auf derartige wirtschaftliche Umstände gehe insbesondere aber der Bundesgerichtshof nicht ein, sondern kassiere Klauseln bereits aufgrund vermeintlich fehlender Angemessenheit, obwohl ihre Sachgerechtigkeit von beiden Vertragspartnern anerkannt sei.174 Während aber aus der Literatur noch der versöhnliche Appell an die Praxis kommt, wirtschaftliche Zusammenhänge deutlicher in die Verträge aufzunehmen, um so später vor Gericht deren Rolle für die Vertragsgestaltung nachweisen zu können 175, warnt die Kautelarpraxis davor, dass deutsche Unternehmen eine Flucht zum Beispiel ins Schweizer Recht176 oder gleich aus der staatlichen Justiz hin zu privaten Schiedsgerichten vorzögen, um Rechtssicherheit und damit Transaktionssicherheit für sich zu gewinnen.177 ZRP 2010, 195–196, S. 196, der im Zusammenhang mit der Debatte um die Reform des Handelsprozesses darauf hinweist, dass nicht so sehr der Zwang, vor deutschen Gerichten in deutscher Sprache verhandeln zu müssen, ein Problem für ausländische Rechtssuchende darstelle, sondern vielmehr das deutsche AGB-Recht, das zu erheblicher Rechtsunsicherheit führe. Frühe Bedenken in Bezug auf eine weit ausgedehnte Inhaltskontrolle formulierte Lieb, Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen?, AcP 1978, 196–226. Auch Basedow wies bereits Mitte der 1980er-Jahre darauf hin, dass Vertragsbedingungen, die Handelsbräuche bezeichnen, nicht einer Inhaltskontrolle unterzogen werden sollten, Basedow, Handelsbräuche und AGB-Gesetz, ZHR 1986, 469–491, S. 482 ff. Gegen diese Bewegung wendet sich aber Westphalen, Wider einen Reformbedarf beim AGB-Recht im Unternehmerverkehr, NJW 2009, 2977–2982. Differenzierend im Bereich des Arbeitsrechts zeigt sich Preis, Privatautonomie und das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2007, 339–359. 172 Berger/Kleine, AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2007, 2137–2141, S. 2137. Siehe auch bereits Berger, Aushandeln von Vertragsbedingungen im kaufmännischen Verkehr, NJW 2001, 2152–2154; Berger, Für eine Reform des AGBRechts im Unternehmerverkehr, NJW 2010, 465–470. 173 Lischek/Mahnken, Vertragsverhandlungen zwischen Unternehmen und AGB – Anmerkungen aus der Sicht der Praxis, ZIP 2007, 158–163, S. 159 f. 174 Berger/Kleine, AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2007, 2137–2141, S. 2137. 175 Berger/Kleine, AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2007, 2137–2141, S. 2141. 176 Lischek/Mahnken, Vertragsverhandlungen zwischen Unternehmen und AGB – Anmerkungen aus der Sicht der Praxis, ZIP 2007, 158–163, S. 163. Siehe dazu auch Kondring, Flucht vor dem deutschen AGB-Recht bei Inlandsverträgen, RIW 2010, 184– 191, S. 185. 177 Brachert/Dietzel, Deutsche AGB-Rechtsprechung und Flucht ins Schweizer Recht, ZGS 2005, 441. In dieser Richtung auch Duve/Keller, Privatisierung der Justiz – bleibt die Rechtsfortbildung auf der Strecke?, SchiedsVZ 2005, 169–177, S. 169 f.
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In engem Zusammenhang mit dieser Debatte steht die Entwicklung, Recht zunehmend als Produkt zu begreifen, dessen Anbieter Staaten, aber auch private Institutionen sein können.178 Darüber hinaus wird die Streitschlichtung zunehmend als Rechtsdienstleistung verstanden, bei deren Erbringung staatliche Gerichte in einem umkämpften Wettbewerb mit Schiedsgerichten stehen.179 In diesen Wettbewerb sind die Nationalstaaten teilweise bewusst eingetreten. So hat zum Beispiel Großbritannien eine Broschüre unter dem Titel „England and Wales: The Jurisdiction of Choice“180 herausgegeben, in der die Vorzüge des englischen Rechts, aber auch des englischen Gerichtssystems für Unternehmen deutlich herausgestellt wurden.181 Und auch in Deutschland bewerben die Bundesnotarkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, der Deutsche Notarverein und der Deutsche Richterbund gemeinsam in einer Broschüre unter dem Titel „Law made in Germany“ das deutsche Recht und das deutsche Rechtssystem als „global, effektiv und kostengünstig“.182 So steht Unternehmen in einer globalisierten Handelswelt nicht etwa nur das Recht oder das staatliche Gerichtssystem ihres jeweiligen Sitzes zur Verfügung, sondern eine ganze Reihe gleichwertiger Angebote von Gerichten unterschiedlicher Staaten und privaten Schiedsgerichten, aus denen sie wählen können. Recht und Gerichtsbarkeit werden mobil und Gegenstand eines Wettbewerbs, der zur Verdrängung von staatlichem Recht und staatlicher Justiz führen kann. Das bedeutet freilich nicht, dass sie nicht mehr existieren würden, aber sie verlören deutlich an Bedeutung für den grenzüberschreitenden Handel. b) The Vanishing Trial Tatsächlich werden viele Konflikte gar nicht mehr vor staatlichen Gerichten ausgetragen. Dieser Umstand ist unter dem Stichwort des „Vanishing 178
Eidenmüller, Recht als Produkt, JZ 2009, 641–653, S. 643 und 646. Zu diesem Aspekt siehe insbesondere Calliess/Hoffmann, Effektive Justizdienstleistungen für den globalen Handel, ZRP 2009, 1–5; Calliess/Hoffmann, Justizstandort Deutschland im globalen Wettbewerb, AnwBl 2009, 52–53; Calliess/Hoffmann, Judicial Services for Global Commerce – Made in Germany?, 2009 GLJ, 115–123. Zu einer in diesem Zusammenhang durchgeführten Podiumsdiskussion, an der unter anderem auch die zu dieser Zeit im Amt befindliche Bundesministerin der Justiz beteiligt war, siehe Maurer, Justizstandort Deutschland im globalen Wettbewerb, ZRP 2009, 88–90. 180 Die Broschüre ist im Internet abrufbar unter http://www.lawsociety.org.uk/docu ments/downloads/jurisdiction_of_choice_brochure.pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012). 181 Siehe dazu auch Triebel, Der Kampf ums anwendbare Recht, AnwBl 2008, 305– 308, der fordert, dass Deutschland in den von Großbritannien begonnenen Wettbewerb eintreten solle. 182 http://www.lawmadeingermany.de/ (zuletzt besucht am 06.02.2012). 179
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
Trial“ insbesondere in den USA empirisch untersucht worden.183 Bei derartigen empirischen Untersuchungen ist herausgefunden worden, dass nicht etwa die Anzahl der Streitigkeiten zurückgegangen wäre, sondern dass vielmehr eine Verlagerung hin zu alternativen Streitschlichtungsmechanismen wie etwa Mediation oder der Schiedsgerichtsbarkeit stattgefunden hat.184 Dieser Trend ist nicht nur auf die USA begrenzt. Auch andernorts ist eine Verlagerung der Streitschlichtung von staatlichen Gerichten hin zu privaten Schiedsgerichten zu beobachten.185 Die Beobachtung, dass staatliche Gerichte im Wettbewerb mit alternativer Streitbeilegung häufig nicht bestehen können, deckt sich mit den statistischen Daten zur Bedeutung der Schiedsgerichte im Seehandel, wobei die staatliche Gerichtsbarkeit dabei seit Beginn der Betrachtungen in den 1950er-Jahren keine große Rolle gespielt hatte.186 Die Ursachen für diesen Rückgang der Streitbeilegung vor staatlichen Gerichten liegt – zumindest in den USA – auch in einer strukturellen gesellschaftlichen Veränderung begründet, die von Galanter als „turn against law“ 187 bezeichnet worden ist. 188 Dabei geht es insbesondere um die mit zunehmender Regulierung verbundene erhebliche Ausweitung von deliktischen Ansprüchen, die im liberal geprägten Amerika zu einem Gefühl des „too much law“ geführt hatte.189 Weniger offensichtlich, aber doch in der Tendenz lassen sich ähnliche Bewegungen auch in Deutschland beobach-
183 Galanter, The Vanishing Trial: An Examination of Trials and Related Matters in Federal and State Courts, 2004 JELS, 459–570. Kritisch in Bezug auf die Datenlage aber Burbank, Keeping Our Ambition Under Control: The Limits of Data and Inference in Searching for the Causes and Consequences of Vanishing Trials in Federal Court, 2004 JELS, 571–590 und Hadfield, Where Have All the Trials Gone? Settlements, Nontrial Adjudications, and Statistical Artifacts in the Changing Disposition of Federal Civil Cases, 2004 JELS, 705–734. 184 Stipanowich, ADR and the “Vanishing Trial”: The Growth and Impact of “Alternative Dispute Resolution”, 2004 JELS, 843–912, insbesondere S. 869 ff. 185 Kritzer, Disappearing Trials? A Comparative Perspective, 2004 JELS, 735–754, S. 738 ff.; Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302. 186 Siehe zu den Einzelheiten die empirischen Erhebungen oben, Kapitel 2, Teil A). 187 Galanter, The Turn Against Law: The Recoil Against Expanding Accountability, 2002 Tex.L.Rev., 285–304. 188 Friedman, The Day Before Trials Vanished, 2004 JELS, 689–703, S. 703. Andere Ursachen werden zum Beispiel auf der „Angebotsseite“ in einer Überlastung der Justiz gesehen, Diamond/Bina, Puzzles about Supply-Side Explanations for Vanishing Trials: A New Look at Fundamentals, 2004 JELS, 637–658. 189 Galanter, The Turn Against Law: The Recoil Against Expanding Accountability, 2002 Tex.L.Rev., 285–304, S. 291 ff.
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ten. 190 Zwar ist es wohl noch zu früh, von der Privatisierung von Streitschlichtung auf ein „end of law“191 zu schließen. Doch für das staatliche Recht ist eine Abnahme von Streitigkeiten vor staatlichen Gerichten noch unter einem anderen Aspekt von Bedeutung: dem Verlust der Rechtsfortbildungsmöglichkeit. c) Der Verlust der Rechtsfortbildungsmöglichkeit Der Verlust der Möglichkeit staatlicher Gerichte, Recht in bestimmten Bereichen, insbesondere im Wirtschaftsrecht, fortzubilden, scheint für das staatliche Recht noch wesentlich problematischer zu sein als die unter Gesichtspunkten der Arbeitsbelastung wohl willkommene Abnahme von Streitfällen. Wie zuvor bereits dargestellt, ist das Recht darauf angewiesen, dass Entscheidungen der Gerichte veröffentlicht werden, um so Anschlussmöglichkeiten und Chancen für Rechtsfortbildung zu sichern.192 Wenn aber bestimmte Konflikte, wie zum Beispiel seehandelsrechtliche Fälle, nicht mehr vor staatlichen Gerichten anhängig gemacht werden, weil die Beteiligten ihre Geschäftsbeziehungen in Musterverträgen privaten Schiedsorganisationen unterstellen, entgehen staatlichen Gerichten die Möglichkeiten, das angewendete Recht fortzubilden. 193 Selbst erfahrene Praktiker wie der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs, Günter Hirsch, bedauern den Umstand, dass durch die Verlagerung wirtschaftsrechtlicher Streitigkeiten auf Schiedsgerichte die Rechtsfortbildung leidet, weil interessante Fragen der öffentlichen juristischen Diskussion entzogen werden.194 So gehen Anschlussmöglichkeiten für staatliches Recht unwie
190 Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302. 191 So aber zum Beispiel Perschbacher/Bassett, The End of Law, 2004 B.U.L.Rev., 1– 62. 192 Siehe dazu insgesamt nochmals Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280. 193 Zu diesem Problem siehe bezogen auf das Wirtschaftsrecht Duve/Keller, Privatisierung der Justiz – bleibt die Rechtsfortbildung auf der Strecke?, SchiedsVZ 2005, 169– 177. Siehe auch Leeb, Entlastung der Justiz – Notwendigkeit, Gefahren, Chancen, BB (Beil. 10) 1998, 3–6, S. 6. 194 Hirsch, Schiedsgerichte – ein Offenbarungseid für die staatlichen Gerichte?, SchiedsVZ 2003, 49–52, S. 52 („Als wissenschaftlich interessierter Jurist und als Richter eines der Rechtsgrundsätzlichkeit, Rechtsfortbildung und Rechtseinheitlichkeit verpflichteten Gerichts bedauere ich dagegen eine mit der zunehmenden Anzahl schiedsgerichtlicher Verfahren verbundene Entwicklung: Ein Teil der interessanten handels- und wirtschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen gelangt nicht mehr zu den ordentlichen Gerichten und damit in die rechtswissenschaftliche Diskussion. Die staatlichen Gerichte bleiben außen vor. Es ergehen daher keine Grundsatzentscheidungen zum materiellen Recht durch Obergerichte, die aber regelmäßig Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
derbringlich verloren und es beginnt ein „circulus vitiosus“. Wenn Konflikte aus bestimmten Bereichen nicht mehr vor staatlichen Gerichten ausgetragen werden, verlieren die staatlichen Richter ihre Expertise in diesen Bereichen. Das wiederum führt dazu, dass das Gerichtssystem unattraktiver für genau diese Art von Konflikten wird. 195 Als Folge wird sich die Schifffahrtsbranche zumindest in grenzüberschreitenden Fällen immer häufiger auf die Expertise privater Schiedsgerichte verlassen als auf staatliches Recht zurückzugreifen, das aus Sicht der Branche unberechenbar ist und dessen Richter weder Verständnis für die Probleme des grenzüberschreitenden Seehandels noch Expertise in Bezug darauf vorweisen können. 2. Ein Kollisionsrecht für Privatregimes Beiden Gefahren kann das staatliche Recht und können staatliche Gerichte begegnen, indem privat erzeugte Regeln anerkannt werden. Das kann und muss allerdings nicht vorbehaltlos erfolgen, denn auch hier gilt wie bereits im Rahmen der Ausführungen zu einem reflexiven Recht: Nicht jede privat erzeugte Regel verdient die rückhaltlose Anerkennung durch das staatliche Recht.196 Die Grenzen zwischen Recht und Nicht-Recht wären dann nicht mehr zu ziehen und die das Recht charakterisierende Berücksichtigung auch von Gemeinwohlinteressen wäre nicht mehr gewährleistet. 197 Dass aber neben dem Recht auch andere gesellschaftliche QuasiRechtsordnungen existieren, ist schon lange Gegenstand rechts- und sozialwissenschaftlicher Untersuchung, die oben bereits unter dem Stichwort „Legal Pluralism“ erörtert worden ist.198 Es muss nun darum gehen, solche werden. Das Schiedsverfahren ist schließlich vertraulich und gerade nicht öffentlich. Die Rechtsfortbildung, aber auch der befruchtende Diskurs unterbleiben.“). 195 Dass es umgekehrt durchaus sein kann, dass staatliche Gerichte eine umfassende Kompetenz in bestimmten Bereichen aufbauen können, zeigt das Beispiel des Patentgerichts in Düsseldorf, das sich einen europaweiten Ruf erarbeitet hat und bei dem ein Großteil der zu bearbeitenden Verfahren anhängig gemacht werden, siehe dazu den Beitrag von Wettach/Große-Halbuer, Hochburg Deutschland, Wirtschaftswoche 25.08.2008, 32–33. Siehe zur überragenden Kompetenz deutscher Patentgerichte auch auf europäischer Ebene Gaster, Zum Stand der Arbeiten der EU an einer Reform des europäischen Patentwesens, MR-Int. 2010, 1–6, S. 3. 196 So auch Schmidt, Lex mercatoria: Allheilmittel? Rätsel? Chimäre?, 2007, 153–183, S. 168 („Wir sollten uns hüten vor naiver Empirie: Das Vorhandensein von Regeln besagt noch nicht, dass wir es mit Recht zu tun haben.“). 197 Renner, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft? Öffentliche Interessen in privaten Rechtsregimes, KJ 2010, 62–69, insbesondere S. 65 f. Siehe auch Landsman, So What? Possible Implications of the Vanishing Trial Phenomenon, 2004 JELS, 973–984. 198 Zu den wichtigsten Beiträgen gehören Moore, Law and Social Change: The SemiAutonomous Social Field as an Appropriate Subject of Study, 1973 Law Soc. Rev., 719– 746; Cooter/Marks/Mnookin, Bargaining in the Shadow of Law: A Testable Model of
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gesellschaftlichen Rationalitäten für das Recht sichtbar zu machen, um eine Bearbeitung durch das Recht zu ermöglichen. Denn angesichts immer weiter fortschreitender gesellschaftlicher Fragmentierung, die durch Prozesse der Globalisierung noch verstärkt wird, verliert das Recht in vielen Bereichen seine ordnungsstiftende Leistungsfähigkeit. Wenn hier von Kollisionsrecht die Rede ist, dann geht es ausdrücklich nicht um internationales Privatrecht, das im Falle der Kollision von staatlichen Rechtsordnungen entscheidet, welches Staates Recht angewendet werden muss. 199 Es geht vielmehr darum, das internationale Privatrecht rechtstheoretisch zu wenden und dann für Kollisionen zwischen staatlichem Recht und privat erzeugten Normen, Quasi-Rechtsordnungen und anderen sich aus gesellschaftlichen Rationalitäten entwickelnden normativen Ordnungen fruchtbar zu machen. a) Internationales Privatrecht als „Orientierungsverwandte“ für ein rechtstheoretisch gewendetes Kollisionsrecht Hintergrund einer solchen Wendung ist der Umstand, dass insbesondere unter den Bedingungen der Globalisierung die von Niklas Luhmann beschriebene funktionale Ausdifferenzierung sozialer Systeme wie zum Beispiel Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Recht200, Lösungsmuster des staatlichen Rechts untergraben. Nicht nur im Seehandel entstehen private Ordnungsmuster aus Regelbildung und Regelanwendung. Standardisierungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen erfüllen entweder die Funktion von Recht oder stellen Verbindungen zum Recht her.201 Im Bereich des internationalen Sports sind Regelsetzung und Regelanwendung weitgehend privatisiert.202 Die Vergabe von Internetadressen erfolgt durch eine private Organisation, die Streitschlichtungsleistungen für Konfliktfäl Strategic Behaviour, 1982 J.L.S., 225–251; Galanter, Justice in many Rooms: Courts, Private Ordering, and Indigenous Law, 1981 J.Legal Plur., 1–47; Cotterrell, The Sociological Concept of Law, 1983 J.L. & Soc’y, 241–255, spricht auf S. 245 von „Juridicial Pluralism“; Griffiths, What is Legal Pluralism?, 1986 J. Legal Plur., 1–55; Merry, Legal Pluralism, 1988 Law Soc. Rev., 869–896. 199 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2004, S. 4. 200 Luhmann, Soziale Systeme, 1984. 201 Siehe dazu grundlegend im Überblick Schreiber, What Are International Standards, 2005, 2–13 und Schanze, International Standards: Functions and Links to Law, 2005, 83–103. In Bezug auf Standardisierung im Finanzbereich siehe Nobel, Globalization and International Standards with an Emphasis on Finance Law, 2005, 43–66 und Kirchner/Schmidt, Private Law-Making: IFRS – Problems of Hybrid Standard Setting, 2005, 67–82. Zu einer kritischen Rekonstruktion aus dem Bereich des öffentlichen Rechts siehe Möllers, Transnationale Behördenkooperation – Verfassungs- und völkerrechtliche Probleme transnationaler administrativer Standardsetzung, ZAÖR 2005, 351– 389. 202 Foster, Is There A Global Sports Law?, 2003 Ent.Law, 1–18.
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le gleich mit anbietet.203 Und die Verhaltensweisen der Wissenschaft sind weitgehend ausgerichtet auf die Standards einer globalen „scientific community“.204 Dieser postmodernen Unübersichtlichkeit und derlei Fragmentierungen sieht sich das staatliche Recht gegenüber und seine Lösungsmöglichkeiten sind wenig überzeugend. Die Herstellung von praktischer Konkordanz oder die Abwägung von Interessen genügt nicht, um den konfligierenden Eigenlogiken gesellschaftlicher Diskurse gerecht zu werden.205 Gerade in der Zivilrechtsprechung gelingt eine juristische Rekonstruktion derartiger Rationalitätenkonflikte nur ausgesprochen unzureichend mit der Theorie der Drittwirkung der Grundrechte. 206 Es geht hier aber um komplexere Konfliktlinien, die sich weder durch Interessenabwägung noch durch eine wie auch immer geartete Einbeziehung öffentlicher Belange adäquat beseitigen ließe. Es muss vielmehr darum gehen, die Eigenlogiken gesellschaftlicher Normierungsprozesse mit staatlichem Recht kompatibel zu halten, also gesellschaftliche Normierung für das Recht erkennbar zu machen und dem Recht so eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen zu ermöglichen. Hierfür hat Rudolf Wiethölter bereits im Jahr 1977 vorgeschlagen, das internationale Privatrecht zu generalisieren und für die Rechtstheorie zu nutzen207, indem er die Idee der Rechtskollisionen „als die zentrale Kategorie der juridischen Rekonstruktion gesellschaftlicher Widersprüche“208 entwickelt hat. Das Internationale Privatrecht soll dabei als „Orien-
203
Calliess, Online Dispute Resolution: Consumer Redress in a Global Market Place, 2006 GLJ, 647–660, S. 651. 204 Long, The Dissonance of Scientific and Legal Norms, 1999 Soc.Epistem., 165– 181. 205 So bereits Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 208. Siehe auch Fischer-Lescano, Kritik der praktischen Konkordanz, KJ 2008, 166–177, insbesondere S. 172 ff. 206 Teubner, Ein Fall struktureller Korruption? Die Familienbürgschaft in der Kollision unverträglicher Handlungslogiken, KritV 2000, 388–404. Siehe auch FischerLescano/Maurer, Grundrechtsbindung von Betreibern öffentlicher Räume, NJW 2006, 1393–1396. 207 Wiethölter, Begriffs- oder Interessenjurisprudenz – falsche Fronten im IPR und Wirtschaftsverfassungsrecht. Bemerkungen zur selbstgerechten Kollisionsnorm, 1977, 213–263. Konkreter wird der Entwurf bei Wiethölter später, siehe Wiethölter, Vom besonderen Allgemeinprivatrecht zum allgemeinen Sonderprivatrecht?, 1982 An.Catedra Fr.Suarez, 125–166, S. 126 f. 208 So Teubner, Der Umgang mit Rechtsparadoxien: Derrida, Luhmann, Wiethölter, 2003, 25–45, S. 26.
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tierungsverwandte“ dienen, dies aber „nur im Gemüt, nicht im Geblüt“209, wie Wiethölter verdeutlicht.210 Es geht Wiethölter also darum, Normen, die außerhalb staatlicher Rechtsetzungsmechanismen in der Gesellschaft entstehen, aufzugreifen und für das Recht sichtbar und bearbeitbar zu machen. Das bedeutet einerseits, den Schleier des Rechts zu durchstoßen211 und die gesellschaftlichen Normierungsprozesse in ihrer Eigenlogik zu begreifen, andererseits aber auch, das Medium Recht nicht zu verlassen, sondern rechtsimmanent zu argumentieren und ein „Rechts-Kollisionsrecht“ zu schaffen.212 Diesen Gedanken hat Gunther Teubner noch weiter präzisiert. Auf der Grundlage der Beobachtung, dass sich die Gegensätze zwischen staatlichem Recht und gesellschaftlich erzeugten Normen in Auflösung befinden, hat er folgende Konfliktlinien identifiziert: 1.) Konflikte zwischen gesellschaftlichen Teilsystemen, 2.) Konflikte zwischen staatlichem Recht und pluralen gesellschaftlichen Quasi-Rechtsordnungen und 3.) Konflikte zwischen Teilrechtsordnungen und innerhalb des staatlichen Rechts. 213 Für Gunther Teubner ist die Pluralität gesellschaftlicher Diskurse in einer funktional ausdifferenzierten Weltgesellschaft nicht nur Ausgangspunkt seiner Überlegungen, sondern darüber hinaus auch normatives Leitbild eines „interdiskursiven“ Projekts, das auf die Herstellung öffentlicher Güter außerhalb des engen Rahmens institutionalisierter nationalstaatlicher Politik abzielt.214 Dabei eröffnen die Defizite des staatlichen Rechts neue Möglichkeiten für gesellschaftliche Normbildungsprozesse, die die Rationalitäten der jeweiligen Sozialbereiche als Kristallisationspunkt ihrer je eigenen Normierungsprozesse benutzen.215 So wird gesellschaftliche Normierung zu einer Ordnungsleistung neben dem Recht. Das Recht verliert damit seine Exklusivität als Garant für Ordnung.216 Erst so kann die Erzeugung von Ordnungsleistung bei gleichzeitiger Transzendierung des Natio 209
Wiethölter, Recht-Fertigungen eines Gesellschafts-Rechts, 2003, 13–21, S. 18. Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223. 211 Dieses Bild verwendet auch Zumbansen, Piercing the Legal Veil, 2002 ELJ, 401– 432. 212 Wiethölter, Recht-Fertigungen eines Gesellschafts-Rechts, 2003, 13–21, S. 18. Siehe auch Teubner, Der Umgang mit Rechtsparadoxien: Derrida, Luhmann, Wiethölter, 2003, 25–45, S. 26. 213 Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S. 133. 214 Teubner, Vertragswelten: Das Recht in der Fragmentierung von Private Governance Regimes, RJ 1998, 234–265; Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 211. 215 Teubner, Privatregimes: Neo-spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft, 2000, 437–453. 216 Dies wird besonders deutlich bei Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290. 210
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nalstaats sinnvoll gedacht werden. Ordnung ist nicht mehr auf die Existenz von staatlichem Recht angewiesen, sondern erwächst vielmehr aus den sozialen Zusammenhängen einer Weltgesellschaft und entwächst dem Nationalstaat.217 Das Recht verliert damit aber nicht nur seinen hegemonialen Geltungsanspruch, sondern gewinnt eine neue Aufgabe hinzu. Der Übergang zu einem kollisionsrechtlichen Rechtsparadigma bedeutet dann, dass das Recht zu einem Recht der Diskurs- und Rationalitätskollisionen werden muss, um so den „clash of rationalities“218, den das Recht selbst nicht bewältigen kann, zumindest in rechtsförmige Bahnen zu lenken.219 Auch aktuelle Forschungsprogramme stellen auf den Leitgedanken eines Kollisionsrechts für den Konflikt von Rechtsregeln im europäischen Mehrebenensystem einerseits, aber auch für den Konflikt zwischen Rechtsregeln und gesellschaftlichen Normen andererseits ab.220 Christian Joerges reformuliert zum Beispiel die „Cassis de Dijon“-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Ausfluss eines kollisionsrechtlichen Gedankens. Die darin enthaltene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, wechselseitig sowohl privatrechtliche als auch öffentlichrechtliche Rechtsregeln anzuerkennen, versteht Joerges als Konstitutionalisierung der Europäischen Union.221 In dieser Richtung sieht er weiteren Handlungsbedarf. So müssten sowohl die Vorgänge europäischer Komitologie als auch die Handlungen privater Normerzeuger und Standardisierungsorganisationen rechtlich eingehegt werden. Dies dürfe jedoch nicht durch inhaltliche Regelungen erfolgen, sondern müsse durch ein Kollisionsrecht geschehen, das das Verhältnis zwischen staatlichem Recht einerseits und im Rahmen der Komitologie oder durch private Normerzeuger entstandenen Regeln und Entscheidungen andererseits festlegt.222 Allen kollisionsrechtlichen Ansätzen ist gleich, dass das kollisionsrechtliche Paradigma eine Beschränkung des Rechts enthält, nicht inhaltlich zu 217
Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 211. 218 Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Collisions: The Vain Search for Legal Unity in the Fragmentation of Global Law, 2004 Mich.J.Int'l L., 999–1046, S. 1007. 219 Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 212. 220 Joerges, Kollisionsrecht als verfassungsrechtliche Form: Das Beispiel der Verrechtlichung des internationalen Handels durch die WTO, 2009, 309–331; Joerges, The Idea of a Three-Dimensional Conflicts Law as Constitutional Form, 2010; Joerges, Unity in Diversity as Europe's Vocation and Conflicts Law as Europe's Constitutional Form 2011, 55–105. 221 Joerges, The Idea of a Three-Dimensional Conflicts Law as Constitutional Form, 2010, S. 16 f. 222 Joerges, The Idea of a Three-Dimensional Conflicts Law as Constitutional Form, 2010, S. 19 f.; Joerges, Unity in Diversity as Europe's Vocation and Conflicts Law as Europe's Constitutional Form 2011, 55–105, S. 77 ff.
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entscheiden, sondern Entscheidungen über den Vorrang von konfligierenden Rechtsordnungen und Quasi-Rechtsordnungen, privaten Ordnungsleistungen und Soft-Law zu treffen. b) Zur Definition von Kollisionsnormen An diese Erkenntnis schließt sich die Frage an, wie eine Kollisionsnorm aussehen kann, die einer Entscheidung beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Rationalitäten zu Grunde liegen kann. Nimmt man Wiethölters Gedanken des internationalen Privatrechts als Orientierungsverwandte ernst, so kann dem IPR eine ganze Reihe von Erkenntnissen und Anleitungen entnommen werden, die aber unter Umständen vor dem Hintergrund der Besonderheiten eines transnationalen Rechts angepasst werden müssen. Hierzu wird eine Generalisierung im Anschluss an ein System des internationalen Privatrechts nach Savigny vorgeschlagen. 223 Danach sind unterschiedliche Privatrechtsordnungen als gleichwertig anzusehen.224 Für die Frage nach dem anwendbaren Recht geht es nicht etwa um den Gerichtsstand, sondern um den „Sitz des Rechtsverhältnisses“. 225 Der Forumstaat kann dem anzuwendenden ausländischen Recht schließlich die Geltung lediglich im Rahmen des ordre-public-Vorbehalts versagen.226 Eine Generalisierung dieser Gedanken führt im hier vorliegenden Kontext zu folgenden Vorgaben: „1.) Kollisionsrecht beruht auf dem Grundsatz der Anerkennung ‚fremder‘ Rechtsordnungen. Für die Rechtstheorie folgt aus der Generalisierung dieses Anerkennungsgedankens, dass Normordnungen außerhalb des staatlichen Rechts grundsätzlich der Anerkennung durch das Recht und der Anerkennung als Recht zugänglich sind. Dies gilt für zivilgesellschaftliche Regelsetzung ebenso wie für gegenstandsspezifische internationale Rechtsregimes. 2.) Wenn das Kollisionsrecht auf den Sitz von ‚Rechtsverhältnissen‘ abstellt, geht damit eine Perspektivenverschiebung weg von der Orientierung an Rechtsquellen und hin zu einer Orientierung an Normbereichen 227 einher. Die Bildung von Kollisionsnormen, heißt das, hat sich an konkreten Konfliktlinien kollidierender Rationalitäten zu orientieren. In methodischer Hinsicht liegt an dieser Stelle ein Ansatzpunkt für die Rezeption sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse. 3.) Die Anerkennung ‚fremder‘ Normen steht unter dem Vorbehalt des ordre public. Dieser verweist einerseits auf den unabdingbaren Kern einer Normordnung selbst, ande-
223 Siehe dazu Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 220. 224 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1849, Band 8, S. 29. 225 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1849, Band 8, S. 24–28 und 108. 226 Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 220. 227 Zu diesem Begriff siehe Müller/Christensen, Juristische Methodik I, 2002, S. 230 ff.
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rerseits aber auf universelle Prinzipien, die allen Normordnungen gemeinsam sind. In der Figur des ordre public kommt damit die notwendige (strukturelle) Kopplung des Rechts an den politischen Diskurs zum Ausdruck.“228
Mit diesen Vorgaben kann privat erzeugtes Recht für staatliches Recht sichtbar und bearbeitbar gemacht werden. Bevor aber im Folgenden bereits existierende Beispiele für den Umgang staatlichen Rechts mit privaten Normordnungen dargestellt werden, soll es zunächst noch um eine IPRrechtsdogmatische Bestandsaufnahme gehen. c) Verhältnis des transnationalen Rechts zum staatlichen IPR Gemäß Art. 3 der für Schuldvertragsverhältnisse einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) 229 besteht im europäischen IPR Parteiautonomie. Das bedeutet, dass die Parteien eines internationalen Schuldverhältnisses grundsätzlich frei darüber entscheiden können, welchem Recht sie das Schuldverhältnis unterstellen wollen. 230 Diese Verweisungsfreiheit oder auch „kollisionsrechtliche Verweisung“ ermöglicht es den Parteien, grundsätzlich auch die zwingenden Vorschriften des eigentlich anwendbaren Rechts abzuwählen. 231 Im Gegensatz hierzu werden durch die so genannte „materiellrechtliche Verweisung“ eine Rechtsordnung oder Teile davon als Vertragsbestandteile in das Rechtsverhältnis einbezogen. Zwingende Vorschriften des anwendbaren Rechts bleiben davon jedoch unberührt.232 Das Prinzip der Parteiautonomie hat eine lange und wechselvolle Geschichte 233 , gilt heute jedoch mit einigen Ausnahmen als weltweit anerkannt. 234 Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist, ob ein privat erzeugtes transnationales Recht Gegenstand der Parteiautonomie sein und damit von den Parteien wirksam zum Statut ihres Vertrages auserkoren werden kann. Von Bar und Mankowski haben hierauf eine einfache Antwort: Sie lehnen die Existenz einer Neuen Lex Mercatoria oder eines transnationalen
228 Maurer/Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, 2010, 207–223, S. 220. 229 Abl. Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6 und Abl. Nr. L 309 vom 24.11.2009, S. 87. 230 Rauscher, Internationales Privatrecht, 2009, S. 17; Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, S. 292 f. 231 Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, S. 293. 232 Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, S. 293. 233 Siehe dazu Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im internationalen Privatrecht, 1965. 234 Basedow, Theorie der Rechtswahl oder Parteiautonomie als Grundlage des internationalen Privatrechts, RabelsZ 2011, 32–59, S. 32–37.
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Rechts als „rechtsquellentheoretisch falsch, begrifflich verschwommen und rechtspolitisch verfehlt“ vollumfänglich ab.235 Für staatliche Gerichte gelte daher, dass eine Wahl der lex mercatoria durch die Parteien als Vertragsstatut ins Leere gehe und ein staatliches Gericht in diesem Fall objektive Anknüpfungspunkte für das anwendbare Recht suchen müsse.236 Es sei in derartigen Fällen allenfalls denkbar, dass eine Verweisung auf die lex mercatoria im Rahmen des anwendbaren Sachrechts Berücksichtigung finden könne. 237 Dann aber bestimme das staatliche Recht die Grenzen der Anwendung privaten Rechts, das sich zum Beispiel als allgemeine Geschäftsbedingung einer Inhaltskontrolle unterziehen lassen müsse.238 Ähnlich fällt auch das Urteil zur Frage der Anerkennung von Schiedssprüchen aus, die auf Grundlage der lex mercatoria ergangen sind. Nach von Bar und Mankowski könne einem Schiedsspruch, der die lex mercatoria zum Maßstab seiner Entscheidung gemacht habe, grundsätzlich keine Anerkennung durch staatliches Recht zukommen. Eine Vollstreckbarerklärung gemäß §§ 1062 ff. ZPO komme daher nicht in Frage. 239 Lediglich eine Umdeutung der Parteivereinbarung über die Anwendung der lex mercatoria in die Anweisung an das Schiedsgericht, eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, ermögliche eine Anerkennung des Schiedsspruchs durch staatliches Recht. 240 Die in ihrer Schärfe und Kompromisslosigkeit beinahe schon unsachliche Ablehnung der lex mercatoria führt somit bei von Bar und Mankowski zu klaren Ergebnissen. In aktuellen Gesetzgebungsverfahren aber scheint eine derart konservativ-nationalstaatlich ausgerichtete IPR-Rechtsdogmatik zu bröckeln. So war im Gesetzgebungsverfahren über die Rom-I-Verordnung zunächst noch vorgesehen, im Wege der freien Rechtswahl auch nicht-staatliches Recht wie insbesondere die UNIDROIT-Principles, die Principles of European Contract Law oder den Draft Common Frame of Reference zuzulassen.241 Eine Wahl der lex mercatoria war ausgeschlossen, weil sie nicht für präzise genug gehalten wurde.242 Interessant ist aber, dass andere private Kodifikationen nur dann ausgeschlossen sein sollten, wenn sie von der internationalen Gemeinschaft nicht hinreichend anerkannt worden seien.243 Es sollte also auch hier nicht etwa auf eine formelle Legitimation, sondern 235
Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 80. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 87. 237 Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 87. 238 Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 81. 239 Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 86 f. 240 Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, S. 87. 241 Com (2005) 650 final, S. 5 f. Siehe auch Calliess in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary on the European Rules of the Conflict of Laws, 2011, Art. 3, S. 65. 242 Com (2005) 650 final, S. 6. 243 Com (2005) 650 final, S. 6. 236
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auf hinreichende Anerkennung ankommen. Wann aber „hinreichende Anerkennung“ gegeben sein sollte und wer die „internationale Gemeinschaft“ genau ist, blieb im Dunkeln. All das kann aber dahinstehen, denn in den endgültigen Gesetzestext hat die freie Rechtswahl für Privatkodifikationen keinen Einzug gehalten. Damit bleibt es dabei, dass auch nach der Rom-IVerordnung privat erzeugtes Recht im Rahmen des internationalen Privatrechts nicht als gleichwertige Ordnung anerkannt wird. Dieser Umstand ist rechtspolitisch, aber auch rechtsdogmatisch, zumindest fragwürdig. So weist zum Beispiel Gralf-Peter Calliess völlig zu Recht auf das auch später noch auszuführende Argument hin, dass es schwer nachzuvollziehen sei, dass zwar einerseits umfangreich entwickelte vollständige Ordnungen wie der Draft Common Frame of Reference nicht als Vertragsstatut gewählt werden dürfen, dass andererseits aber gemäß Art. 3 Rom-I-Verordnung eine Wahl des Rechts einer Diktatur wie zum Beispiel Nordkorea unproblematisch möglich sein soll. 244 Eine fehlende demokratische Legitimation privat erzeugten Rechts ist als Argument für seine Ablehnung vor diesem Hintergrund jedenfalls wenig überzeugend.245 Im Ergebnis ist das internationale Privatrecht für die Anwendung privat erzeugten Rechts unergiebig. Andererseits bleibt die Forderung danach bestehen, staatlichem Recht die Verarbeitung privat erzeugter Normen zu ermöglichen. Die Form einer Kollisionsregel ist oben umrissen worden. Die Suche nach einem konkreten Inhalt einer Kollisionsnorm gestaltet sich hingegen schwierig. Denn das Problem, mit dem das Recht umgehen muss, ist die Unbestimmtheit der gesellschaftlichen Ordnungen, die es miteinander und mit sich selbst kompatibilisieren soll. Unbestimmtheit ist dem Recht aber nicht fremd.246 Im Gegenteil operiert das Recht an vielen Stellen mit dem Problem der Unbestimmtheit. Dies geschieht vor allem mit Hilfe der Generalklauseln. Sie erlauben es, sowohl Unbestimmtheit im Recht zu verarbeiten als auch rechtsfremde Erwägungen in die Sprache des Rechts zu übersetzen. Daher schlägt Teubner vor, die Anwendung der Generalklauseln als Anschauungsmaterial für den Umgang mit Unbestimmtheit und damit auch als Blaupause für ein kollisionsrechtliches Paradigma zu verwenden.247 Und in der Tat hat das staatliche Recht unter Rückgriff auf Generalklauseln bereits Konflikte zwischen dem Recht und anderen gesellschaftlichen Rationalitäten bewältigt, um die es nachfolgend gehen soll. 244
Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary on the European Rules of the Conflict of Laws, 2011, S. 65. 245 Siehe zu dieser Problematik ausführlich Schinkels, Die (Un-)Zulässigkeit einer kollisionsrechtlichen Wahl der UNIDROIT Principles nach Rom I: Wirklich nur eine Frage der Rechtspolitik?, ZGP 2007, 106–111. 246 Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S. 123. 247 Teubner (Hrsg.), Global Law without the State, 1996, S. 123 ff.
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d) Bewältigungsstrategien staatlichen Rechts Wenn staatliches Recht es mit der Kollision von unterschiedlichen Handlungslogiken gesellschaftlicher Rationalitäten zu tun hat, verschleiert die Rechtsdogmatik diesen Umstand in den meisten Fällen. Der Konflikt, um den es im zu entscheidenden Fall geht, tritt hinter die juristische Argumentation zurück. Und dennoch sind die Konflikte zwischen gesellschaftlichen Rationalitäten erkennbar. So hat Gunther Teubner im Fall der Sittenwidrigkeit von Familienbürgschaften 248 eindrucksvoll die Konfliktlinien herausgestellt. 249 Er hat deutlich gemacht, dass es bei der Entscheidung darüber, ob die Bürgschaft mittelloser Angehöriger für Familienmitglieder unwirksam ist, im Kern um den Konflikt zweier Handlungslogiken gehe. Einerseits stehe die wirtschaftliche Rationalität des Bürgschaftsvertrages mit dem Grundsatz „pacta sunt servanda“, andererseits gehe es um familiäre Nähebeziehungen, die eine freie Willensentscheidung zu Lasten der Familie (und damit gegen eine Bürgschaftsübernahme) auf Grund der Rationalität des Familienzusammenhalts einschränke. Der diesem Fall zu Grunde liegende Rechtskonflikt kann vor diesem Hintergrund als Konflikt zweier widerstreitender gesellschaftlicher Rationalitäten rekonstruiert werden, wobei das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung zu Lasten der wirtschaftlichen Rationalität getroffen hat.250 Aber auch in anderen Zusammenhängen lassen sich derartige Kollisionen und deren Bewältigung erkennen. Im ersten Kapitel war die „Nordholm“-Entscheidung in den Fokus gerückt, weil der Bundesgerichtshof darin einen Standardchartervertrag, der von der BIMCO zur Verfügung gestellt und zuvor unter Beteiligung breiter Schichten später Betroffener ausgehandelt worden war, einer AGB-Kontrolle unterzogen und einzelne Klauseln für unwirksam erklärt hatte. In diesem Zusammenhang wurde argumentiert, dass die Inhaltskontrolle nicht hätte stattfinden sollen, weil es sich bei dem Standardcharterformular um eine Form wirtschaftlicher Selbstregulierung handelt, die durch ihren Entstehungsprozess Normativität für sich beanspruchen darf. Das Stichwort in diesem Zusammenhang war Normativität durch Partizipation und Akzeptanz. In ähnlichen Fällen hat das Recht bereits die Umstände der Entstehung von privat erzeugten Normen zum Anlass genommen, sich bei einer Inhaltskontrolle zurück zu halten. Es ist dem staatlichen Recht nicht fremd, privat gesetzte Normen zu respektieren. Dies zeigt sich insbesondere dann, 248
Bundesverfassungsgericht 1993, BVerfGE 89, 214, „Bürgschaft“. Teubner, Ein Fall struktureller Korruption? Die Familienbürgschaft in der Kollision unverträglicher Handlungslogiken, KritV 2000, 388–404. 250 Teubner, Ein Fall struktureller Korruption? Die Familienbürgschaft in der Kollision unverträglicher Handlungslogiken, KritV 2000, 388–404, S. 396 f. 249
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wenn allgemeine Geschäftsbedingungen und Musterverträge einer Inhaltskontrolle entgegen der allgemeinen Praxis nur ausnahmsweise und unter Einschränkungen unterzogen werden. Dabei werden vor allem die Entstehungsmodalitäten von allgemeinen Geschäftsbedingungen berücksichtigt, wenn es um deren Bewertung geht. So werden zum Beispiel Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) oder die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) anders bewertet als gewöhnliche allgemeine Geschäftsbedingungen, die von einer Vertragspartei gestellt werden. In beiden Fällen begünstigen Gerichte die Verwender der Bedingungen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sie von verschiedenen Interessenträgern entworfen wurden, die üblicherweise an Geschäften beteiligt sind, denen die Vertragsmuster zu Grunde gelegt werden. Vor dem Hintergrund eines kollisionsrechtlichen Paradigmas kann dies auch als eine Entscheidung zu Gunsten privater Selbstorganisationskräfte gewertet werden. aa) VOB/B Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen regelt als Klauselwerk einerseits die Vergabe von Bauaufträgen durch die öffentliche Hand, andererseits aber auch den Inhalt von Bauverträgen. Besonders interessant ist dabei die Beurteilung der VOB/B, die den Inhalt von Bauverträgen regelt, durch die Rechtsprechung. Obwohl nämlich der Bundesgerichtshof ohne weiteres davon ausgeht, dass es sich bei der VOB/B um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGB-Rechts handelt, hat er sie im Rahmen der Inhaltskontrolle am Maßstab des AGB-Rechts privilegiert. Unzweifelhaft ist dabei, dass es sich bei der VOB/B um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB handelt. Bemerkenswert ist indes, dass der Bundesgerichtshof für die VOB/B entschieden hat, dass es verfehlt sei, eine Klausel der VOB/B isoliert zu betrachten und daraufhin zu untersuchen, ob sie den Auftragnehmer des Bauvertrages in unangemessener Weise benachteilige. 251 Die Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen sei nämlich sachgerecht, wenn diese den Interessen des Verwenders nutzten, weil zu seinen Gunsten von gesetzlichen Regeln abgewichen werde und damit der Vertragspartner belastet werde. Demgegenüber sei die VOB/B gerade kein Vertragswerk, das nur den Vorteil einer Vertragspartei verfolge, weil an ihrer Ausarbeitung Interessengruppen von Bestellern, Unternehmern und auch die öffentliche Hand beteiligt ge
251 BGH NJW 1983, 816–818, S. 818. Kritisch dazu Hensen in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz: Kommentar zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1977, Anh. 9–11, Rn. 904 ff. sowie Horn in: Wolf/Horn/Lindacher (Hrsg.), AGB-Gesetz, 1989, § 23, Rn. 249.
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wesen seien.252 „Sie enthält einen auf die Besonderheiten des Bauvertragsrechts abgestimmten, im Ganzen einigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen“.253 Hintergrund dieser Beurteilung des Bundesgerichtshofs ist der Umstand, dass die VOB/B nicht etwa von Vertretern der Unternehmer oder der Besteller entworfen worden wäre, sondern dass für deren Ausarbeitung der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) zuständig ist. Dieser Ausschuss ist ein nichtrechtsfähiger Verein 254 , der die Aufgabe hat, Grundsätze für die sachgerechte Vergabe und Abwicklung von Bauaufträgen zu erarbeiten und weiter zu entwickeln.255 Zu den Mitgliedern des DVA gehören 84 Verbände, Ministerien, Unternehmen, Berufskammern, Gewerkschaften, Fachausschüsse und weitere Interessenträger der Bauindustrie und der öffentlichen Hand.256 Ähnlich ausgewogen setzt sich der Vorstand des DVA zusammen, dessen Mitglieder in § 13 der Satzung des DVA festgelegt sind.257 Im Rahmen der VOB/B reagiert das staatliche Recht also durchaus auf die Umstände des Zustandekommens von allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit auf einen Umstand, der im Zusammenhang mit dem Zustandekommen der BIMCO-Chartervertragsformulare als Kennzeichen für gesellschaftliche Selbstorganisation charakterisiert worden war. Ausdrücklich bezieht der Bundesgerichtshof in seine Bewertung den Umstand ein, dass bei der Aufstellung der Bedingungen die Interessenträger der späteren Geschäfte beteiligt seien und dass gerade durch diese Beteiligung ein Interessenausgleich in der Gesamtregelung anzunehmen sei. Eine besonders große Rolle spielt wohl auch der Umstand, dass die öffentliche Hand in erheblichem Maße an der Ausarbeitung der Bedingungen beteiligt ist. Eine Privilegierung von ausgehandelten allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich indes auch ohne eine Beteiligung der öffentlichen Hand im Rahmen der Aufstellung. Als Beispiel für einen solchen Fall können die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen herangezogen werden. bb) ADSp Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) sind Vertragsbedingungen für „Verkehrsverträge über alle Arten von Tätigkeiten, 252
BGH NJW 1983, S. 816–818, S. 818. BGH NJW 1983, S. 816–818, S. 818. 254 § 1 der Satzung des DVA. 255 § 2 der Satzung des DVA. 256 Die Mitgliederliste ist erhältlich unter http://www.bmvbs.de/cae/servlet/content blob/32298/publicationFile/42552/dva-mitgliederliste.pdf (Stand August 2011) (zuletzt besucht am 06.02.2012). 257 Eine aktuelle Vorstandsliste findet sich unter http://www.bmvbs.de/cae/servlet/con tentblob/32296/publicationFile/42233/dva-vorstandsliste.pdf (Stand: Juli 2011) (zuletzt besucht am 06.02.2012). 253
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gleichgültig ob sie Speditions-, Fracht-, Lager- oder sonstige üblicherweise zum Speditionsgewerbe gehörende Geschäfte“ betreffen. 258 Sie werden vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels, dem Bundesverband Spedition und Logistik, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels zur Verwendung unverbindlich empfohlen.259 Ebenso wie die VOB/B werden die ADSp als allgemeine Geschäftsbedingungen qualifiziert.260 Jedoch hat der Bundesgerichtshof ebenso wie bereits bei der VOB/B darauf hingewiesen, dass die ADSp nicht ohne weiteres solchen allgemeinen Geschäftsbedingungen gleichgestellt werden können, die einseitig aufgestellt wurden.261 Es sei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass „sie unter Mitwirkung aller beteiligten Wirtschaftskreise zustande gekommen sind“. 262 Da die ADSp seit langer Zeit bei allen beteiligten Verkehrskreisen Anerkennung gefunden hätten und daher zu einer „allgemein geregelten Vertragsordnung“ und einer umfassenden „fertig bereit liegenden Rechtsordnung“ geworden seien, bedürfe es bei der Beurteilung, ob eine einzelne Klausel einen Vertragsteil unangemessen benachteilige einer umfassenden Würdigung des gesamten wirtschaftlichen Sachverhalts. Eine einzelne Klausel könne nicht isoliert am Gerechtigkeitsgehalt einer einzelnen Norm des dispositiven Rechts gemessen werden.263 Vielmehr sei „die beiderseitige Interessenlage im Zusammenhang mit dem Gesamtgefüge der ADSp zu werten.“264 Vor diesem Hintergrund könne „bei dem ineinandergreifenden und aufeinander abgestimmten Haftungssystem der ADSp mit Haftungsbeschränkungen und Beweiserleichterungen auf der einen Seite, angepassten Vergütungen, Versicherungsbedingungen und Versicherungsprämien auf der anderen Seite, nicht ohne weiteres eine Inkongruenz und unangemessene Benachteiligung der verladenden Wirtschaft angenommen werden.“265
258 Nr. 2 ADSp (2003), zum Beispiel erhältlich unter http://www.hk24.de/recht_ und_fair_play/handels_und_gewerberecht/downloads/363058/adsptext.html (zuletzt besucht am 06.02.2012). 259 Präambel zu den ADSp (2003). 260 Bahnsen, Vor Ziff. 1 ADSp, 2009, Rn. 5; BGH NJW 1995, 1490–1492, S. 1491. 261 BGH NJW 1995, 1490–1492, S. 1491. 262 BGH NJW 1995, 1490–1492, S. 1491. Siehe dazu beispielhaft auch bereits die frühen Entscheidungen BGHZ 1, 83, 85 f.; 6, 145, 147; 9, 1, 3; 12, 136, 139, 142; 17, 1, 2. 263 BGH NJW 1995, 1490–1492, S. 1491. 264 BGH NJW 1995, 1490–1492, S. 1491. Mit der Einschränkung, dass einzelne Klauseln zwar einer Inhaltskontrolle unterzogen werden dürfen, der Blick auf das wirtschaftliche Gesamtwerk aber nicht verloren gehen dürfe, siehe Hensen in: Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Gesetz: Kommentar zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1977, Anh. 9–11, Rn. 17. 265 BGH NJW 1995, 1490–1492, S. 1491.
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Ebenso wie bei der VOB/B geht die Rechtsprechung also bei den ADSp davon aus, dass die Einbeziehung der beteiligten Wirtschaftskreise in die Ausarbeitung und Erstellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem Maß an Ausgewogenheit führe, das eine Inhaltskontrolle einzelner Vorschriften nicht mehr sachgerecht erscheinen lässt. So lautet die hier (unbewusst) angewendete Kollisionsnorm zwischen staatlichem (AGB)Recht und privat erzeugten Normen wohl, dass zwingendes staatliches Recht (AGB-Kontrolle) dann nicht zur Anwendung kommt, wenn die privat erzeugten Normen einen gerechten Interessensausgleich aller Betroffenen enthalten. Dass Gerichte derartige Zusammenhänge auch bereits bei Charterverträgen erkannt haben, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Das Gericht hatte in einem Fall, in dem es zwar um die Auslegung einer Chartervertragsklausel und nicht etwa um deren Inhaltskontrolle am Maßstab des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen ging, entschieden, dass Kaufleute, die sich der im Handelsverkehr gebräuchlichen Klauseln bedienen, diese auch gegen sich gelten lassen müssen.266 Warum aber der Bundesgerichtshof sowohl Klauseln der VOB/B als auch diejenigen der ADSp einer Inhaltskontrolle nicht unterzieht, weil sie einen gerechten Interessenausgleich der Parteien enthalten würden, gleichzeitig aber einzelne Klauseln des „GENCON“-Formulars einer AGB-Kontrolle unterzieht, obwohl auch an dessen Entstehung die Vertreter unterschiedlicher Interessen der später Betroffenen mitgewirkt haben, erschließt sich dem Beobachter nicht. e) Ausblick Es sind dogmatische Konstruktionen wie die Berücksichtigung von Handelsbräuchen, der Frage nach der Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung, Treu und Glauben, Fragen der Angemessenheit etc., die Generalklauseln also, die es in der Tat erlauben, nichtstaatliche Normerzeugungsprozesse im Recht zu berücksichtigen. Doch dies reicht im Zweifel nicht aus. Das Recht muss sich seiner Rolle und der Rolle konfligierender normativer Ordnungen bewusst werden, um sachgerecht entscheiden und so den normativen Kräften gesellschaftlicher Selbstorganisation zur Geltung verhelfen zu können. Auch wenn sich also die Besonderheiten in der Beurteilung von ADSp und VOB/B als Berücksichtigung spezifischer Rationalitäten, innerhalb derer diese Regelwerke entstanden sind, rekonstruieren lassen, handelt es sich dabei um unbewusste Rechtsakte, die jedenfalls die zu Grunde liegenden Rationalitätenkonflikte nicht in den Fokus der Betrach 266
OLG Düsseldorf VersR 1982, 1139–1141. Dazu auch Trappe, Maritime Schiedsgerichtsbarkeit, 1994, 459–476, S. 467.
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tung stellen. Dies wäre aber nötig, um den gesellschaftlichen Selbstorganisationskräften deutlicheren Rückhalt zu bieten. Um nochmals auf Umrisse von Kollisionsnormen im rechtstheoretischen Sinne zurückzukommen, müssen staatliche Gerichte also ihren Blick für die normative Kraft gesellschaftlicher Selbstorganisation schärfen. Gewiss darf nicht jede soziale Norm als normative Ordnung angesehen werden. Jedoch kann auch hier der Grundsatz gelten, für den bereits zuvor argumentiert worden war und der im Vorschlag einer prozeduralen Norm zur Einbeziehung von privaten Selbstorganisationskräften in staatliches Recht gemündet ist: Je mehr es gesellschaftlichen Selbstorganisationsprozessen gelingt, normative Kräfte zum Beispiel durch partizipative Verfahren im Rahmen der Entstehung von Normen, Standards oder Musterklauseln zu erzeugen, umso mehr muss das staatliche Recht und müssen staatliche wie auch private Gerichte ihren Blick auf diese Kräfte richten und sie berücksichtigen. Eine solche Berücksichtigung hätte Folgen und daher ist die Diskussion über ein transnationales Recht nicht lediglich l’art pour l’art. Wäre transnationales Recht zum Beispiel im Rahmen der ROM-I-Verordnung als lex contractus wählbar, würde sich im Anschluss die Frage stellen, ob und inwieweit nationales oder internationales zwingendes Recht Anwendung findet. 267 Eine AGB-Kontrolle oder andere nationale zwingende Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze könnten dann unter Umständen von den Parteien abbedungen werden. Sie hätten sich nur den zwingenden internationalen Vorschriften und dem Anwendungsbereich des nationalen ordre public zu unterwerfen. 268 Da das internationale Privatrecht aber (noch) kein adäquates Instrumentarium für die Berücksichtigung privat erzeugten Rechts zur Verfügung stellen kann, kommt es auf die Ausschöpfung der Möglichkeiten innerhalb des staatlichen Rechts an. Dabei stehen insbesondere die Generalklauseln im Vordergrund. Sie erlauben einen Umgang mit der Unbestimmtheit des Rechts und sensibilisieren für die Beobachtung normativer Kräfte außerhalb des staatlichen Rechts. 3. Zusammenfassung und These Angesichts gesellschaftlicher Fragmentierung, die durch Prozesse der Globalisierung vertieft und verschärft wird, gewinnen gesellschaftliche Selbstorganisationskräfte an Bedeutung. Durch sie entstehen normative Ordnungen und Quasi-Rechtsordnungen, die Ordnungsleistungen neben
267 Siehe dazu nur Calliess in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary on the European Rules of the Conflict of Laws, 2011, Art. 3, Rn. 52 ff. sowie Renner in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary on the European Rules of the Conflict of Laws, 2011, Art.9. 268 Renner in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary on the European Rules of the Conflict of Laws, 2011, Art. 9.
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oder anstelle des staatlichen Rechts erbringen. Dem Recht gelingt es mit einem hegemonialen Selbstverständnis immer weniger, Konfliktlösungsstrategien unter Bedingungen gesellschaftlicher Fragmentierung anzubieten. Daher geht es um einen Perspektivwechsel. Das Recht muss seinen Alleingeltungsanspruch aufgeben und seine Aufgabe in der Kompatibilisierung von Ordnungsleistungen privaten aber auch staatlichen Ursprungs sehen.269 Hierzu ist es erforderlich, in ein kollisionsrechtliches Paradigma einzutreten, das den Gedanken des internationalen Privatrechts aufgreift und generalisiert. So gelingt es, private Ordnungsleistungen als kollidierende Normordnungen oder Quasi-Rechtsordnungen zu verstehen. Eine Kollisionsnorm muss dann die fremden Ordnungen anerkennen und sich an den konkreten Konfliktlinien widerstreitender gesellschaftlicher Rationalitäten orientieren. Aufgabe des Rechts ist es dann, als „gentle civilizer of social systems“ zu wirken. 270 Diese Aufgabe wird umso dringlicher, je mehr privat erzeugte Normen durch partizipative Entstehungsverfahren Normativität für sich beanspruchen dürfen. Eine weitere Möglichkeit des Staates und der Seehandelsbranche auf immer stärker werdende gesellschaftliche Selbstregulierungstendenzen zu reagieren ist die wechselseitige Beobachtung von staatlichen Gerichten und privaten Schiedsgerichten. Der Vorschlag lautet in diesem Zusammenhang, dass private Schiedsgerichte enger an die Rechtsentwicklung angebunden werden. II. Engere Anbindung von Schiedsgerichten an die Rechtsentwicklung „There must be no Alsatia in England where the King’s writ does not run” urteilte der Lordrichter Scrutton noch im Jahr 1922 im Fall Czarnikov v Roth. 271 Die mit seinem Ausspruch verbundene Kritik richtete sich ausdrücklich gegen die Vereinbarung einer Schiedsklausel und damit indirekt auch gegen Schiedsgerichte insgesamt. Alsatia, auf die sich Scrutton bezog, war ein Bezirk in London, der aus einer Reihe sakraler Gebäude bestand. Im England des 17. und 18. Jahrhunderts dienten insbesondere Kirchen oder Klöster Kriminellen und Schuldnern häufig als Zuflucht vor dem Zugriff der Staatsgewalt oder ihrer Gläubiger.272 Es gab eine ganze Reihe solcher Zufluchtsstätten auch in London, von denen Alsatia die wohl be
269 Siehe dazu auch Teubner/Fischer-Lescano, Wandel der Rolle des Rechts in Zeiten der Globalisierung: Fragmentierung, Konstitutionalisierung und Vernetzung globaler Rechtsregimes, 2007, 3–55, S. 54 f. 270 Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006, S. 170. 271 Lord Scrutton in Czarnikov v Roth, Schmidt and Company [1922] 1 KB 478. 272 Siehe dazu Hertzler, The Abuse and Outlawing of Sanctuary for Debt in 17th Century England, 1971 Hist.J., 467–477.
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kannteste war.273 Sie wurde damit zum Inbegriff eines rechtsfreien Raums, auf den Lord Scrutton sich berief, als er seinen bekannt gewordenen Spruch verfasste. Kern des Falles Czarnikov v Roth war die Vereinbarung einer Schiedsklausel durch die Vertragsparteien, die es nicht erlaubte, im Streitfall staatliche Gerichte anzurufen. Lord Scrutton hielt eine solche Klausel für unwirksam: „In my view to allow English citizens to agree to exclude this safeguard for the administration of the law is contrary to public policy.”274 Eine solche Ansicht aber, die Schiedsgerichte als die Alsatia der Neuzeit und damit als Hintertür auf der Flucht vor dem staatlichen Recht sieht, ist angesichts der Realität im grenzüberschreitenden Handel heute nicht mehr angebracht.275 Vielmehr wird in Zukunft ein Zusammenwirken und eine wechselseitige Beobachtung von Gerichten und Schiedsgerichten erforderlich sein, um Rechtssicherheit in einem globalen Handel schaffen zu können. Diese Forderung scheint zunächst illusorisch, denn staatliche Gerichte sind Recht und Gesetz unterworfen. Hierzu zählt die Schiedsgerichtsbarkeit in der Regel nicht. Daher wird sie im Rahmen der Urteile staatlicher Gerichte in aller Regel nicht berücksichtigt. Mit Schiedssprüchen befassen sich staatliche Gerichte insbesondere dann, wenn es um deren Anerkennung zum Beispiel nach dem UNÜ geht.276 In der Rechtsfortbildung staatlicher Gerichte haben sie jedoch bis auf äußerst vereinzelte Ausnahmen277 keine nennenswerte Bedeutung. 278 Ging es also zuvor in diesem Kapitel bereits um die Gefahr für staatliche Gerichte, die in dem Verlust der Rechtsfortbildungsmöglichkeit begründet ist, wenn in bestimmten Gebieten keine Streitigkeiten mehr vor ihnen ausgetragen werden, geht es im Folgenden um die Chancen für private Schiedsgerichte, diesen Trend um 273
Hertzler, The Abuse and Outlawing of Sanctuary for Debt in 17th Century England, 1971 Hist.J., 467–477, S. 468. 274 Czarnikov v Roth, Schmidt and Company [1922] 1 KB 478. Zur traditionellen Ablehung von Schiedsabreden im amerikanischen Recht bis ins 20. Jahrhundert hinein siehe Sommer, Maritime Arbitration – Some of the Legal Aspects, 1975 Tul.L.Rev., 1035– 1053, S. 1037 f. 275 Dazu insbesondere nochmals Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302. 276 Siehe dazu unten Kapitel 3, D. 277 Siehe dazu den Bericht über den Beitrag von Hoffmann in: Seidl-Hohenveldern, Diskussionsbeiträge, 1989, 125–144. 278 Hirsch, Schiedsgerichte – ein Offenbarungseid für die staatlichen Gerichte?, SchiedsVZ 2003, 49–52, S. 52. Das liegt jedoch nicht zuletzt auch an dem im Folgenden aufgegriffenen Problem, dass Schiedssprüche häufig nicht veröffentlicht werden und daher für staatliche Gerichte gar keine Gelegenheit besteht, an sie anzuknüpfen, Duve/Keller, Privatisierung der Justiz – bleibt die Rechtsfortbildung auf der Strecke?, SchiedsVZ 2005, 169–177, S. 171.
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zukehren und ihre eigenen Entscheidungen in die Rechtsfortbildung mit einzubringen. 1. Ermöglichung von Rechtsfortbildung durch Veröffentlichung von Entscheidungen und Gründen Die grundlegenden Überlegungen zu der Frage, wie durch Gerichtsentscheidungen Recht entstehen kann, sind bereits in diesem Kapitel angestellt worden. Es geht hierbei insbesondere um den Gedanken, dass die Entstehung von Recht durch Gerichtsentscheidungen untrennbar mit der Veröffentlichung von Entscheidungen verbunden ist. 279 Erst durch die Veröffentlichung von Entscheidungen und Gründen werden diese anschlussfähig für nachfolgende Rechtskommunikation und bilden damit die Grundlage für Folgeentscheidungen, die durch Konfirmation und Kondensierung die Vorentscheidung bestätigen. Weniger theoretisch ausgedrückt geht es darum, durch die Veröffentlichung von Entscheidungen Rechtssicherheit zu gewährleisten und Rechtsfortbildung zu ermöglichen. Veröffentlichte Entscheidungen müssen für die Rechtswissenschaft und die Schiedsgerichtspraxis die Möglichkeit eröffnen, rechtliche Fragen zu problematisieren, zu analysieren und schließlich auch zu diskutieren. Dem steht allerdings der Umstand entgegen, dass die Entscheidungen von Schiedsgerichten häufig nicht veröffentlicht werden.280 Vielmehr stellt die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens in den Augen der Beteiligten einen seiner größten Vorteile dar.281 So treten die Chance der Schiedsgerichtsbarkeit, durch Veröffentlichung ihrer Entscheidungen an der Fortbildung eines transnationalen Rechts mitzuwirken einerseits und die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens andererseits in ein Spannungsverhältnis, das zumindest in der deutschen Literatur weitgehend zu Gunsten der Vertraulichkeit des Verfahrens aufgelöst worden ist. So besteht in Teilen der deut 279
Siehe dazu nochmals Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280. 280 Zur unterschiedlichen Praxis im englischen, amerikanischen und australischen Schiedsgerichtswesen siehe Collins, Privacy and Confidentiality in Arbitration Proceedings, 1995 Tex.Int'l L.J., 121–134, der das Spannungsfeld zwischen Vertraulichkeit des Verfahrens und den Interessen dritter Parteien an der (zumindest teilweisen) Veröffentlichung von Schiedsverfahrensergebnissen untersucht. 281 Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristischökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S. 75. Siehe auch Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 2007, S. 12; Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, S. 8; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens: Praxis der deutschen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1990, S. 10. Eine ausführliche Aufzählung der Gründe gegen eine Veröffentlichung von Schiedssprüchen findet sich bei Pfaff, Zum Problem der Veröffentlichung von Schiedssprüchen der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1977, 1127–1141, S. 1132 ff.
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schen Literatur die Ansicht, es sei nicht Aufgabe der Schiedsgerichtsbarkeit, an der Rechtsfortbildung mitzuwirken. 282 Aufgabe der Schiedsgerichtsbarkeit sei es vielmehr, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, und nicht etwa, Präjudizien zu schaffen. 283 Diese sehr strikte Ablehnung von Rechtsfortbildung in der Schiedsgerichtsbarkeit relativieren andere Autoren, indem sie zwar Rechtsfortbildung grundsätzlich als mögliche Aufgabe der Schiedsgerichtsbarkeit sehen, aber dennoch für einen Vorrang der Vertraulichkeit im Schiedsverfahren plädieren. 284 Deutlich in der Minderheit sind jedoch Autoren, die sich für die Rechtsfortbildung als Aufgabe der Schiedsgerichtsbarkeit aussprechen.285 Nach der hier vertretenen Auffassung ist klar, dass jedenfalls die institutionell organisierte Schiedsgerichtsbarkeit an der Bildung und Fortbildung transnationalen Rechts mitwirken und daher ihre Schiedssprüche veröffentlichen muss.286 Das liegt in ihrem eigenen Interesse, denn so kann sie in das normative Rechtsvakuum des transnationalen Raums vorstoßen und 282
Neumayer, Diskussionbeitrag, 1972, 93; Pfaff, Zum Problem der Veröffentlichung von Schiedssprüchen der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1977, 1127– 1141, S. 1138 f. 283 Pfaff, Zum Problem der Veröffentlichung von Schiedssprüchen der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1977, 1127–1141, S. 1139. Siehe zu dieser Ansicht auch Nariman, International Commercial Arbitration – At the Crossroads, 2001, 555–566, S. 556 („The private nature of arbitration is inconsistent with any law-making function.“). 284 Pfaff, Zum Problem der Veröffentlichung von Schiedssprüchen der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1977, 1127–1141, S. 1132 ff. Siehe auch Nicklisch, Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit bei internationalen Bauverträgen, RIW 1991, 89–91, S. 90 f. 285 Zu den wenigen, die sich ausdrücklich positiv für Rechtsfortbildung durch Schiedsgerichtsbarkeit aussprechen, gehören Coing, Diskussionsbeitrag, 1972, 91; Trappe, Maritime Terms, 2010, 19–27, S. 20 f. und Lew, The Case for the Publication of Arbitration Awards, 1982, 223–232, S. 226 ff. mit einer ausführlichen Diskussion von Gründen, die für eine Veröffentlichung sprechen. Differenziert mit Einschränkungen auch Duve/Keller, Privatisierung der Justiz – bleibt die Rechtsfortbildung auf der Strecke?, SchiedsVZ 2005, 169–177, S. 175 ff. Ebenfalls zurückhaltend und differenzierend Sandrock, Die Fortbildung des materiellen Rechts durch die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, 21–81 und Schlosser, Die Fortbildung des Prozessrechts durch die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, 5–19 sowie aus internationaler Perspektive auch Lo, On a Balanced Mechanism of Publishing Arbitral Awards, 2008 CAA, 235–253. 286 So auch Mourre, Precedent and Confidentiality in International Commercial Arbitration – The Case for the Publication of Arbitral Awards, 2008, 39–65, S. 49; Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial Arbitration, 1999, S. 183, 187 f.; Perret, Is there a Need for Consistency in International Commercial Arbitration?, 2008, 25–37, S. 26. Dass die Schiedsgerichtsbarkeit zur Fortbildung transnationalen Rechts befugt ist, gestehen selbst die Kritiker der lex-mercatoria-Lehre zu, Sandrock, Die Fortbildung des materiellen Rechts durch die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, 21–81, S. 29 f. Ablehnend tritt Sandrock der Lehre von der Lex Mercatoria aber auf S. 75 ff. entgegen.
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sich von ihrer Position als Herstellerin von Einzelfallgerechtigkeit 287 zu einer treibenden Kraft in der Entstehung und Entwicklung transnationalen Rechts entwickeln. In der Seeschiedsgerichtsbarkeit der LMAA und der SMA sind institutionelle Vorkehrungen für eine grundsätzliche Veröffentlichung der Schiedssprüche getroffen. Dabei geht die SMA deutlich weiter als die LMAA. Section 1 der SMA Maritime Arbitration Rules bestimmt, dass Schiedssprüche grundsätzlich veröffentlicht werden, wenn nicht die Parteien im Vorhinein ausdrücklich einer Publikation widersprechen.288 Demgegenüber werden die Awards der LMAA nicht grundsätzlich veröffentlicht. Nur in den Fällen, in denen die Schiedsrichter meinen, dass eine Entscheidung publiziert werden sollte – die Gründe hierfür sind nicht klar offengelegt – kommt eine Veröffentlichung in Frage. Dies gilt aber auch nur dann, wenn die Parteien der Veröffentlichung nicht im Nachhinein widersprechen.289 Die GMAA hat in § 14 Abs. 6 ihrer Schiedsgerichtsordnung eine Veröffentlichung nur dann vorgesehen, wenn keine der Parteien einer Veröffentlichung widerspricht.290 Wenn die Veröffentlichung von Schiedssprüchen auch der Rechtsbildung und Rechtsfortbildung dienen soll, so hat die SMA hier den aus dieser Sicht besten Kompromiss zwischen den Vertraulichkeitsinteressen der Parteien und der Veröffentlichung von Schiedssprüchen gefunden. Es handelt sich um eine umfassende Veröffentlichung von Schiedssprüchen verbunden mit einer opt-out-Option für die Parteien des Verfahrens im Vorhinein. Nur wenn Schiedssprüche umfassend veröffentlicht werden, besteht eine Chance für eine umfassende Bildung und Fortbildung eines transnationalen Rechts. Eine Veröffentlichungspraxis, die eine Auswahl trifft, wie dies bei der LMAA und der GMAA der Fall ist, ist weniger effektiv, aber
287 Pfaff, Zum Problem der Veröffentlichung von Schiedssprüchen der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1977, 1127–1141, S. 1139. 288 Sec. 1 Satz 3: „Unless stipulated in advance to the contrary, the parties, by consenting to these Rules, agree that the Award issued may be published by the Society of Maritime Arbitrators, Inc. and/or its correspondents.” 289 LMAA Terms, Punkt 26: „If the tribunal considers that an arbitration decision merits publication and gives notice to the parties of its intention to release the award for publication, then unless either or both parties inform the tribunal of its or their objection to publication within 21 days of the notice, the award may be publicised under such arrangements as the Association may effect from time to time. The publication will be so drafted as to preserve anonymity as regards the identity of the parties, of their legal or other representatives, and of the tribunal.” 290 § 14 Abs. 6 GMAA-Schiedsordnung lautet: „Das Schiedsgericht ist befugt, den Schiedsspruch unter Angabe des Schiffsnamens, aber ohne sonstige individualisierende Angaben, insbesondere ohne Nennung der Parteien, zu veröffentlichen, es sei denn, eine der Parteien widerspricht.“ (http://www.gmaa.de/regeln/schiedsverfahren#SchiedsO% 2014) (zuletzt besucht am 06.02.2012).
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dennoch hilfreich. Jeder veröffentlichte Schiedsspruch hilft, Anschlussfähigkeit für zukünftige Rechtskommunikationen zu sichern. Das gilt jedenfalls dann, wenn transnationales Recht betroffen ist. Wendet ein Schiedsgericht nationales Recht an, dürfte dies für die Bildung und Fortbildung transnationalen Rechts nur ausnahmsweise von Bedeutung sein. Ein Problem, das allen drei Institutionen gemeinsam ist, ist ihre Veröffentlichungspraxis. Frei und kostenlos für jedermann zugänglich sind nur die Schiedssprüche der GMAA. Diese stellt auf ihrer Internetseite allerdings derzeit lediglich 14 Schiedssprüche zur Verfügung. Die Schiedssprüche der SMA sind nur im Rahmen eines kostenpflichtigen Abonnements erhältlich. Immerhin sind 4.000 Schiedssprüche veröffentlicht, auf die zu einem Preis von rund 500,- US-Dollar pro Jahr zugegriffen werden kann.291 Die Schiedssprüche der LMAA werden – wenn sie veröffentlicht werden – exklusiv im Lloyd’s Maritime Law Newsletter veröffentlicht. Dessen Bezug kostet rund £ 1.000,- pro Jahr. Zwar ist davon auszugehen, dass diejenigen Personen, Institutionen und Stellen, die sich mit dem Seerecht im Allgemeinen befassen, auf die jeweiligen Publikationsorgane zugreifen können. Einer breiteren juristischen Öffentlichkeit bleiben sie aber verschlossen. 292 Dieser Umstand behindert die Möglichkeit, juristische Kommunikation an Schiedssprüche anzuschließen. 2. Das Selbstverständnis der Schiedsrichter Selbst wenn aber eine umfassende oder zumindest umfangreiche Publikation gewährleistet wäre, bliebe die Frage, ob das Selbstverständnis und die Arbeitsweise der Schiedsrichter darauf ausgelegt sind, auf andere Schiedssprüche Bezug zu nehmen. Die grundsätzliche theoretische Möglichkeit und die Voraussetzungen von Rechts- und Rechtsfortbildung im transnationalen Raum sind oben bereits beschrieben worden. Dennoch gibt es eine insbesondere unter Praktikern geführte umfangreiche Debatte um die Frage, ob Schiedsrichter Präzedenzen schaffen, die für andere Schiedsrichter in der Entscheidung ihrer Fälle leitend sind.293 Dabei werden die oben be 291
http://www.smany.org/sma/smaaward.html (zuletzt besucht am 06.02.2012). Zu dieser Problematik siehe die umfassende Stellungnahme von Jolivet, Access to Information and Awards, 2006 Arb.Int'l., 265–274. 293 Siehe aktuell den umfangreichen Beitrag von Weidemaier, Toward a Theory of Precedent in Arbitration, 2010 Wm. & Mary L.Rev., 1895–1958 mit vielen weiteren Nachweisen. Aus der Perspektive unterschiedlicher Branchen wird die Problematik betrachtet in dem Sammelband Banifatemi/Gaillard, Precedent in international arbitration: IAI Seminar, Paris, December 14, 2007, 2008. Darin besonders interessant für den hier untersuchten Kontext sind Perret, Is there a Need for Consistency in International Commercial Arbitration?, 2008, 25–37 und Mourre, Precedent and Confidentiality in International Commercial Arbitration – The Case for the Publication of Arbitral Awards, 2008, 39–65. Siehe für die deutsche Perspektive auch Berger, The International Arbitra292
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reits theoretisch nachgewiesenen Anforderungen an ein transnationales Richterrecht aus praktischer Perspektive nochmals präzisiert. Im Grundsatz wird im Zusammenhang mit der Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Begriff der Präzedenzen nicht etwa eine dogmatisch im Common Law verankerte Rechtsfigur der „binding precedent“ oder „stare decisis“ verstanden. Es geht vielmehr um „persuasive precedent“, um konsistente Entscheidung aufgrund überzeugender Argumente.294 In der Schiedsgerichtsbarkeit fehlt es gerade an einem hierarchisch ausgestalteten Instanzenzug, in dem die Entscheidungen höherer Gerichte für Untergerichte bindend sein könnten.295 Persuasive precedent verspricht, im Gegensatz zu binding precedent vergangene Entscheidungen aufgrund des besseren Arguments (auctoritas) und nicht aufgrund des höheren Ranges eines Obergerichts (potestas) zu achten.296 In der Literatur zum Schiedsgerichtswesen ist es völlig unstreitig, dass Schiedsrichter ebenso wie staatliche Richter Recht sprechen.297 Insoweit ist kein Unterschied zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und privater Schiedsgerichtsbarkeit erkennbar. Es wird jedoch problematisiert, ob Schiedsgerichte Präzedenzen erzeugen können, die durch ihre Überzeugungskraft (persuasive precedent) faktische Bindungswirkung auch für andere Schiedsgerichte entfalten können. 298 Im Wesentlichen werden für die Entstehung derartiger Präzedenzen drei Voraussetzungen genannt. Neben der oben bereits beschriebenen Veröffentlichung von Schiedssprüchen müsse auch eine gewisse Konsistenz der Schiedssprüche (oben wurde diesem Erfordernis durch die Methode des Verbalisierens und Erinnerns Rechnung getragen) sowie die Unabhängigkeit von staatlichen Gerichten vorhanden sein.299 Die Konsistenz von Schiedssprüchen ist freilich nicht lediglich Anforderung an die Entstehung eines transnationalen (Schiedsrichter-)Rechts, sie ist zugleich auch Aufforderung an die Schiedsrichter zu wechselseitiger Beobachtung. Denn nur so kann Konsistenz in Entscheidungen auf der Grundlage des besseren Arguments (persuasive precedent) entstehen. Was tors' Application of Precedents, 1992 J.Int'l.Arb., 5–22 und Schütze, Zur Präzedenzwirkung von Schiedssprüchen, 1994, 333–340. 294 Mourre, Precedent and Confidentiality in International Commercial Arbitration – The Case for the Publication of Arbitral Awards, 2008, 39–65, S. 40 f. 295 Mourre, Precedent and Confidentiality in International Commercial Arbitration – The Case for the Publication of Arbitral Awards, 2008, 39–65, S. 41. 296 Mourre, Precedent and Confidentiality in International Commercial Arbitration – The Case for the Publication of Arbitral Awards, 2008, 39–65, S. 41. 297 Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial Arbitration, 1999, S. 182. 298 Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial Arbitration, 1999, S. 182. 299 Perret, Is there a Need for Consistency in International Commercial Arbitration?, 2008, 25–37, S. 26; Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial Arbitration, 1999, S. 183 ff.
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die Konsistenz von Schiedssprüchen bislang anbelangt, kann eine einheitliche Linie in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit allerdings nicht gefunden werden. Gabrielle Kaufmann-Kohler hat in einer umfassenden Studie unterschiedliche institutionelle Schiedsgerichte untersucht und dabei herausgefunden, dass in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit zum Beispiel der ICC eine Konsistenz von Entscheidungen in Form von persuasive precedent nicht oder nur in sehr geringem Umfang festgestellt werden kann.300 In anderen Bereichen der Schiedsgerichtsbarkeit wie zum Beispiel der Sportschiedsgerichtsbarkeit des Court of Arbitration for Sports (CAS) oder der Schiedsgerichtsbarkeit der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hingegen lasse sich eine Konsistenz in den Entscheidungen der Schiedsgerichte beobachten, die schon an binding precedent heranreiche.301In der Investmentschiedsgerichtsbarkeit wiederum bilde sich eine Form der Beobachtung vorangegangener Entscheidungen zwar heraus, die aber noch nicht zu stets einheitlichen Ergebnissen führe. 302 Für die maritime Schiedsgerichtsbarkeit hat Kaufmann-Kohler keine Daten erhoben. Sowohl dort wie auch in anderen Bereichen der Branchenschiedsgerichtsbarkeit aber gilt, dass die Herausbildung eines transnationalen Rechts eine wechselseitige Beobachtung der Entscheidungstätigkeit erfordert. Dies wiederum setzt voraus, dass Schiedsrichter sich selbst als Teil eines transnationalen Rechtsentstehungsprozesses verstehen und ein entsprechendes Selbstverständnis entwickeln. Anders wird Konsistenz und damit auch die Entwicklung eines transnationalen Richterrechts nicht möglich sein. Der Voraussetzung einer Unabhängigkeit privater Schiedsgerichte für die Bildung von Präzedenzen kann hier nur insoweit gefolgt werden, als damit gemeint ist, dass Schiedsgerichtsentscheidungen inhaltlich nicht von staatlichen Gerichten überprüft werden können. 303 Für eine solche Überprüfung aber setzt die New York Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, auf die später noch eingegangen wird, enge Grenzen. Daher ist nicht zu befürchten, dass staatliche Gerichte in breitem Umfang schiedsgerichtliche Urteile kassieren werden. Vielmehr wird es nötig sein, dass staatliche Gerichte und private Schiedsgerichte in eine wechselseitige Beobachtung eintreten und so auch wechselseitig Ak 300
Kaufmann-Kohler, Arbitral Precedent: Dream, Necessity or Excuse?, 2007 Arb.Int'l., 357–378, S. 362 ff. und S. 365. 301 Kaufmann-Kohler, Arbitral Precedent: Dream, Necessity or Excuse?, 2007 Arb.Int'l., 357–378, S. 366 und S. 368. 302 Kaufmann-Kohler, Arbitral Precedent: Dream, Necessity or Excuse?, 2007 Arb.Int'l., 357–378, S. 373. 303 Perret, Is there a Need for Consistency in International Commercial Arbitration?, 2008, 25–37, S. 27. Weitergehend aber Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial Arbitration, 1999, S. 183 ff.
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zeptanz für Entscheidungen schaffen. Denn auch staatliche Gerichte können sich freilich von Argumenten eines Schiedsrichters überzeugen lassen. 3. Wechselseitige Beobachtung staatlicher und privater Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsorgane Die Weltgesellschaft besteht aus „Myriaden von Rechtsordnungen (in der heutigen Sprache würde man wohl von Subsystemen reden) […]“304, die zwar ihre jeweils eigene Existenz haben, aber sich dennoch beeinflussen und überlappen.305 Die von weiten Kreisen der Rechtswissenschaft angestrebte Rechtseinheit war vermutlich immer schon eine unerfüllbare Hoffnung. Eine realistische Betrachtung der Gesellschaft und ihres Rechts legt eher einen Pluralismus von staatlichen Rechtsnormen und gesellschaftlich erzeugten Normen nahe. 306 So sieht es letztlich auch im Seehandelsrecht aus. Wie bereits im ersten Kapitel exemplarisch dargestellt, sind es hier internationale Übereinkommen, staatliche Rechtsordnungen, privat erzeugte Normen wie Musterklauseln oder Musterverträge, aber auch, wie in diesem Kapitel beobachtet, die Rechtsprechung staatlicher Gerichte als auch die Rechtsprechung der unterschiedlichsten privaten Schiedsgerichtsorganisationen, die das Seehandelsrecht prägen. Eine Rechtseinheit ist bei der Vielheit der Institutionen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, nicht zu erwarten. Die Gemeinsamkeit aller liegt jedoch darin, dass sie im Rechtscode kommunizieren. Die Unterscheidung Recht/Unrecht leitet die vorgenommenen Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsakte an. Die Fragmentierung des globalen Seehandelsrechts kann nur auf Grund der immer gleichen Codierung der Kommunikation überhaupt wahrgenommen werden.307 Aus diesem Grund kann das Streben nach Einheit in der Vielheit der Fragmentierungen des globalen Seehandelsrechts nur dann Erfolg versprechen, wenn die unterschiedlichen Akteure sich wechselseitig wahrnehmen, 304 Cassese, Remarks on Scelle's Theory of „Role Splitting“ (dedoublement fonctionnel) in International Law, 1990 EJIL, 210–231, S. 211 („[…] the world community swarms with myriad legal orders (in today's parlance we would call them 'sub-systems' […]”). 305 Cassese, Remarks on Scelle's Theory of „Role Splitting“ (dedoublement fonctionnel) in International Law, 1990 EJIL, 210–231, S. 211. 306 Siehe dazu nochmals zum Beispiel Moore, Law and Social Change: The SemiAutonomous Social Field as an Appropriate Subject of Study, 1973 Law Soc. Rev., 719– 746; Griffiths, What is Legal Pluralism?, 1986 J. Legal Plur., 1–55; Merry, Legal Pluralism, 1988 Law Soc. Rev., 869–896; Arthurs, Landscape and Memory: Labour Law, Legal Pluralism and Globalization, 1998, 21–34; Merry, New Legal Realism and the Ethnography of Transnational Law, 2006 L.Soc.Inquiry, 975–995; Berman, Global Legal Pluralism, 2007 S.Cal.L.Rev., 1155–1237. 307 Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006, S. 163.
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beobachten und sich miteinander abstimmen. Bereits im europäischen Kontext ist immer wieder die Rede von einem „richterlichen Dialog“ 308 oder einem „Lernverbund“ 309. Gleiches gilt auch für den transnationalen Kontext und darüber hinaus auch nicht nur für Richter, sondern für alle beteiligten Akteure. Die Fragmentierung des Seehandelsrechts ist nicht zu beseitigen. Sie muss aber durch wechselseitige Abstimmung gemildert werden. Dass eine solche Abstimmung durch wechselseitige Beobachtung funktionieren kann, zeigen diverse Beispiele. a) Die „Kyzikos“ und die Änderung der Voylayrules Ein erstes Beispiel für eine wechselseitige Beobachtung zwischen staatlichen und privaten Akteuren ist der Fall Seacrystal Shipping Ltd v Bulk Transport Group Shipping Co Ltd.310 Darin hatte das Appelate Committee beim House of Lords die Frage zu entscheiden, ob unter einer so genannten „WIBON“-Klausel („whether in berth or not“) Liegegeld auch dann geschuldet wird, wenn der Anlegeplatz (berth) zwar frei ist, aber aus navigatorischen Gründen (in diesem Fall wegen Nebels) nicht erreicht werden kann. Liegezeit ist der Zeitraum, der für das Löschen und Beladen des Schiffes erforderlich ist. Bei einer normalen Reisecharter wird ein Schiff im Regelfall für eine Reise und nicht etwa für einen vorher bestimmten Zeitraum gechartert. Die gesamten Kosten der Fahrt sind mit der vereinbarten Fracht als Gesamtsumme für die Reise abgegolten. Das heißt, der Beförderer als derjenige, der den Schiffsraum zur Verfügung stellt, hat ein Interesse daran, dass er nach der Reise sein Schiff möglichst schnell wieder verchartern kann. Daher wird in aller Regel für das Laden und Löschen des Schiffs ein bestimmter Zeitraum vereinbart, der als Liegezeit oder lay time bezeichnet wird.311 Diese Liegezeit beginnt zu laufen, wenn das Schiff am vertraglich vereinbarten Ort angekommen ist und wenn der Kapitän oder der Schiffsagent, die im Lager des Beförderers stehen, die Bereitschaft zum Laden oder Löschen angezeigt haben. Wird von diesem Zeitpunkt an die Liegezeit überschritten, schuldet der Charterer dem Beförderer Liegegeld, denn die Überliegezeit ist nicht mit der Fracht abgegolten.312 Die Vereinbarung der Liegezeit kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Sie kann nach Werk- oder Kalendertagen berechnet sein, sie kann aber auch nach Ladungsmenge oder Lade- und Löschkapazität des Schiffes be
308 Rosas, Der Europäische Gerichtshof im Kontext: Formen und Modelle richterlichen Dialogs, 2007 EJLS, 1–18. 309 Vosskuhle, Der europäische Verfassungsgerichtsverbund, 2009, S. 22. 310 The Kyzikos [1988] 1989 A.C. 1264. 311 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 138. 312 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 138.
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stimmt sein oder es können zu Gunsten des Charterers Umstände wie zum Beispiel, ob das Wetter das Laden oder Löschen erlaubt, berücksichtigt werden.313 Insgesamt geht es bei Vereinbarungen über die Liegezeit also um die Verteilung des Verzögerungsrisikos zwischen den Parteien des Chartervertrages.314 Im vorliegenden Fall war das streitgegenständliche Schiff, die „Kyzikos“, gechartert worden, um eine Ladung Stahl von Italien an den Golf von Mexiko zu befördern. Bei der Ankunft im Bestimmungshafen Houston meldete der Kapitän Löschbereitschaft. Wegen starken Nebels im Hafen von Houston konnte die „Kyzikos“ aber den eigentlich freien Anleger nicht ansteuern, weshalb sich das Löschen des Schiffs um drei Tage verzögerte. Im Chartervertrag war die oben schon erwähnte „WIBON“-Klausel vereinbart, nach der die Liegezeit zu laufen beginnt, ohne dass es darauf ankäme, dass das Schiff bereits angelegt hat („whether in berth or not“). Die entscheidende Frage des Falls war nun, ob die „WIBON“-Klausel für Fälle gilt, in denen der Hafen überfüllt ist und daher kein Anlegeplatz frei ist oder auch auf solche Fälle auszudehnen ist, in denen der Anlegeplatz zwar frei ist, aber aus navigatorischen Gründen (hier: Nebel) nicht angelaufen werden kann. 315 Das House of Lords entschied, dass in Fällen, in denen eine „WIBON“-Klausel vereinbart ist, die Liegezeit dann nicht zu laufen beginnt, wenn ein Liegeplatz zwar frei ist, aber aus navigatorischen Gründen nicht angelaufen werden kann (available but unreachable).316 Dieser Fall hat dazu geführt, dass ein privater Akteur seine der Seeschifffahrt zur Verfügung gestellten Interpretationsregeln auf Grund des Urteils eines einzigen staatlichen Gerichts geändert hat. Die BIMCO gibt neben den oben bereits erwähnten Vertragsmustern auch Interpretationsregeln heraus. Zu ihnen gehörten die Charterparty Laytime Definitions 1980. Darin gab es unter Punkt 26 folgende Definition: „[…] if the location named for loading/discharging is a berth and if the berth is not immediately accessible to the ship a notice of readiness can be given when the ship has arrived at the port in which the berth is situated.” In der Nachfolgeregelung, den Voyage Charterparty Laytime Interpretation Rules 1993 (VOYLAYRULES 93), hieß es dann aber: „[…] if no loading or discharging berth is available on her arrival the vessel, on reaching any usual waiting-place at or off the port, shall be entitled to tender notice of readiness [...]”. Der Umkehrschluss aus dieser Interpretationsregel lautet also in 313
Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 138. Trappe, Zur Zählung der Liegezeit in der Seeschiffahrt, TranspR 2007, 437–457, S. 445. 315 The Kyzikos [1988] 1989 A.C. 1264, S. 1274. 316 The Kyzikos [1988] 1989 A.C. 1264, S. 1279. 314
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
Übereinstimmung mit der „Kyzikos“-Entscheidung, dass die Ladebereitschaftsanzeige nicht abgegeben werden darf, wenn ein Anlegeplatz zwar „available“ aber nicht „accessible“ ist. So hat die BIMCO mit der Änderung ihrer Interpretationsregeln zu Reisecharterverträgen also die „Kyzikos“-Rechtsprechung nachvollzogen. 317 Dies ist eine Form der wechselseitigen Beobachtung, die letztlich zur Kompatibilisierung von unterschiedlichen Rechtsregimes führt, hier zur Annäherung von staatlicher Rechtsprechung und privat erzeugten Interpretationsregeln für privat erzeugte Musterklauseln. Vor diesem Hintergrund könnte auch die bereits mehrfach angesprochene „Nordholm“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs als wünschenswerter Gegenstand wechselseitiger Beobachtung gesehen werden. Dann müsste die Schifffahrtsbranche darüber nachdenken, die in diesem Fall streitgegenständlichen Klauseln zu ändern und so an die deutsche Rechtsprechung anzupassen. Eine solche Sichtweise wäre aber verfehlt. Der Unterschied zur „Nordholm“-Entscheidung liegt darin, dass im Fall „Kyzikos“ die Entscheidung eines staatlichen Gerichts auf eine tatsächlich vorhandene Unklarheit in den Auslegungsregeln hingewiesen hat und diese Regeln dann unter Berücksichtigung der von der Schifffahrtsbranche gewollten Risikoverteilung geändert wurden. Das staatliche Gericht hat aber die VOYLAYRULES als geltend angenommen und tatsächlich angewendet, ist dabei aber zu einer Auslegung gekommen, die zwar vertretbar, aber von der Schifffahrtsbranche nicht beabsichtigt war. Im Fall „Nordholm“ hingegen wurden Klauseln des Chartervertrags gar nicht angewendet, sondern für unwirksam erklärt. Die Schifffahrtsbranche könnte darauf freilich mit einer Abschaffung der entsprechenden Klauseln reagieren. Wechselseitige Beobachtung ist aber nicht mit bedingungslosem Gehorsam gleichzusetzen. Vielmehr wäre die Beibehaltung der Chartervertragsklauseln nach der „Nordholm“-Entscheidung ein Zeichen für staatliche Gerichte, dass die Schifffahrtsbranche nicht bereit ist, die beanstandeten Regeln aufzugeben. Hier wäre es nach den vorangegangenen Überlegungen zu einem transnational verstandenen Kollisionsrecht Aufgabe der Gerichte, eine Kollisionsregel zu finden, die gerade keine inhaltliche Entscheidung des Falls betrifft, sondern eine Vorrangregel begründet. 317
Zu dieser Einschätzung insbesondere auf die Kausalität zwischen der „Kyzikos“Entscheidung und der Anpassung der VOYLAYRULES 93 gelangt auch Honka, Harmonization of Contract Law Through International Trade, 1996 Tul.Eur.& Civ.L.F., 111– 184, S. 149, Fn. 159. Siehe zur Anwendung der Entscheidung auch auf die „GENCON”Charter Aspragkathou, Review of the Gencon Charter Clauses for the Commencement of Laytime: Analysis of the „Time Lost in Waiting for a Berth to Count as Laytime of Time on Demurrage“ Clause, 2007 J.Mar.L. & Com., 603–615, S. 608.
D. Reaktionsmöglichkeiten von Staat und Seehandelspraxis
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b) Auslegung im deutschen Recht nach englischem Rechtsverständnis Ein anderes Beispiel für die wechselseitige Beobachtung von Rechtsakteuren ist ein Fall, den der Bundesgerichtshof im Jahr 1991 entschieden hat.318 Darin stritten die Parteien eines Chartervertrages über einen Fautfrachtanspruch. Fautfracht heißt die Entschädigung, die dem Beförderer zusteht, wenn der Versender vom Vertrag zurücktritt.319 In dem fraglichen Fall hatten die Parteien unter Verwendung des „GENCON“-Charterformulars einen Vertrag über den Transport von Holzschnitzeln vereinbart. Der Transport sollte in Teilmengen erfolgen. Nachdem der Befrachter bereits mehrfach Teilmengen hatte transportieren lassen, wechselte er nach einiger Zeit den Vertragspartner. Der klagende Verfrachter machte deshalb Fautfracht geltend. Das in englischer Sprache verfasste verwendete „GENCON“-Charterformular enthielt unter Ziff. 12 folgende Klausel, die eine Haftung für Nichterfüllung ausschließt: „Indemnity for non-performance of this Charterparty, proved damages, not exceeding estimated amount of freight.“ Neben anderen Rechtsfragen hatte das Gericht im Zusammenhang mit dieser Klausel zu entscheiden, ob der auf § 580 HGB 320 gestützte Fautfrachtanspruch durch die Haftungsausschlussklausel in Ziff. 12 des „GENCON“-Formulars wirksam abbedungen worden ist. Dabei stellte das Gericht zunächst fest, dass der Umstand, dass der Vertrag in englischer Sprache abgefasst sei, nicht notwendigerweise bedeute, dass auch englisches Recht anwendbar sei. 321 In Abweichung zur Rechtsprechung des Reichsgerichts322 nahmen die Richter des Bundesgerichtshofs aber an, dass eine englischsprachige Klausel auch dann nach englischem Rechtsverständnis ausgelegt werden könne, wenn deutsches Recht zur Anwendung komme.323 Da die in englischer Sprache verfassten Vertragsformulare zahlreiche dem angelsächsischen Rechtsdenken entnommene Begriffe enthielten, seien die entsprechenden Klauseln auch 318
BGH NJW-RR 1992, 423–426. Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 29. 320 § 580 HGB: „(1) Der Befrachter kann vor dem Antritt der Reise, sei diese eine einfache oder eine zusammengesetzte, von dem Vertrag unter der Verpflichtung zurücktreten, die Hälfte der bedungenen Fracht als Fautfracht zu zahlen. (2) Im Sinne dieser Vorschrift wird die Reise schon dann als angetreten erachtet: 1. wenn der Befrachter den Kapitän bereits abgefertigt hat; 2. wenn er die Ladung bereits ganz oder zu einem Teil geliefert hat und die Wartezeit verstrichen ist.“ 321 BGH, NJW-RR 1992, 423–426, S. 424. 322 Reichsgericht 1883, RGZE 11, 100–111, S. 105. 323 BGH, NJW-RR 1992, 423–426, S. 425 („Der Umstand, dass sie [die Klausel] – ebenso wie weite Teile des Frachtvertrags – in englischer Sprache abgefasst ist, besagt […] nichts darüber, dass englisches Recht anzuwenden wäre. Damit ist indessen nicht entschieden, dass diese englischsprachige Klausel auch nach deutschem Rechtsverständnis zu interpretieren wäre.“). 319
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
nach dem Rechtsverständnis desjenigen Landes zu beurteilen, in dem sie entwickelt worden seien.324 Dass der Bundesgerichtshof letztlich in diesem konkreten Fall zu einer Wirksamkeit der Klausel kam, obwohl eine Auslegung nach englischem Rechtsverständnis zu Zweifeln an deren Wirksamkeit geführt hat, hatte seinen Grund in dem Umstand, dass das Gericht beiden Parteien die Vereinbarung unterstellt hat, die Klausel in Kenntnis ihrer möglichen Unwirksamkeit nach englischem Recht, doch nach deutschem Rechtsverständnis ausgelegt haben zu wollen. 325 Darauf aber kommt es hier nicht an. Die Kernaussage der Entscheidung ist, dass vom Gericht unter Umständen auch dann das Rechtsdenken eines anderen staatlichen Rechts berücksichtigt werden muss, wenn deutsches Recht zur Anwendung kommt. An dieser Entscheidung gibt es unter dem Aspekt der wechselseitigen Beobachtung noch zwei weitere interessante Punkte. Zum einen weist die Revision der „GENCON“-Charter von 1994 die hier streitgegenständliche Indemnity-Klausel, deren Wirksamkeit im englischen Recht ausgesprochen umstritten war326, nicht mehr auf. Zwar gibt es keinen Beleg für diese Annahme, aber es liegt doch zumindest nahe, dass auch hier eine Anpassung der „GENCON“-Charter durch die BIMCO erfolgt ist, um das Vertragsformular an dieser Stelle der englischen Rechtspraxis anzupassen. Zum anderen ist an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs interessant, dass sich das Gericht – zwar neben anderen Belegen – auch auf einen Schiedsspruch bezieht.327 Es handelt sich dabei um einen der wenigen Bezüge von staatlichen Gerichten auf private Schiedsgerichte.328 c) Ein Musterfall Nahezu mustergültig im Sinne einer wechselseitigen Beobachtung anderer staatlicher Gerichte und privat erzeugter Normen erscheint eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 1981.329 In dem zu entscheidenden Fall kam es streitentscheidend auf die Auslegung einer Chartervertragsklausel an. Bei der Auslegung der Klausel bezog sich das Oberlandesgericht auf deutsche schiedsgerichtliche Rechtsprechung (sic!), seerechtliche Literatur in England, Deutschland und den USA, die Charterparty Laytime Definitions (die Vorgängerregeln der VOYLAYRULES 324
BGH, NJW-RR 1992, 423–426, S. 425. BGH, NJW-RR 1992, 423–426, S. 425. 326 Siehe dazu auch Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1950, S. 363 und Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, § 580, Rn. 10. 327 In BGH, NJW-RR 1992, 423–426, S. 425 bezieht sich das Gericht auf einen in der Hansa 54, S. 510 abgedruckten Schiedsspruch. 328 Ein weiterer findet sich in BGH VersR 1983, 479–481. 329 OLG Düsseldorf VersR 1982, 1139–1141. 325
D. Reaktionsmöglichkeiten von Staat und Seehandelspraxis
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93), mit dem Seehandel befasste Verbände, auf die im Handelsverkehr gebräuchlichen Klauseln, Handelsbräuche und Verkehrssitten. Eine so umfassende Beobachtung der seerechtlichen „Umwelt“ ist jedoch selten. Nach der hier vertretenen Auffassung ist aber genau das erforderlich. Zurückkommend auf das oben vorgestellte kollisionsrechtliche Paradigma hat das OLG Düsseldorf hier unausgesprochen eine Kollisionsregel formuliert und angewendet, die wie folgt übersetzt werden könnte: „Ist eine Klausel des internationalen Seehandels auszulegen, so ist die Auslegung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung ausländischer staatlicher Gerichte wie auch von privaten Schiedsgerichten sowie privat erzeugten Regeln des Seehandels vorzunehmen.“
Diese Kollisionsregel hat das Gericht zwar möglicherweise bewusst, aber eben unausgesprochen angewendet. Die hier postulierte wechselseitige Beobachtung auch ausländischer und privater Akteure hat aber dennoch stattgefunden. 4. Zusammenfassung und These Die Entwicklung des Seehandelsrechts findet auf privater und staatlicher Ebene gleichermaßen statt. Für eine konsistente und einheitliche Rechtsentwicklung ist es erforderlich, dass 1.) private Schiedsgerichte ein Bewusstsein für ihre Rolle im Entstehungsprozess eines transnationalen Rechts erkennen und ihre Entscheidungen und Gründe einer breiten Fachöffentlichkeit leicht zugänglich machen und 2.) sowohl private wie auch staatliche Akteure einander wechselseitig beobachten und konsistent entscheiden. Die Beobachtung der staatlichen Gerichtsbarkeit durch private Akteure ist in aller Regel gegeben. Das zeigt sich exemplarisch an der Anpassung von privat erzeugten Vertragsmustern und Interpretationsregeln. Eine Beobachtung der privaten Akteure durch staatliche Gerichte ist hingegen die Ausnahme. Ein vorbildliches Beispiel für eine solche wechselseitige Beobachtung stellt das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf dar, in dem sowohl auf private als auch auf staatliche Akteure im In- und Ausland Bezug genommen worden ist, um so zu einer Auslegung einer Vertragsklausel zu kommen, die mit der seehandelsrechtlichen Praxis weltweit weitgehend konsistent ist. Solange aber staatliche Gerichte nationalstaatlichem Recht unter allen Umständen Vorrang einräumen, kann eine konsistente Entwicklung eines transnationalen Seehandelsrechts kaum erfolgen. Vielmehr birgt ein vehementes Insistieren staatlicher Gerichte auf den Grundsätzen „ihres“ Rechts eine erhebliche Gefahr für die internationale Bedeutung des jeweiligen nationalstaatlichen Rechts. Ein Beispiel für ein solches Beharren ist der oben besprochene „Nordholm“-Fall, in dem ein Chartervertragsformular der BIMCO einer AGB-Kontrolle unterzogen worden war. Paradigmatisch für dieses Vorgehen ist auch die „Lufthansa“-
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Zweites Kapitel: Maritime Rechtsprechung
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.330 Darin hat das Gericht ausgeführt: „Das inländische Interesse an einem wirksamen und unbeschränkten Verbraucherschutz geht in diesem Fall dem Streben nach internationaler Rechtseinheitlichkeit vor.“331 Zwar ging es in dieser Entscheidung in der Tat um Verbraucherrechte und nicht etwa um einen Fall, der Handelsrecht unterliegt. Jedoch ist die Stoßrichtung, dass nationalstaatlichen Besonderheiten der Vorrang vor den Belangen grenzüberschreitender Sachverhalte eingeräumt wird, in unterschiedlichen Kontexten zu beobachten. Die „Nordholm“-Entscheidung ist auch hier wieder zu nennen, gerade weil sich das Gericht mit keinem Wort mit der Internationalität des Sachverhalts und der „GENCON“-Vertragsklauseln auseinander gesetzt hat. Vor allem in Bezug auf das Seehandelsrecht ist einer solchen Ignoranz entgegenzuhalten, dass die einzige Verbindung zwischen einem Chartervertrag und dem staatlichen Recht eine Rechtswahl-, Gerichtsstands- oder Schiedsklausel ist, die durch das Einfügen der Worte „Hamburg“ oder „London“ oder aber durch einen Verweis auf ein staatliches Recht oder allgemeine Grundsätze des Seehandels darüber entscheidet, welches staatliche oder privat erzeugte Recht anzuwenden ist. Bei einer derart brüchigen Verknüpfung ist es unbedingt angezeigt, den internationalen Auffassungen wie auch den Rechtsetzungskräften privater Organisationen deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken.332
330
BGH NJW 1983, 1323–1326. BGH NJW 1983, 1323–1326, S. 1324. So auch der Schiedsspruch des Deutschen Seeschiedsgerichts Hamburg, VersR 1986, S. 56. 331 332
Drittes Kapitel
Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel „In maritime law, as in all law generally, there can be no right without some effective procedure to enforce it.“1 „Gläubiger suchen […] den Arrestort aus, wenn sie irgend können; Deutschland ist unbeliebt.“2
Nachdem es bislang darum ging, ein transnationales Seehandelsrecht im Rahmen von Rechtsetzung und Rechtsprechung zu identifizieren, geht es nun um eine Untersuchung der dritten Stufe der Verrechtlichung: der Rechtsdurchsetzung. Für die Gläubiger zum Beispiel eines Reeders stellt sich in diesem Zusammenhang oftmals ein erhebliches Problem: Der Schuldner befindet sich im Ausland. Gläubiger können in diesem Zusammenhang die verschiedensten Dienstleister sein wie zum Beispiel Schlepper, Bergehelfer, Lotsen, Werften, aber auch Gläubiger deliktischer Forderungen aus dem Zusammenstoß mit einem Schiff. Dabei kann es nicht nur problematisch sein, einen bestehenden Anspruch im Ausland zu verfolgen. Der Gläubiger kennt oft das entsprechende Recht nicht, ist weit entfernt von Gerichten und Verfahrensorten, beherrscht die Sprache nicht, kann sich keinen Rechtsrat einholen etc. Es kann darüber hinaus aber auch problematisch sein, einen gerichtlich bereits festgestellten Anspruch tatsächlich zu vollstrecken. Oftmals ist es vor diesem Hintergrund nicht lohnend, in einen Rechtsstreit einzutreten. Doch das Seehandelsrecht bringt demgegenüber einen enormen Vorteil zu anderen Formen des Außenhandels mit sich. Ein nicht unbedeutender Teil des Vermögens des Reeders – wenn nicht das gesamte Vermögen wie
1 Tetley, Arrest, Attachement, and Related Maritime Law Procedures, 1999 Tul.L.Rev., 1895–1985, S. 1972. 2 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 338.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
zum Beispiel bei der Ein-Schiff-Gesellschaft – ist nämlich ausgesprochen mobil: das Schiff. So hat der Gläubiger zumindest in den meisten Fällen eine gute Chance, auf das Vermögen des Reeders zuzugreifen. Die Rechtslage ist jedoch kompliziert, nicht zuletzt auch, weil die Fallgestaltungen mannigfaltig sind. Im Folgenden sollen verschiedene derartige Fallgestaltungen untersucht werden. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Gläubiger seinen Sitz in Deutschland hat. An entscheidenden Stellen wird aber auch eine rechtsvergleichende Perspektive eingenommen.
A. Klage- und Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten des Gläubigers im Inland A. Klage- und Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten des Gläubigers im Inland
Haben sowohl Gläubiger als auch Schuldner ihren Sitz in Deutschland oder ist auf Grund einer Vereinbarung als Gerichtsstand Deutschland gewählt und deutsches Recht vereinbart, ergeben sich kaum Probleme im Zusammenhang mit Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung. Es gelten die allgemeinen zivilprozessualen Regeln.3 Lediglich § 488 HGB enthält eine Sonderregelung für die Seeschifffahrt, die einen besonderen Gerichtsstand des Reeders am Heimathafen begründet. 4 Zudem enthalten die §§ 738– 738b HGB Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit und Wirkungen der Rechtshängigkeit bei Schiffszusammenstößen. 5 Eine Besonderheit im Zusammenhang mit dem Gerichtsstand beinhaltet Art. 21 der HamburgRegeln von 1978. Nach dieser Vorschrift hat der Kläger die Wahl, den Beklagten entweder erstens am Ort der Hauptniederlassung oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten, zweitens am Ort des Vertragsschlusses, sofern der Beklagte dort eine Niederlassung hat, durch die der Vertrag abgeschlossen worden ist, drittens am Ort des Lade- oder Löschhafens oder viertens an einem vertraglich vereinbarten Ort zu verklagen. 6 Zwar hat Deutschland die Hamburg-Regeln nicht ratifiziert oder in nationales Recht umgesetzt, sie können jedoch mithilfe einer so genannten „Paramount Clause“ in einen Frachtvertrag, einen Chartervertrag oder ein Konnosse 3
Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 433. § 488 HGB: „Der Reeder als solcher kann vor dem Gericht des Heimathafens (§ 480) verklagt werden. § 738 bleibt unberührt.“ Heimathafen ist gemäß § 480 HGB der Hafen, „von dem aus die Seefahrt mit dem Schiff betrieben wird.“ 5 Zu den Einzelheiten dieser Regelungen siehe Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, § 488 und §§ 738 ff. HGB sowie Prüssmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2000, § 488 und §§ 738 ff. HGB. 6 Siehe im Einzelnen Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 434 f. 4
B. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland
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ment einbezogen werden. Eine Paramount-Klausel hat in der Regel den Inhalt, dass unabhängig von allen anderen Vereinbarungen des Vertrages und ungeachtet der anwendbaren Rechtsordnung die Regeln eines internationalen Übereinkommens – also auch der Hamburg-Regeln – zur Anwendung kommen sollen.7 Durch die Verwendung einer solchen Klausel wird erreicht, dass sich der Verfrachter nicht auf haftungsbeschränkende Klauseln berufen kann, die der Mindesthaftung der Hamburg-Regeln zuwiderlaufen. Paramount-Klauseln sind regelmäßig von den Gerichten auch von Nichtmitgliedstaaten der jeweiligen internationalen Übereinkommen zu berücksichtigen. 8 Da aber eine kollisionsrechtliche Verweisung nur auf staatliches Recht, nicht aber auch internationale Übereinkommen möglich ist, müssen sich die in Bezug genommenen Übereinkommen aufgrund lediglich materiellrechtlicher Verweisung am zwingenden Recht der gewählten oder aufgrund objektiver Anknüpfung anwendbaren Rechtsordnung messen lassen.9
B. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland B. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland
Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland gelten ebenfalls grundsätzlich die Vorschriften der ZPO. Insoweit gelten im Seehandelsrecht keine Besonderheiten.10 I. Anerkennung gemäß § 328 ZPO Die Anerkennung ausländischer Urteile richtet sich nach § 328 ZPO. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Anerkennung eines ausländischen Urteils ohne besonderes Verfahren kraft Gesetzes. 11 Jedoch muss auf diese Vorschrift
7 Zu einer entsprechenden Paramount-Klausel über die Einbeziehung der Haager Regeln siehe OLG Hamburg, TranspR 1991, 185–187, S. 185. 8 Siehe zu Paramount Clauses und ihrer Bedeutung ausführlich Baatz, Clauses Paramount in Time Charters, 2008, 177–197; Mankowski, Jurisdiction Clauses und Paramount Clauses nach dem Inkrafttreten der Hamburg Rules, TranspR 1992, 301–313, S. 303 f.; Herber, Haftung nach Haager Regeln, Haag/Visby-Regeln und Hamburg Regeln, TranspR 1995, 261–266, S. 263 f.; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 435 f. 9 Hartenstein/Reuschle, Handbuch des Fachanwalts Transport- und Speditionsrecht, 2010, S. 173 m.w.N. 10 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 437. 11 Dörner in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 328, Rn. 1.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
nur zurückgegriffen werden, wenn nicht vorrangig europäisches Recht oder völkerrechtliche Anerkennungsverträge eingreifen.12 II. Anerkennung nach zwischenstaatlichen Übereinkommen und europäischem Recht Im Zusammenhang mit dem Handelsrecht stehen für die Anerkennung ausländischer Urteile in Deutschland drei internationale Regelwerke im Zentrum der Betrachtung: 1.) das Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ); 2.) das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.198813 (LugÜ) und 3.) die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.200014 (EuGVVO). Neben diesen Regelungen gibt es noch eine ganze Reihe von bilateralen Abkommen und Spezialregelungen, die für diese Untersuchung aber wenig relevant sind.15 Die Rechtslage im Einzelnen ist kompliziert, insbesondere weil sich die unterschiedlichen Anerkennungsregeln teilweise überlagern.16 Auf spezielle Einzelfälle, die zum Beispiel auch durch neben diesen multilateralen Abkommen bestehenden bilateralen Regelungen begründet werden, soll hier nicht näher eingegangen werden. Zunächst soll hier auf die Hintergründe der unterschiedlichen Regelungen eingegangen werden, bevor dann deren überwiegend inhaltsgleiche Regelungen kurz dargestellt werden. 1. EuGVÜ Das EuGVÜ geht zurück auf Art. 220 EGV, wonach die Mitgliedstaaten den Auftrag hatten, „Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen“ zu vereinfachen. Nachdem die Vorarbeiten für das Abkommen bereits im Jahr 1960 begonnen hatten, trat es am 01.02.1973 in den sechs Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft in Kraft.17 Im Zuge des Beitritts weiterer Staaten zur Euro-
12 Gottwald in Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2008, § 328, Rn. 15. 13 ABl. EG Nr. L 319 vom 25.11.1988. 14 ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1. 15 Siehe dazu im Einzelnen Dörner in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 328, Rn. 87 ff. 16 Dörner in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 328, Rn. 87. 17 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 34.
B. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland
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päischen Gemeinschaft wurde das EuGVÜ viermal überarbeitet und neu gefasst.18 2. LugÜ Das LugÜ geht zurück auf eine Benachteiligung von Drittstaatsangehörigen durch das EuGVÜ, die sich auch in der später entstandenen EuGVVO fortsetzt: Gemäß Art 3 Abs. 2 EuGVÜ/EuGVVO können gegen Beklagte, die Angehörige eines Mitgliedstaates des EuGVÜ/der EuGVVO sind, keine exorbitanten Gerichtsstände begründet werden, Gerichtsstände also, die sich auf aus dem Rahmen fallende Zuständigkeitsmerkmale stützen, die international oftmals nicht anerkannt sind.19 In Deutschland ist dies gemäß Art. 3 EuGVÜ der Vermögensgerichtsstand gemäß § 23 ZPO. Gegen Beklagte, die Angehörige dritter Staaten sind, ist die Begründung exorbitanter Gerichtsstände aber weiterhin möglich. Diese Benachteiligung wird dann dadurch noch verschärft, dass ein gegen einen Drittstaatsangehörigen ergangenes Urteil gemäß Art. 25ff. EuGVÜ/Art. 32ff. EuGVVO auch dann in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden kann, wenn gegen den Drittstaatsangehörigen ein exorbitanter Gerichtsstand begründet war.20 Ein Beispiel: In Großbritannien ist es möglich, die Zuständigkeit eines nationalen Gerichts zu begründen, wenn eine Klage an den Beklagten zugestellt wird, während der nur vorübergehend im Land ist. Macht also ein amerikanischer Geschäftsmann eine Geschäftsreise nach London und wird ihm während seines Aufenthaltes dort eine Klage zugestellt, ist die Zuständigkeit eines britischen Gerichts begründet. Ein daraufhin ergangenes Urteil kann in jedem Mitgliedstaat des EuGVÜ/der EuGVVO vollstreckt werden. Das ist für einen britischen Kläger vor allem dann interessant, wenn der amerikanische Geschäftsmann Vermögen zum Beispiel in Frankreich hat. Obwohl ein solcher Fall bislang nicht bekannt geworden ist21, ist bereits früh von amerikanischer Seite erbitterte Kritik an der Regel geübt worden.22 Für den Seehandel ist dieser Umstand äußerst wichtig. Hat ein Gläubiger innerhalb eines Mitgliedstaates ein Urteil gegen einen Reeder erwirkt, der Drittstaatsangehöriger ist, so kann aus dem Urteil in jedem Mitgliedstaat zum Beispiel in das Schiff des Reeders vollstreckt werden. Die Staaten der europäischen Freihandelszone EFTA haben diese Nachteile durch den Abschluss des LugÜ überwunden, das nahe 18
Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 35. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 90. 20 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 46. 21 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 46, Fn. 1. 22 Nadelmann, Jurisdictionally Improper Fora in treaties on Recognition of Judgements: The Common Market Draft, 1967 Colum.L.Rev., 995–1023, insbesondere S. 1002 ff. 19
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
zu wortgleich die Inhalte des EuGVÜ auf die EFTA-Staaten Island, Schweiz und Norwegen ausdehnt.23 3. EuGVVO Die EuGVVO schließlich geht auf den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997 (in Kraft getreten am 01.05.1999) zurück. Durch dessen Art. 61c und 65 ist die Zuständigkeit für Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit auf die EG übertragen worden. Diese neuen Befugnisse wurden umgehend genutzt, um neue Verordnungen zu erlassen, von denen die Wichtigste die Verordnung (EG) Nr. 44/2001, die EuGVVO, ist. 24 Was aber als Harmonisierungsmaßnahme gedacht war, führt auf Grund von Vorbehalten des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks (Art. 69 EGV) gegen Maßnahmen nach Art. 61 EGV zu weiterer Zersplitterung. Zwar haben das Vereinigte Königreich und Irland durch Mitteilung an den Rat erklärt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung der EuGVVO beteiligen wollen, jedoch verblieb es gegenüber Dänemark bei der Anwendung des EuGVÜ.25 Das hat sich nunmehr jedoch geändert. Für Dänemark gilt kraft völkerrechtlicher Vereinbarung nun auch die EuGVVO. Das EuGVÜ findet daher lediglich noch auf Altfälle Anwendung.26 4. Inhaltliche Regelungen Auch wenn hier durch Normenhäufung im Einzelfall geradezu pathologische Strukturen entstanden sind27, ist es doch im Grundsatz dabei geblieben, dass Urteile eines Mitgliedstaates des EuGVÜ/der EuGVVO/des LugÜ in jedem anderen Mitgliedstaat ohne weiteres förmliches Verfahren durch das Gericht oder die Behörde anerkannt und vollstreckt werden können, sofern die Voraussetzungen der Regelwerke vorliegen. Dazu gehört insbesondere der Umstand, dass es sich erstens um eine Zivil- oder Handelssache handelt, zweitens muss das Erstgericht international zuständig gewesen sein, drittens muss das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten, der sich auf den Rechtsstreit nicht eingelassen hat, so rechtzeitig zugestellt worden sein, dass er sich angemessen verteidigen konnte, viertens darf die ausländische Entscheidung nicht gegen den ordre public des Zweitstaates verstoßen, fünftens darf die ausländische Entscheidung 23
Dörner in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, EuGVVO Vorbem., Rn. 7. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 48. 25 Dörner in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, Vorbem. EuGVVO, Rn. 2. 26 Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 157. 27 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 49; Schack, Die EGKommission auf dem Holzweg von Amsterdam, ZEuP 1999, 805–808, S. 807. 24
C. Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile im Ausland
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nicht im Widerspruch zu einer deutschen Entscheidung derselben Parteien in derselben Sache stehen, sechstens darf kein Widerspruch zu einer drittstaatlichen Entscheidung in derselben Sache mit denselben Parteien bestehen und schließlich kann der Zweitstaat siebtens einen Kollisionsrechtsvorbehalt geltend machen, wonach die ausländische Entscheidung nicht von dem Ergebnis abweichen darf, das sich bei Anwendung zweitstaatlichen Kollisionsrechts bei der Beurteilung bestimmter Vorfragen ergeben hätte.28 Für die Urteile aus Drittstaaten gilt § 328 ZPO, wonach die Anerkennung grundsätzlich automatisch erfolgt. Die Anerkennung ist nach dieser Vorschrift lediglich ausgeschlossen, wenn erstens die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind, wenn zweitens dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, wenn drittens das Urteil mit einem in Deutschland erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher in Deutschland rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist, wenn viertens die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist, und schließlich fünftens, wenn die Gegenseitigkeit, also die wechselseitige Anerkennung von Urteilen der jeweiligen Staaten, nicht verbürgt ist.
C. Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile im Ausland C. Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile im Ausland
Für die Anerkennung deutscher Urteile im Ausland gilt das zuvor Gesagte spiegelverkehrt. In den Mitgliedstaaten des EuGVÜ/der EuGVVO/des LugÜ werden deutsche Urteile nach Maßgabe dieser Regelwerke anerkannt und vollstreckt. In Drittstaaten hängt die Anerkennung entweder von bilateralen Abkommen oder vom nationalstaatlichen autonomen Recht ab. 29
28 Siehe hierzu im Einzelnen zum Beispiel Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 157 f. 29 Gottwald in Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2007, Anh. zu § 723, Rn. 1. Für eine umfassende Übersicht über die Anerkennungsregeln innerhalb der europäischen und einiger außereuropäischer Staaten siehe Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 2007, § 14 und Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 233 ff.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
Grundsätzlich gilt aber, dass kein Staat verpflichtet ist, die Urteile ausländischer Gerichte anzuerkennen und die Vollstreckung daraus zuzulassen.30
D. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen D. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen
Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Streitigkeiten im Seehandel vor Schiedsgerichten verhandelt wird, gewinnt deren Anerkennung und Vollstreckung besondere Bedeutung. Im Zentrum steht dabei das UNÜbereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (New-York-Übereinkommen oder UNÜ).31 Neben das UNÜ treten eine ganze Reihe weiterer internationale Abkommen, darunter insbesondere das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.04.1961 32 sowie das Genfer Protokoll vom 24.09.1923 über die Schiedsklauseln und das Genfer Abkommen vom 26.09.1927 zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. 33 In Deutschland ist die Anerkennung von Schiedssprüchen in der Zivilprozessordnung geregelt. Es sei allerdings auch vorausgeschickt, dass die weit überwiegende Zahl der Schiedssprüche von der unterlegenen Partei freiwillig erfüllt wird.34 I. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach der ZPO In der Zivilprozessordnung regeln deren §§ 1060 und 1061 die Anerkennung inländischer und ausländischer Schiedssprüche.
30
Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 2007, S. 693. BGBl. 1961 II, S. 121; einsehbar in der verbindlichen englischen Fassung unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention.html (zuletzt besucht am 06.02.2012). Die nicht verbindliche deutsche Fassung ist zum Beispiel abgedruckt in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, Anhang I zu § 1061. 32 Siehe dazu im Einzelnen Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 2007, S. 826 ff. 33 Siehe dazu jeweils Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 2007, S. 832 ff. 34 Streit/Mangels, Privatautonomes Recht und grenzüberschreitende Transaktionen, ORDO 1996, 73–100, S. 88, die von ca. 90 % freiwilliger Erfüllung der Schiedssprüche ausgehen, zugleich aber auch darauf hinweisen, dass diese Zahl auf mündlicher Auskunft beruhe und nicht überprüft werden könne. Belastbarere Daten, die ebenfalls auf ein ausgesprochen hohes Maß an freiwilliger Befolgung von Schiedssprüchen hinweisen, liefern aber Lagerberg/Mistelis, International Arbitration: Corporate Attitudes and Practices, 2008, S. 8–10. 31
D. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen
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1. Inländische Schiedssprüche Ähnlich wie § 722 ZPO ein Verfahren bereithält, Entscheidungen ausländischer Gerichte für vollstreckbar zu erklären, ermöglicht § 1060 ZPO einem staatlichen Gericht, dem Schiedsspruch eines inländischen Schiedsgerichts die Vollstreckbarkeit zu verleihen. 35 Dabei ist der Schiedsspruch gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO für vollstreckbar zu erklären, wenn ein endgültiger Schiedsspruch vorliegt und keine Aufhebungsgründe gemäß § 1059 ZPO eingreifen. Aufhebungsgründe nach § 1059 ZPO sind die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung (Abs. 2 Nr. 1a), die Verletzung rechtlichen Gehörs (Abs. 2 Nr. 1b), die Abweichung des Gegenstands des Schiedsspruchs von der Schiedsvereinbarung (Abs. 2 Nr. 1c), eine fehlerhafte Besetzung des Schiedsgerichts oder Fehler im schiedsgerichtlichen Verfahren (Abs. 2 Nr. 1d), die fehlende Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands nach deutschem Recht (Abs. 2 Nr. 2a) oder der Verstoß der Anerkennung gegen deutschen ordre public (Abs. 2 Nr. 2b). 36 Diese Aufhebungsgründe sind zwar abschließend normiert und unterliegen damit einem numerus clausus, jedoch bewirkt der „konturenschwache ordre public-Vorbehalt“ eine erhebliche Unsicherheit in der Frage, ob ein Schiedsspruch aufgehoben werden wird oder nicht.37 2. Ausländische Schiedssprüche Für die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche verweist § 1061 ZPO auf das UNÜ. Damit wird nach deutschem autonomem Recht das UNÜ auch auf Schiedssprüche erstreckt, die in Nichtvertragsstaaten ergangen sind.38 Ein ausländischer Schiedsspruch muss nach Art. 3 UNÜ anerkannt werden, wenn keine Versagungsgründe nach Art. 5 UNÜ vorliegen. Diese entsprechen fast vollständig den nationalen Aufhebungsgründen gemäß § 1059 Abs. 2 ZPO, denn diese Vorschrift ist dem UNÜ nachgebildet worden.39 Eine Wirkungserstreckung des ausländischen Schiedsspruchs findet demnach statt, wenn das Schiedsgericht Gerichtsbarkeit über die Schiedsparteien bei Erlass des Schiedsspruchs hatte, der Schiedsspruch nicht le 35
Geimer in Zöller (Hrsg.), Zivilprozessordnung: Kommentar, 2009, § 1060, Rn. 1. Saenger in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 1059, Rn. 7 ff. 37 Geimer in Zöller (Hrsg.), Zivilprozessordnung: Kommentar, 2009, § 1059, Rn. 30. Siehe für eine Systematisierung des ordre public Kühn, Aktuelle Fragen zur Anwendung der New York Konvention von 1958 im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Eine Betrachtung der deutschen Rechtsprechung, SchiedsVZ 2009, 53–61, S. 58 f. 38 Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 184. 39 Münch in Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2008, § 1061, Rn. 11. 36
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
diglich schuldrechtliche Wirkung entfaltet, der Schiedsspruch eine Ziviloder Handelssache betrifft, der Schiedsspruch auf Grund einer gültigen Schiedsvereinbarung ergangen ist, der unterlegenen Partei ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden ist, die Bildung des Schiedsgerichts und das Schiedsverfahren dem von den Parteien gewählten Schiedsverfahrensrecht entsprochen haben, der Schiedsspruch für die Parteien verbindlich geworden ist, der Streitgegenstand nach deutschem Recht schiedsfähig ist und schließlich wenn der Schiedsspruch nicht gegen deutschen ordre public verstößt. 40 Interessant im Zusammenhang mit der seerechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit ist dabei ein Fall, den der Bundesgerichtshof im Jahr 2001 entschieden hatte.41 Soweit ersichtlich handelt es sich dabei um den einzigen Fall, in dem ein Schiedsspruch der LMAA Gegenstand eines Verfahrens vor dem BGH war. Das Oberlandegericht Stuttgart hatte die Vollstreckbarerklärung abgelehnt, weil der Fall nicht von einem Spruchkörper, sondern von einem Einzelrichter entschieden worden war. Die Beklagte war ihrer Pflicht nicht nachgekommen, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen, weil sie den von der Klägerin benannten Schiedsrichter für befangen hielt. Der Bundesgerichtshof ließ aber die Vollstreckung des Schiedsspruchs mit der Begründung zu, die Beklagte habe innerhalb des Schiedsverfahrens Rechtsschutzmöglichkeiten ungenutzt gelassen, die ihr offen gestanden hätten.42 II. Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im Ausland Während die Anerkennung von gerichtlichen Urteilen außerhalb des Geltungsbereichs von EuGVÜ, EuGVVO und LugÜ mit Ausnahme weniger bilateraler Abkommen vom jeweiligen autonomen Recht desjenigen Staates abhängt, in dem anerkannt werden soll, genießen Schiedssprüche auf Grund des UNÜ weitgehende Freizügigkeit 43 , was für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit einen enormen Bedeutungszuwachs mit sich bringt.44 Mittlerweile sind 144 Staaten dem UNÜ beigetreten45, innerhalb derer Schiedssprüche anderer Staaten weitgehend anerkannt werden. Die
40 Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 187 f. 41 BGH NJW-RR 2001, 1059–1061. 42 BGH NJW-RR 2001, 1059–1061, S. 1061. 43 Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 215. 44 Kröll, 50 Jahre UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche – Standortbestimmung und Zukunftsperspektiven, SchiedsVZ 2009, 40–53, S. 41. 45 Der aktuelle Stand kann jeweils unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_ texts/arbitration/NYConvention_status.html (zuletzt besucht am 06.02.2012) eingesehen werden.
E. Der Schiffsarrest
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Bereitschaft von Staaten, internationale Schiedssprüche viel eher anzuerkennen als gerichtliche Urteile, die in anderen Staaten ergangen sind, ist mit unterschiedlichen Schutzbedürftigkeiten zu begründen. Wer sich selbst seines gesetzlichen Richters begibt, indem er eine Schiedsvereinbarung abschließt, ist nicht so schutzwürdig wie derjenige, der sein Recht auf den gesetzlichen Richter geltend macht.46 Jedoch enthält auch das UNÜ einen ordre public-Vorbehalt, so dass dem Anerkennungsstaat die Möglichkeit verbleibt, einem Schiedsspruch, der gegen seine öffentliche Ordnung verstößt, die Anerkennung zu versagen.47
E. Der Schiffsarrest E. Der Schiffsarrest
Neben der Vollstreckung von ausländischen Urteilen oder Schiedssprüchen ist aber ein ganz anderes Institut des Seerechts von besonderer Bedeutung für die Durchsetzung von Ansprüchen insbesondere gegen Reeder: der Schiffsarrest. I. Arrest Zwar ist der Arrest keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme im eigentlichen Sinne, sondern eine Maßnahme im einstweiligen Rechtsschutz. Jedoch sichert der Arrest die Zwangsvollstreckung und gehört damit zu einer Erörterung der Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel. Der Arrest ist ein scharfes Schwert. Erwirkt der Gläubiger eines Reeders einen Arrest, so wird das Schiff gepfändet und „in die Kette“ gelegt, indem früher um das ganze Schiff eine Kette gespannt wurde und heute eine symbolische Kette mit Amtssiegel des Gerichtsvollziehers in die Speichen des Ruderrades gelegt wird.48 Um das Schiff wieder frei zu bekommen, wird der Schuldner in aller Regel Sicherheit leisten, was wiederum für den Gläubiger eine Vollstreckungschance sichert.49 Im Zusammenspiel von § 917 ZPO und § 23 ZPO, der einen Vermögensgerichtsstand begründet, hat der Gläubiger die Möglichkeit „zuzuschlagen“, sobald sich das Schiff des Schuldners in einem deutschen Hafen befindet.50 46
Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten, 2009, S. 215. 47 Siehe dazu ausführlich Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991, S. 219 ff. 48 Weil das Schiff mit der Kette umspannt wurde, heißt es „in die Kette“ und nicht etwa „an die Kette“ legen, Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 343. 49 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 338. 50 Looks, Die Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 1989, 345–350, S. 345.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
International ist der Arrest in Seeschiffe durch das Übereinkommen vom 10.05.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe geregelt.51 Die Neufassung des Arrest-Übereinkommens durch das entsprechende UN-Übereinkommen aus dem Jahr 1999 ist bislang nicht in Kraft getreten.52 Beide Übereinkommen sind jedoch umstritten. Insbesondere wird kritisiert, dass beide Übereinkommen nur partiellen Schutz für Inhaber von Forderungen bieten, weil lediglich maritime Forderungen erfasst werden, und dass damit die angestrebte internationale Vereinheitlichung nicht erreicht werden könne.53 Die fehlende internationale Vereinheitlichung ist strukturell nicht zuletzt darin begründet, dass das Arrestübereinkommen 1952 in seinem Art. 6 S. 2 regelt, dass sich das Verfahren beim Arrest in ein Schiff nach dem jeweiligen nationalstaatlichen Recht desjenigen Staates richtet, in dem der Arrest vollzogen werden soll. So stellt das Arrestübereinkommen lediglich einen Filter dar. In Staaten, in denen der Arrest leicht zu erlangen ist, bildet es einen Schutz für potenzielle Arrestschuldner. In Deutschland spielt es aber kaum eine Rolle, weil die deutschen Arrestanforderungen in den meisten Fällen ohnehin strenger sind als die vom Arrestübereinkommen vorgegebenen Voraussetzungen.54 Sofern das Abkommen aber zur Anwendung kommt, geht es dem innerstaatlichen deutschen Recht vor. Es gilt nach seinem Art. 8 Abs. 1 in jedem Vertragsstaat für jedes Schiff, das die Flagge eines Vertragsstaats führt. Auf die Nationalität des Schuldners oder des Gläubigers kommt es nicht an.55 Wegen der nationalstaatlichen Prägung des Arrestes soll es im Folgenden zunächst um die deutschen Regelungen gehen, die hier stichwortartig dargestellt werden, bevor es um einen kurzen rechtsvergleichenden Ausblick gehen wird. Wo das Arrestübereinkommen wichtig wird, wird es im Rahmen dieser Darstellung erwähnt. 51
BGBl. 1972 II, S. 653, S. 655. Der Text des Übereinkommens sowie der Status seines Inkrafttretens kann unter http://treaties.un.org/doc/publication/mtdsg/volume ii/chapter xii/xii-8.en.pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012) eingesehen werden. Siehe insgesamt zum Arrestübereinkommen 1999 auch Lynn, A Comment on the New International Convention on Arrest of Ships 1999, 2001 U.Miami L.Rev., 453–485. 53 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 118; Islam, The Arrest of Ship Conventions 1952 and 1999: Disappointment for Maritime Claimants, 2007 J.Mar.L. & Com., 75–81. Differenzierter und im Grundtenor positiver sieht Tetley, Arrest, Attachement, and Related Maritime Law Procedures, 1999 Tul.L.Rev., 1895–1985, S. 1963 ff. das Übereinkommen aus dem Jahr 1999. 54 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 119. 55 Weyand, Arrest in Seeschiffe zur Sicherung von Seeforderungen gegen einfache Zeitcharterer, TranspR 1991, 56–58, S. 56; Kerameus, Subjektive Anwendungsgrenzen des Brüsseler Übereinkommens vom 10. Mai 1952 über den Arrest in Seeschiffe, 1987, 133–139, S. 136 und S. 139. Siehe dazu auch Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 342. 52
E. Der Schiffsarrest
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1. Deutschland Der Arrest in Seeschiffe richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 916ff. ZPO.56 Voraussetzung für den Erlass eines Arrestes ist das Vorliegen eines Arrestanspruchs und eines Arrestgrundes. a) Arrestanspruch Als Arrestanspruch kommt nur eine Geldforderung in Betracht. Der Sicherung durch Arrest unterliegen dabei auch zukünftige Ansprüche, die noch nicht fällig sein müssen. 57 Jedoch muss der geltend gemachte Anspruch klagbar sein (nicht zum Beispiel Ansprüche gegen einen Erben vor Annahme der Erbschaft, § 1958 BGB). 58 Der Arrestanspruch richtet sich in der Regel gegen den Eigentümer des Schiffes, kann aber auch gegen den Ausrüster gerichtet sein. 59 Ausrüster ist nach der Legaldefinition des § 510 HGB, wer ein fremdes Schiff für eigene Rechnung und unter selbstbeschaffter Führung zum Erwerb durch die Seefahrt verwendet. 60 Unter bestimmten Umständen kann auch der Charterer als Ausrüster im Sinne des § 510 HGB angesehen werden und damit Gegner des Arrestanspruchs sein.61 Art. 1 des Arrestübereinkommens 1952 beschränkt jedoch im Verhältnis zu Reedern die Arrestansprüche auf so genannte Seeforderungen, die in einem Katalog aufgezählt sind. Zu ihnen gehören zum Beispiel Schäden aus Schiffszusammenstößen, Ansprüche aus Bergung oder Hilfeleistung, Ansprüche aus der großen Haverei, aus Schlepp- oder Lotsendiensten u.v.m. Hintergrund dieser Beschränkung ist ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Auffassungen über den Schiffsarrest in der kontinentalen und angloamerikanischen Rechtstradition. Während im kontinentaleuropäischen Recht das gesamte Vermögen des Schuldners und damit auch all seine Schiffe arrestiert werden können, ohne dass es auf den Entstehungsgrund der Forderung ankäme, ist im angloamerikanischen Rechtskreis der Schiffsarrest auf solche Forderungen beschränkt, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes stehen und die Vollstreckung ist auch nur 56
Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 118. Siehe Kemper in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 916, Rn. 3. Differenzierend: Vollkommer in Zöller (Hrsg.), Zivilprozessordnung: Kommentar, 2009, § 916, Rn. 8. 58 Kemper in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 916, Rn. 3. 59 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 119 f. 60 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 45. Siehe auch zu den Einzelheiten Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, § 510, Rn. 1 ff. 61 Siehe Weyand, Arrest in Seeschiffe zur Sicherung von Seeforderungen gegen einfache Zeitcharterer, TranspR 1991, 56–58. Zu der darum geführten Debatte siehe Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 45 ff. 57
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
hinsichtlich dieses einen Schiffs zulässig. 62 Der Kompromiss liegt darin, dass einerseits entgegen der kontinentaleuropäischen Auffassung der Arrest nur wegen der enumerativ und abschließend aufgezählten Seeforderungen möglich ist, dass aber andererseits entgegen der angloamerikanischen Auffassung der Arrest nicht auf ein einziges Schiff des Reeders beschränkt bleibt, sondern gemäß Art. 3 des Arrestübereinkommens auch auf Schwesterschiffe erstreckt werden kann.63 b) Arrestgrund Als Arrestgrund kommen § 917 Abs. 1 und 2 ZPO in Frage. Gemäß Abs. 1 der Vorschrift ist der Arrest demnach zulässig, „wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“. Abs. 2 privilegiert dann die Auslandsvollstreckung als Arrestgrund, „wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist“. Bis ins Jahr 1998 galt die Privilegierung des § 917 Abs. 2 ZPO noch ohne Einschränkung. Es kam im Falle der drohenden Auslandsvollstreckung nicht auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit an. Daher war lange Zeit umstritten, ob ein Arrestgrund nach § 917 Abs. 2 ZPO auch im Verhältnis zu Mitgliedstaaten des EuGVÜ angenommen werden könne.64 Eine auf dieses Rechtsproblem gerichtete Vorlagefrage des OLG Hamburg hat der EuGH jedoch dahin gehend entschieden, dass der § 917 Abs. 2 a.F., in dem der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung uneingeschränkt privilegiert wurde, gegen das europäische Diskriminierungsverbot verstoße.65 Der auf Grund der Entscheidung des EuGH geänderte § 917 Abs. 2 ZPO galt ab dem 01.10.1998 im Anwendungsbereich des EuGVÜ und des LugÜ nicht mehr. 66 Mit Wirkung zum 01.04.2004 wurde § 917 Abs. 2 ZPO erneut in seine heute geltende Fassung geändert 67 und damit wurde erneut sein Anwendungsbereich beschnitten. Diese Einschränkungen des Anwendungsbereichs des § 917 Abs. 2 ZPO hatten aber erhebliche Folgen. Die
62 Kerameus, Subjektive Anwendungsgrenzen des Brüsseler Übereinkommens vom 10. Mai 1952 über den Arrest in Seeschiffe, 1987, 133–139, S. 133; Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 340. 63 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 7. 64 Zum Streit im Einzelnen siehe Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 21 ff. 65 EuGH, Urt. v. 10.02.1994, Rs. C-398/92 (Mund & Fester ./. Hatrex), NJW 1994, 1271–1272. Siehe dazu im Einzelnen auch Looks, Neue Aspekte bei der Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 2006, 133–136, S. 133 f. Zur vorangegangenen Debatte siehe Looks, Die Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 1989, 345–350 und Rabe, Nochmals: Die Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 1990, 185–187. 66 BGBl. I 1998, S. 2030 und S. 2033. 67 BGBl. I 2003, S. 2166.
E. Der Schiffsarrest
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Verbürgung der Gegenseitigkeit ist nämlich keinesfalls unzweifelhaft festzustellen. Ob Gegenseitigkeit im Sinne des § 328 ZPO verbürgt ist, ist oftmals langwierig zu prüfen und keineswegs immer klar.68 Ein Arrest, der auf § 917 Abs. 2 ZPO gestützt wird, birgt für den Gläubiger daher immer das erhebliche Risiko, dass entgegen seiner ursprünglichen Annahme die Gegenseitigkeit mit dem Flaggenstaat des arrestierten Schiffs bestand und dass er sich daher gemäß § 945 ZPO schadensersatzpflichtig macht.69 Der Arrestgrund des § 917 Abs. 1 ZPO besteht in der Besorgnis, dass das Urteil nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen vollstreckt werden kann. Als Urteile sind in diesem Zusammenhang sowohl inländische als auch ausländische Urteile zu werten.70 Dass ein Urteil bereits vorliegt, ist dabei nicht erforderlich. Geschützt wird vielmehr die Vollstreckung eines später erst zu titulierenden Anspruchs.71 Grundsätzlich ist Sinn des § 917 Abs. 1 ZPO, den Gläubiger gegen Umstände abzusichern, die das Vermögen des Schuldners vermindern. Es muss dabei eine konkrete Veränderung der Vermögensverhältnisse drohen, was bei Belastung, Veräußerung oder Verschwendung in der Regel vorliegt.72 Besondere Relevanz erlangt der Arrestgrund des § 917 Abs. 1 ZPO im Zusammenhang mit ausländischen so genannten „one-ship-companies“. Dabei handelt es sich um Gesellschaften, deren einziges Vermögen das Schiff ist, und dieses Vermögen ist ununterbrochen auf den Weltmeeren unterwegs. Hier liegt der Arrestgrund in einem häufigen Aufenthaltswechsel und der damit zusammenhängenden Mobilität des Vermögens des Reeders.73 Weil aber das Erfordernis des Vorliegens eines Arrestgrundes auch vor dem Hintergrund der Unsicherheiten im Zusammenhang mit § 917 Abs. 2 ZPO den Erlass des Arrestbefehls in Deutschland erheblich einschränkt, wird von Experten auch im Hinblick auf das insoweit weniger vorausset-
68 Looks, Neue Aspekte bei der Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 2006, 133–136, S. 134. Siehe auch Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 2005, Vorwort, S. VIII. 69 Diesen Aspekt stellt auch Looks, Neue Aspekte bei der Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 2006, 133–136, S. 134 heraus. 70 Vollkommer in Zöller (Hrsg.), Zivilprozessordnung: Kommentar, 2009, § 917, Rn. 4. 71 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 11. 72 Kemper in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 917, Rn. 4. Siehe in Bezug auf den Arrest in Seeschiffe auch Looks, Die Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 1989, 345–350, S. 348. 73 Siehe dazu Looks, Die Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 1989, 345–350, S. 348 und Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 18 f.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
zungsreiche niederländische Recht empfohlen, einen Arrestgrund als Voraussetzung für den Schiffsarrest gänzlich entfallen zu lassen.74 c) Arrestfolgen Ist ein Arrest angeordnet, wird er gemäß § 928 ZPO entsprechend den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung vollzogen. Dabei gelten aber im Seerecht besondere Vorschriften. Während für eingetragene Seeschiffe und Schiffsbauwerke gemäß § 864 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die Regeln über die Immobiliarvollstreckung Anwendung finden, erfolgt die Arrestvollziehung in eingetragene Schiffe oder Schiffsbauwerke durch Pfändung nach den Vorschriften über die Mobiliarvollstreckung.75 Die Pfändung erfolgt dann gemäß § 931 Abs. 4 ZPO durch Pfändung und Inbesitznahme des Schiffs durch den Gerichtsvollzieher. 76 Nicht im deutschen Register eingetragene Schiffe werden ohne Einschränkung gemäß §§ 930, 808 ZPO der Mobiliarvollstreckung unterzogen.77 Wichtig für den später folgenden Vergleich mit dem Recht der Niederlande und ein Grund für die Unbeliebtheit Deutschlands als Arrestort ist der Umstand, dass gemäß § 482 HGB die Vollziehung des Arrestes nicht zulässig ist, wenn sich das Schiff auf der Reise befindet.78 Zudem droht stets auch der zuvor bereits erwähnte § 945 ZPO, der eine Schadensersatzpflicht des Gläubigers für den Fall einer unberechtigten Arrestierung vorsieht. Übersteigt die geltend gemachte Forderung in einem solchen Fall den Wert des Schiffes, können sich erhebliche Risiken ergeben, wenn die one-ship-company ihren Betrieb wegen Insolvenz schlicht einstellt. Dann bleibt der Gläubiger unter Umständen auf den Kosten der Arrestierung und auf dem Schiff sitzen. Zur Vollziehung des Arrestes kommt es aber in den seltensten Fällen, denn in der Regel leistet der Schuldner bereits unter dem Eindruck drohender Arrestvollziehung Sicherheit und kann so den Arrest gemäß § 923 ZPO abwenden.79
74 Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrechts, Abschlussbericht der Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrechts 2009, S. 179. Zustimmend insoweit Deutsche Gesellschaft für Transportrecht, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Sachverständigengruppe zur Reform des Seehandelsrechts, http://www.transportrecht.org/html/Stellungn29012010.pdf (zuletzt besucht am 06.02.2012), S. 18. Siehe auch Voß, Das neue Seehandelsrecht, Hansa 2009, 76–77, S. 77. 75 Siehe zum Beispiel Kemper in Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 2007, § 931, Rn. 1 oder Vollkommer in Zöller (Hrsg.), Zivilprozessordnung: Kommentar, 2009, § 931, Rn. 1. 76 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 124. 77 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 125. 78 Looks, Die Arrestierung eines ausländischen Seeschiffes, TranspR 1989, 345–350, S. 349; Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 338. 79 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 338, Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 124.
E. Der Schiffsarrest
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Mindestens gleichermaßen wichtig wie die Sicherung der späteren Zwangsvollstreckung ist aber für den Gläubiger, dass er mit dem Arrest einen Gerichtsstand gegen den Reeder begründen kann.80 Diese Möglichkeit ergibt sich aus § 23 ZPO, der einen Vermögensgerichtsstand begründet, sowie aus Art. 7 Abs. 1 des Arrestübereinkommens, wonach die Gerichte des Staates, in dem der Arrest vollzogen worden ist, auch in der Hauptsache zuständig sind. Nachdem nun die Grundzüge des Schiffsarrestes in Deutschland dargestellt worden sind, soll es im Folgenden kurz um die entsprechenden Regelungen in Großbritannien und den Niederlanden gehen. 81 Dabei müssen wiederum Stichworte ausreichen. 2. Großbritannien In Großbritannien gilt die Besonderheit, dass der Arrest eine Form der „actio in rem“ ist und damit der Verwirklichung der dinglichen Haftung des Schiffes gilt.82 Die actio in rem wird in diesem Zusammenhang als besonderes seerechtliches Verfahren vor dem Admirality Court gegen die Sache (res) als Beklagte geführt.83 Verklagt wird also nicht etwa der Schuldner, sondern das Schiff selbst. Angesichts dieser Besonderheit erschließt sich auch die zuvor bereits erwähnte Eigenart des angloamerikanischen Rechts, dass dort nur Seeforderungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes stehen, Gegenstand des Arrestes sein können.84 Aus diesem Grund sind auch Ansprüche gegen das Schiff in zwei Kategorien unterteilt. Einerseits haftet das Schiff unabhängig von seinem Eigentümer für Ansprüche auf Besitz oder Eigentum oder einen Eigentumsanteil am Schiff, auf die Verwendung des Ertrages des Schiffes im Streit zwischen Miteigentümern, in Bezug auf Hypotheken und andere dingliche Belastungen des Schiffs oder in Bezug auf die Einziehung oder Beschlagnahme des Schiffes auf Grund des Beuterechts der Krone an herrenlosem Gut auf See.85 Die andere Kategorie von Ansprüchen gegen das Schiff bezieht sich auf die Person des Schuldners und hängt daher von Eigentumsverhältnissen zu bestimm
80 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 337; Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 124. 81 Für einen umfassenden Überblick über internationale Regeln siehe McArdle, International Ship Arrest: A Practical Guide, 1988. 82 Siehe zum Unterschied zwischen in-personam- und in-rem-Klagen insbesondere Walker, The Personification of the Vessel in United States Civil in Rem Actions and the International Context, 1991 Tul.Mar.L.J, 177–243. Siehe auch Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 127. 83 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 134. 84 Zu den einzelnen arrestfähigen Seeforderungen des englischen Rechts siehe Berlingieri, Arrest of Ships, 2006, S. 49 ff. 85 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 137.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
ten Zeitpunkten ab. Hierunter fallen zum Beispiel Ansprüche auf Ersatz der durch ein Schiff verursachten Schäden, Verlust oder Beschädigung von transportierten Gütern, Schleppdienste oder Lotsendienste.86 Die Vollziehung des Arrestes erfolgt ähnlich wie im deutschen Recht durch Anbringung des Arrestbefehls am Schiff.87 Der Arrestbefehl kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden.88 Eine Schadensersatzpflicht, die derjenigen des § 945 ZPO entspricht, gibt es im englischen Recht nur in solchen Fällen, in denen der Gläubiger böswillig gehandelt hat. 89 Anders als im deutschen Recht hat der englische High Court zudem Art. 7 Abs. 1 des Arrestübereinkommens den Vorrang gegenüber Art. 17 EuGVÜ eingeräumt, so dass die Arrestierung in England auch dann einen Gerichtsstand dort begründet, wenn die Parteien des streitgegenständlichen Konnossements Deutschland als Gerichtsstand vereinbart hatten.90 3. Niederlande Das niederländische Recht setzt zwar neben dem Bestehen eines Arrestanspruchs, der in jeder Forderung gegen den Schiffseigentümer gesehen werden kann (Ausnahme: Anwendungsbereich des Arrestübereinkommens), ebenso wie das deutsche Recht grundsätzlich einen Arrestgrund voraus.91 Der Arrest in Seeschiffe ist insoweit aber privilegiert.92 Der Gesetzgeber hat hier ausdrücklich klargestellt, dass die Mobilität des Schiffes stets eine Gefahr des Entzugs der Vermögensgegenstände des Schuldners mit sich bringe, was dazu führt, dass im Fall des Schiffsarrestes das Vorliegen eines Arrestgrundes ausdrücklich nicht verlangt wird.93 Wichtiger Unterschied zum deutschen Recht ist, dass die Beschlagnahme des Schiffes durch Ausstellung der Arresturkunde und deren Zustellung erfolgt. Zwar hat die Beschlagnahme des Schiffes grundsätzlich auf dem 86
Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 138. Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 154. 88 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 155 ff. 89 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 127; Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 161 ff. 90 Siehe dazu Kraft, Die „MS Bergen“-Entscheidung – Forum Shopping und die Gefahr des Fristablaufs gemäß § 612 I HGB, TranspR 1997, 366–368. 91 Zuethem, Sicherheit für Geldforderungen: Ein praxisorientierter Vergleich zu den Arrestmöglichkeiten nach niederländischem und deutschem Recht, Binnenschifffahrt 2003, 76–78, S. 77. 92 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 126; Zuethem, Sicherheit für Geldforderungen: Ein praxisorientierter Vergleich zu den Arrestmöglichkeiten nach niederländischem und deutschem Recht, Binnenschifffahrt 2003, 76–78, S. 77. 93 Schmidt-Vollmer, Schiffsgläubigerrechte und ihre Geltendmachung, 2003, S. 217; Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 113. 87
E. Der Schiffsarrest
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Schiff zu erfolgen 94 , jedoch kann der Gerichtsvollzieher die Arrestbeschlagnahme auch schlicht per Funk mitteilen. 95 Als Ausgleich für diese sehr gläubigerfreundlichen Regeln des niederländischen Arrestrechts ordnet das Gericht in der Regel eine relativ kurze Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage an, nach deren fruchtlosem Ablauf der Arrest erlischt.96 Darüber hinaus erfolgt die Aufhebung des Arrestes unter anderem auf Grund von Sicherheitsleistung.97 Schadensersatz für unberechtigten Arrest, der zum Beispiel vorliegt, wenn der Anspruchsteller in der Hauptsache unterliegt, ist gesetzlich nicht vorgesehen.98 Jedoch hat die niederländische Rechtsprechung eine Haftung aus unerlaubter Handlung für ungerechtfertigten Arrest konstruiert, die aber als Verschuldenshaftung ausgestaltet ist.99 Da noch weitere Umstände wie zum Beispiel das Mitverschulden des Antragsgegners zu einer Verminderung oder einem Wegfall der Schadensersatzpflicht führen, wird in der Praxis selten Schadensersatz für unrechtmäßigen Arrest gewährt.100 II. Rechtsvergleich Vor diesem Hintergrund erhellt sich Hans-Jürgen Puttfarkens Hinweis darauf, dass der Schiffsarrest in Deutschland unbeliebt sei.101 Vielmehr zieht es den Gläubiger für ein Arrestverfahren regelmäßig in die Niederlande.102 Das ist verständlich, denn aus Gläubigersicht bietet das niederländische Arrestverfahren im Vergleich mit dem deutschen und englischen Recht erhebliche Vorteile. Anders als im englischen Recht muss sich der Gläubiger nicht auf Seeforderungen beschränken, sondern kann Arrest wegen aller ihm gegen den Reeder zustehenden Forderungen erwirken. Anders als im deutschen Recht schuldet der Gläubiger nur im Falle seines Verschuldens Schadensersatz für einen ungerechtfertigten Arrest, so dass die Arresterwirkung für ihn deutlich weniger risikobehaftet ist als im deutschen 94
Zevenbergen, Arrest von Seeschiffen nach niederländischem Recht, Hansa 1979, 1352–1354, S. 1354. 95 Schmidt-Vollmer, Schiffsgläubigerrechte und ihre Geltendmachung, 2003, S. 218; Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 121 f. 96 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 126. 97 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 124. Siehe allgemein auch Zuethem, Sicherheit für Geldforderungen: Ein praxisorientierter Vergleich zu den Arrestmöglichkeiten nach niederländischem und deutschem Recht, Binnenschifffahrt 2003, 76–78, S. 78. 98 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 126. 99 Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997, S. 126 ff. 100 Schmidt-Vollmer, Schiffsgläubigerrechte und ihre Geltendmachung, 2003, S. 220. 101 Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, S. 338. 102 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 126. Das gilt übrigens nicht nur für deutsche Gläubiger, McArdle, International Ship Arrest: A Practical Guide, 1988, S. 207.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
Recht. Schließlich dürfte für den Gläubiger noch ausschlaggebend sein, dass der Arrest in den Niederlanden, anders als § 482 HGB es vorschreibt, nicht auf Schiffe beschränkt ist, die im Hafen liegen. So kann in den Niederlanden theoretisch auch ein Schiff mit Arrest belegt werden, das sich lediglich im Hoheitsgebiet befindet. Vor diesem Hintergrund ist ein Forum Shopping in den Niederlanden nicht verwunderlich, wenn es um den Arrest in Seeschiffe geht. Es sind insbesondere die Unterschiede im kontinentaleuropäischen Rechtssystem und dem angloamerikanischen Recht, die eine internationale Vereinheitlichung des Arrestrechts verhindern.103 In Bezug auf eine internationale Vereinheitlichung des Arrestrechts gibt es vor diesem Hintergrund „viel zu tun“.104 Ob derart stark fragmentiertes staatliches Recht aber auf Dauer erfolgreich sein wird, bleibt offen. Dies gilt umso mehr, als das UNÜ grundsätzlich auch einstweiligen Rechtsschutz durch Schiedsgerichte ermöglicht.105 Doch weil es hier auch und insbesondere um private Aspekte eines grenzüberschreitenden Seehandels gehen soll, werden im Folgenden private Mechanismen vorgestellt, die als funktionale Äquivalente zur Rechtsdurchsetzung diskutiert werden.
F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung
Die vorangegangenen Überlegungen zur Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Handel sollten ein wichtiges Defizit aufgedeckt haben: Das staatliche und internationale Recht ist auch dann nicht in der Lage, dem grenzüberschreitenden Handel Rechtssicherheit auf nationalstaatlichem Niveau zur Verfügung zu stellen, wenn es wie das internationale Privatrecht, das internationale Zivilprozessrecht oder auch wie völkerrechtliche Verträge grundsätzlich auf grenzüberschreitende Transaktionen ausgerichtet ist.106 Auch wenn gelegentlich da
103 Scotti, Let Go of Her! Vessel Arrest and the Need for Global Uniformity, 1999 Tul.Mar.L.J, 269–281, S. 279 f. 104 Trappe, The Law of a Ship's arrest in Germany, 1991 Europ.Transp.L., 329–338, S. 337. 105 Higgins, Interim Measures in Transnational Maritime Arbitration, 1991 Tul.L.Rev., 1519–1546. 106 Rodrik, How Far Will International Economic Integration Go?, 2000 J.Econ.Perspect., 177–186, S. 179 („National borders demarcate political and legal jurisdictions. Such demarcations serve to segment markets in much the same way that transport costs or border taxes do. Exchanges that cross national jurisdictions are subject to a wide array of transaction costs introduced by discontinuities in political and legal systems.”). Siehe auch Dietz, Relationale Verträge und Reputationsnetzwerke im internationalen Handel, ZfRSoz 2009, 165–184, S. 166.
F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung
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rauf hingewiesen wurde, dass das internationale Privatrecht nationale Rechtsnormen aus ihrer Territorialität herauslöse und ihnen so globale Geltung verschaffe107, scheint es doch auch vor dem Hintergrund der vorangegangenen Überlegungen plausibler zu sein, von einer konstitutionellen Unsicherheit bei grenzüberschreitenden Transaktionen auszugehen.108 Vor diesem Hintergrund entwickeln die im internationalen Bereich handelnden Akteure Mechanismen, die die Rechtsdurchsetzung mit staatlicher Hilfe durch funktionale Äquivalente ökonomischen Ursprungs ergänzen oder gar ersetzen. Der Gedanke einer Rechtsdurchsetzung durch private Akteure muss zunächst Abwehrreaktionen hervorrufen. Er scheint das staatliche Gewaltmonopol und damit die Überwindung des oft beschworenen Naturzustands im Gedankengut der Aufklärung in Frage zu stellen. 109 In den Theorien über ökonomische Governance-Mechanismen, namentlich ist dies zum Beispiel die neue Institutionenökonomik, geht es aber gerade nicht um Gewaltausübung, sondern um die Frage der Effizienz kooperativen Verhaltens bzw. der Ineffizienz opportunistischen Verhaltens im Rahmen einer Transaktion. 110 Opportunistisch ist ein Verhalten in diesem Zusammenhang, wenn eine Partei die andere Partei im Rahmen der Vertragsdurchführung sabotiert (betrügt), um sich selbst einen größeren Nutzen zu verschaffen.111 Die Möglichkeit von Opportunismus führt zu Transaktionsunsicherheit, weil die Akteure im Zeitpunkt des Zustandekommens einer Tauschvereinbarung nicht wissen können, ob auf eine erbrachte Vorleistung auch eine Gegenleistung erfolgen wird.112 Für den transnationalen Handel stellt sich vor diesem Hintergrund die Anschlussfrage, unter welchen Bedingungen sich Vertragspartner an ihre Versprechen auch dann halten, wenn kein staatlicher Zwangsapparat zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung steht.
107
Behrens, Weltwirtschaftsverfassung, 2000, 5–27, S. 17. Schmidt-Trenz, Aussenhandel und Territorialität des Rechts: Grundlegung einer neuen Institutionenökonomik des Aussenhandels, 1990, S. 232 ff.; Schmidtchen, Territorialität des Rechts in ökonomischer Betrachtung, RabelsZ 1995, 56–112, S. 71 ff.; Dietz, Relationale Verträge und Reputationsnetzwerke im internationalen Handel, ZfRSoz 2009, 165–184, S. 167. 109 Zum Naturzustand siehe z. B. Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, 1998, S. 94 ff., der den Naturzustand als Kriegszustand rekonstruiert. 110 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2003, S. 173 ff. 111 Cooter, The Theory of Market Modernization of Law, 1996 Int.Rev.L.Econ., 141– 172, S. 150 („By ‚opportunism‘ I mean an act in which someone destroys part of the cooperative surplus to secure a larger share of it.“). 112 Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 15. 108
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
Derartige Fragestellungen werden von der Rechtswissenschaft nur zögerlich aufgegriffen 113 , auch wenn die theoretisch beschriebenen Phänomene bereits seit Längerem bekannt sind. Besonders viel Beachtung hat dabei die so genannte Theorie relationaler Verträge (Relational Contract Theory) gefunden. Die Kernaussage dieser Theorie lautet, dass die erfolgreiche Durchführung langfristiger Verträge regelmäßig nicht allein auf der Androhung staatlicher Sanktion, sondern vielmehr auf dem Interesse der Parteien am Fortbestand der Vertragsbeziehung beruht. 114 Stewart Macaulay hat in seinen Studien herausgefunden, dass staatliches Vertragsrecht keinesfalls die einzige Möglichkeit bietet, vertragliche Ansprüche durchzusetzen. Er kommt vielmehr zu der empirisch untermauerten Erkenntnis, dass in Einzelfällen staatliches Recht überflüssig sein kann, wenn nichtrechtliche Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.115 Für die Rechtswissenschaft hat der Politologe Thomas Dietz anhand eines konkreten Branchenbeispiels kürzlich die Theorie ökonomischer Governance-Mechanismen fruchtbar gemacht und eine Taxonomie aufgestellt, in der neben staatlichem Recht auch Reputationsnetzwerke und selbstdurchsetzende Verträge der Durchführung und Durchsetzung von Verträgen dienen.116 Gegenstand der Untersuchung waren dabei grenzüberschreitende Softwareverträge und deren Durchführung. Derartige Theorien ökonomischer Governance können auch für den Seehandel fruchtbar gemacht werden. Im Folgenden soll dies an zwei Beispielen deutlich werden: selbstdurchsetzende Verträge und Reputationsnetzwerke. I. Selbstdurchsetzende Verträge A bestellt bei B eine Ware. B tritt in Vorleistung. Die Leitfrage für die folgenden Überlegungen soll sein: Warum sollte A noch zahlen, wenn er die ihm zustehende Leistung bereits erhalten hat?
113 Siehe aber zum Beispiel Martinek in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2006, Vor § 662 ff. sowie die dort genannten Nachweise, Rn. 68 ff. 114 Macaulay, Non-Contractual Relations in Business: A Preliminary Study, 1963 Am.Sociolog.Rev., 55–67; MacNeil, Contracts – Adjustment of long-term economic relations under classical, neoclassical and relational contract law, 1978 N.W.U.L.Rev., 854–905; MacNeil, Relational Contract: What We Know And Do Not Know, 1985 Wis.L.Rev., 483–525. 115 Macaulay, Non-Contractual Relations in Business: A Preliminary Study, 1963 Am.Sociolog.Rev., 55–67, S. 63. 116 Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 28. Siehe auch Dietz/Nieswandt, The Emergence of Transnational Cooperation in the Software Industry, 2009, 87–105 und Dietz, Relationale Verträge und Reputationsnetzwerke im internationalen Handel, ZfRSoz 2009, 165–184.
F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung
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Im nationalstaatlichen Kontext ist diese Frage leicht zu beantworten. Das Recht dient hier als Korrektiv für opportunistisches Verhalten. Wenn A nicht zahlt, kann B den ihm zustehenden Kaufpreis mit Hilfe des Rechts einklagen und seinen titulierten Anspruch mit Hilfe der staatlichen Gewalt durchsetzen. Virulent wird die Frage aber, wenn staatlicher Rechtsschutz entweder nicht vorhanden oder so ineffektiv ist, dass seine Inanspruchnahme für B sinnlos wäre. Das ist bei grenzüberschreitenden Transaktionen in der Regel dann der Fall, wenn staatliches Recht zwar zur Verfügung steht, seine Inanspruchnahme aber auf Grund einer unzureichenden oder langsamen Justiz oder unzureichender Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung keinen Erfolg verspricht. 1. Spieltheoretische Vorüberlegungen Die dahinterstehende Problematik kooperativen und opportunistischen Verhaltens wird von der Theorie selbstdurchsetzender Verträge aufgegriffen. Hintergrund dieser Theorie ist eine Überlegung aus der Spieltheorie, die als „das Gefangenendilemma“ bekannt geworden ist. 117 Beim Gefangenendilemma geht es darum, dass zwei Gefangene durch das jeweilige Gestehen oder Nicht-Gestehen der gemeinsam begangenen Tat das für beide zu erwartende Strafmaß beeinflussen können. Schweigen beide, erwartet sie auf Grund belastender Indizien ein Strafmaß von 2 Jahren. Gesteht einer oder gestehen beide, erhöht sich das Strafmaß für beide auf jeweils 4 Jahre. Beide können sich nicht absprechen. In dieser Konstellation ist klar, dass kooperatives Verhalten für beide die beste Lösung ist: Schweigen beide, erwartet beide eine Gefängnisstrafe von 2 Jahren. Komplexität gewinnt das Spiel aber mit der Möglichkeit eines Handels, der beiden Gefangenen vorgeschlagen wird, was auch beide wissen: Gesteht einer von beiden und verrät damit den anderen und schweigt der andere, so geht der Verräter straffrei aus und der andere hat eine Gefängnisstrafe von 5 Jahren zu erwarten. Der übrige Spielaufbau verbleibt wie zuvor: Schweigen beide, erwarten sie 2 Jahre Gefängnis, gestehen beide, erwarten sie 4 Jahre Gefängnis.
117 Erfunden wurde das Gefangenendilemma ungefähr 1950 von Merrill Flood und Melvin Dresher, siehe Axelrod, Die Evolution der Kooperation, 2000, S. 22, Anm. 2. Eine mathematisch-wissenschaftliche Untersuchung derartiger Spielkonstellationen bieten Rapoport/Chammah, Prisoner's Dilemma: A Study in Conflict and Cooperation, 1965. Siehe zur Bedeutung und praktischen Anwendung auch in Bezug auf Freihandel und Zölle Siebert/Lorz, Außenwirtschaft, 2006, S. 156 ff.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
Zur Verdeutlichung soll folgende Tabelle dienen: B schweigt
B gesteht
A schweigt
A: 2 Jahre
B: 2 Jahre
A: 5 Jahre
B: 0 Jahre
A gesteht
A: 0 Jahre
B: 5 Jahre
A: 4 Jahre
B: 4 Jahre
Schweigen muss hier jeweils als kooperatives Verhalten und ein Geständnis als opportunistisches Verhalten verstanden werden. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass beide Gefangenen den größten individuellen Nutzen aus einem opportunistischen Verhalten ziehen würden, wenn sich der andere kooperativ verhält. Verhalten sich beide gleichermaßen opportunistisch, entsteht der größte Gesamtschaden. Verhalten sich beide kooperativ, haben sie jeweils gegenüber einseitigem opportunistischem Handeln Nachteile, aber den größten Gesamtnutzen. Auf Transaktionen übertragen verbessert sich die Situation eines der beiden Teilnehmer am Spiel noch erheblich. Denn in der Regel erfolgen Leistung und Gegenleistung nicht Zug-um-Zug, sondern eine Partei tritt in Vorleistung, verhält sich also kooperativ in Erwartung ebenfalls kooperativen Verhaltens der anderen Partei. Für den Spielaufbau des Gefangenendilemmas würde das bedeuten, dass ein Gefangener bei seiner Entscheidung bereits weiß, dass sich der andere kooperativ verhalten, also geschwiegen hat. So kann er seinen individuellen Nutzen steigern und sich opportunistisch verhalten, ohne befürchten zu müssen, dass sich die andere Seite gleichermaßen opportunistisch verhält. Im staatlichen Kontext schützt das Recht den Vertragspartner vor opportunistischem Verhalten der anderen Partei. Steht effektiver Rechtsschutz zur Verfügung, kann das opportunistische Verhalten eingedämmt werden.118 Verhindern lässt es sich durch das Recht aber nicht. So ist zum Beispiel die Situation bekannt, dass in der Nähe einer bekannten Sehenswürdigkeit oder in einer touristisch geprägten Stadt überteuerte Restaurants schlechte Speisen anbieten. Das ist möglich, weil der Gastwirt nicht auf wiederkehrende Kundschaft angewiesen ist. Der nicht abreißende Strom von Touristen beschert ihm immer neue Opfer, die sich im Vertrauen auf gutes Essen in sein Restaurant begeben und dann enttäuscht werden. Das gilt dann nicht, wenn der Wirt darauf angewiesen ist, dass seine Gäste nicht nur einmal, sondern wiederholt zu ihm kommen. Der „Italiener um die Ecke“ kann sich opportunistisches Verhalten nicht 118
Cooter, The Theory of Market Modernization of Law, 1996 Int.Rev.L.Econ., 141– 172, S. 150.
F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung
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leisten. Er ist darauf angewiesen, seine Kundschaft mit einer guten Leistung dazu zu bewegen, immer wieder zu ihm zu kommen. Andernfalls wird er bald mangels Kundschaft schließen müssen. Auf die Spieltheorie zurückübertragen bedeutet das, dass kooperatives Verhalten dann wahrscheinlich wird, wenn das Spiel wiederholt wird. Verhält sich einer der Spieler im ersten Durchgang opportunistisch, kann er im zweiten Durchgang nicht mehr auf die Kooperation des anderen hoffen. Dies gilt zumindest, solange das Ende des Spiels nicht absehbar ist.119 Kooperation kann entstehen, wenn die Spieler immer wieder aufeinander treffen und „die gegenwärtigen Entscheidungen nicht allein den Ausgang des gegenwärtigen Treffens bestimmen. Die Zukunft kann folglich einen Schatten auf die Gegenwart zurückwerfen und dadurch die aktuelle strategische Position beeinflussen.“120 Erst wenn die letzte Spielrunde bekannt ist, zeigt sich das Opportunismusproblem erneut. Wenn ein Akteur absehen kann, dass sein Gegenüber in der letzten Runde betrügen wird, wird er geneigt sein, seinerseits in der vorletzten Runde zu betrügen, um dem Betrug des Gegners in der letzten Runde zuvor zu kommen und seinen eigenen Vorteil zu sichern usw.121 Eine stabile Geschäftsbeziehung kann also nur entstehen, wenn den Akteuren der Zeitpunkt des letzten Spiels unbekannt bleibt.122 So führt die Iteration, die Wiederholung des Spiels, zu einer Stabilisierung, die darauf beruht, dass beide Vertragspartner den höchsten Nutzen für sich in der Kooperation mit dem jeweils anderen Akteur sehen. Die Kosten des Abbruchs der Geschäftsbeziehung, der auf einen Betrug hin folgen würde, sind höher, als der aus dem Betrug erzielte einmalige Gewinn. 2. Anwendungsbeispiele im Seehandel Nach dieser kurzen theoretischen Einführung soll es nun um Lösungsmöglichkeiten für das Opportunitätsproblem im transnationalen Seehandel gehen. Nach den oben angestellten Überlegungen zur Spieltheorie müssten zwei Strategien Transaktionssicherheit ermöglichen. Zur Erinnerung: Die Transaktionssicherheit ist insbesondere dann in Gefahr, wenn ein Akteur vorleistet. Dann weiß die andere Partei bereits, dass sich ihr Vertragspartner kooperativ verhalten hat und kann selbst ohne großes Risiko opportunistisch handeln. Eine Gegenstrategie kann nun darin liegen, dass das Informationsgefälle zwischen beiden Parteien dadurch ausgeglichen wird, dass statt einer Vorleistung eine Leistung Zug-um-Zug erfolgt. Da dies nicht immer möglich ist, werden Transaktionsgestaltungen gewählt, die 119
Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 18. Axelrod, Die Evolution der Kooperation, 2000, S. 11. Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 18. 122 Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 18. 120 121
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
einer Zug-um-Zug Leistung gleichkommen. Unter diese Kategorie fallen zum Beispiel Dokumentenkredite in Form von Akkreditiven 123 oder Dokumenteninkassi in Form der Vereinbarung von cash-against-documentsKlauseln.124 Damit wird nochmals deren Bedeutung für den internationalen Handel deutlich und daher sind die UCP auch ausgesprochen wichtig für den grenzüberschreitenden Handel. Interessanter aber noch als derartige Zug-um-Zug-Gestaltungen wäre es, wenn es den Transaktionspartnern gelänge, das Spiel zu verlängern, zu wiederholen und so zu einem stabilisierenden iterativen Spiel zu machen. Dies geschieht in der Tat zum Beispiel durch die Vereinbarung von Raten- oder Abschlagszahlungen. Thomas Dietz hat diesen Umstand detailliert für den Bereich des Softwarehandels beschrieben.125 Die Strukturierung einer Transaktion durch die Vereinbarung von Abschlagszahlungen bietet sich insbesondere bei umfangreichen Transaktionen an, deren Durchführung sinnvoll gegliedert werden kann. Beispiele hierfür in der Schifffahrt finden sich insbesondere im Bereich des Schiffsbaus. So können die Parteien zum Beispiel in Art. 7 des Standard Shipbuilding Contract der Association of European Shipbuilders and Shiprepairers (AWES) Raten und Abschlagszahlungen frei vereinbaren. Weit detaillierter aber sind die Zahlungsmodalitäten im Standard Newbuilding Contract (NEWBUILDCON) der BIMCO geregelt. Dort werden in Teil 1 Box 11 die Daten und Höhen der einzelnen Abschlagszahlungen von den Parteien individuell eingesetzt. In Teil 2 aber, dem standardisierten Teil des Vertrages, finden sich umfangreiche Regelungen für die Abwicklung der Zahlungen und Gegenrechte. Teil 2 Punkt 15 des NEWBUILDCON regelt Einzelheiten und Fälligkeit der einzelnen Raten. In Teil 2 Punkt 39 letztlich findet sich eine ganze Reihe von Bedingungen, unter denen die Parteien vom Vertrag zurücktreten oder Arbeiten bzw. Zahlungen vorübergehend bis zur Teilleistung durch den anderen Teil einstellen können. Zahlt der Besteller zum Beispiel innerhalb von 15 Tagen nach dem Fälligkeitsdatum nicht, so kann der Unternehmer seine Arbeiten bis zur Zahlung der Abschlagsrate einstellen. Eine derartig strukturierte Transaktion macht Kooperationsbereitschaft zur Voraussetzung für gewinnorientiertes Handeln. Keine der beiden Parteien kann deutlich größere Gewinne aus opportunistischem Verhalten erzielen, als Kooperation es ihr ermöglichen würde. Zu Beginn der Transak
123 Siehe dazu Häberle, Zahlung und Zahlungssicherung mit Dokumentenakkreditiven (Documentary Credits), 2002, 755–829. 124 Siehe zum Dokumenteninkasso Jahrmann, Außenhandel, 2007, S. 401; Bernstorff, Rechtsprobleme im Auslandsgeschäft, 2000, S. 137 ff. 125 Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 101 ff., S. 130 ff., S. 149 ff., S. 174 ff.
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tion steht eine Zahlung des Bestellers, so dass er kein Interesse daran haben kann, vom Vertrag zurückzutreten, ohne eine Leistung erhalten zu haben. Das sähe anders aus, wenn er nicht in Vorleistung treten würde. Die Durchführung der Transaktion folgt dann in der Regel einem wie-du-mirso-ich-dir- (oder in der englischen Bezeichnung Tit-for-Tat-) Muster. 126 Dabei muss eine Partei zwar in Vorleistung treten, hat aber in kurzen Abständen die Möglichkeit, opportunistisches Verhalten der Gegenseite zu bestrafen: Zahlt der Besteller nicht, werden die Arbeiten eingestellt. Dies setzt sich bis zum Ende der Transaktion hin durch, wobei der Unternehmer gemäß Teil 2 Punkt 15 a iv NEWBUILDCON erst nach Ablieferung des Schiffs seine letzte Rate erhält.127 All diese Beispiele mögen für den erfahrenen Kautelarjuristen keine Besonderheit darstellen. Die Möglichkeit, Abschlagszahlungen zu vereinbaren, findet sich schließlich auch in § 632a BGB wieder. Dabei ging es zwar nach der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention in erster Linie darum, finanzschwache mittelständische Unternehmen von der finanziellen Last der Vorleistungspflicht des deutschen Werkvertragsrechts zu entlasten.128 Jedoch erfüllen derartige Abschlagszahlungen auch den Zweck der Zahlungssicherung. Das wird insbesondere an der Begründung zur Änderung der Vorschrift durch das Forderungssicherungsgesetz deutlich. Dadurch wurde klargestellt, dass eine Abschlagszahlung nur dann verlangt werden kann, wenn der Besteller im Gegenzug einen festen Wert erhält.129 Es geht nun also nicht mehr allein um die Vorfinanzierung von Materialien, sondern darum, dass die Transaktion insgesamt in eine Tit-for-TatStruktur eingebunden wird. Wichtig ist es, festzuhalten, dass es sich bei den vorgestellten Regelungen und Vertragsgestaltungen um ökonomische Gestaltungsmöglichkeiten handelt, die Defizite in den Möglichkeiten grenzüberschreitender Rechtsdurchsetzung ausgleichen. Es geht jeweils darum, die Transaktionspartner derart aneinander zu binden und die Transaktion in ihre so entstandene soziale Verbindung „einzubetten“ 130 , dass eine opportunistische Hand 126
Siehe dazu Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2003, S. 189. Im Einzelnen dazu im Kontext der Softwareindustrie auch Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 101 ff. 128 BT-Drs. 14/1246, S. 5 f. 129 BT-Drs. 16/9787, S. 18. 130 Zur „Embeddedness“ von ökonomischen Strukturen in gesellschaftliche Muster siehe Beckert, Economic Sociology and Embeddedness: How Shall We Conceptualize Economic Action?, 2003 J.Econ.Issues, 769–787 oder aus amerikanischer Perspektive Granovetter, Economic Action and Social Structure: The Problem of Embeddedness, 1985 Am.J.Soc., 481–510. Der Grundgedanke der sozialen „Embeddedness“ von Märkten stammt von Polanyi, The great transformation: the political and economic origins of our time, 2001, hat aber in der wirtschaftssoziologischen Forschung seither seinerseits 127
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
lungsstrategie nicht zu individuellen Gewinnen, sondern unter Umständen gar zu Verlusten führt. II. Reputationsnetzwerke Der Gedanke des iterativen Spiels gewinnt auch im Zusammenhang mit Reputationsnetzwerken Bedeutung. Denn auch wenn bei bestimmten Transaktionen deren Strukturierung mit Abschlagszahlungen zu einer Wiederholung der Spiele führt, ist dies nicht bei allen Transaktionen denkbar. Eine Schiffscharter zum Beispiel kann kaum wie ein Schiffsbauvertrag strukturiert werden. Es fehlen die Meilensteine, die ein Schiffsbauvertrag in sich trägt. In solchen Situationen aber kann die Interaktion, die zuvor von der Zweierbeziehung bestimmt war, auch auf eine Gruppe übertragen werden.131 Während in relationalen bilateralen Transaktionen die langjährige Zusammenarbeit oder die Struktur der Vertragsgestaltung opportunistisches Verhalten verhindern helfen, hilft in Fällen kurzfristiger Vertragsbeziehungen, die nicht entsprechend strukturiert werden können, das Reputationsnetzwerk. 1. Theoretische Vorüberlegungen Im Fall der selbstdurchsetzenden Verträge führt die Wiederholung des Spiels zwischen zwei Akteuren zur Stabilisierung der Transaktion. Ist eine Wiederholung zwischen zwei Transaktionspartnern aber nicht möglich, kann die Wiederholung durch die Veröffentlichung des Spielverhaltens im einfachen Spiel ersetzt werden. „Wenn das vergangene Verhalten eines Akteurs nicht nur seinem direkten Gegenüber bekannt ist, sondern darüber hinaus auch allen anderen potenziellen Transaktionspartnern mitgeteilt wird, verhindert der Schatten der Zukunft opportunistisches Verhalten in der Gegenwart, ohne dass dieselben Akteure in der Zukunft wiederholt miteinander agieren müssen.“132 Insbesondere der Internethandel hat Strukturen hervorgebracht, die es den Transaktionspartnern eines Akteurs erlauben, ihre Erfahrungen zukünftigen Transaktionspartnern desselben Akteurs mitzuteilen. Zu nennen sind hierbei insbesondere Bewertungsmechanismen, wie sie namentlich bei eBay oder auch vielen Versandhändlern eingeführt wurden. 133 Dabei be einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren, Beckert, The Great Transformation of Embeddedness: Karl Polanyi and the New Economic Sociology, 2009, 38–55. 131 Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 19. 132 Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S. 19. Zum „Schatten der Zukunft“ siehe auch Axelrod, Die Evolution der Kooperation, 2000, S. 11. 133 Siehe zur Bedeutung der Bewertungsmöglichkeiten bei eBay als iteratives Spiel Ladeur, eBay Bewertungssystem und staatlicher Rechtschutz von Persönlichkeitsrechten, KuR 2007, 85–91, S. 87.
F. Private Governance-Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung
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werten die Transaktionspartner eines bestimmten Verkäufers nach Abschluss des Geschäfts die Transaktion als „positiv“, „neutral“ oder „negativ“. Zukünftigen Transaktionspartnern des Verkäufers wird so offen gelegt, wie er sich in vergangenen Transaktionen verhalten hat. War der Käufer nicht zufrieden mit der Abwicklung der Transaktion oder der Qualität der gekauften Ware, so bewertet er den Verkäufer negativ. Derartige negative Bewertungen haben statistisch nachweisbare Folgen. So haben der Informationswissenschaftler Paul Resnick und der Politökonom Richard Zeckhauser nachgewiesen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl positiver Bewertungen und dem Fehlen neutraler oder negativer Bewertungen und der Wahrscheinlichkeit besteht, eine Transaktion abzuschließen und einen Artikel zu verkaufen.134 Dieser Befund erscheint zwar zunächst nur sehr vage. Das kann sich jedoch branchenabhängig erheblich verändern. Der Diamantenhandel in New York zum Beispiel ist streng reguliert, allerdings auf privater Ebene. So gibt es dort spezielle Schiedsgerichte, deren Schiedssprüche für die Parteien bindend sind.135 Halten sich die Parteien aber nicht an das Ergebnis des Schiedsspruchs, so sehen entsprechende Regeln vor, dass der Schiedsspruch zusammen mit dem Bild der unterlegenen Partei, die sich nicht daran gehalten hat, an einem schwarzen Brett ausgehängt und diese Information an alle Diamantenbörsen weltweit weitergegeben wird.136 Faktisch bedeutet dies den wirtschaftlichen Ruin für den Betroffenen, denn er ist damit vom Diamantenhandel ausgeschlossen. Neben derartigen wirtschaftlichen Sanktionen drohen aber auch soziale Sanktionen. Der Diamantenhandel in New York wird überwiegend von orthodoxen Juden kontrolliert. Ihnen droht neben der wirtschaftlichen Sanktion auch der Ausschluss aus dem religiösen Leben. Mitglieder, die des Betrugs überführt sind, werden von religiösen Festen und Feiern ausgeladen, so dass ihnen die Ausübung ihrer Religion nicht mehr möglich ist.137 Ähnliche ökonomische und soziale Sanktionsmechanismen hat Lisa Bernstein auch im Baumwollhandel vorgefunden, wo ebenfalls die Nichtbeachtung von
134 Resnick/Zeckhauser, Trust Among Strangers in Internet Transactions: Empirical Analysis of eBay's Reputation System. The Economics of the Internet and E-Commerce, 2002, 127–157, S. 143. Siehe auch Block-Lieb, e-Reputation: Building Trust in Electronic Commerce, 2002 La.L.Rev., 1199–1219. Kritisch in Bezug auf die Verlässlichkeit von Reputationsmechanismen für den elektronischen Handel zeigt sich Gilette, Reputation and Intermediaries in Electronic Commerce, 2002 La.L.Rev., 1165–1197. 135 Bernstein, Opting Out of the Legal System: Extralegal Contractual Relations in the Diamond Industry, 1992 J.L.S., 115–157, S. 124 ff. 136 Bernstein, Opting Out of the Legal System: Extralegal Contractual Relations in the Diamond Industry, 1992 J.L.S., 115–157, S. 128. 137 Richman, Firms, Courts, and Reputation Mechanisms: Towards a positive Theory of Private Ordering, 2004 Colum.L.Rev., 2328–2367, S. 2345.
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
Schiedssprüchen zum Ausschluss aus wichtigen Handelsgemeinschaften führt.138 Derartige wirtschaftliche oder soziale Sanktionen treffen den Sanktionierten oftmals weitaus schlimmer, als jede rechtliche Sanktion dies könnte. „Truthful gossip“ 139 ist so in der Lage, Vertragserfüllung zu sichern, ohne dass staatliches Recht eine entscheidende Rolle spielen würde. Es handelt sich hier auch nicht um Normbefolgung „in the shadow of law“140, denn es ist gerade nicht die schiere Möglichkeit und Drohung rechtlicher Sanktion, die zur Normbefolgung führt. Vielmehr ist Reputation und die Bedrohung mit Ausschluss aus einer sozialen Gemeinschaft eine allein stehende Institution zur Durchsetzung von vertraglich vereinbarten Ansprüchen. 2. Anwendungsbeispiele im Seehandel Formalisierte Reputationsmechanismen gibt es auch in der Schifffahrt. Zu denken ist hier insbesondere an die Hafenstaat-Kontrollrichtlinie 2009/16/EG vom 23.04.2009141, in deren Art. 26 die Veröffentlichung von Informationen über Schiffe geregelt ist, deren technischer Zustand beanstandet worden ist. Dabei handelt es sich um die typische Form einer schwarzen Liste, die über Missstände Auskunft geben soll. Jedoch ist diese Liste keine Form der privaten Governance. Privat geführte und organisierte schwarze Listen sind in hohem Maße fragwürdig. Zwar gibt es Internetseiten, die sich selbst als schwarze Listen im Bereich des Seehandels und der Schifffahrt bezeichnen wie zum Beispiel www.shippingblacklist.com oder http://blacklist.shipmarket.net, jedoch sind die Autorenschaft und die Wahrhaftigkeit solcher Listen zweifelhaft, wenn sie denn überhaupt aufgerufen werden können. So wehrte sich auch die Internationale Handelskammer ICC dagegen, mit derartigen Listen in Verbindung gebracht zu werden.142 Dennoch gibt es zum Beispiel in Internetforen einzelne Beiträge, in denen nicht zahlende Firmen aus dem Bereich der Logistik benannt und damit andere potenzielle Transaktions 138
Bernstein, Private Commercial Law in the Cotton Industry: Creating Cooperation Through Rules, Norms, and Institutions, 2001 Mich.L.Rev., 1724–1790, S. 1737 ff. 139 Ellickson, Order Without Law, 1991, S. 57. 140 Cooter/Marks/Mnookin, Bargaining in the Shadow of Law: A Testable Model of Strategic Behaviour, 1982 J.L.S., 225–251. 141 Abl. L 131/57. 142 „Bogus blacklist not published by ICC“, http://www.icc-ccs.org/index.php?op tion=com_content&view=article&id=125:bogus-blacklist-not-published-by-Icc&catid= 60:news&Itemid=51 (zuletzt besucht am 06.02.2012).
G. Zusammenfassung
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partner vor ihnen gewarnt werden.143 Die Reputation scheint jedoch auch im Seehandel eine Rolle zu spielen. So erklärt Rolf Herber, dass die Vollziehung eines Arrestes in aller Regel durch Sicherheitsleistung abgewendet wird, um Verluste für den Ertrag und die Reputation des Reeders abzuwenden.144 Empirische Untersuchungen hierzu gibt es aber nicht. Es ist zu vermuten, dass Reputationsanfragen ähnlich wie in einigen anderen Branchen informell stattfinden. 145 Umgekehrt ist aber deutlich zu sehen, dass positive Reputation, vermittelt durch die Benennung von Referenzen, in der Branche durchaus eine Rolle spielt.146
G. Zusammenfassung G. Zusammenfassung
Ebenso wie das übrige Seehandelsrecht ist auch das Recht der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen fragmentiert und von Land zu Land unterschiedlich. Eine Ausnahme bilden die Mitglieder des EuGVÜ/der EuGVVO/des LugÜ, innerhalb deren Wirkungskreis die wechselseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen mit einiger Sicherheit möglich ist. In Drittstaaten kommt es regelmäßig auf das jeweilige autonome Recht an. Die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen ist hingegen durch das UNÜ nahezu weltweit sichergestellt. Hintergrund dieser Privilegierung von Schiedssprüchen ist der Umstand, dass sich die Parteien mit der Vereinbarung der Schiedsabrede ihres gesetzlichen Richters begeben und damit weniger schützenswert sind. Damit bildet das UNÜ einen stabilen Rahmen für die weltweite maritime Schiedsgerichtsbarkeit. Nicht zuletzt aus diesem Grund dürfte die Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit im Vorteil sein. Vor dem Hintergrund der Mobilität von Seeschiffen ist auch der Arrest mit der Möglichkeit der Begründung eines Gerichtsstands für das Haupt 143
Siehe zum Beispiel http://www.forum-speditionen.de/, wo auf die Insolvenz eines bereits bekannten säumigen Zahlers hingewiesen wird, oder wo vor einem anderen säumigen Zahler gewarnt wird („Achtung vor der Firma XXX aus Rotterdam […], diese Firma zahlt Ihre Rechnungen nicht!!! Wir haben im November und Dezember einige Transportaufträge für diese Firma gefahren und warten bis heute vergeblich auf unser Geld. Ohne Zinsen und Mahnungskosten schuldet diese Firma uns noch 5440,- Briefe unter einschreiben werden nicht angenommen, auf Faxe reagiert man nicht, telefonisch ist die verantwortliche Person nicht erreichbar,...“) (beide zuletzt besucht am 06.02.2012). 144 Herber, Seehandelsrecht: systematische Darstellung, 1999, S. 124. 145 Siehe zur Softwarebranche erneut Dietz, Relationale Verträge und Reputationsnetzwerke im internationalen Handel, ZfRSoz 2009, 165–184, S. 178. 146 Siehe hierzu zum Beispiel den Internetauftritt einer Berliner Reederei http://www.ed-line.de/cms/referenzen (zuletzt besucht am 06.02.2012).
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Drittes Kapitel: Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Seehandel
sacheverfahren am Arrestort ein probates Mittel, maritime Forderungen mit einiger Sicherheit auch durchsetzen zu können. Die Unterschiede im Arrestrecht allerdings, die auch durch das der Vereinheitlichung dienende Arrestübereinkommen nicht beseitigt werden, zwingen Gläubiger zum Forum Shopping mit dem Nachteil, bestehende Forderungen wegen der günstigeren Rechtslage möglicherweise im Ausland verfolgen zu müssen. Im Lichte dieser Unzulänglichkeiten und der Schwierigkeiten, mit denen die Rechtsverfolgung insbesondere im Ausland häufig verbunden ist, rücken private Governance-Mechanismen als Alternativen in den Blick. Sie ermöglichen in Form von selbstdurchsetzenden Verträgen Gestaltungsmöglichkeiten, die die Gefahr rechtlicher Konflikte minimieren. In Form von Reputationsnetzwerken fördert private Governance kooperatives Verhalten der Transaktionspartner, weil andernfalls ökonomische und soziale Nachteile drohen, die den Mehrwert kurzfristigen opportunistischen Verhaltens um ein Vielfaches übersteigen.
Schluss A. Festzuhaltendes A. Festzuhaltendes
Ausgangspunkt der Untersuchung war der Befund, dass staatliches Recht seit langem für den Seehandel als unbedeutend angesehen wurde1 und dass bis heute eine „Entstaatlichung des Seehandelsrechts“2 diagnostiziert wird. Gleichzeitig finden insbesondere in der gesellschaftswissenschaftlich inspirierten Rechtswissenschaft umfangreiche Debatten um ein globales Recht außerhalb des Staates statt. 3 Ergebnisse dieser Forschung um ein New Law Merchant oder ein transnationales Handelsrecht könnten dem Seehandelsrecht wichtige Impulse liefern. Umgekehrt kann aber auch das Seehandelsrecht als hervorragendes Beispiel für die Transnationalisierung von Recht dienen. Ein Austausch findet zwischen Seehandelsrechtlern und Rechtstheoretikern jedoch nicht oder kaum statt. Um Entstaatlichung des Seehandelsrechts im Besonderen und nichtstaatliche Rechtsformen im Allgemeinen analytisch erfassen zu können, wurde der Begriff des transnationalen (Seehandels-)Rechts eingeführt. In diesem Zusammenhang sollte transnationales Recht weder als eigenständiges autonomes Rechtssystem aufgefasst werden, das neben dem staatlichen 1
Großmann-Doerth, Das Recht des Überseekaufs, 1930, S. 40. Basedow, Perspektiven des Seerechts, JZ 1999, 9–15, S. 12. 3 Siehe nur beispielhaft für die umfangreiche Debatte Goldman, Frontières du droit et „lex mercatoria“, 1964 Arch.de Phil.du Droit, 177–192; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77; Berman/Kaufmann, The Law of International Commercial Transactions, 1978 Harv.Int'l L.J., 221–277; Langen, Transnationales Recht, 1981; Goldman, Lex Mercatoria, Forum Internationale 1983, 3–23; Lando, The Lex Mercatoria in International Commercial Arbitration, 1985 Int.Comp.L.Quart., 747–768; Grundmann, Lex Mercatoria und Rechtsquellenlehre, 1991, 43–70; Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, ZEuP 1993, 247–267; Stein, Lex Mercatoria, 1995; Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290; Teubner (Hrsg.), Global Law without the State, 1996; Teubner, Die unmögliche Wirklichkeit der Lex Mercatoria, 1998, 565–588; Berger, The Creeping Codification of Lex Mercatoria, 1999; Zumbansen, Lex Mercatoria, Schiedsgerichtsbarkeit und Transnationales Recht, RabelsZ 2003, 637–682; Michaels, The True Lex Mercatoria: Law Beyond the State, 2007 Ind.J.Global L.Stud., 447–468. 2
222
Schluss
Recht existiert4, noch lediglich als Beschreibung der rechtlichen Bearbeitung grenzüberschreitender Sachverhalte verstanden werden. 5 Vielmehr muss Transnationalisierung als Prozess der Privatisierung und gleichzeitigen Internationalisierung verstanden werden.6 Der Begriff des transnationalen Rechts beschreibt vor diesem Hintergrund eine Methode, wie das Recht in einem globalen Rahmen beschrieben und konzeptualisiert werden kann.7 In diesem Licht kann transnationales Recht als ein hybrides System von privat erzeugten sowie staatlichen und internationalen Rechtsregeln verstanden werden. Auch für private Rechtsregeln ist aber wichtig, dass nicht nur die Frage nach ihrer Entstehung und ihrer Anwendung, sondern auch nach ihrer Durchsetzung gestellt wird. Diese drei Stufen der Verrechtlichung8 bilden den Rahmen der Untersuchung. Am Beispiel der Haftung für die Güterbeförderung auf See ist im ersten Kapitel exemplarisch das Problem des Flickenteppichs9 der internationalen staatlichen Regeln angedeutet worden. Vor dem Hintergrund eines stark fragmentierten internationalen Rechts sind Tendenzen der Privatisierung von Regelsetzung insbesondere durch Standardklauseln und -verträge als Emanzipation der Seehandelsbranche zu verstehen. Irrelevant sind in diesem Zusammenhang solche Klauseln, die von einer Partei entworfen worden sind, um damit ihre wirtschaftliche Machtposition gegenüber einer anderen Partei auszunutzen und die vertragliche Risikoverteilung zu ihren eigenen Gunsten und zu Lasten der schwächeren Partei zu verschieben oder schlicht um Transaktionskosten zu sparen. 10 Hierbei handelt es sich
4 Wie etwa bei Schmitthoff, International Business Law: A New Law Merchant, 1961 CLSP, 129–142; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 1964, 47–77; Goldman, Frontières du droit et „lex mercatoria“, 1964 Arch.de Phil.du Droit, 177–192; Goldman, Lex Mercatoria, Forum Internationale 1983, 3–23. 5 Jessup, Transnational Law, 1956. 6 Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008; Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer, Die Zerfaserung des Nationalstaats: Ein analytischer Rahmen, 2008, 21–53; Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer, Die Transformation des Nationalstaats: Ergebnisse und Perspektiven, 2008, 303–322; Fischer-Lescano, Transnationales Verwaltungsrecht, JZ 2008, 373–383. 7 Gaillard, Transnational Law: A Legal System or a Method of Decision Making?, 2001 Arb.Int'l., 59–71; Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code. A Theory of Transnational Private Law, 2010. 8 Calliess, Transnationales Handelsvertragsrecht – Private Ordnung und staatlicher Rahmen, 2004, 160–178, S. 166. 9 Herber, Gedanken zur internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, 1979, 55–77, S. 56. 10 Letzterer Aspekt ersetzt aus der Perspektive der Transaktionskostenökonomie immer häufiger das Narrativ der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtposition durch AGB. Siehe dazu zum Beispiel Kötz, Der Schutzzweck der AGB-Kontrolle – eine rechtsökonomische Skizze, JuS 2003, 209–214 oder Schmid, Die Instrumentalisierung des Pri-
A. Festzuhaltendes
223
um schlichte allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach dem Leitbild des deutschen Rechts zu Recht einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Vielmehr sind solche Regelwerke interessant, bei deren Zustandekommen die Vertreter der später von der Regelung Betroffenen und andere Interessengruppen beteiligt werden. Gegenüber allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem Leitbild des deutschen Rechts können derartig zustande gekommene Regeln Normativität für sich beanspruchen. Diese Normativität entspringt der Beteiligung der später der Regel unterworfenen Interessenträger. In diesem Zusammenhang waren Ansätze wie das Bottom-Up Lawmaking11, das Private Lawmaking12 oder das Konzept der partizipativen Demokratie13 wichtige Argumentationshilfen, um zu begründen, dass Verfahren, in denen Beteiligungsmöglichkeiten für die späteren Regelunterworfenen bestehen und wahrgenommen werden, in der Lage sind, normative Kräfte zu entfalten.14 Derart entstandene Regeln sind im Sinne des Wortes transnational, weil sie ihren Wirkungsbereich nicht auf Nationalstaaten beschränken, sondern auf bestimmte Branchen und Wirtschaftszweige. Sie sind nicht territorial, sondern funktional ausdifferenziert. An das staatliche Recht richtete sich der Appell, die Selbstorganisationskräfte privater Selbstregulierung zu erkennen und zu nutzen. Hierzu kann auf die Technik reflexiver oder prozeduraler Regulierung zurückgegriffen werden. 15 Die Aufgabe des Rechts ist es dabei, einen Rahmen vorzugeben, innerhalb dessen private Selbstregulierung stattfinden kann. Globales Recht darf dann nicht als Einheit begriffen werden, sondern muss im Sinne eines modernen Rechtspluralismus als Menge vieler – auch privater – vatrechts durch die Europäische Union: Privatrecht und Privatrechtskonzeptionen in der Entwicklung der Europäischen Integrationsverfassung, 2010, S. 655 ff. m.w.N. 11 Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 2005 Yale J.Int'l L., 125–209; Levit, A Cosmopolitan View of Bottom-Up Transnational Lawmaking: The Case of Export Credit Insurance, 2005 Wayne L.Rev., 1193–1208; Levit, Bottom-Up International Lawmaking: Reflections on the New Haven School of International Law, 2007 Yale J.Int'l L., 393–420; Levit, Bottom-Up Lawmaking through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 2008 Emory L.J., 1147–1225. 12 Snyder, Private Lawmaking, 2003 Ohio St.L.J., 371–449. 13 Ochoa, The Relationship of Participatory Democracy to Participatory Law Formation, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 5–18; Ochoa, Syposium Introduction: Democracy and the Transnational Sector, 2008 Ind.J.Global L.Stud., 1–3. 14 Köndgen, Privatisierung des Rechts, AcP 2006, 477–525, S. 522; Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, ZEuP 1993, 247–267, S. 266; Maurer/Beckers, Lex Maritima, 2009, 811–825, S. 818; Maurer, Die Inhaltskontrolle transnationalen Rechts, 2010. 15 Wiethölter, Materialisierungen und Prozeduralisierungen von Recht, 1984, 25–64; Teubner, Reflexives Recht: Entwicklungsmodelle des Rechts in vergleichender Perspektive, ARSP 1982, 13–59; Calliess, Prozedurales Recht, 1999; Calliess, Reflexive Transnational Law, ZfRSoz 2002, 185–216; Calliess, Prozedurales Zivilrecht, 2005, 65–83.
224
Schluss
Rechtsordnungen gesehen werden. 16 Wenn sie sich aber der Sprache des Rechts bedienen, müssen auch private Normerzeuger nicht nur Verantwortung für ihre Leute, sondern auch für öffentliche Interessen übernehmen.17 Dabei kann auf Lernerfahrungen18 zurückgegriffen werden, die im Nationalstaat bereits gemacht worden sind. Schwächerenschutz, Umweltschutz, Grundrechtsschutz und andere öffentliche Interessen sind dabei auch von Privaten zu beachten, wenn deren Regeln von einer breiten Öffentlichkeit getragen werden sollen. Andererseits sollten private Normerzeuger dabei nicht überfordert werden. An sie dürfen jedenfalls keine höheren Anforderungen als an staatliche Akteure gestellt werden. Die Untersuchung von internationalen Rechtsprechungsinstitutionen hat im zweiten Kapitel das Augenmerk hauptsächlich auf private Schiedsgerichtsorganisationen des internationalen Seehandels gerichtet. Empirische Untersuchungen geben deutliche Hinweise auf die von unterschiedlichen Seiten diagnostizierte „Entstaatlichung des Seehandelsrechts“. Die Auswertung von Statistiken und Zahlenreihen und die Durchführung von Zeitreihenvergleichen führt zwar grundsätzlich nicht zu einem eindeutigen Nachweis, jedoch lassen sich an den Zahlen Tendenzen und Hinweise ablesen, die auf das tatsächliche Vorliegen der vermuteten Entstaatlichung des Seehandelsrechts hindeuten. Insgesamt scheinen jedenfalls Schiedsgerichte im grenzüberschreitenden Handel zunehmend eine wichtigere Rolle zu spielen als staatliche Gerichte. 19 Im internationalen Seehandel ist die London Maritime Arbitrators Association (LMAA) die wichtigste institutionalisierte Schiedsgerichtsorganisation. 20 Ihre Verfahrensarten sind hochformalisiert, spezialisiert und bieten von kleinen über mittlere bis hin zu großen Streitwerten Möglichkeiten, Streitigkeiten schnell und kosteneffizient auszutragen. 21 Über ihre Streitschlichtungsfunktion hinaus können private Schiedsgerichte aber auch an einer Rechtsbildung und Rechtsfort 16
Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, RJ 1996, 255–290; Moore, Law and Social Change: The Semi-Autonomous Social Field as an Appropriate Subject of Study, 1973 Law Soc. Rev., 719–746; Merry, Legal Pluralism, 1988 Law Soc. Rev., 869–896; Merry, New Legal Realism and the Ethnography of Transnational Law, 2006 L.Soc.Inquiry, 975–995. 17 Fischer-Lescano, Europäische Rechtspolitik als transnationale Verfassungspolitik, ZERP-Diskussionspapier 2010, 1–26. 18 Zumbansen, Ordnungsmuster im modernen Wohlfahrtsstaat: Lernerfahrungen zwischen Staat, Gesellschaft und Vertrag, 2000; Zumbansen, Transnational Law and Societal Memory, 2007, 129–146. 19 Hoffmann/Maurer, Entstaatlichung der Justiz. Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, 279–302. 20 Tassios, Choosing the Appropriate Venue: Maritime Arbitration in London or New York?, 2004 J.Int'l.Arb., 355–366. 21 Ambrose/Maxwell, London Maritime Arbitration, 2009.
A. Festzuhaltendes
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bildung im transnationalen Raum teilnehmen. Aus einer rechtssoziologischen Perspektive wird erkennbar, dass neben der im Schiedsgerichtsverfahren hergestellten Einzelfallgerechtigkeit auch Rechtssicherheit durch Schiedsgerichte erzeugt wird und eigene Regeln hervorgebracht werden können.22 Voraussetzung dafür aber ist das Verbalisieren und Erinnern von Entscheidungsregeln. 23 Anders ausgedrückt kommt es für das Entstehen eines von institutionalisierten Schiedsgerichten hervorgebrachten transnationalen Rechts darauf an, dass Entscheidungen veröffentlicht (verbalisiert) und aufgegriffen, diskutiert und bestätigt oder verworfen (erinnert) werden. Unter diesen Bedingungen können institutionalisierte Schiedsgerichtsorganisationen an der Entstehung von transnationalen Rechtsregeln mitwirken. Voraussetzung für Rechtssicherheit im Rahmen eines pluralistisch gedachten transnationalen Rechts ist darüber hinaus seine Sichtbarkeit auch für staatliche Gerichte und staatliches Recht. Nur so kann es in einem zweiten Schritt auch vom staatlichen Recht und von staatlichen Gerichten anerkannt und verarbeitet werden. Hierzu ist ein rechtstheoretisch gewendetes Kollisionsrecht zu erwägen, das es erlaubt, private Formen der Selbstregulierung zu erkennen und angemessen und sachgerecht in Beziehung zu staatlichem Recht setzen zu können.24 An die Schifffahrtsbranche und die mit ihr assoziierten Schiedsgerichte richtet sich vor diesem Hintergrund der Appell, Schiedssprüche umfangreich und vorbehaltlos zu veröffentlichen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn nur durch die Technik des Verbalisierens und Erinnerns ist es möglich, Entscheidungsregeln, die für Einzelfälle entwickelt worden sind, auch zu allgemeingültigen und anerkannten Regeln zu verdichten und so an der Entstehung eines transnationalen Seehandelsrechts mitzuwirken. Das dritte Kapitel hat schließlich die Rechtsdurchsetzung im Bereich des Seehandelsrecht thematisiert. In diesem Zusammenhang hält das staatliche Recht eine ganze Reihe von Regeln zur Anerkennung und Durchsetzung sowohl ausländischer Gerichtsentscheidungen als auch internationaler Schiedssprüche bereit. Eine wichtige Erkenntnis ist jedoch, dass die Durchsetzung und Vollstreckung von Urteilen staatlicher Gerichte international nur sehr begrenzt möglich und insbesondere auf den europäischen
22 So im Prinzip auch Schmitthoff, International Trade Usages, 1987, insbesondere S. 48. 23 Calliess/Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, Ratio Iuris 2009, 260–280. 24 Wiethölter, Begriffs- oder Interessenjurisprudenz – falsche Fronten im IPR und Wirtschaftsverfassungsrecht. Bemerkungen zur selbstgerechten Kollisionsnorm, 1977, 213–263; Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, 2006; Joerges, Kollisionsrecht als verfassungsrechtliche Form: Das Beispiel der Verrechtlichung des internationalen Handels durch die WTO, 2009, 309–331; Joerges, The Idea of a Three-Dimensional Conflicts Law as Constitutional Form, 2010.
226
Schluss
Raum beschränkt ist. Die Entscheidungen von Schiedsgerichten bieten in diesem Zusammenhang eine weitaus größere Chance, vollstreckt werden zu können. Sie sind im Rahmen des New-York-Übereinkommens zur Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen in fast jedem Land der Welt anerkennungsfähig und damit auch vollstreckbar. Ebenso wichtig ist es aber, im Rahmen des dritten Kapitels darauf hinzuweisen, dass das Recht nicht die einzige Möglichkeit der Sicherung und Durchsetzung von Ansprüchen ist. 25 Vielmehr hat die wirtschaftswissenschaftliche Forschungsrichtung der neuen Institutionenökonomik 26 umfangreich die Bedeutung von privaten Governance-Mechanismen für die Sicherung grenzüberschreitender Transaktionen untersucht. Besonders wichtig sind dabei relationale Geschäftsbeziehungen, die auf Kooperation der Transaktionspartner abzielen und als Sanktion den Abbruch der Geschäftsbeziehung vorsehen.27 Dieser Abbruch der Geschäftsbeziehung wäre für beide Transaktionspartner so ineffizient, dass Kooperation die einzig effiziente Handlungsalternative auch dann bleibt, wenn opportunistisches Verhalten kurzfristig zu höheren Gewinnen führen würde. Der Aufbau von Reputationsnetzwerken überträgt dieses Prinzip von andauernden Geschäftsbeziehungen auf einmalige Geschäftsbeziehungen. 28 Indem Transaktionspartner ihre Erfahrungen mit der jeweils anderen Partei veröffentlichen, bewegen sie die andere Partei zu kooperativem Verhalten. Denn opportunistisches Verhalten gegenüber einer Partei würde die Reputation schädigen und damit die Chance auf zukünftige Gewinne schmälern. Letztlich sind selbstdurchsetzende Verträge als Beispiele privater GovernanceMechanismen wichtige Werkzeuge, um Transaktionen in einer Weise zu strukturieren, die ebenfalls kooperatives Verhalten fördert.29 25
Umfassend dazu Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010. Coase, The Problem of Social Cost, 1960 J.L. & Econ., 1–44; Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985; Williamson, The Economics of Governance, 2005 Am.Econ.Rev., 1–18. Siehe auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2003. 27 Macaulay, Non-Contractual Relations in Business: A Preliminary Study, 1963 Am.Sociolog.Rev., 55–67; MacNeil, Contracts – Adjustment of long-term economic relations under classical, neoclassical and relational contract law, 1978 N.W.U.L.Rev., 854–905; MacNeil, Relational Contract: What We Know And Do Not Know, 1985 Wis.L.Rev., 483–525; Dietz, Relationale Verträge und Reputationsnetzwerke im internationalen Handel, ZfRSoz 2009, 165–184. 28 Gilette, Reputation and Intermediaries in Electronic Commerce, 2002 La.L.Rev., 1165–1197; Resnick/Zeckhauser, Trust Among Strangers in Internet Transactions: Empirical Analysis of eBay's Reputation System. The Economics of the Internet and ECommerce, 2002, 127–157; Richman, Firms, Courts, and Reputation Mechanisms: Towards a positive Theory of Private Ordering, 2004 Colum.L.Rev., 2328–2367. 29 Zum theoretischen Hintergrund der Kooperationstheorie siehe insbesondere Axelrod, Die Evolution der Kooperation, 2000. 26
B. Transnationales Seehandelsrecht – Why Care?
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B. Transnationales Seehandelsrecht – Why Care? B. Transnationales Seehandelsrecht – Why Care?
Die Debatten um die Existenz eines transnationalen Rechts sind kaum mehr auch nur in Ansätzen zu überschauen. Zu groß ist die Flut der Beiträge und zu inhomogen sind die unterschiedlichen Ansichten. Es geht um die Rechtsqualität von Vertragsmustern, Modellgesetzen, Kodizes oder technischen Standards,30 um die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen über den konkreten Rechtsstreit hinaus,31 um den Anwendungsbereich des internationalen Privatrechts32 und die Autorität des nationalen Gesetzgebers bzw. die Defizite seiner Rechtsetzungstätigkeit. 33 Diese Probleme zeigen sich aber nicht bei den betroffenen Kaufleuten. Sie verwenden Vertragsmuster, Standardklauseln und Schiedsgerichte ohne Vorbehalte und streben Streitvermeidung und kooperative Streitbeilegung eher an als „Elementarkontroversen“.34 Es sind die Juristen, die Probleme in vermeintlicher „intellektueller Kleinlichkeit“ erst schaffen und dabei doch immer die Großfrage vor Augen haben: Was ist eigentlich Recht?35 Doch das allein wäre nichts Besonderes. Seit Jahrhunderten sind Juristen auf der Suche nach der Quelle des Rechts und nach dem Grund für seine Autorität. Plato mit der Ideenlehre, Thomas von Aquin mit der Rechtstheologie, Rousseau mit Naturrecht oder Kelsen mit Rechtspositivismus – sie alle hatten sich bereits mit der Frage nach dem Geltungsgrund des Rechts befasst. Bis vor etwa 30 Jahren schien das Recht sicher: Verankert im Nationalstaat, sozial ausgerichtet durch den Wohlfahrtsstaat, freiheitlich bewahrt durch den bürgerlichen Rechtsstaat und getragen von der politischen Autorität einer demokratischen Verfassung. Und doch befand sich das Recht stets auch in einem Spannungsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen dem Erfordernis demokratischer Legitimation und dem Bedürfnis nach individueller Freiheit.36 Die Staatssemantik hat es jedoch bis dahin geschafft, dieses Spannungsverhältnis zu entschärfen oder zumindest zu überdecken.
30 Überblicke z. B. bei Köndgen, Privatisierung des Rechts, AcP 2006, 477–525; Schanze, International Standards: Functions and Links to Law, 2005, 83–103; Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, ZEuP 1993, 247–267. 31 Weidemaier, Toward a Theory of Precedent in Arbitration, 2010 Wm. & Mary L.Rev., 1895–1958. 32 Siehr, Sachrecht im IPR, Transnationales Recht und Lex Mercatoria, 1985, 103– 126. 33 Calliess, Weitgehende Übereinstimmung und laufendes Programm. Zur Legitimation von Privatrecht im Zeitalter der Globalisierung, 2006, 109–120, S. 117. 34 Schmidt, Lex mercatoria: Allheilmittel? Rätsel? Chimäre?, 2007, 153–183, S. 158. 35 Schmidt, Lex mercatoria: Allheilmittel? Rätsel? Chimäre?, 2007, 153–183, S. 158. 36 Pointiert wie kaum ein anderer beschreibt dieses Verhältnis Wiethölter, RechtFertigungen eines Gesellschafts-Rechts, 2003, 13–21.
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Schluss
Das Neue ist heute der Verlust der Überzeugungskraft einer Staatssemantik unter dem Eindruck immer weiter fortschreitender Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die von Jellinek begründete DreiElemente-Lehre sah die Territorialität des Staates als konstitutives Merkmal an.37 Die Globalisierung lässt die Gebietsbindung jedoch zum Hemmschuh für politisches Handeln werden. Eine Weltregierung oder ein Weltstaat existiert auf absehbare Zeit nicht. Reaktionen der Gesellschaft sind Stratifikation, Segmentierung und funktionale Differenzierung.38 Die Diskussion um ein transnationales Recht ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Sie betrifft die Frage, „ob die Globalisierung nicht eine neue Phase in der Evolution des Rechts kennzeichnet, die dazu Anlass gibt, sich über die Natur des Rechts selbst Gewissheit zu verschaffen“.39 Kritik an transnationalem Recht, die auf seine fehlende demokratische Legitimation, seine Unfassbarkeit in der traditionellen Rechtsquellenlehre oder seine fehlende Geschlossenheit als Rechtssystem abstellt, legt zwar einen Finger in die richtige Wunde, jedoch ist es der falsche Finger. Er ist zurückgewandt auf die unzureichende staatliche Semantik. Die Frage müsste vielmehr lauten, welches Verhältnis Staat und (globalisierte) Gesellschaft in einer „postnationalen Konstellation“40 zueinander einnehmen sollen. Kann die Wirtschaftspraxis als Rechtsquelle dienen? 41 Wie können privat erzeugte Regeln auch die Belange derjenigen Betroffenen berücksichtigen, die an ihrer Entstehung nicht mitwirken konnten? Lässt sich eine Gesellschaft auch durch privat erzeugtes Recht steuern? Welchen Konfliktregeln unterliegen die unterschiedlichen Rechtsregimes eines pluralistischen transnationalen Rechts? Es sind diese Fragen, die die Debatten um ein transnationales Recht leiten müssen. Gesucht sind Methoden der Konzeptualisierung von Recht in einer Weltgesellschaft, 42 die einerseits die Besonderheiten der neuen Situation einer globalen Rechtsentwicklung erfassen, andererseits aber auch die Erfahrungen des Rechts im Nationalstaat nicht außer Acht lassen dürfen („Lernerfahrungen“) 43 . Die Problematik 37
Jellinek, Das Recht des modernen Staates: Allgemeine Staatslehre, 1900. Luhmann, Differentiation of Society, 1977 C.J.S., 29–53. 39 Zumbansen, Die Lehren der Lex Mercatoria: Notizen zur Emergenz und Methodologie privater Normsetzung in der Globalisierung, 2012 (i.E.). Siehe dazu auch Teubner, Des Königs viele Leiber. Die Selbstdekonstruktion der Hierarchie des Rechts, Soziale Systeme 1996, 229–255. 40 Habermas, Die postnationale Konstellation: politische Essays, 2006. 41 Wiethölter, Die Wirtschaftspraxis als Rechtsquelle, 1971, 165–185. 42 Siehe dazu nochmals Zumbansen, Die Lehren der Lex Mercatoria: Notizen zur Emergenz und Methodologie privater Normsetzung in der Globalisierung, 2012 (i.E.). Ein Beispiel für eine solche Kozeptualisierung von Recht liefern Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code. A Theory of Transnational Private Law, 2010. 43 Zumbansen, Ordnungsmuster im modernen Wohlfahrtsstaat: Lernerfahrungen zwischen Staat, Gesellschaft und Vertrag, 2000. 38
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erschöpft sich jedenfalls nicht in einer dogmatischen Verengung der Rechtsquellenlehre. Sie liegt jedoch auch nicht in einer Hoffnung auf die allumfassenden Selbstregulierungskräfte eines deregulierten (oder wertend: entfesselten) Marktes. Ebenso wie das Rechtsparadigma der Prozeduralisierung formalistische und materielle Strömungen im Recht nicht ersetzt, sondern allenfalls überformt44, wird auch ein globales Recht Elemente eines formalen, materiellen und prozeduralistischen Rechtsparadigmas beinhalten. Das Seehandelsrecht liefert eine ganze Reihe von Beispielen für diskussionswürdige und verallgemeinerbare Methoden der Entstehung eines transnationalen Rechts. Partizipative Verfahren verhindern die individuelle Verfolgung von Partikularinteressen. Schiedsgerichte sind unter bestimmten Umständen in der Lage, durch ihre Rechtsprechung Recht zu erzeugen. Und die Rechtsdurchsetzung ist keinesfalls länger ein Monopol der Staaten. Vorausschauende Vertragsgestaltung und die Einschaltung privater Dritter ermöglichen es den Parteien, Vereinbarungen zu treffen, die Schäden durch opportunistisches Verhalten des Vertragspartners weitgehend ausschließen. Ihre traditionell globale Ausrichtung verschafft der Seehandelsbranche einen Vorsprung gegenüber anderen Branchen im Umgang mit der Transnationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Lex Maritima ist aktueller denn je.
44
Calliess, Prozedurales Recht, 1999, S. 270.
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Register
ADSp 169–71 Allgemeine Geschäftsbedingungen 23, 27, 42–51, 67, 68, 70, 76, 77, 80, 81, 90, 153, 154, 167–73, 187, 222, 223 Rechtscharakter von 52–58 American Legal Realism 60–61 Anecdotal Evidence 113 Baltic and International Maritime Council Siehe BIMCO Basedow, Jürgen 26, 37, 113 Begriffsjurisprudenz 138 BIMCO 5, 70–71, 84, 183 Bottom-Up Lawmaking 77–79 Bretton-Woods 33 Calliess, Gralf-Peter 79, 84, 166 CMI 51, 74–76, 84 CMR 38 Comité Maritime International Siehe CMI Common Law 11, 47, 86, 121, 135, 140–142, 145, 179 Consulato del Mare 10 COTIF 38 Critical Legal Studies 61 Drittwirkung der Grundrechte 95 Ehrlich, Eugen 60, 61, 87, 134, 147 Einheit der Rechtsordnung 58, 88, 138 Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für DokumentenAkkreditive Siehe UCP Engisch, Karl 138 ERA Siehe UCP EuGVÜ 192–93 EuGVVO 194 Fast and Low Cost Arbitration (FALCA) der LMAA 130 Freirechtslehre 61, 139 Funktionalismus 64–66, 68
Gefangenendilemma 211–13 GENCON Chartervertrag 50, 57, 171, 184–186, 188 German Maritime Arbitrators Association Siehe GMAA Geschichte des Seehandelsrechts 7–11 Antike 8 Mittelalter 8–10 Moderne 11 Gewaltenteilung 135, 136, 142 Gewohnheitsrecht 17, 42, 52, 53, 54, 55, 78, 82, 88, 99, 101, 141 Gierke, Otto von 95 GMAA 18, 118 Governance-Mechanismen, private 6, 23, 208–19 im Seehandel 213–16, 218–19 Großmann-Doerth, Hans 4, 42, 123 Handelsbrauch 54, 55, 58, 67, 81, 99 Haverei 44, 45, 46, 112, 201 Herber, Rolf 2, 29, 30, 34, 42, 56, 219 ICC 72–73 Incoterms 16, 44, 47–49, 67, 69, 70, 76, 80, 89, 99, 101 Entstehungsprozess 72–73 Rechtscharakter 54–56, 58 Interessenjurisprudenz 61 International Chamber of Commerce Siehe ICC International Maritime Organization (IMO) 109 Internationale Handelskammer Siehe ICC Jessup, Philip C. 13, 14, 16, 18, 19 Joerges, Christian 162 Justizverweigerungsverbot 143 Kantorowicz, Hermann 61 Kollisionsrecht für Privatregimes 158–64 Kontingenz 64
Register Law made in Germany 155 Lebendes Recht 18, 134, 147 Legal Realism Siehe American Legal Realism Lex mercatoria 3, 8, 10, 17, 42, 43, 52, 70, 81, 111, 121, 164, 165 Lloyd’s Open Form Salvage Agreement 117 LMAA 5, 18, 177, 198, 224 Bedeutung im Seehandel 116–19 Verfahren 128–31 Veröffentlichung von Awards 177–78 Lochner gg. New York 60 London Maritime Arbitrators Association Siehe LMAA LugÜ 193–94 Luhmann, Niklas 62–66, 96, 133, 143, 147–48 Mankowski, Peter 24, 25, 164, 165 MARPOL 108 Montreal Übereinkommen 39 Musterverträge 49–51, 69, 70, 71, 99, 101, 168, 181 Rechtscharakter 56 Nationalisierung des Handelsrechts 11 Neue Institutionenökonomik 209 Neue Lex Mercatoria 10, 11, 12, 16, 17 New Law Merchant 10, 12, 221 New York Convention Siehe UNÜ Nordholm-Entscheidung 56–58, 153, 167, 184, 187, 188 Normenhierarchie 59 Öffentliches Interesse 102–10 Ordre public transnational 106–10 Pound, Roscoe 60 Private Lawmaking 67–68 Rechtsfortbildung 142, 157, 176, 175–78, 225 Rechtsordnung sui generis 52 Rechtsparadigmen 93–99 formales Rechtsparadigma 94–95 materielles Rechtsparadigma 95–97 prozedurales Rechtsparadigma 97–99 Rechtspluralismus 85–88 Rechtsvereinheitlichung durch internationale Übereinkommen 27–42
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durch private Akteure 42–51 Reflexives Recht 92, 97–99 Reputation 216–19 Responsivitätspflichten 102 Richterrecht 111, 135–43, 143, 145, 148, 179 transnationales 140–42, 143, 146, 150–52 Rôles d’Oléron 9, 10 Rotterdam Rules Siehe RotterdamRegeln Rotterdam-Regeln 28, 30, 38–42, 49 Rough Consensus, Running Code 84 Schiffsarrest 199–208 Deutschland 201–5 Großbritannien 205–6 Niederlande 206–7 Schmid, Christoph 102 Schmitthoff, Clive 17, 135 Seefahrt als Gefahrgemeinschaft 45 Seehandelsrecht Bedeutung des -s 1–3 Geschichte des Siehe Geschichte des Seehandelsrechts transnationales 11–22 Selbstdurchsetzende Verträge 210–16 Skripturhaftung des Konnossements 34 SMA 5, 18, 129, 178 Bedeutung im Seehandel 118–19 Verfahren 128, 131 Veröffentlichung von Awards 177 Small Claims Procedure der LMAA 129 Society of Maritime Arbitrators Siehe SMA SOLAS 108 Sozialstaatlicher Paternalismus 96 Spieltheorie 211–13 Standardverfahren der LMAA 131 Systemtheorie des Rechts 62–66, 86, 148–50 Recht/Unrecht 62, 63, 64, 147, 149, 181 Tetley, William 31, 43, 56 Teubner, Gunther 92, 97–99, 161–62 Transnationales Recht 12–21 als Prozess 19–21 als Recht der grenzüberschreitenden Sachverhalte 14–16 als Rechtsquelle 16–19 als Richterrecht 143–52
260 Begriff 3–4 Kritik 19 und IPR 164–66 UCP 44, 46–47, 58, 67–70, 76, 77, 80, 81, 89, 99, 101, 214 Entstehungsprozess 72–73 Rechtscharakter 52–54 UNCITRAL 35, 39, 73, 76, 121 UNCTAD 35, 39, 76 Uniform Customs and Practice for documentary credits Siehe UCP Uniform General Charter Siehe GENCON Chartervertrag UNÜ 197–99
Register Vanishing Trial 155–57 Verhaltenserwartung 63–67, 147, 148, 151 VOB/B 168–69 Voylayrules 51, 183, 184, 186 WIBON-Klausel 182, 183 Wiethölter, Rudolf 161 Wisby-Regeln 10 Wohlfahrtsstaat 96, 227 York-Antwerp Rules 44–46, 89, 99 Entstehungsprozess 74–77 Rechtscharakter 56 Zumbansen, Peer 84