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German Pages 416 [417] Year 2015
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 333 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Konrad Duden
Leihmutterschaft im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht Abstammung und ordre public im Spiegel des Verfassungs-, Völker- und Europarechts
Mohr Siebeck
Konrad Duden, geboren 1983; Studium der Chemie (Vordiplom) und der Rechtswissenschaft in München, Heidelberg, Bilbao und Cambridge; Master of Law, Cambridge; seit 2012 Wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht; seit 2014 Juristischer Vorbereitungsdienst am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg.
e-ISBN PDF 978-3-16-154025-7 ISBN 978-3-16-154024-0 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2015 Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Februar 2015 berücksichtigt werden. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme. Er hat die Arbeit intensiv inhaltlich begleitet sowie menschlich mit Wohlwollen und Humor. Er fand zu jeder Gelegenheit die passenden Worte, um mich zu fordern oder bei Zweifeln zu motivieren. Ich habe persönlich und fachlich viel von ihm lernen dürfen. Mein Dank gilt auch dem Zweitgutachter, Prof. Dr. Marc-Philippe Weller, und dem Vorsitzenden der mündlichen Prüfung, Prof. Dr. Ekkehart Reimer. Beide trugen mit großem Engagement und Interesse zum Prüfungsverfahren bei. Bei der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Friedrich-NaumannStiftung bedanke ich mich für deren Förderung sowie bei der Rolf und Lucia Serick Stiftung und dem Institut für ausländisches und internationales Privatund Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg für die Auszeichnung dieser Arbeit mit dem Serick-Preis. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow ermöglichte es mir, die Dissertation am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg zu verfassen, an dem ich als sein wissenschaftlicher Assistent tätig war. Es war eine sehr schöne und anregende Zeit. Auch Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Pfeiffer möchte ich für die Unterstützung danken, die er mir während meiner vorherigen Tätigkeit an seinem Lehrstuhl gewährt hat. Des Weiteren bin ich folgenden Hochschuldozenten für Gespräche und sonstige Förderung dankbar: Prof. Dr. Anatol Dutta, Prof. Dr. Bettina Heiderhoff, Prof. Dr. Walter Pintens und Dr. Jens M. Scherpe. Ein besonderer Dank gilt meiner Familie, insbesondere meinen Eltern, Sigrid und Gustav Duden, meinen Freunden und Kollegen für ihre Anregungen, Geduld und Zuneigung. Hervorheben möchte ich Jasper Bittner, Kathrin Böker, Andrés Castro Samayoa, Andreas Engel, Sebastian Gößling, Nina Marie Güttler, Felix Jaeger, Andreas Laupp, Felix Michl, Tilman Petersen, Stephanie-Marleen Raach, Jakob Schemmel, Jennifer Trinks, Oliver Unger und Dirk Wiegandt. Hamburg, im März 2015
Konrad Duden
Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. IX Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................XIX
Einleitung................................................................................................... 1 A. B. C. D.
Tatsächlicher Hintergrund............................................................................. 3 Fragestellung der Arbeit.............................................................................. 10 Begriffsklärung ........................................................................................... 12 Gang und Methode der Untersuchung ........................................................ 13
Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland ..................................17 A. Unzulässigkeit der Leihmutterschaft in Deutschland .................................. 17 B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft ............. 21
Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR ................................29 A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB ........................................... 29 B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ............................................................................................. 111 C. Zwischenergebnis ..................................................................................... 131
Kapitel 3 – Ordre public ..................................................................... 133 A. B. C. D. E. F. G.
Verstoß gegen Grundrechte ...................................................................... 135 Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte ...................... 184 Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß ................................. 186 Fazit: Grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public ....................... 193 Sonderfälle der Leihmutterschaft .............................................................. 193 Ordre public im Internationalen Zivilverfahrensrecht .............................. 216 Zwischenergebnis ..................................................................................... 217
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Inhaltsübersicht
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts ................................................................................. 219 A. Ergebnisvorgaben für Zulässigkeit der Leihmutterschaft und Abstammung des Kindes .......................................................................... 221 B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben ......................................................... 298 C. Mögliche Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts ............... 321
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick ........................................ 329 Zusammenfassung in Thesenform .................................................... 333 Literaturverzeichnis......................................................................................... 349 Rechtsprechungsverzeichnis ........................................................................... 375 Sachverzeichnis ............................................................................................... 383
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................XIX
Einleitung ..................................................................................................1 A. Tatsächlicher Hintergrund ....................................................................... 3 I. Reproduktionsmedizin als Mittel zur Überwindung der Kinderlosigkeit .............................................................................................. 4 II. Leihmutterschaft als Streitfall ....................................................................... 7 III. Reibungen wegen Divergenz der einzelstaatlichen Regelungsansätze .......................................................................................... 8 B. Fragestellung der Arbeit ......................................................................... 10 C. Begriffsklärung ....................................................................................... 12 D. Gang und Methode der Untersuchung ..................................................... 13
Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland .................................. 17 A. Unzulässigkeit der Leihmutterschaft in Deutschland ................................ 17 B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft ............. 21 I. Mutterschaft ................................................................................................ 22 1. Unanfechtbare Mutterschaft der Leihmutter .......................................... 22 2. Erwerb der Mutterschaft durch Adoption ............................................... 23 II. Vaterschaft .................................................................................................. 24 1. Unmittelbarer Erwerb der Vaterschaft.................................................... 24 2. Erste verfassungsrechtliche Zweifel an §§ 1591 ff. BGB....................... 27 III. Männliche homosexuelle Paare................................................................... 27 IV. Fazit ............................................................................................................ 28
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR ................................ 29 A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB .......................................... 29 I. Einführendes zur Anwendung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB ........................ 29 1. Anwendbarkeit von Art. 19 EGBGB ...................................................... 29 2. Struktur des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB, kein Vorrang des Satz 1 ....... 30 3. Abstammung als Vorfrage ...................................................................... 32 4. Verweisung auf gespaltene Rechtsordnungen, Art. 4 Abs. 3 EGBGB .................................................................................................. 34 5. Beachtung von Rück- und Weiterverweisungen .................................... 37 a) Mögliche Fälle des renvoi bei der Leihmutterschaft .......................... 37 aa) Kalifornien: versteckte Kollisionsnorm, Sec. 7962(f)(2) Family Code................................................................................ 38 bb) Vereinigtes Königreich bzw. England: versteckte Kollisionsnormen, Sec. 54 HFEA bzw. Sec. 55A FLA 1986 ............. 39 cc) Indien: ungeschriebenes Domizil-Prinzip ................................... 41 dd) Griechenland: Verweisungsnorm, Art. 17 ff. ZGB ..................... 42 ee) Israel: Verweisungsnorm, §§ 76 f. Gesetz 5722-1962 ................ 44 ff) Ukraine: Regelungslücke in IPR-Gesetz..................................... 46 gg) Fazit ............................................................................................ 47 b) Widerspruch zum Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB .......................... 48 c) Bestimmung anhand der Rechtsanwendungsergebnisse .................... 50 d) Befolgung eines renvoi bei Elternalternativität im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ......................................................... 50 aa) Schnelligkeit der Abstammung: Prioritätsprinzip ....................... 51 bb) Wahlrecht des Kindes ................................................................. 53 cc) Wahrscheinlichkeit der Abstammung ......................................... 53 dd) Ergebnisvorgaben gemäß §§ 1591 ff. BGB ................................ 55 (1) Soziale Vaterschaft als Ziel des deutschen Vaterschaftsrechts .................................................................. 56 (2) Genetischer und rechtlicher Vater ist nicht sozialer Vater ....................................................................................... 57 (3) Sozialer und rechtlicher Vater ist nicht genetischer Vater ....................................................................................... 59 (4) Fazit........................................................................................ 60 ee) Kindeswohlvermutung zugunsten der sozialen Familie.............. 61 (1) Die soziale Familie als zuverlässigster Zugang zum Kindeswohl ............................................................................ 61 (2) Bedeutung der sozialen Elternschaft im Verfassungsrecht .................................................................... 65 (3) Anknüpfungskriterium mangels eindeutiger sozialer Familie ................................................................................... 65
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e) Keine Differenzierung zwischen den Sätzen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB................................................................................... 66 f) Fazit ................................................................................................... 67 II. Heimatrecht des potenziellen Elternteils, Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB ....................................................................................................... 68 1. Auslegung „Elternteil“ ........................................................................... 68 2. Relevanter Zeitpunkt und Statutenwechsel ............................................ 69 3. Doppelstaater, Art. 5 Abs. 1 EGBGB ..................................................... 70 4. Von Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB berufene Rechtsordnungen ................ 71 a) Grundsätzlicher Ausschluss der Elternschaft der reinen Keimzellenspender ............................................................................. 72 b) Elternschaft nach den Heimatrechten der Wunscheltern und der Leihmutter .................................................................................... 72 aa) Elternschaft der Wunscheltern nach deutschem Heimatrecht................................................................................. 72 bb) Elternschaft der Leiheltern nach ihrem Heimatrecht .................. 74 (1) Kalifornien: Abstammung von Wunscheltern ipso iure ......... 74 (2) Ukraine: Abstammung von Wunscheltern ipso iure .............. 77 (3) Griechenland: Abstammung von Wunscheltern ipso iure bei gerichtlicher Erlaubnis .............................................. 78 (4) Vereinigtes Königreich: Abstammung von Wunscheltern durch parental order ....................................... 80 (5) Israel: Abstammung von Wunscheltern durch Elternschaftsdekret ................................................................. 82 (6) Indien: Abstammung von Wunscheltern nach soft law .......... 84 cc) Fazit ............................................................................................ 88 III. Ehewirkungsstatut der Ehe der Mutter, Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB.......... 88 1. „Mutter“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB ............................... 89 2. Kreis der möglichen Eltern nach Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB ............... 90 3. Notwendigkeit der Bestimmung beider Eheleute als Eltern ................... 91 4. Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB.................................................................... 92 a) Ungleichbehandlung durch geschlechtsspezifisches Anknüpfungsmerkmal ........................................................................ 92 b) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ........................................... 93 c) Beseitigung des Verfassungsverstoßes .............................................. 94 5. Anwendbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften ................................ 94 6. Fazit: Nach Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB berufenes Recht in concreto .................................................................................................. 95 IV. Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ................................................................................................ 95 1. Der „gewöhnliche Aufenthalt“ allgemein .............................................. 96 2. Gewöhnlicher Aufenthalt bei ausländischer Leihmutterschaft ............... 97
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a) Gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort? ......................................... 98 b) Bestimmung der Abstammung nach Satz 1 mangels eines gewöhnlichen Aufenthaltes .............................................................. 101 3. Wandelbarkeit der Anknüpfung und Fortbestand der Abstammung .... 103 4. Fazit ...................................................................................................... 105 V. Häufung der von Art. 19 Abs. 1 bestimmten Eltern .................................. 106 1. Häufung durch Mehrzahl der Anknüpfungsmomente des Art. 19 Abs. 1 ................................................................................................... 106 2. Notwendigkeit der Reduktion auf zwei Elternteile ............................... 108 3. Soziale Elternschaft als Ziel der günstigsten Anknüpfung ................... 109 VI. Fazit bezüglich Verweisungsmethode....................................................... 110 B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ........................................................................................ 111 I. Grundlegendes zur verfahrensrechtlichen Anerkennung .......................... 111 II. Anerkennungsfähige Entscheidung, § 108 FamFG ................................... 112 1. Art der Mitwirkung der ausländischen Gerichte bei Leihmutterschaften ............................................................................... 112 2. Der Ursprung der „Entscheidung“ im Sinne des § 108 FamFG ........... 114 3. Die Art der „Entscheidung“ im Sinne des § 108 FamFG ..................... 115 a) Sonderfall: Beurkundung oder Registrierung .................................. 115 b) Sonderfall: Vaterschaftsanerkennung .............................................. 117 4. Umfang der Anerkennung einer „ausländischen Entscheidung“ .......... 118 a) Anerkennung nur der unmittelbaren Folgen .................................... 118 aa) Anerkennung der Feststellung der Abstammung ...................... 119 (1) Kalifornische Feststellungsurteile ........................................ 119 (2) Sonderfall: Entscheidungen, die ausdrücklich nur die genetische Abstammung oder Wirksamkeit der Leihmuttervereinbarung feststellen ...................................... 120 bb) Anerkennung der Gestaltung der Abstammung ........................ 122 (1) Britische parental orders ..................................................... 123 (2) Israelische Elternschaftsdekrete ........................................... 124 cc) Elternschaft durch Feststellung oder Gestaltung....................... 124 b) Bestimmung mittelbarer Wirkungen nach der lex causae................ 124 aa) Recht des Geburtsorts als lex causae ........................................ 126 bb) Deutsches Recht als lex causae................................................. 126 cc) Fazit .......................................................................................... 128 c) Sonderfall: Wirkung erga omnes oder inter partes .......................... 128 III. Anerkennungszuständigkeit, § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ......................... 129 IV. Fazit bezüglich verfahrensrechtlicher Anerkennung ................................. 131 C. Zwischenergebnis .................................................................................. 131
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Kapitel 3 – Ordre public ..................................................................... 133 A. Verstoß gegen Grundrechte ................................................................... 135 I. Einführendes zur Prüfung des Art. 6 S. 2 EGBGB ................................... 135 1. Entwicklung und bestehende Unklarheiten .......................................... 136 2. Wirkung der Grundrechte im Rahmen des ordre public-Vorbehalts .... 138 a) Grundrechte als Schutzpflichten ...................................................... 138 b) Grundrechte als Schutzpflichten im Privatrecht ............................... 139 c) Grundrechtsbedrohung und -bindung beim ausländischen Recht ................................................................................................ 140 aa) Regelmäßig kein eigener Eingriff des Richters ........................ 141 bb) Schutzpflicht des Richters ........................................................ 143 cc) Keine Differenzierung nach Fallgestaltung .............................. 144 dd) Zwischenergebnis: Grundrechte wirken in ihrer Schutzfunktion .......................................................................... 144 3. Auswirkung auf die Prüfung der Grundrechte in Art. 6 S. 2 EGBGB ................................................................................................ 144 a) Konkretes Ergebnis als Prüfungsgegenstand ................................... 145 b) Restriktive Annahme von Schutzpflichten ....................................... 145 c) Auslandsbezug des Sachverhalts...................................................... 146 d) Bedeutung des Grundrechts, Schwere der Bedrohung versus Relativität des ordre public .............................................................. 148 e) Möglichkeit des Schutzes................................................................. 148 4. Zwischenergebnis ................................................................................. 149 II. Elternschaft als Stellung............................................................................ 149 1. Grundrechte der Leihmutter, Recht auf das „eigene“ Kind aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ........................................................................... 151 2. Grundrechte des Kindes ....................................................................... 155 3. Fazit: Grundrechtliche Zulässigkeit der Elternschaft der Wunscheltern ........................................................................................ 157 III. Leihmutterschaft als Vorgang ................................................................... 158 1. Grundrechte der Leihmutter ................................................................. 159 a) Beeinträchtigung der Würde der Leihmutter ................................... 159 aa) Freiwilligkeit und Verobjektivierung........................................ 161 bb) Beeinträchtigung des Menschenwürdekerns ............................. 162 (1) Zugehörigkeit zur Intimsphäre: Vergleich zu Prostitution und Peepshows ................................................. 163 (2) Verkauf von Körperteilen: Vergleich zu Organhandel bzw. Lebendorganspende ..................................................... 169 (3) Besonders entwürdigende Behandlung als Menschenwürdekern ............................................................ 170 cc) Fazit: Keine Beeinträchtigung der Menschenwürde ................. 172
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b) Körperliche und geistige Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG ............ 172 2. Grundrechte des Kindes ....................................................................... 177 a) Beginn des Schutzes der Würde des Kindes, objektiver Gehalt des Menschenwürdeschutzes ................................................ 177 b) Kind als Handelsobjekt .................................................................... 179 aa) Abgrenzung zu Kinderhandel ................................................... 180 bb) Behandlung des Kindes als Ware ............................................. 182 cc) Exkurs: Abgrenzung zu Eugenik und ähnlichen Verfahren .................................................................................. 183 c) Fazit bezüglich der Grundrechte des Kindes.................................... 183 IV. Fazit .......................................................................................................... 183 B. Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte ..................... 184 I. Körperliche und geistige Unversehrtheit................................................... 184 II. Kindeswohl ............................................................................................... 185 III. Schutz der Familie und Elternschaft ......................................................... 185 IV. Gefahr des Kinderhandels ......................................................................... 186 V. Fazit .......................................................................................................... 186 C. Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß ................................ 186 I. Umgehung des Leihmutterschaftsverbots bzw. § 1591 BGB als international zwingendes Recht ................................................................ 186 II. Rechtsvergleichung und ordre public ....................................................... 190 III. Rechtspolitische Erschütterung als Ergebniskontrolle .............................. 192 D. Fazit: Grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public ..................... 193 E. Sonderfälle der Leihmutterschaft ........................................................... 193 I. Entgeltliche Leihmutterschaft ................................................................... 194 1. Verfassungsrecht .................................................................................. 194 2. Völkerrecht ........................................................................................... 199 II. Erzwungene Herausgabe des Kindes, Wegfall der Freiwilligkeit der Leihmutter ........................................................................................... 199 1. Menschenwürde der Leihmutter, Art. 1 Abs. 1 GG.............................. 201 a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs ............................................... 201 b) Elternschaft der Wunscheltern als Perpetuierung der Beeinträchtigung .............................................................................. 205 c) Vaterschaft des Wunschvaters bei sonstiger Vaterlosigkeit ............. 207 d) Anerkennung gewisser Rechtsfolgen solange Kind bei den Wunscheltern ist ............................................................................... 207 2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG ............................................................................................. 208
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3. Körperliche und geistige Unversehrtheit der Leihmutter, Art. 2 Abs. 2 GG ............................................................................................. 210 4. Elternrecht der Leihmutter, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ............................... 211 5. Völkerrecht ........................................................................................... 212 6. Fazit ...................................................................................................... 212 III. Homosexuelle Wunscheltern .................................................................... 213 1. Verfassungsrecht .................................................................................. 213 2. Völkerrecht ........................................................................................... 214 IV. Anonyme Spender oder Leihmütter .......................................................... 214 V. Leihmutter ist genetische Mutter .............................................................. 215 VI. Fazit zu den Sonderfällen .......................................................................... 215 F. Ordre public im Internationalen Zivilverfahrensrecht ............................ 216 G. Zwischenergebnis .................................................................................. 217
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts ................................................................................. 219 A. Ergebnisvorgaben für Zulässigkeit der Leihmutterschaft und Abstammung des Kindes ........................................................................ 221 I. Grundrechte............................................................................................... 221 1. Zulässigkeit der Leihmutterschaft ........................................................ 221 a) Recht auf Familiengründung, Art. 6 Abs. 1 GG .............................. 221 b) Recht auf Heilbehandlung, Art. 2 Abs. 2 GG .................................. 224 c) Zugang zur Reproduktionsmedizin als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ........................................................................ 225 aa) Schutzbereich ............................................................................ 225 bb) Rechtfertigung eines Verbots der Leihmutterschaft ................. 226 d) Fazit: Zulässigkeit der Leihmutterschaft nicht grundrechtsdeterminiert ................................................................... 227 2. Vorgaben für die Abstammung des Kindes .......................................... 227 a) Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren ........................................................................................... 228 aa) Herleitung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 5 GG ................................................................................. 228 bb) Verbot der Ungleichbehandlung bei der Eingliederung in die Familie ................................................................................ 230 cc) Recht auf Eingliederung in welche Familie? ............................ 230 dd) Notwendige Ungleichbehandlung ............................................. 231 (1) Notwendige Ungleichbehandlung bei Leihmutterschaft ...... 232
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(2) Adoption: keine notwendige Ungleichbehandlung .............. 233 ee) Keine Differenzierung nach Folgefragen der Elternschaft ....... 236 b) Verbot der Ungleichbehandlung der Mutter- und Vaterschaft, Art. 3 Abs. 2 GG .............................................................................. 237 c) Schutz der Familie und Elternrecht, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG.................................................................................................... 239 d) Generalprävention und Menschenwürde des Kindes, Art. 1 Abs. 1 GG ........................................................................................ 240 e) Fazit: Vorgaben für die rechtliche Abstammung ............................. 241 3. Grundrechtsgeltung bei Auslandssachverhalten und Bedeutung nationaler Ergebnisvorgaben für Auslandssachverhalte ....................... 242 a) Grundrechte des Kindes als Deutscher im Ausland und Ausländer in Deutschland ................................................................ 242 b) Grundrechte des Kindes als Ausländer im Ausland ......................... 243 aa) Keine allgemeinen Vorgaben im Grundgesetz ......................... 244 bb) Grundrechtsspezifischer Inlandsbezug als Grundlage der Anwendung ............................................................................... 244 cc) Inlandsbezug bei Fällen der ausländischen Leihmutterschaft ....................................................................... 246 dd) Durch den Inlandsbezug zur Anwendung berufene Rechte ...... 251 ee) Fazit: Anwendbarkeit der hier entscheidenden Grundrechte .............................................................................. 251 c) Identität der Ergebnisvorgaben bei inländischer und ausländischer Leihmutterschaft........................................................ 252 4. Keine spezifischen Vorgaben für internationale Leihmutterschaft....... 252 II. Europarecht ............................................................................................... 253 1. Unionsbürgerfreizügigkeit des Kindes, Art. 21 AEUV ........................ 254 a) Persönlicher Anwendungsbereich .................................................... 254 b) Sachlicher Anwendungsbereich und Beeinträchtigung .................... 256 c) Rechtfertigung der Beeinträchtigung ............................................... 259 aa) Rechtfertigung aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie ............... 260 bb) Ungeschriebene Schranke der Freizügigkeit ............................. 261 cc) Verhältnismäßigkeit .................................................................. 263 dd) Keine Rechtfertigung der Beeinträchtigung ............................. 263 d) Grundrechtecharta als Schranke der Freizügigkeit .......................... 264 aa) Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta .............................. 264 bb) Schutz der Menschenwürde, Art. 1 ff. GR-Charta .................... 265 cc) Körperliche und geistige Unversehrtheit, Art. 3 Abs. 1 GR-Charta ................................................................................. 267 e) Fazit: Materielle, unionsrechtliche Ergebnisvorgabe ....................... 267 III. Völkerrecht ............................................................................................... 267 1. Vorgaben für die Zulässigkeit der Leihmutterschaft ............................ 268
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a) Recht auf Familiengründung beziehungsweise auf Fortpflanzung, Art. 8 Abs. 1 EMRK ................................................ 268 b) Leihmutterschaft als Heilbehandlung .............................................. 271 c) Fazit: Keine völkerrechtlichen Vorgaben ........................................ 272 2. Vorgaben für Stellung des Kindes ........................................................ 272 a) Schutz von Familien- und Privatleben, Art. 8 Abs. 1 EMRK .......... 272 aa) Die entscheidende „Familie“ bei der Leihmutterschaft ............ 273 bb) Schutzbereich: Rechtliche Integration des Kindes in die Familie ...................................................................................... 274 cc) Rechtfertigung einer unterbleibenden Integration .................... 275 (1) Einschätzungsspielraum der Einzelstaaten ........................... 275 (2) Abwägung der widerstreitenden Interessen.......................... 277 b) Verbot der Ungleichbehandlung des Kindes .................................... 279 aa) Art. 8 EMRK i. V. m. Art. 14 EMRK ........................................ 279 bb) Art. 2 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention ............................... 281 c) Kindeswohl, Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention ............................ 282 d) Drohende Staatenlosigkeit ............................................................... 282 3. Fazit und Bedeutung völkerrechtlicher Vorgaben ................................ 283 IV. Vergleich zu anderen Rechtsordnungen, die Leihmutterschaft verbieten, und zu aktueller Rechtsprechung des EGMR ........................... 284 1. Österreichischer Verfassungsgerichtshof: Abstammung muss anerkannt werden ................................................................................. 284 2. Französische Cour de cassation: Gesetzesumgehung verhindert Elternschaft der Wunscheltern.............................................................. 285 3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Verweigerung der Abstammung kann gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen ................... 287 V. Sonderfälle ................................................................................................ 291 1. Kommerzielle Leihmutterschaft ........................................................... 291 a) Deutsches Recht ............................................................................... 291 b) Europa- und Völkerrecht .................................................................. 291 2. Erzwungene Herausgabe des Kindes .................................................... 293 a) Deutsches Recht ............................................................................... 293 b) Europa- und Völkerrecht .................................................................. 294 3. Homosexuelle Wunscheltern ................................................................ 295 a) Deutsches Recht ............................................................................... 295 b) Europa- und Völkerrecht .................................................................. 296 4. Zwischenfazit ....................................................................................... 296 VI. Fazit: Pflicht zur Ermöglichung der Abstammung von den Wunscheltern ............................................................................................ 297 B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben ....................................................... 298 I. Abstammung bei inländischer Leihmutterschaft ....................................... 298
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II. Abstammung bei internationaler Leihmutterschaft ................................... 299 1. Abstammung nach hier vertretener Auslegung des IPR und IZVR ...... 299 2. Abstammung nach bisheriger Rechtsprechung..................................... 301 a) Abstammung bei internationaler Leihmutterschaft .......................... 301 aa) Rechtsprechung vor der Entscheidung des BGH im Einzelnen .................................................................................. 301 bb) Leitlinien der Rechtsprechung vor der Entscheidung des BGH .......................................................................................... 307 cc) Entscheidung des BGH vom 10. Dezember 2014: Öffnung gegenüber der Leihmutterschaft ................................. 311 b) Möglichkeit der Adoption durch Wunscheltern ............................... 312 aa) Anwendung von § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ................................ 313 bb) Erforderlichkeit der Adoption für das Wohl des Kindes, § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB............................................................ 316 c) Fazit ................................................................................................. 317 III. Kritik der bisherigen Rechtslage ............................................................... 318 C. Mögliche Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts............... 321 I. De lege lata: verfassungs-, völkerrechts- bzw. europarechtskonforme Auslegung ............................................................ 321 1. Reduktion des § 1600 Abs. 5 BGB: Anfechtung der Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter .............................................................. 322 2. Auslegung des Adoptionsrechts ........................................................... 323 3. Anknüpfung an den Geburtsort des Kindes i. R. d. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ......................................................................................... 323 4. Fazit: Lücken in der Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts ................................................................................................... 325 II. Umsetzung der Vorgaben de lege ferenda ................................................ 325 1. Ergänzung des Art. 19 EGBGB ............................................................ 325 2. Außergerichtliches oder gerichtliches Anerkenntnisverfahren ............. 326
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick ........................................ 329 Zusammenfassung in Thesenform .................................................... 333 Literaturverzeichnis......................................................................................... 349 Rechtsprechungsverzeichnis ........................................................................... 375 Sachverzeichnis ............................................................................................... 383
Abkürzungsverzeichnis a. A. ABGB Abs. AcP AdWirkG AdVermiG AEDIPr AEUV a. F. AG allg. a. M. Am.J.Comp.L. Anh. AöR Art., Artt. ART ART-Guidelines
AufenthG Aufl. Az. BayObLG BayVerfGH Bd. BeckOK BeckRS BerDGVR BFH
anderer Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Absatz Archiv der civilistischen Praxis Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz) Anuario Español de Derecho Internacional Privado Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union alte Fassung Amtsgericht allgemein am Main American Journal of Comparative Law Anhang Archiv des öffentlichen Rechts Artikel assisted reproductive technology National Guidelines for Accreditation, Supervision and Regulation of ART Clinics in India des Ministry of Health and Family Welfare des Government of India und des Indian Council of Medical Research der National Academy of Medical Sciences Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Auflage Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerischer Verfassungsgerichtshof Band Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Berichte der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesfinanzhof
XX
Abkürzungsverzeichnis
BGB BGBl. BGH BGHZ BSG BSGE bspw. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzgl. bzw.
Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts beispielsweise Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich beziehungsweise
ca. Cal.4th Cal.App.4th Cass. civ. 1ère CFLQ CIEC CLB
circa California Reports, Fourth Series California Appellate Reports, Fourth Series Première chambre civile de la Cour de cassation Child and Family Law Quarterly Commission Internationale de l’Etat Civil Commonwealth Law Bulletin
Dev.Psychol. DMPA 1973 DÖV Drs.
Developmental Psychology Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 Die Öffentliche Verwaltung Drucksache
Ed. EGBGB EGMR EGV Einf. Einl. EL EMRK ESchG etc. EU EuGH EuPrivR EuR EUV EWHC EWHC (Fam) EUZPR
Edition Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung Ergänzungslieferung Europäische Menschenrechtskonvention Gesetz zum Schutz von Embryonen et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Europäisches Privatrecht Europarecht Vertrag über die Europäische Union England & Wales High Court England & Wales High Court (Family Division) EU-Zivilprozessrecht
f., ff.
folgende
Abkürzungsverzeichnis FamFG
XXI
FamGB FamRÄndG FamRZ FLA 1986 FMedG Fn. FPR FS
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familiengesetzbuch Familienrechtsänderungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Family Law Act 1986 Fortpflanzungsmedizingesetz Fußnote Familie, Partnerschaft, Recht Festschrift
gem. Geo.L.J. GewArch GG ggf. GR GR-Charta grds.
gemäß Georgetown Law Journal Gewerbearchiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Grundrecht, Grundrechte Charta der Grundrechte der Europäischen Union grundsätzlich
Harv.L.Rev. Hastings L.J. Hdb HFEA 1990 HFEA 2008 HKEntfÜ
Harvard Law Review Hastings Law Journal Handbuch Human Fertilisation and Embryology Act 1990 Human Fertilisation and Embryology Act 2008 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Human Reproduction
h. M. Hrsg. Hs. Hum.Reprod. ICSI i. E. IFL insbes. IPG IPR IPRax IPRspr. i. R. d. i. S. d. IUI IVF i. V. m. IZPR IZVR
intracytoplasmatische Spermieninjektion im Ergebnis International Family Law insbesondere Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts im Rahmen des, im Rahmen der im Sinne des, im Sinne der intrauterine Insemination In-vitro-Fertilisation in Verbindung mit Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht
XXII
Abkürzungsverzeichnis
J.Contemp.Health L.&Pol’y J.Health Psychol J.Marriage and Family J.Priv.Int.L J.Reproduktionsmed. Endokrinol J.Soc.Issues. JuS JZ
Journal of Contemporary Health Law and Policy Journal of Health Psychology Journal of Marriage and Family Journal of Private International Law Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie
Kap. KG
Kapitel Kammergericht
Lfg. LG Lit. lit.
Lieferung Landgericht Literatur litera
Med.L.Rev. MedR Mich.L.Rev. Minn.J.Global Trade MüKo m.w.N.
Medical Law Review Medizinrecht Michigan Law Review Minnesota Journal of Global Trade Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen
n. F. N.J. NJW NJW-RR No. Nr. NVwZ NVwZ-RR NZ
neue Fassung New Jersey Reports Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Number Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Die österreichische Notariatszeitung
o. A. OLG OVG
ohne Angaben Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht
Phil.& Pub.Aff. PIL Prel. Doc. ProstG
Philosophy and Public Affairs Private International Law Preliminary Document Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) Personenstandsgesetz
PStG RabelsZ
Journal of Social Issues Juristische Schulung Juristenzeitung
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
Abkürzungsverzeichnis Recueil des Cours RGBl. RHDI Rn. Rs. Rspr. S. SAA 1985 San Diego L.Rev. Sec. Slg. sog. st. StAG StAZ
StR S.W.2d
XXIII
Recueil des cours de l’Académie de droit international de La Haye – Collected Courses of The Hague Academy of International Law Reichsgesetzblatt Revue Hellénique de Droit International Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Satz, Seite Surrogacy Arrangements Act 1985 San Diego Law Review Section Sammlung sogenannt ständig Staatsangehörigkeitsgesetz Das Standesamt – Zeitschrift für Standesamtswesen, Familienrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Personenstandsrecht, internationales Privatrecht des Inund Auslands Staatsrecht South Western Reporter, Second Series
TPG
Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz)
u. a. U.Louisville L.Rev. UPA 2002 UN UN-Kinderrechtskonvention UN-Menschenrechtserklärung UN-Sozialpakt
U.S. U.S.C. USA
unter anderem, und andere University of Louisville Law Review Uniform Parentage Act 2002 United Nations Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 United States Supreme Court Reports United States Code Vereinigte Staaten von Amerika
v. Va.L.Rev. VerfR VG VGH vgl.
versus, vom, von Virginia Law Review Verfassungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche
UN-Staatenlosigkeitsübereinkommen UN-Zivilpakt
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
VO Vorb. VVDStRL
Verordnung Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
Wis.L.Rev. Wm.Mitchell L.Rev.
Wisconsin Law Review William Mitchell Law Review
Yearbook PIL
Yearbook of Private International Law
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zivilgesetzbuch zitiert Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Zivilprozessrecht
ZEuP ZGB zit. ZPO z.T. ZfRV ZGB ZZP
Einleitung „Mater semper certa est“ – Ewig wahr schien dieser Satz zu sein. Lügen straften ihn die In-vitro-Fertilisation und die Entdeckung, dass bei dieser auch fremde Eizellen verwendet werden können. Frauen können somit ein Kind gebären, das nicht genetisch ihr eigenes ist. Diese Entdeckung beflügelte auch das eigentlich uralte Konzept der Leihmutterschaft.1 Unfruchtbare Paare lassen dabei ein – nunmehr teilweise sogar genetisch eigenes – Kind von einer anderen Frau austragen, um es später selbst aufzuziehen. In Deutschland ist dieses Verfahren zumindest mittelbar verboten, § 1 Abs. 1 ESchG und § 13b ff. AdVermiG.2 Zahlreiche deutsche Paare reisen daher ins Ausland, um sich dort mit Hilfe einer Leihmutter ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Die vorliegende Arbeit soll die Frage beantworten, wer aus Sicht des deutschen Rechts die Eltern eines im Ausland durch Leihmutterschaft geborenen Kindes sind beziehungsweise sein müssen. Folgender Fall, der auch in der Tagespresse große Aufmerksamkeit erregte,3 kann die Bedeutung dieser Frage verdeutlichen: Ein deutsches Ehepaar versuchte jahrelang, ein Kind zu bekommen. Anfängliche Versuche der natürlichen Empfängnis und der künstlichen Befruchtung führten zwar zu drei Schwangerschaften, aber auch zu drei Fehlgeburten, von denen die letzte so desaströs verlief, dass eine spätere Schwangerschaft medizinisch ausgeschlossen war. Auch die Vermittlung einer Adoption war unwahrscheinlich, da die Eheleute zu diesem Zeitpunkt jeweils bereits über 40 Jahren alt waren.4
Zu der (Kultur-)Geschichte der Leihmutterschaft Bernard, Kinder machen, 257 ff.; Kreß, FPR 2013, 240, 242; Bernard, StAZ 2013, 136, 139; Diel, Leihmutterschaft, 28 f. 2 Siehe zu dem Verbot unten bei Kapitel 1 – A., S. 17. 3 Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35, 35; Mahapatra, German or Indian? Surrogate twins in legal no-man’s land; Mahapatra, The Times of India 27.5.2010. 4 Weder §§ 1741 ff. BGB noch das AdVermiG sehen ein formelles Höchstalter der Annehmenden vor. Laut der Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter dient es allerdings in der Regel dem Kindeswohl nicht, wenn der Altersabstand zwischen dem Kind und den Annehmenden größer als 40 Jahre ist. Nur in begründeten Ausnahmefällen soll daher oberhalb dieser Grenze eine Adoption in Betracht kommen. Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung, 2009, 27; vgl. Reinhardt, AdVermiG, § 7 AdVermiG Rn. 7; Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35. 1
2
Einleitung
Durch eine Fernsehreportage wurde das Paar auf eine indische Klinik aufmerksam, in der Leihmutterschaften durchgeführt wurden. Es nutzte diese Chance und eine indische Leihmutter trug für das Paar Zwillinge aus, die mittels des Spermas des deutschen Mannes und der Eizellspende einer weiteren Inderin gezeugt wurden. Die beiden Deutschen wurden in Indien als Eltern der Kinder in die Geburtsurkunde eingetragen. Als sich das Paar bei der deutschen Botschaft nach der Einreise nach Deutschland erkundigte, wobei es die Leihmutterschaft aufdeckte, wurde es darüber informiert, dass eine Einreise nicht möglich sei, da die Kinder aus deutscher Sicht keine deutschen Staatsangehörigen seien. Nicht die deutschen Wunscheltern, sondern die indische Leihmutter und ihr Ehemann seien die Eltern im Rechtssinne, auch wenn die Leihmutter die Kinder seit deren Geburt weder gesehen habe noch sie als eigene Kinder aufnehmen wolle. Auch das VG Berlin bestätigte diese Sicht.5 Vor ihm hatten die Wunscheltern die Verweigerung der Ausstellung von Kinderausweisen und der visumsfreien Einreise der Kinder angriffen. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass eine rechtliche Elternschaft der deutschen Wunscheltern gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts und somit gegen den ordre public-Vorbehalt nach Art. 6 EGBGB verstoße.6 Auch aus der Sicht der indischen Behörden waren die Zwillinge keine eigenen Staatsangehörigen: Zwar hatte der Gujarat High Court den Zwillingen zunächst die indische Staatsangehörigkeit gewährt,7 die indische Regierung legte hiergegen jedoch Rechtsmittel ein, worauf der Supreme Court die Wirkung des angegriffenen Urteils aussetzte.8 Mangels indischer Staatsangehörigkeit konnten daher auch keine indischen Reisepapiere ausgestellt werden. Seit ihrer Geburt im Januar 2008 lebten die Zwillinge im rechtlichen Niemandsland: Nach deutschem Recht waren sie keine Deutschen, nach indischem Recht keine Inder. Nach Deutschland einreisen konnten sie daher nicht. Die Familie lebte jahrelang auf zwei Kontinente verteilt: Der Wunschvater blieb mit den Zwillingen in Indien, während die Wunschmutter nach Deutschland zurückkehrte, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Erst gut zwei Jahre nach der Geburt durften die Kinder nach Deutschland einreisen, nachdem die Wunscheltern sie adoptieren konnten.9 Dieser Fall verdeutlicht die rechtlichen Reibungen, die auftreten können, wenn kinderlose Paare von der Möglichkeit Gebrauch machen, im Ausland eine in Deutschland verbotene Leihmutterschaft durchzuführen. Das hiesige VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 5. VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24. 7 High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008, Rn. 22. 8 Times of India, The Times of India 5.12.2009. 9 Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35, 35; Mahapatra, German or Indian? Surrogate twins in legal no-man’s land; Mahapatra, The Times of India 27.5.2010. 5 6
A. Tatsächlicher Hintergrund
3
Verbot allein kann die Rechtslage nicht klären. Die deutsche Rechtsordnung muss sich erneut mit dem Sachverhalt auseinandersetzen und eine Lösung finden. Sie muss klären, wie sich rechtlich die Beziehungen zwischen den Beteiligten darstellen und ob sie die Realität der bereits zusammenlebenden Familie anerkennt.
A. Tatsächlicher Hintergrund A. Tatsächlicher Hintergrund
Ungefähr 10 % aller Paare sind ungewollt kinderlos.10 Mögliche Gründe einer Unfruchtbarkeit sind vielfältig und finden sich sowohl bei der Frau als auch bei dem Mann, sowie in dem Zusammenspiel beider Partner.11 Ein Grund der ungewollten Kinderlosigkeit in Deutschland ist, dass immer mehr Paare erst relativ spät versuchen, Kinder zu bekommen, obwohl die Fruchtbarkeit mit dem Alter deutlich abnimmt.12 Vielfach leiden die betroffenen Paare stark unter der ungewollten Kinderlosigkeit. Das Leben dreht sich häufig nur noch um die Überwindung der Unfruchtbarkeit und die Erfüllung des Kindeswunsches.13 Die Unfruchtbarkeit kann traumatisch wirken und erhebliche psychische Störungen hervorrufen.14 Oft stellen sich depressive Verstimmungen sowie Gefühle der Hilflosigkeit, Schuld und Unzulänglichkeit, aber auch eine Entfremdung vom eigenen Körper und vom Partner ein.15
Boivin u. a., Hum.Reprod. 2007, 1506, 1509; Widge, in: Assisted Reproduction – WHO Report, 60, xv; Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 235; Diel, Leihmutterschaft, 30 f.; Widge, in: Assisted Reproduction – WHO Report, 60, 60. 11 Die Gründe liegen in 30 % der Fälle bei der Frau, in 25 % bei dem Mann, in 40 % liegen kombinierte Gründe vor, 5 % sind ungeklärt: Vgl. Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 36–37. Eine Verteilung der Gründe von 50–60 % bei der Frau, 30–40 % beim Mann, 10–20 % kombinierte oder unklare Gründe sieht Günther/Taupitz/Kaiser-Kaiser2, Einf. Rn. A 170. 12 So hat eine 20-jährige eine Konzeptionswahrscheinlichkeit von 60 %, eine 30-jährige von 30 %, eine 40-jährige von nur noch 4 %. Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 235. 13 Bartlik u. a., Infertility, 1997, 4. 14 Bartlik u. a., Infertility, 1997, 1. 15 Bartlik u. a., Infertility, 1997, 4; Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35, 35; Widge, in: Assisted Reproduction – WHO Report, 60, xv; vgl. auch Strauß/Ulrich, in: Psychologische Probleme in der Reproduktionsmedizin, 127, 129–132; Revermann, in: Wunscherfüllende Medizin? Einführung in das Schwerpunktthema „Reproduktionsmedizin“, 5, 6; FrickBruder, in: Reproduktionsmedizin, 399, 403; Diel, Leihmutterschaft, 25. 10
4
Einleitung
I. Reproduktionsmedizin als Mittel zur Überwindung der Kinderlosigkeit Verschiedene Wege, die Kinderlosigkeit zu überwinden, hat die moderne medizinische Forschung, die sogenannte Reproduktionsmedizin, eröffnet.16 Die Bandbreite der Möglichkeiten, die die Reproduktionsmedizin anbietet, ist weit und reicht von kleinen Eingriffen bis zu fast vollständiger Abkopplung der Reproduktion von den Personen, die Eltern werden wollen.17 So kann eine Störung der Ovulation, also des Eisprunges,18 oft bereits durch eine hormonelle Stimulationstherapie behoben werden,19 wodurch eine anschließende natürliche Befruchtung möglich wird. Eine weitere Form der Sterilitätsbehandlung ist die künstliche Befruchtung mittels intrauteriner Insemination (IUI). Dabei werden um den Zeitpunkt des Eisprungs Spermien in den Gebärmutterhals oder die Gebärmutterhöhle eingebracht, wodurch die Befruchtung und Schwangerschaft eintreten sollen.20 Bezüglich der Herkunft der Spermien kann man zwei Fälle unterscheiden: Es wird entweder Sperma des Partners der Frau (homologe Insemination) oder eines Samenspenders (heterologe Insemination beziehungsweise Fremdsamenspende) verwendet.21 Mittels einer Samenspende kann so eine alleinstehende Frau ohne einen Partner Mutter werden. Als grundsätzliches Gegenmodell zu Stimulationstherapie und intrauteriner Insemination, die auf eine Befruchtung innerhalb des Körpers der Frau setzen, wurde erstmals 1978 in England erfolgreich die In-vitro-Fertilisation (IVF) angewendet. Robert G. Edwards, der im Jahr 2010 für diese Entdeckung den Medizin-Nobelpreis erhielt, hatte damals zum ersten Mal erfolgreich eine extrakorporale Befruchtung einer Eizelle durchgeführt und so die Geburt von Louise Brown, dem ersten sogenannten „test tube baby“ ermöglicht.22 Bei der In-vitro-Fertilisation werden zunächst der Frau Eizellen entnommen. Diese werden in einem Reagenzglas, also „in-vitro“ (lat.: „in einem Glas“), mit aufbereiteten Spermien zusammengeführt, wodurch die Eizellen befruchtet werden. 48 Stunden später, wenn die Embryonen das 4- bis 8Zellenstadium erreicht haben, werden sie durch einen Embryonentransfer in
16 Diedrich u. a., Reproduktionsmedizin; Bartlik u. a., Infertility, 1997, 4. Allgemein dazu Laufs, Rechtliche Grenzen. 17 Zu der rechtlichen Zulässigkeit der verschiedenen Verfahren in Deutschland siehe unten bei Kapitel 1 – A., S. 17. 18 Pschyrembel u. a., Klinisches Wörterbuch262, 1523. 19 Keck/Neulen/Breckwoldt, Praxis der Frauenheilkunde, Bd. 1, 126–132; Pschyrembel u. a., Klinisches Wörterbuch262, 1523; Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 38–39. 20 Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 239; Krebs, in: Reproduktionsmedizin, 516, 524–525; Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 38. 21 Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 38; Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 239; Günther/Taupitz/Kaiser-Kaiser2, Einf. Rn. A 176. 22 Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 239.
A. Tatsächlicher Hintergrund
5
die Gebärmutterhöhle eingeführt.23 Nistet sich der Embryo ein, so entspricht der weitere Verlauf demjenigen einer natürlichen Schwangerschaft. Seit 1992 kann die Befruchtung selbst, also die Verschmelzung von Eizelle und Spermium, auch mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) erfolgen.24 Dabei wird das Spermium unter einem Mikroskop mittels einer hauchdünnen Kapillare unmittelbar in die Eizelle eingebracht.25 Wie bei einer herkömmlichen künstlichen Befruchtung, bei der die Befruchtung im Körper der Frau stattfindet, können sowohl bei der In-vitro-Fertilisation als auch der ICSI Spermien des Partners oder eines Spenders verwendet werden.26 Im Gegensatz zu einer herkömmlichen künstlichen Befruchtung, besteht bei der extrakorporalen Befruchtung jedoch zusätzlich auch auf der Seite der Frau die Möglichkeit einer Keimzellspende. Statt einer eigenen, kann auch die Eizelle einer Spenderin befruchtet und eingeführt werden.27 Alle bisher genannten Formen der assistierten Reproduktion setzen allerdings voraus, dass die Frau zumindest in der Lage ist, das Kind selbst auszutragen und zu gebären. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch, wenn sie dies nicht kann oder eine Schwangerschaft mit zu großen Risiken verbunden wäre, beispielsweise weil ihre Gebärmutter entfernt wurde oder deren Funktion gestört ist.28 Schon lange konnten in solchen Fällen Paare durch eine Leihmutterschaft unter Verwendung der eigenen Eizelle der Leihmutter und einer Samenzelle des Wunschvaters ein zumindest teilweise genetisch eigenes Kind bekommen. Dabei wird eine Dritte entweder mittels eines künstlichen Spermientransfers oder tatsächlichen Beischlafs in der Absicht befruchtet, nach der Geburt das Kind dem Paar, den sogenannten Wunscheltern, zu übergeben, damit diese es als eigenes aufziehen. Pschyrembel u. a., Klinisches Wörterbuch262, 1005; Krebs, in: Reproduktionsmedizin, 516, 517–523; Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 38; Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 239–240; Tinneberg/Michelmann/Naether, Lexikon der Reproduktionsmedizin, 102–104. 24 Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 38; Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 239. 25 Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 240. Eine weitere Art der Reproduktionsmedizin ist der Intratubare Gametentransfer (GIFT = gamete intrafallopian transfer). Bei diesem werden, ähnlich der In-vitro-Fertilisation, Eizellen und Spermien extrakorporal vermischt. Das Gemisch wird jedoch sofort in die Eileiter eingebracht, wo die Befruchtung stattfinden soll. Wegen des größeren operativen Aufwands bei ähnlichen Erfolgsaussichten, hat dieses Verfahren gegenüber der In-vitro-Fertilisation keine wirkliche Bedeutung. Vgl. Keck/Neulen/Breckwoldt, Praxis der Frauenheilkunde, Bd. 1, 137; Haag/Hanhart/Müller, Gynäkologie und Urologie5, 240; Freundl/Haidl, in: Unerfüllter Kinderwunsch, 355, 362. 26 Gruber, Gynäkologie und Geburtshilfe3, 38. 27 In Deutschland ist die Eizellenspende jedoch gem. § 1 Abs. 1 ESchG verboten. 28 Tinneberg/Michelmann/Naether, Lexikon der Reproduktionsmedizin, 116; Diel, Leihmutterschaft, 23. 23
6
Einleitung
Neue oder überhaupt zum ersten Mal wirkliche Bedeutung erlangte die Leihmutterschaft durch die Entdeckung der In-vitro-Fertilisation in den 1980er Jahren.29 Wie bei jeder In-vitro-Fertilisation können, müssen aber nicht, auch hier sowohl das Spermium als auch die Eizelle aus einer Keimzellspende herrühren. Kann die Wunschmutter selbst Eizellen produzieren, ein Kind jedoch nicht austragen, ist es im Rahmen der Leihmutterschaft so möglich, dass das Kind genetisch von der Wunschmutter abstammt. Können keine Eizellen der Wunschmutter verwendet werden, können auch Eizellen einer Spenderin für die Wunscheltern vorteilhaft erscheinen: Durch die Trennung der genetischen Mutterschaft einer Eizellspenderin von der biologischen, also der auf Schwangerschaft und Geburt basierenden, Mutterschaft der Leihmutter soll verhindert werden, dass die Leihmutter eine zu starke Bindung zu dem Kind entwickelt und es nach der Geburt behalten möchte. Weiterhin sehen viele Wunscheltern einen Vorteil darin, dass genetisch bedingte Faktoren von der Identität der Leihmutter gelöst werden können. So kann etwa unabhängig von der Hautfarbe der Leihmutter das Kind dieselbe Hautfarbe wie die Wunscheltern haben, was die spätere Integration in die Familie der Wunscheltern erleichtern soll. Wegen der Vorteile, welche die In-vitro-Fertilisation für die Leihmutterschaft bedeutet, hat seit ihrer Entdeckung die Leihmutterschaft erheblich an Bedeutung gewonnen und wird immer häufiger durchgeführt.30 Leichtere internationale Kommunikation und günstigere Reisemöglichkeiten beschleunigen diese Dynamik im internationalen Kontext weiter.31 Kinderlose Paare aus Ländern, in denen Leihmutterschaft verboten ist, können so besser deren Zulässigkeit im Ausland recherchieren und sie dort durchführen. So kommt es zu dem Phänomen des sogenannten „reproduktiven Reisens“ oder „Reproduktionstourismus“.32 Seit Beginn der 1980er Jahre ist allein in den USA die Zahl der Leihmutterschaften von ca. 100 pro Jahr auf weit über 1.000 gestiegen.33 Allein im Zeitraum von 2006 bis 2010 hat sich die weltweite Zahl der internationalen Leihmutterschaften nach Schätzungen mehr als verzehnfacht.34
Vgl. Bernard, Kinder machen, 314 ff.; Bernard, StAZ 2013, 136, 139. Vgl. Bernard, StAZ 2013, 136, 139. 31 Boele-Woelki u. a., Draagmoederschap, 2011, 303; Boele-Woelki, FamRZ 2011, 1455, 1455. 32 Siehe dazu Thorn/Wischmann, J.Reproduktionsmed.Endokrinol 2010, 394, 394–396; Diel, Leihmutterschaft. 33 Ca. 1.400: Bertschi, Leihmutterschaft, 128; Diel, Leihmutterschaft, 29 f. m.w.N. Vgl. Engel, ZEuP 2014, 538, 544. 34 Einen Anstieg von 2006 bis 2010 um 1.000 % schätzt Hague Conference on Private International Law, Preliminary Report on Surrogacy, 2012, 8. 29 30
A. Tatsächlicher Hintergrund
7
II. Leihmutterschaft als Streitfall Die Leihmutterschaft unterscheidet sich erheblich von anderen reproduktionsmedizinischen Verfahren wie der Samen- oder Eizellspende, da hier in einem weit größeren Ausmaß eine dritte Person einbezogen wird. Nicht nur für einen kurzen Eingriff zwecks Entnahme einer Eizelle, sondern für die neun Monate der Schwangerschaft stellt die Leihmutter sich und ihren Körper den Wunscheltern zur Verfügung. Diese starke Einbeziehung birgt Gefahren für die Leihmutter und Konfliktpotenzial.35 Die Leihmutter nimmt nicht nur die physischen Risiken der Schwangerschaft auf sich, sondern muss eventuell auch mit erheblichen psychischen Belastungen umgehen, wenn sie das Kind den Wunscheltern übergibt, obwohl sie während der Schwangerschaft eine emotionale Bindung zu diesem aufgebaut hat. Oft erhalten Leihmütter für ihren Einsatz bedeutende Geldzahlungen. Zahlreiche Leihmütter nehmen die genannten Gefahren aus finanziellen Motiven, teilweise aus finanzieller Not, auf sich. Die Leihmutterschaft wird deshalb von vielen abgelehnt. Es wird gar argumentiert, dass die Leihmutter ihren Körper vermiete und die Leihmutterschaft die Menschenwürde der Leihmutter in Frage stelle.36 Andererseits stellt die Leihmutterschaft für Paare, bei denen die Frau kein Kind austragen oder gebären kann, die einzige Möglichkeit dar, ein Kind zu bekommen, das genetisch zumindest von einem Partner abstammt. Zudem kann eine Leihmutter sich durchaus aus freien Stücken und nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile zu der Übernahme einer Leihmutterschaft entschieden haben. Viele Leihmütter ziehen Befriedigung daraus, den Wunscheltern dabei zu helfen, eine Familie zu gründen, die sonst nicht möglich gewesen wäre.37 Auch die spätere Trennung von dem Kind muss nicht zwangsläufig traumatisch verlaufen.38 Es zeigt sich, dass die ethische Bewertung der Leihmutterschaft sehr kompliziert ist.39 Wegen des Maßes der Einbindung der Leihmutter und der für sie bestehenden Gefahren ist die moralische Bewertung schwieriger als bei anderen reproduktionsmedizinischen Verfahren. Gerade seitdem die In-vitroKreß, FPR 2013, 240, 242. Vgl. Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 152 f. m.w.N. Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 180; vgl. Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 30; Brazier/Campbell/ Golombok, Brazier Report, 35; Warnock, Warnock Report, 46; Anderson, 19 Phil.& Pub.Aff. 1990, 71, 80. 37 Vgl. Benda, in: Genforschung, 205, 221. 38 Zu psychologischen Fragen siehe unten bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 und Kapitel 3 – A.II.2., S. 155. Zu verfassungs- und menschenrechtlichen Aspekten dieser Fragen siehe unten bei Kapitel 3 und Kapitel 4. 39 Trimmings/Beaumont, in: Surrogacy, 439, 528 ff. Zur religiösen Bewertung der Leihmutterschaft siehe Sturm, in: FS Kühne, 922 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 35 ff. 35 36
8
Einleitung
Fertilisation der Leihmutterschaft neue Bedeutung verliehen hat, wird weltweit leidenschaftlich und kontrovers über sie diskutiert.40 III. Reibungen wegen Divergenz der einzelstaatlichen Regelungsansätze Diese Diskussionen haben in den verschiedenen Rechtsordnungen zu sehr unterschiedlichen Antworten auf die Frage der Zulässigkeit der Leihmutterschaft geführt. Während die Mehrzahl der Rechtsordnungen, beispielsweise die deutsche und französische, eine Leihmutterschaft ablehnen,41 lassen andere Staaten, wie Indien,42 das Vereinigte Königreich,43 Griechenland,44 die Ukraine,45 Siehe beispielhaft auch aus der Tagespresse Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 1; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 3; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2013, 7; Schmitz, Süddeutsche Zeitung Magazin 19.4.2013, 8; Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35; Hofmann, Neue Zürcher Zeitung 15.2.2014, 30. 41 Zur deutschen Rechtslage siehe unten bei Kapitel 1 – A., S. 17. Zu weiteren Ländern, welche die Leihmutterschaft verbieten Trimmings/Beaumont, Surrogacy; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1253; Álvarez González, 10 AEDIPr 2010, 339; Vela Sánchez, interés superior del menor; Lagarde, RHDI 2009, 511; Diel, Leihmutterschaft, 147 ff.; Monéger, Gestation pour autrui; Boele-Woelki, FamRZ 2011, 1455; Boele-Woelki u. a., Draagmoederschap, 2011, 303 ff.; VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a.; Hague Conference on Private International Law, Parentage and International Surrogacy Arrangements, 2014; Hague Conference on Private International Law, International Surrogacy Arrangements, 2011; PerreauSaussine/Sauvage, in: Surrogacy, 119; vgl. Nationale Ethikkomission im Bereich Humanmedizin, Fortpflanzung, 2013, 57. 42 Im indischen Recht bestehen keine gesetzlichen Vorgaben und somit auch keine Einschränkungen der Zulässigkeit der Leihmutterschaft, auch der kommerziellen Leihmutterschaft. Unverbindliche Guidelines zur Durchführung assistierter Reproduktion und ein Gesetzesentwurf zur Regelung der assistierten Reproduktion untersagen jedoch eine Leihmutterschaft unter Nutzung der eigenen Eizelle der Leihmutter, Sec. 34(13) ART-Bill 2010 bzw. 3.5.4 der Guidelines. Vgl. Supreme Court of India 29.9.2008, Baby Manji, Writ Petition (C) No. 369/2008, Rn. 9; Malhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 201 ff.; Bertschi, Leihmutterschaft, 153 ff.; Rengachary Smerdon, in: Surrogacy, 188; Malhotra/Malhotra, Surrogacy; Malhotra/Malhotra, in: International Survey of Family Law, 151. 43 Im Vereinigten Königreich ist die Leihmutterschaft seit dem Surrogacy Arrangements Act 1985 zulässig, jedoch nur unentgeltlich: Sec. 1 ff. Die Abstammung wurde jedoch erst durch den Human Fertilisation and Embryology Act 1990 geregelt, der im Jahre 2008 reformiert wurde; vgl. allgemein Scherpe, FamRZ 2010, 1513, 1515; Gamble/ Ghevaert, IFL 2009, 223; Masson/Bailey-Harris/Probert, Family Law8, Rn. 22–071 und 22–077; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1143 f.; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1254 ff.; Welstead, in: International Survey of Family Law, 165. 44 In Griechenland ist die Leihmutterschaft zulässig, allerdings nur unentgeltlich und nicht unter Nutzung der eigenen Eizellen der Leihmutter, siehe Art. 1458 f. und 1463 griechisches ZGB. Eine Übersetzung des entscheidenden Normen des griechischen ZGB findet sich bei Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 49. Weiterhin relevant sind Gesetz 3089/2002 zur „Medizinischen Unterstützung bei der menschlichen Fortpflanzung“ (Übersetzung abrufbar unter ) sowie Gesetz 3305/ 40
A. Tatsächlicher Hintergrund
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Israel46 und einige Gliedstaaten der USA, etwa Kalifornien,47 die Leihmutterschaft in unterschiedlichem Ausmaße zu.48 Unfreiwillig kinderlose Paare leiden oft erheblich unter dem unerfüllten Kindeswunsch und versuchen, sich im Ausland durch eine dort geltende Gesetzgebung, die weitergehend reproduktionsmedizinische Verfahren zulässt, diesen Wusch zu erfüllen. Oft ist Ziel dieses Vorhabens die Durchführung einer im Zielland zulässigen Leihmutterschaft.49 Obwohl in Deutschland die Leihmutterschaft zumindest indirekt verboten ist, § 1 Abs. 1 ESchG und § 13b ff. AdVermiG,50 muss sich die deutsche Rechtsordnung weiterhin mit 2005 zur „Anwendung der Methoden der medizinisch assistierten Reproduktion“; vgl. Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 ff.; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 143 ff.; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Papachristos, in: Gestation pour autrui, 169. 45 In der Ukraine bestehen ebenfalls nur wenige Vorgaben. Eine kommerzielle Leihmutterschaft ist dort zulässig. Siehe Art. 123 ukrainisches FamGB (deutsche Übersetzung: Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 56 ff.), Verordnung 771 vom 23.12.2008 des ukrainischen Gesundheitsministeriums zur Anwendung der Technologien der assistierten Reproduktion; vgl. Druzenko, in: Surrogacy, 357; Suleymanova/Kasynyuk/Moroz, in: Family Law2, 641. 46 In Israel ist die Leihmutterschaft auch kommerziell zulässig; es bestehen umfassende Vorgaben: Gesetz über Austragung von Embryonen (Genehmigung des Vertrages und Status des Geborenen), 5756-1996 – eine deutsche Übersetzung findet sich bei Margalith/ Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Israel209, 113 ff.; vgl. Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35; Shakargy, in: Surrogacy, 231; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 159 ff.; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789 ff.; Shalev, in: Gestation pour autrui, 179; Weisberg, Israel, 195 ff. 47 In Kalifornien ist kommerzielle Leihmutterschaft zulässig; auch homosexuelle Paare dürfen Leihmutterschaften durchführen; die Leihmutter kann zur Übergabe des Kindes gezwungen werden, wohl sogar wenn ihre eigene Eizelle verwendet wurde; vgl. Sec. 7962 California Family Code, Supreme Court of California 20.5.1993, Johnson v. Calvert, 5 Cal.4th 84; Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.6.1994, Marriage of Moschetta, 25 Cal.App.4th 1218; Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.3.1998, Marriage of Buzzanca, 61 Cal.App.4th 1410; vgl. Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449; Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich – California209, 24; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1142; Bertschi, Leihmutterschaft, 107 ff.; Spivack, 58 Am.J.Comp.L. 2010, 97; Snyder, in: Surrogacy, 389. 48 Für einen rechtvergleichenden Überblick siehe etwa Trimmings/Beaumont, Surrogacy; Diel, Leihmutterschaft, 18 ff. und 135 ff.; Coester, in: FS Jayme, 1243; Helms, StAZ 2013, 114; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft; Sturm, in: FS Kühne, 625 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1142 ff.; Mayer, IPRax 2014, 57, 57; Monéger, Gestation pour autrui; Engel, ZEuP 2014, 538, 540 ff.; Goeldel, Leihmutterschaft; Dietrich, Mutterschaft für Dritte, 33 ff.; Frucht, Ersatzmutterschaft, 13 ff.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2673 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 555 ff.; Dethloff, JZ 2014, 922, 923 f. 49 Daran zweifelnd, ob man diese Vorgänge verhindern können wird Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2673. 50 Siehe zu dem Verbot unten bei Kapitel 1 – A., S. 17.
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Einleitung
dem Thema der Leihmutterschaft befassen. Sie muss bestimmen, wer die Eltern eines im Ausland – dort oft legal – durch Leihmutterschaft geborenen Kindes sind.51
B. Fragestellung der Arbeit B. Fragestellung der Arbeit
Diese Arbeit möchte die Frage klären, wer aus Sicht des deutschen Rechts die Eltern eines im Ausland durch Leihmutterschaft geborenen Kindes sind beziehungsweise sein müssten.52 Die Abstammung des Kindes steht im Zentrum dieser Untersuchung.53 Die verschiedenen Folgefragen, die an diese anknüpfen, wie Sorgerecht, Unterhaltsrecht, Name oder Staatsangehörigkeit, werden nur am Rande berührt.54 Die Abstammung kann bei Sachverhalten mit Auslandsbezug auf zwei Wegen bestimmt werden: Zum einen internationalverfahrensrechtlich durch die Anerkennung einer entsprechenden ausländischen Entscheidung und zum anderen internationalprivatrechtlich durch die Bestimmung anhand des laut Internationalem Privatrecht anwendbaren Rechts. Auf beiden Feldern stellen sich zahlreiche Fragen. Im Rahmen der Anerkennung ausländischer Entscheidungen ist etwa zu bewerten, welche Art der behördlichen oder gerichtlichen Mitwirkung als „Entscheidung“ in diesem Sinne verstanden werden kann und ob eine Geburtsurkunde verfahrensrechtlich anerkannt werden kann. Im Rahmen des Internationalen Privatrechts und der Verweisung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB fragt sich, wie dabei „Elternteil“, „Mutter“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ auszulegen sind. Führen die Anknüpfungsvarianten der Sätze 1 bis 3 zu verschiedenen Eltern, ist ihr Verhältnis zu klären. Auch ist zu klären, wie mit einem renvoi oder einem Statutenwechsel umzugehen ist. Daneben muss die Abstammung von Kindern geklärt werden, die verbotswidrig in Deutschland durch eine Leihmutter ausgetragen wurden. Einschlägig sind dabei §§ 1591 ff. BGB. Siehe unten Kapitel 1 – B., S. 21. 52 Rechtsordnungen, welche Leihmutterschaften ebenfalls nicht zulassen, sind somit jenseits des Untersuchungsgegenstandes. Da sie nicht als Ziel für Deutsche, welche im Ausland eine Leihmutterschaft durchführen wollen, in Frage kommen, werden die nationalen Zulässigkeitsregeln nicht dargestellt. Auch wie diese Rechtsordnungen im In- oder Ausland durch Leihmutterschaft geborene Kinder abstammungsrechtlich zuordnen, wird nur soweit thematisiert, wie es Rückschlüsse auf die hiesige Rechtslage zulässt, siehe unten bei Kapitel 4 – A.IV., S. 283. Ergebnisvorgaben aus der EMRK, die im letzten Kapitel hergeleitet werden, sind freilich auf die übrigen Vertragsstaaten übertragbar. Für Nachweise zur Rechtslage in diesen Rechtsordnungen siehe oben bei Fn. 41. 53 Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 102: „In der Praxis steht kollisionsrechtlich zurzeit die Frage der Abstammung des Kindes ganz im Vordergrund.“ 54 Siehe zur Thematik der Vorfrage jedoch Kapitel 2 – A.I.3., S. 32. 51
B. Fragestellung der Arbeit
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Sowohl bei der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung als auch bei der Anwendung eines ausländischen Rechts aufgrund des deutschen Internationalen Privatrechts, stellt sich die Frage des Verstoßes gegen den deutschen ordre public. Sollte die Leihmutterschaft oder eine Elternschaft der Wunscheltern, die durch Anwendung eines ausländischen Rechts oder Anerkennung einer ausländischen Entscheidung begründet wird, gegen diesen verstoßen, wäre sowohl eine solche ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) als auch ein entsprechendes ausländisches Recht nicht anzuwenden (Art. 6 S. 1 EGBGB). Schließlich ist abzuwägen, ob höherrangiges Recht eine Zuordnung der Abstammung in einer bestimmten Form zwingend machen könnten. Dies könnte sich aus den Grundrechten des Kindes, aber auch aus denen der verschiedenen möglichen Eltern ergeben. Auch aus dem Unionsrecht oder dem Völkerrecht, insbesondere der EMRK und der UN-Kinderrechtskonvention, könnten sich Vorgaben für die familienrechtliche Zuordnung ergeben.55 Neben diesen Fragen der internationalen Leihmutterschaft sind auch innerhalb eines rechtsvergleichenden Überblicks die aktuellen nationalen Rechtslagen in Rechtsordnungen zu ermitteln, die mögliche Ziele deutscher Wunscheltern sind, die im Ausland eine Leihmutterschaft durchführen wollen. In verschiedenen solcher Länder, die eine Leihmutterschaft zulassen, hat sich kürzlich die Rechtslage geändert oder steht eine Änderung in naher Zukunft an. Dies betrifft insbesondere Kalifornien und Indien.56 Wohl wegen ihrer früheren relativen Seltenheit, haben sich Rechtsprechung und Forschung lange wenig mit den Fällen der ausländischen Leihmutterschaft beschäftigt. In den letzten Jahren scheint sie jedoch eine wachsende Präsenz in der öffentlichen Diskussion,57 der Forschung58 und Rechtsprechung im In-59 und Ausland 60 einzunehmen. Die skizzierten Rechtsfragen Siehe dazu unten bei Kapitel 4, S. 219. Vgl. auch Mayer, IPRax 2014, 57, 60 f. Vgl. Sinha, The Times of India 22.5.2010. Vgl. California State Legislature Assembly Committee on Judiciary, Bill Analysis – AB 1217 (Fuentes) – As Chaptered Sept 23th 2012, 2012. In der Ukraine wurde demgegenüber gerade eine Reform abgelehnt. Siehe unten bei Kapitel 2 – A.I.5.a)ff), S. 46. 57 Siehe beispielhaft auch aus der Tagespresse Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 1; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 3; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2013, 7; Schmitz, Süddeutsche Zeitung Magazin 19.4.2013, 8; Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35; Hofmann, Neue Zürcher Zeitung 15.2.2014, 30. 58 Siehe etwa Coester, in: FS Jayme, 1243; Helms, StAZ 2013, 114; Benicke, StAZ 2013, 101; Heiderhoff, IPRax 2012, 523; Looschelders, IPRax 1999, 420; Henrich, in: FS Schwab, 1141; Diel, Leihmutterschaft; Mayer, IPRax 2014, 57; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551; Engel, ZEuP 2014, 538; Heiderhoff, NJW 2014, 2673; Struycken, in: FS BoutrosGhali, 235; Frank, FamRZ 2014, 1527; Herndl, NZ 2014, 253; Dethloff, JZ 2014, 922. 59 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris; OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 55 56
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Einleitung
sind dennoch weiterhin ungeklärt und das Meinungsspektrum ist breit gefächert, beispielsweise bezüglich der Vereinbarkeit einer Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public.61 Dass, wie bereits dargestellt, auch Paare mit unerfülltem Kinderwunsch die internationale Leihmutterschaft mehr und mehr als Möglichkeit, doch noch ein Kind zu bekommen, entdecken, unterstreicht, wie notwendig die mit dieser Arbeit angestrebte Klärung der offenen Rechtsfragen ist.
C. Begriffsklärung C. Begriffsklärungen
Aufgrund ihrer uneinheitlichen Nutzung in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzestexten soll kurz die in dieser Arbeit verwendete Terminologie vorgestellt werden:62 Leihmutterschaft bezeichnet Fälle, in denen unabhängig von der Herkunft der Eizelle eine Frau ein Kind austrägt, um dies nach der Geburt 5 S 13.11, juris; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris; BVerfG 22.8.2012, Az. 1 BvR 573/12, NJW-RR 2013, 1; OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris; AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994. 60 Beispielhaft in Frankreich und Österreich sowie vor EGMR und EuGH: Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 10-19.053; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1091 – 12-30.138; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315; Cass. civ. 1ère 19.3.2014, n° 281 – 13-50.005, Recueil Dalloz 2014, 905; VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a.; EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11; EuGH 18.3.2014, Z., C-363/12; EuGH 18.3.2014, C. D., C-167/12. 61 Bei ausreichendem Inlandsbezug nehmen einen ordre public-Verstoß an Benicke, StAZ 2013, 101, 110 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–281 f.; Krömer, StAZ 2000, 310, 310 f.; Engel, ZEuP 2014, 538, 558; differenzierend, aber einen ordre public-Verstoß eher ablehnend Witzleb, in: FS Martiny, 203, 222 ff.; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525 f.; zwischen Mutterschaft und Vaterschaft differenzierend Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 51, S. 374 f. Grds. gegen einen ordre public-Verstoß Mayer, IPRax 2014, 57, 59 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 207 ff.; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 58 f.; wohl auch Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 111. 62 Die uneinheitliche Terminologie betonen auch Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 74; Diel, Leihmutterschaft, 12. Z.T. wird die Leihmutter, die eine Eizelle der Wunschmutter austrägt, auch als Tragemutter bezeichnet, während bei Verwendung von Eizellen der Leihmutter auch von übernommener Mutterschaft gesprochen wird; Vgl. PalandtBrudermüller74, Einf. v. § 1591 Rn. 21; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1244. Weiterhin werden z.T. die Begriffe „Fremdmutterschaft“, „Mietmutterschaft“, „Ammenmutterschaft“, „Surrogatmutterschaft“ verwendet; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG Rn. 6 ff.
D. Gang und Methode der Untersuchung
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den Wunscheltern zu übergeben. Teilweise werden die Leihmutter und ihr Partner verkürzt als „Leiheltern“ bezeichnet. Als „internationale“ Leihmutterschaft gelten Fälle, in denen die deutschen Wunscheltern im Ausland eine Leihmutterschaft durchführen. Der Begriff der „Leihmutter“ scheint sich inzwischen im Gemeingebrauch, aber auch in der wissenschaftlichen Literatur durchzusetzen.63 Eine andere Terminologie nutzt der Gesetzgeber. Dieser verwendet den Begriff der „Ersatzmutter“, der in zwei Gesetzen legal definiert ist: Sowohl in § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG64 als auch in § 13a AdVermiG65 ergibt sich die Eigenschaft als „Ersatzmutter“ aus der geplanten Abgabe des Kindes unabhängig von der Herkunft der Eizelle beziehungsweise der genetischen Abstammung.66 Soweit im Folgenden aus dem Gesetzestext oder Urteilen zitiert wird, kommt daher teilweise der Ausdruck „Ersatzmutter“ zum Einsatz. Eine inhaltliche Unterscheidung ist damit nicht verbunden. Die Personen, die das Kind später erhalten sollen, werden als „Wunschmutter“, „Wunschvater“ beziehungsweise „Wunscheltern“ bezeichnet. Nicht verwendet wird hier die negativ konnotierte Bezeichnung des § 13b AdVermiG der „Bestelleltern“.
D. Gang und Methode der Untersuchung D. Gang und Methode der Untersuchung
Bevor die ausländische Leihmutterschaft behandelt wird, ist auf die abstammungsrechtlichen Folgen der Leihmutterschaft in Deutschland einzugehen. Dabei sollen die Unzulässigkeit der Leihmutterschaft im deutschen Recht und die abstammungsrechtlichen Folgen einer verbotswidrig in Deutschland durchgeführten Leihmutterschaft dargestellt werden. 63 So etwa kürzlich Helms, StAZ 2013, 114; Benicke, StAZ 2013, 101; Bernard, StAZ 2013, 136; Mayer, IPRax 2014, 57; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551; Engel, ZEuP 2014, 538. 64 Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz). Dessen § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG definiert die „Ersatzmutter“ als „Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen“. 65 Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz). § 13a AdVermiG definiert die „Ersatzmutter“ als „eine Frau, die auf Grund einer Vereinbarung bereit ist, 1. sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen oder 2. einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen und das Kind nach der Geburt Dritten zur Annahme als Kind oder zur sonstigen Aufnahme auf Dauer zu überlassen.“ 66 Vgl. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1141. Die Verbote des ESchG stellen jedoch nur auf eine Leihmutterschaft nach künstlicher Befruchtung ab. Günther/Taupitz/KaiserTaupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG Rn. 2 ff.
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Einleitung
Nach diesen Vorüberlegungen soll die internationale Leihmutterschaft behandelt werden. Im zweiten Kapitel wird die Rechtslage im deutschen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht untersucht: Es ist sowohl die Bestimmung der Abstammung anhand des Internationalen Privatrechts als auch die Möglichkeit einer verfahrensrechtlichen Anerkennung ausländischer Entscheidungen zu besprechen. Dabei soll auch rechtsvergleichend untersucht werden, wie die Leihmutterschaft in Rechtsordnungen, welche diese erlauben, ausgestaltet ist, wie die Abstammung nach dortigem Recht geregelt ist und wie Gerichte beziehungsweise Behörden im Rahmen einer Leihmutterschaft mitwirken. Dargestellt werden dabei die Rechte Kaliforniens, Großbritanniens, Indiens, Griechenlands, Israels und der Ukraine.67 Es handelt sich hierbei um Rechtsordnungen, welche die Leihmutterschaft erlauben und somit als Ziel für Deutsche, die eine Leihmutterschaft im Ausland durchführen wollen, in Frage kommen.68 Zugleich weisen sie erhebliche Unterschiede auf, sodass sie gut als Beispiele für verschiedene Regelungen und Sachverhalte dienen können. So unterscheiden sie sich etwa in der Frage, wie weitreichend sie Leihmutterschaften erlauben, also etwa auch entgeltliche, auch für homosexuelle Paare oder Alleinstehende, oder ob sie erlauben, die Leihmutter zur Übergabe des Kindes zu zwingen, sollte sie es doch behalten wollen. Leihmutterschaften in Griechenland als Mitglied der Europäischen Union und des Schengen-Raums werfen besondere Fragen des Europarechts auf; in Kalifornien ergehen regelmäßig Abstammungsfeststellungsentscheidungen; in Israel und Großbritannien führt ein verkürztes Adoptionsverfahren zu der Elternschaft der Wunscheltern. Neben diesen werden im Laufe der Arbeit zahlreiche weitere Besonderheiten und Unterschiede und deren Auswirkung auf die Abstammung des Kindes thematisiert. Erst im dritten Kapitel wird die Möglichkeit eines ordre public-Verstoßes untersucht. Es sollen dabei auch Entwicklungen der aktuellen Grundrechtsdogmatik in die Dogmatik des ordre public eingeführt werden, insbesondere die Unterscheidung zwischen der Wirkung der Grundrechte als Abwehrrechte und Schutzpflichten. Nachdem in den ersten drei Kapiteln die Rechtslage anhand des einfachen Rechts, einschließlich des ordre public-Vorbehalts, bestimmt wurde, soll im vierten und letzten Kapitel die Perspektive erweitert werden: Gibt es höherrangige Prinzipien, die in manchen Fallkonstellationen eine Elternschaft der Wunscheltern fordern? Existieren solche Vorgaben, muss verglichen werden, inwieweit die nationale Rechtslage und bisherige Rechtsprechung diese Vor67 Zur Bedeutung von Kalifornien, Indien, Griechenland und der Ukraine als Ziele für Wunscheltern aus Ländern, die Leihmutterschaften nicht erlauben, siehe Boele-Woelki u. a., Draagmoederschap, 2011, 304. 68 Rechtsordnungen, welche Leihmutterschaften nicht erlauben, werden nicht thematisiert, weil sie nicht als Ziel für Deutsche, welche im Ausland eine Leihmutterschaft durchführen wollen, in Frage kommen.
D. Gang und Methode der Untersuchung
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gaben des höherrangigen Rechts erfüllen. Dabei wird auch kurz auf die Entwicklung in anderen Rechtsordnungen, die Leihmutterschaften verbieten, und auf jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einzugehen sein. Abschließend werden verschiedene Ansätze, wie mögliche Ergebnisvorgaben umgesetzt werden können, vorgestellt und die Ergebnisse der Arbeit zusammengeführt. In der Darstellung geht diese Arbeit von folgendem analytischen Grundfall der Leihmutterschaft aus, der sich auf die Probleme konzentriert, welche für die Leihmutterschaft wesensbestimmend sind: ein heterosexuelles Paar deutscher Staatsangehöriger, das in Deutschland lebt, aber im Ausland eine unentgeltliche Leihmutterschaft durchführt, weil die Wunschmutter selber kein Kind austragen kann, wobei die Leihmutter in dem Land der Durchführung der Leihmutterschaft lebt, die dortige Staatsangehörigkeit hat und das Kind nach der Geburt freiwillig den Wunscheltern übergibt. Bereits im Rahmen des Grundfalles wird danach differenziert, ob die Leihmutter und die Wunscheltern verheiratet sind. Abweichungen von diesem Grundfall werden dort thematisiert, wo sie eventuell zu einer abweichenden Behandlung führen.69 Dies betrifft insbesondere die Entgeltlichkeit der Leihmutterschaft und eine erzwungene Herausgabe des Kindes, nachdem die Leihmutter es nach der Geburt doch behalten wollte. Da diese Umstände nicht wesensbestimmend für die Leihmutterschaft sind, sollen sie nicht bei der Behandlung des Grundfalls berücksichtigt werden. Durch diese Trennung in der Darstellung soll allerdings nicht die statistische Bedeutung der entgeltlichen Leihmutterschaft bestritten oder relativiert werden. Statistisch ist die entgeltliche Leihmutterschaft klar der Regelfall. Da das Abstammungsrecht bei homosexuellen Paaren oft gravierend von demjenigen bei heterosexuellen Paaren abweicht und zahlreiche eigene Probleme aufwirft, kann diese Arbeit hierauf kein gleichwertiges Augenmerk legen. Es soll versucht werden, die Fragen, die die Verwendung einer Leihmutterschaft bezüglich der Elternschaft homosexueller Paare aufwirft, weitestgehend zu behandeln. Offen bleiben müssen demgegenüber manche der Fragen, die sich – unabhängig von der Leihmutterschaft – bei jeder Elternschaft homosexueller Paare stellen.70 Ebenfalls können Fälle nicht behandelt werden, in denen sich die Wunscheltern weigern, das Kind anzunehmen, etwa weil dies behindert ist.71 Ob Zu den verschiedenen Fallgestaltungen siehe etwa Kreß, FPR 2013, 240, 242. Siehe dazu etwa Müller-Götzmann, Gleichgeschlechtliche Elternschaft. 71 So etwa in dem Fall des behinderten Babys Gammy, welcher im Sommer 2014 großes Aufsehen erregte. In diesem Fall hatten sich die australischen Wunscheltern geweigert das Baby mitzunehmen, weil dies an Down-Syndrom litt. Siehe dazu etwa Gmür, Neue Zürcher Zeitung 4.8.2014; Gmür, Neue Zürcher Zeitung 5.8.2014; Bubrowski, Frankfurter 69 70
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Einleitung
Wunscheltern zu einer Übernahme der Kinder verpflichtet sind, auch gegen ihren Willen die Elternschaft erwerben oder zumindest unterhaltspflichtig sind, sind Fragen, die sich von dem Fokus dieser Arbeit zu sehr entfernen.
Allgemeine Zeitung 8.8.2014, 1; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.8.2014, 1; Günther, Süddeutsche Zeitung 6.8.2014, 8; Steinberger, Süddeutsche Zeitung 5.8.2014, 10.
Kapitel 1
Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland A. Unzulässigkeit der Leihmutterschaft in Deutschland A. Unzulässigkeit der Leihmutterschaft in Deutschland
Eine umfassende gesetzliche Regelung der Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren ist in Deutschland bisher nicht erfolgt.1 Nur in vereinzelten Bereichen ist der Gesetzgeber tätig geworden, insbesondere um bestimmte, als missbräuchlich angesehene Anwendungsmöglichkeiten der Reproduktionsmedizin und Humangenetik zu verbieten.2 Hauptsächlich sind diese Verbote im Embryonenschutzgesetz (ESchG)3 enthalten. Bei diesem handelt es sich um Nebenstrafrecht.4 Gemäß dem in § 3 StGB verankerten Territorialitätsprinzip und mangels einer Ausnahme in den §§ 5–7 StGB gilt das Verbot nur für im Inland begangene Taten.5 Ein Ziel des ESchG ist die Verhinderung „der Mitwirkung an der Entstehung sogenannter gespaltener Mutterschaften, bei denen genetische und austragende Mutter nicht identisch sind, sowie der Durchführung einer künstlichen Befruchtung bei einer Frau, die als sogenannte Ersatzmutter bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen.“6 Auch wenn das Verbot der künstlichen Befruchtung einer Leihmutter und somit wohl auch eine Vermeidung der Leihmutterschaft insgesamt eines der Ziele des ESchG darstellt, wird die Leihmutterschaft an sich nicht verboten.7 Der Gesetzgeber hat vielmehr einen indirekten Ansatz gewählt und im ESchG lediglich die künstliche Befruchtung einer Leihmutter sanktioniert. Hierdurch
1 Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, Einf. Rn. B 17; vgl. Duden, IFL 2013, 343; Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz; dazu Kreß, MedR 2013, 642. 2 Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, Einf. Rn. B 21; Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, Einf. Rn. B 66. 3 Siehe oben bei Kapitel 1 – A., S. 17. 4 Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, Vor § 1 ESchG Rn. 8; Tinneberg/Michelmann/ Naether, Lexikon der Reproduktionsmedizin, 45 f. 5 BeckOK-von Heintschel-Heinegg25, § 3 StGB Rn. 1 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 131 ff. 6 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 1 f. 7 Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369, 369; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 564 f.
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Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland
werden der Leihmutterschaft kaum zu überwindende Hindernisse in den Weg gelegt.8 Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG wird bestraft, wer bei einer Leihmutter „eine künstliche Befruchtung [durchführt] oder auf sie einen menschlichen Embryo [überträgt]“. Es wird an dem Akt der Befruchtung angesetzt, jede Form der extra- und intrakorporalen Befruchtung unter Strafe gestellt und so der Leihmutterschaft die Grundlage entzogen.9 Diese Vorschrift bildet den Grundpfeiler der Verhinderung der Leihmutterschaft. Neben das Verbot der künstlichen Befruchtung der Leihmutter treten bei Leihmutterschaften, bei denen nicht die Eizellen der Leihmütter verwendet werden, die Tatbestände, die primär der allgemeinen Vermeidung gespaltener Mutterschaften dienen. Es wird befürchtet, dass die gespaltene Mutterschaft dem Kind die Identitätsfindung erheblich erschweren und zu seelischen Konflikten führen könne.10 Schutzgut ihres Verbotes ist daher das Kindeswohl.11 Die gespaltene Mutterschaft bedeutet im Kern, dass eine befruchtete fremde Eizelle ausgetragen wird. Gespaltene Mutterschaften werden somit dadurch vermieden, dass jegliche Form der Eizellspende beziehungsweise Verwendung einer fremden Eizelle untersagt wird.12 So sollen auch Leihmutterschaften schon „im Vorfeld“ unterbunden werden.13 Die entscheidenden Tatbestände finden sich in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 sowie Abs. 2 ESchG.14 § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG verbietet es, auf „eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle [zu übertragen]“. Dies betrifft die Verwendung einer Eizellenspende mit dem Ziel einer anschließenden intrakorporalen Befruchtung.15 § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG erklärt denjenigen für strafbar, der „es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt“. Er erfasst jede Form der künstlichen Befruchtung, also die häufigen Verfahren der extrakorporalen Befruchtung, beispielsweise durch In-vitroWitzleb, in: FS Martiny, 203, 206; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18. Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 9; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG Rn. 1; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18. 10 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 7; Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/4154, 1989, 6 f.; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG Rn. 6. 11 Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG Rn. 5. 12 Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 15; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG Rn. 2 f. 13 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 8; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG Rn. 6. 14 Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG Rn. 6. 15 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 7. Abgrenzungsprobleme zu § 1 Abs. 1 Nr. 2, 6 und 7 ESchG können auftreten, bei der Übertragung einer „im Befruchtungsvorgang befindlichen Eizelle.“ Vgl. zu dieser Problematik Günther/Taupitz/KaiserTaupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG Rn. 19; Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG Rn. 15. 8 9
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Fertilisation, aber auch der intrakorporalen Befruchtung.16 § 1 Abs. 2 ESchG erstreckt das Verbot bereits auf den Zeitraum vor der tatsächlichen Befruchtung, nämlich auf die Erzeugung der entsprechenden Vorkerne.17 § 1 Abs. 1 Nr. 6 untersagt es schließlich, „einer Frau einen Embryo vor Abschluss seiner Einnistung in der Gebärmutter [zu entnehmen], um diesen auf eine andere Frau zu übertragen“. Hierdurch soll die Spende einer bereits im Körper der Spenderin befruchteten Eizelle, eine Embryonenspende, verhindert werden.18 Durch diesen Dreiklang des § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 werden die möglichen Umstände der Befruchtung adressiert. Es wird lückenlos der Einsatz einer fremden Eizelle im Rahmen der künstlichen Befruchtung verboten.19 Wie bereits bei dem allgemeinen Verbot der künstlichen Befruchtung einer Leihmutter ist jedoch auffällig, dass die Eizellenspende an sich nicht verboten wird. Lediglich die medizinischen Eingriffe, die für eine Schwangerschaft unter Verwendung einer Eizellenspende notwendig wären, werden verboten.20 Dies korrespondiert damit, dass Adressat des ESchG Ärzte beziehungsweise Naturwissenschaftler sind.21 Verbote der Leihmutterschaft und Eizellenspende, die sich an Leihmütter und Spenderinnen richten, bestehen nicht. Diese Zielrichtung zeigt auch § 1 Abs. 3 ESchG,22 der im Rahmen der Eizellenspende für die Spenderin und Empfängerin der Eizelle sowie im Rahmen der Leihmutterschaft für die Leihmutter und die Wunscheltern einen persönlichen Strafausschließungsgrund beinhaltet.23 Als Grund für die Straffreiheit wird angeführt, dass die Frauen oft aus altruistischen Motiven handeln sowie die Konfliktsituation nicht erkennen können. Auch würde ihre Bestrafung dem Kindeswohl zuwiderlaufen, das das Verbot der gespaltenen Mutterschaft 16 Die Begründung des Gesetzesentwurfs definiert die künstliche Befruchtung als „jede Befruchtung […], die nicht durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt wird und zu deren Erreichung technische Hilfsmittel eingesetzt werden.“ Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 8; Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG Rn. 15. 17 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 9; Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, § 1 Abs. 2 ESchG Rn. 11. 18 Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG Rn. 1 ff.; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 16. 19 Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245. 20 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206. 21 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 7; Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, Vor § 1 ESchG Rn. 8; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206. 22 § 1 Abs. 3 ESchG: „Nicht bestraft werden 1. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 6 die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle übertragen wird oder der Embryo übertragen werden soll, und 2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will.“ 23 Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 3 ESchG Rn. 1; Günther/Taupitz/KaiserGünther2, Vor § 1 ESchG Rn. 94; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18.
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gerade schützen soll.24 Für den Rechtsgüterschutz soll daher die Bestrafung der Ärzte beziehungsweise Naturwissenschaftler ausreichen.25 Dass die Kontrolle über die Ärzte ausreicht, wird dadurch abgesichert, dass es unter Strafandrohung Ärzten vorbehalten ist, eine künstliche Befruchtung vorzunehmen und einen Embryo auf eine Frau zu übertragen, § 9 Nr. 1 und 2 sowie 11 ESchG. Während die Eizellenspende als Ursache einer gespaltenen Mutterschaft umfassend verhindert werden soll, finden sich im ESchG keine Regelungen zur Herkunft des verwendeten Samens beziehungsweise der Zulässigkeit der Samenspende. Zumindest auf der Ebene des ESchG steht dem Einsatz von Spendersamen bei der künstlichen Befruchtung grundsätzlich nichts entgegen.26 Samen- und Eizellenspende werden hier gänzlich verschieden behandelt. Offenbar geht der Gesetzgeber davon aus, dass für ein Kind das Auseinanderfallen der genetischen und sozialen oder biologischen Mutter schädlich ist, die Abweichung zwischen genetischer und sozialer Vaterschaft hingegen nicht.27 Es kann somit festgehalten werden, dass, auch wenn das ESchG die Leihmutterschaft an sich nicht verbietet, jegliche Methoden der assistierten Reproduktion untersagt werden, die zu einer Leihmutterschaft führen könnten.28 Neben die Verbote des ESchG tritt das AdVermiG.29 Dies stellt der Leihmutterschaft weitere Hindernisse in den Weg. Gemäß § 13c AdVermiG ist die Vermittlung von Leihmüttern untersagt. Die Leihmuttervermittlung wird in § 13b AdVermiG als Zusammenführen der Leihmutter und Wunscheltern30 legal definiert. Gemäß § 14b AdVermiG ist dieses Verbot strafbewehrt und 24 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 9; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 3 ESchG Rn. 1 ff. 25 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 9; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 3 ESchG Rn. 1 ff. 26 Günther/Taupitz/Kaiser-Günther2, Einf. Rn. B 81 f.; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 11. Gewisse Beschränkungen bzgl. der Herkunft des Samens bestehen jedoch. So darf der Samen eines Toten gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG nicht verwendet werden. Standesrechtlich bestehen gem. Nr. 3.1.1. und 5.3. der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer Einschränkungen für eine Befruchtung mittels Sperma, welches nicht vom Partner der Befruchteten stammt. Siehe Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 2006, A 1392; vgl. auch Duden, IFL 2013, 343, 344. 27 Zu verfassungsrechtlichen Zweifeln siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.2.b), S. 237. 28 Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206. 29 Vgl. OLG Hamm 7.4.1983, Az. 3 Ss OWi 2007/82, NJW 1985, 2205, 198; zur Rechtslage vor der Einführung des ausdrücklichen Ersatzmutterverbots des § 13a AdVermiG im Jahr 1989 KG Berlin 19.3.1985, Az. 1 W 5729/84, NJW, 2201; zu der Reform Lüderitz, NJW 1990, 1633. 30 Das AdVermiG verwendet für die Wunscheltern den Begriff der „Bestelleltern“.
B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft
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gilt für altruistische wie gewerbliche Leihmuttervermittlung, wobei für die entgeltliche und gewerbsmäßige beziehungsweise geschäftsmäßige Vermittlung gemäß Abs. 2 eine Strafschärfung gilt.31 Wie auch im ESchG machen sich Leihmutter und Wunscheltern jedoch nicht strafbar, § 14b Abs. 3 AdVermiG.32 Gemäß § 13d AdVermiG ist neben der Vermittlung auch untersagt, Leihmütter oder Wunscheltern durch öffentliche Erklärungen zu suchen oder anzubieten.33 Diese Verbote sind durch § 14 Abs. 1 Nr. 2 c) AdVermiG bußgeldbewehrt.34 Auch hier wird die Leihmutterschaft zwar selbst nicht verboten,35 es wird jedoch versucht, ein Zusammentreffen von potenziellen Leihmüttern und Wunscheltern zu erschweren und somit eine Situation zu verhindern, in der eine Leihmutterschaft durchgeführt werden könnte.36 Im deutschen Recht wird somit die Leihmutterschaft zwar auf verschiedenen Wegen verhindert, sie ist aber nicht direkt und generell verboten.37 Bei natürlicher Zeugung ist sie sogar erlaubt und bei künstlicher Insemination durch Leihmutter oder Wunscheltern selbst zumindest straffrei.38 Gemäß § 3 StGB gilt das Verbot zudem nur für inländische Taten.39 Auch eine künstliche Befruchtung einer Leihmutter im Ausland ist somit nicht erfasst.
B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft
Obwohl die Leihmutterschaft in Deutschland nicht zulässig ist, muss für den Fall, das sie dennoch stattfindet, eine rechtliche Zuordnung des Kindes mögDeutscher Bundestag, BT-Drs. 11/4154, 1989, 8 f.; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht7, Rn. 1100. 32 Vgl. Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht7, Rn. 1100. 33 Vgl. dazu Schwab, Familienrecht22, Rn. 561; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 76; Palandt-Götz74, Einf. v. § 1741 BGB Rn. 2; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245. 34 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/4154, 1989, 8; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht7, Rn. 1100; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18. 35 Vgl. Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245. Finden Leihmutter und Wunscheltern privat zusammen, so greif das AdVermiG nicht. 36 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/4154, 1989, 9. 37 Benicke, StAZ 2013, 101, 101; Spickhoff, in: Gestation pour autrui, 27, 29; CoesterWaltjen, FamRZ 1992, 369, 369. 38 Coester, in: FS Jayme, 1243, 1245; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 18; Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369, 369. 39 BeckOK-von Heintschel-Heinegg25, § 3 StGB Rn. 1 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 131 ff. 31
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Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland
lich sein. Im Folgenden wird kurz besprochen,40 wie nach bestehendem deutschen einfachen Recht diese Zuordnung erfolgt. Dabei ist auch die Wertung des Verbots der Leihmutterschaft im ESchG und AdVermiG zu berücksichtigen. Konsistent mit diesem Verbot wird die Leihmutterschaft bezüglich der Abstammung wie eine gewöhnliche Geburt behandelt: Die Absprache zwischen der Leihmutter und den Wunscheltern hat keine abstammungsrechtliche Bedeutung. Der Fall wird behandelt, als wolle die Leihmutter selbst – gegebenenfalls mit ihrem Partner – eine Familie gründen. Die Verwendung des Samens des Wunschvaters oder eines Spenders entspricht aus dieser Perspektive der Befruchtung mittels einer Fremdsamenspende. I. Mutterschaft 1. Unanfechtbare Mutterschaft der Leihmutter Nachdem früher mangels Alternativen eine Mutterschaft der Gebärenden nicht gesetzlich geregelt war, wurde im Jahre 1997 in Ansehung der aufkommenden reproduktionsmedizinischen Verfahren § 1591 BGB eingefügt.41 Dieser stellt knapp fest: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“ Die Leihmutter ist somit als Gebärende stets die rechtliche Mutter.42 Diese Zuordnung ist endgültig. Eine „Mutterschaftsanfechtung“ ist nicht möglich.43 Ziel ist es, gespaltene Mutterschaften zu verhindern und im Interesse des Kindes eine möglichst dauerhafte und einfach zu bestimmende mütterliche Abstammung zu begründen. Ausdrücklich soll § 1591 BGB gerade auch für Fälle der Leihmutterschaft die Mutterschaft klarstellen.44
Ausführlicher zur Rechtsprechung zur abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes bei ausländischer Leihmutterschaft siehe unten bei Kapitel 4 – B.II.2.a), S. 301. Siehe auch Diel, Leihmutterschaft, 87 ff. 41 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/8511, 1997, 69; BeckOK-Hahn34, § 1591 BGB Rn. 1; vgl. Jayme, NJW 1979, 2425, 2427. 42 Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 Rn. 1; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 92; BeckOK-Hahn34, § 1591 BGB Rn. 13; Spickhoff-Spickhoff 2, § 1591 BGB Rn. 1; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1142; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1246; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Diel, Leihmutterschaft, 87 ff.; Spickhoff, in: Gestation pour autrui, 27, 33. 43 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 83; Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 Rn. 3; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 2002, 183, 189; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 92; BeckOK-Hahn34, § 1591 BGB Rn. 1; Müller-Götzmann, Gleichgeschlechtliche Elternschaft, 324; Spickhoff-Spickhoff 2, § 1599 Rn. 1 BGB; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 12; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 209; Helms, StAZ 2013, 114, 115; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1247. 44 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/8511, 1997, 69; Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 52; Spickhoff-Spickhoff 2, § 1591 BGB Rn. 1; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 10; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 217. 40
B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft
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2. Erwerb der Mutterschaft durch Adoption Erlangen kann die Wunschmutter die Mutterschaft lediglich durch eine Adoption.45 Ist die Wunschmutter verheiratet und ist der Wunschvater bereits aufgrund einer Anerkennung oder Adoption Vater des Kindes,46 so ist dies über eine Stiefkindadoption möglich, § 1741 Abs. 2 S. 3 beziehungsweise 1742 BGB.47 Ist der Wunschvater noch nicht der rechtliche Vater, müssen die Wunscheltern das Kind gemeinsam adoptieren, § 1741 Abs. 2 S. 2 BGB. Bei unverheirateten Wunscheltern scheidet eine solche gemeinsame Adoption aus. In diesem Fall ist es auch nicht möglich, dass die Wunschmutter durch eine Stiefkindadoption die rechtliche Mutterschaft erwirbt, nachdem der Wunschvater durch Anerkennung oder Adoption die Vaterschaft erworben hat, § 1741 Abs. 2 S. 1 und 1742 BGB.48 In diesen Fällen bleibt der Wunschmutter eine gemeinsame Elternschaft mit dem Wunschvater endgültig verwehrt. Sofern eine Adoption grundsätzlich möglich ist, erfolgt diese nach wohl herrschender Meinung unter den gewöhnlichen Anforderungen des § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB.49 Eine Adoption ist daher möglich, wenn „sie dem Wohl des Kindes dient“ Eine andere Ansicht nimmt demgegenüber an, dass es sich bei der Leihmutterschaft um eine gesetzes- oder sittenwidrige Vermittlung eines Kindes zum Zwecke der Adoption im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB handelt, wodurch eine Adoption erheblich erschwert würde.50 Sie kann dann nur erfolgen, wenn „dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist“. Zweck dieser Vorschrift ist es, Kinderhandel entgegenzuwirken.51 Leihmutterschaft
Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 Rn. 4; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 94; Dethloff, JZ 2014, 922, 930; BeckOK-Hahn34, § 1591 BGB Rn. 13; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 235; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 12. 46 Kapitel 1 – B.II., S. 24. 47 BeckOK-Enders34, § 1742 BGB Rn. 2; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1250; Wagner, StAZ 2012, 294, 296. 48 Vgl. Jauernig-Berger/Mansel15, §§ 1741–1750 BGB Rn. 5; mit Zweifeln an der Vereinbarkeit dieser Regel mit der Rspr. des EGMR: BeckOK-Enders34, § 1741 BGB Rn. 30 f. 49 BeckOK-Enders34, § 1741 Rn. 26.3; wohl auch: OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 12; LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111; Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 Rn. 13; Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369, 371; Müller-Götzmann, Gleichgeschlechtliche Elternschaft, 325; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 354; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 104. Siehe auch unten Kapitel 4 – B.II.2.b)aa), S. 312 50 MüKo-Maurer6, § 1741 BGB Rn. 31; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140; AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris; Diel, Leihmutterschaft, 117; Benicke, StAZ 2013, 101, 112; wohl Botthof/Diel, StAZ 2013, 211, 212 ff.; vgl. Helms, StAZ 2013, 114, 115; kritisch Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B87; Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 II Rn. 13, S. 641. 51 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/8511, 1997, 72. 45
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Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland
ist jedoch davon zu unterscheiden.52 Während bei Kinderhandel nach der Geburt oder Empfängnis des Kindes die Eltern durch Geld oder Gewalt überzeugt beziehungsweise gezwungen werden, das Kind aufzugeben, wird bei einer Leihmutterschaft das Kind überhaupt erst aufgrund der Leihmuttervereinbarung gezeugt und bereits vor der Geburt die Frage des späteren Verbleibes des Kindes geklärt. Auch der Wortlaut des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB setzt zum Zeitpunkt der Vermittlung ein Kind voraus.53 Bei der Leihmutterschaft wird nicht ein Kind zur Annahme sondern lediglich eine Samenzelle, eine befruchtete Eizelle oder eine Frau, die bereit ist für Dritte ein Kind auszutragen, „vermittelt“.54 Systematisch spricht gegen eine Anwendung von Satz 2 zudem, dass auch der Gesetzgeber im offiziellen Namen des AdVermiG55 zwischen der Vermittlung eines Kindes zur Annahme und der Vermittlung einer Leihmutter trennt.56 Die verschärfte Adoptionsvoraussetzung des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht anzuwenden.57 II. Vaterschaft 1. Unmittelbarer Erwerb der Vaterschaft Die Vaterschaft wird wie bei einem gewöhnlichen Fall einer künstlichen Befruchtung mittels Fremdsamenspende begründet:58 Ist die Leihmutter alleinstehend, kann der Wunschvater – unabhängig von seinem Familienstand 59 – die Vaterschaft mit Zustimmung der Leihmutter anerkennen, §§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB.60 Da die Wirksamkeit der Anerkennung nicht davon abSiehe dazu LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. Zur Abgrenzung von Leihmutterschaft und Kinderhandel siehe unten bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 53 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111. 54 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111; Dethloff, JZ 2014, 922, 930. 55 „Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern“. 56 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111 f.; Dethloff, JZ 2014, 922, 930. 57 So auch LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111; Dethloff, JZ 2014, 922, 930. Siehe ausführlicher zu der Frage der Anwendung von § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB unten bei Kapitel 4 – B.II.2.b), S. 312. 58 Vgl. Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 Rn. 11; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 352; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 210. 59 Zu besonderen Problemen bei der Begründung einer gemeinsamen Elternschaft homosexueller Paare siehe unten bei Kapitel 1 – B.II.2., S. 27. 60 BeckOK-Hahn34, § 1594 BGB Rn. 3; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 355; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Helms, StAZ 2013, 114, 115; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1248; Mayer, IPRax 2014, 57, 57; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 566; Engel, ZEuP 2014, 538, 548; AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182, 183. 52
B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft
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hängt, ob der Anerkennende tatsächlich der genetische Vater ist,61 kann so auch bei einer Samenspende durch einen Dritten der Wunschvater rechtlicher Vater werden.62 Ist der Wunschvater auch der genetische Vater, so kann er sogar gegen den Willen der Wunschmutter die Vaterschaft erwerben, § 1600d BGB. Er kann auch die Vaterschaft eines Dritten anfechten, der mit Zustimmung der Leihmutter die Vaterschaft anerkannt hat, etwa weil die Leihmutter das Kind doch behalten will, § 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB.63 Ist die Leihmutter bei der Geburt verheiratet, wird gemäß § 1592 Nr. 1 BGB ihr Ehemann der Vater.64 Hat dieser in die Befruchtung nicht eingewilligt, kann er die Vaterschaft anfechten, § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB.65 Auch der Wunschvater kann dann anfechten, falls dieser auch der genetische Vater ist, § 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB.66 Hat der Ehemann eingewilligt, ist seine Anfechtung nicht möglich wohl ebenso wenig wie die des Wunschvaters, selbst wenn dieser der genetische Vater ist, § 1600 Abs. 5 BGB: Ob ein Samenspender eine bestehende Vaterschaft anfechten kann, machte der BGH kürzlich davon abhängig, ob die Gebärende verheiratet ist und der Ehemann in die Befruchtung gemäß § 1600 Abs. 5 BGB eingewilligt hatte.67 Da die
61 BeckOK-Hahn34, § 1594 BGB Rn. 3; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 355; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1248; AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182, 183. 62 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 355; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 210; Helms, StAZ 2013, 114, 115. Diese Abstammung ist dann jedoch anfechtbar, §§ 1599 Abs. 1, 1600 BGB. 63 Vgl. BGH 15.5.2013, Az. XII ZR 49/11, FamRZ 2013, 1209, 1210 f.; dazu Duden, IFL 2013, 343; Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212. 64 BeckOK-Hahn34, § 1592 BGB Rn. 3; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 11; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 351. 65 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 352. Praktisch ist dieser Fall jedoch fast ausgeschlossen, da berufsrechtlich gemäß 3.1.1. und 5.3.3.2. der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer die Befruchtung mit Spendersamen auch der Einwilligung des Ehemanns der zu Befruchtenden bedarf, ganz zu schweigen von dem Verbot der künstlichen Befruchtung im Rahmen einer Leihmutterschaft: Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 2006, A 1392; vgl. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 354. 66 So wohl BGH 15.5.2013, Az. XII ZR 49/11, FamRZ 2013, 1209, 1210 f.; dazu Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 212. 67 BGH 15.5.2013, Az. XII ZR 49/11, FamRZ 2013, 1209, 1210 f.; dazu Duden, IFL 2013, 343; Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, 351 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 566. Der BGH legt dort bei einer künstlichen Befruchtung mittels Fremdsamenspende den Begriff des „beigewohnt hat“ in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB sehr weit aus und fordert keinen tatsächlichen Beischlaf. Vgl. dazu Duden, IFL 2013, 343. In dieser Rechtsprechung distanziert sich der BGH anscheinend von der bisherigen herrschenden Meinung, die unter „beigewohnt hat“ nur tatsächlichen Beischlaf verstand, wodurch jede künstliche Befruchtung ausgeschlossen wäre: BGH 26.1.2005, Az. XII ZR
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Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland
Leihmuttervereinbarung bei der Bestimmung der Elternschaft nicht berücksichtigt wird und der Fall als ein solcher der künstlichen Befruchtung mittels Fremdsamenspende behandelt wird, ist davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung auch zu einem Ausschluss des genetisch verwandten Wunschvaters führt, wenn die Leihmutter verheiratet ist und ihr Ehemann in die Befruchtung eingewilligt hat.68 Teilweise wird vertreten § 1600 Abs. 5 BGB hier nicht anzuwenden und eine Anfechtung zu erlauben, unter anderem da weder der Wortlaut „mittels Samenspende eines Dritten“ noch die Interessenlage auf die Situation einer Leihmutterschaft passten.69 Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass sie das Verbot der Leihmutterschaft im ESchG und AdVermiG missachtet und die Leihmuttervereinbarung trotz deren Nichtigkeit berücksichtigt. Die Übertragung der Rechtsprechung des BGH auf Fälle der Leihmutterschaft mit dem Wortlaut des § 1600 Abs. 5 BGB zu begründen leidet zudem daran, dass diese Rechtsprechung nur dadurch für Fälle der künstlichen Befruchtung relevant wird, dass sie sich an anderer Stelle vom Wortlaut des § 1600 BGB entfernt. So fußt sie darauf, die Samenspende beziehungsweise In-vitro-Fertilisation als „beiwohnen“ im Sinne des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu verstehen. Die Interessenlage als wichtiges Argument heranzuziehen überzeugt zudem nicht, da die Interessenlage einer Leihmutterschaft aufgrund des nationalen Verbots der Leihmutterschaft nicht berücksichtigt werden darf. Allein im Rahmen des einfachen Rechts unter Anwendung des herkömmlichen Auslegungskanons lässt sich somit eine Anfechtung trotz Einwilligung des Ehemanns der Leihmutter, also eine Reduktion des § 1600 Abs. 5 BGB, nicht überzeugend begründen.70 Bei einer ledigen Leihmutter oder einer verheirateten, deren Ehemann nicht in die Befruchtung eingewilligt hat, kann somit der Wunschvater unmittelbar die Vaterschaft erwerben.71 Andernfalls ist der Wunschvater, so wie die Wunschmutter dies immer ist, auf den Umweg der Adoption angewiesen, §§ 1741 ff. BGB.72 70/03, FamRZ 2005, 612, 614; Höfelmann, FamRZ 2004, 745, 749; BeckOK-Hahn34, § 1600 BGB Rn. 3; vgl. Coester, in: FS Jayme, 1243, 1248. 68 Wohl ebenso Mayer, IPRax 2014, 57, 60. 69 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 212 f.; Helms, StAZ 2013, 114, 115. Differenzierend: Diel, Leihmutterschaft, 91 ff. 70 Zu einer solchen Auslegung als verfassungs- und völkerrechtskonformer Auslegung siehe unten bei Kapitel 4 – C.I., S. 320. Wohl ebenso Mayer, IPRax 2014, 57, 60 f. Auch sie unterscheidet zwischen dem aktuellen einfachen Recht, nach dem die Möglichkeit des Erwerbs der Elternschaft des Wunschvaters vom Personenstand der Leihmutter abhängt, und dessen möglicher Fortbildung aufgrund einer völkerrechtskonformen Auslegung. Verfassungsrechtliche Gründe verwendet auch Diel, Leihmutterschaft, 91 ff. in seiner Argumentation. 71 Kritisch zur Differenzierung anhand des Personenstands der Leihmutter etwa Mayer, IPRax 2014, 57, 59. 72 Mayer, IPRax 2014, 57, 57; Engel, ZEuP 2014, 538, 548.
B. Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft
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2. Erste verfassungsrechtliche Zweifel an §§ 1591 ff. BGB Die Möglichkeit der Wunschmutter, rechtlicher Elternteil des Kindes zu werden, ist somit deutlich begrenzter als die des Wunschvaters. Während der Wunschvater insbesondere bei einer unverheirateten Leihmutter unmittelbar die Elternschaft erwerben kann, selbst wenn er nicht genetischer Vater ist, kann die Wunschmutter dies nie, selbst wenn sie die genetische Mutter ist. Sind die Wunscheltern unverheiratet, führt ein unmittelbarer Erwerb der rechtlichen Vaterschaft durch ein Anerkenntnis des Wunschvaters sogar dazu, dass die Wunschmutter nicht einmal durch eine Adoption neben ihm rechtliches Elternteil werden kann. Diese Ungleichbehandlung der Wunschmutter wirft erhebliche Fragen auf und ist, wie sich zeigen wird, letztlich vor Art. 3 Abs. 2 GG nicht zu rechtfertigen.73 III. Männliche homosexuelle Paare Eigene Schwierigkeiten bringt die Zuordnung des Kindes bei homosexuellen Wunscheltern mit sich. Wie eben dargestellt wurde, unterliegt die Mutterschaft anderen Regeln als die Vaterschaft. Da zudem weibliche homosexuelle Paare nur sehr selten eine Leihmutter brauchen werden, während männliche homosexuelle Paare dies stets tun, wenn sie ein Kind haben wollen, das von einem der Wunschväter abstammt, wird im Folgenden nur auf männliche homosexuelle Paare eingegangen. Bei homosexuellen männlichen Paaren kann der erste Wunschvater, insbesondere bei einer ledigen Leihmutter, wie jeder andere Wunschvater die rechtliche Vaterschaft unmittelbar erwerben. Besteht eine eingetragene Lebenspartnerschaft, so kann anschließend eine Stiefkindadoption durch den zweiten Wunschvater erfolgen gemäß § 9 Abs. 7 LPartG, wodurch die Leihmutter die Mutterschaft verliert, § 9 Abs. 7 LPartG in Verbindung mit § 1755 Abs. 2 BGB.74 Besteht keine Lebenspartnerschaft, ist eine Stiefkindadoption nicht möglich. Ein Erwerb der Elternschaft durch den anderen Partner ist ausgeschlossen.75 Scheitert ein unmittelbarer Erwerb der rechtlichen Vaterschaft eines der Wunschväter durch Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 oder Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB,76 muss zunächst ein Wunschvater das Kind alleine adoptieren, § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB. Eine gemeinschaftliche Adoption ist auch bei verpartnerten Paaren nicht möglich, § 1741 Abs. 2 Siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.2.b), S. 237. Müller-Götzmann, Gleichgeschlechtliche Elternschaft, 325. 75 Müller-Götzmann, Gleichgeschlechtliche Elternschaft, 326. 76 Beispielsweise aufgrund einer nicht anfechtbaren Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter, der in die Befruchtung eingewilligt hatte, § 1600 Abs. 5 BGB. 73 74
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Kapitel 1 – Leihmutterschaft in Deutschland
BGB. Bei Lebenspartnern ist allerdings seit dem 27.6.2014 gemäß § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG n. F. in Verbindung mit § 1742 BGB eine Sukzessivadoption möglich. Nach der Adoption des Kindes durch den ersten Lebenspartner kann der zweite das Kind nun im Anschluss ebenfalls adoptieren. Vorher war dies wegen des fehlenden Verweises auf § 1742 BGB in § 9 Abs. 7 LPartG a. F. nicht möglich.77 Diesen Zustand hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2013 wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt.78 Besteht keine eingetragene Lebenspartnerschaft ist eine solche Sukzessivadoption allerdings weiterhin ausgeschlossen. Sind die Wunschväter somit verpartnert, ist ein gemeinsamer Erwerb der Vaterschaft mittels Stiefkind- oder Sukzessivadoption möglich; sind sie dies nicht, kann nur einer rechtlicher Vater werden. IV. Fazit Insgesamt besteht de lege lata ein uneinheitliches Bild. Der Wunschvater kann, insbesondere bei einer ledigen Leihmutter, die Vaterschaft durch Anerkennung beziehungsweise Vaterschaftsfeststellung unmittelbar erwerben, sogar wenn einer Anerkennung keine tatsächliche genetische Abstammung zugrunde liegt. Die Wunschmutter wiederum kann nie ohne Adoption die Mutterschaft erlagen, selbst wenn ihre eigene Eizelle verwendet wurde. Sind die Wunscheltern verheiratet oder verpartnert, so können sie letztlich gemeinsam rechtliche Eltern werden. Denkbar ist dies zunächst durch eine Vaterschaftsanerkennung beziehungsweise Vaterschaftsfeststellung gefolgt durch eine Stiefkindadoption durch die Ehefrau beziehungsweise den Lebenspartner. Ist dieser Weg nicht gangbar, ist bei Ehepaaren eine gemeinschaftliche Adoption beziehungsweise bei Lebenspartnern eine Sukzessivadoption möglich. Sind die Wunscheltern unverheiratet, beziehungsweise nicht verpartnert, ist eine gemeinsame Elternschaft ausgeschlossen.79
77 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 6; Müller-Götzmann, Gleichgeschlechtliche Elternschaft, 169 ff.; Jauernig-Berger/Mansel15, vor § 1297 BGB Rn. 5; OLG Hamm 1.12.2009, Az. 15 Wx 236/09, NJW 2004, 2065, 2065; AG Hamburg 16.6.2008, Az. 60 XVI 80/05, FamRZ 2009, 355, 355. 78 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847. 79 Dies wirft vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtliche Zweifel auf, die hier jedoch nicht vertieft werden können. Sie betreffen das Adoptionsrecht im Allgemeinen.
Kapitel 2
Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
Grundsätzlich werden privatrechtliche Sachverhalte mit Auslandsbezug nach der Verweisungsmethode des Internationalen Privatrechts und dem so berufenen Sachrecht behandelt. Europäisches Kollisionsrecht oder Staatsverträge, die vorrangig anzuwendenden wären (vgl. Art. 3 EGBGB), bestehen nicht.1 I. Einführendes zur Anwendung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB 1. Anwendbarkeit von Art. 19 EGBGB Das deutsche Recht kennt eine Leihmutterschaft und eine dazu passende abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes nicht, sondern fordert für eine Elternschaft des Wunschvaters vielfach, für die Wunschmutter immer, den Weg über die Adoption.2 Dennoch ist Art. 19 EGBGB und nicht Art. 22 EGBGB hier einschlägig. Das Kollisisonsrecht ist vom materiellen Recht autonom auszulegen,3 wobei auch rechtsvergleichende Aspekte berücksichtigt werden.4 Die ausländischen Rechtsordnungen behandeln die Elternschaft der Wunscheltern als ursprüngliche Elternschaft und nicht als adoptionsähnliche spätere Annahme eines fremden Kindes.5 Die Abstammung im Rahmen der 1 Im Zusammenhang mit der Abstammung sind zwar die CIEC-Übereinkommen vom 14. September 1961 über die Anerkennung der Vaterschaft und vom 12. September 1962 über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder, BGBl. 1965 II, 17 ff. relevant, hier jedoch nicht einschlägig. Sie behandeln Reibungen zwischen Staaten, in denen eine Anerkennung der Abstammung erfolgen muss, und solchen, in denen dies nicht notwendig ist, enthalten jedoch keine Kollisions- oder gar Sachnormen zur Abstammung. Vgl. dazu BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 3; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Anh. I Rn. 1 ff. 2 Siehe oben bei Kapitel 1 – B., S. 21. 3 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 II 4 Rn. 173 ff., S. 658 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 16 II 2, S. 124 f. 4 Rabel, RabelsZ, 241, 287; dazu von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 II 3 f Rn. 161 ff., S. 649 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 16 II 3, S. 125 f. 5 Dies gilt auch für Rechtsordnungen wie denen des Vereinigten Königreichs oder Israels, in denen die Elternschaft der Wunscheltern erst durch eine Gerichtsentscheidung begründet wird. Diese Verfahren dienen funktionell der Begründung einer ursprünglichen
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
Leihmutterschaft ist somit als Frage der Abstammung gemäß Art. 19 EGBGB zu qualifizieren.6 Die Anfechtung einer Elternschaft durch die Eltern erfolgt gemäß Art. 20 EGBGB jeweils nach dem Recht, aus dem sich die Voraussetzungen der Elternschaft ergeben. Die Anfechtung wird somit akzessorisch an das Abstammungsstatut gemäß Art. 19 EGBGB angeknüpft. 2. Struktur des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB, kein Vorrang des Satz 1 Art. 19 Abs. 1 EGBGB bietet drei mögliche anwendbare Rechte an: das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes (S. 1); im Verhältnis zu jedem Elternteil das Recht des Staates, dem dieser Elternteil angehört (S. 2); ist die Mutter verheiratet, das Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (S. 3). Es stellt sich somit die Frage des Verhältnisses der drei Anknüpfungsmöglichkeiten. Teilweise wird Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB mit seiner Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes Vorrang eingeräumt. 7 Dafür soll zunächst der Wortlaut der Sätze 2 und 3 sprechen (S. 2: „kann […] auch […] bestimmt werden“; S. 3: „kann […] ferner […] bestimmt werden“).8 Auch habe der Gesetzgeber den Satz 1 als die „Regelanknüpfung“ bezeichnet.9 Für eine klare Priorisierung spreche auch, dass sie eine Mehrzahl von Vätern oder Müttern von Anfang an verhindere,10 zumindest wenn man davon Familienzugehörigkeit. Siehe unten bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(4), S. 80 bzw. Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(5), S. 82. 6 Allgemeine Ansicht. Siehe etwa MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 27; Benicke, StAZ 2013, 101, 106; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 33; Hepting, Familienrecht im Personenstandsrecht, Rn. IV–159 f.; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–273; Wagner, StAZ 2012, 294, 297; Diel, Leihmutterschaft, 185; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. Erforderlichkeit und Erteilung einer Zustimmung des Kindes oder einer Person, zu der das Kind ein familienrechtliches Verhältnis hat, unterliegen zusätzlich dem Heimatrecht des Kindes, Art. 23 EGBGB. Vgl. Diel, Leihmutterschaft, 185. 7 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 909 f.; Siehr, Internationales Privatrecht, 34; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 27, S. 363 f.; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 106; Dethloff, IPRax 2005, 326, 330; so zu Art. 20 EGBGB a. F. Müller, StAZ 1989, 301, 305; a. A. Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Hepting, IPRax 2002, 388, 390; Hepting, StAZ 2002, 129, 133 f.; Oprach, IPRax 2001, 325, 327; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 12; Henrich, StAZ 1998, 1, 3 f.; AG München 7.5.2001, Az. 721 UR III 397/00, StAZ 2002, 147, 148; LG Leipzig 31.7.2001, Az. 01 T 4670/01, StAZ 2002, 146, 147. 8 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 909; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 106; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 33, S. 366; vgl. dazu Henrich, StAZ 1998, 1, 2 f. 9 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 137; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 34, S. 366; vgl. Hepting, IPRax 2002, 388, 390. 10 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 909; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 219; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 34, S. 366.
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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ausgehe, innerhalb der einzelnen Rechtsordnungen werde die Elternschaft klar auf zwei Personen beschränkt. Da jedoch zwischen den Sätzen 2 und 3 keine formale Hierarchie bestehen soll, schafft diese Auslegung keine Klarheit, wenn über Satz 1 keine, über die Sätze 2 und 3 jedoch abweichende Abstammungen begründet werden.11 Hier soll entweder primär nach dem Prioritätsprinzip und subsidiär nach dem vom Kind wählbaren Recht12 oder primär nach der Wahrscheinlichkeit der genetisch richtigen Abstammung und sekundär nach dem Kindeswohl entschieden werden.13 Wenig überzeugt, dass zwar Satz 1 in einem hierarchischen Verhältnis zu den Sätzen 2 und 3 steht, diese beiden Sätze jedoch gleichrangig sein sollen. Das Wortlautargument vermag einen Vorrang des ersten Satzes nicht überzeugend zu begründen.14 Folgt man ihm dennoch, müsste dies konsequenterweise auch zu einem Vorrang des Satz 2 vor Satz 3 führen. Historisch spricht gegen einen Vorrang des Satz 1, dass im Rahmen des früheren Art. 20 Abs. 1 EGBGB a. F., der ebenfalls alternative Anknüpfungsmomente enthielt, allgemein eine Gleichrangigkeit der Anknüpfungsmomente angenommen wurde und nicht ersichtlich ist, dass hieran etwas geändert werden sollte.15 Auch der Bezeichnung als „Regelanknüpfung“ in der Gesetzesbegründung16 lässt sich nicht zwangsläufig ein Wille zu einem hierarchischen Vorrang entnehmen. Die Wortwahl kann schlicht auf die statistische Häufigkeit der Verwendung dieser Anknüpfung gerichtet sein und darauf, dass der gewöhnliche Aufenthalt sich als durchgängiger Anknüpfungspunkt im Kindschaftsrecht durchsetzt und dass ein Gleichlauf etwa mit dem Unterhaltsstatut sowie dem Haager Minderjährigenschutzabkommen bewirkt wird.17 Zudem mag ein Vorrang des Satz 1 zwar dem Kindeswohl auf formeller Ebene dienen, da eine Doppelung von Elternteilen verhindert wird, dies jedoch ohne Berücksichtigung materieller Günstigkeitserwägungen.18 Ein Gleichrang der Anknüpfungsmomente entspricht auch eher dem Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, das Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910. Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 108. 13 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910. 14 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 20; Gaaz, StAZ 1998, 241, 250; ausführlich dazu Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 82 ff. 15 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 20; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Hepting, IPRax 2002, 388, 389; Dörner, in: FS Henrich, 119, 120; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 83; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 17; Sturm, StAZ 2003, 353, 355; vgl. Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 137 f.; Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/5632, 1986, 43. 16 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 137; vgl. Hepting, IPRax 2002, 388, 390. 17 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 137; vgl. Hepting, IPRax 2002, 388, 390; OLG Schleswig 19.8.2002, Az. 2 W 6/02, FamRZ 2003, 781, 782. 18 Hepting, IPRax 2002, 388, 390; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 219. 11 12
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
Kindeswohl zu fördern, da so anhand materieller Kriterien das günstigste Anknüpfungsmoment gewählt werden kann.19 3. Abstammung als Vorfrage Wie bereits oben dargestellt wurde,20 befasst sich diese Arbeit damit, wer aus Sicht der deutschen Rechtsordnung die rechtlichen Eltern eines im Ausland durch Leihmutterschaft geborenen Kindes sind. Sie erörtert die Abstammung als abstrakte Frage unabhängig von deren Rechtsfolgen. Sie bespricht somit zum einen die Fälle, in denen sich die Abstammung als Hauptfrage stellt, also etwa bei der Eintragung des Kindes in das Geburtenregister durch einen Standesbeamten gemäß § 36 PStG beziehungsweise bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen eine Verweigerung einer solchen Eintragung (§ 49 PStG).21 Sie behandelt jedoch auch die Fälle, in denen die Abstammung eine Vorfrage darstellt und die Hauptfrage eine der Folgen der Abstammung betrifft, etwa die visumsfreie Einreise als deutscher Staatsangehöriger aufgrund einer Abstammung von deutschen Wunscheltern (§ 4 StAG)22 oder die Ausstellung eines vorläufigen Kinderreisepasses, §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 6 Abs. 1 PaßG23 beziehungsweise jeweils ein gerichtliches Vorgehen gegen deren Verweigerung.24 Vorfragen, einschließlich derjenigen der Abstammung,25 werden nach wohl herrschender Meinung zumindest grundsätzlich selbstständig angeknüpft, also nach dem Internationalen Privatrecht des Forums.26 Es würde somit grundsätzlich das deutsche Kollisionsrecht herangezogen, unabhängig davon, ob sich die Abstammung vor deutschen Instanzen als Haupt- oder Vorfrage stellt. Abweichend vom Grundsatz der selbstständigen Anknüpfung wird bei bestimmten Rechtsfragen als Hauptfrage ausnahmsweise eine unSiehe dazu unten bei Kapitel 2 – A.I.5.d), S. 50 bzw. Kapitel 2 – A.V.3., S. 109. Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 84 ff. 20 Siehe oben bei Kapitel 1 – B., S. 10. 21 So etwa bei OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72. Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 231. 22 So etwa bei VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris. 23 So etwa bei VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80. 24 Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 103; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 207; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 554; Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 25 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 2 c, S. 384. 26 Staudinger-Sturm/Sturm2012, Einleitung zum IPR Rn. 272 ff. und 279 ff.; Raape/ Sturm, Internationales Privatrecht6, Bd. 1, 290; Kegel, IPRax 1996, 309, 310; BGH 12.3.1981, Az. IVa ZR 111/80 (Hamm), NJW 1981, 1900; Palandt-Thorn74, Einl. v. EGBGB 3 Rn. 29 f.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 Rn. 197, S. 674; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 32 IV 2, S. 226 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 1, S. 381; Erman-Hohloch13, Einl. Art. 3–47 EGBGB Rn. 53; BeckOK-Lorenz34, Einl. IPR Rn. 71 f. 19
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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selbstständige Anknüpfung gefordert,27 also eine solche nach dem Internationalen Privatrecht der lex causae; hier relevant sind dabei die Staatsangehörigkeit, der Unterhalt und der Name.28 Die folgenden Ausführungen zu der Bestimmung des Abstammungsstatuts nach deutschem Internationalen Privatrecht gelten im Rahmen dieser Hauptfragen daher nur, wenn auf diese selbst deutsches Recht anwendbar ist. Dann besteht nämlich kein Unterschied zwischen der selbstständigen und unselbstständigen Anknüpfung.29 Die Hauptfrage des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit, um die es in den hier besprochenen Fällen häufig geht, richtet sich nach deutschem Recht, da über den Erwerb einer Staatsangehörigkeit immer nur das entsprechende Recht entscheidet.30 Abweichungen bestehen auch bei unselbstständiger Anknüpfung nicht. Der Name unterliegt gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB dem Heimatrecht des Namensträgers. Bei den hier besprochenen Fällen stellt sich meist die Frage, ob das Kind den Namen der Wunscheltern oder eines Wunschelternteils als deren Kind erwirbt, §§ 1616 ff. BGB. In diesen Fällen stellt sich zwei Mal die Frage der Abstammung: Sowohl im Rahmen der Bestimmung der Staatsangehörigkeit des Kindes als Anknüpfungsmoment des Art. 10 Abs. 1 EGBGB als auch bei der Bestimmung der Abstammung als Voraussetzung für den Erwerb des Names gemäß §§ 1616 ff. BGB stellt sich die Frage, ob das Kind von einem der Wunscheltern abstammt. Zunächst ist die Abstammung als Voraussetzung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit zu prüfen. Dies wird, wie eben dargestellt, anhand des deutschen Internationalen Privatrechts bestimmt. Besteht danach eine solche Abstammung, so ist deutsches Recht als Heimatrecht des Kindes auch das Namensstatut. Besteht mangels Abstammung von den Wunscheltern keine deutsche Staatsangehörigkeit, so ist deutsches Recht nicht das Namensstatut. In diesem Fall ist bei selbstständiger Anknüpfung die Vorfrage der Abstammung nach dem Internationalen Privatrecht des Namensstatuts zu behandeln. Gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB kann der Inhaber der Sorge bestimmen, dass das Kind den Familiennamen Vgl. Henrich, IPRax 2013, 425, 426. Zur Staatsangehörigkeit: Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 2 a, S. 382; Palandt-Thorn74, Einl. v. EGBGB 3 Rn. 30 m.w.N. Zum Namen: BeckOKLorenz34, Einl. IPR Rn. 71; BeckOK-Mäsch34, Art. 10 EGBGB Rn. 10 m.w.N.; a. A. Kegel/ Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 2 b, S. 383. Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 32 IV 2 b, S. 227. Im Unterhaltsrecht wird eine unselbstständige Anknüpfung gefordert, da hier das Kollisionsrecht in der EuUntVO bzw. dem UntProt vereinheitlicht ist; vgl. dazu Staudinger-Sturm/Sturm2012, Einleitung zum IPR Rn. 288 m.w.N. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 2 c, S. 384. 29 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 Rn. 192, S. 671; Henrich, IPRax 2013, 425, 425. 30 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 2, S. 382; Henrich, IPRax 2013, 425, 426. 27 28
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
unter anderem nach dem Heimatrecht eines Elternteils erhalten soll (Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB). Sind die Wunscheltern Deutsche, was bei den hier besprochenen Sachverhalten regelmäßig der Fall ist, richtet sich auch hier die Hauptfrage nach deutschem Recht, sodass selbst bei unselbstständiger Anknüpfung auf die Frage der Abstammung deutsches Kollisionsrecht anwendbar wäre. Allerdings wird vertreten, dass im Rahmen des Art. 10 Abs. 3 EGBGB im Gegensatz zu Art. 10 Abs. 1 EGBGB die Vorfragen selbstständig angeknüpft werden.31 In diesem Fall gilt das hiesige Internationale Privatrecht ohnehin auch wenn die lex causae nicht deutsches Recht ist. Selbst wenn sich somit die Abstammung häufig nur als Vorfrage stellt, gelten dennoch meist die folgenden Aussagen zu der abstrakten Behandlung der Abstammung nach deutschem Kollisionsrecht.32 Dies liegt daran, dass zum einen Vorfragen grundsätzlich selbstständig angeknüpft werden und zum anderen bei den Ausnahmen, in denen unselbstständig angeknüpft wird, in den hier besprochenen Fällen meist in der Hauptfrage auch deutsches Recht anwendbar ist. 4. Verweisung auf gespaltene Rechtsordnungen, Art. 4 Abs. 3 EGBGB Das deutsche Internationale Privatrecht verweist grundsätzlich auf das Recht von fremden Staaten als Gesamtheit. Verschiedene ausländische Staaten haben jedoch kein einheitliches Privatrecht, sodass ein Verweis auf die Gesamtrechtsordnung noch nicht ausreicht. Es ist noch zu bestimmen, welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist. Eine Rechtsspaltung tritt zunächst ein, wenn in unterschiedlichen Teilgebieten eines Staates unterschiedliche Privatrechtsordnungen gelten (territoriale Rechtsspaltung).33 Von den Rechtsordnungen, die hier untersucht werden, betrifft dies die USA, in denen das Familienrecht einzelstaatliche Kompetenz ist, und das Vereinigte Königreich, in dem zum Teil eine Spaltung zwischen England, Wales, Schottland und Nordirland vorkommt.34 Eine Rechtsspaltung ergibt sich zudem, wenn für verschiedene Personengruppen unterschiedliches Recht gilt, etwa abhängig von der Religionszugehörigkeit (interpersonale beziehungsweise interreligiöse Rechtsspaltung).35 Dies ist teilweise in Israel und Indien der Fall.36
31 BeckOK-Mäsch34, Art. 10 EGBGB Rn. 10; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 32 IV 2 b, S. 227; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 9 II 2 b, S. 393. 32 Zu einem Vergleich der Kollisionsrechte der hier untersuchten Rechtsordnungen, in denen eine Leihmutterschaft zulässig ist, siehe unten bei Kapitel 2 – A.I.5.a), S. 37. 33 BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 18. 34 BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 18. 35 Vgl. Jayme, in: Kulturelle Relativität, 46; BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 18. 36 BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 18.
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Mehrheitlich stellen die Vorschriften, welche in den Fällen der Leihmutterschaft die Abstammung regeln, eine Ausnahme von der grundsätzlichen Familienrechtsspaltung in den genannten Rechtsordnungen dar. In Großbritannien bestimmt Sec. 67(1) Human Fertilisation and Embryology Act 2008 (HFEA 2008) ausdrücklich, dass sich die Wirkung des Gesetzes auf England und Wales, Schottland und Nordirland erstreckt. Eine Ausnahme ist für die Regeln bezüglich der Abstammung in Fällen der assistierten Reproduktion (Sec. 33 ff.), einschließlich der Leihmutterschaft (Sec. 54), nicht vorgesehen. Das israelische Gesetz 5756-1996 über Austragung von Embryonen (Genehmigung des Vertrages und Status des Geborenen)37 enthält keine Vorschrift zum Anwendungsbereich. Schon dies spricht dafür, dass die Vorschrift für alle religiösen Gruppen gilt. Dies bestätigen auch § 2 Abs. 5 S. 1 und S. 2 des Gesetzes. Laut Satz 1 müssen die Wunschmutter und Leihmutter dieselbe Religion haben. Ist keine Partei jüdisch, so kann laut Satz 2 von dieser Anforderung abgesehen werden. Diese Vorgaben setzen voraus, dass das Gesetz für jüdische und nicht jüdische Personen gilt. Auch hier kommt es zu keiner Rechtsspaltung. Das indische Abstammungsrecht für Fälle der Leihmutterschaft ist noch nicht klar geregelt.38 Eine Differenzierung des Anwendungsbereichs abhängig von der Religionszugehörigkeit findet sich jedoch weder in den National Guidelines for Accreditation, Supervision and Regulation of ART Clinics in India noch in dem vorgeschlagenen Assisted Reproductive Technologies (Regulation) Bill – 2010 (ART-Bill 2010). Auch in Indien tritt daher keine Rechtsspaltung auf. Unter den besprochenen Rechtsordnungen kommt es allein in den USA in den Fällen der Leihmutterschaft zu einer Rechtsspaltung zwischen den Einzelstaaten sowohl bezüglich der Zulässigkeit der Leihmutterschaft als auch des Abstammungsrechts.39 Es ist hier zu klären, wie das entscheidende einzelstaatliche Abstammungsrecht zu bestimmen ist. Einer Unteranknüpfung bedarf es nicht, wenn die deutsche Kollisionsnorm selbst eine konkrete Teilrechtsordnung bestimmt. So wird eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort, wie sie sich in Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB findet, meist als unmittelbarer Verweis auf die Teilrechtsordnung verstanden, in der der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Eine territoriale Rechtsspaltung ist in diesem Rahmen unerheblich.40 Bei dem 37 Deutsche Übersetzung bei Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Israel209, 113 ff. Englische Übersetzung bei Weisberg, Israel, 219. 38 Malhotra/Malhotra, Surrogacy, 51; Malhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 201 f.; Anand, in: Family Law2, 285, 303 f.; Goel de Mallik, The In-House Lawyer 2010, 43, 43. Zur Rechtslage in Indien siehe unten bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84. 39 Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449. 40 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 40; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 76 und 93; Palandt-Thorn74, Art. 4 EGBGB Rn. 12; BeckOK-Lorenz34, Art. 4
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit, welches Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB unmittelbar und Satz 3 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBEGB oft mittelbar verwenden, kommt die Rechtsspaltung jedoch zum Tragen.41 In den hier untersuchten Fällen bedarf es einer Unteranknüpfung bei Teilrechtsordnungen gemäß Art. 4 Abs. 3 EGBGB letztlich nur bezüglich der USA beziehungsweise Kaliforniens und nur im Rahmen der Sätze 2 und 3 des Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Es stellt sich somit die Frage, wie in diesen Fällen das anwendbare einzelstaatliche Recht zu bestimmen ist beziehungsweise wann kalifornisches Recht anzuwenden ist. In den USA gibt es kein gesamtstaatliches interlokales Kollisionsrecht, welches über die Unteranknüpfung entscheiden könnte.42 Es fehlt ein „Recht dieses Staates“ im Sinne des Art. 4 Abs. 3 S. 1 EGBGB welches bestimmt, „welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist“. Mit „Staat“ ist dabei der Gesamtstaat, also die USA gemeint. Gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB ist somit die Teilrechtsordnung anzuwenden, mit der der Sachverhalt im Sinne einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls am engsten verbunden ist.43 Bei einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit soll primär die engste Verbindung des Anknüpfungssubjekts und nicht des Sachverhaltes insgesamt beachtet werden.44 Begründet wird dies damit, dass die Suche nach der am engsten verbundenen Teilrechtsordnung das primäre Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit konkretisieren und nicht verändern soll.45 Die engste Beziehung soll sich dabei im Rahmen des Familienrechts bei territorial gespaltenen Rechtsordnungen aus dem gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Personen ergeben.46 EGBGB Rn. 19; Erman-Hohloch13, Art. 4 EGBGB Rn. 22; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 11 II, S. 418; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 4 IV 1 a Rn. 155, S. 312; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 29 II 2, S. 203; a. A. Staudinger-Hausmann2013, Art. 4 EGBGB Rn. 389 ff.; Jayme, IPRax 1989, 287, 288; Jayme, RabelsZ 55 (1991), 303, 314 f.; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 217 Fn. 59; Otto, IPRax 1994, 1, 3; Rauscher, IPRax 1987, 206, 209. 41 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 11 II, S. 419; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 4 IV 1 a Rn. 157, S. 314. 42 Staudinger-Hausmann2013, Art. 4 EGBGB Rn. 379; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 81; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 11 I, S. 415; BeckOKLorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 20; Bungert, IPRax 1993, 10, 10. 43 Staudinger-Hausmann2013, Art. 4 EGBGB Rn. 396; BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 20; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 4 IV 1 a Rn. 155, S. 312; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 29 II 1 b, S. 202. 44 Vgl. MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 101 und 396; Stoll, IPRax 1984, 1, 3; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 29 II 1 b, S. 202. 45 MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 101 und 396. 46 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 40; KG Berlin 3.4.2012, Az. 1 W 557/11, FamRZ, 1515, 1515; BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 20; Staudinger-
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Wird die Leihmutterschaft in Kalifornien durchgeführt und hat die Leihmutter dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, besteht die engste Verbindung des Anknüpfungssubjekts zu Kalifornien.47 Sofern das Kind noch in Kalifornien ist, wird die Verbindung dorthin weiter verstärkt. Umstände, welche den Sachverhalt mit einem anderen Bundesstaat verbinden, sind in dem Grundfall einer kalifornischen Leihmutterschaft48 nicht ersichtlich. Ob Faktoren den Sachverhalt mit anderen Staaten, wie etwa Deutschland, verbinden, ist unbeachtlich, da allein entscheidend ist, mit welcher Teilrechtsordnung der USA die engste Verbindung besteht. Verweisen Art. 19 Abs. 1 S. 2 oder 3 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB somit wegen der Staatsangehörigkeit der Leihmutter auf das Recht der USA, ist in diesen Fällen gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB kalifornisches Recht anwendbar. 5. Beachtung von Rück- und Weiterverweisungen Steht fest, zu dem Recht welcher Staaten die Verweisungen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB führen, stellt sich noch die Frage der Beachtung einer möglichen Rück- oder Weiterverweisung (renvoi) durch das dortige Internationale Privatrecht. Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 EGBGB beziehen die Verweisungen des EGBGB grundsätzlich das Internationale Privatrecht des ausländischen Staates mit ein. Gemäß Hs. 2 tun sie dies jedoch nicht, wenn dies dem Sinn der Verweisung – hier des Art. 19 Abs. 1 EGBGB – widerspricht.49 a) Mögliche Fälle des renvoi bei der Leihmutterschaft Am Beispiel der hier berücksichtigten sechs Rechtsordnungen soll im Folgenden untersucht werden, wann eine Rück- beziehungsweise Weiterverweisung möglich ist. Obwohl diese Rechtsordnungen im Sachrecht meist eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern ermöglichen, scheint das jeweilige Internationale Privatrecht noch vielfach auf der Annahme zu fußen, dass zumindest die Mutterschaft in der Person der Gebärenden stets feststeht. So enthält das ukrainische Gesetz über das Internationale Privatrecht aus dem Jahre 200550 eine Kollisionsnorm für die Vaterschaft, nicht aber eine solche für die Mutterschaft. Die überholte Prämisse der klaren Mutterschaft, verur-
Hausmann2013, Art. 4 EGBGB Rn. 397; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 103; vgl. Palandt-Thorn74, Art. 4 EGBGB Rn. 12. 47 Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 106. 48 In dem Standardfall soll davon ausgegangen werden, dass ein allfälliger Ehemann der Leihmutter ebenfalls Kalifornier ist. 49 Vgl. dazu BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 30; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 2; Prütting/Wegen/Weinreich-Martiny9, Art. 19 EGBGB Rn. 10; StaudingerHenrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 25; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 4. 50 Übersetzung bei Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 40.
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
sacht für manche der untersuchten Rechtsordnungen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts. Die Bestimmung des einschlägigen Kollisionsrechts erschwert weiter, dass vielfach die Zulässigkeit der Leihmutterschaft sowie die abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes und nicht das Kollisionsrecht im Fokus der Forschung stehen. Der folgende Überblick steht daher unter dem Vorbehalt einer gewissen fortbestehenden Unklarheit. aa) Kalifornien: versteckte Kollisionsnorm, Sec. 7962(f)(2) Family Code Das US-amerikanische Kollisionsrecht ist wie das Sachrecht territorial gespalten.51 Es ist somit das einschlägige einzelstaatliche Kollisionsrecht zu bestimmen.52 Wie oben dargestellt wurde,53 ist bei einer Leihmutter mit gewöhnlichem Aufenthalt in Kalifornien die gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB einschlägige Teilrechtsordnung die kalifornische, wenn das US-amerikanische Recht gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 oder S. 3 EGBGB berufen wird. Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Kalifornien, so verweist Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB unmittelbar auf kalifornisches Recht. Im kalifornischen Recht lässt sich Sec. 7962(e) California Family Code für die Abstammung in den Fällen der Leihmutterschaft eine versteckte Kollisionsnorm entnehmen:54 Dieser erklärt die Gerichte des voraussichtlichen Geburtsortes des Kindes, des Wohnsitzes der Wunscheltern oder der Leihmutter,55 des Ortes der Durchführung der Leihmuttervereinbarung oder der reproduktionsmedizinischen Behandlung für zuständig für die Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses. Sec. 7962(f)(2) California Family Code bestimmt ausdrücklich, dass die Feststellung der Elternschaft der Wunscheltern von den Voraussetzungen der Sec. 7962 abhängt.56 Sind die kalifornischen Gerichte zuständig, wenden sie ihre eigenes Recht an. In den hier besprochen Fällen werden regelmäßig Wohnsitz der Leihmutter, voraussichtlicher Geburtsort des Kindes, Ort der Durchführung der Leihmuttervereinbarung und der reproduktionsmedizinischen Behandlung in Kalifornien liegen. Das kalifornische Recht nimmt somit die Verweisung an.57 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 11 I, S. 415. BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 21; Palandt-Thorn74, Art. 4 EGBGB Rn. 13; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 91. 53 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.4., S. 34. 54 Dazu allgemein Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 97 f.; von Bar/ Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 IV 2. c) Rn. 218 ff., S. 687 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 25, S. 179 ff.; BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 12 m.w.N. 55 Originalwortlaut: „reside“/„resides“. 56 „Subject to proof of compliance with this section, the judgment or order shall establish the parent-child relationship of the intended parent or intended parents“. 57 Vgl. VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 22. 51 52
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bb) Vereinigtes Königreich bzw. England: versteckte Kollisionsnormen, Sec. 54 HFEA bzw. Sec. 55A FLA 1986 Wie bereits dargestellt, ist die britische Rechtsordnung, wie die USamerikanische, teilweise territorial gespalten; so auch bezüglich des Kollisionsrechts.58 Im Rahmen des Abstammungsrechts wirkt sich die Spaltung nicht aus, da der HFEA 2008 in England, Wales, Schottland und Nordirland anwendbar ist.59 Auch im Rahmen des Kollisionsrechts bleibt die grundsätzliche Rechtsspaltung meist unbeachtlich. Eine ausdrückliche Kollisionsnorm für die Abstammung gibt es im englischen Recht nicht. Eine versteckte Kollisionsnorm60 lässt sich aber wohl Sec. 54(4)(b) HFEA 2008 entnehmen. Sec. 54(4)(b) HFEA 2008 macht den Erlass einer parental order, durch welche die Wunscheltern die rechtliche Elternschaft erwerben, davon abhängig, dass mindestens ein Wunschelternteil sein domicile im Vereinigten Königreich hat.61 Man kann diese Vorschrift als versteckte Kollisionsnorm derart verstehen, dass britische Gerichte für eine parental order zuständig sind und dann das eigene Recht, also Sec. 54 HFEA 2008 anwenden, wenn ein Wunschelternteil ein inländisches domicile hat.62 Für diesen Fall nähme dann das britische Recht die Verweisung an. Welches Recht anwendbar ist, wenn diese Voraussetzung der Sec. 54 HFEA 2008 nicht erfüllt ist, lässt sich Sec. 54 HFEA 2008 nicht entnehmen. Sofern sich das Kollisionsrecht nicht dem HFEA 2008 entnehmen lässt, wirkt sich die Rechtspaltung des britischen Rechts aus. Im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB bedarf es dennoch keiner Unteranknüpfung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 EGBGB, da der Verweis auf den gewöhnlichen Aufenthalt unmittelbar als Verweis auf die jeweilige Teilrechtsordnung, in der er sich befindet, verstanden werden kann.63 Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in England, ist somit englisches Kollisionsrecht im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB anwendbar. Bei den Verweisungen der Sätze 2 Staudinger-Hausmann2013, Anhang zu Art 4 EGBGB Rn. 24. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.4., S. 34. 60 Dazu allgemein BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 12 m.w.N. 61 Ein domicile auf den Kanalinseln oder der Isle of Man reicht ebenfalls. 62 High Court of Justice Family Division 28.11.2007, Re G (Surrogacy: Foreign Domicile), [2007] EWHC 2814 (Fam), Rn. 14 f.: zur Vorgängervorschrift der Sec. 54 HFEA 2008, der Sec. 30 HFEA 1990: „conditions which must be met before a court has jurisdiction to make a parental order“; a. A. Collins u. a., Dicey-Morris-Collins15, Bd. 2, Rn. 20029. 63 MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 76 und 93; Palandt-Thorn74, Art. 4 EGBGB Rn. 12 f.; BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 19; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 11 II, S. 418; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 4 IV 1 a Rn. 155, S. 312; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 29 II 2, S. 203; a. A. Staudinger-Hausmann2013, Art. 4 EGBGB Rn. 389 ff. Siehe auch oben bei Kapitel 2 – A.I.4., S. 34. 58 59
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
und 3 des Art. 19 Abs. 1 EGBGB muss gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB anhand der engsten Verbindung das anwendbare Kollisionsrecht bestimmt werden.64 Da diese Unteranknüpfung die primäre Verweisung konkretisieren und nicht ändern soll,65 bestimmt grundsätzlich der gewöhnliche Aufenthalt einer Person das anwendbare Teil-Kollisionsrecht, wenn ihre Staatsangehörigkeit das primäre Anknüpfungsmoment ist, wie dies in Art. 19 Abs. 1 S. 2 und oft mittelbar bei Satz 3 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB der Fall ist. Grundsätzlich ist somit das Kollisionsrecht der Teilrechtsordnung anwendbar, in der die Leihmutter – gegebenenfalls mit ihrem Ehemann – ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Folgenden soll beispielhaft das englische Kollisionsrecht dargestellt werden.66 Eine versteckte Kollisionsnorm lässt sich wohl Sec. 55A Family Law Act 1986 (FLA 1986) entnehmen: Sie hält seit dem Jahre 2001 ein Verfahren zur Feststellung der Abstammung bereit.67 Entsprechend dem in England geltenden Domizilprinzip68 sind die Gerichte zuständig, wenn das Kind oder die Person, deren Elternschaft festgestellt werden soll, ihr domicile in England oder seit einem Jahr dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,69 Sec. 55A(2)(a) und (b) FLA 1986. Besteht eine Zuständigkeit der Gerichte, wenden sie ihr eigenes Recht an.70 Hat somit die Leihmutter ihr domicile oder seit einem Jahr ihren gewöhnlichen Aufenthalt in England, sind die Gerichte gemäß Sec. 55A(2) FLA 1986 für die Feststellung einer rechtlichen Elternschaft der Leihmutter zuständig und englisches Recht insoweit anwendbar. Unklar ist allerdings, ob das englische Recht im Rahmen der umfassenden Verweisung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Verweisung auch bezüglich der möglichen Elternschaft der Wunscheltern annimmt, wenn nur die Leihmutter ihr domicile in England hat. Der Wortlaut der Sec. 55A FLA 1986 legt nahe, dass eine Zuständigkeit nur besteht, wenn eine der beiden Parteien zwischen denen ein Abstammungsverhältnis festgestellt werden soll, ihr domicile in England hat. Eine umfassende Feststellung der Abstammung, also BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 21. MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 101 und 396. 66 Die entscheidenden Normen sind auch in Wales anwendbar. Die folgenden Ausführungen über das englische Recht gelten somit auch für Wales. Sofern sie den HFEA 2008 betreffen, gelten sie auch für Schottland, nicht jedoch bezüglich Sec. 55A FLA 1986. 67 Traditionell war im englischen Recht die Frage der legitimacy, die in etwa der Ehelichkeit entspricht, von Bedeutung, wobei die Bedeutung inzwischen stark gesunken ist. Die Abstammung als abstrakte Frage war weniger relevant. Rückschlüsse von der Behandlung der legitimacy sind jedoch nicht möglich, da diese eine bereits feststehende Abstammung voraussetzt. Dazu allgemein Collins u. a., Dicey-Morris-Collins15, Bd. 2, Rn. 20– 002 ff. 68 Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Vereinigtes Königreich209, 27. 69 Sec. 55A(2)(c) FLA 1986 betrifft die Zuständigkeit, wenn Kind oder potenzielles Elternteil vor Einreichen des Antrags auf Feststellung verstarben. 70 Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Vereinigtes Königreich209, 32. 64 65
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des (Nicht-)Bestehens der rechtlichen Elternschaft sowohl der Wunscheltern als auch der Leihmutter und gegebenenfalls ihres Partners, wäre dann nur möglich, wenn das Kind oder alle möglichen Eltern ein domicile in England haben. Gegen eine solch enge Auslegung der Zuständigkeit und somit der versteckten Kollisionsnorm spricht jedoch, dass das domicile eines Kindes bis zum Alter von 16 Jahren von demjenigen der Eltern abhängt (sogenanntes domicile of dependency, Sec. 3 Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 (DMPA 1973)).71 Ist die Identität der Eltern unklar, scheint eine Bestimmung des domicile des Kindes nicht möglich. Eine umfassende Bestimmung der Abstammung des Kindes könnte somit bei dieser Auslegung nur erfolgen, wenn alle möglichen Eltern ihr domicile in England haben. Ein weiteres Problem ist, dass die Feststellung der Elternschaft eines potenziellen Elternteils nicht möglich sein wird, ohne implizit beziehungsweise als Vorfrage die Elternschaft anderer potenzieller rechtlicher Eltern abzulehnen. Zumindest auf eine solche inzidente Feststellung wenden die Gerichte somit ohnehin die lex fori an.72 Es erscheint daher wahrscheinlich, dass das Gericht auch dann gemäß Sec. 55A FLA 1986 umfassend die Abstammung prüft beziehungsweise umfassend englisches Recht auf die Abstammung anwendet, wenn nur die Leihmutter ihr domicile in England hat. Auch wenn diese Frage hier allerdings nicht endgültig geklärt werden kann, soll im Folgenden von dieser weiten Auslegung ausgegangen werden. Da in den hier besprochenen Fällen die Leihmutter regelmäßig ihr domicile am Ort der Durchführung der Leihmutterschaft hat, ist davon auszugehen, dass das englische Recht die Verweisung annimmt. cc) Indien: ungeschriebenes Domizil-Prinzip Abgesehen von wenigen Ausnahmen, die hier nicht von Bedeutung sind, ist das indische Internationale Privatrecht nicht kodifiziert. Sofern noch kein eigenes Fallrecht vorhanden ist, sollen daher das englische Recht und sein Domizilprinzip fortgelten.73 Dies ist unter anderem im Kindschaftsrecht der Fall.74 Bei indischem domicile sind somit indische Gerichte zuständig, die 71 Collins u. a., Dicey-Morris-Collins15, Bd. 1, Rule 14 und Rn. 6–079 ff.; Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Vereinigtes Königreich209, 28; Staudinger-Hausmann2013, Anhang zu Art 4 EGBGB Rn. 7 ff. 72 Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Vereinigtes Königreich209, 32. 73 Agrawal, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Indien209, 11; Diwan/Diwan, Private International Law3, 145; AG Heidelberg 30.12.1991, Az. 40 XVI 6/91, IPRax 1992, 327, 327. Rückschlüsse aus Sec. 55A FLA 1986 sind dabei jedoch nicht möglich, da diese erst im Jahre 2001 eingeführt wurde. 74 AG Heidelberg 30.12.1991, Az. 40 XVI 6/91, IPRax 1992, 327, 327.
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dann ihr eigenes Recht anwenden. Bei ausländischem domicile kann man entsprechend eine versteckte Rückverweisung annehmen.75 Es ist zu vermuten, dass dabei das domicile des möglichen Elternteils und nicht des Kindes, entscheidet.76 Gerade im Rahmen der Bestimmung der Abstammung würden sonst Schwierigkeiten auftauchen, da auch im indischen Recht das domicile eines Kindes von demjenigen seiner Eltern abhängt (domicile of dependency).77 Zur Feststellung der Elternschaft einer Leihmutter mit indischem domicile, wären somit die indischen Gerichte zuständig und würden indisches Recht anwenden, die Verweisung würde angenommen. Da die Frage der Elternschaft der Leihmutter nicht geklärt werden kann, ohne inzident auch die Elternschaft der Wunscheltern zu prüfen, ist zu erwarten, dass die indischen Gerichte bei indischem domicile der Leihmutter umfassend die Abstammung prüfen.78 Auch bezüglich der Wunscheltern nimmt das indische Recht die Verweisung somit an, wenn die Leihmutter ihr domicile in Indien hat. dd) Griechenland: Verweisungsnorm, Art. 17 ff. ZGB In Griechenland wird das anwendbare Recht anhand einer dreistufigen Anknüpfungsleiter bestimmt, wobei die dritte Stufe bei ehelichen und unehelichen Kinder unterschiedlich ausfällt, Art. 17 ff. griechisches ZGB.79 Anwendbar ist zunächst das Recht der letzten gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Eltern, Art. 17 in Verbindung mit Art. 14 Nr. 1, 19 Nr. 1 oder Art. 20 Nr. 1 griechisches ZGB; subsidiär das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, Art. 17 in Verbindung mit Art. 14 Nr. 2, 19 Nr. 2 oder Art. 20 Nr. 2 griechisches ZGB. Sind die Eltern verheiratet und hatten die Eltern nie eine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist auf letzter Stufe das Recht anwendbar, mit dem die Ehegatten am engsten verbunden sind, Art. 17 in Verbindung mit Art. 14 Nr. 3 griechisches ZGB. Sind die Eltern unverheiratet, so ist jeweils das eigene Heimatrecht der Mutter und des Vaters anzuwenden, sofern die
AG Heidelberg 30.12.1991, Az. 40 XVI 6/91, IPRax 1992, 327, 327; LG Fulda 23.2.1996, Az. 5 T 24/96, StAZ 1996, 271, 271. 76 So im Rahmen einer Adoption bzw. Legitimation: AG Heidelberg 30.12.1991, Az. 40 XVI 6/91, IPRax 1992, 327, 327; LG Fulda 23.2.1996, Az. 5 T 24/96, StAZ 1996, 271, 271. 77 Diwan/Diwan, Private International Law3, 173 f. 78 So etwa High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008. 79 Übersetzungen bei Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 50; Riering, IPR-Gesetze, 23. 75
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vorrangigen Anknüpfungsmomente nicht erfüllt sind, Art. 19 Nr. 3 beziehungsweise Art. 20 Nr. 3 griechisches ZGB.80 Unklar ist, wie diese Vorschriften auf Fälle der Leihmutterschaft anzuwenden sind.81 Geht man davon aus, dass auch die Wunscheltern die Eltern im Sinne der Kollisionsnormen in Art. 17 ff. griechisches ZGB sein können und bestimmt man die anwendbare Kollisionsnorm primär danach, ob die jeweiligen Elternpaare verheiratet sind, so wäre bei verheirateten deutschen Wunscheltern auf ihre Elternschaft deutsches Recht anwendbar, Art. 17 in Verbindung mit Art. 14 Nr. 1 griechisches ZGB.82 Ist die Leihmutter Griechin und mit einem Griechen verheiratet, so wäre auf deren Elternschaft griechisches Recht anwendbar. Es wäre somit jeweils das Heimatrecht des Elternprätendenten anwendbar. Löst man sich bei der Frage der anwendbaren Kollisionsnorm von der Perspektive der Ehelichkeit oder sind die Beteiligten unverheiratet, so würde sich eine Elternschaft in dem hier besprochenen Grundfall ebenfalls nach dem jeweiligen Heimatrecht der Elternprätendenten richten, also eine Elternschaft der deutschen Wunscheltern nach deutschem Recht, eine solche der griechischen Leihmutter und ihres Lebensgefährten nach griechischem Recht, Art. 19 Nr. 1 oder Nr. 3, Art. 20 Nr. 1 oder 3 griechisches ZGB. Ob jeweils Nr. 1 oder Nr. 3 angewandt würde, hängt davon ab, ob bei der Prüfung von Art. 19 f. griechisches ZGB als potenzielles Elternpaar, auf deren letzte gemeinsame Staatsangehörigkeit beziehungsweise letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt es ankommt, die jeweiligen Paare, also die Wunscheltern beziehungsweise die Leihmutter und ihr Partner angenommen werden (dann Nr. 1 wegen gemeinsamer Staatsangehörigkeit) oder ob man sich von einer solch paarweisen Betrachtung löst (dann Nr. 3 mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichem Aufenthalt). Bei allen Herangehensweisen bestimmt sich die Elternschaft in dem hier besprochenen Grundfall der deutschen Wunscheltern und griechischen Leihmutter nach dem Heimatrecht des jeweiligen Elternprätendenten. Ein renvoi wäre somit nur im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB möglich, da die Anknüpfungen der Sätze 2 und 3 in diesen Fällen auch auf die Anwendung des jeweiligen Heimatrechts der möglichen Eltern hinauslaufen. Satz 1 knüpft demgegenüber umfassend an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an. Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Griechenland, so ist nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB griechischen Recht anwendbar. Bezüglich der Abstammung von der Leihmutter würde das griechische Recht die Verweisung annehmen, bezügStaudinger-Hausmann2013, Anhang zu Art 4 EGBGB Rn. 275; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 33. 81 Vgl. Rokas, in: Surrogacy, 143, 160 Fn. 60. 82 So das unveröffentlichte Urteil des Gerichts erster Instanz Iraklion, Az. 13/ 16.1.2012, nach Rokas, in: Surrogacy, 143, 160 Fn. 60. 80
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lich derjenigen der deutschen Wunscheltern würde es jedoch an das deutsche Recht zurückverweisen. Die Rückverweisung im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB führt dann zu einem Gleichlauf mit Satz 2, da es in beiden auf das Heimatrecht des möglichen Elternteils ankäme. Alternativ wird bezüglich der Anwendung der Verweisungsnormen der Art. 17 ff. griechisches ZGB auch vorgeschlagen, den Auffangtatbestand der Kollisionsnorm für die eheliche Abstammung, nämlich die engste Verbindung der Ehegatten, Art. 17 in Verbindung mit Art. 14 Nr. 3 griechisches ZGB, analog anzuwenden und griechisches Recht als Recht, welches mit dem Sachverhalt am engsten verbunden ist, anzuwenden. 83 Bei dieser Auslegung würde das griechische Recht die Verweisung umfassend annehmen. Man könnte auch davon ausgehen, dass Art. 8 Gesetz 3089/2002 eine eigene Kollisionsnorm für Fälle der Leihmutterschaft enthält. Seit dem 11. Juli 201484 bestimmt dieser, dass Art. 1458 griechisches ZGB, welcher die Voraussetzungen der Erlaubnis einer Leihmutterschaft regelt, nur anwendbar ist, wenn Leihmutter oder Wunschmutter ihren Wohnsitz oder vorübergehenden Aufenthalt in Griechenland haben.85 Schreibt man dieser Vorschrift kollisionsrechtliche Bedeutung zu, so wäre unter den genannten Voraussetzungen griechisches Recht auf die Erlaubnis der Leihmutterschaft und die anschließende abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes anwendbar. Lebt somit die Leihmutter in Griechenland, was in den hier besprochenen Fällen meist der Fall sein wird, würde das griechische Recht die Verweisung annehmen. Je nach Auslegung der Art. 17 ff. griechisches ZGB und Art. 8 Gesetz 3089/2002 ist eine Rückverweisung höchstens im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB und nur bezüglich der Elternschaft der deutschen Wunscheltern denkbar. Geht man wegen der dargestellten Unklarheiten davon aus, dass das ausländische Kollisionsrecht nicht bestimmbar ist, so wird wohl herrschend die Verweisung ausnahmsweise als Sachnormverweisung ausgelegt.86 ee) Israel: Verweisungsnorm, §§ 76 f. Gesetz 5722-1962 In Israel richtet sich das Abstammungsstatut nach §§ 76 f. Gesetz 5722-1962 über die Rechtsfähigkeit und Vormundschaft (Gesetz 5722-1962).87 Gemäß Rokas, in: Surrogacy, 143, 160 Fn. 60. Zur vorherigen Rechtslage siehe unten bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(3), S. 78. 85 Neue Fassung des Art. 8 Gesetz 3089/2002: „Art 1458 und 1464 ZGB sind nur anwendbar, wenn die Antragstellerin oder die Frau, die das Kind gebären wird, ihren Wohnsitz oder ihren vorübergehenden Aufenthalt in Griechenland hat.“ Siehe dazu demnächst Zervogianni, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. 86 BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 17; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 71; Jayme, AcP 188 (1988), 439, 440; Coester, IPRax 1991, 36, 37; a. A. Kreuzer, NJW 1983, 1943, 1943. 87 Übersetzung bei Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Israel209, 91 f. Das Gesetz regelt in §§ 14 ff. Rechte und Pflichten von Eltern. Als Vorfrage muss die Zustän83 84
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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dessen §§ 76 f. hängt sowohl die internationale Zuständigkeit für Kindschaftssachen als auch das anwendbare Recht vom Wohnsitz (moshav) des Minderjährigen ab.88 Es kommt somit zu einem Gleichlauf der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts, wobei die Zuständigkeit für Kindschaftssachen des § 76 Abs. 2 weit und auch über Fälle des inländischen Wohnsitzes hinaus ausgelegt wird.89 § 80 Gesetz 5722-1962 definiert den Wohnsitz als Ort, an dem sich der Lebensmittelpunkt des Kindes befindet. Bei Minderjährigen wird widerlegbar vermutet, dass der Wohnsitz des Kindes dem der gesetzlichen Vertreter entspricht.90 Da in den Fällen der Leihmutterschaft die Identität der Eltern gerade strittig ist, hilft die Vermutung zugunsten des Wohnsitzes der gesetzlichen Vertreter hier nicht. Oft wird der Wohnsitz des Kindes im Sinne des Gesetz 5722-1962 dem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB entsprechen. Hat das Kind somit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Israel, so wird das israelische Recht die Verweisung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB meist annehmen. Hat das Kind jedoch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so verweist das israelische Recht im Rahmen der Anknüpfung an das Heimatrecht einer israelischen Leihmutter gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB auf das deutsche Recht zurück. Es fallen dann die Anknüpfungen der Sätze 1 und 2 zusammen. Zum Teil wird jedoch auch angeführt, dass die israelischen Gerichte bei Abstammungsfragen stets israelisches Recht anwenden, selbst wenn das Kind keinen Wohnsitz in Israel hat.91 Unter dieser Annahme würde das israelische Recht die Verweisung stets annehmen. Die Anwendung des eigenen Rechts könnte jedoch auch daran liegen, dass das israelische Recht strenge Voraussetzungen für die Durchführung einer Leihmutterschaft vorsieht. Gemäß § 2 Abs. 2 Gesetz 5756-1996 setzt die Erlaubnis der Leihmutterschaft voraus, dass die Leihmutter und die Wunscheltern ihren Wohnsitz in Israel haben, während es strafrechtlich sanktioniert ist, eine Leihmutterschaft durchzuführen, die diesen Vorgaben nicht entspricht, §§ 7 und 19 Gesetz 5756-1996.92 In diesen Fällen würde auch bei Befolgen der dargestellten Kollisionsnorm isradigkeit der Gerichte für Klagen basierend auf diesen Vorschriften (§ 76 Abs. 2) die Feststellung der Abstammung erfassen. Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 805; Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Israel209, 36; a. A. [Berlin], IPG 1980/1981, 302. 88 Shava, Family and Private International Law, 112; Staudinger-Hausmann2013, Anhang zu Art 4 EGBGB Rn. 818 f. 89 Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 802; Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Israel209, 36. 90 Vgl. Shava, Family and Private International Law, 112; Staudinger-Hausmann2013, Anhang zu Art 4 EGBGB Rn. 820. 91 Hague Conference on Private International Law, Parentage and International Surrogacy Arrangements, 2014, 39 Fn. 342 und 41 Fn. 358; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 814; ihr folgend Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Israel209, 36. 92 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 231.
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elisches Recht angewendet, da dann auch das Kind seinen Wohnsitz in Israel haben wird. Es ist somit unklar, ob die Tatsache, dass in Israel stets das eigene Recht angewandt wird, in einer entsprechenden Kollisionsnorm für Sachverhalte mit Auslandsbezug begründet ist, oder darin, dass wegen der Beschränkung der Zulässigkeit der Leihmutterschaft auf Personen mit Wohnsitz in Israel nur Sachverhalte auftreten, die zu der Anwendung des eigenen Rechts führen, obwohl die Kollisionsnorm bei anderen Fallgestaltungen auch zu anderen Rechten führen könnte. ff) Ukraine: Regelungslücke in IPR-Gesetz Das ukrainische IPR-Gesetz vom 23.6.200593 enthält nur eine Kollisionsnorm für die Bestimmung der Vaterschaft und keine für die Abstammung allgemein oder die Mutterschaft. Es kann angenommen werden, dass dem die Annahme zugrunde liegt, die Mutterschaft der Gebärenden stehe fest. Dies überrascht, da in der Ukraine die Leihmutterschaft zulässig ist und gemäß Art. 123 Abs. 2 ukrainisches FamGB 94 die Wunscheltern ipso iure die rechtlichen Eltern werden. Dass die Wunschmutter bei einer Leihmutterschaft die rechtliche Mutter wird, legt nahe, dass auch das ukrainische Internationale Privatrecht für eine rechtliche Mutterschaft einer anderen Frau als der Gebärenden offen ist. Nach welchem Recht die Mutterschaft zu bestimmen ist, ist jedoch mangels Kollisionsnorm unklar. Auch wenn für die Vaterschaft eine Kollisionsnorm existiert, ist ihr Anwendungsergebnis nicht klar: Art. 65 ukrainisches IPR-Gesetz knüpft sie an das Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt seiner Geburt an. Gemäß Art. 16 Abs. 1 ukrainisches IPR-Gesetz ist das Personalstatut des Kindes sein Heimatrecht. Ist das Kind staatenlos, so ist es das Recht des Wohnsitzes beziehungsweise Aufenthalts, Absatz 3. Ist es ein Mehrstaater, so ist es das Recht des Staates mit dem es am engsten verbunden ist. Da das ukrainische Recht grundsätzlichem dem ius sanguinis-Prinzip folgt95 und somit das Kind allein wegen der Geburt in der Ukraine grundsätzlich keine ukrainische Staatsangehörigkeit erwirbt, muss die Anknüpfung des Vaterschaftsstatuts an das Personalstatut, welches grundsätzlich das Heimatrecht des Kindes ist, die Annahme voraussetzen, dass die rechtliche Mutterschaft vorgesetzlich feststeht, und das Kind über diese eine Staatsangehörigkeit erwerben kann. Hier ist die rechtliche Mutterschaft jedoch unklar. Übersetzung bei Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 40; vgl. dazu Staudinger-Hausmann2013, Anhang zu Art 4 EGBGB Rn. 629. 94 Deutsche Übersetzung: Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 56 ff. Vgl. Druzenko, in: Surrogacy, 357. 95 Art. 6 f. Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Ukraine vom 18.1.2001. Deutsche Übersetzung: Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 11 ff. Dazu Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 7 f. 93
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Darüber, wie das ukrainische Internationale Privatrecht diese Unklarheit löst, kann nur spekuliert werden. Man könnte berücksichtigen, dass Art. 65 ukrainisches IPR-Gesetz und das Fehlen einer Kollisionsnorm für die Mutterschaft vermutlich durch die Annahme begründet ist, dass die Mutterschaft der Gebärenden unstreitig sei. Unter dieser Annahme würde das Kind regelmäßig die Staatsangehörigkeit der Gebärenden erwerben. Ihr Heimatrecht würde das Personalstatut des Kindes, Art. 16 Abs. 1 ukrainisches IPR-Gesetz. Auf die Feststellung der Vaterschaft wäre somit das Heimatrecht der Leihmutter anwendbar. Man könnte jedoch auch davon ausgehen, dass das ukrainische IPR-Gesetz die Frau als Mutter sieht, die im ukrainischen Sachrecht die Mutter ist. Dies wäre gemäß Art. 123 Abs. 2 ukrainisches FamGB die Wunschmutter.96 Erwirbt das Kind dann über die Wunschmutter deren Staatsangehörigkeit, wäre das Heimatrecht der Wunschmutter das Personalstatut des Kindes und somit das Vaterschaftsstatut gemäß Art. 65 ukrainisches IPR-Gesetz. Um eine materielle Aufladung des Kollisionsrechts zu vermeiden, könnte man auf eine von einer Mutter abgeleitete Staatsangehörigkeit des Kindes verzichten. Das Kind müsste dann als staatenlos im Sinne des Art. 16 Abs. 3 ukrainisches IPR-Gesetz behandelt werden und somit das Recht des Aufenthalts als Personalstatut angesehen werden. Gemäß Art. 65 ukrainisches IPRGesetz wäre dann das Vaterschaftsstatut das Recht des Aufenthalts als Personalstatut des Kindes, bei Geburt in der Ukraine also ukrainisches Recht. Je nach Auslegung könnte somit auf die Vaterschaft das Recht am Geburtsort, das Heimatrecht der Leihmutter oder der Wunschmutter anwendbar sein. Wegen der Unklarheit des ukrainischen Internationalen Privatrechts kann nicht bestimmt werden, ob es bei der Berufung ukrainischen Rechts durch Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu einer Rückverweisung kommt. Ist nicht feststellbar, ob ein ausländisches Recht die Verweisung des EGBGB annimmt oder weiteroder rückverweist, so wird wohl herrschend vertreten, die Verweisung ausnahmsweise als Sachnormverweisung zu behandeln.97 Bei einer Verweisung auf ukrainisches Recht bleibt die Frage eines renvoi somit ohne Bedeutung. gg) Fazit Eine Rückverweisung ist in den hier untersuchten Fällen lediglich in zwei Fällen denkbar: Geht man davon aus, dass das griechische Recht an das jeweilige Heimatrecht der Elternprätendenten anknüpft, würde es bezüglich der deutschen Wunscheltern auf deutsches Recht zurückverweisen, wenn wegen Vgl. Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358. BeckOK-Lorenz34, Art. 4 EGBGB Rn. 17; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 71; Jayme, AcP 188 (1988), 439, 440; Coester, IPRax 1991, 36, 37; a. A. Kreuzer, NJW 1983, 1943, 1943. 96 97
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eines gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in Griechenland gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB griechisches Recht anwendbar ist. Knüpft das israelische Recht an den Wohnsitz des Kindes an, würde es, sofern das Kind seinen Wohnsitz in Deutschland hat, auf das deutsche Recht zurückverweisen, wenn bezüglich der israelischen Leihmutter und gegebenenfalls ihres Mannes deren Heimatrecht berufen wird. Dies kann entweder unmittelbar im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB oder mittelbar als Ehewirkungsstatut im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB vorkommen. Im kalifornischen, englischen und indischen Recht, die jeweils nur versteckte Kollisionsnormen enthalten, wird die Verweisung angenommen, da diese Rechtsordnungen entweder die Zuständigkeit für die Feststellung der Abstammung in Fällen der Leihmutterschaft sehr weit annehmen (Kalifornien) oder bei einem inländischen domicile der Leihmutter die Abstammung umfassend bestimmen werden (England und Indien). Dem ukrainischen IPR-Gesetz sind schließlich keine klaren Kollisionsnormen für die Fälle zu entnehmen, in denen auch die Mutterschaft bestimmt werden muss. Mangels erkenntlicher Kollisionsnorm muss insoweit ausnahmsweise von Art. 19 Abs. 1 EGBGB als Sachnormverweisung ausgegangen werden. Nur in wenigen Fällen ist somit eine Rückverweisung zu erwarten. Auch die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hat in ihrer Studie aus dem Jahre 2014 zur Frage der rechtlichen Elternschaft in Fällen der Leihmutterschaft den Trend festgestellt, dass viele Rechtsordnungen, in denen Leihmutterschaft durchgeführt wurden, stets eigenes Recht anwenden.98 Ausdrücklich erwähnt wurde von den hier besprochenen Rechtsordnungen dabei allerdings nur Israel als Vertreter dieser Entwicklung. b) Widerspruch zum Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB Leitgedanke des Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist das Kindeswohl. Die Mehrzahl der Anknüpfungsmomente soll gewährleisten, dass für das Kind eine Abstammung begründet werden kann.99 Es würde daher dem Zweck der Norm widersprechen, wenn durch die Rück- oder Weiterverweisung dieses Ziel gefährdet würde.100 Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB wäre dann der renvoi nicht zu beachten. 98 Hague Conference on Private International Law, Parentage and International Surrogacy Arrangements, 2014, 39 bei Fn. 342 und 41 bei Fn. 358. 99 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 3 und 14; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421. 100 Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 2; Prütting/Wegen/Weinreich-Martiny9, Art. 19 EGBGB Rn. 10; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 23; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 29; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 48 IV 1 g, S. 410; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 30.
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Verschiedene Folgen eines renvoi können den Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB bedrohen. Es könnte bereits dem Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB widersprechen, wenn sich durch eine Beachtung eines renvoi die Anzahl der möglichen anwendbaren Rechtsordnungen reduziert oder unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar sind.101 Dies könnte im griechischen Recht der Fall sein, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Griechenland hat und somit gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB griechisches Recht anwendbar ist, das griechische Recht bezüglich der Elternschaft der deutschen Wunscheltern jedoch auf deren Heimatrecht, welches auch nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB anwendbar ist, zurückverweist.102 Auch im israelischen Recht, welches die Abstammung an den Wohnsitz des Kindes knüpft, kann Entsprechendes passieren: Hat das Kind seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und ist somit gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB deutsches Recht anwendbar, verweist das israelische Recht im Rahmen der Anknüpfung an das Heimatrecht der israelischen Elternprätendenten (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB) auf das deutsche Recht zurück.103 Erneut fallen die Anknüpfungen der Sätze 1 und 2 aufgrund des renvoi zusammen. Ohne Berücksichtigung eines renvoi könnte eine Abstammung des Kindes im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB sowohl nach israelischem beziehungsweise griechischem als auch nach deutschem Recht bestimmt werden. Wird der renvoi befolgt, kann die Abstammung nur noch nach deutschem Recht begründet werden. Da die Mehrzahl der Anknüpfungsmomente des Art. 19 Abs. 1 EGBGB dem materiellen Zweck der Abstammungsbegründung dient, muss allein die Anzahl der verschiedenen anwendbaren Rechte keine Bedrohung sein. 104 Kann eine Elternschaft des Prätendenten beispielsweise weder das erst- noch das zweitberufene Recht begründen, widerspricht die Beachtung des renvoi nicht dem Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, selbst wenn das zweitberufene, nicht aber das erstberufene Recht auch durch eine der anderen Anknüpfungsvarianten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufen wird. Der Zweck der Begründung einer Elternschaft wird durch die Anwendbarkeit eines Rechts, nach dem keine Elternschaft begründet werden kann, nicht gefördert. Allein eine Verringerung der Anzahl der berufenen Rechte ohne Berücksichtigung des Ergebnisses ihrer Anwendung verstößt nicht gegen den Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB. 101 In der Reduktion des Kreises der anwendbaren Rechte sehen die entscheidende Bedrohung Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 2; Prütting/Wegen/Weinreich-Martiny9, Art. 19 EGBGB Rn. 10; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 25; OLG Hamm 7.4.2008, Az. 15 Wx 8/08, FamRZ 2009, 126, 127; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 23; a. A. BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 30. 102 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.a)dd), S. 42. 103 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.a)ee), S. 44. 104 Wohl auch BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 30; a. A. Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 38, S. 369; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 4.
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c) Bestimmung anhand der Rechtsanwendungsergebnisse Die Bedrohung des Zwecks des Art. 19 Abs. 1 EGBGB kann somit nicht unabhängig vom Inhalt der potenziell berufenen Rechte bestimmt werden.105 Berücksichtigt man das Anwendungsergebnis, kann man folgende Fälle unterscheiden, bei denen teilweise klar die Vereinbarkeit mit dem Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB beurteilt werden kann: Ist weder nach dem erstberufenen noch dem Recht, auf welches dieses verweist, eine Bestimmung der Abstammung möglich, wird der renvoi, zumindest theoretisch, befolgt. Es bleibt bei dem Grundsatz des Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 EGBGB. Ist nur nach einem der beiden Rechte eine Abstammungsfeststellung möglich, wird dies Recht angewandt, egal ob es das erst- oder zweitberufene ist. Führen beide Rechtsordnungen zu demselben Elternteil, wird der renvoi befolgt, wenn er gemäß dem Prioritätsprinzip – als Konkretisierung des Kindeswohls – zu einer früheren beziehungsweise einfacheren Bestimmung der Eltern führt. Bestehen diesbezüglich keine Unterschiede, bleibt es bei dem Grundsatz der Beachtung des renvoi gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 EGBGB. d) Befolgung eines renvoi bei Elternalternativität im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB Für die Fälle, in denen nur ein konkretes Elternpaar infrage kommt, ist anhand dieser Vorgaben eine Lösung zu finden. Führen, wie dies bei der Leihmutterschaft der Fall sein kann, das erst- und zweitberufene Recht jedoch zu unterschiedlichen Eltern, so reichen die genannten Kriterien nicht aus. Es muss eine Entscheidung zwischen den Eltern fallen. Auch hier kann nur der Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB den Weg weisen. Laut Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 EGBGB entscheidet dieser über die Befolgung der Verweisung. Dieses Problem der Entscheidung zwischen verschiedenen Eltern bei einem renvoi kann sich lediglich im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB stellen. Nur die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ermöglicht eine umfassende Bestimmung der Eltern. In den Sätzen 2 und 3 ist nur die Bestimmung der Elternschaft der jeweiligen Elternprätendenten möglich. In diesem Rahmen reichen daher die eben dargestellten Kriterien aus. Die Diskussion, wie anhand des telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zwischen verschiedenen Eltern zu entscheiden ist, wird meist im Rahmen der Frage des Umgangs mit einer Elternhäufung geführt, die aufgrund der Anwendbarkeit verschiedener Rechte, aufgrund der Mehrzahl der Anknüpfungsmomente, eintritt.106 Sowohl die Auswahl zwischen derart kumulativ als auch zwischen alternativ, also etwa abhängig von der Befolgung des renvoi, berufenen recht105 106
BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 30. Siehe etwa Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften.
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lichen Eltern ist anhand des Sinns des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu treffen. Es liegt nahe, dieses Kriterium in beiden Fällen gleich zu konkretisieren, sodass die Diskussion bezüglich der Elternhäufung auf die sich hier stellende Frage einer Elternalternativität übertragen werden kann.107 Der telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB mit seiner Mehrzahl der Anknüpfungsmomente ist es, im Interesse des Kindeswohls die Feststellung einer Abstammung zu erleichtern.108 Es wird daher zwischen den Anknüpfungsvarianten ganz herrschend eine Auswahl danach getroffen, welches Recht für das Kindeswohl am günstigsten ist (sogenanntes Günstigkeitsprinzip).109 Wie die Günstigkeit zu bestimmen ist, bleibt jedoch strittig.110 aa) Schnelligkeit der Abstammung: Prioritätsprinzip Vielfach wird das günstigste Abstammungsstatut nach dem Prioritätsprinzip bestimmt. Am günstigsten und somit ausschlaggebend soll danach das Recht sein, das am schnellsten und einfachsten die Abstammung begründet.111 Ein Recht, nach dem die Abstammung ipso iure ab Geburt besteht, soll demnach Vorrang haben vor einem solchen, bei dem eine Anerkennung erfolgen muss. Ist eine Bestimmung nach dem Prioritätsprinzip nicht möglich, etwa weil sich zwei Vaterschaftsvermutungen gegenüberstehen,112 wird auf subsidiäre Ge-
Die Fundstellen im Rahmen der Darstellung des folgenden Streits beziehen sich daher meist auf Äußerungen zum Umgang mit einer Elternhäufung. 108 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 3 und 14; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421. 109 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1148; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; PalandtThorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 6; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 524; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 13; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 20; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 89; Henrich, StAZ 1998, 1, 4; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 22 ff.; Helms, StAZ 2009, 293, 294; BayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407; OLG Schleswig 19.8.2002, Az. 2 W 6/02, FamRZ 2003, 781, 782; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 17. 110 Allgemein zur Problematik, wie das „günstigere“ Recht zu bestimmen ist: Jayme, in: FS Schwind I, 103, 108 f. 111 Wohl h. M. MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 14; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 21; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 6; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 17; wohl auch Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145 f.; Dörner, in: FS Henrich, 119, 124; Helms, StAZ 2009, 293, 294; BayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407; OLG Frankfurt a. M. 31.8.2001, Az. 4 WF 57/01, FamRZ 2001, 688, 689; OLG Nürnberg 25.4.2005, Az. 7 WF 350/05, FamRZ 2005, 1697, 1698; OLG Hamm 7.4.2008, Az. 15 Wx 8/08, FamRZ 2009, 126, 128; Sturm, StAZ 2003, 353, 361; kritisch: Frank, StAZ 2009, 65; AG Hannover 13.5.2002, Az. 608 F 4451/01, IPRax 2005, 356, 358. 112 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 220 f. 107
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sichtspunkte wie die Vaterschaftswahrscheinlichkeit113 oder ein Wahlrecht des Kindes beziehungsweise des gesetzlichen Vertreters114 zurückgegriffen. Diese Lösung ermöglicht eine gewisse Rechtssicherheit.115 Auch mag tatsächlich eine frühe und unproblematische Begründung der Abstammung dem Kind zugutekommen. Allerdings müssen die „schnellsten“ nicht unbedingt die geeignetsten Eltern sein.116 Formelle Gesichtspunkte allein führen nicht zwangsläufig zu dem materiell günstigsten Ergebnis.117 Zudem wird ein Säugling solch einfache Verfahrensschritte wie eine Vaterschaftsanerkennung, die eventuell im Rahmen einer langsameren Abstammungsbegründung notwendig sind, selbst kaum wahrnehmen, sodass deren Unterbleiben sein Wohl kaum fördert. Nur wenn verschiedene Rechte zu denselben Eltern führen, kann dieses Vorgehen überzeugen, das materielle Aspekte bezüglich der Bestimmung des Kindeswohls zwischen verschiedenen Elternteilen nicht ausreichend berücksichtigt.118 Teilweise wird die Frage der Priorität auch auf die Ebene des Sachrechts erweitert. Viele Rechtsordnungen enthalten Prioritätsregeln und versperren so beispielsweise eine Anerkennung, wenn bereits eine Vaterschaft besteht, in Deutschland etwa § 1594 Abs. 2 BGB.119 Wird die Vorfrage einer bereits bestehenden Vaterschaft in diesem Rahmen selbstständig angeknüpft,120 so scheidet auf materiell-rechtlicher Ebene eine zweite Vaterschaft aus, wenn nach einem von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Recht bereits früher eine Vaterschaft besteht. Es entfällt so die Doppelung und auch der kollisionsrechtliche Konflikt.121 Wird so die Priorität als materiell-rechtliche Wertung gesehen, die manche Rechtsordnungen nicht enthalten,122 wird durch die Wahl des anwendbaren Rechts im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB nach dem Prioritätsprinzip das Kollisionsrecht mit materiell-rechtlichen Wertungen vermengt.123 Es erscheint widersprüchlich, den Konflikt zweier gleichBayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407. Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 18; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 6. 115 Helms, StAZ 2009, 293, 294; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 21. 116 Hepting, IPRax 2002, 388, 391; Frank, StAZ 2009, 65, 70; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 21. 117 Hepting, IPRax 2002, 388, 389. 118 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 21; a. A. MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 15 f., der die zeitliche Priorität auch materiell auflädt. 119 Hepting, IPRax 2002, 388, 391; BayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407; Otte, 1 Yearbook PIL 1999, 189, 196. 120 OLG Hamm 7.4.2008, Az. 15 Wx 8/08, FamRZ 2009, 126, 127; BayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407; vgl. dazu Hepting, StAZ 2000, 33, 39; Otte, 1 Yearbook PIL 1999, 189, 196; Gaaz, StAZ 1998, 241, 250 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 422. 121 Hepting, IPRax 2002, 388, 391; Otte, 1 Yearbook PIL 1999, 189, 196. 122 Nach Hepting, IPRax 2002, 388, 391. 123 Hepting, IPRax 2002, 388, 391. 113 114
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rangiger Anknüpfungsvarianten dadurch zu lösen, die eine Anknüpfung in die andere zu integrieren, wodurch die eine der anderen untergeordnet wird. Zudem könnte so die materiell kindeswohlgerechtere Abstammung entfallen. bb) Wahlrecht des Kindes Als weiteres Kriterium zur Bestimmung der günstigsten Anknüpfung im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB wird – meist jedoch nur als subsidiäres Kriterium – ein Wahlrecht des Kindes vorgeschlagen.124 Da das Kind selber meist noch keine Wahl treffen kann, läuft diese Bestimmung auf ein Wahlrecht eines eindeutig bestimmbaren Elternteils, der die Wahl als gesetzlicher Vertreter treffen kann, hinaus.125 Kann sich so de facto der eine Elternteil das zweite Elternteil aussuchen, droht eine Entscheidung aufgrund von Interessen jenes Elternteils und nicht des Kindes oder gar ein möglicher Missbrauch126 und eine grundrechtswidrige Benachteiligung des anderen möglichen Elternteils.127 cc) Wahrscheinlichkeit der Abstammung Vielfach wird vertreten, zwischen den gleichrangigen Anknüpfungsvarianten nach der Wahrscheinlichkeit der genetischen Abstammung zu entscheiden,128 wobei die Wahrscheinlichkeit meist in gewisser Weise typisiert werden soll. So soll beispielsweise bei einer Vaterschaftsanerkennung die genetische Vaterschaft wahrscheinlicher sein als bei einer Vaterschaftsvermutung zugunsten des Ehemanns.129 Ist eine wahrscheinlichere Abstammung nicht erkennbar, wird auf subsidiäre Wertungen wie das Kindeswohl130 oder Vorgaben der §§ 1591 ff. BGB zu-
124 Als subsidiäres Kriterium, wenn das Prioritätsprinzip keine klare Aussage treffen kann, fordert dies Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 6. 125 Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 6. 126 Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 93 f. 127 Vgl. BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151. 128 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910; Henrich, FamRZ 1998, 1401, 1402; Henrich, StAZ 1998, 1, 4; Muschter, Statutenwechsel, 276 ff.; soweit das primär von ihm vertretene Kriterium der Priorität zu keinem Ergebnis führt zustimmend MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 16 und 30; OLG Hamm 7.4.2008, Az. 15 Wx 8/08, FamRZ 2009, 126, 128; zurückhaltend Hepting, StAZ 2000, 33, 35; kritisch Dörner, in: FS Henrich, 119, 122 f. 129 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910; Henrich, StAZ 1998, 1, 4; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 16; wohl zu demselben Ergebnis, jedoch mit anderer Begründung, kommt Hepting, IPRax 2002, 388, 389. 130 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 22.
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rückgegriffen.131 Umgekehrt wird die Wahrscheinlichkeit teilweise auch nur subsidiär eingesetzt, falls vorrangige Auswahlprinzipien nicht eindeutig sind.132 Die Zuordnung zu dem genetischen Elternteil soll für das Kind am günstigsten sein.133 Häufig wird dabei jedoch nicht dargelegt, warum das so sein soll.134 Dem Kindeswohl muss die genetisch korrekte Abstammung in Abgrenzung beispielsweise zur tatsächlich gelebten sozialen Abstammung nicht unbedingt dienlich sein.135 Gerade im Rahmen der Reproduktionsmedizin ist vielfach eine Elternschaft der bekannterweise nicht genetischen Eltern bezweckt und auch im Sinne des Kindeswohls und des Gesetzgebers. Beispielsweise erscheint es wenig sinnvoll und vor allem nicht kindeswohlgerecht, dem Samenspender Vorrang vor dem Ehemann der Gebärenden zu geben, weil der Spender sicher der genetische Vater ist. Diese Wertung bestätigt im Sachrecht § 1600 Abs. 5 BGB, der in diesem Fall den Ehemann der Gebärenden und den Samenspender von der Anfechtung der Vaterschaft des Ehemanns ausschließt.136 Legt man – wie hier mit der genetischen Elternschaft – eine klare Grundlage fest, auf der die Elternschaft aufbauen soll und anhand derer der Konflikt mehrerer möglicher Eltern gelöst werden soll, muss dies eine Grundlage sein, die auch übergreifend trägt und sich für natürliche und assistierte Reproduktion eignet. Dies gilt umso mehr, als Fälle, in denen verschiedene Eltern berufen werden, häufig solche der assistierten Reproduktion sind. Ein Auswahlkriterium kann nicht überzeugen, wenn es gerade in den Hauptfällen, in denen eine Auswahl notwendig ist, versagt. Fragwürdig ist zudem der Rückgriff auf die typisierte Wahrscheinlichkeit der genetischen Abstammung. Soll die genetische Abstammung entscheiden, sollte bei Unsicherheit die medizinische Feststellung der genetischen Abstammung verlangt werden. Bei der relativen Leichtigkeit mit der dies heute möglich ist, ist es widersinnig, bei einer so wichtigen Frage wie der Abstammung auf typisierte Wahrscheinlichkeiten zu setzen.137
MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 30. Vorrang des Prioritätsprinzip MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 15 f. und 30; Helms, StAZ 2009, 293, 294 f.; ebenso BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 22; eigentlicher Vorrang des Satz 1 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910. 133 Nach Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 95. 134 Dies kritisiert auch Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 95. 135 Siehe unten bei Kapitel 2 – A.I.5.d)dd)(1), S. 56. 136 BGH 15.5.2013, Az. XII ZR 49/11, FamRZ 2013, 1209, 1211; dazu Duden, IFL 2013, 343; Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212. 137 In diesem Sinne fordert Oprach, IPRax 2001, 325, 327, dass ein Recht angewandt wird, nach dem eine Vaterschaftsfeststellung erfolgt. 131 132
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dd) Ergebnisvorgaben gemäß §§ 1591 ff. BGB Als weiteres Kriterium, teilweise nur als subsidiäres, werden die Wertungen des deutschen Sachrechts und somit ein §§ 1591 ff. BGB konformes Ergebnis bevorzugt.138 In diesen Vorschriften verwirkliche der deutsche Gesetzgeber sein Bild von der wahrscheinlichen und kindeswohlgerechten Abstammung.139 Konkret im Fall der Leihmutterschaft wird als Kriterium der Entscheidung zwischen zwei Müttern die materielle Wertung des § 1591 BGB herangezogen.140 Werde danach die Leihmutter nach dem einen, die Wunschmutter nach dem anderen Recht die rechtliche Mutter, so begründe die Wertung des § 1591 BGB den Vorrang des Rechts, nach dem die Leihmutter die Mutter ist. Da § 1591 BGB gerade auch Leihmutterschaften im Ausland verhindern solle, gelte es, diese Wertung schon im Rahmen der Bestimmung des in Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechts zu berücksichtigen.141 Materielle Wertungen des deutschen Rechts als Kriterium bei der Auswahl des durch Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufen Rechts zu verwenden, vermischt jedoch zu trennende Ebenen: Bei der Anwendung der Kollisionsnorm sind lediglich diese Norm und ihre Ziele zu berücksichtigen. Das Kindeswohl lässt sich zwar als Kriterium heranziehen, da dies bereits im telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB und seinen Anknüpfungsvarianten enthalten ist, sodass normimmanente Kriterien verwendet werden.142 Eine darüber hinausgehende Bewertung anhand materieller Kriterien, die nicht in Art. 19 Abs. 1 EGBGB enthalten sind, sondern lediglich in der konkreten deutschen Sachnorm, sind systemfremd und erst in der nachträglichen Einzelfallkontrolle143 durch den ordre public-Vorbehalt zu berücksichtigen. Es offenbart die Schwäche dieser Ansicht, wenn die Vorwegnahme beispielsweise des § 1591 BGB vor die ordre public-Prüfung paradoxerweise mit dessen „nachgerade ordre publicähnlichen Erwägungen“ begründet wird.144 Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Dörner, in: FS Henrich, 119, 123; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 157; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 23, die zwar eigentlich auf Wahrscheinlichkeit der genetischen Abstammung und Kindeswohl abstellt, diese jedoch als telos der §§ 1592 ff. sieht, und somit anhand dieser bestimmen will. 139 Heiderhoff, IPRax 2012, 523, Art. 19 EGBGB Rn. 23; Dörner, in: FS Henrich, 119, 123; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 106. 140 Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Muschter, Statutenwechsel, 280 f.; ebenfalls kritisch Sturm, in: FS Kühne, 921. 141 Looschelders, IPRax 1999, 420, 423. 142 Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 221 f. 143 Den Einzelfallbezug des ordre public betont auch BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 25. 144 Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; zustimmend Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1150. Letzterer will die Wertung des § 1591 BGB jedoch erst im Rahmen des ordre public-Vorbehalts als unzulässige Gesetzesumgehung berücksichtigen. 138
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Zwar muss eingeräumt werden, dass es wenig Unterschied macht, ob eine Abstammung, die ohnehin am ordre public-Vorbehalt scheitern würde, schon bei der Frage der Befolgung des renvoi ausgeschlossen wird. Nicht jede Abstammung, die nicht §§ 1591 ff. BGB entspricht, verstößt jedoch gegen den ordre public. Schließt man somit eine abweichende Abstammung mit dem genannten Argument schon hier aus, wird die eigentlich Frage, ob ein ordre public-Verstoß vorliegt, umgangen. Materielle Wertungen des deutschen Sachrechts, im Gegensatz zu denjenigen der Kollisionsnorm, müssen somit hier unbeachtet bleiben. Die materiellen Normen heranzuziehen, in der Vermutung, sie seien eine typisierte Konkretisierung der Wertungen, die in der Kollisionsnorm enthalten sind (hier: Kindeswohl),145 überzeugt nicht. Wenn das Ergebnis der Anwendung des Sachrechts im konkreten Fall mit dem Kindeswohl übereinstimmt, ist der Umweg über die deutsche Sachnorm unnötig. Stimmt es im konkreten Fall nicht mit dem Kindeswohl überein, so würde das Sachrecht zu einem Recht führen, das dem Kindeswohl nicht dient. Es ist dann dem Kindeswohl zu folgen.146 Ein solcher Konflikt zwischen Sachrecht und Kindeswohl kann beispielsweise eintreten, wenn die Leihmutter wegen § 1591 BGB zur Mutter bestimmt wird, obwohl sie diese Rolle nicht wahrnehmen will.147 Eine Konkretisierung des Kindeswohls anhand des deutschen Sachrechts geht zudem davon aus, dass das deutsche Abstammungsrecht durchweg dem Kindeswohl entspricht. Diese Annahme zieht schon die Tatsache in Frage, dass im deutschen Sachrecht der Mutterschaft und Vaterschaft kein einheitliches Verständnis der Elternschaft zugrunde liegt. Gemäß § 1591 BGB fußt die rechtliche Mutterschaft klar auf der biologischen Mutterschaft, also der Schwangerschaft und Geburt. Wie im Folgenden zu zeigen ist, wird demgegenüber bezüglich der Grundlage der Vaterschaft die soziale der genetischen vorangestellt, sofern die beiden auseinanderfallen.148 (1) Soziale Vaterschaft als Ziel des deutschen Vaterschaftsrechts Meist stimmen genetische und soziale Vaterschaft überein. Die Umstände, an die § 1592 Nr. 1 und 2 BGB anknüpfen, lassen eine Vermutung zugunsten So BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 23. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149. 147 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149. 148 Vgl. Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1903 f.: „schon heute ist klar, dass es bei der rechtlichen Abstammung nicht um die Verrechtlichung biologischer Tatsachen geht, sondern um eine dem Kind günstige Zuordnung zu bestimmten Personen als Eltern.“ Verbreitet wird der Schwerpunkt eher auf den Grundsatz der genetischen Herkunft als Grundlage der rechtlichen Vaterschaft gesetzt. Siehe etwa Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 52 Rn. 1; Palandt-Brudermüller74, Einf. v. § 1591 Rn. 1; MüKo-Wellenhofer6, § 1594 BGB Rn. 2; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 1. Vgl. auch BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 ff. 145 146
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beider zu.149 Die Ehe zur Zeit der Geburt legt sowohl die Vermutung nahe, dass der Ehemann genetischer Vater ist als auch diejenige, dass der Ehemann bereit ist, die tatsächliche Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Letztere Vermutung stellt ausdrücklich auch § 1600 Abs. 4 BGB an.150 Entsprechend ist sowohl zu vermuten, dass ein Mann, der die Vaterschaft gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB mit Zustimmung der Mutter anerkennt, der genetische Vater ist, als auch, dass er bereit ist, die tatsächliche Verantwortung für das Kind zu übernehmen.151 Die Wahl dieser Indizien kann somit weder als Zeichen der Präferenz der genetischen noch der sozialen Vaterschaft verstanden werden. Welches Merkmal Vorrang genießt und sich letztlich durchsetzt, muss anhand der Behandlung solcher Fälle bestimmt werden, in denen die genetische und soziale Vaterschaft auseinanderfallen. (2) Genetischer und rechtlicher Vater ist nicht sozialer Vater Ein Fall, in dem die rechtliche Vaterschaft mit der genetischen, nicht aber der sozialen Vaterschaft übereinstimmt, ist der Fall eines Ehepaars, bei dem der Ehemann die soziale Vaterschaft nicht übernehmen will, obwohl er der genetische Vater ist. Vater wird er gemäß § 1592 Nr. 1 BGB als Ehemann. Eine Anfechtung gemäß §§ 1599 f. BGB ist nicht möglich, da er der genetische Vater ist. Dieser Fall kann etwa eintreten, wenn sich das Paar zwischen Empfängnis und Geburt trennt und bei Geburt bereits ein neuer Partner der Mutter die Vaterschaft annehmen möchte, eine Scheidung aber vor Geburt noch nicht eingereicht wurde, weshalb § 1599 Abs. 2 BGB nicht eingreift. In diesem Fall setzt sich die genetische Vaterschaft gegenüber der sozialen durch. Ausschlaggebend ist dafür jedoch das Bestehen der Ehe und nicht die genetischen Vaterschaft. Wie viel Gewicht der Ehe gegeben wird, zeigt sich darin, dass § 1592 Nr. 1 BGB auch eine Vaterschaft des Ehemanns begründet, wenn die Eheleute schon seit langem getrennt leben, aber nicht geschieden sind und ausgeschlossen ist, dass das Kind genetisch von dem Ehemann abstammt.152 Die Ehe kann sowohl als Indiz für die vermutliche genetische Abstammung als auch die soziale Vaterschaft gesehen werden. Die Bedeu149 § 1952 Nr. 1 und 2 BGB als „eine große Wahrscheinlichkeit der genetischen Verbindung versprechende Kriterien“ sieht Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 52 Rn. 1. 150 Auch die Vermutung der genetischen Abstammung des Ehemanns enthält das BGB in § 1600c Abs. 1. 151 MüKo-Wellenhofer6, § 1594 BGB Rn. 2 merkt an, dass das Verfahren der Vaterschaftsanerkennung vor allem „von der Bereitschaft des Vaters getragen [wird], die Verantwortung für sein Kind zu übernehmen.“ Einige Anerkennende übernehmen jedoch die soziale Vaterrolle nicht; vgl. BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2155. Allerdings besteht in diesen Fällen wohl überhaupt keine soziale Vaterschaft, sodass von einem Konflikt zwischen genetischer und sozialer Vaterschaft nicht die Rede sein kann. 152 Palandt-Brudermüller74, § 1592 BGB Rn. 3.
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tung der Ehe im Vaterschaftsrecht gibt somit wenig Aufschluss über die Priorisierung der genetischen oder sozialen Vaterschaft. Die Tatsache, dass §§ 1592 Nr. 1 und 1599 Abs. 2 BGB bezüglich des Bestehens der Ehe beziehungsweise der Anhängigkeit des Scheidungsantrags den Moment der Geburt und nicht der Empfängnis als für die Vaterschaft ausschlaggebend ansehen, deutet jedoch darauf hin, dass es im Zweifel als wichtiger angesehen wurde, dass derjenige Vater wird, der bei der Geburt vermutlich tatsächliche Verantwortung übernehmen wird, als derjenige, der vermutlich das Kind gezeugt hat. § 1593 BGB bestätigt, dass dem Gesetzgeber diese unterschiedlichen Zeitpunkte für die Bestimmung der Abstammung bewusst waren. Für diese Bedeutung der Ehe als Indiz für die soziale Vaterschaft spricht zudem, dass in § 1600 Abs. 4 BGB ausdrücklich die Ehe als Vermutung für die soziale Vaterschaft genannt wird. Allein entscheidend ist die genetische Abstammung, wenn sich noch kein sozialer Vater herauskristallisiert hat. Dies kann vorkommen, wenn kein Mann die Vaterschaft anerkennen will oder wenn derjenige, der die Vaterschaft anerkennen und so die tatsächliche Verantwortung übernehmen will, nicht von der Mutter als sozialer Vater geduldet wird und somit gemäß § 1595 Abs. 1 BGB nicht wirksam anerkennen kann. In beiden Fällen wird der genetische Vater gemäß §§ 1592 Nr. 3, 1600d BGB zum rechtlichen Vater bestimmt.153 Auch wenn zwei Männer die Vaterschaft anerkennen wollen und die Mutter der Anerkennung des nicht genetischen Vaters zugestimmt hat, kann der genetische Vater gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich anfechten, jedoch nur, solange sich noch keine tatsächliche soziale Vaterschaft des nur rechtlichen Vaters entwickelt hat, § 1600 Abs. 2 BGB.154 Diese Fälle zeigen jedoch keinen grundsätzlichen Vorrang der genetischen vor der sozialen Vaterschaft. Will etwa niemand die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernehmen, gibt es keinen sozialen Vater, dem der genetische Vater vorgezogen wird. Es muss überhaupt ein Vater bestimmt werden.155 Die genetische Vaterschaft dient als Auffangtatbestand. Die genetische Vaterschaft setzt sich nur wirklich gegen eine entgegenstehende potenzielle soziale Vaterschaft durch, wenn die Mutter verheiratet ist, das Kind aber nicht vom Ehemann stammt und dieser dennoch nicht seine Vaterschaft anficht, oder wenn zwei Männer anerkennen wollen und die Mutter der Anerkennung des nicht genetischen Vaters zustimmt. In diesen Fällen kann angenommen werden, dass der Ehemann beziehungsweise derjenige, Palandt-Brudermüller74, § 1595 BGB Rn. 3. Vgl. Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 58; BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. 155 Auch bei einer Vaterschaftsanerkennung nimmt der Anerkennende oft die soziale Vaterrolle nicht ein, sondern die Mutter erzieht alleine, BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2155. Auch dabei besteht jedoch keine andere soziale Vaterschaft, die Vorrang genießen könnte. 153 154
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der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennt, die soziale Vaterschaft im Einvernehmen mit der Mutter annehmen will. Der genetische Vater kann dennoch gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Vaterschaft anfechten und mittels Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB Vater werden. Diese Möglichkeit ist ein grundgesetzlich gefordertes156 Zugeständnis, dass dem genetischen Vater grundsätzlich ein Erwerb der Vaterschaft nicht verweigert werden darf. Der Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 2 BGB zeigt jedoch, dass dies nur gilt, bis sich eine tatsächliche soziale Vaterschaft des anderen herausgebildet hat.157 Selbst hier setzt sich somit die genetische Abstammung nur gegen die vermutete, nicht aber die tatsächliche soziale Vaterschaft durch. Es handelt sich somit um einen begrenzten Ausnahmefall, der die These des letztlich entscheidenden Gleichlaufs der sozialen und rechtlichen Vaterschaft nicht in Frage zu stellen vermag. Wenn man die Pflichten berücksichtigt, die eine rechtliche Vaterschaft mit sich bringt, wie etwa die Unterhaltspflicht, § 1601 BGB, kann man annehmen, dass der rein genetische Vater, der eine Vaterschaft anficht, um selber Vater zu werden, auch tatsächliche Verantwortung für das Kind übernehmen will. Selbst diese Anfechtungsmöglichkeit unterstreicht so die Bedeutung der sozialen Vaterschaft. (3) Sozialer und rechtlicher Vater ist nicht genetischer Vater Aufschluss über das Verhältnis der sozialen zur genetischen Abstammung können auch Fälle geben, in denen der soziale Vater trotz Widerspruchs zur genetischen Vaterschaft rechtlicher Vater ist. Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB wird der Mann Vater, der bei Geburt mit der Mutter verheiratet ist, unabhängig von der genetischen Abstammung. 158 Solange die Mutter, das Kind oder der genetische Vater die Abstammung nicht gemäß § 1600 BGB anfechten, besteht die Vaterschaft fort. Sind sich die Beteiligten einig, dass der Ehemann die soziale Vaterschaft übernimmt, ist die fehlende genetische Vaterschaft unbeachtlich.159 Der genetische Vater kann nur anfechten, solange sich noch keine tatsächliche soziale Vaterschaft gebildet hat, § 1600 Abs. 2 BGB.160 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 f. Bis 2004 war eine Anfechtung des genetischen Vaters sogar ganz ausgeschlossen, Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 97. Ein solches Recht wurde jedoch, zumindest solange sich keine soziale Vaterschaft zum rechtlichen Vater gebildet hat, vom Bundesverfassungsgericht gefordert und dann vom Gesetzgeber umgesetzt: BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 f.; BGBl. I 2004, 598. 158 Palandt-Brudermüller74, § 1592 Rn. 3. 159 Vgl. Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1903. 160 Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 97 f. Vgl. BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154; BVerfG 4.12.2013, Az. 1 BvR 1154/10; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 100 f. 156 157
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Der Mann, der die soziale Vaterschaft übernehmen will und gemäß § 1592 Nr. 2 BGB die Vaterschaft anerkennt, obwohl er nicht der genetische Vater ist, ist ein weiteres Beispiel für eine rechtliche Vaterschaft, die nicht mit der genetischen übereinstimmt.161 Trotz der „genetischen Lüge“ ist die Anerkennung wirksam.162 Die Unwirksamkeitsgründe der §§ 1594 ff. BGB sind gemäß § 1598 Abs. 1 BGB abschließend.163 Auch hier ist die Anfechtung durch den genetischen Vater gemäß § 1600 Abs. 2 und 3 BGB ausgeschlossen, wenn sich eine tatsächliche soziale Vaterschaft gebildet hat. Eine nur rechtliche, nicht genetische Abstammung besteht ebenfalls, wenn eine heterologe Insemination, also Fremdsamenspende, erfolgte und eine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB begründet wurde.164 Hier untersagt § 1600 Abs. 5 BGB eine Anfechtung wegen der fehlenden genetischen Abstammung und hält den rechtlichen Vater an seiner ursprünglichen Bereitschaft zur Übernahme der sozialen Vaterschaft fest. Die soziale Vaterschaft setzt sich als primäres Kriterium der Vaterschaft durch. Die genetische Vaterschaft wird notwendig, wenn keine soziale Vaterschaft gegeben ist. Sie setzt sich nur beschränkt gegen die Bereitschaft zur sozialen Vaterschaft durch und tritt gegenüber einer tatsächlich bestehenden sozialen Vaterschaft zurück. (4) Fazit Im deutschen Sachrecht ist die entscheidende Grundlage der Mutterschaft die biologische Mutterschaft, also Schwangerschaft und Geburt, diejenige der Vaterschaft jedoch die sozial-familiäre Beziehung. Zwar soll das deutsche Abstammungsrecht einer Umsetzung des Kindeswohls dienen. Diese Inkonsistenz bezüglich der Frage, was eine kindeswohlgerechte Elternschaft ausmacht, werfen jedoch Zweifel auf, ob das deutsche Abstammungsrecht tatsächlich durchgängig das Ziel der Verwirklichung des Kindeswohls erreicht.165 Einen solch durchgängigen Erfolg setzt es jedoch voraus, wenn man 161 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 16/3291, 2006, 1 betont sogar, dass es gut sei, wenn ein Mann Kinder anerkennt, für die er die Verantwortung übernehmen will, selbst wenn er nicht der genetische Vater ist. 162 Allgemeine Ansicht, statt vieler Palandt-Brudermüller74, § 1592 BGB Rn. 4 und § 1598 BGB Rn. 2; OLG Koblenz 12.12.2006, Az. 11 UF 203/06, FamRZ 2007, 2098, 2098; MüKo-Wellenhofer6, § 1594 BGB Rn. 2, 4 und 28. 163 Palandt-Brudermüller74, § 1598 BGB Rn. 2. 164 Palandt-Brudermüller74, § 1600 BGB Rn. 11. 165 Die ausnahmslose rechtliche Mutterschaft der biologischen Mutter kann bei einem Auseinanderfallen der sozialen Mutterschaft und der biologischen bzw. genetischen Mutterschaft nicht überzeugen. Wie bei der Vaterschaft sollte auch bei der Mutterschaft der sozial-familiäre Bindung mehr Gewicht eingeräumt werden. Siehe ausführlich unten bei Kapitel 4 – A.I.2.b), S. 237. Dort auch zur Unvereinbarkeit der Ungleichbehandlung von Vaterschaft und Mutterschaft mit Art. 3 Abs. 2 GG.
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zur Konkretisierung des Kindeswohls und des Günstigkeitsprinzips im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB auf das einfache deutsche Recht zurückgreifen möchte,166 statt das Kindeswohl in diesem Rahmen autonom zu bestimmen. ee) Kindeswohlvermutung zugunsten der sozialen Familie Keines der bisherigen Kriterien zur Bestimmung der für das Kindeswohl günstigsten Abstammung konnte überzeugen. Weder die schnellste Bestimmung der Abstammung noch die genetisch wahrscheinlichste, noch eine Befolgung der Wertungen der §§ 1591 ff. BGB gewährleistet die materiell für das Kindeswohl förderlichste Lösung. Hier soll daher das Kriterium der sozialen Familie als zuverlässigstes Indiz für die Bestimmung der für das Kindeswohl günstigsten Elternschaft vertreten werden.167 Entscheiden soll somit das Recht, das zu einer rechtlichen Elternschaft der sozialen Eltern führt. Als soziale Eltern in diesem Sinne sollen die Person oder die Personen verstanden werden, welche die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernehmen oder übernommen haben; ebenso definiert § 1600 Abs. 4 BGB. Oft wird es sich dabei um diejenigen Eltern handeln, die sich um die Anerkennung oder Feststellung ihrer Elternschaft bemühen. (1) Die soziale Familie als zuverlässigster Zugang zum Kindeswohl Ob der Schutz der genetischen oder sozialen Elternschaft bei deren Auseinanderfallen für das Kindeswohl wichtiger ist und somit vorrangig berücksichtigt werden soll, muss anhand von Fällen untersucht werden, in denen beide Formen der Elternschaft auseinanderfallen. Nur in diesen Fällen wirkt sich der Vorrang aus. Es handelt sich somit um die Fälle, in denen das Kind nicht von seinen sozialen Eltern, also den primären Bezugspersonen, genetisch abstammt. Ist es dann für das Kindeswohl förderlicher, wenn es den primären Bezugspersonen auch rechtlich zugeordnet wird, obwohl es genetisch nicht von ihnen abstammt, oder ist es förderlicher, wenn es den genetischen Eltern zugeordnet wird, obwohl diese nicht die primären Bezugspersonen sind oder sein wollen? Zur Klarstellung muss ebenfalls betont werden, dass zunächst davon ausgegangen wird, dass die Beteiligten mit der sozialen Struktur einverstanden sind. Fälle, in denen sich ein Kind gegen den Willen der genetischen Eltern beziehungsweise der Leihmutter in einer anderen sozialen Familie befindet, werden erst im Anschluss thematisiert.168
Siehe dazu Fn. 138 in diesem Kapitel. Zumindest bei genetisch verwandter Wunschmutter ebenso VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 25. 168 Siehe unten bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(3), S. 65. 166 167
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
Ein Vorrang der genetischen Abstammung könnte dazu führen, dass das Kind aus der sozialen Familie in die genetische verbracht wird oder dass das Kind in der sozialen Familie verbleibt, bis zu einer Adoption jedoch keine rechtliche Familienbeziehung zu den sozialen Eltern hat. Beide Varianten bergen Gefahren für das Kind: Bei kleinen Kindern kann der Bruch der Beziehung zu den primären Kontaktpersonen langfristige psychologische Auswirkungen haben.169 Schäden sind insbesondere zu befürchten, wenn die genetischen Eltern das Kind nach der Trennung von den sozialen Eltern nur widerwillig aufnehmen, wie dies bei der Leihmutterschaft meist der Fall sein wird, wenn die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergeben hat.170 Wird das Kind in der Familie der sozialen Eltern belassen, erwerben diese aber bis zu einer Adoption keine rechtliche Elternschaft, wird sich die fehlende rechtliche Beziehung zu den sozialen Eltern über weite Strecken nicht in tatsächlichen Nachteilen für das Kind auswirken.171 Dies gilt zumindest, wenn zwischen den Beteiligten kein Konflikt entsteht, die finanzielle Leistungsfähigkeit fortbesteht und auch kein anderes Unglück geschieht. Stirbt einer der sozialen Eltern, erkrankt das Kind oder ähnliches, können erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Die sozialen Eltern wären dann nicht sorgeberechtigt, vertretungsbefugt oder unterhaltspflichtig. Das Kind wäre nicht gesetzlicher Erbe.172 Zudem würde es die Rechtsordnung ad absurdum führen, wenn angenommen würde, dass die Verrechtlichung der tatsächlichen Abstammung nicht schon an sich ein Vorteil für das Kindeswohl ist, obwohl die Rechtsordnung genau und nur für dieses tatsächliche Verhältnis diese rechtliche Ausgestaltung vorsieht. Meist würden diese Fälle langfristig auf eine Adoption durch die sozialen Eltern hinauslaufen. Eine Adoption ist jedoch mit Unwägbarkeiten verbunden und kann zumindest theoretisch zu einer Elternschaft unbekannter Dritter und somit dazu führen, dass das Kind in ein neues Umfeld verbracht werden muss173 und es zu einem Bruch der Beziehung zu den primären Bezugspersonen kommt. Räumt man demgegenüber der sozialen Abstammung den Vorrang ein, so führt dies dazu, dass die sozialen Eltern rechtliche Eltern werden, selbst wenn sie nicht die genetischen Eltern sind oder eventuell gar nicht seien könnten, 169 Gillibrand/Lam/O’Donnell, Developmental psychology, 245 f.; Zimmermann/ Spangler, in: Entwicklungspsychologie6, 696; vgl. Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1905; Diel, Leihmutterschaft, 48 m.w.N. Zur Bedeutung der Beziehungsstabilität für die Entwicklung des Kindes siehe BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. 170 Entsprechend Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 98 f.; vgl. High Court of Justice Family Division 9.12.2008, Re: X & Y (Foreign Surrogacy), [2008] EWHC 3030 (Fam), Rn. 24. 171 Vgl. AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. 172 Vgl. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1148 f. 173 Entsprechend Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 98 f.
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zumindest nicht beide, etwa wenn es sich um ein homosexuelles Paar handelt. Man könnte dem entgegenhalten, dass auch die Trennung von den genetischen Eltern oder der biologischen Mutter oder die Integration in eine Familie mit gleichgeschlechtlichen Eltern für das Kind Gefahren bergen kann, etwa für dessen psychologische Entwicklung.174 Bisherige psychologische Forschung bestätigt diese Befürchtung jedoch nicht. Nach dieser scheint die Art, wie die Eltern ihre Elternrolle ausüben, für die Entwicklung des Kindes entscheidend zu sein und nicht die genetische oder biologische Abstammung oder Zusammensetzung der Familie (alleinerziehendes Elternteil, gleichgeschlechtliche Eltern).175 Auch spezifische Forschung zu den Auswirkungen der Erziehung durch die Wunscheltern nach einer Geburt durch eine Leihmutter lässt bisher keine erheblichen Gefahren befürchten.176 Selbst wenn dieser Umstand eine Herausforderung im Rahmen des Aufwachsens und der Erziehung des Kindes darstellt, scheint sie handhabbar zu sein. Auch ist die Gefährdung geringer als eine solche, die durch eine Trennung von den Wunscheltern als primären Bezugspersonen eintreten kann. Mit der Möglichkeit des § 1598a BGB der Feststellung der genetischen Abstammung ohne Auswirkungen auf die rechtliche Abstammung besteht bei einer rechtlichen Elternschaft, die von der genetischen abweicht, zudem eine Möglichkeit, den Anspruch des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung zu verwirklichen.177 Seit 13.7.2013 sichert zudem § 1686a BGB178 den Umgang des rein leiblichen Vaters mit dem Kind, sofern dies dem Kindeswohl dient. Es birgt somit mehr Gefahren für das Wohl des Kindes, wenn man bei einem Auseinanderfallen der genetischen und sozialen Elternschaft der genetischen den Vorrang einräumt. Die soziale Elternschaft sollte somit bei einem Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 82; vgl. etwa Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 477 f.; Engel, ZEuP 2014, 538, 555 ff. 175 Farr/Patterson, 84 Child Development 2013, 1226; Golombok, in: Assisted Reproduction – WHO Report, 287, 298 f.; Biblarz/Stacey, 72 J.Marriage and Family 2010, 3, 16 f.; Schölmerich/Leyendecker, in: Entwicklungspsychologie6, 708; vgl. BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 31 ff.; Bertschi, Leihmutterschaft, 148; Diel, Leihmutterschaft, 53 ff. 176 In den ersten Jahren weicht nach dieser Forschung die Beziehung zwischen den Wunscheltern und dem Kind sogar positiv von der Beziehung eines natürlich geborenen Kindes zu seinen Eltern ab. Im Alter von 7 Jahren leidet die Beziehung etwas, was aus Adoptionsfällen bekannt ist. Golombok u. a., 40 Dev.Psychol. 2004, 400, 408 f.; Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1579 und 1587; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 29 m.w.N. und 37; Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203; vgl. Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 59; vgl. Kreß, FPR 2013, 240, 243. Selbst der Gesetzgeber zeigt die Unsicherheit: Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 7; Helms, StAZ 2013, 114, 114 f. 177 Palandt-Brudermüller74, § 1598a BGB Rn. 1 und 16. 178 BGBl. I 2013, 2176. 174
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Auseinanderfallen von der genetischen und sozialen Elternschaft über die Befolgung eines renvoi entscheiden.179 Die Orientierung an der sozialen Familie im Einzelfall mag weniger klar konturiert sein, als beispielsweise das formelle Kriterium der Priorität. Es besteht somit eine gewisse Unsicherheit in der Bestimmung,180 wobei diese nicht ausreichend ist, um eine Behandlung nach materiellen Kriterien zu verhindern. Die Bestimmung der sozialen Familie scheint nicht schwieriger zu sein als diejenige einer „engsten Verbindung“, beispielsweise in Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB. Zudem führt die Wahl des ausschlaggebenden Rechts anhand der sozialen Elternschaft nicht zu einer Konturschwäche der Bestimmung der rechtlichen Abstammung nach dem berufenen Recht an sich. Eine rechtliche Abstammung der rein sozialen Eltern kann schließlich nur dann berücksichtigt werden, wenn eines der von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen und somit vom deutschen Recht als genügend sachnah angesehenen Rechte die soziale Abstammung als ausreichend für die Begründung der rechtlichen Elternschaft ansieht. 181 Falls die rechtliche Elternschaft der rein sozialen Eltern im Einzelfall erheblich gegen hiesige Wertvorstellungen oder Konzeptionen von Abstammung und Elternschaft verstößt, bleibt noch der Rückhalt des ordre public-Vorbehalts, Art. 6 EGBGB. Für die Angemessenheit der Verwendung der sozialen Elternschaft spricht, dass auch das Kindeswohl ein im Einzelfall zu bestimmendes Kriterium ist. Dessen Typisierung anhand formeller Kriterien wie der wahrscheinlichsten genetischen Abstammung oder der Priorität verbietet sich, wenn man die Anknüpfung wählen will, die für das jeweils konkrete Kind am günstigsten ist, was erklärtes Ziel der herrschenden Meinung ist.182 Letztlich fallen zudem die genetische und soziale Abstammung ohnehin meist zusammen. Der Vorrang der sozialen Elternschaft stellt somit die Bedeutung der genetischen Abstammung nicht generell in Frage. Nur in den Ausnahmefällen, in denen sie auseinanderfallen, führt die Beachtung der sozialen Elternschaft nicht auch gleichzeitig zur Beachtung der genetischen Elternschaft.
Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 221; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 26. 180 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 23. 181 Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 221 f. 182 Statt vieler Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 524: „die dem Kind günstigste [Anknüpfungsalternative auswählen]“; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 20. Für weitere Nachweise siehe Fn. 109 in diesem Kapitel. 179
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(2) Bedeutung der sozialen Elternschaft im Verfassungsrecht Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bestätigt die Bedeutung der sozialen Elternschaft. Laut Bundesverfassungsgericht bestimmt die Norm kein „Rangverhältnis zwischen der biologischen und sozialen Elternschaft“183. Es stehe bei einem Auseinanderfallen der genetischen und sozialen Vaterschaft dem Gesetzgeber frei, welche Vorrang genießen soll.184 Das Soziale könne „verfassungsrechtlich notwendige Bedingung für die einfachgesetzliche Zuweisung der Elternrolle sein.“185 Das Gericht betont die Bedeutung der sozialen Elternschaft, also der tatsächlichen Übernahme der Verantwortung, wenn es erläutert, dass „Inhaber [des Elternrechts] nur sein [kann], wer zugleich die Elternverantwortung trägt, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft allein auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet.“186 Geradezu ein Plädoyer für die soziale Elternschaft ist folgende Äußerung des Bundesverfassungsgerichts: „Eltern, die im Sinne des Grundgesetzes diesen Namen verdienen, weil sie bereit sind, die mit dem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflichten auf sich zu nehmen […], erhält das Kind erst durch die Adoption.“187 Noch deutlicher, wenn auch weniger autoritativ als das Bundesverfassungsgericht, drückt es das OLG Oldenburg aus: „Denn Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG setzt voraus, dass der, der Elternrechte einfordert, auch Elternverantwortung trägt.“188 Selbst wenn ein Rangverhältnis zwischen der biologischen und sozialen Elternschaft nicht bestehen soll,189 lassen sich diesen Aussagen eventuell eine leichte Präferenz des Verfassungsrechts zugunsten der sozialen Elternschaft entnehmen. (3) Anknüpfungskriterium mangels eindeutiger sozialer Familie Eine Entscheidung anhand der sozialen Elternschaft ist nicht möglich, wenn sich eine solche im Einzelfall noch nicht klar herausgebildet hat. Dies kann etwa vorkommen, wenn mehrere potenzielle Elternteile diese Rolle wahrnehmen wollen oder umgekehrt, potenzielle Eltern die tatsächliche Verantwortung nicht übernehmen wollen. In diesem Fall muss eine Kindeswohlbestimmung im Einzelfall erfolgen.
BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154; vgl. BVerfG 4.12.2013, Az. 1 BvR 1154/10, Rn. 5. 184 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. 185 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 59. 186 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. Ausführlicher siehe unten bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. 187 BVerfG 29.7.1968, Az. 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67, BVerfGE 24, 119, 150. 188 OLG Oldenburg 11.3.2004, Az. 11 UF 11/04, NJW-RR 2004, 871, 872. 189 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154; vgl. BVerfG 4.12.2013, Az. 1 BvR 1154/10, Rn. 5. 183
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Will niemand als Vater oder Mutter Verantwortung für das Kind übernehmen und die soziale Elternschaft erwerben, so ist es unwahrscheinlich, dass es zu einer Elternalternativität kommt, da es insbesondere bezüglich der Vaterschaft schon schwer wird, überhaupt einen Vater zu bestimmen. Sollte es dennoch ausnahmsweise zu alternativen Eltern kommen, muss das Kindeswohl im Einzelfall bestimmt werden. Liegt keine klare soziale Familie vor, weil sich mehrere Personen um das Kind streiten, wird die Alternativität der rechtlichen Eltern sich oft aufgrund des ordre public-Vorbehalts auflösen. Beispielsweise wird es zumindest außerhalb der assistierten Reproduktion grundsätzlich gegen den ordre public verstoßen, wenn genetische Eltern gegen ihren Willen von der Elternschaft ausgeschlossen werden, solange sich die soziale Familie noch nicht tatsächlich verfestigt hat.190 Ebenso scheitert nach hier vertretener Ansicht eine Abstammung des Kindes von den Wunscheltern bei einer erzwungenen Herausgabe des Kindes durch die Leihmutter am ordre public-Vorbehalt,191 solange sich die soziale Beziehung zu den Wunscheltern nicht derart verfestigt hat, dass das Interesse des Kindes an der Kontinuität der Bezugspersonen überwiegt.192 Da sich in diesen Fällen die Alternativität der von den verschiedenen Rechten berufenen Eltern ohnehin auflöst, muss der Konflikt nicht anhand einer Bestimmung des Kindeswohls im Einzelfall entschieden werden. Durch ein Zusammenspiel der Betonung des Kindeswohls im Rahmen von Art. 19 Abs. 1 EGBGB mit dem Mindestschutz der Rechte möglicher Eltern im Rahmen des ordre public-Vorbehalts scheint eine angemessene Lösung möglich. Nur scheinbar erzeugt es zusätzliche Schwierigkeiten, wenn die soziale Elternschaft noch im Entstehen ist, etwa weil das Kind gerade erst geboren ist oder die Betreuenden gerade erst die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen haben. Gibt es niemanden, der den aktuell Betreuenden die soziale Elternschaft streitig machen will, so besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass sich die soziale Elternschaft verfestigen wird. Sie kann somit bereits ab Beginn der Übernahme der tatsächlichen Verantwortung berücksichtigt werden. Gibt es jedoch Streit um die soziale Elternschaft, so sind die eben erfolgten Ausführungen zu einer umstrittenen sozialen Elternschaft einschlägig. e) Keine Differenzierung zwischen den Sätzen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB Bezüglich der Beachtung des renvoi wird teils abstrakt zwischen Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB einerseits und den Sätzen 2 und 3 andererseits differenBVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. Im Ergebnis ebenso Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 36. 192 Siehe unten bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 199. 190 191
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ziert.193 In Satz 1 soll ein renvoi etwa stets unbeachtlich bleiben, in den Sätzen 2 und 3 jedoch berücksichtigt werden, wenn dadurch nicht die Zahl der anwendbaren Rechte reduziert wird.194 Dies überzeugt nicht.195 Durch die eben dargestellten Kriterien (Prioritätsprinzip bei Berufung derselben, soziale Elternschaft bei unterschiedlichen Eltern) ist gewährleistet, dass eine Bestimmung der Beachtung des renvoi anhand des telos der Norm, der Begünstigung des Kindeswohls, in den drei Sätzen gleichermaßen möglich ist. Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB ist der Sinn der Verweisung entscheidend für die Beachtung des renvoi. Dieser kann jedoch in den drei Sätzen gleichermaßen für oder gegen einen renvoi sprechen. Es besteht kein Anlass, grundsätzlich zwischen den Sätzen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB bezüglich der Beachtung des renvoi zu unterscheiden. Die dargestellten Kriterien eignen sich auch, um dem strukturellen Unterschied Rechnung zu tragen, dass Satz 1 eine umfassende Bestimmung der Abstammung ermöglicht, Sätze 2 und 3 sich jedoch nur auf die Begründung der Abstammung bestimmter Personen beziehen. Zwar führen diese Unterschiede dazu, dass eine Beachtung des renvoi im Rahmen der verschiedenen Sätze unterschiedlich dem Sinn der Verweisung widersprechen kann; so ist im Rahmen des Satz 1 ein Wechsel der Eltern durch den renvoi möglich, im Rahmen der Sätze 2 und 3 hingegen nur deren Verlust oder Gewinn. Diese beiden Ausgänge können mit den genannten Kriterien sinnvoll gelöst werden. f) Fazit Ändert im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB der renvoi nichts an der Identität der Personen, von denen eine Abstammung begründet wird, wird dem renvoi gefolgt, es sei denn das zunächst berufene Recht begründet die Abstammung schneller oder einfacher. Führt das zweitberufene Recht zu einem anderen Elternteil als das erstberufene, wird das Recht angewendet, das zu einer rechtlichen Elternschaft des sozialen Elternteils beziehungsweise, bei Fehlen einer klaren sozialen Elternschaft, zu dem kindeswohlgerechteren Elternteil führt.196 Dies gilt unabhängig vom Ergebnis der Anwendung der anderen Anknüpfungsmomente des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, also selbst dann, wenn durch den 193 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 21 f.; MüKo-Sonnenberger5, Art. 4 EGBGB Rn. 27; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 48 IV 1 g, S. 410; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 2. 194 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 21 ff. 195 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 30; Prütting/Wegen/Weinreich-Martiny9, Art. 19 EGBGB Rn. 10; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 25. 196 Bezüglich einer Elternhäufung aufgrund der alternativen Anknüpfungsmomente im Ergebnis ebenso Witzleb, in: FS Martiny, 203, 221 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 26 und 36; Mayer, IPRax 2014, 57, 60.
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renvoi der Kreis der nach den verschiedenen Anknüpfungsmomenten berufenen Eltern reduziert wird.197 Dies ist etwa der Fall, wenn es im Rahmen der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB) zu einem renvoi zugunsten des Heimatrechtes der sozialen Eltern, welches auch nach Satz 2 anwendbar ist, kommt und das Heimatrecht der sozialen Eltern deren rechtliche Elternschaft begründet. Diese Reduktion der Zahl der anwendbaren Rechte oder der berufenen Eltern widerspricht dem Sinn des Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht: Führen die verschiedenen Anknüpfungsmomente zu unterschiedlichen Eltern beziehungsweise unterschiedlich schnell oder einfach zu denselben Eltern, muss ohnehin eine Reduktion erfolgen. Sowohl bei der Auswahl zwischen den Anknüpfungsmomenten198 als auch bei der Frage der Beachtung eines renvoi innerhalb eines dieser Momente ist der telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB das Auswahlkriterium. Unabhängig davon, wie man den telos konkretisieren will, erscheint es widersinnig, auf den beiden Ebenen diesbezüglich zu differenzieren. Wendet man demgegenüber dasselbe Auswahlkriterium an, ist unerheblich, ob die Anzahl der möglichen Elternteile oder anwendbaren Rechte bereits auf der Ebene der Beachtung eines renvoi reduziert wird, wenn sie, aufgrund der Anwendung desselben Kriteriums, ansonsten ohnehin auf der Ebene der Auswahl zwischen den Anknüpfungsmöglichkeiten in gleicher Weise reduziert würde. Es fördert das Kindeswohl nicht, wenn eine rechtliche Lösung erst eine analytische Stufe später ausgeschlossen wird. Auf beiden Ebenen anhand desselben Kriteriums zu entscheiden führt demgegenüber zu einer konsequenten und stimmigen Anwendung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB. II. Heimatrecht des potenziellen Elternteils, Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB 1. Auslegung „Elternteil“ Gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann jeweils die eigene Abstammung eines potenziellen Elternteils nach seinem Heimatrecht bestimmt werden.199 „Elternteil“ muss in diesem Zusammenhang als Elternprätendent, also als Person, die möglicherweise Elternteil ist, ausgelegt werden.200 Berücksichtigt man die Wertungen eines materiellen Rechts bei der Auslegung des „Elternteils“ im Rahmen der Kollisionsnorm, wobei hier nur das deutsche Recht als lex fori in Frage kommt, lädt man die Kollisionsnorm mit materiell197 Anders die wohl h. M.: Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 2; Prütting/Wegen/ Weinreich-Martiny9, Art. 19 EGBGB Rn. 10; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 25; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 23; wie hier jedoch BeckOK-Heiderhoff34, Art. 19 EGBGB Rn. 30. 198 Siehe dazu ausführlicher unten bei Kapitel 2 – A.V., S. 106. 199 Vgl. MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 9. 200 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 420 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 579.
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rechtlichen Wertungen auf und nimmt das Ergebnis vorweg. Würde also die Wunschmutter wegen der Vorgabe des § 1591 BGB als „Elternteil“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB ausscheiden, wäre die Kollisionsnorm sinnlos, da letztlich nur Personen Eltern werden könnten, die dies nach deutschem Verständnis auch wären.201 Eventuell könnte ein solches Vorverständnis angebracht sein, wenn man annimmt, dass § 1591 BGB oder dahinter liegende Wertungen eine Mutterschaft jeder anderen Frau als der Gebärenden auch bei Auslandssachverhalten kategorisch ausschließt. Selbst wenn eine solche Annahme bezüglich des Ergebnisses überzeugen sollte, wäre die Auslegung der Kollisionsnorm der falsche Ort, um diese Wertung durchzusetzen. 2. Relevanter Zeitpunkt und Statutenwechsel Die Staatsangehörigkeit der Elternprätendenten kann sich über die Zeit ändern. Es handelt sich um ein wandelbares Anknüpfungsmoment.202 Es entscheidet grundsätzlich die Staatsangehörigkeit zu dem Zeitpunkt, in dem die Abstammung bestimmt wird, beispielsweise bei der letzten mündlichen Verhandlung.203 Ein Wandel des Abstammungsstatuts kann jedoch dem Sinn der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, das Kindeswohl zu fördern, widersprechen. Wie bei einem renvoi kann bei einem Statutenwechsel eine rechtliche Elternschaft nur gemäß dem vor und nicht dem nach dem Statutenwechsel anwendbaren Recht bestehen. In diesem Fall muss die Wandelbarkeit teleologisch reduziert werden beziehungsweise die vorherige Elternschaft als wohlerworbenes Recht fortbestehen.204 Auch ein Wechsel der rechtlichen Eltern aufgrund des Statutenwechsels kann dem Kindeswohl schaden. Wie im Rahmen des renvoi ist auch dann über die Befolgung des Statutenwechsels anhand des Sinns der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, das Kindeswohl zu fördern, zu entscheiden. Auch hier soll daher das Recht den Vorrang erhalten, nach dem die sozialen Eltern auch die rechtliche Elternschaft erwerben können.205
Vgl. Helms, StAZ 2009, 293, 294. MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 18; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 16; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 18, S. 361; Muschter, Statutenwechsel, 295. 203 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 18. 204 Da ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts häufiger vorkommt als ein solcher der Staatsangehörigkeit, wird die Frage der Behandlung eines Statutenwechsels ausführlich im Rahmen der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB diskutiert. Siehe unten bei Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103. 205 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)dd)(1), S. 56. 201 202
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3. Doppelstaater, Art. 5 Abs. 1 EGBGB Ist ein Elternprätendent ein Doppelstaater, so konkretisiert Art. 5 Abs. 1 EGBGB die Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB.206 Entscheidend ist gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB allein das Recht des Staates, mit dem die Person am engsten verbunden ist, also die so genannte effektive Staatsangehörigkeit.207 Ist die Person auch deutsch, was bei den Wunscheltern meist der Fall sein wird, geht stets das deutsche Recht vor, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Die Reduktion auf ein Heimatrecht ist notwendig bei Kollisionsnormen, welche das anwendbare Recht an die Staatsangehörigkeit knüpfen, bei denen aber nur ein Recht anwendbar sein soll. Im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, der ohnehin mehrere Rechtsordnungen alternativ berufen kann, ist eine solche Reduktion innerhalb des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB nicht zwingend. Wenn das Recht des Staates, mit dem der Betroffene die geringere Verbindung hat, ein Abstammungsrecht bereithält, das im konkreten Fall kindeswohlgerechter ist, so würde es dem telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB entsprechen, dieser Anknüpfung zu folgen. Eine teleologische Reduktion zumindest der Bevorzugung des deutschen Rechts gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB wird daher für die Fälle vorgeschlagen, in denen das andere Heimatrecht eine Abstammung begründet, welche das deutsche Recht nicht ermöglicht.208 Gegen eine solche Reduktion spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EGBGB, der alle Fälle erfasst, in denen „auf das Recht des Staates verwiesen [wird], dem eine Person angehört, und [diese Person] mehreren Staaten [angehört]“. Der Zweck des Art. 5 Abs. 1 EGBGB ist allerdings die Konkretisierung in den Fällen, in denen nur ein Recht berufen wird und zwar das Heimatrecht.209 In diesen Fällen reicht bei einem Mehrstaater der Verweis auf das Heimatrecht nicht aus, um das anwendbare Recht eindeutig zu bestimmen.210 Im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB mit seinen verschiedenen Anknüpfungsvarianten ist jedoch eine Beschränkung auf ein einzelnes Heimatrecht nicht notwendig beziehungsweise eine Bestimmung des entscheidenden Rechts muss ohnehin nach den eigenen Kriterien des Art. 19 Abs. 1 EGBGB erfolgen. Es ist überzeugender, die Auswahl unter den verschiedenen Rechten, zu denen Art. 19 Abs. 1 EGBGB führen kann, anhand des einheitliStaudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 16; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 207 Siehe etwa BeckOK-Lorenz34, Art. 5 EGBGB Rn. 6; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 16; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 208 MüKo-Sonnenberger5, Art. 5 EGBGB Rn. 14; a. A. BeckOK-Lorenz34, Art. 5 EGBGB Rn. 8; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 16. Allgemein kritisch zu der Bevorzugung der deutschen Staatsangehörigkeit Mansel, NJW 1986, 625, 632; Scholz/ Pitschas, NJW 1984, 2721, 2730; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 16. 209 MüKo-Sonnenberger5, Art. 5 EGBGB Rn. 2. 210 Vgl. MüKo-Sonnenberger5, Art. 5 EGBGB Rn. 3. 206
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chen Kriteriums des Kindeswohls durchzuführen. Dies Kriterium ist schon in der Mehrzahl der Anknüpfungsvarianten angelegt. Die teleologische Reduktion nur auf die absolute Bevorzugung der deutschen Staatsangehörigkeit zu beschränken, ist jedoch inkonsequent. Die gleichen Gründe greifen in dem Fall, dass nur nach der „weniger effektiven“ Staatsangehörigkeit eine Abstammung besteht. Auch in diesem Fall sollte Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB teleologisch reduziert werden. Nicht nur die Tatsache, dass eine Abstammungsbestimmung durch die ausschließliche Beachtung der effektiveren beziehungsweise der deutschen Staatsangehörigkeit unmöglich gemacht wird, verstößt jedoch gegen den telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, das Kindeswohl zu fördern. Es widerspricht dem auch, wenn die effektivere beziehungsweise die deutsche Staatsangehörigkeit später oder aufwändiger zu denselben rechtlichen Eltern führt. Auch in diesen Fällen spricht der Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB für eine teleologische Reduktion des Art. 5 Abs. 1 EGBGB. Auch bei Doppelstaatern und somit der Wahl zwischen mehreren möglichen Heimatrechten sollte dasselbe Kriterium verwendet werden wie bei den Fragen der Beachtung eines renvoi,211 der Wandelbarkeit der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1212 und S. 2213 EGBGB und der Auswahl des relevanten Rechts bei einer Elternhäufung aufgrund der Vielzahl der Anknüpfungsvarianten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Gemäß den oben dargestellten Maßstäben, hat demnach das Heimatrecht Vorrang, welches die Elternschaft schneller oder einfacher begründet. Eine Elternschaft unterschiedlicher Personen aufgrund der unterschiedlichen Heimatrechte ist hier nicht möglich, da die Mehrzahl der Heimatrechte nur zusätzliche Möglichkeiten gibt, die eigene Elternschaft des Doppelstaaters zu begründen. Nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann jeweils nur nach dem eigenen Heimatrecht eine eigene Elternschaft möglicher Elternteile begründet werden. 4. Von Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB berufene Rechtsordnungen In den Fällen der internationalen Leihmutterschaft können bis zu acht potenzielle Eltern zu berücksichtigen sein: die Wunscheltern, die Leihmutter und ihr Partner oder ihre Partnerin, die Eizellspenderin und ihr Partner oder ihre Partnerin, der Samenspender und seine Partnerin oder sein Partner. Gemäß des jeweiligen Heimatrechts könnte somit eine Abstammung begründet werden. Der hier behandelte Grundfall stellt sich wie folgt dar: Die Leihmutter und, soweit vorhanden, ihr Partner oder ihre Partnerin gehören dem Staat der Durchführung der Leihmutterschaft an. Die Wunscheltern sind Deutsche. Die Keimzellenspender und deren eventuelle Partner werden meist entweder dem 211 212 213
Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)dd)(1), S. 56. Siehe unten bei Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.2., S. 69.
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deutschen Staat oder ebenfalls dem Staat der Durchführung der Leihmutterschaft angehören. Unter diesen Prämissen soll das Ergebnis der Anwendung der gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB berufenen Rechte bestimmt werden. a) Grundsätzlicher Ausschluss der Elternschaft der reinen Keimzellenspender Eine Abstammung von den reinen Keimzellenspendern, die nicht auch Wunscheltern sind, ist selten. Wegen § 1591 BGB ist die reine Eizellenspenderin im deutschen Recht von der Mutterschaft gänzlich ausgeschlossen.214 In den Fällen, in denen die Leihmutter unverheiratet ist oder ihr Ehemann der Befruchtung nicht zugestimmt hat, kann der reine Samenspender jedoch die Vaterschaft auch gegen den Willen der sonstigen Beteiligten durch Vaterschaftsanfechtung und -feststellung erwerben, §§ 1600 Abs. 1 Nr. 2, 1600d BGB.215 Hat in diesen Fällen der Wunschvater die Vaterschaft anerkannt, § 1592 Nr. 2 BGB, so ist eine Anfechtung des Samenspenders allerdings ausgeschlossen, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Wunschvater und dem Kind besteht, § 1600 Abs. 2 BGB. Nach den Rechten der Orte der Durchführung der Leihmutterschaft ist demgegenüber eine Abstammung der reinen Keimzellenspender regelmäßig ausgeschlossen: So etwa gemäß Sec. 7613(b) California Family Code oder Art. 123 Abs. 1 und 3 ukrainisches FamGB. Da eine Abstammung von den Partnern der reinen Keimzellenspender lediglich von derjenigen der Spender selbst abzuleiten wäre, scheidet deren Abstammung ebenfalls aus. Für die Abstammung relevant bleiben somit primär die Wunscheltern sowie die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Partner oder ihre Partnerin. b) Elternschaft nach den Heimatrechten der Wunscheltern und der Leihmutter aa) Elternschaft der Wunscheltern nach deutschem Heimatrecht Das deutsche Recht könnte als Heimatrecht der deutschen Wunscheltern deren Elternschaft begründen.216
214 Vgl. Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 53 Rn. 1; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 92; BeckOK-Hahn34, § 1591 BGB Rn. 13; Spickhoff-Spickhoff 2, § 1591 BGB Rn. 1; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1142; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1246; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; Diel, Leihmutterschaft, 87 ff.; Spickhoff, in: Gestation pour autrui, 27, 33. 215 BGH 15.5.2013, Az. XII ZR 49/11, FamRZ 2013, 1209. Fälle, in denen ein reiner Samenspender die Vaterschaft erwerben will, werden jedoch eher die Ausnahme sein und sollen somit im Weiteren keine durchgängige Beachtung erfahren. 216 Ausführlicher zum deutschen Abstammungsrecht siehe oben bei Kapitel 1 – B., S. 21.
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Rechtliche Mutter wird die deutsche Wunschmutter gemäß § 1591 BGB nie. Nach deutschem Recht ist nicht sie, sondern die Leihmutter die rechtliche Mutter, unabhängig von der genetischen Abstammung. Ob der Wunschvater im deutschen Recht der Vater des Kindes ist, hängt von dem Ehestand der Mutter ab (§§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 2 BGB). Die Vorfrage, wer die Mutter ist, ist dabei unselbstständig anzuknüpfen;217 andernfalls würde eine Anknüpfungsvariante in die andere integriert. Dies würde deren Eigenständigkeit untergraben. Materielle Wertungen verschiedener Rechtsordnungen könnten sich mischen und widersprüchliche Ergebnisse erzeugen. Auch zwecks Bestimmung der rechtlichen Vaterschaft nach deutschem Recht ist daher von einer Mutterschaft der Leihmutter nach deutschem Recht auszugehen. Wenn die Leihmutter nicht verheiratet ist oder ihr Ehemann nicht in die Befruchtung eingewilligt hat, kann der Wunschvater, egal ob alleinstehend, verheiratet oder verpartnert, die Vaterschaft mit Zustimmung der Leihmutter anerkennen gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1595 BGB. Hat der Wunschvater im Ausland seine Vaterschaft anerkannt, stellt sich die Frage, ob dies ausreicht, ob also eine ausländische Vaterschaftsanerkennung eine inländische substituieren kann. 218 Entscheidend ist dabei deren Gleichwertigkeit.219 Meist wird dies anzunehmen sein, sodass der deutsche Wunschvater gemäß § 1592 Nr. 2 BGB rechtlicher Vater wird.220 Im Verhältnis zu Griechenland wird die Beachtung des ausländischen Anerkenntnisses sichergestellt durch Art. 4 S. 2 des CIECÜbereinkommens vom 14.9.1961 über die Erweiterung der Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden können. 221 Ist die Leihmutter verheiratet und war ihr Ehemann mit der Befruchtung einverstanden, ist eine Anfechtung der Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter und ein Erwerb der Vaterschaft durch den Wunschvater nicht möglich, § 1600 Abs. 5 BGB.222 Nur der Wunschvater kann somit die Vaterschaft erwerben und dies grundsätzlich nur, wenn die Leihmutter unverheiratet ist. Da häufig die Leihmütter verheiratet sind,223 wird dies relativ selten der Fall sein. Vielfach werden die Vgl. Diel, Leihmutterschaft, 195. Vgl. dazu Looschelders, IPRax 1999, 420, 424; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 15. 219 Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 33 II 1, S. 232. 220 Looschelders, IPRax 1999, 420, 424; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 15. 221 Vgl. Staudinger-Henrich2014, Vorb. zu Art. 19 EGBGB Staatsverträge zur Abstammung Rn. 2 ff. 222 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II.1., S. 24. 223 Da es im Sinne eines hier vertretenen best practice wünschenswert ist, dass Leihmütter verheiratet sind und ihren eigenen Kinderwunsch bereits erfüllt haben, erscheint es fragwürdig, dass das deutsche Recht derart einen Anreiz setzt, eine unverheiratete Leihmutter zu suchen. Vgl. unten bei Kapitel 4 – C.II.2., S. 326. 217 218
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deutschen Wunscheltern nach ihrem Heimatrecht somit nicht rechtliche Eltern. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB läuft insoweit leer. bb) Elternschaft der Leiheltern nach ihrem Heimatrecht Das Heimatrecht der Leihmutter und ihres Partners oder ihrer Partnerin ist regelmäßig auch das Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft. Beispielhaft wird im Folgenden die Rechtslage in Kalifornien, Griechenland, Indien, dem Vereinigten Königreich und Israel dargestellt.224 Diese Rechtsodnungen zeigen exemplarisch unterschiedliche Ansätze zur Begründung der Abstammung in Fällen der Leihmutterschaft.225 (1) Kalifornien: Abstammung von Wunscheltern ipso iure In den Vereinigten Staaten von Amerika unterfällt sowohl die Frage der Zulässigkeit der Leihmutterschaft als auch der Abstammung der Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten.226 Die Spannbreite reicht dabei von Staaten, die die Leihmutterschaft strafrechtlich verbieten bis zu solchen, die sie sehr weitreichend erlauben.227 Ein Staat, der Leihmutterschaft sehr weitgehend zulässt, etwa auch entgeltlich oder bei Alleinstehenden oder homosexuellen Paaren, und daher auch viel Zulauf deutscher Paare verzeichnet, ist Kalifornien.228 Kalifornisches Recht ist anwendbar, wenn die Leihmutter USAmerikanerin ist und das kalifornische Recht das einzelstaatliche Recht ist,
Zur Auswahl dieser Rechtsordnungen siehe oben bei Kapitel 1 – D., S. 13. Für einen Überblick des Abstammungsrechts dieser und anderer Staaten siehe etwa Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449; Pinkerton, Surrogacy; Hutchinson u. a., 41 Family Law 2011, 1104; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 20 ff.; Bokelmann/ Bokelmann, Übernommene Mutterschaft; Diel, Leihmutterschaft, 138 ff.; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 476 ff.; Engel, ZEuP 2014, 538, 542. 226 Es existiert ein Modellgesetz für das Abstammungsrecht, der Uniform Parentage Act 2002 der Uniform Law Commission. In Art. 8 enthält dieser Vorschläge für die Regelung der Abstammung in Fällen der Leihmutterschaft. Da die verschiedenen US-Bundesstaaten sehr divergieren in ihrer Einstellung zur Leihmutterschaft, wird in den einführenden Hinweisen zu Art. 8 ausdrücklich betont, dass die Vorschriften zur Leihmutterschaft optional sind („bracketed“) und ihre Unterschlagung bei der Umsetzung des UPA 2002 die Wirkung des verbleibenden Act nicht untergräbt. Bisher wurde der UPA 2002 von neun Bundesstaaten umgesetzt; Uniform Law Commission, Parentage Act; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 556. 227 Für einen Überblick siehe Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449, 454 ff. 228 Vgl. zum kalifornischen Recht Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449; Hutchinson u. a., 41 Family Law 2011, 1104; Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich – California209, 24; Spivack, 58 Am.J.Comp.L. 2010, 97; Supreme Court of New Jersey 3.2.1988, Baby M, 109 N.J. 396; Snyder, in: Surrogacy, 389, 391. 224 225
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zu dem sie die engste Verbindung hat. Dies ist primär der Fall, wenn sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.229 Bezüglich der Abstammung unterscheidet das kalifornische Recht nicht primär nach der Vaterschaft oder Mutterschaft, sondern danach, ob die eigene Eizelle der Leihmutter verwendet wurde (traditional surrogacy) oder eine fremde, sei es die der Wunschmutter oder einer Spenderin (gestational surrogacy). Wird eine fremde Eizelle verwendet, so erwerben die Wunscheltern unmittelbar ab Geburt die Elternschaft, egal ob sie genetisch mit dem Kind verwandt sind oder nicht.230 Grundlage der Abstammung ist die Elternabsicht (intent) und nicht die genetische oder biologische Elternschaft. 231 Die Wunscheltern erwerben die Abstammung wohl sogar, wenn die Leihmutter das Kind doch behalten will und können sie somit zur Herausgabe zwingen.232 Bis vor Kurzem basierte diese Abstammung lediglich auf Fallrecht. Im September 2012 wurde jedoch der California Family Code reformiert, allerdings in nur sehr engem Rahmen. Sec. 7962(a)-(d) enthält nun formelle Vorgaben für Leihmutterschaftsvereinbarungen. Die Parteien müssen vor Abschluss der Vereinbarung von unterschiedlichen Anwälten beraten werden und die Vereinbarung muss notariell beglaubigt werden. Erst nach deren Abschluss darf die Befruchtung vorgenommen werden. Insbesondere der letzte Aspekt ist entscheidend: Das Verfahren soll nämlich vor allem dazu dienen, Kinderhandel zu verhindern.233 Wird das Verfahren befolgt, bestimmt die Vorschrift nun ausdrücklich, dass die Wunscheltern die rechtlichen Eltern sind und die Leihmutter und ihr Partner oder ihre Partnerin nicht die Eltern sind und keine Rechte oder Pflichten gegenüber dem Kind haben. Bei Einhalten des Verfahrens ist im Rahmen der gerichtlichen Feststellung der Abstammung grundsätzlich auch eine Beweisaufnahme oder mündliche VerSiehe oben bei Kapitel 2 – A.I.4., S. 34. Supreme Court of California 20.5.1993, Johnson v. Calvert, 5 Cal.4th 84, 87 und 93; Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.3.1998, Marriage of Buzzanca, 61 Cal.App.4th 1410, 1429; Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich – California209, 24. 231 „We conclude that although the Act recognizes both genetic consanguinity and giving birth as means of establishing a mother and child relationship, when the two means do not coincide in one woman, she who intended to procreate the child – that is, she who intended to bring about the birth of a child that she intended to raise as her own – is the natural mother under California law.“ Supreme Court of California 20.5.1993, Johnson v. Calvert, 5 Cal.4th 84, 93; dazu Spivack, 58 Am.J.Comp.L. 2010, 97, 102 ff. 232 Supreme Court of California 20.5.1993, Johnson v. Calvert, 5 Cal.4th 84, 87 und 93; Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.3.1998, Marriage of Buzzanca, 61 Cal.App.4th 1410, 1429; Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich – California209, 24. 233 Die Entdeckung eines Kinderhändlerrings, der den Kinderhandel als Leihmutterschaften ausgab, war Anlass der Gesetzesreform: Newcomb, Baby-Selling Ring Busted. Zur Bedeutung der zeitlichen Abfolge der Leihmutterschaftsvereinbarung und der Befruchtung bei der Abgrenzung von Kinderhandel und Leihmutterschaft siehe unten bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 229 230
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handlung nicht notwendig, Sec. 7962(f)(2). Die Beweislast besteht zugunsten der Elternschaft der Wunscheltern. Sec. 7962(f)(2) stellt allerdings ebenfalls klar, dass bei Nichtbefolgen des Verfahrens eine Elternschaft der Wunscheltern nicht ausgeschlossen ist, sondern lediglich „ausreichender Beweise“ bedarf.234 Bewiesen werden muss dabei, dass es sich um einen Fall der Leihmutterschaft handelt und somit die Wunscheltern nach bereits bestehendem Fallrecht Eltern werden können. Die materielle Abstammung ist somit unabhängig von der Befolgung des Verfahrens, welches lediglich verfahrensrechtliche Vorteile begründet. Wird die eigene Eizelle der Leihmutter verwendet, so ist die Lage nicht sicher. In einem Präzedenzfall wurde zwar die Leihmutter, die auch genetische Mutter war, zur rechtlichen Mutter erklärt,235 in einem späteren Fall ging jedoch dasselbe Gericht und sogar derselbe Richter erneut auf diesen früheren Fall ein und relativierte ihn. Besonders sei dort gewesen, dass die Wunschmutter die Mutterschaft nicht mehr erwerben wollte, die Leihmutter aber doch. Der Fall sei daher kein guter Hinweis darauf, wie damit umzugehen sei, wenn die Wunschmutter und die Leihmutter die Mutterschaft hätten erwerben wollen.236 Dieser Hinweis lässt sich dahingehend verstehen, dass die Wunschmutter in diesen Fällen wohl Mutter werden kann, wenn sie dies will, eventuell sogar gegen den Willen der Leihmutter.237 Da diese Frage von der Reform im Jahre 2012 nicht erfasst war und aussagekräftiges Fallrecht fehlt, lassen sich jedoch hier nur Vermutungen anstellen.238 Nach kalifornischem Recht sind somit wohl stets die Wunscheltern die rechtlichen Eltern, dies auch, wenn die Leihmutter das Kind selbst behalten möchte. Umfassend wird die Absicht, Eltern zu werden, als ausschlaggebende Grundlage der rechtlichen Elternschaft gesehen. Dies führt im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB dazu, dass eine Abstammung der amerikanischen Leihmutter, für die kalifornisches Recht die entscheidende Teilrechtsordnung ist, nicht begründet wird. „[T]he court shall require sufficient proof entitling the parties to the relief sought.“ Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.6.1994, Marriage of Moschetta, 25 Cal.App.4th 1218, 1234 f. 236 Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.3.1998, Marriage of Buzzanca, 61 Cal.App.4th 1410, 1422: „ Moschetta is inapposite because this court never had occasion to consider or discuss whether the original intended mother’s participation in the surrogacy arrangement, which brought about the child’s birth, might have formed the basis for holding her responsible as a parent. She had given up her claim; the issue was not before the court. Unlike the Johnson case there was no tie to break between two women both of whom could be held to be mothers under the Act. When courts do not consider propositions, their subsequent decisions are not precedent for them.“ 237 Pinkerton, Surrogacy. 238 Im Folgenden soll davon ausgegangen werden, dass die Wunscheltern auch bei Verwendung eigener Eizellen der Leihmutter die Elternschaft erwerben können. 234 235
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(2) Ukraine: Abstammung von Wunscheltern ipso iure In der Ukraine ist die Leihmutterschaft, auch kommerziell, seit Ende 2006 erlaubt.239 Es darf dabei nicht die eigene Eizelle der Leihmutter verwendet werden, Art. 123 Abs. 2 ukrainisches FamGB.240 Die Wunscheltern müssen verheiratet sein, weshalb homosexuelle Paare und Alleinstehende ausgeschlossen sind.241 Mindestens einer der Wunscheltern muss auch genetischer Elternteil sein.242 Die Wunschmutter darf nicht selbst in der Lage sein, ein Kind auszutragen.243 Die Elternschaft erwerben die Wunscheltern ipso iure bei Geburt des Kindes, Art. 123 Abs. 2 ukrainisches FamGB.244 Eine Anfechtung der Mutterschaft durch die Leihmutter ist ausdrücklich ausgeschlossen gemäß Art. 129 Abs. 2. Die Leihmutter ist somit an die Vereinbarung gebunden und kann sich nicht entscheiden, doch die Elternschaft erwerben zu wollen.245 Die Ukraine lässt somit Leihmutterschaften weitreichend zu und gewährt eine Elternschaft der Wunscheltern ab Geburt allein aufgrund der Leihmuttervereinbarung. Für die Eintragung der Wunscheltern ins Zivilregister fordert Kap. 3 § 1 Abs. 11 Zivilregistervorschrift des ukrainischen Justizministeriums, Verordnung 52/5 vom 18.10.2000,246 zwar ein notariell beurkundetes Einverständnis der Leihmutter. Bezüglich der Abstammung gemäß Art. 123 Abs. 2 ukrainisches FamGB ist die Eintragung jedoch unerheblich, da das hierarchisch höherrangige FamGB ein solches gerade nicht fordert. Auch gegen den Willen der Leihmutter werden somit die Wunscheltern automatisch rechtliche Eltern.247 Diese gegenüber Leihmutterschaften sehr wohlwollende Rechtslage macht die Ukraine zu einem attraktiven Ziel für ausländische Ehepaare, die eine Leihmutterschaft durchführen wollen. Vor kurzem gab es allerdings die Bestrebung, durch den Gesetzesentwurf Nr. 8282 Leihmutterschaften nur noch 239 Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 34; Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358 f.; Suleymanova/Kasynyuk/Moroz, in: Family Law2, 641, 654. 240 Deutsche Übersetzung: Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 56 ff. Vgl. Druzenko, in: Surrogacy, 357. 241 Druzenko, in: Surrogacy, 357, 359; Suleymanova/Kasynyuk/Moroz, in: Family Law2, 641, 654. 242 Kap. 3 § 1 Abs. 11 Zivilregistervorschrift des ukrainischen Justizministeriums, Verordnung 52/5 vom 18.10.2000 i. V. m. LG Kiew, Az. 2-2283-1/10, 6.10.2010 (zitiert nach Druzenko, in: Surrogacy, 357, 360 und 362). 243 § 7 Abs. 2 Anweisung zur Anwendung der Technologien der assistierten Reproduktion des ukrainischen Gesundheitsministeriums, Verordnung 771 vom 23.12.2008 (zitiert nach: Druzenko, in: Surrogacy, 357, 360 f.). 244 Vgl. Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358. 245 Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358. 246 Nach Druzenko, in: Surrogacy, 357, 360 und 362. 247 Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358.
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ukrainischen Staatsangehörigen zugänglich zu machen.248 Der Entwurf wurde auch am 16.10.2012 vom Parlament verabschiedet. Präsident Wiktor Janukowytsch legte jedoch sein Veto ein. Dies hätte das Parlament – welches inzwischen neu gewählt wurde – überstimmen können, tat dies jedoch nicht, sondern lehnte den Entwurf im März 2013 endgültig ab.249 Sind die Wunscheltern Deutsche, so ist deren Elternschaft nach dem ukrainischen Recht im Rahmen der Verweisung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB irrelevant, da Satz 2 nur eine Elternschaft nach dem jeweiligen Heimatrecht der Wunscheltern begründen kann. Eine Elternschaft einer ukrainischen Leihmutter begründet das ukrainische Recht nicht. (3) Griechenland: Abstammung von Wunscheltern ipso iure bei gerichtlicher Erlaubnis In Griechenland ist gemäß Art. 1458 griechisches ZGB die Durchführung der Leihmutterschaft zulässig, bedarf aber einer vorherigen gerichtlichen Erlaubnis.250 Dabei wird geprüft, ob eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten vorliegt, die Leihmutterschaft unentgeltlich stattfindet, nicht die Eizelle der Leihmutter verwendet wird, die Wunschmutter selber ein Kind nicht austragen kann und die Leihmutter gesundheitlich geeignet ist, das Kind auszutragen.251 Da die Wunschmutter, also eine Frau, den Antrag auf gerichtliche Erlaubnis der Leihmutterschaft stellen muss, können nur heterosexuelle Paare, verheiratet oder unverheiratet, und alleinstehende Frauen auf eine Leihmutterschaft zurückgreifen.252 Homosexuelle Paare, zumindest männliche, sind von der Leihmutterschaft ausgeschlossen.253 Liegt eine Erlaubnis vor, so wird die Wunschmutter von Geburt an als rechtliche Mutter vermutet, Art. 1464 Abs. 1 griechisches ZGB.254 Binnen Druzenko, in: Surrogacy, 357, 364. (auf Ukrainisch) zitiert nach: Ukrainian Surrogates, President vetoed law project; O. A., Presidential Veto not Overridden. 250 Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 f.; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1256; Helms, StAZ 2013, 114, 117; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 557 f. Eine Übersetzung der entscheidenden Normen des griechischen ZGB findet sich bei Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 49. 251 Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 und 147 f. 252 Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 150; Rokas, in: Surrogacy, 143, 145; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144. 253 Rokas, in: Surrogacy, 143, 145. 254 Rokas, in: Surrogacy, 143, 148; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 152; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Wedemann, Konkurri248 249
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sechs Monaten kann diese Mutterschaft von der Wunschmutter oder der Leihmutter jedoch angefochten werden, falls die Leihmutter die genetische Mutter ist, Art. 1464 Abs. 2 griechisches ZGB.255 Wird der Anfechtung stattgegeben, wird die Leihmutter laut Art. 1464 Abs. 3 mit ex tunc Wirkung rechtliche Mutter. Ist die Wunschmutter verheiratet, so wird gemäß Art. 1465 ihr Ehemann Vater.256 Hat sie einen Partner, ist jedoch nicht mit ihm verheiratet, so wird er der rechtliche Vater, wenn er notariell beglaubigt, in die Behandlung eingewilligt zu haben, Art. 1456 Abs. 1, 1463, 1475 Abs. 2 griechisches ZGB.257 Bei Vorliegen einer gerichtlichen Erlaubnis werden somit nach griechischem Recht die Wunscheltern rechtliche Eltern. Im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist dies jedoch unbeachtlich, wenn die Wunscheltern Deutsche sind. Die Anknüpfung des Satzes 2 läuft hier leer. Liegt die gerichtliche Leihmutterschaftserlaubnis nicht vor, so bleibt es beim Grundsatz des Art. 1463 griechisches ZGB, dass die Gebärende die Mutter ist.258 Bisher war es in der Tat für deutsche Paare regelmäßig nicht möglich eine solche Erlaubnis zu erhalten. So machte Art. 8 Gesetz 3089/ 2002 sowohl die Anwendung des Art. 1458, der die Voraussetzungen der gerichtlichen Erlaubnis enthält, als auch des Art. 1464, welcher bei deren Vorliegen die Mutterschaft der Wunschmutter begründet, davon abhängig, dass sowohl die Leihmutter als auch die Wunschmutter ihren Wohnsitz in Griechenland haben.259 Diese Vorschrift sollte Reproduktionstourismus nach Griechenland verhindern.260 Inzwischen hat der griechische Gesetzgeber dieses Hindernis jedoch in zwei Dimensionen teilweise beseitigt. Durch Art. 17 des Gesetzes 4272/ 2014261 wurde der genannte Art. 8 des Gesetzes 3089/2002 mit Wirkung zum erende Vaterschaften, 21; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1257; Kastrissios, in: Bergmann/ Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Helms, StAZ 2013, 114, 117. 255 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1257; Rokas, in: Surrogacy, 143, 148 ff.; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 152. 256 Rokas, in: Surrogacy, 143, 148; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 36. 257 Rokas, in: Surrogacy, 143, 148; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 36. 258 Rokas, in: Surrogacy, 143, 148; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 152. 259 Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Rokas, in: Surrogacy, 143, 146. 260 Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1427; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Helms, StAZ 2013, 114, 117. 261 Gesetz 4272/2014 über „Anpassung im nationalen Recht der Durchführungsrichtlinien 2012/25/EU der Kommission vom 9. Oktober 2012 zur Festlegung von Informationsverfahren für den Austausch von zur Transplantation bestimmten Organen zwischen den Mitgliedstaaten – Regelungen für die psychische Gesundheit und die künstliche Fortpflanzung und weitere Vorschriften“, Regierungsblatt Heft A 145/11.7.2014; freundlicher Hinweis und Übersetzung durch Eleni Zervogianni.
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11. Juli 2014 geändert.262 Nun macht dieser die Anwendung der Vorschriften zur Erlaubnis der Leihmutterschaft und anschließender abstammungsrechtlicher Zuordnung des Kindes (Art. 1458 und 1464 griechisches ZGB) lediglich davon abhängig, dass eine der beteiligten Frauen (Wunschmutter oder Leihmutter) ihren Wohnsitz oder – ebenfalls neu – ihren vorübergehenden Aufenthalt in Griechenland hat.263 Diese Änderung wird vermutlich die Zahl der Ausländer, die in Griechenland eine Leihmutterschaft durchführen, erheblich erhöhen. (4) Vereinigtes Königreich: Abstammung von Wunscheltern durch parental order Im Ergebnis ist auch der britische HFEA 2008, der gemäß seiner Sec. 67(1) einheitlich in England, Wales, Schottland und Nordirland gilt, so angelegt, dass die Wunscheltern die rechtlichen Eltern werden. Anders als bei vielen anderen Rechtsordnungen, die die Leihmutterschaft erlauben, erfolgt dies allerdings in zwei Schritten:264 Zunächst ist gemäß Sec. 33(1) HFEA 2008 die Leihmutter die Mutter.265 Ist die Leihmutter verheiratet und hat ihr Ehemann der Befruchtung zugestimmt, so wird er, selbst wenn nicht seine Samenzellen verwendet werden, der Vater.266 Entsprechendes gilt gemäß Sec. 42 HFEA 2008 bei einer gleichgeschlechtlich verheirateten267 oder verpartnerten Leihmutter bezüglich ihrer Ehefrau oder Lebenspartnerin. Ist die Leihmutter unverheiratet oder unverpartnert, so kann der Wunschvater Vater werden, wenn seine Samenzellen verwendet werden268 oder wenn seine Vaterschaft mit der Leihmutter gemäß Sec. 36 f. HFEA 2008 vereinbart wurde. Der Wunschvater kann somit – ähnlich wie im deutschen Recht – die Vaterschaft erwerben. Ist So demnächst Zervogianni, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. Neue Fassung des Art. 8 Gesetz 3089/2002: „Art 1458 und 1464 ZGB sind nur anwendbar, wenn die Antragstellerin oder die Frau, die das Kind gebären wird, ihren Wohnsitz oder ihren vorübergehenden Aufenthalt in Griechenland hat.“ Siehe dazu demnächst Zervogianni, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. 264 Vgl. zum britischen Recht allgemein etwa Coester, in: FS Jayme, 1243, 1255; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 482 ff.; Scherpe, FamRZ 2010, 1513, 1515; Inglis, Scots Law Times 2014, 105; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 558 ff. 265 Vgl. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144. 266 Werden nicht die Samenzellen des Ehemanns verwendet, so ergibt sich dies aus Sec. 35(1) HFEA 2008. Werden die eigenen Samenzellen verwendet, so ist der HFEA 2008 nicht anwendbar und es bleibt bei dem üblichen Abstammungsrecht, nachdem ein in der Ehe geborenes Kind ein solches der Eheleute ist; vgl. Sec. 38(2) und 45(2) HFEA 2008; Scherpe, FamRZ 2010, 1513, 1514. 267 Seit dem Marriage (Same Sex Couples) Act 2013 bzw. dem Marriage and Civil Partnership (Scotland) Act 2014 ist für gleichgeschlechtliche Paare in England, Wales und Schottland neben einer Lebenspartnerschaft auch eine Ehe möglich. 268 Harris-Short/Miles, Family law, 644 f.; Masson/Bailey-Harris/Probert, Family Law, Rn. 17–007; Lowe/Douglas, Family Law, 321 ff. 262 263
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die Leihmutter unverheiratet oder unverpartnert, kann gemäß Sec. 43 f. HFEA 2008 auch die Elternschaft einer zweiten Frau vereinbart werden. Statt des Wunschvaters könnte so auch die Wunschmutter die Elternschaft erwerben. Damit der zweite Wunschelternteil die Elternschaft erwerben kann beziehungsweise falls dies noch keiner der beiden konnte, bedarf es einer parental order gemäß Sec. 54 HFEA 2008. Es handelt sich dabei um eine gestaltende Gerichtsentscheidung, die in den Folgen, nicht aber in den Voraussetzungen, einer Adoption entspricht.269 Die Wunscheltern werden somit zu den rechtlichen Eltern erklärt, die Elternschaft anderer Personen erlischt.270 Eine parental order setzt gemäß Sec. 54 HFEA 2008 unter anderem voraus, dass einer der Wunscheltern genetischer Elternteil ist, dass die Leihmutterschaft unentgeltlich erfolgte und dass diejenigen Eltern wirksam in die Übertragung der Elternschaft einwilligen, deren Elternschaft durch die order erlischt, also die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Ehemann, ihre Ehefrau oder ihre Partnerin. Die Leihmutter kann dabei erst sechs Wochen nach der Geburt wirksam einwilligen. Häufig wird in den hier besprochenen Fällen eine parental order allerdings daran scheitern, dass mindestens einer der Wunscheltern sein domicile im Vereinigten Königreich haben muss. 271 Es wird häufig bei der ursprünglichen Abstammung bleiben. Für die Bestimmung der Abstammung im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB bedeutet diese Lage, dass eine britische Leihmutter, sowie gegebenenfalls ihr Ehemann, ihre Ehefrau oder ihre Partnerin zunächst die rechtliche Elternschaft erwerben. Dass bei einer unverheirateten oder unverpartnerten Leihmutter ein deutscher Wunschvater der rechtliche Vater werden kann oder sogar eine deutsche Wunschmutter statt eines Vaters als zweite Mutter neben die Leihmutter treten könnte, spielt im Rahmen des Satz 2, der lediglich die Elternschaft nach dem jeweils eigenen Heimatrecht begründen kann, keine Rolle. Ergeht ausnahmsweise eine parental order, so entzieht sich die Frage dem Art. 19 EGBGB, da es sich dabei um eine Entscheidung handelt, die gemäß § 108 FamFG verfahrensrechtlich anerkannt werden kann.272
Vgl. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144. Bezüglich der Rechtsfolge wird zum Teil auf Adoptionsvorschriften verwiesen: Sec. 55(1) HFEA 2008, Sec. 2 und Schedule 1 Human Fertilisation and Embryology (Parental Orders) Regulations 2010/985, Sec. 46(1) und (2) Adoption and Children Act 2002. 271 High Court of Justice Family Division 28.11.2007, Re G (Surrogacy: Foreign Domicile), [2007] EWHC 2814 (Fam). Dazu: Gamble/Ghevaert, IFL 2009, 223, 225 f.; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 484 f.; Inglis, Scots Law Times 2014, 105, 108. 272 Siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4.a)bb)(1), S. 123. 269 270
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(5) Israel: Abstammung von Wunscheltern durch Elternschaftsdekret In Israel regelt das Gesetz 5756-1996 über Austragung von Embryonen (Genehmigung des Vertrages und Status des Geborenen) die Zulässigkeit, die Voraussetzungen und den Ablauf der Leihmutterschaft sowie die Abstammung des Kindes.273 Ähnlich wie in Griechenland muss die Leihmutterschaft im Vorhinein erlaubt werden, in Israel allerdings nicht durch ein Gericht sondern ein Komitee, dem drei Mediziner, ein Psychologe, ein Sozialarbeiter, ein Geistlicher und ein Jurist als Vertreter der Öffentlichkeit, angehören, §§ 3, 5 Gesetz 5756-1996.274 Dieses Komitee hat zudem detaillierte Richtlinien erlassen, die allerdings nicht rechtlich verbindlich sind.275 Durchführen können eine Leihmutterschaft nur heterosexuelle, verheiratete oder unverheiratete Paare, nicht jedoch homosexuelle Paare oder Alleinstehende.276 Die Leihmutterschaft muss medizinisch erforderlich sein,277 darf jedoch entgeltlich sein, §§ 4 Abs. 2, 6 Gesetz 5756-1996.278 Es muss die Eizelle der Wunschmutter oder einer Spenderin verwendet werden sowie der Samen des Wunschvaters, § 2 Abs. 4 Gesetz 5756-1996.279 Die Leihmutter darf keine Verwandte der Wunscheltern sein, muss grundsätzlich unverheiratet sein und derselben Religion angehören wie die Wunschmutter, § 2 Abs. 3 und 5 Gesetz 5756-1996.280 Alle Beteiligten müssen ihren Wohnsitz in Israel 273 Eine deutsche Übersetzung findet sich bei Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid/ Henrich – Israel209, 113 ff. Vgl. zur Abstammung Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 36; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 231; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789 ff.; Shalev, in: Gestation pour autrui, 179, 182 f. 274 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 231 f.; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 35; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 166. 275 Komitee zur Erlaubnis von Leihmutterschaftsvereinbarungen, Empfehlungen und rechtliche Richtlinien, Nr. 72320, August 2006, auf Hebräisch abzurufen unter ; vgl. Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 36; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 232 f. 276 Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 45; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235. 277 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 232 und 235; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 48. 278 Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 36; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234. 279 Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 166; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235 f.; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 47 und 49. 280 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 236; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 166; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 47 und 49; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789. Diese Vorgaben liegen in Besonderheiten des jüdischen Rechts begründet. So soll sichergestellt werden, dass das Kind jüdisch wird, und soll vermieden werden, dass es ein Mamzer wird. Siehe dazu Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 166 f.; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 236.
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haben, § 2 Abs. 2 Gesetz 5756-1996.281 Leihmutterschaften durchzuführen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, ist strafrechtlich sanktioniert, §§ 7 und 19 Gesetz 5756-1996.282 Das Komitee prüft neben diesen Gesichtspunkten auch andere, wie die psychologische und medizinische Eignung der Leihmutter, bevor es die Erlaubnis erteilt, § 5 lit. a Gesetz 5756-1996.283 Bezüglich der Begründung der Abstammung ähnelt das israelische Recht dem britischen. Erst durch ein gerichtliches Elternschaftsdekret werden die Wunscheltern zu rechtlichen Eltern.284 Nach der Geburt hat das Kind zunächst keine Eltern. Der zuständige Sozialarbeiter ist der alleinige Betreuer, die Wunscheltern erhalten jedoch bereits das Kind und übernehmen die Fürsorgepflichten, § 10 Gesetz 5756-1996.285 Innerhalb einer Woche nach der Geburt beantragen die Wunscheltern oder der zuständige Sozialarbeiter das Elternschaftsdekret, welches das Gericht erlässt, sofern das Kindeswohl nicht entgegensteht, § 11 lit. b Gesetz 5756-1996.286 Durch dieses Dekret wird konstitutiv und mit Wirkung erga omnes die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern begründet, § 12 lit. a Gesetz 5756-1996.287 Will die Leihmutter das Kind behalten und selbst rechtliche Mutter werden, so ist dies nur möglich, wenn sich die Umstände seit Erlaubnis der Leihmutterschaft und Abschluss der Vereinbarung so sehr geändert haben, dass ein Rücktritt von der Vereinbarung gerechtfertigt erscheint, und das Kindeswohl dem Verbleib bei der Leihmutter nicht entgegensteht, § 13 lit. a Gesetz 5756-1996.288 Grundsätzlich ist die Vereinbarung somit bindend.289 Die Durchführung einer Leihmutterschaft durch Deutsche in Israel wird jedoch nur selten möglich sein, da die Leihmutter und die Wunscheltern einen dortigen Wohnsitz haben müssen, § 2 Abs. 2 Gesetz 5756-1996, welcher nur anzunehmen ist, wenn Israel der tatsächliche Lebensmittelpunkt ist.290 Wegen der strengen Kontrolle im Rahmen der Erteilung der Erlaubnis der Leihmutterschaft werden deutsche Paare regelmäßig scheitern, wenn sie lediglich zur Durchführung der Leihmutterschaft nach Israel reisen. Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 49; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235 und 242. Shakargy, in: Surrogacy, 231, 231. 283 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 232; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 38; Weisberg, Israel, 196. 284 Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 790; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 36. 285 Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 46; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 171. 286 Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 171; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 46. 287 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 171; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 46. 288 Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 791; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 43; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234 und 237. 289 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 237. 290 Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 49. 281 282
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
Ergeht dennoch ein Elternschaftsdekret zugunsten der Wunscheltern, wären diese zwar nach israelischem Recht die Eltern. Sind sie jedoch – wie hier meist – Deutsche, so wäre diese Elternschaft nach israelischem Recht im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB unbeachtlich. Auf deutsche potenzielle Eltern ist danach deutsches Recht anwendbar. Art. 19 EGBGB ist jedoch auch deshalb unbeachtlich, da das Elternschaftsdekret gemäß § 108 f. FamFG verfahrensrechtlich anerkannt würde, sodass sich die Frage des anwendbaren Rechts ohnehin nicht stellt. Ausnahmsweise könnte jedoch die Verweisung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu einer rechtlichen Mutterschaft der israelischen Leihmutter führen: Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so verweist das israelische Recht zur Bestimmung der Abstammung auf deutsches Recht zurück.291 Nach § 1591 BGB ist die israelische Leihmutter dann die rechtliche Mutter. Da sie nach dem erstberufenen israelischen Recht nicht die Mutter wäre, wird die Rückverweisung befolgt. (6) Indien: Abstammung von Wunscheltern nach soft law Indien ist als Ort der Durchführung von Leihmutterschaften von sehr großer praktischer Relevanz.292 Dies liegt unter anderem an der weitreichenden Zulässigkeit und den vergleichsweise sehr geringen Kosten kommerzieller Leihmutterschaften.293 Trotz der Relevanz und der Anzahl der Fälle der Leihmutterschaft in Indien, ist es nicht möglich, klare Aussagen zur Elternschaft nach indischem Recht zu machen, da hier bis dato keine verbindlichen Regeln existieren.294 Bestehende Gesetze, wie etwa der Registration of Births and Deaths Act 1969 und der Indian Evidence Act 1872, enthalten keine Vorgaben für die Abstammung in Fällen der Leihmutterschaft.295 Teilweise Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.a)ee), S. 44. Zur Lage in Indien: Supreme Court of India 29.9.2008, Baby Manji, Writ Petition (C) No. 369/2008, Rn. 9; Malhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 201 ff.; Malhotra/ Malhotra, in: International Survey of Family Law, 151; High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/ 2008, Rn. 10 und 14 ff.; Bertschi, Leihmutterschaft, 166 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 560 f. 293 Schätzung laut Bertschi, Leihmutterschaft, 132 f. und 183 f. m.w.N.: Indien 20.000– 30.000 US-Dollar; USA: 105.000–120.000 US-Dollar. 294 District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11; Malhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 201 ff.; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 524; vgl. VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 49; Diel, Leihmutterschaft, 144 f.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674 Fn. 7. 295 Malhotra/Malhotra, Surrogacy, 51; Malhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 201 f.; Anand, in: Family Law2, 285, 303 f.; Goel de Mallik, The In-House Lawyer 2010, 43, 43; vgl. Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 524; anders jedoch VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 34 ff.; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 8; VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, 21 f. 291 292
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passt der dortige Wortlaut zwar auch für die Abstammung in Fällen der Leihmutterschaft (etwa Sec. 112 Indian Evidence Act 1872).296 Allerdings wurden diese Vorschriften lange vor Entdeckung der modernen Leihmutterschaft erlassen und sollten diese Fälle somit nicht erfassen. Als common lawRechtsordnung geht indisches Recht in solchen Fällen nicht davon aus, dass neue Rechtsfragen durch Auslegung bestehenden Rechts zu lösen sind, sondern akzeptiert, dass Lücken bestehen, die erst durch Fallrecht oder neue Gesetze zu schließen sind.297 Der Rechtsprechung lassen sich keine klaren Vorgaben entnehmen. Zwar gab es ein Urteil, laut dem eine nicht genetisch verwandte Wunschmutter nicht die Mutterschaft erwirbt. Ob jedoch die Leihmutter oder die Eizellspenderin Mutter wird, lässt das Urteil offen, auch wenn es eine Präferenz für die Leihmutter ausdrückt.298 Doch auch diese begrenzten Hinweise können nicht als verbindlicher Präzedenzfall wirken, da gegen das Urteil Rechtsmittel bei dem Supreme Court of India eingelegt wurden, die auch zur Entscheidung angenommen wurden. Da der Supreme Court die Wirkung des Urteils aussetzte und sich der Fall anderweitig erledigte, unterblieb eine Entscheidung, sodass die unterinstanzliche Entscheidung nicht in Rechtskraft erwuchs.299 Ein weiteres Urteil liefert womöglich begrenzte Hinweise. Im März 2011 erließ der District Court Saket, Neu Delhi, ein Urteil, in dem er einen deutschen Wunschvater als genetischen Vater eines durch Leihmutterschaft gezeugten Mädchens feststellte. Zudem stellte er fest, dass die Leihmutter und ihr Ehemann an die Leihmuttervereinbarung und ihre Aussagen vor Gericht gebunden seien.300 Die Wunschmutter hatte angegeben, sie werde mit ihrem Ehemann umfassend als Mutter und Vater für das Kind sorgen.301 Die Leihmutter bekundete, durch die Vereinbarung gebunden zu sein. Auch ihr Ehemann erklärte, der Vereinbarung zugestimmt zu haben und sich an diese zu halten. Beide hatten keine Beziehung mehr zu dem Kind oder den Wunscheltern und wollten keine Rechte bezüglich des Kindes geltend machen.302 Die Agrawal, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Indien209, 50 f. vgl. VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 36 ff. 297 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung3, § 18 III, S. 259 f. 298 High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008, Rn. 16. 299 Mahapatra, German or Indian? Surrogate twins in legal no-man’s land; O. A., Parents of German Surrogate Twins to Approach Adoption Agency. 300 District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11; vgl. VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris; Duden, StAZ 2014, 164. 301 „[W]ould take full care of the child as the mother and the father and would provide all need, love and affection to the child.“ District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11. 302 „[T]he defendants have no intention of claiming any stake and right over the baby girl born out of the Surrogacy Agreement”: District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11. 296
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Entscheidung scheint das Kind den Wunscheltern umfassend und ausschließlich rechtlich zuzuordnen. Funktional kommt das der Feststellung einer rechtlichen Elternschaft nach deutschem Verständnis gleich.303 Dass die indische Entscheidung nicht zwischen der genetischen und rechtlichen Abstammung unterscheidet, überrascht wenig: Indisches Recht kennt die rechtliche Elternschaft als abstrakte Rechtsfrage nicht. Im Vordergrund stehen die Wirkungen der Elternschaft, etwa die Vormundschaft oder Unterhaltspflicht, sowie die Ehelichkeit.304 Dieses Urteil kann somit als Hinweis gesehen werden, dass sich im indischen Recht in Fällen der Leihmutterschaft durchsetzt, dass die Wunscheltern die rechtlichen Eltern sind. Dies entspricht auch der verbreiteten Praxis, dass in zahlreichen Fällen Geburtsurkunden vom Registrar of Births and Deaths ausgestellt wurden, in denen die Wunscheltern als Eltern aufgeführt wurden.305 Anscheinend werden diese Urkunden jedoch bei Geburten in Krankenhäusern allein anhand der Angaben der zuständigen Ärzte ausgefüllt, eine rechtliche Prüfung erfolgt dabei nicht.306 In dieselbe Richtung weisen die rechtlich unverbindlichen National Guidelines for Accreditation, Supervision and Regulation of ART Clinics in India des Ministry of Health and Family Welfare, Government of India, und des Indian Council of Medical Research, National Academy of Medical Sciences. Der District Court Saket, Neu Delhi, zitiert diese Richtlinien in seinem Urteil derart, dass man annehmen kann, dass er sie als presuasive authority berücksichtigt hat.307 Punkt 3.5.4 der Richtlinien enthält die Vorgabe, dass die Geburtsurkunde die Namen der genetischen Eltern enthalten soll, während nicht genetisch mit dem Kind verwandte Wunscheltern adoptieren müssen (3.10.1 der Guidelines).308 Bei der Leihmutterschaft sollen zudem laut 3.5.4 der Guidelines nicht die eigenen Eizellen der Leihmutter verwendet werden. Laut 3.5.5 der Guidelines müssen die Leihmutter sowie Keimzellspender jegliche 303 Zu einer möglichen verfahrensrechtlichen Anerkennung dieser Entscheidung als funktionales Äquivalent einer Feststellung der rechtlichen Elternschaft siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120. 304 Diwan/Diwan, Family Law9, 311 ff.; Agnes, Family Law, Bd. 2, 129 ff. und 243 ff.; Diwan/Jain/Diwan, Adoption, Minority, Guardianship and Custody3, 94 ff., 219, 222 f. und 246. 305 So etwa VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 10. 306 Sec. 8(b) Registration of Births and Deaths Act 1969, High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008, Rn. 17. 307 District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11. 308 Hier ist der Wortlaut sehr ungeschickt: 3.10.1: „A child born through surrogacy must be adopted by the genetic (biological) parents unless they can establish through genetic (DNA) fingerprinting […] that the child is theirs.“ Vgl. dazu: Malhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 202 f.
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Elternrechte abtreten. Sind die Wunscheltern die genetischen Eltern, so wären sie demnach die rechtlichen Eltern. Da die Keimzellspender ihre Rechte abtreten müssen, besteht jedoch bezüglich der Mutterschaft eine Regelungslücke, wenn gespendete Eizellen verwendet werden. Da diese Richtlinien unverbindlich sind, eher praktische Vorgaben für klinische Abläufe enthalten und sich an die Reproduktionsmediziner richten, können sie keine verlässlichen Aussagen für die Abstammung machen, auch wenn sie als persuasive authority wirken mögen.309 Wie die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer können sie jedoch erhebliche praktische Bedeutung entfalten. Da die Geburtsurkunden auf den Angaben der zuständigen Ärzte basieren, erklären die Guidelines und deren Ausrichtung auf die Reproduktionsmediziner zumindest, warum die dortigen Angaben den Vorgaben der Guidelines entsprechen. Weitgehende rechtliche Klarheit würde ein aktueller Gesetzesentwurf schaffen, der Assisted Reproductive Technologies (Regulation) Bill 2010 (ART-Bill 2010). Dieser wurde jedoch bis dato noch nicht verabschiedet.310 Laut Sec. 35 ART-Bill 2010 sind die Wunscheltern die Eltern. Leihmutter und Keimzellspender verlieren jegliche Elternrechte, Sec. 33(3) und 34(4) ART-Bill 2010. Die Leihmuttervereinbarung kann auch gegen den Willen der Leihmutter durchgesetzt werden, Sec. 34(1) ART-Bill 2010. Die Wunscheltern sind jedoch auch verpflichtet, das Kind anzunehmen und tragen die Verantwortung dafür, Sec. 34(11) ART-Bill 2010. Bei der Leihmutterschaft darf nicht die eigene Eizelle der Leihmutter verwendet werden, Sec. 34(13) ARTBill 2010.311 Sec. 34(19) ART-Bill 2010 führt eine Einschränkung ein, die für deutsche Paare eine Leihmutterschaft in Indien wohl weitestgehend verhindern würde. Demnach brauchen ausländische Wunscheltern ein Schreiben ihrer Botschaft oder ihres Außenministeriums welches bestätigt, dass Leihmutterschaft in ihrem Heimatland erlaubt ist und das Kind später in ihr Heimatland einreisen kann. Auch wenn somit eine Abstammung nach indischem Recht momentan nicht klar bestimmt werden kann, geht die Tendenz dahin, dass zumindest genetisch mit dem Kind verwandte Wunscheltern, auf lange Sicht auch nicht genetisch verwandte, die rechtliche Elternschaft erwerben. Ist die Leihmutter auch die genetische Mutter, kann eine Elternschaft der Wunschmutter scheitern. Da heutzutage meist nicht die eigene Eizelle der Leihmutter verwendet wird, was auch in den Guidelines und dem ART-Bill 2010 als Vorgabe entMalhotra/Malhotra, 33 CLB 2007, 191, 203. Vgl. auch VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 49. 310 Der Gesetzesentwurf könnte eventuell im Winter/Frühjahr 2014/2015 zur Abstimmung kommen; vgl. O. A., ART Bill on IVF may come up in winter session. 311 Bertschi, Leihmutterschaft, 166 f. 309
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
halten ist, kann regelmäßig von einer Elternschaft der deutschen Wunscheltern und nicht der indischen Leihmutter und ihres Ehemanns ausgegangen werden. Die Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB läuft auch hier leer. cc) Fazit Es können somit im Rahmen der dargestellten Rechtsordnungen grundsätzlich weder die deutschen Wunscheltern noch die Leihmutter und deren Partner oder Partnerin nach ihrem jeweils eigenen Heimatrecht die rechtliche Elternschaft erwerben.312 Da im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB nur nach dem jeweils eigenen Heimatrecht der Elternprätendenten eine rechtliche Elternschaft begründet werden kann, ist die Anknüpfung des Satz 2 oft erfolglos. Eine wichtige Ausnahme stellt der deutsche Wunschvater dar, der bei einer unverheirateten Leihmutter gemäß § 1592 Nr. 2 BGB die Vaterschaft anerkennen kann. Eine weitere Ausnahme bilden die britische Leihmutter und ihr Partner oder ihre Partnerin. Diese sind bis zum Erlass einer parental order die rechtlichen Eltern des Kindes. Dass in den hier besprochenen Fällen oft nach dem eigenen Heimatrecht eine Elternschaft nicht besteht, ist wenig überraschend: Wesensbestimmend für die Leihmutterschaft ist es, dass die Wunscheltern das Kind als eigenes aufziehen sollen. Ob ein Land die Leihmutterschaft zulässt, zeigt sich somit gerade auch daran, ob es dieses Wesensmerkmal rechtlich umsetzt. Sieht eine Rechtsordnung trotz der Leihmuttervereinbarung langfristig die Leihmutter und ihren Partner oder ihre Partnerin als rechtliche Eltern des Kindes, erlaubt diese Rechtsordnung de facto die Leihmutterschaft nicht. III. Ehewirkungsstatut der Ehe der Mutter, Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB Ist die Mutter verheiratet, so kann gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB die Abstammung auch nach dem Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 EGBGB) ihrer Ehe zum Zeitpunkt der Geburt bestimmt werden. Aufgrund der Fixierung auf den Zeitpunkt der Geburt beziehungsweise auf einen vorherigen Tod des Ehemanns, ist diese Anknüpfung anders als die Sätze 1 und 2 nicht wandelbar.313 Diese Verweisung gliedert sich ein in eine Reihe von Vorschriften, wie beispielsweise Art. 15 Abs. 1 und 17 Abs. 1 a. F. EGBGB, die das nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB bestimmte Ehewirkungsstatut einheitlich für verschiedene
Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 107; Diel, Leihmutterschaft, 188 f. MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 18 m.w.N.; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 17; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 5. 312 313
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Fragen des Familienlebens berufen und somit ein übergreifendes „Familienstatut“ bilden sollen.314 Da bei Fällen der Leihmutterschaft gerade die Mutterschaft Fragen aufwirft, diese aber Ausgangspunkt der Verweisung ist, überrascht es wenig, dass diese Anknüpfung problematisch ist. 1. „Mutter“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB Unklar ist die Auslegung des Begriffs der „Mutter“. Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB wurde in der Annahme entworfen, die Mutterschaft sei kein normatives Tatbestandsmerkmal und tauge somit als Anknüpfungsmoment, das ohne Rückgriff auf ein anwendbares Recht bestimmbar ist.315 Insbesondere durch die Leihmutterschaft hat sich diese Annahme jedoch als falsch erwiesen, sodass auch die Mutterschaft nicht als rein deskriptives Merkmal verstanden werden kann, sondern einer Bestimmung durch ein materielles Recht bedarf. Es gibt verschiedene denkbare Varianten, wie die Eigenschaft der „Mutter“ in Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB zu bestimmen ist: Zunächst könnte deutsches Recht als lex fori angewandt werden. Mutter wäre demnach gemäß § 1591 BGB stets die Leihmutter, sodass deren Ehewirkungsstatut anzuwenden wäre.316 Es führt jedoch zu einem Zirkelschluss, wenn die Bestimmung des Rechts, dem die Abstammung entnommen werden soll, bereits eines materiellen Verständnisses der Abstammung bedarf. Weiterhin kann es zu Wertungswidersprüchen kommen, wenn die Frau, die nach deutschem Verständnis die Mutter ist, dies nach dem so berufenen Ehewirkungsstatut nicht ist. Gerade in Fällen der Leihmutterschaft kann dieser Konflikt leicht auftreten, da das Ehewirkungsstatut der Leihmutter oft das Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft ist,317 nach dem meist die Leihmutter gerade nicht die Mutter ist.318 Es könnte bei der Auslegung des Begriffs der „Mutter“ auch auf Art. 19 Abs. 1 S. 1 oder 2 EGBGB zurückgegriffen werden und als Mutter im Sinne des Satz 3 jede Frau verstanden werden, die nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes oder ihrem jeweiligen Heimatrecht Mutter ist. Satz 3 würde so jedoch die Eigenschaft als gegenüber den Sätzen 1 und 2 eigenständige Anknüpfung verlieren und lediglich akzessorisch wirken. Auch hier kann es zudem zu Widersprüchen kommen, wenn diese Frau zwar nach
Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 50; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 10. 315 Vgl. Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 64 ff. 316 Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 580; wohl ebenso Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 524. 317 Dies entstammt der Annahme, dass die Leihmutter meist Staatsangehörige des Staates der Durchführung der Leihmutterschaft ist und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 318 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74. 314
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
ihrem Heimatrecht oder dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes die rechtliche Mutter ist, nicht aber nach dem Ehewirkungsstatut. Letztlich könnte nach den jeweiligen Ehewirkungsstatuten verheirateter potenzieller Mütter bestimmt werden, ob sie „Mutter“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB sind.319 Ist dies der Fall, könnte dann der zweite Elternteil auch nach dem jeweiligen Ehewirkungsstatut bestimmt werden. Für diese Lösung spricht, dass Widersprüche zwischen dem Ehewirkungsstatut und dem Recht, nach dem die „Mutter“ im Sinne des Satz 3 bestimmt wird, ausgeschlossen sind. Sinn des Satz 3 ist es, eine weitere Möglichkeit zu schaffen, dem Kind Eltern zuzuführen, aber auch, innerhalb der ehelichen Gemeinschaft die Abstammung einheitlich zu bestimmen. Meist soll er bewirken, dass neben die Mutter ihr Ehemann als zweiter Elternteil treten kann. Satz 3 soll jedoch nicht ermöglichen, dass akzessorisch über das Ehewirkungsstatut einer Frau, die danach nicht die Mutter ist, ein Mann als Vater gefunden werden kann, der weder nach seinem Heimatrecht noch nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes der rechtliche Vater ist. Satz 3 setzt somit implizit voraus, dass nach dem Ehewirkungsstatut die Ehefrau auch die Mutter ist. Diese Auslegung kann freilich zu mehreren „Müttern“ im Sinne des Satz 3 und zu mehreren anwendbaren Ehewirkungsstatuten führen. Dies ist jedoch dem System des Art. 19 Abs. 1 EGBGB mit seinen alternativen Anknüpfungen und dem favor originis-Prinzip nicht fremd. Zudem lässt sich eine solche Häufung kaum vermeiden ohne schon bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts auf materielle Wertungen zurückzugreifen.320 2. Kreis der möglichen Eltern nach Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB Unklar ist, wessen Elternschaft neben derjenigen der Frau, dessen Ehewirkungsstatut sie als Mutter sieht, durch Satz 3 bestimmt werden kann; ob also nur die Vaterschaft ihres Ehemanns begründet werden kann oder auch diejenige eines Dritten. Gegen eine Bestimmung nur des Ehemanns wird vorgebracht, diese Begrenzung laufe auf eine Anknüpfung anhand des abgeschafften Ehelichkeitsstatus hinaus.321 Gegen solche Bedenken einer Privilegierung ehelicher Kinder spricht, dass bei Familien mit unverheirateten Eltern ein entsprechendes Rechtsverhältnis, das als verlässlicher Ausgangspunkt der Bestimmung des anwendbaren Rechts dienen könnte, fehlt. Zudem ist der Unterschied gering. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1148; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, § 8 Rn. 130; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 25; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 9; Looschelders, Internationales Privatrecht – Art. 3–46 EGBGB, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 320 Zum Vorgehen bei einer Mehrzahl durch Art. 19 Abs. 1 EGBGB bestimmter Eltern siehe unten bei Kapitel 2 – A.V.3., S. 109. 321 Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 7. 319
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Unter der Annahme, dass das Kind regelmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt zumindest mit einem Elternteil teilt,322 führt Satz 3 bei verheirateten Paaren nur selten neben den Sätzen 1 und 2 zu einem weiteren anwendbaren Recht: Nur wenn das Ehewirkungsstatut gemäß Art. 14 Abs. 1 EGBGB das frühere gemeinsame Heimatrecht, der frühere gemeinsame Aufenthalt oder das Recht einer andersartigen gemeinsamen engsten Verbindung ist, kann dann Satz 3 theoretisch ein weiteres Recht neben den Sätzen 1 und 2 berufen. Überzeugender spricht gegen eine Beschränkung auf den Ehemann, dass Art. 19 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich den Kreis der möglichen Eltern erweitern, nicht verkleinern will. Satz 3 könnte in diesem Sinne ohne die Beschränkung dem Kind häufiger einen weiteren möglichen Vater bescheren. Für eine Beschränkung auf die Vaterschaft des Ehemanns spricht jedoch, dass eine Begründung der Abstammung von Dritten zu einer höchst fragwürdigen Anknüpfung führen würde. So könnte theoretisch ein Vaterschaftsprätendent, der weder anhand seines Heimatrechts noch des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes Vater würde, anhand des Ehewirkungsstatuts einer Ehe, der er nicht angehört, seine Vaterschaft begründen. Dies wird nicht Sinn des Anknüpfungspunkts sein.323 Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB kann somit nur die Abstammung der Eheleute begründen.324 3. Notwendigkeit der Bestimmung beider Eheleute als Eltern Ist somit klar, dass die „Mutter“ im Sinne des Satzes 3 auch Mutter im Sinne des Ehewirkungsstatuts sein muss und dass nur ihr Ehemann als zweiter Elternteil von der Anknüpfung des Satz 3 profitieren kann, stellt sich noch die Frage, ob notwendigerweise der Ehemann auch als Vater berufen werden muss, damit die Ehefrau durch Satz 3 Mutter werden kann; ob also Satz 3 nur wirken kann, wenn eine Elternschaft beider Eheleute begründet wird. Zweck der Mehrheit der Anknüpfungsvarianten ist es, zum Schutz des Kindeswohls, mehrere Möglichkeiten anzubieten, in problematischen Fällen überhaupt eine Abstammung zu begründen. Dem würde es entsprechen, Satz 3 auch dann anzuwenden, wenn lediglich die Abstammung der Mutter über das Ehewirkungsstatut begründet werden könnte. 322 Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes siehe unten bei Kapitel 2 – A.IV.1., S. 96. 323 So auch Hepting, Familienrecht im Personenstandsrecht, Rn. IV–110; Hepting/ Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–186. A.A. zumindest für Fälle der Leihmutterschaft Witzleb, in: FS Martiny, 203, 218 f. 324 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 12 und 25; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, § 8 Rn. 130; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 9; MüKoHelms6, Art. 19 EGBGB Rn. 10; Hepting, Familienrecht im Personenstandsrecht, Rn. IV– 110; Hepting, StAZ 2000, 33, 34; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–186; Looschelders, Internationales Privatrecht – Art. 3–46 EGBGB, Art. 19 EGBGB Rn. 14; a. A. PalandtThorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 7; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 19.
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Sinn des Satzes 3 ist es, die Abstammung dem einheitlichen „Familienstatut“ zu unterstellen.325 Es sollen danach die wesentlichen Rechtsfragen innerhalb der ehelichen Kleinfamilie einheitlich behandelt werden. Zwar kann eine Behandlung nach einem einheitlichen Recht auch bedeuten, dass der Ehemann nicht der Vater wird. Zweck des Satz 3 scheint es jedoch eher zu sein, eine gemeinsame Abstammung der Eheleute zu ermöglichen, und nicht, eine Frau zur Mutter zu berufen, die dies weder nach Satz 1 noch Satz 2 wäre. Für diese Auslegung spricht auch, dass Art. 19 EGBGB anscheinend unter der Annahme verfasst wurde, dass die Mutterschaft ohnehin feststehe.326 Ziel kann daher nicht gewesen sein, neben den Sätzen 1 und 2 eine weitere Möglichkeit für Frauen zu schaffen, die Mutterschaft zu erwerben. Für eine solche Auslegung spricht auch, dass es gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoßen würde, wenn Satz 3 nur Frauen eine weitere Möglichkeit gewähren würde, allein die Elternschaft zu erwerben. Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB kann daher nur greifen, wenn sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann gemäß dem Ehewirkungsstatut die rechtlichen Eltern sind. 4. Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB a) Ungleichbehandlung durch geschlechtsspezifisches Anknüpfungsmerkmal Auch ohne spätere tatsächliche Nachteile im Rahmen des anwendbaren Rechts verstößt die Wahl geschlechtsspezifischer Anknüpfungsmerkmale grundsätzlich gegen Art. 3 Abs. 2 GG.327 In der Wahl der Ehe der Mutter liegt eine solche geschlechtsspezifische Anknüpfung.328 Es stellt sich somit die Frage, ob diese zu rechtfertigen ist.
Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 50. Vgl. Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 64 f. 327 BVerfG 22.2.1983, Az. 1 BvL 17/81, NJW 1983, 1968, 1970; BVerfG 8.1.1985, Az. 1 BvR 830/83, NJW 1985, 1282, 1282; BGH 8.12.1983, Az. IVb ZR 334/81, NJW 1983, 1259, 1260; allg. zur Prüfung der Verfassungskonformität der Kollisionsnormen BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58; vgl. Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 133; Mansel, NJW 1986, 625, 626. 328 Die Existenz von Kollisionsnormen, die noch heute geschlechtsspezifisch anknüpfen bestätigt die Analyse von Jayme aus dem Jahre 1990 zur Vorgabe des Spanier-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1971: „Der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Grundsatz, daß aber auch [die Kollisionsnormen] auf verfassungsgemäßen Kriterien beruhen müssen, war richtig. Das Gericht zwang den trägen Gesetzgeber zum Handeln. Es hinterließ allerdings ein Trümmerfeld, dessen Aufräumung noch nicht abgeschlossen ist.“ Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 133; BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58. 325 326
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b) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung lässt sich rechtfertigen, wenn diese zwingend erforderlich ist zur Lösung von „Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können“.329 Differenzierungen dürfen somit allein biologischen Unterschieden Rechnung tragen.330 Die Wahl der Mutter als Anknüpfungspunkt lässt sich dadurch erklären, dass angenommen wurde, dass die Mutterschaft wegen der Schwangerschaft klar sei und es somit keines anwendbaren Rechts bedürfe, sodass über die Mutter ein allein relevantes Ehewirkungsstatut bestimmbar sei.331 Die Vaterschaft wird demgegenüber als unklar angesehen. Es können mehrere Männer als Väter in Frage kommen. Der biologische Unterschied, dass die Mutter das Kind austrägt und gebärt und so grundsätzlich leichter zu bestimmen ist als der Vater, könnte eine Differenzierung rechtfertigen. Im Rahmen der Reproduktionsmedizin besteht dieser Unterschied nicht mehr uneingeschränkt. Dort besteht Klarheit bezüglich der rechtlichen Mutterschaft teilweise auch erst nach der Anwendung des berufenen Rechts. Eine Ungleichbehandlung ist hier nicht gerechtfertigt. Greift Satz 3 nur, wenn, wie hier vertreten, beide Eheleute nach dem Ehewirkungsstatut Eltern sind, ist es für das Ergebnis unerheblich, ob bei Ehepaaren, die als Eltern in Frage kommen, zunächst die Elternschaft der Ehefrau oder des Ehemanns geprüft wird. Zudem bewirkt die Ungleichbehandlung keine tatsächlichen Nachteile, da die Ehefrau nur von Satz 3 profitieren kann, wenn ihr Ehemann dies auch tut. Bei der Grundrechtskonformität von Kollisionsnormen kommt es jedoch gerade nicht darauf an, ob die geschlechtsspezifischen Anknüpfungsmomente sich auch in späteren Nachteilen niederschlagen.332 Bildet zudem die Abstammung des zweiten Ehepartners ohnehin eine Bedingung der Anknüpfung auch für den ersten, zeigt dies, dass es nicht sachlich begründet ist, die Ehefrau als Ausgangspunkt der Prüfung zu wählen. Wegen der Identität des Ergebnisses kann auch der Hinweis, dass in der großen Mehrzahl der Fälle die Mutterschaft weiterhin klar ist, die Ungleichbehandlung in diesen Ausnahmefällen nicht rechtfertigen.
329 So seit BVerfG 1.10.1991, Az. 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, BVerfGE 85, 191, 207. Davor: „objektive biologische und funktionale (arbeitsteilige) Unterschiede“. So etwa BVerfG 22.2.1983, Az. 1 BvL 17/81, NJW 1983, 1968, 1970; BVerfG 8.1.1985, Az. 1 BvR 830/83, NJW 1985, 1282, 1282; vgl. BeckOK-Kischel23, Art. 3 GG Rn. 191 f. 330 BeckOK-Kischel 23, Art. 3 GG Rn. 192. 331 Vgl. Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 64 f. 332 BVerfG 22.2.1983, Az. 1 BvL 17/81, NJW 1983, 1968, 1970; BVerfG 8.1.1985, Az. 1 BvR 830/83, NJW 1985, 1282, 1282.
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
c) Beseitigung des Verfassungsverstoßes Da das materielle Ergebnis nicht davon beeinträchtigt wird, ob zunächst die Elternschaft des Ehemann oder die der Ehefrau geprüft wird, ließe sich die Ungleichbehandlung leicht und ohne Auswirkungen auf das Ergebnis beseitigen, indem statt auf das Ehewirkungsstatut der Mutter auf dasjenige der potenziellen Eltern verwiesen wird.333 Bis zu einer solchen Reform muss Satz 3 zumindest, wie bereits dargelegt wurde, derart ausgelegt werden, dass er nur eine gemeinsame Elternschaft des Ehepaars begründen kann und nicht allein eine solche der Ehefrau. 5. Anwendbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften Auch unverheiratete Paare und homosexuelle Paare beauftragen im Ausland Leihmütter. Es stellt sich daher die Frage, ob für sie Satz 3 Bedeutung hat. Unverheiratete Paare scheiden aufgrund des klaren Wortlautes („verheiratet“) aus.334 Auch homosexuelle männliche Paare schließt der Wortlaut („Mutter“) klar aus, unabhängig davon, ob diese verpartnert oder gar nach ausländischem Recht verheiratet sind. Verpartnerte oder nach ausländischem Recht verheiratete homosexuelle weibliche Paare könnten jedoch eventuell unter Satz 3 fallen; zumindest scheitern sie nicht zwingend an seinem Wortlaut. Seitens der Wunscheltern ist der Bedarf nach Leihmutterschaften bei weiblichen homosexuellen Paaren zwar sehr gering. Als Leihmutter ist eine verpartnerte oder nach ausländischem Recht verheiratete Homosexuelle demgegenüber leicht denkbar. Ist eine der britischen Teilrechtsordnungen das Ehewirkungsstatut, würde die Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB gemäß der in Großbritannien einheitlich anwendbaren Sec. 42 HFEA 2008 sogar zu einer gemeinsamen Elternschaft der beiden Frauen führen. Sind beide Frauen britisch, käme auch Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu demselben Ergebnis. Bei der Frage der Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 3 EGBGB auf verpartnerte oder nach ausländischem Recht verheiratete homosexuelle weibliche Paare stellen sich zahlreiche schwierige Vorfragen. So wäre vorab zu 333 In der Formulierung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB müsste man lediglich „ist die Mutter“ durch „sind die Eltern“ ersetzen. Bei dieser Formulierung würde jedoch die bestehende Ungenauigkeit des Absatz 1 fortbestehen, dass dieser in den Sätzen 2 und 3 nicht klarstellt, dass es um die potenziellen Eltern bzw. Elternprätendenten geht. Zur Klarstellung könnte man auch „ihre gemeinsame Elternschaft“ statt „die Abstammung“ einführen. Überzeugend wäre daher folgender Wortlaut: „Sind die Elternprätendenten verheiratet, so kann ihre gemeinsame Elternschaft ferner nach dem Recht bestimmt werden, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Artikel 14 Abs. 1 unterliegen“. 334 Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 5; Schulze-Kemper8, Art. 19 EGBGB Rn. 10; differenzierend BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 18; ebenfalls differenzierend MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 44.
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klären, ob eine ausländische homosexuelle Ehe nach Art. 17b oder 13 ff. EGBGB zu behandeln ist. Auch würde sich die Frage stellen, ob bei einer Anwendung von Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB die Kappung des Art. 17b Abs. 4 EGBGB greifen würde.335 Da sich diese Themen erheblich von dem Fokus dieser Arbeit entfernen, muss die Frage der Anwendbarkeit hier unbeantwortet bleiben.336 6. Fazit: Nach Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB berufenes Recht in concreto Meist wird die Leihmutter dem Staat angehören, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wird, und dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Regelmäßig wird ihr Ehewirkungsstatut gemäß Art. 14 Abs. 1 EGBGB das Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft sein. Ebenso wird bei mindestens einem deutschen Wunschelternteil und dem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland meist deutsches Recht das Ehewirkungsstatut der Wunscheltern sein. Satz 3 führt somit regelmäßig zu demselben Recht wie Satz 2 und zu dem oben dargestellten Ergebnis: Meist kann nach diesem Recht eine Abstammung nicht begründet werden, da weder die Wunscheltern noch die Leihmutter und ihr Partner oder ihre Partnerin nach dem jeweils eigenen Heimatrecht eine Abstammung begründen können. Eine Ausnahme bilden britische Leihmütter, die bis zum Erlass einer parental order gemeinsam mit ihrem Ehemann die rechtlichen Eltern sind.337 IV. Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB In den zahlreichen Fällen, in denen nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 oder S. 3 EGBGB kein oder nur ein Elternteil bestimmt werden kann, verbleibt nur eine Bestimmung der Abstammung nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Danach kann die Abstammung umfassend, also zu allen Elternteilen, bestimmt werden.338
335 Vgl. MüKo-Coester5, Art. 17b EGBGB Rn. 77 und 110; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 17b EGBGB Rn. 42 und Art. 19 EGBGB Rn. 18; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 524; OLG Celle 10.3.2011, Az. 17 W 48/10, IPRax 2012, 544. 336 Siehe dazu etwa BVerfG 2.7.2010, Az. 1 BvR 666/10, NJW 2011, 2011, Rn. 30; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 140 ff.; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 46 und 48. 337 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74. 338 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 10; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 6.
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1. Der „gewöhnliche Aufenthalt“ allgemein Bei dem gewöhnlichen Aufenthalte handelt es sich um ein Merkmal zwischen dem reinen Aufenthaltsort und dem Wohnsitz. Wie der reine Aufenthalt, aber anders als der Wohnsitz, ist er tatsächlich und nicht rechtlich zu bestimmen. Unbeachtlich ist etwa das Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis.339 Anders als der reine Aufenthaltsort muss er jedoch von gewisser Dauer sein,340 oder zumindest darauf angelegt sein,341 und es bedarf einer derartigen Bindung zu diesem Ort aufgrund beruflicher, familiärer oder sonstiger Weise, dass er den Daseinsmittelpunkt bildet.342 Zumindest im Rahmen der europäischen Verordnungen wird befürwortet, primär auf den subjektiven Bleibewillen abzustellen und objektive Umstände wie die Aufenthaltsdauer nur als Indizien für diesen zu verstehen.343 Bei einem entsprechenden äußerlich erkennbaren Bleibewillen (animus manendi) könnte so unmittelbar nach einem Umzug ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt bestehen.344 Auch dabei wird die faktische Bestimmung betont: Entscheidend sei ein natürlicher und kein rechtsgeschäftlicher Wille.345 Im Rahmen der Brüssel IIa-VO erkennt auch der EuGH die Bedeutung eines Willenselements und die Unbeachtlichkeit einer Mindestdauer des Aufenthalts an.346 Der europäische Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts entfernt sich somit von dessen klassischem deutschen Verständnis sowie der Auslegung in den Haager Übereinkommen, welche den Bleibewillen grundsätzlich für unbeachtlich ansehen und auf die objektiven Umstände, etwa die soziale Integration, abstellen.347 Mansel, IPRax 1990, 283, 286. BGH 29.10.1980, Az. IV b ZB 586/80, IPRax 1981, 139, 139; BGH 3.2.1993, Az. XII ZB 93/90, IPRax 1994, 131, 133. Faustregel: 6 Monate; vgl. Mansel, IPRax 1990, 283, 286. 341 BGH 5.2.1975, Az. IV ZR 103/73 (Celle), NJW 1975, 1068, 1068; BGH 29.10.1980, Az. IV b ZB 586/80, IPRax 1981, 139, 139; BGH 3.2.1993, Az. XII ZB 93/90, IPRax 1994, 131, 133; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 11; Mansel, IPRax 1990, 283, 286; Pirrung, IPRax 2011, 50, 53; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, 132 f.; vgl. dazu Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 314 f. 342 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 10; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 11; Pirrung, IPRax 2011, 50, 53; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147; vgl. Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, 32 f.; zum EU-Recht EuGH 22.12.2010, Mercredi, C-497/10, Rn. 47 ff.; EuGH 2.4.2009, A, C-523/07, IPRax 2011, 76, Rn. 37 ff. 343 Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 317; Weller, IPRax 2014, 225, 227; EuGH 22.12.2010, Mercredi, C-497/10, Rn. 51; kritisch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, 132 ff. 344 Weller, IPRax 2014, 225, 227; Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 319 ff. 345 Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 321. 346 EuGH 22.12.2010, Mercredi, C-497/10, Rn. 51. 347 So etwa BGH 5.2.1975, Az. IV ZR 103/73 (Celle), NJW 1975, 1068, 1068; BGH 29.10.1980, Az. IV b ZB 586/80, IPRax 1981, 139, 139; BGH 3.2.1993, Az. XII ZB 93/90, IPRax 1994, 131, 133; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, 132 m.w.N. Vgl. Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 314. 339 340
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Die tatsächliche Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist gerade bei Minderjährigen bedeutsam. Während ihr Wohnsitz gemäß § 8 BGB vom Willen der Eltern abhängt, wird ihr gewöhnlicher Aufenthalt unabhängig von den Eltern bestimmt.348 Ist der gewöhnliche Aufenthalt eines Säuglings zu bestimmen, muss diese Vorgabe allerdings eingeschränkt werden: Da ein Säugling noch nicht eigenständig über seinen Aufenthalt oder dessen Dauer entscheiden beziehungsweise einen eigenen Bleibewillen entwickeln kann,349 ist eine Bestimmung ohne Berücksichtigung derjenigen, die diese Entscheidung für ihn treffen, nicht möglich.350 Das Kind teilt grundsätzlich den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern beziehungsweise der Betreuungsperson.351 Da es bei der faktischen Betrachtung des gewöhnlichen Aufenthalts bleibt, ist die rechtliche Elternschaft jedoch nicht entscheidend, vielmehr entscheidet die soziale, faktische Umgebung.352 2. Gewöhnlicher Aufenthalt bei ausländischer Leihmutterschaft Zwei Eckpunkte lassen sich im Rahmen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes in den Fällen der ausländischen Leihmutterschaft ausmachen: Der Geburtsort bildet den ersten reinen Aufenthalt. Sind die Wunscheltern auf Dauer mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt und wollen dort bleiben, ist dann dort der gewöhnliche Aufenthalt.353 Nach einer Rückkehr 348 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 106; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 11; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 4; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 8; Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 321; OLG Hamm 18.1.1999, Az. 4 UF 135/98, FamRZ 1999, 1519, 1519; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 39; Diel, Leihmutterschaft, 189; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 6 Rn. 38, S. 399 f.; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. 349 Vgl. EuGH 22.12.2010, Mercredi, C-497/10, Rn. 54 f.; Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 321. 350 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 138. 351 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 13; Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 321; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 138; MüKoHelms6, Art. 19 EGBGB Rn. 8; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 215; Pirrung, IPRax 2011, 50, 54; a. A. Benicke, StAZ 2013, 101, 107; zum EU-Recht EuGH 22.12.2010, Mercredi, C-497/10, Rn. 54 f. 352 Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147. 353 So auch Witzleb, in: FS Martiny, 203; Diel, Leihmutterschaft, 190; Heiderhoff, NJW 2014, 2673 äußert Zweifel, da die Anwendung deutschen Rechts bei einer verheirateten Leihmutter zu einer Elternschaft der Leihmutter und ihres Ehemanns führt und daher – „jedenfalls im Grundsatz“ – das Kind diesen herauszugeben sei und der gewöhnliche Aufenthalt daher gefährdet sei. Diese Gefahr ist jedoch nach bisheriger Erfahrung rein theoretisch. Es wurde zwar wiederholt eine Einreise deutscher Paare mit den Wunschkindern verhindert; Fälle in denen das Kind zwangsweise zu der Leihmutter verbracht wurde, nachdem die Wunscheltern es erfolgreich nach Deutschland eingeführt haben, sind nicht bekannt. Zur bisherigen Rechtsprechung siehe unten bei Kapitel 4 – B.II.2., S. 301.
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
nach Deutschland ist somit grundsätzlich deutsches Recht anwendbar. Gemäß § 1591 BGB wäre laut diesem die Leihmutter die Mutter, während der Wunschvater zumindest bei einer unverheirateten Leihmutter die Vaterschaft anerkennen kann, § 1592 Nr. 2 BGB.354 Unklar ist jedoch, ob und unter welchen Voraussetzungen auch am Geburtsort ein erster gewöhnlicher Aufenthalt besteht. In Frage kommt dieser wenn das Kind sich zum Zeitpunkt der Feststellung der Abstammung noch am Geburtsort befindet oder aber als Durchgangsstadium vor einer bereits erfolgten Rückreise. In letzterem Fall stellt sich dann auch die Frage nach der Auswirkung des Statutenwechsels.355 a) Gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort? Sind die Wunscheltern mit dem Kind inzwischen in Deutschland, so lässt sich bezüglich eines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts am Geburtsort differenzieren:356 Ist das Kind unmittelbar nach der Geburt nach Deutschland gekommen, so bestand am Geburtsort kein gewöhnlicher Aufenthalt.357 Dies sind Fälle, in denen die Wunscheltern gezielt zur Durchführung der Leihmutterschaft ins Ausland gereist sind.358 Sind die Wunscheltern mit dem Kind jedoch erst länger am Geburtsort geblieben, so bestand dort ein gewöhnlicher Aufenthaltsort.359 Dies werden Fälle sein, in denen die Wunscheltern ohnehin in diesem Land lebten und nicht spezifisch zur Durchführung der Leihmutterschaft dorthin reisten. Ob in diesen Fällen eine Elternschaft der Wunscheltern, die nach dem Recht des Geburtsortes bestand, nach der Rückkehr nach Deutschland fortbesteht, hängt Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II.1., S. 24. Zur Bedeutung der Wandelbarkeit der Anknüpfung und eines Statutenwechsels siehe unten bei Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103. 356 Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 107. 357 Benicke, StAZ 2013, 101, 107; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 39; Diel, Leihmutterschaft, 190; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 13, S. 358; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. 358 Eine Rückreise ist etwa nach einer Leihmutterschaft in Kalifornien möglich. Bei dortiger Geburt erwirbt das Kind gemäß dem ius soli-Prinzip des 8 U.S.C. § 1401(a) (United States Code) die amerikanische Staatsangehörigkeit und kann visumsfrei nach Deutschland bzw. in den Schengen-Raum einreisen: Art. 5 Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), Slg. 2006 L 105, 1 und Art. 1 Abs. 2, Anh. II Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, Slg. 2001 L 81, 1. Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 103; Snyder, in: Surrogacy, 389, 396. 359 Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 13, S. 358; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676. 354 355
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davon ab, ob die Abstammung in einer anerkennungsfähigen Entscheidung festgestellt wurde beziehungsweise wie die Wandelbarkeit des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB behandelt wird.360 Auch wenn die Wunscheltern mit dem Kind noch im Ausland sind, lässt sich differenzieren: Sind die Wunscheltern längerfristig vor Ort und sind sie nicht nur zur Durchführung der Leihmutterschaft dorthin gereist, so besteht dort ein gewöhnlicher Aufenthalt,361 das dortige Recht ist anwendbar, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Schwieriger stellt es sich dar, wenn die Wunscheltern zwar noch am Geburtsort sind, aber nach der Geburt unmittelbar zurückkehren wollten und erst kurz vorher angereist sind, da sich die Wunscheltern lediglich zwecks Durchführung der Leihmutterschaft ins Ausland begeben haben. Es fehlen hier die Merkmale der Bindung und Dauer des Aufenthaltes sowie ein Bleibewille, sofern man diesen fordert. Häufig wird daher ein gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort abgelehnt.362 Soll diese Auslegung zu einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und der Anwendung deutschen Rechts führen, trifft sie jedoch auf Schwierigkeiten: Da oftmals eine Abstammung über die Sätze 2 und 3 des Art. 19 EGBGB nicht begründet werden kann,363 ist Satz 1 die einzige verbleibende Variante, nach der eine Bestimmung der Abstammung möglich ist. Nach deutschem Recht sind die Leihmutter und ihr Mann die rechtlichen Eltern. Nur bei unverheirateten Leihmüttern kann der Wunschvater die Vaterschaft anerkennen.364 Sind die deutschen Wunscheltern demnach nicht die rechtlichen Eltern, erwirbt das Kind nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, § 4 StAG. Scheitert der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, scheitert damit jedoch oft auch die Einreise nach Deutschland. 365 Dies wird vielfach auch der Grund sein, warum die WunSiehe unten Kapitel 2 – B.II.4., S. 118 zur Anerkennung bzw. Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103 zur Wandelbarkeit. 361 Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 13, S. 358. 362 So wohl Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 11; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 13, S. 358 f.; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 8; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 10; dazu Heiderhoff, IPRax 2012, 523; kritisch Benicke, StAZ 2013, 101, 107; vgl. auch OLG Celle 10.3.2011, Az. 17 W 48/10, IPRax 2012, 544, 545 f.; Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 322; Lurger, IPRax 2013, 282, 284. 363 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84 bzw. Kapitel 2 – A.III.6., S. 95. 364 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II.1., S. 24. 365 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 208; High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 2. Weiterer Grund hierfür ist, dass das Kind aus der Sicht des am Geburtsort anwendbaren Rechts Kind der Wunscheltern ist und somit – zumindest bei Ländern, die dem ius sanguinis-Prinzip folgen – auch die dortige Staatsangehörigkeit nicht erwirbt (siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.a), S. 37 zum ausländischen Kollisionsrecht und bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74 zum dortigen Abstammungsrecht). 360
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scheltern noch mit dem Kind im Ausland sind, obwohl sie eigentlich unmittelbar nach der Geburt zurückreisen wollten.366 Gerade der Wille der Wunscheltern, mit dem Kind nach Deutschland zu reisen, würde somit die Möglichkeit der Einreise verhindern, wenn man wegen dieses Willens den gewöhnlichen Aufenthalt am Geburtsort scheitern ließe.367 Aufgrund des Zwischenschrittes der Einreise nach Deutschland, bei der sich die Frage der Abstammung und der Staatsangehörigkeit stellt, kann nicht bereits perspektivisch davor ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland angenommen werden oder ein solcher am Geburtsort mit dieser Begründung abgelehnt werden.368 Hielt sich das Kind noch nie in Deutschland auf, verbietet es sich, einen dortigen gewöhnlichen Aufenthalt anzunehmen.369 Dies gilt zumindest wenn man an dem Grundgedanken festhalten will, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes eigenständig bestimmt wird und nicht von demjenigen der Eltern abgeleitet wird.370 Scheitert somit ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland an der Unsicherheit der Rückreisemöglichkeit, könnte man überlegen, trotz der geplanten Rückreise, einen gewöhnlichen Aufenthalt am Geburtsort anzunehmen.371 Gerade wenn eine Rückreise nach Deutschland scheitert, kann dieser Aufenthalt durchaus erhebliche Dauer erreichen.372 Stellt sich die Frage der Abstammung beim Versuch der Rückreise, hätte zudem der Säugling bis dahin seine bisherige Lebenszeit vollständig dort verbracht.373 Diese Herangehensweise führt jedoch zu einem gegenläufigen, aber ähnlich widersprüchlichen Ergebnis wie die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland wegen der geplanten, aber unsicheren Rückreise: Da nach dem Recht des Geburtsortes oft eine Abstammung von den deutschen Wunscheltern begründet wird,374 ermöglicht die Anwendung dieses Rechts Eine Ausnahme bildet hier etwa Kalifornien. Bei dortiger Geburt erwirbt das Kind gemäß dem ius soli-Prinzip der 8 U.S.C. § 1401(a) (United States Code) die amerikanische Staatsangehörigkeit; vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 103; Snyder, in: Surrogacy, 389, 396. 366 High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008; VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris. 367 So auch Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525. 368 So auch Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525; Benicke, StAZ 2013, 101, 107. 369 EuGH 2.4.2009, A, C-523/07, IPRax 2011, 76, Rn. 38; vgl. Pirrung, IPRax 2011, 50, 53. 370 Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 13, S. 358 f. 371 MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 8; VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 20; Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 216; Diel, Leihmutterschaft, 190; Dethloff, JZ 2014, 922, 929. 372 VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 33; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525. 373 Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525. 374 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74.
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gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit und somit eine unproblematische Rückreise.375 Die sofortige Rückreisemöglichkeit würde dann gerade durch die Annahme ermöglicht, dass wegen Rückreiseschwierigkeiten ein längerer Aufenthalt am Geburtsort droht.376 Erneut würde die Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthaltes und des Satz 1 ad absurdum geführt. Auch ein gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort erscheint nicht überzeugend.377 Wollen die Wunscheltern mit dem Kind baldmöglichst nach der Geburt nach Deutschland zurückreisen, ist somit bis nach der erfolgreichen Rückreise weder ein gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort noch in Deutschland gegeben. Wie oben dargestellt, können Art. 19 Abs. 1 S. 2 und S. 3 EGBGB bei dem hier besprochenen Grundfall der Leihmutterschaft vielfach keine Elternschaft begründen.378 Scheitert somit im Rahmen des Satz 1 die Bestimmung eines gewöhnlichen Aufenthalts, droht es, dass das Kind aus Perspektive des deutschen Internationalen Privatrechts eltern- und staatenlos ist.379 Gerade da es sich hier um Fälle handelt, in denen die Einreise sich unerwartet lange hinzieht,380 muss bis zu der Rückreise eine Bestimmung eines anwendbaren Rechts und der Abstammung nach Satz 1 möglich sein. b) Bestimmung der Abstammung nach Satz 1 mangels eines gewöhnlichen Aufenthaltes Besteht in diesen Fällen kein gewöhnlicher Aufenthalt gemäß Satz 1 des Art. 19 Abs. 1 EGBGB und zudem keine Abstammung gemäß den Sätzen 2 und 3, so hätte das Kind aus Sicht des deutschen Rechts keine Eltern. Überhaupt eine Abstammung zu begründen, ist jedoch vorrangiges Ziel des Absatz 1. Da neben dem gewöhnlichen Aufenthalt auch ein weiteres subsidiäres Anknüpfungsmerkmal fehlt, erscheint es sinnvoll durch eine teleologische Auslegung des Satz 1 auf das Recht des einfachen Aufenthalts als „kleinem Bruder“ des gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen.381 Eine solche Auslegung ist wohl noch im Rahmen einer teleologischen Auslegung de lege lata möglich. Dies liegt daran, dass es sich ohnehin um ein auslegungsbedürftiges Anknüpfungsmerkmal handelt und auch in anderen Fällen, in denen ein geVgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 217. So auch Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525. 377 Vgl. auch Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525. 378 Eine wichtige Ausnahme bildet die Möglichkeit des deutschen Wunschvaters bei einer unverheirateten Leihmutter gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB i. V. m. § 1592 Nr. 2 BGB die Vaterschaft anzuerkennen. 379 Zu völkerrechtlichen Aspekten einer möglichen Staatenlosigkeit siehe unten bei Kapitel 4 – A.III.2.d), S. 282. 380 High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008. 381 Ebenso Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 13, S. 358 f. 375 376
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
wöhnlicher Aufenthalt nicht auszumachen ist, ausdrücklich auf den reinen Aufenthalt zurückgegriffen wird, etwa in Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 S. 2 EGBGB.382 Dies wird regelmäßig auf eine Bestimmung der Abstammung anhand des Rechts des Geburtsortes hinauslaufen. Bei dieser Auslegung besteht die Gefahr, dass wichtige Fragen, wie die Abstammung und daran anschließend die Staatsangehörigkeit, an den eher zufälligen reinen Aufenthaltes geknüpft werden.383 Indes mögen diese Zweifel ein solches Vorgehen nicht verhindern: Der Aufenthalt ist hier der Geburtsort, der meist, aber insbesondere in den Fällen der internationalen Leihmutterschaft nicht zufällig ist. Zwar mag er zunächst zufällig erscheinen, da das Kind unmittelbar nach der Geburt – eventuell für immer – dem Geburtsort den Rücken kehrt und dauerhaft in Deutschland aufwächst. Allerdings geben die Umstände der Empfängnis und Geburt dem Geburtsort im Rahmen der Leihmutterschaft eine besondere Bedeutung. Wegen der dortigen Zulässigkeit der Leihmutterschaft wurde der Ort sehr bewusst ausgewählt. Auch stehen der Geburtsort, die Leihmutterschaft und das dortige Abstammungsrecht in enger Verbindung, sodass wie der Geburtsort auch die Anwendung der dortigen Rechtsordnung nicht zufällig erscheint. Wegen des Zusammenspiels der Zulässigkeit eines reproduktionsmedizinischen Verfahrens mit dem entsprechenden Abstammungsrecht wäre sogar zu überlegen, ob de lege ferenda das Reproduktionsstatut, also das Recht des Ortes an dem das reproduktionsmedizinische Verfahren durchgeführt wurde, zumindest als weiteres mögliches Abstammungsstatut in Art. 19 Abs. 1 EGBGB aufgenommen wird. Häufig wird außerhalb von Satz 1 keine Abstammung begründet.384 Lässt man somit eine Anknüpfung über den reinen Aufenthalt in Satz 1 nicht ausreichen, wäre der Säugling in diesen Fällen eltern- und meist auch staatenlos. Da gerade bei unklarer Rückreisemöglichkeit die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes lange dauern kann, würde der Säugling so im juristischen Niemandsland stranden. Zwar kann eventuell durch eine gerichtliche Entscheidung am Geburtsort eine Klärung bewirkt werden,385 jedoch sollte auch das deutsche Internationale Privatrecht eine Bestimmung der Abstammung ab Geburt ermöglichen. Bis zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts reicht somit, sofern eine Abstammung nicht gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 oder 3 EGBGB bestimmt werden kann, für die Verweisung des Art. 19 Abs. 1 S. 1
MüKo-Sonnenberger5, Art. 5 EGBGB Rn. 34; BeckOK-Lorenz34, Art. 5 EGBGB Rn. 17. 383 Vgl. Weller, in: Rom 0-VO?, 293, 313. Dieser betont, dass der Grad der Bindung an den gewöhnlichen Aufenthalt nach der Tragweite der behandelten Rechtsfrage differenziert werden muss. 384 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)cc), S. 88 bzw. Kapitel 2 – A.III.6., S. 95. 385 Siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4., S. 118. 382
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EGBGB der reine Aufenthalt, meist am Geburtsort, aus. Nach diesem Recht sind grundsätzlich die Wunscheltern die rechtlichen Eltern.386 3. Wandelbarkeit der Anknüpfung und Fortbestand der Abstammung Die Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist wandelbar.387 Entscheidend ist der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt, zu dem die Abstammung festgestellt werden soll.388 Zieht das Kind in ein anderes Land, so würden sich demnach der gewöhnliche Aufenthalt und mit diesem das anwendbare Recht ändern. Ein solcher Statutenwechsel kann unterschiedliche Auswirkungen für die Abstammung des Kindes haben: Eine Abstammung kann nur nach dem ersten oder nur nach dem zweiten Recht bestimmbar sein, es kann zu einem Wechsel der Eltern kommen oder der Statutenwechsel kann keine Auswirkungen auf die Abstammung haben. Teilweise wird unabhängig von der Auswirkung des Statutenwechsels die Wandelbarkeit befolgt.389 Sie soll jedoch, ebenso wie die Mehrzahl der Anknüpfungsvarianten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, zum Wohle des Kindes die Bestimmung der Abstammung erleichtern.390 Dank der Wandelbarkeit sollen Standesbeamte leichter das ihnen bekannte, deutsche Recht anwenden können.391 Ob der Statutenwechsel berücksichtigt wird oder nicht, ist nach dem eben skizzierten Zweck der Vorschrift zu bestimmen.392 Die Mehrzahl der Fälle ist leicht zu klären: Kann nur nach dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts eine Abstammung begründet werden, so gilt das nach dem Statutenwechsel anwendbare Recht.393 Bestimmen die Rechte des ehemaligen und neuen gewöhnlichen Aufenthalts dieselben Eltern, so 386
S. 74.
Bzgl. des Inhalts des so berufenen Rechts siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb),
Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 160, S. 359 f.; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 18; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 13; Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 4; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Muschter, Statutenwechsel, 295; vgl. allgemein Weller, IPRax 2014, 225, 226 f. 388 Dies kann bei Geburt oder später sein, etwa bei der Vaterschaftsanerkennung oder bei der letzten mündlichen Verhandlung in einem Abstammungsprozess. StaudingerHenrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 14; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 18. 389 Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 9; wohl auch Palandt-Thorn74, Art. 19 EGBGB Rn. 4. 390 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 14. 391 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 137; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423. 392 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 13 f.; Henrich, StAZ 1998, 1, 3; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Muschter, Statutenwechsel, 357 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423 ff.; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 16, S. 359 f.; vgl. Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 138 f.; Dörner, in: FS Henrich, 119, 124 ff. 393 Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 14; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Benicke, StAZ 2013, 101, 108. 387
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
besteht ebenfalls kein Grund, die Wandelbarkeit einzuschränken, zumindest wenn die Bestimmung der Eltern gleich schnell und einfach erfolgt. Ist eine Abstammung nur nach dem Recht des ehemaligen gewöhnlichen Aufenthalts zu bestimmen und ginge somit durch den Statutenwechsel eine bestehende Elternschaft verloren, muss die Wandelbarkeit teleologisch eingeschränkt werden, beziehungsweise die Abstammung als wohlerworbenes Recht fortbestehen.394 Schwieriger sind die Fälle, in denen der Statutenwechsel zu einem Wechsel der Eltern führt. Ist das Kind inzwischen in Deutschland, bestand jedoch vorher ein gewöhnlicher Aufenthalt am Geburtsort oder musste mangels Bestimmbarkeit eines gewöhnlichen Aufenthalts auf den reinen Aufenthalt am Geburtsort zurückgegriffen werden, waren meist nach dem zunächst anwendbaren Recht die Wunscheltern die rechtlichen Eltern, so etwa bei der Anwendung kalifornischen, griechischen oder ukrainischen Rechts.395 Nach der Rückkehr sind es jedoch gemäß deutschem Recht die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Mann. Dieser Situation ähnelt es, wenn durch Beachtung beziehungsweise Nichtbeachtung einer Rück- oder Weiterweisung oder durch die Mehrzahl der Anknüpfungsvarianten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB verschiedene Eltern berufen werden. Wie bei diesen Fragen soll der Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, das Kindeswohl zu begünstigen, über die Beachtung des Statutenwechsels entscheiden. Es erscheint daher sinnvoll, dieses Kriterium einheitlich zu konkretisieren. Nach hier vertretener Ansicht setzt sich bei Rechten, die verschiedene Eltern bestimmen, die Rechtsordnung durch, nach der die sozialen Eltern auch rechtliche Eltern sind.396 Hat die Leihmutter freiwillig das Kind den Wunscheltern übergeben und sind diese mit ihm zurück nach Deutschland gekommen, so bleibt eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern, die nach dem Sachrecht des Geburtsortes bestand, bestehen, 394 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 13 f.; Jayme, in: Ehe und Kindschaft, 47, 72; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Henrich, IPRax 2005, 454, 454; Henrich, StAZ 1998, 1, 3; MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 18; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423 ff.; Dörner, in: FS Henrich, 119, 124 ff.; Dethloff, JZ 2014, 922, 929; Andrae, Internationales Familienrecht3, § 4 Rn. 16, S. 359 f.; OLG Hamm 18.6.2004, Az. 9 UF 153/02, FamRZ 2004, 291, 292 f.; OLG Celle 10.3.2011, Az. 17 W 48/10, IPRax 2012, 544, 545 f.; a. A. Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 9. Die Datumstheorie als weiteres dogmatisches Werkzeug zum Umgang mit Statutenwechseln insbesondere im Internationalen Familienrecht schlägt vor Weller, IPRax 2014, 225. 395 Die abstammungsrechtliche Lage in Indien ist unklar (siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84). In Großbritannien und Israel erwerben die Wunscheltern auch die rechtliche Elternschaft, aber erst nach Erlass einer parental order beziehungsweise einem Elternschaftsdekret (siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(4), S. 80 bzw. Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(4), S. 80). Solche Entscheidungen können jedoch verfahrensrechtlich anerkannt werden (siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4.a)bb), S. 122). 396 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)dd)(1), S. 56.
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sofern dieses Recht nach Satz 1 anwendbar war.397 Soweit durch die Anwendbarkeit deutschen Rechts als Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts diese Abstammung verloren geht, wird die Wandelbarkeit teleologisch reduziert. Dies ist bezüglich der rechtlichen Mutterschaft der Wunschmutter immer, bezüglich der rechtlichen Vaterschaft des Wunschvaters bei einer verheirateten Leihmutter der Fall, §§ 1591 f. BGB. 4. Fazit Hat das Kind somit noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Geburtsort, ist das dortige Recht anwendbar. In diesem Fall sind die Wunscheltern meist die rechtlichen Eltern. Hatte das Kind am Geburtsort einen gewöhnlichen Aufenthalt, ist aber inzwischen wieder in Deutschland und hat nun hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt, bleibt eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern nach dem Recht des Geburtsortes bestehen, sofern die Wunscheltern die sozialen Eltern sind. Dasselbe gilt, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht bestimmbar war und wegen der Unmöglichkeit einer Bestimmung der Eltern nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 und 3 EGBGB auf den reinen Aufenthalt zurückgegriffen werden musste. Der Statutenwechsel, den Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB vorsieht, wird nur soweit befolgt, wie die Wunscheltern auch nach dann anwendbarem deutschen Recht die rechtlichen Eltern sind. Meist betrifft dies nur die Elternschaft des Wunschvaters, sofern die Leihmutter unverheiratet ist. Ist das Kind unmittelbar nach der Geburt nach Deutschland gebracht worden und hat somit in Deutschland seinen ersten gewöhnlichen Aufenthalt, ist deutsches Recht anwendbar. Danach ist die Leihmutter und, je nach deren Familienstand, ihr Ehemann oder der deutsche Wunschvater nach einer Vaterschaftsanerkennung der Vater. Wollen die Wunscheltern baldmöglichst mit dem Kind nach Deutschland zurückkehren, war aber eine Einreise des Kindes bisher mangels deutscher Staatsangehörigkeit nicht möglich, so hat das Kind weder am Geburtsort noch in Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt, sodass eine Anknüpfung anhand von Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB nicht möglich ist. Ist in diesen Fällen eine Bestimmung der Elternschaft auch mittels der Sätze 2 und 3 nicht möglich, ist im Rahmen des Satz 1 subsidiär auf das Recht des einfachen Aufenthalts des Kindes, also das Recht des Geburtsortes zurückzugreifen. 398 Danach sind meist die Wunscheltern die rechtlichen Eltern.
397 So auch Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 14; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 217; Benicke, StAZ 2013, 101, 108; wohl auch Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 16, S. 359 f. 398 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.IV.2.b), S. 101.
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V. Häufung der von Art. 19 Abs. 1 bestimmten Eltern Bestimmen die verschiedenen nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Rechte unterschiedliche Eltern, stellt sich die Frage, wie mit einer solchen Elternhäufung umzugehen ist, welche Anknüpfung beziehungsweise welche Eltern sich durchsetzen. 1. Häufung durch Mehrzahl der Anknüpfungsmomente des Art. 19 Abs. 1 Eine Häufung der Eltern setzt zunächst voraus, dass überhaupt mindestens zwei der Anknüpfungsmomente des Art. 19 Abs. 1 EGBGB erfolgreich rechtliche Eltern bestimmen. Als zweite Voraussetzung müssen diese rechtlichen Eltern verschiedene Personen sein. In den Fällen der ausländischen Leihmutterschaft, in denen die Wunscheltern dem deutschen Staat angehören, die Leihmutter und ihr Ehemann demjenigen, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wird, ist eine solche Häufung der möglichen Eltern aufgrund parallel berufener Rechte jedoch sehr unwahrscheinlich.399 Schon die erste Voraussetzung, dass überhaupt zwei Anknüpfungen zu rechtlichen Eltern führen, ist meist nicht erfüllt: Ist die Leihmutter verheiratet, führt das deutsche Recht zu einer Elternschaft der Leihmutter und ihres Mannes, während das Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft meist zu einer solchen der Wunscheltern führt.400 Die beiden Rechte führen jeweils zu der rechtlichen Elternschaft der Parteien, die in dem genannten Standardfall nicht dieser Rechtsordnung angehören. Da die Anknüpfungen der Sätze 2 und 3 jedoch nur eine rechtliche Elternschaft der Eltern nach dem eigenen Heimatrecht beziehungsweise eigenen Ehewirkungsstatut ermöglichen, laufen die Anknüpfungen der Sätze 2 und 3 in diesen Fällen leer, sodass die Abstammung allein nach Satz 1 bestimmt werden kann.401 Eine Elternhäufung ist somit ausgeschlossen. Führen die Anknüpfungen der Sätze 2 und 3 doch zu rechtlichen Eltern, wäre denkbar, dass mehrere Eltern berufen werden und eine Elternhäufung möglich ist. Ist die Leihmutter unverheiratet, kann nach deutschem Recht der Wunschvater gemäß § 1592 Nr. 1 EGBGB die Vaterschaft anerkennen. In diesem Fall wird ein deutscher Wunschvater nach seinem Heimatrecht gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB rechtlicher Vater. Teilweise weichen zudem die dargestellten Rechte von dem eben genannten Standard ab. In Großbritannien etwa sind die Leihmutter und ihr Ehemann oder ihre Lebenspartnerin gemäß Sec. 33 ff. HFEA 2008 bis zum Erlass einer parental order gemäß Sec. 54 Vgl. auch BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 26a. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b), S. 72. 401 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84 und Kapitel 2 – A.III.6., S. 95. Bezüglich der Anknüpfung des Satz 3 können Abweichungen entstehen, wenn das Ehewirkungsstatut nicht das Heimatrecht der Ehepartner ist. 399 400
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HFEA 2008 die Eltern. In diesen Fällen kann nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB die Elternschaft britischer Leiheltern begründet werden. Die erste Voraussetzung einer Elternhäufung, dass über verschiedene Anknüpfungsmomente rechtliche Eltern festgestellt werden, ist erfüllt. Allerdings führen die genannten Besonderheiten, die eine Bestimmung der Eltern nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 und 3 EGBGB ermöglichen, auch zu einem Gleichlauf zwischen den beiden Rechten und einer Identität der festgestellten rechtlichen Eltern: So kann der Wunschvater bei einer unverheirateten Leihmutter nach dem deutschen und dem Recht des Staates der Durchführung der Leihmutterschaft rechtlicher Vater werden. Eine Häufung der Eltern kommt nicht vor. Auch der anfängliche Erwerb der Mutterschaft einer britischen Leihmutter führt lediglich zu einem Gleichlauf mit § 1591 BGB. Eine Elternhäufung wäre bei Leiheltern, die dem Staat der Durchführung der Leihmutterschaft angehören, nur möglich, wenn sowohl das Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft die Elternschaft der Leiheltern annimmt als auch das deutsche Recht die Elternschaft der deutschen Wunscheltern. Diese Kombination ist bezüglich der Mutterschaft jedoch wegen § 1591 BGB ausgeschlossen, sofern das ausländische Recht, wie das deutsche, die ursprüngliche Abstammung nur verschiedengeschlechtlich zulässt. Auch bezüglich der Vaterschaft sind keine Beispiele ersichtlich. Bei deutschen homosexuellen männlichen Paaren als Wunscheltern ist eine Doppelung der Eltern ausgeschlossen. Einer der Wunschväter wird vom deutschen Recht, regelmäßig auch vom Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft wie jeder andere Wunschvater behandelt,402 weshalb eine Doppelung aus eben genannten Gründen ausgeschlossen ist. Der zweite Wunschvater kann nach deutschem Recht nie die ursprüngliche Vaterschaft erwerben, sondern höchstens adoptieren, sodass im Standardfall eine Doppelung ausgeschlossen ist.403 Eine Häufung durch parallel berufene Rechte ist allerdings bei einer Abweichung von dem dargestellten Standardfall möglich.404 Ist etwa die Wunschmutter US-Amerikanerin mit engster Verbindung (Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB) zu Kalifornien, Ukrainerin oder Griechin, so wäre sie gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB in Verbindung mit ihrem jeweiligen Heimatrecht rechtliche Mutter. In diesen Rechtsordnungen erwerben die Wunscheltern ipso iure die rechtliche Elternschaft.405 Befindet sich in diesem Fall das Kind jedoch inzwischen wieder in Deutschland, wäre gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II.2, S. 27. Hier droht, wenn überhaupt, der Mangel eines zweiten Elternteils, wenn im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht des Geburtsortes anwendbar ist und dies eine Abstammung der Leihmutter und ihres Mannes verneint, aber auch eine gemeinsame Elternschaft Homosexueller nicht vorsieht. 404 Für Fallbeispiele siehe Diel, Leihmutterschaft, 196. 405 Ausführlich siehe unten bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74. 402 403
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EGBGB in Verbindung mit § 1591 BGB die Leihmutter die Mutter.406 Denkbar wäre eine Häufung auch, wenn in Großbritannien eine Frau, die mit einer anderen Frau verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft ist, als Leihmutter agiert. In diesem Fall könnte nach deutschem Recht der Wunschvater gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 2 BGB die Vaterschaft anerkennen und als zweiter Elternteil neben die Leihmutter treten, während nach Sec. 42 HFEA 2008 die Ehefrau oder Partnerin der Leihmutter das zweite Elternteil wird. 2. Notwendigkeit der Reduktion auf zwei Elternteile Man könnte die Möglichkeit einer solchen Häufung zum Anlass nehmen, zu prüfen, ob eine Elternzahl, die zwei übersteigt, bestehen bleiben könnte, zumindest in solchen Fällen, in denen tatsächlich mehr als zwei Eltern an der sozialen Familie und an der Sorge des Kindes beteiligt sind.407 Oft wird diese Frage übergangen und unmittelbar die Prämisse angelegt, dass am Ende eine Zuordnung zu maximal einer Mutter und einem Vater bestehen darf.408 Die einzige Ausnahme bilden homosexuelle Paare, bei denen es wiederum maximal zwei Väter oder Mütter geben kann.409 Allein dass genetisch nur eine Frau und ein Mann die Eltern eines Kindes sein können, schließt zumindest theoretisch nicht aus, dass rechtlich mehr als zwei Personen die Elternschaft erwerben könnten.410 Teils wird im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht dargelegt, aus Art. 6 Abs. 2 GG lasse sich eine Begrenzung auf zwei Eltern herleiten.411 Auch wird die Reduktion mit einer entsprechenden Wertentscheidung des deutschen Sachrechts (§§ 1594 Abs. 2, 1593 S. 3 und 1755 BGB) oder dem
Vgl. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145. Im Rahmen der Leihmutterschaft ergibt sich eine Elternhäufung, wenn überhaupt, meist jedoch lediglich auf rechtlicher Ebene, nicht aufgrund einer sozialen Realität einer Elternmehrzahl. Regelmäßig wollen die Parteien eine klare Zuordnung zu einer der Familien. Zu einer Elternhäufung bei entsprechender sozialer Realität siehe Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1901 ff. Ausführlich zu dieser Frage weiterhin Kinsey, 51 San Diego L.Rev. 2014, 295; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 72 ff. 408 So fordert Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 20 X 2, S. 910 die Notwendigkeit einer Reduktion auf zwei Eltern mit der Behauptung, dass „Doppeleltern untragbar sind“ ohne dies jedoch zu begründen. Die häufig fehlenden Gründe für die Notwendigkeit der Reduktion auf einen Vater kritisieren ebenfalls Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 72; Looschelders, Anpassung, 118. 409 Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1902. 410 Looschelders, Anpassung, 118; Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1904 ff.; BeckOKHeiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 37; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 72. 411 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153; bekräftigt in BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 52; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 77. 406 407
A. Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB
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Kindeswohl begründet.412 Diese Begründung muss jedoch differenziert werden. Dass eine Elternschaft von mehr als zwei Personen gegen Grundsätze des deutschen Rechts verstößt, würde erst im Rahmen der Prüfung des ordre public-Vorbehalts relevant.413 Entscheidend ist hier die Tatsache, dass nicht nur das deutsche Recht, sondern regelmäßig auch das neben ihm anwendbare Recht nur zwei Eltern bestimmen will. Ohne Reduktion des Kreises der rechtlichen Eltern auf zwei Personen würde es somit zu einer ungewollten Normhäufung kommen, welcher schon kollisionsrechtlich zu begegnen ist.414 3. Soziale Elternschaft als Ziel der günstigsten Anknüpfung Wie bereits dargestellt, wird weit überwiegend in der Rechtsprechung und Literatur ein grundsätzlicher Gleichrang der Anknüpfungsvarianten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB angenommen,415 weshalb ein weiteres Kriterium zur Auswahl bei einer Häufung der Elternteile notwendig ist. Der telos der Mehrzahl der Anknüpfungsmomente ist es, im Interesse des Kindeswohls die Feststellung überhaupt einer Abstammung zu erleichtern.416 Ganz herrschend wird daher danach entschieden, welches Recht für das Kindeswohl am günstigsten ist (sogenanntes Günstigkeitsprinzip).417 Das Kriterium der GünstigBackmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 105 Fn. 67; Waldburg, Anpassungsprobleme, 97; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 219. 413 Müller, StAZ 1989, 301, 305. 414 So wohl auch Looschelders, Anpassung, 118 f.; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 14. Bezüglich dieser Unterscheidung unklar Witzleb, in: FS Martiny, 203, 219. Vgl. allgemein Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 34 IV 2 b, S. 239. 415 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.2., S. 30. MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 3 und 14; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Muschter, Statutenwechsel, 246; Waldburg, Anpassungsprobleme, 38; Benicke, StAZ 2013, 101, 106; BayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407; OLG Schleswig 19.8.2002, Az. 2 W 6/02, FamRZ 2003, 781, 782; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 17; Hepting, StAZ 2000, 33, 34; Hepting, IPRax 2002, 388, 390; Dörner, in: FS Henrich, 119, 120; Hepting, StAZ 2002, 129, 133 f.; Oprach, IPRax 2001, 325, 327; Henrich, StAZ 1998, 1, 3 f.; Sturm, StAZ 2003, 353, 355; AG München 7.5.2001, Az. 721 UR III 397/00, StAZ 2002, 147, 148; LG Leipzig 31.7.2001, Az. 01 T 4670/01, StAZ 2002, 146, 147; Gaaz, StAZ 1998, 241, 250 f. 416 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 3 und 14; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Waldburg, Anpassungsprobleme, 38. 417 MüKo-Klinkhardt5, Art. 19 EGBGB Rn. 3 und 14; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145; Looschelders, IPRax 1999, 420, 421; Muschter, Statutenwechsel, 246; Waldburg, Anpassungsprobleme, 38; Benicke, StAZ 2013, 101, 106; BayObLG 11.1.2002, Az. 1 Z BR 51/01, IPRax 2002, 405, 407; OLG Schleswig 19.8.2002, Az. 2 W 6/02, FamRZ 2003, 781, 782; Erman-Hohloch13, Art. 19 EGBGB Rn. 17; Hepting, StAZ 2000, 33, 34; Hepting, IPRax 2002, 388, 390; Hepting, StAZ 2002, 129, 133 f.; Oprach, IPRax 2001, 325, 327; Henrich, StAZ 1998, 1, 3 f.; AG München 7.5.2001, Az. 721 UR III 397/00, StAZ 2002, 147, 148; LG Leipzig 31.7.2001, Az. 01 T 4670/01, StAZ 2002, 146, 147; Gaaz, StAZ 412
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
keit für das Kindeswohl als Sinn der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 ist dasselbe, welches bereits über die Beachtung eines renvoi und die teleologische Reduktion der Wandelbarkeit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort entschied.418 Die Günstigkeit für das Kindeswohl ist hier wie dort gleich zu konkretisieren. Auch im Rahmen einer Elternhäufung wird somit das Recht angewandt, welches zu einer rechtlichen Elternschaft der sozialen Eltern führt. Hat die Leihmutter das Kind den Wunscheltern freiwillig übergeben und bildet sich mit diesen eine soziale Familie, setzt sich bei einer Elternhäufung das Recht durch, welches die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern begründet.419 VI. Fazit bezüglich Verweisungsmethode Im Rahmen der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist das Recht des Geburtsortes anwendbar, wenn das Kind dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte; ist sonst eine Bestimmung rechtlicher Eltern gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht möglich, reicht sogar der dortige reine Aufenthalt aus. Nach diesem Recht sind meist die Wunscheltern die rechtlichen Eltern des Kindes. Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist deutsches Recht anwendbar. Dann ist die Leihmutter die rechtliche Mutter und ihr Ehemann der Vater. Ist die Leihmutter unverheiratet, kann der Wunschvater die Vaterschaft anerkennen, §§ 1591 ff. BGB. Die Anknüpfungen der Sätze 2 und 3 begründen demgegenüber vielfach keine rechtliche Abstammung. Die primäre Ausnahme stellt hierbei der deutsche Wunschvater dar, der bei einer unverheirateten Leihmutter die Vaterschaft nach seinem Heimatrecht anerkennen kann, § 1592 Nr. 2 BGB. Werden durch die Befolgung eines renvoi, die Wandelbarkeit der Anknüpfungen von Art. 19 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB oder die Vielzahl der Anknüpfungsmerkmale des Art. 19 Abs. 1 EGBGB kumulativ oder sukzessiv verschiedene Personen zu rechtlichen Eltern, soll die Bestätigung der sozialen Elternschaft das einheitliche Kriterium sein, nach dem bestimmt wird, welche Eltern sich durchsetzen.
1998, 241, 250 f. Zu einer umfassenden Darstellung dieser Frage siehe Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 50 ff. und 79 ff. 418 Siehe oben insbes. bei Kapitel 2 – A.I.5., S. 37 sowie bei Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103. 419 So auch Witzleb, in: FS Martiny, 203, 221 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; i. E. BeckOK-Heiderhof f 34, Art. 19 EGBGB Rn. 26 und 36; Mayer, IPRax 2014, 57, 60; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 580; i. E. wohl ebenso MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 25.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
Die Abstammung des Kindes kann auch durch das internationale Zivilverfahrensrecht begründet werden. Ist im Ausland eine Entscheidung ergangen, die die Wunscheltern als rechtliche Eltern bestimmt, so kann diese unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 108 FamFG in Deutschland anerkannt werden.420 I. Grundlegendes zur verfahrensrechtlichen Anerkennung Wurde im Ausland gerichtlich über eine Frage auf dem Gebiet des Familienrechts und der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden, wird diese Entscheidung grundsätzlich in Deutschland anerkannt. Die Anerkennung erfolgt automatisch, also ohne dass es eines Feststellungsverfahrens bedarf, § 108 FamFG.421 Zwar ist ein solches Verfahren bei einem rechtlichen Interesse möglich, § 108 Abs. 2 FamFG,422 meist erfolgt die Anerkennung jedoch inzident im Rahmen eines weiteren Verfahrens, in dem der Inhalt der anzuerkennenden Entscheidung eine Vorfrage betrifft,423 etwa bei der Nachbeurkundung der Geburt gemäß § 36 Abs. 1 PStG, bei der Ausstellung eines vorläufigen Kinderreisepasses gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 6 Abs. 1 PaßG oder bei dem gerichtlichen Vorgehen gegen deren Verweigerung.424 Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen gemäß § 108 FamFG bindet dann Behörden und Gerichte in Deutschland an den Inhalt der ausländischen Entscheidung.425 Eine erneute inhaltliche Prüfung findet nicht statt.426 Jenseits der anerkennungsfähigen Wirkungen einer ausländischen Entscheidung werden die sich stellenden Rechtsfragen materiell behandelt, also durch Anwendung des gemäß dem vom Internationalen Privatrecht berufenen Sachrecht. § 109 FamFG enthält nur wenig Anerkennungshindernisse.427 Es ist unbeachtlich, ob die Entscheidung auf dem Recht beruht, das nach deutschem Siehe zu diesem Komplex schon Duden, StAZ 2014, 164. Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 104. 421 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 16/6308, 2007, 222; Keidel-Zimmermann18, § 108 FamFG Rn. 1; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 1 und 21; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Geimer, IZPR7, Rn. 2797; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 39. 422 Vgl. dazu Keidel-Zimmermann18, § 108 FamFG Rn. 67 ff.; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 2. 423 MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 21 f.; Gottwald, ZZP 1990, 257, 260; Prütting/ Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 41. 424 Vgl. Benicke, StAZ 2013, 101, 104. 425 Vgl. Geimer, IZPR7, Rn. 2994. 426 Wagner, FamRZ 2006, 744, 752; Geimer, IZPR7, Rn. 2910. 427 Wagner, FamRZ 2006, 744, 752. 420
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Kollisionsrecht anzuwenden gewesen wäre.428 Die Rechtsfrage wird dem deutschen internationalen Privatrecht entzogen und es kann zu Ergebnissen kommen, die von denjenigen abweichen, die das Gericht unter Anwendung des deutschen Kollisionsrechts erreicht hätte.429 Inhaltlich bleibt lediglich die Kontrolle des ordre public-Vorbehalts, § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG.430 Eine solch wohlwollende Anerkennung erfolgt aus verschiedenen Gründen. Zunächst soll es den Parteien erspart bleiben, bei internationalen Sachverhalten dieselbe Frage von verschiedenen Gerichten, eventuell mit unterschiedlichen Ergebnissen und so drohenden hinkenden Rechtsverhältnissen, behandeln lassen zu müssen.431 Bei einer zu rigorosen inhaltlichen Kontrolle der Entscheidung würde dieses Ziel gefährdet. Eine inhaltliche Kontrolle unterbleibt zudem weitgehend, da von einer Gleichwertigkeit der Gerichte der verschiedenen Staaten ausgegangen wird und ein gegenseitiges Vertrauen statuiert wird.432 Hat sich ein ausländisches Gericht mit einer Frage inhaltlich auseinandergesetzt, so soll grundsätzlich auf dessen Entscheidung vertraut und diese erst bei einem möglichen ordre public-Verstoß in Frage gestellt werden.433 II. Anerkennungsfähige Entscheidung, § 108 FamFG Die Anerkennung gemäß §§ 108 f. FamFG genießt Vorrang vor der Anwendung der Verweisungsmethode. Da die materielle Behandlung der Rechtsfrage dabei weitgehend dem Zugriff deutscher Gerichte entzogen ist, ist genau zu untersuchen, welche Akte ausländischer Gerichte in den Genuss dieses Privilegs kommen können. 1. Art der Mitwirkung der ausländischen Gerichte bei Leihmutterschaften In Fällen der Leihmutterschaft soll letztlich eine private Abrede über die familienrechtliche Zuordnung eines Kindes entscheiden und eine Abweichung vom Normalfall der familienrechtlichen Zuordnung eines Neugeborenen bewirken. Um Rechtsicherheit zu ermöglichen und Kinderhandel sowie ein Unterlaufen des Adoptionsverfahrens zu verhindern, wird diese Abrede in 428 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 385; Schack, IZVR6, Rn. 869; Wagner, FamRZ 2006, 744, 746; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 22; Henrich, StAZ 1994, 173, 173. Teilweise wird diesem Befund widersprochen; vgl. Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 385 ff.; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 22. 429 Wagner, FamRZ 2006, 744, 746 f.; Diel, Leihmutterschaft, 151. 430 Geimer, IZPR7, Rn. 2912. Siehe unten bei Kapitel 3 – S. 133. 431 Schack, IZVR6, Rn. 877 ff.; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 3; Wagner, FamRZ 2006, 744, 745. 432 Schack, IZVR6, Rn. 880; Wagner, FamRZ 2006, 744, 752; Geimer, IZPR7, Rn. 2751; Benicke, StAZ 2013, 101, 105. 433 Schack, IZVR6, Rn. 880; Benicke, StAZ 2013, 101, 105.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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den meisten Rechtsordnungen, die Leihmutterschaften zulassen, gerichtlich oder behördlich überprüft beziehungsweise dokumentiert. Ähnlich vielfältig wie die verschiedenen Regelungen der Zulässigkeit der Leihmutterschaft ist auch die prozessuale Einbettung.434 Sie reicht von gerichtlichen Akten mit umfassender Sachprüfung über gerichtliche Beurkundungen der Leihmuttervereinbarungen bis hin zu der nachträglichen Ausstellung einer Geburtsurkunde ohne eigene Sachprüfung. In Kalifornien kann bereits vor Geburt eine gerichtliche Feststellung des Bestehens einer Eltern-Kind-Beziehung zu den Wunscheltern beantragt werden, Sec. 7962 beziehungsweise Sec. 630 und Sec. 7633 California Family Code.435 Liegt eine solche Entscheidung vor, können die Wunscheltern unmittelbar in die Geburtsurkunde eingetragen werden.436 In Griechenland muss ein Gericht schon vor der Befruchtung die Leihmutterschaft erlauben, Art. 1458 griechisches ZGB.437 Im Anschluss werden die Wunschmutter, sowie gegebenenfalls ihr Ehemann oder Partner unmittelbar bei Geburt rechtliche Eltern, Art. 1464 Abs. 1 und Art. 1465 beziehungsweise Art. 1456 Abs. 1, Art. 1463 und Art. 1475 Abs. 2 griechisches ZGB.438 Liegt eine solche Erlaubnis vor, werden die Wunscheltern in der Geburtsurkunde eingetragen, die Leihmutter taucht dort nicht auf.439 Im Vereinigten Königreich erwerben die Wunscheltern die Elternschaft ähnlich wie bei einer Adoption. Zunächst sind – wie im deutschen Recht – die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Ehemann oder ihre Lebenspartnerin die Eltern, Sec. 33 ff. HFEA 2008. Erst durch eine gerichtliche parental order erlischt deren Elternschaft und diejenige der Wunscheltern wird begründet.440 In ähnlicher Weise erwerben die Wunscheltern in Israel die Elternschaft. Dort ist nach der Geburt das Kind zunächst elternlos, erst durch die gerichtliche Entscheidung werden die Wunscheltern zu den rechtlichen Eltern, §§ 11 f. Gesetz 5756-1996 über Austragung von Embryonen.441 Wie in Griechenland muss auch in Israel vor der Befruchtung die Leihmutterschaft
Diel, Leihmutterschaft, 141 f. Vgl. Hutchinson u. a., 41 Family Law 2011, 1104, 1105; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145; Helms, StAZ 2013, 114, 118. 436 Hutchinson u. a., 41 Family Law 2011, 1104, 1105; Pinkerton, Surrogacy; Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449, 461. 437 Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 f.; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1256. 438 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(3), S. 78. 439 Rokas, in: Surrogacy, 143, 148 f.; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1427. 440 Sec. 54 HFEA 2008. Vgl. Scherpe, FamRZ 2010, 1513, 1515. 441 Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 171; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 46; Shalev, in: Gestation pour autrui, 179, 182 f. 434 435
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
erlaubt werden, anders als in Griechenland jedoch durch ein nicht juristisches Komitee und nicht ein Gericht.442 In Indien wirken hingegen grundsätzlich keine Gerichte im Rahmen der Leihmutterschaft mit. Es wird lediglich vom Registrar of Births and Deaths eine Geburtsurkunde ausgestellt, die bei Geburten in einem Krankenhaus auf den Angaben der zuständigen Ärzte beruht.443 Auch in der Ukraine ergibt sich die Elternschaft der Wunscheltern bereits aus Art. 123 Abs. 2 ukrainisches FamGB; Gerichte müssen nicht mitwirken.444 Die gerichtlichen oder behördlichen Akte unterscheiden sich stark. Nicht alle müssen gleichermaßen einer Anerkennung gemäß § 108 FamFG zugänglich sein; es stellt sich die Frage, was eine „Entscheidung“ im Sinne des § 108 FamFG ausmacht. 2. Der Ursprung der „Entscheidung“ im Sinne des § 108 FamFG Anerkannt werden zunächst gerichtliche Entscheidungen.445 Ob es sich bei der erlassenden Stelle um ein Gericht handelt, wird durch Analyse ihrer Funktion aus der Sicht des deutschen Rechts bestimmt.446 Es muss sich um eine mit staatlicher Autorität bekleidete Stelle handeln, die nach dem Recht des Entscheidungsstaates befugt ist, in einem förmlichen Verfahren privatrechtliche Fragen zu entscheiden.447 Ob die Institution als Gericht bezeichnet wird, ist unbeachtlich.448 Auch Akte von Behörden können anerkannt werden, wenn sie im genannten Sinne nach deutschem Verständnis eine gerichtliche Funktion einnehmen, also mit staatlicher Autorität ausgestattet sind und für die Entscheidung im Einzelfall zuständig sind.449 Schon sein Wortlaut („ausländische Entscheidung“) zeigt, dass § 108 FamFG hier offener ist als § 328 ZPO („Urteil eines 442 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 231 f.; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 35; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 166. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(5), S. 82. 443 Sec. 8(b) Registration of Births and Deaths Act 1969; High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008, Rn. 17. 444 Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358. 445 Statt vieler Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 4. 446 MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 10; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 497. 447 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 498; Habscheid, FamRZ 1981, 1142, 1145; Geimer, IZPR7, Rn. 2851 und 2870; Geimer, in: FS Ferid, 89, 97; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung2, 64. 448 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 498. 449 MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 10; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 5; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung2, 64 f.; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 519; Maurer, FamRZ 2003, 1337, 1338 f.; Geimer, in: FS Ferid, 89, 97; MüKo-Gottwald 4, § 328 ZPO Rn. 57.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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ausländischen Gerichts“).450 Entscheidend sind die Art der Entscheidung und die Funktion des handelnden Organs, nicht dessen Rechtsnatur.451 In den oben dargestellten Fällen handeln grundsätzlich Gerichte, sodass insoweit hier keine Bedenken auftauchen. Behörden stellen lediglich die Geburtsurkunden aus. Allein die Anerkennung einer israelischen Erlaubnis einer Leihmutterschaft scheitert schon an diesem Punkt, da es sich bei dieser primär um eine medizinisch-psychologische Prüfung und nicht eine rechtliche handelt.452 3. Die Art der „Entscheidung“ im Sinne des § 108 FamFG „Entscheidungen“ im Sinne des § 108 FamFG müssen solche sein, die nach einem rechtlich geordneten Verfahren eine Rechtsfrage endgültig entscheiden, unabhängig von deren Bezeichnung. 453 Wie der Wortlaut des § 108 FamFG schon nahelegt, muss durch den ausländischen Akt etwas „entschieden“ worden sein.454 Das Gericht muss sich mit der Sache befasst und eine eigenständige Entscheidung getroffen haben, für die es bereit ist, Gewähr zu übernehmen.455 Nur wenn das ausländische Gericht die Angelegenheit tatsächlich in der Sache geprüft hat, kann in Deutschland auf eine eigenständige Prüfung verzichtet werden. Hat das ausländische Gericht die Sache nicht geprüft und entschieden, besteht kein Anlass für ein Vertrauen in den Inhalt der Entscheidung.456 a) Sonderfall: Beurkundung oder Registrierung Eine Besonderheit stellen Fälle dar, in denen ein Gericht oder eine Behörde beurkundend oder registrierend tätig wird,457 wenn es also etwa den Abschluss einer Leihmutterschaftsvereinbarung beurkundet, die Wunscheltern So zu § 1 FamRÄndG Gärtner, Privatscheidung, 161. Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 519 ff. 452 Shakargy, in: Surrogacy, 231, 232; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 38; Weisberg, Israel, 196. 453 Ob eine Entscheidung vorliegt, ist nach deutschem Recht als dem Recht des Anerkennungsstaates zu bestimmen. Koch, in: FS Schumann, 267, 272; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 15; Geimer, in: FS Ferid, 89, 91; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 464 f.; Geimer, IZPR7, Rn. 2851; Schütze, ZZP 1964, 287, 289. 454 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 469. Es sei etwa kein Urteil i. S. d. § 328 ZPO, „wenn lediglich Parteierklärungen entgegengenommen oder beurkundet werden.“ 455 Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 99; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 469; Koch, in: FS Schumann, 267, 279. 456 Vgl. Schack, IZVR6, Rn. 880 ff.; Wagner, FamRZ 2006, 744, 752; Geimer, IZPR7, Rn. 2751. 457 Oft fallen bei ausländischen Urkunden zwei Problemkreise zusammen: Neben der hier geschilderten Problematik kommt es oft vor, dass Behörden die Urkunden ausstellen und nicht Gerichte. Allein dies schließt eine Anerkennung jedoch nicht aus. Siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.2., S. 114. 450 451
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
als Eltern in das Personenstandsregister einträgt oder eine Geburtsurkunde ausstellt, in der die Wunscheltern als Eltern auftauchen.458 Grundsätzlich findet in diesen Fällen keine Sachprüfung oder Entscheidung statt.459 Der Abschluss der Leihmuttervereinbarung wird lediglich dokumentiert, die Geburtsurkunde meist anhand der Angaben der Klinik und der Erklärungen der Beteiligten ausgefüllt.460 So wird in Indien bei einer Geburt im Krankenhaus die Geburtsurkunde anhand der Angaben des zuständigen Arztes ausgefüllt ohne Prüfung der Sach- oder Rechtslage.461 In Kalifornien werden demgegenüber die Wunscheltern nur aufgrund einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung in die Geburtsurkunde eingetragen.462 Auch in Griechenland wird die Geburtsurkunde auf Grundlage der gerichtlichen Erlaubnis der Leihmutterschaft ausgestellt.463 Die Sachprüfung erfolgt jedoch in diesen Fällen nicht beim Ausstellen der Geburtsurkunde, sondern bei der vorherigen Entscheidung des Gerichts. Verlässt sich das Gericht oder die Behörde also auf die Angaben der Beteiligten und nimmt keine eigene Prüfung vor, kann man nicht von einer „Entscheidung“ sprechen.464 § 108 FamFG geht davon aus, dass eine erneute Prüfung nicht notwendig ist, da das ausländische Gericht bereits die Sache geprüft und über sie entschieden hat.465 Bei einer beurkundenden oder registrierenden Tätigkeit des Gerichts ist somit grundsätzlich eine Anerkennung ausgeschlossen.466 Es bleibt bei der Bestimmung der Rechtslage gemäß der lex causae.467 Zu möglichen besonderen Vorgaben bei einer Leihmutterschaft im EU-Ausland siehe unten bei Kapitel 4 – A.II., S. 253. Sowie allgemein Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82. 459 Vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3; Hepting, FamRZ 1997, 1481, 1482; Geimer, IZPR7, Rn. 2860. 460 So etwa bezüglich einer Eintragung im israelischen Geburtenregister VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 71. 461 Sec. 8(b) Registration of Births and Deaths Act 1969, High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008, Rn. 17. 462 Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich – California209, 26; Hutchinson u. a., 41 Family Law 2011, 1104, 1105; Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449, 461; Pinkerton, Surrogacy. 463 Rokas, in: Surrogacy, 143, 148 f.; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1427. 464 Vgl. Koch, in: FS Schumann, 267, 279. 465 Vgl. Schack, IZVR6, Rn. 880; Wagner, FamRZ 2006, 744, 752; Geimer, IZPR7, Rn. 2751; Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315. 466 Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 13 f.; Schack, IZVR6, Rn. 912; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; Wagner, FamRZ 2006, 744, 748; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 469; Geimer, in: FS Ferid, 89, 96; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 8; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3; Witzleb, in: FS Martiny, 203, 207; KG Berlin 4.4.2006, Az. 1 W 369/05, FamRZ, 1405, 1406; Lurger, IPRax 2013, 282, 286; Wagner, StAZ 2012, 294, 297; Diel, Leihmutterschaft, 155 f.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 578 f. 458
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Prüft das ausländische Gericht ausnahmsweise doch die Sache und entscheidet über diese, scheint die Anerkennung grundsätzlich möglich zu sein.468 Ein andere Ansicht bestimmt die Anerkennungsfähigkeit beurkundender Akte danach, ob sie rein deklaratorisch oder konstitutiv sind.469 Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum deklaratorische Akte, die nach Prüfung und Entscheidung über die Sache ergehen, von der Anerkennung grundsätzlich ausgeschlossen werden sollten.470 Dies gilt insbesondere, da bei nicht beurkundenden ausländischen Entscheidungen die Feststellungswirkung als Teil der materiellen Rechtskraft anerkannt wird.471 Bei deklaratorischen Entscheidungen wird oft eine Anerkennung jedoch ohnehin letztlich daran scheitern, dass diese nach dem Recht des Ursprungsstaates keine bindende Wirkung für spätere Verfahren, keine materielle Rechtskraft entfalten.472 b) Sonderfall: Vaterschaftsanerkennung Mangels einer gerichtlichen Entscheidung können auch Erklärungen, wie eine Vaterschaftsanerkennung, nicht im Sinne des § 108 FamFG anerkannt werden, selbst wenn eine Behörde oder ein Gericht diese registriert.473 Ihre Wirksamkeit bestimmt sich nach dem anwendbaren Recht.474 Ob eine im Ausland erklärte Vaterschaftsanerkennung im Rahmen des deutschen Rechts beachtet werden kann, ist eine Frage der Substitution, nicht der verfahrensrechtlichen Anerkennung.475 Kommt es nach der Erklärung zu einer gerichtlichen Prüfung der Anerkennung und Feststellung der Vaterschaft oder wird die Vaterschaft erst durch Geimer, IZPR7, Rn. 2866; Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314 ff. Die Existenz einer gerichtlichen Beurkundung kann dabei jedoch im Rahmen von Art. 11 EGBGB bedeutsam sein. Vgl. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314; Geimer, in: FS Ferid, 89, 96 und Fn. 72. 468 MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 13 f.; Wagner, FamRZ 2006, 744, 748; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 470; OLG Breslau 9.5.1938, Az. 8 U 2266/37, IPRspr. 1935– 1944 Nr. 313, 661, 666; Benicke, StAZ 2013, 101, 105; KG Berlin 4.4.2006, Az. 1 W 369/05, FamRZ, 1405, 1406; vgl. Schlosser, EUZPR3, Art. 57 EuGVVO Rn. 2. Stellt das ausländische Gericht etwa die Wirksamkeit einer Leihmutterschaftsvereinbarung fest, so ist diese Feststellung anzuerkennen. Siehe etwa VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 29. 469 So etwa Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. I–91 und I–102; Diel, Leihmutterschaft, 155 f. 470 Görgens, StAZ 1977, 79, 79; Gärtner, Privatscheidung, 161 f.; vgl. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 97. 471 Siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa), S. 119. 472 Koch, in: FS Schumann, 267, 278 f. 473 MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 13. 474 MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 13; vgl. KG Berlin 4.4.2006, Az. 1 W 369/05, FamRZ, 1405, 1406. 475 Looschelders, IPRax 1999, 420, 424. 467
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
eine gerichtliche Prüfung wirksam, so kann diese Entscheidung anerkannt werden.476 4. Umfang der Anerkennung einer „ausländischen Entscheidung“ Bezüglich der Reichweite der Anerkennung geht die herrschende Meinung von einer Wirkungserstreckung aus.477 Bei der Anerkennung werden somit die Wirkungen übernommen, die die Entscheidung nach ihrem Ursprungsrecht hätte, statt der Entscheidung die Wirkungen zu verleihen, die ein entsprechendes deutsches Urteil hätte (Gleichstellung).478 a) Anerkennung nur der unmittelbaren Folgen Anerkannt werden nur die Wirkungen der Entscheidung an sich, also nur diejenigen, die sich nach ihrem Heimatrecht unmittelbar aus dem Prozess ergeben.479 Es kommen hier insbesondere die Feststellungswirkung,480 als Teil der materiellen Rechtskraft,481 und die Gestaltungswirkung482 in Betracht.483 Unerheblich ist somit, ob die Entscheidung konstitutiv wirkt oder deklaratorisch.484 Welche mittelbaren Folgen eine Entscheidung im Rahmen 476 Vgl. MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 13. Dieser will jedoch nur konstitutive gerichtliche Entscheidungen anerkennen. 477 Etwa Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 364; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 18; Müller, ZZP 1966, 199, 261; Geimer, IZPR7, Rn. 2776; Geimer, in: FS Ferid, 89, 90; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 10; MüKo-Gottwald4, § 328 ZPO Rn. 4; Maurer, FamRZ 2003, 1337, 1340 f.; vgl. Drobnig, in: FS von Caemmerer, 687, 699 ff. 478 Statt vieler Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 363 ff.; Schack, IZVR6, Rn. 881. 479 Welche Wirkungen als unmittelbar prozessual und damit anerkennungsfähig zu qualifizieren sind, richtet sich nach hiesigem Recht: Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 373; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 43; Geimer, IZPR7, Rn. 2787; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 18. 480 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 374; Schack, IZVR6, Rn. 867; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Geimer, IZPR7, Rn. 2801 ff.; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 20. 481 Vgl. Hess, Zivilprozessrecht30, § 62 Rn. 2; Arens/Lüke, Zivilprozessrecht10, Rn. 352. 482 Geimer, in: FS Ferid, 89, 91; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 403; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 20; Lorenz, FamRZ 1966, 465, 477 f.; Schack, IZVR6, Rn. 869; Müller, ZZP 1966, 199, 220; Geimer, IZPR7, Rn. 2813 ff.; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 13; BayObLG 7.6.1967, Az. 2 Z 81/65, IPRspr. 1966–1967 Nr. 261, 802, 804 f.; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung2, 24. 483 Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 13; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 373; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 20; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Schütze, ZZP 1964, 287, 289; Geimer, IZPR7, Rn. 2799 und 2853; Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 147 ff.; vgl. auch Geimer, IPRax 2004, 419, 420 f. 484 Görgens, StAZ 1977, 79, 79; Gärtner, Privatscheidung, 161 f.; vgl. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 97; a. A. BGH 21.2.1990, Az. XII ZB 203/87, FamRZ 1990, 607, 608; BayObLG 12.9.2002, Az. 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381, 382; wohl auch Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. I–91 und I–102.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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des materiellen Rechts auslöst, bestimmt sich eigenständig anhand des anwendbaren Rechts.485 aa) Anerkennung der Feststellung der Abstammung Zunächst soll die Möglichkeit der Anerkennung der Feststellungswirkung ausländischer Entscheidungen thematisiert werden. Die Anerkennung wirkt dabei soweit, wie eine Feststellung nach ihrem Ursprungsrecht auch an der materiellen Rechtskraft Teil hat und somit für spätere Verfahren bindet.486 Die objektive (betroffene Sachfrage) und subjektive (erfasster Personenkreis) Rechtskraft ergibt sich aus dem Recht des Entscheidungsstaates.487 Der Tenor der Entscheidung zeigt dabei die Reichweite der Rechtskraft im konkreten Fall.488 (1) Kalifornische Feststellungsurteile Ein Beispiel für eine anerkennungsfähige ausländische Entscheidung, welche die Abstammung des Kindes feststellt, bietet das kalifornische Recht.489 Dort kann bereits vor der Geburt eine gerichtliche Feststellung des Bestehens einer Eltern-Kind-Beziehung beantragt werden, Sec. 7962 beziehungsweise Sec. 7630 und Sec. 7633 California Family Code.490 Gegenstand der Entscheidung ist dabei unmittelbar die Feststellung des Bestehens dieser Beziehung;491 dies wohl auch mit erga omnes-Wirkung.492 Sec. 7962(f)(2) zeigt, Hierzu steht es nicht im Widerspruch, wenn zwar eine konstitutive Entscheidung verlangt wird, der Begriff „konstitutiv“ jedoch nicht als Gegensatz zu „deklaratorisch“ verwendet wird, sondern zu mittelbaren Wirkungen einer Entscheidung abgrenzen soll. In diesem Sinne bezeichnet Henrich etwa griechische gerichtliche Erlaubnisse der Leihmutterschaft als „nicht konstitutiv“, da die Abstammung sich erst durch die mittelbare Tatbestandswirkung der Entscheidung ergibt. Eine solche gerichtliche Entscheidung könne somit die Bestimmung der rechtlichen Eltern anhand des anwendbaren Rechts nicht ersetzen. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146. Im Ergebnis ist dem voll zuzustimmen. (Siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4.b), S. 124). 485 Geimer, IZPR7, Rn. 2786 und 2799; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 373 und 384; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Wagner, FamRZ 2011, 609, 614; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 18; gewisse mittelbare Wirkungen anerkennen will Müller, ZZP 1966, 199, 225 f. 486 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 374 und 384; Koch, in: FS Schumann, 267, 278 f.; a. A. Diel, Leihmutterschaft, 161. 487 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 375 und 378; Koch, in: FS Schumann, 267, 278 f.; Geimer, IZPR7, Rn. 2804. 488 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 376. 489 Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2673; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 556 f.; Dethloff, JZ 2014, 922, 925. 490 Vgl. Hutchinson u. a., 41 Family Law 2011, 1104, 1105; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1145. 491 Sec. 7962: „An action to establish the parent-child relationship between the intended parent or parents and the child as to a child conceived pursuant to an assisted reproduc-
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
dass dabei eine Prüfung und Entscheidung in der Sache erfolgt. Eine solche Entscheidung kann somit in Deutschland grundsätzlich anerkannt werden gemäß § 108 FamFG.493 (2) Sonderfall: Entscheidungen, die ausdrücklich nur die genetische Abstammung oder Wirksamkeit der Leihmuttervereinbarung feststellen Eine Besonderheit können solche ausländischen Entscheidungen darstellen, die ausdrücklich nur die genetische Elternschaft der Wunscheltern oder die Wirksamkeit der Leihmuttervereinbarung feststellen. Derartige Entscheidungen können daher rühren, dass in manchen Rechtsordnungen, in denen die Leihmutterschaft zulässig ist, ein Verständnis der Abstammung als abstrakter Rechtsfrage nicht existiert.494 Schließen diese Rechtsordnungen von der genetischen Abstammung auf die rechtliche oder erkennen sie die Leihmuttervereinbarung auch mit Auswirkung auf die Abstammung des Kindes als wirksam an, können entsprechende Entscheidungen ein funktionales Äquivalent zu einer unmittelbaren Feststellung der rechtlichen Abstammung darstellen und als solche anerkannt werden gemäß § 108 FamFG.495 Dies ist der Fall, wenn die ausländische Entscheidung nach hiesigem Verständnis funktional für spätere Verfahren bindend auch die rechtliche Elternschaft feststellt.496 Zwei Fälle des VG Köln aus dem Jahre 2013 können hier als Beispiel dienen. Der erste Fall war ein deutsch-indischer Fall, in dem implizit die Anerkennung einer Entscheidung des indischen District Court Saket, New Delhi, abgelehnt wurde. Die Entscheidung hatte lediglich die genetische Elternschaft des Wunschvaters und die Bindungswirkung der Leihmuttervereinbarung für die Beteiligten festgestellt.497
tion agreement for gestational carriers“. Sec. 7630(a): „bring an action […] for the purpose of declaring the existence of the parent and child relationship“. 492 Sec. 7962(f)(2): „the judgment or order shall establish the parent-child relationship of the intended parent or intended parents identified in the surrogacy agreement and shall establish that the surrogate, her spouse, or partner is not a parent of, and has no parental rights or duties with respect to, the child or children. The judgment or order shall terminate any parental rights of the surrogate and her spouse or partner“. 493 So wohl auch Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146 f.; Benicke, StAZ 2013, 101, 104; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 18; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; dazu Duden, ZEuP, 2015, im Erscheinen. 494 Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314; Stone, EU PIL, 212; Leutner, Urkunden, 138; Metzner, StAZ 1980, 229, 230; vgl. Bergmann, StAZ 1954, 63, 65. 495 Siehe dazu bereits Duden, StAZ 2014, 164, 167. 496 Vgl. Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 373 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 17 I; Geimer, IZPR7, Rn. 2780 und 2787. 497 VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris; District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11.
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Dass in der indischen Entscheidung nicht zwischen der genetischen und rechtlichen Abstammung unterschieden wird, überrascht wenig: Indisches Recht kennt die rechtliche Elternschaft als abstrakte Rechtsfrage nicht. Im Vordergrund stehen die Wirkungen der Elternschaft, etwa die Vormundschaft oder Unterhaltspflicht, sowie die Ehelichkeit.498 Neben der genetischen Vaterschaft des Wunschvaters stellte das indische Gericht fest, dass die Leihmuttervereinbarung wirksam sei und die Parteien an die Erklärungen, die sie im Verfahren abgaben, gebunden seien. So hatte die Wunschmutter angegeben, sie werde mit ihrem Ehemann umfassend als Mutter und Vater für das Kind sorgen.499 Die Leihmutter bekundete, durch die Vereinbarung gebunden zu sein. Auch ihr Ehemann erklärte, der Vereinbarung zugestimmt zu haben und sich an diese halten zu wollen. Beide hatten keine Beziehung mehr zu dem Kind oder den Wunscheltern und wollten keine Rechte bezüglich des Kindes geltend machen.500 Die Entscheidung scheint das Kind den Wunscheltern umfassend und ausschließlich rechtlich zuzuordnen. Die Entscheidung kommt somit funktional einer Feststellung – oder einer Gestaltung501 – der rechtlichen Abstammung von den Wunscheltern gleich. Die Entscheidung ist insoweit anerkennungsfähig gemäß § 108 FamFG.502 Der zweite Fall des VG Köln aus dem Jahre 2013 betrifft Israel.503 Es handelt sich jedoch um einen etwas ungewöhnlichen Fall: Ein in Israel lebender homosexueller Deutscher hatte in Indien mit seinem Lebenspartner eine Leihmutterschaft durchgeführt. Als Homosexuelle war ihnen eine solche in Israel nicht möglich.504 Der deutsche Wunschvater beantragte nun in Deutschland die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes, welche dieses wegen seiner Vaterschaft erworben haben sollte. Dabei legte er eine Entscheidung des Familiengerichts der Stadt Tel Aviv zur Anerkennung vor, in der seine genetische Vaterschaft festgestellt wurde.505 498 Diwan/Diwan, Family Law9, 311 ff.; Agnes, Family Law, Bd. 2, 129 ff. und 243 ff.; Diwan/Jain/Diwan, Adoption, Minority, Guardianship and Custody3, 94 ff., 219, 222 f. und 246. 499 „[W]ould take full care of the child as the mother and the father and would provide all need, love and affection to the child.“ District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11. 500 „[T]he defendants have no intention of claiming any stake and right over the baby girl born out of the Surrogacy Agreement“. District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11. 501 Ob die Entscheidung feststellend oder gestaltend wirkt, hängt davon ab, ob nach indischem Recht schon ab Geburt das Kind rechtlich ein solches der Wunscheltern war. Insoweit ist das indische Recht jedoch unklar. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84. 502 Anders: VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 29. 503 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris. 504 Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 45; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235. 505 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 19 ff.
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Dieser Fall liegt anders als der indische Fall: Zwar wird auch in der israelischen Entscheidung die genetische Abstammung festgestellt, es wird jedoch auch betont, dass der Wunschvater beweisen müsse, dass die deutsche Rechtsordnung das Kind als seinen rechtlichen Sohn anerkenne.506 Diese Einschränkung zeigt, dass die Entscheidung, auch bei funktionaler Betrachtung, nur die genetische und nicht die rechtliche Elternschaft feststellt.507 Für die Differenzierung zwischen genetischer und rechtlicher Elternschaft in der Entscheidung spricht, dass auch sonst bei einer Leihmutterschaft in Israel die Wunscheltern nicht allein wegen ihrer allfälligen genetischen Elternschaft die rechtliche Elternschaft erwerben, sondern dass es hierfür eines Elternschaftsdekretes bedarf.508 Eine solche Entscheidung kann somit nicht als Feststellung der rechtlichen Elternschaft anerkannt werden.509 bb) Anerkennung der Gestaltung der Abstammung Auch die Gestaltungswirkung einer ausländischen Entscheidung wird gemäß § 108 FamFG anerkannt, wobei in Fällen, in denen weder das Ursprungsrecht der Entscheidung noch das deutsche Recht die lex causae sind, Einzelheiten strittig sind.510 In den hier besprochenen Fällen ist jedoch die lex causae entweder deutsches Recht oder dasjenige des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft, dem auch die Entscheidung entstammt. Die Gestaltungswirkung tritt so ein, wie sie im Entscheidungsstaat eingetreten wäre. Da die Gestaltung in ein materielles Recht eingebettet ist, ergibt sich die genaue Wirkung aus diesem Recht, also aus der im Entscheidungs-
VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 19 ff. Auch eine mögliche Anerkennung dieser Feststellung ist unklar, da aus den Auszügen der israelischen Entscheidung nicht ersichtlich ist, ob die Feststellung in Rechtskraft erwachsen soll. 508 §§ 10 ff. Gesetz 5756-1996; vgl. Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 46; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 171. 509 Sofern bei Anwendbarkeit deutschen Rechts als lex causae noch keine Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 1 oder 2 BGB besteht, könnte eine solche Entscheidung jedoch eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gem. § 1600d BGB substituieren und eine Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 3 BGB begründen. Siehe unten bei Kapitel 2 – B.II.4.b)bb), S. 126. So bereits Duden, StAZ 2014, 164, 168. 510 Müller, ZZP 1966, 199, 215 ff.; Wengler, in: Internationales Privatrecht, 435, 439 ff.; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 403; MüKo-Rauscher, § 108 FamFG Rn. 13; Lorenz, FamRZ 1966, 465, 477 f.; Schack, IZVR6, Rn. 869; Geimer, NJW 1974, 1026, 1027; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Geimer, IZPR7, Rn. 2813; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 22; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung2, 24 ff.; Hausmann, Gestaltungskraft, 204 f. 506 507
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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staat angewandten lex causae.511 Aus diesem ergibt sich auch, ob eine Entscheidung überhaupt gestaltend wirkt.512 (1) Britische parental orders Bedeutsam wird die Anerkennung einer Gestaltungswirkung in Fällen, in denen die Abstammung ursprünglich der Leihmutter und gegebenenfalls ihrem Partner beziehungsweise ihrer Partnerin zugeschrieben und danach, durch gerichtliche Entscheidung, auf die Wunscheltern übertragen wird. Das britische Recht geht in den Sec. 33 ff. HFEA 2008 so vor: Zunächst sind die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Ehemann oder ihre Lebenspartnerin die rechtlichen Eltern. Ist die Leihmutter unverheiratet, kann der Wunschvater oder die Wunschmutter zweiter Elternteil werden.513 Eine gemeinsame Elternschaft der Wunscheltern bewirkt erst der Erlass einer parental order, Sec. 54 HFEA 2008, die in den Rechtsfolgen der Adoption entspricht.514 Mit ex nunc-Wirkung515 wird durch die order die Abstammung auf die Wunscheltern übertragen, die Elternschaft anderer Personen erlischt.516 Die Entscheidung wirkt erga omnes. Vor ihrem Erlass werden zahlreiche Voraussetzungen gründlich und umfassend geprüft.517 Es handelt sich hierbei um eine Entscheidung im Sinne des § 108 FamFG, die grundsätzlich in Deutschland anerkannt wird.518 Allerdings wird eine solche order in den hier relevanten Fällen selten vorliegen, da gemäß Sec. 54(4)(b) HFEA 2008 einer der Wunscheltern sein domicile im Vereinigten Königreich haben muss.
511 Geimer, IZPR7, Rn. 2816 f.; Görgens, StAZ 1977, 79, 79; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 413; Jayme, IPRax 1983, 169, 169 f. 512 Geimer, IZPR7, Rn. 2816; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 413; Görgens, StAZ 1977, 79, 79. 513 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(4), S. 80. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 558 f. 514 Bezüglich der Rechtsfolge wird zum Teil auf Adoptionsvorschriften verwiesen: Sec. 55(1) HFEA 2008, Sec. 2 und Schedule 1 Human Fertilisation and Embryology (Parental Orders) Regulations 2010/985, Sec. 46(1) und (2) Adoption and Children Act 2002. 515 Sec. 2 und Schedule 1 Human Fertilisation and Embryology (Parental Orders) Regulations 2010/985, Sec. 46(3) Adoption and Children Act 2002. 516 Sec. 54 (1) HFEA 2008: „order providing for a child to be treated in law as the child of the applicants“. Sec. 55(1) HFEA 2008, Sec. 2 und Schedule 1 Human Fertilisation and Embryology (Parental Orders) Regulations 2010/985, Sec. 46(1) und (2) Adoption and Children Act 2002. 517 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(4), S. 80. 518 So auch Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146 f.; Benicke, StAZ 2013, 101, 104.
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(2) Israelische Elternschaftsdekrete Ähnlich wird die Abstammung der Wunscheltern in Israel begründet. Nach der Geburt hat das Kind dort zunächst keine rechtlichen Eltern. Erst durch eine gerichtliche Entscheidung wird mit erga omnes-Wirkung die Elternschaft der Wunscheltern begründet, §§ 11 f. Gesetz 5756-1996 über Austragung von Embryonen.519 Auch diese Entscheidung wird gemäß § 108 FamFG grundsätzlich in Deutschland anerkannt, wird jedoch ebenfalls eher selten vorliegen, da gemäß § 2 Abs. 2 Gesetz 5756-1996 die Wunscheltern und die Leihmutter ihren Wohnsitz in Israel haben müssen.520 cc) Elternschaft durch Feststellung oder Gestaltung Vorbehaltlich der Anerkennungshindernisse des § 109 FamFG wird somit eine ausländische Entscheidung, die unmittelbar die Abstammung feststellt oder gestaltet, in Deutschland anerkannt. Sie entfaltet hier dieselbe Wirkung wie in ihrem Ursprungsstaat. b) Bestimmung mittelbarer Wirkungen nach der lex causae Mittelbare Folgen ausländischer Entscheidungen werden in Deutschland nicht verfahrensrechtlich anerkannt, sondern nach dem anwendbaren Recht bestimmt. Dies betrifft etwa Fälle, in denen die Existenz der Entscheidung den Tatbestand materieller Normen des Rechts des Entscheidungsstaates erfüllt und so mittelbare Rechtsfolgen hervorruft (Tatbestandswirkung oder Reflexwirkung).521 Möglich ist dies etwa, wenn die Wunscheltern bei Geburt rechtliche Eltern werden, sofern vorher die Wirksamkeit der Leihmuttervereinbarung gerichtlich festgestellt wurde.522 Die Existenz der Entscheidung
519 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(5), S. 82. Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 171; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 46. 520 Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 49; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235 und 242. 521 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 428; Müller, ZZP 1966, 199, 241; Geimer, IZPR7, Rn. 2786; Hess, Zivilprozessrecht30, § 61 Rn. 10; Wengler, in: Internationales Privatrecht, 435, 736. 522 Feststellung allein der Wirksamkeit der Leihmutterschaftsvereinbarung und der genetischen Vaterschaft des Wunschvaters durch ein ausländisches Gericht: VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 29. Dies ist jedoch gerade ein Fall, in dem die Feststellung als funktionales Äquivalent der Feststellung der rechtlichen Elternschaft anerkannt werden kann. Siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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wirkt dann wie ein gewöhnliches Tatbestandsmerkmal.523 Ob eine solche Tatbestandswirkung eintritt, bestimmt sich nach der lex causae.524 Gleiches gilt für mittelbare Folgen des Inhalts der Entscheidung, etwa für die Rechte und Pflichten, die aus der Elternstellung fließen, nachdem die Elternschaft selbst durch eine entsprechende Entscheidung begründet wird.525 Auch die abstammungsrechtlichen Folgen der Feststellung der genetischen Abstammung in einer ausländischen Entscheidung bestimmen sich grundsätzlich nach dem anwendbaren Recht.526 Ein Beispiel für Fälle, in denen im ausländischen Recht gerichtliche Entscheidungen nur mittelbar zu einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern führen, findet sich in Griechenland.527 Bevor die medizinische Umsetzung der Leihmutterschaft beginnen darf, muss die Leihmuttervereinbarung dort gerichtlich erlaubt werden. Liegt die Erlaubnis vor, so erwerben später die Wunscheltern automatisch die Elternschaft, Art. 1458, 1464 f. griechisches ZGB.528 Die gerichtliche Erlaubnis bestimmt die Elternschaft jedoch noch nicht selbst, sondern legt nur die Grundlage für die Mutterschaftsvermutung des Art. 1464 griechisches ZGB.529 Die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern ergibt sich erst durch das materielle Recht.530 Da die Elternschaft somit keine unmittelbare Folge der Entscheidung ist, kann sie nicht verfahrensrechtlich anerkannt werden.531 Ob sie dennoch in Deutschland eintritt, be523 Müller, ZZP 1966, 199, 241 ff.; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 427; Hausmann, Gestaltungskraft, 6 f. 524 Müller, ZZP 1966, 199, 242 ff.; Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 42; MüKo-Rauscher2, § 108 FamFG Rn. 18; Benicke, StAZ 2013, 101, 105. 525 Vgl. Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 417. 526 Vgl. VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 49; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 21. Zur Anerkennung einer solchen Entscheidung, wenn die Feststellung der genetischen Elternschaft oder Bindungswirkung einer Leihmuttervereinbarung funktional der Feststellung der rechtlichen Elternschaft gleichkommt siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120. 527 Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 557 f. 528 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(3), S. 78. Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 f. und 148; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149 und 152; Kastrissios, in: Bergmann/ Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1256 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144. 529 Vgl. Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146. 530 Vgl. Müller, ZZP 1966, 199, 242 f.; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 427. 531 Benicke, StAZ 2013, 101, 104 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1146; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 428; vgl. Diel, Leihmutterschaft, 161 f. Stellt man die formale Trennung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen einer Entscheidung zugunsten einer funktionalen Betrachtung hintan, so könnte man die rechtliche Elternschaft der Wunschmutter und ihres Ehemanns als Wirkung einer griechischen Leihmutterschaftserlaubnis anerkennen. Die Elternschaft ergibt sich zwar aus dem ZGB und somit nur mittelbar aus dieser Entscheidung. Allerdings erfolgt keine weitere inhaltliche Prüfung. Gemäß Art. 1464 Abs. 2 griechisches ZGB kann nur durch eine An-
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
stimmt sich als eigenständige Frage nach dem gemäß hiesigem Internationalen Privatrecht anwendbaren Abstammungsstatut.532 Wie oben dargestellt, ist gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB regelmäßig entweder deutsches Recht oder das Recht des Geburtsortes anwendbar.533 aa) Recht des Geburtsorts als lex causae Bei Anwendung des Rechts des Geburtsortes, dem regelmäßig auch die gerichtliche Entscheidung entstammt, treten die tatbestandlichen Wirkungen ein. Eine Abstammung der Wunscheltern wird begründet. Entscheidung und Tatbestand der materiellen Norm beziehen sich nach dem Verständnis dieser Rechtsordnung aufeinander.534 Es handelt sich hier eigentlich nicht um eine Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung.535 bb) Deutsches Recht als lex causae Ist demgegenüber deutsches Recht anwendbar, fallen das Recht, dem die Entscheidung entstammt, und das anwendbare Recht auseinander. Damit überhaupt mittelbare Wirkungen eintreten können, muss zunächst im deutschen Recht eine materiell-rechtliche Norm existieren, die der des ausländischen Rechts nahekommt und die an eine solche Entscheidung Rechtsfolgen knüpft. Findet sich eine solche, so schließt sich die Frage an, ob eine Entscheidung eines eigenen Gerichts, auf die der Tatbestand des anwendbaren Rechts regelmäßig ausgerichtet sein wird, auch durch eine ausländische Entscheidung substituiert werden kann.536 Bezogen auf die Fälle der Leihmutterschaft, scheitert die Begründung der Abstammung durch eine Tatbestandswirkung schon auf der ersten Stufe. Nach deutschem Recht sind Leihmuttervereinbarungen gemäß § 134 BGB fechtungsklage der Leihmutter die Vermutung der Elternschaft der Wunschmutter und ihres Ehemanns widerlegt werden, wenn sie beweisen kann, dass das Kind genetisch ihr eigenes ist. Man könnte somit bei funktionaler Betrachtung annehmen, dass das Gericht im Rahmen der Erlaubnis der Leihmutterschaft bereits endgültig über die Elternschaft der Wunscheltern entscheidet. So voraussichtlich Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. 532 MüKo-Rauscher, § 108 FamFG Rn. 16; Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 42; Schack, IZVR6, Rn. 870; Jayme/Siehr, FamRZ 1969, 188, 191; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 384, 417 ff. und 428 ff.; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750; Geimer, IZPR7, Rn. 2827; Hausmann, Gestaltungskraft, 195. 533 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.VI., S. 110. 534 Vgl. Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 406 und 430; Jayme/Siehr, FamRZ 1969, 188, 191; Hausmann, Gestaltungskraft, 199. 535 Vgl. Mansel, Personalstatut, Rn. 476. 536 Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 384 und 428; Geimer, IZPR7, Rn. 2827; Prütting/Helms-Hau3, § 108 FamFG Rn. 14; Jayme/Siehr, FamRZ 1969, 188, 191; Müller, ZZP 1966, 199, 243.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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nichtig, zumindest sofern sie gegen das ESchG oder AdVermiG verstoßen.537 Teilweise wird die Nichtigkeit auch damit begründet, die Vereinbarungen seien sittenwidrig gemäß § 138 BGB.538 An den Abschluss einer Leihmuttervereinbarung werden keine abstammungsrechtlichen Folgen geknüpft. Im deutschen Recht findet sich keine Norm, auf die die gerichtlichen Akte zielen und die eine Abstammung der Wunscheltern begründen könnte. Eine den Art. 1458, 1464 f. griechisches ZGB entsprechende Vorschrift existiert in Deutschland nicht. Aus entsprechenden Gründen hat auch eine ausländische Entscheidung, welche allein eine genetische, nicht aber rechtliche Elternschaft der Wunscheltern feststellt,539 keine Bedeutung im deutschen Abstammungsrecht. Weder die genetische Mutterschaft noch Vaterschaft begründen automatisch eine rechtliche Elternschaft. Bezüglich der Mutterschaft bedarf es der Geburt, § 1591 BGB, bezüglich der Vaterschaft etwa einer Ehe zu der Mutter oder einer Vaterschaftsanerkennung, § 1591 Nr. 1 und 2 BGB. Selbst wenn eine solche Entscheidung bezüglich der Feststellung der genetischen Elternschaft theoretisch anerkannt würde, bleibt diese Anerkennung im Kontext des sonst anwendbaren deutschen Abstammungsrechts grundsätzlich folgenlos.540 Eine Ausnahme ist hier denkbar, wenn noch keine Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 1 oder 2 BGB besteht. Dann kann eine solche Entscheidung eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB substituieren und zu einer Vaterschaft nach § 1592 Nr. 3 BGB führen.541
537 Looschelders, IPRax 1999, 420, 422; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1251; Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung; Diel, Leihmutterschaft, 84 f.; Gössl, in: Surrogacy, 131, 134; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 76. Einschränkend Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369, 371. Die Vorschriften des AdVermiG und ESchG dürften hier als Eingriffsnormen einen Vertrag auch dann zu Fall bringen, wenn das Vertragsstatut nicht deutsches Recht ist: Lagarde, ZEuP 2015, 233, 236. 538 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 206; Diel, Leihmutterschaft, 85 f.; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 76; differenzierend Coester, in: FS Jayme, 1243, 1251; vgl. Hesral, Leihmutterschaftsverträge, 140 ff. 539 Vgl. etwa VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 49; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 21. Zur Anerkennung einer solchen Entscheidung, wenn die Feststellung der genetischen Elternschaft oder Bindungswirkung einer Leihmuttervereinbarung funktional der Feststellung der rechtlichen Elternschaft gleichkommt siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120. 540 Ähnlich bezüglich der grds. möglichen jedoch ins Leere laufenden Anerkennung von Erbscheinen MüKo-Rauscher, § 108 FamFG Rn. 17; siehe dazu auch Geimer, IZPR7, Rn. 2884; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 420; wohl anders Müller, ZZP 1966, 199, 226 ff.; dieser will bei solchen Konflikten statt der eigentlich berufenen lex causa das Recht, welches der Entscheidung zugrunde lag, anwenden. 541 Duden, StAZ 2014, 164, 168.
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
cc) Fazit Bei ausländischen gerichtlichen Akten, die im dortigen Recht Tatbestandswirkung entfalten, entsteht somit durch die verfahrensrechtliche Anerkennung keine Abweichung gegenüber der Bestimmung nach der Verweisungsmethode: Ist das Recht des Geburtsortes anwendbar, so wird eine Abstammung von den Wunscheltern auch ohne die Notwendigkeit einer Anerkennung begründet. Ist jedoch deutsches Recht anwendbar, so wird eine Abstammung abweichend vom deutschen Sachrecht auch dann nicht begründet, wenn man die gerichtlichen Akte in dem Umfang, in dem sie Entscheidungen darstellen, anerkennt.542 c) Sonderfall: Wirkung erga omnes oder inter partes Schwierigkeiten können bei der Anerkennung entstehen, wenn eine ausländische Entscheidung zwar anerkennungsfähig wäre, jedoch die Abstammung nur inter partes festgestellt oder gestaltet wird. Da sich die Wirkungen einer anzuerkennenden Entscheidung nach deren Ursprungsrecht bestimmen, ist die Erweiterung auf eine erga omnes-Wirkung im Rahmen der Anerkennung nicht möglich. 543 Probleme können solche Entscheidungen insbesondere im Rahmen der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, etwa beim Ausstellen eines Passes, § 1 PaßG, § 4 StAG, oder bei der Eintragung des Kindes in das Geburtenregister verursachen, §§ 21, 26 oder 36 PStG. Dabei bedarf es einer Feststellung oder Gestaltung der Abstammung, die erga omnes wirkt.544 Genügt eine anerkennungsfähige ausländische Entscheidung dem nicht, so muss die Abstammung eigenständig nach dem anwendbaren Recht bestimmt werden. Solche inter partes-Entscheidungen sind etwa aus dem angloamerikanischen Raum denkbar. Dort existiert ein Statusdenken wie in Deutschland oder das Verständnis des Personenstandsregisters als öffentlicher Urkunde nicht.545 Es besteht daher nicht dieselbe Notwendigkeit von Verfahren zur Abstammungsfeststellung mit erga omnes-Wirkung. So war nach Sec. 58(5)(b) Family Law Act 1986 a. F. in England nur die Feststellung der Ehelichkeit, nicht der Unehelichkeit, mit erga omnes-Wirkung möglich.546 Ohne diese Mög542 So auch am Beispiel der „wirkungsleeren“ Anerkennung eines Erbscheins MüKoRauscher2, § 108 FamFG Rn. 19. 543 Siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a), S. 118. 544 Henrich, StAZ 1994, 173, 177; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 130; Krömer, StAZ 2006, 22, 23; allgemein zum Verhältnis des IPR und IZVR zum Personenstandsrecht Hepting, Familienrecht im Personenstandsrecht, Rn. I–9 f., VI–65 f. und VI– 79 ff.; Rhein, PStG, § 21 PStG Rn. 2; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 1, § 21 PStG Rn. 106 ff. 545 Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314; Stone, EU PIL, 212; Leutner, Urkunden, 138; Metzner, StAZ 1980, 229, 230; vgl. Bergmann, StAZ 1954, 63, 65. 546 Nach Henrich, StAZ 1994, 173, 177. Nunmehr ermöglicht Sec. 55A(1) Family Law Act 1986 jedoch sowohl die Feststellung der Elternschaft als auch der Nichtelternschaft.
B. Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung
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lichkeit konnte die Vorfrage der Abstammung daher in Verfahren zwischen verschiedenen Beteiligten jeweils neu hinterfragt und inter partes abweichend bestimmt werden.547 Teilweise erstreckt sich im angloamerikanischen Raum die Rechtskraft auch auf Vorfragen beziehungsweise präjudizielle Rechtsverhältnisse.548 Geht man davon aus, dass auch solche Wirkungen ausländischer Entscheidungen grundsätzlich anerkennungsfähig sind,549 könnte es zu der Anerkennung einer Abstammung mit Wirkung inter partes kommen. Die Wahrscheinlichkeit solcher Entscheidungen in Fällen der Leihmutterschaft ist jedoch gering. Auch in Rechtsordnungen, die grundsätzlich keine Feststellung oder Beurkundung der Abstammung mit erga omnes-Wirkung vorsehen, drängt sich auf, eine Ausnahme für die Leihmutterschaft zu machen. Dies liegt daran, dass bei der Leihmutterschaft die Abstammung einer Klärung bedarf, da die Leihmuttervereinbarung eine Abweichung von der üblichen Abstammung begründen soll. Entsprechend wirken sowohl die kalifornischen Entscheidungen als auch die britischen parental orders gegenüber jedermann.550 III. Anerkennungszuständigkeit, § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG Liegt unter den dargestellten Bedingungen eine anerkennungsfähige Entscheidung im Sinne des § 108 Abs. 1 FamFG vor, ist die Anerkennung dennoch ausgeschlossen, wenn ein Hindernis gemäß § 109 Abs. 1 FamFG vorliegt. Neben dem in Nr. 4 vorgesehenen ordre public-Vorbehalt, auf den im Anschluss ausführlich eingegangen wird,551 muss insbesondere die sogenannte Anerkennungszuständigkeit gemäß Nr. 1 gegeben sein.552 Die Gerichte des Staates, dem die Entscheidung entstammt, müssen also nach deutschem Recht international zuständig gewesen sein. Ob dies der Fall ist, wird anhand einer spiegelbildlichen Anwendung des deutschen Zuständigkeitsrechts bestimmt. 553 Es entscheidet allein die internaHenrich, StAZ 1994, 173, 177. Cohn, in: FS Nipperdey, 875, 886 ff.; Geimer, IZPR7, Rn. 2780; Habscheid, in: FS Schnitzer, 179, 194; vgl. Millar, 39 Mich.L.Rev. 1940, 238, 238 f. 549 So etwa Müller, ZZP 1966, 199, 214; MüKo-Rauscher, § 108 FamFG Rn. 18; Martiny, HdbIZVR, Bd. 3/1, Rn. 381 f.; Drobnig, American-German PIL, 352; Prütting/HelmsHau3, § 108 FamFG Rn. 11; a. A. Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. I/2, § 184 II 2 b, S. 1391; Schack, IZVR6, Rn. 886. 550 Siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(1), S. 119 bzw. Kapitel 2 – B.II.4.a)bb)(1), S. 123. 551 Siehe unten bei 5 ff. 552 Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 570. 553 Keidel-Zimmermann18, § 109 FamFG Rn. 3; BeckOK-Sieghörtner14, § 109 FamFG Rn. 18 f.; MüKo-Rauscher, § 109 FamFG Rn. 11; Müller, ZZP 1966, 199, 270; Schack, IZVR6, Rn. 922. 547 548
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
tionale Zuständigkeit aus Sicht deutschen Rechts.554 Das eigene Recht des Entscheidungsstaats sowie die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit sind unerheblich.555 Auch ob neben dem Entscheidungsstaat deutsche Gerichte ebenfalls international zuständig gewesen wären, ist unerheblich, da die einschlägigen Zuständigkeiten der §§ 98–105 FamFG keine ausschließlichen sind, § 106 FamFG.556 Im Sinne der Zuständigkeitsgleichheit gesteht der deutsche Staat ausländischen Staaten eine Anerkennungszuständigkeit in demselben Umfang zu, in dem er sich eine Entscheidungszuständigkeit einräumt.557 Durch diese Vorgabe wird gewährleistet, dass nur gerichtliche Entscheidungen anerkannt werden, bei denen eine ausreichende Nähe des Entscheidungsstaats zu der Rechtssache besteht, um eine Klärung der Rechtsfrage durch die dortigen Gerichte zu rechtfertigen.558 § 100 FamFG eröffnet die internationale Zuständigkeit in Abstammungssachen großzügig.559 Sie besteht, wenn einer der Beteiligten, also das Kind oder ein möglicher Elternteil Deutscher ist oder im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei spiegelbildlicher Anwendung würde somit eine Zuständigkeit des Entscheidungsstaates bestehen, wenn das Kind oder ein möglicher Elternteil – sowohl ein Elternteil, dessen Abstammung bestritten als auch begründet werden soll – im Entscheidungsstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder diesem angehört.560 In den Fällen der internationalen Leihmutterschaft hat die Leihmutter regelmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat und ist Angehörige des Staates, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt und die Entscheidung erlassen wurde. Da die Leihmutter potenzieller Elternteil ist, genügt ihr dortiger gewöhnlicher Aufenthalt oder ihre dortige Staatsangehörigkeit für die
BeckOK-Sieghörtner14, § 109 FamFG Rn. 19; MüKo-Rauscher, § 109 FamFG Rn. 11. MüKo-Rauscher, § 109 FamFG Rn. 11; BeckOK-Sieghörtner14, § 109 FamFG Rn. 19; Müller, ZZP 1966, 199, 271 f.; Schack, IZVR6, Rn. 926. 556 MüKo-Rauscher, § 109 FamFG Rn. 16; Henrich, StAZ 1994, 173, 174. 557 Henrich, StAZ 1994, 173, 175; Schack, IZVR6, Rn. 922. 558 Ausführlich zu Zweck bzw. Rechtfertigung der Anerkennungszuständigkeit und des Spiegelbildprinzips siehe Fricke, Anerkennungszuständigkeit, 87 ff.; Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 48 ff.; Jayme, in: FS Ago, 139, 140. Im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit spielt der Aspekt des Beklagtenschutzes, den diese besonders betonen, keine Rolle. Unglücklich mag es freilich sein, wenn die abweichende ausländische Zuständigkeitsvorschrift überzeugender, gar das „inländische Recht von morgen“ ist, oder wenn die hiesige Vorschrift eine exorbitante Zuständigkeit begründet: Fricke, Anerkennungszuständigkeit, 15; Müller, ZZP 1966, 199, 272; Nussbaum, IPR, 432 f. 559 BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 38; vgl. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 570. 560 MüKo-Rauscher, § 100 FamFG Rn. 9 ff.; BeckOK-Sieghörtner14, § 100 FamFG Rn. 3. 554 555
C. Zwischenergebnis
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internationale Zuständigkeit, § 100 FamFG.561 Es ist ausreichend wenn die Anforderungen durch eine der beteiligten Personen erfüllt werden.562 Kann man einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Entscheidungsstaat annehmen, würde auch dies die spiegelbildliche internationale Zuständigkeit der dortigen Gerichte begründen.563 § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG steht einer Anerkennung einer ausländischen Entscheidung regelmäßig nicht entgegen. IV. Fazit bezüglich verfahrensrechtlicher Anerkennung Zwar wirken in den meisten Fällen der ausländischen Leihmutterschaft Behörden oder Gerichte in verschiedener Form mit. Anerkennungsfähige Entscheidungen ergehen dabei jedoch verhältnismäßig selten. Von den hier untersuchten Rechtsordnungen können vor allem kalifornische Abstammungsfeststellungsurteile anerkannt werden, ebenso wie Urteile, die ausdrücklich nur eine genetische Elternschaft oder Bindungswirkung der Leihmuttervereinbarung feststellen, dabei funktional nach hiesigem Verständnis aber auch eine rechtliche Elternschaft feststellen. Theoretisch ist auch eine Anerkennung der gestaltenden britischen parental orders und israelischen Elternschaftsdekrete möglich. Diese werden jedoch praktisch selten vorkommen, da sie ein domicile in Großbritannien beziehungsweise einen Wohnsitz in Israel erfordern.
C. Zwischenergebnis C. Zwischenergebnis
In einigen Fällen führen das Internationale Privatrecht oder Zivilverfahrensrecht zu einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern. Im Rahmen der Verweisungsmethode betrifft dies im Rahmen von Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB vor allem die Fälle, in denen das Kind am Geburtsort einen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte oder ein dortiger einfacher Aufenthalt subsidiär herangezogen werden muss, da sonst eine Bestimmung der rechtlichen Eltern scheitern würde. Das so anwendbare Recht des Geburtsortes führt meist zu einer Elternschaft beider Wunscheltern. Im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann der deutsche Wunschvater gemäß § 1592 Nr. 2 BGB die Vaterschaft anerkennen, wenn die Leihmutter unverheiratet ist.
Benicke, StAZ 2013, 101, 105 f.; Diel, Leihmutterschaft, 164 f.; Dethloff, JZ 2014, 922, 926. Selbst wenn man bei der Auslegung des § 100 FamFG restriktiv vorgeht und nicht jeden Elternprätendenten ausreichen lässt, wird die Leihmutter als Grundlage der internationalen Zuständigkeit nach deutschem Verständnis wohl kaum auszuschließen sein, da diese nach der materiellen Wertung des § 1591 BGB zweifelsfrei die Mutter ist. 562 Benicke, StAZ 2013, 101, 105; Diel, Leihmutterschaft, 164 f. 563 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1147. 561
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Kapitel 2 – Abstammung nach IPR und IZVR
Kalifornische Entscheidungen, welche die Abstammung feststellen, sind der praktisch wichtigste Fall, in dem eine verfahrensrechtliche Anerkennung zu einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern führt. Relevant werden können auch ausländische Entscheidungen, die, im Kleid der Feststellung der genetischen Elternschaft oder der Bindungswirkung einer Leihmuttervereinbarung, nach hiesigem Verständnis funktional die rechtliche Elternschaft feststellen. Israelische und britische Entscheidungen, die ähnlich einer Adoptionsentscheidung die Elternschaft der Wunscheltern begründen, können zwar anerkannt werden. Die Wunscheltern werden jedoch in der Praxis nur selten die Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllen. Diese Ergebnisse sind nur vorläufig, da sie gemäß Art. 6 EGBGB beziehungsweise § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public stehen.
Kapitel 3
Kapitel 3 – Ordre public Führt die Anwendung des ausländischen Rechts oder die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung zu einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern, so könnte dieses Ergebnis der Anwendung beziehungsweise der Anerkennung gegen den ordre public verstoßen, also mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar sein. Ist dies der Fall, wird das eigentlich anwendbare ausländische Recht nicht angewandt (Art. 6 EGBGB) beziehungsweise die eigentlich anerkennungsfähige Entscheidung nicht anerkannt (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Die Frage, ob eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern gegen den deutschen ordre public verstößt, ist unklar und Gegenstand heftiger Debatten.1 In der deutschen Rechtsprechung wurde lange fast durchweg angenommen, dass eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern gegen den deutschen ordre public verstößt.2 In der Literatur ist das Meinungsbild vielfältig: Teils wird auch dort kategorisch ein Verstoß angenommen, teils wird differenziert nach den Umständen des Einzelfalles.3 Siehe beispielhaft auch aus der Tagespresse Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 1; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 3; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2013, 7; Schmitz, Süddeutsche Zeitung Magazin 19.4.2013, 8; Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35; Hofmann, Neue Zürcher Zeitung 15.2.2014, 30. 2 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 10; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 24 ff.; a. A. BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994; AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182; AG Neuss 13.5.2013, Az. 45 F 74/13, juris, Rn. 6 f. Für Frankreich ebenfalls einen ordre public-Verstoß annehmend Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 10-19.053; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1091 – 12-30.138; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315; Cass. civ. 1ère 19.3.2014, n° 281 – 13-50.005, Recueil Dalloz 2014, 905. Einen Verstoß gegen Menschenrechte der Kinder durch Teile dieser Rechtsprechung feststellend EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11. 3 Bei ausreichendem Inlandsbezug nehmen einen ordre public-Verstoß an Benicke, StAZ 2013, 101, 110 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–281 f.; Krömer, StAZ 2000, 310, 310 f.; Engel, ZEuP 2014, 538, 558; differenzierend, aber einen ordre public-Verstoß eher ablehnend Witzleb, in: FS Martiny, 203, 222 ff.; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525 f.; zwischen Mutterschaft und Vaterschaft differenzierend Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 51, S. 374 f. Grds. gegen 1
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Kapitel 3 – Ordre public
Begründet wird ein Verstoß gegen den ordre public meist mit der Umgehung des deutschen Verbots der Leihmutterschaft durch die Wunscheltern, der hiesigen Strafbarkeit der Leihmutterschaft und dem vermeintlichen Willen des Gesetzgebers, dem § 1591 BGB einen ordre public konkretisierenden Inhalt zu geben.4 Sofern ein ordre public-Verstoß abgelehnt wird, bezieht sich dies häufig auf die weniger problematischen Fälle der Leihmutterschaft, wenn etwa die Leihmutter das Kind freiwillig übergeben hat oder wenn es sich nicht um einen Fall einer bewussten Umgehung des deutschen Leihmutterverbots handelt. In diesen Fällen lässt sich ein ordre public-Verstoß leichter mit einem Hinweis auf das Kindeswohl ablehnen.5 Weniger diskutiert werden kritischere Fälle, wie etwa eine Elternschaft der Wunscheltern nach einer entgeltlichen Leihmutterschaft, einer erzwungenen Herausgabe des Kindes oder bei einer genetischen Mutterschaft der Leihmutter.6 Gerade solche Fälle müssen jedoch auch geklärt werden. Statistisch stellt etwa die entgeltliche Leihmutterschaft international sogar den Regelfall dar. Im Folgenden wird daher auch die Vereinbarkeit der Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public-Vorbehalt in diesen Konstellationen der Leihmutterschaft besprochen. Es wird jedoch zunächst der bereits vorgestellte, weniger problematische Grundfall diskutiert und danach die Bedeutung dieser Abweichungen erörtert. Bei der Untersuchung wird sich zeigen, dass die Elternschaft der Wunscheltern nur in den Fällen gegen den ordre public verstößt, in denen die Leihmutter zur Herausgabe des Kindes gezwungen wurde. Selbst dann verstößt eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern jedoch nur so lange gegen den ordre public, bis ein Interesse des Kindes an der Kontinuität seiner Bezugspersonen Oberhand gewinnt. Dass so regelmäßig die „Umgehung“ des deutschen Verbots der Leihmutterschaft „legalisiert“ wird, ist bedauerlich, aber nicht zu vermeiden.7 Selbst wenn das Verbot sich bei internationalen Fällen im Ergebnis nicht durchsetzt, verliert es immerhin nicht seine narrative Wir-
einen ordre public-Verstoß Mayer, IPRax 2014, 57, 59 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 571 ff. und 580 f.; Diel, Leihmutterschaft, 207 ff.; Frank, FamRZ 2014, 1527, 1528 f.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674; wohl auch Backmann, Künstliche Fortpflanzung und IPR, 111. 4 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 10; so etwa auch Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Benicke, StAZ 2013, 101, 110 f.; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–281 f. 5 Siehe etwa Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1151; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525 f.; Mayer, IPRax 2014, 57, 59. 6 Vgl. jedoch etwa BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 26 f. und 36; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525 f.; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1152. 7 Vgl. Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 503; Botthof/Diel, StAZ 2013, 211, 216; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675.
A. Verstoß gegen Grundrechte
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kung:8 Deutlich zeigt es die Missbilligung der Leihmutterschaft durch den Gesetzgeber. Auch wäre denkbar, andere Wege als die Verhinderung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern zu finden, um die Durchführung einer Leihmutterschaft zu sanktionieren, etwa mittels des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts. Es wäre dabei jedoch zu vermeiden, dass letztlich auch das Kind unter solchen Sanktionen leidet.9
A. Verstoß gegen Grundrechte A. Verstoß gegen Grundrechte
Als einen Fall des ordre public-Verstoßes nennt Art. 6 S. 2 EGBGB ausdrücklich die Verletzung von Grundrechten. Diese Vorschrift ist kollisionsrechtlicher Ausdruck der umfassenden Grundrechtsbindung der Staatsgewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG.10 Jeder Grundrechtsverstoß ist ein offensichtlicher Verstoß gegen den ordre public; eine Unterscheidung zwischen tragbaren und untragbaren Grundrechtsverstößen ist nicht zulässig.11 Grundrechte, die in den Fällen der Leihmutterschaft verletzt sein könnten, sind insbesondere die Menschenwürde der Leihmutter sowie des Kindes und deren jeweilig körperliche Unversehrtheit, Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 2 GG. I. Einführendes zur Prüfung des Art. 6 S. 2 EGBGB Trotz der ausdrücklichen Nennung der Grundrechte in Art. 6 S. 2 EGBGB ist die Bedeutung der Grundrechte im Rahmen des ordre public-Vorbehalts nur wenig untersucht.12 Dabei kann aktuelle Grundrechtsdogmatik deren Wirkung in einer Weise erklären, die für das Verständnis und die Prüfung der Grundrechte im Rahmen des ordre public sehr gewinnbringend sein kann. Vor der Prüfung einer Grundrechtsbedrohung durch die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern soll daher die These untersucht werden, dass die Grundrechte im Rahmen des ordre public als Schutzpflichten gegenüber einem ausländischen, grundrechtsgefährdenden Recht wirken. Dies würde bedeuten, dass die Grundrechte den Staat verpflichten, die betroffenen Grundrechtsträger vor der Anwendung eines eigentlich anwendbaren ausländischen Zur narrativen Wirkung von Normen allgemein siehe Jayme, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, 103, 110 f.; Jayme, IPRax 1996, 237, 243; Jayme, ZfRV 1997, 230, 233; Jayme, IPRax 2000, 165, 168; Jayme, in: Kulturelle Relativität, 62 f. 9 Siehe unten Kapitel 4 – A.I.2.d), S. 240. 10 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 72 f.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII 2; Aubin/von Caemmerer/Zweigert, in: Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung, 99, 101. 11 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 86. 12 Siehe beispielsweise MüKo-Sonnenberger5, Art. 6 EGBGB Rn. 49 f. Siehe jedoch etwa Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463. 8
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Kapitel 3 – Ordre public
Rechts zu schützen, wenn die Anwendung dieses ausländischen Rechts im konkreten Fall zu einer Verletzung der Grundrechte führen würde. Dieser Sicht liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Grundrechtsbedrohung schon in dem anwendbaren ausländischen Recht an sich angelegt ist und nicht von der es anwendenden deutschen staatlichen Stelle ausgeht. Dieses Verständnis kann verschiedene Aspekte der bestehenden Dogmatik des ordre public zusammenführen und sie logischer als Konsequenz der Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten erklären. Bei der bisherigen – oft unausgesprochenen – Annahme, die Grundrechte wirkten im Rahmen des ordre public als Abwehrrechte,13 ist eine solche Erklärung aus den Grundrechten schwer möglich. Ein solches Verständnis der Grundrechte als Abwehrrechte setzt voraus, dass der Staat bei der Anwendung eines grundrechtswidrigen ausländischen Rechts, etwa durch einen Richter oder Standesbeamten, selber in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen würde. 1. Entwicklung und bestehende Unklarheiten In der Dogmatik des ordre public-Vorbehalts, wie sie vor dem sogenannten Spanier-Beschluss 197114 und der späteren Reform des Internationalen Privatrechts 198615 verbreitet war, in der sich der Gesetzgeber für eine ausdrückliche Einbindung der Grundrechte in den ordre public-Vorbehalt und somit eine mittelbare Berücksichtigung der Grundrechte entschieden hat,16 war die Anwendung der Grundrechte im Rahmen des ordre public-Vorbehalts umstritten.17 Der Wortlaut des ordre public-Vorbehalts in seiner Fassung von vor Vgl. von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII 2 Rn. 262, S. 716 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 IV 1, S. 251; Staudinger-Voltz2013, Art. 6 EGBGB Rn. 139 ff. 14 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58; vgl. Voltz, Menschenrechte und ordre public, 36 ff. Zum Spanier-Beschluss als „Stunde Null“ der Einwirkung des Grundgesetzes auf das Internationale Privatrecht: Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 128 ff. und insbes. 129. 15 Deutscher Bundestag, BGBl. 1986-I, 1142, 1143; Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 44. 16 Der Gesetzgeber hat sich damit unter den zwei, vom Bundesverfassungsgericht im Spanier-Beschluss vorgeschlagenen Wegen der Berücksichtigung von Grundrechten im Internationalen Privatrecht (unmittelbare oder mittelbar – BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 86) für eine nur mittelbare Wirkung im Rahmen der allgemeinen Vorbehaltsklausel entschieden. Vgl. Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 129 ff.; Mansel, NJW 1986, 625, 626. Zu einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung des ordre public siehe Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 61 ff. 17 Dies betont bereits BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 72 m.w.N. aus Rspr. und Lit. Siehe beispielhaft für die Wellen, die der Spanier-Beschluss geschlagen hat, Heft 1 der RabelsZ 36 (1972): Henrich, RabelsZ 36 (1972), 2; Jayme, RabelsZ 36 (1972), 19; Kegel, RabelsZ 36 (1972), 27; Lüderitz, RabelsZ 36 (1972), 35; Makarov, RabelsZ 36 (1972), 54; Neuhaus, RabelsZ 36 (1972), 127; Siehr, RabelsZ 36 13
A. Verstoß gegen Grundrechte
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1986 war primär auf das einfache Recht ausgerichtet. So lautete der Wortlaut des damaligen Art. 30 EGBGB wie folgt: „Die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ist ausgeschlossen, wenn die Anwendung gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde.“ Wegen des weiten Wortlautes bezweckte die Dogmatik zu der damaligen Zeit vor allem, die Anwendung des ordre public zu beschränken, um zu gewährleisten, dass entgegen dem Wortlaut nicht jeder Verstoß einer Anwendung ausländischen Rechts gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes zu einer Nichtanwendung des ausländischen Rechts führt.18 Noch heute bedeutsame Aspekte dieser Dogmatik sind die Notwendigkeit eines Inlandsbezugs, die Relativität des ordre public und die Beschränkung, dass allein das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts für die Bewertung eines ordre public-Verstoßes relevant ist.19 Einige der Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem SpanierBeschluss machte, fügten sich nur schwer in die bestehende Dogmatik des ordre public. So stellte das Gericht klar, dass jeder Grundrechtsverstoß ein Eingreifen des ordre public-Vorbehalts fordere, eine Unterscheidung zwischen tragbaren und untragbaren Verletzungen unzulässig sei.20 Schwer ist dies mit dem Gedanken der Relativität des ordre public-Vorbehalts in Einklang zu bringen. Der Besonderheit der Geltung für Auslandssachverhalte sei, laut dem Bundesverfassungsgericht, jedoch dadurch Rechnung zu tragen, dass jeweils bei dem betroffenen Grundrecht zu analysieren sei, inwiefern es für „auslandsbezogene Sachverhalte Geltung [verlange]“.21 Eine gewisse Differenzierung, durch die der Auslandsbezug des Sachverhalts berücksichtigt werden kann, ist somit doch möglich und – insbesondere aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Sinne einer Akzeptanz der Wertentscheidungen anderer Rechtsordnungen22 – sogar geboten. Wie sich diese Vorgaben auf die Dogmatik des ordre public auswirken und wie der Auslandsbezug bei der Anwendung der Grundrechte zu berücksichtigen ist, bleibt allerdings unklar.23 Der Spanier-Beschluss ist noch heute die aktuellste Einlassung des Bundesverfassungsgerichts zu grundlegenden Fragen der Dogmatik des ordre (1972), 93; Wengler, RabelsZ 36 (1972), 116; vgl. auch Gamillscheg, in: FS Nipperdey, 323; jedoch Staudinger-Voltz2013, Art. 6 EGBGB Rn. 139. 18 Vgl. zur restriktiven Auslegung Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 II 3; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII 1; Aubin/von Caemmerer/ Zweigert, in: Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung, 99, 122 f. 19 Voltz, Menschenrechte und ordre public, 24 ff. 20 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 86. 21 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 77 und 87. 22 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 74 ff. und 87. 23 Dies betonen etwa von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII 2 Rn. 261, S. 716.
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Kapitel 3 – Ordre public
public-Vorbehalts und ist dementsprechend oft der aktuellste Referenzpunkt der internationalprivatrechtlichen Literatur bezüglich verfassungsrechtlicher und -dogmatischer Vorgaben für die Anwendung des ordre public-Vorbehalts.24 Diese Entscheidung datiert jedoch bereits auf das Jahr 1971. Seitdem hat sich die Grundrechtsdogmatik erheblich fortentwickelt, etwa bezüglich der Differenzierung der verschiedenen Funktionen der Grundrechte. Zu erwähnen ist hier insbesondere die Funktion der Grundrechte als Schutzpflichten. Zum Durchbruch verholfen wurde dieser erstmals25 in dem ersten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch aus dem Jahre 1975 – also immerhin vier Jahre nach dem Spanier-Beschluss.26 2. Wirkung der Grundrechte im Rahmen des ordre public-Vorbehalts Im Folgenden wird die Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten allgemein und im Verhältnis zwischen Privaten dargestellt. Anschließend wird untersucht, ob die Deutung der Grundrechtswirkung zwischen Privaten als Schutzpflichten auf den Schutz vor der Anwendung eines ausländischen Rechts im Rahmen des ordre public-Vorbehalts übertragbar ist. a) Grundrechte als Schutzpflichten Aus den Grundrechten, insbesondere ihrem objektiv-rechtlichen Gehalt, ergibt sich laut dem Bundesverfassungsgericht, dass der Staat nicht nur dazu verpflichtet ist, selber die Grundrechte zu achten (Abwehrfunktion), sondern auch dazu, die Grundrechte vor Beeinträchtigungen nicht grundrechtsgebundener Dritter zu schützen (Schutzpflichtfunktion).27 Der Staat wird vom potenziellen Gefährder der Grundrechte zu ihrem Garanten.28 Nur so kann ihre Siehe etwa MüKo-Sonnenberger5, Art. 6 EGBGB Rn. 49 f. Dieser geht ebenfalls auf den Witwenrenten-Beschluss des BVerfG ein (BVerfG 30.11.1982, Az. 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323), welcher jedoch keine grundsätzlichen Ausführungen enthält, die über das in diesem Fall besprochene Grundrecht, Art. 6 Abs. 1 GG, hinaus fruchtbar gemacht werden könnten. 25 Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 Rn. 59, S. 41; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225; Oeter, AöR 1994, 529, 537 m.w.N.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 57 f., der darauf hinweist, dass der Sache nach bereits in der Blinkfüer-Entscheidung Schutzpflichten angenommen wurden. 26 BVerfG 25.2.1975, Az. 1 BvF 1–6/74, BVerfGE 39, 1, 42; bestätigt bspw. durch BVerfG 20.12.1979, Az. 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30, 57; BVerfG 28.5.1993, Az. 2 BvF 2/90 und 4–5/92, BVerfGE 88, 203, 251. 27 BVerfG 25.2.1975, Az. 1 BvF 1–6/74, BVerfGE 39, 1, 42. Vgl. zu den Funktionen der Grundrechte bspw. Epping, Grundrechte6, Rn. 13 ff.; BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 27; BeckOK-Axer23, Art. 14 GG Rn. 22; Maunz/Dürig-Grabenwarter72, Art. 5 GG Rn. 108 ff.; Maunz/Dürig-Di Fabio72, Art. 2 GG Rn. 61 ff. und 135 f. 28 Maunz/Dürig-Grabenwarter72, Art. 5 GG Rn. 108 f.; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 Rn. 55, S. 40. 24
A. Verstoß gegen Grundrechte
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Geltung als objektives Recht, das in alle Rechtsbereiche hineinwirkt, gewährleistet werden.29 Nach der ursprünglichen Herleitung aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte,30 hat das Bundesverfassungsgericht die Schutzpflichten im Sinne von Schutzrechten auch als subjektive Rechte der Grundrechtsträger anerkannt,31 die der Bürger somit auch gegenüber staatlichen Organen etwa durch eine Verfassungsbeschwerde geltend machen kann. Auch blieb die Schutzpflichtfunktion nicht auf den Schutz von Leib und Leben beschränkt, sondern wurde auf andere Schutzgüter übertragen.32 Das Verständnis der Grundrechte als Schutzpflichten öffnete eine neue Perspektive: Es stellt sich nicht allein die Frage nach der Zulässigkeit eines grundrechtsgefährdenden staatlichen Handelns. Im Rahmen der Grundrechte als Schutzpflichten stellt sich die Frage der Zulässigkeit eines staatlichen Unterlassens oder dem Genügen eines staatlichen Handelns, wenn von einem anderen Ursprung eine Grundrechtsbedrohung ausgeht. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht es, bei der Prüfung staatlichen Handelns oder Unterlassens der Trennung zwischen grundrechtsgebundenen staatlichen Stellen und nicht grundrechtsgebundenen Privaten Rechnung zu tragen. Entsprechend schärfte die Entwicklung der Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten das Verständnis der Rolle der Zivilrichter und des Zivilgesetzgebers beim Schutz der Grundrechte der Beteiligten und des dabei anzulegenden Prüfungsmaßstabes. b) Grundrechte als Schutzpflichten im Privatrecht Die Funktion der Grundrechte als Schutzpflichten wird inzwischen wohl überwiegend für die Erklärung staatlichen Einschreitens im privatrechtlichen Verkehr herangezogen.33 Da diese Arbeit lediglich das Verfassungsrecht in Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225 f. BVerfG 25.2.1975, Az. 1 BvF 1–6/74, BVerfGE 39, 1, 42; Epping, Grundrechte6, Rn. 123 f. 31 Epping, Grundrechte6, Rn. 13 ff.; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 D. II. Rn. 58, S. 41. 32 Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 Rn. 60, S. 41 f.; BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 27. 33 Grundlegend dazu Canaris, AcP 184 (1984), 201; sowie erweitert und eingehend auf aufgekommene Kritik Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 37 ff.; Epping, Grundrechte6, Rn. 350 ff.; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 D. I. Rn. 57. Canaris betont aber, dass der Richter, wenn er zu sehr den Bedrohten schützt, letztlich in die Grundrechte des Dritten eingreift. Diese wirken dann in der Abwehrfunktion: Grundrechte und Privatrecht, 20. Hier geht es jedoch um die Grundrechte, die durch die Handlung des Dritten bedroht sind. Vgl. Maunz/Dürig-Grabenwarter72, Art. 5 GG Rn. 108; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 64; BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 GG Rn. 73 f.; a. A. Epping, Grundrechte6, Rn. 358 ff. 29 30
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Kapitel 3 – Ordre public
seiner Bedeutung für das Internationale Privatrecht untersuchen will, soll dieses Verständnis der Bedeutung der Grundrechtswirkung zwischen Privaten hingenommen und der folgenden Untersuchung zugrunde gelegt werden. In Abgrenzung zu der Erklärung der Bedeutung der Grundrechte zwischen Privaten als (mittelbare) Drittwirkung und somit als – wenn auch nur mittelbare – eigene Bindung der Privaten an die Grundrechte,34 wird bei einem Verständnis der Grundrechte als Schutzpflichten an die Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers und des Privatrichters gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG angeknüpft. Diese sind verpflichtet, Grundrechtsträger durch Gesetzgebung und bei der Anwendung bestehender Vorschriften vor der Beeinträchtigung durch dritte, nicht grundrechtsgebundene Private zu schützen. Die Wirkung der Grundrechte in privaten Rechtsverhältnissen als Schutzpflichten lässt sich wie folgt veranschaulichen: Lässt der Staat den Dingen ihren Lauf, droht durch ein Verhalten eines Privaten eine Verletzung eines Grundrechts eines anderen Privaten. Es entspannt sich somit ein Dreieck zwischen dem Richter beziehungsweise dem Gesetzgeber, dem drohenden Privaten und dem bedrohten Privaten. Der grundrechtsbedrohende Private ist selbst nicht grundrechtsgebunden, sodass der Bedrohte keine grundrechtlichen Abwehrrechte gegen ihn hat.35 Gesetzgeber und Richter sind demgegenüber umfassend grundrechtsgebunden. Sie müssen als Garanten die Grundrechte des Bedrohten gegenüber dem Drohenden schützen.36 Unterlassen die staatlichen Stellen zu Unrecht das Tätigwerden zum Schutz der Grundrechte des Bedrohten, verletzen sie selber dessen Grundrechte in deren Schutzpflichtfunktion. Abstrakt zeichnet sich diese Dynamik dadurch aus, dass Grundrechtsbedrohung und Grundrechtsbindung auseinanderfallen. Dabei wandelt sich die Pflicht der grundrechtsgebundenen staatlichen Stelle, nicht selbst in Grundrechte einzugreifen, in diejenige, Eingriffe Dritter zu verhindern. Dieses Auseinanderfallen der Grundrechtsbedrohung und Grundrechtsbindung erweist sich als entscheidende Charakteristik für die Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten.37 c) Grundrechtsbedrohung und -bindung beim ausländischen Recht Ein Auseinanderfallen von Grundrechtsbedrohung und -bindung kann man auch im Rahmen der Anwendung fremden Rechts durch staatliche Stellen 34 Siehe hierzu u. a. Epping, Grundrechte6, Rn. 347 ff.; zu der Unterscheidung siehe BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 GG Rn. 73.1. 35 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 36; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 59. 36 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 24 f. und 37 ff. 37 Vgl. HdbGR II-Calliess, § 44 Rn. 17.
A. Verstoß gegen Grundrechte
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finden. Auch hier sind drei „Parteien“ von Bedeutung: der Richter, das eigentlich anwendbare ausländische Recht und die Betroffenen, also die am Verfahren Beteiligten. Durch die Anwendung des ausländischen Rechts kann eine Verletzung der Grundrechte des Betroffenen drohen. Der ausländische Gesetzgeber und somit das ausländische Recht sind, im Gegensatz zu dem deutschen Richter, allerdings nicht an die deutschen Grundrechte gebunden.38 Trennt man somit gedanklich zwischen dem deutschen Richter und dem ausländischen Recht, welches er anwenden soll, fallen auch hier die Grundrechtsbedrohung und die Grundrechtsbindung auseinander. Es liegt somit nahe, dass die Grundrechte – als Schutzpflichten – dem Richter aufgeben, die Betroffenen vor dem eigentlich anwendbaren ausländischen Recht zu schützen. aa) Regelmäßig kein eigener Eingriff des Richters Will man demgegenüber den Richter und das ausländische Recht, das er anwenden soll, nicht gedanklich trennen, so fallen Grundrechtsbedrohung und -bindung zusammen. Die drohende Verletzung der Grundrechte wäre dann ein eigener Eingriff des Richters. Die Grundrechte würden in ihrer klassischen Abwehrfunktion gegen den Richter wirken.39 Eine eigene Grundrechtsbedrohung durch den Richter bei der Anwendung ausländischen Rechts würde bedeuten, dass der Richter sich das ausländische Recht gänzlich zu eigen macht. Er würde es anwenden, wie er deutsches Recht anwendet. Das ausländische Recht wäre nicht mehr ein fremdes Recht, das der Richter als solches anwendet, sondern es würde durch die Kollisionsnorm Teil des eigenen deutschen Rechts.40 Das ausländische Recht würde, zumindest soweit es im konkreten Fall relevant ist, vollständig der deutschen Staatsgewalt zugerechnet. Nur wenn derart die Grenze zwischen fremdem und eigenem Recht aufgelöst wird, kann die Anwendung des fremden Rechts als eigener Eingriff durch den Richter und nicht als unterlassener Schutz vor der Einwirkung des ausländischen Rechts verstanden werden. Dieses Verständnis wird auf verschiedene Weisen dem Vorgang der Anwendung fremden Rechts nicht gerecht. Zunächst bleibt das fremde Recht trotz der Anwendung durch den deutschen Richter ein fremdes Recht. Zwar wendet der Richter es wegen des kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehls wie das eigene Recht an.41 Hierdurch wird es jedoch selbst im konkreten Fall Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 50 Rn. 65, S. 79. So zum Teil Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 488 ff., der jedoch differenziert und in bestimmten Konstellationen eine Schutzpflichtverletzung und keinen Eingriff annimmt. Siehe unten bei Kapitel 3 – A.I.2.c)cc), S. 144. 40 So etwa die italienische „Inkorporationslehre“ vgl. nach Bleckmann, Völkerrechtliche Grundlagen, 7. 41 Die Bedeutung des Anwendungsbefehls betont auch Bleckmann, Völkerrechtliche Grundlagen, 7 ff. 38 39
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Kapitel 3 – Ordre public
nicht zu dem eigenen Recht. Durch das Kollisionsrecht wird nicht jedes beliebige Recht, auf das verwiesen wird, zu einem integralen Bestandteil des deutschen Rechts und dessen Inhalt den deutschen Hoheitsträgern derart zugeschrieben, dass sie sich mit diesem identifizieren müssten.42 Überzeugender ist das Verständnis, dass das Internationale Privatrecht punktuell die deutsche Rechtsordnung fremdem Recht öffnet. In vorbestimmten Umständen erfolgt ein Befehl des nationalen Gesetzgebers, das ausländische, fremde Recht im Einzelfall statt des nationalen Rechts anzuwenden.43 Das deutsche Recht lässt so Räume des fremden Rechts im eigenen zu. Ähnlich wird ein privater Vertrag, der gerichtlich durchgesetzt wird, nicht Teil der deutschen Rechtsordnung; im Rahmen des deutschen Rechts bestehen vielmehr Räume, in denen private Rechtssetzung vorrangig anerkannt wird.44 Eine gerichtliche Entscheidung, in der der Richter ausländisches Recht anwendet, als Eingriff zu verstehen, setzt weiterhin voraus, dass erst durch die Entscheidung das ausländische Recht Geltung erlangt und die Rechtslage zu einer grundrechtswidrigen hin verändert wird. Mit Ausnahme von Gestaltungsurteilen besteht jedoch theoretisch die Rechtslage schon vor dem Richterspruch. Der Richter spricht sie nur mit Rechtskraft aus. Dies ist mit dem Bild, dass ein Eingriff erst durch den Richter erfolgt, nicht vereinbar. Dass sich Gestaltungsurteile jedoch bezüglich der Wirkung der Grundrechte von sonstigen Entscheidungen unterscheiden, liegt eher fern, sodass dies für eine Wirkung als Schutzpflicht unabhängig von der Art der Entscheidung spricht. Deutlich zeigt sich die Notwendigkeit, hier von einem abwehrrechtlichen Grundrechtsverständnis abzurücken, auch bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung ausländischer Entscheidungen gemäß § 108 Abs. 1 FamFG oder § 328 Abs. 1 ZPO. Diese erfolgt grundsätzlich automatisch ohne ein Anerkennungsverfahren. Die Entscheidung entfaltet also auch ohne Beteiligung eines Richters ihre Wirkung im Inland, theoretisch einschließlich ihrer grundrechtsverletzenden Wirkung. Wirkten die Grundrechte gegenüber dem deutschen Staat hier lediglich in ihrer Funktion als Abwehrrechte, so wäre eine Grundrechtsverletzung und somit ein Schutz durch den ordre publicVorbehalt ausgeschlossen, da ein Gericht oder eine sonstige Stelle sich gerade nicht mit der Sache befasst beziehungsweise noch nicht befasst hat. Eine Grundrechtsverletzung durch das ausländische Recht selbst beziehungsweise den ausländischen Gesetzgeber ist wegen deren fehlender Grundrechtsbindung ebenfalls ausgeschlossen. Auch im Rahmen der Prüfung, ob ein Eingriff durch den deutschen Richter – falls man ihn annimmt – zu rechtfertigen ist, zeigt sich die Schwäche eines abwehrrechtlichen Verständnisses. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist 42 43 44
So auch Bleckmann, Völkerrechtliche Grundlagen, 7 f. Sog. „Vollzugstheorie“ vgl. dazu Bleckmann, Völkerrechtliche Grundlagen, 8 ff. Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 Rn. 45, S. 37 f.
A. Verstoß gegen Grundrechte
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der Zweck des Grundrechtseingriffes mit seiner Schwere abzuwägen. Was jedoch kann hier als Zweck des Eingriffs verstanden werden? Das Motiv des Richters ist es lediglich, gemäß dem Kollisionsrecht, ein sachnahes ausländisches Recht anzuwenden. Dies ist jedoch nicht der Zweck des Grundrechtseingriffs. Der Zweck findet sich in dem ausländischen Recht selbst. Diesen Zweck dem Richter als eigenen zuzurechnen, verzerrt die Lage. Gegen einen eigenen Eingriff durch den Richter spricht zudem, dass es unpassend erscheint, dem Richter eine Verletzung der Grundrechte als eigene zuzurechnen.45 Er wendet ein fremdes Recht an. Der Vorwurf, der ihn trifft, ist der, im Einzelfall nicht erkannt zu haben, dass das ausländische Recht nicht anzuwenden ist, weil ein Grundrechtsverstoß droht. Dies ist jedoch der Vorwurf der Schutzpflichtverletzung und nicht der eines eigenen Eingriffs. Die deutsche Staatsgewalt und somit auch ein eigener Eingriff enden dort, wo unabhängig von dem Willen deutscher Hoheitsträger der wesentliche Verlauf eines Vorgangs von dem Willen eines fremden Staates gestaltet wird.46 Dies wäre bei einer ungebremsten Anwendung ausländischen Rechts der Fall. bb) Schutzpflicht des Richters Es überzeugt mehr, zwischen der Grundrechtsbedrohung durch das ausländische Recht und der Grundrechtsbindung des deutschen Richters bei dessen Anwendung zu trennen. Bei Auseinanderfallen der Grundrechtsbedrohung und Grundrechtsbindung wandelt sich die Pflicht des Richters, nicht in Grundrechte einzugreifen, zu derjenigen, die Betroffenen vor einer drohenden Grundrechtsverletzung durch das eigentlich anwendbare ausländische Recht zu schützen, wie der Betroffene vor einer Bedrohung durch andere Private geschützt werden muss.47 Bereits im Spanier-Beschluss formuliert das Bundesverfassungsgericht in diese Richtung, wenn es feststellt, dass dem deutschen Gesetzgeber eventuell ein Vorwurf gemacht werden könne, „soweit er etwa bei der Berufung ausländischen Rechts voraussehbaren Konflikten mit einzelnen Grundrechten nicht durch mögliche Sonderregeln Rechnung getragen hat“.48 Da das Internationale Privatrecht das ausländische Recht nicht a priori auf seine Grundrechtskonformität prüft, bedarf es eines Schutzes im Einzelfall.
Vgl. Bleckmann, Völkerrechtliche Grundlagen, 8 f. BVerfG 16.12.1983, Az. 2 BvR 1160, 1565, 1714/83, BVerfGE 66, 39, 62. 47 Vgl. Oeter, 38 BerDGVR 1998, 127. 48 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 75. Dass die Frage der Wirkweise der Grundrechte im Spanier-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht direkt anklingt überrascht wenig, da das Gericht die Lehre der Schutzpflichten erst in dem vier Jahre späteren ersten Urteil zum Schwangerschaftsabbruch in seine Rechtsprechung aufnahm. BVerfG 25.2.1975, Az. 1 BvF 1–6/74, BVerfGE 39, 1, 42. 45 46
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Kapitel 3 – Ordre public
Wendet der Richter ein grundrechtswidriges ausländisches Recht an, greift er somit nicht selbst in Grundrechte ein, sondern verletzt seine Pflicht, die Grundrechtsberechtigten vor der drohenden Beeinträchtigung durch dies Recht zu beschützen. cc) Keine Differenzierung nach Fallgestaltung Dirk Looschelders will abhängig von der konkreten Fallgestaltung unterscheiden zwischen Abwehr- und Schutzpflichtfunktion. Er sieht bei einer gerichtlichen Bestätigung einer inländischen talaq-Scheidung49 die Abwehrfunktion betroffen,50 bei der Anerkennung einer ausländischen talaq-Scheidung jedoch die Schutzpflichtfunktion.51 In beiden Fällen würde ein deutsches Gericht, welches sich mit dem Fall befasst, die nach ausländischem Recht außergerichtlich bereits wirksame Privatscheidung zum ersten Mal gerichtlich bestätigen. Warum es für die Funktion, in welcher sich die Grundrechte der Beteiligten auf diese gerichtliche Entscheidung auswirken, eine Rolle spielt, ob der zugrundeliegende Sachverhalt im In- oder Ausland stattfand, ist nicht nachvollziehbar. Insoweit erscheinen die Fälle identisch.52 dd) Zwischenergebnis: Grundrechte wirken in ihrer Schutzfunktion Die Grundrechte wirken somit im Rahmen des ordre public-Vorbehalts in ihrer Schutzpflichtfunktion. Die Anwendung eines ausländischen Rechts, das im Ergebnis zu einem Grundrechtsverstoß führt, ist kein eigener Eingriff durch den Richter, sondern ein Unterlassen des Richters, den gebotenen Schutz vor der Bedrohung durch das eigentlich anwendbare ausländische Recht durchzusetzen. 3. Auswirkung auf die Prüfung der Grundrechte in Art. 6 S. 2 EGBGB Da die Grundrechts im Rahmen des ordre public-Vorbehalts somit nicht als Abwehrrechte, sondern als Schutzpflichten wirken, müssen sie auch entspre49 Es handelt sich hierbei um eine Scheidung durch einseitige Verstoßung durch den Ehemann, die als Privatscheidung auch ohne richterliche Bestätigung wirksam ist. Vgl. Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 488. 50 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 488. Zwar erwähnt er hier die Anerkennung einer inländischen talaq-Scheidung nicht ausdrücklich als Beispiel eines potenziellen richterlichen Eingriffs in die Abwehrfunktion. Er erläutert jedoch, dass eine einvernehmliche talaq-Scheidung – gerade wegen des Einverständnisses – „mit Blick auf die Abwehrrechte der Frau unbedenklich“ sei. 51 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 490. Hier diskutiert er den Schutz der verstoßenen vorherigen Ehefrau im Rahmen einer erneuten Heirat. 52 Unterschiede bezüglich der Anwendbarkeit der Grundrechte bei Inlands- gegenüber Auslandssachverhalten mögen allerdings bestehen.
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chend geprüft werden. Weitgehend besteht Einigkeit darüber, wie Grundrechte als Schutzpflichten zu prüfen sind.53 Es sollen daher im Folgenden nur einige Aspekte angesprochen werden. Dabei zeigt sich, dass sich verschiedene Vorgaben der bestehenden Dogmatik des ordre public als Konsequenz der Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten erklären lassen. a) Konkretes Ergebnis als Prüfungsgegenstand Wie schon aus der bestehenden Dogmatik bekannt und in Art. 6 EGBGB vorgesehen, ist der Untersuchungsgegenstand lediglich die Bedrohung durch das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall und nicht das ausländische Recht an sich.54 Das ausländische Recht an sich kann schon deshalb nicht tauglicher Prüfungsgegenstand sein, weil die Grundrechte ausländische Staatsgewalt nicht binden.55 b) Restriktive Annahme von Schutzpflichten Bei der Annahme einer Schutzpflicht ist Zurückhaltung geboten.56 Dies entspricht der bisherigen Herangehensweise zum ordre public-Vorbehalt.57 Zunächst liegt dies daran, dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erhalten bleiben muss. Dieser würde unterlaufen, wenn zu leichtfertig bestimmte Handlungsvorgaben angenommen würden. Eine Schutzpflichtverletzung wird nur angenommen, wenn „Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen [wurden] oder offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen“.58 Im Rahmen der Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten kann ein restriktives Vorgehen auch damit begründet werden, dass der privaten Gestaltung Freiraum gewährt werden soll und der Staat lediglich bei erheblichen Bedrohungen einschreiten muss.59 Im Rahmen der Anwendung ausländischen Rechts lässt sich ein entsprechender Freiraum mit der Völkerrechtsfreund53 Siehe etwa Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 D. V. Rn. 65 ff., S. 43 f.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 71 ff.; HdbGR II-Calliess, § 44 Rn. 23 ff. 54 Spickhoff, Ordre public, 120; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 II 1; Voltz, Menschenrechte und ordre public, 24; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 16 III 2 b; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII 4 Rn. 265; Mansel, 43 BerDGVR 2007, 137, 196. 55 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 477 f. 56 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 74; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 D. IV. Rn. 63, S. 42. 57 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII. 1. Rn. 258 f., S. 714 f.; Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 228 f. 58 So etwa BVerfG 30.11.1988, Az. 1 BvR 1301/84, NJW 1989, 1271, 1275. Siehe auch BVerfG 14.1.1981, Az. 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54, 81. 59 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 47.
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Kapitel 3 – Ordre public
lichkeit beziehungsweise Offenheit des Grundgesetzes im Sinne einer grundsätzlichen Akzeptanz fremder Rechtsordnungen einschließlich abweichender Rechtsordnungen als gleichberechtigt begründen.60 Dieser Ansatz lässt sich bereits dem Spanier-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entnehmen.61 Das Gericht betont die Unzulässigkeit eines Oktroi deutscher Wertvorstellungen, die Bedeutung des Respekts gegenüber fremden Rechtsordnungen und den darin enthaltenen Wertentscheidungen des jeweiligen Gesetzgebers sowie die Gleichwertigkeit der Staaten als Teile der Völkerrechtsgemeinschaft.62 Werden zu schnell zwingende Vorgaben aus den Grundrechten hergeleitet, würde der Raum für abweichende ausländische Regelungsansätze stark beschnitten.63 c) Auslandsbezug des Sachverhalts Eine Schwierigkeit der Anwendung der Grundrechte, die das Bundesverfassungsgericht schon in dem Spanier-Beschluss anspricht, ist ihre Anwendbarkeit auf Sachverhalte mit Auslandsbezug.64 Der deutsche Staat ist umfassend, also auch im Rahmen von Sachverhalten mit Auslandsbezug an Grundrechte gebunden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG.65 Diese umfassende Bindung begründet jedoch nicht die umfassende Anwendbarkeit der Grundrechte auf Auslandssachverhalte, sondern setzt die Anwendbarkeit voraus: Nur wenn die Grundrechte auf solche Sachverhalte anwendbar sind, bedeutet die umfassende Bindung an die Grundrechte, dass auch für Auslandssachverhalte eine solche Bindung besteht. Von der bindenden Wirkung auf die Anwendbarkeit zu schließen, wäre ein Zirkelschluss.66 Die Anwendbarkeit muss sich aus den Grundrechten selbst ergeben. Es bedarf eines Bezuges zur deutschen Rechtsordnung, der die „Brücke“ zur Grundrechtswirkung schlagen67 und dem Auslandsbezug entgegenwirken
BVerfG 30.6.1964, Az. 1 BvR 93/64, BVerfGE 18, 112, 120 f.; BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 75 f.; Vogel, Verfassungsentscheidung, 42; HdbStR VII-Tomuschat, § 172 Rn. 1 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 15 I 2, S. 382; Sachs-Streinz7, Art. 25 GG Rn. 9; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 25 GG Rn. 1. 61 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58. 62 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 74 ff. 63 Stern/Sachs, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1242 ff.; vgl. zur Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen und Neutralität der Verweisungsmethode als Grundlage des heutigen IPR Weller, IPRax 2011, 429, 430 f. 64 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 77 und 86 f. Siehe dazu ausführlicher unten bei Kapitel 4 – A.I.3., S. 242. 65 Bleckmann, DÖV 1979, 309, 317; Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 482; Mansel, 43 BerDGVR 2007, 137, 196. 66 Merten, in: FS Schiedermair, 331, 340; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 75. 67 Merten, in: FS Schiedermair, 331, 341. 60
A. Verstoß gegen Grundrechte
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kann.68 Ist der Betroffene ein deutscher Staatsangehöriger oder droht die Grundrechtsverletzung auf deutschem Boden, so stellt dies einen ausreichenden Bezug dar. Sind solch umfassende Bezüge nicht gegeben, bedarf es eines grundrechtsspezifischen Inlandsbezuges.69 Den deutschen Staat trifft keine Pflicht, weltweit Handlungen zu verhindern, die im Inland eine Grundrechtsverletzung darstellen würden, die aber keinen Bezug zum Inland beziehungsweise zur deutschen Staatsgewalt haben.70 Zurückhaltung bei der Anwendung deutscher Grundrechte auf Auslandssachverhalte fordert auch die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, die bereits im Spanier-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts anklingt.71 Sie fordert die Achtung des Territorialitäts- und Personalprinzips als örtliche und persönliche Grenzen eigener und fremder Souveränität und eigenen und fremden Rechts. Ist ein Sachverhalt primär mit dem Hoheitsgebiet eines anderen Staats verbunden oder betrifft primär Staatsangehörige dieses Staats, so ist Zurückhaltung zu üben, wenn unter Berufung auf eine grundrechtliche Schutzpflicht das dortige Recht nicht angewendet werden soll.72 Das Kriterium des Inlandsbezugs ist auch aus der gängigen Dogmatik des ordre public als Voraussetzung für die Anwendung der Grundrechte bekannt.73 Ist der Inlandsbezug ausreichend, um die Anwendung der Grundrechte zu begründen, so ist der Inlandsbezug bei der Frage der Verletzung der Grundrechte jedoch nicht erneut zu berücksichtigen. Ist ein Grundrecht verletzt, so bedarf es keines zusätzlichen Inlandsbezuges, selbst wenn die Verletzung nicht sonderlich schwer wiegt.74 Eine weitergehende Differenzierung anhand des Inlandsbezugs liefe darauf hinaus, nach der Schwere der Grundrechtsverletzung zu unterscheiden. Schon das Bundesverfassungsgericht stellt jedoch klar, dass eine Unterscheidung nach „tragbaren und untragbaren“ Grundrechtsverletzungen nicht zulässig ist.75 68 Vgl. Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489 f.; HdbGR II-Badura, § 47 Rn. 13 ff.; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, 112 ff. 69 Siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.3.b)bb), S. 244; vgl. Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489 f.; HdbGR II-Badura, § 47 Rn. 13 ff.; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, 112 ff. 70 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 490. Zur Anwendung der Grundrechte auf Auslandssachverhalte siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.3., S. 242. 71 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 75 f. 72 Vgl. Einsele, RabelsZ 51 (1987), 603, 618; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 72. 73 Staudinger-Voltz2013, Art. 6 EGBGB Rn. 142; Voltz, Menschenrechte und ordre public, 30 ff.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII. 3. Rn. 263 f., S. 717 f.; Erman-Hohloch13, Art. 6 EGBGB Rn. 19; Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 233 f. 74 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 10/504, 1983, 44; Spickhoff, Ordre public, 125; Schröder, in: FS Schlochauer, 137, 141; a. A. Stern/Sachs, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1241. 75 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 86.
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Kapitel 3 – Ordre public
d) Bedeutung des Grundrechts, Schwere der Bedrohung versus Relativität des ordre public Verbunden mit der Forderung nach einem Inlandsbezug wird eine Relativität des ordre public vertreten. Je schwächer die Verbindung zum Inland, desto größere Abweichungen von den Grundsätzen des deutschen Rechts seien mit dem ordre public vereinbar.76 Bezogen auf den Unterfall des ordre publicVorbehalts der Grundrechtsverletzung und somit Art. 6 S. 2 EGBGB kann diese Relativität nur eingeschränkt aufrechterhalten werden.77 Wie eben dargestellt wurde, ist im Rahmen des ordre public-Vorbehalts eine Unterscheidung zwischen „tragbaren und untragbaren“ Grundrechtsverletzungen nicht zulässig.78 Der Inlandsbezug darf nur im Rahmen der Anwendbarkeit der Grundrechte berücksichtigt werden, nicht aber bei der Frage, ob eine dann vorliegende Grundrechtsverletzung wegen eines geringen Inlandsbezuges dennoch hingenommen werden kann. Ebenso wenig kann die mit dem Inlandsbezug verbundene Figur der Relativität des ordre public, die ebenfalls aufgrund eines geringen Inlandsbezuges die Schwelle für die Relevanz einer Grundrechtsverletzung anheben würde, berücksichtigt werden. Dies zeigt sich auch darin, dass in Art. 6 S. 2 EGBGB entgegen S. 1 weder eine Wesentlichkeits- noch eine Offensichtlichkeitseinschränkung besteht.79 Allerdings ist bei der Frage, ob eine Schutzpflicht besteht, die Bedeutung des bedrohten Grundrechts und die Schwere und Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung von Bedeutung.80 Inhaltlich findet sich somit im Rahmen der Bestimmung des Vorliegens einer Schutzpflicht ein funktionales Äquivalent zur Relativität des ordre public. Eine nachträgliche Relativierung einer eigentlich festgestellten Grundrechtsverletzung erfolgt darüber hinaus jedoch nicht. e) Möglichkeit des Schutzes Ein weiterer Aspekt, der gerade bei Auslandssachverhalten Bedeutung gewinnt, ist die Frage nach der Möglichkeit des Schutzes. Die Verhinderung der Beeinträchtigung der Grundrechte muss dem Staat möglich sein.81 Im Rahmen einer präventiven Schutzpflicht ist die Möglichkeit des Schutzes meist Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 227 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 II 2, S. 246; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII. 3. Rn. 264, S. 717; Voltz, Menschenrechte und ordre public, 30 ff.; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 498 f. 77 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 482. 78 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 86. 79 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 478. 80 BVerfG 25.2.1975, Az. 1 BvF 1–6/74, BVerfGE 39, 1, 42; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 76 ff. 81 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 44. 76
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unproblematisch, da der Staat Vorkehrungen treffen kann, selbst wenn diese teilweise erfolglos bleiben. Ist jedoch eine Beeinträchtigung bereits eingetreten, so ist ein Schutz grundsätzlich nicht mehr möglich. Der Möglichkeit der Verwirklichung des Grundrechtsschutzes kommt bei Sachverhalten mit Auslandsbezug eine gesteigerte Bedeutung zu. Zum einen befasst sich der Richter meist ex post mit dem Sachverhalt, sodass ein Schutz oft nicht mehr möglich ist.82 Zum anderen spielt sich der Sachverhalt oft im Ausland ab, sodass selbst ein präventiver Schutz nur schwer möglich ist, da der Sachverhalt dem Zugriff des deutschen Staates entzogen ist.83 Dies gilt zumindest für punktuelle und zeitlich begrenzte Grundrechtsbeeinträchtigungen, die lediglich im Ausland eintreten. Spätere Maßnahmen im Inland können hier eine Grundrechtsverletzung oft nicht mehr beheben.84 Auch aufgrund der faktischen Unmöglichkeit gelten die Schutzpflichten nicht undifferenziert weltweit.85 4. Zwischenergebnis Auch wenn auf den ersten Blick die Prüfung der Grundrechte als Schutzpflichten ungewohnt erscheinen mag, finden sich dennoch die aus der gängigen Dogmatik bereits bekannten Prüfungspunkte wieder, wenn auch in neuem Kontext. So folgt die zurückhaltende Annahme eines ordre public-Verstoßes bereits unmittelbar aus dem Gedanken der Schutzpflichten, die ebenfalls nur restriktiv angenommen werden. Auch Einschränkungen, welche im Ergebnis vergleichbar sind mit der bekannten Forderung nach einem Inlandsbezug und einer Relativität des ordre publics, ergeben sich aus der Dogmatik der Schutzpflichten. Die Anliegen der Dogmatik des ordre public-Vorbehalts und die verfassungsrechtlichen Vorgaben fügen sich so stimmig in einander. II. Elternschaft als Stellung In den Fällen, in denen bei einer Leihmutterschaft die Anwendung eines ausländischen Rechts gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu einer Elternschaft der Wunscheltern führt, wird dieses Recht nicht angewendet, wenn dieses Ergebnis gegen Grundrechte verstößt, Art. 6 S. 2 EGBGB. Bezüglich eines solchen Verstoßes muss man im Zusammenhang der Leihmutterschaft zwischen zwei möglichen Ansatzpunkten unterscheiden: dem Vorgang der Durchführung der Leihmutterschaft und der Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern.86 Beeinträchtigt die Stellung der WunVgl. Diel, Leihmutterschaft, 171. Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489 f.; Isensee, 32 VVDStRL 1973, 49, 63. 84 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489. 85 Isensee, 32 VVDStRL 1973, 49, 63; Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489 f. 86 So nun auch BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 46. Diese Trennung betonen etwa Witzleb, in: FS Martiny, 203, 214 und 224; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1152; 82 83
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Kapitel 3 – Ordre public
scheltern als rechtliche Eltern die Grundrechte der Beteiligten, so würde dies unmittelbar dazu führen, ein entsprechendes Recht gemäß Art. 6 S. 2 EGBGB nicht anzuwenden. Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, soll daher im Folgenden geklärt werden. Verstößt die umfassende Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern gegen den ordre public, wäre zu prüfen, ob zumindest einzelne Wirkungen der Elternschaft mit dem ordre public vereinbar sind oder zum Schutz der Beteiligten – insbesondere des Kindes – anerkannt werden müssen.87 Eine solche Unterscheidung ist etwa von der Behandlung der Polygamie bekannt, bei der die umfassende Stellung als Zweitehefrau gegen den ordre public verstößt und somit für einzelne Folgen spezifisch die ordre public-Vereinbarkeit untersucht wird.88 Sollte eine Elternschaft der Wunscheltern gegen Grundrechte verstoßen, so würde sich zudem, abhängig vom Grund für diesen Verstoß, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des deutschen Abstammungsrechtes stellen, da teilweise schon jetzt der Wunschvater rechtlicher Vater werden kann.89 Verstößt die Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern an sich nicht gegen den ordre public, so ist denkbar, dass der Vorgang der Leihmutterschaft – wenn auch nur mittelbar – zu einer Pflicht zur Verhinderung der Elternschaft der Wunscheltern führt, falls dieser Vorgang gegen Grundrechte verstößt und sich dieser Verstoß in einer Elternschaft der Wunscheltern fortsetzt. Dies ist im Anschluss zu erörtern. Sowohl Grundrechte des Kindes als auch der Leihmutter können durch die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern beeinträchtigt werden. Es soll hier als Grundfall zunächst die medizinisch notwendige, nicht kommerzielle Leihmutterschaft, bei der die Leihmutter nach der Geburt das Kind freiwillig den Wunscheltern übergibt, untersucht werden. Die Auswirkungen von Abweichungen hiervon werden im Anschluss besprochen.90
Dethloff, JZ 2014, 922, 926; Frank, FamRZ 2014, 1527, 1527; Lagarde, ZEuP 2015, 233, 240; im Ergebnis ebenso Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674; in gewissem Maße bereits Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A44. 87 Siehe unten zu einer solchen Differenzierung nach Rechtsfolgen im Kontext der Unvereinbarkeit der Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public nach einer erzwungenen Herausgabe des Kindes Kapitel 3 – E.II.1.d), S. 207. 88 So beeinträchtigt die Stellung als Zweitehefrau die Gleichheit der Frau. Einzelne aus der Ehe erwachsende Wirkungen müssen dies nicht zwangsläufig auch tun. So bereits BSG 30.3.1977, Az. 5 RKn 27/76, IPRspr. 1977 Nr. 50, 135, 137 f.; BVerwG 30.4.1985, Az. 1 C 33/81 (Münster), NJW 1985, 2097, 2098; Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489; Merten, in: FS Schiedermair, 331, 336 f. 89 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.I., S. 22. 90 Bzgl. der Auswirkung von Abweichungen von diesem Grundfall auf die grundrechtliche Bewertung siehe unten bei Kapitel 3 – E., S. 193.
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1. Grundrechte der Leihmutter, Recht auf das „eigene“ Kind aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Eine Pflicht zum Schutz vor der Anwendung eines ausländischen Rechts, das den Wunscheltern die rechtliche Elternschaft zuschreibt, könnte sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ergeben. Dieser könnte ein subjektives Recht der biologischen Mutter enthalten, Mutter ihres „eigenen“ Kindes zu werden, beziehungsweise eine entsprechende objektiv-rechtliche Vorgabe. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Rechten leiblicher Eltern betraf die Vaterschaft. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Aussagen grundsätzlich auf die Mutterschaft übertragbar sind. Da bei der Vaterschaft die leibliche Abstammung nur die genetische meinen kann, ist allerdings unklar, inwiefern Aussagen zu Rechten der leiblichen Eltern sich bezüglich der Mutterschaft auf die genetische oder die biologische Mutter oder beide beziehen. Das Bundesverfassungsgericht behandelt die Elternschaft als normatives Tatbestandsmerkmal,91 berücksichtigt aber auch die leibliche Elternschaft. Nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG muss die rechtliche Elternschaft der leiblichen Eltern der „Regelfall“ bleiben.92 Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gibt dem genetischen Vater grundsätzlich das Recht, rechtlicher Vater zu werden93 und die Feststellung der eigenen genetischen Vaterschaft zu ermöglichen. Selbst wenn der genetische Vater durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich darin geschützt wird, die rechtliche Elternschaft zu erwerben,94 wird er nicht ohne Weiteres zum Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.95 Das Gericht differenziert zwischen einem grundsätzlichen Schutz des Rechts des genetischen Vaters auf Erwerb der rechtlichen Vaterschaft aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und der Eigenschaft als Elternteil im Sinne dieser Norm einschließlich des dann bestehenden Schutzes erst nach dem Erwerb der rechtlichen Elternschaft.96 Vgl. BeckOK-Uhle23, Art. 6 GG Rn. 46 f.; Epping, Grundrechte6, Rn. 518. BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891; BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. Für eine Stärkung der Rechte des biologischen Vaters siehe Roth, NJW 2003, 3153, 3155. 93 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152. 94 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152; dazu Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 99 m.w.N. 95 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152. 96 Diese Unterscheidung erkennt man deutlich in BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152. Dort erläutert das Gericht zunächst, „[l]eiblicher Vater eines Kindes zu sein, macht diesen allein […] noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 II 1 GG“. Kurz danach erklärt es, dass die Vermutungen des § 1592 BGB zu einem Auseinanderfallen der rechtlichen und leiblichen Vaterschaft führen kann, was dazu führen könne, dass „[das] Kind […] dann zwei Väter [hat], die sich beide auf ihre durch Art. 6 II 1 GG geschützte Elternschaft berufen können.“ Gemeint ist hier wohl, dass der genetische Vater aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich ein Recht hat, den bisherigen nur rechtlichen 91 92
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Kapitel 3 – Ordre public
Der rein rechtliche Vater verliert seine Stellung als Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht allein, weil sich herausstellt, dass er nicht der leibliche Vater ist.97 Der genetische Vater muss sich dann aber grundsätzlich gegen den rein rechtlichen Vater behaupten und die Stellung des rechtlichen Vaters einnehmen können.98 Er hat dabei nicht stets Vorrang vor dem rechtlichen Vater.99 Wenn sich bereits eine soziale Vaterschaft des rechtlichen Vaters gebildet hat, akzeptiert das Verfassungsgericht einen Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung durch den genetischen Vater wegen des Interesses des Kindes am Erhalt seiner sozial familiären und rechtlichen Zuordnung und wegen des Interesses des rechtlichen Vaters am Erhalt der zwischen ihm und dem Kind bestehenden rechtlichen und sozialen Bindung.100 Besteht somit bereits eine soziale Elternschaft des rechtlichen Vaters, wird diese vor der des genetischen Vaters geschützt.101 Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG stellt sich somit einer rechtlichen Abstammung, die von der genetischen abweicht, nicht grundsätzlich entgegen.102 Er bestimmt kein „Rangverhältnis zwischen der biologischen und sozialen Elternschaft“103. Fallen genetische und soziale Vaterschaft auseinander, kann der Gesetzgeber entscheiden, welche Vorrang genießen soll, da das Grundgesetz insoweit keine Gewichtung vorgibt.104 Dabei hat er die Interessen der Beteiligten abzuwägen und insbesondere das Wohl des Kindes zu berücksichti-
Vater aus seiner Rolle als Vater zu verdrängen und so die Elternschaft im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu erwerben. Auch wenn das Gericht hier inhaltlich klar differenziert, verblasst diese Differenzierung hinter einer unklaren Ausdrucksweise und begrifflichen Unschärfe. Im Widerspruch dazu scheint es zu stehen, wenn das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle erläutert, Personen können durch Abstammung oder einfaches Gesetz das Elternrecht erwerben: BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 58; BVerfG 20.9.2006, Az. 1 BvR 1337/06, FamRZ 2006, 1661, 1662. Hier scheint ein leibliches Elternteil nicht nur ein Zugriffsrecht auf das Elternrecht zu erhalten, sondern sofort das Elternrecht an sich. Dies würde die vorherige Differenzierung aufheben und zu mehr als zwei Elternrechtsinhabern führen. 97 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153; BVerfG 29.7.1968, Az. 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67, BVerfGE 24, 119, 136. 98 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152. Wohl auch schon BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891. 99 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 und 2154. 100 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 und 2154; BVerfG 13.11.2008, Az. 1 BvR 1192/08, NJW 2009, 425, 425 f.; BVerfG 4.12.2013, Az. 1 BvR 1154/10, Rn. 5; dazu Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 99 m.w.N. 101 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152. 102 BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891; BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 62. 103 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. 104 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154.
A. Verstoß gegen Grundrechte
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gen.105 Auch ist zulässig, dass zur Bestimmung der Vaterschaft äußere Kriterien verwendet werden, die nicht zwingend einen Gleichlauf genetischer und rechtlicher Elternschaft gewährleisten, wie dies etwa in den §§ 1592 ff. BGB der Fall ist.106 Die soziale Elternschaft kann bei einem Konflikt zwischen dem reinrechtlichen und genetischen Vater entscheiden.107 Das Soziale kann „verfassungsrechtlich notwendige Bedingung für die einfachgesetzliche Zuweisung der Elternrolle sein.“108 Die soziale Elternschaft ist vom rechtlichen Status als Eltern unabhängig.109 Das Bundesverfassungsgericht betont sogar die Bedeutung der tatsächlichen Übernahme der Verantwortung, wenn es erläutert, dass „Inhaber [des Elternrechts] nur sein [kann], wer zugleich die Elternverantwortung trägt, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft allein auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet.“110 Diese Vorgabe relativiert das Gericht jedoch, da es erläutert, dass sogar ein Vater, der weder genetischer noch sozialer Vater, dank einer Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 BGB aber rechtlicher Vater ist, in seiner Elternschaft verfassungsrechtlich geschützt ist.111 Dann ist die Intensität des Schutzes durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG allerdings davon abhängig, „ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird“.112 Die Bedeutung der sozialen Elternschaft unterstreicht das Gericht erneut, wenn es betont, dass Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auch das „Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft“ schützt.113 Auch folgende Äußerung des Gerichts unterstreicht die Bedeutung der sozialen Elternschaft: „Eltern, die im Sinne des Grundgesetzes diesen Namen verdienen, weil sie bereit sind, die mit dem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflichten auf sich zu nehmen […], erhält das Kind erst durch die Adoption.“114
105 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154; dazu Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 100 f. m.w.N. 106 BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891; BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152; OLG Oldenburg 11.3.2004, Az. 11 UF 11/04, NJWRR 2004, 871, 872. 107 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 und 2154; BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 59. 108 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 59. 109 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 59. 110 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. 111 BVerfG 17.12.2013, Az. 1 BvL 6/10, FamRZ 2014, 449, Rn. 95 ff.; dazu Helms, FamRZ 2014, 459, 459. 112 BVerfG 17.12.2013, Az. 1 BvL 6/10, FamRZ 2014, 449, Rn. 97; dazu Helms, FamRZ 2014, 459, 459. 113 BVerfG 17.12.2013, Az. 1 BvL 6/10, FamRZ 2014, 449, Rn. 96; dazu Helms, FamRZ 2014, 459, 459. 114 BVerfG 29.7.1968, Az. 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67, BVerfGE 24, 119, 150.
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Kapitel 3 – Ordre public
Sofern diese grundsätzlichen Vorgaben der Institutsgarantie115 des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG erfüllt sind, greift das Bundesverfassungsgericht in der Bestimmung der Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf das einfache Recht zurück. Der rechtliche und soziale Vater ist Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, selbst wenn er nicht der genetische Vater ist.116 Der rein soziale, aber nicht rechtliche Vater ist demgegenüber kein Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.117 Die soziale Vaterschaft allein reicht nicht aus.118 Der Schutz der Beziehung zwischen rein sozialem Vater und Kind wird über den Familienschutz im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet.119 Auch der rein leibliche, nicht aber rechtliche Vater ist kein Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.120 Dies kann er erst werden, wenn er die rechtliche Vaterschaft erwirbt.121 Entsprechend verliert der rechtliche Vater bei Verlust der rechtlichen Vaterschaft seine Position als Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.122 Auch zwei Personen gleichen Geschlechts können die Elternteile im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sein.123 Dies bestätigt erneut, dass rein genetische, nicht aber einfachgesetzliche Eltern keine Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sind, da es maximal zwei Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geben kann,124 diese jedoch auch gleichgeschlechtlich sein können. Schließlich ist zumindest ein leibliches Elternteil dann zwingend von der Position als Elternteil im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ausgeschlossen. Weiterhin sind auch Adoptiveltern Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.125 Dies zeigt, dass man auf das Elternrecht auch zugunsten eines anderen verzichten kann.
BeckOK-Uhle23, Art. 6 GG Rn. 49; Quaritsch, NJW 1984, 2731, 2733. BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152; BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 53. 117 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 57. 118 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 59. 119 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 59. 120 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152; Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1903. Dies ist nur konsequent, wenn man bedenkt, dass der rein rechtliche, nicht aber genetische Vater Vater im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist, das Bundesverfassungsgericht jedoch gleichzeitig ein Maximum von zwei Elternteilen aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 herleitet. 121 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. 122 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153; BVerfG 13.11.2008, Az. 1 BvR 1192/08, NJW 2009, 425, 426. 123 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 51 f.; kritisch dazu Gröpl/Georg, AöR 2014, 125, 150. 124 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 f.; BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 52. 125 BVerfG 29.7.1968, Az. 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 53. 115 116
A. Verstoß gegen Grundrechte
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Hat die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergeben, verstößt eine Elternschaft der Wunscheltern demnach nicht gegen die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG: Ihr wird nicht gegen ihren Willen die rechtliche Elternschaft verweigert.126 Ob die Wunscheltern auch die genetischen Eltern sind, spielt dabei keine Rolle. 2. Grundrechte des Kindes Die Menschenwürde des Kindes kann dadurch beeinträchtigt werden, dass bei der Leihmutterschaft das Kind nicht von seiner biologischen Mutter aufgezogen wird, sondern sie es anderen übergibt. Ein Recht, von der „eigenen“ Mutter aufgezogen zu werden gibt es jedoch nicht,127 selbst wenn man annimmt, die biologische Mutter sei die entscheidende. Auch im Rahmen der Adoption werden genetisch fremde Eltern die rechtlichen Eltern, was nicht als Gefahr für die Würde des Kindes gesehen wird.128 Dass der Entschluss, das Kind nicht selbst aufzuziehen, schon vor seiner Zeugung gefasst wurde, veranlasst keine von der Adoption abweichende Bewertung.129 Die Trennung des Kindes von der Leihmutter könnte jedoch die psychische Unversehrtheit des Kindes bedrohen. Primär würde sich diese Bedrohung aus der dauerhaften Trennung von der Leihmutter und dem Aufwachsen bei den Wunscheltern ergeben, nicht aus der Übergabe des Kindes an sich. Diese Frage betrifft somit primär die Stellung der Wunscheltern als Eltern. Die dauerhafte Trennung von der Leihmutter ist jedoch auch für die Würdigung des Vorgangs der Leihmutterschaft und der Übergabe des Kindes entscheidend. Es handelt sich somit um eine mögliche Bedrohung, die gleichermaßen von beiden Phasen der Leihmutterschaft ausgeht.130 Art. 2 Abs. 2 GG schützt auch vor Gefahren für die psychische Gesundheit,131 wenn diese in ihrer Wirkung mit körperlichen Schmerzen vergleichbar sind.132 Bisher liegen nur wenige empirische Untersuchungen zu den psychiIm Ergebnis ebenso Dethloff, JZ 2014, 922, 927. von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Künstliche Befruchtung“; CoesterWaltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B81; a. A.: Benda, in: Genforschung, 205, 222: Dieser sieht in der Mutter-Kind-Beziehung das „natürlichste überhaupt denkbare Verhältnis zwischen Menschen“. Dieses aufzuspalten sei unmenschlich. 128 Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 104 und 158 f.; Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B81. 129 Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B81. 130 Es zeigt sich, dass die Phasen nicht vollständig zu trennen sind. So wie hier von zwei Phasen dieselbe Bedrohung ausgehen kann, so kann auch die Bedrohung einer Phase sich in der nächsten fortwirken, siehe etwa unten bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205. 131 Risiken für die physische Gesundheit des Kindes enthält die Leihmutterschaft nicht. Diel, Leihmutterschaft, 56 f. m.w.N. 132 BVerfG 14.1.1981, Az. 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54, 75; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 83. 126 127
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Kapitel 3 – Ordre public
schen Auswirkungen der Leihmutterschaft vor.133 Diese stellen jedoch keine beachtliche Beeinträchtigung des Kindes fest.134 Im Rahmen einer britischen Langzeitstudie wich in den ersten Lebensjahren die Beziehung zwischen den Wunscheltern und Kindern, die durch Leihmütter geboren wurden, sogar positiv von solchen in der Vergleichsgruppe natürlich geborener Kinder, die ebenfalls gewollt waren, ab.135 Als mögliche Erklärung wird dafür angegeben, dass bei einer Leihmutterschaft der Kinderwunsch der Wunscheltern besonders ausgeprägt sei. Allerdings wurde eine leichte negative Abweichung im Alter von sieben Jahren in der Interaktion zwischen Mutter und Kind festgestellt.136 Dies ist das Alter, in dem in Fällen der Adoption die Kinder die Umstände ihrer Aufnahme in die Familie typischerweise erfahren haben.137 Naheliegend ist deshalb, dass Kinder, die durch Leihmutterschaft geboren wurden, dies in diesem Alter ebenfalls beginnen zu verstehen, wodurch eine leichte Entfremdung begründet sein könnte.138 Unklar ist, ob diese dauerhaft ist. Selbst diese leichte Abweichung von anderen Familien nahm jedoch kein erhebliches Ausmaß an. Vielmehr stellten die Forscher fest, dass eine signifikante negative Beeinträchtigung des Kindes, wie sie oft befürchtet wird, nicht empirisch nachzuweisen war.139 Dies passt zu Untersuchungen zu anderen nicht traditionellen und auch traditionellen Familienstrukturen, die darauf hindeuten, dass die Ausübung der Elternrolle, nicht die Umstände der Entstehung der Familie entscheidend sind für die psychische Verfassung des Kindes.140
Auch der Gesetzgeber gibt die Unsicherheit zu: Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 7; Helms, StAZ 2013, 114, 114 f. 134 Golombok u. a., 40 Dev.Psychol. 2004, 400, 408 f.; Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1579; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 29; vgl. dazu Diel, Leihmutterschaft, 57 ff.; Bertschi, Leihmutterschaft, 147 f. 135 Golombok u. a., 40 Dev.Psychol. 2004, 400, 400. Um eine Vergleichbarkeit herzustellen, wurden in die Vergleichsgruppe nur solche Paare aufgenommen, die eine Schwangerschaft angestrebt hatten. Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1579 f. m.w.N. 136 Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1585. Eine entsprechende Abweichung wurde bzgl. Kindern, die mittels einer Eizellenspende geboren wurden, festgestellt. Sie ist somit nicht unbedingt mit der Leihmutterschaft verbunden. 137 Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1580 und 1586. 138 Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1586. 139 Golombok u. a., 40 Dev.Psychol. 2004, 400, 408 f.; Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1579 und 1587; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 29 m.w.N. und 37. 140 Farr/Patterson, 84 Child Development 2013, 1226; Biblarz/Stacey, 72 J.Marriage and Family 2010, 3, 16 f.; Schölmerich/Leyendecker, in: Entwicklungspsychologie6, 708; vgl. BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 31 ff.; Bertschi, Leihmutterschaft, 148; Diel, Leihmutterschaft, 53 ff.; Golombok u. a., 47 Dev.Psychol. 2011, 1579, 1586 f. 133
A. Verstoß gegen Grundrechte
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Sofern die Einstellung der Kinder selbst untersucht wurde, zeigten diese eine positive oder indifferente Haltung zu ihrer Entstehungsgeschichte.141 Die bisherigen Untersuchungen reichen allerdings nicht aus, um die Unbedenklichkeit der Leihmutterschaft positiv nachzuweisen.142 Allein deshalb sollte jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Leihmutterschaft schädlich für die Psyche des Kindes ist.143 Da für die weitere Prüfung eine Bedrohung entweder angenommen oder abgelehnt werden muss, soll hier im Sinne des bisherigen Trends der Forschungsergebnisse davon ausgegangen werden, dass eine Bedrohung nicht besteht. Diese Bewertung muss eventuell angepasst werden, falls zukünftige Forschung andere Ergebnisse hervorbringt. Es ist davon auszugehen, dass das Aufwachsen des Kindes bei den Wunscheltern die psychische Gesundheit des Kindes nicht bedroht, zumindest nicht in einem solchen Maße, dass ein gänzliches Verbot der Leihmutterschaft von Nöten wäre. Aus Art. 2 Abs. 2 GG ergibt sich somit keine Pflicht, den Vorgang der Leihmutterschaft oder die Stellung der Wunscheltern als Eltern zu verhindern. 3. Fazit: Grundrechtliche Zulässigkeit der Elternschaft der Wunscheltern Übergibt die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern, beeinträchtigt die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern keine Grundrechte der Beteiligten.144 Es ist somit nicht notwendig, unter den verschiedenen Wirkungen der Eltern-Kind-Beziehung solche zu identifizieren, die mit dem ordre public vereinbar sind, obwohl ein genereller Verstoß der Stellung der Elternschaft gegen den ordre public vorliegt.145 Vgl. dazu Bertschi, Leihmutterschaft, 148. So betont die Studie ausdrücklich, dass weitere Studien mit einer größeren Teilnehmerzahl durchgeführt werden sollten, um die Ergebnisse zu bestätigen: Jadva u. a., 27 Hum.Reprod. 2012, 3008, 3013. Auch handelt es sich hier lediglich um unentgeltliche Leihmutterschaft, die Aussagekraft für entgeltliche Leihmutterschaften, insbesondere solche in weniger entwickelten Staaten, ist somit sehr unklar; dies betont auch Engel, ZEuP 2014, 538, 555 f. 143 Siehe zu möglichen Gefahren für die Psyche der Leihmutter unten bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172. 144 Wird die Leihmutter gezwungen, das Kind herauszugeben, und wird ihr die Elternschaft gegen ihren Willen verweigert, so bedroht die Elternschaft der Wunscheltern jedoch Art. 6 Abs. 2 GG. In diesen Fällen setzt deren Elternschaft zudem die Menschenwürdebeeinträchtigung der erzwungenen Herausgabe des Kindes fort. Ein ausländisches Recht, welches in diesem Fall dennoch den Wunscheltern die rechtliche Elternschaft zuschreibt, wird daher gemäß Art. 6 S. 1 EGBGB nicht angewandt. Siehe unten bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205. 145 Ein solches Vorgehen ist etwa von der Polygamie bekannt, welche die Gleichheit der Frau beeinträchtigt. Aus der Ehe erwachsende einzelne Wirkungen müssen jedoch nicht zwangsläufig auch die Rechte der Frau verletzen. BVerwG 30.4.1985, Az. 1 C 33/81 141 142
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Kapitel 3 – Ordre public
III. Leihmutterschaft als Vorgang Bisher wurde lediglich eine mögliche Beeinträchtigung der Grundrechte der Leihmutter und des Kindes unmittelbar durch die Stellung der Wunscheltern als Eltern geprüft. Die Elternschaft ist jedoch nicht gänzlich unabhängig von den Vorgängen vor der Geburt: Die Unvereinbarkeit der Elternschaft der Wunscheltern mit den Grundrechten kann sich auch mittelbar daraus ergeben, dass der Vorgang der Leihmutterschaft gegen die Grundrechte verstößt und sich dieser Verstoß in der Elternschaft fortsetzt. Wird dann die Elternschaft der Wunscheltern nicht anerkannt, kann eine weitere Perpetuierung der Beeinträchtigung der Grundrechte verhindert werden. Der Schwerpunkt dreht sich damit von einem präventiven Schutz zu einer nachträglichen Wiederherstellung oder Beseitigung der Verletzung. Demnach ist eine solche Schutzpflicht jedoch nur dann anzunehmen, wenn die Verhinderung der Elternschaft die relevante Grundrechtsbeeinträchtigung auch tatsächlich beseitigen kann.146 Setzt sich demgegenüber eine Beeinträchtigung durch den Vorgang der Leihmutterschaft nicht in der Elternschaft fort, so ist diese bei der Frage der Vereinbarkeit der Elternschaft der Wunscheltern mit den Grundrechten beziehungsweise dem ordre public nicht ausschlaggebend, es sei denn die Pflicht zur Prävention zukünftiger Fälle der Leihmutterschaft verpflichtet die staatlichen Stellen zu einer Verhinderung der Elternschaft der Wunscheltern. Gegen eine solch reine Generalprävention spricht jedoch stets, dass zu dem Zeitpunkt der Bestimmung der Elternschaft das Kind bereits geboren ist. Die Rechte des Kindes sprechen somit gegen eine rein generalpräventive Verhinderung einer Elternschaft ohne Berücksichtigung des Kindeswohls.147 Es ist somit möglich, dass die Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public vereinbar ist, selbst wenn der Vorgang der Leihmutterschaft Grundrechte verletzt. (Münster), NJW 1985, 2097, 2098; BSG 30.3.1977, Az. 5 RKn 27/76, IPRspr. 1977 Nr. 50, 135, 137 f.; Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489; Merten, in: FS Schiedermair, 331, 336 f. 146 Vgl. Deutsch, NJW 1991, 721, 724; Diel, Leihmutterschaft, 176. Diese sprechen davon, dass ein „Grundrecht aktuell verletzt sein“ muss bzw. eine Grundrechtsverletzung noch „gegenwärtig hervortreten“ muss. 147 Siehe ausführlich unten bei Kapitel 4 – A.I.2.d), S. 240. Gegen eine Generalprävention zu Lasten des Kindeswohls sprechen sich auch aus Sturm, in: FS Kühne, 930; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1152; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 36; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 526; Mayer, IPRax 2014, 57, 59; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 573 f. und 581 f.; Diel, Leihmutterschaft, 116; Frank, FamRZ 2014, 1527, 1529; LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112; a. A. Engel, ZEuP 2014, 538, 557 f. Ebenso nun EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 78; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 99. Eine Anwendung des ordre public-Vorbehalts zwecks der Generalprävention eher befürwortend Benicke, StAZ 2013, 101, 111. Anders jedoch dann auf S. 113.
A. Verstoß gegen Grundrechte
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Die Vereinbarkeit der Leihmutterschaft mit den Grundrechten der Beteiligten betrifft auch unmittelbar die Frage, ob sich aus den Grundrechten eine Pflicht ergibt, Leihmutterschaften zu verhindern. Eine Pflicht des Richters, zum Schutz der Grundrechte im konkreten Fall die Leihmutterschaft im Ausland zu verhindern, scheitert daran, dass ein solcher Schutz dem Richter nicht mehr möglich ist. Die Tatsache, dass er sich nun mit der Abstammung des Kindes befassen muss, zeigt dies. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Durchführung der Leihmutterschaft und die Übergabe des Kindes, könnte jedoch einen Schutz in Form einer Generalprävention etwa durch ein Verbot der Leihmutterschaft fordern, wie jenes in § 1 Abs. 1 ESchG. Wie eingangs dargelegt wurde, soll hier als Grundfall die medizinisch notwendige, nicht kommerzielle Leihmutterschaft, bei der die Leihmutter nach der Geburt das Kind freiwillig den Wunscheltern übergibt, untersucht werden. Die Auswirkungen von Abweichungen hiervon werden im Anschluss besprochen.148 1. Grundrechte der Leihmutter a) Beeinträchtigung der Würde der Leihmutter Ein Vorwurf gegen die Leihmutterschaft ist, dass sie die Menschenwürde der Leihmutter gemäß Art. 1 Abs. 1 GG beeinträchtigen soll. Dadurch, dass sie ihren Körper, insbesondere ihre Gebärmutter, den Wunscheltern zur Verfügung stelle, lasse sich die Leihmutter zu einem lebendigen Brutkasten degradieren und von den Wunscheltern ausbeuten. So werde sie zum Objekt der Handlungen der Wunscheltern beziehungsweise zu einem Mittel zu deren Zweck, der Erfüllung des Kinderwunsches.149 Wegen der Bedeutung der Menschenwürde und der ausdrücklichen Erwähnung der Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG ist auch bei Auslandssachverhalten die Menschenwürde umfassend anzuwenden und es besteht schon bei einer Bedrohung geringen Ausmaßes eine Schutzpflicht.150 Auch gegenläufige Güter verhindern dies nicht, da eine Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht gerechtfertigt werden kann.151
148 Bzgl. der Auswirkung von Abweichungen von diesem Grundfall auf die grundrechtliche Bewertung siehe unten bei Kapitel 3 – E., S. 193. 149 Vgl. Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 152 f. m.w.N. Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 180; vgl. Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 30; Brazier/Campbell/ Golombok, Brazier Report, 35; Warnock, Warnock Report, 46; Anderson, 19 Phil.& Pub.Aff. 1990, 71, 80; Inglis, Scots Law Times 2014, 105, 105. 150 Vgl. Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 49. 151 Eine Ausnahme kann hier lediglich die Menschenwürde eines Dritten bilden.
160
Kapitel 3 – Ordre public
Der Schutzbereich der Menschenwürde ist geradezu zwingend konturenschwach, eine klare Definition kaum möglich.152 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich die von Kant entliehene und von Dürig propagierte153 Objektformel etabliert.154 Diese verzichtet auf eine Trennung von Schutzbereich und Eingriff.155 Statt abstrakt die Menschenwürde zu definieren wird bestimmt, wann eine Beeinträchtigung vorliegt.156 Dies ist der Fall, wenn die Person als bloßes Objekt und nicht mehr als Subjekt behandelt wird.157 Klassische Beispiele sind Folter, Sklaverei oder Leibeigenschaft, Frauen- oder Kinderhandel.158 Da eine Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht zu rechtfertigen ist,159 ist bei der Prüfung einer Beeinträchtigung der Menschenwürde Zurückhaltung zu üben.160 Es bedarf einer gewissen Evidenz der Beeinträchtigung.161 Eine restriktive Handhabung ist auch geboten, um zu vermeiden, dass über die Menschenwürde paternalistische oder religiöse Moralvorstellungen durchgesetzt werden, die eigentlich nicht die Schwelle des Schutzes der Menschenwürde erreichen.162 Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 9 ff.; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 33; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 Rn. 18 ff.; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 45 ff.; Kersten, Klonen von Menschen, 478 f. 153 Dürig, AöR 1956, 117, 127; vgl. Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 12 und 36. 154 Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 36; BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 Rn. 13; Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 15; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 23. Zu einer Diskussion verschiedener Ansätze, die Menschenwürde zu konkretisieren, im Zusammenhang mit reproduktionsmedizinischen Verfahren siehe Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 45 ff.; siehe weiterhin: Kersten, Klonen von Menschen, 403 ff.; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 745 ff. 155 Vgl. Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 36; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 22. 156 von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 22; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 47. 157 Spickhoff-Müller-Terpitz2, Art. 1 GG Rn. 1; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 36; Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 15. 158 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 11. Siehe zur Abgrenzung der Leihmutterschaft zum Kinderhandel unten bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 159 Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 46; BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 GG Rn. 10; Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 8; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 4; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 16. 160 Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 44; BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 GG Rn. 11; Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 10; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 8; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 6; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 11a. 161 Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 44; Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 17 f.; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 24. 162 Vgl. von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 19 f.; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 172; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 38 f. und 45; Dreier-Dreier3, Art. 1 152
A. Verstoß gegen Grundrechte
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aa) Freiwilligkeit und Verobjektivierung Zu berücksichtigen ist, dass die Leihmutter freiwillig handelt.163 Dies kann gegen eine Menschenwürdebeeinträchtigung sprechen. Solange eine Person Pflichten freiwillig und selbstbestimmt übernimmt, behält sie ihre Eigenschaft als handelndes Subjekt.164 Man könnte in diesem Sinne eine Beeinträchtigung der Menschenwürde unabhängig von der übernommenen Tätigkeit stets ablehnen, solange die Person freiwillig und selbstbestimmt handelt, da sie insoweit ihre Eigenschaft als (mit-)bestimmendes Subjekt wahrt.165 Erst wenn sie dies nicht mehr tut, wäre eine Verobjektivierung anzunehmen.166 Auch wenn die herrschende Meinung der Freiwilligkeit und Selbstbestimmung bei der Prüfung einer Menschenwürdebeeinträchtigung eine tragende Rolle einräumt,167 wollen ihr viele eine Grenze ziehen.168 Nicht zu allen Tätigkeiten soll eine Einwilligung möglich sein. Als oberster Verfassungswert und aufgrund der ausdrücklichen Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG müsse die Menschenwürde in ihrem Kernbereich auch gegen den Willen des Einzelnen verteidigt werden.169 Ein Verzicht auf den Schutz durch Art. 1 Abs. 1 GG beziehungsweise eine Einwilligung in dessen Beeinträchtigung sei Abs. 1 GG Rn. 81; Lehmann, GewArch 2010, 291, 293; von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2223 f.; Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A13. 163 Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42; Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B80. Vgl. allgemein: Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 488; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 75. 164 Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 15 f.; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 162 und 172; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 158. 165 Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A41 f.; vgl. Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 172 f.; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 158; Brazier/Campbell/Golombok, Brazier Report, 35; Wilkinson, Bodies for sale, 172 f.; Jackson, Medical Law2, 848. 166 Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 172 f.; wohl auch Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 94; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 986. 167 BVerfG 11.10.1978, Az. 1 BvR 16/72, BVerfGE 49, 286, 298; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 7; Kersten, Klonen von Menschen, 479; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 14; Gusy, GewArch 1984, 154 f.; von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222. 168 BVerfG 21.6.1977, Az. 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187, 229; BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 279; BVerwG 22.10.1998, Az. 2 WD 11–98, NVwZRR 1999, 321, 322; BVerwG 24.10.2001, Az. 6 C 3/01 (Münster), NVwZ 2002, 598, 602 f.; VGH München 5.6.1986, Az. 22 B 83 A.2512 u. 2707, NVwZ 1987, 1034, 1035; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 7; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 172 f. und 178; Epping, Grundrechte6, Rn. 616; Stober, NJW 1984, 2499, 2499; VG Neustadt 21.5.1992, Az. 7 L 1271/92, NVwZ 1993, 98, 99; Jarass/PierothJarass13, Art. 1 GG Rn. 13; BGH 6.7.1976, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 1976, 1883, 1885; a. A. Gusy, GewArch 1984, 154 f.; Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 149 f.; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 157 f.; von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222 ff. 169 Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 172 f.; Stober, NJW 1984, 2499, 2500.
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Kapitel 3 – Ordre public
in diesem Bereich nicht möglich.170 Besonders entwürdigende Umstände oder Handlungen seien demnach vom Staat stets zu unterbinden. Dieser Schutz gegen den Willen des Betroffenen hat Kritik hervorgerufen.171 Zunächst werde er der Objektsformel nicht gerecht, da eine Person, die selbstbestimmt handle, gerade als autonomes Subjekt agiere,172 während bei einem Schutz der Würde gegen den Willen des Einzelnen dieser Einzelne Objekt eines staatlichen Würdeimperativs werde. Hierin könne wiederum ein Verstoß gegen seine Würde zu sehen sein.173 Ein Grundrecht werde so zu einer Grundpflicht verkehrt.174 Dabei soll nach dieser Ansicht Art. 1 GG gerade das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben der Person verbriefen und weniger als Garantie abstrakter Wert- oder Würdevorstellungen verstanden werden.175 Auch drohe hier in besonderem Maße die Menschenwürde zur Durchsetzung unbestimmter Sitten- und Moralvorstellungen missbraucht zu werden.176 Dies zeige sich auch daran, dass der Gedanke des Schutzes der Würde gegen den Willen des Betroffenen in Urteilen etabliert wurde, die als Beispiel einer übereilten Annahme einer Menschenwürdebeeinträchtigung kritisiert wurden.177 Folgt man diesen Zweifeln an einem Würdeschutz gegen den Willen selbstbestimmt Handelnder, so wäre eine Beeinträchtigung der Leihmutter ausgeschlossen, sofern diese freiwillig handelt. bb) Beeinträchtigung des Menschenwürdekerns Wegen der entscheidenden Bedeutung der Frage einer Menschenwürdebeeinträchtigung soll die Vereinbarkeit der Leihmutterschaft mit der Menschenwürde der Leihmutter auch unter dem strengeren Maßstab geprüft werden, also unter der Annahme, dass es Tätigkeiten gibt, die den Kern der Men170 von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 12; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 172 f.; BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 278; VGH München 5.6.1986, Az. 22 B 83 A.2512 u. 2707, NVwZ 1987, 1034, 1035; Robbers, JuS 1985, 925, 929. 171 Bspw. von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222; Höfling, NJW 1983, 1582, 1583 ff.; Gusy, GewArch 1984, 154 f.; wohl auch Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42. 172 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 14. 173 von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222 f.; Gusy, GewArch 1984, 154 f.; vgl. auch BVerfG 18.7.1967, Az. 2 BvF 3, 4, 5, 6, 7, 8/62; 2 BvR 139, 140, 334, 335/62, BVerfGE 22, 180, 219 f.; BVerfG 15.12.1970, Az. 2 BvL 17/67, BVerfGE 30, 47, 53; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 986. 174 Gusy, GewArch 1984, 154; Höfling, NJW 1983, 1582, 1584; Bethge, NJW 1982, 2145, 2147. 175 Höfling, NJW 1983, 1582, 1583 f.; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 161 f.; von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 986. 176 von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222 ff.; Höfling, NJW 1983, 1582, 1585; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 745. 177 von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222; Höfling, NJW 1983, 1582, 1582 ff.
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schenwürde bedrohen und auch freiwillig nicht möglich sind. Es stellt sich somit die Frage, ob die Übernahme einer Schwangerschaft für Dritte derart den Menschenwürdekern betrifft, dass sie selbst unter Annahme eines freiwilligen Handelns nicht mit der Menschenwürde der Leihmutter vereinbar ist. Helfen kann die Objektformel dabei nicht, da es sich ja gerade um Fälle handelt, in denen wegen der Selbstbestimmung und Freiwilligkeit die Person eigentlich die Subjektseigenschaft behält. Ein möglicher Umstand der Leihmutterschaft, der sie dem Kernbereich der unveräußerlichen Menschenwürde zuordnen könnte, ist, dass es sich dabei um eine langfristige Übernahme einer Tätigkeit für Fremde handelt, die der Intim- oder Privatsphäre zuzurechnen ist. Diese mögliche Begründung soll im Folgenden untersucht werden. Sollte sich die Tatsache, dass eine übernommene Tätigkeit grundsätzlich der Intimsphäre zugeordnet wird, nicht als zwingendes Kennzeichen der Zugehörigkeit zum Menschenwürdekern herausstellen, könnte eine Zugehörigkeit zum unveräußerlichen Menschenwürdekern bestehen, falls aufgrund der sonstigen Umstände die Leihmutterschaft in besonderem Maße die Achtung der Leihmutter als Mensch herabsetzt.178 (1) Zugehörigkeit zur Intimsphäre: Vergleich zu Prostitution und Peepshows Auch bei Peepshows und der Prostitution stellt sich die Frage, ob es mit der Menschenwürde vereinbar ist, wenn Tätigkeiten, die als Teil der Intimsphäre angesehen werden, für Dritte übernommen werden. Bezüglich dieser Tätigkeiten hat die Frage mehr Aufmerksamkeit erhalten als bezüglich der Leihmutterschaft. Ein Blick in die entsprechende Diskussion kann daher Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit der Leihmutterschaft mit der Menschenwürde ermöglichen.179 Die rechtliche Bewertung der Prostitution hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert.180 Noch 1965 sah das BVerwG die Prostitution als derart gemeinschaftsschädlich an, dass sie nicht unter den sehr weiten Berufsbegriff des Art. 12 GG fallen könne.181 Auch wurde sie als sitten-182 und
178 Eine besondere Gesundheitsgefahr der übernommenen Aufgabe ist jedoch eher im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 GG zu prüfen. 179 Eine Vergleichbarkeit mit der Prostitution annehmend Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 175. 180 Siehe dazu Wesel, NJW 1999, 2865, 2865 f.; von Galen, Prostitution, 2 ff.; Schatzschneider, NJW 1985, 2793, 2793 ff.; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 983 ff.; Würkner, NVwZ 1988, 600, 600 ff. 181 BVerwG 4.11.1965, Az. I C 6.63, BVerwGE 22, 286, 289; dazu von Galen, Prostitution, 2; Wesel, NJW 1999, 2865, 2866. 182 BVerwG 15.7.1980, Az. 1 C 45/77 (Lüneburg), NJW 1981, 1168, 1169; BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 319; BGH 6.7.1976, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 1976, 1883, 1885; BFH 23.6.1964, Az. Gr. S. 1/64 S, NJW 1965, 79, 80;
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menschenwürdewidrig angesehen.183 Die Verträge der Prostituierten mit den Freiern waren gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.184 Sie hatten keine Ansprüche gegen die Freier.185 Die Prostituierten mussten zwar Umsatz- und Einkommenssteuer zahlen, hatten aber keinen Zugang zum sozialrechtlichen Versicherungsschutz.186 Die Förderung der Prostitutionsausübung, wozu schon die Schaffung einer „gehobenen und diskreten Atmosphäre“ zählte,187 war gemäß § 180a StGB a. F. strafbar.188 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts änderte sich die Bewertung der Prostitution jedoch erheblich. Zunächst wurde in verschiedenen Urteilen die generelle Sittenwidrigkeit in Frage gestellt.189 Unter anderem distanzierte sich das Bundesverwaltungsgericht von seinem früheren Urteil, in dem es die Menschenwürdebeeinträchtigung der Prostitution festgestellt hatte,190 was es mit einem „Wandel der gesellschaftlichen Auffassungen zur Prostitution“ begründete.191 Ein wirklicher Paradigmenwechsel192 ereignete sich jedoch zum Jahre 2002 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG),193 durch das die Prostitution entkriminalisiert und rechtlich anerkannt wurde.194 Statt zu versuchen, die Prostitution zu verhindern, sollte durch deren Legalisierung und Regulierung die Selbstbestimmung der Prostituierten gefördert, Begleitkriminalität verhindert und der Prostituierten ein gewünschter Ausstieg erleichtert
BayVerfGH 16.11.1982, Az. Vf. 26 – VII/80 u. a., NJW 1983, 2188, 2190; VG Minden 1.10.1987, Az. 2 K 2320/86, NVwZ 1988, 666, 666. 183 von Galen, Prostitution, 2 f. und 24; BVerwG 15.7.1980, Az. 1 C 45/77 (Lüneburg), NJW 1981, 1168, 1169 f.; BayVerfGH 16.11.1982, Az. Vf. 26 – VII/80 u. a., NJW 1983, 2188, 2190; BGH 6.7.1976, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 1976, 1883, 1885; VG Minden 1.10.1987, Az. 2 K 2320/86, NVwZ 1988, 666, 666; Schittek, NVwZ 1988, 804, 804 f. 184 BGH 6.7.1976, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 1976, 1883, 1885; Wesel, NJW 1999, 2865, 2866; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 1 und 18; von Galen, Prostitution, 4. 185 Wesel, NJW 1999, 2865, 2866; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 1; von Galen, Prostitution, 4. 186 Wesel, NJW 1999, 2865, 2866; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 1. 187 BGH 17.9.1985, Az. 1 StR 279/85 (LG Stuttgart), NJW 1986, 596, 596. 188 Wesel, NJW 1999, 2865, 2866; von Galen, Prostitution, 4 und 101. 189 von Galen, Prostitution, 5; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 985 f.; BFH 23.2.2000, Az. X R 142/95 (Schleswig-Holstein), NJW 2000, 2919, 2920; BGH 22.11.2001, Az. III ZR 5/01 (Celle), NJW 2002, 361, 361 f. 190 BVerwG 15.7.1980, Az. 1 C 45/77 (Lüneburg), NJW 1981, 1168, 1169 f. 191 von Galen, Prostitution, 5; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 985 f. 192 von Galen, Prostitution, 1. 193 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Galen, Prostitution, 1 ff. 194 von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Prostitution“; von Galen, Prostitution, 1, 11 und 195.
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werden.195 So ergab sich ein Wechsel von einem „Schutz vor der Prostitution“ zum „Schutz in der Prostitution“.196 Gemäß § 1 ProstG begründet die Vornahme sexueller Handlungen eine wirksame Forderung der Prostituierten gegen den Freier. Eine Sittenwidrigkeit, zumindest im Rechtssinne, also im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB, kann nicht mehr angenommen werden.197 Nur die Forderung der Prostituierten gegen den Freier ist jedoch wirksam.198 Ein Anspruch des Freiers auf Durchführung der sexuellen Handlung besteht nicht.199 Die Prostituierte erhält zudem Zugang zur Sozialversicherung.200 Gemäß der neuen Fassung des § 180a StGB ist nun nicht die Förderung der Prostitution, sondern die Ausbeutung der Prostituierten strafbar.201 Die Reform sollte die Prostitution vom Urteil der Sittenwidrigkeit befreien.202 Eine Wertung, die auch für andere Rechtsgebiete gilt.203 Diesem Wandel der Bewertung der Prostitution entspricht, dass in ihr inzwischen kein genereller Verstoß gegen die Menschenwürde gesehen wird.204 Vielfach wird die rechtliche Anerkennung und Regulierung der Prostitution als zuträglicher für die Würde und Selbstbestimmung der Prostituierten angesehen.205 Trotz der Zugehörigkeit der Tätigkeit zu der Intimsphäre der Prostituierten und des Einsatzes ihres Körpers gegen Entgelt wird ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG nicht angenommen, solange die Prostituierte ihre Selbstbe-
MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 1; von Galen, Prostitution, 1, 11 und 102. von Galen, Prostitution, 102. 197 von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Prostitution“; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7 und 19; von Galen, Prostitution, 11; Caspar, NVwZ 2002, 1322, 1324; BGH 8.11.2007, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 2008, 140, 141; a. A. Majer, NJW 2008, 1926, 1928 f. 198 MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7; Entsprechend bereits vor dem ProstG Rother, AcP 172 (1972), 498, 505. 199 MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7; von Galen, Prostitution, 18. Entsprechend bereits vor dem ProstG Rother, AcP 172 (1972), 498, 505. 200 MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 1; von Galen, Prostitution, 76 f. 201 von Galen, Prostitution, 101. 202 BGH 8.11.2007, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 2008, 140, 141; MüKoArmbrüster6, § 1 ProstG Rn. 19; von Galen, Prostitution, 11; VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 987 f.; a. A. Majer, NJW 2008, 1926, 1928 f. 203 von Galen, Prostitution, 11; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 19; Caspar, NVwZ 2002, 1322, 1324 f.; vgl. BVerwG 18.9.2001, Az. 1 C 17/00 (Mannheim), NVwZ 2002, 339, 340; BVerwG 6.11.2002, Az. 6 C 16/02 (München), NVwZ 2003, 603, 604. 204 Lehmann, GewArch 2010, 291, 292 f.; wohl auch von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Prostitution“; Hufen, JuS 2010, 1, 3; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7; von Galen, Prostitution, 24. 205 VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983, 988 f.; Hufen, JuS 2010, 1, 3; Wesel, NJW 1999, 2865, 2866; von Galen, Prostitution, 24. 195 196
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stimmung und Freiwilligkeit behält.206 Solange sie jederzeit den Geschlechtsverkehr beenden könne, sei die Menschenwürde nicht beeinträchtigt.207 Diese Differenzierung spiegelt sich auch darin, dass, wie bereits erwähnt, § 1 ProstG nur eine Wirksamkeit des Entgeltanspruchs der Prostituierten, nicht aber des Anspruchs des Freiers auf den Geschlechtsverkehr begründet.208 Folgerichtig ist die Menschenwürde demgegenüber bei sogenannten FlatrateBordellen beeinträchtigt, bei denen die Prostituierten nicht im Einzelfall entscheiden können, ob sie mit einem konkreten Freier verkehren.209 Der Einsatz des Körpers der Prostituierten wie auch die Entgeltlichkeit führen somit nicht zu einer Zuordnung in den Kernbereich der Menschenwürde, der auch gegen selbstbestimmt Handelnde geschützt werden muss. Auch dass die Tätigkeit normalerweise dem Kern der Intimsphäre zugeordnet wird, ist kein Grund für eine Beeinträchtigung des Kerns der Menschenwürde. Schließlich zeigt das Beispiel der Prostitution, dass sich die Bewertung der Vereinbarkeit mit der Menschenwürde aufgrund sich wandelnder gesellschaftlicher Wahrnehmung ändern kann. Thematisch verwandt mit der Prostitution sind Peepshows. Bei diesen präsentieren sich nackte Darstellerinnen auf einer Bühne, die von Kabinen aus einsehbar ist, in denen sich Kunden befinden und selbstbefriedigen.210 Umgekehrt sind jedoch die Kabinen nicht von der Bühne aus einsehbar.211 Bei der Bewertung solcher Peepshows ist eine vergleichbare Entwicklung wie bei der Prostitution festzustellen. Noch im Jahre 1981 sah das Bundesverwaltungsgericht hier, in Abgrenzung zur menschenwürdekonformen „üblichen Stripteasedarbietung“,212 trotz der Freiwilligkeit der Darstellerinnen eine Beeinträchtigung der Menschenwürde, weshalb Peepshows eine gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 33a GewO verweigert wurde.213 Auch gegen den Willen der Darstellerin müsse der Kern ihrer Menschenwürde verteidigt werden.214 206 Hufen, JuS 2010, 1, 3; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7; von Galen, Prostitution, 24. 207 Hufen, JuS 2010, 1, 3; MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7. Zwar eine Menschenwürdebeeinträchtigung annehmend, jedoch die besondere Bedeutung der jederzeitigen Widerruflichkeit entsprechender Absprachen unterstreichend Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 175. 208 MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 7. 209 So Lehmann, GewArch 2010, 291, 292 f.; i. E. ebenso, jedoch mit anderer Begründung Hufen, JuS 2010, 1, 3. 210 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 274 und 278; BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 316. 211 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 274; BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 316. 212 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 278. 213 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 274 f. und 277; entsprechend BVerwG 11.2.1987, Az. 1 B 129/86, NVwZ 1987, 411, 411; VGH München 5.6.1986, Az. 22 B 83 A.2512 u. 2707, NVwZ 1987, 1034, 1034; VGH Mannheim
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Wichtiges Argument war dabei zunächst der einseitige Blickkontakt. Dieser bestärke den Eindruck einer „[verdinglichenden] Isolierung der als Lustobjekt zur Schau gestellten Frau vor im Verborgenen bleibenden Voyeuren“.215 Weiterhin spreche für eine Beeinträchtigung der Menschenwürde die durch die Einzelkabinen „bewusst geschaffene Möglichkeit der Selbstbefriedigung und deren kommerzielle Ausnutzung“.216 So werden die Darstellerinnen „wie eine der sexuellen Stimulierung dienende Sache zur entgeltlichen Betrachtung dargeboten“.217 Schon früh ist dieses Urteil auf erhebliche Kritik gestoßen.218 Diese galt vor allem dem Argument, Art. 1 Abs. 1 GG sei notfalls auch gegen freiwillig Handelnde durchzusetzen.219 Das Bundesverwaltungsgericht nahm schließlich diese Kritik auf. Es lehnte zwar erneut die Erlaubnis einer Peep-Show ab, stützte sein zweites Peep-Show-Urteil jedoch ausdrücklich nicht mehr auf eine Beeinträchtigung der Menschenwürde der Darstellerinnen, sondern auf eine gewöhnliche Sittenwidrigkeit.220 Inzwischen haben sich auch hier die Wertvorstellungen erheblich verändert und der Erlass des ProstG hat, zumindest für das Zivilrecht, die ablehnende Bewertung der Peep-Shows überholt.221 Teilweise werden sie als ebenfalls von dem Begriff der „sexuellen Handlung“ im Sinne des § 1 ProstG erfasst angesehen, sodass von einer der Prostitution entsprechenden Behandlung auszugehen ist.222 Folgt man dem nicht, liegt dennoch nahe, zumindest die Wertung des § 1 ProstG heranzuziehen, die veränderte gesellschaftliche Wahr11.11.1987, Az. 6 S 793/86, NVwZ 1988, 640, 640; dazu von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Peep–Shows“. 214 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 279 f.; dazu von Galen, Prostitution, 3; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 155. 215 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 279; ebenfalls die Bedeutung der nicht einsehbaren Kabinen unterstreichend BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 322. 216 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 279. 217 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274, 279. 218 Gusy, GewArch 1984, 154 f.; von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222 f.; Höfling, NJW 1983, 1582, 1582 ff.; Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 149; von Münch/KunigKunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Peep–Shows“; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 Rn. 20; von Galen, Prostitution, 3; Hoerster, JuS 1983, 93, 95 f.; Stober, NJW 1984, 2499, 2499 f.; a. A. Gern, NJW 1983, 1585, 1589; Schittek, NVwZ 1988, 804, 804 f.; Wildanger-Hofmeister, JuS 1983, 407, 407 f.; Gronimus, JuS 1985, 174, 176. 219 von Olshausen, NJW 1982, 2221, 2222 f.; zu dieser Kritik BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 319. 220 BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 317; dazu von Galen, Prostitution, 3; Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 149; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 20. 221 MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 24. 222 MüKo-Armbrüster6, § 1 ProstG Rn. 24; a. A. von Galen, Prostitution, 15.
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nehmung zu berücksichtigen und eine Sittenwidrigkeit und Beeinträchtigung des Kernbereichs der Menschenwürde auch hier nicht mehr anzunehmen. Die dargestellten Entwicklungen um Prostitution und Peepshows zeigen, dass sich Wahrnehmung und Moralvorstellung dahingehend geändert haben, dass die selbstbestimmte und freiwillige Durchführung „sexueller Handlungen“ gegen Entgelt (§ 1 ProstG) grundsätzlich nicht mehr als derart entwürdigend angesehen werden, dass ein Schutz der Würde sogar gegen die Handelnden geboten ist.223 Trotz dieses Wandels gehören diese Tätigkeiten weiterhin der Intimsphäre an. Ihre Vereinbarkeit mit dem Gedanken eines Menschenwürdekerns, der auch gegen freiwillig Handelnde zu schützen ist, zeigt, dass eine Beeinträchtigung des unveräußerlichen Menschenwürdekerns nicht allein dadurch begründet werden kann, dass eine für andere übernommene Tätigkeit der Intimsphäre angehört. Allein eine mögliche Zugehörigkeit der durch die Leihmutter übernommenen Tätigkeiten zur Intimsphäre kann eine Beeinträchtigung ihres Menschenwürdekerns nicht begründen. Selbst wenn man eine Menschenwürdeverletzung durch die freiwillige Prostitution annehmen würde, lässt sich die Leihmutterschaft in entscheidenden Punkten von dieser abgrenzen:224 Die Leihmutterschaft hat keine sexuelle Komponente. Geschlechtsverkehr findet regelmäßig nicht statt. Auch stellt die Leihmutter den Wunscheltern ihren Körper nicht in einer mit der Prostitution vergleichbaren Weise zur Verfügung. Ein direkter körperlicher Kontakt oder gar Eingriff auf den Körper der Leihmutter durch die Wunscheltern, findet, da die Leihmutter regelmäßig künstlich befruchtet wird, zu keinem Zeitpunkt statt. Allerdings beeinflusst die Schwangerschaft den Körper der Leihmutter wesentlich länger und umfassender. Beim hier zunächst besprochenen Ausgangsfall liegt eine Entgeltlichkeit der Tätigkeit der Leihmutter nicht vor. Im Kontrast zu der Prostitution ist die Entgeltlichkeit nicht wesensbestimmend für die Leihmutterschaft, auch wenn sie überwiegend entgeltlich erfolgt. Bei der Prostitution war jedoch gerade die Tatsache, dass bei der Prostitution „in entwürdigender Weise [der] Intimbereiche zur Ware [ge]macht“ und die „Triebhaftigkeit […] der Freier“ ausgebeutet werde,225 maßgeblich für den Unwert der Prostitution.226 Gleichermaßen wurde auch die Entgeltlichkeit als entscheidender Faktor der Bewertung der Peep-Shows angesehen.227 Vgl. von Galen, Prostitution, 12. Eine Vergleichbarkeit mit der Prostitution annehmend Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 175. 225 BGH 6.7.1976, Az. VI ZR 122/75 (München), NJW 1976, 1883, 1885; BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 321. 226 BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 320 f. 227 BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314, 321; VGH München 5.6.1986, Az. 22 B 83 A.2512 u. 2707, NVwZ 1987, 1034, 1035. 223 224
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(2) Verkauf von Körperteilen: Vergleich zu Organhandel bzw. Lebendorganspende Neben der Prostitution wird die Leihmutterschaft teilweise mit dem Organverkauf durch Lebende verglichen oder zumindest in dessen Nähe gerückt.228 Ein solcher Verkauf wird als Beeinträchtigung des Menschenwürdekerns betrachtet.229 Der Veräußernde verdinglicht hier einen erheblichen, wenn auch nicht lebensnotwendigen, Teil seines Körpers, den er aus seiner körperlichen Integrität ausgliedert und dauerhaft veräußert. Dementsprechend unterliegt der Organhandel gemäß §§ 17, 18 TPG230 einem strafbewehrten Verbot.231 Nimmt man eine Ähnlichkeit zwischen Organhandel und Leihmutterschaft an, so könnte dieser Vergleich eine Beeinträchtigung des Menschenwürdekerns begründen. Ein Vergleich der Leihmutterschaft zum Organverkauf scheitert jedoch schon daran, dass sie auch unentgeltlich stattfinden kann. Eher würde ein Vergleich mit der Lebendorganspende passen.232 Gemäß § 8 Abs. 1 TPG ist die Spende einer Niere, Teils der Leber oder „anderer nicht regenerierungsfähiger Organe“ zulässig, allerdings nur zugunsten von „Verwandte[n] ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene[n] Lebenspartner[n], Verlobte[n]“, aber auch von „Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen“. Der eingeschränkte Personenkreis soll gewährleisten, dass die Entscheidung zur Spende tatsächlich freiwillig und ohne finanzielle Erwägungen getroffen wurde.233 Gemäß § 8 Abs. 2 TPG bestehen umfassende Aufklärungspflichten. Zudem muss gemäß § 8 Abs. 3 TPG der Spender zu einer Nachbetreuung bereit sein und eine Kommission dazu Stellung nehmen, ob die Einwilligung tatsächlich freiwillig war und kein Organhandel gemäß § 17 TPG vorliegt. Ein Grundrechtsverstoß, insbesondere eine Beeinträchtigung der Menschenwürde durch die freiwillige Lebendorganspende wird nicht angenommen.234 Verfassungsrechtliche Zweifel trafen vielmehr die Beschränkung der möglichen Empfänger einer Spende
228 Struycken, in: FS Boutros-Ghali, 235, 249; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 178 f. sieht nach der entgeltlichen „Nutzung der Gebärmutter“ den „Verkauf der Gebärmutter“ als wertungsmäßig nächsten Schritt. 229 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht7, Rn. 1287 f. 230 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz). 231 Siehe dazu Spickhoff-Middel/Scholz2, § 17 TPG Rn. 1 ff. 232 So auch Kreß, FPR 2013, 240, 243. 233 Spickhoff-Middel/Scholz2, § 8 TPG Rn. 6; BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3401 ff.; BSG 10.12.2003, Az. B 9 VS 1/01 R, BSGE 2004, 464, 467; kritisch gegenüber der Beschränkung: Gutmann, NJW 1999, 3387, 3388. 234 BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3400 f. und 3403.
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nicht regenerierungsfähiger Organe.235 Das Bundesverfassungsgericht hielt diese Beschränkung zwar für zulässig, aber nicht für zwingend geboten.236 Der Gesetzgeber habe insoweit einen Gestaltungsspielraum.237 Auch dieser Vergleich spricht gegen eine Menschenwürdebeeinträchtigung durch eine freiwillige Leihmutterschaft: Zunächst wird auch in der freiwilligen Spende nicht regenerierungsfähiger Organe keine Menschenwürdebeeinträchtigung gesehen. Zudem ist die Leihmutterschaft – trotz möglicher nachhaltiger Auswirkungen der Schwangerschaft auf den Körper238 – eher mit der weniger problematischen Spende regenerierungsfähiger Organe vergleichbar.239 Weiterhin wird bei der Leihmutterschaft gerade nicht ein Teil des Körpers, sondern eine Funktion des Körpers zur Verfügung gestellt.240 Eine Verdinglichung des eigenen Körpers in diesem Sinne findet nicht statt. Ein Vergleich selbst mit der Spende regenerierungsfähiger Organe ist somit nicht angebracht. (3) Besonders entwürdigende Behandlung als Menschenwürdekern Der Vergleich mit Prostitution, Peepshows und Lebendorganspenden hat gezeigt, dass eine Beeinträchtigung des Menschenwürdekerns weder damit begründet werden kann, dass die Leihmutter eine Tätigkeit übernimmt, die regelmäßig der Privat- oder Intimsphäre zugeordnet wird, noch damit, dass sie einen Teil ihres Körpers veräußert. Es könnte somit lediglich eine Beeinträchtigung vorliegen, wenn unabhängig von diesen Aspekten eine entwürdigende beziehungsweise demütigende Behandlung der Leihmutter stattfindet.241 Es sei dabei daran erinnert, dass grundsätzlich bei der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 GG und insbesondere bei BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3399 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht7, Rn. 1260. Einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG wegen des unbestimmten Merkmals der „besonderen persönlichen Verbundenheit“ in dem strafbewehrten (§ 19 TPG) Verbot des § 8 Abs. 1 TPG sieht Schroth, JZ 2004, 469, 471. 236 BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3401 f. 237 BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3401 f. Das Gericht betont den weiten Gestaltungsspielraum, im „Grenzbereich von medizinischen Möglichkeiten, ethischen Anforderungen und gesellschaftlichen Vorstellungen einen Ausgleich zu schaffen“. Kritisch bzgl. der Beschränkung: Gutmann, NJW 1999, 3387, 3388. 238 Mögliche körperliche Gefahren des Einsatzes des Körpers sind über Art. 2 Abs. 2 GG zu erfassen. 239 Vgl. Kreß, FPR 2013, 240, 243. 240 Wohl a. A.: Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 175 und 178. Dieser sieht das Kind während der Schwangerschaft als „Bestandteil“ des Körpers der Leihmutter. Auch nach Geburt ändere sich daran qualitativ nichts, sodass die Leihmutter einen „Teil der eigenen Person“ veräußere. 241 Vgl. zur „Demütigung“ als Schlüsselbegriff bei der Feststellung einer Menschenwürdeverletzung Hörnle, in: Menschenwürde und moderne Medizintechnik, 57, 66 ff. 235
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seiner Durchsetzung entgegen der Freiwilligkeit und Selbstbestimmung des Betroffenen, eine zurückhaltende Handhabung erfolgen muss. Eine entwürdigende Behandlung könnte angenommen werden, wenn die Wunscheltern die Leihmutter aufgrund der Übernahme der Leihmutterschaft in einer Weise behandelten, die der Achtung entbehrte, die ihr als Mensch zusteht, oder wenn die Wunscheltern sie als einen beliebig austauschbaren Stein auf dem Weg zur Erfüllung ihres Kinderwunsches ansehen.242 Es wird auch vertreten zu bestimmen, ob eine Demütigung im Sinne eines Ehrangriffs, also eines Angriffs auf den Persönlichkeitskern stattfindet, etwa in der Form einer Bekundung tiefer Verachtung oder der Ohnmacht oder des Ausgeliefertseins des Opfers.243 Dies ist hier nicht anzunehmen. Die Leihmutter wird nicht den Wunscheltern untergeordnet. Schon die Ausgangslage gewährt dies: Suchen heterosexuelle Paare, homosexuelle weibliche Paare oder alleinstehende Frauen eine Leihmutter, tun sie dies regelmäßig, weil die Frauen ein Kind nicht selbst empfangen oder austragen können.244 Teilweise liegt dies an bekannten, oft erheblichen medizinischen Beeinträchtigungen, teilweise mussten sie dies erst nach zahlreichen Versuchen und Rückschlägen feststellen oder sich eingestehen. Homosexuelle männliche Paare und alleinstehende Männer sind von Anfang an auf die Hilfe einer Leihmutter angewiesen.245 Die Leihmutter ist somit Schlüssel zu einer Geburt, die den Wunscheltern alleine unmöglich wäre. Dies deutet darauf hin, dass die Wunscheltern der Leihmutter eher mit Anerkennung und Dankbarkeit als mit Missachtung begegnen.246 Zumindest bei einer unentgeltlichen Leihmutterschaft ist zudem mit Dankbarkeit der Wunscheltern zu rechnen wegen des Bewusstseins ob der Last, die die Leihmutter auf sich nimmt, und der Schwierigkeit, eine Frau zu finden, die als unentgeltliche Leihmutter agieren würde. Aus denselben Gründen werden die Wunscheltern die Leihmutter kaum als beliebig austauschbar ansehen.247 Dies zeigt sich auch darin, dass sie erhebliches und lang anhaltendes Vertrauen in die Leihmutter setzen müssen, da ihr Verhalten während der Schwangerschaft erhebliche Auswirkung auf die Entwicklung des Fötus
242 Vgl. Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 16; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 164 und 178; Radin, 100 Harv.L.Rev. 1987, 1849, 1933 ff.; Satz, 21 Phil.& Pub.Aff. 1992, 107, 123 f.; Raymond, Women as wombs, 79 ff.; Anderson, 19 Phil.& Pub.Aff. 1990, 71, 80. 243 Hörnle, in: Menschenwürde und moderne Medizintechnik, 57, 68 f. Eine Ohnmacht kann aufgrund der Umstände ausnahmsweise gerechtfertigt sein und keine Demütigung darstellen. Als Beispiel nennt Hörnle die Behandlung psychisch Kranker in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses, S. 69. 244 Bertschi, Leihmutterschaft, 140 f. 245 Bertschi, Leihmutterschaft, 140 f. 246 Bertschi, Leihmutterschaft, 149. 247 Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 164.
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haben kann.248 Fordert man zudem eine andauernde Freiwilligkeit der Leihmutterschaft,249 so sind die Wunscheltern abhängig von dem Willen der Leihmutter und ordnen sich somit eher ihr unter als umgekehrt. Insgesamt wird die Leihmutter nicht „entwürdigt“.250 Es kann hier eine Beeinträchtigung des Menschenwürdekerns nicht angenommen werden.251 cc) Fazit: Keine Beeinträchtigung der Menschenwürde Die freiwillige, unentgeltliche Leihmutterschaft beeinträchtigt nicht die Menschenwürde der Leihmutter aus Art. 1 Abs. 1 GG.252 Selbst wenn man eine solche Beeinträchtigung annehmen würde, würde sie nur zu einer ordre public-Widrigkeit der Elternschaft der Wunscheltern führen, wenn sich die Beeinträchtigung durch den Vorgang der Leihmutterschaft in der Elternschaft der Wunscheltern fortsetzt.253 Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein.254 b) Körperliche und geistige Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG Die potenziellen physischen und psychischen Risiken der Leihmutterschaft könnten eine Pflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG begründen,255 die Leihmutter vor diesen Risiken zu schützen. Selbst wenn eine Bedrohung des Schutzbereichs Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 164. Siehe zu einem Verstoß gegen die Menschenwürde bei einer Leihmutter, die das Kind nicht weiter austragen möchte oder es behalten möchte, unten bei Kapitel 3 – E.II., S. 199. 250 Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748; Epstein, 81 Va.L.Rev. 1995, 2305, 2320. 251 Im Ergebnis ebenso Mayer, IPRax 2014, 57, 61. 252 So auch: Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 104; von Münch/Kunig6 Kunig , Art. 1 GG Rn. 36 „Künstliche Befruchtung“; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 165 f.; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 158 f. und 161 f.; Mayer, IPRax 2014, 57, 61 f.; Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 Rn. 94; Mayer, StAZ 2015, 33, 36; wohl auch: SachsHöfling7, Art. 1 GG Rn. 24; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 20; Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A41 f.; Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B80; von Mangoldt/Klein/StarckStarck6, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 97; Diel, Leihmutterschaft, 73; wohl auch Gössl, in: Surrogacy, 131, 135; a. A. Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 177; Wagner, StAZ 2012, 294, 295; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 29. 253 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III., S. 158. 254 Eine Ausnahme bilden solche Fälle, in denen die Leihmutter zur Herausgabe des Kindes gezwungen wird, obwohl sie es behalten will. In diesen Fällen setzt sich die Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter durch die erzwungene Herausgabe des Kindes in der Elternstellung der Wunscheltern fort. Die Elternschaft der Wunscheltern verstößt dann gegen den ordre public-Vorbehalt. Siehe dazu unten bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205. 255 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 91. 248 249
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bestehen sollte, ist bezüglich eines Schutzes im Sinne der Notwendigkeit eines vollständigen Verbots der Leihmutterschaft restriktiv vorzugehen.256 Dem Gesetzgeber stehen weite Spielräume zu, wie er die Rechte aus Art. 2 Abs. 2 GG schützt.257 Nur wenn andere Maßnahmen, wie Beratung oder ärztliche beziehungsweise psychologische Begleitung keinen ausreichenden Schutz ermöglichen, wäre ein Verbot zwingend. Bezüglich der physischen Gefahren bestehen keine grundsätzlichen Zweifel an der Leihmutterschaft. Zwar stellen der Vorgang der künstlichen Befruchtung an sich und die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften zusätzliche Belastungen im Vergleich zu einer natürlichen Schwangerschaft dar.258 Diese scheinen jedoch nicht von solchem Gewicht zu sein, dass sie eine Bedrohung für Art. 2 Abs. 2 GG darstellen.259 Zudem sind dies keine spezifischen Gefahren der Leihmutterschaft, sondern allgemeine Gefahren der künstlichen Befruchtung. Art. 2 Abs. 2 GG schützt auch vor psychischen Beeinträchtigungen, wenn diese in ihrer Wirkung mit körperlichen Schmerzen vergleichbar sind.260 Oft wird argumentiert, die Leihmutter baue eine derartige Bindung zu dem Kind auf, dass sie sich nur sehr schwer nach der Geburt von dem Kind trennen könne und auch nach der Trennung noch lange unter ihr leide.261 Ob diese Annahme überzeugt, ist fragwürdig. Zwar existiert bisher nur wenig psychologische Forschung zu diesen Fragen.262 Soweit Untersuchungen vorliegen, deuten sie jedoch darauf hin, dass eine solche Belastung nicht eintritt, zumindest nicht in einem Maß, welches ein Verbot der Leihmutterschaft notwendig machen würde:263 Obwohl es manchen Leihmüttern anfangs schwerfällt, das Kind den Wunscheltern zu übergeben,264 sind Fälle, in denen die Leihmutter erheblich unter der Trennung leidet oder die Leihmutterschaft bereut, sel-
Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 92. Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 92. 258 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 33; Diel, Leihmutterschaft, 26 f. m.w.N. 259 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 33; Diel, Leihmutterschaft, 26 f. m.w.N. 260 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 83. 261 Gürtler, in: Moderne Medizin und Strafrecht, 203, 207; ähnliche Gefahren befürchtet Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B82; vgl. Bernard, StAZ 2013, 136, 140. 262 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2197. 263 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2196 und 2203; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 64. 264 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2196; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 69; Diel, Leihmutterschaft, 41. 256 257
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ten.265 Meist empfanden die Leihmütter in den vorliegenden Studien das Kind als solches der Wunscheltern und nicht als eigenes.266 Sie bauten eine geringere Bindung zu dem Kind auf als gewöhnliche Schwangere.267 Schon ein Jahr nach der Geburt leide kaum eine Leihmutter noch unter der Aufgabe des Kindes. Die Trennungsschmerzen waren regelmäßig nur gering und vorübergehend.268 Auch waren keine Unterschiede zwischen genetisch verwandten und nicht verwandten Leihmüttern festzustellen.269 Besonders unproblematisch für die Leihmütter verlief die Leihmutterschaft, wenn die Leihmutter psychologisch betreut wurde.270 Insgesamt bewerteten die meisten Leihmütter die Erfahrung der Leihmutterschaft als positiv.271 Viele Leihmütter konnten sogar durch die Leihmutterschaft ihr Selbstwertgefühl bestärken.272 Daher betonen Studien ausdrücklich, dass die oft beschworenen Belastungen für die Leihmütter nicht empirisch zu belegen seien.273 Wenn die Leihmutterschaft aus weiteren Gründen als physischem Unwohlsein während der Schwangerschaft oder einer möglichen Hormonbehandlung274 doch als negative Erfahrung erlebt wurde, lag dies meist nicht an der Trennung von dem Kind sondern an dem Verhältnis der Wunscheltern zu der Leihmutter.275 So war es für die Leihmütter wichtig, das Kind nach der Geburt sehen und halten zu dürfen.276 Insgesamt fiel es Leihmüttern meist deutlich leichter, das Kind zu übergeben, wenn sie mit den Wunscheltern in Kontakt treten durften.277 Dies passt zu der Beobachtung, dass meist die Leih265 Bspw. hatte keine von 34 Frauen in einer umfangreichen britischen Studie Zweifel an ihrer Entscheidung, das Kind den Wunscheltern zu übergeben: Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203. Vgl. auch Bertschi, Leihmutterschaft, 145. 266 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc. Issues. 2005, 21, 32; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 64; dazu Bertschi, Leihmutterschaft, 142 f. 267 Ragoné, Surrogate motherhood, 77; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 60; Bertschi, Leihmutterschaft, 142. 268 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2196 und 2203: Nur zwei von 34 Leihmüttern waren ein Jahr nach der Geburt noch gelegentlich traurig über die Weggabe des Kindes. Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 69. 269 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203. 270 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 34. 271 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 31; Bertschi, Leihmutterschaft, 142. 272 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203 f. 273 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2196 und 2203; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 29 m.w.N. 274 Bertschi, Leihmutterschaft, 143. 275 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 31 f.; Bertschi, Leihmutterschaft, 142; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 750. 276 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 32. 277 Ragoné, Surrogate motherhood, 79; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 59; Bertschi, Leihmutterschaft, 142.
A. Verstoß gegen Grundrechte
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mutter nicht mit dem Kind, sondern mit den Wunscheltern, insbesondere der Wunschmutter, eine Verbundenheit empfand.278 Oft wurde die Schwangerschaft als gemeinsames Vorhaben wahrgenommen,279 häufig als Geschenk, welches die Leihmutter den Wunscheltern macht.280 Für das Erleben der Leihmutterschaft durch die Leihmutter, war es daher bedeutsam, ob sie auch nach der Geburt zumindest in gewissem Maße eingebunden und über das Wohlergehen der Familie informiert wurde.281 Wenn die Leihmutter somit im Rahmen der Leihmutterschaft eine Beziehung aufbaut, deren Bruch für sie schmerzhaft ist, scheint dies häufiger eher diejenige zu den Wunscheltern als zu dem Kind zu sein.282 Einschränkend muss erneut festgehalten werden, dass bisher nur wenige Studien zur Leihmutterschaft vorliegen. Wegen der Seltenheit des Phänomens sind Untersuchungen mit großer Teilnehmerzahl schwierig.283 Teilweise waren die Studien zudem auf unentgeltliche Leihmutterschaften beschränkt, welche nicht zwingend mit entgeltlichen vergleichbar sein müssen. Insbesondere wird so die Gefahr der Ausbeutung armer Leihmütter durch reiche (ausländische) Wunscheltern nicht berücksichtigt. Trotz dieser Einschränkungen legen die bisher vorliegenden psychologischen Untersuchungen nahe, dass die Leihmutterschaft keine erhebliche Bedrohung für das psychische Wohlergehen der Leihmutter bedeutet.284 Die bisherigen Studien zeigen zwar recht deutlich in diese Richtung, reichen jedoch nicht aus, um Gefahren für die Psyche der Leihmutter auszuschließen, erst recht nicht in allen Konstellationen der Leihmutterschaft. Die Frage einer Beeinträchtigung von Art. 2 Abs. 2 GG kann jedoch bei der Bestimmung eines möglichen Verstoßes der Elternschaft der Wunscheltern gegen den ordre public nicht offen bleiben. Die Annahme eines ordre publicVerstoßes kann dazu führen, dass das Kind aus der Familie der Wunscheltern entfernt wird. Dies bedeutet womöglich erhebliche psychische Belastungen für das Kind.285 Stellt die Leihmutterschaft tatsächlich keine relevante Gefahr Vgl. Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 59; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 32; Bertschi, Leihmutterschaft, 142. 279 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 32. 280 Ragoné, Surrogate motherhood, 85; Bertschi, Leihmutterschaft, 144. 281 Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 32 f. 282 Vgl. Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 59 m.w.N. 283 Dies betonen auch die Studien selbst: Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203. Auch der Gesetzgeber stellt die Unsicherheit dar: Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 7; Helms, StAZ 2013, 114, 114 f. 284 Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2196 und 2203; Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 64; Ragoné, Surrogate motherhood, 86; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc. Issues. 2005, 21, 31 ff. 285 Gillibrand/Lam/O’Donnell, Developmental psychology, 245 f.; Zimmermann/ Spangler, in: Entwicklungspsychologie6, 696; vgl. Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1905; 278
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Kapitel 3 – Ordre public
für die Psyche der Leihmutter dar, so wäre diese Belastung des Kindes vermeidbar. Sofern sich die Vereinbarkeit der Leihmutterschaft mit Grundrechten als Vorfrage zu der Vereinbarkeit einer Elternschaft der Wunscheltern mit Grundrechten stellt, kann daher nicht „sicherheitshalber“ eine Gefahr für die Psyche der Leihmutter angenommen werden.286 Anhand der momentan vorhandenen Untersuchungen ist eher davon auszugehen, dass die Leihmutterschaft das psychische Wohlergehen der Leihmutter nicht in relevantem Maße gefährdet. Die bisherige Tendenz in der psychologischen Forschung zu Leihmutterschaften als, wenn auch noch fragile, Grundlage zur Bewertung der Gefahren für die Psyche der Leihmutter und des Kindes zu verwenden, erscheint methodisch überzeugender als im Rahmen einer juristischen Arbeit zur Leihmutterschaft zu versuchen, aus allgemeinen Untersuchungen, etwa zur Interaktion der Schwangeren mit dem Fötus während der Schwangerschaft, eigenständige Aussagen zu Gefahren der Leihmutterschaft abzuleiten.287 Eine juristische Arbeit kann redlicherweise weder die Übertragbarkeit noch die Nichtübertragbarkeit psychologischer Forschung zu Sachverhalten, die der Leihmutterschaft ähneln, aber in wichtigen Punkten von ihr unterscheiden, behaupten. Selbst wenn eine Gefährdung der Leihmutter vorliegen sollte, wäre zu berücksichtigen, dass sich die Leihmutter dieser freiwillig ausgesetzt hat.288 Setzt sich ein Grundrechtsträger freiwillig einer Gefahr aus, so kann eine Beeinträchtigung des Grundrechts nicht angenommen werden, soweit auf den Schutz des betroffenen Grundrechts verzichtet werden kann.289 Auch daher ist eine Pflicht zum Schutz der Leihmutter fragwürdig. Handelt die Leihmutter freiwillig und kann man daher davon ausgehen, dass sie mögliche psychische Belastungen in Kauf genommen hat, fordert Art. 2 Abs. 2 GG keinen Schutz der Leihmutter vor sich selbst.290 Eine Schutzpflicht erscheint jedoch denkbar, um zu verhindern, dass sich eine Leihmutter der psychischen Gefährdung nicht bewusst ist. Allerdings wäre in diesen Fällen ein Schutz durch Aufklärung und Beratung ausreichend.291 Ein gänzliches Verbot der Leihmutterschaft wäre nicht erforderlich. Diel, Leihmutterschaft, 48 m.w.N. Zur Bedeutung der Beziehungsstabilität für die Entwicklung des Kindes siehe BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. 286 Anders wenn sich die Frage der Zulässigkeit der Leihmutterschaft als abstrakte Frage stellt. Siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.1.c)bb), S. 226. 287 So etwa Diel, Leihmutterschaft, 49 ff. und 63 f.; Engel, ZEuP 2014, 538, 556. Umgekehrt wird demgegenüber die Aussagekraft der britischen, von Susan Golombok geleiteten und primär an der University of Cambridge durchgeführten Langzeitzeitstudie spezfisch zu Leihmutterschaften erheblich in Frage gestellt. Siehe Diel, Leihmutterschaft, 53 ff.; Engel, ZEuP 2014, 538, 555 f. 288 Vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 61 f. 289 Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 488; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 75. 290 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 100. 291 Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 162.
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2. Grundrechte des Kindes Auch aus den Grundrechten des Kindes könnte sich eine Pflicht zum Schutz vor dem Vorgang der Leihmutterschaft ergeben. Insbesondere wird diskutiert, ob seine Menschenwürde durch die Leihmutterschaft beeinträchtigt wird, Art. 1 Abs. 1 GG.292 a) Beginn des Schutzes der Würde des Kindes, objektiver Gehalt des Menschenwürdeschutzes Wie bei anderen Verfahren moderner Biomedizin und Gentechnik wirft die Leihmutterschaft grundlegende Fragen bezüglich der Reichweite des Menschenwürdeschutzes auf. Dies liegt daran, dass hier schon die Zeugung des Kindes und, bereits früher, die darauf gerichtete Vereinbarung als potenzielle Menschenwürdebeeinträchtigungen diskutiert werden. Die potenzielle Beeinträchtigung ist gleichzeitig der Vorgang, welcher die Geburt des Kindes, dessen Würde beeinträchtigt sein soll, überhaupt erst ermöglicht.293 Dieser Konflikt darf sicher nicht den Einsatz jedes Mittels zur Ermöglichung einer Geburt rechtfertigen. Es gibt Umstände, die zwar die Geburt eines Kindes ermöglichen, aber so unwürdig sind, dass eine Beeinträchtigung anzunehmen ist.294 Es stellen sich daher die Fragen, wann der subjektive Schutz durch Art. 1 Abs. 1 GG beginnt und ob gegebenenfalls eine Ausdehnung dieses Schutzes möglich ist, beispielsweise durch einen vorwirkenden Schutz des Einzelnen oder durch einen abstrakten Schutz der Menschheitswürde, hergeleitet aus dem objektiven Gehalt der Menschenwürde. Nach der Geburt besteht der Schutz zweifelsfrei.295 Auch während der Schwangerschaft wird bereits ein umfassender Schutz der Würde des entstehenden Menschen beziehungsweise des Embryos angenommen.296 Umstritten
292 Radin, 100 Harv.L.Rev. 1987, 1849, 1926; Anderson, 19 Phil.& Pub.Aff. 1990, 71, 76; Diel, Leihmutterschaft, 71; vgl. Mason/Laurie, Law and Medical Ethics8, 292; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 103. 293 So etwa Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 Rn. 94; vgl. Gürtler, in: Moderne Medizin und Strafrecht, 203, 207; Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B46 und B82; Schuck, 76 Geo.L.J. 1987, 1793, 1800 f.; Seidman, 76 Geo.L.J. 1987, 1829, 1832; Diel, Leihmutterschaft, 71; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 746. 294 Vgl. Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 168; sowie Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42 f.; Coester-Waltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B46 und B82. 295 Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 56 ff.; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 11; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 9 ff.; Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 64. 296 Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 60 ff.; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 14; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 11 f.; Maunz/DürigHerdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 65; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 8; a. A.: Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 68 ff. und 81.
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ist jedoch die Frage eines Menschenwürdeschutzes vor der Nidation, also der Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter der Austragenden.297 Zum Teil wird ein Schutz vor der Nidation abgelehnt.298 Vielfach wird dieser auch bejaht und ein Schutz bereits ab Befruchtung der Eizelle angenommen.299 Als Zwischenpositionen wird für den Zeitraum zwischen Befruchtung und Nidation ein entwicklungsgradabhängig wachsender Schutz vorgeschlagen.300 Auch wird vorgeschlagen, dass zwar nur die Würde nach der Nidation geschützt wird, deren effektiver Schutz es jedoch erfordert, dass auch manche Einwirkungen vor der Nidation verhindert werden.301 Vergleichbar ist dieser Ansatz mit dem nach dem Tod nachwirkenden postmortalen Würdeschutz.302 Dieser vorgreifende Schutz soll jedoch nicht den absoluten Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG genießen.303 Zum Teil wird noch weitergehend auch ein Schutz bereits vor Vereinigung der Keimzellen angenommen.304 Nur so sei ein effektiver Schutz im Zusammenhang mit genetischen Manipulationen oder fortpflanzungsmedizinischen Verfahren möglich.305 Daneben wird zum Teil argumentiert, Art. 1 Abs. 1 GG schütze auch die Würde der Menschen insgesamt.306 Auch eine solche abstrakte Würde könnte die Leihmutterschaft gefährden.307 Einer derart abstrakten Würde der Menschen als Gattung, basierend auf dem objektiven Gehalt der Menschenwürde, steht die herrschende Meinung jedoch wohl kritisch gegenüber.308 297 Vgl. dazu ausführlich Kersten, Klonen von Menschen, 325 ff.; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 54 ff.; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 60 ff.; Jarass/PierothJarass13, Art. 1 GG Rn. 8. 298 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 8; Heun, JZ 2002, 517, 534 f.; Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A16 f. 299 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 11; SachsHöfling7, Art. 1 GG Rn. 62; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 14 und Art. 2 GG Rn. 49; Kirchhof, in: Gentechnik und Menschenwürde, 9, 22 f.; a. A. Heun, JZ 2002, 517, 22 f. 300 Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 Rn. 60, 66 und 69 ff.: Schutz soll zwar mit Befruchtung beginnen, jedoch im Umfang erst anwachsen. 301 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 9 f.; von Mangoldt/Klein/Starck-Starck6, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 96; Starck, JZ 1989, 338, 338. 302 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 9. 303 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 9; wohl auch von Mangoldt/Klein/Starck6 Starck , Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 96; Starck, JZ 1989, 338, 338 f. 304 Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A17; Benda, in: Genforschung, 205, 211. 305 Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A17. 306 Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 57 ff.; Benda, in: Genforschung, 205, 210 f.; Kirchhof, in: Gentechnik und Menschenwürde, 9, 22 f.; BVerwG 24.10.2001, Az. 6 C 3/01 (Münster), NVwZ 2002, 598, 602; so wohl implizit auch Laufs, Rechtliche Grenzen, 10 f. 307 Siehe dazu Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 98 ff. 308 von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 Rn. 17: Geschützt ist zwar der „[Einzelne] in der Gruppe“, Grundrechtsträger bleibt dabei jedoch der Einzelne; Hieb, Gespaltene Mutter-
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Wegen der Bedeutung, die eine Menschenwürdebeeinträchtigung für die Konkretisierung des ordre public haben könnte, soll zunächst von einem sehr weitreichenden Schutz bis vor Befruchtung der Eizelle ausgegangen werden. Nur wenn unter dieser sehr weiten, nicht aber einer engeren Auslegung des Schutzbereichs eine Beeinträchtigung droht, muss dieser Streit entschieden werden. Eine umfassendere Prüfung auf der Grundlage eines weiten Verständnisses des Schutzbereichs ist auch deshalb sinnvoll, da der Einfluss auf die Menschenwürde nicht auf einen konkreten Zeitpunkt einzuschränken ist, etwa den Abschluss der Leihmuttervereinbarung. Vielmehr prägt die Leihmutterschaft gleichermaßen die Empfängnis, Geburt, Übergabe an die Wunscheltern und Eingliederung in ein familiäres Umfeld mit den Wunscheltern. Schließlich ist eine genaue Bestimmung des Beginns des Menschenwürdeschutzes, insbesondere die Frage, ob ein Schutz schon vor der Nidation gegeben ist, vor allem bezüglich solcher Eizellen von Bedeutung, die zwar befruchtet, nicht aber eingepflanzt werden.309 Diese Arbeit beschäftigt sich jedoch mit denjenigen Embryonen, die tatsächlich zu Kindern herangewachsen sind. Es soll somit über diesen Hinweis hinaus eine Diskussion unterbleiben. b) Kind als Handelsobjekt Oft wird die Leihmutterschaft mit Kinderhandel verglichen und behauptet, dass insbesondere bei der entgeltlichen Leihmutterschaft das Kind Objekt eines Handelsgeschäftes werde.310 Suggeriert wird dabei, dass das Kind wie eine Ware, ja geradezu eine vertretbare Sache, behandelt werde und über es verfügt werde. Zwar ist die Entgeltlichkeit gerade keine wesensmäßige Eigenschaft der Leihmutterschaft, dennoch muss auch bezüglich der unentgeltlichen Leihmutterschaft dieser Vorwurf berücksichtigt werden, da er nicht nur die Entgeltlichkeit beträfe, sondern auch die Verfügung über das Kind wie über eine Ware, die ebenso bei einer unentgeltlichen Leihmuttervereinbarung vorliegen könnte.
schaft, 58 f. und 99: Auch der objektive Gehalt knüpft an den Grundrechtsträger an. Kern der Grundrechte ist Schutz des einzelnen Grundrechtsträgers, weshalb der objektive Gehalt nicht weiter gehen kann als der subjektive. Siehe auch Heun, JZ 2002, 517, 519 f.; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 162 m.w.N.; wohl auch Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 745; BVerfG 1.3.1979, Az. 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 337; a. A. Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 57 ff.; Benda, in: Genforschung, 205, 210 f.; Kirchhof, in: Gentechnik und Menschenwürde, 9, 22 f.; BVerwG 24.10.2001, Az. 6 C 3/01 (Münster), NVwZ 2002, 598, 602. 309 Vgl. Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 94. 310 Radin, 100 Harv.L.Rev. 1987, 1849, 1926; Anderson, 19 Phil.& Pub.Aff. 1990, 71, 76; Diel, Leihmutterschaft, 71. Vgl. Mason/Laurie, Law and Medical Ethics8, 292; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 103.
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Um sich diesem Vorwurf zu nähern, muss zunächst erörtert werden, was genau Gegenstand der Vereinbarung ist, ob eine Vergleichbarkeit mit Kinderhandel gegeben ist und ob im Rahmen der Vereinbarung über das Kind wie über eine Ware verfügt wird. aa) Abgrenzung zu Kinderhandel Kinderhandel wird allgemein als klassisches Beispiel einer Menschenwürdebeeinträchtigung angesehen,311 da dort menschliches Dasein kommerzialisiert wird312 und die Kinder von ihren Eltern zum Kauf angeboten werden wie Handelsware.313 Es wird behauptet, Leihmutterschaft gleiche dem Kinderhandel.314 Gegenstand der Leihmuttervereinbarung sei es, ein Kind herauszugeben beziehungsweise zu verkaufen. Diese Analyse des Inhaltes einer Leihmuttervereinbarung überzeugt bei genauer Betrachtung nicht. Zwar ist die spätere Übergabe des Kindes an die Wunscheltern Teil der Vereinbarung, sie ist jedoch nur Teil einer größeren Absprache. Die Leihmuttervereinbarung setzt deutlich früher an. Sie führt überhaupt erst zu der Zeugung des Kindes. Ohne die Bereitschaft der Leihmutter, die befruchtete Eizelle auszutragen, später das Kind zu gebären und den Wunscheltern zu übergeben, würde das Kind nie gezeugt.315 Hier besteht der entscheidende Unterschied zum Kinderhandel.316 Während beim Kinderhandel ein Kind bereits gezeugt, eine Familie, aus der das Kind gerissen werden soll, entstanden ist beziehungsweise gerade entsteht,317 wird durch die Leihmuttervereinbarung das Leben des Kindes überhaupt erst ermöglicht. Entscheidend zur Abgrenzung zwischen Kinderhandel und Leihmutterschaft ist somit die Frage, ob bereits bei der Zeugung des Kindes vereinbart war, dass die Wunscheltern die Eltern des Kindes werden sollten. Findet dann die Zeugung und Geburt auf Grundlage dieser Absprache statt, so Vgl. etwa Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 11; Lackner/Kühl-Kühl28, § 236 StGB Rn. 1. 312 Vgl. BVerfG 12.11.1997, Az. 1 BvR 479/92 und 307/94, BVerfGE 96, 375, 400. 313 Kreß, NJW 1998, 633, 642; Lackner/Kühl-Kühl28, § 236 StGB Rn. 1. 314 So wenden AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140 im Rahmen der Adoption eines durch Leihmutterschaft geborenen Kindes den § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB an, der in Fällen des Kinderhandels eine Adoption erheblich erschwert. 315 Vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 62; Freeman, in: Legal Issues in Human Reproduction, 171; Freeman, 7 Med.L.Rev. 1999, 1; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 751. 316 Vgl. zur Definition von Kinderhandel Schmahl, Kinderrechtskonvention, Art. 32–36 Rn. 21. 317 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 311
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wird nicht mit einem lebenden oder heranwachsenden Kind gehandelt. Das Kind, mit dem im Rahmen der Leihmuttervereinbarung gehandelt werden könnte, gibt es noch gar nicht.318 Beim Kinderhandel wird eine Mutter dazu gezwungen oder durch Geldzahlung dazu bewegt, ein Kind aufzugeben, das sie sonst regelmäßig selbst aufziehen würde. Dabei ist die Veräußerung des Kindes beziehungsweise der Elternrechte der Inhalt der Absprache. Bei einer Leihmutterschaft hingegen wird, zumindest wenn die Leihmutter das Kind freiwillig herausgibt, nicht eine Mutter-Kind-Beziehung getrennt, die sonst vermutlich fortbestanden hätte.319 Das Verbot des Kinderhandels soll verhindern, dass die Integrität der Familie Objekt finanzieller Erwägungen wird. Bei der Leihmutterschaft ist dies nicht zu befürchten, da eine Familie der Leihmutter mit dem Kind nicht gegründet werden sollte. Der Vorwurf des Kinderhandels setzt zudem voraus, dass das Kind eigentlich ein solches der Leihmutter ist. Dies ist jedoch nicht unstreitig.320 Es ist nur das Kind der Leihmutter, wenn man die Schwangerschaft und Geburt als entscheidende Grundlage der Mutterschaft ansieht. Sieht man demgegenüber die Absicht zur Übernahme der Elternrolle als relevante Grundlage der Elternschaft, so könnte man auch annehmen, dass das Kind von Anfang an ein solches der Wunscheltern ist, da sie schon vor der Zeugung bekundet haben, das Kind als ihr Eigenes aufziehen zu wollen, und das Kind aufgrund dieser Absicht gezeugt wurde. In diesem Fall wäre der Vorwurf, die Leihmutter verkaufe ihr Kind oder gebe dies Fremden, schwer zu halten. Die Möglichkeit der Abgrenzung zwischen Kinderhandel und Leihmutterschaft bestätigt auch die hiesige einfachgesetzliche Rechtslage, in der sich Kinderhandel im Sinne des § 236 StGB ebenfalls auf ein bereits geborenes Kind bezieht.321 Auch die Struktur und der Aufbau des AdVermiG zeigen die Differenzierung, da der Gesetzgeber in diesem zwischen der Adoptionsvermittlung (§§ 1–12 AdVermiG) und dem Verbot der Vermittlung von Leihmüttern (§§ 13a–13d AdVermiG) unterscheidet.322 Dies spiegelt auch der Name des Gesetzes wider: „Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern“. Entsprechendes gilt für Art. 35 UN-Kinderrechtskonvention, der Kinderhandel als Entführung oder Verkauf von, beziehungsweise Handel mit Kindern definiert.323 Ob eine LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111. Zur Abgrenzung von Leihmutterschaft und Kinderhandel: LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111 f. 320 Siehe etwa Horsey, CFLQ 2010, 449; Lewis, 49 U.Louisville L.Rev. 2010, 371; Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297; Storrow, 53 Hastings L.J. 2001, 597. 321 Lackner/Kühl-Kühl28, § 236 StGB Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser/Eisele28, § 236 StGB Rn. 2. 322 In der Terminologie des AdVermiG: „Ersatzmütter“. LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111 f. 323 Vgl. LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 318 319
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Kapitel 3 – Ordre public
Adoption im Anschluss an eine Leihmutterschaft nur unter den gesteigerten Voraussetzungen des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB, einer Schutzvorschrift für Fälle des Kinderhandels, möglich ist, ist zwar umstritten,324 richtigerweise jedoch abzulehnen.325 bb) Behandlung des Kindes als Ware Wie die Abgrenzung vom Kinderhandel zeigt, maßen sich die Wunscheltern bei der Leihmutterschaft nicht an, über einen anderen Menschen zu verfügen. Durch die Vereinbarung wird vielmehr die Geburt des Kindes erst ermöglicht. Gegenstand der Vereinbarung ist nicht nur die Übergabe des Kindes, sondern vor allem auch dessen Zeugung, das Austragen und die Geburt. Auch sonst überzeugt die Behauptung nicht, das Kind werde wie eine Ware behandelt.326 Berücksichtigt man die Rückschläge und Hindernisse, welche die Wunscheltern auf dem Weg zu dem Kind erleben müssen und die Sehnsucht nach der Erfüllung ihres Kinderwunsches, so drängt sich auf, dass sie dem Kind beziehungsweise der Leihmuttervereinbarung nicht dasselbe Maß an Beliebigkeit entgegenbringen, wie sie dies gegenüber einer gewöhnlichen Ware oder einem Handelsobjekt täten.327 Die Versuche von Wunscheltern, Leihmütter, die das Kind doch behalten wollen, zu der Übergabe zu zwingen, zeigt, dass die Wunscheltern das Kind nicht als austauschbar und beliebig ansehen. Durch die Leihmuttervereinbarung wird die Menschenwürde des Kindes somit nicht beeinträchtigt.328 Vgl. AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, III; AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 6 f.; LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 44; LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111; Benicke, in: FS Hoffmann, 545, 112; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1250. 325 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.I.2., S. 23. 326 So etwa Radin, 100 Harv.L.Rev. 1987, 1849, 1926: „If a capitalist baby industry were to come into being, with all of its accompanying paraphernalia, how could any of us, even those who did not produce infants for sale, avoid subconsciously measuring the dollar value of our children? How could our children avoid being preoccupied with measuring their own dollar value? This makes our discourse about ourselves (when we are children) and about our children (when we are parents) like our discourse about cars. Seeing commodification of babies as an inevitable and grave injury to personhood appears rather easy. In the worst case, market rhetoric could create a commodified self-conception in everyone, as the result of commodifying every attribute that differentiates us and that other people value in us, and could destroy personhood as we know it.“ 327 Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 104. 328 Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 104; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 104; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 36 „Künstliche Befruchtung“; DreierDreier3, Art. 1 Abs. 1 Rn. 94; von Mangoldt/Klein/Starck-Starck6, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 97; wohl auch Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 24; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 1 GG Rn. 20. 324
A. Verstoß gegen Grundrechte
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cc) Exkurs: Abgrenzung zu Eugenik und ähnlichen Verfahren Bei dieser Gelegenheit ist die Leihmutterschaft abzugrenzen von anderen Verfahren, die im Rahmen der Reproduktionsmedizin im Allgemeinen verwendet werden können. Dies betrifft etwa die Präimplantationsdiagnostik. Diese kann zum einen eingesetzt werden, um aus mehreren befruchteten Eizellen diejenigen auszuwählen, die keine schweren Krankheiten befürchten lassen. Zum anderen kann dabei versucht werden, das Geschlecht eventuell sogar die wahrscheinliche Haar- oder Augenfarbe zu bestimmen. Neben der Frage, ob überhaupt und, wenn ja, anlässlich welcher Merkmale eine solche Auswahl zulässig sein könnte,329 stellt sich die Frage der Verwendung beziehungsweise Vernichtung der überzähligen Embryonen.330 Die Leihmutterschaft ist hiervon zu unterscheiden. Zwar könnten diese Verfahren auch im Rahmen der Leihmutterschaft verwendet werden. Sie könnten jedoch bei jeder extrakorporalen Befruchtung Anwendung finden und sind somit eine generelle Gefahr dieser Verfahren und keine solche der Leihmutterschaft. Die Leihmutterschaft ist von der Frage unabhängig, ob eine Vorauswahl der Embryonen stattfindet. Insoweit eine solche Auswahl somit die Menschenwürde beeinträchtigt, hat dies zwar Auswirkungen auf eine menschenwürdekonforme Ausgestaltung der Leihmutterschaft, nicht aber auf ihre grundsätzliche Zulässigkeit. Die Leihmutterschaft sollte somit nicht als erster Schritt auf einer „slippery slope“ hin zur Zulässigkeit der Eugenik verstanden werden. c) Fazit bezüglich der Grundrechte des Kindes Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde des Kindes liegt somit selbst bei einem weiten Verständnis des Schutzbereichs nicht vor.331 IV. Fazit Bezüglich der grundrechtlichen Betrachtung ist zu trennen zwischen der grundsätzlichen Zulässigkeit der Leihmutterschaft und der konkreten Ausgestaltung. In ihrer unproblematischsten Ausgestaltung geht weder von dem Vgl. Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 747; Laufs, Rechtliche Grenzen, 27. 330 Vgl. Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 Rn. 96 ff. 331 So auch Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 104; von Münch/Kunig6 Kunig , Art. 1 GG Rn. 36 „Künstliche Befruchtung“; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 104; Dreier-Dreier3, Art. 1 Abs. 1 Rn. 94; Mayer, IPRax 2014, 57, 61 f.; Mayer, StAZ 2015, 33, 37 f.; Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A56 f.; von Mangoldt/Klein/Starck-Starck6, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 97; wohl auch Sachs-Höfling7, Art. 1 GG Rn. 24; Jarass/PierothJarass13, Art. 1 GG Rn. 20; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 171; wohl auch Gössl, in: Surrogacy, 131, 135; a. A. Sturm, in: FS Kühne, 924; Wagner, StAZ 2012, 294, 295. 329
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Kapitel 3 – Ordre public
Vorgang der Leihmutterschaft noch der Elternschaft der Wunscheltern eine Grundrechtsbedrohung aus. Art. 6 S. 2 EGBGB ist in diesem Fall nicht einschlägig. Aus grundrechtlicher Perspektive, im Gegensatz zur einer moralischen oder politischen, ist die Leihmutterschaft somit unproblematischer als häufig angenommen.
B. Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte B. Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte
Führt die Anwendung des ausländischen Rechts gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern, können gemäß Art. 6 S. 1 EGBGB neben den Grundrechten auch sonstige wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts eine Anwendung dieses Rechts verhindern. Bedenken gegen eine Abstammung von den Wunscheltern nach ausländischem Recht können sich etwa aus Menschenrechten ergeben. Auch diese bilden Teil der wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts im Sinne des Art. 6 S. 1 EGBGB.332 Deutlicher als die Grundrechte haben die Menschenrechte einen universalen Anspruch. Anknüpfungspunkt ist dabei erneut die völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik.333 Ob der Staat, dessen Recht anzuwenden ist, selbst auch Vertragsstaat des Übereinkommens ist, ist daher unbeachtlich.334 I. Körperliche und geistige Unversehrtheit Ein Schutz der körperlichen und geistigen Unversehrtheit findet sich in Art. 12 UN-Sozialpakt. Art. 2 EMRK schützt ausdrücklich nur das Leben. Zwar wird dies weit ausgelegt, sodass auch lebensbedrohliche Gesundheitsgefährdungen erfasst werden. Geringere Gefahren für die körperliche und geistige Unversehrtheit werden demgegenüber nicht erfasst, dafür allerdings Bzgl. Menschenrechtskonventionen allgemein Voltz, Menschenrechte und ordre public, 254 ff.; Staudinger-Voltz2013, Art. 6 EGBGB Rn. 143; Palandt-Thorn74, Art. 6 EGBGB Rn. 7; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, § 16 IV 2, S. 536; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 III 2 und IV 2; von Bar, 33 BerDGVR 1994, 191, 207 f.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 VIII 6 Rn. 269; vgl. auch Jayme, Nationaler ordre public, 24 ff.; Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 228; Staudinger-Blumenwitz2003, Art 6 EGBGB Rn. 74. Bzgl. der EMRK HdbStR VII-Tomuschat, § 172 Rn. 24; Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 467; MüKoSonnenberger5, Einl. IPR Rn. 345. Bzgl. der UN-Kinderrechtskonvention Jayme, IPRax 2000, 165, 169. Bzgl. Völkerrecht allgemein Bleckmann, ZaÖRV 1974, 112, 130 f.; Bleckmann, DÖV 1979, 309, 316. 333 Kokott, 38 BerDGVR 1997, 71, 101 ff.; Staudinger-Blumenwitz2003, Art 6 EGBGB Rn. 75 m.w.N.; von Bar, 33 BerDGVR 1994, 191, 208. 334 Kokott, 38 BerDGVR 1997, 71, 101 ff.; Staudinger-Blumenwitz2003, Art 6 EGBGB Rn. 75 m.w.N.; von Bar, 33 BerDGVR 1994, 191, 208. 332
B. Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte
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teilweise im Rahmen von Art. 8 berücksichtigt.335 Nach aktuellem Stand der Forschung bestehen in der Leihmutterschaft keine Gefahren, die so erheblich wären, dass sie ein Einschreiten zum Schutz der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit der Leihmutter oder des Kindes fordern würden.336 II. Kindeswohl Das Kindeswohl ist ausdrücklich geschützt durch Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die Leihmutterschaft, insbesondere die Stellung der Abstammung von den Wunscheltern an sich, eine Gefahr für das Kindeswohl birgt. Bei einer pauschalisierten Betrachtung des Kindeswohls liegt sogar näher, dass, zumindest wenn die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergibt, ein Fortbestand der sozialen Familie, also des Zusammenlebens mit den Wunscheltern, für das Kindeswohl förderlicher ist als wenn das Kind den Wunscheltern abgenommen würde. Dies gilt insbesondere, wenn die Leihmutter es im Anschluss nicht oder nur widerwillig aufnehmen würde.337 III. Schutz der Familie und Elternschaft In verschiedenen Menschenrechtsübereinkommen ist das Familienleben geschützt. So etwa in Art. 8 Abs. 1 EMRK. Läge diesem Text ein zwingender leiblicher Begriff der Familie zugrunde, so könnte er sich gegen eine Abstammung von den Wunscheltern auswirken. Art. 8 EMRK ist auf den Schutz der tatsächlich gelebten Familie ausgerichtet.338 Auch die Beziehung zu Adoptivkindern, teils sogar Pflegekindern, wird als Familie geschützt, ebenso wie eine Familie mit gleichgeschlechtlichen Eltern.339 Art. 8 EMRK ist nicht an ein leibliches Familienkonzept gebunden. In drei Entscheidungen aus den Jahren 2014 und 2015 hat der EGMR nun sogar ausdrücklich das Zusammen335 EGMR 26.3.1985, X. and Y., Az. 8978/80, Rn. 22; EGMR 29.4.2002, Pretty, Az. 2346/02, NJW 2002, 2851, 2853 Rn. 61; EGMR 6.2.2001, Bensaid, Az. 44599/98, NVwZ 2002, 453, Rn. 46; Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 374; Grabenwarter/Pabel, EMRK5, § 22 Rn. 7, S. 230. 336 Siehe oben zu Art. 2 Abs. 2 GG bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 bzw. Kapitel 3 – A.II.2., S. 155. 337 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(1), S. 61 338 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; EGMR 12.7.2001, K. and T., Az. 25702/94, Rn. 150; EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/ 93, Rn. 36; EGMR 28.10.1998, Söderbäck, Az. 113/1997/897/1109, Rn. 33; EGMR 18.3.2008, Hülsmann, Az. 33375/03, NJW-RR 2009, 1585, 1586; EGMR 26.5.1994, Keegan, Az. 16969/90, Rn. 44; EGMR 18.12.1986, Johnston, Az. 9697/82, Rn. 55. Siehe unten bei Kapitel 4 – A.III.2.a)aa), S. 272. 339 EGMR 28.10.1998, Söderbäck, Az. 113/1997/897/1109, Rn. 33; EGMR 24.6.2010, Schalk and Kopf, Az. 30141/04, Rn. 94 f.; EGMR 22.7.2010, P.B. and J.S., Az. 18984/02, Rn. 30.
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Kapitel 3 – Ordre public
leben durch Leihmutterschaft geborener Kinder mit den Wunscheltern als von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt anerkannt.340 Ein Verstoß der Leihmutterschaft gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK ist somit nicht anzunehmen. IV. Gefahr des Kinderhandels In besonderer Klarheit fordert Art. 35 UN-Kinderrechtskonvention Maßnahmen im Kampf gegen Kinderhandel. Bei der Leihmutterschaft handelt es sich jedoch nicht um einen Fall des Kinderhandels.341 V. Fazit Ein Verstoß gegen Völkerrecht oder Menschenrechte liegt nicht vor.
C. Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß
C. Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß
I. Umgehung des Leihmutterschaftsverbots bzw. § 1591 BGB als international zwingendes Recht Als weiteres Argument für einen ordre public-Verstoß wird angeführt, dass die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern die Umgehung des deutschen Verbotes der Leihmutterschaft nachträglich legalisiere.342 Um dies zu vermeiden, dürfe ein entsprechendes ausländisches Abstammungsstatut nicht angewandt werden.343 Häufig wird die Gesetzesumgehung nicht als Frage des ordre public angesehen, sondern bereits auf der Ebene der verweisungsrecht340 EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 48 ff.; EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 49 ff., EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 69. Siehe dazu ausführlich unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287. 341 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 342 Kritisch gegenüber der Figur der Gesetzesumgehung etwa Basedow, Open Societies – Hague General Course, 282 ff.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 Rn. 132 ff.; vgl. auch Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 54 f. Die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen einer zulässigen Rechtsgestaltung und einer zu sanktionierenden Gesetzesumgehung zeigt anschaulich EuGH 9.3.1999, Centros, C212/97. 343 Vgl. etwa KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 28 ff. vgl. auch AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 14; LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 49 f.; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. Grundsätzlich Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1150 f., der jedoch danach differenziert, ob tatsächlich eine Umgehung oder ein echter Auslandssachverhalt vorliegt. Im Ergebnis ähnlich Looschelders, IPRax 1999, 420, 423; Benicke, StAZ 2013, 101, 111. Entsprechend zum französischen Recht Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1091 – 1230.138; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315; Cass. civ. 1ère 19.3.2014, n° 281 – 13-50.005, Recueil Dalloz 2014, 905.
C. Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß
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lichen Bestimmung des anwendbaren Rechts berücksichtigt.344 Letztlich zielt sie jedoch darauf ab, ein Recht, das nach dem gewöhnlichen Lauf des Kollisionsrechts anzuwenden wäre, nicht anzuwenden, da aus materiellen Gründen die Anwendung „unangemessen erscheint“.345 Selbst wenn diese Einschränkung dogmatisch auf einer anderen Ebene verortet werden sollte, entspricht das materielle Anliegen dem des ordre public und wird daher hier besprochen. In einer anderen Ausprägung kann dies Argument auch derart ausgelegt werden, dass § 1591 BGB international zwingend und trotz eines fremden Abstammungsstatuts anzuwenden sei.346 Selbst wenn die Figuren der Gesetzesumgehung und international zwingender Normen dogmatisch getrennt werden, steht hinter ihnen dasselbe Argument.347 Im Folgenden findet daher eine einheitliche Diskussion dieser Fragen statt. Ob eine nationale Norm trotz des Versuchs der Betroffenen, deren Geltung zu vermeiden, angewandt wird, ist durch deren Auslegung zu bestimmen.348 Ein Wille des Gesetzgebers, dass § 1591 BGB trotz eines fremden Abstammungsstatuts angewandt werden soll, ist zweifelhaft. Weder sein Wortlaut noch seine systematische Stellung legen nahe, dass § 1591 BGB international zwingend ist. Für eine entsprechende Bedeutung wird die gesetzgeberische Intention angeführt.349 § 1591 BGB wurde unter anderem damit begründet, dass „[d]iese klare Regelung […] auch der Verhinderung von Leihmutterschaften [diene].“350 Eine Wirkung auch für internationale Leihmutterschaften signalisiert dies noch nicht. Für sie spricht eventuell folgende Ausführung in der Gesetzesbegründung: „Eine Klarstellung der Mutterschaft im Zivilrecht 344 Spickhoff, Ordre public, 81 ff.; MüKo-Sonnenberger5, Einl. IPR Rn. 751. Insoweit ist die Darstellung jedoch in sich widersprüchlich, wenn Sonnenberger in Rn. 751 klarstellt, dass die Gesetzesumgehung im Rahmen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung erfolgt und somit vor der Prüfung des ordre public „bereits abgeschlossen“ ist, später jedoch die Gesetzesumgehung u. a. auf Fälle beschränken will, in denen die Korrektur auf der Ebene des ordre public nicht erfolgreich war. von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, § 7 Rn. 137, der sich jedoch grundsätzlich gegen die Figur der Gesetzesumgehung ausspricht. 345 MüKo-Sonnenberger5, Einl. IPR Rn. 753. 346 Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1150; Muschter, Statutenwechsel, 280 f.; Benicke, StAZ 2013, 101, 110 f.; Hepting/Gaaz, PStG42, Bd. 2, Rn. IV–281. Die Annahme, § 1591 BGB habe ordre public ähnliche Bedeutung kommt zu demselben Ergebnis. So etwa Looschelders, IPRax 1999, 420, 423. 347 Die Überlappung der Figuren der Gesetzesumgehung und Eingriffsnormen betont auch Basedow, Open Societies – Hague General Course, 285: „In respect to [overriding mandatory rules], the concept of evasion is redundant because the overriding mandatory rules will be applied in any event.“ 348 Basedow, Open Societies – Hague General Course, 283; Siehr, in: HdbEuPrivR, 741, 742. 349 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 30; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1150; Looschelders, IPRax 1999, 420, 423. 350 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 82.
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Kapitel 3 – Ordre public
erscheint [trotz des Verbots der Eispende] im Hinblick auf die Fälle geboten, in denen eine Eispende entweder im Ausland oder verbotenerweise im Inland vorgenommen wird.“351 Die Bedeutung dieser Aussage für die Frage, ob § 1591 BGB international zwingend ist, ist unklar. Es wird nur die Eizellspende angesprochen, obwohl im unmittelbar vorangehenden Satz die Leihmutterschaft auftaucht,352 weshalb damit zu rechnen wäre, dass diese Erwähnung finden würde, wenn die Norm sich auch gegen im Ausland durchgeführte Leihmutterschaften richten soll. Dies ist ein erstes Argument gegen eine zwingende Anwendung von § 1591 BGB. Für eine Eizellspende reicht es aus, wenn die Frau für die Behandlung ins Ausland reist. Im Anschluss kann sie zurück nach Deutschland und dort das Kind zu gegebener Zeit entbinden. Vielfach wird daher nach einer Eizellspende deutsches Recht Abstammungsstatut sein. § 1591 BGB wäre dann ohnehin anwendbar. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf die Eizellspende im Ausland kann sich schlicht auf diese Fälle beziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass er auch Fälle erfasst, in denen das Recht des Ortes der Eizellspende auch Abstammungsstatut ist.353 Ob § 1591 BGB bezüglich Eizellspenden oder auch Leihmutterschaften international zwingend sein soll, kann der Begründung nicht entnommen werden. Vor der Einführung des § 1591 BGB existierte keine Vorschrift zur Festlegung der rechtlichen Mutterschaft. Die Gesetzesbegründung könnte, was deren weiterer Verlauf nahelegt,354 somit schlicht erläutern, dass Zweck der neuen Vorschrift ist, Zweifel zu beseitigen, die in Abwesenheit einer Regelung zur rechtlichen Mutterschaft bestanden haben mögen, ob bei Anwendung deutschen Rechts die Eizellspenderin die Mutter werden könne, trotz des Verbotes der Eizellspende. Teleologisch spricht gegen ein Verständnis des § 1591 BGB als international zwingende Norm für Fälle der Leihmutterschaft, dass bei freiwilliger Übergabe des Kindes das Kindeswohl für eine rechtliche Anerkennung der Familie mit den Wunscheltern spricht.355 Zwar ist das Kindeswohl erklärtes Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 82. Das obige Zitat in seinem Kontext: „Die Eispende ist zwar nach öffentlichrechtlichen Vorschriften verboten, und zwar sowohl nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Embryonenschutzgesetz (was die medizinische Assistenz betrifft) als auch nach §§ 13 c und 13 d Adoptionsvermittlungsgesetz (was die Vermittlung von Leihmutterschatten angeht). Eine Klarstellung der Mutterschaft im Zivilrecht erscheint dennoch im Hinblick auf die Fälle geboten, in denen eine Eispende entweder im Ausland oder verbotenerweise im Inland vorgenommen wird.“ Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 82. 353 Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 227 f. Fn. 105. 354 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 82 f.: „Denn hierbei handelt es sich um eine reine Konfliktregelung, die […] nicht dahin mißverstanden werden kann, daß das Zivilrecht eine öffentlich-rechtlich verbotene Methode der künstlichen Befruchtung billigt oder gar praktikabel macht“. 355 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(1), S. 61. 351 352
C. Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß
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Ziel der Regelung des § 1591 BGB,356 zumindest in diesen Fällen verfehlt die zwingende Mutterschaft der Gebärenden jedoch dieses Ziel. Auch hier weicht die Leihmutterschaft von einer reinen Eizellspende ab, bei der eine Mutterschaft der Gebärenden dem Kindeswohl dient. Eine eher einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs scheint daher bezüglich der Leihmutter geboten. Klare Argumente sind für ein Verständnis des § 1591 BGB als international zwingend nicht ersichtlich. Da international zwingende Normen einen Bruch mit dem System des Internationalen Privatrechts darstellen, ist restriktiv vorzugehen357 und mangels solch klarer Argumente davon auszugehen, dass § 1591 nicht international zwingend ist. Auch aus der Perspektive des Vorwurfs der Umgehung des Verbots der Leihmutterschaft kann die Annahme der Beachtung von § 1591 BGB entgegen einem sonst anwendbaren Recht nicht überzeugen. Gegen die Annahme, das Leihmutterverbot wolle auch eine Umgehung durch die Wunscheltern im Ausland verhindern, spricht, dass die Wunscheltern und die Leihmutter schon in inländischen Fällen von einer Strafbarkeit befreit sind, §§ 1 Abs. 3 ESchG und 14b Abs. 3 AdVermiG. Grund für die Strafbefreiung war unter anderem die Annahme, dass die Leihmütter oft aus altruistischen Motiven handelten und die Konfliktsituation nicht erkennen könnten. Zudem würde eine Bestrafung der sozialen Eltern, dem Kindeswohl schaden.358 Sind die Wunscheltern schon im Inland strafbefreit, lässt sich der Vorschrift auch kein Wille entnehmen, das Verbot vor einer Umgehung durch die Wunscheltern im Ausland zu schützen.359 Gegen den Ansatz, dass die Elternschaft der Wunscheltern verhindert werden müsse, um eine nachträgliche Legalisierung der Gesetzesumgehung zu verhindern, spricht auch, dass eine ursprüngliche Vaterschaft des Wunschvaters vielfach auch bei reinen Inlandsfällen unproblematisch ist und durch eine Adoption eine rechtliche Mutterschaft der Wunschmutter sowie eine Vaterschaft des Wunschvaters in den verbleibenden Fällen möglich ist.360 Wäre das inländische Verbot der Leihmutterschaft so bedeutsam, dass eine Elternschaft auch bei einer Leihmutterschaft im Ausland verhindert werden muss, wäre zu erwarten, dass zumindest im Inland eine Elternschaft der Wunscheltern effektiver verhindert würde.361 Es ist somit nicht davon auszugehen, dass das Leihmutterschaftsverbot auch international wirken will und eine Elternschaft der Wunscheltern wegen Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/4899, 1996, 82. Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 52 IX 1, S. 497 ff. 358 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 11/5460, 1989, 9; Günther/Taupitz/Kaiser-Taupitz2, § 1 Abs. 3 ESchG Rn. 1 ff. 359 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 360 Siehe oben bei Kapitel 1 – B., S. 21. Diel, Leihmutterschaft, 172 f. 361 AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1996. 356 357
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einer Umgehung des Verbotes zu verhindern ist. Auch beansprucht § 1591 BGB bei Anwendbarkeit eines fremden Abstammungsstatuts keine Geltung. Eine ordre public-Widrigkeit beziehungsweise Unbeachtlichkeit des ausländischen Rechts lässt sich mit diesen Gründen daher nicht rechtfertigen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird sich zudem zeigen, dass es weder mit Verfassungs- noch Völkerrecht vereinbar ist, wenn die Wunscheltern nach einer freiwilligen Übergabe des Kindes durch die Leihmutter die Elternschaft nicht ohne unnötige Hindernisse erwerben können.362 Selbst wenn man somit annimmt, dass § 1591 BGB in seiner jetzigen Gestalt auch bei Anwendbarkeit eines widersprüchlichen ausländischen Abstammungsstatut wirken will, wäre dies wegen der Unvereinbarkeit des § 1591 BGB mit höherrangigem Recht in den hier besprochenen Fällen unbeachtlich. II. Rechtsvergleichung und ordre public Ein Vergleich verschiedener nationaler Rechte oder ein solcher mit vereinheitlichtem Recht soll laut Erik Jayme bei der Bestimmung eines Satzes als wesentlichem Grundsatz des deutschen Rechts weiterführen. Aus einem Vergleich entsprechender Regelungen in Rechtsordnungen mit ähnlicher Wertebasis und Gerechtigkeitsvorstellung soll ein Standard entwickelt werden, der als Indiz363 für oder gegen eine Norm als wesentlicher Grundsatz des deutschen Rechts herangezogen werden kann.364 Mit diesem Standard könne danach die hiesige Rechtslage verglichen werden. Stimmen beide überein, so sei dies ein Indiz dafür, dass es sich bei der deutschen Regelung um einen wesentlichen Grundsatz handelt. Sei dem nicht so, sei dies ein gegenteiliges Indiz.365 Für ein Eingreifen des ordre public-Vorbehaltes spreche insbesondere, wenn die inländische, nicht aber die eigentlich anzuwendende ausländiSiehe unten bei Kapitel 4 – A., S. 221. Da hier zunächst die Rechtslage nach dem bestehenden einfachen Recht, unter Annahme dessen Wirksamkeit, geprüft wird, befasst sich diese Arbeit erst im Anschluss mit einer Vereinbarkeit des bestehenden Rechts mit höherrangigem Recht. 363 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 52 f. 364 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 53 f.; Jayme, Identité culturelle – cours général de la Haye, 234; Jayme, in: Kulturelle Relativität, 54 und 62 ff.; Aubin/von Caemmerer/Zweigert, in: Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung, 99, 109; BGH 15.11.1956, Az. VII ZR 249/56, BGHZ 22, 162, 162: „Ansichten […], die anderweit innerhalb des durch gemeinsame sittliche Anschauungen verbundenen Kulturkreises vertreten werden“; BGH 30.6.1961, Az. I ZR 39/60, BGHZ 35, 329, 337: „gemeinsame Ansicht der durch gleiche sittliche Anschauungen verbundenen Kulturstaaten“. 365 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 44 ff. und 49 ff.; Jayme, in: Kulturelle Relativität, 62 ff.; Aubin/von Caemmerer/Zweigert, in: Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung, 99, 101 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 III 2 b; allgemein zu rechtsvergleichender Konkretisierung: Zweigert, RabelsZ 15 (1949–1950), 5; ebenso: Lorenz, JZ 1962, 269, dieser jedoch zweifelnd an der Fruchtbarkeit dieser Methode im Familien- und Erbrecht, siehe S. 272. 362
C. Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß
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sche Regelung mit dem Standard übereinstimme.366 Entsprechende Standards, an denen das hiesige und ausländische Recht gemessen werden könne, sollen sich in international vereinheitlichten Rechtssätzen finden lassen.367 Auch hier haben sie jedoch rein Bedeutung als Indiz für die Bewertung eines Satzes als wesentlicher oder unwesentlicher Satz des deutschen Rechts.368 Der eigenständige Nutzen einer rechtsvergleichenden Konkretisierung des deutschen ordre public ist allerdings fraglich.369 Zunächst würde eine rein rechtsvergleichende Bestimmung der wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts Gefahr laufen, aus der Quantität ähnlicher Regelungen auf deren Qualität als wesentlicher Grundsatz zu schließen. Um diesen Rückschluss zu vermeiden, bedarf es weiterer Kriterien, die die Bedeutung einer Norm und nicht ausschließlich deren Häufigkeit beurteilen. Eine rein rechtsvergleichende Konkretisierung des ordre public kann dies nicht selbst leisten. Eine weitere Schwierigkeit besteht, wenn kein Einheitsrecht vorliegt und sich aus einem Rechtsvergleich (noch) keine klare Linie erkennen lässt.370 Ist kein einheitlicher Standard innerhalb des Referenzkreises ersichtlich („Standardmangel“), so soll ein Verstoß gegen einen wesentlichen Grundsatz deutschen Rechts – auf diesem Wege – nicht begründet werden können und gegebenenfalls ein Eingreifen des ordre public-Vorbehalts unterbleiben müssen.371 Auch dies überzeugt nicht, da auch eine Norm, die nur in Deutschland existiert, einen wesentlichen Grundsatz der deutschen Rechtsordnung darstellen kann. Hier würde zu Unrecht von der fehlenden Quantität einer Regelung auf deren fehlende Qualität geschlossen. Auch wenn eine rechtsvergleichende Konkretisierung als eigenständige Methode der Bestimmung der wesentlichen Grundsätze deutschen Rechts somit zweifelhaft erscheint, kann ihr etwa im Rahmen der Bestimmung einer Verletzung von Grund- oder Menschenrechten große Bedeutung zukommen. Bei der Bestimmung der Existenz einer Schutzpflicht und gerade bei Grundoder Menschenrechten mit konturschwachem Tatbestand, wie etwa Art. 1 Abs. 1 GG, kann ein Rechtsvergleich sehr hilfreich sein, eine Indizwirkung entfalten und das gefundene Ergebnis bestätigen oder in Frage stellen.372 366 Aubin/von Caemmerer/Zweigert, in: Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung, 99, 114 ff. 367 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 51 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 III 2 b. 368 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 52 f. 369 Auch Jayme beschränkt die Wirkung eines Rechtsvergleichs auf die als „Indiz“ einer (Un-)Vereinbarkeit mit dem ordre public. 370 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 54. 371 Aubin/von Caemmerer/Zweigert, in: Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung, 99, 110 und 114 f. 372 Jayme, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, 103, 103. Vgl. methodisch etwa auch Supreme Court of the United States of America 1.3.2005, Roper v. Simmons, 543 U.S. 551,
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Kapitel 3 – Ordre public
Im Rahmen der Leihmutterschaft kann ein Rechtsvergleich das gefundene Ergebnis, dass grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, bestätigen. Verschiedene Rechtsordnungen, die ein mit der deutschen Rechtsordnung vergleichbares Werte- und Menschenrechtsfundament haben, wie etwa das Vereinigte Königreich, Kalifornien, Griechenland oder Israel, erlauben die Leihmutterschaft.373 Auch die Abgrenzung zum Kinderhandel kann ein Rechtsvergleich, insbesondere mit Kalifornien, untermauern. Dort sind Leihmutterschaften sehr weitgehend zulässig, Kinderhandel jedoch ebenfalls verboten. Im Jahr 2012 erfolgte eine Gesetzesänderung, die angeregt war durch einen Fall des Kinderhandels, der als Leihmutterschaft verschleiert wurde.374 Nunmehr gewährleisten Sec. 7960–7962 California Family Code, dass eine Befruchtung einer Leihmutter durch Reproduktionsmediziner erst begonnen wird, nachdem sichergestellt ist, dass tatsächlich eine Leihmuttervereinbarung vorliegt. Diese Reform zeigt, dass Leihmutterschaft von Kinderhandel abzugrenzen und dabei der Zeitpunkt der Vereinbarung entscheidend ist. III. Rechtspolitische Erschütterung als Ergebniskontrolle Weiterhin schlägt Jayme vor, die Annahme einer Norm als wesentlicher Grundsatz des deutschen Rechts könne auch rechtspolitisch erschüttert werden. Sei eine Norm politisch sehr umstritten, könne dies ein Indiz gegen die Bedeutung einiger hiesigen Norm als wesentlicher Grundsatz des deutschen Rechts sein. Umgekehrt würde eine Erschütterung der ausländischen Norm die Schwelle, sie aufgrund eines ordre public-Verstoßes zu missachten, senken. 375 Dieser Vorschlag kann – und will – lediglich negativ und als Indiz wirken, indem er durch die Erschütterung die Bedeutung einer Norm als wesentlich in Frage stellt. Eine umgekehrte Bestätigung einer Norm als wesentlich erscheint schwierig, da die Beobachtung, dass eine Norm nicht umstritten ist, keine Rückschlüsse darauf zulässt, warum dem so ist. Dieser Ansatz kann jedoch als Ergebniskontrolle dienen, nachdem auf anderem Wege eine Norm als wesentlich oder unwesentlich befunden wurde. Der rechtspolitischen Erschütterung einer nationalen Norm kann etwa im Rahmen der Auslegung der Grund- und Menschenrechte Bedeutung zukommen. Wie ein Rechtsvergleich lässt oftmals 577 f.: „The opinion of the world community, while not controlling our outcome, does provide respected and significant confirmation for our own conclusions.“ Kritisch zu dieser Methode Supreme Court of the United States of America 1.3.2005, Roper v. Simmons, 543 U.S. 551, Dissenting Opinion Scalia S. 627: „To invoke alien law when it agrees with one’s own thinking, and ignore it otherwise, is not reasoned decisionmaking, but sophistry.“ 373 Siehe oben Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74. 374 In diesem Fall wurden zunächst Frauen, die meinten als Leihmütter zu agieren, befruchtete Eizellen übertragen. Erst danach wurde jedoch das heranwachsende Embryo Paaren gegen Zahlung von ca. 100.000 $ zugesagt. Newcomb, Baby-Selling Ring Busted. 375 Jayme, Konkretisierung des Ordre Public, 43 und 59 f.
D. Fazit: Grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public
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die hiesige und ausländische rechtspolitische und gesellschaftliche Debatte Rückschlüsse auf die Anwendung dieser Rechte zu. Erneut können gerade im Rahmen von Grundrechten mit unklarem Tatbestand, wie Art. 1 Abs. 1 GG, solche Diskussionen bei der Bestimmung grundrechtlicher Schutzpflichten helfen. Auch zeigen sich hier beispielsweise veränderte Wertvorstellungen oder gesellschaftliche Realitäten, die bei der Anwendung der Grundrechte zu berücksichtigen sind und diese über die Jahre verändern können. 376 Gerade der Umgang der deutschen Behörden und Gerichte mit Fällen der internationalen Leihmutterschaft wurde in letzter Zeit wiederholt von einigen als zu restriktiv, von anderen aber auch als zu wohlwollend gegenüber den Wunscheltern kritisiert.377 Insbesondere Fälle, in denen den Wunscheltern eine Einreise mit dem Kind verweigert wurde, haben viel Aufmerksamkeit erregt. Zumindest bezogen auf Fälle mit Auslandsbezug kann man somit die hiesige abstammungsrechtliche Zuordnung von Kindern, die durch Leihmutterschaft geboren wurden, als rechtspolitisch umstritten bezeichnen. Da die Kritiker jedoch in unterschiedliche Richtungen argumentieren, sind Rückschlüsse aus dieser Diskussion auf die Vereinbarkeit mit dem ordre public schwer möglich.
D. Fazit: Grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public
D. Fazit: Grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public
Die Elternschaft der Wunscheltern verstößt grundsätzlich nicht gegen den ordre public. Es liegt weder ein Verstoß gegen Grundrechte im Sinne des Art. 6 S. 2 EGBGB noch gegen andere wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts im Sinne von Satz 1 vor.
E. Sonderfälle der Leihmutterschaft E. Sonderfälle der Leihmutterschaft
Neben dem dargestellten Grundfall stellt sich die Frage, ob bei anderen Ausgestaltungen eine Elternschaft der Wunscheltern gegen den ordre public verstößt.
Vgl. etwa das oben dargestellte Beispiel der Prostitution Kapitel 3 – A.III.1.a)bb)(1), S. 163. 377 Siehe nur Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 1; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 3; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2013, 7; Hofmann, Neue Zürcher Zeitung 15.2.2014, 30; Schmitz, Süddeutsche Zeitung Magazin 19.4.2013, 8; Spiewak, Die Zeit 22.4.2010, 35; Straßmann, Die Zeit 12.2.2012. 376
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Kapitel 3 – Ordre public
I. Entgeltliche Leihmutterschaft Unklarheiten wirft die kommerzielle, also entgeltliche Leihmutterschaft auf.378 Auch wenn sie aus Darstellungsgründen in dieser Arbeit als Sonderfall behandelt wird, ist sie dies statistisch nicht – sie ist die Regel.379 Zulässig ist sie etwa in Kalifornien, Israel, der Ukraine und Indien, nicht jedoch in Griechenland und dem Vereinigten Königreich.380 Teilweise wird behauptet, die entgeltliche Leihmutterschaft verstoße gegen die Menschenwürde der Leihmutter beziehungsweise des Kindes.381 1. Verfassungsrecht Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde des Kindes wird zunächst darin gesehen, dass durch die Leihmuttervereinbarung und durch die Zahlung des Geldes das Kind als Objekt eines Handelsgeschäfts behandelt werde.382 Wie Vgl. zu der Diskussion Trimmings/Beaumont, in: Surrogacy, 439, 530 f.; Bertschi, Leihmutterschaft, 172 ff.; Leibowitz-Dori, 6 Minn.J.Global Trade 1997, 329. Als „heikelste Frage“ sieht die Entgeltlichkeit Lagarde, ZEuP 2015, 233, 235. Die Möglichkeit einer klaren Abgrenzung zieht Boele-Woelki u. a., Draagmoederschap, 2011, 304 in Frage, da auch bei unentgeltlicher Leihmutterschaft die Leihmutter zumindest Geld für ihre Aufwendungen erhält. 379 Vgl. Spivack, 58 Am.J.Comp.L. 2010, 97, 101 f. 380 Helms, StAZ 2013, 114, 118; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 150. Zu Israel: Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 36; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234. Zur Ukraine Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Ukraine209, 34; Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358 f.; Suleymanova/Kasynyuk/Moroz, in: Family Law2, 641, 654. Zu Griechenland: Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 und 147 f. Im Vereinigten Königreich wurden entgegen Sec. 54(8) HFEA 2008 trotz Zahlungen an die Leihmütter vielfach parental orders aus Gründen des Kindeswohls erlassen; siehe High Court of Justice Family Division 9.12.2008, Re: X & Y (Foreign Surrogacy), [2008] EWHC 3030 (Fam), Rn. 19 f.; High Court of Justice Family Division 26.3.2013, J v G (Parental Orders), [2013] EWHC 1432 (Fam); High Court of Justice Family Division 28.9.2012, Re D (Children) (Surrogacy: Parental Order), [2012] EWHC 2631 (Fam); High Court of Justice Family Division 14.2.2013, Re A (Parental Order: Domicile), [2013] EWHC 426 (Fam); Inglis, Scots Law Times 2014, 105, 106 f. m.w.N.; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 485 Fn. 74; vgl. Struycken, in: FS Boutros-Ghali, 235, 238 f. Siehe demnächst auch Scherpe, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. Regelmäßig haben zwar englische Gerichte Zahlungen nachträglich genehmigt. Durchgeführt wurde die entgeltliche Leihmutterschaft dabei jedoch meist nicht in Großbritannien, sondern in Ländern, in denen kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist. 381 So etwa Diel, Leihmutterschaft, 71; Goeldel, Leihmutterschaft, 159; in diese Richtung tendiert etwa OLG Hamm 2.12.1985, Az. 11 W 18/85, NJW 1986, 781, 782. 382 Radin, 100 Harv.L.Rev. 1987, 1849, 1926; Anderson, 19 Phil.& Pub.Aff. 1990, 71, 76; Diel, Leihmutterschaft, 71; Dietrich, Mutterschaft für Dritte, 449; Goeldel, Leihmutter378
E. Sonderfälle der Leihmutterschaft
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oben dargelegt geht ein Vergleich der Leihmutterschaft mit Kinderhandel fehl.383 Die Übergabe des Kindes ist ein Teil des Gesamtgeschehens. Im Gegensatz zum Kinderhandel wird das Kind nur dank der Leihmutterschaft gezeugt. Der Zeugung liegt die Entscheidung für das Kind, der Kinderwunsch der Wunscheltern zugrunde. Die Zahlung erfolgt vor allem als Entlohnung für die Bereitschaft der Leihmutter, das Kind auszutragen und zu gebären.384 Im Gegensatz dazu wird bei einem Kinderhandel das Geld regelmäßig eingesetzt, um die Mutter zur Aufgabe eines Kindes zu bewegen, das sie sonst meist selbst aufziehen würde. Ein Vergleich mit einem Handelsgeschäft sowie mit Kinderhandel geht fehl.385 Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter soll zudem darin liegen, dass sie sich dadurch entwürdige, dass sie ihre Möglichkeit, ein Kind auszutragen, zu einem Handelsobjekt mache.386 Wie oben im Vergleich zu Prostitution und Peepshows dargelegt, begründet eine Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht allein die Tatsache, dass eine Tätigkeit für andere übernommen wird, die gewöhnlich der Privat- oder Intimsphäre zugerechnet wird.387 Allein durch die Entgeltlichkeit muss sich diese Bewertung nicht sofort ändern.388 Dies zeigt auch, dass beispielsweise bei der Prostitution, in der die inzwischen herrschende Meinung keine Menschenwürdebeeinträchtigung sieht, die Entgeltlichkeit wesensbestimmend ist. Gegen das Argument, die Menschenwürde der Leihmutter sei verletzt, weil sie ihre biologische Fähigkeit, ein Kind zu bekommen, zum Handelsobjekt mache, können auch Bedenken aus dem Feld der Gender Studies und des Feminismus angeführt werden:389 Dieses Argument gegen die Entgeltlichkeit soll auf Vorurteilen über Geschlechterrollen beruhen: Das Argument fuße nämlich auf der Annahme, dass bei Frauen manche Aufgaben natürlich angelegt seien und Frauen diese Aufgaben daher aus Großzügigkeit und unentgeltlich machen soll-
schaft, 156 ff. Vgl. Mason/Laurie, Law and Medical Ethics8, 292; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 103. 383 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180 zur Abgrenzung zu Kinderhandel. 384 Mayer, IPRax 2014, 57, 62; Mayer, StAZ 2015, 33, 37 f.; Freeman, in: Legal Issues in Human Reproduction, 171; Freeman, 7 Med.L.Rev. 1999, 1; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 747 und 751. Letztere nimmt eine Beeinträchtigung der Menschenwürde nur an, wenn das Entgelt so hoch ist, dass es über eine angemessene Kompensation der Beeinträchtigung der Leihmutter hinausgeht, insbesondere wenn bestimmte Eigenschaften des Kindes (Haarfarbe, Augenfarbe, Geschlecht etc.) zusätzlich vergütet werden. Eine solche „Zusatzvergütung“ vermischt jedoch die Leihmutterschaft mit dem getrennten Problem der Eugenik. Siehe dazu oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)cc), S. 183. 385 Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 747. 386 Diel, Leihmutterschaft, 73 m.w.N. 387 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.a)bb)(1), S. 163. 388 Benda, in: Genforschung, 205, 221. 389 Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 380.
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Kapitel 3 – Ordre public
ten.390 Diese Dynamik kann man neben dem Widerstand gegen die Bezahlung von Leihmüttern auch in der vergleichsweise schlechten Bezahlung stereotyp „weiblicher“ Berufe, wie etwa der Pflegeberufe, sehen. Ein weiteres Argument für eine Beeinträchtigung der Menschenwürde durch entgeltliche Leihmutterschaft ist, dass bei einer Entgeltlichkeit die Freiwilligkeit der Leihmutterschaft nicht mehr gegeben sei, da Leihmütter meist arme Frauen seien, die durch ihre Armut zu der Leihmutterschaft gezwungen werden.391 Dieses Argument spricht tatsächliche und erhebliche Gefahren an, welche die internationale kommerzielle Leihmutterschaft mit sich bringen kann. Es wäre daher wünschenswert, bei der Durchführung von Leihmutterschaften allgemein ein besonderes Augenmerk auf die Freiwilligkeit der Leihmutter zu legen, etwa indem Leihmütter von den Reproduktionszentren oder unabhängigen Stellen vorab befragt werden zu ihrem Hintergrund und ihren Beweggründen. Unklar ist jedoch, ob solche Bedenken gegenüber der Freiwilligkeit der Leihmütter zu einer pauschalen Unvereinbarkeit der entgeltlichen Leihmutterschaft mit der Menschenwürde führen. Zunächst ist unklar, inwiefern die Aussage empirisch zutrifft. In den USA konnten zwar finanzielle Schieflagen zwischen Leihmüttern und Wunscheltern festgestellt werden, jedoch keine extremen.392 Anders stellt sich die Lage wohl in Indien dar, wo viele Leihmütter prekäre wirtschaftliche Hintergründe haben.393 In den USA ist die Gefahr einer Ausbeutung wesentlich geringer. Die negative Bewertung der, gerade entgeltlichen, Leihmutterschaft fußt wohl bewusst oder unbewusst auf der Annahme, dass niemand tatsächlich freiwillig als Leihmutter handeln würde.394 Diese Annahme überzeugt so nicht. Frauen haben durchaus über die Bezahlung hinausgehende Gründe dafür, als Leihmutter zu agieren.395 Oft sind Leihmütter Frauen, die selbst Kinder haben, und dies auch anderen Paaren ermöglichen wollen.396 Auch bezüglich der Frauen, die eine Leihmutterschaft aus rein wirtschaftlichen Erwägungen auf sich nehmen, ist das Argument fragwürdig. Wird die Leihmutter von den Wunscheltern oder Dritten, einschließlich eigenen Familienmitgliedern, zu der Leihmutterschaft gezwungen, so wäre diese unfreiwillig
Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 380. Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 41; Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 173; Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 159; Diel, Leihmutterschaft, 72; Engel, ZEuP 2014, 538, 545; vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 62; Jackson, Medical Law2, 848. 392 Radin, 100 Harv.L.Rev. 1987, 1849, 1930; Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 380; Ciccarelli/Beckman, 61 J.Soc.Issues. 2005, 21, 31 und 37; vgl. Bertschi, Leihmutterschaft, 136 f. 393 Bertschi, Leihmutterschaft, 191. 394 Epstein, 81 Va.L.Rev. 1995, 2305, 2319 f. 395 Bertschi, Leihmutterschaft, 137 f. 396 Andrews, 81 Va.L.Rev. 1995, 2343, 2353 f.; Bertschi, Leihmutterschaft, 138 f. 390 391
E. Sonderfälle der Leihmutterschaft
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und eine Beeinträchtigung der Menschenwürde.397 Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Leihmutter durch äußere Umstände zu einer Leihmutterschaft in dem Sinne gezwungen wird, dass sie dies als den für sie besten, einfachsten oder eventuell einzigen Weg ansieht, so viel Geld zu verdienen. In diesem Fall wird eine Freiwilligkeit noch gegeben sein. Auch hier entscheidet sich die Leihmutter als handelndes Subjekt für die Leihmutterschaft. Es überzeugt nicht, im Rahmen der Leihmutterschaft einen gänzlich anderen Maßstab anzulegen, um zu bestimmen, ob jemand trotz prekärer finanzieller Umstände freiwillig handelt, als etwa bei der Entscheidung zu körperlich harter, schlecht bezahlter oder gefährlicher Arbeit.398 Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde wäre daher nicht gegeben.399 Bezüglich armer Leihmütter, die tatsächlich keine andere Möglichkeit sehen, so viel Geld zu verdienen, würde ein Verbot der Leihmutterschaft zum Schutz vor Ausbeutung zu einem überraschenden Ergebnis führen: Gerade weil diese Frauen so wenig Möglichkeiten haben, ihr Leben zu gestalten, wird ihnen vermeintlich zum eigenen Schutz eine ihrer wenigen verbliebenen Möglichkeiten, genommen.400 In solchen Fällen scheinen zudem eher die gesellschaftlichen Umstände unwürdig beziehungsweise grundrechtswidrig zu sein, beispielsweise die fehlende Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, die fehlende Möglichkeit von Frauen gleichberechtigt am Erwerbsleben teilzunehmen oder die dafür fehlende Bildung, durch die sie leichter von Armut betroffen sind.401 Für eine Zulässigkeit der Entgeltlichkeit könnte weiterhin sprechen, dass eine Bezahlung es der Leihmutter psychologisch erleichtern kann, sich von dem Kind zu trennen.402 Die Tätigkeit eher wie einen Beruf zu betrachten, kann den Leihmüttern helfen, eine gewisse Distanz zu dem Kind und dessen Übergabe aufzubauen.403 Die Zahlung kann auch als Zielpunkt dienen, auf den die Leihmutter hinarbeitet.404 397 Siehe unten bei Kapitel 3 – E.II.1., S. 201. Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748. Zu allgemeinen Zweifeln an der Freiwilligkeit in diesen Fällen: Bertschi, Leihmutterschaft, 172 m.w.N.; Dietrich, Mutterschaft für Dritte, 457. 398 Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748 f. 399 Vgl. Arneson, 21 Phil.& Pub.Aff. 1992, 132, 158 f.; Wilkinson, Bodies for sale, 172 f.; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748. 400 Arneson, 21 Phil.& Pub.Aff. 1992, 132, 158 f.: „No matter how restricted one’s life options, the idea that the narrow range of one’s options unacceptably constrains one’s choice is not a reason to limit further one’s range of choice.“ 401 Bertschi, Leihmutterschaft, 172 f.; BVerfG 18.6.1975, Az. 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121, 133; BVerfG 12.3.1991, Az. 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, 142; von Münch/Kunig-Kunig6, Art. 1 GG Rn. 30 und 36 „Existenzminimum“; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf-Hofmann13, Art. 1 GG Rn. 9 und 42. 402 Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 64. 403 Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 64. 404 Baslington, 7 J.Health Psychol 2002, 57, 64.
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Kapitel 3 – Ordre public
Besondere Bedenken erregt es, wenn die Entgeltlichkeit der Leihmutterschaft einhergehen würde mit einer Marktlogik, wenn also die Leihmutterschaft wie ein beliebiges Produkt behandelt würde. Es könnte dann zu einem Wettbewerb um Wunscheltern kommen, der unter anderem über den Preis ausgetragen wird, wobei sich auch ein Billiglohnsektor für Leihmutterschaften bilden könnte. Die Leihmutter beträfe dies nicht nur in ihrem Lohn, sondern wohl auch in den medizinischen und psychologischen Untersuchungen, die erstattet würden. Gerade Nachuntersuchungen oder psychologische Betreuung könnten so schnell von der Leihmutter selbst zu bezahlen sein oder ganz unterbleiben, während Begleituntersuchungen während der Schwangerschaft wohl von Leihmutteragenturen sichergestellt würden, da jene auch im Interesse der Wunscheltern sind. Wegen der Gefahren für die körperliche und psychische Unversehrtheit, lässt sich aus Art. 2 Abs. 2 GG eine Pflicht herleiten, sicherzustellen, dass der Leihmutter solche Untersuchungen zur Verfügung stehen. Solange diese Vorkehrungen getroffen sind und die Leihmutter freiwillig handelt,405 wird ein niedriger Lohn an sich grundrechtlich wohl nicht angreifbar sein. Selbst wenn dies eventuell nicht grundrechtlich zwingend ist, erscheint es dennoch wünschenswert, dass sich die Bedeutung der übernommenen Tätigkeit und deren Verbindung zu Lebensbereichen, die der Intim- oder Privatsphäre zugeordnet werden, sowie die gesundheitlichen Risiken, die jede Schwangerschaft mit sich bringt, auch in einem entsprechenden Lohn niederschlagen.406 Letztlich scheint grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Menschenwürde des Kindes407 und der Leihmutter408 auch bei einer Entgeltlichkeit der Leihmutterschaft eher nicht vorzuliegen. Nimmt man allerdings eine drohende Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Entgeltlichkeit der Leihmutterschaft an, so wäre ein Schutz im konkreten Fall nicht mehr möglich.409 Eine Schutzpflicht gegenüber der Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern kann ebenfalls nicht angenommen werden, da sich diese Grundrechtsbeeinträchtigung nicht in der Elternschaft der Wunscheltern fortsetzen würde.410 Eine Verweigerung der Elternschaft könnte eine Beeinträchtigung der Grundrechte
405 Daran zweifelnd, dass die Leihmutter tatsächlich die Risiken absehen kann Brazier/ Campbell/Golombok, Brazier Report, 35 f. 406 Vgl. dazu Leibowitz-Dori, 6 Minn.J.Global Trade 1997, 329, 346; Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 750; Bertschi, Leihmutterschaft, 176 f.; Inglis, Scots Law Times 2014, 105, 105. 407 Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 746 f.; a. A. Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 168 f.; Diel, Leihmutterschaft, 77; Goeldel, Leihmutterschaft, 156 ff. 408 Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748 f.; a. A. Diel, Leihmutterschaft, 77 m.w.N. 409 Im Ergebnis ebenso Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 573. 410 Im Ergebnis ebenso Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1152; Mayer, IPRax 2014, 57, 62.
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der Leihmutter durch die Entgeltlichkeit nicht wiedergutmachen. Ein ordre public-Verstoß liegt somit nicht vor. 2. Völkerrecht Die kommerzielle Leihmutterschaft könnte im Konflikt stehen mit Art. 21 des Übereinkommens des Europarats zu Bioethik und Menschenrechten.411 Dieser verbietet die Verwendung des Körpers und Teilen davon „als solcher“ zur Erzielung eines finanziellen Gewinns. Die Bundesrepublik hat das Übereinkommen allerdings nicht ratifiziert.412 Schon deshalb ist die Bedeutung problematisch. Art. 21 wendet sich zudem primär gegen Organhandel. Eine entgeltliche Leihmutterschaft ist von ihm nicht erfasst.413 Das Verbot des Kinderhandels in Art. 35 UN-Kinderrechtskonvention ist ebenfalls nicht berührt, da kommerzielle Leihmutterschaft vom Kinderhandel zu unterscheiden ist.414 II. Erzwungene Herausgabe des Kindes, Wegfall der Freiwilligkeit der Leihmutter Besonders brisant ist die Bewertung der Leihmutterschaft, wenn die Leihmutter ihre Meinung ändert und die Bereitschaft zur Leihmutterschaft nachträglich verwirft.415 Es sind primär vier Konstellationen denkbar: Während der Schwangerschaft kann die Leihmutter sich gegen die Schwangerschaft an sich entscheiden und das Kind abtreiben wollen; sie kann sich während der Schwangerschaft dazu entscheiden, das Kind doch behalten zu wollen; sie kann sich nach der Geburt dazu entscheiden, das Kind nicht den Wunschel411 Europarat, Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin – Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin v. 4.4.1997, SEV Nr. 164. 412 Europarat, Vertragsbüro – Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin. 413 Siehe unten bei Kapitel 4 – A.V.1.b), S. 291 zur entsprechenden Auslegung des an Art. 21 Bioethik-Übereinkommen angelehnten und nahezu wortgleichen Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta. Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta: „the prohibition on making the human body and its parts as such a source of financial gain“; Art. 21 Bioethik-Übereinkommen: „The human body and its parts shall not, as such, give rise to financial gain.“ Vgl. Bifulco, in: Human rights in Europe, 23; Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 981. 414 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 415 Zu unterscheiden ist dies von Fällen, in denen die Wunscheltern sich weigern, das Kind zu übernehmen. Diese werden hier jedoch nicht thematisiert. Dies geschah etwa in dem Fall des behinderten Babys Gammy, welcher im Sommer 2014 großes Aufsehen erregte. Dabei hatten sich die australischen Wunscheltern geweigert, das Baby mitzunehmen, weil dies an Down-Syndrom litt. Siehe dazu etwa Gmür, Neue Zürcher Zeitung 4.8.2014; Gmür, Neue Zürcher Zeitung 5.8.2014; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.8.2014, 1; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.8.2014, 1; Günther, Süddeutsche Zeitung 6.8.2014, 8; Steinberger, Süddeutsche Zeitung 5.8.2014, 10.
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tern zu übergeben; sie kann es bereuen, nach der Geburt das Kind freiwillig den Wunscheltern übergegeben zu haben, und versuchen, das Kind zurückzuerhalten, um es selber aufzuziehen. Es stellt sich die Frage, ob es gegen Grundrechte der Leihmutter oder sonstige wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstößt, wenn die Leihmutter in diesen Fällen gezwungen wird, das Kind gegen ihren Willen weiter auszutragen oder den Wunscheltern zu übergeben, beziehungsweise wenn sie das Kind nicht von den Wunscheltern zurückerhält, nachdem sie nach der Übergabe ihre Meinung geändert hat. Nachgelagert, und sofern man einen Verstoß gegen Grundrechte oder andere wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts annimmt, stellt sich die Frage, ob die verletzten Grundrechte oder anderen wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts es dann verlangen, eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern zu verhindern, die nach dem anwendbaren Recht besteht. Zur Übergabe gezwungen werden kann die Leihmutter etwa in Kalifornien, wohl auch in Israel, Griechenland und der Ukraine, sowie in Indien unter Sec. 34(1) des vorgeschlagenen ART-Bill 2010.416 Entsprechend kann sie in diesen Rechtsordnungen nach einer ursprünglichen Übergabe das Kind auch nicht zurückverlangen. Im Gegensatz dazu bedarf der Erlass einer parental order im britischen Recht gemäß Sec. 54(6) und (7) HFEA 2008 der freien Einwilligung der Leihmutter. Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie mindestens sechs Wochen nach der Geburt erklärt wurde. Bis dahin kann sich die Leihmutter noch umentscheiden. Laut Sec. 1A SAA 1985 ist eine Leihmuttervereinbarung nicht durchsetzbar.417 Die Fälle einer erzwungenen Herausgabe beziehungsweise des Wegfalls der Freiwilligkeit sind besonders dramatisch. Unabhängig davon, zu wessen Gunsten die Entscheidung fällt, wird eine Seite erheblich unter ihr leiden, sei es die Leihmutter, die gezwungen wird das Kind herauszugeben, seien es die Wunscheltern, die das Kind doch nicht bekommen, trotz Monaten der Hoffnung und eventuell Jahren der gescheiterten Versuche, auf natürlichem Wege
416 Zu Kalifornien siehe Supreme Court of California 20.5.1993, Johnson v. Calvert, 5 Cal.4th 84, 87 und 93; Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.3.1998, Marriage of Buzzanca, 61 Cal.App.4th 1410, 1429; Lorenz, in: Bergmann/Ferid/Henrich – California209, 24. Zu Israel: § 13 lit. a Gesetz 5756-1996; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 791; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 43; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 234 und 237. Zur Ukraine: Druzenko, in: Surrogacy, 357, 358. Zu Griechenland: Rokas, in: Surrogacy, 143, 148; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 152; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 21; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1257; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Helms, StAZ 2013, 114, 117. 417 „No surrogacy arrangement is enforceable by or against any of the persons making it.“ Vgl. Inglis, Scots Law Times 2014, 105, 105.
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Eltern zu werden.418 Bezüglich der Auswirkungen auf die Betroffenen ist es eine Wahl des geringeren Übels; oder, wie es Marjorie Shultz ausdrückt: „[The] unfairness of denying the equitable remedy [of the surrogate mother being able to keep the child] becomes comparable to the hardship of granting it.“419 Verschiedene Argumente unterschiedlicher Herkunft und Überzeugungskraft werden in dem Zusammenhang vorgebracht: Zugunsten der Möglichkeit, die Leihmutter zur Herausgabe zu zwingen, wird behauptet, dass dies potenzielle Leihmütter abschrecken würde, die sich nicht sicher sind, ob sie das Kind später herausgeben wollen oder können.420 Die Herausgabe verweigern zu können, könnte der Leihmutter schaden, da gerade die Kenntnis dieser Möglichkeit, die Übergabe des Kindes erschweren könnte, da die Leihmutter erst aus diesem Anlass ernsthaft darüber nachdenken könnte, das Kind zu behalten.421 Auch wird behauptet, die Wunscheltern würden deutlich mehr für eine Leihmutterschaft zahlen, wenn sie die Leihmutter zur Übergabe des Kindes zwingen können.422 Ein weiteres Argument zugunsten eines möglichen Zwangs der Leihmutter zur Herausgabe, kommt überraschender Weise aus dem Bereich der Gender Studies: Wenn nur die Leihmutter sich einseitig nach der Geburt von der Leihmuttervereinbarung lossagen kann, soll dies Vorurteile über Geschlechterrollen bestätigt: Dass die Leihmutter sich nicht vorab rational dazu entscheiden könne, das Kind nach der Geburt abzugeben, selbst wenn es ihr dann schwerfällt, stelle sie als instabil, unfähig, Entscheidungen zu treffen und sich an diese zu halten, und als zwingend ihren Hormonen und Gefühlen untergeben dar.423 Unabhängig davon, ob diese Argumente tatsächlich überzeugen, sind sie eher politischer als rechtlicher Natur. Es soll hier eine rechtliche Annäherung angestrengt werden. 1. Menschenwürde der Leihmutter, Art. 1 Abs. 1 GG a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs Das Austragen eines Kindes im Rahmen einer Leihmutterschaft betrifft Lebensbereiche, die der Intim- oder Privatsphäre angehören, und beeinträchtigt erheblich und von langer Dauer die körperliche Integrität der Leihmutter. Die Leihmutterschaft ist daher nur mit der Menschenwürde der Leihmutter vereinbar, wenn diese freiwillig handelt.424 Die Freiwilligkeit muss während der 418 419 420 421 422 423 424
Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 366; Arneson, 21 Phil.& Pub.Aff. 1992, 132, 147 f. Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 366. Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 349; Horsey, CFLQ 2010, 449, 473. Horsey, CFLQ 2010, 449, 471. Posner, 5 J.Contemp.Health L.&Pol’y 1989, 21, 23. Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 384. Vgl. Hörnle, in: Menschenwürde und Medizin, 743, 748.
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gesamten Leihmutterschaft fortbestehen.425 Wegen des besonders invasiven Charakters der bei der Leihmutterschaft übernommenen Tätigkeiten, kann die anfängliche Einwilligung der Leihmutter nicht unwiderruflich sein. Stimmt die Leihmutter der Leihmutterschaft nicht mehr zu, so wäre sie nicht mehr selbst-, sondern fremdbestimmt und würde zu einem Objekt des Willens der Wunscheltern, wenn sie an der Leihmutterschaft festgehalten werden könnte.426 An der Freiwilligkeit fehlt es zunächst, wenn die Leihmutter nach einer Weile die Schwangerschaft an sich ablehnt. Wird sie gegen ihren Willen gezwungen, das Kind auszutragen, und an einer Abtreibung, die ansonsten zulässig wäre,427 gehindert, wird sie in grundlegenden Fragen ihrer körperlichen Integrität dem Willen der Wunscheltern unterstellt. Ihre Eigenschaft als Rechtssubjekt würde dabei gefährdet. Wenn die Wunscheltern die Leihmutter an einer ansonsten zulässigen Abtreibung hindern können, beeinträchtigt dies deren Menschenwürde. Beschließt die Leihmutter schon während der Schwangerschaft, dass sie das Kind behalten möchte, so wäre ebenfalls das weitere Festhalten an der Leihmuttervereinbarung nicht mehr freiwillig und selbstbestimmt: Zwar wäre dann die Fortdauer der Schwangerschaft an sich weiterhin freiwillig, deren Ziel und absehbare Folgen würden jedoch so erheblich verändert, dass sie eine gänzlich andere Bedeutung erhalten würde. Die Bedeutung der Leihmutterschaft zeigt sich nur, wenn die Absprache zur späteren Übergabe des Kindes mitberücksichtigt wird. Diese Absprache ist wesensbestimmend für die Leihmutterschaft. Eine Leihmutter, die das Kind nicht mehr übergeben will, handelt nicht mehr freiwillig als Leihmutter. Die Leihmutterschaft muss als ganzheitlicher Prozess, einschließlich der Übergabe des Kindes, freiwillig erfolgen. Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde der Wunschmutter liegt daher auch vor, wenn die Leihmutter schon während der Schwangerschaft beschließt, das Kind doch selbst aufziehen zu wollen, aber trotzdem von den Wunscheltern später zur Herausgabe gezwungen werden kann.428 Schwierig ist die Frage, wie es sich auswirkt, wenn die Leihmutter sich erst nach der Geburt entschließt, dass sie das Kind doch selbst aufziehen will, sei es in der Form, dass sie das Kind den Wunscheltern nicht freiwillig übergibt und von den Wunscheltern zu der Herausgabe gezwungen wird, oder sei es, dass die Leihmutter das Kind zwar unmittelbar nach der Geburt freiwillig übergibt, danach aber ihre Meinung ändert und das Kind zurückverlangt, was die Wunscheltern verweigern. 425 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.a)bb), S. 162. I. E. ebenso Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 177 f. 426 Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 177. 427 Nicht eingegangen werden soll hier auf die Frage, inwieweit eine Abtreibung mit Rechten des heranwachsenden Embryos vereinbar ist. 428 I. E. ebenso Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 177.
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Gegen eine Beeinträchtigung der Menschenwürde spricht hier, dass die Schwangerschaft, Geburt und gegebenenfalls die ursprüngliche Übergabe des Kindes freiwillig erfolgten. Mit der Geburt endet der unmittelbare Bezug zu der körperlichen Integrität der Leihmutter, sodass eventuell ihre Freiwilligkeit für die Vereinbarkeit mit der Menschenwürde nicht mehr so zentral ist wie während der Schwangerschaft. Ein solches Verständnis verkennt jedoch die Dynamik und Bedeutung der Leihmutterschaft. Es kann nicht so klar zwischen einer Phase vor und einer Phase nach der Geburt getrennt werden. Die Übergabe des Kindes ist ein wesensbestimmender Teil der Leihmutterschaftsvereinbarung. Wer nicht der Übergabe zustimmt, stimmt der Leihmutterschaft insgesamt nicht zu. Man muss somit die Leihmutterschaft als ganzheitlichen Ablauf während der Schwangerschaft und bis zur Übergabe des Kindes betrachten. Zudem wird die Leihmutter häufig erst nach der Geburt mit der Realität der Übergabe des Kindes konfrontiert und erst dann stellt sich wirklich die Frage, ob sie das Kind freiwillig übergeben kann. Kommt es somit erst nach der Geburt zum Schwur und wird zu diesem Zeitpunkt eine Freiwilligkeit der Leihmutter als unerheblich betrachtet, zeigt sich, dass die Freiwilligkeit letztlich doch als nicht so wichtig angesehen wird. Damit man überhaupt von einer Freiwilligkeit der Leihmutterschaft schon während der Schwangerschaft sprechen kann, scheint es sogar notwendig, dass die Leihmutter weiß, dass sie in dem Zeitpunkt, an dem es darauf ankommt, sich noch frei entscheiden kann, ob sie an der Abrede festhält oder nicht. Der Schutz der Freiwilligkeit der Übergabe nach der Geburt ist notwendig für die Gewährleistung einer wirklichen Freiwilligkeit der Leihmutterschaft auch während der Schwangerschaft und als ganzheitlichem Prozess.429 Teil der Freiwilligkeit der Übergabe ist auch, dass die Leihmutter kurz nach einer ursprünglich freiwilligen Übergabe ihre Meinung ändern und das Kind zurückverlangen können muss. Oft erfolgt die Übergabe so schnell nach der Geburt, dass die Leihmutterschaft de facto keine Gelegenheit hat, zu entscheiden, ob sie das Kind den Wunscheltern übergeben will oder nicht. Es kann dann auch keinen Unterschied machen, ob der Leihmutter erst kurz nach einer übereilten Übergabe Zweifel an ihrer Entscheidung kommen. Vielfach kommt es auch nie wirklich zu einer „Übergabe“ von der Leihmutter an die Wunschmutter, sondern ein Reproduktionsmediziner, eine Krankenschwester oder eine Hebamme übergibt das Kind den Wunscheltern – teilweise ohne dass die Leihmutter es nach der Entbindung überhaupt sieht. In diesen Fällen gibt es keinen Moment, an dem man die Entscheidung zu einer freiwilligen 429 Vgl. Brinig, 81 Va.L.Rev. 1995, 2377, 2388; Arneson, 21 Phil.& Pub.Aff. 1992, 132, 159; Brazier/Campbell/Golombok, Brazier Report, 35; Supreme Court of New Jersey 3.2.1988, Baby M, 109 N.J. 396, 437.
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Kapitel 3 – Ordre public
Herausgabe durch die Leihmutter festmachen könnte. Fehlt ein solcher Moment, kann man die Freiwilligkeit bezüglich des Verbleibs des Kindes nur daran erkennen, dass die Leihmutter das Kind nicht zurückfordert. Damit eine freiwillige Entscheidung zur Übergabe beziehungsweise zum Verbleib des Kindes gewährleistet werden kann, muss die Leihmutter sich daher noch kurz nach der Übergabe dazu entscheiden können, das Kind selbst aufziehen zu wollen. Wird die Leihmutter nach der Geburt zur Übergabe des Kindes gezwungen oder kann sie das Kind nach einer ursprünglichen freiwilligen Übergabe beziehungsweise einer Übergabe durch das Klinikpersonal, der die Leihmutter nicht widersprochen hat, nicht zurückfordern, so beeinträchtigt dies ihre Menschenwürde. Die Zeitspanne nach der Übergabe des Kindes an die Wunscheltern, in der die Leihmutter sich noch umentscheiden können muss, ist jedoch begrenzt. Der nachlaufende Schutz muss nur so lang anhalten, dass eine tatsächlich freiwillige beziehungsweise reflektierte Entscheidung der Leihmutter angenommen werden kann. Die Menschenwürde der Leihmutter fordert nicht auf Dauer, dass sie sich umentscheiden kann. Eine gewisse Zeit nach der Geburt stellt somit eine Meinungsänderung der Leihmutter die Freiwilligkeit nicht mehr in Frage. Fordert die Leihmutter erst danach die Rückgabe des Kindes, beeinträchtigt deren Verweigerung ihre Menschenwürde nicht mehr. Wie lange diese Frist sein muss, lässt sich nicht klar dem Grundgesetz entnehmen und hängt von den genauen Umständen ab. Mit der Zeit gewinnen nach einer ursprünglichen Übergabe des Kindes auch die Interessen der Wunscheltern und des Kindes etwa an der Kontinuität der Familienbeziehung430 an Gewicht. Bei der Bestimmung der Frist, in der sich die Leihmutter noch umentscheiden kann, sind auch diese Punkte zu berücksichtigen. Sind die Wunscheltern die genetischen Eltern, so fällt zu ihren Gunsten auch ihr Recht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ins Gewicht, grundsätzlich die rechtliche Elternschaft erwerben zu dürfen.431 Bezüglich einer Wunschmutter, die auch genetische Mutter ist, stellt sich dabei die Frage der Abwägung zwischen der biologischen und genetischen Mutterschaft. Ist die Leihmutter auch die genetische Mutter, wird ihr Recht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu ihren Gunsten bei der Bestimmung der Schutzdauer einfließen. Da grundsätzlich bei der Annahme einer Schutzpflicht und der Anwendung des ordre public-Vorbehalts Zurückhaltung geboten ist,432 wird man den Zeitraum in diesem Zusammenhang eher kürzer ansetzen müssen. Man könnte etwa an zwei bis vier Wochen denken. Auch wäre die sechs Wochen Frist der Sec. 54(7) HFEA 2008 denkbar oder die acht Wochen-Frist des § 1747 430 431 432
BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. Siehe oben bei Kapitel 3 – A.I.3.b), S. 145.
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Abs. 2 BGB bei der Adoption. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Frist festlegt, die er für ausreichend hält. Wegen der Vergleichbarkeit der Situationen kann man diese Wertung auf die Leihmutterschaft übertragen. Spätestens nach dieser Zeitspanne von acht Wochen kann die Leihmutter daher an ihrer Entscheidung festgehalten werden. Eine erzwungene Herausgabe des Kindes, eine Verweigerung der Rückgabe des Kindes an die Leihmutter innerhalb der ersten Wochen sowie ein Zwang zur Fortsetzung der Schwangerschaft beeinträchtigen somit die Menschenwürde der Leihmutter.433 b) Elternschaft der Wunscheltern als Perpetuierung der Beeinträchtigung Zu dem Zeitpunkt, in dem sich die hier besprochene Frage der Vereinbarkeit der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public stellt, wurde die Leihmutter bereits zur Übergabe gezwungen. Die Beeinträchtigung der Menschenwürde der konkreten Leihmutter durch die erzwungene Übergabe des Kindes ist bereits eingetreten und abgeschlossen. Die Leihmutter kann nicht mehr vor dieser Beeinträchtigung geschützt werden. Die Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter wirkt allerdings in der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern nach. Gegen diese Stellung könnte somit eine Schutzpflicht bestehen.434 Erwerben die Wunscheltern im Anschluss an die erzwungene Herausgabe des Kindes oder an die Verweigerung der Rückgabe des Kindes nach dem anwendbaren Recht die rechtliche Elternschaft, so wird die bisherige tatsächliche Zuordnung des Kindes rechtlich verfestigt. Genau die erzwungene Übergabe beziehungsweise Verweigerung der Rückgabe an die Wunscheltern führte jedoch zu der Beeinträchtigung der Würde der Leihmutter dadurch, dass der Wegfall ihrer Freiwilligkeit missachtet wurde. Diese Beeinträchtigung wirkt in der Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern fort. Die grundrechtswidrig begründete Stellung der Wunscheltern würde nachträglich legitimiert. Die fortdauernde Trennung des Kindes von der Leihmutter würde die ursprüngliche Beeinträchtigung durch die Elternschaft der Wunscheltern perpetuieren. Wird eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern nicht anerkannt, bleibt aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung die Leihmutter die rechtliche Mutter und kann das Kind zurückverlangen. So können die Folgen der Beeinträchtigung der Menschenwürde zumindest ex nunc beseitigt werden. Es trifft in diesen Fällen den Richter oder Standesbeamten eine Pflicht, durch die Nichtanerkennung einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern die Men-
433 I. E. ebenso Küppers, Entgeltliche Tragemutterschaft, 177; wohl auch CoesterWaltjen, in: Gutachten zum 56. DJT, B1, B81. Wohl in diese Richtung BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 48 ff. 434 Siehe dazu bei Kapitel 3 – A.III., S. 158
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schenwürde der Leihmutter zu schützen.435 Wegen der Bedeutung der Menschenwürde und dem ausdrücklichen Schutzauftrag in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG steht einer Schutzpflicht auch nicht entgegen, dass die Leihmutter im Ausland ist, zumal durch den Aufenthalt des Kindes bei den deutschen Wunscheltern, den die staatliche Stelle rechtlich verfestigen soll, ein Bezug zum Inland besteht.436 Die Anwendung eines ausländischen Rechts, das den Wunscheltern ungeachtet der erzwungenen Herausgabe des Kindes die Elternschaft zuschreibt, darf somit gemäß Art. 6 S. 2 EGBGB nicht angewandt werden.437 Mit der Zeit verblasst jedoch die Prägung der Elternschaft der Wunscheltern durch deren grundrechtswidrige Begründung. Das tatsächlich gelebte Familienleben mit den Wunscheltern drängt die Bedeutung der Umstände der Übergabe des Kindes in den Hintergrund. Andere Interessen, insbesondere das Kindeswohl in Form des Interesses an der Kontinuität der Beziehung zu den Wunscheltern,438 erhalten wachsende Bedeutung. Gewinnen sie Oberhand, verstößt die Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern nicht mehr gegen den ordre public-Vorbehalt.439 Eine ähnliche Dynamik findet sich in Art. 12 und 13 Abs. 1 lit. b) des HKEntfÜ.440 Danach kann die Rückführung eines entführten Kindes abgelehnt werden, wenn bereits mehr als ein Jahr seit der Entführung verstrichen ist oder sonst schwerwiegende Schäden für das Kind zu befürchten sind oder dies sonst in eine unzumutbare Lage bringen würde. Auch § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB geht ähnlich vor und ermöglicht eine Adoption trotz Kinderhandel, wenn die Adoption für das Kindeswohl erforderlich ist, was insbesondere der Fall ist, wenn das Kind bereits in die Familie integriert ist und eine Verbundenheit zu dieser aufgebaut hat.441 Aus ähnlicher Motivation kann § 1632 Abs. 4 BGB die Rückgabe eines Kindes aus der Pflegefamilie verhindern, wenn dadurch das Kindeswohl gefährdet würde.442
Vgl. BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 GG Rn. 7. Ausführlicher zur Anwendung der Grundrechte auf Auslandssachverhalte siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.3., S. 242. 437 So etwa Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1149; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 36; Diel, Leihmutterschaft, 194; wohl auch Lurger, IPRax 2013, 282, 287. 438 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154; BVerfG 13.11.2008, Az. 1 BvR 1192/08, NJW 2009, 425, 426; vgl. EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 88; dazu: Duden, StAZ 2015, im Erscheinen. Vgl. Zum Kontinuitätsinteresse als „klassische[m] Konkretisierungsmerkmal[ ] des Kindeswohls“: Jayme, IPRax 1996, 237, 238. 439 I. E. so auch Diel, Leihmutterschaft, 173. 440 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980, BGBl. 1990 II, 207. 441 Palandt-Götz74, § 1741 BGB Rn. 6. 442 Vgl. Heilmann/Salgo, FamRZ 2014, 705, 711. 435 436
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c) Vaterschaft des Wunschvaters bei sonstiger Vaterlosigkeit Eine Ausnahme von dieser Vorgabe scheint bezüglich der rechtlichen Vaterschaft vonnöten, wenn die Leihmutter unverheiratet ist und auch keinen Partner hat, der die Vaterrolle übernehmen will. Zumindest wenn der Wunschvater in diesen Fällen der genetische Vater ist, würde seine rechtliche Vaterschaft nicht gegen den ordre public verstoßen. Der Gefahr der Perpetuierung der Beeinträchtigung der Menschenwürde könnte hier durch ein alleiniges Sorgerecht der Leihmutter begegnet werden, § 1626a BGB. Würde demgegenüber dem Wunschvater die Vaterschaft verweigert, so hätte das Kind keinen rechtlichen Vater. Dies würde dessen Recht aus Art. 6 GG und das Kindeswohl gefährden und dem Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB widersprechen. Existiert zudem kein rechtlicher Vater, so würde es auch gegen die Rechte des genetischen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verstoßen, wenn ihm dennoch eine rechtliche Vaterschaft verwehrt würde.443 d) Anerkennung gewisser Rechtsfolgen solange Kind bei den Wunscheltern ist Eine weitere Einschränkung ist notwendig, für den Zeitraum, in dem zwar die Wunscheltern nicht die rechtliche Elternschaft erwerben können, aber das Kind tatsächlich in ihrer Obhut haben. Dieses Übergangsstadium endet entweder damit, dass die Wunscheltern das Kind der Leihmutter zurückgeben oder damit, dass eine Rückgabe so lange nicht erfolgt, dass das Kontinuitätsinteresse des Kindes Oberhand gewinnt und die Wunscheltern doch die rechtliche Elternschaft erwerben können.444 Währenden dieses Schwebezustands befindet sich das Kind in einer prekären Lage, da es keine rechtliche Beziehung zu seinen tatsächlichen Bezugspersonen hat. Obwohl die Wiedergutmachung der Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter eine umfassende rechtliche Elternschaft der Wunscheltern verbietet, können gewisse Rechtsfolgen der Eltern-KindBeziehung mit dem ordre public-Vorbehalt vereinbar sein. Es ist abhängig von der konkreten Rechtsfolge zu differenzieren. Eine Elternschaft der Wunscheltern kann als Voraussetzung einer Abstammungsfolge, die das Kindeswohl fördert, mit dem ordre public vereinbar sein. Denkbar ist dies etwa bei dem Anspruch auf Unterhalt oder der Möglichkeit der Wunscheltern, in erforderliche medizinische Behandlungen einzuwilligen (§§ 1601, 1626 BGB). Bei Anwendung des deutschen Rechts auf die Hauptfrage können daher beispielsweise, trotz einer erzwungenen Herausgabe des Kindes, die Wunscheltern „Eltern“ im Sinne der §§ 1601 und 1629 BGB sein.445 Solch einzelne Vgl. BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153 f. Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205. Zum Kontinuitätsinteresse als „klassische[m] Konkretisierungsmerkmal[ ] des Kindeswohls“: Jayme, IPRax 1996, 237, 238. 445 Vgl. Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 136 ff. 443 444
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Rechtsfolgen der Abstammung sind mit dem Schutz der Menschenwürde der Leihmutter vereinbar. Sie stellen keine Perpetuierung der Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter durch die erzwungene Herausgabe des Kindes dar und gefährden die Rückgabe des Kindes nicht. In dieser Form nach Rechtsfolgen eines Status zu differenzieren, der selbst gegen den ordre public verstößt oder in anderer Weise scheitert, ist etwa von der Polygamie oder von hinkenden Ehen beziehungsweise hinkenden Scheidungen bekannt: Auch wenn eine Mehrehe gegen den ordre public verstößt, werden beispielsweise Unterhaltsansprüche gegen den Ehemann oder mögliche Rechte zum Familiennachzug anerkannt.446 Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Witwenrentenbeschluss einer Frau einen Anspruch auf Witwenrente zugestanden, obwohl sie, ohne dies zu wissen, über Jahrzehnte447 in einer hinkenden Ehe lebte, die aus Sicht des deutschen Rechts formunwirksamen war.448 Umgekehrt hat das Bundessozialgericht einen Anspruch auf Witwenrente einer Frau abgelehnt, die durch ein deutsches Scheidungsurteil geschieden war. Hier hinkte die Scheidung, da nach dem türkischen Scheidungsstatut ein ausländisches Scheidungsurteil einer formellen Anerkennungsentscheidung bedurfte, die nicht ergangen war.449 Ebenso entschied der BGH, dass in einem entsprechenden Fall einer hinkenden Scheidung die Frau nicht nebenklageberechtigt im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO sei.450 2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG Neben einer Menschenwürdebeeinträchtigung kann, letztlich aus sehr ähnlichen Gründen, auch eine solche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) in Ausprägung des Schutzes der Intim- oder Privatsphäre bestehen.451 Die Übernahme der Leihmutterschaft dringt in diese Sphären ein. Sie ist nur bei andauernder Freiwilligkeit mit deren Schutz vereinbar. Aus den oben dargestellten Gründen sollte diese Freiwilligkeit bis kurz nach der Geburt geschützt werden.452 Wird die Leihmutter zu BVerwG 30.4.1985, Az. 1 C 33/81 (Münster), NJW 1985, 2097, 2098; BSG 30.3.1977, Az. 5 RKn 27/76, IPRspr. 1977 Nr. 50, 135, 137 f.; Looschelders, RabelsZ 65 (2001), 463, 489; BSG 30.8.2000, Az. B 5 RJ 4/00 R, juris; Merten, in: FS Schiedermair, 331, 336 f. 447 BVerfG 30.11.1982, Az. 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323, 325; dazu: Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 136 ff. 448 BVerfG 30.11.1982, Az. 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323, 331. Ebenso BSG 30.8.2000, Az. B 5 RJ 4/00 R, juris. 449 BSG 13.1.1999, Az. B 13 RJ 17/98 R, juris, Rn. 22 ff. 450 BGH 18.9.2012, Az. 3 BGs 262/12, IPRax 2013, 444, 446; dazu Henrich, IPRax 2013, 425. 451 HdbGR IV-Enders, § 89 Rn. 1 ff.; BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 39 ff. 452 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201. 446
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einer Übergabe des Kindes gezwungen oder wird das Kind nach einer ursprünglich freiwilligen Übergabe nicht auf ihren Wunsch der Leihmutter zurückgegeben, wäre ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Im Gegensatz zu einer Beeinträchtigung der Menschenwürde kann eine solche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerechtfertigt werden,453 sodass eine Schutzpflicht nicht zwingend wäre. Eine Ausnahme hiervon bildet der Schutz der Intimsphäre. Wegen deren enger Verbindung zur Menschenwürde ist dort eine Beeinträchtigung nicht zu rechtfertigen.454 Ob eine Tätigkeit der Intim- oder Privatsphäre angehört, bestimmt sich unter anderem danach, ob sie über die Sphäre des Einzelnen hinaus auch die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.455 Die Leihmutterschaft betrifft nicht nur die Leihmutter, sondern auch die Wunscheltern und das Kind. Sind die Wunscheltern auch genetische Eltern, bedroht eine Verweigerung der Übergabe des Kindes ihr Recht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, als leibliche Eltern grundsätzlich die Elternschaft erwerben zu können. 456 Man könnte daher annehmen, dass die Leihmutterschaft lediglich die Privatsphäre und nicht die Intimsphäre der Leihmutter betrifft. In diesem Fall könnte eine Beeinträchtigung gerechtfertigt werden und eine Schutzpflicht nicht bestehen.457 Zwar hat die Entscheidung der Leihmutter, ob sie das Kind den Wunscheltern übergibt, erhebliche Bedeutung für die Wunscheltern. Der Schwerpunkt der Leihmutterschaft liegt jedoch bei der Leihmutter. Sie trägt das Kind neun Monate in sich. Sie ist unmittelbarer von der Leihmutterschaft betroffen als die Wunscheltern. Es scheint daher überzeugend, eine Zugehörigkeit zu der Intimsphäre anzunehmen, die einen durchgängigen Schutz der Freiwilligkeit bis nach der Geburt fordert. Deren Beeinträchtigung durch die erzwungene Herausgabe oder verweigerte Rückgabe ist nicht zu rechtfertigen. Die Beeinträchtigung würde durch den dauerhaften Verbleib des Kindes bei den Wunscheltern und deren rechtlicher Elternschaft perpetuiert. Wegen der Nähe zur Menschenwürde ist es auch hier für die Annahme einer Schutzpflicht unbe-
BVerfG 15.1.1970, Az. 1 BvR 13/68, NJW 1970, 555, 555; BVerfG 6.5.1997, Az. 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869, 870; BVerfG 26.2.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1137. 454 BVerfG 15.1.1970, Az. 1 BvR 13/68, NJW 1970, 555, 555; BVerfG 6.5.1997, Az. 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869, 870; vgl. BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 52. 455 BVerfG 3.3.2004, Az. 1 BvR 2378/98 u. 1 BvR 1084/99, NJW 2004, 999, 1002; BVerfG 26.2.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1137; BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 39. 456 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. 457 Folgt man diesem Gedanken, müsste man auch überlegen, ob der Schutz der Freiwilligkeit im Rahmen der Menschenwürde nicht doch enger auszulegen ist. In diesem Fall bestünde bei einer erzwungenen Herausgabe nicht nur keine Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, sondern auch nicht aus der Menschenwürde. 453
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achtlich, dass die Leihmutter sich im Ausland befindet.458 Auch der Schutz der Intimsphäre als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fordert bei einer erzwungenen Herausgabe des Kindes einen Schutz der Leihmutter vor der Elternschaft der Wunscheltern. 3. Körperliche und geistige Unversehrtheit der Leihmutter, Art. 2 Abs. 2 GG Bedeutung gewinnt bei einer erzwungenen Herausgabe des Kindes weiterhin Art. 2 Abs. 2 GG. Als Eingriff in die körperliche Integrität der Leihmutter muss die Leihmutterschaft freiwillig erfolgen.459 Fraglich ist, ob in diesem Zusammenhang derselbe Maßstab an die Freiwilligkeit anzulegen ist wie im Rahmen der Vereinbarkeit der Leihmutterschaft mit der Menschenwürde. Im Rahmen der Menschenwürde stellt sich die Frage, ob die Leihmutter zu einem Objekt degradiert wird. Die Gefahr geht dabei von der Leihmutterschaft als ganzheitlichem Ablauf aus, also von der Schwangerschaft und der Abrede bezüglich des Verbleibs des Kindes. Das Einverständnis der Leihmutter muss beide umfassen. Im Gegensatz dazu gefährden nur unfreiwillige Einwirkungen auf den Körper der Leihmutter ihre körperliche Unversehrtheit. Es scheint daher auszureichen, wenn die Leihmutter mit der Befruchtung und der Schwangerschaft an sich einverstanden ist. Ein fehlendes Einverständnis bezüglich des Verbleibs des Kindes nach der Geburt wirkt sich daneben nicht auf die körperliche Unversehrtheit der Leihmutter aus. Eine weitere Bedrohung für das Recht der Leihmutter aus Art. 2 Abs. 2 GG könnte in einer Bedrohung der psychischen Gesundheit der Leihmutter bestehen. Entscheidet sich die Leihmutter dagegen, das Kind zu übergeben, und wird sie dann dazu gezwungen, so kann dies zu erheblichen psychischen Belastungen führen. Schon zu den psychischen Auswirkungen der Leihmutterschaft im Allgemeinen liegen wenige Untersuchungen vor. Wie sich eine erzwungene Herausgabe auswirkt, ist derzeit anscheinend noch nicht untersucht worden, sodass eine verlässliche Aussage bezüglich der Tragweite dieser Gefahr nicht möglich ist.460 Es scheint jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Gefahren für die Psyche der Leihmutter bei einer erzwungenen Herausgabe erheblich größer sind als bei einer freiwilligen Übergabe. Gleichzeitig steht der Bedrohung der Psyche der Leihmutter eine entsprechende Bedrohung der Psyche der Wunscheltern gegenüber, wenn die Leihmutter das Kind behalten darf.461 Eine Beeinträchtigung des Rechts der Leihmutter aus Zur Anwendung der Grundrechte auf Auslandssachverhalte siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.3., S. 242. 459 Vgl. etwa Maunz/Dürig-Di Fabio72, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Rn. 61 ff. und 69. 460 In einer umfangreichen britischen Studie hatte bspw. keine von 34 Leihmüttern Zweifel an ihrer Entscheidung, das Kind den Wunscheltern zu übergeben. Jadva u. a., 18 Hum.Reprod. 2003, 2196, 2203. 461 Shultz, Wis.L.Rev. 1990, 297, 366. 458
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Art. 2 Abs. 2 GG durch mögliche psychische Belastungen einer erzwungenen Herausgabe könnte daher gerechtfertigt sein. Für eine solche Rechtfertigung würde sprechen, dass die Leihmutter sich in der Leihmuttervereinbarung zu der Übergabe bereit erklärt hatte. 4. Elternrecht der Leihmutter, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Wurde die Leihmutter zur Übergabe des Kindes gezwungen oder will sie es nicht herausgeben, so könnte eine Pflicht zur Verhinderung des Erwerbs der rechtlichen Elternschaft durch die Wunscheltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bestehen. Dieser enthält die Vorgabe, dass den leiblichen Eltern in der Regel die rechtliche Elternschaft einzuräumen ist.462 Gegen ihren Willen darf ihnen grundsätzlich nicht die rechtliche Elternschaft verweigert werden.463 Unklar ist, ob auch die Leihmutter in diesem Sinne leibliches Elternteil ist. Da sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit leiblichen Vätern befasste,464 sind dieser unmittelbar keine Vorgaben zu entnehmen. Leiblicher Vater kann überhaupt nur der genetische Vater sein. Eine Trennung zwischen genetischer und biologischer Elternschaft, wie sie bei der Mutterschaft eintreten kann, ist bei der Vaterschaft nicht möglich. Der Rechtsprechung zu der Rechtstellung leiblicher Väter lässt sich somit nicht selbst entnehmen, ob bezüglich der Rechte leiblicher Mütter die genetische oder biologische Mutterschaft ausschlaggebend ist, wenn diese auseinanderfallen, ober ob beide Mütter solche Rechte haben, wobei dann deren Vereinbarkeit problematisch sein könnte. Das Gericht betonte in der Begründung des Schutzes des leiblichen Vaters den Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG („natürliche[s] Recht“).465 Knüpft man somit an die natürliche Verbindung zwischen Kind und Eltern an, so wird man eine solche auch der Frau zugestehen müssen, die das Kind austrägt. Auch als biologische Mutter wäre die Leihmutter daher leibliche Mutter in diesem Sinne. Es würde daher grundsätzlich ihr Recht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verletzen, wenn sie durch die Elternschaft der Wunscheltern gegen ihren Willen an dem Erwerb der rechtlichen Mutterschaft gehindert würde. Dies gilt umso mehr, wenn die Leihmutter auch die genetische Mutter ist. Ist die Wunschmutter die genetische Mutter, so stellt sich die Frage, ob es verfassungsrechtlich einen Vorrang der genetischen oder biologischen Mutterschaft gibt oder ob der Gesetzgeber bei dieser Frage einen Gestaltungsspielraum genießt. Diese Frage würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. 462 BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891; BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. Für eine Stärkung der Rechte des biologischen Vaters siehe Roth, NJW 2003, 3153, 3155. 463 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. 464 So etwa BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153 f. 465 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152.
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Im Ergebnis kann sie zudem hier offen bleiben, da die Menschenwürde der Leihmutter in den Fällen einer erzwungenen Herausgabe des Kindes ohnehin fordert, dass sie die rechtliche Mutter werden kann.466 5. Völkerrecht Wie bereits dargelegt wurde,467 verstößt eine unfreiwillige Leihmutterschaft gegen die Menschenrechte der Leihmutter, insbesondere ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, vgl. Art. 12 UN-Sozialpakt und Art. 2 und Art. 8 Abs. 1 EMRK.468 Im Rahmen des Bioethik-Übereinkommens des Europarats findet sich die Freiwilligkeit in Art. 5 zudem ausdrücklich als allgemeine Anforderung für jegliche Interventionen im Gesundheitsbereich.469 Nach hier vertretener Ansicht muss die Freiwilligkeit der Leihmutterschaft – zumindest im Hinblick auf die Menschenwürde – auch die Möglichkeit enthalten, dass die Leihmutter sich nach der Geburt entscheiden kann, das Kind zu behalten.470 Wird sie demgegenüber zu der Herausgabe des Kindes gezwungen, so beeinträchtigt dies die genannten Rechte. 6. Fazit Erwerben die Wunscheltern die Elternschaft, nachdem die Leihmutter zur Übergabe des Kindes gezwungen wurde oder nachdem die Rückgabe des Kindes verweigert wurde, obwohl die Leihmutter das Kind kurz nach dessen Übergabe zurückverlangt hat, perpetuiert die Elternschaft der Wunscheltern die Beeinträchtigung der Grundrechte der Leihmutter durch die erzwungene Herausgabe. Solange das Interesse des Kindes an der Kontinuität einer Bindung an die Wunscheltern nicht überwiegt, verstößt eine Abstammung von den Wunscheltern nach erzwungener Herausgabe somit gegen den ordre public-Vorbehalt des Art. 6 S. 1 EGBGB.471 Ein ausländisches Recht, welches eine solche Abstammung dennoch annimmt, ist nicht anzuwenden.
Siehe oben bei Kapitel 4 – A.V.2., S. 293. Siehe oben bei Kapitel 3 – B.I., S. 184. 468 EGMR 29.4.2002, Pretty, Az. 2346/02, NJW 2002, 2851, Rn. 65; EGMR 13.12.2012, El-Masri, Az. 39630/09, Rn. 248; EGMR 9.7.2013, Vinter, Az. 66069/09, 130/10 and 3896/10, Rn. 113; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Separate Opinion Gaetano Rn. 2. 469 Ebenso der auf dieser Norm basierende Art. 3 Abs. 2 lit. a GR-Charta. 470 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201. 471 I. E. ebenso etwa Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 96 f.; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 25. 466 467
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III. Homosexuelle Wunscheltern 1. Verfassungsrecht Einen weiteren Sonderfall stellt es dar, wenn homosexuelle, meist männliche, Paare eine Leihmutterschaft durchführen. In Kalifornien und dem Vereinigten Königreich ist dies möglich.472 Viele Länder, wie etwa Griechenland, Israel und die Ukraine lassen eine Leihmutterschaft bei homosexuellen Wunscheltern allerdings nicht zu.473 Auch in Indien sollen gemäß dem ART-Bill 2010 homosexuelle Paare von der Leihmutterschaft ausgeschlossen werden.474 In seinem Urteil aus dem Jahre 2013 zur Verfassungswidrigkeit des Verbots der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner sah das Bundesverfassungsgericht keine grundrechtsrelevanten Nachteile darin, dass ein Kind – auch rechtlich – gleichgeschlechtliche Eltern hat.475 Nicht die sexuelle Orientierung der Eltern, sondern die Art, wie diese ihre Elternrolle ausfüllen, sei für das Wohlergehen des Kindes entscheidend. Eine Bedrohung für die körperliche und psychische Unversehrtheit des Kindes gemäß Art. 2 Abs. 2 GG bestehe nicht.476 Auch bezüglich Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist die rechtliche Elternschaft zweier Personen gleichen Geschlechts unproblematisch. Träger des Elternrechts sind laut dem Gericht „nicht die Eltern als (verschiedengeschlechtliche) Gemeinschaft, sondern – unabhängig vom Geschlecht – jeder Elternteil für sich“477. Eine Verletzung der Grundrechte des Kindes oder von sonstigem Verfassungsrecht durch die Elternschaft eines homosexuellen Paares ist somit nicht anzunehmen.478 472 Sec. 54(2)(b) HFEA 2008; vgl. Scherpe, FamRZ 2010, 1513, 1513. Sec. 7960 ff. California Family Code definiert die „intended parents“ geschlechtsneutral; Hofman, 35 Wm.Mitchell L.Rev. 2008, 449, 461; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 557. 473 Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 45; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235; Shalev, in: Gestation pour autrui, 179, 184; Rokas, in: Surrogacy, 143, 145. Zur Ukraine: Druzenko, in: Surrogacy, 357, 359; Suleymanova/Kasynyuk/Moroz, in: Family Law2, 641, 654. Zu Israel: Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 45; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235. 474 Sec. 2(h) und 34(1) ART-Bill 2010 i. V. m. Sec. 377 Indian Penal Code 1860 (IPC 1860). Supreme Court of India 11.12.2013, Naz Foundation, Civil Appeal No. 10972/ 2013; High Court of Delhi 2.7.2009, Naz Foundation, Writ Petition (C) No.7455/2001. 475 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 51 f. 476 Farr/Patterson, 84 Child Development 2013, 1226; Biblarz/Stacey, 72 J.Marriage and Family 2010, 3, 16 f.; Schölmerich/Leyendecker, in: Entwicklungspsychologie6, 708; vgl. BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 31 ff.; Bertschi, Leihmutterschaft, 148; Diel, Leihmutterschaft, 53 ff. 477 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 51 f. 478 Einen ordre public-Verstoß nimmt jedoch beispielsweise an KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 24 ff. Allerdings begründet es diesen mit dem Leihmutterverbot und nicht der Homosexualität der Wunscheltern.
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2. Völkerrecht Im Rahmen der EMRK hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte homosexuelle Paare mit Kindern in den Schutzbereich der Familie im Sinne des Art. 8 aufgenommen.479 Zumindest die EMRK sperrt sich somit nicht gegen eine Abstammung von gleichgeschlechtlichen Eltern. IV. Anonyme Spender oder Leihmütter Schon in den späten 1980er-Jahren entwickelte das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, der keine assistierte Reproduktion betraf, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.480 Im Jahre 2013 wurde dieses Recht zum ersten Mal auch gegenüber einem Samenspender, dem eigentlich Anonymität zugesichert wurde, richterlich bestätigt.481 Es ist anzunehmen, dass dieses Recht auch bezüglich der Identität einer Eizellspenderin und der Identität der Leihmutter als rein biologischer Mutter gilt.482 Zum Schutz dieses Rechts reicht es jedoch, wenn die Identität der Keimzellspender und der Leihmutter dokumentiert werden muss und das Kind ab einem gewissen Alter einen Auskunftsanspruch erhält.483 Einen solchen Auskunftsanspruch ohne Auswirkung auf die rechtliche Elternschaft kennt das deutsche Recht in § 1598a BGB. Eines Verbots der Leihmutterschaft an sich bedarf es nicht.484 Sollte doch eine anonyme Keimzellspende oder Leihmutterschaft erfolgt sein, so ist diesbezüglich ein Schutz des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht mehr möglich, sofern die Identität auch nicht den Reproduktionsmedizinern bekannt ist. Diese Grundrechtsbeeinträchtigung setzt sich jedoch nicht in der Stellung der Wunscheltern als Eltern fort. Die Elternschaft der Wunscheltern verstößt nicht gegen den ordre public.
479 EGMR 24.6.2010, Schalk and Kopf, Az. 30141/04, Rn. 94; EGMR 22.7.2010, P.B. and J.S., Az. 18984/02, Rn. 30. 480 BVerfG 18.1.1988, Az. 1 BvR 1589/87, NJW 1988, 3010, 3010; BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 892; vgl. Duden, IFL 2013, 343, 343 f.; Laufs, Rechtliche Grenzen, 26 f.; Kreß, FPR 2013, 240, 241; zu soziologischen Fragen Bernard, StAZ 2013, 136, 140. 481 OLG Hamm 6.2.2013, Az. I-14 U 7/12, NJW 2013, 1167. So nun auch BGH 28.1.2015, Az. XII ZR 201/13, juris; dazu: Duden, FamRZ 2015, 741. Zurückhaltend bezüglich der Feststellung der eigenen Elternschaft durch einen Mann, der mutmaßt, leiblicher Vater eines Kindes zu sein, das ihm nicht rechtlich zugeordnet ist: BVerfG 13.10.2008, Az. 1 BvR 1548/03, NJW 2009, 423. 482 So auch Dethloff, JZ 2014, 922, 928; Mayer, IPRax 2014, 57, 61 f. 483 So auch BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 63; Dethloff, JZ 2014, 922, 928. 484 Vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 61 f.
E. Sonderfälle der Leihmutterschaft
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V. Leihmutter ist genetische Mutter Wird die eigene Eizelle der Leihmutter verwendet, was heutzutage nur selten der Fall ist,485 trägt sie ihr genetisch eigenes Kind aus und gibt es nach der Geburt den Wunscheltern. Dass diese Abweichung die grundrechtliche Bewertung des Grundfalls der Leihmutterschaft ändert, ist nicht ersichtlich. Insbesondere verletzt es nicht die Grundrechte des Kindes, wenn das Kind nicht von seiner genetischen Mutter aufgezogen wird. Dies ist aus der Adoption bekannt. Auch wenn bei der Leihmutterschaft das Kind schon mit dieser Absicht gezeugt wird, ändert sich deshalb die Bewertung nicht. Bezüglich der Vereinbarung der Weggabe eines Kindes allgemein gilt das bereits Gesagte.486 Will die Leihmutter das Kind doch behalten, spricht ihr Recht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, als genetische und biologische Mutter grundsätzlich die rechtliche Elternschaft erwerben zu dürfen, neben dem Schutz ihrer Menschenwürde dafür, dass sie das Kind behalten darf beziehungsweise nach einer ursprünglich freiwilligen Übergabe zurückverlangen darf, sofern das Kind nicht bereits so lange bei den Wunscheltern ist, dass sein Interesse an Kontinuität seiner Bezugspersonen Oberhand gewonnen hat.487 VI. Fazit zu den Sonderfällen In den meisten Sonderfällen verstößt eine Elternschaft der Wunscheltern nicht gegen den ordre public. Ein Verstoß ist allein dann anzunehmen, wenn die Leihmutter das Kind doch selber aufziehen will und zu einer Übergabe gezwungen wurde oder eine Rückgabe kurz nach der ursprünglich freiwilligen Übergabe verweigert wurde. In diesen Fällen muss eine weitere Perpetuierung der ursprünglichen Verletzung der Grundrechte der Leihmutter durch die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern verhindert werden. Hier untersagt somit der ordre public-Vorbehalt des Art. 6 S. 2 EGBGB die Anwendung eines entsprechenden ausländischen Rechts. Mit der Zeit verblasst jedoch auch hier die Schutzpflicht und das Interesse des Kindes an der 485 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 208 f. In manchen Ländern, wie in Griechenland, Israel und Indien, wird davon abgeraten oder es ist sogar verboten: Zu Griechenland, wo es verboten ist: Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 42; Kiriakaki, 23 MedR 2005, 143, 149; Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426, 1426; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1144; Rokas, in: Surrogacy, 143, 144 und 147 f. Zu Israel, wo es ebenfalls verboten ist: § 2 Abs. 4 Gesetz 5756-1996; Bokelmann/Bokelmann, Übernommene Mutterschaft, 166; Einhorn, PIL in Israel2, Rn. 789; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 235 f.; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 47 und 49. In Indien rät 3.5.4 der Guidelines for Accreditation, Supervision and Regulation of ART Clinics in India davon ab; Sec. 34(13) des vorgeschlagenen ART-Bill 2010 verbietet es. 486 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)bb), S. 182. 487 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1., S. 201.
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Kapitel 3 – Ordre public
Kontinuität der familiären Strukturen gewinnt Oberhand, sodass dann auch kein ordre public-Verstoß gemäß Art. 6 S. 2 EGBGB mehr vorliegt. In anderen Fällen liegt zum Teil eine Grundrechtsbeeinträchtigung durch den Vorgang der Leihmutterschaft vor, etwa wenn die Leihmutter nicht wirklich freiwillig handelte oder wenn sie eigentlich die Schwangerschaft abbrechen wollte, aber daran gehindert wurde. Eine Verhinderung der Grundrechtsverletzungen ist in diesen Fällen faktisch nicht mehr möglich ist. Die Grundrechtsverletzungen setzen sich zudem nicht in der Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern fort. In der Elternschaft an sich liegt dann kein Verstoß gegen den ordre public. Für eine grundrechtskonforme Ausgestaltung der Leihmutterschaft bestehen verschiedene Vorgaben, etwa bezüglich eines Mindestmaßes an medizinischer und psychologischer Betreuung, einer Überprüfung der tatsächlichen Freiwilligkeit der Leihmutter und der Dokumentation von Spendern und Leihmüttern zwecks der Erfüllung späterer Auskunftsansprüche der Kinder.
F. Ordre public im Internationalen Zivilverfahrensrecht
F. Ordre public im Internationalen Zivilverfahrensrecht
Vielfach wird vertreten, der ordre public sei im Internationalen Zivilverfahrensrecht zurückhaltender anzuwenden als im Internationalen Privatrecht (ordre public atténué).488 Begründet wird dies damit, dass bereits ein ausländisches Gericht über die Sache entschieden hat und die Entscheidung dort Rechtswirkungen entfaltet.489 Mit Ausnahme von Fällen der erzwungenen Herausgabe des Kindes liegt in der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern als Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts in Fällen der Leihmutterschaft schon im Rahmen des Art. 6 EGBGB kein Verstoß gegen den deutschen ordre public vor.490 Erst recht liegt daher kein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public atténué vor. Auch der Anerkennung entsprechender Entscheidungen gemäß § 108 Abs. 1 FamFG steht somit der ordre public-Vorbehalt in § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nicht entgegen.491 Wurde die Leihmutter zur Herausgabe gezwungen oder wurde die Rückgabe des Kindes verweigert, kurz nachdem sie es zunächst freiwillig übergeben 488 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 232; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 571 f.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674. Diese Differenzierung betont auch BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 28 f. 489 Benicke, StAZ 2013, 101, 109; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 571 f.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2674. 490 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.IV., S. 183. 491 So auch Witzleb, in: FS Martiny, 203, 232 f.; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 69; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; anders noch als Vorinstanz: KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72.
G. Zwischenergebnis
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hatte, so fordert der Schutz ihrer Menschenwürde eine Nichtanwendung eines ausländischen Rechts, welches dennoch den Wunscheltern die rechtliche Elternschaft zuschreibt.492 Da eine Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht zu rechtfertigen ist und eine Abwägung mit konkurrierenden Gütern nicht erfolgt, muss auch bei einer zurückgenommenen Prüfung hier ein Verstoß gegen den ordre public angenommen werden. In diesen Fällen liegt auch im Sinne des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ein Verstoß gegen den ordre public vor.
G. Zwischenergebnis G. Zwischenergebnis
Teilweise führt die Anwendung des durch die Verweisungsmethode berufenen Rechts, Art. 19 Abs. 1 EGBGB, oder die verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, § 108 Abs. 1 FamFG, zu einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern. Nur wenn die Leihmutter zur Herausgabe des Kindes gezwungen wurde oder die Rückgabe des Kindes kurz nach einer ursprünglich freiwilligen Übergabe verweigert wird, liegt hierin ein Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt gemäß Art. 6 EGBGB beziehungsweise § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG; und selbst dann nur so lange, bis das Interesse des Kindes an der Kontinuität seiner Bezugspersonen Oberhand gewinnt.
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Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205.
Kapitel 4
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts Höherrangiges Recht kann sich nicht nur, wie im Rahmen des ordre publicVorbehalts, negativ gegen bestimmte Ergebnisse des einfachen Rechts wenden und deren Eintreten verhindern. Es kann auch Vorgaben machen, welches Ergebnis positiv erzielt werden muss, ungeachtet des bestehenden einfachen Rechts. Nachdem sich grundsätzlich höherrangiges Recht nicht gegen eine Durchführung der Leihmutterschaft beziehungsweise Elternschaft der Wunscheltern stellt, bleibt im Folgenden somit zu untersuchen, ob, ganz im Gegenteil, bei der ausländischen Leihmutterschaft eventuell Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts bestehen, die eine Elternschaft der Wunscheltern gerade fordern. Anders gewendet: Wenn die Wunscheltern die rechtliche Elternschaft erwerben dürfen, müssen sie diese vielleicht sogar erwerben können? Sollten solche Vorgaben bestehen, ist zu untersuchen, inwiefern das einfache Recht sie bisher umsetzt. Dies ist die bekannte Frage der Vereinbarkeit des einfachen Rechts mit höherrangigem Recht. Dadurch, dass zunächst der Maßstab aus dem höherrangigen Recht entwickelt wird und erst danach das bestehende Recht mit diesem verglichen wird, wird in gewisser Weise der üblichere Weg, von einer konkreten Norm ausgehend ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, verkehrt. Inhaltlich macht dies jedoch keinen Unterschied. Sofern in diesem Kapitel Ergebnisvorgaben für internationale Sachverhalte entwickelt werden, die nach dem momentanen Recht, einschließlich des Internationalen Privatrechts, nicht erfüllt werden, sind diese Vorgaben nur als Vorgaben für das materielle Ergebnis der Rechtsanwendung zu verstehen, bezüglich der rechtstechnischen Umsetzung schweigen sie.1 Besteht somit eine Ergebnisvorgabe und weicht das Ergebnis der Anwendung des existierenden einfachen Rechts, einschließlich des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, hiervon ab, so muss das einfache Recht entsprechend angepasst werden. Wie dies erfolgt, ist nicht vorbestimmt. Besteht beispielsweise die Ergebnisvorgabe, dass eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern, die 1 Vgl. BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 86; Benicke, StAZ 2013, 101, 108; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 108 ff.; Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651; Nordmeier, StAZ 2011, 129; Nordmeier, IPRax 2012, 31; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 4 ff.; Weller, IPRax 2009, 202; Weller, in: FS Goette, 583; Weller, in: Europäischer Einfluss2, 993, Rn. 21 ff.; Kohler/Pintens, FamRZ 2013, 1437, 1440 f.; Geier, Anerkennungspflichten, 6 ff.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
nach dem Recht des Geburtsortes, einschließlich seines Internationalen Privatrechts, gegeben ist, auch nach der Rückkehr nach Deutschland fortdauern muss, so trifft diese Vorgabe keine Aussage über deren methodische Umsetzung. Das Ergebnis könnte erzielt werden durch die Änderung der bestehenden allgemeinen Kollisionsnorm,2 durch den Erlass einer Sonderkollisionsnorm,3 durch eine verfassungs-, europa- beziehungsweise völkerrechtskonforme Auslegung des bestehenden Kollisionsrechts, durch eine materiellrechtliche Anerkennung der ausländischen Rechtslage, etc. Die folgende Diskussion der Ergebnisvorgaben will daher keine Aussage über diese methodische Frage treffen. Sofern Ergebnisvorgaben entwickelt werden, ist dies weder eine Kritik der Verweisungsmethode des Internationalen Privatrechts noch ein Plädoyer für ein matereriellrechtliches Anerkennungsprinzip.4 Im Gegensatz zum ordre public-Vorbehalt, der ausschließlich der Umsetzung einer Sperrwirkung des höherrangigen Rechts dient, fehlt im deutschen Recht5 eine entsprechende Generalklausel für Fälle, in denen höherrangiges Recht ein bestimmtes Ergebnis positiv fordert, welches durch das einfache (Internationale Privat-)Recht nicht erreicht wird.6 Es überrascht daher wenig, dass diese Perspektive in der Diskussion der internationalen Leihmutterschaft vernachlässigt wird.7 Sicher liegt die Stille in dieser Frage auch daran, dass die Leihmutterschaft herrschend eher kritisch gesehen wird, sodass der Ge-
2 So etwa bei der Anwendung der Gründungs- statt der Sitztheorie als allgemeine Kollisionsnorm des Internationalen Gesellschaftsrechts zur Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen EuGH 9.3.1999, Centros, C-212/97; EuGH 5.11.2002, Überseering, C-208/00; EuGH 30.9.2003, Inspire Art, C-167/01. Vgl. dazu Weller, IPRax 2009, 202; Weller, in: FS Goette, 583. 3 So etwa bei der Umsetzung der Grunkin-Paul-Entscheidung des EuGH durch den Erlass des neuen Art. 48 EGBGB. Vgl. dazu Kohler/Pintens, FamRZ 2013, 1437, 1440. 4 Siehe dazu etwa Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501; Funken, Anerkennungsprinzip; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82; Nordmeier, StAZ 2011, 129; Nordmeier, IPRax 2012, 31; Weller, IPRax 2011, 429; Weller, in: Europäischer Einfluss2, 993, Rn. 21 ff.; Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 4 ff.; Kohler/Pintens, FamRZ 2013, 1437, 1440 f.; Geier, Anerkennungspflichten, 6 ff. 5 Einen anderen Ansatz verfolgt nun Art. 8 des neuen Código de Derecho Internacional Privado der Republik Panama vom 8. Mai 2014. Dieser enthält eine Liste von Grundprinzipien, wie dem Kindeswohl, welche der Richter immer anwendet. Art. 8 bietet somit einen einfachgesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung höherrangigen Rechts. 6 So legt Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525 dar, dass im Rahmen der einfachgesetzlichen Systematik des EGBGB das Kindeswohl nur im Rahmen des ordre public-Vorbehalts berücksichtigt werden kann und somit bei der Leihmutterschaft nur gegen die Anwendung des ausländischen Rechts sprechen kann, die allein zur Abstammung von der Wunschmutter führen würde. 7 Siehe etwa Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 525.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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danke, dass höherrangiges Recht gar eine Abstammung von den Wunscheltern fordern könnte, zunächst fernliegend erscheint.8
A. Ergebnisvorgaben für Zulässigkeit der Leihmutterschaft und Abstammung des Kindes A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
I. Grundrechte
Zunächst können Grundrechte materielle Ergebnisvorgaben begründen.9 Sie binden die staatliche Gewalt umfassend, Art. 1 Abs. 3 GG: den Gesetzgeber beim Erlass von Gesetzen sowie Exekutive und Judikative, also etwa Richter und Standesbeamte, bei deren Anwendung.10 Weder durch Handeln noch Unterlassen darf ein Hoheitsträger gegen sie verstoßen.11 Im Folgenden wird zunächst untersucht, ob es grundrechtliche Vorgaben gibt, die für jede Leihmutterschaft unabhängig von einer internationalen Komponente bestehen. Dies läuft auf eine Prüfung primär inländischer Sachverhalte hinaus, für die eine umfassende Geltung der Grundrechte unproblematisch ist. Sollten solche Vorgaben existieren, ist zu betrachten, ob sie gleichermaßen für Sachverhalte im Ausland gelten, ob also die Grundrechte in entsprechendem Umfang bei einer im Ausland durchgeführten Leihmutterschaft gelten. Wie bei der Vereinbarkeit einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public wird getrennt zwischen Vorgaben für die abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes, die sich mittelbar aus Vorgaben für die Zulässigkeit der Leihmutterschaft ergeben, und Vorgaben, die unmittelbar die Stellung der Elternschaft betreffen. 1. Zulässigkeit der Leihmutterschaft a) Recht auf Familiengründung, Art. 6 Abs. 1 GG Verschiedene Ansätze könnten dafür sprechen, dass ein Verbot der Leihmutterschaft grundrechtlich unzulässig ist. Besondere Beachtung verdient der 8 Vgl. inzwischen jedoch auch Mayer, IPRax 2014, 57, 59 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 574 ff. und 580 ff.; VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a.; EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11; dazu: Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen; Engel, StAZ 2014, 353. 9 Vgl. BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58; Grünberger, in: Rom 0VO?, 82, 104 ff. Kritisch, zumindest zu einer unmittelbaren Berücksichtigung der Grundrechte im Internationalen Privatrecht und dem ordre public-Vorbehalt in dem Sinne, dass ein Grundrechtskollisionsrecht das klassische Verweisungsrecht ersetzen könne: Jayme, in: Bonner Grundgesetz, 127, 129 ff. In diesem Sinne sind die folgenden Ausführungen jedoch nicht zu verstehen. 10 Vgl. Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 Rn. 38 ff., S. 36 f. 11 Maunz/Dürig-Herzog72, Art. 20 GG VI Rn. 41.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Gedanke eines möglichen Rechts auf Familiengründung beziehungsweise auf Fortpflanzung als Teil des Schutzes der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG. Falls ein solches Recht tatsächlich besteht, wie dies teilweise im Ausland angenommen wird,12 könnte es auch die Zulässigkeit der Leihmutterschaft fordern. Art. 6 Abs. 1 GG etabliert die Familie als Raum der persönlichen Lebensgestaltung, in die der Staat nicht oder nur sehr begrenzt hineinwirken kann und in dem die Bürger autonom ihr Leben in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht gestalten können.13 Wegen der besonderen Bedeutung für das private Leben wird ein besonderer Ort individueller Autonomie, aber auch gegenseitiger Bindung und Verantwortung geschaffen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Schutz bereits bestehender Familien. Die Familiengründung ist jedoch als vorgelagerter Akt der selbstbestimmten Entscheidung zu dieser Lebensform in den Schutz einbezogen. Art. 6 Abs. 1 GG schützt auch die Freiheit zur Familiengründung14 und die Freiheit der Eltern, zu entscheiden, wann und wie viele Kinder sie haben wollen.15 Der Staat darf das „Kinderkriegen“ nicht verbieten oder durch Eingriffe, wie Sterilisation oder Kastration, verhindern.16 Im Rahmen der assistierten Reproduktion und eines möglichen Rechtes auf Durchführung einer Leihmutterschaft stellt sich die Frage der Reichweite des sachlichen Schutzbereichs dieses Rechtes. Unklar ist, ob der Einzelne lediglich vor staatlichen Eingriffen in den natürlichen Empfängnis- und Geburtsvorgang geschützt ist, oder ob darüber hinaus auch ein Recht auf eine natürlich nicht mögliche Empfängnis und Geburt besteht; ob also auch der Zugang zu Verfahren der Reproduktionsmedizin geschützt ist und gegebenenfalls in welchem Umfang.17 Besondere Brisanz erhält diese Frage dadurch, dass Art. 6 Abs. 1 GG keine Schranken kennt und somit ein Eingriff, etwa in Form des Verbots eines technisch möglichen reproduktionsmedizinischen Verfahrens, lediglich durch Ein „right to procreational autonomy“ sieht etwa der Supreme Court of Tennessee 1.6.1992, Davis v. Davis, 842 S.W.2d 588, 601. Vgl. Sturm, in: FS Kühne, 924 f. Ähnlich zur EMRK: EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 71; EGMR 22.1.2008, E.B., Az. 43546/02, NJW 2009, 3637, Rn. 43; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 80. Siehe unten bei Kapitel 4 – A.III.1.a), S. 268. 13 BVerfG 18.4.1989, Az. 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 93 f.; BVerfG 4.12.2002, Az. 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27, 53; BVerwG 29.10.1992, Az. 2 C 24/90 (Kassel), NVwZ 1993, 696, 697; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 6 GG Rn. 1; Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 409. 14 von Münch/Kunig-Coester-Waltjen6, Art. 6 GG Rn. 32 und 49; von Mangoldt/Klein/ Starck-Robbers6, Art. 6 Abs. 1 GG Rn. 92; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 100; Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 409; Diel, Leihmutterschaft, 75. 15 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 6 GG Rn. 11. 16 Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 409. 17 Vgl. Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 29. 12
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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konkurrierendes Verfassungsrecht zu rechtfertigen ist.18 Vielfach wird als solch konkurrierendes Verfassungsrecht lediglich die Menschenwürde des zu zeugenden Kindes ernsthaft in Betracht kommen.19 Die Vereinbarkeit mit ihr zu prüfen beziehungsweise eine Beeinträchtigung festzustellen, ist jedoch stets problematisch wegen des Arguments, das Kind wäre ohne das reproduktionsmedizinische Verfahren überhaupt nicht geboren.20 Art. 6 Abs. 1 GG könnte somit zu einem fast grenzenlosen Recht auf Fortpflanzung auf jedwedem, technisch möglichen Wege führen. Gegen ein Recht auf Familiengründung, das die Verwendung technisch möglicher reproduktionsmedizinischer Verfahren einbezieht, spricht zudem systematisch, dass dies zu Wertungsunstimmigkeiten führen würde. Es erscheint widersprüchlich, dass das Recht auf das eigene Leben gemäß Art. 2 Abs. 1 GG unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt steht, ein Recht auf Zeugung eines neuen Lebens jedoch ohne Vorbehalt bestehen soll. Auch überzeugt nicht, dass die Zeugung des neuen Lebens schrankenlos geschützt ist, unmittelbar nach der Zeugung der Schutz jedoch unter einfachem Gesetzesvorbehalt stehen soll. Wie dargestellt wurde, sind die Familie und die Familiengründung als Räume des selbstbestimmten Handelns abseits von staatlichen Einflüssen geschützt.21 Auch aus diesem Ansatz heraus überzeugt es, dass der Staat einerseits in besonderem Maße an Einflussnahme gehindert ist, andererseits aber auch nicht verpflichtet ist, positiv unterstützend einzuschreiten.22 Das Recht auf eigene, unbeeinflusste Gestaltung und Planung bedingt als Kehrseite auch die eigene Verantwortung für das Gelingen dieser Planung. Es ist zwar das selbstbestimmte Handeln an sich geschützt, nicht aber dass dies erfolgreich sein muss. Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, mag geschützt sein. Dies führt jedoch nicht zu einem Recht aus Art. 6 Abs. 1 GG, bei der Umsetzung dieser Entscheidung jegliche technisch möglichen Verfahren der Reproduktionsmedizin verwenden zu dürfen.23 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 6 GG Rn. 23. Vgl. Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 101 ff. Insbesondere ist dies der Fall bei Reproduktionsverfahren, die keine Dritten betreffen, wie etwa bei der postmortalen Insemination oder beim Klonen. 20 Vgl. von Münch/Kunig-Coester-Waltjen6, Art. 6 GG Rn. 32; Maunz/Dürig-Herde72 gen , Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 100. 21 BVerfG 18.4.1989, Az. 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 93 f.; BVerfG 4.12.2002, Az. 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27, 53; BVerwG 29.10.1992, Az. 2 C 24/90 (Kassel), NVwZ 1993, 696, 697; Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 6 GG Rn. 1; Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 409. 22 Vgl. Lindner, Grundrechtsdogmatik, 339. 23 So auch Hillgruber, in: FS Link, 637, 641; HdbVerfR-v. Münch2, § 9 Rn. 32; Lindner, Grundrechtsdogmatik, 339 insbes. Fn. 203; Sachs-von Coelln7, Art. 6 GG Rn. 30; wohl auch Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 410; a. A. von Münch/Kunig-Coester18 19
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
b) Recht auf Heilbehandlung, Art. 2 Abs. 2 GG Kann ein reproduktionsmedizinisches Verfahren noch als Überwindung oder gar Heilung einer körperlichen Beeinträchtigung eines der potenziellen Elternteile verstanden werden und findet letztlich eine natürliche Fortpflanzung mit nur punktuellen medizinischen Eingriffen statt, könnte diese Behandlung als Heilbehandlung zur Herstellung der körperlichen Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG geschützt sein.24 So könnte etwa die Verweigerung einer Hormonbehandlung an dieser Norm zu messen sein. Ähnliches mag gelten, wenn die Frau ein Kind selbst austragen könnte, das vorher unter Verwendung eigener Gameten des Paares in-vitro gezeugt wurde.25 Durch diesen Schutz ist jedoch für die Leihmutterschaft oder gar ein allgemeines Recht auf Fortpflanzung wenig gewonnen. Zum einen wurden auch sonst Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 GG in der Form einer Verweigerung bestimmter Heilbehandlungen eher zurückhaltend angenommen.26 Zum anderen ist schwer abzugrenzen, welche reproduktionsmedizinischen Verfahren noch als Überwindung körperlicher Beeinträchtigungen verstanden werden können.27 So mag eine Hormonbehandlung der Frau oder eine In-vitro-Fertilisation mit dem Sperma des Partners als solche anzuerkennen sein. Unklar wird bereits, ob eine künstliche Befruchtung bei Fremdsamenspende dies erfüllt. Hier wird eventuell zu unterscheiden sein, ob ein Paar eine solche Fremdsamenspende wegen der Unfruchtbarkeit des Mannes verwendet oder ob eine alleinstehende beziehungsweise homosexuelle Frau eine solche verwendet. Zumindest in letzterem Fall überwindet die Fremdsamenspende keine körperliche Beeinträchtigung sondern das Fehlen eines potenziellen Vaters.28 Auch die Leihmutterschaft liegt jenseits solcher Heilbehandlungen. Offenkundig ist dies bei Alleinstehenden oder männlichen homosexuellen Paaren. Selbst wenn ein heterosexuelles Paar eine Leihmutter verwendet, weil die Frau selbst kein Kind austragen kann, wird man nicht mehr von einer Heilbehandlung sprechen können: Durch die Abkopplung der Fortpflanzung von der Waltjen6, Art. 6 GG Rn. 49; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 2002, 183, 188; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 100; wohl auch Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 30. 24 Vgl. BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3400; BeckOKLang23, Art. 2 GG Rn. 82. 25 Eine ähnliche Abstufung nehmen an Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 410. 26 Therapie zur „Verlängerung des Lebens, mindestens aber eine nicht unwesentliche Minderung des Leidens“ bzw. „[krankheitsbedingte] Lebensgefahr“: BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399, 3400; BVerfG 6.12.2005, Az. 1 BvR 347/98, NJW 2006, 891, 894 Rn. 65; BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 82. In den zitierten Entscheidungen waren die hohen Hürden erfüllt, sodass nicht auszuschließen ist, dass ein Eingriff auch bei geringeren Gefährdungen vorliegen kann. 27 Vgl. Rüsken, NJW 1998, 1745, 1746. 28 Rüsken, NJW 1998, 1745, 1746.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Person der Wunschmutter rückt eine Behandlung oder gar Heilung ihrer Beeinträchtigung in den Hintergrund. Es geht lediglich um die Familiengründung an sich. c) Zugang zur Reproduktionsmedizin als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aa) Schutzbereich Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ist sehr weit und erfasst im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit jedes Tun und Unterlassen nach eigenem Willen.29 Auch die Durchführung reproduktionsmedizinischer Verfahren fällt somit unter diesen weiten Schutz. Sowohl Leihmutterschaft an sich als auch die Beauftragung einer Leihmutter durch die Wunscheltern sind durch die allgemeine Handlungsfreiheit der Leihmutter beziehungsweise der Wunscheltern erfasst.30 Mit dem weiten Schutzbereich korrespondiert allerdings die ebenfalls weite Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung. Diese wird verstanden als Gesamtheit aller formell und materiell verfassungsmäßigen Normen.31 Das Familienleben und die Familiengründung sind wichtige Teile der privaten oder gar intimen Lebensplanung. Es ist daher auch an einen weitergehenden Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu denken, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG.32 Art. 6 GG geht speziell auf diesen Lebensbereich ein und verstärkt dabei den gewährten Schutz.33 Nach hier vertretener Ansicht umfasst Art. 6 GG jedoch die ungestörte Familiengründung und nicht die Erfüllbarkeit eines natürlich nicht umsetzbaren Kinderwunsches. Daneben ist daher ein Schutz des Zugangs zu reproduktionsmedizinischen Verfahren durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht möglich.34 Wie die allgemeine Handlungsfreiheit steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich unter Gesetzesvorbehalt. Es erfolgt dabei jedoch eine strengere Prüfung der Verhältnismäßigkeit.35 Eingriffe in die Intimsphäre
BVerfG 16.1.1957, Az. 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 36; BVerfG 6.6.1989, Az. 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137, 152 f.; Maunz/Dürig-Di Fabio72, Art. 2 GG Rn. 12. 30 Bezüglich der Beauftragung durch die Wunscheltern ebenso Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42; bezüglich der Tätigkeit der Leihmutter wohl a. A. Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42. 31 Statt vieler Maunz/Dürig-Di Fabio72, Art. 2 GG Rn. 39. m.w.N. 32 So wohl BGH 21.2.2001, Az. XII ZR 34/99 (OLG Stuttgart), JZ 2001, 983, 984; Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 76; Diel, Leihmutterschaft, 69. 33 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 2 GG Rn. 49. 34 Hieb, Gespaltene Mutterschaft, 28 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 69. 35 BVerfG 15.1.1970, Az. 1 BvR 13/68, NJW 1970, 555, 555; BVerfG 6.5.1997, Az. 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869, 870; BVerfG 26.2.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1137. 29
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
sind wegen des Bezuges zur Menschenwürde nicht zu rechtfertigen.36 Bei der Frage, ob ein Verhalten zur Intim- oder Privatsphäre gehört, ist unter anderem zu berücksichtigen, ob es über die eigene Sphäre hinaus auch die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.37 Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, mag Teil der Intimsphäre sein und ist entsprechend dem besonderen Schutz durch Art. 6 Abs. 1 GG unterstellt.38 Welche Mittel zur Umsetzung eines nicht natürlich erfüllbaren Kinderwunsches eingesetzt werden dürfen, ist jedoch eine Frage, die über die Sphäre des Einzelnen hinausgeht und Bezüge zu der Gemeinschaft hat. Wie die Leihmutterschaft zeigt, werfen reproduktionsmedizinische Verfahren oft zahlreiche ethische Fragen auf und können sich auf das gesamtgesellschaftliche Verständnis von Familie, Kindern etc. auswirken. Die Verwendung reproduktionsmedizinischer Verfahren hat somit einen so starken Bezug zu der Gemeinschaft und Rechten Dritter, dass sie nicht allein die Intimsphäre des Einzelnen betrifft. Eine Rechtfertigung von Eingriffen ist somit möglich, wenn sie „im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots ergriffen werden“.39 bb) Rechtfertigung eines Verbots der Leihmutterschaft Verbietet der Gesetzgeber die Leihmutterschaft, wie er dies zumindest mittelbar in § 1 ESchG und § 13a ff. AdVermiG getan hat, so ist dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit gerechtfertigt, wenn er verhältnismäßig ist. Der Schutz der Leihmutter und des Kindes vor den befürchteten Folgen dieses Verfahrens sowie die Tatsache, dass das Verfahren weiterhin ethisch hoch umstritten ist, sprechen für die Angemessenheit eines solchen Verbotes.40 Gleiches gilt für die oft ange-
BVerfG 15.1.1970, Az. 1 BvR 13/68, NJW 1970, 555, 555; BVerfG 6.5.1997, Az. 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869, 870. Vgl. BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 52. 37 BVerfG 3.3.2004, Az. 1 BvR 2378/98 u. 1 BvR 1084/99, NJW 2004, 999, 1002; BVerfG 26.2.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1137; BeckOK-Lang23, Art. 2 GG Rn. 39. 38 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.1.a), S. 221. 39 St. Rspr. Siehe etwa BVerfG 6.5.1997, Az. 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869, 870; BVerfG 26.2.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1137: „Der Einzelne muss, soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots ergriffen werden“. 40 Vgl. Hillgruber, in: FS Link, 637, 640. Eine Rechtfertigung eines Verbots der Leihmutterschaft durch die Rechte des noch nicht geborenen Kindes verneint Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42 f. Eine mögliche Rechtfertigung sieht er jedoch in dem 36
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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nommene Bindung des Kindes an die Gebärende während der Schwangerschaft.41 Auch die befürchtete Nähe zum Kinderhandel42 oder die Sorge, dass die Leihmutterschaft einen ersten Schritt in diese Richtung bedeuten könnte, stellen angemessene Gründe für diesen Eingriff dar. Ferner kann der Schutz potenzieller Leihmütter vor befürchteten körperlichen oder seelischen Schäden oder vor Ausbeutung als ein Grund zur Rechtfertigung eines solchen Verbotes dienen. Zumindest unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative43 des Gesetzgebers, die bei Prognoseentscheidungen bezüglich des Schutzes vor Bedrohungen, deren tatsächliches Gefährdungspotenzial nicht gänzlich geklärt ist, besonders groß ist, erscheint ein präventives Verbot der Leihmutterschaft angemessen.44 Sollten sich in Zukunft das Verständnis der Auswirkung der Leihmutterschaft auf die Beteiligten verbessern und befürchtete Gefahren sich endgültig als nicht gegeben herausstellen, könnte sich diese Bewertung ändern und ein Verbot der Leihmutterschaft nicht mehr zu rechtfertigen sein. d) Fazit: Zulässigkeit der Leihmutterschaft nicht grundrechtsdeterminiert Es besteht somit keine Pflicht des Gesetzgebers die Leihmutterschaft zuzulassen.45 Wie oben bereits dargestellt, ist jedoch umgekehrt auch ihr Verbot nicht grundrechtlich geboten.46 Es steht im Belieben des Gesetzgebers und somit des demokratischen Entscheidungsprozesses, ob dieses Verfahren hierzulande zugelassen werden soll oder nicht. 2. Vorgaben für die Abstammung des Kindes Zunächst werden im Anschluss mögliche Vorgaben für die Stellung der Wunscheltern als Eltern diskutiert, die nicht spezifisch für die Fälle der im Ausland durchgeführten Leihmutterschaften sind, sondern allgemein und „Verantwortungsprinzip“ in dem Sinne, dass die Handelnden Verantwortung übernehmen müssen für das Kind und die Umstände seiner Entstehung. 41 Hillgruber, in: FS Link, 637, 640. 42 Zu der Abgrenzung zwischen beiden Vorgängen siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 43 Wegen der Rechte des Kindes kann im Rahmen der Elternschaft der Wunscheltern kein solch weiter Einschätzungsspielraum angenommen werden. Siehe unten bei Kapitel 4 – A.III.2.a)cc)(1), S. 275 sowie oben bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172. 44 Hillgruber, in: FS Link, 637, 641; wohl auch Sachs-von Coelln7, Art. 6 GG Rn. 30; Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 410; Diel, Leihmutterschaft, 80. Vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen-Hassemer/Neumann4, Vorbemerkung zu § 1 StGB Rn. 86. 45 Im Ergebnis ebenso Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A42 ff.; Benicke, StAZ 2013, 101, 111. 46 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III., S. 158. Ebenso zum österreichischen Recht VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 24; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., III. 5.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
somit gleichermaßen für im Ausland wie im Inland durchgeführte Leihmutterschaften gelten.47 a) Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren aa) Herleitung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 5 GG Ausgangspunkte möglicher grundrechtlicher Vorgaben für die Elternschaft in Fällen der Leihmutterschaft sind Art. 3 Abs. 3 und 6 Abs. 5 GG. Letzterer gebietet die Gleichbehandlung und Gleichstellung von unehelichen mit ehelichen Kindern. Nicht nur darf der Staat uneheliche Kinder nicht anders behandeln, er muss sogar aktiv auf eine Gleichstellung und Überwindung bestehender Nachteile hinwirken.48 Art. 6 Abs. 5 GG hat lediglich das Kind im Blick,49 auch wenn die Eltern vielfach mittelbar von dem Schutz profitieren werden. Art. 6 Abs. 5 GG ist ein spezieller Gleichheitssatz und lex specialis zu Art. 3 Abs. 3 GG.50 Er steht in enger Verbindung zu dem Gleichheitsgebot aufgrund der Abstammung (als familiäre Einbettung)51 im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG oder stellt einen Teilbereich von diesem dar.52 Gäbe es Art. 6 Abs. 5 GG nicht, ließe sich das Gebot, uneheliche Kinder gleich zu behandeln, auch aus dem Differenzierungsverbot der „Abstammung“ in Art. 3 Abs. 3 GG herleiten.53 Beide Artikel sind eng mit der Menschenwürde verbunden:54 Bei der Ehelichkeit der Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 5 GG handelt es sich wie bei den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG der Abstammung, der Rasse, des Geschlechts, der Heimat (als örtlicher Einbettung) 55 und der Herkunft (als sozialer Einbettung)56 um geburtsbedingte Faktoren,57 auf die der Einzelne keinen Einfluss hat. Wird der Betroffene anhand solcher Faktoren ungleich behandelt, insbesondere benachteiligt, wird er unabhängig von seiner eigenen Person als Individuum schlechter behandelt wegen Umständen, die ihn zufällig Bezüglich der Frage, inwiefern die Grundrechte auch auf ausländische Sachverhalte anwendbar sind siehe unten bei Kapitel 4 – A.I.3., S. 242. 48 BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 50. 49 BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 33. 50 Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 5; von Mangoldt/Klein/StarckRobbers6, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 308. 51 Vgl. Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 38. 52 Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 5 und 41; BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 36. 53 Vgl. Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 41. 54 Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht, Bd. 4/1, 83; Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 1; BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 36. 55 Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 38. 56 Vgl. Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 37 f. 57 Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 39 und 58 f. 47
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treffen und auf die er keinerlei Einfluss nehmen kann.58 Eine Person in dieser Weise pauschalisiert ungleich zu behandeln, verkennt ihre Würde. Schon Art. 1 Abs. 1 GG ist wohl ein Verbot zu entnehmen, aufgrund geburtsbedingter Merkmale ungleich zu behandeln. Art. 6 Abs. 5 und 3 Abs. 3 GG stehen somit nicht für sich allein, sondern sind im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 GG zu verstehen. In diesem Sinne kann die Aussage, die hinter Art. 3 Abs. 3 und 6 Abs. 5 GG steht und die sich auch aus Art. 1 Abs. 1 GG ergibt, auch dahingehend verallgemeinert werden, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren nicht zulässig ist. „Abstammung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG bezeichnet die Identität der Eltern und das familiäre Umfeld, in das der Einzelne hineingeboren wird.59 Die Art der Zeugung und Geburt ist daher nicht unmittelbar unter dieses Merkmal zu subsumieren. Stellt das Merkmal der Abstammung, wie das der Rasse, Herkunft, des Geschlechts und der Heimat jedoch Umstände dar, die geburtsbedingt sind und schon aufgrund von Art. 1 Abs. 1 GG kein Anlass zur Ungleichbehandlung sein dürfen, so scheint die Aufzählung der geburtsbedingten Merkmale in Art. 3 Abs. 3 GG nicht zwingend abschließend, sondern beispielhaft zu sein, sodass der Gedanke und das Gleichheitsgebot dahinter sich auch auf andere geburtsbedingte Faktoren anwenden lässt, selbst wenn sich diese nicht klar unter eines der Merkmale des Art. 3 Abs. 3 oder 6 Abs. 5 GG subsumieren lassen. Das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren, lässt sich somit von den ausdrücklich erwähnten Gleichheitsgeboten lösen.60 Neben den ausdrücklich genannten geburtsbedingten Faktoren müssen von diesem Gebot auch die Umstände der Geburt und Zeugung erfasst sein. Wie auf die Personen der Eltern hat das Kind keinen Einfluss auf die Umstände seiner Empfängnis und Geburt. In diesem Sinne darf die Behandlung eines Kindes nicht davon abhängen, ob das Kind durch natürliche Befruchtung oder assistierte Reproduktion ins Leben trat. Zwar mag eine Ungleichbehandlung der Eltern gegenüber anderen Eltern zum Teil möglich erscheinen.61 Bezüglich des Kindes sind die Umstände seiner Geburt und die Beziehung zwischen den Eltern kein Kriterium, mit dem ein Kind von einem anderen Kind in der rechtlichen Behandlung unterschieden werden darf. Ein Kind, welches mittels Reproduktionsmedizin gezeugt wurde, darf somit grundsätzlich nicht anders behandelt werden als ein Kind das natürlich empfangen und geboren wurde. Auch die Tatsache, dass 58 BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 36; Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 59. 59 Maunz/Dürig-Dürig/Scholz72, Art. 3 Abs. 3 GG Rn. 37 ff. 60 Vgl. BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 36. 61 Die Ungleichbehandlung verschiedener Mütter im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 GG für unzulässig hält auch HdbVerfR-v. Münch2, § 9 Rn. 32.
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ein Kind von einer Leihmutter geboren wurde, ist somit ein Umstand der Geburt, der nicht Anlass einer Ungleichbehandlung des Kindes werden darf. bb) Verbot der Ungleichbehandlung bei der Eingliederung in die Familie Eine der ersten Fragen die sich bei der Geburt eines Kindes stellt und die für viele anschließende Fragen entscheidend ist, ist die der Abstammung des Kindes, also der rechtlichen Zuordnung zu Eltern, zu einer Familie. Das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren muss diese grundlegende Frage einschließen. Wäre diese Frage der rechtlichen Integration eines Kindes in die Gesellschaft nicht erfasst, dann wäre ein Gleichheitsgebot nahezu wertlos. Kindern aufgrund geburtsbedingter Faktoren rechtliche Eltern zu verweigern, ist eine Ungleichbehandlung von sehr großer Tragweite. Auch ein Kind, das durch Leihmutterschaft geboren wurde, hat somit das Recht, bezüglich der Integration in die Familie grundsätzlich gleich behandelt zu werden. Es hat ein Recht auf eine rechtliche Eingliederung, die nicht unnötig abweicht beziehungsweise erschwert ist gegenüber derjenigen bei einer natürlichen Empfängnis und Geburt.62 cc) Recht auf Eingliederung in welche Familie? Bei der Leihmutterschaft stellt sich weiter die Frage, welche Familie im Sinne des Verbots der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren die entscheidende ist, in welche Familie also die Eingliederung erfolgen muss: in die der Wunscheltern oder der Leihmutter? Eventuell lassen sich aus Art. 6 GG Vorgaben entwickeln. Art. 6 Abs. 1 GG fasst jedoch den Begriff der Familie sehr weit und schützt auch die tatsächliche Familiengemeinschaft, unabhängig von der rechtlichen Verwandtschaft.63 Auch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG hilft nicht unmittelbar. In seiner Definition der „Eltern“ greift Abs. 2 grundsätzlich auf das einfache Recht zurück.64 Da hier jedoch gerade der Maßstab dafür entwickelt werden soll, ob die Eingliederung des Kindes in seine Familie nach dem einfachen Recht dem Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren genügt, kann bei dieser Frage nicht darauf zurückgegriffen werden, welcher Familie das Kind einfachgesetzlich bereits zugeordnet wird. Dies wäre ein Zirkelschluss. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG macht sonst nur wenig abstrakte, objektiv rechtliche Vorgaben: Er bestimmt kein „Rangverhältnis zwischen der biologischen und sozialen Elternschaft“65. Fallen genetische und soziale Vaterschaft etwa ausVgl. Diel, Leihmutterschaft, 81 und 113 f.; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675. BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 60 ff. 64 BVerfG 17.1.1957, Az. 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 82; BVerfG 17.7.2002, Az. 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 345. Vgl. Sachs-von Coelln7, Art. 6 Rn. 14. 65 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(2), S. 65 und Kapitel 3 – A.II.1, S. 151. 62 63
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einander, kann grundsätzlich der Gesetzgeber entscheiden, welche Vorrang genießen soll.66 Dabei hat er jedoch die Interessen der Beteiligten abzuwägen und insbesondere das Wohl des Kindes zu berücksichtigen.67 Zu verschiedenen Gelegenheiten hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die Bedeutung der sozialen Elternschaft, gerade bei deren Abweichen von der leiblichen Elternschaft, betont.68 Ist ein Rückgriff auf das einfache Recht nicht möglich und kennt Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG kein grundsätzliches Rangverhältnis der verschiedenen Grundlagen der Elternschaft, so ist das Kindeswohl die einzige Vorgabe, die Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu entnehmen ist. Die Bedeutung des Kindeswohls zeigt sich etwa darin, dass der Schutz von Ehe, Familie und nichtehelichen Kindern insgesamt das Wohl des Kindes fördern sollen.69 Ist das Kindeswohl das letztendliche Schutzziel des Art. 6 GG,70 kann es auch bei der Ausrichtung der familiären Integration die Richtung weisen. Wie oben dargelegt, ist davon auszugehen, dass die Integration in eine Familie mit den Wunscheltern als soziale Eltern für das Wohl des Kindes am förderlichsten ist, sofern die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergeben hat.71 Gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem sich deutsche Hoheitsträger mit der Frage der Abstammung des Kindes befassen, lebt das Kind regelmäßig bereits bei den Wunscheltern, oft bereits eine geraume Zeit, sodass die tatsächliche soziale Integration in die Familie bereits begonnen hat. Auch im Rahmen des Verbots der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren ist somit die Integration in die Familie der Wunscheltern entscheidend.72 dd) Notwendige Ungleichbehandlung Wie bei anderen Gleichheitsgeboten ist eine völlige schematische Gleichbehandlung weder möglich noch geboten. Eine Ungleichbehandlung kann notwendig sein.73 Zu rechtfertigen ist eine solche, falls sonst die Verletzung anderer, gleichrangiger Güter droht oder die soziale Realität der Kinder derart
BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154; dazu Wedemann, Konkurrierende Vaterschaften, 100 f. m.w.N. 68 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(2), S. 65. 69 BVerfG 29.1.1969, Az. 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167, 195 ff.; BVerfG 7.5.1991, Az. 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 185; BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 24. 70 Vgl. von Mangoldt/Klein/Starck-Robbers6, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 306. 71 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(1), S. 61. Eine Präferenz zugunsten der tatsächlich bestehenden sozialen Familie lässt sich wohl auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen: siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(2), S. 65. 72 Vgl. LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 73 Vgl. BoKo-Seiler170, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 37. 66 67
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voneinander abweicht, dass eine unterschiedliche Regelung zwingend ist.74 Eine Abweichung ist dann jedoch nur so weit zulässig, wie sie diese Gründe fordern. Das Verbot der Ungleichbehandlung bewirkt dabei eine Art „Beweislastumkehr“.75 Es können somit wegen der unterschiedlichen Gestalt verschiedener Familien teils erhebliche Unterschiede im Abstammungsrecht notwendig sein. Dies untersagt das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren nicht. Wohl aber fordert es, dass diese Abweichungen so gering wie möglich gehalten werden und nur solche Ungleichbehandlungen erfolgen, die zwingend notwendig sind. Diese Vorgabe läuft letztlich auf ein abgestuftes Abstammungsrecht hinaus von der ehelichen Abstammung bis hin zu der ergebnisoffenen Adoption über Zwischenschritte wie etwa die Anerkennung bei Geburt außerhalb einer Ehe, Geburt nach Gameten-Spende oder Stiefkindadoption. Das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren fordert, dass auf diesem Spektrum jeder Schritt weg von einer ungehinderten Begründung der Abstammung zu rechtfertigen ist. (1) Notwendige Ungleichbehandlung bei Leihmutterschaft Die soziale Realität der Kinder, die durch eine Leihmutterschaft geboren wurden, weicht grundsätzlich nicht in relevantem Maße von der natürlich gezeugter Kinder ab. Hürden auf dem Weg zur rechtlichen Integration in eine Familie mit den Wunscheltern wären somit nur zum Schutz gleichrangiger Güter zulässig, etwa um eine Grundrechtsbedrohung, die von einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern ausgeht, zu verhindern. Wie oben dargelegt wurde, beeinträchtigt eine solche Elternschaft der Wunscheltern jedoch grundsätzlich keine Grundrechte.76 Auch das inländische Verbot der Leihmutterschaft an sich kann, da es nicht durch höherrangiges Recht geboten ist und somit kein gleichrangiges Gut darstellt,77 eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Pointiert ausgedrückt bedeutet dies, die Wunscheltern müssen trotz des hiesigen Verbots der Leihmutterschaft die Elternschaft erwerben können, sofern ein Kind tatsächlich geboren wird und die Leihmutter es ihnen freiwillig übergibt. Dieses Ergebnis mag intuitiv nicht unmittelbar überzeugen.78 Anders als bei anderen Gesetzesverstößen oder -umgehungen, etwa 74 BVerfG 18.11.1986, Az. 1 BvR 1365/84, BVerfGE 74, 33, Rn. 24; BVerfG 7.5.1991, Az. 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 185. Vgl. von Mangoldt/Klein/Starck-Robbers6, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 314. 75 BVerfG 18.11.1986, Az. 1 BvR 1365/84, BVerfGE 74, 33, Rn. 24. 76 Anders bei einer erzwungenen Herausgabe des Kindes bzw. verweigerten Rückgabe kurz nach einer anfänglich freiwilligen Herausgabe. Siehe dazu Kapitel 3 – E.I., S. 194 bzw. Kapitel 4 – A.V.2., S. 293. 77 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III., S. 158. 78 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 31.
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beim Erwerb gefälschter Markenprodukte oder verbotener Rauschmittel, ist die „Frucht“ der Gesetzesumgehung hier jedoch ein Mensch, also ein eigenes Rechtssubjekt. Dessen Rechte begrenzen die Möglichkeiten, eine Gesetzesumgehung zu ahnden. Durch die Möglichkeit, faktisch das Verbot der Leihmutterschaft zu umgehen, stößt die Rechtsordnung an ihre Grenzen. Auch wenn die Unzulässigkeit der Sanktionierung einer Umgehung des Leihmutterschaftsverbots im Rahmen des Abstammungsrechts überraschen oder verärgern mag, muss die Rechtsordnung wegen der Rechte des Kindes die soziale Realität rechtlich anerkennen. Nur wenn die Leihmutter das Kind behalten möchte beziehungsweise gezwungen wurde, es herauszugeben, fordert die Menschenwürde und der Schutz der Intimsphäre der Leihmutter, dass eine Elternschaft der Wunscheltern verhindert wird.79 In diesem Fall ist es geboten, die Elternschaft anders zu behandeln, als wenn die Leihmutter das Kind freiwillig übergibt. Nach gewisser Dauer gewinnt das Interesse des Kindes an der Kontinuität seiner Bezugspersonen jedoch auch in diesen Fällen Oberhand, sodass dann die Rückführung des Kindes zur Leihmutter nicht mehr geboten ist.80 (2) Adoption: keine notwendige Ungleichbehandlung Häufig können nach dem bestehenden einfachen Recht die Wunscheltern durch eine Adoption die rechtliche Elternschaft erwerben. Oft wird dies als Kompromiss begrüßt, durch den die Umgehung eines inländischen Verbots der Leihmutterschaft sanktioniert werden kann, die Folgen für das Kind jedoch abgefedert werden können.81 Diese Ungleichbehandlung der Kinder, die durch eine Leihmutterschaft geboren wurden, ist jedoch nur zulässig, wenn die Adoption zum Schutz gleichrangiger Rechte oder Interessen Dritter zu rechtfertigen ist.82 Adoptionen sollen Kinder schützen, deren Eltern nicht im Stande sind, sie aufzuziehen. Es gibt dabei anfangs niemand, der die elterliche Verantwortung für das Kind übernehmen will oder kann, weshalb geeignete Eltern gefunden werden müssen. Die Situation der Leihmutterschaft ist eine andere: Hier bekunden die Wunscheltern schon vor der Zeugung, dass sie diese Verantwortung übernehmen wollen. Es fehlt dem Kind nicht an sozialen Eltern, sondern meist an der rechtlichen Abstammung von diesen. Besonders unpas-
Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II., S. 199. Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205. 81 Benicke, StAZ 2013, 101, 111; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 503 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 120 f.; Engel, ZEuP 2014, 538, 559. 82 BVerfG 18.11.1986, Az. 1 BvR 1365/84, BVerfGE 74, 33, Rn. 24; BVerfG 7.5.1991, Az. 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 185. Vgl. von Mangoldt/Klein/Starck-Robbers6, Art. 6 Abs. 5 GG Rn. 314. 79 80
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send erscheint die Notwendigkeit einer Adoption, wenn die Wunscheltern selbst die genetischen Eltern sind.83 Zum Schutz des Rechtes der Leihmutter, sich gegen die Herausgabe des Kindes zu entscheiden, ist die Einwilligung der Leihmutter in die Adoption, § 1747 BGB beziehungsweise Art. 4 lit. c HAdoptÜ84, als Abweichung von der Abstammung bei natürlicher Empfängnis zu rechtfertigen. Die Anwendung anderer Teile eines Adoptionsverfahrens auf Fälle der Leihmutterschaft ist jedoch nicht gerechtfertigt. Dies betrifft etwa die ergebnisoffene Suche von Annehmenden und die generelle Prüfung der Eignung der Annehmenden (Art. 5 lit. a und 15 HAdoptÜ beziehungsweise §§ 7 f. AdVermiG),85 die vorherige Adoptionspflege (§ 1744 BGB und § 8 AdVermiG),86 die Adoptionsbegleitung (§ 9 AdVermiG),87 das Erfordernis, dass eine Zustimmung nicht durch Zahlung oder andere Gegenleistung herbeigeführt wurde (Art. 4 lit. c Nr. 3 HAdoptÜ), oder die Subsidiaritätsprüfung bei internationalen Adoptionen (Art. 4 lit. b HAdoptÜ beziehungsweise Art. 21 lit. b UNKinderrechtskonvention).88 Problematisch ist auch die Vorgabe des Art. 4 lit. c Nr. 4 HAdoptÜ, dass die Zustimmung der Mutter erst nach der Geburt erteilt werden darf. Schwierigkeiten kann dies bei der Leihmutterschaft hervorrufen, da eine ursprüngliche Einwilligung der Leihmutter zur Leihmutterschaft sogar vor der Befruchtung erfolgen muss, da diese im Hinblick auf die Abgrenzung zum Kinderhandel entscheidend ist.89 Auch kann es Probleme verursachen, wenn sich das Kind noch im Land der Geburt befindet und dort die Adoption erfolgen soll, obwohl aus Sicht des dortigen Rechts regelmäßig die Wunscheltern die rechtlichen Eltern sind und eine Adoption somit nicht
83 Dethloff, Familienrecht30, § 10 Rn. 94. Die Schwächen einer Adoptionslösung betont auch Witzleb, in: FS Martiny, 203, 214. Überzeugen kann die Notwendigkeit einer Adoption durch genetische Eltern etwa im Rahmen einer „Rückadoption“, wenn also die genetischen Eltern, die das Kind ursprünglich zur Adoption freigaben, das Kind später – etwa nach dem Tod der Person(en), die das Kind angenommen hatten – nun doch wieder selbst adoptieren wollen. Siehe CoesterWaltjen, Familienrecht6, § 68 V Rn. 43, S. 879 f. Ein solcher Fall liegt in der Leihmutterschaft regelmäßig nicht vor. 84 Die Anwendung des HAdoptÜ ist unklar, da vielfach nach dem Verständnis des Rechts des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft eine Adoption nicht notwendig ist. Siehe dazu Benicke, StAZ 2013, 101, 112. 85 Dazu Reinhardt, AdVermiG, § 7 AdVermiG Rn. 1 ff. 86 Dazu BeckOK-Enders34, § 1744 BGB Rn. 2 f.; Reinhardt, AdVermiG, § 8 AdVermiG Rn. 4. 87 Dazu Reinhardt, AdVermiG, § 9 AdVermiG Rn. 1 ff. 88 Hague Conference on Private International Law, International Surrogacy Arrangements, 2011, 21 f.; vgl. Jayme, IPRax 1996, 237, 238; Coester-Waltjen, Familienrecht6, § 68, S. 869 ff. 89 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180.
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angezeigt ist.90 Es ist daher etwa fraglich, ob in diesen Fällen die zuständigen Behörden vor Ort bei einer Adoption mitwirken würden; dieselbe Schwierigkeit kann bestehen, falls das Kind bereits in Deutschland ist und bei der Beschaffung der Zustimmung der Leihmutter in die Adoption eine Mitwirkung der Behörden des Geburtsortes notwendig wäre, diese aus dem genannten Grund eine Adoption jedoch für nicht notwendig erachten.91 Auch birgt die Notwendigkeit einer Adoption die Gefahr, dass die Wunscheltern die Annahme des Kindes doch ablehnen könnten, etwa weil dies behindert ist.92 Die Wunscheltern könnten sich dann der Verantwortung für das Kind entziehen. Insgesamt verzögert ein volles Adoptionsverfahren erheblich die Begründung der rechtlichen Abstammung von den Wunscheltern und verursacht einen großen Aufwand, bei ungewissen Erfolgsaussichten.93 Dies zeigt auch die bisherige Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Adoption in Fällen der ausländischen Leihmutterschaft, die teilweise eine Adoption verweigerten.94 Das Adoptionsverfahren ist deutlich aufwändiger als es ein Verfahren sein müsste, welches notwendig wäre, um einerseits die schnelle rechtliche Integration des Kindes in die Familie der Wunscheltern zu ermöglichen und gleichzeitig die Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes durch die Leihmutter beziehungsweise ihr Recht, das Kind doch zu behalten, zu schützen. Ist das Adoptionsverfahren tatsächlich bezüglich der späteren Adoptiveltern ergebnisoffen,95 so wäre dies eine Verletzung der dargestellten Ergebnisvorgaben und würde zudem den Schutz des sozialen Familienlebens und das Interesse des Kindes an der Kontinuität der Bezugspersonen gefährden.96 Anders liegt der Fall, wenn das Adoptionsverfahren faktisch nicht ergebnisoffen ist, sondern feststeht, dass die Wunscheltern das Kind adoptieren können, allerdings erst nach Durchlaufen des entsprechenden Verfahrens. Auch in diesem Fall verbleiben einzelne Bedrohungen für das Familienleben. Wird die Leihmutterschaft im Ausland durchgeführt, so ist das Adoptionsverfahren Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; MüKo-Helms6, Art. 19 EGBGB Rn. 58. So wohl demnächst Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. 92 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 59 f. 93 Basedow, Open Societies – Hague General Course, 426; Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675: „zu lückenhafte Lösung“; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 585; MüKoHelms6, Art. 19 EGBGB Rn. 58: „Adoption ist in Auslandsfällen [der Leihmutterschaft] kaum realistisch“. 94 So haben in diesen Fällen Gerichte bereits die Adoption scheitern lassen, da sie die gesteigerte Hürde des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB als einschlägig, aber nicht erfüllt ansahen: AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. Siehe Kapitel 4 – B.II.2.b)bb), S. 316. Die Unsicherheit betont auch ausdrücklich LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 49 f., obwohl dies im Einzelfall eine Adoption zuließ. 95 So wohl etwa Engel, ZEuP 2014, 538, 559 f. 96 Vgl. EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 71 ff. und 86 f.; dazu: Duden, StAZ 2015, im Erscheinen. 90 91
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deutlich aufwändiger. Zudem kann die anfangs mangels Abstammung von den deutschen Wunscheltern fehlende deutsche Staatsangehörigkeit erhebliche Schwierigkeiten bei der Einreise des Kindes verursachen.97 Wird das Adoptionsverfahren nur „pro forma“ durchlaufen,98 zeigt sich zudem, dass es lediglich dazu dient, der rechtlichen Integration des Kindes in die Familie der Wunscheltern und dem Beginn eines ungestörten Familienlebens Steine in den Weg zu legen, um andere von der Durchführung einer Leihmutterschaft abzuschrecken und die Umgehung des deutschen Verbotes der Leihmutterschaft zu sanktionieren.99 Dies widerspricht gerade den dargestellten Ergebnisvorgaben. Eine Sanktionierung oder Generalprävention darf nicht auf Kosten der Rechte des Kindes erfolgen. Dass die Wunscheltern das Kind adoptieren können und über diesen Umweg das Kind letztlich doch rechtlich in die Familie der Wunscheltern integriert werden kann, ist keine gerechtfertigte Ungleichbehandlung und erfüllt somit nicht die Vorgaben des Verfassungs- und Völkerrechts. Allein die Notwendigkeit, in Fällen der Leihmutterschaft den Umweg der Adoption gehen zu müssen, ist eine unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren.100 Der Umweg der Adoption ist mit dem Gebot der Gleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren nicht vereinbar.101 ee) Keine Differenzierung nach Folgefragen der Elternschaft Es handelt sich bei dem Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren um ein umfassendes Gleichheitsgebot. Grundsätzlich sind keine Rechte Dritter oder andere Gründe ersichtlich, aufgrund derer die Ungleichbehandlung in gewissen Folgefragen zu rechtfertigen wäre. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, wenn zwar die Wirkungen oder nur manche Wirkungen einer Abstammung des Kindes von den Wunscheltern eingeräumt würden, nicht aber die rechtliche Abstammung an sich oder wenn zwischen den ver-
97 So etwa in dem Fall High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Jan Balaz v. Anand Municipality, Special Civil Application No. 3020/2008. 98 Vgl. KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 34; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1249 f. 99 So ausdrücklich Benicke, StAZ 2013, 101, 111: „Der Zwang, ein Adoptionsverfahren durchführen zu müssen, wahrt zumindest teilweise die präventive Wirkung des inländischen Verbots.“ 100 So bezüglich des Erfordernisses der Adoption unehelicher Kinder durch die leibliche Mutter sehr deutlich EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 55: „[B]ereits die Notwendigkeit, sich zur Ausschaltung besagter Ungleichbehandlung des Hilfsmittels der Adoption zu bedienen, [ist] für sich allein eine Diskriminierung“. 101 Vgl. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 585 f.; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 58 ff.; a. A. Benicke, StAZ 2013, 101, 111; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 503 ff.; Diel, Leihmutterschaft, 120 f.
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schiedenen Rechtsfolgen der Elternschaft differenziert würde. Dies wäre eine Abstammung zweiter Klasse, die dem Gleichheitsgebot zuwiderliefe.102 b) Verbot der Ungleichbehandlung der Mutter- und Vaterschaft, Art. 3 Abs. 2 GG Weitere Vorgaben für die Elternschaft bei der Leihmutterschaft können sich aus Art. 3 Abs. 2 GG ergeben. Es stellt sich die Frage, ob es zu rechtfertigen ist, wenn der Wunschvater rechtlicher Elternteil werden kann, die Wunschmutter jedoch nicht. Dies ist etwa im aktuellen deutschen Recht der Fall.103 Eine Rechtfertigung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist nur unter sehr hohen Voraussetzungen möglich. Die Differenzierung muss zwingend erforderlich sein „zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können.“104 Soziale Befunde oder Argumente, die letztlich auf tradierte Rollverständnisse und nicht auf natürliche Gegebenheiten zurückgehen, reichen nicht aus.105 Auch kollidierendes Verfassungsrecht kann eine Diskriminierung rechtfertigen.106 Eine Differenzierung könnte es rechtfertigen, wenn sich während der Schwangerschaft aufgrund biologisch-medizinischer Umstände bereits eine so starke Bindung zwischen dem Kind und der Schwangeren aufbaut, die es zwingend erforderlich macht, dass diese Frau später auch die Mutterschaft erwirbt. Die oben genannten psychologischen Untersuchungen zu Fällen der Eizellspende und Leihmutterschaft werfen insoweit jedoch erhebliche Zweifel auf. Die Verwendung einer fremden Eizelle scheint die Mutter-KindBeziehung nicht zu belasten. Ebenso scheinen weder das Kind noch die biologische Mutter, die das Kind freiwillig nach der Geburt anderen übergibt, erheblich unter dieser Trennung zu leiden.107 Eine aus dem natürlichen Vorgang der Schwangerschaft und Geburt resultierende besondere Bindung, die
102 Eine Ausnahme bilden Fälle, in denen die Leihmutter zur Herausgabe des Kindes gezwungen wurde oder eine Rückgabe kurz nach der ursprünglich freiwilligen Übergabe verweigert wurde. Da hier die Stellung der Wunscheltern als Eltern die Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter perpetuiert, dürfen die Wunscheltern (zumindest anfänglich) nicht die Elternschaft erwerben. Damit dabei keine unzulässigen Nachteile für das Kind entstehen, müssen gewisse Rechtsfolgen der Elternschaft dennoch bestehen. Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.d), S. 207. 103 Siehe oben bei Kapitel 1 – B., S. 21. Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 229 f. 104 So das BVerfG seit BVerfG 1.10.1991, Az. 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, BVerfGE 85, 191, 207 Rn. 56; vgl. BeckOK-Kischel23, Art. 3 GG Rn. 191. 105 BVerfG 1.10.1991, Az. 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, BVerfGE 85, 191, 208 f. Rn. 59 f. 106 BeckOK-Kischel23, Art. 3 GG Rn. 191. 107 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 bzw. Kapitel 3 – A.II.2., S. 155.
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eine Mutterschaft der Gebärdenden zwingend erforderlich machen würde, scheint zweifelhaft.108 Oft besteht eine besondere Bindung an die biologische Mutter wohl deshalb, da fast immer die biologische Mutter auch die soziale Mutter wird und häufig primär die Sorge für das Kind übernimmt. Diese besondere Bindung ist jedoch weniger der Natur und mehr den tatsächlichen Umständen und der bestehenden Rollenverteilung geschuldet. Sie kann eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Zumal eine solche Nähe, die auf Umständen nach der Geburt aufbaut, ohnehin eher dafür sprechen würde, dass die Person, die die tatsächliche Sorge für das Kind übernommen hat, auch die rechtliche Elternschaft übernehmen kann. Dies würde somit für eine rechtliche Mutterschaft der sozialen Mutter sprechen. Gegen eine Notwendigkeit der Mutterschaft der biologischen Mutter sprechen auch die Fälle, in denen die Leihmutter die soziale Mutterschaft nicht übernehmen will. Kann die Wunschmutter, die auch soziale Mutter ist, in diesem Fall nicht die rechtliche Mutterschaft erwerben, kann man dies nicht mit der besonderen natürlichen Bindung zwischen der Gebärenden und dem Kind begründen. Es ist somit nicht überzeugend, dass bezüglich der Mutterschaft, nicht aber der Vaterschaft, ein zwingendes Bedürfnis besteht, einen Gleichlauf zwischen leiblicher und rechtlicher Abstammung zu gewährleisten. Konkurrierendes Verfassungsrecht könnte nun noch eine Diskriminierung rechtfertigen.109 Zwar fordert Art. 6 Abs. 2 GG eine gewisse Verbindung zwischen der leiblichen und der rechtlichen Elternschaft.110 Zwischen der Mutterschaft und Vaterschaft differenzierte Anforderungen sind dabei jedoch nicht ersichtlich. Wie die Vaterschaft lässt auch die Mutterschaft eine Abweichung zwischen rechtlicher und leiblicher Abstammung zu, solange ein Gleichlauf der „Regelfall“ bleibt.111 Nicht rechtfertigen kann die Diskriminierung weiterhin der Verweis auf die Adoption, durch die letztlich auch die Wunschmutter die Mutterschaft erwerben kann. Dass durch einen Umweg letztlich dasselbe Ergebnis erzielt werden kann, verdeutlicht vielmehr, dass es für die Ungleichbehandlung keine zwingenden Gründe gibt.112 Es besteht somit die Vorgabe aus Art. 3 Abs. 2 GG, dass die rechtliche Vaterschaft und Mutterschaft bei der Leihmutterschaft gleich zu behandeln Diel, Leihmutterschaft, 53 ff.; Engel, ZEuP 2014, 538, 555 f. BeckOK-Kischel23, Art. 3 GG Rn. 191. 110 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. Wobei auch hier nicht klar ist, ob bei dieser Forderung des Bundesverfassungsgerichtes mit der leiblichen Abstammung die genetische oder biologische – auf Schwangerschaft und Geburt basierende – Mutterschaft gemeint wäre. 111 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. 112 Vgl. EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 55. 108 109
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sind.113 Der Wunschmutter darf die rechtliche Elternschaft nicht verweigert werden, wenn der Wunschvater diese, etwa durch eine Vaterschaftsanerkennung, erwerben kann. Allein hieraus lässt sich jedoch keine materielle Ergebnisvorgabe zugunsten der Elternschaft der Wunscheltern herleiten, da eine Gleichbehandlung sowohl durch eine Verweigerung als auch eine Gewährung der rechtlichen Elternschaft beider Wunscheltern gewährleistet wäre. c) Schutz der Familie und Elternrecht, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG Denkbar wären Vorgaben für die Abstammung des Kindes aus Art. 6 Abs. 1 oder 2 GG. Art. 6 Abs. 1 GG fasst den Begriff der Familie weit. Er schützt auch die tatsächliche Familiengemeinschaft, also soziale Familie, unabhängig von der rechtlichen Verwandtschaft.114 Er schützt jedoch lediglich das tatsächliche Familienleben. Ein Recht auf eine rechtliche Elternschaft lässt sich daraus nicht herleiten, da sonst ein rein tatsächliches Familienleben grundsätzlich ein Recht auf ein rechtliches Verwandtschaftsverhältnis begründen würde.115 In seiner Definition der „Eltern“ greift Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich auf das einfache Recht zurück.116 Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist somit nur anzunehmen, wenn das einfache Recht dessen objektiv-rechtlichen Vorgaben nicht genügt.117 Solche Vorgaben nimmt das Bundesverfassungsgericht zurückhaltend an. Es entnimmt der Vorschrift etwa kein „Rangverhältnis zwischen der biologischen und sozialen Elternschaft“118. Dass rein soziale Eltern auch ohne Adoption die rechtlichen Eltern werden können müssen, ist somit aus Abs. 2 nicht herzuleiten. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG schreibt jedoch vor, dass grundsätzlich die leiblichen Eltern nicht an einem Erwerb der Elternschaft gehindert werden dürfen.119 Übergibt die Leihmutter den Wunscheltern freiwillig das Kind und will außer dem genetisch verwandten Wunschvater, der nun auch sozialer Vater ist, niemand die Vaterschaft erwerben, dann verstößt es gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1
Andrae, Internationales Familienrecht3, § 5 Rn. 52, S. 375 f. Im Ergebnis ebenso, jedoch ohne Bezug zu Grundrechten Witzleb, in: FS Martiny, 203, 214. In diese Richtung auch BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 26a; vgl. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 567. 114 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 60 ff. Vgl. Kirchhof, AöR 2004, 542, 549; Dethloff, JZ 2014, 922, 927. 115 I. E. so auch Mayer, StAZ 2015, 33, 37. 116 BVerfG 17.1.1957, Az. 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 82; BVerfG 29.7.1959, Az. 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 66; BVerfG 17.7.2002, Az. 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 345; vgl. Sachs-von Coelln7, Art. 6 Rn. 14 f. 117 Vgl. Maunz/Dürig-Badura72, Art. 6 GG Rn. 101 f. 118 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2154. 119 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2155. 113
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GG wenn ihm der Erwerb der rechtlichen Elternschaft verwehrt wird.120 Dass eine genetisch verwandte Wunschmutter, die auch soziale Mutter ist, trotz der biologischen Mutterschaft der Leihmutter in diesen Fällen ebenfalls die Mutterschaft erwerben können muss, ist wegen des noch unbestimmten Verhältnisses zwischen der biologischen und genetischen Mutterschaft im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht klar. Will die Leihmutter die Mutterschaft nicht erwerben, scheint ein solches Recht allerdings wahrscheinlich. Auch bezüglich der Vaterschaft stellt eine fehlende genetische Vaterschaft des sozialen Vaters nur dann ein Problem beim Erwerb der rechtlichen Vaterschaft dar, wenn der genetische Vater die Vaterschaft selbst erwerben will.121 Für genetisch verwandte Wunscheltern, denen die Leihmutter das Kind freiwillig übergeben hat und die daher ebenfalls die sozialen Eltern sind, fordert Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG die Möglichkeit, die rechtliche Elternschaft zu erwerben. d) Generalprävention und Menschenwürde des Kindes, Art. 1 Abs. 1 GG Vorgaben können bestehen bezüglich der Frage, ob zur Generalprävention nach einer verbotenen Leihmutterschaft die Elternschaft der Wunscheltern verweigert werden darf. Durch die rechtlichen Unsicherheiten und Hindernisse sollen andere davon abgehalten werden, ebenfalls das Verbot der Leihmutterschaft zu umgehen. Die Menschenwürde des Kindes könnte sich hiergegen sperren. Übergibt die Leihmutter freiwillig den Wunscheltern das Kind und übernehmen diese die soziale Elternschaft, so dient es regelmäßig dem Wohle des Kindes, wenn die Wunscheltern auch rechtliche Eltern werden. Wird dennoch deren Elternschaft verweigert, so widerspricht dies dem Kindeswohl. Grundsätzlich mag die Generalprävention ein überzeugender Grund für die Auferlegung von Lasten sein. So stellt sie etwa einen der Hauptpfeiler des Strafrechts dar.122 Bei der Generalprävention wird jedoch der Einzelne in den Dienst eines gesamtgesellschaftlichen Anliegens gestellt. Ihm wird eine Last aufgebürdet, die Nachahmer abschrecken soll. Diese Instrumentalisierung des Einzelnen zum Zweck einer generellen Prävention kann dadurch gerechtfertigt werden, dass der Einzelne so zur Verantwortung gezogen wird für sein Fehlverhalten und somit als Akteur behandelt und nicht zum Objekt degradiert wird, welches der Staat für seine Zwecke nutzt, indem er an ihm ein
120 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152. Wohl auch schon BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891. 121 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152 und 2154; BVerfG 13.11.2008, Az. 1 BvR 1192/08, NJW 2009, 425, 425 f.; BVerfG 4.12.2013, Az. 1 BvR 1154/10, Rn. 5. 122 Vgl. MüKo-Freund2, Vor §§ 13 ff. StGB Rn. 37 f.
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Exempel statuiert.123 Knüpft eine belastende Maßnahme an ein vorheriges Fehlverhalten an, muss den Betroffenen eine Schuld an diesem Fehlverhalten treffen. Der Vorwurf setzt Vorwerfbarkeit voraus.124 Insoweit mag es zulässig sein, aus Gründen der Generalprävention den Wunscheltern die rechtliche Elternschaft zu verwehren, da diese gegen das Verbot der Leihmutterschaft verstoßen beziehungsweise dies umgangen haben. Die Bedeutung der Elternschaft beschränkt sich jedoch nicht auf die Perspektive der Wunscheltern.125 Durch die Verweigerung der Elternschaft wird gleichzeitig dem Kind eine kindeswohlgerechte Abstammung verwehrt. Auch dies wird teils ausdrücklich zugunsten der Generalprävention in Kauf genommen.126 Diese Folge kann jedoch nicht als Reaktion auf eine Handlung eines Akteurs verstanden werden. Das Kind hat nichts getan. Es trifft für die Umstände seiner Geburt keine Verantwortung. Wird ihm dennoch die Last aufgebürdet, bewusst kindeswohlwidrig rechtlichen Eltern zugeordnet zu werden, so wird das Kind Objekt staatlichen Handelns. An ihm wird ein Exempel statuiert.127 Selbst wenn eine Leihmutterschaft verbotswidrig durchgeführt wird, verbietet es somit die Menschenwürde des Kindes, zwecks Generalprävention die Abstammung von den Wunscheltern auszuschließen.128 Soll durch Sanktionen eine Prävention erreicht werden, müssen Mittel gewählt werden, die sich nicht negativ auf das Kind auswirken. e) Fazit: Vorgaben für die rechtliche Abstammung Hat die Leihmutter das Kind den Wunscheltern freiwillig übergeben und nehmen diese nun die Rolle der sozialen Eltern ein, so darf aufgrund des Verbots der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren, wel123 Vgl. BeckOK-Hillgruber23, Art. 1 GG Rn. 33; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 75. 124 BVerfG 25.10.1966, Az. 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323, 331; BVerfG 21.6.1977, Az. 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187, 228; BVerfG 26.5.1981, Az. 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, 275. 125 Vgl. Kreß, FPR 2013, 240, 243. 126 Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315. 127 Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 225. 128 Im Ergebnis ebenso Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2675; Dethloff, JZ 2014, 922, 926. Gegen eine Generalprävention zu Lasten des Kindeswohls sprechen sich auch aus Sturm, in: FS Kühne, 930; Henrich, in: FS Schwab, 1141, 1152; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 36; Heiderhoff, IPRax 2012, 523, 526; Mayer, IPRax 2014, 57, 59; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 573 f. und 581 f.; Diel, Leihmutterschaft, 116; Frank, FamRZ 2014, 1527, 1529; LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112; a. A. Engel, ZEuP 2014, 538, 557 f. Ebenso nun EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 78; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 99; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 56; dazu: Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen. Eine Anwendung des ordre public-Vorbehalts zwecks der Generalprävention eher befürwortend Benicke, StAZ 2013, 101, 111, anders jedoch dann auf S. 113.
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ches sich aus Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 5 GG herleiten lässt, das Kind nicht bezüglich der rechtlichen Eingliederung in eine Familie mit den Wunscheltern anders behandelt werden als wenn es durch diese natürlich gezeugt worden wäre. Zwecks Generalprävention entgegen dem Kindeswohl eine Abstammung von den Wunscheltern zu verhindern, beeinträchtigt zudem die Menschenwürde des Kindes, Art. 1 Abs. 1 GG. Bezüglich des Erwerbs der rechtlichen Elternschaft darf die Wunschmutter nicht gegenüber dem Wunschvater benachteiligt werden. Sind die Wunscheltern auch die genetischen Eltern, haben sie auch aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ein Recht, die Elternschaft zu erwerben, sofern die Leihmutter ihnen das Kind freiwillig übergeben hat. 3. Grundrechtsgeltung bei Auslandssachverhalten und Bedeutung nationaler Ergebnisvorgaben für Auslandssachverhalte Die eben dargestellten grundrechtlichen Ergebnisvorgaben beziehen sich ohne weiteres nur auf nationale Fälle der Leihmutterschaft, da für sie eine Geltung der Grundrechte unproblematisch ist. Sie entfalten nur dann auch Wirkung für Fälle der internationalen Leihmutterschaft, wenn die relevanten Grundrechte, trotz des Auslandssachverhaltes, anwendbar sind.129 Soweit die materiellen Ergebnisvorgaben an Grundrechte der Wunscheltern anknüpfen, ist deren Geltung für Auslandssachverhalte unproblematisch, sofern die Wunscheltern Deutsche sind. Ihre Grundrechte muss der deutsche Staat auch im Ausland beziehungsweise bei der Einreise in die Bundesrepublik achten.130 Von Bedeutung ist insoweit lediglich die Vorgabe des Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 2 GG, dass die Mutterschaft und Vaterschaft nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Diese Vorgabe begründet allein jedoch keine abstrakten Ergebnisvorgaben für die Elternschaft. Die Gleichheit kann sowohl durch Verweigerung als auch Gewährung der Elternschaft beider Wunscheltern erfüllt werden. a) Grundrechte des Kindes als Deutscher im Ausland und Ausländer in Deutschland In zwei Fallkonstellationen ist die Anwendung möglicher Grundrechte des Kindes unproblematisch. Zunächst ist dies der Fall, wenn das Kind unmittelbar nach der Geburt nach Deutschland gebracht wurde, wo die Grundrechte zweifelsfrei anwendbar sind.131 Da eventuell unklar ist, ob es sich um einen Dazu Isensee, 32 VVDStRL 1973, 49, 60 ff. Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der deutschen Staatsangehörigkeit als Grundlage der Anwendung der Grundrechte überhaupt, trotz Aufenthalts im Ausland, und der Bedeutung der deutschen Staatsangehörigkeit auf einer zweiten Stufe bei der Differenzierung zwischen Deutschen- und Jedermannsrechten. 131 HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 72; HdbGR II-Heintzen, § 50 Rn. 32. 129 130
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deutschen Staatsbürger handelt, sind allerdings nur die Jedermannsrechte sicher anwendbar. Die hier entscheidenden Vorschriften (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 und 3, Art. 6 Abs. 5 GG) sind solche. Ist das Kind inzwischen in Deutschland, dann bestehen daher dieselben materiellen Ergebnisvorgaben wie bei einem rein inländischen Fall. Klar sind auch die Fälle, in denen sich das Kind zwar noch im Ausland befindet, nach hiesigem Internationalen Privat- oder Zivilverfahrensrecht mindestens ein Wunschelternteil jedoch die Elternschaft bereits erworben hat, meist der Wunschvater.132 Das Kind ist dann gemäß § 4 Abs. 1 StAG Deutscher. Diese einfachgesetzliche Regelung der Staatsangehörigkeit ist auch im Rahmen des Grundgesetzes, insbesondere Art. 116 GG, entscheidend133 und führt zu der Anwendung der Grundrechte auch während des Aufenthalts im Ausland.134 Auch in diesen Fällen bestehen die genannten materiellen Ergebnisvorgaben bezüglich der Elternschaft der Wunscheltern. Von Bedeutung werden diese, wenn nur ein Wunschelternteil die Abstammung erwerben kann. Regelmäßig ist es die Wunschmutter, der der Erwerb der Mutterschaft verwehrt bleibt. b) Grundrechte des Kindes als Ausländer im Ausland Problematisch ist die Anwendung der Grundrechte auf Kinder, die sich im Ausland befinden und bei denen eine Abstammung von den deutschen Wunscheltern nach einfachem Recht nicht besteht. Teilweise stranden diese Kinder im Ausland, da ihnen mangels eines Ausweises die Einreise nach Deutschland verwehrt wird.135 Die Anwendbarkeit der Deutschenrechte scheidet mangels deutscher Staatsangehörigkeit aus. Gegenüber einer universalen Anwendung der Jedermannsrechte bestehen ebenfalls Bedenken, schon betreffend der praktischen Umsetzbarkeit solcher Vorgaben. Eine weltweite Erfüllung der Grundrechte insbesondere in ihrer Schutz- oder Leistungsfunktion wird als praktisch nicht leistbar angesehen.136 Weitere Zweifel an der Anwendbarkeit der Grundrechte ergeben sich aus dem Völkerrecht beziehungsweise der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes.137 Nicht unbegrenzt können nationale Normen auch auf Sachverhalte im Ausland Anwendung finden. Das Territorialitätsprinzip und das PersoSiehe oben bei Kapitel 2 – C., S. 131. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 116 GG Rn. 1. 134 So wohl HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 73 und 77. Einschränkend jedoch in Rn. 82. 135 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 2. 136 HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 76. 137 Vgl. Vogel, Verfassungsentscheidung, 42; HdbStR VII-Tomuschat, § 172 Rn. 1 ff.; HdbGR II-Badura, § 47 Rn. 3 f.; Sachs-Streinz7, Art. 25 GG Rn. 9. 132 133
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nalprinzip bilden Grenzen des eigenen und fremden Rechts.138 Kommen etwa Vorgaben der Grundrechte und des ausländischen Rechts in Konflikt, können bei Auslandssachverhalten, die nur Ausländer betreffen, diese Prinzipien gegen eine Anwendung deutscher Grundrechte sprechen. aa) Keine allgemeinen Vorgaben im Grundgesetz Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ist die Grundrechtsbindung der deutschen Hoheitsträger umfassend. Man könnte versuchen, hieraus abzuleiten, dass die Grundrechte deutsche Hoheitsgewalt auch bei der Behandlung von Sachverhalten mit Auslandsbezug binden. Zwar mag die Bindung an die Grundrechte umfassend sein. Die Grundrechte binden jedoch nur, soweit sie anwendbar sind. Die Bindung an die Grundrechte setzt deren Anwendbarkeit voraus und kann diese nicht begründen. Mit der universellen Grundrechtsbindung die universelle Anwendung der Grundrechte zu begründen, wäre somit ein Zirkelschluss.139 Allgemeine Vorgaben lassen sich auch sonst nicht dem Grundgesetz entnehmen. Weder bezweckt die Präambel140 eine Beschränkung der Grundrechte auf Deutschland beziehungsweise Deutsche,141 noch soll Art. 1 Abs. 2 GG142 eine universale Anwendung der Grundrechte bewirken.143 Die Anwendung der Grundrechte auf Fälle mit Auslandsbezug muss sich aus den Grundrechten selbst ergeben.144 bb) Grundrechtsspezifischer Inlandsbezug als Grundlage der Anwendung Die Anwendung der Grundrechte bedarf eines Bezugs zur deutschen Rechtsordnung. Ausgehen kann man dabei vom Territorialitäts- und Personalprinzip als Grundlagen der Anwendung hoheitlicher Gewalt. Naheliegender und umfassender Bezug zur deutschen Rechtsordnung ist demnach der Aufenthalt im Hoheitsgebiet. Die Gebietshoheit bildet hier die Anknüpfung für eine umfassende Anwendung der Rechtsordnung.145 Dem entspricht, dass im InVgl. HdbStR VII-Tomuschat, § 172 Rn. 58 f.; HdbGR II-Badura, § 47 Rn. 3 ff.; Ipsen u. a., Völkerrecht6, § 5 Rn. 78 f., S. 93 f. 139 Merten, in: FS Schiedermair, 331, 340; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 75; HdbGR II-Badura, § 47 Rn. 14. 140 „[…] hat sich das Deutsche Volk […] dieses Grundgesetz gegeben“ bzw. „[damit] gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“ 141 HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 73. 142 „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ 143 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 77. 144 HdbGR II-Badura, § 47 Rn. 14; HdbGR II-Heintzen, § 50 Rn. 31. 145 HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 72. 138
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land jedermann umfassenden Grundrechtsschutz genießt, soweit die Grundrechte vom Tatbestand her anwendbar sind.146 Nur im Inland entfalten die Grundrechte ihre uneingeschränkte Wirkung. Schwächer ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit aufgrund des Personalprinzips. Bestimmte Hoheitsgewalt kann auch im Ausland gegenüber den eigenen Staatsangehörigen ausgeübt werden. Dabei sind die Grundrechte wegen der in der Staatsangehörigkeit angelegten umfassenden Verbindung zum Heimatland grundsätzlich anwendbar, wobei jedoch gewisse Einschränkungen gemacht werden.147 Neben dem Aufenthalt und der Staatsangehörigkeit sind keine weiteren Ansatzpunkte ersichtlich, die eine derart starke Beziehung zum Inland und umfassende Grundrechtsanwendung begründen könnten. Ein spezifischer Bezug zur deutschen Rechtsordnung kann jedoch zu der Anwendung der Grundrechte führen, die thematisch mit der Art des Inlandsbezuges korrespondieren.148 Die Art des Inlandsbezuges bestimmt, welche Grundrechte Anwendung finden. Ein solcher grundrechtsspezifischer Inlandsbezug vermag es auch in Abwesenheit des inländischen Aufenthalts oder der deutschen Staatsangehörigkeit, die extraterritoriale Anwendung der Grundrechte zu begründen.149 Wie der Inlandsbezug inhaltlich ausgeprägt sein muss, damit ein bestimmtes Grundrecht anwendbar wird, muss durch Auslegung des jeweiligen Grundrechtes bestimmt werden.150 Im Gegensatz zum inländischen Aufenthalt und der hiesigen Staatsangehörigkeit, führen sonstige Inlandsbezüge nur zu einer beschränkten Grundrechtsanwendung.151 So kann sich etwa ein Ausländer bezüglich in Deutschland befindlichen Grundeigentums oder dort erworbener Sozialversicherungsansprüche auf Art. 14 GG berufen, auch nachdem er die Bundesrepublik verlassen hat.152 Ähnlich kann sich ein Ausländer im Ausland auf ein eigenes Recht aus Art. 6 GG stützen bei der Frage, ob er zu einem Familienangehörigen ziehen darf, der sich bereits in der Bundesrepublik befindet.153 Der Erwerb von Eigentum im grundrechtlichen Sinne im Inland bewirkt die Anwendung von Art. 14 GG; die Verwandtschaft mit jemandem in der BundesreMerten, in: FS Schiedermair, 331, 344. Merten, in: FS Schiedermair, 331, 341 ff.; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 73, 77 und 82. 148 HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 74; HdbGR II-Heintzen, § 50 Rn. 31 ff.; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, 112 ff.; Maunz/Dürig-Herdegen72, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 71 ff. 149 Vgl. Merten, in: FS Schiedermair, 331, 341. 150 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 77. Vgl. Isensee, 32 VVDStRL 1973, 49, 60 ff.; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 74. 151 Merten, in: FS Schiedermair, 331, 344. 152 HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 79 und 83. 153 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 46; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 83; a. A. Isensee, 32 VVDStRL 1973, 49, 64 f. 146 147
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publik die Anwendung von Art. 6 GG. Teils wird der Ausdruck des „partielle[n] Grundrechtsstatus“ verwendet.154 Grundsatz bleibt, dass auf Ausländer im Ausland eine Anwendung der Grundrechte unterbleibt. Nur zurückhaltend wird hiervon abgewichen. Dies fordert auch die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes.155 Besteht allerdings ein grundrechtsspezifischer Inlandsbezug, sollen neben den speziellen Grundrechten, für welche ein spezifischer Bezug besteht, auch allgemeine Grundrechte anwendbar sein, wie etwa die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) oder der Gleichheitssatz des Art. 3 GG.156 cc) Inlandsbezug bei Fällen der ausländischen Leihmutterschaft In den Fällen der internationalen Leihmutterschaft sind verschiedene Ansatzpunkte für einen Inlandsbezug, der eine Geltung der Grundrechte bewirken könnte, ersichtlich. Zunächst könnte man einen Bezug zu Deutschland in der Verweigerung der Einreise oder der Verweigerung der Ausstellung eines vorläufigen Kinderreisepasses sehen. In diesen Handlungen könnte man eine Ausübung von Hoheitsgewalt sehen, die zu einer Anwendung der Grundrechte führen könnte. Dieser Ansatz, die Grundrechtsanwendung an die Ausübung von Hoheitsgewalt zu koppeln, überzeugt zunächst in Anbetracht der Tatsache, dass es eine Funktion der Grundrechte ist, die Ausübung von Hoheitsgewalt zu beschränken. Dieser Ansatz führt allerdings zu demselben Zirkelschlusses, der einer Begründung der Anwendbarkeit der Grundrechte über Art. 1 Abs. 3 GG innewohnt: Dass sich die Ausübung von Hoheitsgewalt im Ausland an Grundrechten messen lassen muss, kann nicht allein mit der Tatsache begründet werden, dass im Ausland Hoheitsgewalt ausgeübt wird. Die Grundrechtsanwendung muss sich aus einem materiellen, grundrechtsspezifischen Inlandsbezug ergeben.157 Überzeugender kann ein Inlandsbezug aufgrund der sozialen Elternschaft der deutschen Wunscheltern sein. Zwar ist aus Sicht des deutschen Rechts in den Fällen, in denen eine Einreise nach Deutschland verweigert wird und somit eine Grundrechtsanwendung im Ausland relevant wird, keiner der deutschen Merten, in: FS Schiedermair, 331, 344. Merten, in: FS Schiedermair, 331, 341. 156 So etwa BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 71 ff. Ob auch Art. 2 GG als allgemeines Grundrecht berufen wird, kann hier dahinstehen, da dieser bei den materiellen Ergebnisvorgaben im Rahmen der Leihmutterschaft unbeachtlich ist. 157 So jedoch wohl HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 80 f. Der Zirkelschluss zeigt sich hier sehr deutlich, wenn Quaritsch erläutert, dass Grundrechte gelten bei „Ausübung deutscher Hoheitsgewalt gegenüber Ausländern [im Ausland], sofern diese Ausübung in die Freiheits- oder Eigentumssphäre eingreift.“ Eher wie hier jedoch in Rn. 74. Kritisch HdbGR II-Heintzen, § 50 Rn. 34. 154 155
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Wunscheltern rechtlicher Elternteil des Kindes.158 Hat die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergeben – andernfalls besteht ohnehin keine Vorgabe der Abstammung von den Wunscheltern159 – sind die Wunscheltern allerdings die sozialen Eltern des Kindes. Zu der sozialen Elternschaft kommt oft eine genetische Elternschaft zumindest eines der Wunschelternteile. Dieser Inlandsbezug aufgrund der sozialen Elternschaft von Deutschen erinnert an die Grundrechtsanwendung auf Personen, die sich selbst nicht in der Bundesrepublik befinden, wohl aber ihre Angehörigen. Bei der Frage, ob die im Ausland verbliebenen Familienangehörigen aus Art. 6 GG ein Recht auf Familiennachzug haben, wird die Anwendung von Art. 6 GG trotz Aufenthalts im Ausland mit der familiären Lebensgemeinschaft mit einem Angehörigen, der sich in Deutschland befindet, begründet.160 Da für solche Fälle das Bundesverfassungsgericht die Auslandsanwendung von Grundrechten bereits bestätigt hat,161 können sie als Ausgangspunkt des Vergleichs dienen. Lassen sich die Fälle der Leihmutterschaft mit diesen Fällen gleichstellen, kann man auch dort von einer Anwendbarkeit der Grundrechte ausgehen. Es bestehen zwei relevante Unterschiede zwischen den Fällen der Leihmutterschaft und denen des Familiennachzugs, die Zweifel an einer Übertragbarkeit aufkommen lassen könnten: Zunächst stellt sich bei der Leihmutterschaft die Frage der Anwendung des Art. 6 GG auf einen Familienangehörigen eines Deutschen, der sich im Ausland befindet, wobei der Angehörige nicht unbedingt Deutscher ist, während die Fälle des Familiennachzugs die Anwendung des Art. 6 GG auf einen Familienangehörigen eines Ausländers, der sich in Deutschland befindet, betrifft. Anders ausgedrückt, geht es bei der Leihmutterschaft um die Anwendung des Art. 6 GG auf einen Angehörigen eines Deutschen im Ausland und bei den Fällen des Familiennachzugs um die Anwendung auf einen Angehörigen eines Ausländers in Deutschland. Der zweite Unterschied ist, dass bei den Fällen der Leihmutterschaft lediglich eine soziale und nicht eine rechtliche Familie besteht. Es stellt sich somit die Frage, ob trotz dieser Unterschiede die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Fälle der ausländischen Leihmutterschaft übertragbar ist. Ob das Familienmitglied, von dem die Grundrechtsanwendung abgeleitet wird, ein Inländer im Ausland oder Ausländer im Inland ist, bleibt unbeachtlich. Entscheidend ist, dass auf denjenigen, an den die Grundrechtsanwendung anknüpft und zu dem die eheliche oder familiäre Beziehung besteht, Sonst wäre das Kind selbst Deutscher und könnte einreisen, § 4 Abs. 1 StAG. Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.2.a)dd)(1), S. 232. 160 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 46; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 81 und 83; Quaritsch, NJW 1984, 2731, 2732; HdbStR VRüfner2, § 116 Rn. 15; HdbGR II-Heintzen, § 50 Rn. 57 ff.; a. A. Isensee, 32 VVDStRL 1973, 49, 64 f. 161 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 41. 158 159
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selbst umfassend die Grundrechte anwendbar sind. Zwar soll es gewisse Einschränkungen bei der Grundrechtsanwendung auf Deutsche im Ausland geben, diese sind jedoch gering und betreffen nicht die hier relevanten Grundrechte.162 Für eine Gleichbehandlung spricht zudem, dass sich das Familienmitglied im Ausland jedenfalls nach einer Rückkehr des Deutschen nach Deutschland gemäß der bisherigen Rechtsprechung auf Art. 6 GG als eigenes Recht berufen kann. Da ein Deutscher jedoch jederzeit nach Deutschland einreisen kann (Art. 11 GG), wäre es nicht überzeugend, dass er die Angehörigen erst im Ausland allein lassen muss, damit diese sich dann eventuell auf ein Recht zur Nachreise berufen können. Die Mitreise mit einem Deutschen ist daher so zu bewerten, wie die Nachreise zu einem Ausländer. Zumindest nach einer Rückkehr der deutschen Wunscheltern ist der Bezug zur deutschen Rechtsordnung eventuell sogar stärker, da es sich bei dem primären Grundrechtsträger, über den die Nähe zur deutschen Rechtsordnung hergeleitet wird, sogar um einen Deutschen in Deutschland handelt. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob auch eine soziale oder genetische Abstammung ausreicht, um einen Inlandsbezug und eine Anwendung von Art. 6 GG zu begründen, oder ob es einer rechtlichen bedarf. Das Bundesverfassungsgericht fordert in seinem Beschluss zum Familiennachzug für die Anwendung von Art. 6 GG, dass neben der rechtlichen auch eine tatsächliche Verbundenheit besteht, die meist in der häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck komme.163 Das Gericht betont die Bedeutung der „ehelichen und familiären Lebensgemeinschaften“, der „tatsächlichen Verbundenheit“, des „häuslichen Zusammenlebens“ und der „gelebten Gemeinschaft“. Es führt aus, dass es „außer einer rechtlichen auch eine tatsächliche […] Verbundenheit“ fordert.164 Die soziale Beziehung ist somit eine notwendige, nicht unbedingt aber hinreichende Bedingung für die Anwendung von Art. 6 GG. Bei der Frage, ob die rechtliche Verbundenheit für die Anwendung des Art. 6 GG notwendig ist, ist zu unterscheiden zwischen der Ehe und der Abstammung. Für eine Geltung des Art. 6 Abs. 1 GG bezüglich eines sich im Ausland befindlichen Ehepartners ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unerheblich, ob die Ehe nach hiesigem oder ausländischem Recht geschlossen wurde oder ob es sich um eine hinkende Ehe han-
162 Merten, in: FS Schiedermair, 331, 341 ff.; HdbStR V-Quaritsch2, § 120 Rn. 73, 77 und 82. 163 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 42 f. Aufgrund der in der Problematik des Familiennachzugs angelegten aktuellen Trennung der Familienangehörigen, stellt das Gericht genauer darauf ab, ob die Verbundenheit „in einem überschaubaren Zeitraum (wieder)hergestellt wird“. 164 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 40 ff. Hervorhebung hinzugefügt.
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delt.165 Da die Ehe jedoch eine bewusst eingegangene rechtliche Verbindung ist, ist es schwer vorstellbar, einer Verbindung, die nach keiner der beteiligten Rechtsordnungen eine Ehe darstellt, den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG zu gewähren. Ohne jegliche rechtliche Kriterien erscheint die Abgrenzung einer Ehe, von einem nichtehelichen Zusammenleben, welches Art. 6 Abs. 1 GG nicht erfasst,166 kaum möglich. Unverheiratet zusammenzuleben, ist heutzutage oft eine bewusste Entscheidung gegen die Ehe. Es handelt sich um ein aliud zu der Ehe. Dies als „faktische Ehe“ mit einer rechtlichen Ehe gleichzustellen, würde dem Willen der Parteien nicht gerecht und wäre unter Art. 6 Abs. 1 GG nicht möglich.167 Anders könnte dies jedoch bei der Abstammung sein. Da die Abstammung grundsätzlich nicht auf einer bewussten Entscheidung beruht, kann man die fehlende rechtliche Abstammung nicht als bewusste Entscheidung gegen sie verstehen. Besteht keine rechtliche Elternschaft der sozialen Eltern, liegt dies meist daran, dass deren Begründung den Parteien nicht möglich ist und nicht daran, dass sie sich bewusst gegen sie entscheiden. Eine Behandlung als Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG würde regelmäßig dem Willen und Selbstverständnis der Parteien entsprechen. Auch schützt zumindest Art. 6 Abs. 1 GG die soziale Familie.168 In einer rein sozialen Familie einen grundrechtsspezifischen Inlandsbezug zu sehen, käme somit nicht mit dem Verständnis von Art. 6 GG in Konflikt. Die Ausführung, dass es „außer der rechtlichen auch eine tatsächliche Verbundenheit“ braucht, könnte somit auch bezüglich der Abstammung eine bewusste Einschränkung oder aber unbedacht erfolgt sein, etwa weil nicht zwischen der Ehe und Abstammung unterschieden wurde oder weil in den konkreten Sachverhalten eine rechtliche Elternschaft ohnehin vorlag.169 Gegen ein bewusstes Erfordernis einer rechtlichen Abstammung würde sprechen, dass größtenteils bei der Diskussion der Abstammung nicht zwischen rechtlicher und genetischer Abstammung differenziert wird, insbesondere in Fällen, in denen sie, wie bei den Fällen, die dem Gericht vorlagen, zusammenfallen. Auch spricht für eine Unbeachtlichkeit der rechtlichen Abstammung, dass eines der Kinder, deren Nachzug in Frage stand, von der Ehefrau, die sich im Ausland befand in die Ehe gebracht wurde und anscheinend auch nicht von dem aktuellen Ehemann adoptiert wurde,170 weshalb eine rechtliche Abstammung hier nicht bestand, wohl aber eine soziale, da der Ehemann BVerfG 30.11.1982, Az. 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323, 330; BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 40. 166 Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 6 GG Rn. 4 f. 167 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass13, Art. 6 GG Rn. 4 f. 168 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.2.c), S. 239. 169 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 8 ff. 170 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 8 und 11. 165
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unter anderem den Unterhalt für dieses Kind bestritt.171 Die Abweichung dieses Falls von den sonstigen Beschwerdeführern wird bezüglich der Geltung der Grundrechte nicht aufgegriffen.172 Würde eine lediglich soziale Abstammung die Anwendung der Grundrechte in Frage stellen, hätte bezüglich dieses Kindes differenziert werden müssen. Diese Deutung unterstützt, dass das Gericht im Rahmen der Darlegung der Bedeutung der Ehe für das Gemeinschaftsleben, diese als „die rechtliche Form umfassender Bindung zwischen Mann und Frau“ beschreibt.173 Eine entsprechende Beschreibung der Familie fehlt. Diese wird als „Voraussetzung für die bestmögliche körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern“ beschrieben und in ihrer „[grundlegenden] Bedeutung für die Ordnung des Gemeinschaftslebens“ betont.174 Dieses Verständnis der Familie setzt jedoch eher bei der faktischen und sozialen Bedeutung an, die auch unabhängig von der rechtlichen Bestätigung bestehen kann. Das Bundesverfassungsgericht schränkt in seinem Beschluss zum Familiennachzug die Bedeutung der einfachrechtlichen Abstammung auch selbst ein. Unbeachtlich für die Anwendung von Art. 6 GG sei, nach welcher Rechtsordnung die familiäre oder eheliche Lebensgemeinschaft begründet wurde und ob sie nach deutschem Internationalen Privat- oder Zivilverfahrensrecht bestehe.175 Auch diese Aussagen sprechen gegen die zwingende Existenz einer rechtlichen Abstammung. Probleme könnten jedoch entstehen, wenn die Art der familiären Gemeinschaft „der Vorstellung des Grundgesetzes von Ehe und Familie fremd [ist]“.176 Für eine Unbeachtlichkeit der einfachgesetzlichen Abstammung spricht auch, dass es hier darum geht, festzustellen, welche Vorgaben dem Grundgesetz für die Abstammung und somit das einfache Recht zu entnehmen sind. Bestehendes einfaches Abstammungsrecht kann für diese Frage nicht ausschlaggebend sein. Gegen ein Ausreichen einer rein sozialen Abstammung zur Begründung der Anwendung von Art. 6 GG könnte jedoch vorgebracht werden, dass so die Kriterien für eine Einreise oder eine rechtliche Abstammung aufgeweicht werden. Allerdings führt allein die Anwendbarkeit des Art. 6 GG weder zu einem Recht auf Einreise noch zu einem Anspruch auf Verrechtlichung der BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 11. BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 42 f. 173 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 51. 174 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 51. 175 BVerfG 30.11.1982, Az. 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323, 330; BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 41. 176 Selbst eine nach ausländischem Recht gültige Mehrehe kann somit nicht ohne Weiteres eine Anwendung von Art. 6 GG begründen. Im Ergebnis lässt das Gericht die Anwendung auf Mehrehen jedoch offen. BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 41 f. 171 172
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Abstammung. Darüber entscheidet erst die Anwendung des Art. 6 GG. Die Prüfung des Art. 6 GG wird durch eine größere Flexibilität auf der vorherigen Stufe der Anwendbarkeit nicht gefährdet. Letztlich spricht für ein Ausreichen der rein sozialen Abstammung, dass die Abstammung hier lediglich einen grundrechtsspezifischen Bezug zur Bundesrepublik begründen soll. Dies ist primär eine tatsächliche Frage. Die Betonung der tatsächlichen Umstände und der sozialen Familienstruktur überzeugt somit. Einschränkend muss man jedoch berücksichtigen, dass, wie dargelegt wurde, die Art der Familienbeziehung nicht dem Schutzbereich des relevanten Grundrechts widersprechen darf. Art. 6 GG enthält jedoch keine Vorgaben, denen die Elternschaft der Wunscheltern grundsätzlich widersprechen würde. Solange den genetischen Eltern nicht gegen ihren Willen die rechtliche Elternschaft verwehrt wird, steht dem Schutz auch einer sozialen Abstammung nichts entgegen.177 Hat die Leihmutter das Kind den deutschen Wunscheltern übergeben und sind sie somit die sozialen Eltern, besteht ein Inlandsbezug, der eine Anwendung des Art. 6 GG begründet. dd) Durch den Inlandsbezug zur Anwendung berufene Rechte Der grundrechtsspezifische Inlandsbezug bewirkt zunächst die Anwendung des Art. 6 GG. Dieser ist umfassend anwendbar und nicht nur bezüglich der Frage des Familiennachzuges. Die soziale Abstammung von Deutschen erzeugt einen Inlandsbezug, der sich auf das gesamte Familienleben erstreckt und nicht nur auf die isolierte Frage des Familiennachzuges. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Anwendung von Art. 6 GG auf Familienangehörige im Ausland wurde bei der Anwendbarkeit des Art. 6 GG nicht differenziert.178 Die Frage des Familiennachzuges war lediglich die konkrete Ausprägung des Art. 6 GG, die in den entscheidenden Fällen von Bedeutung war. Art. 6 GG ist jedoch umfassend anwendbar. Wie bereits dargestellt wurde,179 führt ein Inlandsbezug, der die Anwendung eines speziellen Grundrechts bewirkt, auch zu der Anwendbarkeit allgemeiner Grundrechte, insbesondere des Art. 1 GG, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und des Art. 3 GG. ee) Fazit: Anwendbarkeit der hier entscheidenden Grundrechte Die Ergebnisvorgaben für die rechtliche Abstammung des durch Leihmutterschaft gezeugten Kindes ergeben sich aus Art. 1 Abs. 1 GG, dem Verbot der 177 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151; vgl. BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891, 891; BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. 178 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1, 41 f. 179 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.3.b)bb), S. 244.
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Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren, welches sich aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 5 GG herleiten lässt, sowie bei genetisch verwandten Wunscheltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. All diese Rechte gehören zu dem Kreis der Grundrechte, die auch auf Kinder anwendbar sind, die noch im Ausland sind, deren soziale Eltern jedoch Deutsche sind. c) Identität der Ergebnisvorgaben bei inländischer und ausländischer Leihmutterschaft Die hier entscheidenden Grundrechte sind somit auch bei Auslandssachverhalten anwendbar. Die oben vorgebrachten Argumente, die eine Gleichbehandlung des Kindes sowie der Wunscheltern untereinander fordern und eine Verweigerung der Abstammung zur Generalprävention verbieten, gelten unabhängig vom Ort der Geburt oder des Aufenthalts. Bei Fällen der ausländischen Leihmutterschaft bestehen somit dieselben materiellen Ergebnisvorgaben für die Abstammung des Kindes wie bei inländischer Leihmutterschaft. 4. Keine spezifischen Vorgaben für internationale Leihmutterschaft Weitere, spezifische Vorgaben können bestehen für die Fälle, in denen die Wunscheltern im Ausland eine Leihmutterschaft durchführen, um nach der Geburt mit dem Kind nach Deutschland zurückzukehren. Es kann bei dieser Rückkehr zu einem Wechsel der rechtlichen Eltern kommen. Ein solcher Wechsel der rechtlichen Eltern kann sich zunächst allein aus Sicht des deutschen einfachen Rechts ergeben, wenn es bei der Rückkehr zu einem Statutenwechsel kommt. Möglich ist dies etwa im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB, wenn das Kind vor der Einreise nach Deutschland am Geburtsort einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und es aufgrund des Statutenwechsels zu einem Wechsel der rechtlichen Elternschaft kommt.180 Ein Wechsel tritt hier unter der Prämisse der durchgängigen Betrachtung des Sachverhalts aus der Sicht des deutschen Rechts ein, einschließlich des hiesigen Internationalen Privatrechts. Es stellt sich dann die Frage, ob dieser Wechsel vereinbar ist mit Art. 6 GG. Ein Wechsel der rechtlichen Eltern durch Rückkehr der Wunscheltern mit dem Kind nach Deutschland könnte sich auch aus einer Betrachtung ergeben, die sich nicht auf ein nationales Recht stützt. Er könnte dadurch entstehen, dass sich mit der Rückkehr die Rechtsordnung, in deren Geltungsbereich sich die Wunscheltern befinden, also das forum, ändert. Eintreten würde er, wenn die Wunscheltern aus Sicht der Rechtsordnung des Geburtsorts, einschließlich des dortigen Internationalen Privatrechts, die rechtlichen Eltern sind, nicht aber aus der Sicht des deutschen Rechts, einschließlich des hiesigen Zu der Reduktion der Wandelbarkeit der Anknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 siehe oben bei Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103. 180
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Internationalen Privatrechts. Dieser Wechsel lässt sich nicht aus einer durchgängigen Betrachtung innerhalb eines nationalen Rechts, einschließlich dessen Internationalen Privatrechts, erklären, sondern ergibt sich nur, weil sich mit der Rückkehr das forum und somit das einschlägige Internationale Privatrecht ändert. Auch dieser Wechsel könnte gegen Art. 6 GG verstoßen. Art. 6 Abs. 1 GG schützt die tatsächliche Familiengemeinschaft unabhängig von der rechtlichen Verwandtschaft.181 Allerdings erfasst dieser Schutz dementsprechend nur das tatsächliche Zusammenleben der Familie.182 Der Fortbestand der rechtlichen Verbindung scheint nicht erfasst zu sein.183 Art. 6 Abs. 2 GG stellt auf die rechtliche Elternschaft ab.184 Solange das einfache Recht den objektiv-rechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 GG genügt, besteht ein Schutz nur für diejenigen, die nach einfachem deutschen Recht die Eltern sind. Ein Anspruch auf Verrechtlichung der Abstammung oder auf Fortbestand einer Abstammung nach ausländischem Recht besteht danach nicht. Es treten somit keine besonderen Vorgaben für internationale Sachverhalte neben die bereits dargestellten Vorgaben, die jeden Fall der Leihmutterschaft erfassen. II. Europarecht Bei Leihmutterschaften, die im EU-Ausland durchgeführt werden, etwa in Griechenland oder Großbritannien, könnten auch europarechtliche Vorgaben für die Abstammung des Kindes bestehen.185 Insbesondere die Grundfreiheiten können hier von Bedeutung sein. Die Rechtsprechung des EuGH zum Internationalen Namens- und Gesellschaftsrecht zeichnet dies vor.186 Das BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 60 ff. BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 67. Vgl. Kapitel 4 – A.I.2.c), S. 239. 183 Allerdings könnte vor diesem Hintergrund die Verweigerung der Einreise eines durch Leihmutterschaft gezeugten Kindes problematisch erscheinen, wenn sie die Wunscheltern, die die soziale Elternschaft übernommen haben, vor die Entscheidung stellt, entweder ebenfalls im Ausland zu bleiben oder ohne das Kind nach Deutschland zurückzureisen. 184 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2152; BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847, Rn. 53. 185 Vgl. allgemein Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82. 186 EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639; EuGH 2.10.2003, Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003 I, 11635; EuGH 22.12.2010, Sayn-Wittgenstein, C208/09; EuGH 9.3.1999, Centros, C-212/97; EuGH 5.11.2002, Überseering, C-208/00; EuGH 30.9.2003, Inspire Art, C-167/01; EuGH 13.12.2005, SEVIC, C-411/03. Siehe dazu Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651; Funken, Anerkennungsprinzip; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82; Nordmeier, StAZ 2011, 129; Nordmeier, IPRax 2012, 31; Weller, IPRax 2009, 202; Weller, in: FS Goette, 583; Weller, in: Europäischer Einfluss2, 993, Rn. 21 ff.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 4 ff.; Kohler/Pintens, FamRZ 2013, 1437, 1440 f.; Geier, Anerkennungspflichten, 6 ff.; vgl. bereits zur kolli181 182
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Abstammungsrecht fällt nicht in die Kompetenz der EU. Dennoch müssen auch dort die Vorgaben der Unionsbürgerrechte und der Grundfreiheiten berücksichtigt werden.187 Aus ihnen können sich auch für die Abstammung des Kindes Vorgaben ergeben.188 1. Unionsbürgerfreizügigkeit des Kindes, Art. 21 AEUV Vorgaben können sich aus den Rechten des Kindes oder der Wunscheltern aus Art. 21 AEUV ergeben. Dieser garantiert jedem Unionsbürger als unmittelbar wirksames subjektives Recht Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten.189 a) Persönlicher Anwendungsbereich Unionsbürger ist gemäß Art. 20 Abs. 1 AEUV jeder Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates. Bezüglich deutscher Wunscheltern ist die persönliche Anwendbarkeit unproblematisch. Bezüglich des Kindes ist dies komplizierter. Dass es sich um ein Neugeborenes handelt, hat keine Auswirkung auf sein Recht auf Art. 21 AEUV. Um Träger des Rechts zu sein, muss man nicht selbstständig davon Gebrauch ma-
sionsrechtlichen Anerkennung ausländischer Gesellschaften allgemein Drobnig, in: FS von Caemmerer, 687, 688 ff. 187 EuGH 2.10.2003, Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003 I, 11635, Rn. 25; EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 16; EuGH 24.4.2008, Grunkin Paul – Schlussanträge, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 48; dazu Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht9, Rn. 732 ff.; vgl. zur Staatsangehörigkeit EuGH 7.7.1992, Micheletti, C-369/90, Rn. 10; EuGH 2.3.2010, Rottmann, C-135/08, NVwZ 2010, 509, Rn. 45; siehe auch EuGH 23.10.2007, Morgan, verbundene Rs. C-11/06 und 12/06, Rn. 24. 188 Bisher sind nur Entscheidungen des EuGH zu Fragen der Leihmutterschaft ersichtlich, die für die hier besprochenen Themen nicht gewinnbringend sind. Vgl. EuGH 18.3.2014, Z., C-363/12; EuGH 18.3.2014, C. D., C-167/12. 189 EuGH 17.9.2002, Baumbast, C-413/99, Rn. 80 und 84; EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 26. Vgl. Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 15; Bieber/Epiney/Haag, Europäische Union11, § 2 Rn. 31, S. 65; Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 7; Lurger, IPRax 2013, 282, 287; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 492 f. Art. 45 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta gewährleistet ebenfalls die Unionsbürgerfreizügigkeit. Gemäß ihrem Art. 51 richtet sich die Charta jedoch an die Organe und Einrichtungen der Union. An die Mitgliedstaaten richtet sie sich nur bei der Durchführung von Unionsrecht. Dies ist hier nicht der Fall, sodass Art. 21 AEUV, der sich an die Mitgliedstaaten richtet, einschlägig ist. Die Grundrechtecharta könnte jedoch bei der Anwendung von Art. 21 AEUV Bedeutung erhalten. Dieser wäre dann das Unionsrecht, das die Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 51 EU-Grundrechtecharta durchführen. Siehe unten bei Kapitel 4 – A.II.1.d)aa), S. 264.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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chen können.190 Ein Problem kann jedoch die Erforderlichkeit einer Unionsbürgerschaft darstellen. Wird das Kind in einem Mitgliedstaat, der dem ius soli-Prinzip folgt, geboren, erwirbt es bei seiner Geburt unabhängig von seiner Abstammung die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats und die Unionsbürgerschaft. Die hier untersuchten EU-Mitgliedstaaten, in denen momentan die Leihmutterschaft legal ist (Griechenland und das Vereinigte Königreich), folgen jedoch nicht dem ius soli-Prinzip.191 Laut dem ius sanguinis-Prinzip bestimmt die Abstammung des Kindes seine Staatsangehörigkeit. Das Staatsangehörigkeitsrecht kann bei der Bestimmung der Abstammung auf das übliche internationale Familienrecht zurückgreifen oder einen eigenen, rein staatsangehörigkeitsrechtlichen Begriff der Abstammung verwenden. So bestimmt etwa Sec. 50(6) British Nationality Act 1981 (BNA 1981), dass „Mutter“ im Sinne dieses Gesetzes die Gebärende ist. Da hier untersucht wird, ob Art. 21 AEUV abstrakte Vorgaben für die Abstammung entfaltet, darf die Anwendbarkeit von Art. 21 AEUV nicht mit einer Staatsangehörigkeit begründet werden, die durch eine Abstammung erworben wird, die in einem konkreten Fall aufgrund der familienrechtlichen Zuordnung des Kindes in dem dort anwendbaren einfachen Rechts besteht. Es könnte sonst zu einem Zirkelschluss kommen. Art. 21 AEUV müsste unabhängig von einer konkreten Abstammung anwendbar sein. In dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Standardfall reisen deutsche Wunscheltern ins Ausland; die Leihmutter gehört dem Staat an, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt wird. Wird die Leihmutterschaft im EU-Ausland durchgeführt, sind somit alle potenziellen Eltern EU-Bürger. Da die entscheidenden Rechtsordnungen dem ius sanguinis-Prinzip folgen, würden alle in Frage kommenden Eltern dem Kind die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates und somit die Unionsbürgerschaft vermitteln. Da zudem Unionsbürger die Freizügigkeit gleichermaßen gegenüber ihrem eigenen wie einem fremden Mitgliedstaat geltend machen können, 192 ist es auch unerheblich, welchem der beteiligten Mitgliedstaaten das Kind angehört. Wie bereits erwähnt wurde, ist gemäß Sec. 50(6) BNA 1981 „Mutter“ im Sinne dieses Gesetzes die Gebärende. Im Fall einer britischen Leihmutterschaft erwirbt das Kind somit gemäß Sec. 1(1)(a) BNA 1981 die britische Staatsangehörigkeit unabhängig von der sonstigen abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes,
190 EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 20; EuGH 11.9.2007, Schwarz, C-76/05, Rn. 90; EuGH 24.4.2008, Grunkin Paul – Schlussanträge, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 54. Vgl. Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4048. 191 Zum Vereinigten Königreich: Sec. 1 ff. British Nationality Act 1981; vgl. Henrich, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Vereinigtes Königreich209, 6 ff. Zu Griechenland: Art. 1 Kodex der Griechischen Staatsangehörigkeit von 2004; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/ Henrich – Griechenland209, 8 sowie 12 ff. für eine deutsche Übersetzung des Kodex. 192 EuGH 11.7.2002, D’Hoop, C-224/98, Rn. 30.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
etwa nach Sec. 33 ff., HFEA 2008. In diesem Fall liegt somit eine Unionsbürgerschaft unproblematisch vor. Eine Unionsbürgerschaft wäre nur dann problematisch, wenn sowohl Deutschland als auch der Mitgliedstaat der Geburt das Kind nicht als ein solches ihrer Staatsangehörigen ansieht und somit nicht als eigenen Bürger. Dies könnte eintreten, wenn nach dem Recht des Geburtsortes die Wunscheltern die rechtlichen Eltern sind, nach dem deutschen Recht jedoch die Leihmutter und ihr Ehemann – eine Situation, die zumindest bei einer verheirateten Leihmutter häufig vorkommt. Bei einer in Griechenland durchgeführten Leihmutterschaft ist dies der Fall.193 Das Kind wäre dort grundsätzlich staatenlos. Staatenlosigkeit zu vermeiden, ist jedoch ein verbreitetes Anliegen des Völkerrechts. Das Recht auf eine Staatsangehörigkeit enthalten etwa Art. 15 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und Art. 24 Abs. 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, den Deutschland und Griechenland ratifiziert haben.194 Spezieller mit der Staatenlosigkeit befasst sich das UN-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961, welches Deutschland, nicht jedoch Griechenland, ratifiziert haben.195 Laut Art. 1 dieses Übereinkommens sollen Personen, die sonst staatenlos wären, die Staatsangehörigkeit des Staates erhalten, in dem sie geboren wurden. Selbst wenn beide Staaten das Kind nicht als ein solches ihrer Staatsangehörigen sehen, dürften sie seine Staatenlosigkeit somit nicht hinnehmen. Völkerrechtlich läge es gemäß Art. 1 UN-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit an dem Geburtsland, dem Kind seine Staatsangehörigkeit zu gewähren. Obwohl Griechenland diesem Übereinkommen nicht angehört, sieht das griechische Recht eine entsprechende Vorschrift vor.196 Selbst wenn griechisches und deutsches Recht somit jeweils grundsätzlich die fremde Nationalität annehmen, würde das Kind bei drohender Staatenlosigkeit auf diese Art eine EU-Staatsangehörigkeit erwerben. Unabhängig von seiner Abstammung kann somit auch in diesem Fall eine Unionsbürgerschaft des Kindes angenommen werden. b) Sachlicher Anwendungsbereich und Beeinträchtigung Geschützt ist von Art. 21 AEUV die Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit jedes Unionsbürgers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Dies umfasst etwa die Einreise in die und Ausreise aus den Mitgliedstaaten, auch dem eige-
Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(3), S. 78 und Kapitel 2 – A.I.5.a)dd), S. 42. United Nations, UN-Treaty Collection. 195 United Nations, UN-Treaty Collection. 196 Art. 1 Abs. 2 lit. b Kodex der Griechischen Staatsangehörigkeit von 2004; Kastrissios, in: Bergmann/Ferid/Henrich – Griechenland209, 9 sowie 12 ff. für eine deutsche Übersetzung des Kodex. 193 194
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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nen,197 die dortige freie Bewegung sowie den ständigen Aufenthalt.198 Der Anwendungsbereich ist weit auszulegen, Abweichungen eng.199 Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der Leihmutterschaft und der daraus resultierenden Abstammung kann eine Beeinträchtigung dieses Rechts drohen. Bestimmen das deutsche Recht und das Recht des Geburtsorts, einschließlich ihres Internationalen Privatrechts, unterschiedliche Eltern, bewirkt die Rückreise nach Deutschland einen Wechsel der rechtlichen Eltern.200 In diesen Fällen kann die Freizügigkeit dadurch beeinträchtigt sein, dass das Kind bei Überquerung der Grenze und somit bei Ausübung der unionsrechtlichen Freizügigkeit seine rechtlichen Eltern beziehungsweise die Wunscheltern ihr rechtliches Kind verlieren.201 Beeinträchtigungen der Unionsbürgerfreizügigkeit können vielerlei Gestalt haben. Sie umfassen nicht nur unmittelbare Beeinträchtigungen wie die Verweigerung der Einreise, sondern auch solche, in denen die Freizügigkeit an sich nicht verhindert wird, dabei jedoch Umstände eintreten, durch welche deren Ausübung mit solchen Nachteilen verknüpft wird, dass der Unionsbürger davon faktisch abgehalten wird.202 So hat der EuGH etwa geurteilt, dass es mit der Unionsbürgerfreizügigkeit unvereinbar ist, wenn ein Unionsbürger
Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 35; Schulz, Freizügigkeit, 98. Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 4; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4054; Schulz, Freizügigkeit, 90 ff. 199 EuGH 3.6.1986, Kempf, Rs. 139/85, Rn. 13; EuGH 9.11.2000, Yiadom, C-357/98, Rn. 24; EuGH 29.4.2004, Oliveri, verbundene Rs. C-482/01 und C-493/01, Rn. 64 f. Vgl. Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 4. 200 In den hier untersuchten Rechtsordnungen Griechenlands und des Vereinigten Königreichs, ist dies anscheinend nicht gegeben. Gemäß Sec. 33 ff. HFEA 2008, welche bei einem domicile im Inland angewandt würde, sind auch im Vereinigten Königreich zunächst die Leihmutter und gegebenenfalls ihr Ehemann oder ihre Lebenspartnerin die rechtlichen Eltern. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.a)bb), S. 39 und Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(4), S. 80. In Griechenland sind nach Art. 1464 f. griechisches ZGB zwar die Wunscheltern unmittelbar die rechtlichen Eltern. Nach Art. 17 ff. griechisches ZGB ist jedoch wohl auf die Elternschaft deutscher Wunscheltern deutsches Recht anwendbar. Siehe oben Kapitel 2 – A.I.5.a)dd), S. 42 und Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(3), S. 78. 201 Eine solche Rechtslage kann auch in einer Geburtsurkunde des Mitgliedstaates, in dem das Kind geboren wurde, niedergelegt sein. Entscheidend scheint hier jedoch das Bestehen der Abstammung und nicht deren Verbriefung zu sein, auch wenn die Urkunde als Indiz für die entsprechende Rechtslage dienen kann. Ob das Europarecht fordert, dass eine Abstammung bei Rückkehr nach Deutschland fortbesteht, ist unabhängig von der Frage, ob bestimmte Urkunden als solche innerhalb der EU anzuerkennen sind. 202 EuGH 11.7.2002, D’Hoop, C-224/98, Rn. 31; EuGH 11.9.2007, Schwarz, C-76/05, Rn. 89; EuGH 23.10.2007, Morgan, verbundene Rs. C-11/06 und 12/06, Rn. 25; EuGH 22.5.2008, Nerkowska, C-499/06, Rn. 31; EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 21. Vgl. Streinz-Magiera2, Art. 21 AEUV, Rn. 16; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4125 und 4132 ff. 197 198
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
in verschiedenen Mitgliedstaaten verschiedene Namen tragen muss.203 Der EuGH begründet dies mit den erheblichen Nachteilen, die das Führen unterschiedlicher Namen verursachen kann.204 Der Wille, sie zu vermeiden, kann den Unionsbürger daran hindern, sich frei zwischen den Mitgliedstaaten zu bewegen. Selbst wenn er nicht an der Ein- oder Ausreise gehindert wird, wird die Freizügigkeit erheblich beeinträchtigt. Wie der Wechsel des Namens, schreckt auch ein Wechsel der Abstammung erheblich von der Ausübung der Freizügigkeit ab. Knüpfen die verschiedenen Rechtsordnungen die Abstammung unterschiedlich an oder ändern sich bei gleichbleibendem Anknüpfungsmerkmal die anknüpfungsrelevanten Tatsachen, etwa weil bei der Rückkehr auch der gewöhnliche Aufenthalt wechselt, so kann sich das anwendbare Recht ändern. Als Folge dessen kann sich auch die abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes ändern. Ein solcher Wechsel der abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes gefährdet die schon entstandene oder entstehende sozial-familiäre Bindung. Droht die Familie durch Rückkehr in das Ursprungsland rechtlich zu zerfallen, kann dies die Familie leicht von der Rückkehr abhalten, um negative Folgen des Wegfalls einer rechtlichen Elternschaft zu vermeiden. In Fortsetzung der Rechtsprechung des EuGH zum Namensrecht, wäre auch hier eine Beeinträchtigung der Unionsbürgerschaft anzunehmen.205 Da nach der Rückkehr nach Deutschland oft keine besondere Bindung zu dem Geburtsland mehr besteht, ist nicht mit einem häufigen Umzug zwischen den Mitgliedstaaten zu rechnen, der zu einem ständigen Wechsel der rechtlichen Eltern führen könnte. Ein solches „Hin und Her“, hatte der EuGH bei der Begründung der abschreckenden Wirkung eines Namenswechsels für die Ausübung der Unionsbürgerfreizügigkeit betont.206 Ein „Hin und Her“ ist allerdings nicht erforderlich, sondern lediglich ein Argument für die Schwere der Beeinträchtigung. Grundsätzlich bedarf eine Beeinträchtigung des Art. 21 AEUV sogar nicht zwingend überhaupt schon eines Grenzübertritts. Das Recht auf Unionsbürgerfreizügigkeit eines Kindes besteht auch dann, wenn es in einem fremden Mitgliedstaat geboren wurde und noch nicht von diesem Recht Gebrauch gemacht hat.207 Allein die Perspektive, in den anderen Mit203 EuGH 2.10.2003, Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003 I, 11635, Rn. 36; EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 22; vgl. auch EuGH 24.4.2008, Grunkin Paul – Schlussanträge, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 74; EuGH 30.6.2005, Standesamt Niebüll – Schlussanträge, C-96/04, Slg. 2006 I, 3563, Rn. 56. 204 EuGH 2.10.2003, Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003 I, 11635, Rn. 36; EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 22 ff. 205 Vgl. Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 133 f.; KG Berlin 23.9.2010, Az. 1 W 70/08, NJW 2011, 535, 537; kritisch OLG Celle 10.3.2011, Az. 17 W 48/10, IPRax 2012, 544, II. 5. 206 EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 26 f. 207 EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 19; EuGH 24.4.2008, Grunkin Paul – Schlussanträge, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 54; EuGH
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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gliedstaat zu reisen, reicht aus. Eines tatsächlichen Grenzüberschrittes bedarf es nicht.208 Erschwert wird der Wechsel der Abstammung, wenn damit auch eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit oder gar Staatenlosigkeit einhergeht. Wenn bei der Rückreise eine Grenzkontrolle stattfindet, die Leihmutterschaft also außerhalb des Schengen-Raums stattfand, kann es zu einer Einreiseverweigerung kommen. Es handelt sich dabei jedoch um einen eigenen Konflikt, der von der Abstammung zu trennen ist: Staatenlosigkeit könnte nämlich auch ohne abstammungsrechtliche Vorgaben verhindert werden, etwa durch eine zumindest ausnahmsweise Anwendung des ius soli-Prinzips. Dass eine Staatenlosigkeit auch zu einer Beeinträchtigung der unionsbürgerrechtlichen Freizügigkeit führen kann, bestärkt nur die Bedeutung davon, Staatenlosigkeit zu verhindern.209 c) Rechtfertigung der Beeinträchtigung Art. 21 Abs. 1 AEUV gewährt die Freizügigkeit nur „vorbehaltlich der in den Verträgen oder Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“. Trotz der im Wortlaut anklingenden Differenzierung zwischen Beschränkungen und Bedingungen wird dieser zweite Halbsatz als einheitlicher Schrankenvorbehalt gelesen.210 Der Verweis auf die Durchführungsvorschriften bezieht sich auf die inzwischen in der allgemeinen Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG zusammengeführten speziellen Freizügigkeitsrichtlinien.211 Nunmehr enthalten Art. 27 und 29 der allgemeinen Freizügigkeitsrichtlinie Schranken der Freizügigkeit, die Beeinträchtigungen der Mitgliedstaaten rechtfertigen können. Unabhängig von diesen ausdrücklichen Vorbehalten wird angenommen, die Freizügigkeit habe – wie die Grundfreiheiten – auch ungeschriebene Schranken. 2.10.2003, Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003 I, 11635, Rn. 27. Vgl. Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 9. 208 EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 19; EuGH 2.10.2003, Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003 I, 11635, Rn. 27. Vgl. dazu SchwarzeHatje3, Art. 21 AEUV Rn. 9; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4044. 209 Vgl. BVerwG 11.11.2010, Az. 5 C 12/10 (VGH München), NVwZ 2011, 760, 761 ff. Rn. 20 ff.; EuGH 2.3.2010, Rottmann, C-135/08, NVwZ 2010, 509, Rn. 59; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4163. 210 Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4142 ff.; Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 18. Siehe EuGH 7.9.2004, Trojani, C-456/02, Rn. 32 f.; EuGH 11.4.2000, Kaba, C356/98, Rn. 30 ff. 211 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
aa) Rechtfertigung aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie Art. 27 und 29 Freizügigkeitsrichtlinie ermöglichen es den Mitgliedstaaten, die Freizügigkeit der Unionsbürger zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu beschränken.212 Art. 27 Abs. 2 AEUV konkretisiert die Anforderungen an eine Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.213 Beeinträchtigungen der Freizügigkeit müssen zunächst verhältnismäßig sein.214 Die Vorschrift geht jedoch weiter: Es „darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein[, …welches] eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen [muss,] die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.“ Diese speziellen Vorgaben scheinen weniger ein zusätzliches Kriterium neben der Verhältnismäßigkeit als deren teilweise Konkretisierung zu sein. Zumindest bezüglich einer Beeinträchtigung der Freizügigkeit des Kindes scheitert hier eine Rechtfertigung: Das Verhalten, in dem eine Gefahr gesehen wird und das die Beeinträchtigung rechtfertigen soll, ist die Durchführung der Leihmutterschaft. An dieser ist das Kind jedoch nicht als handelnder Akteur beteiligt. Eine von der Leihmutterschaft ausgehende Gefahr – sollte sie bestehen – basiert nicht auf dem Verhalten des Kindes. Da zudem in dem Zeitpunkt einer möglichen Rückreise nach Deutschland die konkrete Leihmutterschaft bereits abgeschlossen ist und nicht mehr verhindert werden kann, wäre eine von der Durchführung der Leihmutterschaft ausgehende Gefahr nicht mehr gegenwärtig im Sinne des Art. 27 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie. Die bereits vergangene Leihmutterschaft wäre zudem eine unzulässige, vom Einzelfall gelöste und auf Generalprävention verweisende Begründung für eine Beschränkung. Eine Rechtfertigung der Beschränkung der Freizügigkeit des Kindes zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit scheitert somit. Auch eine Rechtfertigung einer Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Wunscheltern durch die Durchführung der Leihmutterschaft als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit scheitert an der erforderlichen Gegenwärtigkeit der Gefahr und dem Verbot der Generalprävention durch Einschränkung der Freizügigkeit. Auch eine Rechtfertigung gemäß Art. 29 Abs. 1 Freizügigkeitsrichtlinie zum Schutz der öffentlichen Gesundheit scheidet aus, da eine solche nur möglich ist bei „Krankheiten mit epidemischem Potenzial […] und sonstigen übertragbare[n …] Krankheiten“. Dies ist bei der Leihmutterschaft abwegig. Selbst wenn man in der Leihmutterschaft eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder für die (psychische) Gesundheit der Leihmutter 212 213 214
Vgl. Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 27. Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 163. Siehe hierzu unten bei Kapitel 4 – A.II.1.c)cc), S. 263.
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oder des Kindes sehen würde, kann damit die Beeinträchtigung der Freizügigkeit nicht gemäß Art. 27 oder 29 Freizügigkeitsrichtlinie gerechtfertigt werden. bb) Ungeschriebene Schranke der Freizügigkeit Auch unabhängig von der Freizügigkeitsrichtlinie kann – wie bei den Grundfreiheiten215 – eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit gerechtfertigt sein.216 Unklar ist in der Rechtsprechung des EuGH, welche Gründe für eine Beschränkung ausreichen, ob es in Anlehnung an die Rechtsprechung zu den ungeschriebenen Schranken der Grundfreiheiten217 zwingender Gründe des Allgemeinwohls bedarf oder ob hier ein eigener Maßstab gilt und „berechtigte Interessen“218 oder schlicht „objektive Gründe“ oder „objektive Erwägungen“219 ausreichen.220 Daneben wird auch ein ungeschriebener ordre publicVorbehalt angenommen als Möglichkeit, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Freizügigkeit zu beschränken.221 Letztlich ist diese Frage von nachrangiger Bedeutung, da die Beeinträchtigung der Freizügigkeit jedenfalls verhältnismäßig sein muss.222 Ob Gründe, die für die Schwere der Beeinträchtigung kein ausreichendes Gewicht haben, bereits vor oder erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausscheiden, ist für das Ergebnis und den Schutz der Unionsbürger unbeachtlich.223 215 Zu Unterschieden zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten siehe etwa Schulz, Freizügigkeit, 96 ff. Zu der unklaren Frage, ob es sich bei Art. 21 AEUV um ein Grundrecht oder eine Grundfreiheit handelt, siehe u. a. Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4160; Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 8. Die Unionsbürgerfreizügigkeit wird z. T. sogar als Grundfreiheit bezeichnet: EuGH 9.11.2000, Yiadom, C-357/98, Rn. 25. 216 EuGH 17.9.2002, Baumbast, C-413/99, Rn. 90; EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 32; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht9, Rn. 772 ff.; Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 17; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4153 ff. 217 EuGH 20.2.1979, Rewe-Zentral (Cassis de Dijon), Rs. 120/78, Rn. 8. 218 EuGH 17.9.2002, Baumbast, C-413/99, Rn. 90; EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 32. 219 EuGH 11.7.2002, D’Hoop, C-224/98, Rn. 36; EuGH 11.9.2007, Schwarz, C-76/05, Rn. 94; EuGH 23.10.2007, Morgan, verbundene Rs. C-11/06 und 12/06, Rn. 33; EuGH 11.9.2007, Kommission/Deutschland, C-318/05, Rn. 133; EuGH 14.10.2008, Grunkin Paul, C-353/06, Slg. 2008 I, 7639, Rn. 29. 220 Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4156 ff.; Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 18 ff.; vgl. EuGH 21.10.1999, Wijsenbeek, C-378/97, Rn. 41 ff. 221 Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 161 f.; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4153; Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 17; kritisch Schulz, Freizügigkeit, 330 f. 222 EuGH 17.9.2002, Baumbast, C-413/99, Rn. 91 ff.; EuGH 11.9.2007, Schwarz, C76/05, Rn. 94; EuGH 23.10.2007, Morgan, verbundene Rs. C-11/06 und 12/06, Rn. 33; EuGH 21.10.1999, Wijsenbeek, C-378/97, Rn. 44; Calliess/Ruffert-Kluth4, Art. 21 AEUV Rn. 20; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4163 ff.; Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 15. 223 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht9, Rn. 780.
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Die Hoffnung, von der Durchführung ausländischer Leihmutterschaften und der Umgehung nationaler Verbote abzuschrecken, ist ein Motiv, die Rückreise unter Erhalt der Elternschaft der Wunscheltern zu verhindern. Allein die Umgehung eines deutschen Verbotes losgelöst von den Gründen hinter dem Verbot als Rechtfertigung für eine Beeinträchtigung der Unionsbürgerfreizügigkeit oder einer Grundfreiheit zu berücksichtigen, kann nicht überzeugen.224 Nationale Verbote sind oft selbst unmittelbar oder zumindest mittelbar die Beeinträchtigung der Freizügigkeit. Könnte allein die Umgehung eines nationalen Verbotes ohne Berücksichtigung seiner Gründe eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit oder der Grundfreiheiten rechtfertigen, so könnten sich diese nie gegen das nationale Recht behaupten. Es gilt somit, die Gründe hinter dem nationalen Verbot zu betrachten und zu untersuchen, ob diese die Beeinträchtigung rechtfertigen können. Wie oben ausführlich diskutiert wurde, ist nach aktuellem Kenntnisstand225 ein Verbot der Leihmutterschaft nicht zwingend erforderlich. Weder verstößt sie gegen die Menschenwürde des Kindes oder der Leihmutter noch gefährdet sie in relevantem Maße deren physische oder psychische Integrität. Zwingende Gründe des Allgemeinwohls liegen in dieser Form nicht vor. Es gibt allerdings sachliche Gründe, warum nationale Gesetzgeber dennoch die Leihmutterschaft verbieten. Für ein Verbot sprechen etwa die vermeintliche Nähe zum Kinderhandel226 und die noch zu geringen Erfahrungen mit der Leihmutterschaft und deren Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes. Dies sind zwar objektive Gründe, eventuell gar berechtigte Interessen, aber keine zwingenden Gründe des Allgemeinwohls. Aufgrund der bisherigen psychologischen Forschung sowie der sich stetig mehrenden internationalen Erfahrungen mit der Leihmutterschaft ist ein vorsorgliches Verbot der Leihmutterschaft nicht zwingend für den Schutz des Allgemeinwohls geboten. Wie bereits mehrfach betont wurde, muss zwischen der Durchführung der Leihmutterschaft an sich und der Abstammung des Kindes unterschieden werden. Die genannten Gründe gelten primär für das Verbot der Leihmutterschaft, nicht für die Abstammung des Kindes von den Wunscheltern. Lediglich mittelbar im Sinne einer Generalprävention kann die Verweigerung der Abstammung von den Wunscheltern durch diese Gründe untermauert werden.
EuGH 27.10.1977, Bouchereau, Rs. 30/77, Slg. 1977, 2000, Rn. 33/35. Vgl. Scheuing, EuR 2003, 744, 749. 225 Wie oben dargestellt wurde, kann der psychologischen Forschung noch keine zuverlässige Aussage, sondern nur eine deutliche Tendenz entnommen werden, siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 bzw. Kapitel 3 – A.II.2., S. 155. 226 Zur Abgrenzung des Kinderhandels zur Leihmutterschaft siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.2.b)aa), S. 180. 224
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Ließe man somit hier – abweichend von der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten227 – bereits „berechtigte Interessen“ oder „objektive Gründe“ ausreichen, um eine Beeinträchtigung der Unionsbürgerfreizügigkeit zu rechtfertigen, wären solche Gründe ersichtlich. Bei einem strengen Maßstab lägen schon keine ausreichenden Gründe für eine Beeinträchtigung vor. cc) Verhältnismäßigkeit Die Beeinträchtigung muss zu den genannten Gründen verhältnismäßig sein.228 Schon bei der Geeignetheit muss eingeschränkt werden. Den einzelnen Fall der Leihmutterschaft kann die Verweigerung der Abstammung nicht mehr verhindern. Lediglich zur Generalprävention ist die Verhinderung der Abstammung der Wunscheltern geeignet. Betrachtet man jedoch die Verweigerung der Abstammung und die daraus folgende Beeinträchtigung der Freizügigkeit allein als Generalprävention, stellt sich diese zumindest bezüglich des Kindes als unangemessen dar. Dem Kind wird eine erhebliche Last aufgebürdet ohne Rechtfertigung, die sich auf seinen individuellen Fall bezieht. Das Kind wird in den Dienst eines staatlichen Gesamtinteresses gestellt. Die Beeinträchtigung, eventuell durch die Rückkehr nach Deutschland und den damit verbundenen Wechsel des relevanten Internationalen Privatrechts seine rechtlichen Eltern zu verlieren, ist jedoch so erheblich, dass diese Belastung übermäßig ist. Wie bereits oben dargestellt wurde, beeinträchtigt es seine Würde, wenn ein Kind aufgrund der Umstände seiner Geburt, an denen es offensichtlich keine Schuld trägt, solche Konsequenzen tragen muss.229 Diese Bewertung geht damit einher, dass man die ausdrücklichen Vorgaben des Art. 27 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie als Konkretisierung der Verhältnismäßigkeit ansehen kann: Eine Beeinträchtigung zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit kann demnach nur mit dem Verhalten des Betroffenen begründet werden, von dem die Gefahr ausgehen muss. Fragen der reinen Generalprävention dürfen keine Rolle spielen. Wenn Generalprävention vom Verhalten des einzelnen Betroffenen losgelöst ist, ist sie unverhältnismäßig. dd) Keine Rechtfertigung der Beeinträchtigung Es liegt eine Beeinträchtigung der Unionsbürgerfreizügigkeit zumindest des Kindes vor. Es ist unverhältnismäßig, auf Kosten der Stabilität seiner Ab227
Rn. 8.
Begründet durch EuGH 20.2.1979, Rewe-Zentral (Cassis de Dijon), Rs. 120/78,
EuGH 17.9.2002, Baumbast, C-413/99, Rn. 91 ff.; EuGH 7.9.2004, Trojani, C456/02, Rn. 34; EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004 I, 9951, Rn. 32; EuGH 21.10.1999, Wijsenbeek, C-378/97, Rn. 44. Vgl. Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4163 ff.; Schwarze-Hatje3, Art. 21 AEUV Rn. 15. 229 Kapitel 4 – A.I.2.c), S. 239. 228
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
stammung die Ziele zu erreichen, die das Verbot der Leihmutterschaft verfolgt. Will ein nationaler Gesetzgeber die Durchführung der Leihmutterschaft im EU-Ausland verhindern, muss er andere Wege finden, als die Abstammung des Kindes zu ändern, die nach dem am Geburtsort anwendbaren Recht bestand. d) Grundrechtecharta als Schranke der Freizügigkeit Gemäß Art. 6 EUV erkennt die Europäische Union die Grundrechtecharta an, die den gleichen Rang wie die Verträge einnimmt. Die Grundrechte der Charta sind somit auch bei der Anwendung der Unionsbürgerfreizügigkeit zu berücksichtigen; sie können ihr Schranken setzen.230 Die eben dargestellten Ergebnisvorgaben bestehen daher nur vorbehaltlich eines Verstoßes gegen die Charta. Es stellt sich somit die Frage, ob die Durchführung der Leihmutterschaft beziehungsweise die Stellung der Wunscheltern als rechtliche Eltern gegen die Grundrechtecharta verstößt. aa) Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta Gemäß Art. 51 GR-Charta gilt die Charta für Organe und Einrichtungen der Union, „für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“. Unmittelbar ist die Charta auf Fragen der abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes nicht anwendbar, da bei der Bestimmung der Abstammung des Kindes, selbst bei einer Geburt im EU-Ausland, grundsätzlich kein Unionsrecht angewandt wird. Stellt sich jedoch die Frage, ob unabhängig vom einfachen Recht aus Art. 21 AEUV Vorgaben für die Abstammung bestehen, kann die Anwendung des Art. 21 AEUV als Teil des Unionsrechts den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta eröffnen.231 Im
230 EuGH 26.2.2013, Åklagare, C-617/10, Rn. 17 ff.; EuGH 18.6.1991, ERT, C-260/89, Rn. 43; EuGH 12.6.2003, Schmidberger, C-112/00, Rn. 73 f.; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4173; Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 205 f., 262 ff. und 401 ff.; Haratsch/Koenig/ Pechstein, Europarecht9, Rn. 832. 231 EuGH 26.2.2013, Åklagare, C-617/10, Rn. 17 ff.; EuGH 18.6.1991, ERT, C-260/89, Rn. 42 ff.; EuGH 5.4.2011, Scattolon – Schlussanträge, C-108/10, Rn. 116 ff.; EuGH 12.6.2003, Schmidberger, C-112/00, Rn. 73 f. Die Anwendung der Grundrechtecharta hier ist strittig. Vgl. Meyer-Borowsky4, Art.51 GR–Charta Rn. 24 f. Da im Folgenden ohnehin keine Verletzung der Grundrechtecharta festgestellt wird, soll hier insoweit ein kurzer Hinweis genügen. Für eine Anwendung sprechen sich aus Jarass-Jarass2, Art. 51 GR– Charta Rn. 21; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 4173; Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 205 f. und 262 ff.; a. A. Meyer-Borowsky4, Art. 51 GR–Charta Rn. 24 f. und 29. Ebenfalls unklar ist, wie die Grundrechte dogmatisch als Schranken eingebracht werden, ob sie über Art. 51 GR-Charta anwendbar sind oder nur im Rahmen ungeschriebener Rechtfertigungsgründe mittelbar berücksichtigt werden. Auch diese Differenzierung soll hier außen vor bleiben. Vgl. dazu etwa. Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 407 ff.
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Rahmen möglicher Vorgaben der Grundfreiheiten beziehungsweise der Unionsbürgerrechte ist auch die Charta zu berücksichtigen. Dies führt zu der Situation, dass die Charta zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar anwendbar ist. Der Grund dafür ist, dass die Grundfreiheiten und Unionsbürgerrechte zunächst einen anderen Anwendungsbereich haben als die Grundrechtecharta, da sie sich direkt auch an die Unionsbürger richten. Wäre die Charta nicht akzessorisch anwendbar, wäre es schwieriger, Grundrechte der Beteiligten als Korrektiv zu berücksichtigen, was zu Widersprüchen innerhalb der Europarechts führen könnte. Für einen einheitlichen Maßstab müsste man auf die EMRK oder Figuren wie die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen zurückgreifen.232 Ein Rückgriff auf nationale Grundrechte,233 wäre eine Gefahr für die einheitliche Reichweite der Freizügigkeit in den verschiedenen Mitgliedstaaten234 und widerspräche dem Vorrang des Unionsrechts.235 Bei der Anwendung der Grundfreiheiten und Unionsbürgerrechte die Grundrechtecharta zu berücksichtigen ist notwendig, damit die unionsrechtlichen Vorgaben einheitlich und in sich stimmig sind.236 Verstoßen somit die Durchführung der Leihmutterschaft beziehungsweise die rechtliche Abstammung des Kindes von den Wunscheltern gegen die Grundrechtecharta, so kann dies gegen die dargestellten Ergebnisvorgaben und somit gegen ein Recht des Kindes auf Freizügigkeit unter Erhalt der rechtlichen Abstammung von den Wunscheltern sprechen. bb) Schutz der Menschenwürde, Art. 1 ff. GR-Charta Fast wortgleich mit Art. 1 GG gebietet auch Art. 1 GR-Charta, dass die Würde des Menschen unantastbar, zu achten und zu schützen ist. Auch wird ein Kern der Menschenwürde, in den nicht eingegriffen werden darf, in den weiteren Grundrechten der Charta angenommen.237 Im Gegensatz zum Grundgesetz bestehen jedoch in den Art. 3 bis 5 GR-Charta eigene ausdrückliche Vgl. Art. 6 EUV. Vgl. EuGH 17.12.1970, Internationale Handelsgesellschaft, Rs. 11/70, Rn. 3; EuGH 12.6.2003, Schmidberger, C-112/00, Rn. 76 ff.; Frenz, HdbEuR2, Bd. 1, Rn. 1215 ff. 234 EuGH 15.7.1964, Costa/ENEL, Rs. 6/64, 1269 ff.; EuGH 17.12.1970, Internationale Handelsgesellschaft, Rs. 11/70, Rn. 3; vgl. Schulz, Freizügigkeit, 88 f. 235 EuGH 15.7.1964, Costa/ENEL, Rs. 6/64, 1269 ff.; EuGH 17.12.1970, Internationale Handelsgesellschaft, Rs. 11/70, Rn. 3; EuGH 13.7.1972, Kommission/Italien, Rs. 48/71, Rn. 5/10; EuGH 28.7.1977, Simmenthal, Rs. 106/77, Rn. 17 ff. Vgl. Schulz, Freizügigkeit, 88 f. 236 EuGH 15.7.1964, Costa/ENEL, Rs. 6/64, 1269 ff.; EuGH 17.12.1970, Internationale Handelsgesellschaft, Rs. 11/70, Rn. 3; EuGH 13.7.1972, Kommission/Italien, Rs. 48/71, Rn. 5/10; EuGH 28.7.1977, Simmenthal, Rs. 106/77, Rn. 14 ff.; vgl. Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 407 f. 237 Jarass-Jarass2, Art. 1 GR–Charta Rn. 4 f.; Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 359. 232 233
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Rechte für Fälle, die im deutschen Recht meist über den allgemeinen Schutz der Menschenwürde behandelt werden.238 Diese bilden Spezialregeln, hinter denen Art. 1 nicht als eigene Verbürgung wirken soll, falls die spezielleren Vorschriften thematisch einschlägig sind, nach ihnen eine Verletzung der Menschenwürde jedoch nicht vorliegt.239 Von Bedeutung könnte von diesen speziellen Ausgestaltungen hier Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta sein. Lit. c, die die Kommerzialisierung des Körpers und seiner Teile als solcher verbietet, betrifft jedoch höchstens die kommerzielle Leihmutterschaft, auf die erst später einzugehen ist.240 Es ist somit der allgemeine Schutz der Menschenwürde gemäß Art. 1 GR-Charta einschlägig. Zwar ist die Charta – wie auch sonstiges europäisches Recht – autonom auszulegen; aufgrund des nahezu identischen Wortlautes wird jedoch der Schutz der Menschenwürde im Rahmen des Art. 1 GR-Charta grundsätzlich zu einem entsprechenden Ergebnis führen wie derjenige des Art. 1 GG.241 Zumindest bezüglich Fragen, zu denen noch keine oder keine divergierende Rechtsprechung vorliegt, besteht kein Anlass, von zwei gänzlich abweichenden Verständnissen auszugehen. Dies gilt insbesondere, da die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes vielfach als Modell für die Grundrechtecharta gesehen wird242 und da der Begriff der Menschenwürde ohnehin schwer zu fassen ist.243 Er lässt sich nur ungefähr umschreiben244 und durch Rechtsprechung konkretisieren. Mangels entsprechender Rechtsprechung, die in dem hier relevanten Bereich eine Differenzierung zwischen den beiden Menschenwürdebegriffen erfordern könnte, kann auf die oben zu Art. 1 GG erfolgten Ausführungen verwiesen werden.245 Grundsätzlich verstößt somit weder die Durchführung der Leihmutterschaft noch die rechtliche Abstam-
238 Jarass-Jarass2, Art. 1 GR–Charta Rn. 4 f.; Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 374. 239 Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 359; Meyer-Borowsky4, Art. 1 GR– Charta Rn. 33 f.; Jarass-Jarass2, Art. 1 GR–Charta Rn. 4 f. 240 Siehe unten bei S. 291. 241 So Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 139; Meyer-Borowsky4, Art. 1 GR–Charta Rn. 26; vgl. Jarass-Jarass2, Art. 1 GR–Charta Rn. 6; kritisch bzgl. eines Gleichlaufs des deutschen und europäischen Begriffs Calliess/Ruffert-Calliess4, Art. 1 GR–Charta Rn. 27 f., der jedoch auch hier die Bedeutung der Objektformel betont, welche ebenfalls im Kern des deutschen Menschenwürdebegriffs steht. Dass vielfach dasselbe Ergebnis gefunden wird, soll nicht heißen, dass es sich um denselben Menschenwürde-Begriff handelt. Die Charta ist autonom auszulegen. 242 Meyer-Borowsky4, Art. 1 GR–Charta Rn. 1; Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 139 und 808 ff., insbes. 816; Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 362. 243 Statt vieler Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, 361 ff. 244 Siehe dazu im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 GG oben bei Kapitel 3 – A.III.1.a), S. 159. 245 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.a), S. 159 und Kapitel 3 – A.III.2., S. 177.
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mung des Kindes von den Wunscheltern gegen die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 GR-Charta.246 cc) Körperliche und geistige Unversehrtheit, Art. 3 Abs. 1 GR-Charta Art. 3 Abs. 1 GR-Charta schützt die körperliche und geistige Unversehrtheit aller Personen. Nach dem momentanen Stand der Kenntnis bestehen weder für die Unversehrtheit der Leihmutter noch des Kindes Gefahren, die eine Beeinträchtigung dieser Güter in einem solchen Maße befürchten ließen, dass sie für Art. 3 Abs. 1 GR-Charta beachtlich wären.247 Auch Art. 3 Abs. 1 GRCharta setzt somit hier der Unionsbürgerfreizügigkeit keine Grenzen. e) Fazit: Materielle, unionsrechtliche Ergebnisvorgabe Es besteht somit die unionsrechtliche Ergebnisvorgabe, dass sich bei der Rückkehr nach Deutschland beziehungsweise einem sonstigen Umzug innerhalb der EU die rechtliche Abstammung des Kindes nicht ändern darf und somit eine Abstammung des Kindes von den Wunscheltern nach dem am Geburtsort anwendbaren Recht auch in Deutschland fortbestehen muss.248 Wie bereits dargestellt wurde, ist dies lediglich als Ergebnisvorgabe zu verstehen. Das Unionsrecht fordert nur den Fortbestand der Abstammung. Wie dieser rechtstechnisch bewirkt wird, gibt es demgegenüber nicht vor.249 III. Völkerrecht Auch aus den Menschenrechten der Betroffenen kann es Vorgaben für die Abstammung des durch Leihmutterschaft gezeugten Kindes geben. Deutlicher als die Grundrechte haben die Menschenrechte einen universalen Anspruch. Anknüpfungspunkt ist auch dabei jedoch die völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik.250 Nach klassischem Verständnis konnten die Bezüglich eines Verstoßes in Fällen der erzwungenen Herausgabe des Kindes siehe unten bei Kapitel 4 – A.V.2., S. 293. 247 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 und Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(1), S. 61. 248 Ebenso Lurger, IPRax 2013, 282, 288; unklar Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 492 f.; Diel, Leihmutterschaft, 159 f.; vgl. Dethloff, 204 AcP 204 (2004) 2004, 544, 556 ff. 249 Auf die Diskussion, ob es wegen solcher Vorgaben eines unionsrechtlichen Anerkennungsprinzips bedarf, wird daher nicht eingegangen. Vgl. dazu etwa Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651; Funken, Anerkennungsprinzip; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82; Nordmeier, StAZ 2011, 129; Nordmeier, IPRax 2012, 31; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 4 ff.; Kohler/Pintens, FamRZ 2013, 1437, 1440; Geier, Anerkennungspflichten, 6 ff. 250 Kokott, 38 BerDGVR 1997, 71, 101 ff.; Staudinger-Blumenwitz2003, Art 6 EGBGB Rn. 75 m.w.N.; von Bar, 33 BerDGVR 1994, 191, 208. Zu der Bedeutung von Menschenrechten für das IPR allgemeiner Jayme, in: Gesammelte Schriften, Bd. 3, 95. 246
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
einzelnen Menschen aus dem Völkerrecht unmittelbar keine Rechte herleiten, sondern profitierten nur von Reflexen der von den Staaten übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen.251 Inzwischen wird immer mehr jedoch auch der Einzelne als, zumindest beschränktes, Völkerrechtssubjekt anerkannt: er trägt die Menschenrechte als eigene Rechte, zumindest sofern er mittels völkerrechtlicher Verfahren diese Rechte durchsetzen kann.252 Gerade in Bezug auf die Rechte der EMRK wird die partielle Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen anerkannt.253 Wegen ihrer besonderen praktischen Bedeutung und der starken Stellung des EGMR bei der Überwachung ihrer Einhaltung durch die Konventionsstaaten, einschließlich der Möglichkeit der Individualbeschwerde gemäß Art. 34,254 steht die EMRK im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. Daneben ist insbesondere die UNKinderrechtskonvention von Bedeutung. 1. Vorgaben für die Zulässigkeit der Leihmutterschaft Es können zunächst Vorgaben bezüglich der Zulässigkeit der Leihmutterschaft bestehen, die mittelbar auch eine abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern erfordern könnten. Ergeben können sich diese aus einem Menschenrecht auf Familiengründung beziehungsweise auf Fortpflanzung oder aus einem Recht auf Behandlung körperlicher Beeinträchtigungen. a) Recht auf Familiengründung beziehungsweise auf Fortpflanzung, Art. 8 Abs. 1 EMRK Ein Recht auf Fortpflanzung kann sich aus einem Recht auf Schutz der Familie oder Familiengründung ergeben. Solche Rechte enthalten etwa Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 12 und 16 UN-Menschenrechtserklärung, Art. 17 Abs. 1 und 23 UN-Zivilpakt, Art. 10 Abs. 1 UN-Sozialpakt und Art. 9 UN-Kinderrechtskonvention. Im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 EMRK differenziert der EGMR grundsätzlich zwischen dem Schutz des Familienlebens und der Familiengründung. Die Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK setzt die Existenz einer Familie voraus.255 Ihre Gründung ist nicht als Teil des Familienle251 Peters, Völkerrecht3, Kapitel 10 Rn. 16 ff., S. 277 f.; Ipsen u. a., Völkerrecht6, § 7 Rn. 1 ff., S. 308 f. 252 Ipsen u. a., Völkerrecht6, § 7 Rn. 3 f., S. 309; Peters, Völkerrecht3, Kapitel 10 Rn. 17–18, S. 278; siehe zu dieser Frage ausführlich Peters, Jenseits der Menschenrechte. 253 Ipsen u. a., Völkerrecht6, § 7 Rn. 10, S. 312. 254 Vgl. Peters, Völkerrecht3, Kapitel 10 Rn. 23, S. 280. 255 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; EGMR 22.1.2008, E.B., Az. 43546/02, NJW 2009, 3637, Rn. 41; EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 32.
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bens geschützt.256 Allerdings wird die Entscheidung, Kinder zu haben, als Ausdruck des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK angesehen. 257 Die Familiengründung ist somit als Teil des Privatlebens durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt.258 Auch die Entscheidung, zur Familiengründung reproduktionsmedizinische Verfahren zu verwenden, unterstellt der EGMR dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Er beschreibt diese als Ausdruck des „Privat- und Familienlebens“ und verwischt insoweit die sonst zwischen den beiden gezogene Grenze.259 Der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Verfahren ist somit durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt, anders ausgedrückt, ein nationales Verbot technisch möglicher reproduktionsmedizinischer Verfahren ist vor Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtfertigungsbedürftig.260 Dies gilt auch für ein Verbot der Leihmutterschaft.261 Ein solches Verbot kann gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sein.262 Dafür muss es einem der in Absatz 2 genannten Ziele dienen, dem Gesetzesvorbehalt genügen sowie „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ sein. Die Leihmutterschaft wird verboten, um die Gesundheit, die Moral und die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen. Dies sind von Absatz 2 anerkannte Ziele.263 Ob das Verbot im Sinne des Abs. 2 „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist“, wird als Verhältnismäßigkeitsprüfung durch eine Abwägung der Bedeutung der verfolgten Ziele und des Schutzes durch Art. 8 Abs. 1
256 EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 32; EGMR 13.12.2007, Emonet, Az. 39051/03, Rn. 66; EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; EGMR 22.1.2008, E.B., Az. 43546/02, NJW 2009, 3637, Rn. 41; EGMR 27.4.2010, Moretti, Az. 16318/07, Rn. 47; EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 41. 257 EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 71; EGMR 22.1.2008, E.B., Az. 43546/02, NJW 2009, 3637, Rn. 43; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 80. 258 Wollenschläger, MedR 2011, 21, 22. Insoweit verkürzt Engel, ZEuP 2014, 538, 558 f. 259 EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 71 f.; EGMR 4.12.2007, Dickson, Az. 44362/04, Rn. 66; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 81 f. 260 EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 89; Scherpe, 71 The Cambridge Law Journal 2012, 276; Wollenschläger, MedR 2011, 21; Coester-Waltjen, FamRZ 2000, 598, 599. 261 Vgl. nun zur Leihmutterschaft EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11; dazu: Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen. Siehe dazu unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287. 262 EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 89 ff. 263 Vgl. EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 90. So nun auch EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 54; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 62. Siehe dazu unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
EMRK bestimmt.264 Entscheidende Bedeutung hat bei dieser Abwägung die Reichweite des Einschätzungsspielraums, den die Mitgliedstaaten genießen.265 Bei Fragen, die für die Betroffenen von besonderer Bedeutung sind, ist der Spielraum für gewöhnlich beschränkt.266 Die Familiengründung ist eine solche Frage von besonderer Bedeutung. Handelt es sich jedoch um ein Verbot von Verhalten, das komplexe moralische und ethische Fragen aufwirft und zu dem sich noch kein europäischer Konsens abzeichnet, so ist der Spielraum weit.267 Bei den Verfahren der Reproduktionsmedizin ist dies der Fall, zumal hier die Unsicherheit durch die rapide wissenschaftliche Entwicklung verstärkt wird.268 Momentan sind die Auswirkungen der Leihmutterschaft auf die Psyche der Leihmutter und des Kindes noch nicht geklärt, auch wenn sich erste positive Tendenzen abzeichnen.269 Das Meinungsbild in der Gesellschaft ist ebenfalls sehr uneinheitlich und scheint teilweise stark im Fluss zu sein. Der Einschätzungsspielraum muss daher nach den vom Gerichtshof entwickelten Kriterien momentan ein weiter sein, sowohl bezüglich des Ob als auch des Wie eines Einschreitens des Gesetzgebers.270 Auch wenn ein weiter Spielraum besteht, hinterfragt der Gerichtshof die Gründe des Gesetzgebers für ein Einschreiten und ob ein angemessener Aus264 EGMR 12.7.2001, K. and T., Az. 25702/94, Rn. 154; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 91; EGMR 24.3.1988, Olsson No. 1, Az. 10465/83, Rn. 67; EGMR 26.2.2002, Kutzner, Az. 46544/99, Rn. 65. 265 EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 77; EGMR 4.12.2007, Dickson, Az. 44362/04, Rn. 77 f.; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 93 ff. 266 EGMR 29.4.2002, Pretty, Az. 2346/02, NJW 2002, 2851, Rn. 71; EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 77; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 94; EGMR 22.10.1981, Dudgeon, Az. 7525/76, Rn. 52; EGMR 4.12.2007, Dickson, Az. 44362/04, Rn. 78. 267 EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 94 ff.; EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 77; EGMR 4.12.2007, Dickson, Az. 44362/04, Rn. 78; EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 44; EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 41; EGMR 16.12.2010, A., B. and C., Az. 25579/05, Rn. 232. Der Spielraum schrumpft in dem Maße, in dem sich ein Konsens bzw. eine klare Tendenz bildet, EGMR 11.7.2002, Goodwin, Az. 28957/95, NJW-RR 2004, 289, Rn. 84 f. 268 EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 97; EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 44; EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 77; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Joint Dissenting Opinion Tulkens et al. Rn. 10; dazu Wollenschläger, MedR 2011, 21, 23. Nun zur Leihmutterschaft EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 56 ff.; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 79. 269 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 bzw. Kapitel 3 – A.II.2., S. 155. 270 Vgl. EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 97; EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 44; EGMR 4.12.2007, Dickson, Az. 44362/04, Rn. 78; EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 77; EGMR 27.2.2007, ASLEF, Az. 11002/05, Rn. 46; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Joint Dissenting Opinion Tulkens et al. Rn. 10; dazu Wollenschläger, MedR 2011, 21, 23; kritisch EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Joint Dissenting Opinion Türmen et al. Rn. 10.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
271
gleich zu dem Schutz aus Art. 8 EMRK gefunden wurde.271 Die Frage ist dabei jedoch nicht, ob der Gesetzgeber eine andere, ausgewogenere Abwägung hätte treffen können, sondern ob die Entscheidung, die er traf, jenseits des Einschätzungsspielraums liegt. 272 Der EGMR betont ausdrücklich, dass auch ethische Bedenken berücksichtigt werden können und dass die Vertragsstaaten bei solch unklaren Fragen mit Vorsicht vorgehen dürfen, gerade wenn eventuelle negative Folgen erst deutlich später erkenntlich werden.273 Die möglichen negativen Folgen der Leihmutterschaft, die ethischen Bedenken274 gegen sie, insbesondere gegen entgeltliche und solche, bei der die Übergabe des Kindes erzwungen werden kann, die befürchtete Ausbeutung der Leihmutter und vermeintliche Nähe zum Kinderhandel können daher zur jetzigen Zeit ein Verbot der Leihmutterschaft vor Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtfertigen.275 Die Bedeutung des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses, ob Leihmutterschaft zulässig oder verboten sein soll, und der schnellen medizinischen Entwicklung für die Weite des Einschätzungsspielraums heißt jedoch auch, dass dieser Spielraum mit der Zeit schrumpfen und die Bewertung einer einzelstaatlichen Maßnahme sich ändern kann, in dem Maße, in dem sich ein solcher Konsens bildet und die Forschung im Bereich der Reproduktionsmedizin etwa bezüglich der psychologischen Folgen einer Leihmutterschaft fortschreitet.276 Bestätigt sich dabei die bisherige Forschung, dass die Leihmutterschaft keine signifikanten Gefahren für die Leihmutter oder das Kind birgt, und nimmt die Zustimmung zur Leihmutterschaft in der Gesellschaft zu, so schrumpft der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers und ein Verbot der Leihmutterschaft wird als Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK nur schwer zu rechtfertigen sein.277 b) Leihmutterschaft als Heilbehandlung Verbote reproduktionsmedizinischer Verfahren, einschließlich der Leihmutterschaft, lassen sich auch als Verweigerung verfügbarer Behandlungsmethoden für Unfruchtbarkeit und somit für eine körperliche Beeinträchtigung EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 41; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 97 und 100. 272 EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 91; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 106. 273 EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 103. 274 Die Relevanz ethischer Bedenken betont EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 100. 275 Ebenso Lurger, IPRax 2013, 282, 289; Diel, Leihmutterschaft, 82 ff. Siehe oben zum Grundgesetz bei Kapitel 4 – A.I.1.c)bb), S. 226. 276 EGMR 11.7.2002, Goodwin, Az. 28957/95, NJW-RR 2004, 289, Rn. 81 ff.; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 117; vgl. EGMR 27.2.2007, ASLEF, Az. 11002/05, Rn. 46. 277 Vgl. EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 117. 271
272
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
verstehen. Eine solche Verweigerung wäre problematisch etwa vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 und 15 Abs. 1 lit. b UN-Sozialpakt, die die körperliche und geistige Gesundheit sowie die Teilhabe an Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschrittes gewährleisten,278 ebenso vor Art. 2 und 8 EMRK, die die körperliche Unversehrtheit zumindest in gewissem Maße schützen.279 Allerdings kann man die Leihmutterschaft kaum als Behandlung der Unfruchtbarkeit der Wunschmutter verstehen. Bei alleinstehenden Männern und männlichen homosexuellen Paaren wird deutlich nicht die Unfruchtbarkeit einer Frau, sondern deren Fehlen überwunden. Auch bei heterosexuellen Paaren, alleinstehenden Frauen oder weiblichen homosexuellen Paaren bewirkt die Leihmutterschaft jedoch keine Heilung oder Überwindung der körperlichen Beeinträchtigung, sondern die Fortpflanzung wird von der Identität der Frau gelöst. Dies geht über das Ausmaß einer Heilbehandlung hinaus.280 Selbst wenn man hier jedoch einen Eingriff sieht, ist auch dieser mit den eben genannten Argumenten zu rechtfertigen. Auch bezüglich der Zulässigkeit verfügbarer Behandlungsmethoden hat der Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsspielraum, wenn deren Bewertung noch derart uneinheitlich ist und ihre Folgen bislang nicht klar absehbar sind. c) Fazit: Keine völkerrechtlichen Vorgaben Im Rahmen der EGMR bestehen keine Vorgaben bezüglich der Zulässigkeit der Leihmutterschaft.281 Sofern sich die bisherigen Forschungsergebnisse, dass von der Leihmutterschaft keine Gefahren für die Beteiligten ausgehen, bestätigen und die Zustimmung zur Leihmutterschaft in der Gesellschaft zunimmt, könnte eine Erlaubnis der Leihmutterschaft durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geboten sein. 2. Vorgaben für Stellung des Kindes a) Schutz von Familien- und Privatleben, Art. 8 Abs. 1 EMRK Vorgaben für die Stellung des Kindes können sich aus dem Gebot der Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK ergeben.
278
Rn. 9.
Vgl. EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Joint Dissenting Opinion Tulkens et. al.
279 EGMR 29.4.2002, Pretty, Az. 2346/02, NJW 2002, 2851, Rn. 61; EGMR 6.2.2001, Bensaid, Az. 44599/98, NVwZ 2002, 453, Rn. 46. 280 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.1.b), S. 224. 281 Vgl. nun zur Leihmutterschaft EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11; Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen. Siehe dazu unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
273
aa) Die entscheidende „Familie“ bei der Leihmutterschaft Zunächst müssten die Wunscheltern und das Kind eine „Familie“ im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen. In ständiger Rechtsprechung betont der EGMR, dass „Familie“ tatsächlich zu bestimmen ist.282 Wesentlich ist die tatsächliche, soziale Familie. Eine klar konturierte Definition der Familie ist damit schwer möglich. Es bedarf einer Zusammenschau verschiedener Aspekte.283 Als Kriterien nennt der Gerichtshof etwa die Übernahme der Verantwortung und Sorge für das Kind, das Zusammenleben sowie die Absicht, weiterhin zusammenzuleben.284 Eine genetische Abstammung ist nicht notwendig.285 Diese Kriterien finden sich bei dem Zusammenleben der Wunscheltern mit dem Kind: Übergibt die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern, so übernehmen diese die tatsächliche Verantwortung und Sorge für das Kind, leben mit diesem zusammen und wollen dies auch auf Dauer tun.286 Der Schutz der Familie setzt dabei schon ab der Übergabe des Kindes ein,287 da der EGMR andeutet, dass auch eine sich erst bildende Familie geschützt ist, wenn kein Anlass besteht, daran zu zweifeln, dass die Familienstruktur fortbestehen und sich weiter ausprägen wird.288 Gibt die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern heraus, so besteht kein Anlass, daran zu 282 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; EGMR 18.12.1986, Johnston, Az. 9697/82, Rn. 55; EGMR 27.10.1994, Kroon, Az. 18535/91, Rn. 30; EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 36; EGMR 28.10.1998, Söderbäck, Az. 113/1997/897/1109, Rn. 33; EGMR 12.7.2001, K. and T., Az. 25702/94, Rn. 150; EGMR 18.3.2008, Hülsmann, Az. 33375/03, NJW-RR 2009, 1585, 1586; EGMR 2.11.2010, Şerife, Az. 3976/05, Rn. 93 ff.; EGMR 26.5.1994, Keegan, Az. 16969/90, Rn. 44. Vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 60. 283 HdbGR VI/1-Mückl, § 141 Rn. 34. 284 EGMR 18.3.2008, Hülsmann, Az. 33375/03, NJW-RR 2009, 1585, 1586. 285 So nun ausdrücklich in einem Fall der Leihmutterschaft, bei der kein Wunschelternteil genetischer Elternteil war: EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 69; dazu: Duden, StAZ 2015, im Erscheinen. Siehe auch EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 36 f.; EGMR 28.10.1998, Söderbäck, Az. 113/1997/897/1109, Rn. 33; EGMR 24.6.2010, Schalk and Kopf, Az. 30141/04, Rn. 94 f.; EGMR 22.7.2010, P.B. and J.S., Az. 18984/02, Rn. 30. 286 So nun auch EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 37; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 45; dazu: Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen. Siehe dazu unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287. 287 Nach oben vertretener Ansicht (siehe bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205) steht dieser Schutz in den ersten Wochen nach der Übergabe unter dem Vorbehalt, dass die Leihmutter ihre Meinung noch ändern und das Kind doch herausverlangen kann. 288 EGMR 22.1.2008, E.B., Az. 43546/02, NJW 2009, 3637, 3638 Rn. 41 ff.; EGMR 18.3.2008, Hülsmann, Az. 33375/03, NJW-RR 2009, 1585, 1586; EGMR 28.5.1985, Abdulaziz, Az. 9214/80, 9473/81, 9474/81, NJW 1986, 3007, 3008 Rn. 61 f.; vgl. EGMR 26.5.1994, Keegan, Az. 16969/90, Rn. 44; vgl. Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 575.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
zweifeln, dass die Wunscheltern und das Kind eine Familie im Sinne des Art. 8 EMRK bilden. Der Leihmutter sollte nach der Geburt eine gewisse Phase verbleiben, in der sie ihre Entscheidung bezüglich der Übergabe treffen kann beziehungsweise in der sie das Kind trotz ursprünglich freiwilliger Übergabe zurückfordern kann.289 Der Schutz durch Art. 8 EMRK in den ersten Wochen steht daher unter dem Vorbehalt, dass die Leihmutter sich nicht umentscheidet. Gegenüber staatlichen Eingriffen besteht der Schutz jedoch schon während dieser Phase.290 Wäre der Bestand einer tatsächlichen Familie gegenüber dem Staat erst geschützt, wenn sie sich zu einem bestimmten Maße verfestigt hat, so könnten Staaten theoretisch den Schutz tatsächlicher Familien, die sie nicht gutheißen, verhindern, indem sie sie vor Ablauf dieser Frist trennen. So würde der Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, der den Staat verpflichten kann, bestimmte tatsächliche Familien zu respektieren,291 unterlaufen. bb) Schutzbereich: Rechtliche Integration des Kindes in die Familie Unter anderem in der Sache Marckx 292 sah es der EGMR als Teil des Schutzes des Art. 8 Abs. 1 EMRK an, dass die Vertragsstaaten bei der Regelung der Rechtsverhältnisse Familienangehöriger unter anderem gewährleisten müssen, dass Kinder frühestmöglich, grundsätzlich ab Geburt, rechtlich in ihre Familie integriert werden.293 Anlass der Marckx-Entscheidung war die Abstammungsbegründung bei nichtehelichen Kindern, die zu der Zeit in Belgien von derjenigen bei ehelichen abwich. Später schränkte der EGMR diese Forderung in der Entscheidung X., Y. und Z. bezüglich nicht biologischer Eltern im Ergebnis ein.294 Es ist dabei jedoch nicht klar, ob die rechtliche Integration nicht biologisch eigener Kinder in die Familie schon nicht vom Schutzbereich erfasst ist oder ob ein Unterbleiben der Integration gerechtfertigt ist.295 Für eine Beschränkung des Schutzbereichs spricht, dass der Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201. Vgl. EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 71 ff. und 86 f.; dazu: Duden, StAZ 2015, im Erscheinen. 291 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; vgl. EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 71 ff. und 86 f. 292 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449; dazu Jayme, NJW 1979, 2425. 293 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; EGMR 18.12.1986, Johnston, Az. 9697/82, Rn. 72; EGMR 27.10.1994, Kroon, Az. 18535/91, Rn. 32; EGMR 26.5.1994, Keegan, Az. 16969/90, Rn. 50; EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 41. Vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 60; Diel, Leihmutterschaft, 115. Abzugrenzen ist dieser Anspruch auf Verrechtlichung einer tatsächlich schon bestehenden Familie von einem Anspruch auf Begründung einer Familie. 294 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 43 f. und 52. 295 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 43 ff. 289 290
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
275
EGMR die Frage im Rahmen der Bestimmung des Schutzbereichs aufwirft.296 Dagegen spricht jedoch, dass er im Anschluss eine Rechtfertigungsprüfung durchführt, die nicht erforderlich wäre, wenn schon kein Eingriff in den Schutzbereich vorläge.297 Dies bestätigt, dass in seinem Ergebnis der Prüfung des Art. 8 EMRK der Gerichtshof nur feststellt, dass „in this context“ Art. 8 EMRK keine Pflicht zur Anerkennung des nicht biologischen Vaters als rechtlichen Vater enthält. Er scheint nicht kategorisch die Beziehung zu allen nicht biologischen Eltern von dem Schutzbereich auszuschließen, sondern im Einzelfall abzuwägen. Ob diese Abwägung im Rahmen des Schutzbereichs oder der Rechtfertigung erfolgt, kann hier unbeachtlich bleiben. Es wird im Weiteren davon ausgegangen, dass die Integration in eine Familie mit den nicht biologischen Eltern vom Schutzbereich erfasst ist, ihre Verweigerung jedoch gerechtfertigt sein kann. cc) Rechtfertigung einer unterbleibenden Integration Können die Wunscheltern nicht die rechtlichen Eltern werden, obwohl sie mit dem Kind eine soziale Familie bilden, so ist dies vor Art. 8 EMRK zu rechtfertigen. Entscheidend ist dabei, ob die betroffenen Interessen angemessen abgewogen wurden.298 (1) Einschätzungsspielraum der Einzelstaaten Wie streng der EGMR die Entscheidung der Vertragsstaaten überprüft, hängt erneut davon ab, wie weit deren Einschätzungsspielraum ist. Dies wiederum richtet sich nach der Bedeutung der betroffenen Güter. Da es sich hier um grundlegende Fragen des Lebens und der rechtlichen Zugehörigkeit des Kindes handelt, besteht grundsätzlich ein geringer Einschätzungsspielraum.299 In der Sache Marckx, bei der es um die rechtliche Mutterschaft eines unehelichen Kindes ging, hatte der Gerichtshof einen geringen Einschätzungsspielraum zugrunde gelegt.300 In dem Fall X., Y. und Z. hat der Gerichtshof später, wie im Rahmen seiner Rechtsprechung zu den Verboten reproduktionsmedizinischer Verfahren,301 vertreten, dass auch bei der rechtlichen InEGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 43. EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 45 ff. 298 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 41; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 87 f.; EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 75; EGMR 26.5.1994, Keegan, Az. 16969/90, Rn. 49; EGMR 13.2.2003, Odièvre, Az. 42326/98, Rn. 40. 299 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.III.1.a), S. 268. 300 Vgl. EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Dissenting Opinion Fitzmaurice Rn. 29 ff. 301 EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 77; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 94. Auch bei Adoption durch Homosexuelle besteht ein weiter Spielraum: EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 41. Entsprechend bei der Frage ob eine kafala zum 296 297
276
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
tegration eines Kindes in seine Familie ein weiter Einschätzungsspielraum besteht, wenn es sich um Fälle handelt, die ethisch und moralisch delikat sind, bei denen sich noch kein europäischer Konsens gebildet hat und bei denen schnelle gesellschaftliche Entwicklungen stattfinden.302 Dieser Fall betraf die Frage, ob ein Transsexueller, der inzwischen ein Mann war, die rechtliche Vaterschaft des von seiner Frau mittels Samenspende gezeugten Kindes erwerben können muss. Die frühere Herangehensweise in Marckx erscheint überzeugender. Die rechtliche Integration eines Kindes in seine Familie betrifft eine für das Kind grundlegende Rechtsfrage, an die sich zahlreiche Folgefragen knüpfen, wie etwa Unterhalt, Sorgerecht, Staatsangehörigkeit oder Erbrecht. Dies spricht gegen einen weiten Spielraum. Bei einem weiten Spielraum bestünde zudem die Gefahr, gesellschaftliche Normen auf dem Rücken derjenigen durchzusetzen, die für ihren Bruch nicht verantwortlich sind. Auch ein fehlender europäischer Konsens vermag einen weiten Spielraum nicht zu rechtfertigen. Auf der Ebene der Zulässigkeit bestimmter reproduktionsmedizinischer Verfahren, beziehungsweise allgemeiner der Familiengründung, mag ein fehlender Konsens und eine unklare ethische Bewertung eines Vorgangs für einen weiten Einschätzungsspielraum sprechen, da es überzeugend erscheint, den Einzelstaaten zu ermöglichen, solche Vorgänge, deren Bewertung noch unklar ist, zu verhindern, insbesondere wenn Auswirkungen auf die Entwicklung so gezeugter Kinder erst viel später erkennbar sind.303 Anders stellt es sich jedoch dar, wenn es um die Frage der Zuordnung eines Kindes geht, das bereits mittels eines solchen Verfahrens gezeugt wurde, beziehungsweise wenn es um die rechtliche Anerkennung einer bereits existenten Familie geht. Die Durchführung des reproduktionsmedizinischen Verfahrens, beziehungsweise die Familiengründung kann dann nicht mehr verhindert werden. Dass generalpräventive Gedanken dennoch einen weiten Einschätzungsspielraum begründen könnten, ist mit den Rechten des Kindes nicht vereinbar. Auch Art. 14 EMRK spricht gegen einen weiten Spielraum. Ein weiter Spielraum würde letztlich ermöglichen, dass wegen der fehlenden gesellschaftlichen Zustimmung zu den Umständen der Geburt dieser Kinder deren Schutz durch Art. 8 EMRK weitergehend beschränkt werden könnte als bei anderen Kindern. Dies soll das Verbot der Diskriminierung anhand der „Geburt“ jedoch verhindern. Schutz der Familie ausreicht, wenn nach dem Heimatrecht der Betroffenen nur diese und keine Volladoption möglich ist: EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 48; Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, 37 ff.; Jayme, IPRax 2014, 89, 89; Jayme, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, 103, 113 f. 302 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 44; EGMR 3.11.2011, S.H., Az. 57813/00, Rn. 93 ff.; EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 44. 303 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.III.1.a), S. 268.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Im Gegensatz zu der Ebene der Zulässigkeit reproduktionsmedizinischer Verfahren kann auf derjenigen der rechtlichen Integration in die Familie nicht von einem weiten Einschätzungsspielraum ausgegangen werden.304 (2) Abwägung der widerstreitenden Interessen Im Rahmen der Abwägung lassen sich erneut verschiedene Ansätze in der Rechtsprechung des Gerichtshofs erkennen, in denen sich der Ansatz bezüglich des Einschätzungsspielraums widerspiegelt. In der Rechtsache Marckx ist der Gerichtshof streng und schützt das Recht des Kindes und der Mutter auf ein rechtliches Verhältnis weitreichend. Auch ein wenig aufwändiges Verfahren zur Anerkennung der Mutterschaft wird als Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK gesehen, genauso wie ein nur knapp zweiwöchiger Zeitraum, in dem das uneheliche Kind nach der Geburt keine rechtliche Mutter hatte. Ob sich die rechtlichen Nachteile in tatsächlichen Nachteilen im Leben des Kindes gezeigt haben, spielte keine Rolle.305 In der Sache X., Y. und Z. ging der Gerichtshof anders vor. Großen Wert legte er dort auf den fehlenden europäischen Konsens bezüglich der Rechte Transsexueller. Auch prüft der Gerichtshof nunmehr genau, ob sich die rechtlichen Nachteile einer fehlenden rechtlichen Abstammung des Kindes auch in tatsächlichen Nachteilen niederschlagen.306 Letztlich verneint er eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK durch die fehlende rechtliche Vaterschaft. Er bekräftigt jedoch, dass es sich um eine Familie im Sinne des Art. 8 EMRK handele und das tatsächliche Familienleben demnach geschützt sei.307 Erneut überzeugt die Herangehensweise in Marckx mehr. Dieser Entscheidung liegt die Wertung zugrunde, dass gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber bestimmten Arten von Familien beziehungsweise Umständen der Geburt nicht zu Lasten der Integration des Kindes und seines Schutzes durch Art. 8 EMRK gehen dürfen. Dies entspricht den Vorgaben des Art. 14 EMRK und seinem Verbot der Diskriminierung anhand der Geburt. Art. 14 EMRK entspricht es auch, dass rechtliche Nachteile gegen Art. 8 EMRK verstoßen, selbst wenn sie nicht tatsächlich für das Kind spürbar werden. Art. 14 EMRK stellt auf den „Genuß der […] Rechte und Freiheiten“ ab und zeigt so im
304 So nun auch EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 59; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 80; dazu: Duden, StAZ 2015, im Erscheinen; kritisch: Engel, StAZ 2014, 353, 353. Siehe dazu unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287. 305 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 36 f. und 55. 306 Ähnlich in EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 51. 307 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 36 ff. Vgl. EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31; EGMR 12.7.2001, K. and T., Az. 25702/94, Rn. 150; EGMR 28.10.1998, Söderbäck, Az. 113/1997/897/1109, Rn. 33; EGMR 18.3.2008, Hülsmann, Az. 33375/03, NJW-RR 2009, 1585, 1586.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Wortlaut, dass schon eine rechtliche Ungleichbehandlung an sich unterbleiben muss. Verbote reproduktionsmedizinischer Verfahren sind geeignet, eine Familiengründung unter Nutzung dieser Verfahren zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Ist ein Kind trotzdem auf diesem Wege geboren, so kann die Nutzung dieses Verfahrens und diese Form der Familiengründung jedoch nicht mehr verhindert werden. Nun kann das Kind nur entweder in der Familie bleiben oder aus ihr entfernt werden. Bei der Leihmutterschaft, bei der die Leihmutter das Kind freiwillig übergibt, wird zwar eine dritte Person eingebunden. Der Leihmutter das Kind zu übergeben, ist jedoch regelmäßig keine Option, da sie in der Form der Mitwirkung gezeigt hat, dass sie die tatsächliche Verantwortung für das Kind nicht übernehmen will. Für den Verbleib des Kindes bei den Wunscheltern spricht somit zunächst, dass keine alternative Unterbringung des Kindes offensichtlich ist und die Trennung von den Wunscheltern als primären Bezugspersonen für das Kind negative Folgen haben kann.308 Demgegenüber gibt es bisher keine Nachweise dafür, dass der Verbleib in der Familie der Wunscheltern der Entwicklung des Kindes in einem relevanten Maße schadet.309 Darüber hinaus wird der Schutz des tatsächlichen Familienlebens in der Rechtsprechung des EGMR einheitlich bekräftigt, selbst dort, wo eine Pflicht zur rechtlichen Integration abgelehnt wird.310 Das Kind muss somit grundsätzlich in der tatsächlichen Familie bleiben können.311 Dann jedoch dem Kind die rechtliche Abstammung zu verweigern, erscheint inkonsequent und bürdet dem Kind unzulässiger Weise die Folgen der Handlungen anderer auf. Wird das Kind somit in der sozialen Familie bleiben und geht man gemäß Marckx grundsätzlich davon aus, dass Kinder gemäß Art. 8 EMRK rechtlich in ihre Familie integriert werden müssen,312 so können hier die Gründe gegen eine solche Integration nicht überzeugen: Ein weiter Einschätzungsspielraum ist auf der Ebene der rechtlichen Integration eines bereits geborenen Kindes nicht angemessen; die Abstammung zu verweigern berücksichtigt die Rechte des Kindes nicht ausreichend. Verweigert man die Abstammung, wird die Frage, ob Art. 8 EMRK auch die rechtliche Integration in die Familie schützt, entgegen Art. 14 EMRK von geburtsbedingten Faktoren abhängig gemacht.
308 Gillibrand/Lam/O’Donnell, Developmental psychology, 245 f.; Zimmermann/ Spangler, in: Entwicklungspsychologie6, 696. Vgl. Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1905; Diel, Leihmutterschaft, 48 m.w.N. Zur Bedeutung der Beziehungsstabilität für die Entwicklung des Kindes siehe BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151, 2153. 309 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172 bzw. Kapitel 3 – A.II.2., S. 155. 310 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 36 und 49 f.; vgl. EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 71 ff. und 86 f. 311 EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12, Rn. 71 ff. und 86 f. 312 So EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Bei der Bewertung der Abstammung eines durch Leihmutterschaft gezeugten Kindes muss somit auf der Ebene der rechtlichen Abstammung zurückstehen, dass ein Konsens fehlt bezüglich der ethischen Bewertung der Leihmutterschaft und bezüglich der generellen Tauglichkeit der Wunscheltern als Eltern. Im Gegensatz zur Frage der Zulässigkeit der Leihmutterschaft setzen sich die Rechte des Kindes hier bei der Abwägung durch. Aus Art. 8 EMRK besteht die Vorgabe, dass das Kind rechtlich frühestmöglich in die Familie integriert werden muss.313 b) Verbot der Ungleichbehandlung des Kindes Wie das Grundgesetz in seinen Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 5 enthalten auch mehrere völkerrechtliche Übereinkommen Verbote, Personen aufgrund verschiedener geburtsbedingter Faktoren zu diskriminieren. So fordert Art. 25 Abs. 2 S. 2 UN-Menschenrechtserklärung für eheliche wie außereheliche Kinder den gleichen sozialen Schutz. Laut Art. 24 Abs. 1 UN-Zivilpakt hat jedes Kind Recht auf Schutzmaßnahmen ohne Diskriminierung hinsichtlich – unter anderem – Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen oder Geburt. Art. 2 des UN-Zivilpakts, des UN-Sozialpakts und der UN-Kinderrechtskonvention sowie Art. 14 EMRK verpflichten zudem, die Rechte des jeweiligen Übereinkommens ohne Diskriminierung hinsichtlich dieser Faktoren zu gewährleisten. Art. 2 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention erwähnt ausdrücklich, dass bei der Behandlung des Kindes diese Faktoren auch bezüglich seiner Eltern oder seines Vormundes nicht beachtet werden dürfen. Art. 2 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention fordert zudem, dass das Kind vor allen Formen der Diskriminierung oder Bestrafung unter anderem wegen des Status und der Tätigkeit seiner Eltern, seines Vormundes oder seiner Familienangehörigen geschützt wird. aa) Art. 8 EMRK i. V. m. Art. 14 EMRK Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat insbesondere in seiner Marckx-Entscheidung aus dem Jahre 1979 auch aus einem Zusammenspiel des Verbots der Diskriminierung aufgrund der Geburt, Art. 14 EMRK, und des Schutzes des Familienlebens, Art. 8 Abs. 1 EMRK, Vorgaben für die rechtliche Eingliederung von Kindern in ihre Familien im Sinne des Art. 8 EMRK entwickelt.314 Eine willkürliche Verweigerung einer rechtlichen Anerkennung bestimmter tatsächlicher, in diesem Fall unehelicher Familien ist Im Ergebnis ebenso Sturm, in: FS Kühne, 930 f.; ebenso Lurger, IPRax 2013, 282, 289; Mayer, IPRax 2014, 57, 60 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 574 ff. und 584 f. 314 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449; EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 32; vgl. EGMR 8.7.2003, Sommerfeld, Az. 31871/96, Rn. 86 ff.; EGMR 7.4.2009, Turnali, Az. 4914/03, Rn. 46. 313
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danach nicht zulässig. Es darf bei Familien die rechtliche Integration des Kindes nur verweigert werden, wenn es objektive und vernünftige Gründe gibt, diese Familien insoweit anders zu behandeln als solche, die rechtlich anerkannt werden.315 Der Gerichtshof erläutert dabei, dass demnach Lücken im Schutz der Familie beziehungsweise in der Anerkennung tatsächlicher Familien, die an sich nicht Art. 8 EMRK verletzen würden, doch konventionswidrig sind, wenn sie nur selektiv bestimmte Arten der Familien treffen und somit den Umfang des Schutzes der Familie entgegen Art. 14 EMRK abhängig von der „Geburt“ gewähren.316 Grundsätzlich überzeugt diese Differenzierung. Wegen der Erstreckung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 EMRK auf die rechtliche Integration der Kinder läuft sie jedoch meist leer. So prüft der Gerichtshof etwa in X., Y. und Z. nicht mehr Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit 14 EMRK, da ein Gleichlauf ausdrücklich angenommen wird.317 Hält man an einer Differenzierung fest oder geht zumindest nicht von einem regelmäßigen Gleichlauf aus, so müsste es objektive und vernünftige Gründe geben für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Familien durch die Verweigerung der rechtlichen Abstammung. Die Belastungen müssen zudem verhältnismäßig sein.318 Wie bei Art. 8 Abs. 1 EMRK ist wegen der Bedeutung der Abstammung für das Kind kein weiter Einschätzungsspielraum anzunehmen. Auch hier fehlen ausreichende Gründe oder sie sind zumindest unverhältnismäßig. Die Leihmutterschaft stellt keine grundsätzliche Gefahr für das Wohlergeben des Kindes dar, zumal zu diesem Zeitpunkt das Kind bereits geboren ist, sodass man nicht abstrakt von der Tauglichkeit solcher Familien sprechen kann, sondern als Alternative nun lediglich das Kind aus der Familie der Wunscheltern entfernen könnte. Generalpräventive Argumente können eine Lösung, die nunmehr auf die Ungleichbehandlung des Kindes hinausläuft, nicht begründen. Ob das Kind tatsächlich oder erheblich unter der Ungleichbehandlung durch eine fehlende rechtliche Abstammung leidet, ist allerdings unbeachtlich, da jede Diskriminierung gegen Art. 14 EMRK verstößt und nicht nur solche, die sich als tatsächliche Last darstellen.319 315 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 31 ff.; EGMR 2.11.2010, Şerife, Az. 3976/05, Rn. 102; EGMR 18.12.1986, Johnston, Az. 9697/82, Rn. 74. 316 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 32; EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 32. Vgl. Jayme, NJW 1979, 2425, 2428. 317 EGMR 22.4.1997, X., Y. and Z., Az. 21830/93, Rn. 56; EGMR 10.4.2007, Evans, Az. 6339/05, Rn. 94; vgl. auch EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 53 ff. 318 EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 33; EGMR 21.12.1999, Salgueiro da Silva Mouta, Az. 33290/96, Rn. 29; EGMR 26.2.2002, Fretté, Az. 36515/97, Rn. 34. Vgl. Meyer-Ladewig, EMRK3, Art. 14 EMRK Rn. 9. 319 Vgl. EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 36 f. und 55.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Auch vor Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit 14 EMRK ist somit eine Ungleichbehandlung von durch Leihmutterschaft geborenen Kindern gegenüber natürlich gezeugten Kindern nicht zu rechtfertigen. Die rechtliche Integration muss gewährleistet werden.320 Zu unterscheiden ist der hier besprochene Fall von solchen, in denen eine unterbliebene oder nur teilweise erfolgte Integration durch den religiöskulturellen Hintergrund der Eltern vor Art. 8 Abs. 1 oder Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 EMRK gerechtfertigt sein könnte. Dort kann sich die Frage stellen, ob es mit diesen Rechten vereinbar ist, wenn, etwa wegen der Anwendung eines entsprechenden islamischen Heimatrechts der Annehmenden, nur eine kafala erfolgen kann, obwohl nach dem Recht des Staates in dem die Familie lebt, eine Volladoption möglich wäre. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Gewährung allein der kafala mit ihren gegenüber einer Volladoption reduzierten Rechtsfolgen durch den kulturell-religiösen Hintergrund der Eltern zu rechtfertigen ist.321 Bei den Fällen der internationalen Leihmutterschaft besteht allerdings kein solcher Konflikt mit einer religiöskulturellen Prägung der Wunscheltern, welche gegen deren Elternschaft sprechen könnte. Im Fall der Leihmutterschaft kommt es, anders als bei dem genannten Fall der kafala, nicht zu einem Konflikt zwischen Konventionsrechten des Kindes und der Wunscheltern. Ein Problem einer kulturellen Diversität oder eines Schutzes der kulturellen Identität besteht nicht. bb) Art. 2 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention Neben der EMRK spricht für das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren auch Art. 2 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention. Dieser gebietet den Schutz des Kindes durch die Vertragsstaaten vor Diskriminierung von Kindern aufgrund von „Tätigkeiten der Eltern“. Die Durchführung der Leihmutterschaft fällt unter dies Merkmal. Es verstößt somit gegen Art. 2 Abs. 2 der Konvention, wenn dem Kind aufgrund dieses Umstandes die rechtliche Integration in seine Familie verwehrt würde.322
Zu Abweichungen hiervon bei erzwungener Herausgabe des Kindes bzw. homosexuellen Eltern siehe unten bei Kapitel 4 – A.V.2., S. 293. Vgl. Sturm, in: FS Kühne, 930 f. 321 Ein Ausreichen der kafala bejaht EGMR 4.10.2012, Harroudj, Az. 43631/09, Rn. 46 ff.; vgl. OLG Karlsruhe 25.11.1996, Az. 11 Wx 79/96, FamRZ 1998, 56, 57; Jayme, in: Kulturelle Relativität, 62 f.; Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, 37 ff.; Jayme, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, 103, 113 f.; Jayme, ZfRV 1997, 230, 234; Jayme, IPRax 1997, 376, 376. 322 Eine umfassende Darstellung soll hier unterbleiben, da auch die EMRK entsprechende Vorgaben enthält, die wohl aus praktischen Gesichtspunkten in Europa unmittelbarere Bedeutung haben als solche aus der UN-Kinderrechtskonvention. 320
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
c) Kindeswohl, Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention bestimmt das Kindeswohl als einen Gesichtspunkt, der bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, vorrangig zu berücksichtigen ist.323 Wurde das Kind den Wunscheltern übergeben, lebt es mit diesen und hat sich eine soziale Familie gebildet, so entspricht es regelmäßig dem Kindeswohl, diese Familie auch rechtlich als solche zu fassen.324 In Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention ist die Bedeutung des Kindeswohls jedoch relativiert: Es ist ein, nicht der Gesichtspunkt und kann hinter anderen Faktoren zurücktreten. Selbst Lösungen, die dem Kindeswohl zuwiderlaufen, können im Einzelfall zulässig sein, solange bei der Abwägung der betroffenen Interessen auch das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt wurde.325 In zahlreichen der bisher angewandten Normen sowohl des einfachen deutschen Rechts als auch des Verfassungs- und Völkerrechts wurde das Kindeswohl als wichtiges und oft ausschlaggebendes Auslegungskriterium berücksichtigt. Unmittelbare und eigenständige Vorgaben für eine rechtliche Integration des Kindes in die Familie der Wunscheltern enthält Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention daneben nicht.326 Art. 2 Abs. 1 und 2 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention verdeutlichen jedoch, dass das Kindeswohl aufgrund der Durchführung der Leihmutterschaft nicht weniger als in Fällen der natürlichen Zeugung berücksichtigt werden darf. Auch gegen diese Vorgabe verstößt es, zur Generalprävention eine Abstammung des Kindes zu begründen, die dem Kindeswohl widerspricht.327 d) Drohende Staatenlosigkeit Verschiedene Übereinkommen schützen das Recht auf eine Staatsangehörigkeit beziehungsweise wollen Staatenlosigkeit bekämpfen. Das Recht auf eine Staatsangehörigkeit enthalten etwa Art. 15 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Art. 24 Abs. 3 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Art. 7 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention. Entsprechende Vorgaben enthält Art. 6 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit von 1997 des Europarats. Umfassender mit dieser Frage befasst sich das UN-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961. Laut Art. 1 des UN-Staatenlosigkeitsübereinkommens sowie Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens des Europarats sollen Personen, die sonst staatenlos wären, die Staatsangehörigkeit des Staates erhalten, in dem sie geboren wurden. Wie diese Vorschriften und das ius soli-Prinzip zeigen, kann eine 323 324 325 326 327
Vgl. etwa Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 572 f. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.I.5.d)ee)(1), S. 61. Schmahl, Kinderrechtskonvention, Art. 3 Rn. 7. A. A. wohl Dethloff, JZ 2014, 922, 927. Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.2.c), S. 239.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Staatsangehörigkeit jedoch gerade auch unabhängig von der Abstammung begründet werden. Diesen Vorschriften lassen sich somit keine Vorgaben für die abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes entnehmen.328 3. Fazit und Bedeutung völkerrechtlicher Vorgaben Wie im Rahmen des Grundgesetzes lässt sich somit auch dem Völkerrecht die Vorgabe entnehmen, dass Kinder nicht aufgrund geburtsbedingter Faktoren ungleich behandelt werden dürfen.329 Neben dem bekannten Fall der unehelichen Kinder muss dieses Gebot auch für Kinder, die mittels reproduktionsmedizinischer Verfahren gezeugt wurden, gelten. Für den Fall der Leihmutterschaft bedeutet dies, dass die Kinder im Rahmen der Eingliederung in eine Familie mit den Wunscheltern nicht unbegründet gegenüber natürlich gezeugten Kindern ungleich behandelt und benachteiligt werden dürfen. Insbesondere die Überprüfung der Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes durch die Leihmutter kann eine Ungleichbehandlung begründen, dies jedoch auch nur soweit die Abweichung dafür notwendig ist. Im Gegensatz zu grundrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben ist bei völkerrechtlichen weniger einfach zu bestimmen, welche Bedeutung diese im Rahmen des nationalen Rechts haben. Normhierarchisch finden sie sich lediglich auf der Ebene des einfachen Rechts.330 Wegen der Bindung an die EMRK und die Entscheidungen des EGMR sieht das Bundesverfassungsgericht es allerdings als Verstoß gegen das Rechtstaatsprinzip und die Bindung an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an, wenn deren Vorgaben nicht im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung berücksichtigt werden.331 Auch bei der Auslegung nationaler Grundrechte werden die Konvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt.332 Die EMRK allein begründet somit keine Ergebnisvorgaben, die sich auch gegen das aktuelle nationale Recht durchsetzen. Allerdings verpflichtet die Bindung an die EMRK zu einer Reform, soweit eine Umsetzung der Vorgaben nicht innerhalb des geltenden Rechts möglich ist.
328 Vgl. jedoch AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1995 f. Dort zur drohenden Staatenlosigkeit als Argument gegen einen ordre public-Verstoß der Elternschaft der Wunscheltern. Ebenfalls a. A. Dethloff, JZ 2014, 922, 927 f. 329 I. E. ähnlich Mayer, IPRax 2014, 57, 59 ff.; a. A. Engel, ZEuP 2014, 538, 558 f. 330 BVerfG 26.3.1987, Az. 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, 358, 370; BVerfG 13.1.1987, Az. 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, 102, 128; BVerfG 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04, BVerf GE 111, 307, 317 und 326; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 1, § 34 Rn. 33; MüKoSonnenberger5, Einl. IPR Rn. 345; Grabenwarter/Pabel, EMRK5, § 3 Rn. 6, S. 18 f. 331 BVerfG 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 316 f. Vgl. Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 1, § 34 Rn. 34 f.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 577. 332 BVerfG 26.3.1987, Az. 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, 358, 370; Grabenwarter/Pabel, EMRK5, § 3 Rn. 8, S. 19 ff. Insoweit verkürzt: Engel, ZEuP 2014, 538, 558 f.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
IV. Vergleich zu anderen Rechtsordnungen, die Leihmutterschaft verbieten, und zu aktueller Rechtsprechung des EGMR Ein Vergleich zur Rechtsprechung in anderen Ländern, die ebenfalls die Leihmutterschaft verbieten, und zu aktueller Rechtsprechung des EGMR kann die eben dargestellten Vorgaben insbesondere der EMRK unterstützen. 1. Österreichischer Verfassungsgerichtshof: Abstammung muss anerkannt werden In zwei Fällen aus den Jahren 2011 und 2012 hat der österreichische Verfassungsgerichtshof eine Verweigerung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern nach einer internationalen Leihmutterschaft für unvereinbar mit der österreichischen Verfassung erklärt.333 Wie in Deutschland ist die Leihmutterschaft in Österreich verboten, vgl. § 3 Abs. 3 Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG).334 In beiden Fällen waren österreichische Wunscheltern daher ins Ausland – im ersten Fall in die USA, im zweiten in die Ukraine – gereist, um dort eine Leihmutterschaft durchzuführen. Zumindest im ersten Fall waren die Wunscheltern sogar beide die genetischen Eltern.335 Vor Ort wurden sie jeweils in Geburtsurkunden als Eltern des Kindes aufgeführt336 und im ersten Fall auch in einer gerichtlichen Entscheidung als Eltern festgestellt337. Zunächst hatten die österreichischen Behörden eine Anerkennung der Elternschaft mit Verweis auf das inländische Verbot, die ordre public-Widrigkeit der ausländischen Entscheidungen und die Anwendbarkeit des inländischen Abstammungsrechts, verweigert:338 Gemäß § 137b Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist nämlich die Gebärende die Mutter.339 Vater ist der Ehemann der Mutter beziehungsweise derjenige, der die Vaterschaft anerkennt, § 138 ABGB.340 Beide Beschwerden gegen diese Entscheidungen vor dem Verfassungsgerichtshof waren erfolgreich. Im ersten Fall argumentierte dieser, das Verbot der Leihmutterschaft sei nicht verfassungsrechtlich geboten341 und eine Leih-
333 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a. Vgl. Diel, Leihmutterschaft, 18; Engel, ZEuP 2014, 538, 550; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 577 f. und 582 f.; Herndl, NZ 2014, 253. 334 VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., II. 4. 335 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 1. 336 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 3; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., III. 3. 337 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 2: Order of declaratory Judgment: Feststellung als „genetic and legal father“ bzw. „genetic and legal mother“. 338 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 7; VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., III. 4. 339 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 12. 340 VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., II. 3. 341 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 24.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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mutterschaft verstoße nicht gegen den ordre public.342 Dafür verstoße ein Versagen der Anerkennung der rechtlichen Mutterschaft einer Wunschmutter, die genetische und soziale Mutter ist, „offensichtlich“ gegen das Kindeswohl.343 Unter anderem wegen der willkürlichen „gänzlichen Außerachtlassung des Wohles des Kindes“ sah der Gerichtshof daher einen Verstoß gegen das Verfassungsrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz.344 Auch im zweiten Fall lehnte der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen den ordre public ab.345 Es widerspräche „offensichtlich“ dem Wohl des Kindes, die rechtliche Mutterschaft der genetisch verwandten Wunschmutter, die auch die soziale Mutter ist, nicht anzuerkennen. Auch drohe das Kind staatenlos zu sein. Ein ordre public-Verstoß sei daher „denkunmöglich“.346 In diesem Fall müsse wegen Art. 8 Abs. 1 EMRK und der Bedeutung des Kindeswohls bei dessen Anwendung die ausländische Geburtsurkunde maßgeblich sein.347 2. Französische Cour de cassation: Gesetzesumgehung verhindert Elternschaft der Wunscheltern Anders als der österreichische Verfassungsgerichtshof hat die französische Cour de cassation auf Fälle der Leihmutterschaft reagiert. Auch in Frankreich ist die Leihmutterschaft verboten.348 Am 6.4.2011 setzte die Cour de cassation ein deutliches Zeichen gegen die internationale Leihmutterschaft und verweigerte in drei Entscheidungen die Anerkennung einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern nach Durchführung einer Leihmutterschaft in den USA.349 Eine Abstammung der Kinder von den Wunscheltern würde einer Vereinbarung Wirkungen verleihen, die nach französischem Recht wegen eines Verstoßes gegen die zwingenden Vorschriften des Art. 16-7 und 16-9 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 23 f. VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 25. Die Vaterschaft war nicht Teil der Untersuchung, da der Wunschvater Italiener war und die Abstammung sich hier als Vorfrage beim Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit stellte. 344 VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10, Rn. 26 f. 345 VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., III. 4. 346 VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., III. 6. 347 VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a., III. 6. 348 Art. 227-12, 227-13 und 227-13 Code pénal; Art. 16-7 und 16-9 Code civil; Perreau-Saussine/Sauvage, in: Surrogacy, 119, 120 f.; Lagarde, ZEuP 2015, 233, 236; Monéger, in: Gestation pour autrui, 157; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 496 f.; Coester, in: FS Jayme, 1243, 1253; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551, 561 ff. 349 Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 1019.053; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; dazu Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 496. Kritisch Basedow, Open Societies – Hague General Course, 425 f. Dazu Engel, ZEuP 2014, 538, 550; Struycken, in: FS Boutros-Ghali, 235, 240 f. Dazu nun EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11. Siehe dazu unten bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287. 342 343
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Code civil nichtig ist, was dem wichtigen Grundsatz des französischen Rechts der Unveräußerlichkeit des Personenstandes widersprechen würde.350 Es würde daher gegen den französischen internationalen ordre public verstoßen, eine entsprechende Abstammung von den Wunscheltern anzuerkennen, selbst wenn die Leihmutterschaft im Ausland zulässigerweise durchgeführt wurde.351 Gegen die Rechte des Kindes aus Art. 8 Abs. 1 EMRK oder gegen die Vorgabe der vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls gemäß Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention, verstoße das nicht: Eine Nichtanerkennung der Elternschaft der Wunscheltern in Frankreich belasse dem Kind nämlich die Abstammung von den Wunscheltern, die ihm das Recht des USGliedstaates, in dem es geboren wurde, zugesteht. Auch werde das Kind nicht daran gehindert mit den Wunscheltern zusammen in Frankreich zu leben.352 In zwei weiteren Urteilen, beide vom 13.9.2013 und beide in Fällen einer indischen Leihmutterschaft, bestätigte die Cour de cassation diese Rechtsprechung und verweigerte erneut eine Elternschaft der Wunscheltern.353 Nunmehr gab sie dabei dem Argument Nachdruck, dass die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern wegen der Umgehung des nationalen Verbots der Leihmutterschaft zu verhindern sei.354 Wegen der Gesetzesumgehung könne sich nicht auf die Rechte des Kindes aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und die vorrangige Berücksichtigung seines Wohles gemäß Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention berufen werden.355 350 „[N]ulle d’une nullité d’ordre public aux termes des articles 16-7 et 16-9 du code civil“ bzw. „l’indisponibilité de l’état des personnes“: Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 10-19.053; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; dazu: Jean, Recueil Dalloz 2014, 901; dazu Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 496. 351 „[C]ontrariété à l’ordre public international français“: Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 10-19.053; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; dazu: Jean, Recueil Dalloz 2014, 901; dazu Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 496. 352 Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 1019.053; Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; dazu: Jean, Recueil Dalloz 2014, 901; dazu Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 496. 353 Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1091 – 12-30.138; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315. Zu Zweifeln an dieser Rechtsprechung siehe Fulchiron/Biduad-Garon, Recueil Dalloz 2014, 905, 906 m.w.N. 354 „[E]st justifié le refus de transcription d’un acte de naissance fait en pays étranger […] lorsque la naissance est l’aboutissement, en fraude à la loi française, d’un processus d’ensemble comportant une convention de gestation pour le compte d’autrui, convention qui, fût-elle licite à l’étranger, est nulle d’une nullité d’ordre public aux termes des articles 16-7 et 16-9 du code civil“: Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1091 – 12-30.138; Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315. 355 „Qu’en présence de cette fraude, ni l’intérêt supérieur de l’enfant […] ni le respect de la vie privée et familiale au sens de l’article 8 de la Convention de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés fondamentales ne sauraient être utilement invoqués“. Dieses
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Auch im März 2014 blieb die Cour de cassation dieser Linie treu und verweigerte erneut die Übertragung einer Geburtsurkunde eines in Indien durch Leihmutterschaft geborenen Kindes, welche den Wunschvater als Vater aufführte, in das französische Personenstandsregister.356 Dabei stützte sich die Cour de cassation – wortlautidentisch zu den Urteilen aus dem Jahre 2013 – auf das Argument der Gesetzesumgehung.357 Nicht wiederholt wurde der Hinweis, dass eine Berufung auf die Rechte des Kindes nicht möglich sei.358 Diese Rechtsprechung widerspricht den eben dargestellten Ergebnisvorgaben der EMRK. Allerdings ist die Rechtsprechung der Cour de cassation im Zusammenhang mit neuer Rechtsprechung des EGMR zu sehen. 3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Verweigerung der Abstammung kann gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen In seiner ersten Einlassung zur Leihmutterschaft überhaupt hat sich der EGMR am 26.6.2014 in zwei über weite Strecken wortlautidentischen Entscheidungen zu zwei Fällen der Cour de cassation aus dem Jahre 2011 geäußert.359 In beiden Fällen wurde eine Verletzung der Rechte der Kinder, nicht aber der Wunscheltern, aus Art. 8 Abs. 1 EMRK festgestellt.360 Das Gericht geht dabei in etwa vor wie oben vertreten: Es betont, dass die Familie tatsächlich zu bestimmen sei und sieht eine solche Familie im Zusammenleben der Wunscheltern mit den Kindern als gegeben an. 361 Die verweigerte Anerkennung der nach dem Recht des Geburtsortes bestehenden und in Gerichtsentscheidungen und Geburtsurkunden festgestellten Abstammung sieht er in Anlehnung an Rechtsprechung zu der Verweigerung der Anerkennung ausländischer Adoptionen als Eingriff in das Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK an.362 Daneben sieht er in der Verhinderung der Begründung Argument wird nur in einem der Urteile angeführt: Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315. 356 Cass. civ. 1ère 19.3.2014, n° 281 – 13-50.005, Recueil Dalloz 2014, 905; dazu: Jean, Recueil Dalloz 2014, 901; Fulchiron/Biduad-Garon, Recueil Dalloz 2014, 905. 357 Cass. civ. 1ère 19.3.2014, n° 281 – 13-50.005, Recueil Dalloz 2014, 905. 358 Fulchiron/Biduad-Garon, Recueil Dalloz 2014, 905, 906. 359 EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11; zu Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 10-19.053; EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11; zu Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130; dazu Frank, FamRZ 2014, 1527; Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen; Dethloff, JZ 2014, 922, 928; Kohler/Pintens, FamRZ 2014, 1498, 1504; kritisch: Engel, StAZ 2014, 353, 353. 360 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 81; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 102. 361 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 37; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 45. 362 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 50; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 49; EGMR 28.6.2007, Wagner, Az. 76240/01, Rn. 123.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
einer Abstammung, insbesondere zu einem genetischen Elternteil, einen Eingriff in das Recht auf Schutz des Privatlebens.363 Als legitime Gründe gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK für die Verweigerung der Abstammung sieht der Gerichtshof den „Schutz der Gesundheit“ und den „Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“, den Frankreich durch die Verhinderung von Leihmutterschaften bezweckt.364 Bei der Abwägung führt er an, dass zwar grundsätzlich der fehlende Konsens bezüglich der Zulässigkeit der Leihmutterschaft und der Anerkennung einer Elternschaft der Wunscheltern bei einer im Ausland durchgeführten, dort zulässigen Leihmutterschaft, für einen weiten Einschätzungsspielraum der Konventionsstaaten spricht.365 Wegen der Bedeutung der Abstammung für die Kinder müsse der Spielraum jedoch letztlich eingeschränkt werden.366 Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit beziehungsweise bei der Frage, ob der Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist“ unterscheidet der Gerichtshof im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 EMRK zwischen dem Recht auf Schutz des Familienlebens einerseits und des Privatlebens andererseits.367 Eine Verletzung des Familienlebens durch Verweigerung der Anerkennung der nach dem Recht des Geburtsortes bestehenden Abstammung lehnt das Gericht ab,368 da im konkreten Fall trotz fehlender rechtlicher Abstammung ein tatsächliches Familienleben ohne relevante Einschränkungen möglich war.369 Es fand daher ein ausgewogener Ausgleich zwischen den Interessen des Staates an Durchsetzung des Leihmutterverbots und denjenigen der Betroffenen an einem ungestörten Familienleben statt.370
EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 38; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 46; EGMR 7.2.2002, Mikulić, Az. 53176/99, Rn. 53 ff. 364 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 54; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 62. 365 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 56 ff.; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 79. 366 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 59; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 80. 367 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 65; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 86. 368 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 73; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 102. 369 EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 92: „Or elle note que les requérants ne prétendent pas que les difficultés […] ont été insurmontables et ne démontrent pas que l’impossibilité d’obtenir en droit français la reconnaissance d’un lien de filiation les empêche de bénéficier en France de leur droit au respect de leur vie familiale.“ 370 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 71 ff.; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 92 ff. 363
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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Das Recht der Kinder aus Art. 8 Abs. 1 EMRK auf Schutz des Privatlebens sei demgegenüber verletzt.371 Ein Teil dessen Schutzes sei es, eine rechtliche Abstammung begründen zu können. Verhindere das französische Recht eine Abstammung von den Wunscheltern, obwohl diese im Ausland bereits als Eltern der Kinder festgestellt wurden, gefährde dies jenes Recht.372 Der Gerichtshof wirft Zweifel auf, ob die generalpräventive Verhinderung der Leihmutterschaft durch Verweigerung einer Elternschaft der Wunscheltern erfolgen könne, da diese auch das Kindeswohl belaste.373 Als entscheidend sah das Gericht an, dass die Wunschväter auch die genetischen Väter seien und auch eine spätere Begründung einer Elternschaft etwa durch Vaterschaftsanerkennung oder Adoption nicht möglich sei. Zumindest bezüglich der Verweigerung der Vaterschaft der Wunschväter habe daher Frankreich seinen Einschätzungsspielraum überschritten und das Recht der Kinder aus Art. 8 Abs. 1 EMRK auf Achtung ihres Privatlebens verletzt.374 Bezüglich des Ergebnisses der Feststellung einer Verletzung eines Rechtes der Kinder aus Art. 8 Abs. 1 EMRK entsprechen die Urteile der hier vertretenen Ansicht. Der Gerichtshof ist jedoch in seinen Äußerungen zurückhaltend, vermeidet allgemeine Aussagen und begrenzt sein Urteil auf die konkrete Fallgestaltung. Unklar bleibt daher, inwiefern die hier vorliegenden Umstände notwendige Bedingungen für eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK sind. Das Gericht richtet seine Entscheidungsgründe ausschließlich auf Fälle der internationalen Leihmutterschaft aus: Einen Eingriff begründet es in Anlehnung an seine Rechtsprechung zur Nichtanerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen375 und prüft, ob eine Abstammung nach dem Recht des Ortes, an dem die Leihmutterschaft zulässigerweise durchgeführt wurde, anerkannt werden muss.376 Auch wenn bei Fällen der internationalen Leihmutterschaft dies zur Begründung genügt, bleibt unklar, ob, wie oben vertreten, der Gerichtshof auch unabhängig von der internationalen Komponente einen Eingriff in einer unterbleibenden rechtlichen Anerkennung der tatsächlichen Familie sehen würde und ob ein solcher Eingriff gerechtfertigt wäre.
371 EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Rn. 102. 372 EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Rn. 96. 373 EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Rn. 99. 374 EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Rn. 100. 375 EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Rn. 49. 376 EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Rn. 78.
Labassee, Az. 65941/11, Rn. 81; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 75; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 78; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 79; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 50; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 57; EGMR 26.6.2014, Mennesson,
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Der Gerichtshof betont weiterhin, dass die Wunschväter auch genetisch die Väter waren.377 Entsprechend beschränkt er die Feststellung der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 EMRK auf die Verweigerung der Abstammung von dem jeweiligen Wunschvater.378 Unklar bleibt, ob die Verweigerung der Elternschaft einer Wunschmutter, die genetische Mutter ist,379 oder von nicht genetisch verwandten Wunscheltern eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen würde. Bezeichnend war laut dem Gericht für diese Fälle zudem, dass auch die nachträgliche Begründung einer Abstammung etwa durch Vaterschaftsanerkennung oder Adoption der Kinder nicht möglich war.380 Offen bleibt daher, ob es mit der EMRK vereinbar wäre, wenn eine ursprüngliche rechtliche Abstammung des Kindes zwar verweigert wird, aber über den Umweg einer Adoption eine solche später doch begründet werden kann.381 Den zurückhaltenden Ansatz zeigt auch, dass eine Prüfung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 EMRK mit dem Hinweis unterbleibt, dass eine Prüfung wegen des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht notwendig sei.382 Die Urteile des EGMR weisen in die richtige Richtung und bestätigen in ihrem begrenzten Umfang die oben vertretenen Vorgaben der EMRK, selbst wenn sie teilweise anders begründet werden.383 Eine gewisse Abweichung dadurch, dass der Gerichtshof keine Verletzung des Rechts auf Schutz des Familienlebens annimmt, könnte sich dadurch erklären lassen, dass er als Beeinträchtigung die Nichtanerkennung der nach ausländischem Recht beste377 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 79; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 100. 378 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 79; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 100. 379 Dies war etwa der Fall in dem dritten Urteil der Cour de cassation vom 6.4.2011, zu dem bisher keine Entscheidung des EGMR ergangen ist. Ob eine solche noch aussteht, ist nicht bekannt. Vgl. Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486; Gruenbaum, 60 Am.J. Comp.L. 2012, 475, 496. 380 EGMR 26.6.2014, Labassee, Az. 65941/11, Rn. 79; EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 100. 381 Keinen Verstoß bei einer Adoptionsmöglichkeit nimmt an Frank, FamRZ 2014, 1527, 1527. 382 EGMR 26.6.2014, Mennesson, Az. 65192/11, Rn. 108. 383 Die Begründung der oben dargestellten Vorgaben weicht etwas dadurch von derjenigen des EGMR in den hier besprochenen Fällen ab, dass sie in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Verweigerung der rechtlichen Anerkennung tatsächlich bestehender Familien statt in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Verweigerung der Anerkennung ausländischer Adoptionen begründet wird und dass der EGMR eine Verletzung des Rechts des Kindes auf Schutz der Privat- und nicht des Familienlebens annimmt. Beide Ansätze widersprechen sich jedoch nicht, sondern ergänzen sich. Die Argumentation des EGMR ist dabei enger, da sie sich auf Fälle der internationalen Leihmutterschaft bezieht, was für die Fälle, die dem EGMR vorlagen, ausreichte.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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henden Abstammung und nicht die verweigerte Anerkennung einer tatsächlich bestehenden Familie prüft. Die Entscheidungen lassen noch viele Fragen offen. Aufgabe des Gerichts ist es, konkrete Fälle zu entscheiden, und nicht, abstrakte Leitlinien für die Konventionsstaaten zu erlassen. Bedenkt man zudem, wie kontrovers Urteile des EGMR in solch ethisch und politisch brisanten Bereichen aufgenommen werden können, ist eine solche Zurückhaltung überzeugend. Es ist zu wünschen, dass bei zukünftigen Fällen die Rechtsprechung im oben dargestellten Sinne fortgesetzt wird. V. Sonderfälle Die eben dargestellten Ergebnisvorgaben bezogen sich auf den hier zugrunde gelegten Grundfall der unentgeltlichen Leihmutterschaft, bei der die Leihmutter den heterosexuellen Wunscheltern das Kind freiwillig herausgibt. Eventuell ändern Abweichungen diese Vorgaben. 1. Kommerzielle Leihmutterschaft Zunächst kann eine entgeltliche Leihmutterschaft Zweifel aufwerfen. a) Deutsches Recht Die entgeltliche Leihmutterschaft verstößt nicht gegen Grundrechte der Leihmutter oder des Kindes.384 Eine Ungleichbehandlung der Kinder wäre daher auch in diesen Fällen nicht zu rechtfertigen. Die materiellen Ergebnisvorgaben aufgrund des nationalen Rechts bestehen auch hier. b) Europa- und Völkerrecht Auf europarechtlicher Ebene könnte bei einer kommerziellen Leihmutterschaft eine Ergebnisvorgabe aus der Unionsbürgerfreizügigkeit des Art. 21 AEUV an Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta scheitern. Dieser enthält „das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen“. Diese Vorschrift basiert auf Art. 21 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin des Europarats, welches Deutschland jedoch nicht ratifiziert hat. Teilweise wird vertreten, dass das Verbot auch die kommerzielle Leihmutterschaft erfasst.385 Meist wird die Anwendbarkeit von lit. c dabei nur behauptet und nicht begründet.386 Es ist jedoch fraglich, ob im Rahmen der
384 385 386
Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.4., S. 211. Meyer-Borowsky4, Art. 3 GR–Charta Rn. 45; Bifulco, in: Human rights in Europe, 23. Meyer-Borowsky4, Art. 3 GR–Charta Rn. 45; Bifulco, in: Human rights in Europe, 23.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Leihmutterschaft der Körper oder dessen Teile als solche zur Erzielung von Gewinn genutzt werden. Da Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta ein absolutes Verbot enthält, eine Beeinträchtigung nicht zu rechtfertigen ist,387 ist bei der Auslegung besondere Vorsicht geboten. Primäre Stoßrichtung der Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta ist die Verhinderung von Organhandel.388 Dies erkennt man am Wortlaut an der Betonung der Körperteile „als solcher“.389 Geschützt ist die Integrität des Körpers, die nicht Objekt von finanziellen Überlegungen werden soll. Die Freiwilligkeit ist im Rahmen der Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta kein relevanter Faktor. Auch bei einer freien Einwilligung dürfen Körperteile nicht verkauft werden.390 Bei der kommerziellen Leihmutterschaft wird im Gegensatz zum Organhandel jedoch nicht ein Körperteil als solcher, sondern dessen Funktion zur Gewinnerzielung genutzt. Die Integrität des Körpers wird nicht kompromittiert. Der Wortlaut der Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta erfasst die entgeltliche Leihmutterschaft nicht.391 Würde man Art. 3 Abs. 2 lit. c GRCharta weit auslegen und die Nutzung eines Körperteils als von ihr erfasst sehen, so wäre es schwer, die Grenze zu ziehen gegenüber anderen entgeltlichen Tätigkeiten, in denen der Körper oder Körperteile genutzt werden, die jedoch wohl nicht unter lit. c gefasst werden sollten, wie etwa bei Prostituierten.392 Gerade wegen des absoluten Verbots der Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta kann eine weitreichende und konturschwache Auslegung nicht überzeugen. Oft wird die entgeltliche Leihmutterschaft abgelehnt, da die Entgeltlichkeit die Freiwilligkeit in Frage stellen soll. Die Annahme dabei ist, dass Frauen, die eine solche Leihmutterschaft übernehmen, dies nur täten, weil sie auf das Geld angewiesen seien und sich zu diesem Schritt gezwungen sähen. Die Freiwilligkeit ist jedoch ein Aspekt, der im Rahmen der Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta unbeachtlich ist. Zudem müssen Leihmutterschaften ohnehin freiwillig erfolgen, um grund- und menschenrechtskonform zu sein, egal ob entgeltlich oder unentgeltlich. Im Rahmen der Grundrechtecharta wäre dies jedoch eine Frage des allgemeinen Würdeschutzes des Art. 1 oder der Einwilligung in eine medizinische Behandlung gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. a.393 Es liegt Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 973 f. Meyer-Borowsky4, Art. 3 GR–Charta Rn. 45; Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 981 f. 389 Authentische Sprachfassungen: Englisch: „the prohibition on making the human body and its parts as such a source of financial gain“; Französisch: „l’interdiction de faire du corps humain et de ses parties, en tant que tels, une source de profit“. 390 Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 982. 391 Zur Abgrenzung der entgeltlichen Leihmutterschaft zum Organhandel siehe oben bei Kapitel 3 – A.III.1.a)bb)(2), S. 169. 392 Zum Teil wird auch die Prostitution als von lit. c erfasst angesehen. So etwa Calliess/Ruffert-Calliess4, Art. 3 GR–Charta Rn. 15. Vgl. zu den Unklarheiten schon im Grundrechtekonvent Bernsdorff/Borowsky, Grundrechtecharta, 174. 393 Vgl. Frenz, HdbEuR, Bd. 4, Rn. 973 f. 387 388
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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nahe, dass in Fällen der entgeltlichen Leihmutterschaft genauer zu untersuchen ist, ob die Leihmutter tatsächlich freiwillig handelt. Dies heißt aber nicht, dass jede entgeltliche Leihmutterschaft unfreiwillig ist.394 Die entgeltliche Leihmutterschaft widerspricht somit nicht Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta. Bezüglich der materiellen Ergebnisvorgaben ist somit die entgeltliche gleich der unentgeltlichen Leihmutterschaft zu behandeln. Selbst wenn man einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 lit. c GR-Charta annehmen würde, würde sich dieser jedoch auf die Durchführung der Leihmutterschaft beziehen und sich nicht in der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern fortsetzen.395 2. Erzwungene Herausgabe des Kindes a) Deutsches Recht Wie bereits dargelegt wurde, verstößt die erzwungene Herausgabe des Kindes gegen die Menschenwürde der Leihmutter, Art. 1 Abs. 1 GG.396 Eine Hürde bei der Begründung der Abstammung von den Wunscheltern, die die Freiwilligkeit der Übergabe sicherstellt, wäre somit eine zulässige und notwendige Ungleichbehandlung im Hinblick auf das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren. Ist das Kind bereits eine längere Zeit bei den Wunscheltern, so verblasst die Prägung der Beziehung zwischen dem Kind und den Wunscheltern durch die Beeinträchtigung der Menschenwürde der Leihmutter wegen der erzwungenen Herausgabe des Kindes und das Interesse des Kindes an der Kontinuität seiner Bezugspersonen gewinnt an Bedeutung, sowie eventuell das Recht genetisch verwandter Wunscheltern, grundsätzlich die rechtliche Elternschaft erwerben zu dürfen.397 Überwiegen inzwischen das Interesse des Kindes an einer Eingliederung in die Familie der Wunscheltern, so besteht die dargestellte Ergebnisvorgabe auch hier. Eine Abweichung in der Begründung der Abstammung von den Wunscheltern ist somit zulässig und geboten, um das anfängliche Gebot der Rückführung zur Leihmutter und später das Kontinuitätsinteresse des Kindes und mögliche Rechte der Wunscheltern zu wahren.398 Eine weitere, sich letztlich gegen die Leihmutterschaft an sich richtende Abweichung ist nicht zulässig. Ist die Leihmutter unverheiratet und hat sie keinen Partner, der bereit ist, die Vaterschaft zu übernehmen, so muss jedoch ausnahmsweise dem Wunschvater möglich sein, die Vaterschaft zu erwerben.399 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.I., S. 194. Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205. 396 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201. 397 Siehe oben bei Kapitel 3 – A.II.1., S. 151. 398 Vgl. Zum Kontinuitätsinteresse als „klassische[m] Konkretisierungsmerkmal[ ] des Kindeswohls“: Jayme, IPRax 1996, 237, 238. 399 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.c), S. 207. 394 395
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
b) Europa- und Völkerrecht Wird die Leihmutter gezwungen das Kind herauszugeben, obwohl sie es inzwischen doch behalten will, so verstößt dies auch gegen ihre Menschenwürde im Sinne des Art. 1 GR-Charta und Art. 1 des Bioethik-Übereinkommen des Europarats. Wegen ihres stark invasiven Charakters ist die Leihmutterschaft nur bei andauernder Freiwilligkeit menschenwürdekonform. Nach hier vertretener Ansicht schließt dies die Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes nach der Geburt ein ebenso wie die Möglichkeit der Leihmutter, kurz nach einer ursprünglich freiwilligen Herausgabe das Kind zurückzufordern.400 Vorrangiges Ziel bei einer erzwungenen Übergabe muss zunächst sein, das Kind wieder der Leihmutter zuzuführen. Später gewinnt das Kontinuitätsinteresse des Kindes an Bedeutung; die Beeinträchtigung der Leihmutter muss dann hinter diesem zurücktreten. Die fehlende Freiwilligkeit im Rahmen der Übergabe wirft neben Art. 1 GR-Charta auch Schwierigkeiten im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 lit. a GRCharta auf, der die freie Einwilligung des Betroffenen im Rahmen der Biologie und Medizin fordert. Auch hier muss die Einwilligung bis kurz nach der Übergabe des Kindes fortbestehen und kann nicht vor der Befruchtung von der Leihmutter unwiderruflich erklärt werden. Art. 5 Bioethik-Übereinkommen enthält dieselben Vorgaben. Er bestimmt sogar ausdrücklich, dass die Einwilligung jederzeit frei widerrufbar sein muss. Art. 1 und 3 Abs. 2 lit. a GR-Charta sowie Art. 1 und 5 Bioethik-Übereinkommen verhindern somit in diesen Fällen eine Ergebnisvorgabe aufgrund der Unionsbürgerfreizügigkeit. Auch die EMRK enthält in diesen Fällen keine Ergebnisvorgabe zugunsten einer Abstammung von den Wunscheltern. Mangels eines ausführlichen Schutzes der Menschenwürde in der EMRK lässt sich das Gebot, dass die Leihmutter ihre Meinung ändern können muss und bei erzwungener Herausgabe das Kind zunächst zu ihr zurückzuführen ist, mit dem Schutz der körperlichen Integrität und Selbstbestimmung begründen, die als Teil des Schutzes des Privatlebens im Sinne von Art. 8 EMRK angesehen werden.401 Da eine erst entstehende tatsächliche Familie nur dann von Beginn des Zusammenlebens an durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt ist, wenn für den Fortbestand dieser Familie keine Hindernisse bestehen,402 stellt in diesen Fällen das Zusammenleben der Wunscheltern mit dem Kind zunächst keine Familie dar. Eine Vorgabe aus Art. 8 beziehungsweise Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK besteht somit erst dann, wenn das Kontinuitätsinteresse des Kindes die Rechte der Mutter überwiegt und das Herausgabeverlangen der Leihmutter die Verfestigung der tatsächlichen Familie nicht mehr gefähr400 Siehe oben bei Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201. Zur Frage der Auslegung von Art. 1 GR-Charta im Verhältnis zu Art. 1 GG siehe oben bei Kapitel 4 – A.II.1.d)bb), S. 265. 401 Vgl. EGMR 29.4.2002, Pretty, Az. 2346/02, NJW 2002, 2851, Rn. 61. 402 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.III.2.a)aa), S. 272.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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den kann. Die erzwungene Herausgabe beziehungsweise das Gebot, zunächst das Kind zur Leihmutter zurückzuführen, stellt zudem eine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung vor Art. 14 EMRK dar. 3. Homosexuelle Wunscheltern a) Deutsches Recht Es stellt sich die Frage, ob bei homosexuellen Wunscheltern dieselben grundgesetzlichen materiellen Ergebnisvorgaben bestehen wie bei heterosexuellen Wunscheltern. Hier unterscheidet sich der Sachverhalt in zwei Aspekten von einer Abstammung nach natürlicher Zeugung: durch die Art der Zeugung und die sexuelle Orientierung beziehungsweise das Geschlecht der Wunscheltern. Bezüglich der Zeugung durch Leihmutterschaft lässt sich nach oben verweisen: Allein weil die Wunscheltern homosexuell sind, bestehen keine Unterschiede zu heterosexuellen Wunscheltern bezüglich des Verbots einer Ungleichbehandlung des Kindes aufgrund des geburtsbedingten Faktors der Zeugung mittels einer Leihmutterschaft. Hinsichtlich der Homosexualität stellt sich die Frage, ob das Verbot der Ungleichbehandlung des Kindes aufgrund geburtsbedingter Faktoren auch die sexuelle Orientierung der Eltern beziehungsweise die Identität ihres Geschlechts erfasst. Daneben könnte auch Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung der homosexuellen Wunscheltern mit heterosexuellen Eltern fordern. Sollten diese Gebote bestehen,403 müsste zumindest dann eine Elternschaft der homosexuellen Wunscheltern möglich sein, wenn dies für heterosexuelle Wunscheltern der Fall ist. Letztlich stellt sich somit die allgemeinere Frage möglicher grundgesetzlicher Vorgaben bezüglich der Gleichbehandlung hetero- und homosexueller Paare.404 Diese Frage ist jedoch nicht das eigentlich Thema dieser Arbeit und würde deren Rahmen sprengen. Sie soll daher nicht besprochen werden. Es lässt sich für den Zweck dieser Arbeit somit festhalten, dass eine Gleichbehandlung zumindest mit anderen Kindern homosexueller Eltern, die natürlich gezeugt wurden,405 geboten ist. Soweit jedoch eine Ungleichbehandlung der Elternschaft homosexueller Eltern gegenüber heterosexuellen anderweitig gerechtfertigt sein sollte, wäre sie dies auch hier. Wenn es sich somit dabei, dass im deutschen Recht eine gemeinsame Elternschaft homosexueller Paare allgemein nur mittels einer Adoption möglich ist, um eine zu403 Ein Gleichheitsgebot bezüglich der Abstammung ablehnend: BVerfG 2.7.2010, Az. 1 BvR 666/10, NJW 2011, 2011, Rn. 30. Kritisch Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 136 f. 404 Vgl. Witzleb, in: FS Martiny, 203, 226. 405 Die natürliche Zeugung kann sich selbstverständlich nur auf einen der beiden Partner beziehen.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
lässige Ungleichbehandlung handeln sollte, wäre diese auch bei der Leihmutterschaft zulässig. Eigene Vorgaben für die Abstammung des Kindes von homosexuellen Eltern gibt es somit nicht. Unabhängig von Fällen der Leihmutterschaft ist die ursprüngliche Abstammung von einem der Partner bei homosexuellen Paaren schon jetzt im deutschen Recht möglich, § 1591 f. BGB. Auch im Rahmen der Leihmutterschaft muss dies – bei freiwilliger Herausgabe des Kindes – somit aufgrund des Verbots der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren möglich sein. b) Europa- und Völkerrecht Die Beeinträchtigung der Unionsbürgerfreizügigkeit des Kindes gemäß Art. 21 AEUV406 ist unabhängig davon, ob ein Wechsel seine homo- oder heterosexuellen Eltern betrifft. Es könnte jedoch auf der Ebene ihrer Rechtfertigung einen Unterschied machen. Zwar enthält Art. 21 GR-Charta ausdrücklich auch das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Andererseits zeigen jedoch etwa Art. 9 GR-Charta sowie Erwägungsgrund 5 und Art. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsrichtlinie, unter deren Vorbehalt Art. 21 AEUV steht, dass auch bei der Freizügigkeit den Mitgliedstaaten eine große Einschätzungsprärogative eingeräumt wird, wenn es sich um homosexuelle Paare handelt. Dem ließe sich die Möglichkeit entnehmen, dass so eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit zu rechtfertigen sein könnte. Es ist somit zu unterscheiden: Scheitert der Fortbestand der Abstammung an der Tatsache, dass es sich um gleichgeschlechtliche Wunscheltern handelt, mag dies eventuell gerechtfertigt sein. Nicht kann der Verlust der Abstammung jedoch mit der Tatsache gerechtfertigt werden, dass eine Leihmutterschaft durchgeführt wurde.407 Insoweit besteht kein Unterschied zu den Vorgaben bei heterosexuellen Paaren. Neben dem Europarecht lässt sich auch im Rahmen des Völkerrechts entsprechend unterscheiden: Dass es sich bei den Wunscheltern um ein gleichgeschlechtliches Paar handelt, könnte eventuell eine Ergebnisvorgabe verhindern. Dass es sich um eine Leihmutterschaft handelt, steht einer Ergebnisvorgabe jedoch nicht entgegen. Hier wirkt das Gebot, Kinder nicht aufgrund geburtsbedingter Faktoren ungleich zu behandeln. 4. Zwischenfazit Bei den Fällen der erzwungenen Herausgabe besteht keine materielle Ergebnisvorgabe zugunsten der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern. Es gilt 406 407
Siehe oben bei Kapitel 4 – A.II.1.e), S. 267. Siehe oben bei Kapitel 4 – A.II.1.e), S. 267.
A. Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes
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zunächst, das Kind zurück zur Leihmutter zu führen, eine Vorgabe, die erst „kippt“, wenn das Kontinuitätsinteresse des Kindes einen Verbleib des Kindes in der Familie der Wunscheltern erfordert. Die Entgeltlichkeit der Leihmutterschaft hat demgegenüber keine Auswirkungen auf die Ergebnisvorgaben. Bei der Abstammung von einem homosexuellen Paar ist zu unterscheiden: Die Durchführung der Leihmutterschaft an sich darf auch hier die Abstammung nicht beeinflussen. Gibt es rechtmäßige allgemeine Besonderheiten bei der gemeinsamen Elternschaft homosexueller Eltern, können diese auch hier bestehen. VI. Fazit: Pflicht zur Ermöglichung der Abstammung von den Wunscheltern Der Inhalt der Ergebnisvorgaben hängt entscheidend davon ab, ob die Leihmutter das Kind freiwillig übergeben und nicht im unmittelbaren Anschluss ihre Meinung geändert hat. Bei einer freiwilligen Übergabe fordern das Verfassungs- und Völkerrecht, bei einer Leihmutterschaft im EU-Ausland zum Teil auch die Unionsbürgerfreizügigkeit, dass die Wunscheltern die Eltern des Kindes werden beziehungsweise bleiben können.408 Wurde die Leihmutter zur Übergabe gezwungen, so fordert ihre Menschenwürde, dass ihr das Kind zurückgegeben wird und sie die Mutterschaft erwerben kann. Lediglich dann, wenn das Kind seit der erzwungenen Herausgabe derart in die Familie der Wunscheltern integriert ist, dass sein Interesse an der Kontinuität dieser Beziehung überwiegt, muss das Kind von den Wunscheltern rechtlich abstammen können. Diese Vorgaben gelten sowohl für inländische als auch ausländische Fälle der Leihmutterschaft. Nur solche Verfahrensschritte dürfen bei der Begründung der Abstammung, zusätzlich zu denen bei einer natürlichen Zeugung, vorgeschrieben werden, welche sicherstellen, dass das Kind freiwillig übergeben wurde, beziehungsweise, dass das Kind bei unfreiwilliger Übergabe inzwischen so lange in der Familie der Wunscheltern lebt, dass sein Interesse an der Kontinuität der Bezugspersonen, eine Abstammung der Wunscheltern fordert. Für homosexuelle Paare konnte in dieser Arbeit nur dargelegt werden, dass aufgrund der Leihmutterschaft ihr Erwerb der Elternschaft nicht gegenüber anderen homosexuellen Paaren erschwert werden darf. Auch dabei gilt freilich die Einschränkung der Überprüfung der Freiwilligkeit der Übergabe.
408
Im Ergebnis ähnlich Mayer, IPRax 2014, 57, 60.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
Es stellt sich die Frage, inwiefern das hiesige Recht und die hiesige Rechtsprechung die genannten Ergebnisvorgaben erfüllen, die sich aus dem Verfassung-, Europa- und Völkerrecht ergeben. I. Abstammung bei inländischer Leihmutterschaft Die rechtliche Abstammung bei inländischer Leihmutterschaft wurde bereits dargestellt.409 Mutter wird gemäß § 1591 BGB stets die Leihmutter. Die Wunschmutter muss das Kind immer adoptieren.410 Dies wird bei freiwilliger Übergabe des Kindes den Vorgaben des höherrangigen Rechts nicht gerecht. § 1591 BGB ist in diesen Fällen mit dem höherrangigen Recht nicht vereinbar. Das Vaterschaftsrecht411 kommt den Vorgaben des höherrangigen Rechts näher: Der Wunschvater kann bei einer unverheirateten Leihmutter durch eine Vaterschaftsanerkennung die ursprüngliche rechtliche Vaterschaft erwerben. Für die Fälle der freiwilligen Übergabe des Kindes entspricht dies den Ergebnisvorgaben. Die Notwendigkeit der Zustimmung der Leihmutter zur Anerkennung gemäß § 1595 BGB schützt zwar in gewisser Weise die Freiwilligkeit der Leihmutter. Der genetisch verwandte Wunschvater kann jedoch durch eine Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB auch gegen den Willen der Leihmutter die Vaterschaft erwerben. Zudem kann gemäß §§ 1595 Abs. 3, 1594 Abs. 3 und 4 BGB die Zustimmung schon vor der Geburt wirksam erklärt werden und lässt keine Bedingungen zu. Mit dem Schutz der Freiwilligkeit der Leihmutter ist dies nicht vereinbar. Die Leihmutter muss sich zumindest kurz nach der Geburt oder einer ursprünglich freiwilligen Übergabe des Kindes doch noch entscheiden können, das Kind selbst aufzuziehen. In diesem Fall muss es ihr und ihrem Partner, der bereit ist, die soziale Vaterschaft zu übernehmen, möglich sein, die Elternschaft zu erwerben. Das bestehende Recht gewährleistet dies nicht. Eine Rückausnahme besteht, wenn die Leihmutter keinen Partner hat. In diesem Fall muss der Wunschvater, zumindest wenn er genetischer Vater ist, die Vaterschaft erwerben können. Der Schutz der Leihmutter muss dann im Rahmen der Ausgestaltung des Sorgerechts erreicht werden. Dies ist durch §§ 1592 Nr. 2, 1595, 1600d und 1626a BGB möglich. Ist die Leihmutter verheiratet und hat ihr Ehemann in die Befruchtung eingewilligt, so kann der Wunschvater die ursprüngliche rechtliche Vaterschaft Siehe oben bei Kapitel 1 – B.I., S. 22. Dass über eine Adoption letztlich doch eine Elternschaft begründet werden kann, reicht nicht aus, sondern zeigt vielmehr die unzulässige Ungleichbehandlung. Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.2.a)dd)(2), S. 233 sowie EGMR 13.6.1979, Marckx, Az. 6833/74, NJW 1979, 2449, Rn. 55. 411 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II., S. 24. 409 410
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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grundsätzlich nicht erwerben, sondern muss das Kind adoptieren.412 Dies wird den Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts bei freiwilliger Übergabe des Kindes nicht gerecht. Bei einer erzwungenen Herausgabe ist dies jedoch das gebotene Ergebnis. Weder die Regeln des nationalen Rechts zum Erwerb der Vater- noch der Mutterschaft in Fällen der Leihmutterschaft entsprechen somit vollständig den Vorgaben des höherrangigen Rechts. Sie verstoßen insoweit gegen das Verfassungsverbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren, welches sich aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 5 GG herleiten lässt, sowie gegen Art. 8 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 EMRK. Soweit der Wunschvater die Abstammung leichter erwerben kann als die Wunschmutter, besteht zudem eine unzulässige Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 2 GG. Sind die Wunscheltern auch die genetischen Eltern sind die Regeln nicht mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar. Sofern die Verweigerung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern generalpräventiv weitere Paare von der Durchführung einer Leihmutterschaft abschrecken soll, verstößt dies zudem gegen die Menschenwürde des Kindes, Art. 1 Abs. 1 GG. Bei einer erzwungenen Herausgabe des Kindes fordert insbesondere der Schutz der Menschenwürde und Intimsphäre der Leihmutter grundsätzlich deren Mutterschaft. II. Abstammung bei internationaler Leihmutterschaft 1. Abstammung nach hier vertretener Auslegung des IPR und IZVR Auch bei Fällen der internationalen Leihmutterschaft kann gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB der deutsche Wunschvater bei einer unverheirateten Leihmutter nach deutschem Recht die Vaterschaft erwerben. Daneben führt die oben dargestellte Auslegung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts in verschiedenen weiteren Fällen zur rechtlichen Abstammung von den Wunscheltern.413 Zunächst kann eine Elternschaft aufgrund der Anerkennung einer entsprechenden ausländischen Entscheidung bestehen, §§ 108 f. FamFG. Dies betrifft unter den hier untersuchten Rechtsordnungen Entscheidungen aus Kalifornien, dem Vereinigten Königreichs, Israel und zum Teil Indien.414 Andernfalls kann die Elternschaft deutscher Wunscheltern aufgrund einer eigenständigen Bestimmung anhand des gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Rechts begründet werden. Meist ist dabei nach den Sätzen 2 und 3 Für die Möglichkeit einer Anfechtung der Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter aufgrund einer verfassungs- bzw. völkerrechtskonformen Auslegung des § 1600 Abs. 5 BGB siehe unten bei Kapitel 4 – C.I., S. 320. 413 Siehe oben bei Kapitel 2 – C., S. 131. 414 Siehe oben bei Kapitel 2 – B.II., S. 112. Wobei eine britische parental order oft am domicile eines der Wunscheltern scheitern wird, eine israelische Leihmutterschaft an der Anforderung, dass Leihmutter und Wunscheltern ihren Wohnsitz in Israel haben müssen. 412
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
eine Elternschaft nicht bestimmbar, sondern nur nach Satz 1. Ist demnach das Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft anwendbar, besteht im Rahmen der hier untersuchten Rechtsordnungen eine Elternschaft der Wunscheltern ipso iure im ukrainischen, indischen, griechischen und kalifornischen Recht.415 Im Fall Kaliforniens kommt es auf eine Anwendung des dortigen Rechts jedoch nur an, wenn keine Feststellungsentscheidung erging, welche verfahrensrechtlich anerkannt würde. Eine Elternschaft deutscher Wunscheltern richtet sich jedoch regelmäßig nur nach diesen Rechten, wenn das Kind gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte. Leben die Wunscheltern zur Zeit der Leihmutterschaft nicht ohnehin vor Ort, sondern reisen nur zur Durchführung der Leihmutterschaft dorthin, so ist ein dortiger gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes nicht gegeben. Ein Erwerb ist dann lediglich noch in den Fällen möglich, in denen die Rückreise des Kindes nach Deutschland scheitert, sodass das Kind weder am Geburtsort noch in Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn dann zudem eine Bestimmung der Abstammung anhand von Art. 19 Abs. 1 S. 2 und 3 EGBGB nicht möglich ist, muss in diesen Fällen, um zum Wohle des Kindes überhaupt eine Abstammung zu ermöglichen, im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB auf den einfachen Aufenthalt zurückgegriffen werden. Auch dann ist das Recht des Geburtsortes anwendbar. In den genannten Fällen erfüllt die abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes bei freiwilliger Herausgabe des Kindes die Ergebnisvorgaben. Auch die teilweise erforderlichen Verfahrensschritte, wie der Erlass einer britischen parental order, stellen keine unzulässige Ungleichbehandlung dar. Im Gegensatz zu einem Adoptionsverfahren werden etwa bei Sec. 54 HFEA 2008 nur solche Umstände geprüft, die spezifisch für die Konstellation der Leihmutterschaft sind, etwa die Freiwilligkeit der Übergabe. Zwar darf nach hier vertretener Ansicht die Entgeltlichkeit der Leihmutterschaft, welche den Erlass einer parental order ausschließt,416 eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern nicht verhindern; insoweit geht somit das britische Recht zu weit.417 Die Prüfung der Freiwilligkeit der Übergabe, die auch eine gewisse Zeit nach der Geburt fortbestehen muss,418 ist dagegen notwendig und entspricht den Vorgaben des höherrangigen Rechts. Wurde die Leihmutter zur Herausgabe des Kindes gezwungen oder wurde ihr kurz nach einer ursprünglich freiwilligen Übergabe das Kind nicht zurückgegeben, obwohl sie es doch selber aufziehen will, so kann eine AbSiehe oben bei Kapitel 2 – A.VI., S. 110. Im indischen Recht bezieht sich diese Aussage vor allem auf den ART-Bill 2010, während die momentane Rechtslage nicht klar ist. 416 Sec. 54(8) HFEA 2008. 417 In Entscheidungen zu Sec. 54(8) HFEA 2008 haben jedoch auch britische Gerichte die Unentgeltlichkeit sehr weit ausgelegt. Siehe etwa High Court of Justice Family Division 9.12.2008, Re: X & Y (Foreign Surrogacy), [2008] EWHC 3030 (Fam). 418 Sec. 54(7) HFEA 2008. 415
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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stammung der Wunscheltern, die in den genannten Fällen bestehen würde, durch die Anwendung des ordre public-Vorbehalts verhindert werden. Ist das Kind längere Zeit bei den Eltern und hat dessen Kontinuitätsinteresse Oberhand gewonnen, so ist ein ordre public-Verstoß jedoch abzulehnen.419 Bis dahin kann bei der Anwendung des ordre public-Vorbehalts bezüglich der Rechtsfolgen der Elternschaft differenziert werden und es können solche anerkannt werden, die das Kindeswohl erfordert. Auch in diesen Fällen entspricht das Ergebnis den Vorgaben des höherrangigen Rechts. Es verbleiben dennoch zahlreiche Situationen, in denen die Vorgaben verfehlt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn am Geburtsort kein gewöhnlicher Aufenthalt bestand und keine anerkennungsfähige Entscheidung existiert. In diesen Fällen ist deutsches Recht anzuwenden. Die Vereinbarkeit des Ergebnisses mit höherrangigem Recht entspricht dann den eben dargestellten, rein inländischen Fällen der Leihmutterschaft. Wenn die Leihmutter verheiratet ist, kann kein Wunschelternteil die rechtliche Elternschaft erwerben, ist die Leihmutter unverheiratet, kann nur die Wunschmutter es nicht, der Wunschvater dafür sogar gegen den Willen der Leihmutter. 2. Abstammung nach bisheriger Rechtsprechung Wie eben dargestellt wurde, können in einigen Fällen nach hier vertretener Auslegung des einfachen Rechts de lege lata die Wunscheltern entsprechend der Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts die rechtliche Elternschaft erwerben. Wie im Folgenden gezeigt wird, vertrat die bisherige deutsche Rechtsprechung eine andere Auslegung. Insbesondere durch eine weitreichende Anwendung des ordre public-Vorbehalts verhinderte sie den Erwerb der rechtlichen Elternschaft durch die Wunscheltern auch in Fällen, in denen deren Elternschaft durch höherrangiges Recht geboten wäre, und zwang sie zu einer Adoption. Vereinzelt wurde sogar die Adoption wegen der Leihmutterschaft verweigert. Am 10. Dezember 2014 nahm der Bundesgerichtshof zum ersten Mal Stellung zur internationalen Leihmutterschaft.420 Diese Entscheidung wird zu einer grundlegenden Änderung der Rechtsprechung zumindest in bestimmten Konstellationen führen. a) Abstammung bei internationaler Leihmutterschaft aa) Rechtsprechung vor der Entscheidung des BGH im Einzelnen Im Jahre 2009 beschäftigte das VG Berlin ein Antrag auf einstweilige Anordnung der Erlaubnis einer visumfreien Einreise von Zwillingen und auf Aus419 Vgl. zum Kontinuitätsinteresse als „klassische[m] Konkretisierungsmerkmal[ ] des Kindeswohls“: Jayme, IPRax 1996, 237, 238. 420 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; dazu Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen; Mayer, StAZ 2015, 33.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
stellung von Kinderausweisen aufgrund deren behaupteter – durch die Abstammung von den deutschen Wunscheltern gemäß § 4 Abs. 1 StAG erworbener – deutscher Staatsangehörigkeit.421 Die Zwillinge waren in Indien von einer Leihmutter geboren worden und waren nur mit dem Wunschvater genetisch verwandt.422 Dem Antrag wurde nicht stattgegeben.423 Laut dem Gericht seien sowohl nach deutschem als auch nach indischem Recht die Leihmutter und ihr Ehemann die Eltern.424 Selbst wenn der Wunschvater auch genetischer Vater sei, sei er dennoch rechtlich nicht der Vater.425 Diesbezüglich stützte sich das Gericht auch auf ein entsprechendes Urteil des High Court of Gujarat zwischen denselben Parteien.426 Die Eintragung des Wunschvaters auf der indischen Geburtsurkunde sei unbeachtlich, da nicht konstitutiv.427 Selbst wenn man die Richtlinien des indischen Gesundheitsamtes, die wohl eine Abstammung der Wunscheltern begründen würden, als „Recht“ im Sinne des Art. 19 EGBGB ansehen würde, wären diese jedenfalls wegen eines ordre public-Verstoßes nicht anwendbar, insoweit sie die Abstammung der Wunscheltern begründeten.428 Ein ähnlicher Fall beschäftigte das VG Berlin erneut im Jahre 2011.429 Nun ging es um einen Antrag auf Ausstellung eines vorläufigen Kinderreisepasses, §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 6 Abs. 1 PaßG.430 Im Gegensatz zu dem vorherigen Fall behauptete hier das deutsche Paar, dass die Frau das Kind selbst in Indien zur Welt gebracht habe. Das Gericht hielt jedoch unter anderem für nicht glaubhaft, dass die 55-jährige Wunschmutter in der 36. Woche ihrer eigenen Schwangerschaft für einen sechswöchigen Urlaub nach Indien geflogen sei.431 Auch aufgrund der Geburt in einem Fruchtbarkeitszentrum, das auf Leihmut421 Hilfsweise wurden Visa zum Nachzug der Zwillinge als minderjährige, ledige, ausländische Kinder eines Deutschen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, beantragt, §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG, sowie Ausstellung entsprechender Reiseausweise. Höchst hilfsweise wurde ein vorübergehender Aufenthalt zu einem nicht im AufenthG vorgesehenen Aufenthaltszweck beantragt, § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG: VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 2–4. 422 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 19. Als Herkunft der Eizelle wurde von den Wunscheltern eine indische Spenderin angegeben, diese Behauptung wurde laut dem VG jedoch nicht glaubhaft gemacht: VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 21. 423 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 5. 424 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 21 ff. 425 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 19. 426 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 11. 427 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24. 428 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24. Zu der Richtigkeit dieser Einschätzung des indischen Rechtes siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84. 429 VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris; dazu: Heiderhoff, IPRax 2012, 523. 430 VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 2. 431 VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 7.
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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terschaften spezialisiert sei, ging das Gericht stattdessen von einer Leihmutterschaft aus.432 Weder nach indischem noch nach deutschem Recht könne dann die Wunschmutter die Mutterschaft erwerben.433 Die Vaterschaft des Wunschvaters könne ebenfalls mangels Ehe mit der Leihmutter, Vaterschaftsanerkennung oder -feststellung nicht begründet werden.434 Die auf die Wunscheltern als Eltern ausgestellte indische Geburtsurkunde wurde erneut als nicht konstitutiv und daher unbeachtlich bewertet.435 Die Beschwerde gegen diesen Beschluss vor dem OVG Berlin-Brandenburg hatte keinen Erfolg.436 Das OVG schloss sich der Argumentation des VG an.437 Ein weiterer, sehr ähnlicher Fall beschäftigte das VG Berlin im Jahre 2012.438 Auch hier wurde ein Antrag auf einen vorläufigen Kinderreisepass abgelehnt.439 In diesem Fall handelte es sich jedoch um einen ukrainischen Fall der Leihmutterschaft bei verheirateten und genetisch mit dem Kind verwandten deutschen Wunscheltern. Die Vaterschaft wurde erneut wegen der Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter und dem Fehlen seiner Vaterschaftsanfechtung und einer Vaterschaftsanerkennung durch den Wunschvater abgelehnt.440 Die Mutterschaft hätte zwar nach ukrainischem Recht begründet werden können. Da die Kinder noch in der Ukraine waren, wurde dies als eventuell anwendbar diskutiert. Es wurde jedoch wegen eines pauschal angenommen ordre public-Verstoßes abgelehnt, Art. 6 EGBGB,441 und stattdessen die Mutterschaft der Leihmutter nach deutschem Recht angenommen.442 Sowohl das Urteil des Bezirksgerichtes Dsershynskyj in Charkiw, das die Wunscheltern als rechtliche Eltern auswies, als auch die entsprechende ukrainische Geburtsurkunde wurden als unbeachtlich angesehen.443 Letztlich wurde die Wunschmutter auf die Möglichkeit der Adoption, der Wunschvater jedoch auf ein Anfechtungsverfahren gemäß §§ 169 f. FamFG in Verbindung mit §§ 1599−1600c BGB verwiesen.444 Ebenfalls im Jahre 2012 befassten sich das AG und OLG Stuttgart mit einem Antrag auf Nachbeurkundung der Geburt von Zwillingen in Kalifornien als ausländischer Geburt von Deutschen gemäß § 36 Abs. 1 PStG.445 Dabei 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445
VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 7. VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 21 ff. VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 8 f. VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 10. OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 1. OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 3. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80. Dazu: Mayer, IPRax 2014, 57. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 2 f. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 9. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 10. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 8. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 11. VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 14. OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 1.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
stellte sich auch die Frage des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit der durch Leihmutterschaft geborenen Kinder aufgrund einer Abstammung von den Wunscheltern, die beide auch deren genetische Eltern waren.446 Da hier die Kinder bereits in Deutschland lebten, wurde lediglich auf eine Anwendung deutschen Rechts als Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes der Kinder eingegangen, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB.447 Danach seien die Leihmutter und gegebenenfalls deren Ehemann die Eltern der Kinder, §§ 1591 f. BGB.448 Auch hier wurde ein Auszug aus dem Geburtenregister vorgelegt, der jedoch ebenfalls mit dem Hinweis, das kalifornische Register könne das anwendbare deutsche Recht nicht „außer Kraft setzen“, unbeachtet blieb.449 Gegen diesen Beschluss wurde anschließend eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, die jedoch mangels ausreichender Substantiierung der Beschwerdegründe nicht angenommen wurde.450 Leider verstrich so eine Gelegenheit, eine gewisse Klärung der Problematik der internationalen Leihmutterschaft durch das Verfassungsgericht zu erwirken. Das OLG Düsseldorf entschied im April 2013 über eine Zweifelsvorlage des Standesamts Neuss im Rahmen eines Antrags auf Nachbeurkundung gemäß § 36 PStG.451 Ein männlicher, verpartnerter, deutscher Homosexueller hatte in Indien mittels einer Eizellspende und einer indischen Leihmutter ein Mädchen gezeugt und unter Beurkundung durch die Botschaft in Neu Delhi die Vaterschaft anerkannt.452 Er beantragte im Anschluss, das Kind als seine Tochter ins Geburtenregister einzutragen, § 36 PStG.453 Das OLG stellte fest, dass keine berechtigten Zweifel daran bestehen, dass die vom Wunschvater genannte Leihmutter tatsächlich das Kind geboren habe und dass sie ledig gewesen sei.454 Zwar geht das OLG nicht direkt auf die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung ein. Dass es die Identität der Leihmutter und deren Ehestand als mögliche Hindernisse der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung prüft,455 zeigt jedoch, dass es von einer sonstigen Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung ausgeht.
OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris. OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 9. 448 OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 9 ff. 449 OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 16. 450 BVerfG 22.8.2012, Az. 1 BvR 573/12, NJW-RR 2013, 1. 451 OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77. Dazu: Mayer, IPRax 2014, 57; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 3; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.5.2013, 1. 452 OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77, Rn. 1 ff. 453 OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77, Rn. 4. 454 OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77, Rn. 26 ff. 455 OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77, Rn. 20. 446 447
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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Ebenfalls im Februar 2013 befasst das VG Köln folgender Fall:456 Ein deutsches Ehepaar hatte in Indien mit Hilfe einer verheirateten indischen Leihmutter ein Kind gezeugt, welches sich seit der Geburt – einvernehmlich mit der Leihmutter – bei den Wunscheltern befand. Der Wunschvater beantragte, dem Kind einen deutschen Ausweis auszustellen wegen der von ihm erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit (§ 30 Abs. 3 StAG). Er legte dabei ein Urteil des Zivilgerichts Saket, Neu Delhi vor, welches ihn als genetischen Vater und die Leihmuttervereinbarung als bindend festgestellt hatte. Hilfsweise erkannte der Wunschvater die Vaterschaft an.457 Das Gericht wies die Klage ab. Sowohl nach deutschem, wie indischem Recht seien die Leihmutter und ihre Ehemann die rechtlichen Eltern.458 Dem Urteil des Zivilgerichts Saket, Neu Delhi, schrieb es keine abstammungsrechtliche Bedeutung zu.459 Im November 2013 musste das VG Köln erneut über einen Fall der Leihmutterschaft entscheiden.460 In diesem Fall hatte ein in Israel lebender Deutscher mit seinem israelischen Lebenspartner eine Leihmutterschaft in Indien durchgeführt, da diese Homosexuellen in Israel nicht offensteht. Im Anschluss beantragte der deutsche Wunschvater, dem Kind einen deutschen Ausweis auszustellen wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes, die das Kind von ihm als rechtlichem Vater erworben haben soll (§§ 30 Abs. 3, 4 Abs. 1 StAG).461 Auf wiederholte Anfragen gab er an, die Identität der Leihmutter sei nicht bekannt.462 Im Rahmen des Verfahrens legte der deutsche Wunschvater ein israelisches Urteil vor, in dem seine genetische Vaterschaft festgestellt wurde.463 Dessen Anerkennung wurde abgelehnt, da es keine Feststellung der rechtlichen Vaterschaft enthalte.464 Bei der eigenen Bestimmung der Abstammung ging das Gericht davon aus, dass die Leihmutter verheiratet war, da es die Behauptung des Wunschvaters, die Identität der Leihmutter nicht zu kennen, für unglaubhaft hielt.465 Nach deutschem Recht, welches nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB eine Vaterschaft des deutschen VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris. Dazu Duden, StAZ 2014, 164. VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 2 f.; District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Ezadi Chamkhorami v. Singh, Case No. 144/11. 458 VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 25 ff. Zur Anwendbarkeit des Indian Evidence Act 1872 (Rn. 34 ff. des Urteils) siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84. 459 VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 29. Siehe dazu oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120. Sowie Duden, StAZ 2014, 164. 460 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris. Dazu Duden, StAZ 2014, 164; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2013, 7. 461 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 3 ff. 462 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 6 ff. 463 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 19 ff. 464 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 51. Siehe dazu oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120. 465 VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 58. 456 457
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Wunschvaters begründen könnte, seien die Leihmutter und ihr Ehemann die rechtlichen Eltern.466 Zu derselben Abstammung führe das israelische Recht, welches wegen des dortigen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB anwendbar sei.467 Der Antrag des Wunschvaters wurde daher abgelehnt. Auch im Jahre 2013 befasste sich das KG Berlin mit der Frage der verweigerten Nachbeurkundung der Geburt eines in Kalifornien durch eine amerikanische Leihmutter geborenen Kindes als Kind zweier männlicher, deutscher eingetragener Lebenspartner (§ 36, 49 PStG).468 Bei der Befruchtung war eine Mischung von anonym gespendeten Spermien mit solchen eines der Wunschväter verwendet worden.469 Von wem das Spermium, das zur Zeugung des Kindes führte, stammt, war somit nicht klar. In einem Urteil eines kalifornischen Gerichts war die rechtliche Elternschaft der deutschen Wunscheltern festgestellt worden.470 Das KG Berlin ging bezüglich der beiden Wunschväter unterschiedlich vor: Bezüglich des Vaters, dessen Sperma in der Mischung enthalten war und der somit der genetische Vater sein könnte, erkannte es das kalifornische Urteil gemäß § 108 FamFG an.471 Ein Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt bestehe nicht, da der Vater – die Leihmutter war unverheiratet – auch gemäß § 1592 Nr. 2 BGB die Vaterschaft hätte anerkennen können.472 Bezüglich des zweiten Wunschvaters könne das Urteil nicht anerkannt werden, da es insoweit wegen der Umgehung des hiesigen Leihmutterschaftsverbots gegen den ordre public-Vorbehalt verstoße.473 Eine Ausnahme von der dargestellten Rechtsprechung stellt zunächst ein Beschluss des AG Friedberg aus dem Jahre 2013 dar.474 In diesem Fall trug eine verheiratete ukrainische Leihmutter für zwei Deutsche ein Kind aus. Nach der Geburt erließ ein ukrainisches Bezirksgericht einen Beschluss, der die rechtliche Elternschaft der deutschen Wunscheltern, die beide auch die genetischen Eltern waren, feststellte. Das AG Friedberg bewilligte den Antrag auf Anerkennung des Beschlusses gemäß § 108 f. FamFG. Einen Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG lehnte das Gericht trotz der Vorbehalte des deutschen Gesetzgebers gegenüber Leihmut-
VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 58. VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 66. 468 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72. Dazu Mayer, IPRax 2014, 57. 469 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 3. 470 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 6. 471 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 18. 472 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 20 f. 473 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 24 ff. 474 AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994; siehe zum weiteren Verlauf des Verfahrens: AG Gießen 7.11.2013, Az. 22 III 9/13, juris; OLG Frankfurt a. M. 14.7.2014, Az. 20 W 374/13, juris. 466 467
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terschaften ab.475 Als Gründe nennt es insbesondere den Schutz des Kindeswohls, die genetische Elternschaft der Wunscheltern, die freiwillige Übergabe und Ablehnung einer eigenen Mutterschaft durch die Leihmutter sowie die Tatsache, dass das Kind andernfalls staatenlos wäre.476 Das Gericht betont, dass auch nach deutschem Recht Wunschväter bei einer Leihmutterschaft die Vaterschaft erwerben können.477 Generalpräventive Argumente dürften zudem nicht zulasten des Kindes gehen.478 Das Gericht bezieht sich dabei auch auf Art. 8 Abs. 1 EMRK und die Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs.479 Das AG Neuss erkannte im Jahre 2013 eine kalifornische Entscheidung an, die die gemeinsame Elternschaft zwei männlicher homosexueller Lebenspartner feststellte. Ein Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG bestehe nicht, da auch nach deutschem Sachrecht eine gemeinsame Abstammung der Wunscheltern möglich sei.480 Ähnlich argumentierte das AG Nürnberg im Jahre 2009 im Rahmen einer Zweifelsvorlage gemäß § 49 Abs. 2 PStG.481 Das Kind, das in Russland durch Leihmutterschaft geboren wurde, war in diesem Fall inzwischen in Deutschland, sodass das Gericht gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht anwendete. Da die Leihmutter unverheiratet war und der Wunschvater mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft anerkannt hatte, §§ 1592 Nr. 2, 1595 BGB, sei er der rechtliche Vater.482 Zwar wies das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass ein ordre public-Verstoß schon deshalb ausscheide, da dasselbe Ergebnis bei einem reinen Inlandsfall erreicht worden wäre.483 Da jedoch ohnehin, trotz Auslandssachverhalts, deutsches Recht zur Anwendung kam, war dieser Hinweis lediglich obiter dictum. bb) Leitlinien der Rechtsprechung vor der Entscheidung des BGH Im Kern dieser Fälle stellte sich jeweils die Frage der Abstammung des Kindes, meist verbunden mit der Frage nach der deutschen Staatsangehörigkeit, die von der Abstammung von den deutschen Wunscheltern hergeleitet werden soll. Im Ergebnis kamen die Gerichte überwiegend zu demselben Ergebnis,
AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1995. AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1995. 477 AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1996. 478 AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1996. 479 AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994, 1996. Siehe oben bei Kapitel 4 – A.IV.1., S. 284. 480 AG Neuss 13.5.2013, Az. 45 F 74/13, juris, Rn. 6 f. 481 AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182. 482 AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182, 182. 483 AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182, 183. 475 476
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dass eine Elternschaft nicht bestehe und nur durch eine Adoption begründet werden könne.484 Über eine der Anknüpfungsmöglichkeiten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB wird dabei meist der Weg zum deutschen Recht bestritten,485 durch § 1591 BGB die Mutterschaft verneint486 und unter Verweis auf eine Ehe der Leihmutter und daraus erwachsender Vaterschaft ihres Ehemanns (§ 1592 Nr. 1 BGB)487 oder alternativ unter Verweis auf eine bisher unterbliebene Vaterschaftsanerkennung (§ 1591 Nr. 2 BGB)488 oder -feststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB)489 ebenfalls die Vaterschaft des Wunschvaters verneint.490 In den Fällen mit Bezug zu Indien, in denen die Kinder wegen der verweigerten Einreise nach Deutschland weiterhin ihren Aufenthalt in Indien hatten, wird dieses Ergebnis auch mit Art. 112 Indian Evidence Act 1872 begründet.491 In den Fällen des VG Berlin aus den Jahren 2009 und 2012 wird die
484 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 8 ff.; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 12; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 14; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 25; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 46 f. 485 Deutsches Recht als Heimatrecht der Person zu der die Abstammung begründet werden soll: VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; ebenso: VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 9; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 8; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 40; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 53. Kinder bereits in Deutschland, deutsches Recht als Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes anwendbar: OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 9; KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 39. 486 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 4; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 8; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 26. 487 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 9; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 11; OVG BerlinBrandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 4; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 9; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 28 ff.; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 58. 488 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 4; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 9. 489 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 4; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 9. 490 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 19; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 9; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 11; OVG BerlinBrandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris, Rn. 4; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 9. 491 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 21 f.; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris,
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Möglichkeit diskutiert, eine Elternschaft der Wunscheltern nach dem Recht des Geburtsortes zu begründen, welches bei fortdauerndem Aufenthalt der Kinder als Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes gemäß Art.19 Abs. 1 S. 1 EGBGB anwendbar sein könnte. Diese Möglichkeit wird jedoch mit der Annahme eines ordre public-Verstoßes abgetan,492 der mit einem Verweis auf das hiesige Verbot der Leihmutterschaft und auf die Strafbarkeit der damit verbundenen Tätigkeiten begründet wird.493 Zum Teil erfolgt auch der Verweis auf die Möglichkeit der Wunscheltern, eine Abstammung durch eine Adoption zu begründen.494 In einigen neueren Entscheidungen wird demgegenüber die Vaterschaft des Wunschvaters, beziehungsweise eines der Wunschväter, anerkannt.495 Es setzt sich dabei die Erkenntnis durch, dass auch unter Anwendung des deutschen Rechts dieses Ergebnis möglich ist.496 Dabei zeigt sich die oben kritisierte Ungleichbehandlung zwischen der Mutterschaft der Wunschmutter, die gegen den ordre public-Vorbehalt verstoßen soll, und der Vaterschaft des Wunschvaters, die auch im nationalen Recht möglich ist und somit nicht gegen den ordre public verstoßen soll.497 Auch gleichen sich die Urteile darin, dass Geburtsurkunden aus dem jeweiligen Geburtsland als unbeachtlich abgetan werden.498 Dies wird zum Teil mit deren nicht konstitutivem Charakter,499 zum Teil mit dem Argument begründet, dass diese Urkunden das eigentlich anwendbare deutsche Recht nicht „außer Kraft“ setzen könnten.500 Eine ausdrückliche Ablehnung der AnerkenRn. 4; VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 34 ff. Zur Richtigkeit dieser Aussage, siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(6), S. 84. 492 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 10. 493 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 10. Eine zu pauschale Begründung des ordre publicVerstoßes kritisiert, zu Recht, Dethloff, JZ 2014, 922, 926. 494 OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 12; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 14. 495 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 18 ff.; OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77; AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182. 496 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 20; OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77. 497 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.I.2.b), S. 237. 498 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 23; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 10; OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 16; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 11; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 67 ff. 499 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris, Rn. 24; VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris, Rn. 10; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 11. 500 OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris, Rn. 16; VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 11.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
nung einer ausländischen Entscheidung unter Verweis auf den ordre publicVorbehalt des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG findet sich im Urteil des VG Berlin aus dem Jahr 2012.501 Das VG Köln lehnte in zwei Fällen die Anerkennung ausländischer Entscheidungen mit dem Hinweis ab, sie stellten nur die genetische Vaterschaft des Wunschvaters beziehungsweise die Bindungswirkung der Leihmuttervereinbarung fest, nicht aber unmittelbar die rechtliche Elternschaft.502 Das Urteil des KG Berlin aus dem Jahre 2013 erkennt demgegenüber die kalifornische Entscheidung, die beide Wunschväter als rechtliche Väter feststellt, bezüglich eines der Wunschväter an und lässt sie bezüglich des anderen am ordre public-Vorbehalt scheitern.503 Das AG Neuss erkannte eine entsprechende Entscheidung sogar bezüglich der Vaterschaft beider Wunschväter an.504 Die Entscheidung des KG Berlin aus dem Jahre 2013 zeigt sehr deutlich, wie wenig überzeugend die Rechtsprechung bezüglich des Verstoßes der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern gegen den ordre public ist: Hätte das Gericht damit argumentiert, dass eine gemeinsame Elternschaft zweier Männer nur als Folge einer Adoption mit dem ordre public vereinbar ist, so wäre eine Anerkennung nur eines der Väter nachvollziehbar gewesen. Dass jedoch wegen der Leihmutterschaft und unabhängig von der Homosexualität, auf die das Gericht in diesem Rahmen nicht eingeht, die Vaterschaft eines der Männer gegen den ordre public verstoßen soll und die des anderen nicht, überzeugt nicht.505 Erfreuliche Ausnahmen sind die Beschlüsse der AG Friedberg, Nürnberg und Neuss, in denen ein Verstoß gegen den ordre public abgelehnt wird.506
VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80, Rn. 11. VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris, Rn. 29 und 49; VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris, Rn. 51. Bezüglich des jüngeren Urteils überzeugt diese Argumentation, nicht jedoch bezüglich des älteren, da dort die Feststellung auch als funktionales Äquivalent zu der Feststellung der rechtlichen Elternschaft anerkannt werden könnte. Siehe oben bei Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120. 503 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 18 ff. bzw. 24 ff. Kritisch zu der Differenzierung zwischen dem Urteil des VG Berlin aus 2012 und KG Berlin aus 2013 Mayer, IPRax 2014, 57, 59. 504 AG Neuss 13.5.2013, Az. 45 F 74/13, juris, Rn. 6 f. 505 Vgl. Mayer, IPRax 2014, 57, 61. 506 AG Nürnberg 14.12.2009, Az. UR III 0264/09, StAZ 2010, 182, 183; AG Neuss 13.5.2013, Az. 45 F 74/13, juris, Rn. 6 f.; AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994; im Nachgang dazu: AG Gießen 7.11.2013, Az. 22 III 9/13, juris; OLG Frankfurt a. M. 14.7.2014, Az. 20 W 374/13, juris. 501 502
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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cc) Entscheidung des BGH vom 10. Dezember 2014: Öffnung gegenüber der Leihmutterschaft Die genannte Entscheidung des KG Berlin aus dem Jahre 2013 bezüglich der Anerkennung einer kalifornischen Entscheidung gab Anlass zu der ersten Einlassung des BGH zur internationalen Leihmutterschaft.507 Er hob die unterinstanzlichen Entscheidungen auf und wies das Standesamt an, die Geburt des Kindes mit der Maßgabe einzutragen, dass die beiden Wunschväter die Eltern der Kinder sind. Wie das KG Berlin unterschied der BGH zwischen den beiden Vätern.508 Dem KG Berlin stimmte er dahingehend zu, dass bezüglich des einen Wunschvaters ein ordre public-Verstoß gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG schon daran scheitere, dass die Vaterschaft des einen Vaters auch nach deutschem Recht durch eine Vaterschaftsanerkennung möglich gewesen wäre, § 1592 Nr. 2 BGB.509 Anders als das KG Berlin lehnte der BGH jedoch einen ordre public-Verstoß der Vaterschaft des zweiten Vaters ausdrücklich ab.510 Dabei schloss er zunächst aus, dass allein die gemeinsame ursprüngliche Elternschaft zweier Männer gegen den ordre public verstoße, selbst wenn das deutsche Recht – mit Ausnahme von Transsexuellen – dies Ergebnis grundsätzlich nur als Folge einer Adoption kenne.511 Mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption ging er davon aus, dass das Aufwachsen bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern ebenso förderlich für das Kindeswohl sein könne wie das Aufwachsen bei einem Ehepaar.512 Auch die Elternschaft als Folge einer Leihmutterschaft verstößt laut BGH grundsätzlich nicht gegen den ordre public-Vorbehalt. Bei der Begründung dieser Aussage stützt sich der Gerichtshof stark auf die bereits genannten Urteile des EGMR.513 So bekräftigt er den dort enthaltenen Grundsatz, dass ein Kind ein Recht auf rechtliche Zuordnung zu beiden Eltern habe. Entscheidend sei das Kindeswohl; ein Kind dürfe nicht für die Umstände seiner Geburt verantwortlich gemacht werden.514 Auch der Umweg über eine AdopBGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; dazu Duden, ZEuP 2015, im Erscheinen; Mayer, StAZ 2015, 33. 508 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 18 ff.; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 30 ff. 509 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72, Rn. 20 f.; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 30 f. 510 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 32. 511 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 36 und 43. 512 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 43; vgl. BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847. 513 Etwa BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 40. Zu den EGMR-Urteilen siehe oben bei Kapitel 4 – A.IV.3., S. 287. 514 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 54 ff. 507
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tion reiche nicht als Ersatz für eine ursprüngliche Abstammung aus. Vielmehr zeige die Möglichkeit, über eine Adoption dasselbe Ergebnis zu erreichen, dass eine ursprüngliche Elternschaft der Wunscheltern nicht gegen den ordre public-Vorbehalt verstoße.515 Die Entscheidung bekräftigt in weitem Umfang die oben dargestellten Ansätze. Bezüglich verschiedener Punkte hat der Gerichtshof jedoch seiner Entscheidung klare Grenzen gesetzt. Zunächst betonte er, dass es sich ausschließlich um die Prüfung des verfahrensrechtlichen ordre public-Vorbehalts handele, welcher wesentlich restriktiver als der kollisionsrechtliche ordre public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB auszulegen sei.516 Ausdrücklich offen ließ der Gerichtshof auch die Behandlung von Fällen, in denen kein Wunschelternteil genetisch mit dem Kind verwandt ist517 oder die Leihmutter die genetische Mutter ist.518 Fragen, welche der Gerichtshof zwar aufwarf, aber ebenfalls ausdrücklich offen ließ, sind diejenigen, ob eine Zuordnung zu den Wunscheltern für das Kindeswohl geeigneter sei als eine Zuordnung zu der Leihmutter, oder ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung durch Grund- oder Menschenrechte geboten sei oder sogar abstrakt eine rechtliche Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern näherläge oder verfassungsrechtlich zwingend sei.519 Die unmittelbare Reichweite der Entscheidung ist somit begrenzt. Insbesondere die Beschränkung auf den restriktiven verfahrensrechtlichen ordre public-Vorbehalt hinterlässt weitreichende Unklarheit für eine Vielzahl der Fälle. Es bleibt abzuwarten, wie sich die zukünftige Rechtsprechung in den nicht erfassten Fällen entwickelt. b) Möglichkeit der Adoption durch Wunscheltern Eine zweite Rechtsprechungslinie befasst sich mit der Möglichkeit der Wunscheltern, die Kinder, die durch Leihmutterschaft geboren wurden, zu adoptieren. Anders als bei der Rechtsprechung zur Abstammung ist diese Rechtsprechung jedoch uneinheitlich. Unklarheit besteht bezüglich der Frage, ob die Leihmutterschaft eine „gesetzes- oder sittenwidrige[ ] Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme“ im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ist und somit eine Adoption nur möglich ist, wenn sie zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Strittig ist zudem, wie die Erforderlichkeit der Adoption für das Kindeswohl zu bestimmen ist, wenn § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB als einschlägig angesehen wird.
BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 58 ff. BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 28 f. 517 Siehe dazu etwa EGMR 27.1.2015, Paradiso and Campanelli, Az. 25358/12; dazu: Duden, StAZ 2015, im Erscheinen. 518 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 53. 519 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 61 f. 515 516
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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aa) Anwendung von § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB Für eine Anwendung des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB sprachen sich das AG Hamm520 im Jahre 2011 und das AG und LG Düsseldorf im Jahre 2010 beziehungsweise 2012521 aus.522 Das AG Hamm befasste sich mit einem Antrag auf Stiefkindadoption eines durch Leihmutterschaft geborenen Jungen durch die deutsche Wunschmutter. Ihr deutscher Ehemann hatte bereits durch Vaterschaftsfeststellung des AG Bad Oeynhausen523 im Jahre 2010 die Vaterschaft erworben.524 Adoptionsstatut war gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das deutsche Recht als Ehewirkungsstatut.525 Die Adoption richtete sich somit nach §§ 1741 ff. BGB. Das Gericht nahm eine „gesetzes- oder sittenwidrige[ ] Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme“ im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB an.526 Begründet wurde dies mit einem Verstoß der Leihmutterschaftsvereinbarung gegen §§ 134 und 138 BGB sowie § 1 ESchG.527 Es spiele keine Rolle, dass die Leihmutterschaft in den USA legal durchgeführt worden sei.528 Da das Adoptionsstatut deutsches Recht sei, müssten auch die „Wertbegriffe des deutschen Rechts“ gelten.529 Die Sittenwidrigkeit wurde damit begründet, dass das Kind durch den Leihmuttervertrag zu einer Ware gemacht und für die Geburt gezahlt werde.530 Eine „gesetzes- oder sittenwidrige[ ] Vermittlung oder Verbringung eines Kindes“ im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB nahmen auch das AG und LG Düsseldorf an.531 Eine kalifornische Leihmutter diente hier in zwei Fällen männlichen homosexuellen Lebenspartnern (ein Deutscher, ein USAmerikaner) als Leihmutter. Es wurden dabei in dem einem Fall die Samenzellen des einen, im anderen Fall des anderen Lebenspartners verwendet.532 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris. 522 Ebenso Benicke, StAZ 2013, 101, 112; differenzierend Coester, in: FS Jayme, 1243, 1250. 523 Nach AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140: AG Bad Oeynhausen 20. 1. 2010, Az. 53 F 88/09. 524 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, I. 525 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, II. 526 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, III. 527 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, III. Dieser Verweis auf §§ 134 und 138 BGB erscheint zirkulär, da diese doch selbst einen Gesetzes- oder Sittenverstoß voraussetzen und nicht begründen. 528 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, III. 529 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, III. 530 AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140, III. 531 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris. 532 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 1. 520 521
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Wie das AG Hamm wendete das AG Düsseldorf gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB deutsches Recht an, allerdings analog, da es sich hier nicht um eine Ehe, sondern eine eingetragene Lebenspartnerschaft handelte.533 Begründet wurde die Anwendung von § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB mit §§ 134 und 138 BGB und § 1 ESchG.534 Die Legalität am Durchführungsort wurde mit denselben Gründen für unbeachtlich erklärt, die auch das AG Hamm vorgebracht hatte.535 Gegen den Beschluss wurde beim LG Düsseldorf Beschwerde eingelegt. Diese hatte zwar bezüglich der Frage, ob im konkreten Fall die Adoption für das Kindeswohl erforderlich war, und somit im Ergebnis Erfolg,536 bezüglich der Anwendung von § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB und des Maßstabes der Kindeswohlerforderlichkeit schloss sich das LG Düsseldorf jedoch dem AG Düsseldorf an.537 Die entgegengesetzte Auffassung zur Anwendung des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB vertrat das LG Frankfurt am Main im Jahre 2012.538 Hier hatte ein homosexuelles, nach kanadischem Recht verheiratetes und inzwischen in der Bundesrepublik lebendes deutsch-kanadisches Paar Zwillinge durch eine Leihmutter austragen lassen. Dabei wurden zwei Eizellen einer anonymen Spenderin befruchtet, je eine mit dem Samen eines der Wunschväter. Der Beschluss befasste sich mit der Adoption des Kindes, das genetisch von dem kanadischen Wunschvater abstammte. Da dessen Vaterschaft bereits in Deutschland festgestellt worden war, war der Weg eröffnet für eine Stiefkindadoption durch den deutschen Wunschvater nach den gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 1 EGBGB539 anwendbaren § 9 Abs. 7 LPartG in Verbindung mit § 1741 BGB. Das LG Frankfurt prüfte das Kindeswohl am Maßstab des § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB und lehnte eine Anwendung des S. 2 auf Fälle der Leihmutterschaft, wie auch der Eizellenspende, mit ausführlicher Begründung ab:540 Schon vom Wortlaut erfordere § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB die Vermittlung oder 533 Interessanterweise erwähnt das Gericht hier im Beschluss lediglich die Norm, verwendet jedoch weder den Ausdruck „Ehe“ noch „Lebenspartnerschaft“; auch erwähnt es weder Art. 14 noch 17b EGBGB: AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 4. 534 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 6 f. 535 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 8. 536 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 15. 537 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 44. 538 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111; dazu Botthof/Diel, StAZ 2013, 211. 539 Die Begründung der Anwendung deutschen Rechts (über Art. 22 Abs. 1 S. 1 oder Art. 22 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 bzw. 17b Abs. 1 EGBGB) erläutert das LG nicht, sondern verweist auf den angegriffenen, nicht veröffentlichten Beschluss des AG: LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111. Zum hier zugrunde gelegten Vorschlag: vgl. BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 22 EGBGB Rn. 41. 540 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111.
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Verbringung eines „Kindes“. Dies sei nach gewöhnlichem Sprachgebrauch als geborener Mensch zu verstehen, während bei der Leihmutterschaft nur eine Samenzelle, eine befruchtete Eizelle oder eine Frau, die bereit ist, für Dritte ein Kind auszutragen, „vermittelt“ werde.541 Der Wortlaut passe auch deshalb nicht, da es nicht um die Vermittlung eines Kindes gehe, sondern um die Vermittlung der Möglichkeit, ein Kind auszutragen.542 Systematisch spreche die Benennung des AdVermiG als „Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern“543 dafür, dass auch der Gesetzgeber zwischen der Vermittlung eines Kindes zur Adoption und der Vermittlung einer Leihmutter trenne.544 Teleologisch argumentiert das Gericht, dass § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB Kinderhandel und vergleichbare Praktiken verhindern solle.545 Kinderhandel setze jedoch schon begrifflich den Handel mit einem geborenen Kind voraus.546 Dies spiegele sich auch in dem Wortlaut des Art. 35 UN-Kinderrechtskonvention, der die Konventionsstaaten zu Maßnahmen gegen Kinderhandel aufrufe.547 Weiterhin setze auch das strafrechtliche Verbot des Kinderhandels gemäß § 236 StGB ein geborenes Kind voraus.548 Rechtsvergleichend begründet das Gericht eine Trennung von Leihmutterschaft und Kinderhandel zudem mit der bestehenden Zulässigkeit der Leihmutterschaft in einigen Ländern trotz des internationalen Verbots des Kindeshandels.549 Schließlich geht das LG Frankfurt auf menschenrechtliche und verfassungsrechtliche Vorgaben ein und begründet damit eine Pflicht zur engen Auslegung des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB.550 Zunächst wird ein möglicher Konflikt mit Art. 21 UN-Kinderrechtskonvention aufgezeigt, der die „höchste Bedeutung“ des Kindeswohls bei der Adoption fordere. § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB führe jedoch zu einer Verweigerung der Adoption, obwohl sie dem Kindeswohl dienen würde, wenn das Kindeswohl sie nicht erforderlich mache.551 Schließlich sieht das Gericht einen Verstoß gegen den Rechtsgedanken des Art. 6 Abs. 5 GG, der eine Gleichstellung der Kinder unabhängig vom Zeugungsakt fordere, da auch hier die Kinder sonst die Folgen eines Vorgangs träfe, an dem sie nicht beteiligt gewesen seien und für den sie nicht LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111. LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111. 543 Das AdVermiG verwendet den Begriff „Ersatzmutter“ statt des inzwischen gängigeren Begriffs der „Leihmutter“. 544 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3111 f. 545 Deutscher Bundestag, BT-Drs. 13/8511, 1997, 72. 546 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 547 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 548 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 549 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 550 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 551 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 541 542
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
verantwortlich seien.552 Die Kinder dürften – auch nicht ob generalpräventiver, bestrafender oder sanktionierender Zwecke – benachteiligt werden wegen des Gesetzesverstoßes der Eltern.553 Das Gericht betont jedoch auch, dass ein solcher Verstoß wegen der legalen Zeugung und Geburt in Kalifornien hier gerade nicht vorliege.554 Schließlich sieht das Gericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn natürlich gezeugte, nicht aber durch Leihmutterschaft gezeugte Kinder von der erleichterten Adoption gemäß § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB profitieren könnten.555 bb) Erforderlichkeit der Adoption für das Wohl des Kindes, § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB Für den Fall, dass von einer Anwendung der strengeren Vorschrift des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ausgegangen wird, haben sich zwei Ansätze in der Rechtsprechung in den genannten Fällen gezeigt bezüglich der Beurteilung der Erforderlichkeit der Adoption für das Wohl des Kindes. Das AG Düsseldorf und das AG Hamm, haben eine Erforderlichkeit der Adoption bei Bestehen einer intakten und liebevollen sozialen Familie abgelehnt.556 Da das nicht verwandte Elternteil auch ohne die Adoption das Kind liebevoll umsorge, im Fall des AG Hamm die Antragstellerin sogar Hauptbezugsperson des Kindes geworden sei, sei anzunehmen, dass die soziale Familie auch ohne Adoption fortbestehen werde. Eine Adoption werde also keine Besserung der familiären Einbettung des Kindes bewirken, da dieses schon ohne sie optimal eingebettet sei.557 Auch sei eine Adoption für die rechtliche Stellung nicht erforderlich. Ein gemeinsames Sorgerecht sei angesichts der Möglichkeit des „kleinen Sorgerechts“ gemäß § 1687b Abs. 1 BGB nicht notwendig.558 Eine Vorsorge für eine theoretisch mögliche Scheidung, die jedoch im konkreten Fall nicht absehbar war, dürfe zudem nicht zugunsten einer Adoption vorgebracht werden. Da das Gericht bei der Adoptionsentscheidung die langfristige Stabilität des Umfeldes berücksichtigen müsse, würde es sonst „sehenden Auges dem Wohl des Kindes zuwider handeln“, LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 554 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 555 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112. 556 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. Kritisch dazu Witzleb, in: FS Martiny, 203, 236 f. 557 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 11: „Dieses derzeit faktisch gelebte Verhältnis wird sich auch durch eine Adoption nicht verbessern lassen, da bereits zum jetzigen Zeitpunkt beide Beteiligten die Rolle der beiden leiblichen Eltern übernehmen“; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140: der „optimale Lebenszuschnitt für das Kind [sei] bereits erreicht“. 558 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 12; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. 552 553
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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wenn es schon jetzt eine eventuelle Scheidung als Grund für eine Adoption anführen würde.559 Auch erbrechtliche Ansprüche seien für das Kindeswohl nicht erforderlich, da ein Erbvertrag die gesetzliche Erbfolge nachempfinden könne.560 Auch sei dieses Ergebnis gerechtfertigt, da die Wunscheltern das deutsche Leihmutterschaftsverbot umgangen hätten und sich somit auf die rechtliche Unsicherheit und die Möglichkeit, nicht beide mit dem Kind verwandt zu sein, eingelassen hätten. Auch dürfe eine Adoption nicht nachträglich zu einer Legalisierung der Leihmutterschaft führen.561 Einem anderen Verständnis der Erforderlichkeit der Adoption folgte das LG Düsseldorf bei seiner Anwendung des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB in der erfolgreichen Beschwerde gegen den Beschluss des AG Düsseldorf.562 Es ging davon aus, dass eine Bindung, die sich zwischen den Wunscheltern und dem Kind entwickelt habe, eher für eine Erforderlichkeit der Adoption spreche.563 Zudem würde die rechtliche Abstammung das Kindeswohl fördern, da das Kind dann vor möglichen Unsicherheiten der Zukunft, wie beispielsweise einer Trennung der Eltern oder einem Todesfall, geschützt sei.564 Das Kind solle nicht für das Verhalten der Wunscheltern vor seiner Geburt bestraft werden oder darunter leiden.565 Obwohl das Gericht somit die Adoption ermöglichte, betonte es, dass dies an der Erforderlichkeit in diesem Einzelfall liege und dass sich die Wunscheltern grundsätzlich durch die Leihmutterschaft im Ausland selbst in die rechtliche Unsicherheit begeben hätten.566 Es ließ sich jedoch davon überzeugen, dass die Wunscheltern wegen der amerikanischen Staatsangehörigkeit des Annehmenden die Leihmutterschaft in den USA durchführen ließen und ihnen das deutsche Verbot nicht bewusst gewesen sei.567 c) Fazit Die bisherige Rechtsprechung verfehlte, zumindest bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, klar die Vorgaben des höherrangigen Rechts. Eine im Rahmen des bestehenden Rechts mögliche Elternschaft wurde insbesondere verhindert durch die weitreichende Anwendung des ordre public-Vorbehalts, den Versuch der Ahndung der vermeintlichen Umgehung des deutschen Leihmutterverbots, die Zurückhaltung bei der Berücksichtigung einer VaterAG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 12. AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 15. 561 AG Düsseldorf 19.11.2010, Az. 96 XVI 23/09, juris, Rn. 14; AG Hamm 22.2.2011, Az. XVI 192/08, BeckRS 2011, 25140. 562 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris. 563 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 48. 564 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 53 ff. 565 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 56. 566 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 49 f. 567 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris, Rn. 51. 559 560
318
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
schaftsanerkennung, die fehlerhafte Anwendung indischen Rechts und die Erschwerung der Adoption durch eine Anwendung des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB und die dabei restriktive Annahme einer Erforderlichkeit der Adoption für das Kindeswohl. Durch die oben vertretene Auslegung des einfachen Rechts könnten bereits de lege lata die Ergebnisvorgaben häufiger erreicht werden. Es ist zu hoffen, dass die zukünftige Rechtsprechung den dargestellten Beschluss des Bundesgerichtshofes568 zum Anlass nehmen wird und auch über die in ihm genannten Einschränkungen hinaus eine Vereinbarkeit der Elternschaft der Wunscheltern mit dem ordre public annehmen wird. III. Kritik der bisherigen Rechtslage Die dargestellte Rechtsprechung und das einfache Recht stellen ein unbefriedigendes Bild dar.569 Sowohl in inländischen als auch in ausländischen Fällen der Leihmutterschaft entspricht das Abstammungsrecht nicht den oben entwickelten Ergebnisvorgaben: Nach §§ 1591 ff. BGB kann nur der Wunschvater die rechtliche Vaterschaft erwerben und dies eigentlich nur bei einer unverheirateten Leihmutter und unabhängig von der genetischen Vaterschaft.570 In diesen Fällen besteht dann jedoch kein ausreichender Schutz für Leihmütter, die sich doch dazu entscheiden, das Kind selbst aufzuziehen. Zwar könnte nach hier vertretener Ansicht bei ausländischer Leihmutterschaft und freiwilliger Übergabe des Kindes häufiger eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern begründet werden. Insbesondere durch die vielfache Annahme eines ordre public-Verstoßes, verhinderte die Rechtsprechung dies jedoch, zumindest bis zu der genannten Entscheidung des BGH571. Die strikte Regelung der Mutterschaft im Gegensatz zu einer flexibleren Handhabung der Vaterschaft führt weiterhin zu Ergebnissen, die Art. 3 Abs. 2 GG widersprechen. Während selbst der genetisch nicht verwandte Wunschvater insbesondere bei einer unverheirateten Leihmutter eine Abstammung begründen kann, kann dies die Wunschmutter nicht, selbst wenn sie die genetische Mutter ist. Sie muss das Kind adoptieren. Berücksichtigt man die teilweise in der Rechtsprechung vertretene Erschwernis der Adoption gemäß § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB, so wird die Diskrepanz noch deutlicher. Die erfolgreiche Bildung einer sozialen Familie mit den Wunscheltern wird in der Rechtsprechung teilweise als Argument dafür herangezogen, dass eine Adoption nicht für das Kindeswohl erforderlich ist im Sinne des § 1741 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13. Ebenso etwa Witzleb, in: FS Martiny, 203, 238; Sturm, in: FS Kühne; Mayer, IPRax 2014, 57; Kreß, FPR 2013, 240, 243; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 78; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 24 ff. 570 Kritisch zur Differenzierung anhand des Personenstandes der Leihmutter etwa Mayer, IPRax 2014, 57, 59. 571 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13. 568 569
B. Bisherige Umsetzung der Vorgaben
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Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Entscheidungen führen die Rechtsordnung jedoch ad absurdum, wenn sie keinen eigenen Wert in der rechtlichen Beziehung sehen, die für diese soziale Situation gerade vorgesehen ist.572 Auch wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass viele der negativen Folgen einer fehlenden Abstammung das Kind treffen, das keine Verantwortung für die Art seiner Zeugung trägt. Soweit die Möglichkeit der Adoption angenommen wird, überrascht die gleichzeitige Annahme eines ordre public-Verstoßes. Der ordre public-Vorbehalt prüft lediglich das Ergebnis der Rechtsanwendung im konkreten Fall. Der Umweg der Adoption führt jedoch zu demselben Ergebnis wie die ursprüngliche Elternschaft der Wunscheltern. Soll somit eine Adoption möglich sein, überzeugt es wenig, dass die Elternschaft der Wunscheltern gleichzeitig gegen den ordre public verstoßen soll.573 Weiterhin erscheint fragwürdig, warum den Wunscheltern ein so starker Vorwurf daraus gemacht wird, dass sie das deutsche Leihmutterverbot umgangen haben sollen, obwohl sie von hiesigen strafrechtlichen Sanktionen ausdrücklich ausgenommen sind gemäß § 1 Abs. 3 ESchG beziehungsweise § 14b Abs. 3 AdVermiG. Ausnahmen zu der kritisierten Rechtsprechung bilden zunächst die Entscheidungen des AG Friedberg und LG Frankfurt sowie nunmehr des BGH.574 In diesen wird die grund- und menschenrechtliche Perspektive, einschließlich der Rechte des Kindes, angesprochen und eine Generalprävention zulasten des Kindes abgelehnt. Auch betonen die Entscheidungen, dass bei einer Leihmutterschaft im Ausland ein Verstoß gegen das deutsche Leihmutterschaftsverbot gerade nicht stattfindet.575 Ein ordre public-Verstoß ist daher nicht gegeben beziehungsweise die Erschwernis des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht anwendbar. Die Entscheidung des BGH ist ausdrücklich begrenzt auf den anerkennungsrechtlichen ordre public-Vorbehalt sowie auf Fälle, in denen einer der Wunschelternteile auch genetischer Elternteil ist und die Leihmutter dies nicht ist.576 Man kann somit noch von keinem umfassenden Rechtsprechungswandel für die Fälle der internationalen Leihmutterschaft sprechen, auch wenn die Entscheidung darauf Hoffnung macht.577 Es bleibt 572
1902.
Vgl. zur Bedeutung der rechtlichen Elternschaft Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901,
So nun auch BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 58. BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13; LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111; AG Friedberg 1.3.2013, Az. 700 F 1142/12, FamRZ 2013, 1994; siehe auch AG Gießen 7.11.2013, Az. 22 III 9/13, juris; OLG Frankfurt a. M. 14.7.2014, Az. 20 W 374/13, juris. 575 LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111, 3112; BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 45. 576 BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 28 und 53. 577 Hoffnung machen etwa die Fragen, welche der Gerichtshof in Rn. 61 f. aufwirft, ob eine Zuordnung zu den Wunscheltern das Kindeswohl besser verwirkliche, ob die Aner573 574
320
Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
abzuwarten, ob die Rechtsprechung sich im oben dargestellten Sinne weiterentwickeln wird. Die bisherige Rechtslage erfüllt weiterhin nicht die materiellen Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts. Weder in inländischen noch ausländischen Fällen gewährleistet das einfache Rechte durchgängig eine ursprüngliche Abstammung von den Wunscheltern, die auch die sozialen Eltern sind, bei gleichzeitigem Schutz der Möglichkeit der Leihmutter, ihre Meinung zu ändern und das Kind zu behalten. Nach hier vertretener Auslegung des einfachen Rechts könnten in manchen Fällen der ausländischen Leihmutterschaft die Ergebnisvorgaben eingehalten werden. Die bisherige Rechtsprechung lehnt diese Möglichkeit jedoch oft ab und entfernt sich somit weiter von den Ergebnisvorgaben. Die bisherige Rechtslage und Rechtsprechung sowohl für inländische als auch ausländische Fälle der Leihmutterschaft verstoßen bezüglich der Abstammung des Kindes somit gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren, das sich aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 6 Abs. 5 GG herleiten lässt, gegen Art. 8 und Art. 8 in Verbindung mit 14 EMRK, sowie bei EUAuslandsfällen teilweise gegen Art. 21 AEUV und bei genetisch verwandten Wunscheltern gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG; bezüglich der Ungleichbehandlung der Wunschmutter und des Wunschvaters zudem gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Soweit die Entscheidung der Leihmutter, das Kind selber aufzuziehen, nicht geschützt wird, liegt zudem ein Verstoß gegen ihre Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, und den Schutz ihrer Intimsphäre als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, vor. Wird zulasten des Kindes eine Generalprävention durchgesetzt, wird auch dessen Menschenwürde beeinträchtigt.
kennung der ausländischen Entscheidung durch Grund- oder Menschenrechte geboten sei oder sogar abstrakt eine rechtliche Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern näher läge oder verfassungsrechtlich zwingend sei. Diese Hinweise wären nach der vorherigen Argumentation des Gerichts nicht notwendig gewesen und könnten eher als Anstoß zu einer weitergehenden Diskussion dienen. Dabei lassen sie eine gewisse Sympathie für eine – wie oben vertretene – Bejahung der genannten Fragen erahnen: BGH 10.12.2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 61 f.
C. Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts
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C. Mögliche Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts C. Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts
I. De lege lata: verfassungs-, völkerrechts- bzw. europarechtskonforme Auslegung In gewissem Umfang können bereits innerhalb des bestehenden Rechts die Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts umgesetzt werden.578 Schon die oben vertretene Auslegung des einfachen Rechts anhand des gewöhnlichen Methodenkanons nähert sich den Ergebnisvorgaben weiter an als es die bisherige Rechtsprechung tut: Etwa durch die Anwendung des Rechts des einfachen Aufenthaltes des Kindes, wenn kein gewöhnlicher Aufenthalt ersichtlich ist, durch die Befolgung eines Statutenwechsels oder eines renvoi, nur sofern dieser zu der rechtlichen Abstammung von den sozialen Eltern führt, und durch die zurückhaltende Anwendung des ordre public-Vorbehalts kann in einigen Fällen der ausländischen Leihmutterschaft eine Elternschaft der Wunscheltern, denen freiwillig das Kind übergeben wurde, ermöglicht werden. Wie bereits dargestellt wurde, genügt dies allein jedoch nicht. Teilweise kann durch eine verfassungs-, europarechts-579 beziehungsweise völkerrechtskonforme Auslegung das bestehende einfache Recht näher an die Ergebnisvorgaben rücken.580 Für manche Fälle kann so eine Lösung ermöglicht werden, die mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist. Soweit eine solche Lösung momentan nicht anderweitig umzusetzen ist, ist eine entsprechende Auslegung daher geboten.
578 Vgl. zur Methode der Umsetzung europarechtlicher Ergebnisvorgaben Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, insbes. 108 ff., 119 ff. und 136 ff. 579 Nicht eingegangen werden soll hier auf die Anerkennung von Rechtslagen als mögliche Umsetzung speziell der europarechtlichen Ergebnisvorgaben. Diese Methode umgeht in einem unnötigen Maße die Dogmatik des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts und wirft zahlreiche Unwägbarkeiten auf. Es ist daher eine Umsetzung durch europarechtskonforme Auslegung des bestehenden Rechts beziehungsweise, wenn eine solche nicht möglich ist, eine Gesetzesreform zu bevorzugen. Die Umsetzung der Vorgaben des EuGH in der Rechtssache Grunkin Paul durch Art. 48 EGBGB beziehungsweise die Umsetzung der Vorgaben der Rechtsprechung zu Gesellschaftsgründungen im EU-Ausland durch Anwendung der Gründungstheorie statt der vorher herrschenden Sitztheorie zeigen, dass es einer solch pauschalen Anerkennung von Rechtslagen nicht bedarf, um die Ergebnisvorgaben zu erfüllen. Siehe dazu Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651; Funken, Anerkennungsprinzip; Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82; Nordmeier, StAZ 2011, 129; Nordmeier, IPRax 2012, 31; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 4 ff.; Weller, IPRax 2009, 202; Weller, in: FS Goette, 583; Weller, in: Europäischer Einfluss2, 993, Rn. 21 ff.; Kohler/Pintens, FamRZ 2013, 1437, 1440 f.; Geier, Anerkennungspflichten, 6 ff. 580 Grünberger, in: Rom 0-VO?, 82, 108 ff.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
1. Reduktion des § 1600 Abs. 5 BGB: Anfechtung der Vaterschaft des Ehemanns der Leihmutter Die Grenze einer solchen Auslegung ist jedoch der Wortlaut.581 Ist selbst bei dessen sehr weitreichendem Verständnis eine Auslegung, die mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist, nicht möglich, so bedarf es einer Reform. Im konkreten Fall bleibt nur wenig Raum. So lässt der Wortlaut des § 1591 BGB bezüglich der Mutterschaft keinen Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung zu. Bezüglich der Vaterschaft des Wunschvaters kann man § 1600 Abs. 5 BGB derart auslegen, dass die Fälle der Leihmutterschaft nicht unter eine Zeugung „durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten“ fallen. Bei dieser Auslegung kann der Ehemann der Leihmutter seine Vaterschaft anfechten und der Wunschvater im Anschluss die Vaterschaft anerkennen, §§ 1600 Abs. 1 Nr. 1, 1592 Nr. 2 BGB. Ist der Wunschvater der genetische Vater kann auch er selbst anfechten, § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB. So ist bezüglich der Vaterschaft bei Anwendung deutschen Rechts unabhängig von dem Familienstand der Leihmutter und der genetischen Vaterschaft des Wunschvaters dessen Erwerb der rechtlichen Vaterschaft möglich. Die Vorgaben bezüglich der Vaterschaft wären so erfüllt, wobei jedoch erneut die Freiwilligkeit der Leihmutter zu schützen wäre, sodass nur bei deren Vorliegen eine Anfechtung möglich sein kann. Teilweise wird eine solche Auslegung bereits jetzt de lege lata im Rahmen des einfachen Rechts, unabhängig von einer verfassungs- beziehungsweise völkerrechtskonformen Auslegung vertreten.582 Ohne Berücksichtigung der Vorgaben des höherrangigen Rechts bildet das inländische Verbot der Leihmutterschaft für eine solch weitgehende Auslegung jedoch eine wohl unüberwindbare Hürde.583 Gegen diese Auslegung des § 1600 Abs. 5 BGB spricht jedoch, dass sie die Diskrepanz in der Behandlung der Wunschmutter und des Wunschvaters noch verschärft. Vorübergehend ist die Benachteiligung der Wunschmutter durch eine verfassungs- und völkerrechtskonforme Auslegung der Adoptionsvorschriften abzumildern. Es muss dabei, soweit mit dem Wortlaut der Vorschriften vereinbar, das Adoptionsverfahren vereinfacht werden, etwa durch weitest möglichen Verzicht auf eine Eignungsprüfung der Wunschmutter, auf eine Adoptionspflege und eine Adoptionsbegleitung (§§ 7 ff. AdVermiG und § 1744 BGB).584 Solange jedoch der klare Wortlaut des § 1591 BGB eine rechtliche Mutterschaft der Wunschmutter ohne den Umweg der AdoptiKloepfer, Verfassungsrecht, Bd. 2, § 48 C. III. 2. Rn. 42 f., S. 37. Zu den Grenzen verfassungskonformer Auslegung siehe BVerfG 16.12.2014, Az. 1 BvR 2142/11, juris, Rn. 86. 582 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 212 f.; Helms, StAZ 2013, 114, 115. Differenzierend: Diel, Leihmutterschaft, 91 ff. Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II.1., S. 24. 583 Siehe oben bei Kapitel 1 – B.II.1., S. 24. 584 Vgl. oben bei Kapitel 4 – A.I.2.a)dd)(2), S. 233. 581
C. Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts
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on verhindert, kann auch eine verfassungskonforme Auslegung der Regeln zur rechtlichen Vaterschaft nie alle Vorgaben des höherrangigen Rechts erfüllen, da es entweder zu einer stärkeren Ungleichbehandlung der Wunscheltern kommt oder die Abstammung vom Wunschvater weiter verhindert wird. 2. Auslegung des Adoptionsrechts Eine verfassungs- und völkerrechtskonforme Auslegung des Adoptionsrechts wäre auch insgesamt als Möglichkeit zur Erfüllung der Vorgaben des höherrangigen Rechts denkbar. Um diesen Vorgaben zu entsprechen, müsste jedoch letztlich fast das gesamte Adoptionsverfahren mit seinen spezifischen Schutzvorschriften ausgehöhlt werden (insbesondere §§ 7 ff. AdVermiG),585 einschließlich gegebenenfalls der Vorgaben für internationale Adoptionen des HAdoptÜ.586 Ein solch weitreichender Eingriff übersteigt – zumindest als nachhaltige Lösung – die Leistungsfähigkeit einer verfassungs- und völkerrechtskonformen Auslegung. Solange das einfache Recht jedoch nicht anderweitig mit den Vorgaben des höherrangigen Rechts in Einklang gebracht wird, sind bei einer Adoption durch die Wunscheltern soweit möglich diese Vorgaben zu berücksichtigen. Bei inländischer Leihmutterschaft und bei internationaler Leihmutterschaft, bei der deutsches Abstammungsrecht Anwendung findet, ist somit eine Erfüllung der materiellen Ergebnisvorgaben allein durch eine verfassungs- beziehungsweise völkerrechtskonforme Auslegung nicht möglich. Der Verstoß gegen Verfassungsrecht, Völkerrecht und teilweise Europarecht lässt sich nicht ohne eine Gesetzesreform beheben. 3. Anknüpfung an den Geburtsort des Kindes i. R. d. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB Bezüglich der Fälle der internationalen Leihmutterschaft lässt sich ein möglicher weiterer Ansatzpunkt, das einfache Recht an die Vorgaben des höherrangigen Rechts heranzuführen, in Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden. So könnte dort der Geburtsort als erster gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes verstanden werden, selbst wenn die Wunscheltern unmittelbar nach der Geburt mit dem Kind nach Deutschland zurückreisen wollen. Dies würde zu einer Anwendung des Rechts des Geburtsortes führen, dass meist eine Elternschaft der Wunscheltern begründet.587 Wegen der ohnehin recht offenen Definition des gewöhnlichen Aufenthalts und des Rückgriffs auf den reinen Siehe dazu Reinhardt, AdVermiG, §§ 7 AdVermiG ff. Siehe oben zu Vorschriften des Adoptionsverfahrens, welche bei der Leihmutterschaft nicht angebracht sind bei Kapitel 4 – A.I.2.a)dd)(2), S. 233. 587 Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2677 f., die das ausländische Abstammungsrecht als Eingriffsnormen anwenden will. 585 586
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Aufenthalt, wenn kein gewöhnlicher Aufenthalt ersichtlich ist, ließe sich eine solche Auslegung eventuell noch mit dem Wortlaut vereinbaren. Begründen ließe sie sich ergänzend damit, dass die Möglichkeit der Rückreise vielfach von der Abstammung des Kindes abhängt und somit selbst bei unmittelbarer Rückreise ein erheblicher Schritt bevorsteht, weshalb man sich nicht gänzlich von einer üblichen Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts entfernt. Kann so über die Anwendung des Rechts des Geburtsortes eine Elternschaft der Wunscheltern begründet werden, die sonst nicht bestünde, wäre eine solche Auslegung im Lichte der höherrechtlichen Vorgaben zu rechtfertigen. Befindet sich das Kind bereits wieder im Inland, müsste diese Auslegung ergänzt werden durch den bereits oben dargestellten Gedanken, dass eine bei Geburt nach dem am Geburtsort anwendbaren Recht erworbene Abstammung von den sozialen Eltern auch bei einem Statutenwechsel bestehen bleibt.588 Durch diese Auslegung ist es leichter möglich, einer Abstammung von den Wunscheltern zur Geltung zu verhelfen, die nach dem Sachrecht des Geburtsortes besteht. Ist nur so eine Elternschaft der Wunscheltern möglich, welche durch die Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts gefordert wird, so ist diese Auslegung geboten. Besteht jedoch nach dem ausländischen Sachrecht die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern nicht allein aufgrund der Geburt im Rahmen einer Leihmutterschaft, so kann auch diese Auslegung die Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts nicht umsetzen. Dies betrifft etwa die Lage in Großbritannien oder Israel. Liegt keine britische parental order oder kein israelisches Elternschaftsdekret vor, so sind auch bei Anwendung des britischen beziehungsweise israelischen Rechts die Wunscheltern nicht die rechtlichen Eltern. Auch in diesen Fällen muss durch eine Reform eine Lösung gefunden werden. Sofern ausländische Rechtsordnungen es den Wunscheltern ermöglichen, die Leihmutter zu zwingen, das Kind herauszugeben, ist eine so weitreichende Auslegung nicht durch höherrangiges Recht geboten. Dies ist etwa der Fall in Kalifornien, wohl auch in Israel, Griechenland, der Ukraine, sowie dem vorgeschlagenen indischen ART-Bill 2010. Selbst wenn dieses Recht des Geburtsortes nach einer gewöhnlichen Auslegung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB anwendbar ist, scheitert die Elternschaft der Wunscheltern bei einer erzwungenen Herausgabe des Kindes am ordre public-Vorbehalt. Ein Konflikt mit höherrangigem Recht ist insoweit nicht gegeben. Allerdings kann dann dennoch nach deutschem Recht bei einer unverheirateten Leihmutter der Wunschvater die Vaterschaft erwerben. Es kommt so doch zu einem Konflikt mit höherrangigem Recht.
588
Siehe oben bei Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103.
C. Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts
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4. Fazit: Lücken in der Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts Zusammenfassend können durch eine verfassungs- beziehungsweise völkerrechtskonforme Auslegung des § 1600 Abs. 5 BGB bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts die Vorgaben bezüglich der rechtlichen Vaterschaft des Wunschvaters nahezu umfassend erfüllt werden, sofern bei der Auslegung die besonderen Vorgaben für Fälle der erzwungenen Herausgabe berücksichtigt werden. Die Vorgaben bezüglich der Vaterschaft können für internationale Fälle vielmals auch durch eine verfassungs-, völkerrechts- sowie teilweise europarechtskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB erfüllt werden. Für internationale Fälle kann diese Auslegung teilweise auch die Vorgaben bezüglich der Mutterschaft der Wunschmutter erfüllen. Sofern durch diese beiden Auslegungsansätze eine Umsetzung der Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts schon im Rahmen des geltenden Rechts möglich ist, die sonst nicht möglich wäre, sind sie durch das höherrangige Recht geboten. Verfehlt werden dennoch vor allem die Ergebnisvorgaben bezüglich der Mutterschaft bei inländischen Fällen sowie bezüglich internationaler Fälle, bei denen nach dem Recht am Geburtsort ipso iure keine Elternschaft der Wunscheltern besteht und eine konstitutiv wirkende Gerichtsentscheidung nicht ergangen ist, wie dies etwa im Vereinigten Königreich und Israel der Fall sein kann. Insoweit besteht Reformbedarf.589 II. Umsetzung der Vorgaben de lege ferenda 1. Ergänzung des Art. 19 EGBGB Zu demselben Ergebnis wie eine verfassungs-, völker- und teilweise europarechtskonforme Auslegung des „gewöhnlichen Aufenthalts“ in Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB käme die Einführung einer Sonderkollisionsnorm in Art. 19 EGBGB, die ähnlich dem Art. 13 Abs. 2 EGBGB Vorgaben höherrangigen Rechts durch eine besondere Anknüpfung umsetzt.590 Ein solcher Absatz – der wohl dem aktuellen Abs. 2 voranzustellen wäre – könnte etwa den folgenden Wortlaut haben: „Im Verhältnis zu den Personen, zu denen eine sozial-familiäre Elternbeziehung besteht, kann die Abstammung auch nach dem Recht des Geburtsortes des Kindes bestimmt werden.“ Auch verschiedene begrenztere Lösungen wären denkbar: „Bei Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren kann eine Abstammung ferner nach dem Recht des Ortes der Durchführung dieser Verfahren bestimmt werden.“ Oder noch punktueller: „Bei einem mittels Leihmutterschaft gezeugten Kind kann
589 590
Vgl. Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2676. Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht6, § 36 VIII, S. 259.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
eine Abstammung zu den Wunscheltern auch nach dem Recht des Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft bestimmt werden.“591 Durch eine solche Sonderkollisionsnorm könnte eine nach dem Recht des Geburtsortes beziehungsweise Ortes der Durchführung der Leihmutterschaft bestehende Elternschaft der Wunscheltern hierzulande wirken. Keine Abhilfe würde diese Lösung jedoch schaffen, wenn nach diesem Recht die Wunscheltern (noch) nicht die rechtlichen Eltern sind oder wenn es sich um einen rein inländischen Fall handelt. Diese Reform entspricht inhaltlich dem eben dargestellten Vorschlag, zur Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts, den Geburtsort unter den „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB zu subsumieren. Eine entsprechende Sonderkollisionsnorm hätte jedoch zusätzliche klarstellende Vorteile. Außerdem entfiele der Umweg über eine verfassungs-, völkerrechts- sowie teilweise europarechtskonforme Auslegung, welche auf den ersten Blick im Konflikt mit dem Wortlaut stehen könnte. 2. Außergerichtliches oder gerichtliches Anerkenntnisverfahren Da die hier vorgeschlagene Reform des Internationalen Privatrechts die Ergebnisvorgaben für inländische Fälle der Leihmutterschaften nicht erfüllen kann, ist für diese ein weiteres Vorgehen notwendig. Sinnvoll erscheint dabei eine einheitliche Herangehensweise für inländische und ausländische Fälle der Leihmutterschaft. Eine solche könnte auch in Ergänzung zu einer möglichen Sonderkollisionsnorm oder einer verfassungskonformen Auslegung von Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB eingeführt werden. Es bedarf somit einer Regel oder eines Verfahrens, welches gewährleistet, dass bei einer Leihmutterschaft eine Elternschaft der Wunscheltern begründet werden kann, während gleichzeitig die Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes durch die Leihmutter geschützt wird. Man könnte etwa, in Anlehnung an eine Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), an ein Anerkenntnis durch die Wunscheltern unter Einwilligung der Leihmutter denken, wobei die Einwilligung erst ca. sechs Wochen nach der Geburt bindend möglich sein sollte beziehungsweise erst dann bindende Wirkung entfalten sollte. Ähnlich könnte man ein gerichtliches Anerkenntnisverfahren einführen, welches dem Verfahren der Sec. 54 des britischen
Im Sinne der Terminologie des ESchG und AdVermiG müsste man wohl statt „Leihmutter“ den Ausdruck „Ersatzmutter“ und statt „Wunscheltern“ den Ausdruck „Bestelleltern“ verwenden. Ein Verweis auf die Rechte der Leihmutter beziehungsweise sonstige vorrangige Rechte Dritter ist im Hinblick auf den ordre public-Vorbehalt nicht notwendig. 591
C. Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts
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HFEA 2008 oder der §§ 10 ff. des israelischen Gesetz 5756-1996 ähnelt.592 Dabei könnten die Wunscheltern durch gerichtliche Entscheidung die Elternschaft erwerben. Bezüglich der Rechtsfolgen könnte dies Verfahren den Wirkungen einer Adoption entsprechen, §§ 1754 ff. BGB. In Abgrenzung zu einer Adoption wären jedoch lediglich die Voraussetzungen zu prüfen, die bei einer Leihmutterschaft tatsächlich kritisch sind, insbesondere das Vorliegen einer Leihmutterschaft und die Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes.593 Beide Ansätze eignen sich sowohl für ausländische als auch inländische Leihmutterschaften. In internationalen Fällen ließe sich dieser Ansatz mit Bestrebungen zur Schaffung eines internationalen Übereinkommens und einheitlicher Vorgaben für die Durchführung von Leihmutterschaften verbinden.594 So könnte man ein Standardformular entwickeln, welches eine offizielle Stelle, etwa eine zentrale Behörde des Landes ausfüllt, in dem die Leihmutterschaft stattfindet. In diesem Dokument könnte sowohl das Einhalten gewisser Mindeststandards beziehungsweise best practice-Vorgaben dokumentiert werden als auch das Vorliegen der Voraussetzungen des späteren Erwerbs der Elternschaft durch die Wunscheltern, insbesondere die Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes beziehungsweise das Einverständnis der Leihmutter mit dem Erwerb der Elternschaft durch die Wunscheltern. Zur Verhinderung von Kinderhandel könnte dabei auch gefordert werden, dass die Leihmutterschaft, einschließlich der namentlich benannten Wunscheltern, schon vor der Befruchtung der Leihmutter registriert wird. Erleichtert dieses Standardformular dann im Anschluss den Erwerb der Elternschaft der Wunscheltern, etwa da nicht mehr erneut das Vorliegen der Leihmutterschaft oder die Freiwilligkeit der Übergabe durch die Leihmutter nachgewiesen werden muss, so haben die Wunscheltern ein starkes eigenes Interesse an diesem Formular. Dokumentiert das Formular auch das Einhalten gewisser Mindeststandards oder best practice-Vorgaben, so bestünde für die 592 Ähnlich, allerdings als Ergänzung zu Art. 19 EGBGB und nur für Fälle der internationalen Leihmutterschaft, Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2677. Ähnlich auch Dethloff, JZ 2014, 922, 931. 593 Ein Rückgriff auf das AdWirkG ist hier nicht zielführend. Dies setzt eine wirksame Adoption voraus, „die auf einer ausländischen Entscheidung oder auf ausländischen Sachvorschriften beruht“, § 1 AdWirkG. Das hier vorgeschlagene Verfahren soll gerade auch rein inländische Fälle der Leihmutterschaft erfassen sowie internationale Fälle, in denen eine Elternschaft der Wunscheltern nicht besteht, sei es aufgrund eines ausländischen Rechts oder einer ausländischen Entscheidung, einschließlich einer Adoption. Es bedarf somit eines eigenen Verfahrens. 594 Dazu Trimmings/Beaumont, 7 J.Priv.Int.L 2011, 627; Trimmings/Beaumont, in: Surrogacy, 439, 531 ff.; Hague Conference on Private International Law, International Surrogacy Arrangements, 2011; Hague Conference on Private International Law, Preliminary Report on Surrogacy, 2012; Hague Conference on Private International Law, Parentage and International Surrogacy Arrangements, 2014; Fenton-Glynn, 10 J.Priv.Int.L 2014, 157; Engel, ZEuP 2014, 538, 560 f.
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Kapitel 4 – Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts
Wunscheltern ein Anreiz, dass diese eingehalten werden. Man könnte so die Einhaltung von Mindeststandards fördern, die anderweitig nicht mehr die Wunscheltern betreffen würden, etwa die psychologische und medizinische Betreuung der Leihmutter auch nach der Geburt. So könnte dieses Formular helfen, vor gewissen Gefahren zu schützen, die insbesondere in der entgeltlichen Leihmutterschaft liegen können. Drastisch formuliert: Können die Wunscheltern dadurch Verfahrens- oder Anwaltskosten bei der späteren Begründung ihrer Elternschaft sparen, sind sie eher bereit, auch für eine medizinische und psychologische Nachbetreuung der Leihmutter zu zahlen. Als mögliche best practice-Vorgabe wäre denkbar, dass die Leihmutter ihren eigenen Kinderwunsch bereits erfüllt haben muss oder bereits eigene Kinder hat. So würde vermieden, dass die Leihmutter die Erfüllung ihres eigenen Kinderwunsches durch Komplikationen bei der Leihmutterschaft gefährdet und es würde wohl die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass die Leihmutter sich doch entscheidet, das Kind zu behalten. Man könnte auch fordern, dass die Leihmutter verheiratet sein muss und der Ehemann zustimmt, damit eventuelle Vorbehalte gegen Leihmutterschaft nicht ihre spätere Partnerwahl oder aktuelle Beziehung gefährden. Eine Höchstzahl der Leihmutterschaften wäre denkbar sowie eine Mindestvergütung, um einen Preiskampf zu verhindern. Dabei müsste, soweit es möglich ist, sichergestellt werden, dass das Geld tatsächlich bei der Leihmutter ankommt. Eine Prüfung der Freiwilligkeit der Leihmütter durch Psychologen, wie dies bei Leihmutterschaften in Israel595 oder gemäß § 8 Abs. 3 TPG bei Lebendorganspenden geschieht, wäre ebenfalls sinnvoll. In Fällen, in denen das Formular nicht vorliegt oder relevante Angaben fehlen, etwa die vorherige Registrierung der Leihmutterschaft, müssten die Wunscheltern anderweitig nachweisen, dass es sich um eine Leihmutterschaft handelt und dass die Leihmutter das Kind freiwillig übergeben hat. Die Abstammung von den Wunscheltern dürfte allerdings wegen des Fehlens des Formulars nicht verhindert oder über diese Beweislast hinaus unangemessen erschwert werden. Ein solches außergerichtliches oder gerichtliches Anerkenntnisverfahren würde unabhängig vom Ort der Durchführung der Leihmutterschaft und vom Inhalt der möglicherweise anwendbaren Rechte die Abstammung von den Wunscheltern ermöglichen und somit umfassend die Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts erfüllen.
§ 5 Gesetz 5756-1996; vgl. Shakargy, in: Surrogacy, 231, 232; Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 38; Weisberg, Israel, 196. 595
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick Die internationale Leihmutterschaft stellt das deutsche Recht vor große Herausforderungen. Bisher hat es diese nicht angemessen gemeistert.1 Wo es möglich war, wurde den Wunscheltern lange die rechtliche Elternschaft, dem Kind die Abstammung von den Wunscheltern verweigert. Durch den Versuch, das deutsche Verbot der Leihmutterschaft letztlich weltweit durchzusetzen, wurde verpasst, angemessene Lösungen zu finden, die konform sind mit dem höherrangigen Recht. Um den Wunscheltern die Früchte ihrer „Gesetzesumgehung“ zu verweigern, wird das Kind mitsanktioniert. Derart die Generalprävention zulasten von Kindern durchzuführen, die an den Umständen ihrer Geburt schuldlos sind, ist mit den Rechten der Kinder, insbesondere ihrer Menschenwürde, nicht vereinbar. Nur solche Sanktionen sind möglich, die nicht zu Lasten des Kindes gehen, sondern die Wunscheltern treffen. Diese teilweise Ohnmacht des hiesigen Rechts mag missfallen und intuitiv falsch erscheinen. Sie scheint jedoch unvermeidlich zu sein. Bei Leihmutterschaften ist das „Produkt“ der vermeintlichen Gesetzesumgehung ein Mensch mit eigenen Rechten. Es sind nicht dieselben Sanktionen möglich, die etwa bei einem Verstoß im Ausland gegen Urheber- oder Markenrechte möglich wären. Das Kind kann nicht wie ein gefälschter Markenartikel vom Zoll eingezogen werden. Die Möglichkeiten der Rechtsordnung, nachträglich gegen die Leihmutterschaft vorzugehen, sind durch die Rechte des Kindes begrenzt. Durch die Möglichkeit der Wunscheltern, im Ausland Fakten zu schaffen, denen sich die deutsche Rechtsordnung beugen muss, stößt hier das Recht an seine tatsächlichen Grenzen.2 Will man Leihmutterschaften verhindern, muss dies im Voraus geschehen. Ist ein Kind geboren, so muss die Leihmutterschaft zumindest abstammungsrechtlich hingenommen werden. Sollen die Fälle der Leihmutterschaft einer überzeugenden Lösung zugeführt werden, versagen häufig die üblichen Kriterien. Wie auch sonst bei reproduktionsmedizinischen Verfahren ist die rechtliche Elternschaft der leiblichen Eltern oft gerade nicht angebracht. Im Sinne des Kindeswohls als dem Leitgedanken des Kindschaftsrechts muss hier die rechtliche Verfesti1 Ebenso etwa Witzleb, in: FS Martiny, 203, 238; Sturm, in: FS Kühne; Mayer, IPRax 2014, 57; Kreß, FPR 2013, 240, 243; Staudinger-Henrich2014, Art. 19 EGBGB Rn. 78; BeckOK-Heiderhoff 34, Art. 19 EGBGB Rn. 24 ff. 2 Vgl. Starck, in: Gutachten zum 56. DJT, A1, A43 f.
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Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
gung der sozialen Familie das Ziel sein. Dies fordern auch das Verfassungsrecht und die EMRK. Im Vaterschaftsrecht der §§ 1592 ff. BGB sowie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die rechtliche Vaterschaft des sozialen Vaters bereits dabei, sich als Leitbild zu etablieren. Auch die soziale Mutterschaft sollte entsprechende Bedeutung erhalten. Für die Leihmutterschaft heißt dies, die Wunscheltern müssen, sofern die Leihmutter ihnen freiwillig das Kind übergeben hat, ohne unnötige Hindernisse die Elternschaft erwerben können. Teilweise ist nach hier vertretener Ansicht diese Lösung bei internationalen und inländischen Leihmutterschaften bereits möglich, insbesondere wenn die Leihmutter unverheiratet ist oder man am Geburtsort einen ersten gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes und somit die Anwendung des dortigen Abstammungsrechts gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB annehmen kann. Ein ordre public-Verstoß liegt dann in der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern, entgegen der überwiegenden bisherigen Rechtsprechung, nicht vor. In vielen Fällen der ausländischen, vor allem aber in denen der inländischen Leihmutterschaft ist demgegenüber eine Lösung, die den Vorgaben des höherrangigen Rechts genügt, de lege lata nicht möglich, insbesondere bezüglich der Mutterschaft. Insoweit besteht Handlungsbedarf. Es sollte ein gerichtliches oder außergerichtliches Anerkenntnisverfahren für Fälle der Leihmutterschaft eingeführt werden sowie ergänzend eine Sonderkollisionsnorm. Die Tatsache, dass trotz nationaler Verbote Leihmutterschaften im Ausland durchgeführt werden, 3 sowie die Notwendigkeit, nach deren Durchführung eine Lösung zu finden, die den Rechten des Kindes gerecht wird, zeigen, dass es nicht ausreicht, Leihmutterschaften im Inland zu verbieten, um sie zu verhindern. Will man sie unterbinden, so bedarf es der internationalen Kooperation. Verhindert werden können sie wohl nur, wenn die Länder, in denen Leihmutterschaften erlaubt sind, sie Ausländern versperren. So enthalten das britische und israelische Recht bereits entsprechende Schranken.4 Auch im indischen Recht soll eventuell eine solche eingeführt werden.5 3 Daran zweifelnd, dass man diese Fälle verhindern kann Heiderhoff, NJW 2014, 2673, 2673. 4 Der Erlass einer britischen parental order setzt gemäß Sec. 54(4)(b) HFEA 2008 voraus, dass mindestens einer der Wunscheltern sein domicile im Vereinigten Königreich haben muss, vgl. High Court of Justice Family Division 28.11.2007, Re G (Surrogacy: Foreign Domicile), [2007] EWHC 2814 (Fam). Dazu: Gamble/Ghevaert, IFL 2009, 223, 225 f.; Gruenbaum, 60 Am.J.Comp.L. 2012, 475, 484 f. In Israel setzt gemäß § 2 Abs. 2 Gesetz 5756-1996 die Erlaubnis der Leihmutterschaft voraus, dass die Leihmutter und die Wunscheltern ihren Wohnsitz in Israel haben, vgl. Schuz, in: Surrogate Motherhood, 35, 49; Shakargy, in: Surrogacy, 231, 231. 5 Sec. 34(19) ART-Bill 2010 fordert von ausländischen Wunscheltern eine Bestätigung ihrer Botschaft in Indien oder des Außenministeriums, dass in ihrem Heimatland Leihmutterschaft erlaubt ist und dass das Kind als Kind der Wunscheltern in deren Heimatland wird einreisen können.
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
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Selbst so wird jedoch die internationale Leihmutterschaft nicht gänzlich verhindert werden können. Dies liegt daran, dass nicht alle Rechtsordnungen, die Leihmutterschaften erlauben, solche Einschränkungen vornehmen werden. So hat sich etwa die Ukraine gerade gegen eine Beschränkung auf ukrainische Staatsbürger entschieden.6 Das griechische Recht hat sogar zum 11. Juli 2014 die Beschränkung, dass Leihmutter und Wunschmutter ihren Wohnsitz in Griechenland haben müssen in zweifacher Weise geöffnet: Statt des Wohnsitzes reicht nun der vorübergehende Aufenthalt in Griechenland und statt beider Frauen muss nur noch eine der beiden einen solchen haben.7 Griechenland wird so als Mitglied der EU und des Schengen-Raums sehr attraktiv für Wunscheltern aus EU-Mitgliedstaaten. Europarechtliche Vorgaben für die Abstammung des Kindes gewinnen so an Bedeutung und praktischer Brisanz.8 Weiterhin können Leihmutterschaften verbotswidrig durchgeführt werden. Auch in diesen Fällen muss die Abstammung des Kindes gemäß der dargestellten Ergebnisvorgaben geregelt werden. Um Reibungen zu vermeiden, erscheint es dann bei Bestrebungen, Leihmutterschaften international zu verhindern, sinnvoll, gleichzeitig ein Übereinkommen zur Behandlung der Abstammung durch Leihmutterschaft geborener Kinder zu erarbeiten. Viele Stimmen fordern ein solches Übereinkommen.9 Durch die Verbindung von Standardformularen und einem Verfahren zur Begründung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern, wäre es möglich, gewisse Mindeststandards im Rahmen dieses Übereinkommens einzuführen, deren Einhaltung wegen späterer Vorteile bei der Begründung der Elternschaft auch im Interesse der Wunscheltern liegt. So könnte es Vorgaben für die Prüfung der Freiwilligkeit der Leihmutter bezüglich der Leihmutterschaft an sich und der Übergabe des Kindes geben, ebenso wie Vorgaben zu einem Mindestmaß an psychologischer und medizinischer Betreuung der Leihmutter sowie – bei entgeltlicher Leihmutterschaft – zu einer Mindestvergütung. Durch ein solches Übereinkommen ließe sich auch der Umgang mit weiteren Schwierigkeiten, die im Zusammenhang einer Leihmutterschaft entstehen können, regeln; etwa die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn sich die Wunscheltern weigern, das Kind anzunehmen, weil es behindert ist.10 SolanUkrainian Surrogates, President vetoed law project. So demnächst Zervogianni, in: Künstliche Fortpflanzung, im Erscheinen. Siehe oben bei Kapitel 2 – A.II.4.b)bb)(3), S. 78. 8 Siehe oben bei Kapitel 4 – A.II., S. 253. 9 Siehe etwa Trimmings/Beaumont, 7 J.Priv.Int.L 2011, 627; Trimmings/Beaumont, in: Surrogacy, 439, 531; Hague Conference on Private International Law, International Surrogacy Arrangements, 2011; Hague Conference on Private International Law, Parentage and International Surrogacy Arrangements, 2014; Engel, ZEuP 2014, 538, 560 f. 10 Ein sehr dramatischer Fall dieser Art ereignete sich im Sommer 2014. Ein australisches Paar weigerte sich dabei, ein Kind – Gammy – von der thailändischen Leihmutter zu 6 7
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Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
ge es keine klaren Regeln zur Leihmutterschaft gibt, ist ein überzeugender Umgang mit solchen Fällen kaum möglich. Will man verhindern, dass die Wunscheltern die rechtliche Elternschaft erwerben, selbst wenn sie dies wollen, so ist es schwer, ihnen gleichzeitig eine rechtliche Elternschaft oder zumindest Unterhaltspflicht aufzuzwingen, wenn sie dies nicht wollen. Letztlich stellt sich auch die Frage, ob die Leihmutterschaft nicht in gewissem Umfang im Inland erlaubt werden sollte.11 Hierfür sprechen nicht nur die Vorteile der Zulässigkeit der Leihmutterschaft an sich, wie etwa Paaren die Möglichkeit einzuräumen, eine Familie zu gründen. Auch spricht dafür, dass bei einer eigenen inländischen Regelung der Leihmutterschaft der Schutz der Leihmutter und des Kindes selbst gestaltet und kontrolliert werden kann und Vorgaben für die Durchführung erlassen werden können.12
übernehmen, weil dieses unter dem Down-Syndrom litt. Die gesunde Zwillingsschwester nahm das Paar jedoch mit. Dieser Fall rief internationale Empörung hervor und führte dazu, dass im thailändischen Recht strenge Regeln zur Leihmutterschaft erlassen wurden, während vorher keinerlei gesetzlich Vorgaben bestanden. Dieser Fall zeigt deutlich die Gefahren, die entstehen können, wenn Gesetzgeber sich nicht des kontroversen Themas der Leihmutterschaft annehmen wollen. Siehe zu diesem Fall etwa Gmür, Neue Zürcher Zeitung 4.8.2014; Gmür, Neue Zürcher Zeitung 5.8.2014; Bubrowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.8.2014, 1; O. A., Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.8.2014, 1; Günther, Süddeutsche Zeitung 6.8.2014, 8; Steinberger, Süddeutsche Zeitung 5.8.2014, 10. 11 Witzleb, in: FS Martiny, 203, 239 f. 12 Zu möglichen legislativen Maßnahmen im Umgang mit der Leihmutterschaft siehe auch Diel, Leihmutterschaft, 215 ff.
Zusammenfassung in Thesenform Kapitel 1: Leihmutterschaft in Deutschland Unzulässigkeit der Leihmutterschaft in Deutschland – In Deutschland ist gem. § 1 Nr. 1, 2, 6 und 7 ESchG die künstliche Befruchtung im Rahmen einer Leihmutterschaft sowie einer Eizellspende strafbewehrt verboten. Gem. §§ 13b f. AdVermiG ist die Adoptionsvermittlung ebenfalls verboten. Leihmutter und Wunscheltern sind von einer Strafbarkeit ausgenommen (§ 1 Abs. 3 ESchG, § 14b Abs. 3 AdVermiG) (Kapitel 1 – A., S. 17). – Die Leihmutterschaft an sich ist in Deutschland nicht verboten, ihr werden aber durch das Verbot der künstlichen Befruchtung und Leihmuttervermittlung erhebliche faktische Hindernisse in den Weg gelegt (Kapitel 1 – A., S. 17). Abstammung bei verbotswidrig durchgeführter Leihmutterschaft – Im Rahmen des deutschen Abstammungsrechts ist stets die Leihmutter die rechtliche Mutter des Kindes, § 1591 BGB. Nur durch Adoption kann die Wunschmutter die Mutterschaft erwerben. Das Adoptionserschwernis des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ist dabei nicht anwendbar (Kapitel 1 – B.I., S. 22). – Ist die Leihmutter unverheiratet, kann der Wunschvater im deutschen Abstammungsrecht die Vaterschaft anerkennen, selbst wenn er nicht der genetische Vater ist, § 1592 Nr. 2 BGB. Ist die Leihmutter verheiratet und hat ihr Ehemann in die Befruchtung eingewilligt, so ist seine Vaterschaft nicht anfechtbar, § 1600 Abs. 5 BGB, und der Wunschvater kann die Vaterschaft nur durch Adoption erwerben (Kapitel 1 – B.II., S. 24). – Zugleich können die Wunscheltern durch eine gemeinsame Adoption oder eine Stiefkindadoption die rechtliche Elternschaft erwerben, allerdings nur wenn sie verheiratet sind, § 1741 BGB. Sind die Wunscheltern unverheiratet, so kann nur einer von beiden die rechtliche Elternschaft erwerben, ein gemeinsamer Erwerb ist ausgeschlossen. Kann der Wunschvater durch Vaterschaftsanerkennung rechtlicher Vater werden, ist dadurch die Wunschmutter von dem Erwerb der Mutterschaft gänzlich ausgeschlossen, solange das Paar nicht verheiratet ist (Kapitel 1 – B., S. 21, insbes. Kapitel 1 – B.II.2., S. 27).
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– Bei männlichen homosexuellen Paaren kann der eine Wunschvater die Vaterschaft anerkennen, wenn die Leihmutter unverheiratet ist, § 1592 Nr. 2 BGB. Andernfalls muss er das Kind zunächst alleine adoptieren, § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB. Der zweite Wunschvater kann im Anschluss die Vaterschaft durch Stiefkind- oder Sukzessivadoption erwerben. Ist das Paar nicht verpartnert, so ist der Erwerb einer gemeinsamen Elternschaft ausgeschlossen (Kapitel 1 – B.III., S. 27). Kapitel 2: Abstammung nach IPR und IZVR Verweisungsmethode: Art. 19 Abs. 1 EGBGB – Die Abstammung des Kindes bei einer internationalen Leihmutterschaft ist nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen (Kapitel 2 – A.I.1., S. 29). – Vorfragen sind grundsätzlich selbstständig anzuknüpfen. Für die kollisionsrechtliche Behandlung der Abstammung macht es daher keinen Unterschied, ob sich diese Frage als Vor- oder Hauptfrage stellt. Bei manchen Hauptfragen, etwa der Staatsangehörigkeit, dem Unterhalt oder dem Namen des Kindes wird ausnahmsweise unselbstständig angeknüpft. Im Rahmen dieser Hauptfragen entscheidet deutsches Kollisionsrecht nur dann über das auf die Vorfrage der Abstammung anwendbare Recht, wenn auf die Hauptfrage deutsches Recht anwendbar ist. Dies ist bei deutschen Wunscheltern bzw. bei einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der Fall (Kapitel 2 – A.I.2., S. 30). – Im Recht der Vereinigten Staaten kommt es zu einer Rechtsspaltung im Familienrecht. Bei der Berufung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB wird unmittelbar das Recht des jeweiligen Teilstaates berufen. Im Rahmen der Sätze 2 und 3 ist gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB – mangels einheitlichen interlokalen Kollisionsrechts – das Recht des Teilstaats des gewöhnlichen Aufenthalts der Leihmutter als Teilrechtsordnung der engsten Verbindung anwendbar, wenn als Anknüpfungsmerkmal unmittelbar (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB) oder mittelbar (Satz 3) die Staatsangehörigkeit der Leihmutter fungiert. Die grundsätzliche Rechtspaltung im Familienrecht im Vereinigten Königreich, in Israel und in Indien kommt hier nicht zum Tragen, da das Abstammungsrecht dort in Fällen der Leihmutterschaft einheitlich ist (Kapitel 2 – A.I.4., S. 34). – Zu einer Rückverweisung kann es unter den hier untersuchten Rechtsordnungen in dem besprochenen Standardfall (Leihmutter gehört dem Staat der Durchführung der Leihmutterschaft an und hat dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt) lediglich in Griechenland (Art. 17 ff. griechisches ZGB) und Israel (§§ 76 f. Gesetz 5722-1962) kommen. Im Recht der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreiches ist das Kollisionsrecht gespalten; bezüglich der anwendbaren Teilrechtsordnung gilt das im vorherigen
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Spiegelstrich Gesagte. Das kalifornische beziehungsweise englische Recht nehmen die Verweisung im Rahmen einer versteckten Kollisionsnorm an, ebenso wie das indische Recht. Im ukrainischen Recht ist die Verweisungsnorm nicht bestimmbar. Die Verweisung des deutschen Rechts wird in diesem Fall ausnahmsweise als Sachnormverweisung verstanden (Kapitel 2 – A.I.5.a), S. 37). – Ob eine Rückverweisung befolgt wird, ist nach dem Zweck der Verweisung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu bestimmen (Kapitel 2 – A.I.5.c), S. 50). Dasselbe gilt für die Fragen, welches Heimatrecht eines Mehrstaaters anzuwenden ist (Kapitel 2 – A.II.3., S. 70), welche der verschiedenen Anknüpfungsvarianten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB bei einer Bestimmung verschiedener Eltern zu befolgen ist (Kapitel 2 – A.V.3., S. 109) und ob die Wandelbarkeit der Anknüpfungsmerkmale des Art. 19 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB teleologisch zu reduzieren ist (Kapitel 2 – A.II.2., S. 69 bzw. Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103). Einheitliches Kriterium bei diesen Fragen ist das Kindeswohl als vorrangiger Zweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Konkretisiert wird dies Kriterium – bei Bestimmung unterschiedlicher Eltern – danach, welche Rechtsordnung eine Verrechtlichung der sozialen Elternschaft ermöglicht und – bei Bestimmung identischer Eltern – danach, wie leicht und schnell deren Bestimmung erfolgt. Ob dabei die Zahl der berufenen Rechte reduziert wird, ist unerheblich. – Welches Heimatrecht eines Mehrstaaters im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB angewandt wird und ob die Wandelbarkeit des Satz 1 teleologisch reduziert wird beziehungsweise eine nach vormals anwendbarem Recht begründete Abstammung als wohlerworbenes Recht fortbesteht, ist nach dem Kindeswohl, konkretisiert im eben dargestellten Sinne, zu bestimmen. Die Wandelbarkeit des Art. 19 Abs. 1 S. 1 beziehungsweise die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 EGBGB sind gegebenenfalls entsprechend teleologisch zu reduzieren (Kapitel 2 – A.II.2., S. 69 bzw. Kapitel 2 – A.II.3., S. 70). – Nach dem Heimatrecht der verschiedenen Elternprätendenten kann gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB meist keine Elternschaft begründet werden. Sind die Wunscheltern Deutsche, so verhindert die Elternschaft der Leihmutter und ihres Ehemanns die Elternschaft der Wunscheltern. Ist die Leihmutter unverheiratet, kann allerdings der deutsche Wunschvater die Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen (Kapitel 2 – A.II.4.b)aa), S. 72). Ist das Recht Kaliforniens, Israels, Indiens, Griechenlands oder der Ukraine als Heimatrecht der Leiheltern anwendbar, erwerben auch diese keine Elternschaft, da nach diesen Rechten die Wunscheltern die Eltern werden. Eine Ausnahme bildet hier das britische Recht. Gemäß Sec. 33 ff. HFEA 2008 erwerben zunächst die Leihmutter und ihr Partner oder ihre Partnerin die Elternschaft. Sind diese britisch, kann ihre
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Elternschaft gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB begründet werden (Kapitel 2 – A.II.4.b)bb), S. 74). Wer „Mutter“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB ist, muss nach dem Ehestatut der Mutterschaftsprätendentin bestimmt werden (Kapitel 2 – A.III.1., S. 89). Gemäß Satz 3 kann nur der Ehemann der Mutter im Sinne des Satz 3 als Vater bestimmt werden (Kapitel 2 – A.III.2., S. 90). Damit eine Bestimmung der Elternschaft nach Satz 3 möglich ist, müssen beide Eheleute nach dem Ehewirkungsstatut Eltern werden können (Kapitel 2 – A.III.3., S. 91). Die Verwendung des geschlechtsspezifischen Anknüpfungsmerkmals „Mutter“ in Satz 3 verstößt gegen Art. 3 Abs. 2 GG, selbst wenn bei der hier vertretenen Anforderung, dass eine Mutterschaft nach Satz 3 nur begründet werden kann, wenn danach auch die Vaterschaft des Ehemanns besteht, eine Ungleichbehandlung im Ergebnis nicht vorliegt (Kapitel 2 – A.III.4., S. 92). Sind die Wunscheltern unmittelbar nach der Geburt mit dem Kind nach Deutschland gereist, so ist sein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB in Deutschland. Danach ist die Leihmutter die Mutter, § 1591 BGB. Ist sie verheiratet, ist ihr Ehemann der Vater, §§ 1592 Nr. 1, 1600 Abs. 5 BGB. Andernfalls kann der Wunschvater die Vaterschaft anerkennen, § 1592 Nr. 2 BGB (Kapitel 2 – A.IV.2., S. 97). Leben die Wunscheltern mit dem Kind längerfristig am Geburtsort und wollen nicht unmittelbar nach der Geburt zurück, so befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt am Geburtsort. Ist das Kind mit den Wunscheltern noch am Geburtsort, da eine eigentlich beabsichtigte Rückreise nicht möglich ist, so hat das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort (Kapitel 2 – A.IV.2.a), S. 98). Scheitert in diesen Fällen auch eine Bestimmung der Elternschaft nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 oder 3 EGBGB, so muss im Rahmen der Bestimmung der Elternschaft des Kindes im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB auf das Recht am reinen Aufenthaltsort zurückgegriffen werden. Ist das Recht des Geburtsortes anwendbar, so führt dies meist zu einer Elternschaft der Wunscheltern (Kapitel 2 – A.IV.2.b), S. 101). Ob ein Statutenwechsel im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB befolgt wird beziehungsweise ob eine vor diesem bestehende Abstammung als wohlerworbenes Recht fortbesteht, ist nach dem Kindeswohl, konkretisiert durch die Verrechtlichung der sozialen Familie, zu bestimmen (Kapitel 2 – A.IV.3., S. 103). In dem hier untersuchten Standardfall (deutsche Wunscheltern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und Leiheltern mit Staatsangehörigkeit des Landes der Durchführung der Leihmutterschaft und dortigem gewöhnlichem Aufenthalt) ist eine Elternhäufung aufgrund der Mehrzahl der Anknüpfungsmomente des Art. 19 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich ausgeschlossen (Kapitel 2 – A.V.1., S. 106). Kommt es ausnahmsweise doch zu einer Elternhäufung, so ist eine Reduktion auf zwei Eltern kollisions-
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rechtlich notwendig, da es sonst zu einer Normhäufung kommt (Kapitel 2 – A.V.2., S. 108). Die verschiedenen Anknüpfungsmerkmale des Art. 19 Abs. 1 EGBGB sind gleichrangig (Kapitel 2 – A.I.2., S. 30). Es setzt sich das Recht durch, welches die Eltern beruft, die für das Kindeswohl am günstigsten sind. Anwendbar ist daher das Recht, welches die Elternschaft der sozialen Eltern ermöglicht. Werden durch die verschiedenen Anknüpfungsmomente dieselben Eltern berufen, so ist das Recht anwendbar, welches leichter und schneller zu deren Elternschaft führt (Kapitel 2 – A.V.3., S. 109). Verfahrensrechtliche Anerkennung einer ausländischen Entscheidung – Im Rahmen der Leihmutterschaft wirken Gerichte und andere Institutionen in sehr unterschiedlicher Art und Weise mit. Teilweise muss die Leihmutterschaft vor der Befruchtung erlaubt werden (Griechenland und Israel); teilweise ist schon während der Schwangerschaft eine Feststellung der Abstammung möglich (Kalifornien); teilweise erwerben die Wunscheltern erst durch eine konstitutive gerichtliche Entscheidung die Elternschaft (Vereinigtes Königreich und Israel); teilweise wirken Gerichte grundsätzlich nicht mit (Indien und Ukraine); meist werden Geburtsurkunden zugunsten der Wunscheltern ausgestellt (Kapitel 2 – B.II.1., S. 112). – Dass eine Behörde eine Entscheidung erlässt, verhindert nicht grundsätzlich eine Anerkennung. Die Behörde muss jedoch funktional eine gerichtliche Rolle einnehmen. Bezüglich der israelischen Erlaubnis der Leihmutterschaft ist dies nicht der Fall (Kapitel 2 – B.II.2., S. 114). – Geburtsurkunden werden grundsätzlich nicht anerkannt, da bei deren Erlass eine Prüfung der Sach- und Rechtslage meist nicht erfolgt (Kapitel 2 – B.II.3.a), S. 115). Aus demselben Grund kann eine Vaterschaftsanerkennung, selbst wenn sie gerichtlich registriert ist, nicht anerkannt werden. Ob sie Wirkung entfaltet, richtet sich nach dem anwendbaren Recht beziehungsweise danach, ob eine Substitution möglich ist (Kapitel 2 – B.II.3.b), S. 117). – Es werden nur unmittelbare Folgen ausländischer Entscheidungen anerkannt (Kapitel 2 – B.II.4.a), S. 118). Möglich ist etwa die Anerkennung einer ausländischen Feststellung der rechtlichen Elternschaft (Kalifornien) oder deren Gestaltung (Vereinigtes Königreich und Israel) (Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(1), S. 119 bzw. Kapitel 2 – B.II.4.a)bb), S. 122). Stellt eine ausländische Entscheidung ausdrücklich nur die Bindungswirkung der Leihmuttervereinbarung oder die genetische Elternschaft fest, so kann dies dennoch als Feststellung der rechtlichen Elternschaft anerkannt werden, wenn die Entscheidung funktional einer solchen Feststellung nach hiesigem Verständnis gleichkommt (Kapitel 2 – B.II.4.a)aa)(2), S. 120).
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– Mittelbare Folgen einer Entscheidung (Tatbestandsfolgen) bestimmen sich nach dem anwendbaren Recht. Eine ausländische Erlaubnis der Leihmutterschaft (Griechenland) begründet daher bei Anwendung deutschen Rechts keine Elternschaft der Wunscheltern, wohl aber bei Anwendung griechischen Rechts. Eine ausländische Entscheidung, die auch bei funktionaler Betrachtung nur die genetische Vaterschaft feststellt, kann bei Anwendung deutschen Rechts nur dann eine Vaterschaft begründen, wenn sonst nach deutschem Recht keine Vaterschaft besteht und eine Vaterschaft durch Vaterschaftsfeststellung gemäß §§ 1592 Nr. 3, 1600d BGB möglich ist (Kapitel 2 – B.II.4.b), S. 124). – Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die nur inter partes die Abstammung feststellen, reicht im Rahmen vieler Folgefragen, etwa der Staatsangehörigkeit oder Eintragung ins Geburtenregister (§§ 4 StAG, 21, 26 oder 36 PStG), nicht aus. Im Rahmen der Leihmutterschaft sind solche Entscheidungen allerdings nicht zu erwarten (Kapitel 2 – B.II.4.c), S. 128). – Für eine Anerkennungszuständigkeit der Gerichte am Geburtsort reichen der dortige gewöhnliche Aufenthalt der Leihmutter oder deren dortige Staatsangehörigkeit aus, §§ 109 Abs. 1 Nr. 1, 100 FamFG (Kapitel 2 – B.III., S. 129). Kapitel 3: Ordre public Verstoß gegen Grundrecht – Die Grundrechte wirken im Rahmen des Art. 6 S. 2 EGBGB in ihrer Schutzpflichtfunktion in dem Sinne, dass sie die staatliche Stelle, welche das ausländische Recht anwenden soll, dazu verpflichten, die Betroffenen im Einzelfall vor einer Grundrechtsverletzung durch das eigentlich anwendbare ausländische Recht zu schützen (Kapitel 3 – A.I.2.c), S. 140). – Die Bedrohung der Grundrechte geht nicht von der deutschen staatlichen Stelle aus, welche das ausländische Recht anwenden soll, sondern vom ausländischen Recht an sich (Kapitel 3 – A.I.2.c)aa), S. 141). – Das Verständnis der Grundrechte als Schutzpflichten im Rahmen des ordre public-Vorbehalts ändert im Ergebnis die bestehende Prüfung des ordre public-Vorbehalts nicht, kann jedoch manche der Prüfungskriterien aus den Besonderheiten der Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten erklären (Kapitel 3 – A.I.3., S. 144). – Die Elternschaft der Wunscheltern an sich bedroht grundsätzlich keine Grundrechte der Leihmutter. Eine Vorgabe, dass die Leihmutter als biologische Mutter stets die rechtliche Mutter werden muss, lässt sich Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht entnehmen. Dieser lässt auch eine rechtliche Elternschaft, die von der leiblichen abweicht, zu. Das Bundesverfassungsgericht schreibt der sozialen Elternschaft große Bedeutung zu (Kapitel 3 – A.II.1., S. 151).
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– Auch Grundrechte des Kindes werden grundsätzlich nicht durch eine Elternschaft der Wunscheltern an sich bedroht. Bisherige psychologische Forschung legt nahe, dass die Leihmutterschaft keine erhebliche Gefahr für die Entwicklung des Kindes darstellt. Ein Schutz der psychischen Gesundheit des Kindes gemäß Art. 2 Abs. 2 GG vor einer Elternschaft der Wunscheltern ist nicht geboten (Kapitel 3 – A.II.2., S. 155). – Selbst wenn die Elternschaft der Wunscheltern an sich keine Grundrechte der Wunscheltern bedroht, so kann dennoch eine Schutzpflicht vor der Anwendung eines ausländischen Rechts bestehen, welches eine entsprechende Elternschaft vorsieht, falls der Vorgang der Leihmutterschaft grundrechtswidrig ist und sich eine entsprechende Grundrechtsbeeinträchtigung in der Elternschaft der Wunscheltern fortsetzt. In diesem Fall kann eine Verweigerung ihrer Elternschaft zwar die Beeinträchtigung nicht ungeschehen machen, wohl aber deren weitere Perpetuierung verhindern (Kapitel 3 – A.III., S. 158). – Grundsätzlich beeinträchtigt der Vorgang der Leihmutterschaft keine Grundrechte der Leihmutter. Solange die Leihmutter freiwillig als Leihmutter agiert, gefährdet die Leihmutterschaft ihre Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG nicht (Kapitel 3 – A.III.1.a), S. 159). Ein Vergleich mit Prostitution und Peep-Shows zeigt, dass allein die Tatsache, dass die Leihmutterschaft die Intimsphäre der Leihmutter betrifft, bei einer freiwillig handelnden Leihmutter keine Beeinträchtigung der Menschenwürde bedeutet (Kapitel 3 – A.III.1.a)bb)(1), S. 163). Auch ein Vergleich mit der Lebendorganspende spricht gegen eine Unvereinbarkeit der freiwilligen Leihmutterschaft mit der Menschenwürde der Leihmutter (Kapitel 3 – A.III.1.a)bb)(2), S. 169). Auch sonst liegt keine besonders entwürdigende Behandlung der Leihmutter vor (Kapitel 3 – A.III.1.a)bb)(3), S. 170). – Eine relevante Bedrohung für die körperliche Unversehrtheit der Leihmutter bedeutet die Leihmutterschaft nicht. Bisherige psychologische Forschung spricht dafür, dass die Leihmutterschaft auch die psychische Gesundheit der Leihmutter nicht in einem relevanten Maße bedroht. Für die Leihmutter scheint oft ein Abbruch der Beziehung zu den Wunscheltern belastender zu sein als die Trennung von dem Kind. Art. 2 Abs. 2 GG fordert keinen Schutz der Leihmutter vor der Durchführung einer Leihmutterschaft (Kapitel 3 – A.III.1.b), S. 172). – Auch die Grundrechte des Kindes werden durch eine Leihmutterschaft nicht verletzt. Das Kind wird nicht in seiner Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Ein Kinderhandel ist in der unentgeltlichen Leihmutterschaft nicht zu sehen. Entscheidend für die Abgrenzung ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Leihmutterschaftsvereinbarung noch vor der Zeugung des Kindes (Kapitel 3 – A.III.2., S. 177). Zu trennen ist die Leihmutterschaft auch von einer möglichen Menschenwürdebeeinträchtigung durch Eugenik. Zwar kann im Rahmen der Leihmutterschaft durch
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Präimplantationsdiagnostik theoretisch eine unzulässige Selektion der Embryonen stattfinden. Dies ist jedoch eine generelle Gefahr der In-vitroFertilisation und nicht spezifisch mit der Leihmutterschaft verbunden (Kapitel 3 – A.III.2.b)cc), S. 183). Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte – Auch ein Verstoß gegen Völkerrecht, insbesondere Menschenrechte, könnte einen ordre public-Verstoß durch die Elternschaft der Wunscheltern begründen. Ein solcher liegt jedoch nicht vor. Die Leihmutterschaft gefährdet nicht in relevantem Maße die körperliche oder geistige Unversehrtheit der Leihmutter oder des Kindes, Art. 2 bzw. 8 EMRK. Sie ist mit dem Kindeswohl vereinbar, Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention. Art. 8 Abs. 1 EMRK fordert keine rechtliche Elternschaft der leiblichen Eltern. Die Leihmutterschaft stellt keinen gemäß Art. 35 UN-Kinderrechtskonvention verbotenen Kinderhandel dar (Kapitel 3 – B., S. 184). Weitere Argumente für einen ordre public-Verstoß – Eine Umgehung des deutschen Leihmutterschaftsverbots welche eine Verhinderung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern fordern könnte, liegt nicht vor. Auch ist § 1591 BGB nicht international zwingend (Kapitel 3 – C.I., S. 186). – Rechtsvergleichung kann bei der Bestimmung einer Vereinbarkeit eines Ergebnisses der Anwendung ausländischen Rechts mit dem ordre publicVorbehalt hilfreich sein. Bezüglich der Leihmutterschaft kann ein Rechtsvergleich ihre Vereinbarkeit mit dem ordre public sowie die Abgrenzung der Leihmutterschaft vom Kinderhandel bestätigen (Kapitel 3 – C.II., S. 190). – Auch die Berücksichtigung rechtspolitischer Debatten kann grundsätzlich bei der Anwendung des ordre public-Vorbehalts helfen. Bei der Leihmutterschaft sind entsprechende Rückschlüsse jedoch nicht möglich (Kapitel 3 – C.III., S. 192). Fazit: Grundsätzlich kein Verstoß gegen den ordre public – Grundsätzlich verstößt die Elternschaft der Wunscheltern nicht gegen den ordre public im Sinne des Art. 6 EGBGB (Kapitel 3 – D., S. 193). Sonderfälle der Leihmutterschaft – Die Entgeltlichkeit einer Leihmutterschaft wirft zwar Zweifel an der tatsächlichen Freiwilligkeit der Leihmutter auf. Liegt eine solche jedoch vor, ist auch eine entgeltliche Leihmutterschaft mit den Grundrechten der Leihmutter und des Kindes, insbesondere ihrer Menschenwürde, Art. 1
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Abs. 1 GG, vereinbar. Selbst wenn man eine Unvereinbarkeit mit den Grundrechten annimmt, beschränkt sich diese auf den Vorgang der Leihmutterschaft und setzt sich nicht in der Elternschaft der Wunscheltern fort. Diese verstößt somit nicht gegen den ordre public-Vorbehalt (Kapitel 3 – E.I., S. 194). – Will die Leihmutter die Schwangerschaft abbrechen und wäre dies nach sonstigen Vorschriften möglich, so beeinträchtigt es ihre Menschenwürde, wenn sie von den Wunscheltern daran gehindert wird. Wird die Leihmutter dennoch an einer Abtreibung gehindert, obwohl sie diese sonst durchführen dürfte, so setzt sich die Beeinträchtigung ihrer Menschenwürde nicht in der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern fort. Ihre Elternschaft verstößt nicht gegen den ordre public-Vorbehalt (Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201). – Will die Leihmutter das Kind doch behalten, wird aber dazu gezwungen, es an die Wunscheltern herauszugeben, so beeinträchtigt dies ihre Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG. Entsprechendes gilt, wenn die Wunscheltern eine Rückgabe des Kindes verweigern, nachdem die Leihmutter ihnen das Kind zunächst freiwillig übergeben, sich kurz danach aber doch entschieden hat, es selber aufziehen zu wollen (Kapitel 3 – E.II.1.a), S. 201). In diesem Fall würde eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern die Beeinträchtigung der Menschenwürde perpetuieren. Sie verstößt somit gegen den ordre public-Vorbehalt. Befindet sich das Kind bereits längere Zeit bei den Wunscheltern und gewinnt sein Interesse an Kontinuität der Bezugspersonen Oberhand gegenüber der Prägung der Elternschaft der Wunscheltern durch deren ursprünglich grundrechtswidrige Begründung, so ist ein Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt durch die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern nicht mehr anzunehmen (Kapitel 3 – E.II.1.b), S. 205). Auch schon vor diesem Zeitpunkt verstößt eine rechtliche Elternschaft eines genetisch verwandten Wunschvaters nicht gegen den ordre public, wenn das Kind sonst keinen Vater hätte (Kapitel 3 – E.II.1.c), S. 207). Zudem ist während dieses Zeitraums bezüglich der Folgen der rechtlichen Elternschaft zu differenzieren. Manche Folgen, die das Kindeswohl fördern, sind bereits während dieses Zeitraums mit dem ordre public vereinbar, so wie etwa ein Anspruch auf Unterhalt oder die Möglichkeit der Wunscheltern, als gesetzliche Vertreter in erforderliche medizinische Behandlungen einzuwilligen (Kapitel 3 – E.II.1.d), S. 207). – Eine erzwungene Herausgabe des Kindes aus der Obhut der Leihmutter oder Verweigerung der Rückgabe nach ursprünglich freiwilliger Übergabe an die Wunscheltern verstößt ebenfalls gegen den Schutz der Intimsphäre der Leihmutter als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Auch dieses fordert einen Schutz der Leihmutter vor einer rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern im eben dargestellten Umfang (Kapitel 3 – E.II.2., S. 208).
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– Bezüglich des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit der Leihmutter bedarf es der Freiwilligkeit der Leihmutter lediglich bezüglich der körperlichen Einwirkung, also der Schwangerschaft an sich. Zwar bedroht eine erzwungene Herausgabe des Kindes die psychische Gesundheit der Leihmutter im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG. Eine Schutzpflicht ergibt sich hieraus jedoch nicht, da eine Verletzung dieses Rechts durch konkurrierende Güter gerechtfertigt werden kann (Kapitel 3 – E.II.3., S. 210). Ist die Leihmutter auch die genetische Mutter, so fordert auch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, dass sie die Elternschaft erwerben kann (Kapitel 3 – E.II.4., S. 211). – Auch das Völkerrecht verbietet eine unfreiwillige Leihmutterschaft. Die Freiwilligkeit muss auch hier die Übergabe des Kindes erfassen (Kapitel 3 – E.II.5., S. 212). – Weder Grundrechte noch Völkerrecht sprechen gegen eine Elternschaft homosexueller Wunscheltern. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt hierin nicht (Kapitel 3 – E.III., S. 213). – Eine Anonymität der Leihmutter oder der Keimzellspender verletzt das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Verletzung setzt sich jedoch nicht in der Elternschaft der Wunscheltern fort. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht vor (Kapitel 3 – E.IV., S. 214). – Ist die Leihmutter die genetische Mutter, so verletzt die Elternschaft der Wunscheltern nur dann Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, wenn die Leihmutter die rechtliche Elternschaft erwerben will (Kapitel 3 – E.V., S. 215). Ordre public im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Auch die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, welche eine Elternschaft der Wunscheltern feststellt oder begründet, verstößt nicht gegen den ordre public, § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG (Kapitel 3 – F., S. 216). Kapitel 4: Materielle Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts Ergebnisvorgaben bezüglich Abstammung des Kindes – Höherrangiges Recht kann auf zwei Wegen Vorgaben für eine Abstammung von Kindern, die durch Leihmutterschaft gezeugt wurden, enthalten: Entweder als abstrakte Vorgaben allein für die Abstammung oder als Folge von Vorgaben für die Zulässigkeit der Leihmutterschaft (Kapitel 4 – A.I., S. 221). – Grundrechte fordern keine Zulässigkeit der Leihmutterschaft. Art. 6 Abs. 1 GG schützt zwar die Familiengründung vor staatlicher Einflussnahme, enthält jedoch kein Recht auf Familiengründung unter Nutzung jeglicher technisch möglicher reproduktionsmedizinischer Verfahren (Kapitel 4 –
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A.I.1.a), S. 221). Art. 2 Abs. 2 GG mag zwar ein Recht auf Heilung von Unfruchtbarkeit im Sinne der Heilung einer körperlichen Beeinträchtigung enthalten. Die Leihmutterschaft kann jedoch nicht mehr als Heilbehandlung in diesem Sinne verstanden werden (Kapitel 4 – A.I.1.b), S. 224). Die Nutzung der Leihmutterschaft ist durch die allgemeine Handlungsfreiheit der Wunscheltern, Art. 2 Abs. 1 GG, und deren Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre als Teil ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, geschützt. Allerdings kann ein Verbot der Leihmutterschaft vor diesen Rechten gerechtfertigt werden, zumindest solange weiterhin Unklarheit über die Auswirkungen der Leihmutterschaft auf die Beteiligten besteht (Kapitel 4 – A.I.1.c), S. 225). Aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 5 GG lässt sich ein allgemeines Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren herleiten. Dieses Verbot schließt auch eine Ungleichbehandlung anhand der Umstände der Zeugung und Geburt eines Kindes unter Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren wie der Leihmutterschaft ein (Kapitel 4 – A.I.2.a)aa), S. 228). Unzulässig ist dabei auch eine Ungleichbehandlung bei der rechtlichen Eingliederung in die Familie des Kindes (Kapitel 4 – A.I.2.a)bb) S. 230). Bei der Leihmutterschaft bezieht sich dieses Gebot auf die Eingliederung in eine Familie mit den sozialen Eltern. Hat die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergeben und sind diese nun die sozialen Eltern, darf also das Kind bei Begründung der Abstammung von den Wunscheltern nicht ungleich behandelt werden (Kapitel 4 – A.I.2.a)cc), S. 230). Eine Ungleichbehandlung ist rechtfertigungsfähig, falls sonst die Verletzung anderer, gleichrangiger Güter droht oder die soziale Realität der Kinder derart voneinander abweicht, dass eine unterschiedliche Regelung zwingend ist (Kapitel 4 – A.I.2.a)dd), S. 231). Bei der Leihmutterschaft ist eine solche Ungleichbehandlung nur geboten, um die Freiwilligkeit der Übergabe des Kindes durch die Leihmutter sicherzustellen (Kapitel 4 – A.I.2.a)dd)(1), S. 232). Ein Adoptionsverfahren durchlaufen zu müssen, ist demgegenüber nicht gerechtfertigt (Kapitel 4 – A.I.2.a)dd)(2), S. 233). Auch eine Ungleichbehandlung der Wunscheltern untereinander ist bezüglich der Begründung ihrer Elternschaft im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG nicht zulässig (Kapitel 4 – A.I.2.b), S. 237). Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergeben sich keine Vorgaben für eine Elternschaft der Wunscheltern. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG fordert, dass genetisch verwandte Wunscheltern, zumindest wenn die Leihmutter ihnen das Kind freiwillig übergibt, die Elternschaft erwerben können müssen (Kapitel 4 – A.I.2.c), S. 239). Zwecks Generalprävention einem Kind die rechtliche Integration in eine Familie mit den Wunscheltern zu verwehren, weil diese eine Leihmutter-
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schaft durchgeführt haben, beeinträchtigt die Menschenwürde des Kindes, Art. 1 Abs. 1 GG (Kapitel 4 – A.I.2.d), S. 240). Befindet sich das Kind bereits in Deutschland oder ist es einfachgesetzlich bereits Deutscher im Sinne des Art. 116 GG, so kann sich das Kind problemlos auf seine Grundrechte berufen (Kapitel 4 – A.I.3.a), S. 242). Befindet sich das Kind nicht in Deutschland und ist kein Deutscher, bedarf es eines grundrechtsspezifischen Inlandsbezugs, damit auf das Kind die Grundrechte anwendbar sind (Kapitel 4 – A.I.3.b)aa), S. 244 und Kapitel 4 – A.I.3.b)bb), S. 244). Hat die Leihmutter den Wunscheltern das Kind bereits übergeben und haben die Wunscheltern somit die soziale Elternschaft übernommen, so besteht aufgrund der Familienbeziehung zu den deutschen Wunscheltern ein spezifischer Inlandsbezug, durch welchen Art. 6 GG, aber auch die allgemeinen Grundrechte, zumindest die Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 GG, anwendbar sind. Die grundrechtlichen Ergebnisvorgaben bestehen in diesen Fällen daher auch bei Auslandssachverhalten (Kapitel 4 – A.I.3.b)cc), S. 246, Kapitel 4 – A.I.3.b)dd), S. 251 und Kapitel 4 – A.I.3.c), S. 252). Eigene grundrechtliche Vorgaben aufgrund der internationalen Dynamik einer im Ausland durchgeführten Leihmutterschaft, bei der die Wunscheltern im Anschluss mit dem Kind nach Deutschland zurückkehren wollen, bestehen nicht (Kapitel 4 – A.I.4., S. 252). Wird die Leihmutterschaft im EU-Ausland durchgeführt, so hat das Kind das Recht auf Unionsbürgerfreizügigkeit aus Art. 21 AEUV (Kapitel 4 – A.II.1.a), S. 254). In Fortsetzung bisheriger Rechtsprechung des EuGH ist es als Beeinträchtigung dieses Rechts zu sehen, wenn das Kind nach der Rückkehr nach Deutschland gemäß dem hier anwendbaren Recht nicht mehr von denselben Eltern abstammt, von denen es am Geburtsort nach dem dort anwendbaren Recht abstammte (Kapitel 4 – A.II.1.b), S. 256). Diese Beeinträchtigung ist nicht gerechtfertigt (Kapitel 4 – A.II.1.c), S. 259). Auch Art. 1 ff. GR-Charta beschränken bei der Leihmutterschaft nicht das Recht des Kindes aus Art. 21 AEUV sich unter Fortbestand seiner Abstammung zwischen EU-Mitgliedstaaten zu bewegen (Kapitel 4 – A.II.1.d), S. 264). Art. 8 Abs. 1 EMRK schützt die Entscheidung zur Familiengründung und zur Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren. Ein Verbot der Leihmutterschaft ist daher rechtfertigungsbedürftig. Wegen des fehlenden Konsenses in Europa zur Zulässigkeit der Leihmutterschaft und wegen deren noch nicht gänzlich geklärter Folgen, steht den Konventionsstaaten bei der Entscheidung, ob sie Leihmutterschaft zulassen, ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Solange ein Konsens nicht besteht und die Folgen der Leihmutterschaft nicht hinreichend geklärt sind, ist ein Verbot der Leihmutterschaft zulässig (Kapitel 4 – A.III.1.a), S. 268). Die Leihmutterschaft muss
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auch nicht im Hinblick auf Art. 2 und 8 EMRK als Heilbehandlung zugelassen werden (Kapitel 4 – A.III.1.b), S. 271). Art. 8 Abs. 1 EMRK schützt die rechtliche Integration eines Kindes in seine Familie (Kapitel 4 – A.III.2.a)bb), S. 274). Hat die Leihmutter das Kind freiwillig den Wunscheltern übergeben, ist die Beziehung zu den Wunscheltern die dabei entscheidende Familie (Kapitel 4 – A.III.2.a)aa), S. 273). Verhindern oder erschweren die Konventionsstaaten die Begründung der Abstammung des Kindes von den Wunscheltern ist dies zu rechtfertigen. Wegen der Bedeutung der Abstammung für das Kind steht den Konventionsstaaten dabei – im Gegensatz zu der Frage der Zulässigkeit der Leihmutterschaft – trotz des fehlenden Konsenses und der unklaren Folgen der Leihmutterschaft kein weiter, sondern ein enger Einschätzungsspielraum zu (Kapitel 4 – A.III.2.a)cc)(1), S. 275). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu rechtfertigen, wenn die rechtliche Abstammung von den Wunscheltern verweigert oder unnötig erschwert wird (Kapitel 4 – A.III.2.a)cc)(2), S. 277). Auch Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 EMRK fordert eine ungehinderte Integration des Kindes in die Familie der Wunscheltern (Kapitel 4 – A.III.2.b)aa), S. 279). Dasselbe gilt für Art. 2 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention (Kapitel 4 – A.III.2.b)bb), S. 281). Unmittelbare und eigenständige Vorgaben für die rechtliche Integration des Kindes in die Familie der Wunscheltern enthält der Schutz des Kindeswohls durch Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention daneben nicht (Kapitel 4 – A.III.2.c), S. 282). Ein Vergleich mit der bisherigen Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anlässlich von Rechtsprechung der französischen Cour de cassation bestätigt die gefundenen Ergebnisse (Kapitel 4 – A.IV., S. 284). Auch bei einer entgeltlichen Leihmutterschaft bestehen dieselben Vorgaben für die rechtliche Integration des Kindes in die Familie der Wunscheltern (Kapitel 4 – A.V.1., S. 291). Wurde die Leihmutter zur Übergabe des Kindes gezwungen oder wurde die Rückgabe kurz nach einer ursprünglich freiwilligen Übergabe verweigert, so darf das Kind grundsätzlich nicht in die Familie der Wunscheltern integriert werden, es sei denn, das Kind befindet sich bereits so lange bei den Wunscheltern, dass sein Interesse an Kontinuität seiner Bezugspersonen Oberhand gewonnen hat. In diesem Fall muss das Kind rechtlich in eine Familie mit den Wunscheltern integriert werden können (Kapitel 4 – A.V.2., S. 293). Bei homosexuellen Wunscheltern konnte nur festgehalten werden, dass die Integration des Kindes in eine Familie mit den Wunscheltern nicht wegen der Durchführung der Leihmutterschaft gegenüber sonstigen Fällen der Elternschaft homosexueller Paare erschwert werden darf (Kapitel 4 – A.V.3., S. 295).
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Bisherige Umsetzung der Vorgaben – Bei inländischen Leihmutterschaften werden die verfassungs- und völkerrechtlichen Ergebnisvorgaben nicht eingehalten. Das Kind wird entgegen dem Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund geburtsbedingter Faktoren bei der rechtlichen Integration in eine Familie mit den Wunscheltern benachteiligt und die Wunschmutter wird entgegen Art. 3 Abs. 2 GG beim Erwerb der Mutterschaft gegenüber dem Wunschvater benachteiligt. Eine Abstammung von der Wunschmutter ist nie ohne Adoption möglich, eine solche vom Wunschvater nur bei einer unverheirateten Leihmutter. Sind die Wunscheltern die genetischen Eltern, verstößt dies auch gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, zumindest wenn die Leihmutter das Kind den Wunscheltern freiwillig übergeben hat. Wird die Abstammung von den Wunscheltern verhindert, um generalpräventiv Leihmutterschaften zu verhindern, so ist dies nicht mit der Menschenwürde des Kindes vereinbar, Art. 1 Abs. 1 GG. Ist die Leihmutter unverheiratet, so kann der Wunschvater zwar die Vaterschaft erwerben. Ist er der genetische Vater, ist dies jedoch auch gegen den Willen der Leihmutter möglich. Dies ist nicht mit der Menschenwürde der Leihmutter vereinbar, sofern die Leihmutter einen anderen Partner hat, der mit ihr die soziale Elternschaft wahrnehmen würde (Kapitel 4 – B.I., S. 298). – Nach oben vertretener Auslegung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts ist eine Erfüllung der Vorgaben des Verfassungs-, Völker- und Europarechts in mehr Fällen als bei einer inländischen Leihmutterschaft möglich. Neben dem Fall der unverheirateten Leihmutter ist eine rechtliche Abstammung des Kindes von den Wunscheltern möglich, wenn eine entsprechende ausländische Entscheidung besteht, die anerkannt werden kann, §§ 108 f. FamFG, oder wenn am Geburtsort ein gewöhnlicher Aufenthalt besteht oder bestand beziehungsweise wenn mangels Bestimmbarkeit einer Abstammung anhand von Art. 19 Abs. 1 S. 2 und 3 EGBGB mangels eines gewöhnlichen Aufenthalts auf einen reinen Aufenthalt am Geburtsort zurückgegriffen wird. Auch bei einer solchen Auslegung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts bestehen jedoch noch zahlreiche Fälle, in denen die Vorgaben des höherrangigen Rechts nicht erfüllt werden (Kapitel 4 – B.II.1., S. 299). – Deutlich weiter von den Vorgaben des höherrangigen Rechts war die weite Mehrzahl der Entscheidungen der bisherigen deutschen Rechtsprechung entfernt. Dies lag insbesondere an der Zurückhaltung gegenüber der Anwendung des Rechts des Geburtsortes im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB, der teilweise fehlerhaften Anwendung des ausländischen, insbesondere indischen Rechts, der Verweigerung der Anerkennung mancher ausländischer Entscheidungen und vor allem an der weitreichenden Annahme eines ordre public-Verstoßes. Vereinzelte neuere Entscheidungen
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brachen jedoch mit dieser Rechtsprechungslinie und lehnten einen ordre public-Verstoß einer Elternschaft der Wunscheltern ab. Im Dezember 2014 stellte auch der Bundesgerichtshof fest, dass eine Elternschaft der Wunscheltern zumindest nicht gegen den zurückhaltenderen verfahrensrechtlichen ordre public verstoße. Ob diese Entscheidung auch im Rahmen des Internationalen Privatrechts zu einer weitergehenden Berücksichtigung einer Elternschaft der Wunscheltern führen wird, bleibt abzuwarten (Kapitel 4 – B.II.2.a), S. 301). Im Rahmen einer Adoption legen die Gerichte einer Abstammung von den Wunscheltern unzulässiger Weise weitere Steine in den Weg durch Anwendung der verschärften Adoptionsvoraussetzung des § 1741 Abs. 1 S. 2 und dabei einer sehr restriktiven Annahme der Erforderlichkeit der Adoption für das Kindeswohl (Kapitel 4 – B.II.2.b), S. 312). Umsetzung der Vorgaben des höherrangigen Rechts – Durch eine verfassungs- und völkerrechtskonforme Auslegung von § 1600 Abs. 5 BGB und Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist eine teilweise, aber nicht vollständige Erfüllung der Ergebnisvorgaben des höherrangigen Rechts de lege lata möglich. Solange das einfache Recht nicht an diese Vorgaben angepasst wurde, sind im Rahmen einer Adoption durch die Wunscheltern, soweit es möglich ist, die Vorgaben zu berücksichtigen (Kapitel 4 – C.I., S. 321). – Eine umfassende Erfüllung der Vorgaben ist nur durch gesetzgeberisches Handeln möglich. Möglich wäre dabei die Einführung einer speziellen Kollisionsnorm sowie eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahrens zur Anerkennung der Elternschaft der Wunscheltern. Verbunden werden kann dies mit einem internationalen Übereinkommen, welches auch gewisse Mindeststandards für die Durchführung von Leihmutterschaften enthalten könnte (Kapitel 4 – C.II., S. 325).
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Rechtsprechungsverzeichnis
BVerfG 16.1.1957, Az. 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 BVerfG 17.1.1957, Az. 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 BVerfG 29.7.1959, Az. 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58, BVerfGE 10, 59 BVerfG 30.6.1964, Az. 1 BvR 93/64, BVerfGE 18, 112 BVerfG 25.10.1966, Az. 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 BVerfG 18.7.1967, Az. 2 BvF 3, 4, 5, 6, 7, 8/62; 2 BvR 139, 140, 334, 335/62, BVerfGE 22, 180 BVerfG 29.7.1968, Az. 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67, BVerfGE 24, 119 BVerfG 29.1.1969, Az. 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167 BVerfG 15.1.1970, Az. 1 BvR 13/68, NJW 1970, 555 BVerfG 15.12.1970, Az. 2 BvL 17/67, BVerfGE 30, 47 BVerfG 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 BVerfG 25.2.1975, Az. 1 BvF 1-6/74, BVerfGE 39, 1 BVerfG 18.6.1975, Az. 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121 BVerfG 21.6.1977, Az. 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 BVerfG 11.10.1978, Az. 1 BvR 16/72, BVerfGE 49, 286 BVerfG 1.3.1979, Az. 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 BVerfG 20.12.1979, Az. 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 BVerfG 14.1.1981, Az. 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54 BVerfG 26.5.1981, Az. 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 BVerfG 30.11.1982, Az. 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323 BVerfG 22.2.1983, Az. 1 BvL 17/81, NJW 1983, 1968 BVerfG 16.12.1983, Az. 2 BvR 1160, 1565, 1714/83, BVerfGE 66, 39 BVerfG 8.1.1985, Az. 1 BvR 830/83, NJW 1985, 1282 BVerfG 18.11.1986, Az. 1 BvR 1365/84, BVerfGE 74, 33 BVerfG 13.1.1987, Az. 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, 102 BVerfG 26.3.1987, Az. 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, 358 BVerfG 12.5.1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1 BVerfG 18.1.1988, Az. 1 BvR 1589/87, NJW 1988, 3010 BVerfG 30.11.1988, Az. 1 BvR 1301/84, NJW 1989, 1271 BVerfG 31.1.1989, Az. 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891 BVerfG 18.4.1989, Az. 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 BVerfG 6.6.1989, Az. 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 BVerfG 12.3.1991, Az. 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133 BVerfG 7.5.1991, Az. 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168 BVerfG 1.10.1991, Az. 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, BVerfGE 85, 191 BVerfG 28.5.1993, Az. 2 BvF 2/90 und 4-5/92, BVerfGE 88, 203 BVerfG 6.5.1997, Az. 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869 BVerfG 12.11.1997, Az. 1 BvR 479/92 und 307/94, BVerfGE 96, 375 BVerfG 11.8.1999, Az. 1 BvR 2181-98 u. a., NJW 1999, 3399 BVerfG 17.7.2002, Az. 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313 BVerfG 4.12.2002, Az. 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27 BVerfG 9.4.2003, Az. 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151 BVerfG 3.3.2004, Az. 1 BvR 2378/98 u. 1 BvR 1084/99, NJW 2004, 999 BVerfG 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 BVerfG 6.12.2005, Az. 1 BvR 347/98, NJW 2006, 891 BVerfG 20.9.2006, Az. 1 BvR 1337/06, FamRZ 2006, 1661 BVerfG 26.2.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137 BVerfG 13.10.2008, Az. 1 BvR 1548/03, NJW 2009, 423
Rechtsprechungsverzeichnis BVerfG 13.11.2008, Az. 1 BvR 1192/08, NJW 2009, 425 BVerfG 2.7.2010, Az. 1 BvR 666/10, NJW 2011, 2011 BVerfG 22.8.2012, Az. 1 BvR 573/12, NJW-RR 2013, 1 BVerfG 19.2.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847 BVerfG 4.12.2013, Az. 1 BvR 1154/10 BVerfG 17.12.2013, Az. 1 BvL 6/10, FamRZ 2014, 449 BVerfG 16.12.2014, Az. 1 BvR 2142/11, juris BVerwG 4.11.1965, Az. I C 6.63, BVerwGE 22, 286 BVerwG 15.7.1980, Az. 1 C 45/77 (Lüneburg), NJW 1981, 1168 BVerwG 15.12.1981, Az. 1 C 232.79, BVerwGE 64, 274 BVerwG 30.4.1985, Az. 1 C 33/81 (Münster), NJW 1985, 2097 BVerwG 11.2.1987, Az. 1 B 129/86, NVwZ 1987, 411 BVerwG 30.1.1990, Az. 1 C 26.87, BVerwGE 84, 314 BVerwG 29.10.1992, Az. 2 C 24/90 (Kassel), NVwZ 1993, 696 BVerwG 22.10.1998, Az. 2 WD 11–98, NVwZ-RR 1999, 321 BVerwG 18.9.2001, Az. 1 C 17/00 (Mannheim), NVwZ 2002, 339 BVerwG 24.10.2001, Az. 6 C 3/01 (Münster), NVwZ 2002, 598 BVerwG 6.11.2002, Az. 6 C 16/02 (München), NVwZ 2003, 603 BVerwG 11.11.2010, Az. 5 C 12/10 (VGH München), NVwZ 2011, 760 KG Berlin 19.3.1985, Az. 1 W 5729/84, NJW, 2201 KG Berlin 4.4.2006, Az. 1 W 369/05, FamRZ, 1405 KG Berlin 23.9.2010, Az. 1 W 70/08, NJW 2011, 535 KG Berlin 3.4.2012, Az. 1 W 557/11, FamRZ, 1515 KG Berlin 1.8.2013, Az. 1 W 413/12, IPRax 2014, 72 LG Düsseldorf 15.3.2012, Az. 25 T 758/10, juris LG Frankfurt a. M. 3.8.2012, Az. 2-09 T 50/11, NJW 2012, 3111 LG Fulda 23.2.1996, Az. 5 T 24/96, StAZ 1996, 271 LG Leipzig 31.7.2001, Az. 01 T 4670/01, StAZ 2002, 146 OLG Breslau 9.5.1938, Az. 8 U 2266/37, IPRspr. 1935–1944 Nr. 313, 661 OLG Celle 10.3.2011, Az. 17 W 48/10, IPRax 2012, 544 OLG Düsseldorf 26.4.2013, Az. I-3 Wx 211/12, IPRax 2014, 77 OLG Frankfurt a. M. 31.8.2001, Az. 4 WF 57/01, FamRZ 2001, 688 OLG Frankfurt a. M. 14.7.2014, Az. 20 W 374/13, juris OLG Hamm 7.4.1983, Az. 3 Ss OWi 2007/82, NJW 1985, 2205 OLG Hamm 2.12.1985, Az. 11 W 18/85, NJW 1986, 781 OLG Hamm 18.1.1999, Az. 4 UF 135/98, FamRZ 1999, 1519 OLG Hamm 18.6.2004, Az. 9 UF 153/02, FamRZ 2004, 291 OLG Hamm 7.4.2008, Az. 15 Wx 8/08, FamRZ 2009, 126 OLG Hamm 1.12.2009, Az. 15 Wx 236/09, NJW 2004, 2065 OLG Hamm 6.2.2013, Az. I-14 U 7/12, NJW 2013, 1167 OLG Karlsruhe 25.11.1996, Az. 11 Wx 79/96, FamRZ 1998, 56 OLG Koblenz 12.12.2006, Az. 11 UF 203/06, FamRZ 2007, 2098 OLG Nürnberg 25.4.2005, Az. 7 WF 350/05, FamRZ 2005, 1697 OLG Oldenburg 11.3.2004, Az. 11 UF 11/04, NJW-RR 2004, 871 OLG Schleswig 19.8.2002, Az. 2 W 6/02, FamRZ 2003, 781 OLG Stuttgart 7.2.2012, Az. 8 W 46/12, juris OVG Berlin-Brandenburg 6.7.2011, Az. OVG 5 S 13.11, juris VG Berlin 1.12.2000, Az. 35 A 570/99, NJW 2001, 983 VG Berlin 26.11.2009, Az. 11 L 396.09, juris
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Rechtsprechungsverzeichnis
VG Berlin 15.4.2011, Az. 23 L 79.11, juris VG Berlin 5.9.2012, Az. 23 L 283.12, IPRax 2014, 80 VG Köln 20.2.2013, Az. 10 K 6710/11, juris VG Köln 13.11.2013, Az. 10 K 2043/12, juris VG Minden 1.10.1987, Az. 2 K 2320/86, NVwZ 1988, 666 VG Neustadt 21.5.1992, Az. 7 L 1271/92, NVwZ 1993, 98 VGH Mannheim 11.11.1987, Az. 6 S 793/86, NVwZ 1988, 640 VGH München 5.6.1986, Az. 22 B 83 A.2512 u. 2707, NVwZ 1987, 1034
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR 13.6.1979, Az. 6833/74, Marckx v. Belgium, NJW 1979, 2449 EGMR 22.10.1981, Az. 7525/76, Dudgeon v. the United Kingdom EGMR 26.3.1985, Az. 8978/80, X. and Y. v. the Netherlands EGMR 28.5.1985, Az. 9214/80, 9473/81, 9474/81, Abdulaziz, Cabales und Balkandali v. the United Kingdom, NJW 1986, 3007 EGMR 18.12.1986, Az. 9697/82, Johnston and others v. Ireland EGMR 24.3.1988, Az. 10465/83, Olsson v. Sweden (No. 1) EGMR 26.5.1994, Az. 16969/90, Keegan v. Ireland EGMR 27.10.1994, Az. 18535/91, Kroon and others v. the Netherlands EGMR 22.4.1997, Az. 21830/93, X., Y. and Z. v. the United Kingdom EGMR 28.10.1998, Az. 113/1997/897/1109, Söderbäck v. Sweden EGMR 21.12.1999, Az. 33290/96, Salgueiro da Silva Mouta v. Portugal EGMR 6.2.2001, Az. 44599/98, Bensaid v. the United Kingdom, NVwZ 2002, 453 EGMR 12.7.2001, Az. 25702/94, K. and T. v. Finland EGMR 7.2.2002, Az. 53176/99, Mikulić v. Croatia EGMR 26.2.2002, Az. 36515/97, Fretté v. France EGMR 26.2.2002, Az. 46544/99, Kutzner v. Germany EGMR 29.4.2002, Az. 2346/02, Pretty v. the United Kingdom, NJW 2002, 2851 EGMR 11.7.2002, Az. 28957/95, Christine Goodwin v. the United Kingdom, NJW-RR 2004, 289 EGMR 13.2.2003, Az. 42326/98, Odièvre v. France EGMR 8.7.2003, Az. 31871/96, Sommerfeld v. Germany EGMR 27.2.2007, Az. 11002/05, Associated Society of Locomotive Engineers & Firemen (ASLEF) v. the United Kingdom EGMR 10.4.2007, Az. 6339/05, Evans v. the United Kingdom EGMR 28.6.2007, Az. 76240/01, Wagner and J.M.W.L. v. Luxembourg EGMR 4.12.2007, Az. 44362/04, Dickson v. the United Kingdom EGMR 13.12.2007, Az. 39051/03, Emonet and others v. Switzerland EGMR 22.1.2008, Az. 43546/02, E. B. v. France, NJW 2009, 3637 EGMR 18.3.2008, Az. 33375/03, Hülsmann v. Germany, NJW-RR 2009, 1585 EGMR 7.4.2009, Az. 4914/03, Turnali v. Turkey EGMR 27.4.2010, Az. 16318/07, Moretti et Benedetti v. Italy EGMR 24.6.2010, Az. 30141/04, Schalk and Kopf v. Austria EGMR 22.7.2010, Az. 18984/02, P.B. and J.S. v. Austria EGMR 2.11.2010, Az. 3976/05, Şerife Yiğit v. Turkey EGMR 16.12.2010, Az. 25579/05, A., B. and C. v. Ireland EGMR 3.11.2011, Az. 57813/00, S.H. and others v. Austria EGMR 4.10.2012, Az. 43631/09, Harroudj v. France
Rechtsprechungsverzeichnis
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EGMR 13.12.2012, Az. 39630/09, El-Masri v. the former Yugoslav Republic of Macedonia EGMR 9.7.2013, Az. 66069/09, 130/10 and 3896/10, Vinter a.o. v. the United Kingdom EGMR 26.6.2014, Az. 65941/11, Labassee v. France EGMR 26.6.2014, Az. 65192/11, Mennesson v. France EGMR 27.1.2015, Az. 25358/12, Paradiso and Campanelli v. Italy
Frankreich Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 369 – 09-66.486 Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 370 – 10-19.053 Cass. civ. 1ère 6.4.2011, n° 371 – 09-17.130 Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1091 – 12-30.138 Cass. civ. 1ère 13.9.2013, n° 1092 – 12-18.315 Cass. civ. 1ère 19.3.2014, n° 281 – 13-50.005, Recueil Dalloz 2014, 905
Gerichtshof der Europäischen Union EuGH 15.7.1964, Rs. 6/64, Flaminio Costa v. E.N.E.L. EuGH 17.12.1970, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft MBH, Frankfurt am Main v. Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Frankfurt am Main EuGH 13.7.1972, Rs. 48/71, Kommission der Europäischen Gemeinschaften v. Italienische Republik EuGH 28.7.1977, Rs. 106/77, Staatliche Finanzverwaltung v. S.p.A. Simmenthal EuGH 27.10.1977, Rs. 30/77, Pierre Bouchereau, Slg. 1977, 2000 EuGH 20.2.1979, Rs. 120/78, Rewe-Zentral-AG, Köln, v. Bundesmonopolverwaltung für Branntwein EuGH 3.6.1986, Rs. 139/85, R. H. Kempf v. Staatssecretaris van Justitie EuGH 18.6.1991, C-260/89, Elliniki Radiophonia Tileorassi Anonimi Etairia, Streithelferin: Panellinia omospondia syllogon prosopikou ERT v. Dimotiki Etairia Pliroforisis (DEP), Sotirios Kouvelas, Streithelfer: Nikolaos Avdellas u. a. EuGH 7.7.1992, C-369/90, Mario Vicente Micheletti u. a. v. Delegación del Gobierno en Cantabria EuGH 9.3.1999, C-212/97, Centros Ltd v. Erhvervs- og Selskabsstyrelsen EuGH 21.10.1999, C-378/97, Florus Ariël Wijsenbeek EuGH 11.4.2000, C-356/98, Arben Kaba gegen v. Secretary of State for the Home Department EuGH 9.11.2000, C-357/98, The Queen v. Secretary of State for the Home Department, ex parte Nana Yaa Konadu Yiadom EuGH 11.7.2002, C-224/98, Marie-Nathalie D’Hoop v. Office national de l’emploi EuGH 17.9.2002, C-413/99, Baumbast und R. v. Secretary of State for the Home Department EuGH 5.11.2002, C-208/00, Überseering BV v. Nordic Construction Company Baumanagement GmbH (NCC) EuGH 12.6.2003, C-112/00, Eugen Schmidberger, Internationale Transporte und Planzüge v. Republik Österreich EuGH 30.9.2003, C-167/01, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam v. Inspire Art Ltd EuGH 2.10.2003, C-148/02, M. Carlos Garcia Avello v. Belgischer Staat, Slg. 2003 I, 11635
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Rechtsprechungsverzeichnis
EuGH 29.4.2004, verbundene Rs. C-482/01 und C-493/01, Georgios Orfanopoulos, Natascha Orfanopoulos, Melina Orfanopoulos, Sofia Orfanopoulos v. Land Baden-Württemberg (C-482/01) und Raffaele Oliveri v. Land Baden-Württemberg (C-493/01) EuGH 7.9.2004, C-456/02, Michel Trojani v. Centre public d’aide sociale de Bruxelles (CPAS) EuGH 19.10.2004, C-200/02, Kunqian Catherine Zhu, Man Lavette Chen v. Secretary of State for the Home Department, Slg. 2004 I, 9951 EuGH 30.6.2005, C-96/04, Standesamt Stadt Niebüll – Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs, Slg. 2006 I, 3563 EuGH 13.12.2005, C-411/03, SEVIC Systems AG EuGH 11.9.2007, C-76/05, Herbert Schwarz, Marga Gootjes-Schwarz v. Finanzamt Bergisch Gladbach EuGH 11.9.2007, C-318/05, Kommission der Europäischen Gemeinschaften v. Bundesrepublik Deutschland EuGH 23.10.2007, verbundene Rs. C-11/06 und 12/06, Rhiannon Morgan v. Bezirksregierung Köln (C‑11/06) und Iris Bucher v. Landrat des Kreises Düren (C‑12/06) EuGH 24.4.2008, C-353/06, Stefan Grunkin und Dorothee Regina Paul (Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Flensburg) – Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston, Slg. 2008 I, 7639 EuGH 22.5.2008, C-499/06, Halina Nerkowska v. Zakład Ubezpieczeń Społecznych Oddział w Koszalinie EuGH 14.10.2008, C-353/06, Stefan Grunkin und Dorothee Regina Paul (Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Flensburg), Slg. 2008 I, 7639 EuGH 2.4.2009, C-523/07, A., IPRax 2011, 76 EuGH 2.3.2010, C-135/08, Rottmann v. Freistaat Bayern, NVwZ 2010, 509 EuGH 22.12.2010, C-497/10, Barbara Mercredi v. Richard Chaffe EuGH 22.12.2010, C-208/09, Ilonka Sayn-Wittgenstein v. Landeshauptmann von Wien EuGH 5.4.2011, C-108/10, Ivana Scattolon v. Ministero dell’Istruzione, dell’Università e della Ricerca – Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot EuGH 26.2.2013, C-617/10, Åklagare v. Hans Åkerberg Fransson EuGH 18.3.2014, C-363/12, Z. v. A Government department, The Board of management of a community school EuGH 18.3.2014, C-167/12, C. D. v. S. T.
Indien District Court Saket, New Delhi 10.3.2011, Case No. 144/11, Ezadi Chamkhorami v. Singh, abzurufen unter High Court of Delhi 2.7.2009, Writ Petition (C) No.7455/2001, Naz Foundation v. Government of NCT of Delhi High Court of Gujarat at Ahmedabad 11.11.2009, Special Civil Application No. 3020/ 2008, Jan Balaz v. Anand Municipality and Others Supreme Court of India 29.9.2008, Writ Petition (C) No. 369/2008, Baby Manji Yamada v. Union of India (UOI) and Anr. Supreme Court of India 11.12.2013, Civil Appeal No. 10972/2013, Suresh Kumar Koushal and another v. NAZ Foundation and others
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Österreich VfGH 14.12.2011, Az. B 13/11-10 VfGH 11.10.2012, Az. B 99/12 u. a.
Vereinigte Staaten von Amerika Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.6.1994, In re the Marriage of Cynthia J. and Robert P. Moschetta. Cynthia J. Moschetta, Respondent, v. Robert P. Moschetta, Appellant; Elvira Jordan, Intervener and Respondent., 25 Cal.App.4th 1218 Court of Appeal, Fourth District, Division 3, California 10.3.1998, In re Marriage of John A. and Luanne H. Buzzanca. John A. Buzzanca, Respondent, v. Luanne H. Buzzanca, Appellant., 61 Cal.App.4th 1410 Supreme Court of California 20.5.1993, Anna Johnson, Plaintiff and Appellant, v. Mark Calvert et al., Defendants and Respondents, 5 Cal.4th 84 Supreme Court of New Jersey 3.2.1988, In the Matter of Baby “M”, 109 N.J. 396 Supreme Court of Tennessee 1.6.1992, Davis v. Davis, 842 S.W.2d 588 Supreme Court of the United States of America 1.3.2005, Donald P. Roper, Superintendent, Potosi Correctional Center, Petitioner, v. Christopher Simmons, 543 U.S. 551
Vereinigtes Königreich High Court of Justice Family Division 28.11.2007, Re G (Surrogacy: Foreign Domicile), [2007] EWHC 2814 (Fam) High Court of Justice Family Division 9.12.2008, Re: X & Y (Foreign Surrogacy), [2008] EWHC 3030 (Fam) High Court of Justice Family Division 28.9.2012, Re D (Children) (Surrogacy: Parental Order), [2012] EWHC 2631 (Fam) High Court of Justice Family Division 14.2.2013, Re A (Parental Order: Domicile), [2013] EWHC 426 (Fam) High Court of Justice Family Division 26.3.2013, J v. G (Parental Orders), [2013] EWHC 1432 (Fam)
Sachverzeichnis abgestuftes Abstammungsrecht 232 Abschreckung 158–159, 236, 240–241, 262, 263, 282, 288–289, 315–316, siehe auch Gesetzesumgehung absolutes Gleichheitsgebot siehe Gleichheitssatz Abstammung − Deutschland 21–28, 56–61, 72–74, 298–318 − europarechtliche Vorgaben 256–267 − Griechenland 78–80, 125 − grundrechtliche Vorgaben 227–242 − Indien 84–88, 120–121 − Israel 82–84, 121–122, 124 − Kalifornien 74–76, 119–120 − menschenrechtliche Vorgaben 272– 283 − Rechtsvergleich 72–88 − Ukraine 77–78 − Vereinigtes Königreich 80–81, 106– 107, 123 − völkerrechtliche Vorgaben 272–283 − Vorgaben 227–242 Abtreibung 202 Abwägung 269–271, 277–279, siehe auch Verhältnismäßigkeit Abwehrfunktion 138–144 Adoption 2, 23–24, 26, 27–28, 232–236, 322–323 − als Ungleichbehandlung 232–236, 238 − verkürztes Verfahren 326–328 − Voraussetzungen 23–24, 312–317 allgemeine Handlungsfreiheit 225–227 allgemeines Persönlichkeitsrecht 208– 210, 214, 225–227 Ammenmutterschaft siehe Leihmutterschaft Anerkennung 111–131 − Beurkundung bzw. Registrierung 115–117
− − − − −
Gestaltungswirkung 118, 122–124 Feststellungswirkung 118, 119–122 mittelbarer Folgen 118–119, 124–128 Umfang 118–129 unmittelbarer Folgen 118–124 Anerkennungsverfahren 326–328 Anerkennungszuständigkeit 129–131 Anonymität der (Keimzell-)Spender 214 Anonymität der Leihmutter 214 Anwendungsbereich − Art. 19 Abs. 1 EGBGB 29–30 − Freizügigkeit 254–259 − Grundrechte 137, 126–147, 242–251 − Grundrechtecharta 264–267 − Unionsbürgerfreizügigkeit 254–259 Art. 19 Abs. 1 EGBGB 29–110 − Anwendbarkeit 29–30 − Auslegung 29–110, insbes. 68–69, 89–90, 97–103; 323–324 − Reform 325–326 − Struktur 30–32, 66–67 − telos 48 Aufenthaltsort 323–324 − einfacher 101–103 − gewöhnlicher siehe gewöhnlicher Aufenthalt Auslandsbezug 137, 146–147, 148 Auslandssachverhalte 137, 126–147, 148, 242–251 Ausbeutung 195–199 Auslegung − Art. 19 Abs. 1 EGBGB 29–110, insbes. 68–69, 89–90, 97–103; 323– 324 − Elternteil 68–69 − Entscheidung 112–118 − europarechtskonforme 320–325 − gewöhnlicher Aufenthalt siehe gewöhnlicher Aufenthalt − Mutter 89–90
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Sachverzeichnis
− verfassungskonforme 94, 320–325 − völkerrechtskonforme 320–325
Ausgestaltung der Leihmutterschaft 73, 327–328 autonome Auslegung des IPR 55, 68–69, 89–90 Begriffsklärung 12–13 behördliches Mitwirken siehe gerichtliches Mitwirken Beiwohnen 26 best practice 73, 327–328 Beurkundung siehe Anerkennung, Beurkundung bzw. Registrierung; siehe gerichtliches Mitwirken Bundesgerichtshof 310–312 Bundesverfassungsgericht 65, 136–139, 146–147, 151–154, 160, 208, 211, 214, 230–231, 247 Cour de cassation 285–287 de lege ferenda 325–328 de lege lata 320–325 Definition Leihmutterschaft 12–13 deklaratorisch 117, 118 Demütigung 170–172 Deutschland − Abstammung 21–28, 56–61, 72–74, 298–318 − Rechtsprechung 2, 301–318 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 8, 9, 17–21 Differenzierung nach Rechtsfolgen 207– 208, 236 Diskriminierung siehe Gleichheitssatz domicile siehe Domizil-Prinzip domicile of dependency 41, 42 Domizil-Prinzip 39–41, 41–42, 81 Doppelstaater 70–71 Ehewirkungsstatut 88–95 Eingriffsnorm siehe Generalprävention; siehe Gesetzesumgehung Einreise 2, 32, 87, 98, 99–101, 193 Einschätzungsspielraum 269–271, 272, 275–276 Elternalternativität 50–68 Elternhäufung 106–110
Elternlosigkeit 88, 95, 102–103, 207, siehe auch Vaterlosigkeit Elternrecht 151–155, 211–212, 213, 215, 239–240 Elternschaft − als Stellung 149–157, insbes. 149–150 − siehe auch Abstammung Elternschaftsdekret siehe Abstammung, Israel; siehe Anerkennung, Gestaltungsurteil; siehe gerichtliches Mitwirken, Israel Elternteil 68–69 Elternwechsel 252, 257–259 England 40–41, siehe auch Vereinigtes Königreich entgeltliche Leihmutterschaft 194–199, 291–292 − Griechenland 194 − Indien 194 − Israel 194 − Kalifornien 194 − Ukraine 194 − Vereinigtes Königreich 194 − Verfassungsrecht 194–199 − Völkerrecht 199 Entscheidung 112–118 entwürdigende Behandlung 170–172 erga omnes 119, 123, 128–129 Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts 219–297 − Abstammung 227–242, 256–267, 272–283 − Umsetzung 298–320, 320–328 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 221–227, 268–272 Ergebnisvorgaben nationalen Rechts 55– 56 Ersatzmutterschaft siehe Leihmutterschaft erzwungene Herausgabe des Kindes 199–212, 293–294 − Griechenland 200 − Indien 200 − Israel 200 − Kalifornien 200 − Ukraine 200 − Vereinigtes Königreich 200 − Verfassungsrecht 201–212, 293 − Völkerrecht 212, 293–294
Sachverzeichnis EU-Grundrechtecharta siehe Grundrechtecharta Eugenik 183 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 287–290, siehe auch MarckxEntscheidung; siehe auch ParadisoEntscheidung; siehe auch X., Y. und Z.-Entscheidung Europarecht 253–267, siehe auch Freizügigkeit; siehe auch Grundrechtecharta europarechtliche Vorgaben 256–267 europarechtskonforme Auslegung 320– 325 extraterritoriale Anwendung von Grundrechten 126–147, insbes. 137; 242– 251 Familiengründung 221–223, 224, 268– 271 Familienleben 268–271, 272–279, 287– 290 Familiennachzug 247–251 Familienstatut 89 Feststellung der genetischen Abstammung 120–122, 127 Feststellungsurteil siehe Abstammung, Kalifornien; siehe Anerkennung, Feststellungswirkung Fortpflanzung 221–223, 224, 268–271 Frankreich 8, 285–287 fraus legis 134–135, 186–190, 236, siehe auch Generalprävention Freiwilligkeit 161–162, siehe auch erzwungene Herausgabe des Kindes Freizügigkeit 254–267, 296 − Anwendungsbereich 254–259 − Schranken 259–267 − ungeschriebene Schranke 261–263 geburtsbedingte Faktoren 228–236, 280– 281 Geburtsort 98–103, 323–324 Geburtsregister 32, 115–117 Geburtsurkunde 86, 115–117, siehe auch Anerkennung, Beurkundung bzw. Registrierung Geltung der Grundrechte im Ausland 137, 126–147, 242–251
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Generalprävention 158–159, 236, 240– 241, 262, 263, 282, 288–289, 315– 316, siehe auch Gesetzesumgehung genetische Abstammung 120–122, 127, 151–155 genetische Lüge 60 genetische Wahrheit 53–54, 60 gerichtliches Mitwirken 112–115 − Griechenland 113, 116, 125–126 − Indien 114, 116, 120–121 − Israel 113–114, 115, 121–122, 124 − Kalifornien 113, 116, 119–120, 129 − Rechtsvergleich 112–114 − Ukraine 114 − Vereinigtes Königreich 113, 123, 129 geschlechtsspezifische Anknüpfung 92– 94 geschlechtsspezifisches Abstammungsrecht 237–239 Gesetzesumgehung 134–135, 186–190, 236, siehe auch Generalprävention gespaltene Rechtsordnungen 34–37, 38, 39–40 Gestaltungsurteil 118, 122–124 Gesundheitssorge 207 gewöhnlicher Aufenthalt 95–105, 130– 131, 323–324 − Minderjähriger 97 Gleichbehandlung siehe Gleichheitssatz gleichgeschlechtliche Paare 94–95, 213– 214, 295–296 − Adoption 27–28 − Elternschaft 27–28 − Griechenland 213 − Indien 213 − Israel 213 − Kalifornien 213 − Ukraine 213 − Vereinigtes Königreich 213 − Verfassungsrecht 213, 295–296 − Völkerrecht 214, 296 Gleichheitssatz 27, 92–94, 228–236, 237–239, 279–281, 293, 295–296, 315–316 − geburtsbedingte Faktoren 228–236, 280–281 Gleichstellung der Rechtsfolgen 118 Griechenland 253 − Abstammung 78–80, 125
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Sachverzeichnis
− entgeltliche Leihmutterschaft 194 − erzwungene Herausgabe des Kindes
200 − gerichtliches Mitwirken 113, 116, 125–126 − gleichgeschlechtliche Paare 213 − Kollisionsrecht 42–44 − renvoi 42–44 − Staatsangehörigkeit 255, 256 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 8– 9, 78 Großbritannien siehe Vereinigtes Königreich Grundlage deutschen Abstammungsrechts 56–61 Grundrechte 135–184, 221–253, siehe auch Menschenrechte − Abwehrfunktion 138–144 − allgemeine Handlungsfreiheit 225– 227 − allgemeines Persönlichkeitsrecht 208–210, 214, 225–227 − Anwendbarkeit 137, 126–147, 242– 251 − Auslandssachverhalte 137, 126–147, 242–251 − Elternrecht 151–155, 211–212, 213, 215, 239–240 − Familiengründung 221–223, 224 − Fortpflanzung 221–223, 224 − geburtsbedingte Faktoren 228–236 − Gleichheitssatz 27, 92–94, 228–236, 237–239, 293, 295–296, 315–316 − Heilbehandlung 224 − Intimsphäre 163, 168, 208–210, 225– 227 − Kenntnis der eigenen Abstammung 214 − des Kindes 155–157, 177–183, 194– 195, 213, 214, 228–236, 239–241, 252–253 − Kindeswohl 230–231 − körperliche und geistige Unversehrtheit 155–157, 172–176, 210, 211, 213, 224 − der Leihmutter 151–155, 159–176, 195–199, 201–212, 215 − Menschenwürde 155, 159–172, 177– 183, 194–199, 201–208, 240–241, 293
− ordre public 135–184, insbes. 140– 144
− im ordre public-Vorbehalt 135–184, insbes. 140–144
− im Privatrecht 139–140 − Privatsphäre 208–210, 225–227 − Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung 214
− Recht auf körperliche und geistige
Unversehrtheit 155–157, 172–176, 210–211, 213, 224 − Schutz der Familie 221–223, 239– 240, 252–253 − Schutz der Privat- und Intimsphäre 208–210, 225–227 − Schutzpflicht 138–144 − der Wunscheltern 221–227, 237–240, 252–253 − Zugang zur Reproduktionsmedizin 221–227 Grundrechtecharta 264–267, 291–293 − Anwendbarkeit 264–265 − Auslegung 266 − körperliche und geistige Unversehrtheit 267 − Menschenwürde 265–266, 293 − Organhandel 291–292 grundrechtliche Vorgaben − Abstammung 227–242 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 221–227 Grundrechtsbindung 126–147, insbes. 137; 242–251 grundrechtsspezifischer Inlandsbezug 126–147, insbes. 137; 242–251 Grunkin-Paul-Entscheidung 257–258 Günstigkeitsprinzip 50–68, insbes. 61– 66; 104–105, 109–110 Häufung 106–110 Hauptfrage 32–34 Heilbehandlung 224, 271–272 Heimatrecht 68–88 Herausgabezwang siehe erzwungene Herausgabe des Kindes hinkende Ehe 208, 248 homosexuelle Paare siehe gleichgeschlechtliche Paare
Sachverzeichnis Indien 1–2 − Abstammung 84–88, 120–121 − entgeltliche Leihmutterschaft 194 − erzwungene Herausgabe des Kindes 200 − gerichtliches Mitwirken 114, 116, 120–121 − gleichgeschlechtliche Paare 213 − Kollisionsrecht 41–42 − Rechtsspaltung 34, 35 − renvoi 41–42 − Teilrechtsordnungen 34, 35 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 8, 84–88 inländische Leihmutterschaft 21–28, 298–299 Inlandsbezug 126–147, insbes. 137; 148, 242–251 In-vitro-Fertilisation 4–6, 26, 183, 224 inter partes 119, 123, 128–129 interlokales Kollisionsrecht 36 international zwingendes Recht siehe Generalprävention; siehe Gesetzesumgehung Internationales Privatrecht 29–110 internationales Übereinkommen 326– 328 Internationales Zivilverfahrensrecht 111–131, siehe auch Anerkennung Intimsphäre 163, 168, 208–210, 225– 227 IPR 29–110 Israel 324 − Abstammung 82–84, 121–122, 124 − entgeltliche Leihmutterschaft 194 − erzwungene Herausgabe des Kindes 200 − gerichtliches Mitwirken 113–114, 115, 121–122, 124 − gleichgeschlechtliche Paare 213 − Kollisionsrecht 44–46 − Rechtsspaltung 34, 35 − renvoi 44–46 − Teilrechtsordnungen 34, 35 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 9, 82–83 ius sanguinis 46, 99, 255, siehe auch Staatsangehörigkeit
387
ius soli 98, 100, 254–255, 259, 282, siehe auch Staatsangehörigkeit IZVR 111–131, siehe auch Anerkennung Jan Balaz-Fall 1–2 Kafala 281 Kalifornien 192 − Abstammung 74–76, 119–120 − entgeltliche Leihmutterschaft 194 − erzwungene Herausgabe des Kindes 200 − gerichtliches Mitwirken 113, 116, 119–120, 129 − gleichgeschlechtliche Paare 213 − Kollisionsrecht 38 − Rechtsspaltung 34, 35–37, 38 − renvoi 38 − Teilrechtsordnungen 34, 35–37, 38 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 9, 74 Keimzellspender − Anonymität 214 − Ausschluss von der Abstammung 72 Kenntnis der eigenen Abstammung 214 Kind siehe Grundrechte, des Kindes Kind als Ware siehe Kinderhandel Kinderhandel 179–183, 186, 192, 194– 195, 314–316 Kinderrechte siehe Grundrechte, des Kindes; siehe Menschenrechte, des Kindes Kindeswohl 56, 185, 230–231, 281–282, 316–317 − Konkretisierung 50–68, insbes.61– 64; 109–110 − soziale Familie 61–64, 109–110 Kollisionsrecht 29–110 − Griechenland 42–44 − Indien 41–42 − Israel 44–46 − Kalifornien 38 − Rechtsvergleich 38–47 − Ukraine 37, 46–47 − Vereinigtes Königreich 39–41 Kollisionsrechtsvergleich 37–48, siehe auch renvoi
388
Sachverzeichnis
kommerzielle Leihmutterschaft siehe entgeltliche Leihmutterschaft konstitutiv 117, 118 Kontinuitätsinteresse 204, 206, 207, 293, 294, 300–301 körperliche und geistige Unversehrtheit 155–157, 172–176, 184–185, 210, 211, 213, 224, 267 Kritik deutscher Rechtslage und Rechtsprechung 318–320
− Heilbehandlung 271–272 − Kindeswohl 185, 281–282 − körperliche und geistige Unversehrt-
Labassee-Entscheidung 287–290 Lebendorganspende 169–170 Lebenspartner siehe gleichgeschlechtliche Paare lege ferenda 325–328 lege lata 320–325 Leihmutter − als genetische Mutter 215 − Grundrechte der Leihmutter 151– 155, 159–176, 195–199, 201–212, 215 Leihmutterschaft − Definition 12–13 − inländische 21–28, 298–299 − Verbot siehe Zulässigkeit der Leihmutterschaft − Vorgang 149–150, 158–183 − Zulässigkeit siehe Zulässigkeit der Leihmutterschaft − siehe auch Mindeststandards
− Zugang zur Reproduktionsmedizin
Marckx-Entscheidung 236, 274, 275, 277, 278, 279–280 Marktlogik 198 medizinische Grundlagen 4–6 Mehrstaater 70–71, siehe auch Günstigkeitsprinzip Mennesson-Entscheidung 287–290 Menschenhandel 179–183, 186, 192, 194–195, 314–316 Menschenrechte 184–186, 199, 212, 214, 267–283 − Familiengründung 268–271 − Familienleben 268–271, 272–279, 287–290 − Fortpflanzung 268–271 − geburtsbedingte Faktoren 280–281 − Gleichheitssatz 279–281
heit 184–185
− Privatleben 268–271, 272–279, 287– 290
− Recht auf Familiengründung 268– 271
− Schutz der Familie 185–186, 214 − Schutz des Privat- und Familienlebens 268–271, 272–279, 287–290
268–272 Menschenwürde 155, 265–266 − Beginn 177–179 − des Kindes 177–183, 194–195, 240– 241 − der Leihmutter 159–172, 195–199, 201–208, 293 − Menschenwürdekern 162–163 − Menschheitswürde 177–179 − Objektformel 160 − objektiver Gehalt 177–179 Minderjähriger 97 Mindeststandards 73, 327–328 mittelbare Folgen 118–119, 124–128 moshav 45 Mutter 89–90 Mutterschaft 22–24 − biologische v. genetische 211–212 − v. Vaterschaft 237–239 − siehe auch Abstammung Name 33–34, 257–258 nationale Leihmutterschaft 21–28, 298– 299 nichteheliche Kinder 228–229 Nichtigkeit 126–127 Normhäufung 109 Objektformel 160 öffentliche Ordnung siehe ordre public ordre public 55–56, 133–217 − Auslandsbezug 137, 146–147, 148 − Dogmatik 135–149 − im Internationalen Zivilverfahrensrecht 216–217 − ordre public atténué 216–217 − Prüfung 135–149, insbes. 144–149
Sachverzeichnis
− rechtspolitische Erschütterung 192–
193 − rechtsvergleichende Konkretisierung 190–192 − Relativität 137, 148 − restriktive Auslegung − verfahrensrechtlich 216–217 Organhandel 169–170, 291–292 Österreich 284–285 Paradiso-Entscheidung 273, 274, 278 parental order 81, 123, 129, 324, 326, siehe auch Abstammung, Vereinigtes Königreich; siehe auch Anerkennung, Gestaltungswirkung partieller Grundrechtsstatus 245, siehe auch Grundrechte, Auslandssachverhalte Peepshows 166–168 Perpetuierung der Grundrechtsbeeinträchtigung 150, 205–206 Personalprinzip 146–147, 243, 244–245 personelle Rechtsspaltung 34–37 Personenstandsregister 128 Polygamie 150, 208 Präimplantationsdiagnostik 183 Prioritätsprinzip 51–53 Privatleben 268–271, 272–279, 287–290 Privatsphäre 208–210, 225–227 Prostitution 163–166 Psychologie 3, 62–63, 155–157, 172– 176, 210–211, 237–238, 270 Recht auf Familiengründung 221–223, 224, 268–271 Recht auf Fortpflanzung 221–223, 224, 268–271 Recht auf Heilbehandlung 224, 271–272 Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung 214 Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit 155–157, 172–176, 184–185, 210–211, 213, 224, 267 Recht auf Zugang zur Reproduktionsmedizin 221–227, 268–272 Recht, rechtliches Elternteil zu werden 151–155, 211–212, 213, 215, 239– 240
389
Rechtfertigung 231–236, 259–267 − des Leihmutterschaftsverbots 226– 227 rechtliche Integration des Kindes 274– 275 Rechtskraft 117, 118, 119, 129 Rechtsspaltung − Indien 34, 35 − Israel 34, 35 − Kalifornien 34, 35–37, 38 − Vereinigte Staaten 34, 35–37, 38 − Vereinigtes Königreich 34, 35, 39–40 Rechtsprechung − Bundesgerichtshof 310–312 − Bundesverfassungsgericht siehe Bundesverfassungsgericht − Deutschland 2, 301–318 − EGMR 287–290; siehe Marckx-Entscheidung; siehe Paradiso-Entscheidung; siehe X., Y. und Z.-Entscheidung − Frankreich 285–287 − Österreich 284–285 Rechtsvergleichung 9 − Abstammungsrecht 72–88 − gerichtliches Mitwirken 112–114 − Kollisionsrecht 38–47 − ordre public 190–192 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 9 Reduktion auf zwei Eltern 108–109 Reflexwirkung 118–119, 124–128 Reformvorschlag 325–328 Registrierung siehe Anerkennung, Beurkundung bzw. Registrierung; siehe gerichtliches Mitwirken Relativität des ordre public 137, 148 religiöse Rechte 34–37 religiöse Rechtsspaltung 34–37, siehe auch Teilrechtsordnungen renvoi 37–68 − Griechenland 42–44 − Indien 41–42 − Israel 44–46 − Kalifornien 38 − Ukraine 37, 46–47 − Vereinigte Staaten 38 − Vereinigtes Königreich 39–41
390
Sachverzeichnis
− Widerspruch zu Verweisungszweck
48–49; siehe Elternalternativität; siehe Günstigkeitsprinzip Reproduktionsmedizin 4–6 Reproduktionsstatut 102 Reproduktionstourismus 6 Rückverweisung siehe renvoi
Sachprüfung 115–117 Sanktionierung siehe Generalprävention; siehe Gesetzesumgehung Schengen-Raum 98 Schottland siehe Vereinigtes Königreich Schutz der Familie 185–186, 214, 221– 223, 239–240, 252–253 Schutz der Privat- und Intimsphäre 208– 210, 225–227 Schutz des Privat- und Familienlebens 268–271, 272–279, 287–290 Schutz des Privatlebens 268–271, 272– 279, 287–290 Schutzpflicht 138–144 selbstständige Anknüpfung 32–34 Sonderfälle der Leihmutterschaft siehe entgeltliche Leihmutterschaft; siehe erzwungene Herausgabe des Kindes; siehe gleichgeschlechtliche Eltern soziale Elternschaft siehe soziale Familie soziale Familie 56–60, 104–105, 109– 110, 273–274 − Günstigkeitsprinzip 61–67, 109–110 − als kindeswohlgerechteste 61–64, 109–110 − im Verfassungsrecht 65, 153 soziale Vaterschaft 56–61 Spanierbeschluss 136, 137, 143, 146, 147 Spiegelbildlichkeitsprinzip 129–131 Staatenlosigkeit 101, 102–103, 255–256, 258–259, 282 Staatsangehörigkeit 2, 32, 33, 98, 99, 254–256, 259 − Griechenland 255, 256 − Ukraine 46–47 − Vereinigte Staaten 98 − Vereinigtes Königreich 255 − siehe auch Staatenlosigkeit Standesamt 32
Statistik 3, 6 Statutenwechsel 69, 103–105, 252–253, 324, siehe auch Elternalternativität; siehe auch Günstigkeitsprinzip Stiefkindadoption 23, 27 Strafbarkeit 17–21 Substitution 73, 117 Sukzessivadoption 27–28, 213 talaq 144 Tatbestandswirkung 118–119, 124–128 tatsächlicher Hintergrund 3–10 Teilrechtsordnungen 34–37, 38, 39–40 − Indien 34, 35 − Israel 34, 35 − Kalifornien 34, 35–37, 38 − Vereinigte Staaten 34, 35–37, 38 − Vereinigtes Königreich 34, 35, 39–40 Teilstaaten 34–37, 38, 39–40 telos des Art. 19 Abs. 1 EGBGB 50–51 Territorialitätsprinzip 146–147, 243, 244–245 Übereinkommen 326–328 Ukraine − Abstammung 77–78 − entgeltliche Leihmutterschaft 194 − erzwungene Herausgabe des Kindes 200 − gerichtliches Mitwirken 114 − gleichgeschlechtliche Paare 213 − Kollisionsrecht 37, 46–47 − renvoi 37, 46–47 − Staatsangehörigkeit 46–47 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 8– 9, 77–78 Umgehung des Leihmutterverbots 134– 135, 186–190, 236 Umsetzung der Ergebnisvorgaben höherrangigen Rechts 298–320, 320–328 uneheliche Kinder 228–229 Unfruchtbarkeit 3 Ungleichbehandlung − Adoption 233–236 − siehe auch Gleichheitssatz Unionsbürgerfreizügigkeit siehe Freizügigkeit Unionsbürgerschaft 254–256
Sachverzeichnis unmittelbare Wirkung siehe Anerkennung, unmittelbarer Folgen unselbstständige Anknüpfung 32–34 Unteranknüpfung 36–37 Unterhalt 33, 207 Unzulässigkeit der Leihmutterschaft siehe Zulässigkeit der Leihmutterschaft Vaterlosigkeit siehe Elternlosigkeit 207 Vaterschaft 24–26, 27–28, 56–61, 207 − soziale v. genetische 56–61; siehe soziale Familie − v. Mutterschaft 237–239 − siehe auch Abstammung Vaterschaftsanerkennung 24–25, 56–60, 73, 117–118 Vaterschaftsanfechtung 25–26, 56–60, 321–322 Vaterschaftsfeststellung 25, 56–60 Vaterschaftswahrscheinlichkeit 53–54 Verbot der Leihmutterschaft siehe Zulässigkeit der Leihmutterschaft Vereinigte Staaten 196 − Rechtsspaltung 34, 35–37, 38 − renvoi 38 − Staatsangehörigkeit 98 − Teilrechtsordnungen 34, 35–37, 38 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 9, 74 Vereinigtes Königreich 204–205, 253, 324 − Abstammung 80–81, 106–107, 123 − entgeltliche Leihmutterschaft 194 − erzwungene Herausgabe des Kindes 200 − gerichtliches Mitwirken 113, 123, 129 − gleichgeschlechtliche Paare 213 − Kollisionsrecht 39–41 − Rechtsspaltung 34, 35, 39–40 − renvoi 39–41 − Staatsangehörigkeit 255 − Teilrechtsordnungen 34, 35, 39–40 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 8, 81 verfahrensrechtliche Anerkennung siehe Anerkennung verfahrensrechtlicher ordre public 216– 217
391
verfassungskonforme Auslegung 94, 320–325 Verfassungswidrigkeit deutschen Rechts 92–94, 298–318, 318–320 Verhältnismäßigkeit 225–226, 259–260, 261, 263, 280 verkürztes Adoptionsverfahren 326–328 versteckte Kollisionsnormen 38, 39–41 Verweisungsmethode 29–110 Verweisungszweck des Art. 19 Abs. 1 EGBGB 50–51 Visum 2, 32, 87, 98, 99–101, 193 Völkerrecht siehe Menschenrechte völkerrechtliche Vorgaben − Abstammung 272–283 − Zulässigkeit der Leihmutterschaft 268–272 Völkerrechtsfreundlichkeit 137, 145– 146, 147 völkerrechtskonforme Auslegung 320– 325 Völkerrechtssubjektivität 267–268 Vorfrage 32–34 Wahlrecht des Kindes 53 Wahrscheinlichkeit der Abstammung 53– 54 Wales siehe Vereinigtes Königreich Wandelbarkeit siehe Statutenwechsel Ware siehe Kinderhandel Weiterverweisung siehe renvoi Wettbewerb 198 Widerspruch zu Verweisungszweck 48– 49 Wirkungserstreckung 118, 122–123, 129 Witwenrentenbeschluss 208 wohlerworbene Rechte siehe Statutenwechsel Wohnsitz 45 Wunscheltern siehe Grundrechte, der Wunscheltern X., Y. und Z.-Entscheidung 274–275, 275–276, 277, 280 Zahl der Eltern siehe Reduktion auf zwei Eltern Zeitpunkt siehe Statutenwechsel
392
Sachverzeichnis
Zugang zur Reproduktionsmedizin 221– 227, 268–272 Zulässigkeit der Leihmutterschaft − Deutschland 8, 9, 17–21 − Frankreich 8, 285 − Griechenland 8–9, 78 − grundrechtliche Vorgaben 221–227 − Indien 8, 84–88 − Israel 9, 82–83 − Kalifornien 9, 74
− menschenrechtliche Vorgaben 268–
272 Rechtsvergleich 9 Österreich 284 Ukraine 8–9, 77–78 Vereinigte Staaten 9, 74 Vereinigtes Königreich 8, 81 völkerrechtliche Vorgaben 268–272 Zwang siehe erzwungene Herausgabe des Kindes
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