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German Pages 203 [204] Year 2018
Leibniz und Guericke im Diskurs
Otto von Guericke, Gottfried Wilhelm Leibniz
Leibniz und Guericke im Diskurs Die Exzerpte aus den Experimenta Nova und der Briefwechsel Herausgegeben von Berthold Heinecke, Wolfram Knapp, Paolo Rubini, Peter Streitenberger Übersetzt von Paolo Rubini
ISBN 978-3-11-049662-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-053392-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-053271-5 Library of Congress Control Number: 2018963412 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Geleitwort Zu den originären Aufgaben der Otto-von-Guericke-Gesellschaft gehört die Erforschung und Darstellung der Rezeption und Wirkung des wissenschaftlichen Werkes des bedeutenden Magdeburger Naturforschers und Bürgermeisters für die Wissenschaftsgeschichte. Schon von daher drängt sich die Frage nach den Beziehungen zu Gottfried Wilhelm Leibniz auf, der vielleicht wie kein anderer die philosophischen und wissenschaftlichen Ambitionen seiner Epoche verkörpert. Neben dem schon lange bekannten Briefwechsel zwischen Guericke und Leibniz rückten daher die 2009 erstmals publizierten Exzerpte, die dieser aus Guerickes Experimenta nova anfertigte, in den Mittelpunkt des Interesses. Hieraus ist die vorliegende Edition durch Mitglieder der Otto-von-Guericke-Gesellschaft entstanden. Otto von Guericke und Gottfried Wilhelm Leibniz sind sich nicht persönlich begegnet. Sie gehörten verschiedenen Generationen an und ihre wissenschaftlichen Interessen haben sich nur partiell berührt. Dennoch hat das Werk des älteren Guericke den jüngeren Leibniz nicht nur hinsichtlich der physikalischen Erkenntnisse und Experimente interessiert. Leibniz befasste sich auch mit den naturphilosophischen Dimensionen der Untersuchungen Guerickes und knüpfte mit seinen Überlegungen daran an. Das Interesse des Gottfried Wilhelm Leibniz an der naturphilosophischen Dimension des Werkes Guerickes und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen ist für die aktuelle Guericke-Forschung besonders interessant, weil damit auf eine wenig entwickelte Seite der Guericke-Rezeption hingewiesen wird: auf eine umfassende, zeitgemäße Darstellung und Auseinandersetzung mit dessen Naturphilosophie. Insofern kann die vorliegende Publikation auch eine Anregung für derartige Forschungen sein, welche Otto von Guericke noch konkreter in die deutsche und europäische Wissenschaftsgeschichte einordnen. Für die Leibniz-Forschung kann die vorliegende Publikation einen vertiefenden Beitrag dazu leisten, was genau den großen Universalgelehrten an den Forschungen und Erkenntnissen Guerickes interessiert hat. Gleichzeitig ermöglichen die „Exzerpte“ einen weiteren Blick auf die Verbindungen und Einflüsse zwischen den Wissenschaftlern im 17. Jahrhundert. Insofern legen die Autoren des Bandes eine interessante und wichtige Publikation vor, die dazu beiträgt, nicht nur die Beziehungen zwischen Otto von Guericke und Gottfried Wilhelm Leibniz zu thematisieren und zu diskutieren, sondern auch einen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts zu leisten. Matthias Tullner Vorsitzender der Otto-von-Guericke-Gesellschaft e. V. Magdeburg https://doi.org/10.1515/9783110533927-001
Inhalt Vorwort
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Einleitung. Leibniz, Guericke und die Physik des 17. Jahrhunderts 63
Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz Leibniz für Pierre de Carcavy (?). Lateinisch und deutsch
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Übersicht zu den von Leibniz exzerpierten Kapiteln aus Guerickes Experimenta nova 101 Leibniz’ Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova. Lateinisch und deutsch 107 Literaturverzeichnis
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Personenregister mit Lebensdaten Abbildungsverzeichnis
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Vorwort Auch Editionsprojekte haben ihre Schicksale. Noch bevor Leibniz’ Exzerpte aus Otto von Guerickes Hauptwerk, den Experimenta nova Magdeburgica von 1672, im Band VIII, 1 der Akademieausgabe erschienen waren, begann die Arbeitsgruppe Wissenschaft der Otto-von-Guericke-Gesellschaft e. V. Magdeburg die Arbeit an einer Übersetzung dieser Exzerpte. Ermöglicht und angeregt wurde sie dazu durch die guten Kontakte mit der Leibniz-Arbeitsstelle Berlin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, insbesondere in der Person von Hartmut Hecht als einem der Bearbeiter des Bandes VIII, 1. Ausschlaggebend dafür war die Einsicht, dass der bis dahin weder in der Leibniz- noch in der Guericke-Forschung wahrgenommene Text der Exzerpte neue Einblicke in die frühe GuerickeRezeption sowie in die Formierung der leibnizschen Ideen zur Naturphilosophie in Auseinandersetzung mit den damaligen pneumatischen Forschungen versprach. Einen ersten Übersetzungsentwurf fertigte Wolfgang Hradský aus Magdeburg an. Dabei wurde schnell klar, dass dieser Text erhebliche Herausforderungen stellte, denn die Exzerpte dienten Leibniz zum eigenen Gebrauch und stellten somit eine ganz subjektive und stark verkürzte Auswahl entlang seiner damaligen Interessen dar. Vielerorts finden sich zudem kürzere oder längere Kommentare, die den exzerpierten Text erweitern. Für einen breiteren Leserkreis – bei dem die Herausgeber insbesondere die Mitglieder der Otto-von-Guericke-Gesellschaft im Blick hatten – würde es also notwendig sein, die Exzerpte durch historische und sachliche Erläuterungen zu erschließen. Durch Wolfgang Hradskýs Tod im Jahre 2012 konnte die Übersetzung nicht vollendet werden. Einige Zeit blieb es fraglich, ob das Projekt überhaupt noch vervollständigt werden könnte. Durch glückliche Umstände gelang es 2014, Paolo Rubini von der Leibniz-Arbeitsstelle Berlin für die Übersetzung zu gewinnen. Nun konnten und mussten auch die Korrekturen berücksichtigt werden, die sich inzwischen an dem 2009 im Band VIII, 1 der Akademie-Ausgabe veröffentlichten Text der Exzerpte ergaben. Auch im Hinblick auf die im Herausgeberkreis erfolgten Diskussionen zu Sachproblemen schien es am sinnvollsten, eine völlig neue Übersetzung zu erstellen. Der sich daran anschließende Diskussionsprozess nahm bis 2017 in Anspruch. Bei den in vielen Arbeitssitzungen erörterten inhaltlichen Fragen wuchs die Einsicht, dass die Exzerpte in engem Zusammenhang mit dem bereits 1926 im Band II,1 der Akademie-Ausgabe edierten Briefwechsel zwischen Leibniz und Guericke aus den Jahren 1671–1672 zu sehen sind, da der Briefwechsel dem Erscheinen von Guerickes Werk und dem Entstehen der Exzerpte unmittelbar vorangegangen ist. Zwar waren diese Briefe bereits1968 im opus magnum der Guericke-Forschung – den Neuen Magdeburger Versuchen über den leeren Raum – abgedruckt worden; diese Übersetzung von Guerickes Hauptwerk mit umfangreichen Kommentaren und vielen sonstigen https://doi.org/10.1515/9783110533927-002
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Vorwort
Dokumenten zu Guericke und seinen Forschungen ist heute jedoch nur noch antiquarisch erhältlich. Darum erwies es sich als angebracht, die Übersetzung der Exzerpte durch den Wiederabdruck der Briefe und entsprechende Erläuterungen zu ergänzen. Hinzugenommen wurde noch ein Brief, den Leibniz vermutlich im Juli 1672 an Pierre de Carcavy schrieb und der eine gute Zusammenfassung dessen darstellt, was Leibniz bis dahin – bevor ihm Guerickes Buch vorlag – über Guerickes Forschungen erfahren hatte und ihm daran bedeutsam erschien. Somit sind nun hier die wesentlichen Dokumente des Austausches zwischen Guericke und Leibniz an einer Stelle versammelt. In der Einleitung wird versucht, diese in ihren wissenschafts- und philosophiegeschichtlichen Kontext zu stellen. Zufällig erscheint die vorliegende Ausgabe in enger zeitlicher Nachbarschaft zu einer neuen Edition von Leibniz’ Hypothesis physica nova aus dem Jahr 1671, übersetzt und herausgegeben von Otto und Eva Schönberger. Diese frühe naturphilosophische Schrift von Leibniz weist viele inhaltliche Berührungen mit Problemen auf, die zwischen Guericke und Leibniz diskutiert wurden. Der interessierte Leser sei daher ausdrücklich auf diese Publikation verwiesen. Es ist den Herausgebern ein besonderes Bedürfnis, den vielen Kollegen und Mitgliedern der Guericke-Gesellschaft zu danken, die die Entstehung dieses Buches ermöglichten. Kerstin Schönemann, Erich Juncker, Jürgen Zeitler, Harald Müller und Ditmar Schneider beteiligten sich intensiv an der Diskussion über die Übersetzung und die Kommentare, Joachim Janz half bei den vielen Korrekturlesungen. Die Herausgeber danken der Otto-von-Guericke-Stiftung Magdeburg und der Otto-von-Guericke-Gesellschaft e. V. Magdeburg für die finanzielle Unterstützung. Dabei gilt unser besonderer Dank dem Vorsitzenden des Vorstands der Otto-von-Guericke-Stiftung Manfred Tröger und dem Vorsitzenden der Otto-vonGuericke-Gesellschaft Matthias Tullner für ihre wohlwollende Förderung des Projektes. Harald Siebert und Eberhard Knobloch von der Leibniz-Arbeitsstelle Berlin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ist für ihre bereitwillige Unterstützung zu danken. Eberhard Knobloch hat auch die Verbesserung des in der Akademie-Ausgabe edierten Textes der Exzerpte tatkräftig begleitet. In diesen Dank ist auch Hartmut Hecht einzuschließen: Seit langem der Guericke-Gesellschaft freundschaftlich verbunden, hat er auf die Exzerpte aufmerksam gemacht und dazu auch manchen erhellenden Beitrag vorgelegt. Das vorliegende Buch wäre in dieser Form nicht möglich gewesen ohne die kaum zu zählenden Beiträge von Fritz Krafft zu Guerickes Leben und Werk. Ihm sei für viele Verbesserungsvorschläge ausdrücklich gedankt. Gewidmet ist das Buch Ditmar Schneider zu seinem 70. Geburtstag. Ditmar Schneider hat nahezu sein ganzes Berufsleben und darüber hinaus an Guerickes Erbe gearbeitet und forscht derzeit noch weiter daran, u. a. als wissenschaftlicher Sekretär der Otto-von-Guericke-Gesellschaft sowie als Bearbeiter und Herausge-
Vorwort
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ber der Otto-von-Guericke-Gesamtausgabe sowie der Monumenta Guerickiana, der Zeitschrift der Otto-von-Guericke-Gesellschaft. Die in diesem Buch vorgelegten wissenschaftshistorischen Dokumente sind ein Zeugnis der schwierigen und spannenden Übergangszeit von der mittelalterlichen Scholastik zu der wesentlich auf der experimentellen Methode beruhenden neuzeitlichen Wissenschaft. Die Herausgeber haben versucht, das sich darin widerspiegelnde Spannungsfeld der verschiedenen Denkweisen und Methoden der wissenschaftlichen Beweisführung sowie deren Bezug zu den nachfolgenden Entwicklungen der Physik in der Einleitung und den Kommentaren zum Ausdruck zu bringen. Wie den Herausgebern möge auch den Lesern das Studium dieser Dokumente, in denen nach wie vor aktuelle grundlegende Fragen der Philosophie und Physik aufgeworfen werden, Freude bereiten. Die Herausgeber im Oktober 2018
„Es bleibt uns nur die Bemerkung übrig, dass die aerostatischen Entdeckungen des Neuen und Wunderbaren soviel boten, dass der von denselben ausgehende intellektuelle Reiz nach keiner Richtung hin zu unterschätzen ist.“ Ernst Mach1
Einleitung Leibniz, Guericke und die Physik des 17. Jahrhunderts Leibniz in Mainz und Paris Ende 1667 kam Gottfried Wilhelm Leibniz, nachdem er in Nürnberg kurzzeitig Sekretär einer alchemistischen Gesellschaft gewesen war, nach Mainz und trat wenig später in den Dienst von Johann Philipp von Schönborn, dem Bischof und Kurfürsten von Mainz. 1669 entstanden seine ersten Entwürfe physikalischer Abhandlungen, und in diesem Zusammenhang begann ein Briefwechsel mit Heinrich Oldenburg, dem Sekretär der Royal Society in London, und 1671 auch mit Otto von Guericke. Dieser Briefwechsel endet, als Leibniz im März 1672 auf eine diplomatische Mission nach Paris geschickt wird.2 Die Zeit in Paris – in jener Zeit die bedeutendste Stadt in Europa – nutzt er, um sich mit dem aktuellen Wissensstand auf vielen Gebieten vertraut zu machen und Kontakte mit den führenden Gelehrten der Zeit zu knüpfen. In einem vermutlich an Herzog Johann Friedrich von Hannover gerichteten Brief aus dem Jahr 1679 berichtet Leibniz, in Paris habe er sich mit kaum etwas anderem beschäftigt als Mathematik.3 Obwohl Autodidakt, nimmt er in kürzester Zeit den aktuellen Stand der Forschung auf, um ihn sogleich weiterzuentwickeln. So offenbart sich sein Genie in der Schaffung der Grundlagen der Infinitesimalrechnung und bei der Entwicklung einer mechanischen Rechenmaschine, deren wesentliche Elemente bis ins 20. Jahrhundert Anwendung gefunden haben. Während der Pariser Zeit unternimmt er auch zwei Reisen nach London und wird sogar Mitglied der Royal Society. Später wird er stets bedauern, dass es ihm nicht vergönnt gewesen ist, dauerhaft in einem dieser Zentren von Wissenschaft und Kultur – Anfang des 18. Jahrhunderts
1 Mach (19339), S. 116. 2 Siehe zu Leibniz’ Aufenthalt in Paris: Müller-Krönert (1969), S. 29–46; Antognazza (2009), S. 139–192. 3 A II, 1, N. 214, S. 493 (in der Neuausgabe von 2006, S. 761; fortan werden die auf die Neuausgabe bezogenen Seitenzahlen jeweils in Klammern genannt). Siehe zu den mathematischen Arbeiten während der Pariser Zeit auch: Hofmann (1974); A III, 1, S. XLVIII–LXXV. https://doi.org/10.1515/9783110533927-003
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Einleitung
sollte London Paris in dieser Hinsicht überholen – zu leben. Da seine Versuche, in Paris eine Anstellung zu finden, schließlich scheitern, nimmt er 1676 die ihm angebotene Stelle eines Hofrats und Bibliothekars in Hannover unter Herzog Johann Friedrich an. Auch wenn im Vordergrund von Leibniz’ Pariser Studien die Mathematik stand, so hat er sich parallel dazu auch mit physikalischen Themen beschäftigt – eine Beschäftigung, die bis in das Jahr 1668 zurückreicht. Obwohl in dieser Zeit auch auf anderen Gebieten viele neue Erkenntnisse gesammelt werden, steht dennoch um 1670 die Physik – nicht zuletzt ausgehend von Galilei – im Zentrum der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts. Dabei spielt ihre Mathematisierung eine entscheidende Rolle. In der Physik wiederum sind es die Mechanik, die Lehre von den Bewegungen, sowie die Optik, die die zentralen Felder des Fortschritts bilden. Diese Fortschritte verbinden sich insbesondere mit Persönlichkeiten wie Galileo Galilei4, René Descartes und Christiaan Huygens5 ; in dem hier besonders interessierenden Zusammenhang der Mechanik der Flüssigkeiten und Gase aber sind Galileis Nachfolger Evangelista Torricelli, Otto von Guericke und Robert Boyle seine wichtigsten Anknüpfungspunkte. In einem bedeutenden und umfangreichen Brief an seinen einstigen Lehrer Jakob Thomasius vom 20./30. April 1669 behandelt Leibniz u. a. Themen der aktuellen Naturwissenschaft.6 Er führt in diesem Brief aus, dass er sich uneingeschränkt zu den Prinzipien der neuen Mechanik – Größe, Gestalt und Bewegung – bekenne, jedoch nichts weniger als ein Kartesianer sei und in der Physik des Aristoteles mehr Wahrheit finde als in den Meditationen Descartes’. Was Aristoteles dort über Materie, Form, Privation, Natur usw. sage, könne als sicher und bewiesen gelten – mit Ausnahme dessen, was bei ihm über das Vakuum und die Bewegung im Vakuum festgestellt werde! Leibniz erwähnt anschließend die Autoren, die er den Plenisten und den Vakuisten zuordnet. Zu letzteren rechnet er William Gilbert, Pierre Gassendi und Otto von Guericke, zu der anderen Gruppe René Descartes, Kenelm Digby, Thomas White und Gilbert Clerke. Eine dritte Gruppe hält nach Leibniz beides für möglich, dieser ordnet er Thomas Hobbes und Robert Boyle zu. Es ist offensichtlich, dass englische Autoren bei dieser Aufzählung einen Schwerpunkt darstellen; dies gilt als Indiz für die füh-
4 Siehe zu Leibniz und Galilei: O’Hara (2015). 5 Siehe zu Huygens: Yoder (1988). 6 Vgl. A II, 1, N. 11, S. 23–38. Dieser Brief ist übersetzt in: Loemker (1969), S. 93–103. Siehe zum jungen Leibniz und besonders zu seiner Metaphysik und Physik: Antognazza (2009), S. 100–192; Brown (1999); Mercer (2004); Beeley (2004).
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rende Rolle, die englische Forscher – gemeinsam mit französischen – zu dieser Zeit einnehmen.7 Im August 1669 hält sich Leibniz zusammen mit seinem direkten Dienstherrn Johann Christian von Boineburg zur Sommerfrische in Bad Schwalbach auf. Dort macht er die Bekanntschaft des Kieler Juristen Erich Mauritius, der Leibniz mit zwei Veröffentlichungen von Christopher Wren und Christiaan Huygens in den Philosophical Transactions der Royal Society bekannt macht.8 In diesen Publikationen geht es um das Problem der Bewegungsgesetze, speziell um die Probleme des Stoßes von festen Körpern, bei denen beide Autoren zu gleichen Ergebnissen kommen.9 Die besondere Dringlichkeit und Aktualität dieser Fragen ergab sich aus der cartesischen Physik, in der angenommen wird, dass es kein Vakuum gibt und alle Bewegung durch den Zusammenstoß von Teilchen zustande kommt.10 Noch während des Kuraufenthalts verfasst Leibniz zu dieser Thematik eine eigene Schrift mit der Absicht, sie an die Royal Society zu senden und sich somit an der Diskussion zu beteiligen. Allerdings wurde diese Schrift durch den vorgesehenen Übermittler Martin Fogel in Hamburg festgehalten, was Leibniz später, als ihm die Mängel dieser frühen Fassung klargeworden waren, nicht bedauerte. Über Zwischenstufen entstand daraus nach vertieftem Studium von Thomas Hobbes’ De corpore („Über den Körper“) und durch die Übernahme von dessen ConatusBegriff die Schrift Theoria motus abstracti („Theorie der abstrakten Bewegung“),11 die 1671 in Mainz erschien. Parallel hierzu beginnt Leibniz im Sommer 1670 auch an einer Theoria motus concreti zu arbeiten – mit der Zielstellung, die Phänomene der sichtbaren Welt zu erklären. Diese der Royal Society gewidmete „Theorie der konkreten Bewegung“ erscheint unter dem Titel Hypothesis physica nova („Neue physikalische Hypothese“)12 ebenfalls 1671 in Mainz.13 Nicht zuletzt durch Olden-
7 Siehe Phemister & Brown (2007). 8 Leibniz selbst berichtet darüber in seinem Brief an Heinrich Oldenburg vom 28.09.1670; vgl. A II, 1, N. 28, S. 62–66 (2006: S. 100–105). 9 Siehe hierzu Szabó (1987), S. 427–459. 10 Siehe zu den Stoßgesetzen bei Descartes: Szabó (1987), S. 436–439. 11 Siehe die Angaben zur Theoria und zur Hypothesis im Literaturverzeichnis. 12 Siehe zur Hypothesis: A VI, 2, S. XXXI–XXXIV; Lasswitz (1890), S. 445–485, bes. S. 445–463; Kabitz (1909), S. 64–80, bes. S. 79–80; Hecht (1988); Duchesneau (1989); Hecht (1992), S. 23– 29; Beeley (1996), S. 137–227; Busche (1997), S. 404–499 sowie Leibniz’ Brief an Herzog Johann Friedrich von Hannover in A II, 1, N. 58, S. 110–117 (2006: 177–185). Die Hypothesis wurde zur damaligen Zeit durch Knorr von Rosenroth übersetzt; siehe hierzu: Achermann (2003). Auf Hobbes’ wichtigen Einfluss auf Leibniz’ frühe Physik gehen Duchesneau (2005) und Ross (2007) ein. 13 Ein Nachdruck der Hypothesis, durch den Sekretär der Royal Society Heinrich Oldenburg ver mittelt, erschien noch im gleichen Jahr in London.
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burgs Unterstützung14 wird die Schrift in London sehr positiv aufgenommen und trägt Leibniz wenig später die Mitgliedschaft in der Royal Society ein. Leibniz’ Interessen im Bereich der Physik erstrecken sich zu dieser Zeit auf eine Vielfalt von Problemen. Einen Eindruck davon vermitteln die in den Bänden VIII, 1 und VIII, 2 der Akademieausgabe (mit Zeitbericht von 1668 bis 1676) versammelten Texte, die von Fragen der Nautik bis zur Medizin und Technik reichen und in dieser Ausgabe ungefähr 1400 Druckseiten umfassen. Auf diese Vielfalt kann man hier nicht eingehen. Vielmehr sollen in dem für uns relevanten Zusammenhang die Texte zur Pneumatik aus dem Jahr 1672 (ungefähr 200 Druckseiten im Band VIII, 1) hervorgehoben werden, in denen sich Leibniz mit Problemen des atmosphärischen Luftdrucks und des Vakuums auseinandersetzt. Dabei sind es insbesondere die Fragen des Vakuums, die einen weit ausgreifenden naturphilosophischen Hintergrund aufweisen, da sie eng mit dem sogenannten Kontinuumsproblem – dem Aufbau und Verhältnis von Raum, Zeit und Materie – verknüpft sind. Das Vakuumthema gewann dabei von mehreren Seiten her eine große Bedeutung, so in der Form des von Pierre Gassendi erneuerten antiken Atomismus (feinverteiltes Vakuum in den Körpern), durch die Forschungen Torricellis und anderer zum Barometer, sowie durch das copernicanische Weltbild, welches mit einer massiven Vergrößerung des angenommenen Weltvolumens einherging und somit die Frage, was sich zwischen den Planeten und Fixsternen befinde, mit ganz neuer Dringlichkeit stellte. Nur vor dem Hintergrund dieser um 1670 virulenten Fragen aus der Naturwissenschaft und Philosophie lassen sich Leibniz’ Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova – d. h. die Texte, die hier in ihrer lateinischen Originalfassung und in kommentierter deutscher Übersetzung präsentiert werden – ihrem Inhalt und ihrer vollen Bedeutung nach erschließen. Im Folgenden soll daher zunächst auf Leibniz’ Bekanntschaft mit Otto von Guerickes Hauptwerk eingegangen werden. Anschließend werden Leibniz’ eigene Überlegungen zur Naturphilosophie und Physik kurz dargestellt. Die Einleitung schließt mit Hinweisen auf die Schwerpunkte des Briefwechsels zwischen Leibniz und Guericke sowie mit Erläuterungen zur Überlieferung und Übersetzung der Exzerpte.
14 Siehe Beeley (2004).
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Leibniz’ Studien zur Pneumatik und die Bekanntschaft mit Guericke und seinem Werk Die besondere Problematik der Rezeptionsgeschichte von Guerickes wissenschaftlichem Hauptwerk, den Experimenta nova Magdeburgica de vacuo spatio („Neue Magdeburger Versuche über den leeren Raum“), ergibt sich daraus, dass Guericke die im Titel erwähnten Versuche im Wesentlichen schon in den fünfziger und frühen sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts ausgeführt hatte, sein Manuskript der Experimenta nova somit bereits 1663 nahezu fertig vorlag, jedoch mit Änderungen und Ergänzungen erst 1672 veröffentlicht wurde.15 Bis zu diesem Zeitpunkt beruht die Bekanntschaft von Guerickes Versuchen in der gelehrten Welt daher sowohl auf mündlichen Mitteilungen über die 1653 und 1654 beim Reichstag in Regensburg und 1663 am Hof des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg durchgeführten Experimente als auch auf zuvor publizierten Auszügen und brieflichen Darstellungen vor allem in den Berichten von Caspar Schott.16 Schott war einer der bedeutenden Multiplikatoren der Wissenschaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts und Mittelpunkt eines ausgedehnten Korrespondentennetzwerks. Nach einem Studium unter anderem in Würzburg bei Athanasius Kircher wurde er 1652 dessen Assistent in Rom. 1655 wurde Schott als Professor für die mathematischen Wissenschaften, die nach damaligem Verständnis weit mehr umfassten als heute,17 an die Universität Würzburg berufen. Dort verfasste er bis zu seinem Tod eine Vielzahl umfangreicher Werke von insgesamt mehr als zehntausend Seiten.18 Nach der Vorführung von Guerickes Experimenten auf dem Reichstag der Jahre 1653–1654 erschien 1657 Schotts Mechanica hydraulico-pneumatica („Hydraulisch-pneumatische Mechanik“), in der die vorgeführten Versuche in einem Anhang mit eigenem Titelblatt auf den Seiten 441–484 beschrieben
15 Siehe hierzu: Krafft (1969); Krafft (1978), S. 30–37; Krafft (2013); zu den Änderungen und Ergänzungen am Manuskript nach 1663: Krafft (2015c). 16 Schott berichtet auch darüber, dass die Versuchsinstrumente, die Guericke auf dem Reichs tag benutzte, an den Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, über geben wurden, der sie auf seine Würzburger Burg schaffen ließ und mit denen sein Mathema tik-Professor Schott dann experimentierte. Siehe Schott (1657), S. 444; deutsche Übersetzung: Schott (1986), S. 115. 17 Einen guten Überblick vermittelt Schott in seinem Cursus mathematicus von 1661. Danach gehören zur Mathematik auch solche Fachgebiete wie Astronomie, Astrologie, Geographie, Me chanik, Optik, Musik u. a. Siehe hierzu: Folkerts (20012). 18 Siehe zu Schott: Vollrath (2007); Vollrath (2011); Vollrath (2014).
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sind.19 Sehr viel ausführlicher werden Guerickes Experimente in dem den ‚Mirabilia Magdeburgica‘ gewidmeten ersten Buch der 1664 von Schott veröffentlichen Technica curiosa („Außergewöhnliche Technik“) dargestellt (S. 1–186).20 Einen besonderen Wert haben diese Veröffentlichungen dadurch, dass sie neben einer Darstellung der Experimente auch Briefe und Briefauszüge Guerickes an Schott bringen. In diesen Briefen werden Fragen Schotts zu den Experimenten, aber auch zu ihrer Interpretation behandelt. Die Veröffentlichungen Schotts stellen gewissermaßen die Initialzündung für die weitere Rezeptionsgeschichte dar, lange bevor Guerickes Experimenta nova erscheinen. Eine Schlüsselrolle für diese Rezeption – was sich auch bei Leibniz widerspiegelt – kommt dabei Robert Boyle zu, der wahrscheinlich aus den Veröffentlichungen Schotts von Guerickes Experimenten erfuhr und ab 1658 sogleich selbst mit Versuchen begann.21 Die praktische Ausführung der Experimente übernahm dabei sein Assistent Robert Hooke, der sich als genialer Experimentator erwies. In dem bereits erwähnten Brief an Jakob Thomasius vom 20./30. April 1669 wird Boyle von Leibniz auf der Seite derjenigen erwähnt, die ein Vakuum zumindest für möglich halten.22 Boyle hatte sich im Zusammenhang mit Fragen zur Atmung schon länger für die Eigenschaften der Luft interessiert. In der ersten Publikation der Experimente mit der von Hooke konstruierten Luftpumpe, den New experiments physico-mechanical von 1660, würdigt Boyle Guerickes Verdienst als Erfinder der Luftpumpe.23 Diese Veröffentlichung löste sowohl auf Seiten Boyles als auch seiner Kritiker eine ganze Reihe weiterer Publikationen aus. Hier sind auf Seiten der Kritiker besonders der von aristotelisch-scholastischem Standpunkt
19 Der Guericke betreffende Anhang auf den Seiten 441–484 wurde von Ingeborg Pape ins Deut sche übersetzt; siehe Literaturverzeichnis unter Schott (1657). Der darin – sowie in Schott (1664), Buch I – abgedruckte Briefwechsel zwischen Guericke und Schott war schon 1968 ins Deutsche übersetzt worden: vgl. Versuche1, S. (9)–(45); siehe zu den einzelnen Briefen: Krafft (2018). 20 Eine Übersetzung dieser Seiten erfolgte durch Roland Gründel; siehe Literaturverzeichnis unter Schott (1664); zudem oben, Anm. 19. Auf diese Werke verweist Leibniz am Beginn seiner Exzerpte; vgl. unten, S. 109. 21 Siehe zu Boyle: Hunter (2009); zu seinen Experimenten besonders: Shapin & Schaffer (2011); zur Wirkungsgeschichte dieses Buches: Isis (2017); zur Vorgeschichte von Boyles Experimenten: Webster (1965), zu Hooke: Jardine (2003). 22 Vgl. A II, 1, N. 11, S.14–24, hier S. 15 (2006: S. 23–38, hier S. 25); englische Übersetzung: Loem ker (1969), S. 93–104. 23 Vgl. Boyle (1660), S. 5: „You may be pleas’d to remember, that a while before our separation in England, I told you of a Book that I hadt heard of, but not uerus’d, publish’d by the industrious Jesuit Schottus, wherein ‘twas said, He related how that ingenious Gentleman Otto Gericke, Consul of Magdeburg, hat lately practiced in Germany a way of emptying Glass Vessels, by sucking out the Ayr at the mouth of the Vessel, plung’d under water …“ Vgl. Boyle (1999), S. 158.
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aus argumentierende Franciscus Linus24 sowie – abgrenzend gegen den Aristote lismus – Thomas Hobbes und Henry More zu nennen.25 Dabei stehen zwei Diskussionspunkte im Mittelpunkt: die Frage der tatsächlichen oder vermeintlichen Existenz des Vakuums und die Frage der Aussagekraft und Reichweite experimenteller Erkenntnis als solcher. Boyle streitet nicht ab, dass die evakuierten Behälter auch noch eine andere, feinere – aber offenbar mit den verfügbaren Mitteln nicht nachweisbare – Substanz (den hypothetischen Äther) enthalten können.26 Auf den Ausgang und die Bedeutung der Experimente hat dies nach seiner Ansicht in Bezug auf die Eigenschaften der Luft jedoch keinen Einfluss. Für ihn ist die Frage nach der Existenz eines möglichen Vakuums zunächst einmal keine metaphysische, sondern eine Frage experimenteller Nachweisbarkeit. Die Frage nach den Ursachen der beobachteten Phänomene ist für ihn – wie später für Newton – zweitrangig, für Hobbes dagegen muss der wahre Philosoph Ursachen angeben, sonst blieben die experimentellen Ergebnisse unverständlich. Damit folgt Hobbes – wie auch Leibniz27 – Aristoteles, der die erste Philosophie als Wissenschaft von den Ursachen und Prinzipien definiert.28 In seinem Werk De corpore definiert Hobbes: „Philosophie ist die durch richtiges Schlussfolgern gewonnene Erkenntnis der Wirkungen bzw. Phänomene im Ausgang vom Begriff ihrer Ursachen bzw. Erzeugungsweisen, und umgekehrt von möglichen Erzeugungsweisen im Ausgang von der Kenntnis der Wirkungen.“29
Hobbes Ursachenbegriff ist hier freilich ein ganz anderer als der von Aristoteles und der scholastischen Tradition. Er ist ein entschiedener Vertreter der mechanischen Philosophie. Daher kann es seiner Ansicht nach für alle Naturvorgänge nur mechanische Ursachen geben, d. h. solche, die auf die Bewegungen und den Zusammenstoß von Körpern in einem lückenlos erfüllten Kosmos zurückgehen. Naturwissenschaft besteht für ihn aus logischen Ableitungen von mechanischen ersten Ursachen. Dabei wird der Alltagserfahrung vor künstlichen Experimenten (wie bei den Vertretern der experimentellen Philosophie) der Vorzug gegeben. Ein
24 Siehe zu Linus: Pyle (2000), Bd. II, S. 523–527. 25 Siehe zu diesen drei Autoren: Shapin & Schaffer (2011), S. 155–224. 26 Boyle, Examen of Hobbes 1662, S. 196; zitiert bei Shapin & Schaffer (2011), S. 120. 27 Vgl. Leibniz’ Brief an Guericke Nr. [3] vom 17.08.1671; unten, S. 71–72. Siehe zum Verhältnis von Leibniz zu Hobbes auch Leibniz’ enthusiastischen Brief an Hobbes vom 13./23. Juli 1670 – etwa ein Jahr vor Aufnahme des Briefwechsels mit Guericke – in A II, 1, N. 25, S. 90–94 (englische Teilübersetzung in Leibniz (1969), S. 105–108). Obwohl unsicher ist, ob Hobbes den Brief erhielt, ist dieser jedoch ein interessantes Dokument für Leibniz’ physikalische Studien aus dieser Zeit. 28 Aristoteles, Metaphysik, IV, 1, 1003a21–32. 29 Hobbes (1839–45), Bd. I, S. 2; deutsche Übersetzung: Hobbes (1997), S. 16. Siehe zur Thematik der Ursache besonders: Hobbes (1997), S. 125–132 (De corpore, Teil II, Kap. IX).
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Verzicht auf Klärung der mechanischen Ursachen der beobachteten Phänomene wie bei Boyle musste daher Hobbes als Absurdität und Verzicht auf Wissenschaft schlechthin erscheinen. Von anderer Art war der Angriff von Franciscus Linus30, einem englischen Jesuiten, auf Boyles Versuche. Obwohl Boyle nicht den Anspruch erhoben hatte, dass sich im evakuierten Behälter ein Vakuum befinde, sah Linus in ihm einen Vertreter der Vakuisten, und verteidigte daher mit aristotelischen und experimentellen Argumenten die Annahmen der Plenisten. Das Experiment als Instrument der Wahrheitsfindung als solches wurde dabei von ihm nicht in Frage gestellt. Seine Funiculus-Theorie31 geht davon aus, dass sich nach der Evakuierung in der Torricelli-Röhre oberhalb der Quecksilbersäule eine feinstoffliche Quecksilberart bildet, die wie ein Gummiband am oberen Ende der Röhre anhaftet und die Quecksilberoberfläche in Position hält. Weil Boyle Linus als Kritiker und Experimentator durchaus ernst nimmt, veröffentlicht er als Anhang zur zweiten Auflage der New Experiments eine eingehende Kritik. Die Reaktion des zu den „Cambridge Platonists“ gehörenden Henry More auf Boyles Experimente muss im Licht seiner Diskussion mit Descartes gesehen werden.32 Für More haben auch die unkörperlichen Wesenheiten, also Geister, eine Ausdehnung; dies gilt auch für Gott. Kosmologisch knüpft er an die Stoiker und ihren Gedanken einer endlichen Welt in einem unendlichen leeren Raum an. More vertritt die Idee einer absoluten Zeit und eines absoluten Raumes, die später für Newton auch in der Auseinandersetzung mit Leibniz eine zentrale Rolle spielen wird. Descartes vertritt gegenüber More seine bekannte Position, dass die Welt unbegrenzt, aber nicht unendlich sei. So etwas wie einen imaginären Raum gibt es nicht, alles ist mit Materie erfüllt, d. h. Raum und Materie sind identisch.33 More war schon vor seinem Briefwechsel mit Descartes zu der Überzeugung gelangt, dass die Welt von einem unendlichen leeren Raum umgeben ist, der auch
30 Siehe zu Linus’ Auseinandersetzung mit Boyle: Shapin & Schaffer (2011), S. 156–169. Leibniz setzte sich mit Linus’ Funiculus-Theorie in seinen Experimenta pneumatica circa vacuum aus der zweiten Jahreshälfte 1672 auseinander; vgl. A VIII, 1, N. 40, S. 326–333. 31 Vgl. Linus (1661). 32 Siehe zu Mores Position und seiner Auseinandersetzung mit Descartes: Grundriss, 17. Jhdt., Bd. III.1, S. 266; Grant (1981), S. 221–228; Gaukroger (2002), S. 101–102; Jesseph (2005); Gosztonyi (1976), S. 266–272 (zu More), S. 262–263 (zu Boyle); Koyré (1980), S. 119–143. Inwieweit Leibniz Mores Kritik an Boyle zur Kenntnis genommen hat, bleibt offen. More wird in Leibniz’ Werken erst nach dem hier betrachteten Zeitraum häufiger erwähnt; vgl. A VIII, 1, N. 1, S. 18 und zum Enchiridion metaphysicum A II, 1, N. 222, S. 507 (2006: S. 789). 33 Vgl. die Briefe an More vom 05.02.1649 und 15.04.1649; in: Descartes (19952), S. 360–367 und S. 371–375; AT, Bd. V, S. 267–279 und S. 340–348.
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ohne Materie existieren kann. Dieser dreidimensional gedachte Raum war für More ein Attribut Gottes. Seine Unermesslichkeit (immensitas), d. h. die göttliche Ausdehnung, ist auch in diesem Leerraum präsent. Um das daraus resultierende Problem der Teilbarkeit Gottes zu umgehen, ging More zwar von einer teilbaren Materie, jedoch – wie später auch Newton und Clarke, die eine Präsenz Gottes im Raum annahmen – von einer Unteilbarkeit des Raumes aus. In diesem Raum gibt es nur ausgedehnte Materie und ebenso ausgedehnte Geister. Es kann daher nicht verwundern, dass More, als 1660 Boyles Vakuumexperimente veröffentlicht wurden, diese enthusiastisch, als einen experimentellen Beweis für seine Geisttheorie aufnahm, wonach die Eigenschaften der Materie allein nicht ausreichend sind zur Erklärung der von Boyle erzielten experimentellen Resultate.34 Bereits 1662 bezieht sich More in seinem Werk Antidote against Atheism35 in diesem Sinne auf die Boyleschen Versuche. Möglicherweise im Anschluss an Johann Heinrich Alsteds Encyclopaedia36 gibt Boyle jedoch dem Vakuum keine ontologische Dimension, sondern interpretiert es als das Fehlen einer Eigenschaft, nämlich im Sinne eines Mangels an Materie (Luft) in einem bestimmten Raum. Nur dies ist experimentell feststellbar, nicht dagegen, ob dieser Raum in einem absoluten Sinne frei von jeglicher Materie ist. Boyles Verzicht darauf, die Ursachen für die von ihm beobachteten Phänomene anzugeben, konnte More freilich nicht befriedigen. Boyle seinerseits fühlte sich von More grundsätzlich missverstanden und hinsichtlich der Anwendung und Interpretation seiner experimentellen Resultate missbraucht; nicht zuletzt hatte er theologische Vorbehalte gegen Mores Theorie von der Existenz einer unendlichen geistigen Wesenheit unabhängig und parallel zur Materie, die sich für ihn zwischen Gott und seine Schöpfung schob. Boyles Publikationen zu pneumatischen Experimenten und den Eigenschaften der Luft erstrecken sich bis in die neunziger Jahre des 17. Jahrhunderts. Inwieweit Leibniz diese zur Kenntnis nahm, bleibt offen. Unter den pneumatischen Exzerpten und Entwürfen zur Pneumatik findet sich jedenfalls kein Text von Boyle, auch wenn er als Autor an vielen Stellen erwähnt wird und somit davon auszugehen ist, dass ihm die New Experiments auf jeden Fall bekannt waren.37 Leibniz hat Boyle bei seinem ersten Londoner Aufenthalt am 12. Februar 1673 zusammen mit dem Mathematiker John Pell getroffen.38 Ein Briefwechsel wird
34 Siehe hierzu: Shapin & Schaffer (2011), S. 207–224; Jenkins (2000); More (1671). 35 More (1662). 36 Alstedt (1630). Siehe zu Alstedt: Wollgast (1988), S. 190–196. 37 Leibniz’ Notizen zu seinem ersten London-Aufenthalt und zu weiteren Titeln Boyles findet man in seinen Observata philosophica in itinere anglicano sub initium anni 1673: A VIII, 1, N. 1, S. 3–19. 38 Siehe hierzu: Brown (2007).
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nicht aufgenommen, in den Jahren 1675 und 1676 setzt sich Leibniz jedoch verstärkt mit Schriften Boyles – allerdings nicht zur Pneumatik – auseinander und macht dazu Notizen. Insgesamt ist wohl auch Boyle Teil des konfliktreichen Verhältnisses von Leibniz zu den englischen Wissenschaftlern.39 Von größter Bedeutung für die Weiterentwicklung und Diskussion der pneumatischen Experimente waren die Forschungen von Christiaan Huygens40 auch und gerade im Hinblick auf Leibniz, da Huygens durchaus als Leibniz’ Lehrmeister in Sachen der Physik angesehen werden kann. Huygens stand von Anfang an in direktem Kontakt und im Wettbewerb mit den englischen Gelehrten um Robert Boyle, durch den er 1661 die Luftpumpe kennenlernte, und er stand später in Paris auch in direkter Verbindung mit Leibniz. Alice Stroup sieht die Bedeutung von Huygens vor allem darin, dass dieser an die Ergebnisse der englischen Wissenschaftler anknüpfte und den dort erreichten Wissensstand nach Frankreich brachte und selbständig weiterentwickelte.41 Durch seine Bemühungen gelang es, die Luftpumpe zu einem reproduzierbaren und schließlich kommerziellen Versuchsgerät weiter zu entwickeln.42 Es ist allerdings bemerkenswert, dass Huygens seinen wichtigen Beitrag zur technischen Weiterentwicklung der Luftpumpe nicht publizierte; das überließ er seinem damaligen Assistenten, Denis Papin, der 1674 die gemeinsam durchgeführten Versuche veröffentlichte.43 Von großer Bedeutung ist ein kurzer Beitrag, den Huygens am 17. Juli 1672 im Journal de Sçavans über das Phänomen der sog. „anomalen Suspension“ publizierte (am 19. August 1672 erschien der Beitrag in englischer Übersetzung, gekürzt und ohne die erläuternde Skizze auch in den Philosophical Transactions)44. Denn es ist offenbar dieser Beitrag, der Leibniz zu einer erneuten und vertieften Beschäftigung mit pneumatischen Fragen anregte, nicht zuletzt weil seine in der Hypothesis physica nova ausgearbeitete Ätherhypothese damit in den Mittelpunkt des Interesses geriet.45 Interessanterweise macht dieses Experiment bis heute Wissenschaftshistorikern Erklärungsschwierigkeiten.46 Huygens hatte beobachtet, dass
39 Siehe Phemister & Brown (2007). 40 Siehe hierzu: Stroup (1981); Hecht (2008), Shapin & Schaffer (2011), S. 235–276. Überblick zu Huygens Leben und Werk in: Grundriss, 17. Jhdt., Bd. II.2, S. 675–684 und S. 706–708. 41 Stroup (1981), S. 130. Es wäre eine interessante Aufgabe zu untersuchen, ob Guericke in die sem Austausch eine Rolle spielte. 42 Siehe Schneider (1986). 43 Vgl. Papin (1674); deutsche Übersetzung: Papin (um 1750). 44 Vgl. Huygens (1672a) und Huygens (1672b) 45 Siehe hierzu: Hecht (2008). 46 Eine korrekte physikalische Erklärung anhand einer Wiederholung des Versuchs mit heuti gen technischen Möglichkeiten gibt Nauenberg (2015) an.
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bei einer Torricelli-Röhre in einem evakuierten Behälter unerwartete Effekte auftraten, wenn er statt mit normalem Wasser mit Wasser experimentierte, aus dem ein großer Teil der im Wasser vorhandenen Luft entfernt wurde. Boyle hatte das Experiment bereits mit „normalem“ Wasser ausgeführt (Nr. 19 in den New Experiments). Wie zu erwarten war, senkte sich die Luftsäule im evakuierten Behälter mit abnehmendem Innendruck ebenfalls ab. Dieser Effekt trat jedoch nicht ein, wenn stattdessen mit dem von Luft gereinigten Wasser experimentiert wurde.47 Huygens führte diesen Versuch zum ersten mal 1662 durch und wiederholte ihn bis 1672 immer wieder. Der Versuch führte zu einer intensiven Auseinandersetzung zwischen den englischen Wissenschaftlern und Huygens, die nicht zuletzt auch Fragen der generellen Reproduzierbarkeit von Experimenten betrafen. Die besondere Bedeutung lag jedoch in der allgemeinen naturphilosophischen Dimension dieses Versuchs. Für Huygens legte er nämlich nahe, dass es neben der gewöhnlichen Luft eine weitere Substanz gibt, die ein Fallen des Wasserspiegels verhindert. Sie wird erst aktiv, wenn die Luft evakuiert wurde, und sie hat ihrerseits Gewicht und Elastizität. Huygens sieht hier eine Möglichkeit, die cartesische Äthertheorie mit den aktuellen pneumatischen Experimenten zu versöhnen. Zum ersten Mal ist also einer der führenden Vertreter der experimentellen Philosophie durch die Versuche mit der Luftpumpe zu der Ansicht gelangt, dass ein Vakuum unmöglich ist. Huygens wird wegen dieser Interpretation der Versuchsergebnisse sowohl in England als auch in Frankreich heftig angegriffen. Leibniz setzt sich mit diesem Experiment und den verschiedenen Erklärungsversuchen in der zweiten Jahreshälfte 1672 in einem umfangreichen Entwurf intensiv auseinander.48 Neben Guericke und Huygens exzerpiert und studiert Leibniz zu Beginn seines Pariser Aufenthalts die 1667 in Florenz veröffentlichten Saggi di naturali esperienze („Versuche natürlicher Experimente“) sowie Blaise Pascals Traitez de l’équilibre des liqueurs („Abhandlung über das Gleichgewicht der Flüssigkeiten“, 1663). Leibniz’ Auszüge aus ersterer Abhandlung sind dabei wesentlich umfangreicher und erstrecken sich über das ganze Buch.49 Die von Lorenzo Magalotti – mit dem Leibniz später eine Korrespondenz aufnahm – herausgegebenen Saggi dokumentieren die im Rahmen der Accademia del Cimento ausgeführten Expe-
47 Anders als bei Schapin & Schaffer (2011), S. 241, Anm. 24 unterstellt, besteht die korrekte phy sikalische Erklärung darin, dass Boyle und Hooke mit Wasser experimentierten, das Luft ent hielt, Huygens dagegen mit Wasser, das von Luft gereinigt worden war. 48 A VIII, 1, N. 39, S. 291–323. 49 A VIII, 1, N. 37, S. 277–287 und N. 38, S. 288–290.
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rimente, wobei nur die interessantesten aufgenommen wurden.50 Das Buch ent hält nicht nur Experimente zum Luftdruck, die jedoch den Schwerpunkt bilden, sondern auch Versuche mit Wärme und Kälte, Magnetismus, elektrischen Erscheinungen usf. Leibniz’ Auszüge aus diesem ganz dem Experiment gewidmeten Werk sind dabei nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, denn das Buch war im Buchhandel nicht erhältlich und wurde vom Patron der Akademie, Prinz Leopold von Medici, als Geschenk in Europa verteilt, was dessen Resonanz in der gelehrten Welt einschränkte. Hinzu kommt, dass der Inhalt des Werkes – zwischen Ausführung der Experimente und ihrer Publikation vergingen etliche Jahre – inzwischen veraltet war: ein Schicksal, das die Florentiner Abhandlung mit Guerickes Experimenta nova teilte. Durch Torricellis Experiment angeregt, hat sich Pascal51 – ein Autor, der in Leibniz’ Schriften sehr oft erwähnt wird – intensiv mit pneumatischen Fragen befasst. Dabei stellte sich für ihn die Aufgabe zu klären, was sich in dem Raum oberhalb der Quecksilbersäule befindet und was diese Säule in ihrer Position hält. Pascal widerlegt die auf der aristotelischen Naturphilosophie beruhende Annahme eines horror vacui und beweist – besonders eindrucksvoll mit dem berühmten Puy-de-Dôme-Experiment – die Existenz und Höhenabhängigkeit des Luftdrucks. In der Vakuum-Frage ist er jedoch ähnlich vorsichtig wie Boyle, indem er unter „Vakuum“ nur einen Raum verstanden wissen will, der keine Körper enthält, die sinnlich wahrgenommen werden können. Die von Pascal zu diesem Thema verfasste Abhandlung über Hydrostatik und Luftdruck erschien erst nach seinem Tod 1663;52 inzwischen hatte er sich anderen Themen zugewandt und das Interesse an der Publikation verloren. Leibniz’ Notizen beschränken sich neben einigen Aufzeichnungen zu Pascals Lebenslauf auf eine kurze Anmerkung zu Kapitel 2 (in dem nachwiesen wird, dass die früher dem horror vacui zugeschriebenen Wirkungen durch den Luftdruck verursacht werden) sowie auf einen Auszug aus dem Bericht Florin Périers über die Ortsabhängigkeit des Luftdrucks. Leibniz’ Beschäftigung mit pneumatischen Fragen erstreckt sich vor allem auf die Jahre 1671–72, in denen er sich auf Grundlage der Werke von Guericke, Boyle, Magalotti, Pascal und Huygens mit dem aktuellen Forschungsstand vertraut macht. In den späteren Jahren seines Pariser Aufenthalts (ab 1673) wendet
50 Vgl. Magalotti (1667); englische Übersetzung und umfangreiche Erläuterungen in Middleton (1971). Siehe außerdem: Grundriss, 17. Jhdt., Bd. I.2, S. 842–869. 51 Siehe zu Pascal: Grundriss, 17. Jhdt., Bd. II.2, S. 529–570. 52 Pascal (1663); englische Übersetzung mit Erläuterungen und Dokumenten, die mit diesem Werk in Beziehung stehen, in: Pascal (1937). Siehe zu den Experimenten und Forschungen Pas cals: Shea (2000); Mesnard (1997); Arnold (1989); Mehlig (1971).
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er sich anderen Themen zu, ohne später seine Grundansichten in Bezug auf die Rolle der Ursachenerklärung in den Naturwissenschaften und zur Frage des Vakuums aufzugeben. In der berühmten Debatte mit Samuel Clarke am Ende seines Lebens werden beide Themen noch einmal eine zentrale Rolle spielen (siehe unten).
Leibniz’ Hypothesis physica nova Im Mai 1671 wendet sich Leibniz auf Grund der Anzeige von Guerickes Werk im Katalog zur Frankfurter Buchmesse von 1670 an den Autor. In dieser Anzeige werden neue Entdeckungen Guerickes zum Vakuum und verschiedenen anderen mathematischen Sachen angekündigt.53 Leibniz legt seinem ersten, nur fragmentarisch überlieferten Brief an den Magdeburger Gelehrten ein druckfrisches Exemplar der Hypothesis physica nova bei. Diese Schrift muss daher im Hinblick auf die im Briefwechsel mit Guericke und später dann in den Exzerpten aus den Experimenta nova verhandelten Fragen als Leibniz’ naturphilosophischer Standpunkt gelten und kann in gewisser Hinsicht als Gegenentwurf zu Guerickes kosmologischen Überlegungen gelesen werden. Auch Guericke sendet ihm Auszüge aus seinem noch nicht veröffentlichten Werk. Es soll daher hier zunächst auf die Hypothesis physica nova eingegangen werden.54 Das kurze Werk von etwa 34 Druckseiten in der Akademieausgabe geht wie selbstverständlich vom copernicanischen Weltsystem aus. Zwischen der Sonne und den Planeten postuliert Leibniz einen ruhenden Äther, der diese Zwischenräume zumindest weitgehend ausfüllt; eine völlige Erfülltheit schließt Leibniz aus. Sonne und Planeten schreibt Leibniz eine ursprüngliche Bewegung um ihren Mittelpunkt zu, die auch für den Zusammenhalt der Teile (cohaesio) verantwortlich ist. In der Sonne muss jedoch noch eine andere Bewegung vorhanden sein, die die Strahlung (Licht) der Sonne verursacht. Leibniz fasst die Lichtemission der Sonne als Aussendung einer Materie auf und schlussfolgert daher, dass die Sonne nicht ewig geleuchtet haben kann, sonst wäre sie schon erschöpft. Zumindest müsse man eine gewisse Kreisbewegung auch der Lichtemission annehmen, so dass die Verluste wieder ersetzt würden. Dieses Licht wirkt auf den zwischen den Himmelskörpern befindlichen Äther ein (Hypothesis § 55) und versetzt ihn in Bewegung. Der Äther seinerseits setzt der Bewegung der Himmelskörper keinen
53 Vgl. Anm. 3 zum Brief Nr. [1]: unten, S. 63. 54 Siehe zu den Ausgaben das Literaturverzeichnis.
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Widerstand entgegen. Die Erde war ursprünglich von einer zwischen der Dichte von Luft und Erde liegenden wässrigen Beschaffenheit. Leibniz beruft sich hier auf Johann Baptista van Helmont, für den das Wasser das Urelement ist. Der wässrige Zustand der Erde wurde jedoch durch den Einfluss des Lichtes verändert, indem der Äther auch in die Erde eindringen konnte und sich dabei in sog. Blasen55 (vgl. besonders Hypothesis § 12) unter Mitwirkung einer gewissen Strebung (conatus)56 gesammelt hat (als empirisches Beispiel führt Leibniz das Blasen von Gefäßen bei der Glasherstellung an). Demnach wird die Erde überall vom Äther durchdrungen, welcher seinerseits die Wirkung des von der Sonne ausgesandten Lichtes aufnimmt. Die Blasen sind die Bestandteile aller Körper und damit auch der üblichen Elemente. Alle Körper befinden sich in Bewegung, so dass es einen ruhenden Körper nicht geben kann. Dabei fasst Leibniz das Feuer als Vereinigung des Äthers und der Luft auf. Der Äther bewegt sich gegenläufig zur Drehrichtung der Erde. Die Schwere (gravitas) entsteht dabei aus der Drehbewegung des Äthers, indem dieser die Dinge, auf die er trifft, entweder zerstreut oder zusammendrückt (Hypothesis § 18 und § 57); dies ist Ursache für die mechanischen Phänomene und Wirkungen. Dabei hängt das Maß der Schwere von der Störung der kreisförmigen Bewegung des Äthers ab. Enthält ein Köper wenig Äther, so übt er eine große Störung aus und wird daher nach unten gestoßen und umgekehrt. Die Behinderung der Ätherzirkulation wird als Erklärungsmodell für alle nachfolgend beschriebenen Phänomene angewandt. An anderer Stelle (Hypothesis § 60) identifiziert Leibniz den Äther mit van Helmonts Archaeus.57 Dieser ist van Helmont zufolge ein in „Samen“ eingeschlossener Lebensgeist, der zugleich einen geistigen und einen feinstofflichen Aspekt aufweist. Dem geistigen Aspekt nach ist der Archaeus ein aktives Prinzip, das mittels der Samen aus der Materie (laut van Helmont das Wasser) alle Wesenheiten erschafft und die vitalen Funktionen steuert und überwacht. Den materiellen Aspekt des Archaeus kennzeichnet van Helmont als das bei der Verbrennung entstehende Gas.58 Leibniz knüpft mit
55 Diese Idee der Blasen, die als Behälter des Äthers dienen, wird bei Leibniz später zum Kon zept der Monaden weiterentwickelt. 56 Beim conatus handelt es sich um einen zentralen Begriff von Leibniz’ Naturphilosophie, den er von Hobbes übernommen und weiter ausgestaltet hat. Siehe hierzu: HWP, Bd. I, Sp. 1028–29; Brown & Fox (2006), S. 53; Hecht (1992), S. 26–27; Duchesneau (2005); Martinich (1995), Stichwort endeavor, S. 105–107. 57 Siehe zum Archaeus bei van Helmont: Pagel (1982), S. 96–102. Vgl. van Helmont (1683), S. 40–42 (aus Traktat VI: Von dem Archeus oder dem inwendigen Werck-Meister der Samen). 58 Leibniz machte 1671 die Bekanntschaft des Sohns des älteren van Helmont, Franciscus Mer curius (1614–1699), nachdem er schon dessen Schriften und die seines Vaters studiert hatte. Siehe Coudert (1995), S. 35–77.
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seiner Theorie der von Äther gefüllten Blasen, die die „Samen der Dinge“ (semina rerum) sind, an dieses Konzept van Helmonts an. In der Folge versucht Leibniz auch andere physikalische Erscheinungen wie die Elastizität der Körper, die Zusammenstöße unter Körpern und die Pendelphänomene aus der Wirkung des Äthers zu erklären. So findet beim Zusammenstoß zweier Körper ein Austausch von Äther zwischen diesen Körpern statt (Hypothesis § 23), wobei sich Leibniz hier auf die oben erwähnten Forschungen von Wren und Huygens bezieht.59 Die unterschiedliche Schwere von Stoffen (etwa Holz im Vergleich zu Wasser) kommt durch den unterschiedlichen Gehalt an Äther zustande. Dies würde auch den Weg zur Luftfahrt öffnen, wenn es nur gelänge, etwas Leichteres als Luft zu konstruieren. Leibniz erwähnt hier den Vorschlag von Francesco Lana de Terzi, mit evakuierten (vollkommen runden und somit nicht eindrückbaren) Gefäßen ein Luftschiff in die Höhe zu heben.60 Lana de Terzi veröffentlichte 1670 seine Schrift,61 die Leibniz offenbar bekannt war. Allerdings ist er in Bezug auf die praktische Realisierbarkeit skeptisch: Er stellt darüber zur Klärung der Randbedingungen – unter Berufung auf Robert Boyle62 – auch eine längere Berechnung an und würdigt anschließend verschiedene Vorrichtungen, die durch die Erfindung der Luftpumpe möglich geworden sind. Dabei kommt er auch auf das Phänomen zu sprechen, dass die Luft in ein evakuiertes Gefäß mit großer Gewalt wieder eindringt – ein Phänomen, das auch Guericke bewegte. Leibniz’ Erklärung dafür beruht wiederum auf der Wirkung des Äthers: Wenn die Luft aus einem Gefäß herausgepumpt wird, dann dringt der in einer steten Kreisbewegung befindliche Äther in dieses Gefäß ein. Auch wenn prinzipiell Leerräume in der Natur möglich sind, so beschränkt sich dies jedoch auf kleine Gebiete. Wird nun das Gefäß der Luft wieder zugänglich, so dringt diese mit großer Gewalt wieder ein, weil der an seiner natürlichen Bewegung gehinderte Äther gleichzeitig wieder herausgeht, obwohl dieser durchaus auch durch die Wandungen des Behälters gehen könnte. Dies war aber solange nicht möglich, als die Luft evakuiert war. D. h., beim Öffnen des Behälters addieren sich die Wirkung des äußeren Luftdrucks und die Rückströmung des Äthers.63 Diese Theorie wird auch auf die Wirkungsweise der sog. Windbüchse angewendet.64
59 Siehe zur Stoßtheorie von Wallis, Wren und Huygens: Szabó (1987), S. 439–452. 60 Leibniz hat die Hypothesis auch an Francesco Lana de Terzi geschickt; vgl. dessen Brief an Leibniz: A II, 1, N. 68a, S. 222–224 (nicht in der Erstausgabe von 1926). Vgl. auch Erläuterungen zu EN III, 3, S. (260a). 61 Lana de Terzi (1670). Vgl. A II, 1, N. 76, S. 149, 1 (2006: S. 244, 15). 62 Vgl. Boyle (1669). 63 Vgl. hierzu: EN III, 26. 64 Vgl. EN III, 29. Siehe hierzu: Heinecke (2006); Zedler, Bd. LVII, Sp. 660–668.
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Ein besonderes Problem stellt für Leibniz die nähere Bestimmung des Lichts dar, ein Gebiet der physikalischen Forschung, das gerade um 1670 intensiv diskutiert wurde. Ausgangspunkt ist Descartes’ Lichttheorie, wonach das Licht das erste Element (Sonne und Fixsterne) repräsentiert, welches auf das zweite Element, den Äther (als vollkommen unelastische Kügelchen gedacht) einwirkt.65 Diese Theorie tritt in modifizierter Form auch bei Leibniz auf, indem er erklärt, dass das Licht eine Bewegung des Äthers sei und dass das Licht der Sonne, als das ursprüngliche Licht, sich von einem sekundären Licht unterscheide. Für die Entstehung dieses sekundären (irdischen) Lichts, welches sich in ein wirkliches Licht und ein (etwa in Spiegeln) nur reflektiertes Licht aufspalte, wird wiederum der Äther herangezogen. Sekundäres Licht (etwa durch Feuer) entstehe, wenn sehr viele Blasen zerstört würden und somit der Äther mit großer Gewalt hervorschieße. Das Verhältnis der Lichtmaterie zur Äthermaterie ist somit nicht ganz klar. Auch der Schall wird mit Hilfe des Äthers erklärt (Hypothesis § 32). Der Schall entsteht nach Leibniz nicht durch eine Bewegung der Luft. Er sieht hierfür einen experimentellen Beleg im sog. Glöckchen-Experiment.66 Wenn in einem evakuierten Gefäß ein Glöckchen aufgehängt und angeschlagen wird, dann ist trotz der Luftleere ein Geräusch zu hören, woraus Leibniz auf die Existenz des Äthers schließt. In den folgenden Paragraphen erklärt er die Ursache von Wärme und Kälte sowie des Magnetismus wiederum mit Hilfe des Äthers.67 Die Wärme hat den gleichen Ursprung wie das Licht, sie ist nur erheblich feiner.68 Die Deutung der Magneterscheinungen (Hypothesis § 34–35) gehört zu den brisanten Themen der naturwissenschaftlichen Forschung im 17. Jahrhundert.69 Handelt es sich doch anscheinend um eine Fernwirkungskraft, die sich wie das Licht auch durch ein (vermeintliches) Vakuum hindurch ausbreitet bzw. wirkt.70 Descartes hatte in den Principia für die Erklärung des Magnetismus doppelte Wirbel einer aus schraubenähnlichen Teilchen bestehenden Materie erdacht, die vom Nord- zum Südpol und umgekehrt fließen.71 Im Eisen nimmt Descartes feine schraubenförmig gewundene Kanäle an, in die jeweils eine Art der ebenso gewundenen Teil-
65 Vgl. Descartes, Principia, III, § 55 und § 63–64. Siehe zur Lichttheorie: Gehler (1789), Bd. II, S. 882–904; Sabra (1967). 66 Vgl. EN III, 15. Siehe zu den Vorläufern dieses Versuchs Erläuterungen, S. (264). 67 Vgl. hierzu Leibniz’ Brief an Guericke vom 17.08.1671: A II, 1, N. 75 = Nr. [3] in der vorliegenden Ausgabe. 68 Vgl. EN IV, 11. 69 Leibniz führt zu diesem Thema Athanasius Kircher (1643) an. 70 Vgl. EN IV, 7–8. Siehe hierzu: Gehler (1790), Bd. III, S. 115–127. 71 Vgl. Descartes, Principia, IV, ab Kap. 133.
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chen passt. Auch Leibniz fasst das Eisen als eine löchrige Materie auf, in die der Äther, als Ursache der magnetischen Phänomene, eindringt. Die chemischen Prozesse wie Verbrennung, Gärung usf. werden auf die Wirkungen des Äthers und der Blasen, letztlich auf einen Austauschprozess zwischen vollen und leeren Blasen zurückgeführt (Hypothesis § 39). In § 43 taucht dann ein Gedanke auf, der schon auf Leibniz’ zukünftige Monadenlehre vorausweist: durch die mikroskopischen Untersuchungen von Kircher und Hooke wurde gezeigt, dass gleichsam jedes Staubteilchen eine Welt für sich darstellt und dass dies unendlich so weiter gehen kann, weshalb sich gewissermaßen bis ins Unendliche Welten in Welten befinden.72 Leibniz’ Theorie des Aufbaus der Materie bezieht sich zum einen auf die Elemente der klassischen (aristotelischen) Tradition, zum anderen auf das Blasen-Konzept. In § 55 bekennt er sich zu den traditionellen Elementen (Erde, Wasser, Luft und Feuer), wobei er das Feuer durch den Äther ersetzt. Leibniz bezieht sich dabei auf die Lehre des Anaxagoras, wonach alle Dinge aus einer Ansammlung von unendlich vielen, jedoch unterschiedlichen Teilchen unter dem Einfluss eines Weltgeistes entstanden sind.73 Offenbar hält es Leibniz für möglich, dass die Materie einerseits aus den Elementen aufgebaut ist, diese jedoch andererseits durch die Blasen konstituiert werden (siehe auch Hypothesis § 46): Auf diese Weise lassen sich die Aggregatzustände (fest und flüssig und deren Eigenschaften, § 59) und die Arten der Dinge (§ 47) bestimmen. So werden auch die chemischen Grundeigenschaften von Basen und Säuren erklärt, indem eine Blase, die luftleer aber voller Äther ist, als Base aufgefasst wird, und eine Säure entsprechend umgekehrt. Diese Lehre von den Blasen wird dann weiter ausgeführt (Hypothesis § 48–51), wobei Leibniz in § 51 eine Tabelle mit den verschiedenen Blasenarten, ausgehend von ihren Füllungszuständen und den Füllungseigenschaften, d. h. von ihrem Inhalt und den daraus folgenden Eigenschaften und Aggregatzuständen, aufstellt. Hieraus wird deutlich, dass diese Blasen etwas völlig anderes sind als die Atome der Atomisten, denn die Blasen weisen eine Binnenstruktur auf, sie sind gewissermaßen kleine Behälter, deren innere Zustände sehr unterschiedlich sein können – mit entsprechenden Folgen für ihre Wirksamkeit. Zwischen den Blasen sind Leerräume möglich, wobei Leibniz zugesteht, dass sich an seiner Theorie nichts ändert, falls es diese doch nicht gibt (Hypothesis § 55). Allerdings stellt er im folgenden Paragraphen in Bezug auf das Problem von Ausdehnung und Verdichtung fest, dass
72 Vgl. Leibniz, Monadologie, § 64 (Gerhardt-PS, Bd. VI, S. 618); deutsche Übersetzung: Leibniz (1998). 73 Siehe zur Lehre des Anaxagoras: Grundriss, Antike, Bd. I.2, S. 740–796 (zur Materiekonzeption besonders S. 755–766).
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die Ausdehnung nur denkbar ist, wenn etwas anderes zwischen die ursprünglich vorhandenen Teilchen des Körpers tritt und dies ganz ohne Annahme einer Leere nicht möglich ist, da es in einem komplett vollen Körper keine Bewegung geben kann. Dies ist auch die Ansicht von Guericke, nur dass dieser annimmt, dass sich im Zuge der Ausdehnung (wenn etwa ein Gefäß luftleer gepumpt wird) zwischen den Luftteilchen die Leere (Vakuum) ausbreitet.74 Diese Elastizität ist für Leibniz vielmehr eine Folge des Äthers. Sie wird auch herangezogen, um das Phänomen der bekannten Adhäsionsplatten zu deuten (Hypothesis § 59) sowie die Bewegung der Meere, der Winde, des Blutes, der Musik, der Kunst des Schießens usf. In diesem Zusammenhang glaubt Leibniz, mit diesem Rüstzeug auch die sog. Bologneser Glastränen erklären zu können, die ebenso bei Guericke wie in den Exzerpten aus den Experimenta nova erwähnt werden.75 Dabei erstrebt er eine Vereinigung der verschiedenen darüber existierenden Meinungen, was aus seiner Sicht ein wesentliches Wahrheitskriterium darstellt. Schließlich könne man sich nicht genug über die Rolle der Geometrie in der göttlichen Einrichtung der Natur wundern. Auch wenn die Vernunftbegriffe in ihrer Absolutheit in der Natur nicht vorkommen, so erscheint es dennoch den Sinnen so, als sei dies der Fall, und dies ist im Hinblick auf die praktische Nutzanwendung in den angewandten Wissenschaften auch ausreichend. Dabei ist der Äther letztlich die Ursache dafür, dass die Phänomene von den wahren (absoluten) Gesetzen abweichen.76 Bereits Willy Kabitz hat zwei wesentliche Merkmale von Leibniz’ Hypothesis physica nova herausgestellt: zum einen die Idee der Entwicklung und zum anderen die Idee einer unendlichen Anzahl von Welten in Welten.77 Dem ersten Punkt pflichtet auch Philipp Beeley in seiner Untersuchung der Hypothesis bei: Leibniz sprengt die bisherigen Grenzen der mechanischen Naturphilosophie, indem er ihr eine Tendenz zur ständigen Vervollkommnung beilegt.78 Leibniz’ Theorie der „Welten in Welten“ steht naturgemäß in enger Verbindung zur Frage nach dem Atomismus. Es ist ein charakteristisches Merkmal seines Traktates, dass er zwischen aristotelischen und atomistischen Vorstellungen zu vermitteln sucht.79 In seiner Kosmogonie knüpft Leibniz an die Schöpfungstheorie von
74 Vgl. EN III, 9, 4. 75 Vgl. EN IV, 11; unten, Exzerpte, S. 138–139. 76 Siehe hierzu: Beeley (1996), S. 140. 77 Siehe Kabitz (1909), S. 80. 78 Siehe Beeley (1996), S. 196. 79 Auf diese „konziliatorische Tendenz“ hat schon Lasswitz (1890), Bd. II, S. 459 hingewiesen.
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Johann Baptista van Helmont an.80 Für van Helmont ist das Wasser das eigentliche Urelement, aus dem in einer Stufenfolge die übrigen Elemente entstehen. Indem Gottes Geist über dem (Ur-)Wasser schwebte, schwängerte er – in Anknüpfung an die stoische Naturphilosophie – dieses mit seinen „Samen“, gleichsam der Erbinformation aller Naturdinge.81 Für Leibniz ist dies der Äther, der sich in den von ihm konzipierten Blasen sammelt, die er als Samen der Dinge bezeichnet (Hypothesis § 12). Sie sind also nicht rein mechanischer Natur, sondern enthalten einen geistigen Aspekt, der auf die zukünftige Monadenlehre vorausweist. Leibniz geht dabei ausdrücklich von den Ergebnissen der mikroskopischen Forschungen aus, die immer neue Welten sichtbar werden lassen (Hypothesis § 42). Er bringt damit eine Erwartung zum Ausdruck, die schon Francis Bacon bewegte: Demokrit hätte sich über das Mikroskop gefreut, weil dieses schließlich die Atome sichtbar machen würde.82 Hieraus ergibt sich die Frage, wie Guericke mit seiner Auffassung des Vakuums zum Atomismus steht.83 Guericke identifiziert das von ihm postulierte und (vermeintlich) experimentell nachgewiesene Vakuum mit dem kosmischen leeren Raum, den er im Anschluss an Kircher mit dem Ort Gottes gleichsetzt. Guerickes Vakuum erfüllt in dieser Hinsicht somit die Funktion, die Leibniz dem Äther zuschreibt. Guericke bleibt jedoch dem Atomismus gegenüber skeptisch oder eher gleichgültig.84 Die Gründe dafür hat Christoph Lüthy zutreffend herausgearbeitet: Für ihn sind die unkörperhaften Wirkkräfte, die er mit der Schwefelkugel experimentell nachgewiesen zu haben glaubt, das viel wichtigere Konzept. Ferner durchdringt der Raum nach seiner Auffassung alle denkbaren kleinsten Teilchen: „Andererseits ist nichts so klein, so kraftwesig oder geistartig, dass nicht der Raum darin unendlich viel kleiner und feiner wäre.“85 Dies steht in diametralem Gegensatz zur antiken Konzeption der Atome.
80 Siehe Heinecke (1996), S. 78–83. Van Helmont knüpft seinerseits an Paracelsus an. Nach Pa gel (1982), S. 85–89 ist die Samenlehre ein grundlegender Bestandteil der paracelsischen Na turauffassung. 81 Van Helmont (1683), Traktat XX, 12: „Der Samen aber ist eine Substantz / darinnen schon ein sämlicher Geist (Archeus) enthalten ist; dieser aber ist ein geistlicher subtiler Dunst (Gas) und enthält in sich den Urheb; (fermentum) das Bild des Dinges; und über diß die Wissenschafft / so die Anleitung giebet was zu thun ist.“ 82 Bacon (2004), (Novum organon II, 39). 83 Siehe zu dieser Frage: Lüthy (2003). 84 Vgl. EN II, 12. Siehe hierzu: Erläuterungen, S. (257). 85 EN II, 12.
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Ein prinzipielles erkenntnistheoretisches Problem betrifft die Frage nach der Bedeutung und Reichweite experimenteller Erkenntnis.86 Leibniz erkennt die Bedeutung des Experiments durchaus an, verlangt jedoch, dass die Phänomene aus ersten Ursachen logisch nachvollziehbar abgeleitet werden. Nun weist der von ihm postulierte Äther u. a. die Eigenschaft auf, dass er unsichtbar ist und der Bewegung der Körper keinen Widerstand entgegensetzt. Dies entzieht ihn dem direkten Nachweis – anders als bei der Mikroskopie und der dadurch erhofften Sichtbarmachung der kleinsten Teilchen. Leibniz räumt also dem rationalen Schlussfolgern einen Vorrang vor den experimentellen Befunden ein. Auf diesen Punkt wird Guericke zurückkommen: was sich prinzipiell nicht nachweisen lässt, ist auch nichts und wird zur bloßen Chimäre.87 Demgegenüber glaubt er, das Vakuum unmittelbar experimentell und unwiderlegbar nachgewiesen zu haben.
Der Briefwechsel zwischen Guericke und Leibniz Der Briefwechsel zwischen Guericke und Leibniz muss einerseits unter dem Aspekt gesehen werden, dass Leibniz zu diesem Zeitpunkt noch ein völlig unbekannter junger Mann ist, der sich an den viele Jahrzehnte älteren, in gelehrten Kreisen ganz Europas berühmten Magdeburger Bürgermeister wendet. Insofern überrascht die Intensität, mit der sich der fast Siebzigjährige dem jungen Mann zuwendet. Der Briefwechsel ist damit auch ein Zeugnis für Guerickes anhaltenden Enthusiasmus für seine Forschungen, die er – anders eben als Boyle, Huygens und die Forscher der Accademia del Cimento – weitgehend allein und abseits eines großen Zentrums wie London, Paris oder Florenz betrieb. Ein zweiter Aspekt ergibt sich daraus, dass Guerickes Forschungen der gelehrten Welt durch die Veröffentlichungen Schotts bekannt geworden waren. Guericke erscheint darin als der Erfinder eines interessanten Versuchsapparats, der die Frage des Vakuums und des Luftdrucks in ganz neuer Art und Weise der Forschung zugänglich machte und alte metaphysische Fragen im Anschluss an Torricelli mit neuer Dringlichkeit stellte. Guerickes eigene Interessen gingen freilich weit über diesen Punkt hinaus und damit auch über alle anderen oben genannten Experimentatoren. Die Vakuumversuche und die Versuche mit der Schwefelkugel sind für ihn gleichsam nur die experimentelle Basis für eine weit ausgreifende Kosmologie
86 Hecht (1992), S. 25 formuliert dieses Problem so: „Können Regeln, die abstraktiv unter defi nierten experimentellen Bedingungen erschlossen wurden, allgemeingültige Bewegungsgesetze lie fern, oder wird in ihnen nur empirisch-zufällig ein besonderer physikalischer Zustand protokolliert?“ 87 Vgl. unten in dieser Ausgabe, Brief Nr. [2], S. 66–68.
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auf copernicanischer Grundlage. Dass dies Leibniz besonders interessiert haben muss, ist auf dem Hintergrund seiner Hypothesis physica nova offensichtlich. Der im Mai 1671 begonnene Briefwechsel – insgesamt besteht er aus neun Stücken – bricht im Frühjahr 1672 ziemlich abrupt ab, obwohl Leibniz danach Guerickes Experimenta nova einsehen kann, diese ausführlich exzerpiert und sich auch intensiv mit den aktuellen Forschungen zur Pneumatik in dieser Zeit befasst. Offenbar war jedoch sein Informationsbedarf gestillt, so dass es zu keiner Wiederaufnahme der Korrespondenz kam.
Die Kosmologie als Thema des Briefwechsels Ausgehend von Leibniz’ Hypothesis, ragt als Thema aus dem Briefwechsel die Kosmologie in den Briefen Nr. [2] bis [4] besonders heraus, auf die hier näher eingegangen werden soll. Guericke wie Leibniz gehen fast wie selbstverständlich vom copernicanischen Weltbild aus. Dies ist jedoch auch um 1670 noch keineswegs allgemein anerkannt. Denn es ist dabei zu bedenken, dass es vor Newton, d. h. im Rahmen der aristotelischen Physik, keine plausible Erklärung für die Bewegung der Planeten um die Sonne gab.88 Die von Kepler gegebene Erklärung in Analogie zu magnetischen Erscheinungen konnte die zeitgenössischen Gelehrten nicht überzeugen und stieß auf allgemeine Ablehnung.89 Copernicus hatte die Epizykelbewegungen aller Planeten in der jährlichen Bewegung der Erde um die Sonne ökonomisch zusammengefasst, die auch Tycho Brahe beibehält, nur dass er Erde und die von den Planeten umkreiste Sonne vertauscht. Nicht zuletzt deswegen gab es um die Mitte des 17. Jahrhunderts nur noch zwei konkurrierende Weltsysteme: das copernicanische und das tychonische (zum Teil mit Abwandlungen). Die Entdeckung der Jupiter-Monde durch Galileo Galilei und Simon Marius hatte ja nur eines der Argumente gegen die Heliozentrik entkräftet, nämlich dass der Mond als Satellit der Erde eine einmalige Sonderstellung einnehme. Guericke bezog sein astronomisches Wissen vor allem aus dem umfassenden Kompendium Giambattista Ricciolis, der als Jesuit natürlich für ein (abgewandeltes) tychonisches System optierte.90 Leibniz’ Kenntnisse und sein Interesse an der
88 Siehe hierüber: Krafft (2008); Krafft (2004); Krafft (1982) und Krafft (1973). 89 Siehe Krafft (2010). 90 Siehe zu Riccioli: Graney (2015); Moewes (2005). Ricciolis Werk nimmt hinsichtlich seiner Bedeutung und auf Grund seines enzyklopädischen Charakters eine besondere Stellung unter Guerickes Quellen ein; in den Erläuterungen zum ersten Buch hat Krafft die wörtlichen Zitate jeweils nachgewiesen, selbst wenn Riccioli nicht namentlich genannt war. Obwohl in NTB nicht enthalten, ist der eindeutig aus Guerickes Besitz stammende Foliant wieder aufgetaucht; siehe
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Astronomie scheinen im Vergleich zu Guericke eher gering gewesen zu sein. Diese Einschätzung von Domenico Bertoloni-Meli91 wird auch durch die Exzerpte zu Guerickes Experimenta nova und die im Band VIII, 2 der Akademieausgabe versammelten Exzerpte zu astronomischen Themen gestützt.92 Leibniz wird sich jedoch später intensiv mit Newtons Philosophiae naturalis principia mathematica („Mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie“, 1687) in seinem Tentamen de motuum coelestium causis („Versuch über die Ursachen der Himmelsbewegungen“) von 168993 auseinandersetzen und damit naturgemäß mit astronomischen und kosmologischen Fragen.
Die kosmologische Frage und das Verhältnis zu Descartes Für Guericke wie später auch für Leibniz spielen Descartes’ naturphilosophische Überlegungen eine bedeutende Rolle.94 So stellt Guericke im berühmten 3. Buch der Experimenta nova mit seinen eigenen Experimenten lapidar fest: „Haltlosen Träumereien hängen darum alle nach, die da meinen, Raum sei dasselbe wie Körper, sein Wesen bestehe lediglich in der Ausdehnung, und deswegen sei Raum ohne Körper nur ein Phantasiegebilde, etwas nur Vorgestelltes …“95
Vielmehr reiche es – so formuliert Guericke weiter – für den Nachweis eines leeren Raumes aus, Wasser, Luft oder irgendeinen anderen Stoff soweit aus einem Gefäß herauszuschaffen, bis nur noch ein winziger Bruchteil, den man aus technischen Gründen nicht herausbekommt, darin verbleibt. Mit den erwähnten Träumereien meint Guericke Descartes, und auch, was Guericke an dieser Stelle ausdrücken will, liegt klar zu Tage: statt metaphysischen Geschwätzes handfeste Versuche. Empirie versus Metaphysik, diese Auffassung hat auch immer wieder das Bild Guerickes in der Vergangenheit bestimmt.
Zentralblatt für Bibliothekswesen 92 (1978), S. 398; Moewes (2005), S. 99–100, Krafft (2017), Anm. 77. Siehe zu Guerickes Bibliothek: Schneider (2015). 91 Bertoloni-Meli (1993), S. 33: „Judging from the available sources, Leibniz’s interest and compe tence in astronomy seem to have been weak. I am not aware of any observations he made, nor of any extensive and accurate study of the astronomical literature.“ 92 A VIII, 2, N. 1–2, S. 1–38. 93 Leibniz (1689). Siehe dazu Bertoloni-Meli (1993). 94 Siehe zu Leibniz Quellen in der Hypothesis: Beeley (1996), S. 137–227. 95 EN III, 9, 1, S. 95a. Vgl. auch EN II, 3–4.
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Für Descartes ist jedoch die Annahme einer Natur, die nur aus Materie und ihren Bewegungszuständen besteht, von zentraler Bedeutung für die Grundlegung einer rein mechanischen Naturphilosophie, die ohne „okkulte Qualitäten“ auskommt. Bereits in einem Brief an Marin Mersenne vom Oktober oder November 1631 spricht er sich dezidiert gegen das Vakuum aus.96 Wesentliche Teile seiner physikalischen Grundkonzeption sind in dem aus dieser Zeit stammenden Manuskript von Le monde („Die Welt“) ausgearbeitet, eine Veröffentlichung erfolgt jedoch nicht.97 Descartes geht davon aus, dass alle Körper aus kleinen, unsichtbaren Teilchen aufgebaut sind. Dabei unterscheidet er drei Arten von Teilchen: die erste Art – besonders klein und beweglich – bildet die Sterne, die zweite – größer und langsamer – füllt den Raum zwischen den Planeten und Sternen aus und die dritte – noch größer und langsamer – bildet schließlich den Stoff der Planeten. Im Gegensatz zu den Atomisten sind seine Teilchen jedoch unendlich teilbar und sie bewegen sich auch nicht im leeren Raum, sondern füllen diesen Raum lückenlos aus. Die Teilchen von festen, flüssigen und gasförmigen Körpern unterscheiden sich dabei durch ihren Bewegungszustand und ihre Größe. Die Teilchen gasförmiger Körper bewegen sich schneller, und dadurch lassen sich diese Körper leichter trennen. Descartes unterscheidet dementsprechend drei Elemente: Feuer, Luft und Erde. Die Annahme von Qualitäten lehnt er ab, zur Erklärung aller Naturphänomene reichen Bewegung, Größe, Gestalt und Anordnung der Teilchen aus. Im für unsere Überlegungen zentralen IV. Kapitel von Le monde behandelt Descartes explizit die Frage des Vakuums im Zusammenhang mit dem Problem der Bewegung. Die Ermöglichung von Bewegung war ja ein wesentlicher Grund für die Atomisten – und auch für Guericke – einen leeren Raum anzunehmen. Nach Descartes ist vielmehr alle Bewegung im Universum kreisförmig, d. h. alle Bewegung bedeutet Verdrängung. Wo eine solche nicht möglich ist, findet auch keine Bewegung statt (etwa bei einem Weinfass, welches unten geöffnet wird, ohne dass der Wein herausfließt). Diesen Umstand mit einem horror vacui zu erklären ist freilich Unsinn. 1637 erscheint der Discours de la méthode („Diskurs über die Methode“),98 der im fünften Teil ein Referat von Le monde enthält. Hinsichtlich der metaphysischen Verankerung der Physik geht der Discours weit über den ursprünglichen Ansatz von Le monde hinaus, bietet jedoch zum Vakuumproblem keine grundlegend neuen Überlegungen. Immer wieder werden diese Fragen auch in den Briefen Descartes’ behandelt. So erfahren wir
96 AT, Bd. I, S. 226–232, bes. S. 228; englische Übersetzung: Descartes (1991), S. 33–37, bes. S. 33. 97 AT, Bd. XI, S. 1–118; deutsche Übersetzung: Descartes (1989). Siehe hierzu Grundriss, 17. Jhdt., Bd. II.1, S. 294; Gaukroger (2002), S.10–21. 98 AT, Bd. VI, S. 1–78; deutsche Übersetzung: Descartes (2011).
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aus einem Brief an Jean-Baptiste Morin vom Juli 1638, dass dieser es als unmöglich bezeichnet, dass die runden Teilchen der feinen Materie alle Poren der irdischen Körper ausfüllen können. Descartes gibt dies zu, verneint jedoch, dass der restliche Raum von einem Vakuum eingenommen wird. Schließlich könne dieser Raum ja auch von irgendetwas anderem eingenommen werden.99 In den Briefen stoßen wir auch auf das Problem der Luft und des Luftdrucks. In Galileis Abhandlung über die Mechanik und die Fallgesetze wird die Frage diskutiert, warum die Teile eines zusammengesetzten Körpers zusammenhalten. Galilei gibt dafür als Ursachen den horror vacui oder eine Art Leim an.100 Demgegenüber ist Descartes der Ansicht, dass beides falsch sei. Ursache ist vielmehr das Gewicht der Luft. Auch das Problem der Saughöhe von Pumpen kann nicht mit dem Abscheu vor dem Leeren erklärt werden.101 Wenn der Abscheu vor dem Vakuum tatsächlich ein Naturprinzip wäre, könnten die dadurch bewirkten Folgen durch keine Kraft verhindert werden. Hier kommt auch Descartes’ berühmter – später in den Principia wiederholter – Vergleich: die Existenz eines Vakuums ist ebenso unmöglich, wie die Existenz eines Berges ohne ein Tal.102 Phänomene, die andere mit dem horror vacui erklären, erklärt Descartes mit dem Luftdruck und den Wirkungen des Äthers, so das Problem der Trennung von zwei aufeinanderliegenden sehr ebenen Körpern. Dieses Adhäsionsplattenproblem spielt eine bedeutende Rolle in der gesamten Vakuumdiskussion bis hin zu Leibniz. Wenn Gott die gesamte in einem Raum befindliche Luft entfernen würde, dann würden sich die Wände des Raumes berühren.103 Alle scheinbar entstehenden Hohlräume werden von einem feinstofflichen Äther sofort ausgefüllt. Wenn diese feine Materie auf die irdische Materie trifft, dann reißt sie Teilchen aus dieser heraus, und so bilden sich Luft, Alkohol und Feuer.104 Eine ausführliche Behandlung all dieser Themen erfolgt dann erneut in Descartes’ Principia philosophiae („Prinzipien der Philosophie“), die 1644 in lateinischer
99 AT, Bd. II, 196–219, bes. S. 207; englische Teilübersetzung: Descartes (1991), S. 106–111, bes. S. 110. 100 Galilei (1995), S. 11; Opere, Bd. VIII, S. 59. 101 Brief an Mersenne vom 11.10.1638; AT, Bd. II, S. 379–402, bes. S. 382; englische Übersetzung: Descartes (1991), S. 124–128, bes. S. 125. 102 Brief an Mersenne vom 15.11.1638; AT Bd. II, S. 419–448, bes. S. 440; englische Übersetzung: Descartes (1991), S. 128–131, bes. S. 129. 103 Brief an Mersenne vom 09.01.1639; AT, Bd. II, S. 479–508, bes. S. 482; englische Übersetzung: Descartes (1991), S. 131–133, bes. S. 132. Vgl. Principia, II, 18. 104 Brief an Vorstius vom 19.06.1643; AT, Bd. III, S. 686-689, bes. S. 687; englische Übersetzung: Descartes (1991), S. 224–226, bes. S. 224–225.
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Sprache erstmals erschienen sind und die auch Guericke besaß.105 Hier werden Fragen der Physik im Werk Descartes am ausführlichsten behandelt. Grundlegend für die Fragen des Vakuums ist Descartes’ Bestimmung des Nichts. Das Nichts hat keine Eigenschaften, es kann damit auch keine Ursache für irgendetwas sein. Von nichts kommt eben nichts.106 Es ist klar, dass Descartes hier das Nichts in seiner ontologischen Dimension meint. In der Welt gibt es überhaupt nur drei Grundphänomene: Gott und, von diesem abhängig, die körperliche Substanz (die Materie) und die denkende Substanz (der menschliche Geist). Die Materie selbst besteht nur aus der Ausdehnung und ihren Bewegungszuständen.107 Hieraus müssen alle Naturphänomene erklärbar sein. Für eine Leere ist daher kein Platz vorgesehen. Der Einwand aus dem Problem von Verdünnung und Verdichtung wird in der oben bereits genannten Weise abgetan. Die Begriffe „Raum“ und „körperliche Substanz“ sind in Wirklichkeit identisch. Der Raum gibt die Ausdehnung eines Körpers nach Länge, Breite und Tiefe an. Der „Ort“ ist die Grenzfläche zwischen den jeweils benachbarten Körpern, sie gehört eigentlich beiden Körpern nicht an.108 Die Körper bestehen aus kleinen Teilchen, die unendlich teilbar sind.109 Sie haben keine räumliche Grenze. Sorgfältig vermeidet Descartes den Begriff des Unendlichen, denn dieser ist für Gott reserviert.110 Dabei gibt es nur eine Art von Materie in unterschiedlichen Zustandsformen. Die Materie existiert in verschiedenen Elementen, hier hält sich Descartes an das bereits in Le monde Festgestellte. Explizit wird der Atomismus Demokrits abgelehnt.111 Da alles von Materie erfüllt ist, muss sie sich in ständiger kreisförmiger Bewegung befinden. Die erste Ursache aller Bewegung ist Gott, alle daraus abgeleiteten Bewegungen folgen festen Gesetzen. Für Descartes’ Position ist die Auseinandersetzung mit Pascal und dem bereits erwähnten Puy-de-Dôme-Versuch von 1648 besonders aufschlussreich.112 Auch Descartes macht für die beobachteten Phänomene den Luftdruck verantwortlich. Während jedoch Pascal der Ansicht ist, im oberen Teil der Glasröhre könne sich nur ein Vakuum (oder ein von sinnlich nicht wahrnehmbaren Körpern erfüllter Raum) befinden, streitet dies Descartes rigoros ab. Denn im oberen Teil des Glases
105 AT, Bd. VIII; deutsche Übersetzung: Descartes (2005). Im NTB in Versuche1, S. (160) wer den drei Werke von Descartes genannt, darunter die Principia in der 1644 in Amsterdam veröf fentlichten Ausgabe. Siehe zu den Ausgaben der Principia das Literaturverzeichnis. 106 Principia I, 11 und 18. 107 Principia II, 55. 108 Principia II, 15. 109 Principia II, 20. 110 Principia I, 27. 111 Principia IV, 202. 112 Siehe hierzu Garber (1992), S. 136–143; Arnold (1989); Mulder (1996).
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kann sich – so Descartes’ entscheidendes Argument – auch eine subtile, unsichtbare Materie befinden. Schließlich kann auch das Licht das angebliche Vakuum durchdringen, warum soll es dann nicht möglich sein, dass eine subtile Art der Materie das Glas durchdringt? Auch Leibniz setzte sich mit dem Werk Descartes’ auseinander, wobei eine vertiefte Beschäftigung offenbar erst im Zusammenhang mit seinem Paris-Aufenthalt und dort empfangenen Anregungen erfolgte.113 Erste Exzerpte aus den Principia philosophiae datieren aus dem Jahr 1675/1676, auf weitere Exzerpte aus dem Anfang der 1680er Jahre macht Bertoloni-Meli aufmerksam.114 Dies zeigt, dass eine intensivere Auseinandersetzung mit Descartes’ Werk erst nach dem hier interessierenden Zeitraum erfolgt. Für die Zeit des Austausches mit Guericke 1671–1672 kann daher nur konstatiert werden, dass Leibniz’ Äther- und Vortex- (Wirbel-) Theorien in einem eher allgemeinen Sinn an Descartes’ Principia anknüpfen.115 Hinzu kommt, dass Leibniz auch durch Kepler beeinflusst war, der schon vor Descartes eine Vortex-Theorie vertreten hatte.116 Leibniz sollte sich insbesondere in Auseinandersetzung mit Newtons Principia in den späten 80er Jahren des 17. Jahrhunderts erneut und intensiver mit Descartes und Kepler auseinandersetzen, aber dabei dennoch an seine frühen – in der Hypothesis geäußerten – Theorien anknüpfen.117 Paolo Bussoti kommt in seiner umfassenden Studie zu Leibniz’ Theorie der Planetenbewegung zu dem Fazit: „Although it is possible to speak of a planetary theory in Leibniz only starting from the Tentamen, his interests in cosmology date back to his early works. The Hypothesis physica nova is interesting in this sense. Leibniz recognized that the problem of the origin of gravity, as well as that of the elastic force, was connected to the way in which the earth had been formed. In these speculations, the sun, and in particular the sun light and the supposed aethereal solar vortex, play a fundamental role.“118
113 Eine Ausgabe von Descartes’ Opera philosophica hatte Leibniz schon 1671 erworben; vgl. A VI, 4, N. 335, S. 1695. 114 Vgl. A VI, 3, N. 15, S. 213–217. Siehe hierzu Bertoloni-Meli (1993), S. 38–44. 115 Descartes wird in der Hypothesis nur einmal und nicht im Zusammenhang mit diesen Theo rien erwähnt. 116 Siehe hierzu Bussotti (2015), S. 115–163. 117 Vgl. Leibniz (1689). 118 Bussotti (2015), S. 166.
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Zu einigen Aspekten von Leibniz’ Exzerpten aus den Experimenta nova Die Rolle des Experiments In der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte galt Leibniz bislang nicht gerade als ein Vertreter der Experimentalwissenschaft. Im Gegenteil, gewöhnlich erfolgt die Rubrizierung seines Denkens im Bereich des Rationalismus. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurden auch seine Beiträge zur Technik und Experimentalwissenschaft mehr gewürdigt.119 Besonders die Bände der Reihe III (Mathematischer, naturwissenschaftlicher und technischer Briefwechsel, bisher neun Bände bis 1705) und der Reihe VIII (Naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften, bisher zwei Bände bis 1676, der dritte Band ist in Arbeit) der Akademieausgabe bieten zu diesem Thema reiches, nun leicht zugängliches Material. Man kann sich nunmehr davon überzeugen, dass Leibniz sehr wohl umfangreiche experimentelle Überlegungen angestellt hat. Dass diese experimentellen Überlegungen vermutlich ausschließlich oder doch zu einem großen Teil im Stadium des Gedankenexperiments verblieben, ist Leibniz sicherlich kaum zum Vorwurf zu machen.120 Die hier interessierenden Experimentiereinrichtungen für pneumatische Experimente – die Luftpumpe und daran anschließende Gerätschaften – waren zu dieser Zeit immer noch im Stadium der Entwicklung und erforderten begabte Handwerker und umfangreiche finanzielle Mittel, wie Leibniz selbst bei der Entwicklung der Rechenmaschine erfahren musste. Zudem hat das Gedankenexperiment bei ihm eine methodologische Bedeutung, die es möglich macht, Prinzipien einzuführen. Insofern war die spätere Ausführung wohl nie beabsichtigt. Leibniz hatte schon vor seiner Zeit in Mainz Erfahrungen auf experimentalwissenschaftlicher Ebene sammeln können, als er 1667 in Nürnberg Sekretär einer alchemistischen Gesellschaft wurde und dabei auch Versuche im Laboratorium protokollierte.121 Es ist dabei zu bedenken, dass „Der Experimentalismus der Alchemiker … die stärkste und durchgängigste Form experimentalwissenschaftlichen Arbeitens vor der Neuzeit gewesen“ ist.122 Die Universität Altdorf, an der Leibniz promoviert wurde, sollte 1672 mit den experimentalwissenschaftlichen Vorlesungen von Johann Christoph Sturm zu dem ersten
119 Siehe hierzu Kempe (2015a). 120 Siehe zum Gedankenexperiment bei Leibniz: Schnyder (2009). Zum Erscheinen von Band VIII, 1 der Akademieausgabe: Hecht (2014). 121 Vgl. Müller & Krönert (1969), S. 10–11. 122 Böhme & Daele & Krohn (1977), S.72.
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experimentell orientierten Zentrum an einer deutschen Universität werden.123 Die Aktivitäten Sturms hat Leibniz später aufmerksam beobachtet.124 Die Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova enthalten eine Reihe von Notizen, die auf weiterführende oder klärende Experimente abzielen (so etwa in den Notizen zu Buch III, Kap. 15). Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass Leibniz vor allem die experimentalwissenschaftlich orientierten Bücher III und IV exzerpierte, obwohl die Experimente durch die Veröffentlichungen Schotts und Boyles gut bekannt waren. Die Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur regte Leibniz zu umfangreichen Konzeptionen eigener Versuchsanordnungen an, deren Zielstellung eine Bestätigung oder Widerlegung der verschiedenen konkurrierenden Hypothesen zur Klärung der Vakuumphänomene war. In einem wenige Jahre später entstandenen Entwurf für die Einleitung zu einem Buch über die Naturwissenschaften führt Leibniz im Zusammenhang mit der Diskussion verschiedener Methodenmodelle aus: „Es bleibt nun die sichere Methode des vernünftigen Schließens von den Experimenten auf die Ursachen übrig; ich meine, dass man sie am meisten und mit größerer Sorgfalt als bisher pflegen muss. Meistens nämlich sind die Menschen mit Analogien zufrieden, da sie die Phantasie anregen und doch dem Verstande entsprechen. Die wahre Methode des vernünftigen Schließens auf Grund der Experimente besteht aber darin, dass wir eine jede Erscheinung in alle ihre Umstände auflösen, indem wir Farbe, Geruch, Geschmack, Wärme, Kälte und die anderen Berührungseigenschaften [qualitates tactiles] und endlich die allgemeinen Attribute Größe, Gestalt und Bewegung für sich betrachten. Wenn wir nun für ein jedes dieser Attribute für sich die Ursachen entdeckt haben, so werden wir auf jeden Fall die Ursachen der ganzen Erscheinung besitzen.“125
Zumindest später war sich Leibniz durchaus darüber im Klaren, dass Beobachtung und Experiment im Sinne der Induktion niemals einen vollkommenen Beweis erbringen können.126 Wie Thomas Hobbes, sieht Leibniz nach wie vor die Aufgabe der Philosophie in der Findung von Ursachen für die beobachteten Phänomene. Anders jedoch als dieser traut er es dem Experiment durchaus zu, dies leisten zu können.127 Die große Resonanz der Publikation von Huygens’ Vakuumversuchen (siehe unten) bei Leibniz ist möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass diese die Problematik der möglichen gegensätzlichen Interpretation der
123 Hieraus ging später J. C. Sturms Lehrbuch hervor: vgl. Sturm (1676). 124 Siehe zu Leibniz und Sturm: Kratochwil (2004). 125 Engelhardt (1955), S. 316; A VI, 4, N. 3662, S. 2001. 126 Siehe Leibniz’ Brief an Sophie Charlotte von 1702, Gerhardt-PS, Bd. VI, S. 499–508, bes. S. 504–505; deutsche Übersetzung: Leibniz (2013), Bd. V, S. 195–217, bes. S. 207–209. 127 Siehe zu Hobbes’ Ansichten über das Experiment: Shapin & Shaffer (2011), S. 110–154.
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Versuche mit aller Deutlichkeit vor Augen führen und dabei auch seine eigenen, in der Hypothesis physica nova vorgestellten naturphilosophischen Erklärungen in Frage stellen. „Diesen Impuls zur Problematisierung seiner naturphilosophischen Ansichten verdankt Leibniz – so Hartmut Hecht – seiner experimentellen Methode. Denn diese reduziert sich weder auf Verifikation oder Falsifikation durch ein Experimentum crucis, noch auf das, was Friedrich Steinle als exploratives Experimentieren bezeichnet hat. Beide sind für Leibniz Momente einer Methodologie, die im Experiment den Beweggrund zur Bestätigung geltender oder zur Formulierung neuer philosophischer Prinzipien sieht.“128
Elastizität und Stoßgesetze Noch 1787 stellt Gehler in seinem Physikalischen Wörterbuch in Bezug auf die Elastizität fest: „Wir sind hier noch weiter zurück, als in der Erklärung anderer Phänomene; wenigstens weiß ich nichts anzuführen, was nur den geringsten Schein von Befriedigung gäbe.“129 Es waren im 17. Jahrhundert nicht zuletzt die aerostatischen Versuche von Guericke, Boyle und Huygens, die die Elastizität zu einem herausragenden aktuellen Thema der Physik machten. Die Elastizität wiederum steht in engem Zusammenhang mit der Beschreibung und Erklärung von Stoßvorgängen zwischen den Körpern, die eine besondere Bedeutung erhalten, wenn – wie bei Descartes – von einem völlig erfüllten Raum ausgegangen wird. Daher nehmen in Descartes’ Principia philosophiae die Überlegungen zum Stoß einen wichtigen Platz ein, bestimmen doch diese Prozesse geradezu die Dynamik des cartesischen Kosmos.130 Für Forscher, die dagegen ein kosmisches Vakuum annahmen, ergab sich an dieser Stelle das Problem der Kraftübertragung zwischen den Körpern über einen Leerraum hinweg, was nach Aristoteles’ Physik als völlig unmöglich galt.131 Diesem als „Fernwirkung“ (actio in distans) bezeichneten Phänomen versucht Guericke mit seinen Schwefelkugelexperimenten auf die Spur zu kommen (siehe unten). Die bereits oben erwähnten Beiträge zur Deutung von Stoßvorgängen von Christopher Wren, John Wallis und Christiaan Huygens in den Philosophical Transactions der Royal Society waren für Leibniz der direkte Anlass, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.132 Dabei ragt allerdings besonders
128 Hecht (2008), S. 136. 129 Gehler (1787), Bd. I, S. 698. 130 Vgl. Descartes, Principia II, 46–52. 131 Vgl. Aristoteles, Physik, VII, 2, 243 a3–245 b2. 132 Siehe zu Wallis’, Wrens und Huygens’ Stoßtheorien: Szabó (1987), S. 439–452 sowie – unter Einschluss von Leibniz – Bertoloni-Meli (2006), S. 227–240.
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Huygens Publikation heraus, die auch von späteren Behandlungen des Themas in den Transactions nicht übertroffen wird.133 Huygens gibt wie Descartes sieben Stoßregeln an und unterscheidet dabei elastische und harte Körper. Leibniz seinerseits behandelt die Stoßregeln in den Lehrsätzen der Theoria motus abstracti von 1671.134 In diesem Kontext sind Leibniz’ Bemerkungen in seinen Exzerpten aus Guericke zu sehen. In einer Notiz zu Kap. 3 aus Buch IV der Experimenta nova – Guericke bespricht dort die Zentralbewegung von Körpern im Hinblick auf die Bewegungsvorgänge im Planetensystem – diskutiert Leibniz die Frage, ob ein heftiger Stoß auf eine Vogelfeder übertragen werden kann, was er dort verneint, da die Feder offenbar nicht genug Widerstand leistet. Er knüpft damit an Überlegungen an, wie sie bereits in den Vorarbeiten zur Theoria motus abstracti geäußert wurden, wo es um den Zusammenstoß von Körpern geht, die sich in ihrer Größe (und damit Masse) sehr stark unterscheiden.135 Aus Leibniz’ Bemerkung zu Kap. 21 in Buch III der Experimenta nova wird deutlich, dass das Phänomen der Elastizität besonders mit den Untersuchungen zur Ausdehnung und Verdichtung der Luft offenbar wurde. Denn wie ist es zu erklären, dass ein verdichtetes Luftvolumen einen Druck ausübt? Verdichtung und Verdünnung waren von jeher eine Grundfrage der Materietheorie. Von den Atomisten wurde dieses Phänomen mit einem zwischen den Atomen existierenden Vakuum erklärt. Für Guericke ist die Elastizität bzw. das Ausdehnungsstreben vor allem ein Phänomen der Luft, in diesem Zusammenhang erwähnt Guericke auch den von Boyle geprägten Begriff des Elateriums, der auch in der oben genannten Anmerkung von Leibniz erscheint136: „Infolgedessen sucht sich vor allem die Luft der tieferen Schichten, die dem stärkeren Druck der darüber gelagerten höheren Schichten ausgesetzt ist, aus einem inneren Ausdehnungsstreben heraus zu entspannen, sobald sich Möglichkeit und Raum dazu bietet. Dies bezeichnen einige Gelehrte als Federkraft [Elaterium].“137
Guericke erwähnt dann in der Folge, dass diese Ansicht von der Ausdehnungskraft der Luft noch auf viel Widerspruch stößt, und verweist demgegenüber auf seine Versuche. Von besonderer Bedeutung für die sich in diesem Zusammenhang herausbildende Unterscheidung zwischen den physikalischen Begriffen
133 Huygens (1669); HO, Bd. VI, S. 429–431. Siehe hierzu: Bertoloni-Meli (2006), S. 236. 134 Siehe für eine Interpretation der Theoria sowie über Leibniz’ Beziehung zu Hobbes (beson ders über Leibniz’ Rezeption des Conatus-Begriffs): Beeley (1996), S. 228–261. 135 Vgl. A VI, 2, N. 381, § 3, S. 159. 136 Vgl. Leibniz’ Bemerkung zu EN III, 21; unten, S. 124–127. 137 EN III, 33.
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„Schwere der Luft“ (Gewicht) und „Druck der Luft“ (Eigendruck, unabhängig vom Gewicht der Luftmenge) sind nach Guericke seine Versuche mit dem in Kap. 17–18 aus Buch III der Experimenta nova dargestellten „hydraulisch-pneumatischen Gerät“, welches auf Tafel 9 sowie auf dem Titelkupfer seines Werkes abgebildet ist.138 Anders als bei Guericke ist diese Ausdehnungskraft bei Boyle ein zentraler Begriff seiner pneumatischen Forschungen, der dann als „spring of the air“ auch im Titel seines ersten Werkes zu diesem Thema erscheint. In einem viel weiteren Sinne ist der Begriff der Elastizität oder des Elateriums für Leibniz in der Hypothesis physica nova ein zentraler Begriff,139 der auf die Versuche von Guericke und Boyle sowie auf die genannten Publikationen zu den Stoßvorgängen aufbaut. In der Hypothesis ist die Elastizität eine allgemeine Eigenschaft aller Körper, deren Ursache jedoch in der Wirkung des Äthers liegt. Die ständige Bewegung der alles durchdringenden Ätherteilchen wird durch die Verformungen der Körper behindert, dies ruft eine Widerstandskraft dieser Teilchen hervor, die auf die Wiederherstellung des Ausgangszustandes hinwirkt.140 „Ich lehne die Meinung des berühmten [Herrn] Boyle nicht ab, wenn er die Elastizität von gewissen Spiralfedern ableitet, die [ihre Form] wiederherstellen; allerdings glaube ich, dass er bei seiner persönlichen Aufrichtigkeit selbst anerkennen wird, man müsse die erwähnte wiederherstellende Kraft auch dieser Spiralfedern von einer höheren Grundkraft ableiten, und dies ist, wie ich glaube, die Zirkulation des Äthers.“141
Auf diese Weise wird in § 59 der Hypothesis auch das berühmte Adhäsionsplattenexperiment aus einem Zusammenwirken von atmosphärischem Luftdruck und Äther erklärt. Eine Frage, die wenig später durch Huygens Versuche mit Adhäsionsplatten erneut aufgeworfen wurde. Demgegenüber vertritt Guericke im Brief vom Juni 1671 an Leibniz die auch in Kap. 33 aus Buch III der Experimenta nova geäußerte Ansicht, dass die Elastizität eine Folge der vom Erdkörper ausgehenden Erhaltungskraft ist, wie er durch die Schwefelkugelexperimente (siehe unten) bewiesen zu haben glaubt. Aus dieser Erhaltungs- oder Anziehungskraft der Erde entsteht die Eigenschaft der Elastizität der Luft.142 Im Sommer 1672 veröffentlicht Huygens seine Experimente mit den Adhäsionsplatten. In den darauf bezogenen, auf Französisch abgefassten
138 Siehe Streitenberger & Schneider (2005); zum Begriff ‚Luftdruck‘ bei Guericke siehe Krafft (2015c), S. 17. 139 Siehe zum Begriff der Elastizität bei Leibniz: Breger (1984). 140 Vgl. Hypothesis, § 22 und § 27. 141 Hypothesis, § 57; deutsche Übersetzung: Leibniz (2017), S. 91. 142 Siehe Brief [2] in dieser Ausgabe, unten S. 69.
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Texten,143 die wenig später entstanden sind, versucht Leibniz ein Resümee von Huygens’ Versuchen im Licht seiner eigenen Überlegungen zu ziehen. Er kommt dabei – wie Huygens – zu dem Schluss, dass das Zusammenhalten der Adhäsionsplatten auch unter Vakuumbedingungen auf den Äther zurückzuführen ist, der nunmehr selbst die Eigenschaft der Elastizität besitzt. Das Besondere an diesen Experimenten ist also, dass sie im Gegensatz zu Guericke und Boyle die Existenz eines Äthers nahezulegen scheinen. Das Konzept der Elastizität wird von Leibniz später noch wesentlich vertieft und erweitert, indem er eine Verbindung herstellt „mit dem Kontinuitätsprinzip, dem Prinzip der Gleichheit von Ursache und Wirkung sowie dem Prinzip der Krafterhaltung.“144 Auf diese Weise gelingt es Leibniz – wie H. Breger feststellt – die Einschränkungen der cartesischen Physik, die alles nur auf Größe, Gestalt und Bewegung zurückführt, zu überwinden: „Auf der einen Seite ist die Elastizität keine qualitas occulta, sondern selbst mechanisch erklärbar. Auf der anderen Seite ist sie aber ein wirkungsvolles und fruchtbares Erklärungsprinzip für eine Vielzahl einzelner Erscheinungen von der Optik, bis zur Gestalt der Blutgefäße, von der Akustik bis zu den Stoßgesetzen, von der Konsistenz der Materie bis zur Gastheorie.“145
Erst 1738 gelang Daniel Bernoulli die korrekte Ableitung des Gesetzes von BoyleMariotte über den Druck in Gasen auf der Grundlage der Newtonschen Mechanik und erster Vorstellungen zur kinetischen Gastheorie.
Die Experimente mit der Schwefelkugel und das Problem der Fernwirkungskräfte Das vierte Buch der Experimenta nova über die kosmischen Wirkkräfte (virtutes mundanes) wird von Leibniz nach Buch III am ausführlichsten exzerpiert. Experimentelle Basis der dort vorgetragenen Ansichten Guerickes sind die Versuche mit der Schwefelkugel.146 Die Herstellung der Schwefelkugel beschreibt Guericke selbst gleich zu Beginn von Kap. 15 des IV. Buches: „Wer dazu Lust hat, nehme eine Glaskugel, eine sogenannte Vorlage, etwa von der Größe eines Kinderkopfes. Dahinein schütte er im Mörser kleingestoßenen Schwefel und lasse ihn über dem Feuer leichtflüssig werden. Nach dem Erkalten zerbreche man das Glas, nehme die
143 A VIII, 1 N. 48–51. Im Text N. 48 beginnt Leibniz mit einer Auflistung der von Huygens er zielten experimentellen Beobachtungen und schließt daran mit den sich daraus ergebenen „Kon sequenzen“ an. 144 Breger (1984), S. 117. 145 Breger (1984), S. 121. 146 Siehe hierzu Moewes (1996); Kraus (2006); Zeitler (2011).
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Schwefelkugel heraus und bewahre sie an einem trockenen, feuchtigkeitsfreien Orte auf. Wenn man will, kann man sie auch mit einer Bohrung versehen, so dass sie sich mittels eines Eisenstabes in Umdrehung versetzen lässt.“147
Dieser Text gehörte sicherlich schon der 1663 abgeschlossenen Fassung an; denn Guericke hatte spätestens um diese Zeit nicht mehr mit Kugeln aus reinem Schwefel experimentiert, sondern mit solchen aus einem Gemisch aus vielerlei Mineralien mit einem hohen Schwefelanteil. Balthasar de Monconys spricht in seinem Bericht über den Besuch am 22. Oktober 1663 bei Guericke, der seinem Herrn und ihm auch zahlreiche Versuche vorführte, darunter die mit der „Mineralkugel“, die aus „neunerley Mineralien“ bestehe.148 Auch in seinem ersten Brief an Leibniz schreibt Guericke diesbezüglich : „Es sind unterschiedliche mineralia so mit Schwäffel, in eine runde Kugel … zusammengegoßen.“ Solcherart werden dann auch die „Schwefelkugeln“ gewesen sein, die Guericke an Leibniz und Carcavy schickte. Am 27. April 1672 macht sich auch Christiaan Huygens Aufzeichnungen über die Herstellung der ‚Schwefelkugel‘, später fragt er bei Leibniz an, ob er über das in den Experimenta Nova Gesagte hinaus etwas Genaueres aus den Briefen Guerickes wisse, und noch am 19. Dezember 1690 ließ er sich für seine eigenen Experimente von Johann Jakob Spener aus Leipzig die Herstellung erläutern.149 Guericke montierte diese Kugel auch in ein Gestell, versah sie mit einer Kurbel und schuf so – ohne es zu wissen – eine erste Elektrisiermaschine. Er beobachtete dabei zwar die entsprechenden Phänomene, erkannte jedoch ihre Bedeutung nicht. Die Kugel selbst galt ihm als Modell des Erdkörpers. Durch elektrostatische Aufladung der Kugel konnte er zeigen, dass diese in der Lage war, eine Flaumfeder mitzuführen – so wie dies auch bei Sonne und Planeten der Fall ist. Guericke führte diese Phänomene auf unkörperliche Wirkkräfte zurück, die sich auf eine bestimmte Distanz um den Körper erstrecken und als Kraftfeld oder Wirkungssphäre bezeichnet werden.150 Ein Medium benötigen diese Kräfte nicht, d. h., sie wirken auch über ein Vakuum hinweg. Wie Guericke auf sein Schwefel– Erdmodell verfallen ist, lässt sich nur vermuten. William Gilbert experimentierte jedoch schon mit einem Erdkugelmodell aus Magnetstein151 und untersuchte auch die elektrischen Eigenschaften anderer Stoffe, darunter auch des Schwefels. Die besondere Bedeutung des Schwefels in der Alchemie, insbesondere im Para-
147 EN IV,15. 148 Siehe Versuche1, S. (47), Erträge, S. 34–36. 149 Vgl. HO, Bd. IX, S. 572, Anm. 21; HO, Bd. IX, S. 572; HO, Bd. X, S. 22. Siehe insgesamt: Erträge, S. 28–30. 150 Vgl. EN IV, 8. 151 Siehe Dijksterhuis (1956), S. 438–439; Gilbert (1600), I, XVII.
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celsismus, mag dazu beigetragen haben.152 Die Beimengung mehrerer Mineralien scheint Guericke vorgenommen zu haben, um das Modell der natürlichen Erde stofflich noch mehr anzunähern. Wie aus dem Briefwechsel hervorgeht, übersandte Guericke eine solche Schwefelkugel an Leibniz, damit dieser sich selbst von der Richtigkeit der Versuche überzeugen konnte.153 Leibniz Bemerkungen zu Kap. 15 aus Buch IV der Experimenta nova, in dem die Herstellungsanleitung und die Versuche dargestellt werden, fallen kurz aus, da Guericke ihm dieses Kapitel bereits mit der Schwefelkugel übersandt hatte. Eine weitere Kugel schickte Guericke auf Leibniz’ Anregung an Pierre de Carcavy, den Leibniz schon über Guerickes Forschungen informiert hatte.154 Wichtig ist hier jedoch Leibniz’ Bemerkung, dass Guericke die Phänomene der Schwefelkugel nicht begründet; denn damit ist eins der zentralen Probleme angesprochen. Aus Guerickes Sicht stellte die Schwefelkugel gleichsam ein Simulationsmodell dar, an dem sich die Eigenschaften des Erdkörpers aufzeigen lassen. Er versuchte damit ein grundlegendes Problem der copernicanischen Astronomie unter der Annahme eines kosmischen Vakuums zu klären, nämlich die Frage, wie die Mitführung der Planeten um die Sonne physikalisch erklärt werden kann. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass sich schon Kepler mit dieser Frage auseinandersetzte, denn es schien klar, dass dafür nur körperlose Wirkkräfte in Analogie zum Magnetismus in Frage kämen. Die entscheidende Anregung ging dabei für Kepler von William Gilberts De magnete („Über den Magneten“) aus.155 Die Magnetkraft galt von jeher als Musterbeispiel für eine „Fernwirkungskraft“156 und wurde im Kontext der aristotelischen Scholastik als eine qualitas occulta 157 aufgefasst, weil sie sich mit den vier aristotelischen Elementen und Qualitäten nicht erklären ließ. Guericke kannte offenbar Kirchers Kritik an Keplers Konzepten, denn er besaß dessen Magnes sive de arte magnetica („Der Magnet oder die magnetische Kunst“) von 1643.158 Insofern kann angenom-
152 Siehe Priesner & Figala (1998), S. 327–329; Erläuterungen, S. (276). Moewes (2005), S. 98–99 hält für wahrscheinlich, dass Guericke über den im NTB erwähnten Titel hinaus auch die Huser sche Ausgabe von 1589 in vier Bänden besaß. 153 Vgl. unten, Brief Nr. [5], S. 82–83. 154 Vgl. unten, Leibniz’ Brief an Carcavy, S. 96–100. 155 Siehe Krafft (1973), S. 84. Guericke besaß dieses Buch ebenfalls in der 1621 in Stettin veröffentlichten Ausgabe; vgl. NTB 531 sowie auch: De mundo nostro sublunari philosophia nova, Amsterdam 1651 = NTB 551. 156 Vgl. zur actio in distans: Walch Bd. I (1775), Sp. 57–60; HWP, Bd. II, Sp. 933–935. 157 Vgl. zu diesem Begriff: Heilbron (1982), S. 11–22; Meinel (1992); HWP, Bd. VII, Sp. 1743–1748 (qualitas occulta); Hutchison (1982); Henry (1986); Priesner (2011). 158 Nicht im NTB, jedoch von Guericke oft zitiert.
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men werden, dass er nach einem Ausweg suchte, den ihm die Eigenschaften der Schwefelkugel boten. Freilich ist eine Demonstration noch keine Erklärung, und genau das kritisiert Leibniz. Denn er bestreitet nicht die Existenz solcher Kräfte, fordert jedoch eine mechanisch nachvollziehbare Erklärung. Diese jedoch konnte Guericke nicht geben. Leibniz seinerseits glaubte, sowohl die magnetischen Phänomene als auch das Problem der Planetenbewegung mit seiner in der Hypothesis vorgetragenen Äthertheorie erklären zu können. Eine Rezension von Guerickes Werk erschien in den Philosophical Transactions der Royal Society 1672. Während die pneumatischen Experimente als entweder schon bekannt oder durch Boyles Versuche als überholt dargestellt wurden, wird am Ende des Artikels auf die Versuche mit der Schwefelkugel verwiesen: „How far this Globe and its performance may be confided in, the Tryals and Considerations of some Ingenious persons here may perhaps inform us hereafter.“159 In der Tat wurden dann im November durch Boyle diese Versuche nachgestellt.160 Wie Guericke erkannten auch die Mitglieder der Royal Society die wahre Bedeutung der Versuche nicht. Allerdings führte eine Linie über Christiaan Huygens weiter, der darüber auch mit Leibniz korrespondierte:161 „This acute application of the ideas of Descartes to the discoveries of Guericke is the high point of seventeenth-century studies of electricity.“162 Abgesehen von den Folgen dieser Experimente für die Elektrizitätsforschung bleibt die Frage der „Fernwirkungskraft“, insbesondere im Zusammenhang mit der 1687 veröffentlichten Gravitationstheorie Newtons, von herausragender Aktualität.
Die Physik der Bewegung Das Vakuumproblem, also die Frage, ob ein absolut leerer Raum existiert und welche Eigenschaften ihm zuzuschreiben sind, ist seit eh und je auch eng mit der Frage nach den Wechselwirkungskräften der Körper untereinander und den Bewegungsgesetzen der Körper im Raum verbunden. So geht schon einer der aristotelischen Beweise gegen die Existenz eines leeren Raumes von der Gültigkeit des Bewegungsgesetzes der peripatetischen Dynamik aus, wonach die Geschwindigkeit v des betrachteten Körpers sich zu der (Antriebs-)Kraft F proportional und zu dem Widerstand W des Mediums, in dem sich der Körper bewegt,
159 Philosophical Transactions 7 (1672), S. 5103–5105, besonders S. 5105. 160 Siehe Versuche1, S. (111). 161 Vgl. Huygens’ Brief an Leibniz vom 23.02.1691; A III, 5, N. 8, S. 57. 162 Heilbron (1982), S. 167.
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umgekehrt proportional verhält: v ≈ F/W. Geht man zum Vakuum über, indem man das Medium und somit seinen Widerstand unter Beibehaltung der Antriebskraft zum Verschwinden bringt (W = 0), so wird nach dem obigen Bewegungsgesetz die Geschwindigkeit unendlich groß, der Körper bewegt sich „im Nu“. Das führt nach Aristoteles zu einem logischen Widerspruch, der darin besteht, dass sich der Körper gleichzeitig an verschiedenen Orten befinden müsste, was die Existenz eines medienlosen Raumes, also eines Vakuums ausschließt.163 Mit dem Aufkommen der ersten Vakuumexperimente durch Torricelli, Pascal und andere in den 1640er Jahren stellte sich die Frage neu. Guericke diskutierte diese Experimente 1654 in Regensburg, wo ihm der Kapuzinerpater und apostolische Missionar Valerian Magni Versuche mit dem Torricelli-Rohr vorführte. Guericke konnte bald danach den Zusammenhang dieser Versuche mit seinen eigenen, auf der Anwendung seiner Vakuumluftpumpe beruhenden Experimenten (die er erstmalig ebenfalls in Regensburg vorführte) herstellen und entsprechende Schlussfolgerungen über den Luftdruck und die physikalische Natur des Vakuums ziehen. In einer Schrift, die Magni Guericke in Regensburg überreichte,164 wurde der Zusammenhang zwischen der Existenz des leeren Raumes und dem Bewegungsgesetz der Körper deutlich formuliert. Aus den zu beobachtenden Schwingungen der Quecksilbersäule im Vakuum des Torricelli-Rohrs zog Magni den Schluss, dass sich im Widerspruch zur peripatetischen Dynamik die Körper im Vakuum „allmählich bewegen“, das aristotelische Bewegungsgesetz also nicht richtig sein könne. Die Alternativen lauteten also: Wenn das aristotelische Bewegungsgesetz gilt, kann es den leeren Raum nicht geben. Wenn es den leeren Raum gibt, dann kann das aristotelische Bewegungsgesetz nicht gültig sein, wobei der letzte Schluss auf der experimentellen Beobachtung der Bewegung im Torricelli-Rohr basierte. Magni stellte in seiner Schrift aber auch gleichzeitig eine entscheidende Frage: „was ist es“, das die Körper im Vakuum hindert, sich etwa „im Nu nach oben zu bewegen“? Fünfzehn Jahre später, bei der schriftlichen Auseinandersetzung zwischen Guericke und Leibniz, stellt sich die Frage nach der Existenz des leeren Raumes erneut, diesmal in Form der Übertragbarkeit von Kräften im Raum. Zum aristotelischen Bewegungsproblem kommt nun hinzu, dass nach Descartes und Leibniz die Wirkung von Kräften und damit auch die (Antriebs-)Kraft F im peripatetischen
163 Siehe Dijksterhuis (1983), S. 32–44. 164 Magni (1647); deutsche Übersetzung: Magni (1996) und Magni (2002). Guericke erwähnt die Episode in EN III, 34. Die 1647 erstmals erschienene Schrift Magnis wurde auch in Venedig 1649 nachgedruckt. Nach Erläuterungen, S. (269b) weist die Erwähnung von Torricellis Versuch durch Guericke auf die Venedig-Ausgabe hin; in NTB fehlt aber der Eintrag. Siehe zu Magni: Cygan (1992); Cygan (2002); Cygan (2008).
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Bewegungsgesetz etwa nur durch unmittelbare mechanische Berührung wirken kann und somit ein vermittelndes Medium, den sog. Äther, erfordert, was die Existenz von Fernwirkungskräften in einem leeren Raum und somit ein absolutes Vakuum ausschließt. (Newton wird später durch Pendelversuche in einer Vakuumkammer zeigen, dass der Äther mechanisch nicht beobachtbar ist.) Guericke hingegen hält Fernwirkungskräfte, die er unkörperhafte Kräfte nennt, aufgrund seiner Experimente mit der Schwefelkugel für möglich (siehe oben). Die Lösung des Bewegungsproblems in Verbindung mit der Existenz des leeren Raumes kommt weitere fünfzehn Jahre später in Newtons Principia. Als die von Valerian Magni gesuchte Kraft, welche die Körper offenbar daran hindert, sich im leeren Raum „im Nu“ zu bewegen, erweist sich die von Newton eingeführte, der Masse des Körpers und seiner Beschleunigung proportionale Trägheitskraft. Sie wirkt gewissermaßen als Trägheitswiderstand gegenüber dem Raum selbst, während äußere Kräfte wie die Schwerkraft Wechselwirkungskräfte zwischen den Körpern darstellen. Erkauft wird diese Aufteilung in Wechselwirkungskraft und Trägheitskraft mit der Zulassung von Fernwirkungskräften und des „Newtonschen absoluten Raums“ (wie auch der „Newtonschen absoluten Zeit“). Der „absolute Raum“ ist in Newtons Mechanik eine Folge der absoluten Stellung der Trägheitskraft gegenüber dem leeren Raum als Koordinatenraum, denn die Trägheitskraft träte auch in dem Fall auf, dass alle sich um den Körper herum befindliche Materie beseitigt würde. Leibniz wendete dagegen ein, dass nur Relationen zwischen Körpern und physikalischen Ereignissen in die physikalische Beschreibung Eingang finden dürften – womit die Kontroverse begann, die im späteren Leibniz-Clarke-Briefwechsel besonders deutlich zum Ausdruck kommen sollte (siehe unten). Der Erfolg gab zunächst Newton Recht. Es sollte noch 200 Jahre dauern, bis das Leibnizsche Programm des Relationalismus seinen konkreten physikalischen Ausdruck finden konnte. Allerdings bedurfte es dafür neuer und grundlegender physikalischer Erkenntnisse. Es waren dies einerseits die Relativität der Gleichzeitigkeit in Abhängigkeit vom Bewegungszustand des Bezugssystems, die in Form des Einsteinschen Relativitätsprinzips das Relativitätsprinzip Galileis und damit Newtons Begriff der absoluten Zeit ablöste; andererseits das Einsteinsche Äquivalenzprinzip, wonach die Gravitationskräfte in einem Inertialsystem physikalisch in keiner Weise von den Trägheitskräften in einem beschleunigten System unterschieden werden können, womit die absolute Stellung der Trägheitskraft und folglich Newtons absoluter Raum entfällt. Einsteins Relativitätsprinzip und Äquivalenzprinzip bilden gewissermaßen die physikalischen Grundlagen für die Verwirklichung von Leibniz’ Relationalismus.165
165 Siehe zur Stellung von Leibniz’ relationalem Zeitbegriff in der modernen Physik: Hecht (2018).
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Dieser findet in Einsteins spezieller und allgemeiner Relativitätstheorie seinen Ausdruck, welche wiederum Newtons Physik als Grenzfall für kleine Geschwindigkeiten (gegenüber der Lichtgeschwindigkeit als Grenzgeschwindigkeit) und schwache Gravitationsfelder umfasst. In der Auseinandersetzung zwischen Leibniz und Guericke, die hier im Fokus steht, spiegeln sich schon zumindest im Ansatz die mit Bewegung und (leerem) Raum verbundenen Probleme wider, mit denen sich die beteiligten Protagonisten im 17. Jahrhundert, einer der vielleicht wichtigsten Etappen dieser Entwicklung, konfrontiert sahen. Als Beispiel aus den Exzerpten sei hier Leibniz’ Bemerkung über die Kraftwirkung in Zusammenhang mit Guerickes Versuch zu einer kreisförmigen Antriebskraft genannt166. Tatsächlich war die für eine gleichförmige Kreisbewegung erforderliche Kraft schon um die Zeit der Entstehung der Exzerpte von Huygens in seinem Buch Horologium oscillatorium167 in Form von Proportionen ausgedrückt worden. Hierbei handelt es sich um die Zentripetalkraft, die Huygens von einer dieser gleich großen und entgegengesetzt gerichteten Zentrifugalkraft hergeleitet hatte. Diese ist eine der Trägheitskräfte, die in einem rotierenden Bezugssystem auftreten; in heutiger Formelschreibweise lautet sie F = mɷ²r = mv²/r, wobei F die Zentrifugalkraft, m die Masse des Körpers, ɷ seine Winkelgeschwindigkeit, v seine Bahngeschwindigkeit und r den Radius der Kreisbahn bedeuten. Trägheitskräfte in rotierenden Systemen werden – als Manifestation des absoluten Charakters des Raumes bei Newton – eine bedeutende Rolle in der späteren LeibnizClarke-Debatte spielen (siehe unten). Leibniz befand sich zur Zeit der Anfertigung der Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova in Paris und hatte dort persönlichen Kontakt mit Huygens, der zu jener Zeit Präsident der französischen Akademie der Wissenschaften war. Huygens hat seine Theorie der gleichförmigen Kreisbewegung auch auf das konische Pendel angewandt, das eine gewisse Verwandtschaft mit dem oben beschriebenen Versuch Guerickes über eine kreisförmige Antriebskraft (vgl. Experimenta nova Tafel 18, Fig. 1) aufweist. Die Formel für die Zentrifugalkraft spielt eine Schlüsselrolle bei der Entdeckung des Gravitationsgesetzes und ist eine der wichtigsten Vorarbeiten für die künftige Mechanik Newtons. Im Zusammenhang mit Guerickes Versuch zur kreisförmigen Antriebskraft nimmt Leibniz auf die bei der Wurfbewegung wirkenden Kräfte Bezug und stellt hierbei die Frage nach einer rechnerischen Behandlung des Problems. Die korrekte theoretische Behandlung der Wurfbewegung auf der Grundlage der von Leibniz genannten Kräfte sollte
166 Vgl. unten, Exzerpte, S. 130–135 zu EN, IV, 2–3. 167 Huygens (1673).
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aber erst ab 1687 möglich werden, nachdem Newton den Kraftbegriff auf die von ihm eingeführte Beschleunigungs- bzw. Trägheitskraft aufgebaut hatte. Damit konnte Newton bei Kepler, der die Gravitationskraft schon ähnlich wie Guericke als eine den (bei Guericke leeren) Raum durchdringende Wechselwirkungskraft zwischen den beteiligten Massen auffasste, anknüpfen und hiermit das Problem der Planetenbewegung lösen. Zwischenzeitlich konnten durch Umgehung des lange Zeit unklaren Kraftbegriffs wichtige Erkenntnisse gewonnen werden: etwa die kinematische Beschreibung der Fallbewegung durch Galilei 1638; die Einführung des Impulses p = mv bzw. des Impulserhaltungssatzes durch Descartes 1644 bzw. bei der Behandlung von Stoßproblemen durch Huygens 1673; die Behandlung der Pendelschwingung durch Huygens ebenfalls im Jahre 1673. Auch Leibniz’ Conatus-Theorie in seiner Hypothesis physica nova von 1671 ordnet sich in diese Entwicklung ein. Leibniz selbst sollte 1686 die physikalische Größe mv2 als „wahres Kraftmaß“ einführen und somit – neben dem cartesischen Impuls p = mv – der Auffassung der (kinetischen) Energie E = mv2/2 als mögliche Erhaltungsgröße den Weg bereiten: einer Auffassung, die implizit auch schon in Huygens Arbeiten zu den Stoßproblemen enthalten ist.168 Während die Lösung dieser Bewegungsprobleme unter Verwendung des Impulses (mv) als postulierte Erhaltungsgröße wichtige begriffliche Vorarbeiten für Newtons Synthese schufen, ist ihre Anwendung an enge physikalische Voraussetzungen gebunden. Für irreversible Vorgänge, wie sie etwa bei Anwesenheit von Reibung vorliegen – im Falle der Wurfbewegung ist das die von Leibniz genannte Widerstandskraft des Mediums –, kann die Verwendung des (Newtonschen) Kraftbegriffs nicht mehr vermieden werden.169 Die Bewegungsgröße (Impuls) und Leibniz’ „wahres Kraftmaß“ (kinetische Energie) erweisen sich als Zeitintegral (Kraftstoß) bzw. Wegintegral (Beschleunigungsarbeit) von Newtons Trägheitskraft.170 Besonders aufschlussreich sind Leibniz’ Bemerkungen zu Guerickes Berechnung der Bahnradien der Planeten als Funktion der Umlaufzeiten im Kap. 13 aus Buch VI der Experimenta nova. Leibniz stellt hier richtigerweise fest, dass nach dem Pendelgesetz die Länge des Pendels dem Quadrat der Schwingungsdauer des Pendels proportional ist. Danach würde die Beziehung zwischen der Entfernung des Planeten von der Sonne (Bahnradius a) und der Umlaufzeit des Planeten T einem dem Pendelgesetz analogen Gesetz folgen, also a ≈ T², oder a/T² = const, wenn die Analogie zwischen Pendelschwingung und periodischer
168 Siehe Szabó (1987); Aiton (1991). 169 Siehe Hund (1996), Teil I, S. 116–124. 170 Siehe etwa Stroppe (2012).
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Umlaufbewegung der Planeten eine vollständige wäre. Dies steht im Widerspruch zu Guerickes Annahme, wonach im Unterschied zur Pendelformel für die periodische Planetenbewegung a² ≈ T bzw. a/T1/2 = const gelten soll. Bemerkenswerterweise erwähnt weder Leibniz noch Guericke das von Kepler schon 1619 empirisch ermittelte „Dritte Keplersche Gesetz“, wonach sich für die Bahndaten der bekannten Planeten a3 ≈ T2 bzw. a/T2/3 = const ergibt, obwohl dieses Gesetz mittlerweile Eingang in das damalige astronomische Schrifttum gefunden hatte und spätestens seit 1666 eine heuristische Rolle bei Newtons Auffindung des Gravitationsgesetzes spielte.171 Alle drei Planetengesetze haben die Form a/Tn = const, wobei Guerickes Exponent n = 1/2 = 0.5 Keplers exaktem Wert von n = 2/3 ≈ 0,67 erstaunlich nahe kommt – im Unterschied zu Leibniz’ Wert n = 2, dessen Gültigkeit er selbst anzweifelt. Guericke teilt nicht mit, wie er seine Beziehung gefunden hat. Wie man leicht nachvollziehen kann, lässt sich Guerickes Planetengesetz nach Zeitler aus der Annahme eines Kraft-Abstand-Gesetzes in der Bahnebene nach Kepler, F ≈ 1/a, und dem damals noch gebräuchlichen aristotelischen Bewegungsgesetz F ≈ v (mit v = ɷ‧a ≈ a/T) gewinnen: 1/a ≈ a/T oder a2 ≈ T bzw. a/T1/2 = const. 172 Zur Demonstration von „unkörperlichen“ Fernwirkungskräften entwickelte Guericke um 1660 den Versuch mit der Schwefelkugel, mit dem er zugleich eine ganz neue Kategorie von physikalischen Experimenten schuf. Anders als etwa Gilbert und Kepler erkannte Guericke, dass aufgrund des Dipolcharakters der magnetischen Kraft und der daraus resultierenden anisotropen Gerichtetheit der magnetischen Kraftwirkungen diese kein geeignetes Modell für die Darstellung der „Erhaltungskraft“ oder Gravitationswirkung der als kugelsymmetrisch angenommenen Erde bzw. Sonne sein kann. Mit seiner homogenen Schwefelkugel und der nach ihrer Aufladung durch Reibung (Elektrisierung) im umgebenden Raum entstehenden kugelsymmetrischen elektrischen Kraftwirkungen, die auf dem Monopolcharakter der elektrischen Ladung beruhen, fand Guericke ein geeigneteres Modell für die Demonstration „unkörperhafter“ Fernwirkungskräfte (siehe oben).
171 Siehe Krafft (1971); Westfall (1980). 172 Siehe Zeitler (2015).
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Vakuum versus Äther – die weitere Entwicklung bis zur Leibniz-Clarke-Debatte Wie Edward Grant festgestellt hat, spielte die Theorie des unendlichen und leeren Raumes vor Newton nur eine geringe Rolle in der Wissenschaft,173 dagegen wurden die von Descartes maßgeblich angestoßenen kosmologischen Spekulationen im Rahmen einer Äthertheorie nicht nur von Leibniz weitergedacht. Sie waren und sind für die Physik der folgenden Jahrhunderte über Kant174 bis hin zu Einstein und den aktuellen Forschungen zur Existenz einer „dunklen Materie“ von großer Bedeutung. Zu Recht stellt Hubertus Busche fest, dass dieser Theorie primär die Funktion zukam, „solche Phänomene, die sich nicht partikelmechanisch erklären lassen, wie beispielsweise Wirkungen des Lichts oder der Elektrizität, systemmechanisch auf einen empirisch nicht beobachtbaren Stoff mit besonderen Eigenschaften zurückzuführen, der alle Körper durchdringt und so ihr Systemverhalten verursacht.“175 Leibniz blieb der Äthertheorie auch nach der Hypothesis und dem Briefwechsel mit Guericke treu. Noch im zweiten – nicht veröffentlichten – Teil des Specimen dynamicum („Essay über die Dynamik“) von 1695 bekräftigte er die schon in der Hypothesis vorgetragene Lehre, dass die Elastizität der Körper eine Folge der Bewegung des Äthers sei.176 Auch Huygens vertrat weiterhin die Äthertheorie, etwa in seinem Traité de la Lumière („Abhandlung über das Licht“) von 1690.177 Die Gravitation ebenso wie alle anderen natürlichen Phänomene müssen seiner Ansicht nach ausschließlich mechanisch erklärt werden. Selbst Newton schloss die Existenz eines Äthers nicht völlig aus – wenn es ihn jedoch gebe, dann sei er derart „dünn“, dass er der Bewegung der Planeten keinen nachweisbaren Widerstand entgegensetze.178 Prominente Vertreter einer weiterentwickelten Äthertheorie waren die Brüder Bernoulli, mit denen Leibniz im Briefwechsel stand. Insbesondere die Korrespondenz mit Johann Bernoulli ist dabei sehr umfangreich. Jakob Bernoulli179 vertrat 1683 in der Dissertatio de gravitate aetheris („Dissertation über die Schwere des Äthers“) die Ansicht, dass der Äther die Ursache der Kohäsion der Körper sei,
173 Siehe Grant (1981), S. 240. 174 Siehe Busche (2010), S. 53–84. Das Festhalten an der Ätherhypothese thematisiert Busche (1997), S. 417. In Leibniz’ Spätschriften wird der Begriff aether durch fluidum subtile ersetzt. 175 Busche (2010), S. 70. 176 Leibniz (1982); Gerhardt-MS, Bd. VI, S. 234–245. 177 HO, Bd. XIX, S. 405–550; deutsche Übersetzung: Huygens (1964). 178 Vgl. Newton (1979), queries 21–22, S. 350–353. 179 Siehe hierzu Grundriss, 17. Jhdt., Bd. IV.2, S. 970–71 und S. 974–975.
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weil der Luftdruck als Erklärung dafür nicht ausreiche.180 In seiner Argumentation spielen auch die barometrischen Versuche von Torricelli, Boyle und Jaques Rohault eine Rolle. Es ist mehr als eine interessante Fußnote, dass sich Bernoulli für die Dissertatio statt eines Autorenhonorars u. a. Boyles Works und Guerickes Experimenta nova erbat.181 Jakobs Bruder Johann182 behandelte die Ätherproblematik in seinem Essai d’une nouvelle physique céleste („Versuch einer neuen Himmelsphysik“, 1734), in dem er beabsichtigt, Descartes’ Wirbeltheorie mit Newtons Gravitation und Keplers Gesetzen zu vereinigen. Hierüber urteilte Gehler: „Dies wird nun schon hinlänglich zeigen, wie ängstlich man sich bemüht habe, die mechanischen Erklärungen des Descartes beyzubehalten, und mit den Naturgesetzen zu vereinigen. Die Cartesianer musten das Gezwungene solcher Hypothesen wohl selbst fühlen…Allen Systemen, welche die Schwere aus dem Stoße oder Drucke schwermachender Materien erklären, läst sich überhaupt entgegensetzen, daß solche Materien blos angenommen, und durch keine Erfahrung bestätigt sind; daß dabey immer noch keine letzte Ursache angegeben wird, weil man weiter nach der Ursache der Bewegung des Wirbels oder des Stroms der Materie fragen kann, daß man also durch die ganze Erklärung eigentlich nicht viel gewinnt …“183
Newton publizierte 1687 die Philosophiae naturalis principia mathematica („Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie“) – ein Werk, das mit vollem Recht die „Bibel der klassischen Mechanik“ genannt werden kann. Seit 1688 setzte sich Leibniz mit Newtons Principia auseinander und lehnte dessen Gravitationstheorie ab. Als Folge erschien in den Leipziger Acta Eruditorum 1689 das Tentamen de motuum coelestium causis („Versuch über die Ursachen der Himmelsbewegungen“). Leibniz erweist sich dort als von Newtons Ergebnissen beeindruckt, kritisiert jedoch die Ablehnung der Wirbeltheorie und das Fehlen einer physikalischen Erklärung für die Gravitation.184 Newtons Auffassung von Raum, Gott und Vakuum wurde erstmals 1706 mit den Queries öffentlich, die als Anhang zu seiner Optick erschienen.185 In Query 28 (= Query 20 in der Ausgabe von 1706) stellt Newton fest, wie aus den Phänomenen folge, dass es ein unkörperliches, lebendiges, intelligentes und omnipräsentes göttliches Wesen im unendlichen leeren Raum gebe.186 Dieser Raum sei gleichsam das Sensorium Gottes. In Buch II,
180 Bernoulli (1683). 181 Siehe hierzu Grundriss, 17. Jhdt., Bd. IV.2, S. 970. 182 Siehe zu Johann Bernoulli: Speiser (1997). 183 Gehler (1790), Bd. III, S. 899. 184 Siehe Bertoloni-Meli (1993). 185 Siehe Grant (1981), S. 245–247. 186 Newton (1979), S. 370.
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Teil III erwähnt Newton auch namentlich Guericke und seine Versuche.187 Leibniz hatte sich im Tentamen bemüht, eine dem Newtonschen Ansatz adäquate Lösung für die Planetenbewegung zu finden. Für Leibniz ist der Angriff auf Newton auch ein Angriff auf den damit verbundenen vermeintlichen Rückfall in die Naturlehre der Scholastik. Dies kommt sehr gut und konzentriert in der unveröffentlichten und undatierten Abhandlung Antibarbarus physicus pro philosophia reali contra renovationes qualitatum scholasticarum et intelligentiarum chimaericarum („Der Gegner der physikalischen Barbaren. Für eine sachliche Philosophie, die sich gegen die Wiederbelebung der scholastischen Qualitäten und der chimärischen Intelligenzen richtet“, vermutlich entstanden nach 1710)188 zum Ausdruck. Leibniz sieht dort im Konzept der Gravitation geradezu einen Rückfall vom Licht der mechanischen Philosophie, die alles so klar durch Maß, Zahl und Gewicht erkläre, in das Reich der Finsternis der verworrenen Vorstellungen der Scholastiker. Hierzu gehört insbesondere das Konzept der okkulten Qualitäten, die nunmehr – in einer Art Etikettenschwindel – „Kräfte“ genannt werden. Die Aufzählung dieser Kräfte in Leibniz’ Abhandlung lässt sich gut auch als Kritik an Guerickes Wirkkräften lesen, zielt jedoch explizit auf die Gravitationstheorie. Dabei erkennt Leibniz durchaus an, dass durch diese Theorie die astronomischen Gesetze sehr gut erklärt werden können, jedoch nicht, dass damit nun keine weitere Erklärung mehr nötig und dass die Gravitation eine Eigenschaft der Materie an sich sei. Wie schon in der nunmehr Jahrzehnte zurückliegenden Diskussion mit Guericke lehnt Leibniz das in Newtons Theorie vorausgesetzte Vakuum ab. Denn das durch „Maschinen“ geschaffene Vakuum schließt aus seiner Sicht die Existenz feinerer Materien nicht aus. In der wahren Philosophie habe das Vakuum keinen Platz. Leibniz bezieht sich hierbei noch einmal auf seine Hypothesis, wo er ausgeführt habe, dass Gravitation, Elastizität und Magnetismus durch Größe, Form und Bewegung der Körper zu erklären seien. All diese Themen werden von Leibniz erneut und nunmehr letztmalig in der brieflich geführten Diskussion mit Samuel Clarke in seinem Todesjahr 1716 ausgeführt.189 Wie es zu dem berühmten Briefwechsel mit Clarke gekommen ist, beschreibt Leibniz selbst in Briefen vom Dezember 1715 an Johann Bernoulli und Christian Wolff.190
187 Vgl. Newton (1979), S. 263. 188 Gerhardt-PS, Bd. VII, S. 337–344; englische Übersetzung: Leibniz (1989), S. 312–320. Boyle wird in der Abhandlung als verstorbener Autor erwähnt. Danach muss die Abhandlung nach 1692 entstanden sein. 189 Frühneuzeitliche Ausgaben des Briefwechsels: Clarke (1720), Des Maizeaux (1720), Köhler (1720). Moderne Ausgabe: Clarke (1991). Vgl. auch Heinecke (2013). 190 Vgl. Clarke (1991), S. 221–223.
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Ausgangspunkt ist ein Schreiben aus Leibniz’ Briefwechsel mit Caroline von Brandenburg-Ansbach, Prinzessin von Wales, die mit dem hannoverschen Hof nach England gekommen und zu dieser Zeit das ranghöchste weibliche Mitglied des Hofes Georgs I. war. Leibniz kannte sie bereits seit seinem intensiven Gedankenaustausch mit der Kurfürstin Sophie Charlotte in Berlin. Caroline führte 1715 einen Disput mit Clarke und sandte diesem daher einen Ausschnitt des Briefes von Leibniz, an den sie sich um Hilfe gewandt hatte. Clarkes Antwort schickte sie wiederum an Leibniz mit der Bitte um Stellungnahme. Auf diese Weise wurden insgesamt jeweils fünf Schreiben ausgetauscht, die von Mal zu Mal an Länge zunahmen und insgesamt etwa 140 Druckseiten ergeben. Daran, dass im Hintergrund als Berater der mit Clarke gut bekannte Newton am Gedankenaustausch teilgenommen hat, bestehen kaum Zweifel.191 In seinem ersten Schreiben beklagt Leibniz den desolaten Zustand der natürlichen Religion in England. Leibniz hat dabei vor allem John Locke und den mit ihm befreundeten Newton im Blick. Bei beiden sieht er eine verderbliche Tendenz zum Materialismus. Dabei wendet er sich besonders gegen Newtons Ansicht vom Raum als Wahrnehmungsorgan Gottes sowie gegen dessen Annahme, dass Gott permanent in seiner Schöpfung intervenieren muss, um den Bestand des Sonnensystems zu erhalten (in Newtons Theorie führt die gegenseitige Beeinflussung der Sonne und der Planeten zu Störungen im System). Schon in den Exzerpten aus den Experimenta nova hatte sich Leibniz Guerickes Hinweis auf die Abhandlung des Jesuiten Leonard Lessius Über Gottes Vollkommenheiten und Beschaffenheiten vermerkt. Leibniz notiert sich, Lessius habe – so Guericke – behauptet, der imaginäre Raum sei mit Gott identisch. Leibniz ergänzt dies durch die Feststellung, dass auch Clemens Timpler dies behauptet habe. Leonard Lessius war als Theologe Schüler von Francesco Suárez. Er gilt heute vor allem als Wegbereiter für die neue katholische Soziallehre und die frühkapitalistische Wirtschaftsweise. Sein Gottesbild, das er besonders in der bereits erwähnten Schrift De perfectionibus moribusque divinis (Antwerpen 1620) entfaltet, ist nach Paul Türks auf einen asketisch-mystischen Grundton gestimmt. Hinsichtlich der Quellen wird seine Auffassung vor allem durch die Väterliteratur und besonders durch die negative Theologie des Pseudo-Dionysius (6. Jhdt.) geprägt. Für Lessius’ Gotteslehre ist der Unendlichkeitsbegriff zentral, in dem er das metaphysische Wesen Gottes sieht.192 Der calvinistische Theologe, Philosoph und Physiker Clemens Timpler war neben Bartholomäus Keckermann und Rudolf
191 Siehe hierzu: Snobelen (2001), bes. S. 171–172; Ferguson (1976), S. 106–118. Inwieweit Clarke tatsächlich in der Lage war, Newtons Physik in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen, bleibt umstritten; siehe Perl (1969). 192 Siehe Türks (1957), S. VIII–IX.
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Goclenius ein führender Vertreter der reformatorischen Orthodoxie. Er hat zahlreiche Lehrbücher verfasst, darunter eine Metaphysik in fünf Büchern und eine Physik in drei Büchern. In seiner Physik lehnt er es ab, sich zum spatium imaginarum und seiner Natur zu äußern, und stellt lediglich fest, dass nur Gott außerhalb der Welt vorhanden ist.193 Es ist jedoch zu vermuten, dass Leibniz hier eher an Timplers Metaphysik dachte, in der der Begriff des Nichts als Gegensatz zum Sein grundlegend ist, wie insbesondere Ulrich Leinsle herausgearbeitet hat.194 Leibniz bemerkt zu Guerickes Stellung in dieser Frage: „[Guericke] bezieht sich auf Lessius, De perfectionibus divinis, Buch II, Kap. 2. Dort behaupte Lessius, der unendliche imaginäre Raum sei Gott selbst. (+ Auch Timpler meint, Gott sei der Ort des Himmels. +) Guericke selbst scheint in Buch II, Kap. 6 dasselbe anzudeuten, obwohl er keine hinreichend deutliche Aussage wagt. Deutlicher sagt er in [Buch II,] Kap. 9, der die Dinge umfassende Raum sei die göttliche Essenz selbst, [die] sowohl innerhalb als auch außerhalb der Welt [anzutreffen sei].“195
Damit ist ein Grundakkord angeschlagen, der auch für die spätere Debatte mit Clarke von großer Bedeutung sein wird. Im Hinblick auf die Konzeption des kosmischen Raumes hält dies Grant für die überhaupt wichtigste Frage: Wie kann der kosmische Raum gedacht werden, so dass daraus kein Widerspruch zum Gottesbegriff entsteht?196 Raum und Zeit sind für Leibniz rein gedankliche Vorstellungen, also kein Teil der Natur bzw. des Kosmos. Wenn Gott, so Leibniz, alle Materie vernichten würde197, dann blieben Raum und Zeit nur in Gottes Vorstellung bestehen. Leibniz bleibt an dieser Stelle Aristoteliker oder, was für diesen Punkt gleichbedeutend ist, Kartesianer: Alles ist von Materie erfüllt, einen leeren materiefreien Raum gibt es nicht, ein Vakuum ist also unmöglich. Freilich unterscheidet sich Leibniz’ Substanzauffassung insofern von der der Kartesianer, als bei diesen das Wesen der Materie lediglich in der Ausdehnung besteht. Bei Leibniz dagegen wohnen der Materie Kräfte inne, die das kinetische Verhalten der Körper bestimmen: Seine Materietheorie hängt letztlich mit seiner Monadologie zusammen. Newton hingegen ist Anhänger einer atomistisch aufgefassten Materie. Für Newton und Clarke sind Raum und Zeit absolute Größen, die unabhängig von aller Materie als solche bestehen. Diesen absoluten Raum als Behälter
193 Vgl. Timpler (1605), S. 55. Siehe zu Timpler: Freedman (1988), bes. S. 210–277; Leijenhorst (2001); Hübener (1985), S. 92 mit Bezug auf Lessius und Guericke. 194 Siehe Leinsle (1985), S. 352-369. 195 Vgl. unten, Exzerpte, S. 109. 196 Siehe Grant (1981), S. 250. 197 Dieses Gedankenexperiment wurde schon im Mittelalter entwickelt. Siehe Grant (1981), S. 12.
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des Universums bezeichnet Leibniz als „Götze[n] einiger neuerungssüchtiger Engländer“198, ja diese Vorstellung ist für ihn ein unwissenschaftliches Idol im Sinne Francis Bacons. Hätte Leibniz recht – so Clarke –, würde sich das Universum auch nach einer Verschiebung wieder am gleichen Platz befinden. Dieses Gedankenexperiment weist Leibniz mit dem Satz von der Identität ununterscheidbarer Dinge zurück, da dies ein absolutes, von aller Materie unabhängiges Koordinatensystem voraussetzen würde. Dies ist jedoch die Ansicht von Clarke und Newton: Raum und Zeit existieren notwendig vor aller Schöpfung, gehören also zum Unerschaffenen. Der Raum wird damit zu einer Eigenschaft Gottes.199 Gott ist Leibniz zufolge jenseits aller möglichen räumlichen oder zeitlichen Bestimmungen. Newtons oben erwähnte Query 20 musste daher Leibniz besonders aufbringen. In der Forschung ist umstritten, ob Leibniz womöglich eine frühe lateinische Version der Optik benutzt hat, in der das später eingefügte Satzglied, als ob der Raum ein Sensorium Gottes sei, noch fehlte.200 Gleichwohl ist es offenbar Newtons Ansicht, dass Gott auf diese Weise omnipräsent wirksam ist. Da Leibniz davon ausgeht, dass keine Materie auf den Geist wirken kann, erklärt er Gottes Verhältnis zur Schöpfung durch die Lehre von den Monaden und der prästabilierten Harmonie. Ein Eingreifen Gottes in die materielle Welt so, wie von Newton angenommen, ist aus Leibniz’ Sicht daher weder möglich noch nötig. Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Eigenschaften des Raumes kommt zunächst Clarke auch auf die Vakuumexperimente zu sprechen, worauf Leibniz in seiner Antwort Guericke erwähnt: „Man hält mir das Vakuum entgegen, das Herr Guericke von Magdeburg entdeckt hat, der es durch Auspumpen der Luft aus einem Rezipienten hergestellt hat; und man behauptet, dass in dem Rezipienten wahrhaftig ein vollkommenes Vakuum ist oder ein Raum, der zumindest teilweise ohne Materie ist. Die Aristoteliker und die Cartesianer, die das wahrhaft Leere gar nicht gelten lassen, haben auf jenes Experiment von Herrn Guericke ebenso wie auf diejenigen von Herrn Torricelli aus Florenz […] geantwortet, dass es durchaus gar kein Vakuum in der Röhre oder in dem Rezipienten gibt, weil das Glas feine Poren hat, durch welche Strahlen des Lichtes, die des Magneten, und andere sehr dünne Materien hindurchdringen können. Und ich bin ihrer Ansicht […]“.201
Hier wird deutlich, dass sich Leibniz’ Position zur Interpretation der Vakuumexperimente seit seiner frühen Auseinandersetzung mit Guericke und seinen
198 Dellian (1990), S. 28 (3. Schreiben von Leibniz, 2). 199 Siehe Clarke (1990), S. 44. Vgl. zudem Newton (1726), S. 6; deutsche Übersetzung: Newton (1988), S. 44. Siehe auch: Beuttler (2010), S. 192–232. 200 Siehe Koyré & Cohen (1961), S. 556; Insole (2011). 201 Dellian (1990), S. 73–74 (5. Schreiben von Leibniz, 34).
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eigenen Überlegungen zur Pneumatik im Anschluss an Huygens nicht wesentlich gewandelt hat. Guerickes Beitrag zur Leibniz-Clarke-Debatte muss unter zwei Aspekten gesehen werden. Zum einen geht es um den (aus heutiger Sicht vermeintlichen) experimentellen Nachweis, dass ein Vakuum möglich ist, und zum anderen um den experimentellen Nachweis, dass es offenbar Fernwirkungskräfte gibt. Dies soll nicht heißen, dass Leibniz oder Newton bzw. Clarke direkt auf den Experimenta nova aufgebaut hätten. Es soll vielmehr heißen, dass die LeibnizClarke-Diskussion, die in einer umfassenden Weise den Erkenntnisstand des 17. Jahrhunderts zusammenfasste, an den Vakuumexperimenten und ihrer Interpretation nicht vorbeigehen konnte. Die Bedeutung der Diskussion wird durch die rasche Publikation des Briefwechsels deutlich gemacht, dem bald eine französische und 1720 eine deutsche Ausgabe mit einer Einleitung von Christian Wolff folgte. Letztere zeichnet sich durch die originelle Ergänzung mit einer Antwort im Namen von Leibniz auf Clarkes fünftes Schreiben durch den Wolff-Schüler Ludwig Philipp Thümmig aus. Auf englischer Seite fasst der Clarke-Schüler Edmund Law 1734 noch einmal alle möglichen Deutungen des Raumes zusammen.202 Wollte man Guerickes Position zu den im Briefwechsel verhandelten Fragen bestimmen, so wäre er weder der einen noch der anderen Seite eindeutig zuzuordnen – in dem entscheidenden Punkt aber, d. h. in der Theorie des Raumes und des Vakuums, gehört er auf die Seite Newtons, auch wenn seine Theorie der kosmischen Wirkkräfte noch weit von Newtons Gravitationstheorie entfernt war. Raum und Vakuum bleiben auch in der Folgezeit Steine des Anstoßes. Einen guten Eindruck davon – zumindest für die kontinentale Betrachtungsweise – vermittelt erneut Gehlers Physikalisches Wörterbuch von 1789. Unter dem Stichwort „Leere“ stellt Gehler, ohne Leibniz zu erwähnen, fest: „Gegen diesen Begrif von absoluter Leere möchte wohl das metaphysische Argument unüberwindlich seyn, daß Raum und Ausdehnung überhaupt nur Denkformen coexistierender Dinge sind, und nicht gedacht werden können ohne Vorstellung von Körpern, welche Ausdehnung haben, und Raum einnehmen oder zwischen sich lassen.“203
Der weitere Artikel kreist um die altbekannten Begriffe und Personen. Die Frage, die schon Guericke bewegte, was denn die unermesslichen Räume zwischen den Himmelskörpern ausfülle, ist auch am Ende des 18. Jahrhunderts noch ein wichtiger Streitpunkt. Auf die weitere Geschichte über Kant, Mach und Einstein, die
202 Vgl. Law (1734), S. 3. 203 Gehler (1789), Bd. II, S. 867.
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ohne Leibniz’ relationales Raumkonzept nicht denkbar wäre, kann hier nicht eingegangen werden.204 Ergänzend sei nur noch angefügt, dass Guerickes Kronzeuge für die Identifikation von Raum und Gott, Leonhard Lessius, noch bis ins 20. Jahrhundert in der neuscholastischen Philosophie Beachtung fand, so in dem bis in die 1920er-Jahre vielfach aufgelegten Lehrbuch der Philosophie des Jesuiten Alfred Lehmen.205 Ein wichtiger – wenn nicht der seinerzeit entscheidende – Diskussionsgegenstand wurde jedoch bei Gehler schon gar nicht mehr erwähnt. Für Guericke, Leibniz, Clarke und Newton war die Frage nach Gott noch eine existenzielle Grundfrage. Newton meinte geradezu, dass ihm durch seine Gravitationstheorie gleichsam ein Gottesbeweis gelungen sei. Für ihn war es gegen Leibniz’ Uhrengleichnis ein bedeutender Vorzug seines Systems, dass Gott in ihm eine integrale, ständig systemerhaltende Funktion hatte. Je mehr sich allerdings in der Folgezeit Newtons mathematische Himmelsmechanik auf Grund ihrer augenscheinlichen Erfolge durchsetzte, desto mehr schienen sowohl der Newtonsche als auch der Leibnizsche Gott, ja die theologische Deutung naturwissenschaftlicher Befunde überhaupt, entbehrlich. Oder wie es Edward Grant zusammenfasste: Der Raum behielt seine Eigenschaften, nur Gott verschwand.206
Leibniz’ Exzerpte: Überlieferung, Entstehung, die vorliegende Ausgabe Überlieferung des Textes Leibniz’ Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova sind in einem eigenhändig verfassten Manuskript überliefert, welches im Leibniz-Nachlass in Hannover unter der Signatur LH XXXV 14, 2 Bl. 91–102 aufbewahrt ist.207 Das Manuskript besteht aus sechs zusammengefalteten vollformatigen Bogen.208 Die Exzerpte aus den Experimenta nova umfassen insgesamt elf zweispaltig beschriebene Folio-Seiten;
204 Siehe Carrier (2009). 205 Siehe Lehmen (1901), S. 38. 206 Siehe Grant (1981), S. 255. Siehe hierzu auch: Krafft (1999), S. 75–97. 207 Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek (fortan: GWLB), LH XXXV 14, 2 Bl. 91–102. Das Manuskript ist verzeichnet bei Rivaud (1914–1924), S. 43, Nr. 474 A, B. Bei Bodemann (1889), S. 305 findet das Manuskript dagegen keine Erwähnung. 208 Die Reihenfolge der Bogen ist: (1.) Blatt 91+102; (2.) Blatt 92–93; (3.) Blatt 94–95; (4.) Blatt 96–97; (5.) Blatt 98–99; (6.) Blatt 100–101. Der Bogen (1.) umfasst die fünf übrigen.
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gemäß der gültigen Textfolge sind dies die Seiten 95v, 94r, 97v, 96r, 99v, 98r, 101v, 100r, 93v, 92r und 91v. Die Seiten 91r, 92v, 93r, 94v, 95r, 96v, 97r, 98v, 99r, 100v, 101r und 102r/v sind indessen leer. Der Text umfasst auch fünf Zeichnungen von Leibniz’ Hand, die sich auf den Seiten 92r, 94r, 95v, 96r und 99v befinden.209 Die elf beschrifteten Seiten sind dicht und schnell (zuweilen auch flüchtig) beschrieben und mithin schwer lesbar.210 Die Sprache der Exzerpte ist – ebenso wie die der Vorlage – das Lateinische. Zum ersten und einzigen Mal veröffentlicht wurden die Exzerpte aus den Experimenta nova im Rahmen der von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Göttinger Akademie der Wissenschaften herausgegebenen historisch-kritischen Edition Leibniz Schriften und Briefe, gewöhnlich auch „Akademie-Ausgabe“ genannt. Der Text der Exzerpte ist in dem 2009 erschienenen ersten Band der achten Editionsreihe anzutreffen, welche Leibniz’ naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften umfasst.211 Der dort edierte Text, der in der vorliegenden zweisprachigen Ausgabe wiedergegeben wird, hat auch als Vorlage für die deutsche Übersetzung gedient, die in diesem Band den lateinischen Text begleitet und der Kommentierung zugrunde liegt. An mancher Stelle hat sich allerdings als unvermeidbar erwiesen, den Text der Akademie-Ausgabe zu verbessern. Sämtliche Verbesserungen sind im kritischen Apparat zum lateinischen Text der vorliegenden Ausgabe dokumentiert. Hierüber wird im vorletzten Abschnitt dieser Einleitung Auskunft gegeben.
Datierung der Exzerpte Leibniz hat das Manuskript der Exzerpte aus den Experimenta nova nicht selbst datiert. Dies ist keineswegs überraschend. Nur ein Bruchteil der im Hannoveraner Leibniz-Nachlass aufbewahrten Manuskripte trägt eine Datierung von Leibniz’ Hand, und dies trifft insbesondere auf die Manuskripte zu, welche Auszüge oder Notizen aus fremden Werken überliefern. Hieraus folgt aber, dass sich die Entstehungszeit der Exzerpte nur indirekt und nur unter Vorbehalt erschließen lässt. Die Editoren der Akademie-Ausgabe haben das Manuskript auf den Sommer 1672 datiert, und zwar mit der Begründung, dass Leibniz in Texten über die Pneu-
209 Siehe die Beschreibung des Textträgers in A VIII, 1, S. 245. Die dort angegebene Textfolge ist allerdings nicht korrekt. 210 Das Manuskript von Leibniz’ Exzerpten aus Guerickes EN ist im Internet abrufbar unter der Adresse: http://leibniz.bbaw.de/ritter/Scans/LHXXXV_varia.html. 211 „Aus Otto von Guericke, Experimenta nova“, A VIII, 1, N. 36, S. 245–276.
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matik, die er im Zeitraum vom 25. Juli bis zum 12. Dezember 1672 verfasst habe, die Experimenta nova ausführlich erwähne; deshalb müsse Leibniz zu der Zeit, als diese Texte entstanden seien, Guerickes Buch bereits gründlich gelesen und höchstwahrscheinlich auch exzerpiert haben.212 Diesem Datierungsvorschlag ist grundsätzlich zuzustimmen. Man kann ihn allerdings ein wenig präzisieren, indem man Einzelheiten in Betrachtung zieht, die von den Editoren der Akademie-Ausgabe nicht explizit berücksichtigt wurden. Der terminus post quem der vorgeschlagenen Datierung – Mai oder Juni 1672 – ist nicht anzufechten. Leibniz zitiert nämlich zu Beginn der Exzerpte das Titelblatt der Experimenta nova, weshalb er ein gedrucktes Exemplar vor Augen gehabt haben muss. Da die Drucke von Guerickes Abhandlung erst im April 1672 vom Verlag ausgeliefert wurden,213 können Leibniz’ Exzerpte nicht vor diesem Datum entstanden sein. Dies bedeutet freilich nicht, dass Leibniz erst zu diesem Zeitpunkt von Guerickes Buch erfuhr. Im Gegenteil, wir wissen aus seinem Briefwechsel mit Guericke selbst, dass Leibniz über die Entstehung und den Inhalt des Buches gut informiert war. Guericke hatte ihm bereits im Herbst 1671 sogar einen Auszug aus dem Manuskript gesendet, der von Leibniz dann gelesen wurde und sich immer noch in seinem Nachlass findet.214 Die überlieferten Exzerpte aus den Experimenta nova können aus dem soeben genannten Grund aber nicht vor Mai (oder vielmehr Juni) 1672 entstanden sein.
212 Entscheidend für die Argumentation der Editoren der Akademie-Ausgabe ist vornehmlich die Erwähnung der EN durch Leibniz im Text „Experimenta novissima pneumatica illustris Huge nii“ (A VIII, 1, N. 39; Guerickes Buch ist auf S. 296, Z. 8–15 zitiert). Dieser Text lässt sich auf den Zeitraum vom 25.07. bis zum 12.12.1672 datieren. Denn Leibniz bezieht sich dort auf einen von Christiaan Huygens im Journal des Sçavans veröffentlichten Aufsatz, der im Heft vom 25.07.1672 erschienen ist; vgl. Huygens (1672a); HO, Bd. VII, S. 201–206. Im Text kennzeichnet Leibniz dieses Heft als das zuletzt erschienene; vgl. A VIII, 1, N. 39, S. 298, Z. 21–22 und S. 305, Z. 7. Da das nachfolgende Heft des Journal des Sçavans am 12.12.1672 erschien, muss der Text „Experimenta novissima pneumatica illustris Hugenii“ in der angegebenen Zeitspanne entstan den sein. Laut den Editoren der Akademie-Ausgabe zeigen die Erwähnungen der EN in Leibniz’ Text über Huygens’ Versuche eine gründliche Kenntnis von Guerickes Buch und setzen somit eine ausführliche Auseinandersetzung mit demselben voraus. Hierauf beruht die überzeugende Annahme der Editoren der Akademie-Ausgabe, dass Leibniz die EN kurz zuvor exzerpiert hatte. Siehe zur Datierung der Exzerpte: A VIII, 1, N. 36, S. 245; N. 39, S. 291. 213 Vgl. zum Auslieferungsdatum der EN: Schneider (1991b). 214 Vgl. zu diesem Auszug Guerickes Brief an Leibniz vom 13.10.1671 (unten, Brief Nr. [5]; A II, 1, N. 82). Der Auszug rührt von EN, IV, 15 (S. 147–150) her. Aufbewahrt wird Guerickes Auszug im Leibniz-Nachlass unter der Signatur: Hannover, GWLB, LBr 341, Bl. 16–17. Auch in Guerickes Briefen an Leibniz vom 01.03.1672 (unten, Brief Nr. [8]; A II, 1, N. 103) und vom 18./28.03.1672 (unten, Brief Nr. [9], A II, 1, N. 104) wird auf den Inhalt der EN – und weiterhin insbesondere auf das Experiment mit der Schwefelkugel – Bezug genommen.
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Weniger sicher ist indessen der terminus ante quem der von den Editoren der Akademie-Ausgabe vorgeschlagenen Datierung, d. h. die späten Sommermonate 1672. Aus den in den Textträgern des Manuskripts vorliegenden Wasserzeichen weiß man, dass die Exzerpte auf Papier verfasst wurden, das Leibniz während seines Aufenthalts in Paris vom März 1672 bis zum September 1676 verwendete.215 Daher ist naheliegend, dass die Exzerpte vor seiner Rückkehr nach Deutschland im Spätherbst 1676 verfasst wurden. Aber warum dürften sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt verfasst worden sein, als die Editoren der Akademie-Ausgabe vorgeschlagen haben, d. h. nach dem Ende des Sommers 1672? Wir wissen doch, dass Guericke – wahrscheinlich im Juni 1672 – gedruckte Exemplare der Experimenta nova nach Frankfurt am Main für Leibniz gesendet hatte, wohl unter der irrtümlichen Annahme, dass der junge Gelehrte sich noch in Deutschland befinden würde. Wir wissen ebenfalls, dass im folgenden Juli die nach Frankfurt gesendeten Exemplare noch nicht bei Leibniz in Paris eingetroffen waren.216 (Ob Leibniz sie jemals erhalten hat, ist uns nicht bekannt.217) Demgemäß könnte man die Aussage der Editoren der Akademie-Ausgabe, die Exzerpte aus den Experimenta nova seien noch vor dem Herbst 1672 entstanden, mit gutem Grunde anfechten wollen.218 Dennoch ist zu berücksichtigen, dass Leibniz sehr wohl ein Exemplar von Guerickes Abhandlung gelesen und exzerpiert haben könnte, welches bereits im Sommer 1672 in seinem Pariser Bekanntenkreis kursiert haben dürfte. Wir wissen doch, dass Leibniz auch Bücher las und exzerpierte, die nicht ihm, sondern seinen Bekannten oder Freunden gehörten.219 Ferner ist die Beobachtung der Edi-
215 Die Wasserzeichen finden sich auf Blatt 91, 92, 94, 96, 98 und 100. Sie gehören zu zwei ver schiedenen Mustern, die häufig in Manuskripten aus der Pariser Zeit anzutreffen sind: Hand mit Kleeblatt (Blatt 91, 92, 98 und 100) und Handschuh mit Blume (Blatt 94 und 96). 216 Dies entnimmt man dem Brief, den Leibniz vermutlich an Pierre de Carcavy zwischen Ende Juni und dem 25.07.1672 gesendet hat (vgl. unten, S. 96/97; A II, 1 (2006), N. 108, S. 340, Z. 8–13). Dem Brief, den Johann Christian von Boyneburg am 06.06.1672 an Leibniz gesendet hatte, entnimmt man, dass zu jenem Zeitpunkt das Paket aus Magdeburg noch nicht in Frankfurt am Main eingetroffen war (vgl. A I, 1, N. 185, S. 276, Z. 35). 217 In Johan Daniel Craffts Brief an Leibniz vom 14./24.03.1673 wird ein „Päcklein“ aus Mag deburg erwähnt, das die von Guericke nach Frankfurt am Main gesendeten Exemplare der EN enthalten haben könnte (vgl. A I, 1, N. 276, S. 414, Z. 33–34). Ist dies der Fall, so hatte Leibniz im Frühjahr 1673 die für ihn bestimmten Exemplare noch nicht erhalten. Nach diesem Brief von Crafft verlieren sich die Spuren des „Päcklein“ aus Magdeburg. 218 Zweifel an der von den Editoren der Akademie-Ausgabe vorgeschlagenen Datierung der Exzerpte aus Guerickes EN äußert tatsächlich Krafft (2015b), S. 171–172, Anm. 21. 219 Ein Beispiel dafür sind die ebenfalls aus der Zeit seines Pariser Aufenthalts stammenden Auszüge aus Wallis (1670–1671). Aus zwei Bemerkungen von Leibniz erfährt man, dass seine
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toren der Akademie-Ausgabe, dass Leibniz’ Texte zur Pneumatik aus der zweiten Hälfte des Jahres 1672 ein erhebliches Interesse für Guerickes Versuche über das Vakuum sowie eine gründliche Kenntnis der Experimenta nova aufweisen, durchaus zutreffend. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Guerickes Buch muss daher spätestens während des Sommers 1672 stattgefunden haben. Zu dieser Zeit dürften folglich mit größter Wahrscheinlichkeit auch die Exzerpte entstanden sein. Ein späteres Entstehungsdatum – jedenfalls vor Leibniz’ Abreise aus Paris im Herbst 1676 – ist freilich nicht ganz auszuschließen. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch, dass Leibniz die Exzerpte aus den Experimenta nova noch im Sommer 1672 verfasste, wie die Editoren der Akademie-Ausgabe vorgeschlagen haben.
Leibniz’ Exzerpte als Textgattung Dass Leibniz ein Buch wie die Experimenta nova exzerpiert hat, ist im Rahmen seines intellektuellen Schaffens keineswegs ein Einzelfall. Ein beachtlicher Teil seines Nachlasses besteht aus handschriftlichen Auszügen, die von Büchern, Aufsätzen, Briefen, Manuskripten verschiedener Autoren stammen. Oft hat Leibniz selbst diese Auszüge verfasst und mit eigenen Beobachtungen und Überlegungen angereichert. Allein aus der Zeit seines Aufenthaltes in Paris (1672–1676) lassen sich etwa Exzerpte aus ausschlaggebenden naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen der Epoche nennen wie etwa den von der Florentiner Accademia del Cimento herausgegebenen Saggi di naturali esperienze („Beschreibungen natürlicher Experimente“, 1667),220 John Wallis’ Mechanica („Mechanik“, 1670–1671)221 oder Edme Mariottes Traité de la percussion („Abhandlung über den Stoß“, 1673)222. Zu den von Leibniz in Paris exzerpierten handschriftlichen Quellen zählen beispielshalber ein verschollenes Manuskript von Claude Perrault, das diesem später als Vorlage für seine Abhandlung De la pesanteur des corps, de leur ressort et de leur dureté („Über die Schwere der Körper, deren Elastizität und deren Härte“, 1680) gedient haben dürfte,223 sowie Descartes’ Berichte über seine eigenen anatomischen Versuche: Leibniz’ Abschriften hieraus sind seine wohl
Exzerpte einem Exemplar von Wallis’ Mechanica entnommen wurden, das Christiaan Huygens gehörte; vgl. A VIII, 2, N. 8, S. 72, Z. 20–S. 73, Z. 1 und S. 104, Z. 14–15. 220 „Aus Saggi di naturali esperienze“, A VIII, 1, N. 37 (zweite Hälfte 1672). 221 „Aus und zu John Wallis, Mechanica sive De motu“, A VIII, 2, N. 8 (letzte Monate 1674 – erste Monate 1675). 222 „Excerpta ex libro Du choc des corps“, A VIII, 2, N. 50 (letzte Monate 1674). 223 „Aus und zu einem Manuskript Claude Perraults“, A VIII, 2, N. 57 (Mai–Juli 1676).
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berühmtesten Exzerpte, da sie die weitgehend einzige Überlieferung von Descartes’ verschollenem Manuskript darstellen.224 In ihrem Verhältnis zur jeweiligen Vorlage unterscheiden sich Leibniz’ Exzerpte von Fall zu Fall erheblich. Zuweilen – wie etwa in dem zuletzt erwähnten Fall von Descartes’ anatomischen Berichten – verfasst Leibniz wortwörtliche Abschriften, von denen seine eigenen Bemerkungen, Kommentare oder Ergänzungen durch die Verwendung von Klammerzeichen deutlich abgegrenzt sind.225 Zuweilen hingegen fasst er die Vorlage stark zusammen und entwickelt fließend aus den komprimierten Auszügen ganz eigenständige Überlegungen.226 Zuweilen schließlich weisen seine Auszüge Mischformen auf, die unterschiedlich zwischen diesen Extremen angesiedelt sind. All diesen Fällen kommt allerdings eine gemeinsame Eigenschaft zu: Leibniz’ Exzerpte sind Schriftstücke rein privaten Charakters. Erstellt hat er sie keinesfalls mit Blick auf eine mögliche Veröffentlichung und zumeist auch nicht für irgendeine Form von Mitteilung (etwa als Beilagen für Korrespondenten seines Briefwechsels), sondern zu dem Zweck, bemerkenswerte Passagen aus den eigenen Lektüren samt (eventuellen) eigenen Beobachtungen und Überlegungen für den eigenen Bedarf aufzubewahren. Aus dem Gesagten dürfte erhellen, dass die Exzerpte bedeutsame Texte für die Leibniz-Forschung darstellen. Sie geben ausführlich Auskunft über relevante Quellen von Leibniz’ intellektuellem Schaffen, oder genauer: über Texte, mit denen sich Leibniz in verschiedenen Abschnitten seiner intellektuellen Entwicklung besonders befasst und auseinandergesetzt hat. Zudem zeigen sie bereits durch die Auswahl der Auszüge, insbesondere aber durch die eingeschobenen Kommentierungen, was Leibniz an einigen seiner Lektüren für besonders relevant gehalten und wie er darauf geblickt hat. Andererseits aber bestimmt der private Charakter der Exzerpte ihre Textform weitgehend. Nur selten erweisen sie sich nämlich als sorgfältig verfasste und ausformulierte Schriftstücke. Die Handschrift ist in der Regel schnell und wenig akkurat, zuweilen sogar flüchtig (was die Exzerpte in der Regel schwer lesbar macht); der oft komprimierte oder abgekürzte, manchmal auch fehlerhafte Text, bei dem etwa Wortvertauschungen und Homöoteleuta keine Einzelfälle sind, soll offenbar zumeist nur als Eselsbrücke
224 „Anatomica quaedam ex Manuscripto Cartesii“, A VIII, 2, N. 58 (Februar – September 1676). Siehe auch „Ex Manuscripto Cartesii. Problemata“, A VIII, 2, N. 54 (Februar – September 1676). 225 Zur Eingrenzung eigener Einschübe innerhalb seiner Exzerpte verwendet Leibniz neben den üblichen Rundklammern (…) auch variierte Klammerzeichen wie etwa (. … .) und vornehmlich (+ … +). 226 Ein solcher Fall sind etwa die in den letzten Monaten 1674 verfassten „Excerpta ex Wallisio cogitatis obiter occurrentibus aucta“ (A VIII, 2, N. 9), die in eher loser Weise auf Wallis (1670–1671) zurückgehen.
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für Leibniz’ Gedächtnis dienen. Nicht selten erweist sich daher als notwendig, die exzerpierte Vorlage heranzuziehen, wenn man den Sinn von Leibniz’ Auszügen und Bemerkungen angemessen begreifen will. Diese Beschreibung trifft auf die Exzerpte aus den Experimenta nova gänzlich zu: In dieser Hinsicht können sie ja sogar als Paradebeispiel für diese besondere Gattung unter Leibniz’ Texten gelten. Ihr Charakter als Schriftstücke, die für eine rein private Verwendung bestimmt waren, sticht bereits auf den ersten Blick ins Auge. Der Text ist nur teilweise von der Vorlage wörtlich abgeschrieben,227 öfters hingegen stark zusammengefasst und abgekürzt, manchmal auch fehlerhaft, so dass er sich nur dann korrekt verstehen lässt, wenn man zusätzlich Guerickes Abhandlung mitberücksichtigt. Stellenweise muss der Text der Exzerpte gemäß dem Text der Experimenta nova berichtigt werden, um dessen korrekten Sinn überhaupt wiederherzustellen. Derartige Fälle sind sämtlich in dem kritischen Apparat vermerkt, welcher den in der vorliegenden zweisprachigen Ausgabe wiedergegebenen lateinischen Text begleitet (hierüber wird im folgenden Abschnitt Auskunft gegeben). Der spezifische Charakter von Leibniz’ Exzerpten aus den Experimenta nova hat schließlich auch den Charakter der Übersetzung bestimmt, wie dies im abschließenden Abschnitt dieser Einleitung thematisiert werden soll.
Gestaltung des lateinischen Textes und kritischer Apparat Der vorliegenden zweisprachigen Ausgabe von Leibniz’ Exzerpten liegt, wie bereits oben angegeben, der im Band VIII, 1 der Akademie-Ausgabe edierte lateinische Originaltext zugrunde.228 Dieser ist – ebenso wie das Manuskript selbst – in unterschiedlich umfangreiche Abschnitte unterteilt, welche den einzelnen Kapiteln der Experimenta nova entsprechen, denen Leibniz seine Auszüge entnommen hat. Die fünf Abbildungen zur deutschen Übersetzung der Exzerpte in der vorliegenden Ausgabe sind ebenfalls Wiedergaben derer, die im Band VIII, 1 der Leibniz-Edition anzutreffen sind.229 Auf eine Wiedergabe des historisch-kritischen Apparats der Akademie-Ausgabe zum lateinischen Textes der Exzerpte wird in der vorliegenden Ausgabe indessen verzichtet. Auch die im lateinischen Text
227 Die (nahezu) wortwörtlich aus Guerickes Text übernommenen Abschnitte der Exzerpte sind in der vorliegenden Ausgabe (nach dem Vorbild der Akademie-Ausgabe) durch die Kursivierung des Textes gekennzeichnet. Dies trifft sowohl auf den lateinischen wie auf den deutschen Text zu. 228 Siehe für die bibliographischen Angaben oben, Anm. 211. 229 In der vorliegenden Ausgabe werden parallel im lateinischen Text der Exzerpte auch die Originalzeichnungen aus Leibniz’ Manuskript reproduziert. Sämtliche Abbildungen sind im Ab bildungsnachweis am Ende des Bandes aufgelistet und referenziert.
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der Exzerpte vorkommenden Rechnungen bzw. Nebenrechnungen werden in der vorliegenden Ausgabe vereinfacht abgebildet, d. h. unter Verzicht auf Leibniz’ eigenständige, im Text der Akademie-Ausgabe treu nachgeahmte Notation. Die Eingriffe der Editoren der Akademie-Ausgabe – d. h. deren Verbesserungen dem in Leibniz’ Manuskript überlieferten Text gegenüber – sind in die vorliegende Ausgabe übernommen und ebenso wie im Band VIII, 1 der Leibniz-Edition durch eckige Klammern gekennzeichnet worden. Es hat sich aber zuweilen als ratsam, zuweilen als zwingend erwiesen, den Text der Akademie-Ausgabe zu verbessern. An vielen Stellen bot sich etwa an, die Interpunktion lesefreundlicher zu gestalten. An manch anderer Stelle hat der Vergleich mit dem 1672 gedruckten Text der Experimenta nova ermöglicht, sinnstörende Fehler in der handschriftlichen Überlieferung der Exzerpte zu entdecken und zu berichtigen. In selteneren Fällen schließlich hat der Vergleich mit Leibniz’ Manuskript Verlesungen im Text der Akademie-Ausgabe sichtbar gemacht. Die Interpunktion ist stillschweigend angepasst worden. Die übrigen Änderungen dem Text der Akademie-Ausgabe gegenüber sind in der vorliegenden Ausgabe sämtlich durch geschweifte Klammern gekennzeichnet und in dem am Fuße des lateinischen Textes gedruckten kritischen Apparat dokumentiert.230 Die Erläuterungen im kritischen Apparat zum lateinischen Text der vorliegenden Ausgabe sind folgendermaßen aufgebaut: Das Lemma greift das Wort oder die Wörter des Haupttextes auf, auf die sich die jeweilige Erläuterung bezieht; mithilfe von Siglen wird im Körper der Erläuterung dann erklärt, wie an der entsprechenden Stelle der Text der Akademie-Ausgabe und das Manuskript der Exzerpte lauten.231 Auf diese Weise werden im kritischen Apparat folgende Vorkommnisse dokumentiert: (I) Abweichungen zwischen der vorliegenden Ausgabe und der Akademie-Ausgabe; (II) Abweichungen zwischen der Akademie-Ausgabe und dem Manuskript der Exzerpte – und zwar sowohl dann (II.1), wenn der Text der vorliegenden Ausgabe den Text der Akademie-Ausgabe verbessert, als auch dann (II.2), wenn die vorliegende Ausgabe die von der Akademie-Ausgabe vorgenommenen Textverbesserungen übernimmt; (III) Abweichungen zwischen der vorliegenden Ausgabe und dem Manuskript der Exzerpte. Diesbezüglich unter-
230 Die Seitenzahlen der Akademie-Ausgabe sind im lateinischen Text der vorliegenden Ausgabe ebenfalls durch geschweifte Klammern gekennzeichnet, nicht aber im kritischen Apparat wei ter erläutert. Die Seitenumbrüche des Manuskripts (Blattzahlen mit Angabe der Vorder- oder Hinterseite) sind – wie in der Akademie-Ausgabe – durch eckige Klammern gekennzeichnet. 231 Die im kritischen Apparat verwendeten Siglen sind: A (= Leibniz Schriften und Briefe) für die Lesart der Akademie-Ausgabe; LH (= Leibniz Handschrift) für die Lesart des Manuskripts; EN (= Guericke Experimenta nova) für den Wortlaut des Textes von Guerickes Abhandlung. Die weiteren Angaben, die in den textkritischen Erläuterungen vorkommen, verstehen sich von selbst.
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scheiden sich zwei Fälle: (III.1) Wenn die vorliegende Ausgabe unter Berücksichtigung des gedruckten Textes der Experimenta nova das Manuskript der Exzerpte berichtigt, dann wird im kritischen Apparat auf die betreffende Stelle in Guerickes Abhandlung verwiesen; (III.2) bei den gegen das Manuskript der Exzerpte (und gegen die Akademie-Ausgabe) unternommenen Textverbesserungen, die von bloßen Verständlichkeitsgründen herrühren, ist kein Verweis auf den Text der Experimenta nova im kritischen Apparat anzutreffen. Auch (IV) Abweichungen zwischen Leibniz’ Manuskript und Guerickes Abhandlung, bei denen der Text der Akademie-Ausgabe nicht geändert wurde, sind zuweilen im kritischen Apparat angegeben. Einige Beispiele dürften behilflich sein: (1) Eine gewöhnliche Erläuterung wie etwa {tendebant} LH // tenebant A ist folgendermaßen zu verstehen: Die irrtümliche Lesart der Akademie-Ausgabe, d. h. tenebant, wird in der vorliegenden Ausgabe durch die korrekte Lesart des Manuskripts, d. h. tendebant, ersetzt. (2) Die Erläuterung {aere} ergänzt nach EN, 90a // fehlt in LH u. A soll folgendermaßen gelesen werden: Das sowohl in Leibniz’ Manuskript wie auch in der Akademie-Ausgabe fehlende Wort aere wird in der vorliegenden Ausgabe gemäß dem Text der Experimenta nova, S. 90a, zugunsten eines angemessenen Verständnisses ergänzt. (3) Die Erläuterung {sustinendae} // LH u. A sustinendi bedeutet so viel wie: Das sowohl in Leibniz’ Manuskript wie auch in der Akademie-Ausgabe überlieferte, irrtümliche Wort sustinendi ist in der vorliegenden Ausgabe aus Gründen sprachlicher Korrektheit durch das Wort sustinendae ersetzt worden. Die wohl auffälligste Abweichung zwischen der Akademie-Ausgabe und der vorliegenden Ausgabe von Leibniz’ Exzerpten aus den Experimenta nova ist im kritischen Apparat jedoch nicht vermerkt, da sie die Gesamtgestaltung des Textes betrifft. Denn im Band VIII, 1 der Akademie-Ausgabe ist der auf Blatt 99v des Manuskripts überlieferte Text nicht an dem nach der richtigen Textfolge angemessenen Ort – d. h. zwischen Blatt 96r und Blatt 98r – ediert worden, sondern irrtümlich zwischen Blatt 95v und Blatt 94r. Hieraus folgt, dass im Text der Akademie-Ausgabe sämtliche auf Blatt 99v verfassten Exzerpte deplatziert sind.232 Die korrekte Reihenfolge ist in der vorliegenden Ausgabe wiederhergestellt worden.
232 Vgl. A VIII, 1, N. 36, S. 249, Z. 24–S. 252, Z. 11; dieser Abschnitt soll auf S. 263 zwischen Z. 5 und Z. 6 versetzt werden (siehe „Berichtigungen und Ergänzungen“, A VIII, 2, S. 832). Hierbei handelt es sich um die Auszüge aus EN, IV, 4; 7; 9–13.
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Die deutsche Übersetzung Die in der vorliegenden zweisprachigen Ausgabe veröffentlichte deutsche Übersetzung von Leibniz’ Exzerpten aus den Experimenta nova beruht auf dem anbei gedruckten und verbesserten lateinischen Text der Akademie-Ausgabe, dessen Gestaltung im vorhergehenden Abschnitt dieser Einleitung beschrieben wurde. Hierbei handelt es sich um die erste Übersetzung der Exzerpte ins Deutsche sowie in eine moderne Sprache überhaupt. Profitiert hat sie aber umfassend von der seit den dreißiger Jahren von Hans Schimank und seinen Mitarbeitern erstellten und Ende der sechziger Jahre herausgegebenen deutschen Übersetzung von Guerickes Abhandlung.233 Besonders mit Blick auf die in Leibniz’ Exzerpten verwendete Fachbegrifflichkeit hat sich die Schimank-Übersetzung als äußerst hilfreich erwiesen. Die Übertragung der Exzerpte hat sich in dieser Hinsicht auch zumeist an die von Schimank und seinen Mitarbeitern getroffenen terminologischen Festlegungen gehalten. Bei den (durch die Kursivierung des Textes gekennzeichneten) wörtlichen oder nahezu wörtlichen Auszügen aus den Experimenta nova ist die Schimank-Übersetzung – sofern möglich – ohne Änderungen übernommen worden. Aber auch bei den nicht-wörtlichen, zuweilen stark zusammengefassten Abschnitten – und selbst bei den von Leibniz eigenständig ergänzten Bemerkungen und Kommentaren, für die gar kein Pendant in Guerickes Text besteht – ist die Schimank-Übersetzung mit Blick auf die Fachbegrifflichkeit stets zu Rate gezogen worden. Dies heißt jedoch nicht, dass die terminologischen Festlegungen der Schi mank-Übersetzung als ein starres Korsett empfunden wurden. Vielmehr hat man hiervon in allen Fällen, in denen es sich bei der vorliegenden deutschen Übertragung als ratsam erwiesen hat, stillschweigend Abstand genommen und eigenständige alternative Lösungen vorgezogen.234 Eine Übersetzung von Leibniz’ Exzerpten ist nämlich nicht dasselbe wie eine Übersetzung von Guerickes Abhandlung. Diesbezüglich ist an die Besonderheit von Leibniz’ Exzerpten als eigener Textgattung nachdrücklich zu erinnern, wie sie oben erläutert wurde. Beim Exzerpieren hat Leibniz Guerickes Text oft stark komprimiert – zuweilen bis zur Verzerrung –, in manchem Fall dagegen mit eigenen Erläuterungen oder Überlegungen angereichert und ausgedehnt. In beiden Fällen hat er zum Teil auch eine eigene Begrifflichkeit ins Spiel gebracht, wie sie in Guerickes Text nicht unmittelbar anzutreffen ist. An solchen Stellen hätte eine starre Beibehaltung lexikalischer Festlegungen
233 Versuche1. Siehe zur Entstehung der Übersetzung: Krafft (2014). 234 In Einzelfällen wurde auch die ältere deutsche Übersetzung der EN zu Rate gezogen: Guericke (1894).
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aus der Schimank-Übersetzung keine angemessene Übertragung der Exzerpte ermöglicht. Angesichts des bereits mehrfach erwähnten, spezifischen Charakters von Leibniz’ Exzerpten als Textgattung hat es sich ferner als gerechtfertigt erwiesen, die Übersetzung seiner Auszüge aus den Experimenta nova als Instrument zur Textdeutung zu begreifen. Konkret heißt dies, dass die einzelnen Exzerpte nicht bloß ins Deutsche übertragen, sondern unter Berücksichtigung der exzerpierten Vorlage oft auch um fehlende Teile ergänzt und deutlicher artikuliert wurden als in der handschriftlichen Überlieferung selbst.235 Die Übersetzung hat den Text der Exzerpte somit einigermaßen rekonstruiert, mit der Absicht, das Implizite, Elliptische oder Fragmentarische expliziter bzw. vollständiger zu machen und der Leserschaft hierdurch einen möglichst nachvollziehbaren Text zur Verfügung zu stellen. Bei einer solchen – „rekonstruierenden“ und „interpretierenden“ – Übersetzungsmethode kam Klarheit und Verständlichkeit der höchste Stellenwert zu. Wenn der Leserschaft hiermit ein besserer Zugang zum schwierigen Text der Exzerpte aus den Experimenta nova ermöglicht wird, dann hat die Übersetzung ihr Ziel erreicht.
235 In der deutschen Übersetzung der Exzerpte sind die besonders relevanten Textergänzungen durch eckige Klammern gekennzeichnet.
Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz1 [1] Leibniz an Otto von Guericke [3. Mai 1671]2 Valde opto Te aliquando coram frui; Experimenta tua et inventa quorum Cathalogus3 meminit, annixe omnes desideramus, etiam Galli Anglique, inter quos Dn. Oldenburgius Societ. Anglicae Secretarius4 et Dn. Carcavius Academiae Galicae Director5, etc.6
1 Die Wiedergabe des Textes des Briefwechsel erfolgt nach A II, 1 (2006); siehe oben, Einleitung, Anm. 3, S. 5. Auf eine Wiedergabe des textkritischen Apparats der Akademie-Ausgabe wird hier verzichtet. Siehe zu diesem Briefwechsel insbesondere A II, 1 (2006), S. XXVIII–XXXI; Erträge, S. 25–31. 2 A II, 1 N. 54, S. 100 (2006: S. 159); Krafft (2018), Nr. {182}. Es handelt sich hierbei um das erste Fragment aus der Korrespondenz zwischen Guericke und Leibniz. Der Briefauszug befand sich in einem Schreiben Guerickes an seinen Verleger in Amsterdam, Johannes Janssonius van Waes berge vom 21. Juni 1671. Janssonius hatte einen Sohn gleichen Namens (1644–1705), der ebenfalls Verleger war. Dem Brief beigelegt war ein Exemplar von Leibniz’ Hypothesis. Zu den Datums angaben: im katholischen Mainz galt zur Zeit des Briefwechsels der (gregorianische) Kalender neuen Stils, im protestantischen Magdeburg der (julianische) Kalender alten Stils. 3 Im Text der Ankündigung zur Buchmesse 1670 heißt es: „Otton de Generick noviter inventa de vacuo spatio et diversis aliis materiis mathematicis, ibi[dem] ap[ud] eund[em]in fol[io].“ (Zitiert nach Erträge, S. 25). 4 Heinrich Oldenburg, erster Sekretär der Royal Society. Oldenburg führte eine umfangreiche Korrespondenz mit den bedeutendsten Gelehrten in ganz Europa, darunter auch Leibniz. Siehe Beeley (2004). 5 Pierre de Carcavy, französischer Mathematiker und Königlicher Bibliothekar in Paris. Carcavy unterhielt ebenfalls eine umfangreiche Korrespondenz mit Wissenschaftlern seiner Zeit, so auch mit Leibniz. Er war Gründungsmitglied der Académie des Sciences. 6 Deutsche Übersetzung in Versuche1, S. (81): „Dringlich wünsche ich etwas von Ihnen veröffent licht zu sehen. Ihre Versuche und Erfindungen, deren das (Mess)verzeichnis Erwähnung tut, wün schen wir alle angelegentlich, auch die Franzosen und Engländer, darunter Hr. Oldenburg, Sekretär der Englischen Sozietät, und Hr. Carcavy, Direktor der Französischen Akademie, usw.“ https://doi.org/10.1515/9783110533927-004
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Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz
[2] Otto von Guericke an Leibniz Magdeburg, 6./16. Juni 16717 WohlEdler Vest. undt Hochgelarter, Insonders großgünst. hochgeehrter Herr, Deßelben angenehmes de dato Franckfurth den 3 Maii, habe allererst den 11 Junii Stil. Nov. vom hiesiegen Buchführer, auch dabey daß Tractätlein8, mit dienstlicher bedanckung, zu recht erhalten; Verstehe anfanges daß Meinem hochgeehrten Herren, nebest andern vornehmen liebhabern verlange nach meinem Tractat de Spatio Vacuo9, welchen zu drücken Herr Johan Janson von Waeßberge zu Amsterdam, vor länger den 1½ Jahren uff sich genommen, Wir haben einen richtigen Contract mit einander, Er aber differiret daß werck von einer zeit zur andern, mit guten vertröstungen, Also daß ich davor halte, Er habe so viel zu drücken uff sich genommen, daß eines nach dem andern warten muß, welches mihr dan zu schaden nicht allein gereichet, sondern meine Jahre kommen heran, undt wehre beßer daß es zeitig genuch bey meinem leben herauß kehme; Ich wünsche nuhr daß andere Ihn auch hart anmahneten, so müste Er desto ehender forth; Ietzo gibt Er nuhn wieder die vertröstung gegen künfftige herbstmäße10, wohferne daß Buch nicht zu groß; da ich Ihm doch geschrieben, daß es über 3½ alphabet11 in fol. nicht werden wirdt, Die drey ersten Bücher nebest allen kupffer Platten, deren 20, habe ihm schon vorm Jahre zugeschicket, Undt weil dieses Buch nicht hoch ins geldt lauffen wirdt, weiß ich gewiß, daß Er in 3 Monaten alle materien loß werden kan. So viel daß hauptwerck betrifft, bestehet alles vornehmblich uff die rechte verständnüs oder erkendnüß des Universalis vasis seu Continentis omnium rerum, welches ich zwardt brevi verbo Spatium nenne, aber nicht in solchem verstande,
7 A II, 1, N. 62, S. 119–121 (2006: S. 199–203); Krafft (2018), Nr. {183}. Dieser Brief ist das Antwortschreiben auf den obigen Brief. Guericke legte seinem Brief Auszüge der noch nicht publizierten EN bei, etwa aus EN, VI, 11: De latione planetarum („Mitführung der Planeten“); vgl. A II, 1, N. 62, S. 200. 8 Gemeint ist Leibniz’ Hypothesis. Siehe oben, Einleitung, S. 17–24.. 9 „über den leeren Raum“. Alle nicht weiter gekennzeichneten Übersetzungen stammen von P. Rubini. 10 Gemeint ist die Frankfurter Buchmesse. Sie fand im Frühjahr (Ostermesse) und Herbst (Mi chaelimesse) statt und war der wichtigste Buchhandelsplatz. 11 Im Buchdruck wurden bis ins 19. Jahrundert die Druckbogen eines Buches mit den 23 Buch staben des Alphabets (ohne J, U, W) bezeichnet. 3 ½ Alphabet sind also 3 ½ x 23 Druckbogen.
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ut Vulgus Spatium secundum trinam dimensionem concipere solet, sed in quo omne corpus seu omnis substantia suum esse vel subsistere aut habet aut habere potest: quod nulli cedit, nec tantum cedit quantum est corpus receptum, sed permanens est atque immobile, ubique in omnibus per omnia, sive corporea vel incorporea, cuique nihil infert esse hic vel alibi, repletum vel inane.12 Davon dan so deütlich in meinem Buche gehandelt wirdt, daß unmüglich zu contradiciren; Anfangs werdenß zwardt Paradoxa zu sein düncken, undt sich viel opponenten, aber hernach, wan erst gespühret worden, waß es vor ein licht in allen natürlichen dingen13 geben wirdt, sich desto mehr defensores finden. Zu mehrer nachricht, überschicke einige Exemplaria librorum et Capitum hujus mei tractatus.14 Daß mein hochgeehrter Herr schreibet: An verum sit, quod narraverunt, me posse globum in aëre libero pendentem alterius applicatione, novo quodam Mag netismi genere circumducere,15 Daß wirdt gewiß die kugel sein, davon in lib. 4, cap. 15, außführlich geschrieben. Eß sindt unterschiedliche mineralia16 so mit Schwäffel, in eine ronde kugel, in der größe zwoer faüste groß, zusammengegoßen: Wodurch einige Virtutes Mundanae (wie ich sie nenne, davon daß gantze 4te Buch17 tractiret)18 oculariter19 demonstriret werden; Also: da Tycho de Brahe
12 EN, II, 4; deutsche Übersetzung in Versuche1, S. (94): „Erkenntnis des All-Gefäßes oder Behält nisses jeglichen Dinges, welches ich zwar kurz ‚Raum‘ nenne, aber nicht in solchem Verstande, wie man gemeinhin den Raum gemäß einer dreidimensionalen Erstreckung aufzufassen pflegt, sondern als dasjenige, in welchem jeder Körper, bzw. jegliche Wesenheit Sein oder Bestehen findet oder fin den kann. Er weicht keinem Gegenstande, nicht einmal um so viel als einem von ihm aufgenomme nen Körper entspricht, sondern ist verharrend und unbeweglich, überall in allem und durch alles, sei es körperlicher oder unkörperlicher Art: für ihn bedeutet Hier- oder Dort, Erfüllt- oder Leersein keinen Unterschied.“ 13 Das hier von Guericke angesprochene lumen naturale („natürliches Licht“) ist ein zentraler Begriff der frühneuzeitlichen Erkenntnistheorie und spielt insbesondere bei Paracelsus eine wichtige Rolle. Siehe hierzu Goldammer (1960). In Guerickes Bücherschatz befand sich nur ein Paracelus-Titel (NTB, Nr. 1029), der jedoch unecht ist. Siehe hierzu oben, Einleitung, Anm. 152, S. 38. Der Begriff des lumen naturale spielt auch bei Descartes eine wichtige Rolle. 14 „Exemplare der Bücher und der Kapitel dieses meinen Traktates“ 15 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „Ob es wahr sei, was man sich erzählt, ich vermöchte eine in der Luft frei schwebende Kugel durch Annäherung einer andern mittels einer neuen Art von Magnetismus umherzuführen, das ...“ Diese Passage bezieht sich auf Leibniz’ Brief vom 3. Mai 1671. Diese Stelle ist in dem erhaltenen Auszug nicht enthalten. Die SchwefelkugelExperimente werden im Reisebericht von Balthasar de Monconys, der Guericke in Magdeburg besuchte, kurz dargestellt; vgl. Versuche1, S. (46)–(49), bes. S. (47)–(48). 16 „Mineralien“ 17 Guericke beschreibt seine Versuche mit der Schwefelkugel in EN IV. 18 „kosmische Wirkkräfte“ 19 „vor Augen“
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Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz
schreibet: Er wolte gerne dem Copernico beypflichten, wan nicht der Erdboden ein so schwär Corpus20 wehre, hergegen demonstrire ich hirdurch, daß der Erdboden nicht so schwär alß die allerleichteste Plumula21 sey.22 Item23 gedencket Galilaeus in seinem tractat24: Daß man nicht begreiffen könne, wohher es komme, daß der Mond immer der Erden folge, undt auch immer eandem faciem25 gegen dieselbe behalte. So demonstrire ich mit derselben kugel, daß solches durch sonderliche Virtutes Mundanas geschehe, Ex. gratia: Wan die kugel zuvor etwaß mit der handt überstrichen, undt sodan eine gar leichte Plumula daran gehalten wirdt, so zeügt die kugel die Plumulam anfangs an sich, stoßet sie aber baldt wiederumb so weit abe, alß es ihr orbis Virtutis26 vermagk, undt woh also dan die kugel hingehet, da gehet auch die Plumula in der lufft schwebende hin, so daß man sie uff jedes begehrtes punct, ia uff jemandes Nase bringen kann; Sie behelt auch immer eandem faciem, globum versus,27 so daß man sie vermittelst dieser kugel in der lufft umbdrehen kan, wie man sie haben will. Item es können gar viel andere wunderbahre dinge durch diese kugel demonstriret werden, so daß man siehet, daß nicht eine, sondern etliche viventes virtutes darinnen verborgen, gleich wie man vom Magnetstein siehet, in welchem die virtus directiva Telluris28, kein mehrers aber, stäcket; Also hirinnen andere virtutes, so zu weithlaüfftig zu schreiben etc. Anlangend meines hochgeehrten Herrens zugeschickten tractat,29 so sehe darauß daß derselbe omnia naturae mira dem Circulato aetheri cum luce circa terram undt also auch vim elasticam, gravitatem, magnetis directionem etc. zuschreibet.30 Nuhn laße demselben billig seine vernünfftige sententiam salvam et integram; nach der meinigen geringen aber, ist Aether nichts anders den daß Spatium purum extra aëream sphaeram in summa altitudine longe lateque cir
20 „Körper“ 21 „Federchen“ 22 Ein Werk des bedeutenden Astronomen und Begründer des tychonischen Weltsystems Tycho Brahe ist in Guerickes Bibliothek nicht nachgewiesen. Brahe wird jedoch in EN sehr oft erwähnt. 23 „Ferner“ 24 tractat: Galilei (1641), S. 173. Vgl. EN, V, 5, 19–20. Siehe hierzu: Erläuterungen, S. (295). 25 „dieselbe Seite“ 26 „Wirkungsbereich der Kraft“ 27 „Sie (= die plumula, das Federchen) behält auch immer dieselbe Seite zur Kugel hin“ 28 „Richtkraft der Erde“ 29 Siehe oben, Anm. 8. 30 Leibniz führt in seiner Hypothesis Naturphänomene wie Elastizität, Gravitation und Ma gnetismus auf den von der Sonne ausgehenden rotierenden Äther zurück. Siehe hierzu: Beeley (1996), S. 145–150; Busche (1997), S. 408–448. Siehe zudem oben, Einleitung, S. 17–24.
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cumfusum31. Es schreibet zwardt einer: Quod Spatium a Terra ad ultimum usque mundanorum corporum terminum, quod quidam Expansum, Veteres Aetherem vocant, liquidissima aura refertum sit: et ita quidem refertum, ut nihil sit in rerum natura adeo solidum et durum cujus poros non penetret, eo fine a Deo constitu tum, ne alicubi Vacuo locus concedatur32. Deme antworte ich: Quia Aura nihil aliud quam rarissimus aër, aër33 autem corporeum quid atque Telluris odor est (sicut per varia experimenta demonstro, ipsaque ratio dictitat, nisi corporeum quid esset, non possit replere vacuum) ideoque impossibile est, quod aura tanquam corpo reum quid, possit penetrare corpora, sed Expansum sive Spatium sit, quod penetrat omnia. Deinde sequeretur si Expansum aura refertum esset, quod aliud sit Expan sum ipsum et aliud aura, et quia sunt separata, ideoque unum ab altero, corporeum scil. ab incorporeo posse separari, et per consequens Spatium reddi vacuum, fictam vero illam per immensum auram, omnino inutilem fore34.
31 EN, II, 5, S. 59b (Versuche2, S. 66a). 32 Quod. . . concedatur: EN, VII, 4. Guericke bezieht sich hier auf Kircher (1660), Dialog I, Kap. 9, S. 340–364. Das Buch ist im NTB nicht enthalten, Guericke erhielt jedoch die von Schott besorgte zweite Auflage zugeschickt; siehe hierzu Erläuterungen, S. (324b)–(331a); Siebert (2006). 33 Am Rande von Leibniz’ Hand: „an ex aere aqua?“ Deutsche Übersetzung: „Ob Wasser aus der Luft [entsteht]?“ 34 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „dass derselbe alle Wunder der Natur dem mit dem Lichte rings um den Erdball kreisenden Äther [...] zuschreibt. Nun lasse ich demselben bil lig seine vernünftige Auffassung heil und unangetastet, nach der meinigen geringen aber ist Äther nichts anderes als der reine Raum, der außerhalb der Luftsphäre in höchster Höhe weit und breit sich erstreckt. Es schreibt zwar einer: dass der Raum von der Erde bis hin zur äußersten Grenze der Weltkörper, den manche das Ausgedehnte, die Alten aber Äther nennen, von einem feinstflüssigen Hauche erfüllt sei; und zwar so erfüllt, dass es nichts in der Naturwirklichkeit gebe, das so fest und dicht sei, dass dieses Hauchartige nicht seine Poren durchdringe. Es sei von Gott zu dem Zwecke gesetzt, damit nirgendwo dem Leeren sich Platz böte. Dem antworte ich: Weil dieses Hauchartige nichts andres ist als verdünnteste Luft, Luft aber etwas Körperliches, und zwar der Ruch der Erde ist (wie ich durch verschiedenartige Versuche beweise, und wie es die Vernunft selber vorschreibt: wenn sie nämlich nicht etwas Körperliches wäre, vermöchte sie auch nicht, eine Leere auszufüllen); deswegen ist es unmöglich, dass dies Hauchartige als etwas Körperliches Körper durchdringen kann; sondern es ist der Raum, der alles durchdringt. Ferner würde folgen: wenn das Ausgedehn te von einem Hauchartigen ausgefüllt wäre, wären das Ausgedehnte selbst und das Hauchartige zweierlei; und weil sie zweierlei sind, deswegen könnte eins vom andern, d. h. aber Körperliches von Unkörperlichem getrennt und folglich der Raum leergemacht werden; dies vermeintliche Hauchar tige, das sich durch das Unermessliche ausbreiten soll, wäre dann völlig überflüssig.“ Vgl. zum Abschnitt „Quia aura [...] inutilem fore.“ EN, VII, 4, Annotatio, S. 237b (Versuche1, S. 273a–b).
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Eß sindt zwardt auch andere gewesen denen ich die machinulam, worin daß summum Vacuum exhibiret35 wirdt, davon daß Cap. 8. lib. 3.36 handelt, gezeyget (deßfals sie auch gestehen müßen, daß darauß augenscheinlich zu sehen undt zu märcken, daß intra aëream Sphaeram37 von keinem Menschen, es mit demonstrirung des Spatii Vacui, könne höher gebracht werden) die haben wollen vorgeben, daß ein subtilior aër vel aura oder aether so glaß undt alle metallen penetriren könne, ad implendum ejusmodi vitrum evacuatum müße wieder hineinträten;38 hergegen aber war opponiret worden, doferne solch aether verhanden wehre, der glaß undt andere metallen penetriren könne, daß derselbe auch von anfange schon müße in vase isto vitreo39 sein, es sey repliret40 mit welcher materi es wolle; Dann kan ein solcher aether in daß evacuirte vas vitreum succediren41, warumb solle er nicht zuvor schon in alle die materi wohmit daß glaß erfüllet gewesen, würcklich sein? Haben derowegen entlich gestehen müßen, daß keine aura oder corporeum quid, ia auch kein also genanter aether, sondern daß Spatium Purum42 müße hinnein geträten, oder vielmehr schon darin gewesen sein; Dann weil daß glaß die penetrirung nicht hindern kan, so hat sie viel weniger daß waßer oder die lufft im glase hindern können, et per consequens43 ist die penetrirung schon geschehen, ehe undt bevor daß glaß evacuiret worden.44 So viel den motum oder vielmehr die lationem Planetarum circa Solem45 concerniret, so ist hirbey mein weniges sentiment auß meinem tractat geschrieben (wie wohl es sich uff die Virtutem impulsivam undt lationem Telluris referiret, so
35 „gezeigt“ 36 EN, III, 8. Es geht dort um die Herstellung einer „hochgradigen Leere“. Dieses Kapitel wird von Leibniz später ausführlich exzerpiert; vgl. unten, Exzerpte, S. 112–117. 37 „innerhalb der Luftsphäre“ 38 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „dass eine feinere Luft oder ein Hauchartiges oder Äther, der Glas und alle Metalle durchdringen könne, zum Erfüllen eines solchen ausgepumpten Glases müsse wieder hineintreten ...“ 39 „in diesem Glasgefäß“ 40 „gefüllt“ 41 „in das luftentleerte Glasgefäß nachfolgen“ 42 „der bloße Raum“ 43 „folglich“ 44 Guericke erörtert hier eines der Hauptargumente der Gegner des Vakuums. René Descartes führt dieses Argument in der Diskussion der Vakuumversuche Pascals an; vgl. Descartes’ Brief an Mersenne vom 13.12.1648, in: AT, Bd. V, S. 98–100, bes. S. 98; englische Übersetzung: Descartes (1991), S. 327–328, bes. S. 327. Dass der feinstoffliche Äther in der Lage ist, alle Stoffe wie Glas oder Metall zu durchdringen, wird von Leibniz auch in seiner Hypothesis vertreten. Siehe oben, Einleitung, S. 18. 45 „Herumführung der Planeten um die Sonne“
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aber zu weitlaüfftig, undt daher nicht so wohl wirdt können begriffen werden) worauß abzunehmen, daß wohferne ein solch aether, der nicht von einem Puro et ab omni materia vacuo spatio46 verstanden wirdt, solte verhanden sein, selbiger die lationem periodicam Planetarum47 nicht alleine verrücken, sondern auch, wegen der großen distantz, so da ist zwischen der Sonnen undt Planeten, die vir tutem Solis48 (welche man sonst radios Solares nennet) debilitiren, impediren49, oder auffangen würde, da hergegen in daß Spatium purum, nichts kan agiret oder effectuiret noch durch daßelbe ichts waß impediret werden.50 Die gravitas51 woher solche entstehe, wirdt mit gedachter Schwäffelkugel augenscheinlich demonstriret, undt weil der Erdboden per virtutem conserva tivam52, alles waß ihm dienlich, an sich helt, consequenter auch die lufft, alß bekömbt sie dadurch zugleich eine gravitatem, per quam se ipsum premit,53 worauß die vis elastica54 entstehet, davon ich gar unterschiedene Experimenta: Wohmit aber weitleüfftiger meinem hochgeehrten Herren bey andern vielen geschäfften nicht magk beschwährlich fallen, zumahln schon ietzo geschehen, daß wieder verhoffen ich mit diesen zu weitleüfftig gegangen bin. Empfehle denselben der Göttlichen vorsorge, undt verbleybe Meines hochgeehrten Herns allezeitt bereitwilligster Diener Magdeburgk den 6/16 Junii Aº 1671.
Otto von Guericke.
46 „von einem bloßen und von jeder Materie freien Raum“ 47 „die periodische Herumführung der Planeten (um die Sonne)“ 48 „die Kraft der Sonne“ 49 „behindern“ 50 Guericke diskutiert im vorangegangenen Absatz die Frage nach der Wirkung eines hypothe tischen Äthers auf die Planetenbewegung und die Strahlung der Sonne. Bereits Descartes (Prin cipia, III, 24) hatte zwischen den Planeten eine subtile Materie (Äther) angenommen, von der Guericke meint, sie würde die Planetenbewegung behindern. Nach Descartes jedoch – ebenso wie nach Leibniz – ist dieser von der Sonne ausgehende und sich in ständiger Wirbelbewegung befindende Äther gerade die Ursache der Planetenbewegung. Siehe hierzu Grant (1996), S. 324– 370 und S. 422–428. 51 „Schwere“ 52 „durch die aufbewahrende Kraft“ 53 „Schwere, mit der sie zusammengedrückt wird“. Vgl. EN, III 3, 1, S. 72b (Versuche1, S. 81a). Siehe Guerickes Deutung der Schwere in EN, IV, 5. 54 „elastische Kraft“
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[3] Leibniz an Otto von Guericke [17. August 1671]55 HochEdeler, Vhest und Hochweiser, Sonders Großg. Hochgeehrter H. Deßen nüzliches mit vielen wichtigen gedancken und Experimenten angefültes Antwortschreiben samt beyliegenden Indice Capitum56, und Extract von bewegung der Planeten habe zu recht erhalten, und hätte längst geantwortet, wenn unterschiedtliche Reisen mich nicht an reiffer erwegung, welche die Sach erfodert, verhindert hätten. Numehr nachdem ich etwas mehr Zeit übrig habe, als habe mich verbunden erachtet mit gebührender antwort und zugleich schuldigster bedanckung wegen erzeigter so unverdienter Gunst länger nicht anzustehen. Wenn M. h. H. nichts anders iemahls erfunden oder entdecket hätte, als die Kugel von Wunderlicher würckung zu erleüchtung menschlicher wißenschafft, und die ausschopfung der Lufft zu vermehrung menschlicher Kräffte,57 hätte derselbe sich das Menschliche Geschlecht gnugsam verbunden. Und wer auch in einem oder andern etwa von den daraus formirten Hypothesibus oder Theoria abweichen würde, wird dennoch, wenn er anders eine ader der Billigkeit in sich hat, der Experimenten (welche so beschaffen, daß sie nicht von ohngefehr sondern durch reiffes nachsinnen gefunden) hohe wichtigkeit bekennen müßen. Mich wundert daß H. Janson sich der gestalt aufhält, mit einem so realen werck, und würden sich gewißlich ohne ihn viel andere in Franckreich England und Holland finden, damit er wohl bedrohet werden kan. Sonsten Meines Hochg. Herrn Hypothesin betr. ist allerdings zu billigen, daß derselbe die Sonn im mittelpunct stellet, und von deren bewegung umb ihren eignen, das ist den allgemeinen Mittelpunct dieser Planetenwelt (magni orbis), die bewegung aller Planeten hehrführet, daß derselbe ferner dazu thut, ie größer der Planet, ie mehr sey er von der Sonne entfernet blieben58, und ie weiter er von der sonne entfernet, ie langsamer sey die bewegung, und in desto länger Zeit ǁ vollende er seinen lauff. Daß auch die sonne und planeten gleichsam mit einem allgemeinen Band welches die kräffte von einem auff den andern tregt, an einan-
55 A II, 1, N. 75, S. 144–148 (2006: S. 238–243); Krafft (2018), Nr. {187}. 56 „Kapitelverzeichnis“. Guericke hatte ein Inhaltsverzeichnis seines Werkes dem Brief vom 6./16. Juni 1671 beigelegt; vgl. A II,1 (2006: S. 200) und das Kapitelverzeichnis in EN. 57 Leibniz bezieht sich hier auf die Erfindung der Magdeburger Halbkugeln und der Luftpumpe durch Guericke. 58 Leibniz folgt also Guerickes Annahme, dass die Größe der Planeten mit ihrem Abstand von der Sonne zunimmt; vgl. EN, VI, 14 und IV, 3.
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der gehanget, und dadurch gleichsam an einander, wie weit sie auch entfernet, stoßen, welches M. h. H. spatium, ich aber aetherem, andere sonst nach gelegenheit nennen.59 Die Maculas in ʘ60 betr. so derselbe vor nähere planeten hält, scheinet nicht übel geschloßen zu seyn, ohne daß etliche vorgeben eine gewiße zeit gar keine maculas in ʘ gefunden zu haben, daraus sie schließen wollen daß es mehr meteora solaria61, als beständige cörper.62 Nur allein achte meines wenigen orths folgende puncte mehrer erclärung zu bedürffen:63 daß mein Hochg. H. dafür hält, dieses geschopf so da zwischen den Welt-Cörporen sich befindet, und macht daß die bewegung des einen auff das andere weit entfernte trifft, so er Spatium nennet, sey 1) etwas mehr als spatium illud nudum vulgare secundum trinam dimensionem, 2) sey unbeweglich, 3) penetrire alles, und könne doch 4) impetum impreesum des einen sine alio medio auff das andere per quasdam virtutes mundanas transferiren.64 5) Eine Solche virtus mundana sey auch ursach warumb das bewegte einerley faciem dem bewegenden bisweilen entgegen kehre, als terrae65, warumb die stücken eines globi zu ihrem globo eylen, und warumb der Magnet sich also wie der Globus Terrae stelle. 6) Vis Elastica komme a gravitate.66 Allein es ist für allen dingen acht zu haben, daß man nicht nach art der Scho lasticorum etwa sich solcher worth bediene, so wohl gesagt, aber nicht ausgelegt oder verstanden werden können.67 Denn wie mein Hochg. H. hochvernünfftig
59 Leibniz versucht hier seine Auffassung der Funktion des Äthers mit Guerickes Auffassung des leeren Raumes zu harmonisieren. In der Tat handelt es sich jedoch um gegensätzliche Konzepte. 60 „Die Sonnenflecken“. Vgl. EN, 1, 13. 61 „Sonnenmeteore“ 62 Guericke schließt sich hier an Christoph Scheiners Hypothese an, dass es sich bei den Sonnenflecken um Planeten handelt, die in geringem Abstand die Sonne umkreisen. (Scheiner hat später diese Theorie verworfen). Guericke hat Scheiners Theorie wahrscheinlich von Schyrl übernommen, dessen Werk er besaß; siehe Erläuterungen, S. (239a), wo auch weitere Literatur zur Geschichte der Entdeckung der Sonnenflecken vezeichnet ist. Siehe über die Natur der Sonnenflecken zudem: Gehler (1791), Bd. IV, S. 82–98, bes. S. 94 (Guerickes Ansicht). Der letzte Satz von Leibniz’ Bemerkung spiegelt die geringe Sonnenfleckenaktivität in den Jahren 1645– 1715 wieder. 63 Die folgenden Fragen von Leibniz sind vor dem Hintergrund seiner Hypothesis zu verstehen. Siehe oben, Einleitung, S. 17–19. 64 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „sei 1) etwas mehr als jener bloße, gewöhnlich als dreidimensional betrachtete Raum, [...] und könne doch 4) den eingeprägten Antrieb des einen ohne weiteres Medium auf das andre vermittels gewisser kosmischer Wirkkräfte übertragen.“ 65 „als der Mond der Erde“ 66 „Die elastische Kraft komme von der Gravitation“ 67 Die hier von Leibniz ins Feld geführte Argumentation ist ein Grundthema seiner Naturauffas sung, der zufolge eine mechanische Erklärung der Naturphänomene nur „Nahwirkungen“, keine
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ermeßen kan, so ist was virtus mundana sey, wenn keine mehrere erclärung dazu komt, so wenig verständtlich, als was da sey forma substantialis68, sympathia et antipathia69, vis magnetica70, species immateriales71, und dergleichen mehr. Und ob mein Hochg. H. gleich mit einem schöhnen experiment solche virtutes munda nas beweiset, so sind sie doch damit nicht ercläret, denn es eben so tunckel bleibt, wohehr sowohl in globo illo ex mineralibus composito, als in mundo solche virtutes entstehen.72 Sagt nun Mein Hochg. H. das spatium so alles durchdringet
„Fernwirkungen“ zulässt, also ein vermittelndes „Medium“ unabdingbar macht. Fernwirkungs kräfte wie Guerickes virtutes mundanae (und später Newtons Gravitationskraft) sind ihm ebenso suspekt wie die inhaltsleeren Begriffe der Scholastiker. Leibniz sah hierin eine Wiederbelebung der sog. okkulten Qualitäten; siehe oben, Einleitung, S. 36–39. Noch dreißig Jahre später sollte Leibniz erklären: „ich möchte nicht, dass man im gewöhnlichen Lauf der Natur gezwungen wäre, zu Wundern seine Zuflucht zu nehmen und schlechthin unerklärliche Kräfte und Wirkungsarten zuzulassen. Andernfalls würde man den schlechten Philosophen zugunsten dessen, was Gott tun kann, zu viel Freiheit einräumen. Wenn man diese zentripetalen Kräfte oder diese unmittelbaren Anziehungen aus der Ferne zulassen wollte, ohne sie begreiflich machen zu können, so sehe ich nicht ein, wie man unsere Scholastiker daran hindern will zu behaupten, dass alles ganz einfach durch ihre ‚Vermögen‘ geschieht …“ (Nouveaux Essais sur l’entendement humain, Vorwort; A VI, 6, S. 61, Z. 7–13; deutsche Übersetzung: Leibniz (2013), Bd. III.1, S. XLI. 68 Mit den substantiellen Formen ist ein zentraler Begriff der aristotelischen Naturphilosophie angesprochen, dem zufolge das Wesen einer Substanz primär in deren Form besteht. Schon als Fünfzehnjähriger setzte sich Leibniz damit auseinander. Vgl. seinen Brief an Remond vom 10.01. 1714, in Gerhardt-PS III, S. 605–608; deutsche Übersetzung: Leibniz (2013), S. 321; zudem Walch (1775), Bd. I, Sp. 1338–1341. Siehe hierzu Busche (1997), S. 220–248; Garber (1997), S. 326–352; HWP, Bd. II, Sp. 1014–1022. 69 „Sympathie“ und „Antipathie“ sind zwei Begriffe der von Plinius inspirierten magischen Naturphilosophie der Renaissance, welche die Übereinstimmung und den Zusammenhang der natürlichen Erscheinungen erklären sollte. Bereits Francis Bacon hat deren Ansatz verworfen. Siehe HWP, Bd. X, Sp. 752–762. 70 Die Erscheinungen der magnetischen Kraft bereiteten der Naturphilosophie besondere Er klärungsprobleme, da es sich anscheinend um eine Fernwirkungskraft handelte, deren Vermitt lung schwer zu erklären war. Leibniz erklärt dieses Phänomen im Anschluss an Descartes in der Hypothesis mit seiner Äthertheorie; siehe oben, Einleitung, S. 20–21. Siehe zu Descartes’ Theorie: Gaukroger (2002), S. 173–179. 71 „immaterielle Species“. Dieser Begriff bezieht sich auf eine erkenntnistheoretische Diskus sion der Scholastik im Anschluss an Aristoteles. Dabei behaupteten die meisten Autoren, dass die intelligiblen Species (intelligible Formen, mentale Repräsentationen des Wesens eines Ge genstands als Vermittlungseinheiten zwischen Sinnesdaten und Verstand) selbständige, imma terielle Wesenheiten seien. Vgl. hierzu HWP, Bd. IX, Sp. 1315–1349; Spruit (1995), S. 523–533 (zu Leibniz); Vries (1983), S. 9–10. 72 „Und obwohl mein hochgeborener Herr mit einem schönen Experiment solche Weltkräfte be weist, sind sie damit jedoch nicht erklärt; denn es bleibt ebenso dunkel, woher in dieser aus Mine ralien zusammengesetzten Kugel als auch in der Welt solche Kräfte entstehen.“
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sey eine Ursach daß die krafft der Welt-Cörper, und auch dieses globi mineralis73 fortgepflanzet werde, so müßen wir gleichwohl solche vim transplantativam74 ihm nicht nur zulegen, sondern auch erclären, wie sie aus seiner natur folge, welches denn nicht wohl thunlich, so lange wir solches medium transplantati vum pro quadam substantia omnia penetrante, et proinde immobili halten.75 Denn durchdringet diese substanz alles, so ist sie freylich unbeweglich. Denn causa motus unica est, ne sequatur penetratio76, und dahehr mus eines dem andern in casu concursus77 weichen, oder müßen beyde ruhen. Ist nun ferner solche Substanz unbeweglich, so kan sie auch keiner passion oder impression fähig seyn, und dahehr virtus quaedam mundana ihr a sole78 keines weges imprimirt werden. Item, wo sie unbeweglich, so kan sie auch nichts bewegen. Nihil enim movet, nisi moveatur, excepta Mente79, kan also diese substanz, so mein Hochg. H. spatium nennet, nichts so ihr a sole imprimirt worden denen planeten wieder imprimiren. Man weis aus der erfahrung, daß alles was eine impression leiden oder thun kann, einen wiederstand haben und impenetrabel seyn müße, da denn aus dem conflictu selbst eine gleichsam eingedrückte marque folgt. Eine andere impression, kan man sich nicht wohl einbilden, da doch eines Philosophen amt die dinge clar und einbildlich zu machen. Wenn auch diese substanz so M. h. H. spatium nennet etwas anders als trina dimensio oder spatium vulgare80 ist, so mus sie spatium vulgare (welches daß es in rerum natura sey gleichwohl nicht gelaügnet werden kan) füllen. Füllet sie solches, so ist sie ein beweglicher Cörper. Denn darinn bestehet des Cörpers natur, daß er den plaz fülle, und weil der plaz ein
73 „mineralische Kugel“ 74 „Übertragungskraft“ 75 Dies ist ein entscheidender Punkt in Leibniz’ Argumentation: Die Erklärung der Naturphäno mene muss die Erklärung des Funktionsmechanismus mit enthalten, sonst handelt es sich nur um Begriffe ohne Inhalt. Dies wird in der späteren Auseinandersetzung mit Newton ein zentraler Kritikpunkt von Leibniz am Konzept der Gravitation sein. 76 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „solches Übertragungsmedium für eine alles durchdringende Substanz und somit für unbeweglich halten. Denn durchdringt diese Substanz alles, so ist sie freilich unbeweglich. Denn es darf nur eine einzige Ursache für eine Bewegung geben, damit nicht Durchdringung die Folge sei.“ 77 „im Fall des Zusammenstosses“ 78 „eine gewisse Weltkraft kann ihr von der Sonne keineswegs eingedrückt werden“ 79 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „Nichts bewegt nämlich, es sei denn, es werde selbst bewegt; mit Ausnahme des Geistes.“ Mit „Geist“ (mens) ist das rationale Seelenvermögen gemeint; vgl. etwa Micraelius (1661), Sp. 750. Leibniz folgt hier der aristotelisch-scholastischen Seelenlehre; vgl. etwa Stier (1671), S. 47–62. Siehe HWP, Bd. III, Sp. 154–180. 80 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „etwas andres als die dreifache Dimension oder der gewöhnliche Raum ...“
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ens homogeneum, undeterminirt sey diesen oder jenen zu füllen. Ist aber dieses spatium nichts anders als das gemeine spatium oder der plaz, so longus latus et profundus, und an sich selbst nichts mehr, so kan er kein medium transvehenda rum virtutum seyn.81 Welches ich gedencken wollen, keinesweges aus temerität M. h. Hrn zu wiedersprechen sondern aus begierde und hofnung, fernere erclärung und information zu erlangen, auch zu dem ende, damit die jenigen cavilli von M. h. Hrn abgeleinet werden, so heüt zu tag, alles was man de virtutibus und qualitatibus und dergleichen redet, verachten, und ex magnitudine figura et motu locali allein ercläret haben wollen.82 Welches aber M. Hochg. H. keinesweges zu verargen, weil Gilbertus83 und Kircherus84 selbst die doch von solchen dingen am besten geschrieben, annoch mit qualitatibus mundanis und dergleichen sich beholffen. Numehr aber fengt man an deren soviel müglich zu entbehren.85 Wenn M. h. H. zeit leiden möchte, meine geringfügige Hypothesin zu erwegen, würde er befinden daß daraus fast alle bekandte fürnehmste phaenomena leicht zu erclären und für andern sie mit M. Hochg. H. hypothesi gar wenig ausgenommen zu conciliiren. Und ist umb kürzlich zu wiederhohlen solche meine Hypothesis diese.86 Ich seze die Sonne in die mitten dieser unsrer planeten welt, und laße sie samt ieden planeten sich bewegen umb ihr centrum, und denn achte dafür daß der ganze übrige plaz mit einem subtilen cörper, deßen stück alle an sich selbst
81 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): „Ist aber dieser Raum nichts andres als der gewöhnliche Raum oder Platz, der lang, breit und tief und an und für sich nichts weiter, so kann er kein Übertragungsmittel für Weltwirkkräfte sein.“ Nach Leibniz setzt Kraftübertragung ein Medi um, also Materie, voraus. 82 Deutsche Übersetzung: „Darüber will ich weiter nachdenken, und zwar keineswegs aus der Tollkühnheit, meinem hochgeborenen Herrn [= Guericke] zu widersprechen, sondern aus dem Wunsch und der Hoffnung, eine weitere Erklärung und Erkenntnis zu gewinnen – auch mit der Ab sicht, dass von meinem hochgeborenen Herrn diejenigen Spottworte [cavilli] gebändigt werden, die heutzutage alles, was man über Kräfte und Qualitäten und desgleichen sagt, verachten und lediglich anhand von Größe, Gestalt und Ortbewegung erklärt haben wollen.“ Gleichwohl ist es auch Leibniz’ Ansicht, dass das Grundprinzip der mechanischen Naturwissenschaft in der Er klärung der Phänomene nach Größe, Gestalt und Bewegung besteht. Siehe hierzu Busche (1997), S. 231–248. 83 William Gilbert. Leibniz bezieht sich hier auf dessen epochemachende Forschungen über den Magnetismus; vgl. Gilbert (1600). 84 Vgl. Kircher (1643). 85 Dies bezieht sich insbesondere auf die von Descartes vertretene mechanische Naturerklärung. Siehe Gaukroger (2002). 86 Im Folgenden gibt Leibniz einen Abriss seiner Kosmologie aus der Hypothesis. Siehe oben, Einleitung, S. 17–19.
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ruhen, und also nicht an einander hangen (dieweil keines conatum87 auff seinen nachbarn hat), so viel nöthig erfüllet sey.88 Denn ob eben alles voll ut nullus sit praecise locus corpore vacuus89, will ich noch zur zeit nicht determiniren. Nun indem die sonne umb ihr centrum sich drehet (und auch vielleicht per internam ebullitionem90 strahlen das ist subtile corpora herausschickt91) so bewegt sie aethe rem omnem circumjacentem92, gleichwie ein globus im waßer umb sein centrum herumbdrehet, das ganze waßer, so zuvor ruhig, samt den darauff schwimmenden staüblein umb sich herumb circuliren macht, alleine ie weiter das waßer vom centro oder globo illo motore, ie langsamer ist die bewegung wie ration und erfahrung giebt. Müßen also auch die planeten cum sole circulato tardius celeriusque pro distantiae ratione circuliren. Einer ist aber näher als der andere wie M. h. H. recht sagt, pro magnitudinis ratione. Denn desto mehr treibt er durch seine eigne circulation, als die ob majorem circumferentiam fortior, die auf ihn würckende impressionem radiorum solis zurück93, gleich wie ein größer rad. Dahehr kommen die kleinern planeten der Sonne näher: die Ursachen aber der proportionen
87 „Streben“. Conatus ist ein Bewegungsantrieb, wie er von Thomas Hobbes postuliert wurde. Siehe hierzu: Brown & Fox (2006), Stichwort conatus, S. 53; HWP Bd. I, Sp. 1028–1029 (auch zum conatus-Begriff bei Leibniz); Hecht (1988); Beeley (1996), S. 313–345. 88 Gemeint ist hiermit der von Leibniz postulierte Äther. Siehe zur Äthertheorie bei Leibniz: Busche (1997), S. 408–448; Beeley (1996), S. 145–150, bes. S. 146–147: „Der Äther, als unsichtbarer, bewegter Stoff konzipiert, erfüllt gleichzeitig die Funktion eines theoretischen und eines natürlichen Vermittlers. Er ist zum einen das, durch dessen Annahme die Ableitbarkeit der Theoria motus concreti aus der Theoria motus abstracti erst möglich gemacht wird …Und er ist zum anderen das, womit ‚der Grund für alle Bewegungen, die wir in den Körpern bewundern, mit bisher ungewohnter Klarheit gegeben werden kann‘“. Beeley verweist auf Leibniz’ Brief an Pierre de Carcavy vom 22. Juni 1671 (A II, 1, N. 66, S. 125–129 (2006: S. 209–213)) und auf den Brief an Heinrich Oldenburg vom 13./23. Juli 1670 (A II, 1, N. 26, S. 59–60 (2006: S. 94–97)); von diesem Brief stammt das Zitat in der Textstelle). An der Äther-Hypothese hält Leibniz auch später fest – bis hin zur Kontroverse mit Samuel Clarke im Jahr 1715/16. Siehe Busche (1997), S. 417; oben, Einleitung, S. 45–52. 89 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (94): Denn ob oben alles erfüllt, so dass es keinen in ganz strengem Sinne körperfreien Raum gebe, ... Leibniz ist also zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Möglichkeit eines Vakuums noch schwankend. 90 „Heraussprudeln“ 91 Leibniz erwägt hier die Möglichkeit, dass der Äther aus der Sonne emaniert wird. Auf jeden Fall wird er von der Sonne in Bewegung gesetzt. 92 „den ganzen herumliegenden Äther“ 93 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „Müssen also auch die Planeten mit der sich drehenden Sonne langsam oder schneller je nach Maßgabe der Entfernung sich im Kreise bewegen. Einer ist aber näher als der andre; wie mein hochgeehrter Herr recht sagt: nach Maßgabe seiner Größe. Denn desto mehr treibt er durch seine eigne Kreisbewegung (Drehung), welche wegen des größeren Umfanges auch stärker ist, den auf ihn wirkenden Aufprall der Sonnenstrahlen zurück, ...“ Es wird bei Leibniz nicht völlig klar, in welchem Verhältnis das Licht zum Äther steht.
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können vielleicht noch zur zeit nicht praecise entdecket werden. Und bishehr de systemate mundi, folgt ferner status globi nostri94, und was sich darauff begiebt.95 Nehmlich indem die Erde täglich umb ihr eigen centrum gehet, von abend gegen morgen, hingegen das Liecht oder subtile aether der kein gewicht hat, so wenig als die Sonnenstrahlen96, aus krafft der Sonne von morgen zu abend, so folgen daraus die ordentlichen bewegungen der winde und des meers, im systemate, und dann gewicht, feder, und compaß in den speciebus.97 Denn die starcke bewegung aetheris kan nicht leiden, daß sie verhindert werde. Wenn nun ein corpus so dicker ist als aether sich frey im aethere stellet, hindert es seine Bewegung. Denn weil es nicht so subtil als aether, auch nicht so liquid ist, kan es sich nicht mit den partibus aetheris in gleicher subtilität theilen, und bleibet derowegen zurück, stehet im wege, und verhindert die bewegung. Ie mehr es nun vom centro terrae98 [entfernet], ie stärcker ist die bewegung und dahehr ie weniger läßet sie sich verhindern. Derowegen mus, was dicke oder hart weit vom centro entfernet, näher zum centro nach proportion seiner dicke oder härte weichen. Und das ist ursach des gewichts.99 Wenn aber dieses harte oder dicke corpus nicht allein zu boden zum centro gedrücket, sondern auch getheilet und zerstreüet werden kan (wenn es nehmlich durch eüserliche gewalt zusammen gedrückt, und nicht durch seine eigne innerliche bewegung circa centrum proprium firmirt und eüserlichen dividentibus wiederstehet)100 so geschicht solche zerstreüung damit es der universalbewegung desto weniger wiederstehe, und daraus folgt restitutio compressorum, als der lufft in einer Windbüchse. Und weil alle gar zu ausgethente dinge zugleich erfodern daß ein anders umb so viel desto mehr gepreßet sey, indem das gepreßte sich in vorigen stand stellet, und was ihm zu viel, wegstoßet, mus das gethente was ihm zu wenig, wieder empfangen.101 Endtlich wenn ein corpus, so umb sein centrum sich frey dem hori-
94 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „Und bis hierher vom Aufbau der Welt: nun folgt die Beschaffenheit unserer Erdkugel ...“ 95 Vgl. hierzu Hypothesis, §§ 14–18. 96 Äther und Sonnenstrahlen (Licht) sind hier also für Leibniz separate Phänomene. 97 Duch die gegenläufige Bewegung von Äther und Erddrehung werden die zuvor erwähnten physikalischen Phänomene hervorgerufen. 98 „Mittelpunkt der Erde“ 99 Auf diese Weise erklärt Leibniz mit Hilfe des Äthers die Ursache für die Gravitation. Siehe oben, Einleitung, S. 18. 100 „(wenn es nämlich durch äußere Gewalt zusammengedrückt und nicht durch seine eigene innere Bewegung um seine eigene Mitte gefestigt wird und äußerlichen Trennungsfaktoren wider steht) …“ 101 Wenn also die Luft in einer Windbüchse (Luftdruckgewehr; vgl. dazu Zedler, Bd. LVII, Sp. 660–668) zusammengedrückt wird, dann dehnt sich der Äther aus bzw. wird er verdichtet,
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zont gleich [beweget] hat, und weder weiter zerstreüet noch unterdrücket werden kan, gleichwohl aber der bewegung aetheris ab oriente versus occidentem sich entgegen stellet, so wird es vom aethere auff die seite gestoßen daß es seine spize weder gegen morgen noch gegen abend (denn wenn die eine gegen abend, ist die andre gegen morgen), sondern zwischen mitternacht und mittag seze, welches aber nicht in allen cörpern so mercklich als im magnet und dem an ihn gestrichenen eisen als der Erden erstgebohrene, deren pori mehr des aetheris fähig, als wie glas des liechts, und von zeit ihrer gebuhrt und formirung in der gruben von ihm bereits durch die tägliche circulation penetrirt und also eingerichtet worden daß gewiße theile gegen mittag, gewiße sich gegen mitternacht wenden. Von meer und winden zu reden würde zu weitlaüfftig fallen, ist in Hypothesi berühret, und theils zimblich clar. A gravitate kan man Vim Elasticam nicht wohl gänzlich hehr nehmen, denn man kan wohl sagen die schwehre der Lufft sey ursach warumb ein erschöpfter Recipient wieder gefüllet wird (wiewohl solche gewalt von schwehre der lufft alleine nicht zu [kommen] scheint, denn das gewicht der lufft vielleicht nicht so groß, maßen das experimentum Torricellii102 oder Valeri ani M. mit Mercurio ausweiset und dahehr vis Elastica dazu zu nehmen), man kan aber ja nicht sagen die schwehre der lufft sey ursach warumb die lufft aus einer gepreßten windbüchse wieder herausgehet, sobald ihr der weg eröfnet, sondern vis Elastica, die ab aetheris motu103 sowohl als gravitas hehrrühret. Bestehet demnach der unterschied zwischen M. Hochg. H. und meiner hypothesi hauptsächlich darinn, daß das medium transplantationis motuum in distans104 bey demselben das unbewegliche spatium, bey mir aber der aller dinge poros (nicht die dinge selbst) penetrirende subtile bewegliche aether ist, durch deßen bewegung aller virtutum mundanarum ursach kan gegeben werden. Nam et sine
indem Luft aus einem Gefäß (wie bei Guerickes Vakuumversuchen) herausgepumpt wird. Vgl. hierzu auch Leibniz’ Brief an Herzog Johann Friedrich vom 21.05.1671; A II, 1, N. 58, S. 105–110 (2006: S. 169–177). 102 „Torricellis Versuch“ von 1644 führte zur Erfindung des Barometers; siehe Knowles-Middle ton (1968). Über Evangelista Torricelli und seine Versuche sind zu berücksichtigen: KnowlesMiddleton (1968), S. 19–32; Shea (2000). Die primäre Quelle über Torricellis Versuch sind seine Briefe an Ricci vom Juni 1644. Die Kenntnis über sein Experiment – Torricelli publizierte seine Versuche nicht – gelangte über Mersenne zu Pascal, der es dann wiederholte. Valerianus Magni, ein Kapuziner aus Prag, experimentierte ebenfalls über den Luftdruck. Siehe zu Magni Cygan (1992); Cygan (2002); Cygan (2008). Leibniz bezieht sich vermutlich auf Magni (1649). Siehe zum Prioritätsstreit zwischen Torricelli und Magni: Knowles-Middleton (1968), S. 42–54. 103 „von der Bewegung des Äthers“. Leibniz führt auch die elastische Kraft auf die Wirkungen des Äthers zurück; vgl. Hypothesis, § 22. 104 „das Übertragsungsmedium der Bewegung“
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dubio globus mineralis per motum corporis subtilis insensibilis inter se et plumam, plumae motum suum imprimit.105
[4] Otto von Guericke an Leibniz Magdeburg den 29 Aug. styl. vet. Ao 1671.106 WohlEdler Vest. und hochgelarter etc. Insonders g. günst: hochgeehrter Herr etc. Desselben angenehmmes vom 17 Aug. habe den 28 alt. Cal. zurächt erhalten und darauß weittere vernünfftige erclärung über den verstand und effect des Aethe ris ersehen; dieweil aber die materia wichtigk und an ihr selbst weithleüfftig, so daß mein gantzes Buch von solchem Spatio Vacuo, welches mein h. Herr de aethere et quidem quodammodo materiato107 verstehett, tractiret, hergegen der drucker108 mitt dem wercke nuhmehr fast die helffte erreichett, also daß es noch vor Martini109 gelibets Gott herauß kommen wird, so würde M. hochg. Hern mitt weithleüfftigen schreben, nuhr Verdruß causiren; kürtzlich aber nuhr dieses zu mälden; daß Spatium könne dupliciter verstanden werden, vel secundum Vulgi conceptum, de longit. lat. et profunditate alicujus rei; vel secundum Universale omnium rerum continens, welches Spatium dan gantz kein materiatum, daher auch wan solches dergleichen wehre und a Sole vel ejus radiis circuliret und dardurch der Planeten lauff effectuiret würde, nicht ein ieder seinen lauff besonders in Zodiaco verrichten könte: Es ist auch an bewuster Schwäffel kugel zu sehen, wie die virtutes Mundanae in orbibus suarum virtutum ohne vermittelung des
105 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „Denn zweifellos prägt auch die Mineralkugel vermittels der Bewegung des feinen, unmerklichen Körpers zwischen ihr und der Feder dieser ihre Bewegung auf ...“ 106 A II, 1, N. 77, S. 151–153 (2006: S. 247–250); Krafft (2018), Nr. {190}. 107 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „leeren Raum, welchen mein hochgeehrter Herr als einen Äther auffasst, und zwar als einen irgendwie stoffhaften ...“ 108 Drucker: Johannes Janssonius van Waesberge. Siehe oben, Anm. 1. 109 Guericke hoffte hier also noch, dass das Buch vor dem 11. November (Martinstag) erscheinen würde.
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Aetheris, in distans operiren können110, welche kugel dan auch wie sie zu praepariren im bewusten tractat beschriben wird; Gestalt, wan nicht daß bothen lohn so ubersetzett würde, Mein hochg. Herrn eine derglechen schicken wollen;111 Waß nuhn eigentlich diese oder iene Virtus mundana sey, solches wird man klarlich ex libr. 4 mei tractatus112 zu erkennen haben, und zward solcher gestalt, weil derglechen Virtutes in Tellure stäcken, sie auch per attritum corporis alicujus habilis, excitiret werden können. Ex. gr. Sicut virtus Magnetica in Tellure imo extra, cir cumquaque diffusa est, sic quoque in corpore habili (ferro scil.) absque magnete excitari potest.113 Beträffend die schalen daran die pferde zihen, deren firma coniunctio114 rührett blos a gravitate aëris, und nach dem die hemisphaeria groß, nach dem müssen auch vil pferde dazu gebrauchett werden, also da meine (so im diametro ¾ Elle) nicht können von 16 pferden von einander gerissen, so können die, so Ich l.C. Dchl. zu Brandenburgk praesentiret,115 und im diametro eine elle haben, nicht von 30 pferden von einander gezogen werden, welches alles vilfältig probiret, und in meinem buche alles nach dem gewicht calculiret ist, so gar daß ich wissen kan zu welcher zeitt man mehr gewichts vonnöthen; den wan
110 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „Raum könne in zweifacher Bedeutung ver standen werden: entweder nach der gewöhnlichen Auffassung als Länge, Breite und Tiefe eines Körpers oder als das Allbehältnis jeglichen Dinges, wobei Raum dann keineswegs etwas Stoffhaftes wäre; wäre er aber so etwas und würde er von der Sonne oder ihren Strahlen in Kreisung versetzt und würde dadurch der Umlauf der Planeten verursacht, so könnte nicht jeder seinen Lauf für sich im Tierkreis verrichten. Es ist auch an bewusster Schwefelkugel zu sehen, wie die Weltwirkkräfte in ihren Wirksphären ohne Vermittlung des Äthers in die Ferne wirken können ...“ Aus Guerickes Sicht ist die Schwefelkugel ein Modell der Wirkung über eine Entfernung ohne Vermittlung eines Me diums; Kraftwirkungen ohne ein vermittelndes Medium lehnt Leibniz hingegen ab. Siehe oben, Einleitung, S. 36–39. 111 Zusammen mit dem Brief vom 13.10.1671 wird Guericke eine solche Kugel Leibniz auf dessen Wunsch zuschicken. Vgl. unten, Brief Nr. [5]. 112 „anhand des viertes Buches meiner Abhandlung“ 113 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „weil dergleichen Wirkkräfte in der Erde ste cken, sie auch durch Reibung in einem geeigneten Körper erregt werden können, wie beispielsweise die magnetische Kraft in der Erde drinnen, außerhalb von ihr und rings umher verbreitet ist, so kann sie auch in einem geeigneten Körper (zum Beispiel Eisen) auch ohne Magneten hervorgerufen werden ...“ Guericke sieht diese Wirkkräfte als Wirkung der Sonne bzw. der Planeten an. Eine Erklärung, wie sie zustande kommen, gibt er nicht ab, ebensowenig wie Newton später eine Erklärung über die Gravitationskräfte gibt. 114 „fester Zusammenhalt“ 115 Diesen Versuch führte Guericke 1663 dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm vor; vgl. den Briefwechsel in: Versuche1, S. (110); vgl. auch Guerickes Briefe von 1664 und 1672: Schneider (1991a) und (1991b). Eine Beschreibung dieses Versuchs findet sich in EN, III, 23 (mit Tafel 11).
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daß männichen so uff der lufft schwäbtt niedrigk stehett,116 ist sie leichter und halten auch die Schalen umb so vil weniger zusammen, vhrsache ist diese, wan die lufft hatt viel rägen von sich gegeben, so ist sie leichter, nihmmett sie aber wiederümb wasser an, so wird sie schwärer; Item wan grosse Sturmwinde sind, sie mögen auch uber 100 und mehr meilen sein, so wird sie leichter, ratio weil der wind die lufft also dan aliquo modo hebett und trägtt, so wird sie auch leichter.117 Des Toricelli Experimentum, muß man also verstehen nach der geringen capacität derselben gläsern röhren, wehre aber dieselbe 100 mahl weitter, so druckte auch der Cylinder aereus118 100 mahl mehr des ☿ hinein119; aber alles allezeitt in gleicher hohe, interim würde doch die grosse rohre 100 mahl schwärer drucken. Die praedictionem Tempestatis per virunculum istum120 anlangende, so kan man gemeinlich nuhr den tagk zuvor es märcken ob die lufft wolle wasser von sich geben oder an sich nehmmen. Wan es aber lange zeitt nicht gerägnett hatt, so kan mans, wan der rägen angehett wohl ein paar tage zuvor sehen. Die winde aber weil solche offters weith, also kommen sie nicht allezeitt in ihren vollen krefften hier her zu unß, unterdessen aber ist man deren durch daß ungewöhnliche nidersteigen des Virunculi,121 genuchsahmb gesichert. Beym dunckelen rägenwetter ist die lufft leicht, beym hellen schwärer. Von diesem tempestatis indice122, schreibe zward etwaß, aber doch nicht so daß manß nachmachen könne, Ich vermuthe aber wohl daß mitt der zeitt andere auch darhinter kommen werden etc. ln aëre compresso kan wohl 100 mahl mehr aeris sein als in dilatato, davon lauter oculares demonstrationes können gegeben werden, also kan globus aëreus pisi instar,123 sich wohl in einem evacuirten recipienten uberall extendiren. Es wehre vil auß einer station distantias zu mässen, bevorauß wan sie sich auch ad sidera verstracken solte, mihr kömbts (salva pace) unglaublich vor und möchte wohl mehr umbstände davon wissen. Von solchem Mechanico124 in Schweden, so spe
116 Diese Bemerkung bezieht sich auf Guerickes Wettermännchen, wie es in EN, III, 20 be schrieben wird. 117 Guericke erläutert hier, dass der Luftdruck keine Konstante ist, sondern nach seiner Auf fassung von der Windgeschwindigkeit abhängt. Vgl. EN, III, 31. 118 „Luftzylinder“ 119 Am Rande von Leibniz’ Hand: aeris exhausti refractio. Deutsche übersetzung: „Lichtbrechung der ausgepumpten Luft“ 120 „Wettervorhersage mit dem Wettermännchen“ 121 „Wettermännchen“ 122 „Wetteranzeiger“ 123 Deutsche Übersetzung nach Versuche1, S. (95): „In zusammengepresster Luft kann wohl hundert mal mehr an Luft enthalten sein als in ausgedehnter, wovon lauter augenscheinliche Nachweise gegeben werden können, ebenso kann eine erbsengroße Luftblase ...“ 124 „Mechanico in Schweden“: in A, II, 1, N. 77 (2006: S. 249) nicht nachgewiesen.
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cimen volatus125 gethan habe, ist mihr nichts vorkommen, Ihre C. Gn. zu Meintz haben einstmahls gegen mihr gedacht, daß Sie zu Rom gesehen einen so biß an die tertiam contignationem126 eines hauses flihen können. Nebst diesen berichte meinem hochge. Herrn, daß vor 8 tagen an den Herrn Rath Lasser ich geschriben127, auch eine supplic an I. Churf. Gn. eingelägtt, darin ich umb erlassung der Tax eines Druck privilegii von Kayserl. May. zu erlangen, unterthanigst gebethen;128 der drucker zu Amsterdam dringett in mich deßfals, daß ich ihm solches solle zu wege bringen, sagt es sey mein eigen vortheil in dem er versprochen so offte daß wergk wieder uff gelegtt würde, mihr eine gewisse anzahl der Exemplar abzugeben.129 Habe derowegen zu I. Churfrst. Gn. daß unterthanigste vertrauen gesetzett, Sie meinem petito130 gnadigst deferiren werden. Und weil ich dan zu Leiptzigk, ein kleinen briff biß Meintz umb 6 gg. muß franco machen, sie auch wiederümb zu Meintz die briffe biß Leiptzik wollen franciret haben, und ich die antworth (ob mein schreiben an den Herrn Rath sey rächtt eingelauffen) sehr desideriret, so habe ¼ Rthl. in selbiges schreiben, den Herrn Rath des Verlags halber zu befreyen, mitt eingelägtt: hergegen sagen mihr andere daß die botten solche briffe worin sie geld vermärcketen, unterschlügen; uff welche masse ich in vergeblicher hoffnung stehen würde. Bitte derowegen mein hochgeehrter Herr, mein groß geneigter beforderer in dieser sache sein, zugleich auch bey dem Herrn Rath Lasser, ob solch mein schreiben ankommen, venehmmen und ohne schwär nachricht davon geben wolle. Ich möchte auch wohl wissen ob mein hochge. Herr vor sein ietziges schreiben hette der Post etwaß zahlen müssen, dan sie gleich wohl alhir daß post geld, und also wohl gedoppelt nehmmen.
125 „Flugversuch“ 126 „drittes Stock“ 127 Guericke an Hermann Andreas Lasser, 01.09.1671 (A, II, 1; S. 249). Siehe Krafft (2018), N. {188}. 128 Vgl. Versuche1, S. (102)–(103) mit dem Abdruck dieses Gesuchs. 129 Der Drucker Johannes Janssonius. Siehe oben, Anm. 1. 130 „Gesuch“
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Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz
Auß Hamburgk wird mihr vom 26 Aug. geschriben daß zu Altena (gar nahe bey Hamburgk) ankommen wehre die Konigl. Dennemarkische Princessin, so den Churprintz von Heydelberck heürattett, in begleittung der Konigl. Fr. Mutter, welche die Hertzoge von Braunschweigk Zell und Hanover beneventiret, wie auch Hertzogk Christian von Mecklenburgk; folgenden tages werden Sie zu Harburgk (welches Braunschweigisch ist und dißseits der Elbe ligett) tractiret werden und von dar die Konigl. Fr. Mutter widerumb zurückreisen. Man helt auch davor daß Franckreich und Schweden wiederümb dürfften einigk werden, woran dan sehr gearbeittett und große enderung causiren würden. Gott verhütte allen krigk und unwesen, in welches vatterliche vorsorge zu bestendiger gesundhett unß allesambtt ergebe und stetts verbleibe Meines hochgeehrten Herrns Otto von Guericke
Dienst ergebenster Diener
A Monsieur. Monsieur Leibnitz J. U. Doct. et Conseiller de S.A. Elect. de Mayence. Abzugeben bey Mons. Mons. Lasser, Conseill. de S.A. El. à Mayence. Franco.131
[5] Otto von Guericke an Leibniz Magdeburg, 13. Oktober 1671.132 Wohl Edler Vest: und hochgelerter etc. Insonders großg: hochge. Herr etc. Desselben vom 5 Octob. habe den 12 ejusd. styl. nov.133 zu rächt empfangen, bedancke mich gehabter mühewaltung und geneigter willfahrung, werde nicht unterlassen der beyden desiderirten Exemplar halber, beym Buchführer, wan gelibets Gott daß werck zu seiner perfectikeitt kommen, schuldige beforderung zu thuende.
131 „An Herrn Leibniz, Doktor beider Rechte und Berater Ihrer kurfürstlichen Hoheit von Mainz; / bei Herrn Lasser, Berater Ihrer kurfürstlichen Hoheit in Mainz abzugeben. Portofrei.“ 132 A II, 1, N. 82, S. 157–158 (2006: 257–259); Krafft (2018), Nr. {194}. Guericke gab diesem Brief neben der Schwefelkugel und einigen Flaumfedern eine Versuchsanleitung zu den Experimen ten mit der Schwefelkugel bei. Außerdem sandte er aus den noch nicht erschienenen EN das Kapitel 15 mit, in dem die Experimente mit der Schwefelkugel beschrieben werden. Siehe oben, Einleitung, S. 36–39. Der von Guericke am Anfang erwähnte Brief Leibniz’ vom 05.10.1671 ist nicht überliefert. 133 Gemeint ist der in Mainz gültige Kalender neuen (gregorianischen) Stils.
Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz
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Die begehrte kugel ist hirbey, auch von denen Pflaumfederlein ein stücke oder 3, darauß zu sehen wie sie sein müssen, dan keile müssen sie nicht haben. Notan dum134: Die Fädern ie freier sie von einander gespärrt bleiben, und ie weniger sie zusammen gedrucktt werden, ie besser es ist. So ist auch hirbey auß meinem buche geschriben der gebrauch135, wan künfftig daß buch herauß kommen, so wird auch daß außgeschriben136 Caput137 ein bessern verstand erlangen, Interim138 kan sich mein hochg. Herr der kugel gebrauchen. Dabey dan zu wissen daß sie nicht alle zeitt gleich starck auch nicht allen leütten gleich operiret, dan denen die weiche und feüchte hende haben (gleich wie mein Sohn ChurBr. Resident im NiederSachs. kreisse) operiret sie wenig, hergegen mihr, der ich in mechanischen vorfallenden sachen bißweilen selbst waß angreyffe und daher härter hende habe, wohl. Sie thutt nichts, muß zuvor mitt der hand an einen orth (als etwa im aequatore) wohl begriffen und dan mitt ein par schlagen perstringiret139 werden, wan sie dan uber leichte sachen alß etwa hoppen blätter oder waß es ist gehalten wird, so zeügtt sies an sich; Dann kan man auch die Operation mitt der fäder vornehmmen und den 3 articulen des Capitis nachgehen. Wen man nicht rächtt weiß wie sie zu atteriren140 und zu perstringiren, so nehmme man sie bey abends inß finstere vor, da wird man sehen uff welche art sie am besten schein von sich gibtt, also will sie auch tractiret sein; allein an keinen feüchten orth, noch auch nicht mitt feüchten und feisten henden.141 Wie die kugel zu praepariren, ist zward mitt wenigen in dem beygelegten Cap. XV. zu befinden, weil es aber mein hg. Herr umbständlicher begehrett, will ihm mitt nächsten, gerne damitt willfahren, ietzo hatts nicht sein können, weniger uff daß andere zu antworten, weil die Post uff Leiptzigk zu mittage wegk gehett, und solte ich nuhn biß uber 8 tage warten, so möchten die Franckfurter kauffleütte so die kugel mitt nehmmen sollen, hinwegk sein. Und wolle also vor daß mahl mein h. ge. Herr mich entschuldigett halten, denselben inzwischen der göttl. obhutt treülichst ergebe und allezeit verbleibe Meines hochgeerten Herrns Magdeburgk den 13 Octob. sty. no. Ao 1671.
bereitwilligster Diener Otto von Guericke
134 „Es ist zu bemerken“ 135 Vgl. die Versuchsanleitung in Brief Nr. [6]. 136 Vgl. EN, IV, 15. 137 „Kapitel“ (Buchkapitel aus den EN) 138 „inzwischen“ 139 „berührt“ 140 „reiben“ 141 Die Nachstellung von Guerickes Versuchen ist auch heute noch nicht ganz einfach. Siehe hierzu Kraus (2006) und die folgende Nr. [6].
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Briefwechsel Otto von Guericke – Gottfried Wilhelm Leibniz
P. S. Von neüen fellett hier nichts vor, als daß wegen Collen die sachen ietzo waß besser lauffen, darin ich dan sehe daß auch Ihr Churf. Gn. zu Mayntz hochst rühmligst beflissen seind. Franckreich dürffte wohl gegen den winter wieder die Hollender waß vor nehmmen.142
[6] Otto von Guericke für Leibniz [13. Oktober 1671.]143 Usus Globi Sulphurei, davon in Tractatu144 meo de Spatio Vacuo, lib. 4. Cap. 15, tractiret wirdt. Eß ist bey dieser kugel zuwißen, Daß dieselbe an keinen feüchten orthe liegen, weniger mit unsaubern händen, noch die feücht sindt, tractiret oder atteriret werden muß, sondern ie hertere hände iemandt hat, undt ie druckner die seindt, ie beßer die kugel, uff vorhergehendes bestreichen mit der handt undt atteriren, operiret. Zu augenscheinlicher Darstellung (1) der Virtutis Conservativae oder attrac tivae Telluris145, pflege ich nuhr hopffen blätterlein zugebrauchen, wie wohl die kugel alles ann sich zeügt (doch daß es nicht zu schwär, dan alles waß sie zeügt, muß sie der Erden nehmen, undt also stercker ziehen alß ipsa Tellus146). Aber (2) zu bezeigung der Virtutis Expulsivae147, brauche ich dergleichen Pflaumfäderlein von der größe wie hirbey geleget, welche (wan zuvor die kugel etwaß begriffen oder bestrichen, undt auch ein mahl oder 3 mit dem handschlagk perstringiret worden) sie an sich zeügt, hernach die ästlein sich von ein ander spreitzendt
142 Wie bereits im vorangegangenen Brief gibt Guericke auch Einschätzungen zur aktuellen politischen Lage. Leibniz war an solchen Informationen stets interessiert und hat Guericke in seinen nicht erhaltenen Briefen vermutlich darum gebeten. 143 A II,1, N. 83, S. 158–159 (2006: 259–260); Krafft (2018), Nr. {194}. Es handelt sich hierbei um die oben erwähnte Versuchsanleitung. Später hat Guericke die Kugel und die Anleitung auf Anre gung von Leibniz auch an P. de Carcavy geschickt. Vgl. unten, Leibniz’ Brief an Carcavy, S. 96–100. 144 Diese Bemerkung bezieht sich auf das schon erwähnte mitgesandte Kap. 15 aus Buch IV der EN (über die Schwefelkugel). 145 „Erhaltungs- oder Anziehungskraft der Erde“ 146 „als die Erde selbst“ 147 „Abstossungskraft“
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machet, undt entlich gar von sich expelliret, auch also in ihren orbe virtutis148 umbher geführet werden kan; wie, so wohl in diesen, alß andern, ermeltes Caput 15, mehrere anzeige gibt, auch die praxis ie mehr undt mehr dociren wirdt. Dabey dan auch zuwißen, daß die kugel nicht alle zeit einerley effect praestiret, sondern eine zeit mehr an sich zeügt, die ander zeit mehr expelliret, oder auch, so in diesen, so in jenem, stärcker oder weniger operiret. Die Plumulae so hirbey geschickt werden, weil sie in dem Brieffe gantz breit zusammen gepräßet seindt, müßen zuvor in die warme Sonne geleget werden, damit sie sich wieder von ein ander spreitzen, undt ihre rechte arth bekommen, oder man müste, wie diese sindt, neüe suchen, die nehmblich fein rondt, nicht lange äste, auch gar keine keile haben. Otto von Guericke.
[7] Leibniz an Otto von Guericke [31. Januar 1672.]149 An Herrn Gericken. Ich bin neülich ohngefähr im Römischen Journal über eine Epistel eines mathe matici nahmens Eschinardi150 kommen, welcher vorgiebt, daß die Thermometra nicht in gleiche, sondern einander ungleiche theile müsten abgetheilt werden, weil sie nicht motu uniformi sondern accelerato151 stiegen und wüchsen. Es ist bekand daß ohne das die thermometra sehr ungewiß, indem gradus raritatis in aëre nicht allein von Wärme und Kälte, sondern auch Trockne und Feüchte variirt
148 „Wirkungsbereich“ 149 A II, 1, N. 101, S. 205–206 (2006: S. 321–322); Krafft (2018), Nr. {213}. Anlass für diesen Brief ist offenbar die im Folgenden erwähnte Publikation. Inwieweit Leibniz über Guerickes Versuche mit Barometer und Thermometer unterrichtet war, ist aus den übermittelten Briefen nicht zu erschließen. Zwar erwähnt er im Brief Nr. [3] sein Wettermännchen (ein Barometer), aber aus der kurzen Erwähnung konnte Leibniz kaum etwas erschließen. In EN wird diese Vorrichtung in Buch III, Kap. 20 beschrieben und auf Tafel X, Abb. IV dargestellt. Guerickes Barometer wurde ebenso wie das Thermometer zuerst in Schott (1664), S. 45–46 (Buch I, Kap. 21) und S. 871–872 (Buch XI, Kap. 13) beschrieben, was Leibniz offenbar kannte (vgl. Exzerpte, S. 108–109). In EN wird das Barometer in Buch III, Kap. 37 erläutert. Siehe zu Guerickes Thermometer: KnowlesMiddleton (1966), S. 23–24; Kant (1987): Versuche1, S. (270). 150 Francesco Eschinardi, ein italienischer Mathematiker und Philosoph. Siehe zur Quelle und weiteren Bezügen: A II, 1 (2006: S. 321). 151 „… nicht mit einer gleichförmigen Bewegung, sondern mit einer beschleunigten ...“
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werden.152 So glaub ich auch gar gern, daß das Baroscopium von allen mit einander einige impression empfange, denn die Lufft durch veränderung der Wärme und Kälte, Trockne und Feüchte, und denn bewegung oder ruhe ihre Leichte oder schwere verändert. Einig und allein deücht mich, sey das Hygroscopium oder mas der trockne und feüchtigkeit invariabel und an eine einfache Ursache gebunden. Und derowegen mit deßen hülffe, auch wenn es gleich ebenmäßig von zusammengesezten Ursachen hehrkommen solte, dennoch durch Combination solcher Instrumenten zu einiger richtigkeit zu kommen. Denn wenn man solche instru menta zusammen hielte, würde vielleicht sich auß der differenz die Ursach finden. Als zum exempel wenn sich das Baroscopium veränderte, das Hygroscopium aber nicht, oder nicht mit gleicher proportion, köndte man daraus schließen, daß die verenderung der Schwehre nicht von feüchtigkeit oder trockne sey sondern entweder von rarefaction und condensation153, oder Bewegung hehr rührte, solches nun wieder zu entscheiden, müste man das Thermometrum dagegen halten, were, wenn darinn keine solche veränderung, zu schließen daß die veränderung der Schwehre der Lufft von einer Bewegung hehrrühre, so die Lufft träget, und dergestalt köndte man vielleicht etwas gründtliches von künfftigen wetter schließen, auch wohl vielleicht gar zu periodis tempestatum154 kommen, wie dann an manchen orthen die winde periodisch seyn. Damit aber die Mühe zu observiren gemindert werde, köndte es also angestellet werden, daß die veränderungen von Zeiten zu zeiten sich selbst zeichneten wie Hookius und andere am Barometro gethan zu haben vorgeben, mit hülffe einer gewißen machine.155 Ob der Mond eine veränderung in Schwehre der Lufft causire, und dadurch zu einer Mechanischen demonstration der Ursach der Meerfluten zu gelangen.156 Ein zweifel fält mir hier noch bey. Ob die schwehre der Lufft durch tragung des windes vermindert werden könne. Denn wenn man ein geschirr voll waßer
152 „Es ist bekannt, dass ohne dies die Thermometer sehr ungewiss messen, da der Dichtegrad der Luft nicht allein durch Wärme und Kälte, sondern auch durch Trockenheit und Feuchtigkeit verändert wird.“ 153 „Verdünnung und Verdichtung“ 154 „Wetterperioden“ 155 Diese Bemerkung bezieht sich möglicherweise auf Hookes Wheel Barometer; vgl. Hooke (1664). Siehe hierzu: Knowles-Middleton (1964), S. 94–99. 156 Über die Ursachen von Ebbe und Flut wurden im 17. Jahrhundert verschiendene Theorien entwickelt, die durch die Diskussion über die kopernikanische Theorie zusätzlichen Antrieb er hielten. Wie Descartes, führt Leibniz Ebbe und Flut letztlich auf die Wirkung des Äthers zurück. Nach Hypothesis, § 13 verursacht der Mond eine Verdünnung bzw. Verdichtung der Luft und damit eine Änderung ihrer Schwere, die ein Auf- und Abschwellen des Meeres verursacht. Einen Überblick über die Theorien zu Ebbe und Flut im 17. Jahrhundert gibt Hooper (2004).
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nimt, so zum exempel mit dem waßer 20 Pfund wieget, und ein stück holzes von 5 Pfund hinein leget, so vom waßer getragen wird, so wird doch das ganze geschirr mit holz und wasser 25 Pfund wiegen. So sagt man auch daß wenn ein Mensch in einer wage stehe, und etwas trage, werde solches mit ihm wiegen und wenn eine Kugel vom winde über einen glatten boden getrieben würde, würde sie nichts desto minder mit voriger gewalt den boden drücken.157
[8] Otto von Guericke an Leibniz Magdeburg, 1. März 1672158 Wohl Edler Vest: und hochgelerter etc. Insonders g: günstig. hoch geehrter Herr etc. Desselben gar angenehmes vom 31 Jan. hatt mich die uberkunfft der Schwäffel kugel verständigett und daß sie wegen anderer geschäffte noch nicht rächt probiret werden können; doch hette er die wärme und funcken gar wohl gespührett etc. Nuhn weiß nicht, ob etwa ein mißverstand hierbey, weil mihr von wärme bey der kugel nichts bewust, die funcken aber, müsten etwa von dem leüchten zu verstehen sein, wan man sie mitt trucken henden bey der nachtt oder im finstern gemach159, bestreichett, so gibtt sie, wie der zucker, leüchtung von sich: Aber die anderen operationes die sie thutt, sind viel vorträfflicher, davon alles mein tractat mitt mehren mälden wird, wan er erstlich herauß ist; wan ich wüste daß dem Herrn de Carcavi nicht zuwieder, wolte ich durch vermittelung meines hochge-
157 Der Text bricht hier unvermittelt ab. Bei diesem Brief handelt es sich nämlich um eine unvollständige Abschrift der nicht gefundenen Abfertigung. 158 A II, 1, N. 103, S. 209–212 (2006: 326–330); Krafft (2018), Nr. {218}. Dieses Schreiben von Guericke antwortet auf das vorangegangene Schreiben von Leibniz. Eine Antwort von Leibniz hierauf ist nicht bekannt. 159 Offenbar hatte Leibniz selbst Versuche mit der Schwefelkugel angestellt und besonders das elektrostatische Phänomen der Funken registriert, das Guericke anscheinend unbekannt war. Guericke war offenbar nur das Luminiszenzleuchten bekannt, daher versteht er nicht richtig, was Leibniz gemeint hatte. In jedem Fall sind diese Phänomene für Guericke eher ein Neben effekt. Siehe hierzu: Moewes (1996); Kraus (2006). Wie insbesondere aus letzterem Beitrag her vorgeht, sind diese Experimente durchaus anspruchsvoll und lassen sich nicht so ohne weiteres nachvollziehen. Robert Boyle führte sie 1672 der Royal Society vor, der Guericke ein Exemplar seiner EN zugeschickt hatte. Auch hier bemerkte man vor allem die von Leibniz beschriebenen Erscheinungen, was Francis Hawksbee zur Entwicklung einer ersten Elektrisiermaschine veran lasste.
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ehrten Herrns solche kugel wohl schicken160 und sie in dem gläsern globo lassen darin sie gegossen, daß man sie alda frisch herauß nehmmen könte, dan, die schon lange durch mancherley hende gegangen, nicht so guth operiren. Anlangend die quaestiones:161 1) wie weith es mitt compression der lufft zu bringen, ob 1000 oder mehr mahl so viel in ein geschir zu bringen als vor darin gewesen, und ob die lufft nicht entlich gar zu wasser würde? 2) ob ich in acht genohmmen, wie viel in quantitate refractionis162 die außgepumpte lufft oder daß Vacuum, von der gemeinen lufft und die gemeine von der geprässeten differire? Uff diese quaestiones wird man die resolutiones auß meinem Buche nehmen können: den dasselbe zeigett die gradus der lufft an;163 Ex. gr.164 hier bey unß uff der erden, ist sie gepresset (ob suam gravitatem)165 so sehr als praeter propter166 20 ellen hoch wassers drucken können; ie hoher sie ist ie weniger ist sie gepressett, ergo tanto rarior est.167 Nuhn halte ich daß rarissimus aër (der auch anders nichts ist als Telluris odor168) wohl entlich biß uff ein par 1000 Meilen hinauff steige, da er dan zuletztt so subtil und rar wird, daß er nichts mehr, sondern daß spatium purum169 ist170: Also, wen man von dem aëre, so sehr hoch droben stehett, zusammen präste, könte man leichtlich 1000 und mehr mahl so viel hinein treiben als zuvor darin gewesen; hergegen wen man hier unten uff der Erde, von der, schon also geprässeten lufft, wolte zusammen prässen, glaube ich nicht daß man mehr als 20 oder 30 mahl so viel würde hinein bringen, alß schon darin gewesen; Ich habe auch bey den lufft büxen171 wohl so viel gemärckett, daß die lufft entlich so feste stehett, wie daß wasser und sich im geringsten nichts mehr prässen lässett; aber wasser wird nimmermehr auß lufft, waß einmahl lufft worden ist, daß bleibtt lufft, welches alles ich durch experimenta beweise;172 unterdes ist
160 Vgl. unten, Brief [9], in dem Guericke den Versand an Carcavy erwähnt. 161 „Fragen“ 162 „im Hinblick auf die Quantität der Lichtbrechung“ 163 Guericke behandelt diese Thematik in EN, III, 33. 164 Exempli gratia (zum Beispiel) 165 „aufgrund seiner Schwere“ 166 „ungefähr, mehr oder weniger“ 167 „sie [= die Luft] ist also umso dünner“ 168 „Ausdünstung der Erde“ 169 „bloßer Raum“ 170 Guericke behandelt diese Thematik in EN, III, 30. Dieser Zusammenhang wird durch die sog. Barometrische Höhenformel quantitativ beschrieben: Dichte und Druck nehmen exponentiell mit der Höhe ab. Zuerst wurde dieses Phänomen 1686 von Edmond Halley formuliert. 171 Guericke behandelt die Windbüchse in EN, III, 29. 172 Leibniz unterscheidet vier Elemente: Erde, Wasser, Luft und Äther (vgl. Hypothesis, § 52). Siehe zur historischen Entwicklung der Elementenlehre: Böhme & Böhme (1996). Leibniz be
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wahr, daß lufft wasser an sich nihmmett und allezeitt auch die druckene lufft, wasser bey sich habe; meine Experimenta zeigen auch augenscheinlich, wie man kan im augenblick (in einem hellen glase) daß wasser so in der lufft desselben glases ist, separiren von derselben lufft. Weil es nuhn mitt der ienigen lufft, so da hier bey unß uff der Erde, gegen die so höher ist, so eine grosse differentz, habe ich mich nihemahlen bekümmern mögen, wie vielfältiges mahl sie zu comprimiren sey, sondern lieber die zeitt uff andere ding [gewendett], darauß dan nicht allein dergleichen waß von der lufft gemäldett, sondern anders zu erfinden gewust: Ex. gr. habe ich die machinulam173 in bekommenden iconismo174, mitt A signiret, erfunden; Die wird uber die helfft mitt wasser gefüllett, und daß öber ende c, unten gekehrett, damitt die röhre cd auch voll wasser werde, und dan wieder uffgerichtett, und weil sie mitt dem orificio175 d im wasser stehett, kan daß wasser auß dieser röhre cd nicht lauffen, alias176 würde ein Vacuum in der röhre wie allen bekand ist. Nach diesem so appliciret man diese machinulam, mitt dem pompwercke, und zeügtt die lufft auß dem glase A, so muß daß wasser so in der röhre cd ist, herunter fallen, und wird ein vacuum in derselben; Allein, weil alle dinge ihren odorem177 oder ihre lufft haben (welche ich auch effluvium corpo rale178 heisse) so gibtt daß wasser durch und durch viel kleine Bläsichen, so daß man schwüre es penetrirte die lufft durchs glaß, welches doch nicht geschichtt; den wen man diese machinulam, innerhalb 14 tagen, ein mahl 3 oder 4 also außzeügtt, gehen entlich keine blasen mehr hervor, biß also gar keine mehr gespürett werden. Dann so lassett man die röhre cd wieder voll wasser lauffen Und extrahiret allen lufft herauß und verschlissett die ventil e, so kan man in der schmalen röhre cd daß summum vacuum zu wege bringen, weitter es von mänschen nicht kan gebrachtt werden. und geschihett also, daß man die machinulam, wie vor gemäldet sincken lassett damitt die röhre cd voll wasser lauffe; dan richtett man
zieht sich in seiner Theorie der Elemente auf Johann Baptista van Helmont. Für van Helmont sind Wasser und Luft die ursprünglichen Elemente, die Erde geht aus dem Wasser hervor (vgl. Hypothesis, § 6; van Helmont (1683), Traktat IX: Von den Elementen, § 1, S. 54). Siehe zur Elemen tenlehre von Leibniz: Beeley (1996), S. 194–202. 173 „kleiner Versuchsapparat“ 174 „Abbildung“. Guericke hat seinem Brief eine Zeichnung beigelegt, die auch in EN, III, 7, S. 89 (Iconismus VII) abgebildet ist. Das dazugehörige Kap. 7 behandelt ein „Fünftes, genaueres Verfah ren zur Erzeugung eines leeren Raumes“. Bei der dargestellten Luftpumpe handelt es sich um die sog. Pumpe dritter Bauart, die in EN, III, 4 beschrieben wird. 175 „Öffnung“ 176 „sonst“ 177 „Duft“ 178 „körperliche Ausdünstung“
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sie wieder auff (doch so daß daß orificium d immer im wasser bleibe) und tritt daß wasser gantz herunter ohne von sich gebung einiger bläßlein, also daß es mitt dem Vacuo nicht hoher kan gebrachtt werden weil durch dieses mittel, daß einsteigen aller bullulen179, gantz nicht geschihett, welches die anderen, so meine machinam pneumaticam180 nach gemachtt, noch nihemahlen verwehren können. Wohbey dan ferner zu wissen, weil kein dingk in der welt daß ohne corporali effluvio, also auch daß wasser in spatio vacuo nicht unterlassett, dennoch einigen odorem von sich zu geben, welcher odor (wen man die röhre cd wiederumb voll wassers lauffen lassett) als eine bullula einer erbiß groß, oben in der obersten spitzen c gespürett wird; welche bullula, weil sie in spatio vacuo, da sie sich zu dilatiren machtt hatt, gesehen wird, alias non; den wen man daß ventil e öffnett, steigtt daß wasser gantz in die röhre hinauff, und wird die bullula so klein, daß sie nicht mehr kan gesehen werden. Ubi notandum181: wan daß ventil stracks uff ein mahl geöffnett wird, so gehett die gantze machina mit grossen schräcken uff stücken. Bey dieser Machina sind noch viel andere dinge zu finden, so mein tractat außweisett; diß habe ich nuhr deßwegen geschriben, daß man, wie träfflich sich die lufft dilatiren könne, augenscheinlich märcke.182
Abb. 1: EN, S. 80, iconismus VII
179 „kleine Blasen“ 180 „Vakuumpumpe“ – Diese Bemerkung bezieht sich vermutlich auf die Versuche von Boyle. 181 „Hier ist zu bemerken“ 182 Vgl. EN, III, 4–8 sowie Leibniz’ Exzerpte hieraus, unten, S. 112–117. Es ist bemerkenswert, dass Leibniz diese Stelle auch in den Exzerpten ausführlich behandelt.
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Ad 2dam quaestionem zu respondiren, berichte ich, daß in solchen kleinen corpore vitreo183 einige refractio aëris nicht zu spüren, hierzu gehöret ein groß spatium, ich habe aber in meinem buche auch de refractione aëris geschriben, viel so vorher nicht bekant gewesen.184 Ad quaestionem, waß doch die maxima und minima altitudo mercurii, an unterschiden orthen sey?185 Respondeo: Die ist generaliter186 gleich uber den gantzen Erdboden; wird aber bald an diesen bald an ienen orthe geendert;187 Den an welchen orth die lufft viel wassers hatt an sich genohmmen, da ist sie schwär, aber woh sie viel wassers durch rägen abgibtt, da wird sie leichter; item da sich winde ereügen, wird sie leichter; dan die winde sind viventes essentiae so in der Erde generiret werden und wan sie herauß kommen, moviren sie die lufft, durch welche motion sie gehoben oder getragen, consequenter leichter wird, hernach wan diese essentiae gethan waß sie gekont, exspiriren sie und kömbtt der Mercurius wiederumb in vorigen stand.188 Von der Dennemarkischen lufft schraube189 weiß ich nicht. Die Thermometra in ungleiche theile zu theilen, würde caeteris paribus nicht uneben sein, ich habe aber nihmalen groß darauff geachtett, weilen sie auch ob variationem aëreae gravitatis (und also nicht allein wegen der wärme oder kälte) steigen, darauß dan unrichtikeitt erfunden.190 In meinem buche werden sich gar 3 andere arten Thermometrorum finden, darauff zuvor keiner
183 „Glaskörper“ 184 Guericke behandelt die athmosphärische Strahlenbrechung in EN, V, 10: „Die atmosphärische Strahlenbrechung und die daraus folgende scheinbare Orts- und Größenänderung der Gestirne“. 185 Vgl. EN, III, 31 und 33. 186 „Auf die Frage, was doch die höchste und die kleinste Höhe des Quecksilber sind, antworte ich: Sie ist im allgemeinen ...“ 187 Guericke war sich bewusst, dass der Luftdruck auch von der Geländehöhe abhängt (vgl. EN, III, 30): ein Umstand, der ihn hier jedoch offenbar nicht interessiert. 188 „denn die Winde sind lebendige Wesen, die in der Erde erzeugt werden, und wenn sie heraus kommen, bewegen sie die Luft; durch diese Bewegung wird die Luft gehoben oder getragen, folglich wird sie leichter; nachdem diese [lebendigen] Wesen getan haben, was sie tun konnten, verflüchti gen sie sich, und das Quecksilber kommt zurück in seinen vorherigen Stand.“ 189 Worum es sich hierbei handelt, konnte schon von den Editoren des Briefwechsels nicht erschlossen werden. Wir vermögen ebenfalls keine Erklärung zu geben, vgl. A II, 1 (2006), S. 329. 190 Wie diese Stelle – gegen die Annahme von Kant (1987), S. 66 – zeigt, war sich Guericke sehr wohl bewusst, dass sein Thermoskop auf Grund dieses doppelten Einflusses nur bedingt zur Temperaturmessung geeignet war. Eine adäquate Berücksichtigung der verschiendenen Einflüs se auf die Temperaturmessung war jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Guerickes Thermometer gehört zum Typ der Luftthermometer, wie sie in Holland schon seit geraumer Zeit verwendet worden waren. Sie gehen möglicherweise ursprünglich auf eine Erfindung von Cor nelius Drebbel zurück. Siehe zur Geschichte der Thermometerentwicklung: Knowles-Middleton (1966); Borelli (2008).
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gedachtt.191 Der Mond causiret keine schwäre der lufft, sondern Luna und Terra operiren per virtutes192 gegen einander (die kein gewicht haben) wie die Schwäffel kugel augenscheinlich zeigtt. Von uhrsache der määres flutten stehett auch etwaß in meinen Buche193. Also und weil ich hoffe solches mitt göttl. hülffe balde herauß kommen werde, dardurch sich dan auch die quaestiones endern werden, spare es dahin; Daß Privilegium194 machett viel verhinderliches; dan erstlich habe ichs nicht weitter als uff 10 Jhar erlangen können, da doch die andern mehrenteils uff 20 Jhar gegeben werden; Dan muß ich 6 Exemplar geben, welcher wegen ich durch den Agenten Herrn Praunen caution machen lassen; hernach haben sie solche nicht annehmmen sondern die Exemplar zuvor haben wollen; wargegen ich remonstriret waß vor zeitt darüber hingehen würde (dan ausserhalb Leiptziger ostermässe ich die Exemplar nicht zu verschaffen wüste) und waß vor zeitt wiederumb verlauffen würde, ehe daß Privilegium nacher Amsterdam kehme. Also haben sie entlich die Caution angenohmmen; aber, da nuhn daß Privilegium gantz gefärtigtt, hatt sich befunden, daß im context etwaß versehen, daß es muß wieder umbgeschriben werden, darmitt gehett wiederumb einige zeitt wegk.195 Deß erbietens wegen, da ich etwaß bey curiosis zu bestellen hette, bedancke mich gar sehr, weiß vor ietzo eben nichts, allein bitte mich der örter uffs beste zu recommendiren; wan sie erstlich daß Buch werden geläsen haben, so wird es wohl in einem oder andern, weil die materia weithleüfftig, scrupul abgeben, hoffe aber solchen mitt grunde wohl zu begegnen. Die Schwäffel kugel vermeine mitt unsern Buchführer uff die mässe mitt zu schicken.196 ln Publicis197, und daß sich Engeland mitt Franckreich contra Holland, vereinbaren, hergegen Hispanien beständig bey die Unirte provincien stehen will, wird mein hochgeehrter Herr und waß hierunter daß Stifft Collen leidett, besser wissen. In Polen sihett es wieder seltzamb auß, daß theils vermeinen der Armee
191 In EN, III, 37 beschreibt Guericke drei verschiedene Vorrichtungen zur Temperaturmes sung. Die erste Vorrichtung ist das sog. Magdeburger Thermometer, das schon von Schott (1664), S. 871–872 beschrieben wurde. Das zweite Instrument ist gleichsam ein Flüssigkeitsthermometer (mit Weingeist). Die dritte Art beruht auf der Wägung der Luft bei unterschiedlichen Tempera turen. Flüssigkeitsthermometer waren ebenfalls schon längere Zeit bekannt. Von der Accademia del Cimento in Florenz wurden viele derartige Experimente ausgeführt, wodurch Flüssigkeits thermometer allgemein bekannt wurden; vgl. etwa Schott (1657). Siehe hierzu Knowles-Middle ton (1971). 192 „durch ihre Wirkkräfte“ 193 Guericke behandelt die Frage der Gezeiten in EN, V, 5. Siehe hierzu oben, Anm. 156. 194 „Privileg“, d.h. eine Art Patent. 195 Hier geht es um die Probleme bei der Publikation von EN. Siehe Krafft (1969). 196 Hierbei handelt es sich um die für Carcavy bestimmte Schwefelkugel. 197 „Zu den öffentlichen Angelegenheiten“
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confoederation sey gar wieder den König198, welches dem Türcken eine gewündschete sache sein würde, unter welchen wesen Teütschland von beyden seitten gefahr leiden dürffte, Gontt steüre allem Unheil, in welches gnädige vorsorge unß sembtlich ergebe und verbleibe Meines gr. geehrten Herrns stäts willigster Diener Magdeb. den 1 neüen Martii Ao 72.
Otto von Guericke
A Monsieur Monsieur Gotfrido Guilielmo Leibnitio, J.U. Doct. et Conseillier de S.A. Ele de Mayence.199 Abzugeben bey Herren Johann Davidt Zunnern vornehmen Buchhändelern in Franckfurth am Meine. Franco.
[9] Otto von Guericke an Leibniz Magdeburg, 18./28. März 1672.200 Wohl Edler vest. und hochgelarter etc. Insonders großgünst. hoch geehrter Herr etc. Daß derselbe mein antworth schreiben vom 1 Martii styl. nov. wohl empfangen habe, will ich hoffen. Meiner darin gethanen zusage nach, uberschicke die Schwäffel kugel vor den Herrn Carcavium,201 vermuthende daß dieselbe etwa zu gleicher zeitt, mitt meinem Tractatu de Spatio Vacuo, nach Franckfurth kommen werde (den ich alle tage ietzo denselben vom Buchführer zu Amsterdam erwarte) in welchem Tractatu von dieser kugel lib. 4 cap. 15 gehandelt wird. Von neüen weiß ietzo nichts besonders zu mälden weil die Hambürger Post morgen erst ankömbtt. Man sagtt daß der Frantzösische Envoié202, nuhn von
198 Michael I. (Michael Korybut Wiśniowiecki), von 1669 bis 1673 polnischer König. 199 „An Herrn Gottfried Wilhelm Leibniz, Doktor beider Rechte und Berater Ihrer kurfürstlichen Hoheit von Mainz“ 200 A II, 1, N. 104, S. 212–213 (2006: S. 330–331); Krafft (2018), Nr. {220}. Wie aus dem Folgen den hervorgeht, erhielt Guericke auf seinen vorhergehenden Brief (oben, Nr. [8]) offenbar keine Antwort. Leibniz war inzwischen nach Paris abgereist. Bereits Guerickes frühere Briefe enthiel ten Bemerkungen und Einschätzungen zur politischen Lage. Der vorliegende Brief besteht, in Ermangelung einer fachlichen Rückmeldung von Leibniz, nahezu ausschließlich aus solchen Bemerkungen. Die einzige Ausnahme ist Guerickes Hinweis auf den Versand der Schwefelkugel. 201 Die Unterstreichung stammt wahrscheinlich von Leibniz; vgl. A II, 1 (2006), S. 330. 202 Bernard de Guiche Saint-Géran, außerordentlicher Gesandter Frankreichs in Berlin.
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Churbrandenburgk nach Sachsen gegangen sey; waß seine verichtung gewesen sey, ist noch unbekant. Zu Coppenhagen, solle der Frantz. gesante Mons. Trelon hefftig getrohett haben, denen so die Hollendische Partey anträtten würden: Daß der Bischoff203 von Münster keine Frantzosen einnehmmen und die Colnischen erleichtern helffen will, wird von ihnen ungern gesehen. Zu Hamburgk werden vor den Kayser204 mitt offen trommelschlagk, 2 Regiment Dragons geworben. Man kan sich noch in Schweden, wohin es incliniren will, nicht gewisse richten; Nuhn sich Spanien bey Holland behelt, wird es mitt Engeland sich umbkehren, dan der gemeine man die handelungen mitt Spanien nicht entrathen kan. Wan meinem hochgeehrten Herrn belibete mitt meinem Sohne zu Hamburgk, Churfürstl. Brandenb. Rathe und residenten im Niedersachs. kreisse, auch Otto von Guericke genant, zu correspondiren, ist Er willig dazu, Ihme kömmett viel zuer hand, und gehett die Post von Hamburgk uff Franckfurth schnälle. Inß Clefische hatt nuhn der Churfürst auß diesen landen uber 4 Regimenter geschicktt und ligen diese gar nahe an die Cölnische. Der H. Administrator205 zu Magdeburgk will auch lassen 1 Regiment zu Roß und 1 zu Fueß werben, man kan aber nicht wissen voer wehm, oder eigentlich zu welchem ende. Der Churfürst206 von Sachsen ist ietzo zu Leiptzigk, lassett die Bürgerschafft alda munstern. Sonst ist nichts mehres, als Meinen hochgeehrten Herrn in Gottes schutz empfohlen, Derselbe wende auch abe, daß grosse unheil so da scheinett vor zu stehen, und ich verbleibe Meines hochgeehrten Herms willigster Diener Magdebgk den 18/28 Martii Ao 1672.
Otto von Guericke
203 Christoph Bernhard von Galen, von 1650 bis 1678 Bischof von Münster. 204 Leopold I. 205 Herzog August von Sachsen-Weißenfels . 206 Kurfürst Johann Georg II.
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Leibniz für Pierre de Carcavy (?)
Leibniz für Pierre de Carcavy (?) [Juli 1672.] Otto Gerickius Consul Magdeburgensis Tractatum suum de spatio vacuo promisit, multis sane egregiis experimentis refertum. Editus est tandem sub hujus anni initium Amstelodami apud Joh. Jansonium van Waesbergen, et scriptum est mihi Francofurto volumen aliquot exemplarium ab autore mihi missum amicisque distribuendum illic appulisse. Sed quia nondum vidi, ea interim quae de experimentis ratiocinationibusque suis mihi dudum transcripsit dicam. Inscripsit librum De Spatio vacuo, quia ejus ope pleraque naturae phaenomena explicare nititur, et vacuum reapse per artem exhiberi posse credit. Nam ultra experimentum ejus jam divulgatum et ab egregiis viris Boylio primum, deinde Hugenio provectum, quo aerem exhaurit, aliud ab eo sumtum est, cujus ope credit procurasse vacuum summum seu spatium omni aere vacuum, quod ne bullas quidem ullas dare possit; aetherem enim poros penetrantem non admittit, quanquam Vacuum ejus seu Spatium quiddam aetheri simile habere videatur; supponit enim id non esse pure passivum seu receptivum, sed activum, per quod virtutes Mundanae seu viventes (quas vocat) de corpore in corpus licet dissitum, velut per vehiculum quoddam transferantur. Virtutes quas vocat Mundanas sunt impulsiva, conservativa, expulsiva, dirigens, vertens, sonans, calefaciens, lucens. Has virtutes Mundanas experimento demonstrat in Globo suo sulphureo, de quo in adjectis ex ejus libro excerptis fusius dictum est. Pluma quam Globus attrahit repellitque, pura et a partibus grossioribus avulsa esse debet, ut quam minimum gravet. Pluma a globo repulsa in aere libero velut suspensa tenetur globumque circumagentem sequitur, et quia eandem semper faciem globo obvertit, hinc Gerickius explicare conatur Lunae, eandem semper faciem telluri obvertentis, circa tellurem lationem. In literis suis ad me datis annotat: ad experimentum Globi sulphurei sumendum multa cautione opus esse, imo ne omnibus quidem attritionem manu factam succedere, illos praesertim eludi, quibus manus sunt molliores operumque inas-
https://doi.org/10.1515/9783110533927-005
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Leibniz für Pierre de Carcavy (?) [Juli 1672.]1 Otto von Guericke, Magdeburger Konsul, hat eine Abhandlung Über den leeren Raum versprochen, die eine Fülle an herausragenden Experimenten enthält. Sie ist zu Beginn dieses Jahres schließlich bei Joh. Jansonius van Waesbergen in Amsterdam veröffentlicht worden. Man hat mir auch geschrieben, dass vom Autor eine gewisse Menge an Exemplaren, die unter Freunden zu verteilen seien, mir nach Frankfurt gesendet worden und dort angetroffen sei. Da ich das Buch aber noch nicht gesehen habe, kann ich unterdessen das erzählen, was er für mich früher von seinen Experimenten und Überlegungen abgeschrieben hat. Er hat das Buch Über den leeren Raum genannt, weil er damit mehrere Naturphänomene zu erklären bestrebt ist und das Vakuum nach allen Regeln der Kunst wirklich nachweisen zu können glaubt. Denn neben dem von ihm bereits bekanntgegebenen und von herausragenden Männern (zunächst Boyle, dann Huygens) fortentwickelten Experiment, in dem er die Luft aussaugt, hat er ein zweites unternommen, mit dessen Hilfe er das hochgradige Vakuum, d. h. einen von jeglicher Luft entleerten Raum, bei dem sich keinerlei Blasen ergeben können, besorgt zu haben glaubt; denn Äther, der in die Poren eindringt, lässt er nicht zu, obwohl er offenbar sein Vakuum, d. h. einen gewissen, dem Äther ähnlichen Raum, annimmt. Er geht nämlich davon aus, dass das Vakuum nicht rein passiv oder rezeptiv ist, sondern etwas Aktives, durch das – wie durch ein Vehikel – die kosmischen Wirkkräfte oder lebendigen Kräfte, wie er sie nennt, von einem Körper auf einen anderen übertragen werden sollen, obwohl diese Körper getrennt sind. Die Kräfte, die er kosmische Wirkkräfte nennt, sind die Antriebskraft, die Erhaltungskraft, die Abstoßkraft, die Richtkraft, die Drehkraft, die Hallkraft, die Wärmkraft, die Leuchtkraft. Diese kosmischen Wirkkräfte weist er experimentell anhand seiner Schwefelkugel nach, über die in den beiliegenden Auszügen aus seinem Buch mehr zu lesen ist.2 Die von der Schwefelkugel angezogene und zurückgestoßene Feder muss rein und von den gröbsten Teilen getrennt sein, so dass sie so wenig wiegt wie möglich. Die von der Kugel abgestoßene Feder wird in der freien Luft wie hängend gehalten: Sie folgt der Kugel bei deren Umdrehungen, und da sie der Kugel stets dieselbe Seite entgegenhält, so versucht Guericke damit die Bewegung des Mondes um die Erde zu erklären, bei welcher der Mond der Erde stets dieselbe Seite entgegenhält. In seinen an mich gerichteten Briefen bemerkt Guericke, zur Durchführung des Experiments mit der Schwefelkugel sei viel Vorsicht erforderlich, ja es gelinge nicht allen, mit der Hand die [erforderliche] Reibung zu erzeugen; vornehmlich diejenigen, die weichere, nicht an die Arbeit gewohnte Hände hätten, würden
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suetae; necesse est etiam loco minime humido teneri, nec manibus madefac tis attrectari. Rationem parandi globi ait a se quidem in libro tactam, non tamen satis explicatam, promittit tamen mihi descriptionem ejus distinctam. Vim Elasticam explicat per aeris seipsum prementis gravitatem, quae ubi ablata est, aer ab alio aere incumbente antea pressus, se restituit. Habet idem Gerickius Baroscopii quoddam genus sine ullo Mercurio, solo aere adhibito, qui Virunculum quendam, graduum indicem, sustinet: is virunculus tanto magis descendit, quanto aer exterior est levior. Habet et globum diametri duorum circiter pedum, ex duobus hemisphaeriis cupreis sibi impositis constantem, quae etsi nulla re nisi aeris pressione contineantur, non tamen vel a triginta equis divelli possunt, etsi aere immisso sponte dilabantur. Observat etiam Hemisphaeria ejusmodi facilius divelli quando aer est minus gravis, seu quando Virunculus ejus profundius descendit. Observat etiam, quod valde notabile est, aerem esse leviorem tempore ventoso; sustineri enim nonnihil diminuique ejus gravitatem a vento. Liber ipse etsi De Spatio vacuo inscriptus sit, nihilominus de toto Mundi systemate in universum deque principiis rerum tractat. Autor probat motum terrae; ex Planetis credit, quanto quisque minor est, tanto esse Soli propiorem, et maculas proinde esse minimos omnium Planetarum Solique proximos. Aerem nihil aliud esse quam effluvium quoddam, et ut ipse loquitur, odorem terrae. Habet et de causis meteororum experimenta quaedam singularia, quibus ventos pluviasque explicat. Experimentum suum de Vacuo applicat ad duos magni momenti usus; construxit enim ejus ope tum sclopetum ventaneum fortissimum novi generis, quod scilicet aere non ut vulgo compresso et postea exeunte, sed exhausto et postea intrante vim suam exerit; tum vero Machinam cujus ope ingentia pondera subito elevantur.
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hierbei erfolglos bleiben. Man müsse zudem vermeiden, die Kugel in einem feuchten Ort aufzubewahren und mit feuchten Händen zu berühren. Die Methode zur Vorbereitung der Kugel habe er, wie er sagt, in seinem Buch zwar berührt, aber nicht hinreichend erklärt. Er verspricht mir jedoch eine deutliche Beschreibung. Die elastische Kraft erklärt er mit der Schwere der Luft, die auf sich selbst drückt. Sobald diese Schwere aufgehoben worden ist, springt die Luft, die vorher durch andere, darauf liegende Luft gedrückt wurde, zurück. Guericke erwähnt ferner ein besonderes Barometer, das gar nicht auf die Anwendung von Quecksilber zurückgeht, sondern von bloßer Luft, welche ein Männlein als Stufenzeiger trägt. Dieses Männlein steigt umso mehr herab, je leichter die äußere Luft ist. Er erwähnt auch eine Kugel mit einem Durchmesser von etwa zwei Fuß, die aus zwei aneinandergedrückten kupfernen Halbkugeln besteht. Obwohl diese letzteren lediglich durch Luftdruck zusammengehalten werden, lassen sie sich nicht von weniger als dreißig Pferden auseinanderreißen. Wird Luft aber hineingelassen, so gehen sie von selbst auseinander. Guericke stellt ferner fest, dass derartige Halbkugeln sich leichter auseinanderreißen lassen, wenn die Luft weniger wiegt, d. h., wenn sein Männlein tiefer hinabsteigt. Überaus bemerkenswert ist eine weitere Beobachtung: Bei windigem Wetter sei die Luft leichter; sie werde vom Wind nämlich etwas getragen, und ihr Gewicht werde [dadurch] vermindert. Obwohl sein Buch Über den leeren Raum betitelt ist, handelt es nichtsdestoweniger vom Weltsystem im ganzen und von den Prinzipien der Dinge. Der Autor erkennt die Bewegung der Erde an. Von den Planeten glaubt er, dass je kleiner ein jeder ist, desto näher er der Sonne liegt; die Sonnenflecken seien daher die kleinsten Planeten von allen und die, die der Sonne am nächsten liegen. Die Luft sei nichts anderes als eine gewisse Ausdünstung und – wie er sagt – ein Duft der Erde. Er erwähnt auch einige bemerkenswerte Experimente über die Ursachen der Wetterphänomene. Mit deren Hilfe erklärt er Winde und Regenfall. Sein Experiment über das Vakuum nutzt er für zwei praktische Anwendungen von großer Bedeutung. Denn mit dessen Hilfe hat er zum einen eine mächtige neuartige Windbüchse gebaut, deren Kraft nicht (wie gewöhnlich) von gedrückter, dann herausfließender Luft herrührt, sondern von herausgepumpter Luft, die dann wieder hineinfließt; zum anderen hat er eine Maschine gebaut, mit deren Hilfe sich gewaltige Gewichte sofort heben lassen.
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Anmerkungen zur deutschen Übersetzung 1 Dieses Briefkonzept ist im Original in A II, 1, N. 108 abgedruckt. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die dort angegebenen Erläuterungen. Ob dieser Brief tatsächlich für Carcavy bestimmt war, ist unsicher. Die Annahme beruht darauf, dass Guericke mit seinem Brief vom 28.03.1672 (oben, Brief Nr. [9]; Krafft (2018), Nr. {220}) eine für Carcavy bestimmte Schwefelkugel übersandte und dass hierauf die von Leibniz im vorliegenden Brief formulierten Erläuterungen Bezug nehmen. Den Brief mit der Schwefelkugel hat Leibniz jedoch nicht mehr erhalten, da er inzwischen nach Paris abgereist war. Wie aus dem Text hervorgeht, wurde er jedoch darüber unterrichtet, dass in Frankfurt inzwischen eine Buchsendung für ihn eingegangen war. Schneider (1991b) lässt sich entnehmen, dass die EN am 15. April vom Autor versandt wurden (siehe für weitere Sendungen: Krafft (2018), Nr. 290 und Nr. 291). In Johann Christian Boineburgs Brief an Leibniz vom 06.06.1672 (A I, 1, N. 185, S. 276, Z. 35) wird die Büchersendung noch nicht erwähnt, so dass diese Nachricht erst danach bei ihm eingegangen sein muss. Ein Brief, der dies belegt, existiert jedoch nicht. Christiaan Huygens veröffentlicht am 25.07.1672 im Journal des Sçavans (S. 133–140) unter dem Titel „Extrait d’une lettre de M. Hugens de l’Academie Royale des Sciences à l’Auteur de ce Journal, touchant les phenomenes de l’Eau purgée d’air“ Experimente mit der Luftpumpe, über die Leibniz Aufzeichnungen verfasst hat (vgl. A VIII, 1, N. 39). Huygens Experimente werden hier jedoch nicht erwähnt, was in diesem Zusammenhang wohl zu erwarten wäre. Es kann daher angenommen werden, dass der Briefentwurf vorher entstanden ist. 2 Die hier genannten Auszüge aus seinem Buch hat Guericke am 13.10.1671 an Leibniz geschickt (vgl. oben, Briefe Nr. [5] und [6]). Die Auszüge befinden sich immer noch im Leibniz-Nachlass unter der Signatur: Hannover, GWLB, LBr 341, Bl. 16–17.
Übersicht zu den von Leibniz exzerpierten Kapiteln aus Guerickes Experimenta nova1 Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über den leeren Raum I. Buch Die Welt und ihr Bau nach den hauptsächlichen Lehrmeinungen der Naturforscher Kap. 1: Was die Welt ist, und was man gemeinhin unter dem Namen Welt versteht Kap. 2: Die Bewegung der Gestirne, und zwar die der Wandelsterne oder Planeten wie die der feststehenden oder Fixsterne Kap. 3: Die beiden Weltbilder des Altertums, die sich auf die Voraussetzung eines Ruhens bzw. einer Bewegung der Erde gründen Kap. 4: Enthält eine kurze Darstellung des Weltbildes nach Ptolemäus, der die Erde als ruhend betrachtet Kap. 5: Das pythagoreische Weltbild nach Kopernikus, worin die Sonne in den Mittelpunkt dieser Welt versetzt wird Kap. 6: Die tägliche und jährliche Bewegung der Erde nach Kopernikus Kap. 7: Enthält Einwürfe von Astronomen und Physikern gegen das kopernikanische Weltbild Kap. 8: Enthält Einwürfe, die unter Berufung auf die Heilige Schrift gegen das kopernikanische Weltbild vorgebracht werden, und ihre Widerlegung Kap. 9: Das Weltbild nach Tycho Brahe, dem dänischen Adligen. Darin wird die Erde in den Mittelpunkt der Welt gesetzt, die Sonne aber in die Mitte der Planeten, die (mit Ausnahme des Mondes) von ihr mitgeführt werden Kap. 10: Ein anderes Weltbild, in dem die Erde in die Mitte der Welt gesetzt und ihr eine Umdrehung um ihre eigene Achse innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden beigelegt wird Kap. 11: Das verbesserte und vervollkommnete kopernikanische Weltbild Kap. 12: Die Sonne Kap. 13: Die Sonnenflecke Kap. 14: Merkur
1 Das folgende Inhaltsverzeichnis der EN beruht auf der Übersetzung in Versuche1 bzw. Versuche2. Die von Leibniz exzerpierten Kapitel sind durch Fettdruck der Kapitelnummer gekennzeichnet. https://doi.org/10.1515/9783110533927-006
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Kap. 15: Venus Kap. 16: Erde und Mond Kap. 17: Mars Kap. 18: Jupiter Kap. 19: Saturn sowie die Planeten im allgemeinen Kap. 20: Sternentfernungen im allgemeinen Kap. 21: Entfernung des Mondes von der Erde Kap. 22: Größe des Mondes Kap. 23: Entfernung der Sonne von der Erde Kap. 24: Größe der Sonne Kap. 25: Entfernungen der Planeten von der Erde und ihre Größe Kap. 26: Höhe oder Erdabstand der Fixsterne nach ptolemäischer und scholastischer Lehre Kap. 27: Höhe oder Erdabstand der Fixsterne nach tychonischer Lehre Kap. 28: Entfernung der Fixsterne gemäß der pythagoreischen und kopernikanischen Lehre, wonach die Sonne in der Weltmitte steht Kap. 29: Zahl der Fixsterne und ihre in diesem Jahrhundert durch Fernrohrbeobachtungen festgestellte unzählbare Menge Kap. 30: Größe der Fixsterne Kap. 31: Der Himmel oder auch die Himmel sowie der Äther und Himmelsstoff Kap. 32: Die Himmelsfeste und die über ihr befindlichen Wasser nach der Heiligen Schrift: Kap. 33: Der Glasthimmel Kap. 34: Gibt es außer dieser Welt noch andere oder viele; oder gibt es sie in endlicher Anzahl oder sind es unzählige? Kap. 35: Der nur gedachte Raum außerhalb der Welt Schlusswort zum 1. Buche
II. Buch Der leere Raum Kap. 1: Was den Autor zur Untersuchung des Leeren bewogen hat Kap. 2: Ort und Zeit Kap. 3: Das Leere Kap. 4: Der Raum Kap. 5: Der Zwischenraum zwischen den Weltkörpern oder der sogenannte Himmel Kap. 6: Ist der Raum oder das Allbehältnis jeglichen Dinges begrenzt oder unbegrenzt?
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Kap. 7: Vom Seienden und vom sogenannten Nichtseienden Kap. 8: Ob der Raum oder das Allbehältnis jeglichen Dinges etwas Erschaffenes oder etwas Unerschaffenes ist Kap. 9: Das Unendliche, das Unermeßliche, das Ewige Kap. 10: Die Zahl Kap. 11: Der als Sitz der Seligen bezeichnete Himmel Kap. 12: Größtes und Kleinstes
III. Buch Eigene Versuche Kap. 1: Ursprung, Wesen und Eigenschaften der Luft Kap.2: Erster Versuch zur Erzeugung der Leere durch Auspumpen von Wasser Kap. 3: Zweiter Versuch, eine Leere durch Auspumpen von Luft zu erzeugen Kap. 4: Einrichtung eines Sondergeräts zur Herstellung einer Luftleere Kap. 5: Dritter Versuch zum Nachweis der Leere Kap. 6: Vierter Versuch: Erzeugung einer Leere durch Herauspumpen des Wassers aus einem Glasgefäß Kap. 7: Fünftes, genaueres Verfahren zur Erzeugung eines leeren Raumes Kap. 8: Sechster Versuch: Herstellung einer hochgradigen Leere Kap. 9: Gibt es in der Natur eine Leerheit oder nicht? Kap. 10: Versuche über Ruch und Gärung Kap. 11: Versuch, mittels dessen Wolken, Wind und Regenbogenfarben in Glasgefäßen erzeugt werden können Kap. 12: Feuer im leeren Raum Kap. 13: Versuch über das Verzehren der Luft durch Feuer Kap. 14: Licht in der Luftleere Kap. 15: Schall in der Luftleere Kap. 16: Versuche mit Tieren im luftleeren Raum Kap. 17: Einrichtung eines hydraulisch-pneumatischen Gerätes, das nicht nur Gelegenheit zu vielen Entdeckungen bietet, sondern auch im Studierzimmer zur geistigen Erquickung aufgestellt werden kann Kap. 18: Gebrauch und Verrichtungen des vorbemeldeten Geräts Kap. 19: Eine gelegentlich der Benutzung dieses Gerätes gemachte neue Entdeckung, die die Schwere der Luft über der Erde kennen lehrt Kap. 20: Andere dergleichen Versuche, durch die der Luftdruck und der Grenzwert der Scheu vor dem Leeren nachgewiesen werden Kap. 21: Wägung der Luft Kap. 22: Bestimmung der Schwere einer Luftsäule von beliebigem Querschnitt
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Kap. 23: Versuch, der zeigt, wie infolge des Luftdrucks zwei Halbkugeln so fest aneinanderhaften, daß sie von 16 Pferden nicht auseinandergerissen werden können Kap. 24: Ein weiterer derartiger Versuch, bei dem die Halbkugeln zwar nicht von 24 Pferden, wohl aber durch einen Lufthauch getrennt werden können Kap. 25: Anderer Versuch, wobei die erwähnten Schalen oder Halbkugeln durch Gewichtsbelastung voneinander getrennt werden Kap. 26: Ein fernerer Versuch, was sich mittels des Luftdrucks bewerkstelligen läßt, wobei sie nämlich alle Gefäße eindrückt und zertrümmert Kap. 27: Ein Glasgefäß, das über 20 oder 50 oder noch mehr starke Männer an sich zu ziehen vermag Kap. 28: Versuch, ein ungeheures Gewicht zu heben Kap. 29: Versuche mit einer neuen und bisher ungebräuchlichen Windbüchse Kap. 30: Versuche, welche die Änderung des Luftdrucks im Verhältnis zur Höhe zeigen Kap. 31: Versuche über die zeitlichen Schwankungen des Luftdrucks Kap. 32: Ursache des Saugens Kap. 33: Versuche über Verdünnung und Verdichtung oder Zusammenpressung der Luft Kap. 34: Versuch zum Nachweis der Leere mittels Quecksilbers, das in einer oben geschlossenen Glasröhre herabsinkt Kap. 35: Die üblichen Einwände gegen das Vorhandensein einer Leere und ihre Widerlegung Kap. 36: Beurteilung der Magdeburger Versuche seitens der hochwürdigen Patres Kircher und Zucchi in Rom und des Paters Cornäus, Professors an der Universität Würzburg Kap. 37: Das neue sogenannte Magdeburger Thermometer
IV. Buch Die kosmischen Wirkkräfte und was von Ihnen abhängt Kap. 1: Kosmische Wirkkräfte im allgemeinen Kap. 2: Die unkörperliche Erdwirkkraft, die man als Antrieb bezeichnet Kap. 3: Wesen und Eigenschaften des Antriebs Kap. 4: Versuch mit einer im Wasser frei schwebenden Kugel Kap. 5: Erhaltungskraft der Erde Kap. 6: Abstoßungskraft der Erde Kap. 7: Richtkraft der Erde Kap. 8: Unterschied zwischen Erhaltungs- und Richtkraft der Erde
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Kap. 9: Drehkraft Kap. 10: Hall- und Widerhallkraft Kap. 11: Wärmkraft Kap. 12: Leucht- und Farbgebungskraft Kap. 13: Wesen und Eigenschaften des Sehens Kap. 14: Verschiedenheit des Aussehens von weit und nicht weit entfernten Gestirnen Kap. 14: Versuch, mittels dessen die wichtigsten der hier aufgezählten Wirkkräfte durch Reibung an einer Schwefelkugel hervorgerufen werden können Kap. 15: Sonstige körperliche und unkörperliche Wirkkräfte
V. Buch Der Erdwasserball und sein Begleiter, der Mond Kap. 1: Die Erdwasserkugel oder die Erde und ihre Größe Kap. 2: Unsere Erdkugel im Vergleich zur Größe unseres Sonnensystems Kap. 3: Die Erdkugel ist außen wie innen von unendlicher Mannigfaltigkeit Kap. 4: Die Erdseele Kap. 5: Das Meer und seine Gezeiten Kap. 6: Die Lufthülle der Erde und das vermeintliche Elementarfeuer Kap. 7: Höhe der Lufthülle Kap. 8: Eine Beobachtung, die David Frölich auf Berghöhen der Karpathen in Ungarn machte und die anscheinend ein Urteil über die Höhe der wahrnehmbaren Luftsäule und ihre Schichtung gestattet Kap. 9: Die Schichtung der Atmosphäre Kap. 10: Die atmosphärische Strahlenbrechung und die daraus folgende scheinbare Orts- und Größenänderung der Gestirne Kap. 11: Exzentrizität der Sonne und des Mondes Kap. 12: Bewegung oder Kreisung der Lufthülle Kap. 13: Der Erdball ruht nicht in der Luft Kap. 14: Der Erdball befindet sich nicht im Mittelpunkt des Alls Kap. 15: Eigenbewegung der Erde Kap. 16: Mitführung der Erde Kap. 17: Der Mond Kap. 18: Aussehen des Mondes und seine Flecken Kap. 19: Die Mitführung des Mondes Kap. 20: Eigenbewegung des Mondes Kap. 21: Der Mond verbunden und verglichen mit unserer Erdkugel Kap. 22: Entfernung und Größe des Mondes
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Kap. 23: Gibt es auf dem Mond Lebewesen? Kap. 24: Von den Finsternissen Kap. 25: Untergang der Erde Anhang: Von den Kometen
VI. Buch Unser Sonnensystem Kap. 1: Die Welt: was gewöhnlich und was in dieser Abhandlung damit gemeint ist Kap. 2: Inwiefern unsere Welt eine Einheit bildet und daher als eine einheitliche Welt zu bezeichnen ist Kap. 3: Mitführungsbewegung unserer Sonnenwelt Kap. 4: Eigenbewegung der Welt nach scholastischer Lehre Kap. 5: Eigenbewegung der Welt nach tychonischer Lehre Kap. 6: Eigenbewegung des Planetensystems nach Anschauung des Verfassers und in manchen Punkten auch einiger anderer Kap. 7: Die Weltkörper Kap. 8: Die Sonne Kap. 9: Entfernung und Größe der Sonne Kap. 10: Wandelsterne oder Planeten Kap. 11: Mitführung der Planeten Kap. 12: Achsendrehung der Planeten Kap. 13: Entfernungen der Planeten Kap. 14: Größe der Planeten Kap. 15: Gibt es Lebewesen auf den Planeten? Kap. 16: Der wahre Bau unserer Welt Kap. 17: Begrenzung unserer Planetenwelt
VII. Buch Die Fixsternwelt und ihre Grenze Kap. 1: Entfernung der Fixsterne von unserer Erde oder vielmehr von der Sonne Kap. 2: Größe und Zahl der Sterne Kap. 3: Von den Fixsternen und was sie eigentlich sind Kap. 4: Pater Kirchers Anschauungen betreffs der Fixsterne nebst unseren Anmerkungen Kap. 5: Grenze oder äußerstes Ende der Fixsternwelt
Abb. 2: EN, Titelkupfer
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Leibniz’ Exzerpt aus den Experimenta Nova Otto von Guerickes
Leibniz’ Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova {245} [95v] Schottus Experimenta Magdeburgica bis descripsit: primum in arte Hydraulico-pneumatica, deinde in Technica. Otto Gerickii Experimenta nova ut vocantur Magdeburgica de spatio vacuo Amst. ap. Joh. Janson de Waesberge 1672. fol.
{Excerpta ex libro primo}a {246} Gerick. lib. 1. c. 19. citat Hevelii diss. de nativa Saturni facie ejusque variis phasibus certa periodo redeuntibus, et Christ. Hugenii lib. pecul. 1659 de Syste mate Saturnio. Hevelii liber, ni fallor, fuit prior, et Hugenio facem alluxit. C. 35. refert Lessium perfect. divin. lib. 2. cap. 2. statuentem spatium infinitum imaginarium esse ipsum DEUM (+ Timplerus quoque DEUM esse locum coeli +), et ipse cap. 6. lib. 2. idem innuere videtur Gerickius, etsi enuntiare satis clare non audeat, et clarius cap. 9. spatium rerum esse ipsam divinam essentiam tam intra quam extra Mundum.
a {Excerpta ex libro primo} fehlt in LH u. A https://doi.org/10.1515/9783110533927-007
Leibniz’ Exzerpt aus den Experimenta Nova Otto von Guerickes
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Leibniz’ Exzerpte aus Guerickes Experimenta nova Schott2 beschreibt die Magdeburger Versuche zweimal: zunächst in seiner Mechanica hydraulico-pneumatica,3 dann in seiner Technica curiosa.4 Otto von Guericke, Experimenta nova (ut vocantur) Magdeburgica de vacuo spatio, Amsterdam, bei Jan Janson van Waesberge, 1672. Foliant.
Aus Buch I1 Guericke, Buch I, Kap. 19, zitiert Hevelius’ Abhandlung De nativa Saturni facie ejusque variis phasibus certa periodo redeuntibus5 sowie Christiaan Huygens’ bemerkenswertes Buch über das Systema Saturnium aus dem Jahr 1659.6 Hevelius’ Buch ist, wenn ich mich nicht irre, früher erschienen und hat Huygens den Weg gezeigt.7 Kap. 35.8 [Guericke] bezieht sich auf Lessius9, De perfectionibus divinis, Buch II, Kap. 2.10 Dort behaupte Lessius, der unendliche imaginäre Raum sei Gott selbst. (+ Auch Timpler11 meint, Gott sei der Ort des Himmels. +) Guericke selbst scheint in Buch II, Kap. 6 dasselbe anzudeuten, obwohl er keine hinreichend deutliche Aussage wagt. Deutlicher sagt er in [Buch II,] Kap. 9, der die Dinge umfassende Raum sei die göttliche Essenz selbst, [die] sowohl innerhalb als auch außerhalb der Welt [anzutreffen sei].12
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{Excerpta ex libro secundo}a Lib. 2. c. 10. Per interrogationem simulque sponsionem detuli 100 thaleros cuidam Arithmetico excellenti pro labore ejus, si intra destinatum tempus, quartam scilicet anni partem, quo inter nos conventum fuerat, computare posset summam Numeri 2 vicies quadratice in se ducti. Ille promittebat, deponens 10 imperiales, et quidem non intra anni quadrantem sed unum mensem se praestiturum illud et productum propositi exempli elapso tempore in praesentia eorum qui tunc aderant adhibere, non cogitans ob emergentem characterum multitudinem id opus nullius esse mortalis, ut sequitur in operatione: – 2 semel in se ducta faciunt 4 – 2 bis (id est 4) in se ducta faciunt 16 – 2 ter in se ducta (id est 2 x 2 = 4 x 4 = 16 x 16 = 256) – 2 quater (id est 256) in se ducta faciunt 65536. – 2 quinquies in se ducta faciunt 4294967 296 – 2 sexies in se ducta faciunt 18446744073 709551616; etc. Ex his videmus tali modo, si semper productus rursus in se ducatur et ita procedatur vicies, duplum fere semper oriri numerum characterum. Ergo in septima multiplicatione fierent cyphrae 40, in octava 80, in vigesima Zyphrae nimirum 327680. Quis haec umquam multiplicet, ne dicam addat? Et in ultima operatione {247} vigesima, volens 327680b in se ducere, opus haberet 26843000,00,0 Ziphris, cum tot literas 1242 volumina corporis juris non contineant; si enim corpus juris cum notis {Gothofredi}c contineat 1000 folia, folium 4 columnas, columna 90 lineas, linea 60 literas, fient 21600000 literae quae in 26.843.000.000 Ziphris continentur 1242 vicibus. Et unde sumetur papyri folium in cujus superficie fiat calculus? Et quantus revera iste cumulus rerum numeratarum, si 53 Ziphrae Clavii, calculo Archimedeum continuante, majorem comprehendunt numerum, quam qui contineri possit orbe terrarum, supposito Ptolemaico systemate? Quid ergo hic numerus qui nec scribi potest (+ cum tamen possit uno verbo enuntiari +), vigesimum quadrato quadratum de 2?
a {Excerpta ex libro secundo} fehlt in LH u. A b 327680 LH u. A // 163840 EN, 68a c {Gothofredi} EN, 68a // Gothofredis LH u. A
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Aus Buch II13 Buch II, Kap. 10.14 Bei einer Wette gewann ich von einem sehr tüchtigen Rechenmeister 100 Taler, die dieser erhalten sollte, falls er innerhalb einer bestimmten, zwischen uns verabredeten Zeitspanne (nämlich in einem Vierteljahr) den Endwert der Zahl 2, zwanzigmal jeweils in die zweite Potenz erhoben, ausrechnen würde. [...] Dieser Mann setzte 10 Imperials dagegen und versprach sogar, nicht erst innerhalb eines Vierteljahres, sondern binnen einem Monat die geforderte Leistung zu vollbringen und das Ergebnis der gestellten Aufgabe nach Ablauf der Frist in Gegenwart der damals Anwesenden bekanntzugeben. Er bedachte hierbei nicht, dass infolge der ständig zunehmenden Stellenzahl kein Mensch dazu imstande sei, wie aus folgender Rechnung hervorgeht: – 2, einmal ins Quadrat erhoben, ergibt 4; – 2, zweimal (d. h. 4) ins Quadrat erhoben, ergibt 16; – 2, dreimal ins Quadrat erhoben (d. h. 2 x 2 = 4 x 4 = 16 x 16 = 256); – 2, viermal (d. h. 256) ins Quadrat erhoben, ergibt 65.536; – 2, fünfmal ins Quadrat erhoben, ergibt 4.294.967.296; – 2, sechsmal ins Quadrat erhoben, ergibt 18.446.744.073.709.551.616 usw. Daraus wird ersichtlich: Wenn in dieser Weise das Produkt jedes Mal mit sich selbst vervielfältigt wird, und zwar zwanzig Mal, verdoppelt sich jedes Mal die Stellenzahl. Bei der siebten Vervielfältigung hätte man daher [als Ergebnis eine Zahl aus] 40 Ziffern; bei der achten [eine Zahl aus] 80 [Ziffern]; bei der zwanzigsten freilich [eine Zahl aus] 327.680 Ziffern. Wer könnte denn jemals das multiplizieren, um nicht zu sagen, addieren? Bei der letzten, zwanzigsten Operation, bei der man beabsichtigen würde, [eine Zahl aus] 327.680 [Ziffern] mit sich zu vervielfältigen, würde man 26.843.000.000 Ziffern benötigen, wobei 1.242 Bände des Corpus Juris nicht so viele Buchstaben enthalten. Wenn die Ausgabe des Corpus Juris mit den Glossen von Gothofredus15 nämlich 1.000 Blatt umfasst, ein Blatt 4 Spalten, eine Spalte 90 Zeilen, eine Zeile 60 Buchstaben, dann ergeben sich daraus 21.600.000 Buchstaben, die 1.242 Mal in 26.843.000.000 Ziffern enthalten sind. Und woher sollte man denn ein Papierblatt nehmen, das groß genug wäre, um diese Berechnung auszuführen? Und wie groß [sollte] eigentlich dieser Haufen gezählter Dinge [sein], wenn nach Clavius’16 Berechnung, welche die Archimedische fortsetzt, [bereits] 53 Ziffern eine größere Zahl umfassen als die [Zahl aller Sandkörner], die in der Welt – unter Annahme des ptolemäischen Systems – enthalten sein können? Was [sollte] also diese Zahl [sein], die sich nicht einmal schreiben lässt (+ obschon sie sich mit einem einzigen Wort ausdrücken lässt +), [nämlich] das Quadrat aus 2, zwanzig Mal in die zweite Potenz erhoben?
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{Excerpta ex libro tertio}a Gerick. lib. 3. (+ de propriis experimentis +) cap. 1. hyeme tempore valde frigido quando aer scintillulis instar atomorum quasi scintillat, id fit ab aqua illa tenui in aere dispersa ac pendula, quae tunc congelatur ac separatur ab aere. Gerick. lib. 3. cap. 1. Aer totus premit, ut aqua 20 ulnas Magdeburgenses alta. Quando cecidere pluviae, fit levior. Cap. 2. Aquam dolio minori, posito in alio aqua pleno, ope syringis extraxit, aqua ut locum impleret, ex dolio majore, per lignum minoris intravit. Cap. 7. Gerickius observat aquam in exhaustum vitrum violenter intrantem sonitum effecisse materiae durae, ut saxi, et ipsum vitrum fregisse. Item si vitrum aqua semiplenum spatio residuo {aere}b exhausto concutiatur vehementer, aquam sese in semet ipsa dilatare, spatiumque vacuum in ipsa aqua oriri et illico cum fragore, quasi duo asserculi ad invicem conquassarentur, aequaliter concurrere, semper autem in ipso concursu bullulam parvam in medio aquae nasci, cum {248} antea momento separationis necesse fuerit spatium esse vacuum. Idem repetit cap. 8. pag. 82. Omni aquae allisione bullulam {aeris}c ex ea gigni.
Abb. 3a: LH XXXV 14, 2, Bl. 95v, Ausschn.
Cap. 8. Vacuum Summum. Ex vase a aqua repleto ad b, in quam discendit Tubulus longus, sed tenuis cd aqua plenus, aerem extrahit per ef, orificio f intrans in re-
a {Excerpta ex libro tertio} fehlt in LH u. A b {aere} EN, 79b // aqua LH u. A c {aeris} EN, 80a // aquae LH u. A
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Aus Buch III17 Guericke, Buch III (+ über die eigenen Versuche +), Kap. 1: Wenn im Winter bei strenger Kälte die Luft durch atomartige18 Funken gleichsam glitzert, rührt dies von den in der Luft verteilten und schwebenden, zarten Wasserdünsten her, die dann gefrieren und sich von der Luft scheiden. Guericke, Buch III, Kap. 1:19 Die ganze Luft lastet wie eine 20 Magdeburger Ellen20 hohe Wassersäule. Nach Regenfällen wird sie leichter. Kap. 2: [Guericke] hat aus einem kleineren Fass, das in einem größeren, mit Wasser gefüllten [Fass] lag, Wasser mit Hilfe einer Spritze herausgezapft. Aus dem größeren Fass drang Wasser durch die Holzwände des kleineren [Fasses] hinein, um den [leer werdenden] Ort zu füllen. Kap. 721 Guericke bemerkt: Gewaltsam in ein luftentleertes Glas hineindringendes Wasser habe ein Geräusch von harter Materie (wie Stein) hervorgebracht und das Glas selbst zerbrochen. Ferner: Wenn ein mit Wasser halbgefülltes Glas, in dem der übrige Raum luftentleert sei, heftig geschüttelt werde, spalte sich das Wasser in sich selbst, und ein leerer Raum entstehe in der Mitte; dort pralle [das in sich gespaltene Wasser] gleichförmig aufeinander mit einem Geräusch wie zwei aufeinander geschlagene Latten;22 beim Zusammenstoß aber bilde sich stets eine kleine Blase in der Mitte des Wassers, da es zuvor, im Augenblick der Teilung, einen leeren Raum gegeben haben müsse. Dasselbe wiederholt [Guericke] in Kap. 8, S. 82. Bei jedem Aufeinanderprallen des Wassers entstehe daraus eine kleine Luftblase.
Abb. 3b: A VIII, 1, S. 248, Fig. 123
Kap. 8.24 Das höchste25 Vakuum. Aus einem bis zur [Linie] b mit Wasser gefüllten Gefäß a, in dem ein mit Wasser gefülltes, langes und dünnes Röhrchen cd bis ins Wasser hinabreicht, pumpt [Guericke] durch [die Röhre] ef, die mit der Öffnung f
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cipiens Magdeburgicum. Ita enim continuis suctionibus non aqua, sed aer omnis in ea resuctus exit, et aqua penitus descendit ex cd usque ad horizontem altitudinis aquae circumfusae b. Ita semper vacuum demonstrari potest, inversa machinula, ut cd impleatur aqua, et iterum erecta, ut tota aqua ex ea exeat. Et vero subinde bullae oriebantur, sed {eae}a inverso tubo statim versus ef {tendebant}.b Et ait semper novas generatas successu temporis ejusmodi bullas nisi magnitudine circiter, eversione Tubi cd expellendas. (+ Hinc contra ipsum probatur nunquam intus ostendi posse verum vacuum. Hinc aquam aere perfecte {249} purgare difficile: at contra Boylius et Hugenius, purgare se ajunt posse, at non diu. +) Si Machinula impleatur cerevisia, ad dimidiam scilicet partem, ut ante factum erat aqua, et postea extrahatur, tunc tota Cerevisia in spumam redigitur seque ita elevat, ut partim in siphonem e ascendat. Si subito aperiatur aditus aeri externo, tunc is tanta vi aquam ascendere facit in cd, ut pars e vi avellatur. Etiam machinula lente inflectenda est, ut aqua in cd intret, alioquin tanto impetu illabitur, ut duritiem lapidis referat, quo Tubi vitrei franguntur et tunc externus aer, per c irrumpens in a, ipsum quoque disrumpet. NBc Cavendum quoque ne nimis vibretur machinula; frangitur enim. Notatu hoc loco dignum est, quod aqua e fistula minori cd (quando scilicet machinula per aliquot tempus inversa, ac sic fistula aqua repleta steterit, posteaque erigitur) non descendat, etiam si fistula 100 credo ulnas alta esset. Ratio haec est quod aqua in se ita consolidatur et conjungitur, ut nullo in loco velit initium sese disjungendi vel rumpendi sumere, nisi machinula illidatur ad mensam vel pavimentum; tunc ob violentiam et quidem cum fragore rumpit aliquo loco incerto, quamvis cum maximo fistulae periculo. Idem facit {Hydrargyrum}d bene lavatum, nec hoc in passu quicquam facit aerei cylindri gravitas. Sicut autem cum tempore hi liquores ita consolidantur, ut absque violentia diruptionem non patiantur, tamen fallit quando fistula plena per unum alterumve diem conservatur erecta (omnes enim liquores praesertim quando pendent, uti hoc modo aqua in fistula effluvium quoddam aereum emittunt, quod cum tempore in Tubi apice con-
a {eae} LH // e A b {tendebant} LH // tenebant A c NB am Seitenrand in LH d {Hydrargyrum} Quecksilbersymbol in LH u. A
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in einen Magdeburger Behälter26 hineindringt, Luft heraus. Denn so fließt aufgrund stetigen Saugens kein Wasser heraus, sondern die ganze in ihm [= Wasser] vorhandene Luft wird ausgesaugt. Wasser fließt aus cd durchaus hinab, bis das umgebende Wasser die Höhe b erreicht. So kann man stets das Vakuum nachweisen, indem man das Versuchsgerät (1) so umdreht, dass cd sich mit Wasser füllt, (2) wieder so aufrecht stellt, dass sämtliches Wasser aus ihm27 herausfließt. Nach und nach entstanden doch Blasen, die aber bei umgedrehter Röhre sofort zu ef hin zogen. [Guericke] sagt ferner, immer neue Blasen ungefähr dieser Art (bis auf die Größe) seien im Laufe der Zeit entstanden [und] hätten durch Umdrehung der Röhre cd herausgelassen werden müssen. (+ Daher lässt sich gegen ihn selbst erweisen, dass wahres Vakuum sich nie im Inneren zeigen lässt. Daher ist es schwierig, Wasser von Luft vollkommen zu bereinigen. Boyle28 und Huygens29 halten jedoch entgegen, sie seien imstande, Wasser [von Luft] zu bereinigen, nicht aber für lange Zeit. +)30 Wenn das Versuchsgerät bis zur Hälfte mit Bier gefüllt (wie früher mit Wasser) und dann die Luft ausgepumpt wird, verwandelt sich das ganze Bier in Schaum und steigt so stark hoch, dass es teilweise in die Heberleitung e übertritt. Wenn äußere Luft plötzlich hineingelassen wird, dann zwingt diese mit so großer Kraft das Wasser dazu, in cd hochzusteigen, dass der Teil e gewaltsam entrissen wird. Auch muss man das Versuchsgerät allmählich neigen, damit das Wasser [allmählich] in cd einfließt; sonst würde das Wasser mit so viel Drang hereinbrechen, dass es der Härte eines Steins gleichen würde, wodurch die Glasröhren zerbrechen müssten. Dann würde die Außenluft durch c in a hineinstürzen und auch dieses letztere zerschlagen. (Wohlgemerkt:) Man muss sich auch hüten, das Versuchsgerät allzu heftig zu schütteln, sonst zerbricht es. Es ist an dieser Stelle bemerkenswert, dass das Wasser in der engeren Röhre cd (nachdem das Versuchsgerät zunächst eine Zeitlang umgekehrt gelegen hat – so dass die mit Wasser gefüllte Röhre [cd] gestanden hat – und dann wieder aufgerichtet worden ist) nicht herabsinkt, selbst wenn die Röhre, glaube ich, 100 Ellen lang wäre. Der Grund dafür ist, dass das Wasser so fest und zusammenhängend in sich wird, dass eine Teilung oder Zerreißung an keiner Stelle von selbst einsetzt, es sei denn, man stößt das Gerät heftig auf den Tisch oder Fußboden auf. Dann reißt es infolge der starken Erschütterung geräuschvoll an irgendeiner beliebigen Stelle, wobei aber die Röhre am meisten gefährdet wird. Ebenso verhält es sich mit gut gereinigtem Quecksilber, ohne dass dabei der Luftdruck etwas ausmacht. [...] Aber obwohl diese Flüssigkeiten mit der Zeit so fest werden, dass ein Abreißen nur gewaltsam hervorgerufen werden kann, tritt dies dennoch nicht ein, wenn man die gefüllte Röhre ein paar Tage lang aufrecht stehen lässt. (Alle Flüssigkeiten geben nämlich, wenn sie sich in der Schwebe befinden, wie in unserem Falle das Wasser in der Röhre, etwas Luftartiges ab, das sich allmählich im oberen Teile der Röhre ansammelt und eine Trennung oder Ablösung der Teilchen, d. h. der des Glases und der Flüssigkeiten,
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globatur et discrimen vel separationem partium vitri scilicet et liquorum causatur) namque tunc aqua communiter insperato invenitur delapsa. {252} [94r] Gerick. lib. 3. cap. 10. Immitte frustum auri, argenti, argenti vivi vel cujusvis metalli aut alterius rei in aliquod vas aqua quodammodo repletum et videbis illud, imo vitrum ipsum paulo post, innumeris bullulis undi{253}quaque adhaerentibus adhaerere, easque paulatim ad aquae superficiem ascendere, ubi disrumpuntur et se cum aere conjungunt. Aer omnis est rerum odor seu effluvium. Sed aerem communem non odoramus quia ei assuevimus. Res putrescentes majorem emittunt odorem. Omnis terra putrida sub aquis stagnis et paludibus semper multas emittit bullas. Quod videre est quando hasta vel pertica in fundum impingitur. Unde in omni etiam glacie plures inveniuntur bullae, quae ex eadem causa oriuntur; nam quando ascendunt, tunc congelant una simul ac proinde glaciem aqua leviorem reddunt. Eadem quoque de causa ascendunt corpora vel cadavera mortua aquis suffocata; nam quando post aliquot dies putrescere incipiunt, tunc novus ille generatus odor seu aer corpora distendit levioraque facit, consequenter denique supernatare cogit. Haec cum percepissem periculum feci, parvamque immisi carpam mortuam in vitreum vas instar catini, aqua repletum, quam texi alio vitro forma calicis ita, ut omnis aer esset exclusus calixque aqua omnino repletus et pisciculus undique aquis immersus: post aliquot dies multae egrediebantur bullae, quae tandem corpus ipsum ascendere coegere. Et quia se propter interpositum vitrum cum communi aere non poterant conjungere, ideo in summo vitri fastigio conglobatae novum aerem constituebant. (+ Explorandum post quot dies surrexerit carpa, an item permanserit natans. Nota: ex his colligi rationes veras {cohaesionis}a et frigoris. Calore agitatus aer aquae miscetur subtiliter, frigore cessat mixtio et subactio ac proinde motus varius partium, sed motu generali comprimuntur connectunturque tum lateribus tum inter se: aer quoque interceptus se conjungit, hinc bullae ingentes quae exurgunt. +) Cap. 11. Recipienti cucurbitam superponas, Epistomium commune aperias: aer cucurbitae in recipientem exhaustum instar venti descendet, fortiter flabit et in fundo res immissas, ut lapillulos, avellanas nuces, dissipabit et projiciet. Quia vero ex hac subitanea aeris in superiori vitro dilatatione et descensu in inferius, aer residuus valde alteratur et minuitur, multum autem aeris plus humiditatis continere
a {cohaesionis} LH // [caloris] A
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verursacht.) Man findet dann nämlich das Wasser gemeinhin wider Erwarten herabgesunken. Guericke, Buch III, Kap. 10.31 Wenn man ein Stück Gold, Silber, Quecksilber oder eines beliebigen Metalls oder irgendeines anderen Dinges in ein teilweise mit Wasser gefülltes Glas wirft, wird man sehen, wie sich nicht nur dieses Stück, sondern auch das Glasgefäß alsbald mit vielen Bläschen bedeckt, die überall ansitzen, um nach und nach zur Wasseroberfläche emporzusteigen, wo sie zerplatzen und sich mit der Luft vermischen. Die ganze Luft ist der Ruch oder die Ausdünstung der Dinge. Die gemeine Luft riechen wir aber nicht, da wir uns an sie gewöhnt haben. Faulende Dinge senden einen stärkeren Ruch aus. Alles verwesende Erdreich, das am Boden von Gewässern, Teichen und Sümpfen liegt, sendet stets viele Blasen aus. Das kann man beobachten, wenn man eine Stange oder einen Stock in den Grund sticht. […] Daher findet man auch in jedem Eisstück einige Blasen, deren Entstehung auf die gleiche Ursache zurückzuführen ist. Beim Aufsteigen frieren sie dann gleichzeitig ein und machen dadurch das Eis leichter als Wasser. Aus demselben Grund steigen auch Tierkadaver oder Leichen Ertrunkener wieder empor. Denn wenn nach einigen Tagen die Fäulnis einsetzt, dehnt der neugebildete Ruch (d. h. Luft) die Körper, macht sie leichter und bewirkt damit schließlich, dass sie obenauf schwimmen. Als mir dies klar geworden war, führte ich folgenden Versuch durch: Ich legte einen toten kleinen Karpfen in ein mit Wasser gefülltes schalenartiges Glasgefäß, das ich mit einem zweiten kelchartigen Glasgefäß bedeckte, so dass jegliche Luft ferngehalten, der Kelch vollständig mit Wasser gefüllt und das Fischlein gänzlich darin untergetaucht war. Nach einigen Tagen entwickelten sich […] zahlreiche Blasen, die schließlich den Körper selbst zum Emporsteigen zwangen. Da sie sich aber wegen des übergestülpten Glases nicht mit der gemeinen Luft vereinigen konnten, sammelten sie sich in der Kuppe des Glaskelchs an und stellten neugebildete Luft dar. (+ Man sollte in Erfahrung bringen, nach wie vielen Tagen der Karpfen emporstieg und ob er weiterhin schwamm. Wohlgemerkt: Daraus lassen sich die wahren Gründe der Kohäsion und der Kälte ermitteln. Durch Wärme angetrieben, mischt sich Luft feinteilig mit Wasser; bei Kälte hören die Mischung und der Antrieb und somit die vielfältige Bewegung der Teile auf; die Teile werden stattdessen durch allgemeine Bewegung zusammengedrückt und sowohl an die Wände als auch aneinander gebunden. Auch die eingefangene Luft bindet sich; daher die auftretenden mächtigen Blasen. +)32 Kap. 11. Man setze dem Behälter einen Kolben auf [und] öffne den gemeinsamen Hahn; die Luft wird [dann] aus dem Kolben in den luftentleerten Behälter eindringen, stark wehen und auf dem Boden liegende Gegenstände – etwa kleine Steinchen [oder] Haselnüsse – zerstreuen und herumschleudern. Durch diese plötzliche Ausdehnung der Luft im oberen Glasgefäß und durch ihr Eindringen ins untere wird die zurückbleibende Luft einer starken Änderung und Minderung unter-
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potest quam parum, ideoque relinquit inibi aer superfluam suam humiditatem, quae oculariter videri potest in guttulis minimis quae pedetentim ad fundum descendunt (+ nota usus in 10. +). Aer enim compressior plus aquae continere potest. Haec tanto magis apparent, quanto magis vitrum interne humoribus refertum est. Tunc enim plures et copiosiores exurgunt bullae, ita ut (praesertim quando Epistomium Cucurbitae sic evacuatae in aquam immittitur {254} et aperitur, tunc enim insorbet aquam et diffundit cum impetu per totum vitrum aeremque inclusum longe humidiorem facit) nebulam constituant, quae per intromissionem aeris aliquanti in nubes distribui potest. Nam quando Epistomia clauduntur, et vitra ab invicem separantur, et cucurbitae Epistomium paulisper relaxatur, parumque aeris intromittitur, tunc nebula ista in nubes dispergitur. At si aer plene intromittitur Epistomio relaxato, illico nubes vel nebulae evanescunt, quia ab intrante aere absorbentur. Porro quando per breve tempus cucurbita haec una cum nebula servatur, potest luculenter videri descensus nebulae et separatio ejus ab aere sereniori, potest etiam motus vel undulatio in vitro cieri talis, qualem forsan habent evaporationes in aere superiori, quod ad cognitionem meliorem aerei systematis pertinet. Vapores enim in aere procul dubio fluctuant. Deinde ex his omnibus potest disci causa nubium et ventorum. Nam quando ex montium radicibus et cavernis subterraneis assurgunt vapores vel etiam novus in iis generatus aer, sicut in aurifodinis deprehendimus diverso tempore ex meatibus aerem flare, ille propter qualitatem suam diversam quam habet, cum externo aere contractionem vel alterationem causatur, eapropter aquea materia quae in aere est, separatur condensaturque, unde nubes existunt. Sicut eadem ex causa accidit, ut tempore hyberno animalia ex oribus {fumum}a quasi vel nebulam exhalent. Nam calidior aer in frigidiore condensatur, quando autem condensatur fit minor. Minor autem aer non potest continere tantum aquae quantum major (+ supra dixerat: aer compressior plus aquae continere potest +) ergo relinquit humiditatem suam, quae nobis fit visibilis ob conjunctionem tot multorum corpusculorum. Atque hoc modo aestate vel etiam in locis calidis vitra aliaque vasa vinaria ex frigidis cellis allata quasi sudant, quia aer circumambiens vas refrigeratur ab eodem, unde contrahitur; consequenter aquosum suum humorem relinquit, qui deinde lateribus vitri adhaeret (+ an fortasse revera non
a {fumum} LH // fumam A
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worfen. Eine größere Luftmenge vermag aber mehr Feuchtigkeit zu enthalten als eine kleinere. Demgemäß gibt die Luft dort im oberen Gefäße ihre überschüssige Feuchtigkeit ab, die man ganz deutlich in Gestalt winziger Tröpfchen sehen kann, die allmählich zu Boden sinken.33 (+ Beachte die Anwendungen in [Kap.] 10. +) Denn die stärker komprimierte Luft vermag mehr Wasser zu enthalten. Dieses Phänomen tritt umso klarer hervor, je größer der Flüssigkeitsgehalt im Glasinneren ist. Denn dann bilden sich zahlreichere und häufigere Bläschen, so dass sie Nebel bilden (was insbesondere dann stattfindet, wenn der Hahn des solcherart luftentleerten Kolbens unter Wasser getaucht und geöffnet wird; denn dann saugt er Wasser ein, verspritzt es heftig durch das ganze Glas und durchfeuchtet so die eingeschlossene Luft weit stärker). Durch Einlassen von etwas Luft kann dieser Nebel zu Wolken zerteilt werden. Denn wenn man bei geschlossenen Hähnen die beiden Gläser trennt und dann den Hahn des Kolbens minimal öffnet und etwas Luft eintreten lässt, teilt sich der Nebel in Wolken auf. Wenn man der Luft aber bei ganz geöffnetem Hahn vollkommen freien Zutritt gewährt, verschwinden die Wolken oder der Nebel auf der Stelle, da sie von der eindringenden Luft aufgesogen werden. Wenn man ferner diesen Kolben mit dem darin gebildeten Nebel einige Zeit aufbewahrt, kann man ganz deutlich das Sinken des Nebels und seine Sonderung von der helleren Luft beobachten. Auch lässt sich innerhalb des Glases eine solche Bewegung oder ein solches Wogen erzielen, wie dies den Dünsten in den höheren Luftschichten möglicherweise zukommt. Dies trägt zur besseren Erkenntnis des Luftreiches bei. Denn in der Luft schweben zweifelsohne Dünste. Schließlich lassen sich aus alledem Schlüsse über die Ursache der Wolken und Winde ziehen. Wenn nämlich vom Fuß der Gebirge und aus unterirdischen Höhlen Dünste oder auch dort neugebildete Luft emporsteigen (man merkt ja in Bergwerken, dass Luft zuweilen aus den Stollen weht), so verursacht diese Luft, aufgrund ihrer verschiedenen Beschaffenheit, zusammen mit der freien Außenluft eine Zusammenziehung oder Veränderung; die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit wird daher ausgeschieden und verdichtet sich, was Wolkenbildung hervorruft. Auf die gleiche Ursache ist zurückzuführen, dass der Atem der Tiere im Winter ihren Nüstern entströmt wie Rauch oder Nebel. Denn die wärmere Luft verdichtet sich in der kälteren; verdichtet sie sich aber, so wird sie weniger; eine geringere Luftmenge vermag jedoch nicht den gleichen Wassergehalt zu besitzen wie eine größere (+ weiter oben hatte er gesagt, komprimierte Luft vermöge mehr Wasser zu enthalten +)34, folglich gibt sie ihre Feuchtigkeit ab, die uns durch die Vereinigung so zahlreicher Korpuskeln sichtbar wird. Und auf diese Weise schwitzen gleichsam im Sommer oder auch in warmen Räumen Gläser und Weinfässer, wenn sie aus kalten Kellern heraufgebracht wurden. Denn die das Gefäß umgebende Luft wird von diesem abgekühlt, daher zieht sie sich zusammen und gibt folglich ihre wässrige Feuchtigkeit ab, die sich dann an den Wänden des Gefäßes niederschlägt.35 (+ Ob etwa eigentlich weder Verdichtung noch Verdünnung der Grund
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densitas nec raritas causa est depositi humoris, sed transitus ex uno in aliud +). Denique quando vitra haec soli exponuntur, atque tunc operatio instituitur, tunc aer in superiori vitro valde primum candescere incipit, postea iridis colores reddit evidentissimos. (+ Separatio aquae ab aere, si aer cogatur transire per angustias, ut linum, lanam, ex vase in vas, ubi aquam suam relinquet. +) {255} Gerik. lib. 3. c. 12. Flamma in Recipiente exhausto extinguitur caeruleo sub finem {colore}a, Ellychnium tamen extincta flamma per unam vel duas {horae minutas}b ignitum mansit fumumque emisit. Flammae figura oblonga ab aeris gravitate quae sursum pellit, ut aqua aeris bullam, sed flamma tamen manet in Ellychnio, quia fortior ejus connexio quam aeris gravitas, auferre conantis; sed in locis subterraneis, ubi aer gravissimus et impurus, ibi flamma ab aeris gravitate aufertur (+ videmus saepe flammam in eo esse, praesertim cum propinqua extinctioni, ut quasi elevetur in altum et abeat, estre enlevée +). Alia vice flammam in Recipientem aere plenum, sed tantum probe obturatum immisi. Extincta est post tres vel 4 minutas, expirabat eodem modo sed non cum caeruleo colore nec in cacumine Ellychnii sed in medio. (+ Experimenta hic facienda. Primum, une meche, quamdiu possit in recipiente continuari. Deinde an aliquam aeris, ut sic dicam, essentiam consumat flamma, ut respiratio. An eodem tempore quo flamma, et animal in recipiente extinguatur obturato tantum; an is aer capax alterius candelae tantundem temporis {sustinendae}c, an prima omne ex eo nutrimentum {abstraxerit}d. +) [Gerick. lib. 3. c. 13]e Sumatur Cucurbita clavae abscissae ahbg, pars angustior b in theca laminea cc glutine solito firmetur, tubus lamineus de per medium vitri et thecae constituatur, ita ut foramen ejus e ad, vel in, Epistomium q recipientis L accommodari possit. Vitrum ad dimidiam partem gh aqua impleatur, et desuper immittatur minor aliqua cucurbita f ad fundum b fere pertingens; totum applicetur ad exemtile Recipientis L Epistomium q appensa intus candela, ne ullus intrare vel exire possit aer, nisi per tubum ed in {vitrum}f superpositum f. Ita primo quidem vitrum f se elevavit flamma {aere}g recipientis {calefacto}h in ipsum intrante, sed post unam alteramve minutam Vitrum f iterum descendit et fundum petit. Et {videbatur}i aqua omnis in vitrum f ascendere, et insuper bullas
a {colore} LH // calore A b {horae minutas} EN, 89a // horas LH u. A c {sustinendae} // susti nendi LH u. A d {abstraxerit} // abtraxerit LH u. A e [Gerick. lib. 3. c. 13] ergänzt A // fehlt in LH f {vitrum} EN, 90a // tubum LH u. A g {aere} ergänzt nach EN, 90a // fehlt in LH u. A h {calefacto} EN, 90a // calefacta LH u. A i {videbatur} EN, 90b // videatur LH u. A
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dafür sind, dass die Feuchtigkeit sich absetzt, sondern der Übergang vom einen Zustand zum anderen? +)36 Wenn man schließlich die Versuchsgefäße in die Sonne stellt und daraufhin einen Versuch unternimmt, dann beginnt die Luft im oberen Gefäße zunächst strahlendweiß zu werden und zeigt danach ganz unverkennbar die Regenbogenfarben. (+ Wasser trennt sich von der Luft, wenn die Luft gezwungen wird, aus einem Gefäß durch etwas Enges – etwa Leinen oder Wolle – hindurch in ein anderes Gefäß einzudringen, wo sie Wasser abgibt, das sie enthält. +)37 Guericke, Buch III, Kap. 12. Eine Flamme im luftentleerten Behälter erlöscht und weist schließlich eine bläuliche Farbe auf. Der Docht brannte jedoch, nachdem die Flamme erloschen war, eine oder zwei Minuten weiter und sandte einen Rauchfaden gerade empor. Ihre längliche Gestalt verdankt die Flamme der Schwere der Luft, welche [die Flamme] nach oben treibt, wie Wasser eine Luftblase [nach oben treibt]. Die Flamme bleibt jedoch im Docht, weil ihre Verbindung [mit dem Docht] stärker ist als die Schwere der Luft, die bestrebt ist, [die Verbindung] aufzulösen. Aber in unterirdischen Räumen, wo die Luft äußerst schwer und unrein ist, wird die Flamme durch die Luftschwere [vom Docht] abgetrennt. (+ Wir sehen häufig, wie eine Flamme – insbesondere dann, wenn sie zum Erlöschen neigt – in dem Zustand ist, dass sie nahezu emporsteigt und abgeht; sie wird hinaufgehoben. +) Ein anderes Mal setzte ich eine Flamme in einen mit Luft gefüllten Behälter, der aber richtig abgedichtet war. Sie erlosch nach drei oder vier Minuten und brannte in gleicher Weise ab, jedoch weder mit bläulicher Farbe noch auf der Dochtspitze, sondern in der Mitte. (+ Versuche, die man hierüber anstellen sollte: Erstens, wie lange ein Docht im Behälter weiter [brennen] kann. Ferner, ob die Flamme sozusagen irgendeine Essenz der Luft verbraucht, wie das Atmen [es tut].38 Ob in derselben Zeit, in der eine Flamme [erlischt], auch ein Tier in einem nur abgedichteten Behälter erstickt. Ob diese Luftmenge eine zweite Kerze für soviel Zeit am Leben zu halten vermag, [oder] ob die erste [Kerze] den ganzen Nährstoff aus der Luft herausgezogen hat. +) Guericke, Buch III, Kap. 13.39 Man nehme einen Kolben mit abgesprengtem Boden ahbg;40 den engeren Teil b kitte man wie üblich in die Blechkappe cc; die Blechröhre de führe man in der Mitte des Glases und der Kappe hoch, so dass ihre Öffnung e an, oder in, die Mündung q des Behälters L gepasst werden kann. Man soll dann das Glas bis zum mittleren Teil gh mit Wasser füllen und einen kleineren Kolben f überstülpen, der fast bis zum Boden b reichen soll. Man setze diese ganze Anordnung auf das herausnehmbare Mundstück q des Behälters L (in dessen Innerem eine Kerze hängen soll), damit Luft nur durch die Röhre ed hindurch in das aufgesetzte Glas f eindringen oder [aus ihm] entweichen kann. Als die durch die Flamme erwärmte Luft des Behälters in das Glas f eindrang, erhob sich dieses zunächst; nach einer oder zwei Minuten aber sank das Glas f wieder ab und strebte zum Boden hin. Das gesamte Wasser schien dann ins
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multas sorbere, quod oculare indicium aeris consumti ad partem minimum 10mam, et consumtus fuisset omnis, credo, nisi extinctionem accelerasset impuritas aeris ob sevum vel ceram; relinquitur niger fumus. {256} [97v]
Abb. 4a: LH XXXV 14, 2, Bl. 94r, Ausschn.
Gerick. lib. 3. cap. 15 De Sono in vacuo. Nullus est in vacuo Tinnitus, est tamen strepitus, et strepitus nil differt a communi. Suspenso enim in eo Horologio sonante, ita composito ut malleoli pulsu in tintinnabulo sonum certis distinctum intervallis per semihoram ederet; extrahendo evanuit tinnitus, sed aure vitro admota, auditus tantum est strepitus obtusus de campanula malleoli pulsu ortus, velut si quis NB campanulam manu tangat et ita pulset. Redito aere auditus est tinnitus. Ita alterius pistilli in crotalum sonus seu ictus ita auditus est versato vase, ut non differret ab eo qui auditur in recipiente pleno. Strepitus ergo a virtute sonante, tinnitus ab ipso aere. (+ Explorandum an in {257} vacuo augeatur sonus per Tubum Morlandi exiguo sumto. +) Caeterum est quidam fragor qui ab ipso aere efficitur, ut cum Lagenae quadratae franguntur, et fragor vehemens inde causatur, aere circumstante in spatium illud vacuum cum impetu confluente. Unde sonus ex ipso aerum concursu, quae causa fragoris tonitruum et bombardarum. Nam quando
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Glas f emporzusteigen und überdies zahlreiche Blasen einzusaugen. Das wies anschaulich nach, dass die Luft wenigstens um ein Zehntel verbraucht war, und ich glaube41, dass sie gänzlich verbraucht worden wäre, wenn die durch den Talg oder das Wachs [der brennenden Kerze] verursachte Unreinheit der Luft das Erlöschen [der Flamme] nicht beschleunigt hätte. Schwarzer Rauch blieb zurück.
q
e
Abb. 4b: A VIII, 1, S. 256, Fig. 3
Guericke, Buch III, Kap. 15: Der Schall im Vakuum. Im Vakuum gibt es kein Klingeln, wohl aber ein Geräusch, das sich von einem gewöhnlichen Geräusch nicht unterscheidet.42 Man hat dort [= im Gefäß der Vakuumpumpe] nämlich ein klingendes Uhrwerk aufgehängt, das so eingerichtet war, dass es eine halbe Stunde lang in gewissen Zeitabständen durch den Anschlag des Hämmerchens an das Glöckchen einen deutlichen Klang erzeugen sollte. Durch das Leerpumpen ist das Klingeln verschwunden. Wenn man aber das Ohr an das Glas [= das Gefäß] legte, hörte man nur ein dumpfes Geräusch, das vom Glöckchen durch den Anschlag des Hämmerchens herrührte [und sich so anhörte], wie wenn man (wohlgemerkt) das Glöckchen mit der Hand berührt und so anschlägt. Als die Luft zurückkehrte, hörte man das Klingeln [wieder]. Ebenso: Den Klang eines zweiten, gegen eine Klapper schlagenden Klöppels hat man beim Drehen des [luftentleerten] Gefäßes [in dem die Klapper hing] so gehört, dass man ihn nicht von dem unterscheiden konnte, den man im vollen [= mit Luft gefüllten] Behälter hörte. Das Geräusch rührt also von der Klangkraft, das Klingeln von der Luft selbst her. (+ Man sollte erkunden, ob der Schall im Vakuum bei Anwendung einer Morland-Röhre43 ein wenig verstärkt wird. +) Es gibt ferner ein lautes Geräusch, das von der Luft selbst hervorgebracht wird. Wenn zum Beispiel [luftentleerte] vierkantige Flaschen zerbrochen werden, wird ein gewaltiger Krach verursacht, weil die benachbarte Luft heftig in den leeren Raum zusammenfließt. Der Klang entsteht daher aus diesem
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ignis rapidissimus aerem elerrime dilatat et puncto temporis extinguitur, spatium relictum aer vehementi concursu replet. Alioquin certissime sciendum ({destilletur}a) si horologium sonans vitreo seu cupreo globo inclusum sursus in recipiente suspendatur et aer eliciatur ex recipiente, tinnitum tamen aeris in globo illo minore inclusi extra auditum iri. Sed se experimentum facere noluisse, quia nullum sit dubium globum esse rumpendum. (+ Ego puto posse esse satis firmum, ut si sit cupreus non facile [rumpatur]b. Et dubito an ad nos perventurus sit tinnitus. Si pervenit demonstratur aerem ne tinnitus quidem vehiculum esse. +) Cap. 16. Si uvae per dimidium annum serventur in recipiente exhausto, durat illis species, sed evanescit omnis sapor, quem attraxit recipiens. (+ Experiendum an aqua immissa id quod exhalavit capi possit, aut alio modo colligi in spiritum, quodam quasi distillationis genere. +) Cap. 18. Potest ope exhausti aeris sibilus diu durans gratusque, erumpentis vel irrumpentis in locum vacuum aut ex praepleno, exhiberi. Cap. 19. Aqua in vas exhaustum non ascendit nisi ad altitudinem 19 ulnarum Magedeburgicarum, et tantum scilicet ponderat sphaera aeris globo nostro circumfusa. Cap. [20]c. Ad aeris gravitatem quovis tempore deprehendendam exigua e ligno virunculi specie efficta statua digito ostendit certa puncta, pro aeris gravitate; artificium in inferiori vitri parte non apparet, superior detecta est (+ in imagine sed non reapse apud Dn. Dalancé +). Gustum rei hunc dat: Si globus evacuatus suspenderetur, globum dum aer gravior evadat reddi leviorem (+ sed hoc fit et calore {aut}d frigore +). Non est Thermoscopium quod calore quoque et frigore alteretur. Si apertum sit Epistomium vasis, pro calore et frigore variat pondus. Nam frigore gravius est, plus enim aeris est in ipso, calore levius. {258} Gerick. lib. 3. cap. 21. Non posse determinari aeris proportionem specificam ad aquam ob differentem ejus compressionem. Imo potest fortasse designato loco
a {destilletur} Symbol in A u. LH b [rumpatur] A // rumpetur LH c [20] A // 21 LH d {aut} ergänzt // fehlt in LH u. A
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Zusammenstoß der Luftteile, der auch den Knall von Gewehren und Geschützen verursacht. Wenn blitzschnelles Feuer nämlich die Luft aufs jäheste ausdehnt und augenblicklich wieder erlischt, so füllt die Luft mit gewaltigem Zusammenstoß den verlassenen Raum wieder aus. Im Übrigen steht völlig fest (darüber soll aber weiter nachgedacht werden): Wenn man ein klingendes Uhrwerk in eine Glas- oder Kupferkugel einschließt, diese oben im Gefäß [der Vakuumpumpe] aufhängt und die Luft aus dem Gefäß herauspumpt, dann wird man von außen trotzdem ein Klingeln hören von der Luft, die in der kleineren Kugel eingeschlossen ist. Er [Guericke] hat den Versuch aber nicht durchführen wollen, weil kein Zweifel bestehe, dass die [kleinere] Kugel platzen müsste. (+ Es steht meines Erachtens hinreichend fest, dass die Kugel nicht leicht platzt, wenn sie aus Kupfer besteht. Und ich bezweifle, dass das Klingeln zu uns gelangen kann. Wenn es zu uns gelangt, dann ist erwiesen, dass die Luft auch nicht Übertragungsmittel des Klingelns ist. +)44 Kap. 16.45 Wenn Trauben ein halbes Jahr lang in einem luftentleerten Behälter aufbewahrt werden, behalten sie ihre äußere Form, aber ihr ganzer Geschmack verschwindet, da er vom Behälter angezogen worden ist. (+ Man sollte untersuchen, ob Wasser im Behälter das auffangen könnte, was [die Trauben] ausdünsten, oder ob das in anderer Weise als Geist gesammelt werden könnte, wie etwa beim Destillieren. +) Kap. 18. Mit Hilfe ausgepumpter Luft, die entweder aus einem überfüllten Raum heraus oder in einen luftentleerten Raum hinein bricht, kann man ein lange anhaltendes und angenehmes Sausen hervorbringen.46 Kap. 19. Wasser steigt in ein luftentleertes Gefäß nur bis zu einer Höhe von 19 Magdeburger Ellen47 empor. Das heißt, soviel wiegt die Luftschicht, die unsere Erdkugel umgibt.48 Kap. 20. Um den Luftdruck jederzeit festzustellen, zeigt eine kleine in Gestalt eines Männchens geschnitzte Holzstatue mit dem Finger je nach Luftdruck auf bestimmte Punkte.49 Die künstliche Anordnung, die sich im unteren Teil des Glasgefäßes befindet, ist unsichtbar, während der obere Teil nicht abgedeckt ist.50 (+ Das findet man als Bild, nicht aber in Wirklichkeit bei Herrn Dalancé.51 +) [Guericke] stellt folgenden Versuch dar: Eine luftentleerte Kugel, die [an einer Waage] hängt, wird dann leichter, wenn die Luft schwerer wird.52 (+ Dies geschieht aber auch durch Wärme oder Kälte. +)53 Diese Vorrichtung ist kein Thermoskop,54 das sich auch durch Wärme und Kälte verändern würde. Wenn das Mundstück des Gefäßes geöffnet ist, dann variiert das Gewicht je nach Wärme und Kälte. Denn bei Kälte ist das Gefäß schwerer, da sich mehr Luft in ihm befindet; bei Wärme ist es leichter. Guericke, Buch III, Kap. 21. Das Gewichtsverhältnis insbesondere von Luft und Wasser könne man aufgrund ihrer unterschiedlichen Kompression [= Kompressionsverhalten] nicht bestimmen. Doch man kann das vielleicht bei einzelnen
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et tempore, vel rectius sic potest: aer qui tantum Elaterii seu virium compressus habet, tantum ponderat (+). Cap. 22. Mensura Magdeburgica habet in altitudine 38/100, in diametro 19/100 ulnae Magdeburgicae; aqua quam capit ponderat 4 1/8 libras seu 2dum numeros decimales 4, 125 (3) et libra ponderat 16 imperiales. Cap. 23. Corium, si sit cera therebintina commixta inunctum, aer non transit. Duae phialae diametrum simul constituentes 3/4 ulnae Magdeburgicae, non poterant divelli a 16 equis, 16 equi non poterant elevare pondus aeris quod est hic 2686 librarum. Putat ex his 16 equis 8 onerari 2686 libris et alteros 8 itidem. (+ Ego puto, qui 8 vis dimidio tantum. +) Etsi autem 8 equi possint trahere currum tot libris onustum, tamen ibi facilior tractio. Cap. 24. Duo haemisphaeria diametri 1 ulnae non potuere distrahi 24 equis, imo non nisi a 34. Nota: ubi fit distractio, auditur sonus quasi sclopeti displosi, aere irruente et confluxu sonum edente (+ usus mechanicus horum +). Cap. 27. Ratisbonae in Comitiis 1654. Cap. 29. Quod sclopetum novum attinet, longitudo proportionata esse debet; observavi eum canalem ulnarum 4 1/2 longius quam 3 ulnarum globum ejicere; ejaculari saepius potes uno Recipiente, Epistomium vertendo ut aer intret, sed subito ut Epistomium rursus claudatur: interea fit explosio. {259} Cap. 31. Globum vacuum suspendi ex balance, id altius est quando aer gravior, depressius quando minus gravis. Quia semper gravius contentum, quo levius continens. Sed quia hoc modo ponderatio difficulter institui potest exacta, ideo adhibui, inquit, virunculum illum ea arte in vitro suspensum, ut in aere inferius ferretur, et ex eo pro diversa aeris gravitate ascenderet et descenderet, digito etiam suo in quibusdam punctis variationem monstraret. (+ Ex his necesse est constructionem meam et ipsius coincidere. Utitur bis hac comparatione etiam in literis ad P. Schottum. Sed objectio ei fieri posset, ita aerem continentem fieri leviorem calore. Respondebit fortasse non fieri, ob compressionem a summo auctam etc. +)
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Raum- und Zeitverhältnissen tun. Oder man kann es besser so: Komprimierte Luft, die so und so viel Elastizität oder Kräfte hat, wiegt so und so viel. (+)55 Kap. 22.56 Ein Magdeburger Maß ist der Höhe nach 38/100, dem Durchmesser nach 19/100 einer Magdeburger Elle. Das in einem Magdeburger Maß enthaltene Wasser wiegt wie 4 1/8 Pfund oder in Dezimalzahlen 4,125 (auf drei Stellen nach dem Komma), und ein Pfund wiegt wie 16 Reichstaler.57 Kap. 23.58 Leder, mit einer Wachs-Terpentin-Mischung durchtränkt, lässt keine Luft durch. Zwei Halbkugeln mit einem Gesamtdurchmesser von 3/4 Magdeburger Ellen können nicht von 16 Pferden auseinandergerissen werden; [d. h.,] 16 Pferde sind nicht imstande, ein Luftgewicht zu heben,59 das hier 2.686 Pfund beträgt. [Guericke] glaubt, dass von diesen 16 Pferden 8 mit 2.686 Pfund belastet seien und die weiteren 8 ebenso. (+ Ich glaube, jeder beliebige Acht-Pferde-Zug sei nur mit der Hälfte belastet. +)60 Doch 8 Pferde vermögen einen mit so vielen Pfunden belasteten Wagen zu ziehen. Das Ziehen ist in diesem Fall aber einfacher. Kap. 24. Zwei Halbkugeln mit einem Durchmesser von 1 Elle lassen sich nicht von 24 Pferden auseinanderziehen, ja nicht einmal von 34. Bemerkenswert ist: Wenn das Auseinanderziehen erfolgt, hört man einen Knall wie bei einem Flintenschuss. Denn die Luft bricht ein und bringt durch ihr Zusammenströmen den Knall hervor. (+ Mechanischer Gebrauch davon. +) Kap. 27. Bei den Reichstagsverhandlungen zu Regensburg im Jahre 1654.61 Kap. 29.62 Was die neue Windbüchse63 anbelangt, muss die Länge proportioniert sein.64 Ich habe beobachtet, dass eine 4 1/2 Ellen lange Röhre die Kugel weiter entfernt schießt als eine 3 Ellen lange Röhre. Mit einem einzigen [luftentleerten] Behälter kann man mehrmals schießen, indem man den Hahn dreht, damit Luft eindringt, aber so, dass der Hahn sofort wieder geschlossen wird; dazwischen erfolgt der Schuss. Kap. 31. Eine luftleere Kugel wird an eine Waage gehängt. Dieser Apparat steigt, wenn die Luft schwerer; sinkt, wenn die Luft weniger schwer ist. Denn immer[, wenn etwas in etwas anderem enthalten ist,] ist das Enthaltene desto schwerer, je leichter das Enthaltende ist.65 Da es in dieser Weise aber umständlich ist, eine genaue Abwägung [des Luftdruckes] anzustellen, habe er, sagt [Guericke], sein ‚Männchen‘ verwendet. Dieses sei mit so viel Kunst in ein Glas eingeschlossen worden, dass es in der Luft von unten her getragen werde66 und infolge dessen je nach verschiedenem Luftdruck auf- und absteige; zudem zeige es mit dem Finger an vermerkten Punkten die Veränderung [des Luftdruckes] an. (+ Daraus lässt sich schließen, dass meine und seine Bauweise zusammenfallen.67 Er bedient sich zweimal dieses Vergleichs auch in seinen Briefen an Schott. Man könnte gegen ihn [= Guericke] aber einwenden, dass in dieser Weise die umgebende Luft aufgrund von Wärme leichter werde. Möglicherweise würde er antworten, dass dies nicht der Fall sei, und zwar deshalb, weil der Druck von ganz oben gestiegen sei usf. +)68
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Cap. 33. Aer in sclopeto ventaneo ad spatium cogitur quintuplo minus. Cap. 37. Thermometrum novum Magdeburgicum in Technica Curiosa descriptum lib. II. c. 13. p. 871, ubi et internoscit Schottus quis sit ejus anni calidissimus dies, quod alias difficile. Vide ibi. Non est magni adeo momenti. [96r] Constructio huc redit: Globus A aere plenus magnitudine Recipientis; ex eo exit Tubus BC cupreus amplitudine pollicaris 7 ulnarum huic conjunctus in C, alius DE cui certa spiritus vini quantitas infunditur. Huic in {D}a immittitur tubus alius KL in eo natans, in aequilibrium cum spiritu vini redactus per injectos globulos plumbeos, ne ejus ex superficie emineat. Tubus clauditur, inde extrahitur tantum aeris ex {globo}b A tempore {aliquo}c medio, quo pruinosae ac frigidae noctes ingruunt, eousque extraens donec icuncula circiter ad medium assurgat, tubo KL descendente, quia vinum versus A ascendit. (+ Rectius pro primo usu indeterminata sumatur longitudo, unus annus tibi ostendet ubi locus medius, exhauries ergo pro lubitu. Calida {260} tempestate descendet, frigida ascendet virunculus. +) Est et aliud Thermometrum Gerickii: imaguncula vitrea immittatur in Tubum vitreum 2 vel 3 ulnarum longum, ita ut in eo libere pendeat; ea calida {temperie}d descendet, frigida ascendet, media medium in tubo locum tenebit; item appende ad bilancem vitreum recipientem apertum, invenias calida tempestate levius, frigida gravius.
Abb. 5a: LH XXXV 14, 2, Bl. 96r, Ausschn.
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Kap. 33. In einer Windbüchse kann die Luft auf einen fünfmal so kleinen Raum zusammengepresst werden. Kap. 37.69 Neues in der Technica curiosa,70 Buch II, Kap. 13, S. 871 beschriebenes Magdeburger Thermometer, an dem Schott auch erkennen kann, welcher der heißeste Tag des Jahres sei, was sonst schwierig sei. Siehe dort. Dies ist nicht von so großer Bedeutung. Mit dem Aufbau verhält es sich folgendermaßen:71 Die Hohlkugel A ist mit Luft gefüllt und von gleichem Fassungsvermögen wie der Behälter. Aus ihr kommt die kupferne Röhre BC heraus, die einen Durchmesser von einem Daumen und eine Länge von einer Elle hat. Mit dieser [BC] ist in C eine weitere Röhre DE verbunden, in die eine bestimmte Weingeistmenge eingegossen wird. In diese [DE] führt man bei [D] eine weitere Röhre KL ein, die dort [= in DE] schwimmen soll; diese [KL] wird mit Hilfe von Bleischrot so balanciert, dass sie nicht aus dem Weingeist herausragt. Die Röhre wird abgeschlossen. Dann wird bei mittlerem Wetter, wenn kalte und frostige Nächte einbrechen, aus der Kugel A so viel Luft herausgepumpt, bis das Püppchen etwa zur Mitte steigt, während die Röhre KL sinkt, weil der Weingeist zu A hinaufsteigt.72 (+ Besser wäre es, bei der ersten Anwendung eine unbestimmte Länge anzunehmen; ein einziges Jahr wird zeigen, wo der mittlere Ort liegt; daher wird man nach Belieben Luft herauspumpen. Das Männchen wird bei warmem Wetter absteigen, bei kaltem aufsteigen. +)73 Es gibt auch Guerickes zweites Thermometer: Ein gläsernes Püppchen soll in eine 2 oder 3 Ellen lange Glasröhre so eingefügt werden, dass es in ihr frei hängt. Das Püppchen wird bei warmem Wetter absteigen, bei kaltem aufsteigen, bei mittlerem die mittlere Stelle in der Röhre behalten. Eine weitere Methode: Man soll einen offenen Glasbehälter an eine Waage hängen; man wird feststellen, dass er bei warmem Wetter leichter, bei kaltem schwerer wird.
Abb. 5b: A VIII, 1, S. 260, Fig. 4
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{Excerpta ex libro quarto}a Gerick. lib. 4. c. 1. Virtutes mundanae sunt viventes, imo animae sentientis. Virtus est aut corporeum aut incorporeum effluvium. Olfactus est organon excipiendi virtutes corporeas seu odores, ex quibus et aer est. Virtutes incorporeae propagantur etiam per solida, omnes hoc habent ut in longiore {261} distantia vis attenuetur ac denique evanescat. Reflectuntur etiam, ac in subjectis habilibus velut figuntur. Cap. 2. Virtus impulsiva magis recipitur in corpore magis denso compactove et majore. Duorum corporum ejusdem materiae et aeque solidorum, id quod majus est citius descendit. (+ Ego dubito. +) Globus plumbeus duarum unciarum citius multo terram attingit quam unius unciae. (+ Dubito. +) Arcus magnus sagittam justo minorem non eo projiciet, quo majorem. Globus plumbeus funi alligatus et in gyrum vibratus vel circumductus, quanto major est tanto celerius inque majore circumferentia potest circumduci. Res parva magnae parum virtutis impulsivae imprimere potest. Sic malleus incudi non sensibilem imprimit effectum hujus virtutis, unde solea equorum ferrea (ein Huffeisen) super incude hominis ventri imposita, malleo et acuto ferro discuti seu in frusta comminui potest, sine ulla hominis laesione. Cap. 3. Virtus impulsiva in omnem partem operari potest, ut in Hollandia experiuntur illi, qui super glaciem soleis ferreis induti uno impetu tam rectum quam circularem cursum instituere possunt. (+ Quaerendum quomodo. +) Experimentum circa vim impulsivam circularem. Sit globulus plumbeus a mediante filo ab alligatus baculo bc; hic globulus a beneficio istius baculi ab aliquo (si filum est in debita longitudine vel proportionata distantia) optime in gyrum circumduci vel vibrari potest. Quando autem distantia seu filum nimis longum, contra globulus ad talem distantiam non satis ponderis habet, circumductio aut perficitur difficillime, aut denique in nullum volatum seu vibrationem perduci potest. (+ Videtur ergo tum demum fieri circulatio, quando impressio satis fortis. An non {recepta}b virtus subjecti vi impressa pensari potest? Seu an ictus fortis potest plumae impingi? Non videtur, quia non satis resistit. Hinc experimenta intuenda de ultimo termino projectionis ad aliquam distantiam, v. g. arenae {granum}c satis longe produci
a {Excerpta ex libro quarto} fehlt in LH u. A b {recepta} // recepti LH u. A c {granum} LH // gravium A
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Aus Buch IV74 Guericke, Buch IV, Kap. 1. Die kosmischen Wirkkräfte sind lebendig, ja sie gehören zur wahrnehmungsfähigen Seele. Eine Wirkkraft ist entweder ein körperliches oder ein unkörperliches Ausfließen. Der Geruchsinn ist ein Organ zur Aufnahme körperlicher Wirkkräfte wie Gerüche, zu denen auch die Luft gehört. Die unkörperlichen Wirkkräfte verbreiten sich auch durch feste Körper hindurch. Allen kommt zu, dass bei einer größeren Entfernung die Wirkkraft schwächer wird und schließlich entschwindet. Sie werden auch zurückgeworfen und in dazu fähigen Subjekten gleichsam geformt. Kap. 2. Die Antriebkraft wird in einen dichteren oder festeren und größeren Körper in größerem Maße aufgenommen. Von zwei Körpern, die aus gleicher Materie bestehen und gleich dicht sind, fällt der größere vom gleichen Punkt aus schneller herab als der kleinere. (+ Ich bezweifle das. +)75 Eine Bleikugel mit einem Gewicht von zwei Unzen erreicht viel schneller den Boden als eine Kugel mit dem Gewicht einer Unze. (+ Ich bezweifle das. +)76 Ein großer Bogen wirft einen Pfeil, der kleiner ist als ein angemessener Pfeil, nicht so weit hin wie einen größeren. Eine an eine Schnur gebundene Bleikugel, die im Kreis geschwungen oder herum geführt wird, lässt sich umso schneller schwingen, je größer sie ist, und längs eines größeren Kreises. Ein kleiner Gegenstand vermag einem großen nur wenig Antriebskraft zu übertragen. Der Hammer überträgt etwa dem Amboss keine merkliche Wirkung dieser Kraft. Deshalb kann ein Hufeisen auf einem Amboss, der auf dem Leibe eines Menschen ruht, mit Hammer und Meißel zertrennt oder zerschlagen werden, ohne jede Verletzung oder Schädigung des menschlichen Leibes. Kap. 3. Die Antriebkraft kann sich nach allen Richtungen hin auswirken, wie diejenigen in Holland erfahren, die auf Schlittschuhen über das Eis laufen: Mit dem gleichen Schwung können sie geradeaus oder im Bogen fahren. (+ Man sollte untersuchen, wie dies geschieht. +)77 Versuch über die kreisförmige Antriebskraft: Die kleine Bleikugel a sei mittels der Schnur ab am Stab bc befestigt. Mit Hilfe dieses Stabes lässt sich die Kugel a (bei einer angemessenen Länge der Schnur, d. h. bei einem proportionierten Abstand) am besten im Kreise drehen oder schwingen. Wird hingegen der Abstand bzw. die Länge der Schnur zu groß, so ist das Kügelchen bei einem solchen Abstand nicht schwer genug: Entweder kann man es kaum noch um sich herumdrehen, oder man kann es schließlich nicht mehr zum Fliegen oder zum Herumschwingen bringen.78 (+ Die Umdrehung findet also anscheinend erst dann statt, wenn der Eindruck stark genug ist.79 Kann man sich in einem Träger ein Vermögen vorstellen, das durch eine Kraft eingedrückt wird, ohne aufgenommen zu werden? Oder lässt sich ein heftiger Stoß auf eine Vogelfeder übertragen? Es sieht nicht so aus, da die Feder nicht genug Widerstand leistet. Daher sollte man Versuche über maximale Wurfentfernung in den Blick nehmen; ein Sandkorn kann
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potest. Imo verius nullus est ultimus gradus. Sed potius determinandum, dato pondere corporis et vi projicientis et medio, quousque projici {262} possit, et plura conferenda inter se; ut appareat an res reduci queat ad calculum, vide Servierii projectionem. +) Si segmentum sphaerae concavae satis capax, instar patinae circa axem erectum, circumagas et injicias globulos marmoreos, ob circumactionem majores ad marginem accedent, minores ad centrum se applicabunt, et si sint diversa semina in paropside, ut grana papaveris, cannabis, pisi, semper majora ascendent a centro. Hic ordo apparet in satellitibus Jovis. (+ Si projicerentur quasi a sole et simul circumagerentur planetae, et esset virtus illa impressa deficiens ut ait Gerickius, aliquot gyris absolutis cessaret. Sed dicendum renovari a sole. +) Porro ampliorem locum ut aequatorem quaerunt, sicut in priore experimento globus plumbeus filo alligatus quando vibratur et pedetentim prolongatur filum, magis et magis ampliorem circumferentiam petit. Et quamvis ob impressam virtutem aliquo modo vel supra vel infra excedant, atque ad axem vel Tropicum acce dant, tamen semper revertuntur ad priorem vel ampliorem locum. (+ Instituenda exempla in Trochis inter ejaculandum tortis. +) Pendulorum oscillantium qualitates principales hae sunt, ut Galilaeus, Balianus, Wendelinus, Ricciolus aliique notavere: 1. Duorum perpendiculorum in omnibus aequalium praeterquam in altitudine, altitudinem minorem ad majorem ita se habere, ut quadratum vibrationum majoris altitudinis ad quadratum vibrationum minoris, aequali tempore peractarum; et e contrario: duorum {perpendiculorum}a in omnibus aequalium praeterquam in gravitate, gravius diutius in motu perseverare et intra aequale tempus plures numero vibrationes peragere. (+ Sed determinandum quanto. An scilicet, ut rationes gravitatis? Determinandum item, quousque assurgat prima vibratione data longitudine et gravitate. An longius habeat omnia proportionalia breviori? An vibratio una hujus sit diuturnior una alterius? Longiora an faciant multo majores vibrationes seu diuturniores? Si determinari potest, data longitudine et gravitate, quousque assurgat pendulum, hoc potissimum est, inde quousque secundo tempore assurgat etc. Hinc caetera
a {perpendiculorum} EN, 130b // perpendicularium LH u. A
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z. B. recht weit entfernt fortgetrieben werden. Ja, es gibt eigentlich gar keine letzte Stufe. Sondern man muss vielmehr – unter Berücksichtigung des Gewichts eines Körpers, der Kraft des Werfenden und des Mediums – bestimmen, bis wohin der Körper geschleudert werden kann, und dabei muss man Mehreres miteinander vergleichen. Um herauszufinden, ob die Angelegenheit rechnerisch behandelt werden kann, siehe Servières [Abhandlung über] das Werfen. +)80 Lässt man eine schüsselförmige Kugelkappe hinreichenden Umfangs um die senkrechte Achse umdrehen und wirft man Marmorkügelchen hinein, so werden die größeren aufgrund der Umdrehung an den Rand kommen, und die kleineren sich um den Mittelpunkt versammeln. Und wenn verschiedene Samen – etwa Mohn, Hanfsaat, Erbsen – in der Schüssel sind, so werden die größeren stets vom Mittelpunkt hinaufsteigen.81 Diese Ordnung ist unter den Trabanten des Jupiters erkennbar. (+ Wenn es so wäre, als würden die Planeten gleichsam von der Sonne hingeworfen und zugleich herumgedreht, und wenn die übertragene Kraft, wie Guericke meint, nicht ausreichend wäre, dann würde diese [Kraft] nach der Vervollständigung einiger Drehungen aufhören. Man muss aber sagen, dass sie von der Sonne erneuert werde. +)82 [Die Planeten] suchen den Ort größtmöglichen Abstandes, etwa den Äquator, auf, wie in unserem ersten Versuch die an einer Schnur befestigte Bleikugel einen Kreis von stets wachsendem Umfange beschreibt, wenn sie herumgeschwungen und die Schnur nach und nach verlängert wird. [...] Und obwohl sie [= die Planeten] infolge der ihnen eingeprägten Antriebskraft um einen gewissen Betrag nach oben oder unten ausweichen und sich gegen die Achse oder gegen den Wendekreis hin bewegen, so kehren sie doch immer zu ihrer früheren Lage größten Abstandes zurück. (+ Man sollte Beispiele mit Winden anstellen, die beim Schleudern gedreht werden. +) Haupteigenschaften schwingender Pendel sind, wie Galilei,83 Baliani,84 Wende85 lin, Riccioli86 und andere bemerkt haben, folgende: 1. Von zwei Pendeln, die sich mit Ausnahme der Länge in allem gleichen, verhält sich die Länge des kleineren zu der des größeren wie das Quadrat der Schwingungen des größeren zum Quadrat der innerhalb des gleichen Zeitraums vollzogenen Schwingungen des kleineren und umgekehrt. [2.] Von zwei Pendeln, die sich lediglich in ihrem Gewicht voneinander unterscheiden, bleibt das schwerere länger in Bewegung und vollzieht innerhalb des gleichen Zeitraums mehr Schwingungen.87 (+ Man sollte aber bestimmen, wie lange. Etwa wie die Gewichtsverhältnisse? Ferner sollte man bestimmen, bis wohin die erste Schwingung bei gegebener Länge und gegebenem Gewicht hinaufsteigt. Ist es beim längeren [Pendel] alles proportional zum kürzeren? Dauert eine einzige Schwingung des einen länger als eine einzige des anderen? Vollziehen längere Pendel viel größere oder viel länger dauernde Schwingungen? Wenn man bestimmen kann, bis wohin ein Pendel bei gegebener Länge und gegebenem Gewicht hinaufsteigt, ist dies gewaltig: Damit [lässt sich bestimmen,] bis wohin es in einem zweiten Zeitraum
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omnia {263} demonstrabuntur. +) Non est detecta vera proportio, quomodo data altitudine seu longitudine perpendiculi opus sit pondere ad virtutem impulsivam gyrantem. Nam hoc facto, ex planetae motu periodico determinari posset radius seu distantia a sole, quia proportio Telluris periodi ad semidiametrum, distantiam a sole, seu quo tempore absolvat, cognita; inde per regulam auream caetera determinentur. {249} [99v] Gerick. lib. [4]a c. 4. Kircherus lib 2. magnet. 1. progymn. prop. 5. pragm. 3. pag. 157 modum invenit sphaerulam exacte librandi in media sphaera vitrea aqua fontana vel alio liquore longa decoctione a faece turbida separato, {inde}b heterogeneo immiscibili sed concolori, ut e vino, therebinto baccis been vel simili, superfuso. Ego, inquit Kircherus, spiritum tartari spiritui vini cui {250} misceri nequit, conjungere soleo. Magnetem autem fundo vel orificio vasis ita aptat, ut poli ejus horizonti aequidistent, ita sphaerula ex magnete facta a magnete jam memorato semper in medium vasis centrum trahitur, ut se poli conforment. At Gerickius alium invenit modum suo scopo aptiorem, ut ostenderet Telluris lationem annuam circa {Solem}c. Primum aqua a putredine praeservanda, quod fit si dolium seu vas aqua refertum pluvia, soli exponatur per totam aestatem, ut putrescat una vel altera vel tertia vice, ita ut in eo vermiculi multi et varii generentur, deinde hyeme in cella a gelu tuta conservata, secunda aestate iterum soli exponitur, tandemque per papyrum in vitreum aliquod vas, quod pharmacopolae 1/4 recipientem vocant, infunditur. Debet vitreum hoc vas inferiori parte cum agglutinata lamina ut et cuspide ferrea ita esse instructum, ut super cuspidem tanquam axem, mediantibus (a superiore parte) aliquibus rotis horologiariis, quasi possit lente rotari. Postea sphaeram aeneam vel vitream magnitudine dimidii ovi accommoda in aequali pondere cum aqua; quod fieri potest, quando in sphaerulam aliquod aquae calidae infunditur, et deinde sphaera bene clauditur, tandem haec cera aliquibus plumbi frustulis oneratur, ita ut sphaerula ipsi aquae gravitati sit adaequata nec ullam in aqua habeat gravitatem vel levitatem, sed libere pendeat. Sed certa temperiei constitutio est observanda, nam quando calido tempore id
a [4] A // 3 LH b {inde} LH // unde A c {Solem} EN, 131b // Lunam LH u. A
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hinaufsteigt usw. Damit lässt sich alles übrige beweisen. +)88 Wie sich bei gegebener Höhe bzw. Länge des Pendels sein Gewicht zur drehenden Antriebskraft verhalten muss, ist nicht bekannt. Wäre dies nämlich der Fall, so könnte man anhand der Umlaufzeit eines Planeten seinen Radius bzw. seinen Abstand von der Sonne bestimmen; denn das Verhältnis der Umlaufzeit der Erde zum Halbmesser, [d. h.] zum Abstand von der Sonne, bzw. in wie viel Zeit [die Erde] ihre Laufbahn zurücklegt, ist bekannt. Daher ließen sich alle übrigen [Abstände der Planeten von der Sonne] mit Hilfe der goldenen Regel bestimmen.89 Guericke, Buch IV, Kap. 4. Kircher, Magnes, Buch II, Teil I, Vorübung [1]. Satz 5, Ausführung 3, S. 157,90 hat gefunden, wie man eine kleine Kugel genau in der Mitte einer Glaskugel schweben lässt, die man [zuerst bis zur Hälfte] mit Quellwasser oder einer anderen, von trübem Satz durch langes Kochen gereinigten Flüssigkeit [gefüllt,] dann mit einer ungleichartigen, unvermischbaren aber gleichfarbigen [Flüssigkeit] – wie etwa aus Wein, Terpentin, Behennüssen91 oder Ähnlichem – abgefüllt hatte. So schreibt Kircher:92 Ich pflege zusammen mit Weingeist eine Weinsteinlösung zu benutzen, mit der sich der Weingeist nicht vermischt. […] Am Boden oder an der Mündung des Gefäßes bringt man einen Magneten so an, dass seine Pole vom Horizont gleich abständig sind; dann wird die kleine aus einem Magneten bestehende Kugel von dem eben erwähnten Magneten stets nach der Mitte des Gefäßes hingezogen, so dass die Magnetpole sich entsprechen. Guericke fand aber einen anderen, in höherem Maße für seinen Zweck geeigneten Weg, [nämlich] um den jährlichen Lauf der Erde um die Sonne darzustellen. Erstens muss das Wasser vor Fäulnis geschützt werden. Dies geschieht, wenn ein mit Regenwasser gefülltes Fass oder Gefäß einen ganzen Sommer lang der Sonne ausgesetzt wird, damit das Wasser ein, zwei oder drei Mal fault, so dass viele und vielfältige Würmchen darin entstehen; dann wird das Wasser im Winter in einer frostfreien Vorratskammer aufbewahrt und im folgenden Sommer wieder der Sonne ausgesetzt; schließlich wird das Wasser durch Papier in ein bestimmtes Gefäß geseiht, das die Apotheker eine Viertelvorlage nennen. An seiner Unterseite muss dieses Glasgefäß mit einer angekitteten Kappe sowie mit einer eisernen Spitze derart ausgestattet sein, dass es sich mit Hilfe einiger (am Oberteil sitzender) Zahnräder um die eiserne Spitze als Achse irgendwie langsam drehen lässt. Daraufhin muss man eine eherne oder gläserne Kugel, die halb so groß ist wie ein Ei, gleich schwer wie das Wasser machen. Dies gelingt, wenn man etwas heißes Wasser in das Kügelchen füllt, die Kugel dann [mit Wachs] gut verschließt und dieses Wachs schließlich mit einigen Bleikörnchen beschwert, so dass das Kügelchen dem Eigengewicht des Wassers angeglichen ist und im Wasser weder Schwere noch Leichtigkeit besitzt, sondern frei schwebt. Man muss aber bestimmte Wetterbedingungen berücksichtigen. Wenn man den Versuch nämlich bei warmem Wetter durchführt, dann sinkt die Kugel wahrscheinlich zum Boden; bei kälterem
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perficis, sphaera facile fundum petit, tempore frigidiori innatabit; unde quando innatat et in locum calidiorem fertur, sphaerula lente descendit ad medium, aut secundum aquae temperamentum iterum ascendet, vel denique fundum petet; quando vero fundum petit, debet vitrum in frigidiorem locum reportari, tunc ascendet sphaerula. Quando jam in ascensu aut descensu, vel quod melius in lenta statione est, tunc potest vas lente in gyrum moveri, et sphaerula tandem se fert ad ampliorem locum, id est mediam circumferentiam, et quanquam propter acceptum impulsum vel supra vel infra aequatorem ad quasi Tropicos declinet, tamen cogitur redire propter angustiorem locum, quia versus axem vel polos virtus arctaretur. Excedunt enim omnia impulsa. Nec aliud vibrationes quam excessus. {251} Gerick. lib. [4.]a c. 7. virtus magnetica per attritionem excitari potest in quovis ferro. Accipe filum ferreum longitudine digiti, et concute ejus terminos malleo super incude secundum lineam meridianam, ita ut unus fili terminus septentrionem alius austrum versus dirigatur, et videbis illud se disponere ut acum seu lingulam magneticam. Unde armamentula ista Chalybea, quibus fabri perforant ferrum et vulgo hordei grana, Germanice Gersten Korner vocantur, ob durum istum attritum saepius iteratum hanc quoque virtutem acquirunt, et limaturas ferreas copiose attrahunt. Recipe ex horologio aliquo solari acum vel lingulam magneticam, impone super aciculam ut libere possit vagari et applica ad Lapidem cujus polos quaeris, tunc pars septentrionalis acus ostendet polum australem lapidis, et contra postea per cotem exacuatur juxta suos polos in formam ovalem, et aptus erit imbuendis aliis acus. cap. 9. virtute vertente Telluris circumagitur et Luna, et quia remotior, non eodem tempore sed quod terra in 24 horis, Lunam 29 1/2 diebus (+ hoc conferatur cum distantia terrae a sole, et consideretur an sit et jam possit solaris vertiginis periodus +). c. 10. Urinatores profunde intra aquam demissi audiunt sonos vehementes. Echo putat non a figura loci, sed qualitate pendere, uti lapis bononiensis lucem bibit et reddit, ita Echo, ait, sonum, certum petrae genus forte ad id aptum esse. Hanc materiam forte esse ut os petrosum in animalium auribus.
a [4.] A // 3. LH
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Wetter wird sie obenauf schwimmen. Wenn das Kügelchen daher schwimmt und in einen wärmeren Ort gebracht wird, wird es langsam nach der Mitte sinken oder je nach Wassertemperatur wieder aufwärts steigen oder schließlich den Boden erreichen. Hat es aber den Boden erreicht, so muss das Glas in einen kälteren Ort zurückgebracht werden; dann steigt das Kügelchen aufwärts. Wenn es sich nun im Aufstieg oder Absinken oder, noch besser, in einem ruhigen Zustand befindet, dann kann das Gefäß langsam in Drehung versetzt werden, und das Kügelchen bewegt sich zum Ort größten Abstandes, d. h. zum Mittelkreis. Und obwohl es aufgrund der empfangenen Antriebskraft gleichsam den Wendekreisen entweder oberhalb oder unterhalb des Äquators zustrebt, wird es jedoch aufgrund des engeren Ortes zur Umkehrung genötigt, da die Kraft gegen die Achse oder die Pole zusammengedrückt wird. Denn alles, was Antriebskraft empfangen hat, zieht von einem zu einem anderen Ort. Schwingungen sind nichts anderes als solche Ortsveränderungen. Guericke, Buch IV, Kap. 7. Die magnetische Kraft kann durch Reibung in jedem beliebigen Eisenstück hervorgerufen werden.93 Man soll einen fingerlangen Eisendraht nehmen, ihn seiner Länge nach genau in Nord-Süd-Richtung bringen und seine beiden Enden auf einem Amboss mit einem Hammer schlagen. […] Man wird dann sehen, wie sich der Eisendraht ganz nach Art einer Kompassnadel einstellt. Daher erwerben auch die kleinen stählernen Werkzeuge, deren sich die Schlosser beim Durchbohren von Eisen bedienen und die volkstümlich „Gerstenkörner“ heißen, infolge einer so heftigen, oftmalig wiederholten Reibung magnetische Kraft und ziehen Eisenfeilspäne reichlich an. […] Man nehme die Nadel oder das Magnetzünglein aus irgendeiner Sonnenuhr94 heraus, man setze es auf eine Spitze, so dass es frei zu schwingen vermag, und man bringe es in die Nähe des Steines, dessen Pole man sucht. Dann wird das Nordende der Nadel den Südpol des Steines anzeigen, und umgekehrt. Hiernach kann [der Magnetstein] dicht bei seinen Polen mit einem Schleifstein oval zugespitzt werden; er wird geeignet sein, weitere Nadeln zu magnetisieren. Kap. 9. Durch die Drehkraft der Erde wird auch der Mond in Drehung versetzt, und da [der Mond] weiter entfernt ist, [erfolgt dessen Drehung] nicht in der gleichen Zeit, sondern das, was die Erde in 24 Stunden [als Drehung vollzieht, vollzieht] der Mond in 29 1/2 Tagen. (+ Dies soll mit dem Abstand der Erde von der Sonne verglichen werden.95 Man soll auch in Erwägung ziehen, ob es eine Laufzeit der Sonnenumdrehung gibt, ja geben kann.96 +) Kap. 10.97 Taucher, die tief unter Wasser getaucht sind, hören heftige Klänge. Der Widerhall hänge, so meint [Guericke], nicht mit der Gestalt des Ortes, sondern mit einer Eigenschaft zusammen: Wie der Bologneser Stein98 Licht aufsaugt und zurückgibt, so sei das Echo, sagt [Guericke], ein Klang, für den es möglicherweise eine geeignete Steingattung gebe. Diese Materie könnte wie das Felsenbein im Ohr der Tiere sein.
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c. 11. Circa Lacrymas vitri, gläserne Springkhornlein, quas nunquam sibi visas ait, ejusdem mecum sententia est. c. 12. Caeruleus color in superiore aeris parte oritur ex nigro et albo; ubi enim aer a rarissimis aquosis humoribus desinit vel omnino purus fit, ibi deficit album ut incipit nigrum. Nam purus aer lumen liberrime transmittit seu niger {252} est. Hinc gutta lactis et atramenti ad invicem {positae}a in loco intermedio (+ NB ita alii colores sibi sine commixtione tantum admoveri possunt, ut appareat quis color ex eorum umbris, ita lux per diversa colorata in eundem locum trajici et ita colores misceri +) caeruleum efficiunt colorem (+ an forte et caeteri ex nigro et albo, nam ex flavo et caeruleo viridis +).
Abb. 6a: LH XXXV 14, 2, Bl. 99v, Ausschn.
cap. 13. De natura et qualitatibus visus. Ibi Gerickius de distantia ex diametro apparente cognoscenda. Sed distantiae ratio haberi potest non absoluta, sed ad ipsius astri magnitudinem. Nam esto angulus bac 30 min. erit dab 15 min. Centro b, radio bd describatur arcus de; hujus tangens da, quae est 229 si bd est 1, seu erit 2291816 si bd est 1,0000. Ergo si objecti magnitudo nobis cognita, omnia determinari possunt. {263} [98r] cap. 14. Astra {cominus}b invisibilia, {eminus}c sunt visibilia ob restrictionem, sic enim lucida apparent. (+ Ut terra Frolichio non apparebat ex monte Carpathio, apparebit tum in Luna +). Mars cum est in oppositione Solis et ideo terrae sexies vicinior quam conjunctioni proximus, vix apparet duplo major, cum debeat
a {positae} EN, 142b // posito LH u. A b {cominus} EN, 145a // eminus LH u. A c {eminus} EN, 145a // cominus LH u. A
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Kap. 11. Ich teile [Guerickes] Ansicht über die Glastränen („gläserne Springk hornlein“),99 von denen er behauptet, sie niemals gesehen zu haben. Kap. 12. Die blaue Farbe des oberen Luftbereichs rührt von der Zusammenwirkung von Schwarz und Weiß her. Denn dort, wo die Luft keine wässrigen Dünste mehr enthält oder schlechthin rein ist, endet die Weiße und beginnt die Schwärze.100 Die reine Luft überträgt das Licht nämlich höchst ungehindert, d. h., sie ist schwarz. Daher bringen ein Milchtropfen und ein Tintentropfen, wenn man sie nebeneinander setzt (+ wohlgemerkt: so kann man die anderen Farben, ohne sie zu mischen, einfach zueinander führen, damit aus deren Schatten eine Farbe erscheint; so kann man Licht durch verschiedene farbige Medien werfen und somit Farben mischen +), im mittleren Bereich die blaue Farbe hervor. (+ Ergeben sich etwa auch die übrigen Farben aus Schwarz und Weiß? Grün [ergibt sich] ja aus Gelb und Blau. +)101
b
d
e
Tangens 2291816
15 15
a
c Abb. 6b: A VIII, 1, S. 252, Fig. 2
Kap. 13. Natur und Eigenschaften der Sehkraft. Hier [befasst sich] Guericke damit, wie der Abstand [eines Gestirns] anhand [seines] scheinbaren Durchmessers erkannt werden soll. Das Verhältnis des Abstands [zum scheinbaren Durchmessers] lässt sich aber nicht als ein absolutes erfassen, sondern als ein von der Größe des Gestirnes abhängiges. Sei der Winkel bac nämlich 30 Minuten, so wird dab 15 Minuten sein. Mit Zentrum b und Radius bd soll ein Kreisbogen de beschrieben werden, dessen Tangente da 229 ist, wenn bd 1 ist, oder 2.291.816, wenn bd 10.000 ist. Ist folglich die Größe des Gegenstands uns bekannt, so lässt sich alles bestimmen.102 Kap. 14. Die von der Nähe unsichtbaren Gestirne sind von weiterer Ferne sichtbar aufgrund der Zusammendrängung; so nämlich erscheinen sie leuchtend. (+ Wie Fröhlich die Erde nicht sichtbar war, als er auf den Karpaten war, so wird sie wohl sichtbar, wenn man auf dem Mond ist. +)103 Wenn sich Mars in Opposition zur Sonne befindet und somit der Erde sechsmal näher ist als bei
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quintuplo. Nubes quoque {altiores}a ob restrictionem luminis eodem colore nobis apparent quo Luna de die, vesperi vero a sole illuminatae igneae videntur; sic quoque aer conglobatus nobis Cometa apparet, valde autem remotus ob constrictionem Luminis a sole accepti videtur stella nova. Astra oculis nostris non repraesentantur simplicia et pura, sed radiis adventitiis partim brevibus, partim longis, ita ut corpus ipsorum multoties auctius appareat, sicut quoque in accensis candelis et faculis eminus positis videmus, quae noctu visae e longinquo multis ejusmodi radiis circumdatae videntur, e propinquo autem flammulam suam terminatam et exiguam ostendunt. Causa breviorum radiorum est, quia lux et lumen in laevitate tunicarum quae supra nostrorum oculorum pupillas sunt reflectitur, quae reflexio cominus ob sphaeram luminosam percipi non potest. Sed eminus, dum magis ibi umbrosum est, percipitur, nobisque videtur esse hos radios in astris vel candelis, cum sint super pupillas. Sed longiores radii a palpebris existunt, quia quanto angustiores tenentur genae, tanto longiores fiunt hi radii; apertis genis omnino non percipiuntur. Hinc Telescopium tales radios astris detrahit, ut cani majori stellis omnibus pulchriori, qui per Telescopium apparet multoties minor. Et Galil. System. dial. {3}b, stellae fixae primae magn. apparentem diametrum duorum, et aliquando judice Tychone trium {minutorum}c, revera esse vix 5 secundorum fortasse. Quaedam ergo parva apparent et sine his radiis, {264} vel ob nimiam lucis non satis vivaciter radiantis debilitatem, vel si propinqua, ob sphaerae luminosae veram lucem praedominantem. Venus in conjunctione sua vespertina solem subiens multo major apparere deberet, quam in altera matutina, et tamen ne duplicata quidem videtur. Ratio: quia tunc in falcem sinuatur, et propter cornua exiguum ejus fit lumen et debile. Jupiter prae caeteris magna atmosphaera circumdatus, hinc apparet major. Gerick. lib. 4. cap. 15. De Globo sulphureo notat virtutem Electricam non videri in aere consistere, quia etiam longe per filum lineum agat (+ instar soni +). Non reddit rationem phaenomenorum globi sulphurei.
a {altiores} LH // ultiores A b {3} EN, 146a // 5 LH u. A c {minutorum} EN, 146a // diametrorum LH u. A
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günstiger Konjunktion [mit der Sonne], erscheint er trotzdem kaum zweimal so groß, obwohl er fünfmal [so groß] erscheinen sollte. Die höchsten Wolken erscheinen uns aufgrund der Lichtzusammendrängung von gleicher Farbe wie der Mond bei Tageslicht. Wenn sie abends aber von der Sonne beleuchtet werden, erscheinen sie wie feurig. In gleicher Weise erscheint uns auch die umschwebende Luft als Komet;104 wenn sie aber sehr weit entfernt ist, dann erscheint sie aufgrund der Zusammendrängung des empfangenen Sonnenlichtes als neuer Stern. Die Gestirne bieten sich unserem Blick nicht in schlichter und reiner Gestalt dar, sondern mit einem Kranz von kürzeren und längeren Strahlen versehen, so dass ihr Körper um ein Vielfaches größer erscheint. Das Gleiche beobachten wir auch an brennenden Kerzen und Fackeln: Nachts aus weiterer Ferne betrachtet, erscheinen sie uns von vielen solchen Strahlen umkränzt; aus der Nähe gesehen, zeigen sie jedoch ihr eng umgrenztes kleines Flämmchen. Diese kürzeren Strahlen kommen folgendermaßen zustande: [1] Eigenlicht und Borglicht werden von der Glätte der auf unseren Pupillen gedehnten Hornhaut gespiegelt; [2] diese Spiegelung lässt sich ob des umgebenden Borglichts nicht aus der Nähe wahrnehmen, wohl aber aus einem größeren Abstand, falls es dort dunkel ist. Uns kommt vor, als würden wir derartige Strahlen an Kerzen sowie an den Gestirnen sehen, während sie in Wahrheit nur auf unseren Pupillen vorhanden sind. Die längeren Strahlen entstehen hingegen durch die Augenlider; denn je mehr man die Augen zusammenkneift, desto länger werden diese Strahlen; bei weit offenen Augen werden sie gar nicht wahrgenommen. Ein Teleskop zieht derartige Strahlen bis zu den Gestirnen ab, etwa zum Großen Hund, dem schönsten aller Sterne, der durch das Teleskop um ein Vielfaches kleiner erscheint. Auch Galilei im Dialog über die zwei Weltsysteme, 3. Tag105, meint, der scheinbare Durchmesser der Fixsterne erster Größe betrage [nach gemeiner Vorstellung] zwei [Minuten], Tycho zufolge manchmal drei [Minuten], eigentlich seien es möglicherweise kaum 5 Sekunden. Einige Gestirne kommen uns somit auch ohne diese Strahlen klein vor, sei es aufgrund der übermäßigen Schwäche ihres Lichtes, das unzureichend lebhaft strahlt; sei es – bei näheren Gestirnen – ob des umgebenden Borglichts, welches das Eigenlicht übertrifft. Venus müsste, wenn sie der Sonne in der abendlichen Konjunktion folgt, viel größer erscheinen als in der Frühkonjunktion, und trotzdem sieht man sie kaum doppelt so groß. Der Grund ist, dass der Übergang in die Sichelgestalt zugleich erfolgt und durch die Hörnerbildung die leuchtende Fläche des Planeten klein und schmal wird. Jupiter ist von einer breiteren Atmosphäre umgeben als die übrigen [Planeten]; daher wirkt er größer.106 Guericke, Buch IV, Kap. 15 (Über die Schwefelkugel) stellt fest, dass die elektrische Kraft anscheinend nicht aus Luft bestehe, da sie durch einen Leinenfaden auch fern wirken kann (+ ähnlich wie der Schall +). Er begründet die Phänomene der Schwefelkugel nicht.107
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{Excerpta ex libro quinto}a lib. 5. cap. 1. Terra nunquam ad dimidium unius miliaris Germanici quadrantem perfossa est. Omnes cryptae speluncaeque (cap. 3) quas nos subterraneas vocamus, non subterraneae sed superficiariae et quasi in cortice sunt. Videri tonitrua, fulmina, ventos generari sub terra, et e montibus erumpere. Tales sunt Orkan. Ajunt Gurgitem Nautis Maelstrom esse celeberrimum in Norwegia: 13 miliarum in circuitu, medium petra occupat, quam vocant Moußke; is horis 6 absorbet omnia, et aliis 6 horis quae displicent revomit. cap. 3. Anno 1663, hoc ipso anno quo autor se haec scribere ait, Quedlinburgi in monte vulgo den Zeunickenberg, ubi materia calcis effoditur, et quidem, in quadam ejus rupe repertum est sceleton unicornis, in posteriori corporis parte, ut bruta solent, reclinatum, capite vero sursum elevato, ante frontem gerens longe extensum cornu crassitie cruris humani, atque ita secundum proportionem longitudine quinque fere ulnarum. Animalis hujus sceleton primum ex ignorantia fuit contritum et particulatim extractum, donec caput una cum cornu et aliquibus costis, spina dorsi atque ossibus Reverendissimae principi Abbatissae ibidem degenti fuerit traditum. Unde {Tellus}b longo temporis tractu ut viventia incrementum sumit speciemque habet vegetabilis augmentum prae se ferentis; in pantheon jam descenditur, in quod olim multis ascendebatur gradibus (+ ego contra puto illuvionibus terram complanari et valles attolli +). {265} Cap. 4. Putat tellurem praeditam anima sensibili. Telluris ait motum vertentem esse ab ipsius appetitu Poli nunc has, nunc illas partes opponendi. Ejus vitam a solis flamma mutuo sumtam. Etiam Aristarchus De Mundi systemate {sub tit.}c de cometis, terram videri animatam. [101v] Gerick. lib. 5 cap. 4. {Tam}d motus terrae diurnus quam annuus tractu temporis fit tardior, ipsa terra scilicet crescente ut alia vegetabilia: hinc haud dubie praecessio aequinoctiorum. Cap. 5. Semper in tellure duae sunt intumescentiae a partibus oppositis, tempus vero inter duas ejusmodi intumescentias ut et detumescentias est 12 horarum cum 24’ 3/8 minutis. Duo haec tempora faciunt 24 horas cum 48’ 3/8 min. quae fere constituunt 25 horas, atque ideo singulis diebus intumescentia summa integra fere hora (50’ minutis) tardius ad eundem meridianum redit. Intumescentia maxima,
a {Excerpta ex libro quinto} fehlt in LH u. A b {Tellus} EN, 155b // tempus LH u. A c {sub tit.} LH // subsit A d {Tam} LH // Jam A
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Aus Buch V Buch V, Kap. 1. Die Erde wurde noch nie auch nur eine deutsche Achtelmeile durchgraben.108 Sämtliche Gräben und Höhlen (Kap. 3), die wir unterirdisch nennen, sind nicht unterirdisch, sondern an der Oberfläche, gleichsam an der Rinde. Anscheinend entstehen Donner, Blitze, Winde unterirdisch und brechen aus Bergen heraus. Derart sind die Orkane. Man sagt, es gebe in Norwegen einen höchst berühmten Wasserstrudel – „Malstrom“ für die Seefahrer – mit einem Umfang von dreizehn Meilen, in dessen Mitte ein Fels stehe, den man „Moußke“ nenne. Der Strudel sauge sechs Stunden lang alles auf, und weitere sechs Stunden lang erbreche er alles, was ihm missfalle.109 Kap. 3. Im Jahre 1663 – eben demselben Jahr, in dem der Autor nach eigener Aussage dies niedergeschrieben hat – wurde in einem Berg bei Quedlinburg, den man gewöhnlich „den Zeunickenberg“ nennt und als Gipsgrube benutzt, in einer der dortigen Felsspalten das Skelett eines Einhorns gefunden. Dieses saß auf seinem Hinterteil, wie es bei Tieren üblich ist, aber mit erhobenem Kopf und trug vorne auf der Stirn ein langgestrecktes Horn, so dick wie ein menschlicher Oberschenkel und folglich, der Proportion nach, etwa fünf Ellen lang. Das Skelett dieses Tieres wurde zunächst zwar aus Unverstand zerbrochen und in Stücken ans Licht gezogen, schließlich aber wurde der Kopf zusammen mit dem Horn und einigen Rippen, der Wirbelsäule und den Beinknochen der hochwürdigsten Fürstäbtissin übergeben, die ebendort ihren Sitz hat.110 Die Erde erfährt daher in einer langen Zeitspanne Wachstum wie ein Lebewesen und weist eine pflanzliche Form der Zunahme auf. Jetzt steigt man ins Pantheon hernieder, während man einstmals mehrere Stufen zu ihm emporstieg. (+ Ich glaube hingegen, dass die Erde infolge von Flutungen geebnet und die Täler erhoben werden. +)111 Kap. 4. [Guericke] meint, die Erde sei mit einer wahrnehmungsfähigen Seele ausgestattet.112 Er sagt, die Drehbewegung der Erde ergebe sich aus der Strebung ihres Pols, sich bald dem einen, bald dem anderen Teil entgegenzusetzen.113 Ihr Leben114 rühre wechselweise von der Sonnenflamme her. Auch Aristarchos115 in De mundi systemate unter dem Titel „Die Kometen“ [schreibt], die Erde sehe lebendig aus.116 Guericke, Buch V, Kap. 4. Sowohl die tägliche Eigendrehung der Erde als auch ihre jährliche Mitführungsbewegung werden mit der Zeit langsamer, da die Erde selbst wie alle anderen Pflanzenwesen wächst.118 Davon rührt zweifelsohne das Vorrücken der Tag-und-Nacht-Gleichen her. Kap. 5.119 Stets treten zwei Fluten an entgegengesetzten Punkten der Erde ein. Die Zeit zwischen zwei Fluten sowie zwischen zwei Ebben beträgt aber 12 Stunden und 24 3/8 Minuten; zwei solchen Zeitspannen umfassen 24 Stunden und 48 3/8 Minuten, d. h. rund 25 Stunden. Deswegen tritt eine Flut an aufeinanderfolgenden Tagen beim selben Längengrad fast eine volle Stunde (50 Minuten) später ein als
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cum luna meridianum occupat supremum vel imum, in pleniluniis et noviluniis itidem major, item intra Tropicos quam versus polos, item tempore aequinoctiorum. Sed quia simul intumescit ab opposita quoque Lunae parte, ergo non a sola Luna. Ideo {advocanda}a telluris circumgyratio, ut magni vasis. Motio autem duplex, mare bisectum per Americam; quando apud nos est intumescentia meridie, est apud Antipodes eodem quoque tempore, scilicet media ipsorum nocte (+ {destilletur}b +). Cap. 7. Solis profunditas tempore crepusculi 24 gradus non excedit, sed ad summum 21 3/4 grad. terminatur, plerumque tamen 18, nonnunquam 16 tantum est grad. (+ experimenta instituenda quando crepuscula longiora. +) Ideo aer sensibilis circiter ex Riccioli calculo miliarium Germ. 24. {266} Cap. 7. Odor maximarum urbium sentitur per 4 miliaria Germanica et odor terrae a navigantibus per 6. Cap. 8. Relatio Frölichii de Carpathio monte et regionibus aeris (+ adde aliam Morini de regionibus subterraneis cujus meminit Gassendus in vita Peireskii. +) Memorabile sclopetum in summo aere explosum nullum pene sonum edidisse, at sonum mox in convalles delatum, horrendum dedisse murmur. Vidit nubes sub pedibus, in quibus antea velut in nebulis inerat. Cap. 9. Frigiditas non in montibus, quasi media regio aeris sit frigida, sed a montium effluentiis terraeque. Hinc Zabarella in monte Veneris agri Patavini aestivo tempore eundem, qui in fundo, expertus calorem. Gerick. lib. 5 cap. 10. Quando aer plus aquei humoris recepit, tunc se magis extendit majusque spatium occupat: quo vero magis humore {destituitur}c, eo magis se contrahit seu minus spatium occupat. Unde semper post pluviam astra apparent clariora et minora minoresque habent refractiones, et id tempus ad observanda sidera longe aptissimum. Hinc sidera nobis ob aerem apparent ab horizonte elevatiora, quam revera sunt; imo videri esse supra horizontem, cum sunt infra. Hinc omnia eorum puncta visibilia immutantur, elevationes, ascensiones, descensiones, longitudines, latitudines, declinationes, ipsa aequinoctia et solstitia. Hinc
a {advocanda} // advocando LH u. A b {destilletur} Symbol in LH c {destituitur} EN, 164a // constituitur LH u. A
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am Tag vorher. Eine Flut [tritt ein], wenn der Mond (bei höchster oder tiefster Stellung) in der Mittagslinie des betreffenden Ortes steht; [sie ist] stärker [a] bei Voll- und Neumond, [b] zwischen den Wendekreisen als an den Polen, [c] zur Zeit der Tag-und-Nacht-Gleichen. Da [das Meer] aber auch an der Stelle [der Erde] schwillt, die dem Mond entgegengesetzt ist, kann dies nicht vom Mond allein herrühren. Dafür mitverantwortlich ist somit die Umdrehung der Erde, die sich wie ein großes Gefäß verhält. [Diese] Bewegung ist aber zweifach, [weil] das Meer durch den amerikanischen Kontinent zweigeteilt [ist]. Wenn eine Flut bei uns zur Mittagszeit erfolgt, erfolgt [eine] zur gleichen Zeit bei den Antipoden, d. h. zu Mitternacht bei ihnen. (+ Darüber soll weiter nachgedacht werden. +) Kap. 7. Der tiefste Stand der Sonne zur Zeit der Dämmerung reicht nicht über 24 Grad hinaus, sondern erstreckt sich bis höchstens 21 3/4 Grad, zumeist jedoch bis 18, zuweilen 16 Grad. (+ Man sollte während der längsten Dämmerungszeit Versuche anstellen. +) Die wahrnehmbare Luft erstreckt sich nach Ricciolis Berechnung um etwa 24 deutsche Meilen.120 Kap. 7. Der Geruch von Metropolen lässt sich aus einer Entfernung von vier deutschen Meilen wahrnehmen. Seefahrer nehmen den Geruch der Erde aus einer Entfernung von sechs Meilen wahr. Kap. 8. Fröhlichs Referat über die Karpaten und die Gebiete der Luft.121 (+ Als zweites ist Morins122 Referat über die unterirdischen Gebiete hinzuzufügen, das Gassendi123 in seiner Peiresc-Biographie erwähnt.124 +) Denkwürdig ist, dass ein Gewehrschuss in der höchsten Luftschicht nahezu keinen Klang hervorgebracht haben soll; als der Schall sich aber nach einiger Zeit in die umliegenden Täler fortbewegt hat, soll sich ein fürchterliches Getöse ergeben haben. [Fröhlich] hat unter seinen Füßen die Wolken gesehen, durch die er zuvor wie durch Nebel gewandert war. Kap. 9. Kälte ist auf den Bergen nicht deshalb anzutreffen, weil die mittlere Luftschicht kalt wäre, sondern aufgrund von Ausflüssen aus den Bergen und aus der Erde. Daher hat Zabarella125 auf dem Venusberg im Paduaner Umland zur Sommerzeit dieselbe Temperatur festgestellt wie im Tal.126 Guericke, Buch V, Kap. 10. Wenn die Luft mehr an wässriger Feuchtigkeit aufgenommen hat, dehnt sie sich stärker aus und nimmt einen größeren Raum ein. Je mehr Feuchtigkeit hingegen die Luft abgibt, umso mehr zieht sie sich zusammen, d. h., umso kleiner ist der Raum, den sie einnimmt. Aus diesem Grund erscheinen die Gestirne nach dem Regen stets heller und kleiner und unterliegen einer geringeren Strahlenbrechung; dieser Zeitpunkt ist bei weitem auch der zur Sternenbeobachtung am meisten geeignete. Daher kommen uns die Sterne aufgrund der Luft höher über dem Horizont vor, als sie wirklich sind; ja sie scheinen sogar über dem Horizont zu stehen, obwohl sie darunter liegen. Daher ändern sich alle an ihnen beobachtbaren Daten, etwa Polhöhe, Geradaufsteigung, Geradabsteigung, Länge, Breite, Abweichung vom Äquator, selbst die Tag-und-Nacht-Gleichen und
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diametri apparentes quoque in horizonte majores cernuntur, quanto elevatiora magis restringuntur; hinc et in horizonte soli et lunae Elliptica vel ovalis forma, ita ut diameter horizontalis sit 30’, verticalis 36’ minutorum. Hinc astra propter aeris sphaeram semper nonnihil elevantur a vero suo loco. Ideo Tycho duas construxit refractionum tabulas: unam pro planetis et fixis, alteram pro sole, quam et Lunae quodammodo applicari posse censet. In sole ad 45 grad., in fixis ad gradus altitudinis 20 has refractiones exhibet. Si sublimiores sunt stellae, superfluum putavit aestimare refractiones, quia tunc radii stellarum vapores rectius penetrent. Fixae quomodocumque nonnihil amittunt de refractione solis {267} tam in horizonte quam aliis altitudinibus, quia de nocte et praesertim hyeme observantur, sol autem de die et aestate; tamen secundum leges opticas refractio fixarum debet esse eadem quae solis, et non tantum in elevatione ad 20 vel 45 grad. sed et in omni elevatione (+ poli puto +) quia ubivis gentium aeris sphaera est consequenter refractio; quod et Tycho ipse anno 1600 cum esset in Bohemia et observationes continuaret expertus est; invenit enim altitudinem Spicae Virginis sub 30 grad. 1 scrupulum proxime refringi. Sed et propter variationem altitudinis, et ideo sphaerae aeris, virtute densitatis refractiones quotidie variant. In horizonte quoque sidus per copiosiorem aerem videtur, id est quod non tantum super, sed et circa nos est. Hinc major species, praesertim quia aer terrae proprior compressior. [100r] Gerick. lib. 5. cap. 10. Putat Ricciolus refrangentem aeris sphaeram circiter ad 4 mil. (Germ.) se extendere. Sol et Luna ad quantunque in meridiano altitudinem suas variant magnitudines apparentes, et ideo quando elevatiores sunt, seu in signis borealibus, minores videntur, humiliores vero in meridiano, seu in signis australibus, majores. Cap. 11. Non dantur Apogaea et perigaea solis et Lunae, nec datur terrae aphelium et perihelium, et datur motus Eccentricus; sed quod solem et Lunam nunc majores nunc minores videmus, causa est aer (+ haec controversia definiri posset, si sol simul observaretur ex diversis locis, ubi uni est in signis depressioribus, alteri in altioribus, et conferantur diametri apparentes, notatis caeteris
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die Sonnenwenden. Daher wird am Horizont auch ihr scheinbarer Durchmesser als größer wahrgenommen: Je höher [die Sterne] aufsteigen, desto mehr verringert er sich. Daher rührt auch die elliptische oder ovale Gestalt der Sonne und des Mondes am Horizont, so dass der waagerechte Durchmesser 30’, der senkrechte 36’ Minuten ist. […]127 Daher stehen die Gestirne aufgrund der umgebenden Lufthülle stets ein wenig oberhalb ihres wahren Ortes. […] Deshalb stellte Tycho Brahe zwei Tafeln für die Strahlenbrechung auf, die eine für die Fixsterne und die Planeten, die andere für die Sonne, wobei diese letztere nach seiner Meinung irgendwie auch auf den Mond Anwendung finden kann.128 Er gibt die Brechungen bei der Sonne bis zu 45 Grad, bei den Fixsternen bis zu 20 Grad an. Wenn die Sterne höher stehen, dann ist es seiner Ansicht nach überflüssig, die Brechungen zu berücksichtigen, weil ihre Strahlen senkrechter die Dünste durchqueren. […] Bei den Fixsternen ist die Strahlenbrechung etwas geringer als bei der Sonne, und zwar sowohl bei einer Stellung nahe dem Horizont wie auch bei anderen Höhenständen; denn man beobachtet sie nachts und besonders im Winter, die Sonne dagegen tagsüber und im Sommer. Dennoch muss die Strahlenbrechung der Fixsterne nach den Gesetzen der Optik ebenso groß sein wie die der Sonne. Dies gilt nicht nur für eine Höhe von 20 bzw. 45 Grad, sondern für jede beliebige Höhe (+ ich nehme an, es geht um die Polhöhe +), da die umgebende Lufthülle und folglich die Strahlenbrechung allenthalben vorhanden sind. Diese Erfahrung machte auch Tycho selbst im Jahre 1600, als er in Böhmen weilte und seine Beobachtungen fortsetzte; er fand nämlich für die Ähre der Jungfrau bei einer Höhe von 30 Grad eine Strahlenbrechung von nahezu einer Minute. Die Strahlenbrechung ändert sich aber täglich je nach Änderung der Höhe und somit der Lufthülle, und zwar aufgrund ihrer Dichte. Am Horizont erscheint ein Stern zudem durch mehr Luft hindurch, da diese nicht nur über uns, sondern auch um uns herum liegt. Daher [rührt] seine größere Gestalt, zumal die Luft, die der Erde am nächsten liegt, am stärksten zusammengedrückt wird. Guericke, Buch V, Kap. 10. Riccioli meint, die für die Strahlenbrechung verantwortliche Lufthülle erstrecke sich ungefähr vier (deutsche) Meilen. Sonne und Mond, gleichlaufend, ändern mit ihrer Mittagshöhe ihre scheinbare Größe. Somit erscheinen sie kleiner, wenn sie höher stehen, d. h., wenn sie sich in den nördlichen Tierkreiszeichen finden; größer, wenn sie tiefer stehen, d. h., wenn sie sich in den südlichen Tierkreiszeichen finden. Kap. 11. Weder gibt es erdferne bzw. erdnahe Stellungen der Sonne sowie des Mondes, noch gibt es eine sonnenferne bzw. sonnennahe Stellung der Erde. Es gibt freilich eine exzentrische Bewegung, aber der Grund, weshalb wir Sonne und Mond bald größer, bald kleiner sehen, ist die Luft. (+ Diese Kontroverse ließe sich entscheiden, wenn man die Sonne zugleich aus verschiedenen Orten beobachtete, an denen sie sich für den einen [Beobachter] in den tieferen Tierkreiszeichen, für den anderen in den höheren befände, und wenn man die [jeweils] schein-
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circumstantiis factisque saepe experimentis, unde determinari posset an haec a refractione, an a majore propinquitate +). Exemplum momentaneae alterationis aeris habes in Optica Astronomica Kepleri, qui asserit anno 1588 die 2 Mart. captam differentiam in meridiano altitudinis marginum lunae fuisse eodem die modo 31’, modo 32’ 1/3, modo 30’ 1/4 minut. et die praecedente 33’. Deinde Luna existente in media longitudine anno 1591 die 22 Febr. observata bis 31’, sexies {268} 32’, septies 33’, sexies 34’ minut. Ecce variationes unius diei. Et Gemma Frisius testatur in Radio Astronomico observatam sibi anno 1542 die 15 Xbr. paulo post quadraturam Lunae diametrum apparentem 30’ min. Quo tempore debuit juxta Ptolemaeum (quia Lunae perigaeae in quadraturis dat distantiam semid. terrae 33’ 1/2, unde sequeretur diametrum apparentem tunc fuisse 56’ min., hoc est pene duplo majorem, quam {Lu}a nae Apogaeae in copulis esse) 50’ min et plus. Sed alii longe minorem diametrum Lunae observarunt in omni quadra. Ricciol. lib. 4 cap. 14. n. 2. Sol ex dictis debet major apparere nobis in signo Australi Capricorno, seu tempore hyberno, quam alias tempore aestivo, in Cancro, signo boreali. Nec unquam conveniunt Astronomi in assignandis Apogaeis et perigaeis et apparentibus in iis diametris luminarium. Et quod solis et Lunae Apogaeum ex Eclipsibus probare volunt, Ricciolus Alm. lib. 3 cap. 10 schol. num. 2 et lib. 4. cap. 16 in schol. incertum fatetur. Quod vero allegant, majorem minoremque inventam Lunae parallaxin in eadem distantia a vertice, opus est observationibus; et forte fieri potest, ut nonnunquam Terra Lunam nonnihil attrahat ut globus plumulam. Etiam istae parallaxium differentiae ex diversa aeris constitutione esse possunt. Copernicus et Tycho quippe septentrionaliores minorem parallaxin quam Pto lemaeus invenere et Ptolemaicam contrahendam putavere. Dicunt Astronomi ex observationibus aequinoctiorum constare, solem in semicirculo boreali (ab initio scilicet Arietis per Cancrum ad Libram) versari diebus 186 vel 187, at in semicirculo Australi ab initio Librae per Capricornum ad Arietem diebus duntaxat {ut}b 178 vel 179. Diversitatem hanc itaque tribuunt apogaeo et perigaeo solis, quod scilicet in eo quadrante, in quo longiores moras efficit, sit Apogaeum solis et contra. Sed ab
a {Lu} Mondsymbol in LH u. A b {ut} LH // ab A // fehlt in EN
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baren Durchmesser vergliche. Dabei sollte man alle übrigen Umstände vermerken und Versuche oft durchführen, womit man bestimmen könnte, ob diese [Phänomene] von Strahlenbrechung oder von einer größeren Nähe herrühren. +)129 Ein Beispiel augenblicklicher Veränderung der Luft findet man in Keplers Optica astro nomica.130 Kepler behauptet, der am 2. März 1588 beim Hochstand des Mondes erfasste Abstand der Mondränder sei am gleichen Tag bald 31’, bald 32’ 1/3, bald 30’ 1/4 Minuten gewesen und am vorherigen Tag 33’ Minuten. Als der Mond sich ferner am 22. Februar 1591 in einem mittleren Längengrad befunden habe, sei der beobachtete [Abstand] zweimal 31’, sechsmal 32’, siebenmal 33’, sechsmal 34’ Minuten gewesen. Das seien Variationen an ein und demselben Tag. Gemma Frisius131 bezeugt ferner in De radio astronomico,132 er habe am 15. Dezember 1542, kurz nach dem ersten Viertel, einen scheinbaren Durchmesser des Mondes beobachtet, der 30’ Minuten betragen habe. Zu jener Zeit hätte der scheinbare Durchmesser des Mondes jedoch Ptolemäus133 zufolge mindestens 50’ Minuten betragen müssen. (Ptolemäus gibt nämlich an, dass die Entfernung des Mondes in erdnaher Halblichtstellung 33 1/2 Erdhalbmesser betrage; der scheinbare Durchmesser des Mondes hätte damals folglich 56’ Minuten betragen müssen, d. h. nahezu doppelt soviel wie bei erdfernem Mond in der Konjunktion.) Andere haben aber einen weit geringeren Durchmesser des Mondes bei jeder Halblichtstellung beobachtet, etwa Riccioli, Buch IV, Kap. 14, Nr. 2. Nach dem Gesagten muss uns die Sonne im südlichen Zeichen des Steinbocks, d. h. im Winter, größer erscheinen als zur Sommerzeit, d. h. im nördlichen Zeichen des Krebses. Die Astronomen können sich auch nie darüber einigen, wie man die erdferne bzw. erdnahe Stellung und den jeweiligen scheinbaren Durchmesser der Gestirne bestimmen soll. Ihre Methode, anhand von Eklipsen die erdferne Stellung der Sonne und des Mondes nachzuweisen, beschreibt Riccioli im Almagestum novum (Buch III, Kap. 10, Anmerkung Nr. 2 und Buch IV, Kap. 16, Anmerkung)134 als unsicher. Hinsichtlich dessen, was [die Astronomen] über die Parallaxe des Mondes vortragen – dass diese sich nämlich bei gleichem Abstand vom Vertex135 als größer oder kleiner erweise –, sind Beobachtungen erforderlich. Es kann sein, dass die Erde bisweilen den Mond etwas anzieht wie eine Kugel ein Federchen.136 Auch diese Unterschiede der Parallaxe können von der unterschiedlichen Verfassung der Luft herrühren. Kopernikus137 und Tycho, die weiter im Norden lebten als Ptolemäus, ermittelten nämlich eine kleinere Parallaxe und glaubten, die ptolemäische müsse verringert werden. Die Sonne verweile – so behaupten die Astronomen anhand ihrer Beobachtungen der Tagundnachtgleichen – im nördlichen Halbkreisbogen (d. h. vom Anfang des Widders über den Krebs bis zur Waage) 186 oder 187 Tage, in dem südlichen (vom Anfang der Waage über den Steinbock bis zum Widder) hingegen nur 178 oder 179. Diesen Unterschied führen sie auf die erdferne bzw. erdnahe Stellung der Sonne zurück, sofern in demjenigen Kreisviertel, in dem
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Hipparcho usque ad Albategnium morabatur in primo quadrante {Eclipticae}a pluribus diebus et horis quam in 2do quadrante, et in secundo pluribus quam in quarto, et in quarto pluribus quam in tertio, ita ut in semicirculo ascendente, a Capricorni scilicet initio per Arietem ad initium Cancri, pluribus moraretur quam in semicirculo descendente, ab initio Cancri per Libram ad initium Capricorni, consequenter cursus solis jam foret inversus et {269} moram quam habuit tempore Hipparchi a Libra per Capricornum ad Arietem, jam habet ab Ariete per Capricornum ad Libram. Ergo tunc quoque ab Hipparcho ad Albategnium Apogaeum fuit in signis Australibus, quod non concedent [Astronomi]b. Ergo res ista omnis incerta. Adde quod motus in Tabulis uniformis, apparentiae ab aere. Consentit Claramont. de universo lib. 3 et Fracastorius. [93v] Gerick. lib. 5. c. 12. Remissius movetur aer sub Tropicis, ubi gyratio terrae celerior; hinc retardatio ejus, quia minus capax impetus impressi magni, quam aqua aut alia corpora solida, at levioris est magis proportionaliter capax; credendum et majorem esse adhuc retardationem aeris altioris. Cap. 18. Corpora lucida et luminosa, quo magis removentur, hoc magis inclarescunt, ut nubes circa occasum solis instar solis radiare cernimus, et si a luna longius recederemus, fulgeret nobis tandem quasi stella, quia omnes colores ob distantiam evanescunt, luce ipsa evanescente tantum omnium postrema. Cap. 22. Quod ad Lunae distantiam, Parallaxis ejus communior est 53’ minutorum; hinc sequitur ex Tabula sinuum distare a terra 64 semidiametris terrae. 53’ minutorum parallaxis observatur, cum luna est in signis Borealibus, id est {elevatior}c et ideo minus subjecta refractionibus. Diameter lunae apparens ut plurimum 30’ min. Semidiameter Lunae {240}d milliarium Germanicorum. Cap. 25. Petrus in Ep. priorem coelum et terram fuisse, ex aqua et diluvio periisse. Ideo intelligenda in scriptura sacra coeli voce: aer. Ad Gerickii lib. 5. Appendix de Cometis sunt Epistolae inter Gerickium et Stanislaum Lubieniecium de Lubieniez Eq. Polonum, insertae Theatro Cometico Amst. 1668 a fol. 453 ad fol. 465. Hypothesis est Gerickii de Cometis. Tubos opticos
a {Eclipticae} LH // Ecliptico A b [Astronomi] A nach EN, 167b // Astrologi LH c {elevatior} LH // elevatur A d {240} EN, 181b // 42 LH u. A
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die Sonne länger verweilt, der Punkt ihrer erdfernen Stellung liegen soll und umgekehrt. Aber in der Zeit von Hipparchos138 bis auf Al-Battani139 verweilte die Sonne im ersten Viertel der Ekliptik mehr Tage und Stunden als im zweiten, im zweiten mehr als im vierten und im vierten mehr als im dritten, so dass sie also den aufsteigenden Halbkreis (d. h. vom Anfang des Steinbocks über den Widder bis zum Anfang des Krebses) langsamer durchlief als den absteigenden Halbkreis (vom Anfang des Krebses über die Waage bis zum Anfang des Steinbocks). Mit dem heutigen Verlauf der Sonne verhält es sich folglich umgekehrt: Den Verzug, den zu Hipparchos Zeit die Sonnenbahn von der Waage über den Steinbock bis zum Widder aufwies, weist sie jetzt vom Widder über den Krebs bis zur Waage auf. [In der Zeit] von Hipparchos bis auf Al-Battani befand sich dann also auch die erdferne Stellung [der Sonne] in den südlichen Tierkreiszeichen, was die Astronomen nicht einräumen werden. Diese ganze Angelegenheit ist also unsicher. Ferner erweist sich die Bewegung [der Sonne] in den Tafeln als gleichförmig, die [ungleichförmigen] Erscheinungen rühren von der Luft her. Chiaramonti, De universo, Buch III,140 und Fracastoro141 stimmen überein. Guericke, Buch V, Kap. 12. Die Luft bewegt sich träger zwischen den Wendekreisen, wo die Umdrehung der Erde schneller ist.142 Ihr Verzug rührt davon her, dass sie weniger fähig ist, den Eindruck eines starken Antriebs aufzunehmen, als das Wasser oder andere feste Körper [dazu fähig sind]. Die Luft ist aber verhältnismäßig fähiger, [den Eindruck] eines leichteren [Antriebs aufzunehmen]. Man muss auch glauben, dass der Verzug der höheren Luftschicht noch größer ist. Kap. 18. Leuchtende und beleuchtete Körper werden um so heller, je weiter sie entfernt sind. So sehen wir Wolken beim Sonnenuntergang sonnengleich erstrahlen. Und wenn wir uns weiter vom Mond entfernen könnten, so würde er uns schließlich sterngleich glänzend erscheinen. Denn infolge des Abstandes verschwinden sämtliche Farben, während das Licht selbst nur als ganz letztes verschwindet. Kap. 22. Zur Entfernung des Mondes. Die gewöhnlichste Parallaxe des Mondes beträgt 53’ Minuten.143 Daraus folgt, dass der Mond gemäß der Sinustafel 64 Erdhalbmesser weit von der Erde entfernt ist. Eine Parallaxe von 53’ Minuten lässt sich beobachten, wenn der Mond sich in den südlichen Tierkreiszeichen befindet, d. h. höher steht und somit weniger von Strahlenbrechung betroffen ist. Der scheinbare Durchmesser des Mondes ist zumeist 30 Minuten. Der Mondhalbmesser ist 240 deutsche Meilen.144 Kap. 25. Im Brief des Apostels Petrus145 steht, es habe einen früheren Himmel und eine frühere Erde gegeben, die durch Wasser und Flut untergegangen seien. In der hl. Schrift ist unter dem Begriff „Himmel“ also Luft zu verstehen.146 Der Anhang „Von den Kometen“ zu Guerickes V. Buch besteht aus Briefen zwischen Guericke und Stanislaw Lubienietzki von Lubienietz,147 einem polnischen Edelmann, die im Theatrum cometicum, Amsterdam 1668, Bl. 453 bis 465, ein-
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ostendere nil esse Cometas quam nubem conglobatam solaribus radiis illuminatam, tempestas aliquando avulsa instar pyroboli, {superato}a pondere suo {270} in tertiam usque aeris regionem eluctatur. Cauda variat apparentiam secundum solis et oculi dispositionem. (+ Haec cum motu difficulter conciliabuntur, nisi is rectus seu trajectionis. +) Parallaxis hic difficilis ob motum cometae, qui non potest constanter in uno loco observari. (+ Imo possunt conferri momentorum eorundem observationes. Potest etiam aliquid colligi ex motu cometae de motu terrae +). Cometae non videntur, ut Luna, per totum terrarum orbem. Possunt attolli ad 100 forte miliaria, caeterum non egredi aereas regiones, quia ipsorum caudae sunt umbrae luminosae seu refractiones radiorum {so}blarium, nam in aethere non essent caudati, sed criniti seu rosae; quibuscum aliter comparatio est, quique probabiliter quiescunt etsi ob motum annuum terrae moveri videantur, nisi forte a sole attrahuntur, ignis enim attrahet aerem. (+ Notandum quod princeps Robertus dicebat, ut mihi retulit der domscholaster zu Maynz, in America quandam quasi stellam orkani periodici post aliquot annos redeuntis praesagam haberi. +) Gerick. ad lib. 5. append. p. 189. De homunculo ita loquitur. In oblongo angu stoque vasculo vitreo instar canalis facto imaguncula quaedam viri ex ligno artificiose ita facta, ut aere sustineatur, et ab eo libere moveatur et digito mutationem aeris ejusque ponderis pro diverso tempore indicet: si imaguncula solito inferius se demittat, indicio id est aerem praeter solitum leviorem esse factum, et tum quoque experientia probat magnas et horrendas extitisse tempestates. Lubieniecius in respondendo assumit vas esse aeris vacuum, quod tum Gerickius ei non scripserat. Id Gerickius in respondendo quasi assumit, cum ait p. 195: quod attinet homullum ligneum quem in vase vitreo oblongo aere vacuo constitutum (+ forte intellexit: super, insistere scilicet columnae vitreae aere vacuae +) eum primo ea intentione non confeci; plurimum assurgit index si aer multum {aquae}c attraxit. Nondum periculum sui virunculi in oceano factum. {271}
a {superato} LH // superata A b {so} Sonnensymbol in LH u. A c {aquae} EN, 196a // aerem LH u. A
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geschoben sind.148 Guericke stellt [dort] seine Hypothese über die Kometen dar: Das Teleskop zeige, dass Kometen nichts anderes seien als eine zusammengeballte Wolke, die von Sonnenstrahlen beleuchtet werde. Zuweilen reiße sich [von der Erde] ein Gewitter ab wie eine Rakete; wenn sein Gewicht sich überwinden lasse, dringe das Gewitter bis in die dritte Luftschicht durch. Die Erscheinung des Schwanzes ändere sich gemäß der Anordnung der Sonne und der Augen zueinander. (+ Diese Beschreibung ist schwerlich mit der Bewegung [eines Kometen] zu vereinbaren, es sei denn, diese Bewegung sei gradlinig bzw. [die Bewegung] auf einer Wurfbahn. +)149 Mit der Parallaxe ist es hier schwierig; denn einen Kometen kann man aufgrund seiner Bewegung nicht beständig von einem einzigen Ort beobachten. (+ Doch man kann gleichzeitige Beobachtungen150 miteinander vergleichen. Man kann aus der Bewegung des Kometen auch etwas über die Bewegung der Erde schließen. +) Kometen sind nicht, wie der Mond, von der ganzen Weltkugel sichtbar. Sie können bis zu einer Höhe von möglicherweise hundert Meilen hinaufsteigen, sonst aber das Gebiet der Luft nicht verlassen;151 denn ihr Schwanz ist ein leuchtender Schatten bzw. eine Brechung von Sonnenstrahlen. Im Äther wären sie nämlich nicht mit Schwanz, sondern mit Haar ausgestattet oder sähen wie Rosen aus. Womit auch immer man die Kometen sonst vergleicht, wahrscheinlich ruhen sie alle, obwohl sie sich aufgrund des Jahresumlaufs der Erde zu bewegen scheinen; es sei denn, sie werden möglicherweise von der Sonne angezogen. Feuer zieht doch Luft an. (+ Bemerkenswert ist, was Fürst Robert152 zu sagen pflegte, wie mir der Leiter der Domschule zu Mainz153 erzählt hat: In Amerika gebe es eine Art Stern, mit dessen Hilfe man einen regelmäßig alle so und so viele Jahre wiederkehrenden Orkan vorhersagen könne. +) Guericke (im Anhang zu Buch V, S. 189) schreibt über sein Menschlein folgendermaßen: In einem länglichen und engen, röhrenartigen Glasgefäß ist das Bildchen eines Mannes aus Holz so kunstvoll angefertigt worden, dass es von der Luft getragen und frei bewegt wird und mit dem Finger die Veränderung der Luft und ihres Gewichtes anzeigt. Wenn das Männlein tiefer als sonst sinkt, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Luft leichter als sonst geworden ist; die Erfahrung zeigt dann zusätzlich, dass gewaltige und fürchterliche Sturme bevorstehen. Lubienietzki geht in seiner Antwort davon aus, dass das Gefäß [mit dem Männlein] luftentleert sei; was Guericke nicht geschrieben hatte.154 Guericke geht in seiner Antwort einigermaßen davon aus, wenn er auf S. 195 schreibt: Was das Menschlein aus Holz anbetrifft, das in einem länglichen, luftentleerten Glasgefäß untergebracht wurde (+ vielleicht meint er „auf“ [statt „in“], d. h., dass das Holzmännlein auf einer luftentleerten Glassäule ruht +), habe ich es nicht mit dieser Absicht angefertigt [nämlich, dass es große Stürme anzeigt]. Der Zeiger steigt am meisten, wenn die Luft viel Wasser anzieht. Noch kein Versuch wurde mit seinem Männlein auf dem Ozean durchgeführt.155
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{Excerpta ex libro sexto}a Gerick. lib. 6. cap. 4. Eos qui fixas circa terram agunt cum Mich. Havemanno comparat ei {rustico}b, qui ut Panem asse emtum domum deduceret, currum commodato sumtum trahebat. Cap. 5. In spatio aethereo non potest esse motus corporis extra suum centrum, sine alterius corporis adminiculo, etsi possit mente fingi. [92r] Gerick. lib. 6. cap. 6. Solis celerrima gyratio etiam oculis videri potest, maxime Telescopio, ut ait Rheita lib. 4. c. 1. Sol optimo Telescopio 15 pedum vitris coloratis (sed vide ut sint duo colorata convexa) inspectus, instar continue ebullientis et ferventissimi aeris flammaeque lucidissimae sese continue in gyrum reciprocantis apparet. (+ Nota quae de templo S. Nicaesii Lugduni et alibi de Bononiensi S. {Petronii}c puto Ricciolus +) Aurum ipsum liquefactum se centraliter movet. Cap. 7. Corpora Mundana sunt Solaria, Planetaria, Lunaria. (+ Rectius fixae, Planetae, Sociae. +) Lunaria non circumferuntur a sole ob parvitatem non proportionalem distantiae ad impetum recipiendum; sed a planetae propinquo. (+ Nota Cometam debere rapi cum terra ex hypothesi autoris, quod non facit; si Cometa est effluvium nostrae terrae, neque enim excessit Lunarem regionem; ergo deberet a terra circumagi non minus quam luna, nisi dicas nimis rarum et tenue ejus corpus, quam ut impetum impressum accipiat. +)
Abb. 7a: LH XXXV 14, 2, Bl. 92r, Ausschn.
a {Excerpta ex libro sexto} fehlt in LH u. A b {rustico} // rustico comparat LH u. A c {Petronii} nach EN, 205b // Petri LH u. A
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Aus Buch VI156 Guericke, Buch VI, Kap. 4. Im Anschluss an Michael Havemann157 vergleicht [Guericke] die [himmlischen Intelligenzen], die [nach peripatetischer Lehre] die Fixsterne um die Erde herumführen, mit jenem Bauer, welcher, um einen As Brot nach Hause zu tragen, einen Wagen mietete und ziehen musste.158 Kap. 5. Im Gebiet des Äthers159 kann sich kein Körper – ohne Unterstützung eines zweiten Körpers – von seinem Mittelpunkt aus bewegen, obwohl man das sich im Geiste vorstellen kann.160 Guericke, Buch VI, Kap. 6. Die äußerst schnelle Umdrehung der Sonne161 kann man auch mit den Augen, besonders mit Hilfe eines Teleskops, sehen, wie Schyrl162 (Rheita), Buch IV, Kap. 2 bemerkt.163 Wenn man die Sonne mit Hilfe eines vorzüglichen, mit farbigen Gläsern ausgestatteten Fünfzehn-Fuß-Teleskops untersucht, erscheint sie in Gestalt ständig aufwallender und strudelnder Luft und höchst leuchtender Flamme in ständig wiederkehrender Drehung. (+ Bemerkenswert, was über die Kirche Saint-Nizier in Lyon und anderswo – vermutlich bei Riccioli – über die Petronius-Kirche in Bologna [berichtet wird]. +)164 Geschmolzenes Gold selbst bewegt sich zentral. Kap. 7. Die Weltkörper unterteilen sich in sonnenartige, planetenartige und mondartige. (+ Genauer: Fixsterne, Planeten, Trabanten. +) Die mondartigen Körper werden nicht von der Sonne in Drehung versetzt, da sie im Verhältnis zur Entfernung eine zu geringe Masse besitzen, um den [von der Sonne herrührenden] Antrieb aufzunehmen; sondern sie werden vom nächsten Planeten [in Drehung versetzt]. (+ Wohlgemerkt: Nach Guerickes Hypothese165 müsste ein Komet zusammen mit der Erde fortgerissen werden, was nicht der Fall ist. Wenn ein Komet nämlich ein Ausfluss aus unserer Erde ist und auch nicht über das Gebiet des Mondes hinausreicht, so müsste er – ebenso wie der Mond – von der Erde in Drehung versetzt werden; es sei denn, man sagt, sein Körper sei zu dünn und flüchtig, um den [von der Erde] übertragenen Antrieb aufzunehmen. +)166
e g a Sol Abb. 7b: A VIII, 1, S. 271, Fig. 5
k
i
b
c
Terra
Umbra Terrae in Luna
d
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{272} Cap. 9. Supposito diametro solis apparente 30’ min. et umbrae terrae {apparente diametro}a 80 et {diametro}b lunae {apparente}c 30’ min. rejectisque perigaeis et Apogaeis, assumtisque his 4 datis cum Ptolemaeo, hoc modo prout communiter et in summa in meridiano astri elevatione reperiuntur: semidiametris tam {Solis}d quam {Lunae}e apparentibus 15’. min. Lunae distantia a centro terrae 64 semidiam. {terr. Semidiam.}f terrae apparente in luna temp. Eclip. 40’min. Primo in {triangulo}g Rectangulo ibc angulus b semidiameter umbrae terrae, 40’ min., et latus bc distantia lunae a terra, 64 semidiam. terrae. Jam bc potest intelligi radius centro b, et ic tangens, et {bi}h secans. Ergo cum, supposito radio bc 10,000,000, tangens 40’ min. sit 116361, erit supposito radio 64 semidiam. terrae seu 55040 mill., erit, inquam, tunc ic numerus milliarium multiplicatus per tangentem, divisus per radium (omisit divisionem). Oriri ait {640,4509440}i. {Aufertur}j magnitudo umbrae ci a bg vera {semidiametro}k terrae aliunde cognita, restat kg 219,549 (3 milliaria in Germ. Jam in Triangulo Rectang. gki nota sunt latera, gk nunc inventa, et ki distantia Lunae, ergo et angulus gik invenietur, nempe 13’ 42’’. Is angulus idem cum angulo eda, quia lineae ki et bd sunt parallelae, in quas cadit eadem {ed}l. Jam quaeritur axis coni umbrae seu linea bd, ubi dices: uti sinus ang. d 13’ 42’’ ad sinum complementi, id est ang. 90 grad. minus 13’ 42’’ seu 89 grad. 46’ min. 18’’ sec. sic semidiam. terrae 1 ad axem coni umbrae db erit 250,69 (2.) sem. terrae. Jam si 13’ {42}m’’ subtrahantur {ab}n ang. age seu diametro solis apparente, remanent 1’ – 18’’ pro angulo parallaxeos solis bag; subtrahatur ab {abg}o recto, remanet agb 58’ 42’’ sec. Ergo ut sinus anguli bag ad sinum complementum suum anguli agb, sic semidiameter terrae ad distantiam solis ba: producentur 2644 semidiametri terrae; provenient pro semidiametro solis 9900 milliaria Germanica seu fere 10,000. Et corpus est 1521 vicibus majus terra. Motus iste solis oculis inprimis aperte videtur (Gerick. lib. 6. cap. 8), sole occidente vel oriente cum vaporibus et majore aeris profunditate tunc inumbratus est. Referente Scheinero sol praeter tremorem marginalem saepe etiam quadam {273} quasi repentina fulguratione coruscat. Kircher, Itin. Ecstat. p. 22: Solis ebullitionem
a {apparente diametro} // apparens diameter LH u. A b {diametro} // diameter LH u. A c {apparente} // apparens LH u. A d {Solis} Sonnensymbol in LH u. A e {Lunae} Mondsymbol in LH u. A f {terr. Semidiam.} LH // fehlt in A g {triangulo} Dreiecksymbol in LH u. A h {bi} EN, 207 // bc LH u. A i {640,4509440} EN, 207 // 640,549 (3 miliaria Germanica LH u. A j {Aufertur} EN, 207 // Aufert LH u. A k {semidiametro} LH // semidiametra A l {ed} EN, 207 // cd LH u. A m {42} EN, 207 // 46 LH u. A n {ab} LH // at A o {abg} EN, 207 // egb LH u. A
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Kap. 9.167 Man nehme an, (1) der scheinbare Durchmesser der Sonne sei 30’ Minuten, (2) der scheinbare Durchmesser des Erdschattens 80’ Minuten und (3) der scheinbare Durchmesser des Mondes 30’ Minuten; man lehne zudem (4) [die Annahme] erdnaher bzw. erdferner Stellungen [der Sonne und des Mondes] ab. Unter diesen vier Bedingungen, die mit Ptolemäus im Einklang stehen, findet man die Werte, die sich im Allgemeinen und beim Hochstand [des jeweiligen Gestirns] im Mittagskreis ergeben: Bei einem scheinbaren Sonnen- wie Mondhalbmesser von 15’ Minuten sind die Entfernung des Mondes vom Erdmittelpunkt 64 Erdhalbmesser; der Erdhalbmesser, wie er auf dem Mond bei einer Mondfinsternis erscheint, 40’ Minuten.168 Erstens entspricht der Winkel b im rechtwinkligen Dreieck ibc dem Halbmesser des Erdschattens, d. h. 40’ Minuten, und die Seite bc entspricht der Entfernung des Mondes von der Erde, d. h. 64 Erdhalbmesser. Man kann bc als Radius mit Zentrum b und ic als Tangente, bi als Sekante verstehen. Ausgehend von einem Radius bc = 10.000.000, ist die entsprechende 40’-Minuten-Tangente = 116.361. Ausgehend von einem Radius = 64 Erdhalbmesser, d. h. 55.040 Meilen, ist ic dann die Anzahl der Meilen, um die Tangente vervielfältigt und durch den Radius geteilt ([Guericke] hat die Division übersprungen). Das Ergebnis sei, sagt er, 6.404.509.440. Die Breite des Erdschattens ci wird von dem aus anderen Quellen bekannten, echten Erdhalbmesser bg abgezogen. Es bleibt kg = 219.549 (3169 deutsche Meilen. Im rechtwinkligen Dreieck gki sind die Seiten nunmehr bekannt: gk wurde gerade gefunden, und ki ist die Entfernung des Mondes; somit lässt sich auch der Winkel gik bestimmen, nämlich 13’ 42’’. Dieser Winkel ist dasselbe wie der Winkel eda, da die Geraden ki und bd Parallelen sind, die durch dieselbe Gerade ed geteilt werden. Es wird nun nach der Achse des Schattenkegels – d. h. nach der Geraden bd – gefragt, wobei man sagen wird: Wie sich der Sinus des Winkels d 13’ 42‘‘ zum Sinus des Ergänzungswinkels – d. h. eines 90-Grad-Winkels minus 13’ 42‘‘, nämlich 89 Grad, 46 Minuten, 18 Sekunden – verhält, so verhält sich der Erdhalbmesser (1.) zur Achsenlänge des Schattenkegels db. Dies ergibt 250,69 (2.) Erdhalbmesser. Wenn man nun 13’ 42’’ vom Winkel age abzieht, d. h. vom scheinbaren Durchmesser der Sonne, bleiben 1’–18’’ für den Winkel der Parallaxe der Sonne bag.170 Dieser soll vom rechten Winkel abg abgezogen werden. Es bleibt agb 58’ 42’’.171 Folglich: Wie sich der Sinus des Winkels bag zum Sinus seines Ergänzungswinkels agb verhält, so verhält sich der Erdhalbmesser zur Sonnenentfernung ba; das Ergebnis ist 2.644 Erdhalbmesser. Jedem Sonnenhalbmesser entsprechen 9.900 deutsche Meilen, d. h. knapp 10.000.172 Der Körper ist 1.521 Mal größer als die Erde. Die Bewegung der Sonne173 sieht man zunächst deutlich mit den Augen (Guericke, Buch VI, Kap. 8)174: Wenn die Sonne bei Dunst und größerer Lufttiefe unter- oder aufgeht, dann ist er überschattet.175 So berichtet Scheiner: Zusätzlich zur Zitterbewegung ihres Randes schimmert häufig die Sonne gleichsam mit jähem
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comparat auro liquefacto. Ricciolus observavit in templo S. {Petronii}a Bononiae, dum solis speciem recipiebat per foramen a tabula distans pedibus plus quam 170, ingenti ac manifestissimo tremore volitare et in radio solis evidenter miris vorticibus ebullire. Tremorem Ricciolus continuae aeris fluctuationi ascribit, qui tamen non fuit in aere (+ inspiciatur an et luna sic fluctuet, hoc resolvet quaestionem +) sed in ipso sole. (+ Deberet in tali loco fieri Camera obscura, id est claudi templum obscurarique quoad ejus fieri potest. Est tale foramen quasi Telescopium, objecta enim necessario representat maxima. +) [91v] Gerick. lib. 6. cap. 12. Quanto majora corpora tanto tardior eorum vertigo, et contra. Unde Jupiter se citius vertit Saturno, Mars Jove, terra Marte. Sociae motum vertiginis non habent. Cap. 13. De planetarum distantiis potest quodammodo ex oscillationibus perpendiculorum judicari. Cum autem duorum perpendiculorum altitudo minor ad majorem se habeat ut quadratum vibrationum minoris altitudinis ad quadratum vibrationum majoris (+ dubito +) altitudinis. Et latio periodica telluris circa solem fit uno anno, periodi autem semidiameter est 2644 semidiam. terrae, quarum quadratum 6990736. Jam Saturni fit 29 1/2 annis, ergo per regulam auream: Ut Latio unius anni ad quadratum distantiae terrae a sole, ita latio 29 1/2 annorum ad quadratum distantiae {Satur}bni. (+ Ego calculum istum minime justum puto, sunt enim altitudines ut quadrata vibrationum, non vibrationes ut quadrata altitudinum; et vero aliud vibratio, aliud gyratio. Erit sic potius calculandum: periodi {274} sunt ut 1 ad 29 1/2, seu 59/2. Ergo distantiae ut 1 ad 59x59 / 2x2 = 3481/4c vel ut 1 ad 3.481/4 f 870. Ergo Saturnus abesset tantum a sole 870 vicibus amplius quam terra a sole, et Jupiter 144 vicibus; ergo multipliciter distantia terrae 2644 per 870 habes distantiam Saturni, per 144 habes Jovis, si huic methodo insistendum est. Sed Autor aliam sequitur: simul quadratum distantiae terrae et multiplicat per periodum, inde extrahit radicem, Saturnus ei distat a sole semidiametris terrae 14360. Jupiter [9159]d. Mars 3739. Terra 2644. Venus 2049. Mercurius 1296. Ego aliter: Saturnus 2644 x
a {Petronii} LH // Petronis A b {Satur} Saturnsymbol in LH u. A c 3481/4 Hierzu Nebenrechnung am Seitenrand: 59 x 59 = 3.481 d [9159] A // 9195 LH
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Aufblitzen.176 Kircher, Iter exstaticum coeleste, S. 22,177 vergleicht das Wallen der Sonne mit geschmolzenem Gold. Als Riccioli in der Petronius-Kirche zu Bologna178 das durch ein Loch entworfene Bild der Sonne auf einer Tafel auffing, die mehr als 170 Fuß entfernt war, sah er es „in einem ungeheuren und äußerst deutlichen Zittern hin und her schwanken und im Strahl der Sonne augenscheinlich mit wundersamen Wirbeln sprudeln.“179 Dieses Zittern schreibt Riccioli zwar einem ständigen Wogen der Luft zu, sie soll jedoch nicht in der Luft (+ Man muss untersuchen, ob auch der Mond in dieser Weise schwankt; hiermit wird man die Frage klären. +),180 sondern auf der Sonne selbst stattgefunden haben. (+ Man sollte an einem solchen Ort eine Dunkelkammer einrichten, d. h. die Kirche abschließen und soweit wie möglich verdunkeln. Ein solches Loch ist nahezu wie ein Teleskop, da es notwendigerweise die Gegenstände möglichst groß darstellt. +) Guericke, Buch VI, Kap. 12. Je größer die Körper sind, um so träger erfolgt ihre Achsendrehung, und umgekehrt. Daher dreht sich Jupiter schneller als Saturn, Mars als Jupiter, die Erde als Mars. Die Trabanten weisen keine Achsendrehung auf. Guericke, Buch VI, Kap. 13. Die Entfernungen der Planeten [von der Sonne] lassen sich irgendwie aufgrund der Pendelschwingungen bestimmen. Denn: [a] Bei zwei Pendeln verhält sich die Länge des Kleineren zur Länge des Größeren wie das Quadrat der Schwingungen des Kleineren zum Quadrat der Schwingungen des Größeren (+ ich bezweifle das +).181 [b] Der periodische Umlauf der Erde um die Sonne vollzieht sich in einem Jahr, der Halbmesser dieses Umlaufs beträgt 2.644 Erdhalbmesser, das Quadrat davon ist 6.990.736. [c] Saturns Umlauf vollzieht sich in 29 1/2 Jahren. [d] Anhand der goldenen Regel gilt also: Wie sich der Umlauf eines Jahres zum Quadrat der Erde-Sonne-Entfernung verhält, so verhält sich der Umlauf von 29 1/2 Jahren zum Quadrat der Saturn-Sonne-Entfernung. (+ Ich halte diese Berechnung für unrichtig. Denn es sind die Längen der Pendel, die sich wie die Quadrate der Schwingungen verhalten, nicht die Schwingungen wie die Quadrate der Längen. Und eigentlich: Schwingung und Umdrehung sind zwei verschiedene Dinge. Man muss vielmehr so rechnen: [a] Die Umläufe [der Erde und des Saturns] verhalten sich [zueinander] wie 1 zu 29 1/2 bzw. 59/2. [b] Die Entfernungen [beider Planeten von der Sonne] verhalten sich also [zueinander] wie 1 zu 59x59 / 2x2 = 3.481/4, d. h. wie 1 zu 870182. [c] Saturn wäre also nur 870 mal mehr von der Sonne entfernt als die Erde von der Sonne, und Jupiter 144 mal. [d] Wenn man also die Erde-Sonne-Entfernung, d. h. 2.644 [Erdhalbmesser], mit 870 multipliziert, so hat man die Saturn-SonneEntfernung; mit 144 hat man die Jupiter-Sonne-Entfernung – wenn man bei dieser Methode bleiben soll. Der Autor [= Guericke] folgt aber einer anderen Methode: Er multipliziert das Quadrat der Erde-Sonne-Entfernung zugleich auch mit dem Umlauf [= Umlaufzeit des Planeten in Jahren] und zieht daraus die Wurzel.183 Saturn ist ihm zufolge um 14.360 Erdhalbmesser von der Sonne entfernt, Jupiter 9.159, Mars 3.739, die Erde 2.644, Venus 2.049 und Merkur 1.296. Ich rechne anders: Saturn [ist] 2.644 x
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870 f 2300280a sem. terrae. Jupiter 12 annis minus {275} 50 diebus: 12 50/365 | 10/73 | 1/7; 85/7 x 85/7 [=]b 7225/49c f 147; 2644x147 f 388668 semidiam. terrae pro Jovis dist. a sole. Martis periodus est 2 annis fere seu 98 septimanarum, ponatur esse 2 annorum: ergo {distantia}d ejus 2644 x 4 = 10576 sem. ter. Venus lationem absolvit {276} 32 septimanis seu 32/52 anni, 16/26 vel {1/2}e − 3/26. Mercurius septimanis 12 1/2, 25/102 | 1/4 fere anni. Sed mihi tota haec hypothesis non satis benefundata videtur. +) Cap. 14. Putat Gerickius corpora planetarum esse ut periodos, Saturnum esse terra majorem vicibus 29 1/2. Jovem 12. Martem 2. Venerem minorem 2/3. Mercurium 1/2. Cap. 15. Rheita huc valde inclinat, Oculo lib. 4. c. 1. fol. 179, ubi et refert Cusani locum, saltem in Jove esse incolas. Cap. 16. Scripturam sacram loqui ad captum vulgi exemplum 1. Reg. cap. 7 vers. 23, ubi laci fusi dicitur diameter 10 {cubitorum}f, et filum 30, quasi diametri ad circumferentiam proportio sit ut 1 ad 3, quae tamen non nisi popularis et mechanica. Ita et de motu terrae. Cap. 16. Inexplicabile quomodo, ex Tychonica Hypothesi, quae circa solem feruntur terram tam exiguam secum non capiant circa eundem solem. Tellus juxta Tychonicos non est in centro solis motus, modo enim is apogaeus modo perigaeus, nullum ergo centrum habet sol motus sui. Ex quolibet planeta posset systema fabricari quale Tychonicum, et cujuslibet planetae incolae possent idem dicere; imo Saturnus concinnissime pro centro locaretur, posito caetera omnia circa ipsum ferri.
a 2300280 Hierzu Nebenrechnung am Seitenrand: 2.644 x 870 = 2.300.280 b [=] A // fehlt in LH c 7225/49 Hierzu Nebenrechnung am Seitenrand: 85 x 85 = 7.225 d {distantia} // periodus LH u. A e {1/2} // 1/6 LH u. A f {cubitorum} EN, 218b // cuborum LH u. A
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870 = 2.300.280 Erdhalbmesser [von der Sonne entfernt]. Jupiter [vollzieht seinen Umlauf] in 50 Tagen weniger als 12 Jahre; [daraus ergeben sich] für die JupiterSonne-Entfernung 372.804 Erdhalbmesser.184 Mars’ Umlaufzeit ist fast zwei Jahre bzw. 98 Wochen; man nehme an, sie sei zwei Jahre. Seine Entfernung von der Sonne ist daher 2.644 x 4 = 10.576 Erdhalbmesser. Venus vollzieht ihren Umlauf in 32 Wochen oder 32/52 eines Jahres, [d. h.] 16/26 oder (1/2 − 3/26) [eines Jahres]. Merkur in ungefähr 12 1/2 Wochen, [d. h.] 25/102 = fast 1/4 eines Jahres. Diese ganze Hypothese scheint mir aber nicht hinreichend begründet zu sein. +)185 Kap. 14. Guericke glaubt, die [Größen der] Planetenkörper verhielten sich wie ihre Umlaufzeiten: Saturn sei 29 1/2 Mal größer als die Erde, Jupiter zwölf, Mars zwei. Venus sei kleiner, nämlich 2/3, Merkur 1/2.186 Kap. 15. Schyrl (Rheita), Oculus Enoch et Eliae, Buch IV, Kap. 1, Bl. 179187 neigt stark dazu[, dass auch andere Planeten bewohnt sind]. Dort gibt er die Stelle bei Nikolaus von Kues188 wieder, der zufolge es wenigstens auf Jupiter Einwohner gibt. Kap 16. Die heilige Schrift bediene sich einer für den Verstand des Volkes geeigneten Ausdrucksform. Ein Beispiel aus dem 1. Buch der Könige, Kap. 7, Vers 23: Dort wird angegeben, der Durchmesser eines Teiches aus geschmolzenem Metall betrage 10 Ellen, und der Faden [an dessen Umfang] betrage 30 Ellen, als wäre das Verhältnis des Durchmessers zum Umfang wie 1 zu 3.189 Dies ist aber nur eine volkstümliche und handwerkliche Vorstellung. Dasselbe gilt für die Bewegung der Erde. Kap 16. Es ist anhand von Tycho Brahes Theorie unerklärlich,190 wieso die um die Sonne kreisenden [Himmelskörper] einen so geringfügigen Planeten wie die Erde nicht mit sich selbst um dieselbe Sonne herumführen sollten. Tychos Anhängern zufolge ist die Erde nicht im Zentrum der Sonnenbewegung; denn die Sonne sei bald in erdferner, bald in erdnaher Stellung, weshalb die Sonne kein Zentrum für ihre Bewegung habe. Ein System wie das von Tycho könnte man aus jedem beliebigen Planeten bilden; die Bewohner eines beliebigen Planeten könnten dasselbe sagen; Saturn ließe sich sogar am elegantesten für das Zentrum halten unter der Annahme, dass sich alle übrigen [Himmelskörper] um ihn drehen würden.
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Leibniz’ Exzerpt aus den Experimenta Nova Otto von Guerickes
{Excerpta ex libro septimo}a Gerick. lib. 7. De stell. fix. c. 3. Aristarchus in Gallia redivivus apud Mersennum tom. 3 Novarum obs. physico-math. pag. 8: quamlibet fixam videri caput alicujus systematis ut solem nostri. {277}
a {Excerpta ex libro septimo} fehlt in LH u. A
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Aus Buch VII191 Guericke, Buch VII: Die Fixsterne, Kap. 3. In Frankreich lebt Aristarchos in Mersennes Novae observationes physico-mathematicae, Bd. III, S. 8 wieder auf:192 Jeder beliebige Fixstern scheint das Haupt irgendeines Systems zu sein wie die Sonne in unserem System.
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Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
Anmerkungen zur deutschen Übersetzung 1 Die folgenden Ausführungen über Leibniz’ Exzerpte beruhen grundsätzlich auf den Erläuterungen zur deutschen Übersetzung der EN (siehe Literaturverzeichnis). Die Anmerkungen zu EN, III–IV stammen von Hans Schimank, diejenigen zu den EN, I–II und V–VII von Fritz Krafft. Bücher aus Guerickes Besitz werden nach NTB angeführt. Eine Übersicht der Bücher und Kapitel in EN findet sich S. 101–106. Die von Leibniz exzerpierten Kapitel sind dort durch Fettdruck hervorgehoben. Aus den insgesamt 35 Kapiteln des ersten Buches sind Aufzeichnungen von Leibniz nur zu zwei Kapiteln vorhanden. Guericke bezeichnet in seinem Schlusswort zum ersten Buch dieses letztere als eine Bestandsaufnahme der astronomischen Ansichten seiner Zeit – freilich unter den ihn interessierenden Aspekten. Leibniz’ geringfügige Aufzeichnungen sind insofern nicht verwunderlich, als ihm der Inhalt des ersten Buches vorwiegend aus Riccioli 1651 bekannt gewesen sein dürfte. In Erläuterungen zu EN, I sind die Stellen aus Riccioli jeweils nachgewiesen. 2 Schotts Bedeutung für Guerickes Werk auch im Kontext dieser Exzerpte ist in der Einleitung thematisiert worden; vgl. S. 9–10. 3 Schott (1657), Anhang, S. 441–484. Die Übersetzungen ins Deutsche sind im Literaturverzeichnis aufgelistet worden. Bei Krafft (2018) finden sich genaue bibliografische Angaben zu den einzelnen Briefen. 4 Schott (1664), Buch I. Siehe für die Übersetzungen in Teillieferungen das Literaturverzeichnis sowie die vorstehende Anm. 5 Hevelius (1656). 6 Huygens (1659). NTB, Nr. 943, S. (163). 7 Außer Hevelius und Huygens führt Guericke in diesem Zusammenhang noch an: Anton Maria Schyrl aus Rheit (Rheita), Astronom und Priester; Francesco Fontana, Jesuit und Naturforscher; Pierre Borel, Mediziner und Sammler; Daniel Lipstorp, Jurist und Astronom; Giovanni Battista Riccioli, Jesuit, Philosoph und Theologe. Die Werke von Schyrl, Fontana und Lipstorp fanden sich auch in Guerickes Bibliothek: vgl. NTB, Nr. 440, S. (168); Nr. 551, S. 161 und S. 164 (die Werke von Fontana und Lipstorp weisen die gleiche Nummer auf, weshalb sie zusammengebunden gewesen sein müssen). Nahezu Guerickes gesamter Datenschatz ist jedoch nicht den Werken der genannten Autoren entnommen, sondern Riccioli (1651). Siehe hierzu: Erträge, S. 42 und 124; Erläuterungen zu Buch I; oben, Einleitung, S. 25. 8 Kap. 35 enthält metaphysische Reflexionen über den leeren Raum, ausgehend von Aristoteles und den Kommentaren der Schule von Coimbra. Siehe zur Naturphilosophie dieser Schule: Des Chene (1996), bes. den Teil I, der sich mit der aristotelischen Philosophie befasst. 9 Siehe zu Leonardus Lessius: oben, Einleitung, S. 48. 10 Vgl. Lessius (1624), S. 27. 11 Siehe zu Timpler: oben, Einleitung. S. 48–49. Vgl. Timpler (1605) und Timpler (1604). 12 Offenbar falsche Stellenangabe. Guericke spricht hiervon am Ende des 8. Kapitels. Die hier angesprochene Thematik gehört – in Verbindung mit der Frage nach einer möglichen Unendlichkeit des Kosmos – zu den im 17. Jahrhundert in Folge der kopernikanischen Revolution intensiv diskutierten Themen. 13 Auch Leibniz’ Auswahl aus dem zweiten Buch ist sehr charakteristisch. Das kurze zweite Buch umfasst zwölf Kapitel, in dem unter dem Titel „Der leere Raum“ Fragen der Metaphysik bzw. der Naturphilosophie im Anschluss an Aristoteles bzw. die aristotelische Scholastik behandelt werden. Auch dies ist im Wesentlichen ein Literaturbericht unter Guericke interessierenden Aspekten. All dies, wie insbesondere die Auseinandersetzung mit René Descartes und dessen Principia (1644) ist für Leibniz nicht bemerkenswert, da ihm die Principia bekannt sind und sei-
Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
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ne eigenen naturphilosophischen Positionen zu dieser Zeit derjenigen Descartes’ nahestehen. Siehe hierzu oben, Einleitung, S. 26–30. 14 Die folgende Berechnung dient Guericke zur Illustration besonders großer – in der Astronomie häufig anzutreffender – Zahlen. Leibniz war zu dieser Zeit noch dabei, sich eine umfassende mathematische Bildung anzueignen und notiert offenbar deswegen dieses klassische Beispiel. 15 Dionysius Gothofredus, französischer Jurist und Philologe, lehrte in Genf, Straßburg und Heidelberg. Er verfasste einen erstmals 1583 in Genf erschienenen Kommentar des Corpus iuris civilis mit mehr als 50 späteren Auflagen. Dabei handelt es sich um ein sehr umfangreiches und weit verbreitetes Werk und wird deshalb hier von Guericke herangezogen. 16 Christoph Clavius, Jesuit und Mathematiker. Vgl. Clavius (1585), S. 217 ff. 17 Das dritte Buch (mit allenfalls noch dem vierten) wurde stets als Kern der EN gesehen, enthält es doch die Versuche, für die Guericke bis heute berühmt ist. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass im 19. Jahrhundert nur dieses Buch in einer Übersetzung präsentiert wurde, siehe Guericke (1894). Fritz Krafft nennt es „Forschungsbericht und Forschungskonfession in einem.“ (Versuche1, S. (258a)). Siehe zu Leibniz’ Exzerpten aus Buch III: A VIII, 1, S. XXXII–XXXVI, wo Leibniz’ Schriften zu den Pneumatica dargelegt werden. Die von Guericke im III. Buch der EN mitgeteilten Ergebnisse sind nicht wirklich neu, da sie schon durch Schott publiziert und durch Boyle weiterentwickelt worden waren. Die relativ ausführlichen Exzerpte aus dem III. Buch lassen sich wohl dadurch erklären, dass sich Leibniz zu dieser Zeit besonders für die experimentelle Seite der zeitgenössischen Naturforschung interessierte. 18 Damit weist Guericke nur auf die geringe Größe der sich bildenden Eiskristalle hin. Er war kein Anhänger des Atomismus. Siehe Lüthy (2003), S. 33–40. Siehe zudem oben, Einleitung, S. 23. 19 Es handelt sich um ein einleitendes Kapitel, das „Ursprung, Natur und Eigenschaften der Luft“ behandelt. 20 Eine Magdeburger Elle entspricht 57,6 cm. 21 Es fehlen Aufzeichnungen zu den Kap. 3–6, in denen Guericke verschiedene Versuche zur Erzeugung einer „Leere“ und verschiedene Pumpenbauformen mitteilt. In Kap. 4 beschreibt er ausführlich die Konstruktion seiner Pumpe dritter Bauart, für die sich Leibniz hier offenbar nicht interessierte. 22 Hoppe (1927), S. 32 nennt diesen Versuch „Wasserhammer“. Siehe auch Wilke (1987), S. 53–54. 23 Leibniz’ Skizze der Versuchsapparatur nach Tafel (Iconismus) 7, Fig. II bzw. V in EN, III, 7. 24 Krafft bezeichnet dieses Kapitel als eines „der inhaltsreichsten des Werkes“; siehe Erläuterungen, S. (263a). Dies spiegelt sich auch in der Länge von Leibniz’ Exzerpt wider. 25 Gemeint ist ein hochgradiges, d. h. nach den Maßstäben der Zeit sehr gutes Vakuum. Mit Guerickes Mitteln war ein „Vakuum“ von höchstens 50 mbar erreichbar, was nach heutigen Begriffen als Grobvakuum bezeichnet wird. 26 Gemeint ist Guerickes Pumpe. Vgl. die Abb. in EN, S. 89. 27 D. h. aus dem Röhrchen cd. 28 Vgl. Boyle (1660), S. 155–182 (Experiment Nr. 22); auch Boyle (1999), S. 141–302; deutsche Übersetzung: Boyle (1992). 29 Vgl. A VIII, 1, N. 39: Experimenta novissima pneumatica illustris Hugenii. Siehe auch A VIII, 1, N. 481 sowie Andriesse (1999). 30 Aus heutiger vakuumphysikalischer Sicht macht es in einem Vakuumgefäß nur Sinn, Wasser von Luft vollständig bereinigen zu wollen, wenn der Vakuumdruck deutlich größer als der Sättigungsdampfdruck von Wasser ist. Der temperaturabhängige Sättigungsdampfdruck von Wasser ist ungefähr 50 mbar bei Raumtemperatur (siehe oben, Anm. 25). Es handelt sich hier um den so-
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Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
genannten Grobvakuum-Bereich unmittelbar unterhalb des Atmosphärendrucks, womit sich bekanntlich Guericke, Boyle, Huygens u. a. in der Anfangszeit der Vakuumtechnik ausschließlich beschäftigt haben. Das eigentliche Problem der Vakuumtechnik besteht jedoch darin, Wasser bzw. Wasserdampf aus den Vakuumanlagen zu bekommen, wobei die normale Luftfeuchtigkeit schon ausreicht. Nur so können Vakuum-Enddrücke unterhalb des Sättigungsdampfdruckes von Wasser erreicht werden. Erst im Hochvakuumbereich und darunter werden die meisten modernen Vakuumtechnologien anwendbar. 31 Es fehlen Aufzeichnungen zu EN, III, Kap. 9, in dem Guericke die Frage behandelt, ob es in der Natur ein Vakuum gibt oder nicht. Die Möglichkeit, im Bereich der Lufthülle ein vollständiges Vakuum herzustellen, wird verneint. Oberhalb der Lufthülle jedoch (zwischen den Planeten und den Fixsternen) ist ein vollständiges Vakuum vorhanden. Leibniz exzerpiert Kapitel 10 und 11 fast vollständig im Original. 32 Hier ist von Luft die Rede, dabei handelt es sich jedoch um andere Gase, was von Guericke und Leibniz nicht erkannt wird. Johann Baptista van Helmont hatte bereits erkannt, dass es außer der Luft auch noch andere Gase gibt. Leibniz kannte die Werke des älteren van Helmont und war mit dessen Sohn Franciscus Mercurius van Helmont befreundet; siehe Coudert (1995). Siehe zum Gasbegriff beim älteren van Helmont: Pagel (1982), S. 60–70. Siehe zu van Helmont dem Älteren und Leibniz auch oben, Einleitung, S. 18–19. Außerdem ist hervorzuheben, dass beim Verwesen von Karpfen Faulgase produziert werden, die zunächst als Blasen im Wasser aufsteigend erscheinen und letztlich den Auftrieb der toten Fische bewirken. Da der Verwesungsprozess noch nicht als biologischer, durch das Wirken von Mikroorganismen verursachter und zeitaufwendiger Vorgang verstanden wurde, sind die abgegebenen Vermutungen und Erklärungen unzureichend und teilweise verwirrend. Richtig wurde bemerkt, dass die zeitliche Abfolge stark temperaturabhängig ist. 33 Kondensation infolge Abkühlung durch adiabatische Expansion. 34 Die Sättigungskonzentration an Wasserdampf in der Luft hängt wesentlich nur von der Temperatur ab. 35 Die Oberflächentemperatur des Glases liegt unter dem Taupunkt. 36 Der Einwand von Leibniz ist berechtigt. Siehe auch Leibniz’ Exzerpte aus Magalotti (1667), besonders aus der Declaratio Hygrometri (A VIII, 1, N. 37, S. 278), wo ein Instrument zur Bestimmung der unterschiedlichen Luftfeuchtigkeitsgrade beschrieben wird. Siehe auch KnowlesMiddleton (1971), S. 99–101. 37 Leibniz bestätigt Guerickes Beobachtung und stellt fest, dass es hier u. a. um die Trennung von Wasser und Luft geht und dass es noch andere Methoden gibt, Wasser und Luft voneinander zu trennen. 38 Das hat Guericke, wie Leibniz notiert, in EN, III, 13 mit seinem „Versuch über das Verzehren der Luft durch Feuer“ auch festgestellt. 39 Auch EN, III, 13 behandelt Phänomene von Flammen (offenem Feuer) im luftleeren Raum. 40 Leibniz hat die nebenstehende Skizze aus EN, Tafel 8, Fig. I und II entsprechend der Versuchsbeschreibung zusammengesetzt. 41 Hier irrt Guericke. Leibniz hat richtigerweise vorher gefragt, ob die Flamme „irgendeine Essenz der Luft verbraucht“. 42 Das Problem ist die unvollkommene Schallisolierung zwischen Glocke bzw. Klapper und zu evakuierenden Rezipienten. 43 Samuel Morland, englischer Gelehrter und Diplomat, erfand 1671 einen Vorläufer des Megafons, die sog. Morland-Röhre. Vgl. Morland (1672) sowie Leibniz’ Randbemerkungen in seinem Handexemplar der Tuba stentoro-phonica: A VIII, 1, N. 62, S. 570–571. Bei den zu Leibniz’ Zeit erreichbaren Vakua wäre dies ein sinnvoller Versuch gewesen.
Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
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44 Wie man auch aus Leibniz’ Bemerkung ersehen kann, spielen die Versuche mit Licht und Schall im Vakuum eine wichtige Rolle bei der Diskussion, ob ein luftentleerter Raum komplett leer ist. Der in diesem Kapitel geschilderte Versuch war schon seit längerem bekannt. Er wurde auf Anregung von Athanasius Kircher und Niccolò Zucchi durch Gaspare Berti in Rom ausgeführt und von Zucchi 1648 zuerst anonym, dann mit Namensnennung in der zweiten Ausgabe seiner Nova de machinis philosophia erwähnt; vgl. Zucchi (1649), S. 102–103. Im folgenden Jahr nennt ihn auch Kircher, und er wird schließlich in Georg Philipp Harsdörffers Erquickstunden erwähnt; vgl. Harsdörffer (1651–1653), Teil 2, S. 466–468. Siehe zur Rezeption bei Harsdörffer: Heinecke (2011), bes. S. 276–277. 45 EN, III, Kap. 16 behandelt „Versuche mit Tieren im luftleeren Raum“, die Leibniz hier jedoch nicht erwähnt. Nach Kraffts Ansicht wurde Guericke zu diesen Versuchen durch die Kenntnis entsprechender Versuche bei Boyle veranlasst; siehe Erläuterungen, S. (264b). 46 Erwähnt wird von Leibniz hier nur ein relativ nebensächlicher Effekt aus einer Versuchsserie von neun Experimenten mit der in Kap. 17 beschriebenen, von Leibniz aber nicht zur Kenntnis genommenen Apparatur. Eine ausführliche physikalische Analyse dieses hydraulisch-pneumatischen Gerätes und seiner zentralen Stellung in Guerickes experimenteller Beweisführung zur Existenz und Wirkungsweise des Luftdrucks liest man in Streitenberger und Schneider (2005). 47 Vgl. oben, Kap. 1 und Anm. 20. Dort gibt Guericke zwanzig Ellen an. Beide Werte sind – unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Zeit – richtig, da der Luftdruck Schwankungen von etwa einer Magdeburger Elle unterliegt (19 Ellen entsprechen 10,944 m, und 20 Ellen 11,520 m). 48 Auf die Technik der dabei verwendeten Versuchsanordnung aus EN, III, Kap. 17 geht Leibniz nicht ein, so wie er auch auf eine Beschreibung der Pumpentechnik verzichtet hat. 49 Während beide von Guericke in EN, III, 20 beschriebenen Verfahren mittels Wasserbarometer unbeachtet bleiben, wird von Leibniz nur das abschließend genannte „Wettermännchen“ erwähnt. Dies ist ein Beispiel für die Vorliebe des Barocks für publikumswirksame Spielereien. Siehe hierzu: Schramm u. a. (2006). 50 Guericke hat Aufbau und Wirkungsweise seines Wettermännchens bewusst geheim gehalten, da zu der Zeit ein Patentschutz noch unbekannt war; siehe Moewes (1991). 51 Vgl. D’Alencé (1688); siehe ferner A VIII, 1, N. 42, S. 363. Joachim D’Alencé war ein französischer Physiker und Astronom, 1707 in Lille gestorben. 52 Guericke weist hier den Einfluss des Auftriebs in Luft als abhängig von deren Dichte nach. 53 Die Auftriebskraft einer evakuierten Kugel ist ebenso groß wie die Gewichtskraft der von der Kugel verdrängten Luft (Archimedisches Prinzip für Gase). Hier wird richtig angemerkt, dass die Dichte- und somit Gewichtsveränderung der verdrängten Luft abhängig von deren Temperatur ist. Die evakuierte Kugel bekommt einen umso größeren Auftrieb (d. h., sie wird scheinbar umso leichter), je kälter die umgebende Luft ist. Tatsächlich ändert sich die Gewichtskraft der Kugel aber nicht. 54 Dies bezieht sich bei Guericke nicht auf die hier erwähnte Kugel, sondern auf das zuvor beschriebene „Wettermännchen“! 55 Leibniz schlägt vor, die Luftdichte in Abhängigkeit vom Luftdruck zu bestimmen. 56 Guericke ermittelt hier das Gewicht einer Luftsäule über den Vergleich mit dem Gewicht einer Wassersäule. 57 Auf die Berechnungen Guerickes zur Schwere einer Luftsäule geht Leibniz nicht ein. Ein Reichstaler wiegt knapp 26 Gramm. 58 Der in diesem Kapitel beschriebene Versuch mit den Magdeburger Halbkugeln und Pferden ist von allen Versuchen Guerickes bis heute am populärsten und wird stets mit großem Publikumsinteresse aufgeführt; siehe Strümke (1996).
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Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
59 Das ist falsch und findet sich nicht bei Guericke. In Kap. 23 erklärt er lediglich, dass die Kraft mit der die Halbkugeln zusammengedrückt werden, dem Gewicht einer Luftsäule gleichen Durchmessers von 2.686 Pfund entspricht. 60 Hier irrt Leibniz. Guericke hatte das Wechselwirkungsgesetz schon richtig angewendet. Siehe zum Wechselwirkungsgesetz bzw. Gegenwirkungsprinzip bei Guericke: Streitenberger und Schneider (2002); Streitenberger und Schneider (2005). 61 Über Guerickes Versuche in Regensburg wird von Leibniz nichts gesagt. 62 Die in diesem Kapitel beschriebene Möglichkeit, mit Hilfe des Luftdrucks eine Hubarbeit zu verrichten, wurde durch Huygens und insbesondere Papin für die Entwicklung der Dampfmaschine bedeutsam; siehe Schneider (1987). Leibniz hat Papin 1672 in Paris getroffen, später seine Erfindungen aufmerksam verfolgt und stand mit ihm zeitweise im Briefwechsel. Siehe zu Papin oben, Einleitung, S. 14. 63 Leibniz war an militärischen Entwicklungen durchaus interessiert. Die Windbüchse hat jedoch eine längere Vorgeschichte und wird etwa auch von Harsdörffer (1651–1653) ausführlich behandelt; siehe Heinecke (2006); Kempe (2015); oben, Einleitung, S. 19 und Brief Nr. [3], S. 76–77. 64 Zur Überprüfung von Leibniz’ Aussage wird die Wirkungsweise der Windbüchse zunächst kurz erläutert. Die Windbüchse ist ein Metallrohr (vgl. EN, Tafel 16), welches über einen seitlichen Saugstutzen evakuiert werden kann. Zur Schussvorbereitung wird die Geschoßkugel am hinteren Ende der Windbüchse bezüglich der Schussrichtung platziert; danach werden beide Enden des Rohres mit dünnen Plättchen abgedichtet, wobei Guericke hierfür Lederscheiben verwendet hat. Dann wird die Luft in der Windbüchse abgepumpt und mit einem Ventil vakuumdicht vom Pumpsystem getrennt. Der Schuss wird ausgelöst, indem die geschossseitige Abdichtung an der Windbüchse schlagartig beseitigt wird. Die Gewichtskraft F der in die Windbüchse einströmenden Luft wirkt über die Druckdifferenz Δ p auf die Querschnitts- bzw. Kreisfläche AK = (Π/4)dK2 der Geschosskugel und beschleunigt diese innerhalb des Rohres der Windbüchse. Die Bleikugel mit der Masse m wird gleichmäßig beschleunigt, wenn Reibung und Änderung der Druckdifferenz im Rohr vernachlässigt werden. Damit wird vorausgesetzt, dass der Spalt zwischen Geschoss und Windbüchse sehr gering ist, was schon bei Guerickes Versuchen sicher über die Größe der Bleikugel angepasst wurde. Die größte Herausforderung war somit, die Windbüchse mit konstantem Kreis-Innendurchmesser über die gesamte Länge herzustellen. Die Länge der Windbüchse lWB gibt die Beschleunigungsstrecke vor, da mit Austritt des Geschosses Formeln aus der Windbüchse keine Druckdifferenz mehr wirksam ist. Mit den genannten Vereinfachungen 64 berechnet sich die Endgeschwindigkeit vend des Geschosses am Laufende der Windbüchse wie folgt: vend = (2a . lWB)1/2 ~ (lWB/dK)1/2 (1). 𝜋𝜋 𝜋𝜋 (Mit a = F/m = p .AK/m = ∆𝑝𝑝 ∙ 4 ∙ 𝑑𝑑𝐾𝐾2 �𝜌𝜌𝐾𝐾 6 𝑑𝑑𝐾𝐾3 ~1/dK wenn immer Blei als Kugelmaterial verwendet wird). Damit kann bestätigt werden, dass bei längeren Windbüchsen eine höhere Fluggeschwindigkeit am Büchsenende und damit eine größere Flugweite erzielt wird. Anzumerken ist zudem, dass die Flugweite auch von der Aufstellhöhe der Windbüchse über dem Erdboden und dem Einstellwinkel abhängt. Die im Text von Leibniz zitierten Büchsenlängen von 3 bzw. 4,5 Magdeburger Ellen entsprechen 172,8 cm bzw. 259,2 cm (eine Magdeburger Elle = 57,6(24) cm nach alt-kulmischem Maß). Die von der Otto-von-Guericke-Gesellschaft zur Demonstration historischer Vakuumversuche verwendete Windbüchse hat eine Länge von 220 cm. Für Windbüchsen genannter Längen kann noch von einer gradlinigen Bewegung ausgegangen werden. Tatsächlich wird vom Geschoss wegen der Erdbeschleunigung eine ballistische Kurve durchflogen, was bei deutlich längeren Büchsen berücksichtigt werden müsste. 65 Gemeint ist hier: Je schwerer der Stoff ist, in den ein Körper eintaucht, desto leichter wird der eintauchende Körper. Siehe EN III, 31.
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66 Diese falsche Aussage ist von Guericke bewusst zur Verheimlichung der Konstruktion seines Wettermännchens gemacht worden. Siehe oben, Anm. 50. 67 Leibniz meint sehr wahrscheinlich sein Instrumentum inclinationum. Vgl. hierzu A VIII, 1, N. 47, S. 399–401; siehe Hecht (2008). Leibniz’ Interpretation dieser Stelle beruht – wegen der Verschleierung des wahren Sachverhalts durch Guericke – auf falschen Annahmen. 68 Es geht um den Unterschied zwischen lokaler und globaler Erwärmung. Eine lokale Änderung der Lufttemperatur am Messinstrument (Wettermännchen bzw. Barometer) nimmt keinen Einfluss auf das Messergebnis (isobarer Vorgang). Vgl. hierzu Guerickes Brief an Schott in Versuche1, S. (29). 69 In dem von Leibniz nicht exzerpierten Kap. 35 setzt sich Guericke mit den Einwänden gegen das Vorhandensein eines Vakuums auseinander. In Kap. 36 geht er auf die Beurteilung der Magdeburger Versuche durch Athanasius Kircher, Nicolaus Zucchi und Melchior Cornäus ein. 70 Vgl. Schott (1664). 71 Vgl. Tafel 17 EN III, 37. 72 Die Luft in einem Kugelbehälter dehnt sich bei Erwärmung aus, und zieht sich bei Abkühlung zusammen. Der sich damit verändernde Luftdruck im Behälter wirkt auf eine Flüssigkeitssäule in einem U-Rohr mit Schwimmer, Umlenkrolle und einem Engelchen als Zeiger. 73 Leibniz’ Bemerkung ist im Prinzip richtig, da bei Messbeginn nicht klar ist, wo die Mittellage ist. Der Vorschlag dient daher der vollen Ausnutzung des Messbereichs. 74 Im Buch IV (De virtutibus mundanis) behandelt Guericke die „kosmischen Wirkkräfte“. Mit diesen den Weltkörpern innewohnenden Kräften versucht er, physikalische Phänomene wie die Gravitation zu erklären und damit dem kopernikanischen Weltbild eine physikalische Erklärung zu geben. Siehe hierzu oben, Einleitung, S. 36–39. 75 Leibniz’ Zweifel bestehen zu Recht. Zwar fallen etwa Kugeln größerer Masse tatsächlich etwas schneller in der Luft als Kugeln kleinerer Masse, aber keinesfalls viel schneller. Die Ursache ist nicht das unterschiedliche Fassungsvermögen für die treibende Kraft, sondern ihr unterschiedlicher Luftwiderstand. Fraglich bleibt jedoch, aus welchen Gründen Leibniz diesen Zweifel äußert. Offenbar kommt er auf Grund seiner Kenntnis der in der Literatur veröffentlichten Fallversuche zu anderen Schlussfolgerungen als Guericke. Auch Guerickes folgende Beispiele beruhen auf Annahmen der scholastischen Impetus-Theorie, die Leibniz hier in Zweifel zieht. 76 Simon Stevin, Begründer der Ingenieurschule in Leiden, an der Guericke 1623–1624 studierte, fand 1586 bei einer Fallhöhe von fünfzig Fuß für Bleikugeln mit einem Massenverhältnis von 1:10 akustisch keine Unterschiede beim Aufschlagen auf einem Brett. Siehe Dijksterhuis (1983), S. 366. In Erläuterungen, S. (274a) wird darauf hingewiesen, dass Guericke hier noch auf dem Fundament der scholastischen Dynamik steht. Siehe zur Mechanik bei Leibniz: Dugas (1958), S. 453–511. 77 Guerickes Dynamik ist eine Impetus-Theorie, für die er folgende Prinzipien formuliert: – Solange, als die antreibende Ursache andauert, dauert auch die Wirkung. Daher vermag jeder Körper eine ständig wachsende Geschwindigkeit zu erlangen, bis er vollständig mit dieser Antriebskraft erfüllt ist. – Je größer, dichter und kompakter ein Körper ist, desto mehr antreibende Kraft kann er auf nehmen. – Die einem Körper eingeprägte treibende Kraft schwindet auch bei Abwesenheit der Luft, wenn das, was sie hervorgerufen hat, aufhört. 78 Guericke will in diesem Kapitel zum Ausdruck bringen, dass zwischen der Krafteinwirkung auf einen Körper und dessen Aufnahmevermögen für diese Kraft eine enge, proportionale Beziehung besteht.
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Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
79 Unter „Eindruck“ ist hier die Krafteinwirkung oder einfach die Kraft zu verstehen. Die für eine gleichförmige Kreisbewegung erforderliche Kraft ist die Zentripetalkraft, die in Form der dieser gleich großen und entgegengesetzt gerichteten Zentrifugalkraft schon Huygens (1673) in Form von Proportionen angegeben hatte. Leibniz befand sich zur selben Zeit in Paris und hatte dort persönlichen Kontakt mit Huygens, der zu dieser Zeit Präsident der französischen Akademie der Wissenschaften war; siehe hierzu oben, Einleitung, S. 5–17. 80 Nicolas Grollier de Servière, Drechsler und Erfinder. Beschreibungen und Abbildungen von Objekten aus dem mechanischen Kabinett mit den von ihm gefertigten „Maschinen“ wurden 1719 von seinem Enkel Gaspard herausgegeben; vgl. vgl. Grollier de Servière (1719). Siehe hierzu Erläuterungen, S. (274b). Die korrekte theoretische Behandlung der Wurfbewegung unter Berücksichtigung der von Leibniz genannten Kräfte wird allerdings erst auf der Grundlage des Kraftbegriffs möglich, der auf die in Newton (1687) eingeführte Beschleunigungs- bzw. Trägheitskraft aufbaut. Dies gilt insbesondere für irreversible Vorgänge wie sie etwa bei Anwesenheit von Reibung vorliegen (im Falle der Wurfbewegung ist das die von Leibniz genannte Widerstandskraft des Mediums). 81 Guericke kann diesen Versuch – den Leibniz korrekt wiedergibt – gar nicht ausgeführt haben, denn die beschriebenen Phänomene treten so nicht auf. Siehe hierzu: Zeitler (2006–2007). 82 Vgl. EN, VI, 9. Siehe zur Äthertheorie in Leibniz’ Hypothesis: oben, Einleitung, S. 17–24. 83 Vgl. über die Pendelversuche Galilei (1638). 84 Giovanni Battista Baliani, italienischer Mathematiker und Physiker, der mit Galilei im Briefwechsel stand. Die Pendelversuche werden in Baliani (1646) beschrieben. 85 Godefroy (Gottfried) Wendelin, flämischer Astronom. 86 Vgl. Riccioli (1651), Bd. I, II, XX, S. 84–89. Siehe hierzu: Graney (2015), S. 87–101. 87 Leibniz drückt seine Zweifel an Guerickes Darstellung von gedämpften Pendelschwingungen aus. Er fordert deshalb eine genauere quantitative Untersuchung der Abhängigkeiten von Amplitude, Schwingungsdauer, Pendelgeometrie und Gewicht des Pendelkörpers. Dabei treffen die der Literatur entnommenen Aussagen Guerickes über verschieden stark gedämpfte Pendelschwingungen durchaus zu. Allerdings liegt das Verhalten nicht daran, dass dem Pendelkörper beim Anstoß entsprechend seiner Masse unterschiedliche Beträge von „treibender Kraft“ übertragen werden, sondern am unterschiedlichen Luftwiderstand. Guericke bemerkt dazu weiter unten in diesem Kapitel, dass „Eigentümlichkeiten der Schwingungen noch nicht hinreichend geklärt“ sind. Leibniz fordert nun in seinen Anmerkungen eine detaillierte Klärung dieser Verhältnisse. 88 Im Frühjahr 1673 erhielt Leibniz von Huygens dessen neuestes, eine ausführliche mathematische Behandlung der Pendelschwingungen umfassendes Werk Horologium oscillatorium sive De motu pendularium und studierte es eifrig; vgl. A VIII, 2, N. 91, S. 729–730 (De horologiis pendulis); A VII, 4, N. 2, S. 27–47 (Zu Huygens, Horologium oscillatorium). Leibniz’ Äußerungen zu EN, IV, 3 deuten darauf hin, dass er zum Zeitpunkt der Abfassung der vorliegenden Exzerpte Huygens Buch noch nicht kannte. 89 Vgl. EN, VI, 13. Dort wird einfach vorausgesetzt, dass die Umlaufdauer dem Quadrat des Planetenbahnhalbmessers proportional sei. Siehe auch Anm. 183. 90 Vgl. Kircher (1654), S. 118. Leibniz’ Exzerpte aus Kirchers Magnes finden sich in A VIII, 2, N. 6, S. 52–54. 91 Öl der Behennuss, der Frucht von Moringa oleifera. 92 Tatsächlich sagt dies aber Guericke. 93 Es ist bemerkenswert, dass Leibniz hier wie auch im vorangehenden Kapitel nur die angegebenen Experimente referiert, Guerickes Schlussfolgerungen in Bezug auf die „Richtkraft“ („virtus dirigens vel directiva“) der Erde aber übergeht. Leibniz hatte ja bereits in der Hypothesis die magnetischen Phänomene auf die Wirkungen des Äthers zurückgeführt (siehe oben Einleitung,
Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
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S. 20–21) und ist hier daher an Guerickes Theorien nicht interessiert. In Guerickes Besitz befand sich ein Exemplar von Gilberts Werk über den Magnetismus (Gilbert (1628)); vgl. NTB, Nr. 531, S. (162). Gilberts Abhandlung diente Guericke als wesentliche Quelle für die Ausführungen in EN, IV, 7 und 8. Die Magnetisierung von Eisen „durch Reibung“ wird in Versuche1 als „kräftige Erschütterung“ übersetzt. Diese einfache Art der Magnetisierung von Eisen in einem äußeren Magnetfeld (in diesem Fall dem Erdmagnetfeld) wird noch heute oft als physikalisches Demonstrationsexperiment durchgeführt. 94 Bei einer Reisesonnenuhr war es üblich, diese zur Ausrichtung mit einem Kompass zu versehen. 95 Vgl. zur Entfernung der Sonne von der Erde bei Guericke: EN VI, 9. 96 Vgl. EN VI, 8. Guericke geht dort von einer sehr hohen Geschwindigkeit der Achsendrehung der Sonne („augenblicklich“) aus. Extrapoliert man Guerickes Planetengesetz bis zum Sonnenrand mit den von ihm angegebenen Radien der Erdbahn von 2.644, des Sonnenradius von 11538 Erdradien, so würde sich die Rotationsdauer der Sonne zu erstaunlichen 10 Minuten ergeben. Tatsächlich beträgt die Rotationsdauer der Sonne am Äquator ungefähr 25 Tage. 97 Für Guericke gehört auch der Schall zu den unkörperlichen Wirkkräften. Die Beispiele, die er anführt, stammen vor allem von Mersenne, Schott und Kircher. Darauf geht Leibniz nicht ein. 98 Dieser Leuchtstein wurde 1602 vom Alchemisten Vincenzo Casciarolo aus Bologna durch Glühen von Schwerspat mit organischem Material erhalten. 99 Auch „Prince Ruperts Drops“ benannt, nach Ruprecht, Pfalzgraf bei Rhein und Duke of Cumberland, der den Versuch 1661 der Royal Society vorführte. Laut Erläuterungen, S. (280b) hat Guericke hiervon vermutlich durch Balthasar de Monconys bei dessen Besuch in Magdeburg im Oktober 1663 erfahren. Siehe Erläuterungen, S. (280b) für weitere Literatur. 100 Diese Ansicht vertrat auch Johann Wolfgang von Goethe in seiner Farbenlehre. 101 Die Grundlagen der subtraktiven Farbmischung mit den Grundfarben Gelb-Rot-Blau gehen auf Franciscus Aguilonius zurück, die additive Farbmischung auf Newton; vgl. Aguilonius (1613); Newton (1672). Noch Goethe setzte sich 1807–1808 intensiv mit dem Werk Aguilonius’ auseinander. 102 Die hier angegebenen Bezeichnungen beziehen sich auf EN, IV, 3, Tafel XVIII. 103 David Frölich, Mathematiker, Geograf und Astronom. Guericke referiert in EN, V, 8 dessen Beobachtungen in den Karpaten im Hinblick auf die Schichtungen der Luft. 104 Vgl. den Anhang zu EN V, der die Kometen behandelt. Guericke betrachtete Kometen als unstete Wettererscheinungen, die im äußersten Bereich der Atmosphäre stattfinden. Damit ordnet er sie nach aristotelischer Auffassung dem sub-lunaren Raum zu; siehe hierzu: Krafft (2017). Dass Kometen sich im supra-lunaren, also interplanetaren Raum bewegen, hatte schon Tycho Brahe auf der Grundlage von Parallaxe-Messungen des großen Kometen von 1577 geschlossen. Die von Kepler beobachtete scheinbare Geradlinigkeit der Kometenbahnen erwies sich nach Newton als eine Konsequenz der extremen Exzentrizität der elliptischen Kometenbahnen um die Sonne. 105 Vgl. Galilei (1641); zudem NTB, Nr. 531, S. (161). 106 In diesem Kapitel wird ein als „Irradiation“ bezeichnetes Phänomen beschrieben, auf das – wie Guericke vermerkt – schon Galilei aufmerksam gemacht hatte. Es handelt sich dabei um eine optische Täuschung, die auf die Eigenschaften des Auges zurückzuführen ist. 107 Leibniz’ Notizen zu diesem Kapitel fallen erstaunlich gering aus. Allerdings spielen die Schwefelkugel und die von Guericke mit ihrer Hilfe demonstrierten Phänomene bereits in Guerickes Brief an Leibniz vom 6./16. Juni 1671 (Brief Nr. [2]) eine wichtige Rolle; siehe oben, Einleitung, S. 36–39. Aus diesem Grund dürfte Leibniz weitere Notizen zu dieser Thematik für entbehrlich gehalten haben. Das in Buch IV. der EN noch folgende Kap. 16 („Sonstige körperliche und unkörperliche Wirkkräfte“) übergeht Leibniz.
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Anmerkungen zur deutschen Übersetzung
108 Guericke bezieht sich auf Salzbergwerke, die zu seiner Zeit Tiefen von 1/8 Meile (rund 1.000 m) bei weitem nicht erreicht hatten. 109 Der Mahlstrom, auch Moskenstraumen oder Malstrom genannt, ist ein Gezeitenstrom zwischen den Lofoteninseln Moskenesøy und Værøy in Norwegen. 110 Leibniz sollte später in seiner Protogaea, sive de prima facie telluris, die als Grundlegung seiner Geschichte des Welfenhauses gedacht war, hierauf zurückkommen und Guerickes obigen Text aus diesem Exzerpt oder aus der Druckfassung der EN zitieren; vgl. Leibniz (1749), § 35. Ihm lag daneben ein weiterer Text vor, der eine Abbildung enthielt, die in die erst 1749 posthum von C. L. Scheid herausgegebene Protogaea aufgenommen wurde. Aufgrund dieses Textes änderte Leibniz die Beschreibung des Horns zu „von fast fünf Ellen und der Dicke eines menschlichen Schienbeins, aber nach und nach verhältnismäßig verjüngt“. Es wird sich um ein und dieselbe, deutsche Quelle (von Johann Meyer) gehandelt haben, die Guericke und Leibniz unterschiedlich ins Lateinische übersetzten. Das Manuskript der Protogaea entstand in den 1690er Jahren; noch 1749 erschien eine deutsche Übersetzung (ohne die Tafeln). Siehe hierzu: Krafft (2015a); Krafft (2015b), S. 171–174 zur Datierung von Leibniz’ Manuskript und S. 183 zum Vergleich beider Texte. 111 Leibniz widerspricht hier Guerickes Feststellung, dass Berge wachsen. Hierbei bezieht sich Guericke u. a. auf das Auffinden von fossilen Meerestieren weitab vom Meer. 112 Siehe zu dieser Problematik den Artikel „Seele“ im HWP, Bd. IX, Sp. 1–89, bes. Sp. 22–36 (Renaissance und Neuzeit). Die neuzeitliche Quelle für Guerickes Ansichten ist William Gilbert. 113 Die betreffende Stelle bei Guericke lautet: „Die Erde dreht sich also durch die ihr eingepflanzte Lebenskraft … und wird durch die magnetische Wirkkraft in ihrer Pollage gehalten, so dass sie nicht ausweicht oder unstet … schwankt.“ 114 Gemeint ist die Erde. 115 Der griechische Astronom und Mathematiker Aristarchos von Samos ist nicht wirklich der Autor, sondern seine Vorstellung einer hypothetischen Heliozentrik wird hier von Marin Mersenne im Rahmen einer Abhandlung über das Weltsystem „zu neuem Leben“ erweckt. 116 In EN, V, 4 heißt es: „Daher schreibt der kürzlich in Frankreich zu neuem Leben erstandene ‚Aristarchos von Samos‘ in der Lehre vom Weltbau …“, nämlich durch Marin Mersenne. Vgl. Mersenne (1647), S. 1–62 (Guericke bezieht sich auf S. 49). 117 Vgl. EN, VI, 12: „… vielmehr erfolgt ihre [der Planeten] Drehung um so träger, je größer sie sind, und umgekehrt.“ 118 Nach Guericke ist die Erde mit der niedersten der drei Seelenformen, der Pflanzenseele, ausgestattet. Insofern kommt ihr auch ein Wachstum wie bei den Pflanzen zu. Die von Guericke vorgenommene Unterscheidung der Seelenarten entspricht der aristotelischen Schulphilosophie; siehe Höffe (2005), S. 505–513 (Artikel „Psyche“); Goclenius (1613), S. 103–105 (Artikel „Anima“). 119 Guerickes Quelle für dieses Kapitel ist Bernhard Varenius, dessen Geographia generalis sich unter seinen Büchern befand; vgl. NTB, Nr. 721, S. (170). 120 In verschiedenen Landesteilen 7,4 bis über 7,5 km. 121 Siehe oben, Anm. 103. 122 Jean-Baptiste Morin, französischer Astrologe, Mathematiker und Astronom. 123 Pierre Gassendi, französischer Priester, Naturwissenschaftler und Philosoph. 124 Vgl. Gassendi (1651). 125 Jacopo Zabarella, Professor der Logik und Philosophie in Padua. 126 Zabarella (1607), S. 554. Ob Guericke direkt aus dieser Quelle geschöpft hat, ist fraglich. Im NTB ist dieses Buch nicht verzeichnet. 127 Guericke, hier von Leibniz wörtlich zitiert, hatte bereits vertikale mit horizontaler Verformung verwechselt.
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128 Mit Tychos großem Mauerquadranten auf seiner Sternwarte Uraniborg waren vor dem Einsatz von Fernrohren, also freiäugig, die genauesten Winkelmessungen seiner Zeit möglich. 129 Aus diesem Abschnitt wird deutlich, dass Guericke die von Kepler auf empirischer Grundlage postulierten elliptischen Planetenbahnen ablehnt und an die traditionelle, auf Aristoteles zurückgehende Auffassung der Kreisbahnen festhält; diese letzteren versucht er wiederum anhand der Brechungsphänomene in der Lufthülle zu erklären. Leibniz ist hier offenbar skeptisch und will dazu Versuche anstellen; siehe oben, Einleitung, S. 30. 130 Kepler (1604), S. 348. Im NTB ist dieses Werk nicht verzeichnet. 131 Gemma R. Frisius, Astronom und Kartograph aus Friesland. 132 Gemma-Frisius (1645). Das Buch ist nicht im NTB verzeichnet. Nach Erläuterungen, S. (291b) stammt das Zitat aus Riccioli (1651). 133 Claudius Ptolemäus, griechischer Astronom, Mathematiker und Philosoph; Verfasser des Almagest, des wichtigsten Standardwerks zur Astronomie im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit. 134 Riccioli (1651). 135 „Scheitelpunkt“. 136 Dies bezieht sich auf Guerickes Versuche mit der Schwefelkugel. 137 Nikolaus Kopernikus, Begründer des heliozentrischen Sonnensystems. 138 Hipparchos von Nicäa, bedeutender Astronom des hellenistischen Zeitalters. 139 Mohammed ibn Dschābir al-Battānī, arabischer Gelehrter und Astronom. 140 Scipione Chiaramonti, italienischer Astronom. Vgl. Chiaramonti (1644); NTB Nr. 943, S. (160). 141 Girolamo Fracastoro, italienischer Arzt und Astronom. Die Ansichten Fracastoros kannte Guericke sehr wahrscheinlich aus Riccioli (1651). 142 Die von Guericke beschriebene Westabweichung der Passatwinde ist von der Erde her betrachtet auf die Corioliskraft durch die Rotation der Erde zurückzuführen. Die Ursachen für dieses Phänomen wurden freilich erst rund hundert Jahre nach Guericke richtig beschrieben. 143 Bei der Parallaxe des Mondes (und der Planeten) handelt es sich um die scheinbare Verschiebung des Himmelskörpers vor dem Sternenhintergrund von verschiedenen Beobachtungspositionen auf der Erde. Diese Winkelverschiebung kann zur astronomischen Entfernungsbestimmung benutzt werden, so durch Tycho Brahe 1577 für die Klärung der Frage, ob die Kometen Teil der sublunaren Region sind. Auf Grund fehlender Parallaxe konnte Tycho nachweisen, dass dies nicht der Fall ist. 144 Die astronomischen Daten hat Guericke aus Riccioli (1651) entnommen. 145 2. Petrus 3, 5–6. 146 1. Mose 1, 6–8. 147 Stanislaus Lubienietzki von Lubienietz, polnischer Theologe, Historiker und Astronom. 148 Leibniz referiert die insgesamt acht abgedruckten Briefe hier nur kurz zusammenfassend. Lubienietzki stand sowohl mit dem Sohn Guerickes als auch mit ihm selbst im Briefwechsel zu Fragen der Kometen. Diese Briefe sind in Lubienietzki (1668), Teil I abgedruckt (vgl. NTB, Nr. 1310, S. (165). Lubienietzki hatte 1664 den großen Kometen von seinem Haus in Hamburg aus beobachtet. Er korrespondierte darüber mit den bedeutendsten europäischen Gelehrten. Auf Grund seiner Glaubensanschauungen (er gehörte zur unitarischen Kirche der Polnischen Brüder) war er heftigen Anfeindungen seitens lutherischer Theologen ausgesetzt. 149 Leibniz betrachtet Guerickes Annahme, dass es sich bei Kometen lediglich um Erscheinungen in der Atmosphäre handelt, kritisch. Die Annahme einer geradlinigen Bahn der Kometen durch das Sonnensystem geht auf Kepler zurück. Die tatsächliche Natur der Kometen und ihrer
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Bahnen war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Diskussion. In Johann Hübners Natur-Kunst-Berg-Gewerck- und Handlungslexicon (Hübner (1731)) wird die Meinung der „Aristotelici“, dass es sich bei den Kometen um atmosphärische Erscheinungen handle, nunmehr abgelehnt. Siehe zur Frage der Kometenbahnen in dieser Zeit: Hamel (1998), S. 223–226. Lubienietzki korrespondierte über Guerickes Ansichten zu den Kometen auch mit Riccioli und teilte dessen ablehnende Stellungnahme wiederum Guericke mit. Riccioli war – worauf schon mehrfach hingewiesen wurde – die astronomische Hauptquelle für Guericke, auch wenn er sowohl zur Frage der atmosphärischen Erscheinungen als auch zu den Grundannahmen der Erdbewegung und des kosmischen Vakuums anderer Auffassung war als Guericke. Dies war freilich auch nicht anders zu erwarten. Riccioli meinte nämlich durch eigene Versuche gezeigt zu haben, dass ein Vakuum unmöglich ist; siehe Erläuterungen, S. (299b)–(300a). 150 Gemeint sind gleichzeitige Beobachtungen an verschiedenen Orten. 151 Siehe oben, Anm. 143. Tychos Ansicht über die Natur der Kometen war jedoch keineswegs allgemein akzeptiert. Siehe zur Situation um 1600: Hamel (1998), S. 161–174. 152 Siehe oben, Anm. 99. Robert lebte von 1652 bis 1660 in Mainz, wo er auch naturwissenschaftliche Forschungen betrieb. 153 Wohl während Leibniz’ Zeit in Mainz, als er im Dienst des Erzbischofs Johann Phillip von Schönborn stand. 154 In dem Brief an Lubienietzki vom 2. April 1666 (Brief Nr. 7) antwortet Guericke: „Aber welchen Dank würde ich wohl ernten, wenn ich dies Geheimnis, dessen Lüftung mich soviel gekostet hat, jedermann umsonst mitteilte?“ (Versuche1 bzw. Versuche2, S. 224a). Siehe oben, Anm. 50. 155 Leibniz notiert sich aus Guerickes 5. Brief an Lubienietzki erneut nur die Beschreibung des Wettermännchens, welche bereits in EN, III, 20 und 31 anzutreffen war. 156 Der Titel von Buch VI lautet „Unser Sonnensystem“. Siehe zu Guerickes astronomischem Weltbild: Erträge, S. 69-73; oben, Einleitung, S. 25–30. 157 Michael Havemann, deutscher evangelischer Theologe. Haveman (1650) war in Guerickes Besitz; vgl. NTB, Nr. 943, S. (162). 158 Diese bewegungsökonomische Betrachtung genügt freilich nur dem alten Grundsatz, dass die Natur nichts umsonst macht. 159 Obwohl Guericke hier den Begriff des Ätherraums (spatium aethereum) verwendet, meint er hiermit nicht den Äther nach Auffassung Tychos und seiner Anhänger, die diesen als feinstoffliche Wesenheit definieren. Er meint vielmehr einen völlig stoffleeren Raum. Auch Leibniz lässt den Raum zwischen der Sonne und den Planeten mit einem feinstofflichen Körper erfüllt sein. Dabei legt er sich nicht fest, ob wirklich alles erfüllt sei; vgl. unten, Brief Nr. [3] an Guericke vom 17. August 1671. 160 Guericke behandelt in diesem Kapitel die Bewegung des Sonnensystems nach Tychos Lehre und äußert seine Kritik daran. Weitere Erläuterung mit Bezug auf den Gesamttext von Guericke in diesem Kapitel. Nur Körper können Quelle der Kraft sein. 161 Vgl. EN, VI, 8. Siehe oben, Anm. 96. Die Rotationsdauer der Sonne war von Christoph Scheiner schon 1630 zu 27 Tagen bestimmt worden. Scheiner war ein deutscher Mathematiker, Astronom und Jesuit gewesen. 162 Vgl. oben, Anm. 7. Für Johann Philipp von Schönborn, den späteren Dienstherrn von Leibniz in Mainz, hatte Schyrl ein Fernrohr gebaut. 163 Vgl. Schyrl (1645), S. 175–176. Das Buch ist in NTB, Nr. 440, S. (168) verzeichnet. Schyrl nimmt eine Rotationsdauer von einem Jahr für die Sonne an. 164 Worauf sich Leibniz’ Bemerkung bezieht, ist nicht klar. Im Text von EN, VI, 6 ist davon nicht die Rede. Im Exzerpt aus EN, VI, 9 (siehe unten) erwähnt Leibniz Ricciolis Versuche in der
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Petronius-Kirche in Bologna. In Bologna finden sich eine Petri- und eine Petronius-Kirche. Die Versuche fanden in der Petronius-Kirche statt. 165 Vgl. EN, V, Anhang: „Die Kometen“. 166 Leibniz äußert hier erneut Zweifel an Guerickes Hypothese, die der aristotelischen Ansicht folgt, bei den Kometen handele es sich um Erscheinungen unterhalb der Mondbahn; siehe oben, Anm. 149 und außerdem Aristoteles, Meteorologie I,6; Gehler (1787–1799), Bd. II, S. 784–794. 167 Guerickes Berechnung, die Leibniz hier exzerpiert, folgt den von Ptolemäus angegebenen Werten und der von Riccioli (1651) entwickelten Rechenweise. 168 Die von Guericke verwendeten Ausgangsdaten sind, dem Beobachtungsstand der Zeit entsprechend, viel zu ungenau, um daraus sichere Ableitungen zu ermöglichen. Demzufolge fallen die von ihm im Folgenden berechneten Werte für Sonnenabstand und Sonnenhalbmesser um nahezu eine Größenordnung zu niedrig aus. 169 Es ist unklar was Leibniz mit dieser „3“ meint. 170 Der wahre Wert der Sonnenparallaxe schwankt zwischen 8,64’’ im Aphel und 8,94’’ im Perihel. In EN, I, 23 kommt dem der in der entsprechenden Tabelle angegebene Wert von Wendelin mit 14’’ am nächsten. 1672 konnte Giovanni Cassini mit Jean Richter mittels gleichzeitiger Beobachtung des Mars in Paris und Cayenne (Französisch-Guayana) mit 9,5 Bogensekunden einen besseren Wert für die Sonnenparallaxe ermitteln. 171 Richtig: 89° 58’ 42“. 172 Hier missversteht Leibniz. Guericke setzt den Erdradius bei seinen Dreisatzberechnungen zu 10.000.000 Maßteilen an. 173 Nach Guericke erfolgt die Eigenrotation der Sonne extrem schnell, um ein Wirbelfeld zu erzeugen, dass die Planeten im Kreis mit führt. 174 Leibniz springt hier zurück zu Kap. 8. 175 Guerickes Sonnenbeobachtungen erfolgten mit einem Fernrohr, das er als Geschenk vom Kurfürsten von Mainz und Reichskanzler Johann Philipp von Schönborn erhalten hatte, in dessen Diensten auch Leibniz von 1668 bis 1672 stand. Siehe hierzu: Keil (2002); Willach (2002). 176 Siehe Scheiner (1626–1630); nach Erläuterungen, S. (308b) hat Guericke dieses Werk Scheiners nicht besessen und macht diese Angaben daher nach Schyrl bzw. Riccioli. 177 Siehe Kircher (1656). 178 Vgl. die Nebenbemerkung von Leibniz zu EN, VI, 6. Die Petronius-Kirche in Bologna wurde bereits 1576 zu Sonnenbeobachtungen mit dem Meridian von Ignazio Danti genutzt. Dieser Meridian wurde 1655 von Giovanni Domenico Cassini durch einen bis heute bestehenden, 66,7m langen Meridian ersetzt. 179 Nach Erläuterungen, S. (309b)–(310a), verfälscht Guericke hier das Zitat aus Ricciolis (1651), indem er ihm eine Aussage über die schnelle Sonnenbewegung unterstellt, die jedoch nicht dessen Ansichten entspricht und sich vielmehr auf die Bewegung des Sonnenbildes auf der im Zitat genannten Tafel bezieht. Leibniz lässt diese Einleitung des Zitats weg. 180 Es bestanden unterschiedliche Auffassungen über die Ursachen für das Flimmern (Funkeln) der Fixsterne. Guericke vermutet dafür – wie schon Giordano Bruno und Tycho Brahe – die Rotation als Ursache. Gehler (1787–1799), Bd. II, S. 333–334 gibt als Ursache atmosphärische Phänomene an, nennt jedoch auch noch andere Ansichten, nach denen die Ursache in der Physiologie des Auges bzw. in Dichteunterschieden des ausgesandten Lichts besteht. Bei modernen Teleskopen wird dieses durch die Lufthülle bedingte Flimmern zur Erzielung besserer Beobachtungen durch eine aufwändige adaptive Optik ausgeglichen. 181 Anlass zu Zweifeln geben die unterschiedlichen Formulierungen des Pendelgesetzes durch Guericke in EN, IV, 3 (Versuche1 bzw. Versuche2, S. 146): „Bei zwei Pendeln … verhält sich die Länge
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des kleineren zu der des größeren wie das Quadrat der Schwingungen des größeren zum Quadrat der innerhalb des gleichen Zeitraums vollführten Schwingungen des kleineren und umgekehrt.“ In EN, VI, 13 (Versuche1 bzw. Versuche2, S. 243) liest man ferner: „Da sich aber bei zwei Pendeln die Länge des kürzeren zu der des längeren ebenso verhält wie das Quadrat der Schwingungsdauer des kürzeren zum Quadrat der Schwingungsdauer des längeren ...“. Der Begriff „Vibrationen“ muss in EN, IV als „Anzahl der Schwingungen“, in EN, VI dagegen als „Dauer der Schwingungen“ verstanden werden, wie dies auch in Versuche1 sinngemäß physikalisch korrekt übersetzt ist. 182 Auf die Wiedergabe von Leibniz’ Nebenrechnungen wird in der deutschen Übersetzung grundsätzlich verzichtet. 183 Leibniz stellt hier richtigerweise fest, dass nach dem Pendelgesetz die Länge des Pendels proportional dem Quadrat der Schwingungsdauer des Pendels ist. Danach würden die Entfernungen der Planeten von der Sonne proportional den Quadraten der Umlaufzeiten der Planeten sein, vorausgesetzt, die Analogie zwischen Pendelschwingung und periodischer Umlaufbewegung der Planeten wäre eine vollständige – was er anzweifelt. Dies steht im Widerspruch zu Guerickes Annahme, wonach im Unterschied zur Pendelformel die Quadrate der Entfernungen proportional zu den Umlaufzeiten sein sollen (siehe hierzu Einleitung, S. 43–44). Bemerkenswerterweise erwähnt weder Leibniz noch Guericke das von Kepler schon 1619 empirisch ermittelte Planetengesetz, wonach die Kuben der Entfernungen der Planeten von der Sonne den Quadraten ihrer Umlaufzeiten proportional sind. Dieses sog. dritte keplersche Gesetz hatte mittlerweile Eingang in das damalige astronomische Schrifttum gefunden und spielte spätestens seit 1666 eine heuristische Rolle bei der Auffindung des newtonschen Gravitationsgesetzes. Siehe zur Geschichte der keplerschen Gesetze: Krafft (1971). 184 Leibniz berechnet irrtümlich 388.668 Erdhalbmesser. Sein Fehler rührt daher, dass er eine Zeile zuvor 50 Tage addiert, anstatt sie zu subtrahieren. Eine Flüchtigkeit bei der Multiplikation, die zu 288.668 Halbmessern als Produkt führte, wurde in der Akademie-Ausgabe stillschweigend korrigiert. 185 Guerickes Planetengesetz in der Form „Abstandsquadrat proportional Umlaufdauer“ in Bezug auf das Pendelgesetz „Pendellänge proportional Schwingungsdauerquadrat“ wird von ihm weder theoretisch hergeleitet noch durch Beobachtungsdaten gestützt, sondern mit der Ordnungsliebe des Schöpfers begründet. Deshalb rechnet Leibniz die Planetenabstände auch analog zum Pendelgesetz aus und zeigt, dass man aber dafür unannehmbar große Werte erhält. Die Erkenntnisse Keplers spielen hier weder bei Leibniz noch bei Guericke eine Rolle; siehe oben, Anm. 183. 186 Bei Guericke richtig: ¼. Obwohl sich Guericke der verschiedenen Schwierigkeiten der Größenbestimmungen durchaus bewusst ist, stellt er doch mit Überzeugung und rein spekulativ die oben angegebene Relation her. 187 Siehe oben, Anm. 163. 188 Nikolaus von Kues (Cusanus), deutscher Theologe, Philosoph und Mathematiker. Die Stelle bezieht sich auf Kues (2002) II, 12, § 168–169. Noch für Gehler ist es 1789 „höchst wahrscheinlich“, dass auch andere Planeten bewohnt sind; Gehler (1787–1799), Bd. II, S. 515. Siehe auch Erläuterungen, S. (314a)–(316a) mit weiteren Beispielen und Literatur. 189 Guericke will mit diesem Beispiel zeigen, dass die Bibel das Verhältnis von Durchmesser zu Umfang volkstümlich nur mit 1 : 3 angibt, während der Mathematiker es besser mit 7 : 22 kenne. Diesen besseren Wert hat Guericke selbst in EN, III, 12 bei der Berechnung der Kraft auf die evakuierten Magdeburger Halbkugeln verwendet. 190 Vgl. EN, I, 9 und EN, VI, 5. Dort trägt Guericke seine Ansichten zu Brahes Weltsystem vor. 191 Das kurze Buch VII mit dem Titel „Die Fixsternwelt und ihre Grenze“ besteht aus fünf Kapiteln. 192 Siehe oben, Anm. 115 und 116.
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Personenregister Die in Klammern angegebenen lateinischen Namensformen sind diejenigen, unter denen die betreffende Person im Originaltext des Carcavy-Briefes und der Exzerpte aus den EN erwähnt werden. Aguilonius, Franciscus (1567–1617) 171 Al-Battani (Albategnius), Mohammed ibn Dschābir al-Battānī (um 860/699–629) 173 Alsted, Johann Heinrich (1588–1633) 13 Anaxagoras (um 500 v. Chr. – um 428 v. Chr.) 21 Archimedes (287 v. Chr. –212 v. Chr.) 110 Aristoteles (384 v. Chr.322/1 v. Chr.) 6, 11f., 16, 21f., 25, 33, 38–40, 72f., 164, 171–173, 175 Aristarch(os) (Aristarchus) von Samos (um 310 v. Chr. – um 230 v. Chr.) 142f., 162f., 172 August von Sachsen-Weißenfels (1614–1680) 94 Bacon, Francis (1561–1626) 23, 50, 72 Baliani (Balianus), Giovanni Battista (1582– um 1666) 133, 170 Bernoulli, Daniel (1700–1782) 36 Bernoulli, Jakob (1655–1705) 45f. Bernoulli, Johann (1667–1748) 45, 47 Berti, Gaspare (um 1600–1643) 167 Boineburg, Johann Christian von (1622–1672) 7, 100 Borel, Pierre(um 1620–1671) 164 Boyle (Boylius), Robert (1627–1691) 6, 10–16, 19, 24, 32–36, 39, 46f., 87, 90, 97, 115, 165–167 Brahe (Tycho), Tycho (1546–1601) 25,, 65f., 101, 146f., 160f., 171, 173, 175f. Bruno, Giordano (1548–1600) 175 Carcavy, Pierre de (um 1603–1684) 2, 37f., 55, 63, 75, 84, 88, 92, 96f., 100 Caroline von Brandenburg-Ansbach (1683–1737) 48 Casciarolo, Vincenzo (1571–1624) 171 Cassini, Giovanni Domenico (1625–1712) 175 https://doi.org/10.1515/9783110533927-009
Chiaramonti (Claramontius), Scipione(1565– 1652) 151, 173 Christian Ludwig I. von Mecklenburg (1623–1692) 82 Clarke, Samuel (1675–1729) 13, 17, 41f., 45, 47–52, 75 Clavius, Christoph (1537–1612) 111, 165 Clerke, Gilbert (1626– um 1697) 6 Cornäus, Melchior (1598–1665) 104, 169 Cusanus siehe Kues, Nikolaus von D’Alencé (Dalancé), Joachim (unbek. –1707) 124f., 167 Danti, Ignazio (1536–1586) 175 Demokrit (um 460 v. Chr. –370 v. Chr.) 23, 29 Descartes, René (1598–1651) 6f., 12, 20, 26–30, 33f., 39f., 43, 45f., 56f., 65, 68f., 72, 74, 86, 164f. Digby, Kenelm (1603–1665) 6 Einstein, Albert (1879–1955) Eschinardi, Francesco (1623–1703) Fogel, Martin (1634–1675) 7 Fontana, Francesco (1580–1656) 164 Fracastoro (Fracastorius), Girolamo (1478–1553) 150f., 173 Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620–1688) 9, 79 Frölich (Frolichius/Frölichius), David (1595–1678) 105, 138, 144, 171 Galen, Christoph Bernhard von (1606–1678) 94 Galilei (Galilaeus), Galileo (1564–1642) 6, 25, 28, 41, 43, 66, 132f., 140f., 170f. Gassendi (Gassendus), Pierre (1592–1655) 6, 8, 145, 172
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Personenregister
Gehler, Johann Samuel Traugott (1751–1795) 20, 33, 46, 51f., 71, 175f. Gemma Frisius (ursprünglich Reinerszoon Jemme, 1508–1555) 148f., 173 Gilbert, William (1544–1603) 6, 37f., 44, 74, 171f. Goclenius, Rudolf (1547–1628) 49, 172 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832) 171 Gothofredus, Dionysius (1549–1622) 110f., 165 Grollier de Servière (Servierius), Nicolas (1596–1689) 170 Guericke (Gerickius), Otto von, der Ältere (1602–1686) 1f., 5f., 8–11, 14–17, 19f., 22–27, 29f., 32–56, 58–61, 63–72, 74, 77–85, 87–89, 91–94, 97, 99–101, 108f., 113, 115, 117, 121, 123, 125, 127, 129, 131, 133, 135, 137, 139, 141, 143, 145, 147, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 163–176 Guiche Saint-Géran, Bernard de (1641–1696) 93 Hawksbee (Hauksbee), Francis (um 1666– 1713) 87 Havemann (Havemannus), Michael (1597–1672) 154f., 174 Harsdörffer, Georg Philipp (1607–1658) 167f. Helmont, Franciscus Mercurius van (1614–1699) 18 Helmont, Johann Baptista van (1579–1644) 18f., 23, 89, 166 Hevelius, Johannes (1611–1687) 108f., 164 Hipparchos (Hipparchus) von Nicäa (um 190 v. Chr. –120 v. Chr.) 150f., 173 Hobbes, Thomas (1588–1679) 6f., 11f., 18, 32, 34, 75 Hooke, Robert (1635–1703) 10, 15, 21, 86 Hübner, Johann (1668–1731) 174 Huygens (Hugenius), Christiaan (1629–1695) 6f., 14–16, 19, 24, 32–37, 39, 42f., 45, 51, 54, 56, 97, 100, 108f., 114f., 164, 166, 168, 170 Janssonius van Waesberge, Johannes (1616–1681) 63, 78
Janssonius van Waesberge, Johannes (1644–1705) 63 Johann Friedrich von Hannover (1625–1679) 5–7, 77 Johann Georg II. von Sachsen (1613–1680) 94 Kant, Immanuel (1724–1804) 45, 51, 85, 91 Keckermann, Bartholomäus (1572–1608) 48 Kepler (Keplerus), Johannes (1571–1630) 25, 30, 38, 43f., 46, 148f., 171, 173, 176 Kircher (Kircherus), Athanasius (1602–1680) 9, 20f., 23, 38, 67, 74, 104, 106, 134f., 156, 159, 167, 169–171, 175 Kopernikus (Copernicus), Nikolaus (1473–1543) 86, 101f., 149, 164, 169, 173 Lana de Terzi, Francesco (1631–1687) 19 Lasser, Hermann Andreas (17. Jahrhundert) 81f. Law, Edmund (1703–1787) 51 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646–1710) 1f., 5–26, 28, 30–80, 82, 84–90, 93, 96f., 100f., 108f., 164–176 Leopold von Medici (1617–1675) 16 Lessius, Leonardus (1554–1623) 48f., 52, 108f., 164 Linus, Franciscus (1595–1675) 11f. Lipstorp, Daniel (1631–1684) 164 Locke, John (1632–1704) 48 Lubienietzki (Lubieniecius), Stanislaus (1623–1675) 150–153, 173f. Magalotti, Lorenzo (1637–1712) 15f., 166 Mariottes, Edme (um 1620–1684) 56 Magni, Valerian (1586–1661) 40f., 77 Marius, Simon (ursprünglich Simon Mayr, 1523–1624) 25 Mauritius, Erich (1631–1691) 7 Mersenne (Mersennus), Marin (1588–1648) 27f., 68, 77, 162f., 171f. Michael I. (Michael Korybut Wiśniowiecki) von Polen (1640–1673) 93 Monconys, Balthasar de (1611–1665) 37, 65, 171 More, Henry (1614–1687) 11–13
Personenregister Morin (Morinus), Jean-Baptiste (1583–1656) 28, 144f., 172 Morland, Samuel (1625–1695) 122f., 166 Newton, Isaac (1643–1727 [neuen Stils]) 11–13, 25f., 30, 36, 39, 41–52, 72f., 79, 170f., 176 Nikolaus von Kues (Cusanus, 1401–1464) 160f., 176 Oldenburg, Heinrich (1619–1677) 5, 7, 63, 75 Paracelsus (1493–1541) 23, 65 Papin, Denis (1647– um 1712) 14, 168 Pascal, Blaise (1623–1662) 15f., 29, 40, 68, 77 Peiresc (Peireskius), Nicolas Claude Fabri de (1580–1637) 144f. Petrus Apostel, siehe Simon Petrus Pell, John (1611–1685) 13 Périers, Florin (1605–1702) 16 Perrault, Claude (1613–1688) 56 Ptolemäus (Ptolemaeus), Claudius (um 100– vor 180) 101f., 110f., 148f., 156f., 173, 175 Richter, Jean (1630–1696) 175 Riccioli (Ricciolus), Giovanni Battista (1598–1671) 25, 132f., 144–149, 154f., 158f., 164, 170, 173–175 Robert, siehe Rupert von der Pfalz Rohault, Jacques (1618–1672) 46 Rupert von der Pfalz (princeps Robertus, 1619–1682) 152f., 171, 174 Scheiner (Scheinerus), Christoph (1573–1650) 71, 156f., 174f.
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Schönborn, Johann Philipp von(1605–1673) 5, 9, 174f. Schott (Schottus), Caspar (1608–1666) 9f., 24, 32, 67, 85, 92, 108f., 126–129, 164f., 169, 171 Schyrl (Rheita), Anton Maria (1597–1660) 71, 154f., 160f., 164, 174f. Servière, siehe Grollier de Servière Simon Petrus (Petrus) 150f., 173 Sophie Charlotte von Hannover (1668–1705) 32, 48 Stevin, Simon (1548–1620) 169 Sturm, Johann Christoph (1635–1703) 31f. Suárez, Francisco (1548–1617) 48 Terlon (Trelon), Hugues Chevalier de (unbek. – um 1690) 94 Thomasius, Jakob (1622–1684) 6, 10 Thümmig, Philipp (1697–1728) 51 Timpler (Timplerus), Clemens (ca. 1567–1624) 48f., 108f., 164 Torricelli, Evangelista (1608–1647) 6, 8, 12, 15f., 24, 40, 46, 50, 72 Varenius, Bernhard (1622–1650/51) 172 Wallis, John (1616–1703) 19, 33, 55–57 Wendelin (Wendelinus), Godefroy (1580–1667) 132f., 170, 175 White, Thomas (1593–1676) 6 Wolff, Christian (1679–1754) 47, 51 Wren, Christopher (1632–1723) 7, 19, 33 Zabarella, Jacopo (1533–1589) 144f., 172 Zucchi, Niccolo (1586–1670) 104, 167, 169 Zunnern, Johann David (17. Jahrhundert) 93
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: EN, S. 80, iconismus VII O. v. Guericke, Experimenta nova (ut vocantur) Magdeburgica de vacuo spatio, Amsterdam 1672, S. 80, iconismus VII (Magdeburg, Archiv der Otto-von-GuerickeGesellschaft) 90 Abb. 2: EN, Titelkupfer O. v. Guericke, Experimenta nova (ut vocantur) Magdeburgica de vacuo spatio, Amsterdam 1672, Titelkupfer (Magdeburg, Archiv der Otto-von-Guericke Gesellschaft) 107 Abb. 3a: LH XXXV 14, 2, Bl. 95v, Ausschn. Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, LH XXXV 14, 2, Bl. 95v, Ausschnitt 112 Abb. 3b: A VIII, 1, S. 248, Fig. 1 G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, Akademie-Ausgabe, Bd. VIII, 1, Berlin 2009, S. 248, Fig. 1 113 Abb. 4a: LH XXXV 14, 2, Bl. 94r, Ausschn. Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, LH XXXV 14, 2, Bl. 94r, Ausschnitt 122 Abb. 4b: A VIII, 1, S. 256, Fig. 3 G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, Akademie-Ausgabe, Bd. VIII, 1, Berlin 2009, S. 256, Fig. 3 123 Abb. 5a: LH XXXV 14, 2, Bl. 96r, Ausschn. Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, LH XXXV 14, 2, Bl. 96r, Ausschnitt 128 Abb. 5b: A VIII, 1, S. 260, Fig. 4 G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, Akademie-Ausgabe, Bd. VIII, 1, Berlin 2009, S. 260, Fig. 4 129 Abb. 6a: LH XXXV 14, 2, Bl. 99v, Ausschn. Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, LH XXXV 14, 2, Bl. 99v, Ausschnitt 138 Abb. 6b: A VIII, 1, S. 252, Fig. 2 G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, Akademie-Ausgabe, Bd. VIII, 1, Berlin 2009, S. 252, Fig. 2 139 Abb. 7a: LH XXXV 14, 2, Bl. 92r, Ausschn. Hannover, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek, LH XXXV 14, 2, Bl. 92r, Ausschnitt 154 Abb. 7b: A VIII, 1, S. 271, Fig. 5 G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, Akademie-Ausgabe, Bd. VIII, 1, Berlin 2009, S. 271, Fig. 5 155
https://doi.org/10.1515/9783110533927-010