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German Pages 412 [413] Year 1994
ANNETTE FLORMANN-PFAFF
Lagerstätten im Völkerrecht
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Meinhard Hilf, Hans Peter lpsen, Ingo von Mönch und Gert Nicolaysen
Band 2
Lagerstätten im Völkerrecht Joint Development: Zusammenarbeit bei anerkannten und streitigen Grenzen
Von
Annette Flormann-Pfaff
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Flormann-PfaiT, Annette:
Lagerstätten im Völkerrecht : joint development: Zusammenarbeit bei anerkannten und streitigen Grenzen I von Annette Flormann-Pfaff. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Hamburger Studien zum europäischen und internationalen Recht ; Bd. 2) Zug!.: Hamburg, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07998-1 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-07998-1
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wihtersemester 1993 vom Fachbereich I der Universität Harnburg als Dissertation angenommen. Die Untersuchung war im Herbst 1992 abgeschlossen. Für die Drucklegung habe ich jedoch die wichtigsten neueren Entwicklungen sowie Literatur und Rechtsprechung bis November 1993 nachgetragen. ~echtswissenschaft
Mein herzlicher Dank geht an alle, die mich bei der Anfertigung der vorliegenden Arbeit und im Promotionsverfahren unterstützt haben. Dies gilt in besonderem Maße für meinen Dotorvater, Herrn Prof. Dr. Rainer Lagoni; er hat die Untersuchung angeregt und ihre Entstehung im folgenden durch wertvolle Hinweise in zahlreichen Gesprächen gefördert. Herrn Prof. Dr. Ingo von Münch danke ich, daß er die Mühe der Erstattung des Zweitgutachtens übernommen hat. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Philip Kunig; seine Vorlesungen haben mein Interesse am Völkerrecht geweckt und mir die grundlegenden Kenntnisse vermittelt, die für die Bearbeitung des Themas unerläßlich waren. Den Mitarbeitern des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie in Hamburg, die die im Anhang abgebildeten Seekarten angefertigt haben, danke ich ebenfalls für diese Hilfe. Zu Dank verpflichtet bin ich sodann den Herausgebern und dem Verlag für die Aufnahme in ihre Schriftenreihe. Ein besonderes Dankeschön richte ich schließlich an Herrn Dr. Karel Meirowitz für die unerschütterliche Geduld, mit der er mich in die Tücken der ComputerTechnik eingeweiht hat, sowie an Frau Andrea Franke und Frau Dr. Christiane Görlitz-Burmeister für aufmunternden Zuspruch wie für freundschaftliche Ermahnung. Mein größter Dank aber gebührt meinem Ehemann Manfred; er hat mir, wo immer möglich, mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Hamburg, im Dezember 1993
Annette Flormann-Pfaff
Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Erster Teil Völkerrechtliche Grundlagen und Einrührung in die Problematik
Erstes Kapitel: Zum Status nicht-lebender natürlicher Ressourcen im Völkerrecht.
24
A. Ressourcen im Bereich staatlicher Hoheitsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
B. Ressourcen im Bereich des Festlandsockels......... . . .. .............. ..
28
Zweites Kapitel: Problemkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
A. Grenzüberschreitende Lagerstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
I. Beschränkung auf Grenzen zwischen souveränen Staaten. . . . . . . . . . . . . .
34
II. Zur Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten. . . . . . . . . . .
34
1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2. Der Bergbau auf feste Rohstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
a) Das Verbot der Grenzdurchörterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
b) Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
3. Die Gewinnung flüssiger und gasförmiger Rohstoffe. . . . . . . . . . . . . . .
43
a) Das Verbot der Entziehung von Rohstoffen aus einem angrenzenden Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
aa) Die "rule of capture" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
bb) Unanwendbarkeit der "rule of capture" im Völkerrecht. .. ....
49
(1) Die "rule of capture" als privatrechtliches Institut . . . . . . . .
50
(2) Mit der "rule of capture" unvereinbare Völkerrechtsprinzipien. ...... . ........ . ..... .. ............. . ..
51
(a) Das Recht zur Verwirklichung einer nationalen Rohstoffpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
(b) Das Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
10
Inhaltsverzeichnis (c) Das Prinzip der gemeinsamen Naturgüter mehrerer Staaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
(d) Das Prinzip der Billigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
(3) Wirtschaftliche Folgen der "rule of capture" und die Abkehr von ihr im innerstaatlichen Recht in den USA. . . . .
60
(4) Staatenpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
(a) Lagerstätten-Klauseln in völkerrechtlichen Grenzverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
(b) Art. 142 Abs. 2 SRÜ...................... . .....
74
(c) Sonstige Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
cc) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
b) Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
B. Lagerstätten im Bereich sich überschneidender staatlicher Gebietsansprüche ("overlapping claims"). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
I. "Overlapping claims" als Problem der Grenzziehung auf dem Festlandsockel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
II. Begriffund Entstehung von "overlapping claims"............... . .. . .
81
1. Die Wohlbegründetheil der Ansprüche als Voraussetzung von
"overlapping claims" im Rechtssinne..... . ... . ............. . .. .
81
2. Die räumliche Begrenzung des Festlandsockels . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
a) Die Truman-Proklamation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Die Festlandsockelkonvention von 1958......................
87
c) Die Nordseefestlandsockelfälle von 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
d) Das Seerechtsübereinkommen von 1982 und das geltende Gewohnheitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
aa) Die seewärtigen Grenzen des Festlandsockels . . . . . . . . . . . . . .
89
bb) Die Abgrenzung von Festlandsockelanteilen zwischen benachbarten Staaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
3. Konsequenzen für die Wohlbegründetheil der staatlichen Ansprüche . .
98
III. Zur Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten. . . . . . . . . . .
99
1. Das Verbot der Rohstoffgewinnung und anderer Maßnahmen mit nicht nur vorübergehendem Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Ressourcenbezogene Arbeiten als Verletzung souveräner Rechte. . . 100 aa) Der Rechtsstatus des Festlandsockels im Bereich von "overlapping claims" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Folgerungen für die Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Inhaltsverzeichnis
11
b) Ressourcenbezogene Aktivitäten als Gefahr für den friedlichen Einigungsprozeß über den Verlauf der Festlandsockelgrenze . . . . . . 114 aa) Der Normzweck des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 2. Hs SRÜ. . . . . . . . .
115
bb) Folgerungen für die Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117
c) Staatenpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Drittes Kapitel: Konsequenzen der bestehenden Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
A. Im Fall grenzüberschreitender Lagerstätten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126
B. Im Fall von Lagerstätten im Bereich sich überschneidender Gebietsansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Zweiter Teil ,,Joint Development"
Erstes Kapitel: Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Zweites Kapitel: Zum ,,Joint Development"-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 A. Bestimmung des Begriffs ,,Joint Development" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
B. Funktionen von ,,Joint Development". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Umsetzung durch Vertrag..... . . .......... . ...... . .......... . .. . ... .
134
D. Historische Entwicklungen... . . .. ............. .. . .. ....... . .. . .. . .. . 136 Drittes Kapitel: Staatenpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A. Abkommen infolge grenzüberschreitender Lagerstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
I. Abkommen zur Regelung des Bergbaus auf feste Stoffe. . . . . . . . . . . . . . .
143
II. Abkommen zur Regelung der Gewinnung flüssiger oder gasförmiger Rohstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Tschechoslowakei- Österreich (1960) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
2. Großbritannien- Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Das Frigg-Erdgasfeld-Abkommen (1976) . ....... . ... . .. . .. . ..
149
b) Das Statfjord-Erdölfeld-Abkommen (1979) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Das Murchison-Erdölfeld-Abkommen (1979). . . .... .. .. . ...... 155 B. Abkommen infolge sich überschneidender Gebietsansprüche.. . . . . . . . . . . . . . 156 I. Abkommen zur Regelung des Bergbaus auf feste Stoffe. . . . . . . . . . . . . . .
156
1. Saudi Arabien-Sudan (1974) . . . . .. . .... . ...... . .......... . .. .
156
2. Weitere Abkommen.. . . ... . .. .... . .... . ... . . .. . ..... ... .. .. .
159
12
Inhaltsverzeichnis II. Abkommen zur Regelung der Gewinnung flüssiger oder gasförmiger Rohstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 l. Bei gleichzeitiger Grenzziehung im ,,Joint Development"-Gebiet. . . . .
159
a) Saudi Arabien- Bahrain (1958)........... . ............. . ...
159
b) AbuDhabi-Qatar(1969) ............... . .................
160
c) Frankreich- Spanien (1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Island-Norwegen (1981)............ . ....................
164
2. Ohne Grenzziehung im ,,Joint Development"-Gebiet. . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Deutschland -Niederlande (1962). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Iran- Shaijah (1971) . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 172 c) Japan- Südkorea (1974) . . . . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . .. . . . 174 d) Thailand -Malaysia (197911990) .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. . 180 e) Australien - Indonesien (1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Bei teilweiser Grenzziehung im "Joint Development"-Gebiet: Saudi Arabien- Kuwait (1965). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C. Weitere Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Ruanda- Zaire (1975) .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. ..
196
II. Tunesien- Libyen (1988).......................................
198
III. Nordjemen- Südjemen (1988). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Viertes Kapitel: Die den ,,Joint Development"-Abkommen zugrundeliegende Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 A. Klassifizierung der Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit: Fünf Modelle.............. . ................ . ... . ............ . ....
201
B. Die Regelungspunkte eines ,,Joint Development"-Abkommens im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Der Bezugspunkt der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Kooperationsgebiet und gemeinsam zu erschließende Ressourcen. . .. . 212
2. Teilung des ,,Joint Development'~-Gebietes in Unterzonen..... . .. .. . 215 3. Einfluß der Ansprüche am Abkommen nicht beteiligter Staaten auf das ,,Joint Development"-Gebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Rechtlicher Status des ,,Joint Development"-Gebietes und der gemeinsam zu erschließenden Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Aufteilung der Kosten und Gewinne der Ressourcennutzung .. . . : . . . . . . 221 III. Die Grundsätze der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Im Fall grenzüberschreitender Lagerstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Im Fall sich überschneidender Gebietsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
Inhaltsverzeichnis
13
IV. Errichtung einer gemeinsamen Kommission oder Behörde. . . . . . . . . . . . . 226 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
2. Die Errichtung einer gemeinsamen Behörde als eigenständige Form der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 V. Im Kooperationsgebiet anzuwendendes Recht... . ............. . .....
230
I. Im Fall grenzüberschreitender Lagerstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
2. Im Fall sich überschneidender Gebietsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Bei gleichzeitiger Grenzziehung im ,,Joint Development"-Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Ohne Grenzziehung im ,,Joint Development"-Gebiet . . . . . . . . . . . . 235 aa) Konkurrenz der nationalen Rechtsordnungen der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Anwendbarkeit nur einer Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (I) Geltung einer bestehenden innerstaatlichen Rechtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (2) Geltung harmonisierten oder neu geschaffenen Rechts . . . . 242 VI. Einzelaspekte des Bergrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. Die inhaltliche Ausgestaltung der Verträge mit der Förderindustrie.. . . 244
a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Der Fall grenzüberschreitender Lagerstätten . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Der Fall sich überschneidender Gebietsansprüche . . . . . . . . . . . 245 (1) Bei gleichzeitiger Grenzziehung im
,,Joint Development"-Gebiet.... .. ............. . .. .. . 245
(2) Ohne Grenzziehung im ,,Joint Development"-Gebiet. . . . . . 246 b) Der Konzessionsvertrag moderner Prägung . ... . . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Dienstleistungsverträge; insbesondere der Produktionsteilungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Steuern und andere Abgaben der Förderindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Fiskalregime bei einem Konzessionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Fiskalregime bei einem Produktionsteilungsvertrag . . . . . . . . . . . . . 260 3. Ein- und Ausfuhrabgaben der Förderindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 VII. Umweltschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 VIII. Lösung und Vermeidung von Nutzungskonflikten im ,,Joint Development"-Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 IX. Berücksichtigung vor Abschluß eines ,,Joint Development"Abkommens einseitig verliehener Bergbauberechtigungen. . . . . . . . . . . . . 274 X. Lagerstätten-Klausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
14
Inhaltsverzeichnis XI. Begriffsbestimmungen, Präambel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 XII. Laufzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
XIII. Vorbehaltsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 XIV. Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 XV. Schlußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. lokrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
Fünftes Kapitel: Verantwortlichkeit und Haftung für Vertragsverletzungen . . . . . . 289 Dritter Teil
Völkerrechtliche Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation außerhalb bestehender ,Joint Development"-Abkommen Erstes Kapitel: Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Zweites Kapitel: Grenzüberschreitende Lagerstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 A. Pflicht zu Verhandlungen über die kooperative Ausbeutung einer Lagerstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Lagerstätten-Klauseln in völkerrechtlichen Grenzvereinbarungen. . . . . 296 a) Lagerstätten-Klauseln als "pacta de negotiando" bzw. "de contrahendo" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 aa) Rechtsgehalt einer Verhandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Zum Abschluß eines Vertrages als Rechtspflicht . . . . . . . . . . . . 299 b) Gegenstand und Umfang der Verhandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Materielle Vorgaben zur Ausgestaltung eines Abkommens . . . . . . . 305 aa) Bestmögliche Ausbeutung der Lagerstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Gerechte Aufteilung der Vorteile der Ressourcennutzung . . . . . 307 cc) Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Das Seerechtsübereinkommen von 1982. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Hinweis auf die Regelungen des Seerechtsübereinkommens bezogen auf lebende Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Art. 142 SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
aa) Art. 142 Abs. 2, S. 1 SRÜ............. . .......... . .. .. . 314 bb) Art. 142 Abs. 2, S. 2 SRÜ .. . ... . .. ... . ... . ...... . . .... . 317 cc) Ergebnis . . ... . . . .. .. .. . ... . . ... .. .. . . . .. .. . . ..... ... . 318
Inhaltsverzeichnis
15
li. Völkergewohnheitsrecht.. .. ................ . ........... . ...... . 318
1. Verhandlungspflicht als Konkretisierung des Grundsatzes der guten Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Verhandlungspflicht und Staatenpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Zur Entstehung von Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Verhandlungspflicht bezogen auf grenzüberschreitende Lagerstätten, wenn die Rohstoffe eines nationalen Sektors ganz oder teilweise vom angrenzenden Sektor aus gewonnen werden können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 aa) Lagerstätten-Klauseln als Ausdruck einer allgemeinen Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 bb) Rechtsüberzeugung der Staaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 cc) Völkerrechtliches Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 dd) Internationale Judikatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 ee) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Verhandlungspflicht bezogen auf grenzüberschreitende Lagerstätten, wenn die Rohstoffe eines nationalen Sektors nicht ganz oder teilweise vom angrenzenden Sektor aus gewonnen werden können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 111. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 B. Pflicht, den Abschluß eines Kooperationsabkommens nicht zu vereiteln . . . . . . 335 C. Rechtslage nach dem Scheitern von Vertragsverhandlungen ..... . . ..... . ... 341 Drittes Kapitel: Lagerstätten im Bereich sich überschneidender Gebietsansprüche
346
A. Lagerstätten und Grenzziehung auf dem Festlandsockel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Pflicht zu Verhandlungen über den Grenzverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 li. Pflicht zur Erhaltung der Einheit einer Lagerstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
I. Erhaltung der Einheit durch Modifikation der Grenzlinie . . . . . . . . . . . . 348 2. Erhaltung der Einheit durch Kombination des Grenzvertrages mit einer ,,Joint Development"-Abrede. . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . 350 3. Relativierung der Auswirkungen der gewonnenen Ergebnisse . . . . . . . . 353 III. Pflicht, den Abschluß eines Grenzabkommens nicht zu vereiteln . . . . . . . . 354 IV. Recl}tslage nach dem Scheitern von Abgrenzungsverhandlungen. . . . . . . . 355
16
Inhaltsverzeichnis
B. Lagerstätten als Verhandlungsgegenstand außerhalb des Grenzziehungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
I. Pflicht zu Verhandlungen über die kooperative Ausbeutung einer
Lagerstätte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
1. Völkervertragsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
a) Bilaterale Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
b) Art. 83 SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 aa) Art. 83 Abs. 3, S. l, 1. Hs SRÜ als "pactum de negotiando".. .
358
bb) Gegenstand und Umfang der Verhandlungspflicht.......... .
359
cc) Materielle Vorgaben zur Ausgestaltung einer Vereinbarung . . .
362
(1) Vorläufigkeit; Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 (2) Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 2. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 II. Exkurs: Beispiele für mögliche künftige ,,Joint Development"-Gebiete . . 369 C. Faktoren, die den Abschluß eines ,,Joint Development"-Abkommens beeinflussen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Anhang A: Verzeichnis der erörterten ,,Joint Development"·Abkommen. . . . 380 Anhang B: Abbildungen ausgewählter ,,Joint Development"·Gebiete. . . . . . . 382 Anhang C: Verzeichnis der Verträge mit Lagerstätten-Klausel . . . . . . . . . . . . 389 Anhang D: Verzeichnis der Verträge mit allgemeiner Kooperationsklausel . . 392 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AdG AJIL Alt. Am. Jur. Anm. AöR Art. ASEAN Aufl. Aust.YIL BBergG Bd BGB BGBI. BGH BGHZ BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. ca. CSR DDR Deutsche BP ders. d.h. dies. Diss. Diss. Op. Doc. EA EGBGB 2 l'lormonn-PCaff
anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv der Gegenwart American Journal of International Law Alternative American Jurisprudence Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Association of South-East Asian Nations Auflage Australian Yearbook of International Law Bundesberggesetz Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Drucksachen des Bundesrates Drucksachen des Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Tschechoslowakische Republik Deutsche Demokratische Republik Deutsche British Petroleum derselbe das heißt dieselbe(n) Dissertation Dissenting Opinion Document Europa-Archiv Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
18 EPIL et al. etc. f.
FAZ ff.
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Kap. km lit. LG
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Abkürzungsverzeichnis Encyclopedia of Public International Law et alii et cetera folgende (Seite) Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende (Seiten) Foreign Investment Law Journal Festschrift Festlandsockelkonvention General Assembly General Assembly Official Records General Agreement on Tariffs and Trade gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Handbuch Handwörterbuch des Umweltrechts Herausgeber Halbsatz ibidem International Court of Justice I.C.J., Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders Informal Composite Negotiating Text in der Regel Internationaler Gerichtshof International Journal of Estuarine and Coastel Law International Law Association Report der International Law Association International Law Commission International Legal Materials International Maritime Organisation insbesondere Internationaland Comparative Law Quaterly Informal Single Negotiating Text im Sinne von Jahrbuch für internationales Recht Kapitel Kilometer littera Landgericht Meter Modell Production Sharing Contract mit weiteren Nachweisen
Abkünungsverzeichnis NATO Nat.Res.F. Nat.Res.J. n. F. NILOS NJW No. NYIL ODIL OECD ÖZöR OLG OR para. P.C.I.J. P.C.I.J. Ser. NB PMC RdC REDI Rep. Res. Rev. RGBI. RGDIP RGZ RSNT
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San Diego L.R. Sep. Op. Ser. sm sog. SRÜ StiGH u.a. UdSSR UN UNCLOS UNEP UNLS UNO
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North Atlantic Treaty Organisation Natural Resources Forum Natural Resources J oumal neue Fassung Netherlands Institute for the Law of the Sea Neue Juristische Wochenschrift Number Netherlands Yearbook of International Law Ocean Development and International Law Organization for Economic Co-operation and Development Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Oberlandesgericht Official Records paragraph Permanent Court of International Justice Judgments, Ordersand Advisory Opinions, Nos. 40-80 (1931-39) Petroleum Mining Code Recueil des Cours del'Academie de droit international de Ia Haye Revista Espafiol De Derecho International Report(s) Resolution Revision Reichsgesetzblatt Revue generate de droit international public Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revised Single Negotiating Text siehe Satz San Diego Law Review Seperate Opinion Serie; Series Seemeilen sogenannt(e) Seerechtsübereinkommen Ständiger Internationaler Gerichtshof unter anderem Union der sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations UN Conference on the Law of the Sea UN Environmental Programme UN Legislative Series UN Organisation
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Abkürzungsverzeichnis UN Reports of International Arbitral A wards UN Treaty Series Umwelt- und Planungsrecht United States of America und so weiter unter Umständen von; versus Vereinigte Arabische Emirate vergleiche Virginia Journal of International Law Vereinte Nationen Volume Wiener Übereinkommen (Konvention) über das Recht der Verträge Yearbook of the International Law Comrnission Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bergrecht Ziffer zum Teil zur Zeit
Einleitung Völkerrechtliche Arbeiten, die sich mit nicht-erneuerbaren natürlichen Ressourcen befassen, untersuchen zumeist global angelegte Konfliktkonstellationen. Teils werden- auch vor dem Hintergrund einerNeuen Weltwirtschaftsordnung- die Bemühungen der Staaten der sogenannten Dritten Welt thematisiert, durch kontinuierliche und beständig steigende Exporterlöse ihre Entwicklung voranzutreiben, teils konzentrieren sich die Betrachtungen mehr auf die rohstoffpolitischen Konzeptionen der Industrieländer mit ihrem Streben nach ausreichendender Versorgungssicherheit Sehr viel weniger Aufmerksamkeit erfahren demgegenüber natürliche Ressourcen als Problem der Beziehungen zwischen benachbarten - unmittelbar aneinander angrenzenden oder sich durch einen Wassergürtel getrennt gegenüberliegenden - Staaten. Auf der regionalen Ebene bergen Zuordnung und Nutzung von Rohstoffen jedoch ebenfalls erhebliches Konfliktpotential. Die hier erkennbar werdenden Probleme und Interessengegensätze herauszuarbeiten und Lösungswege aufzuzeigen, ist Gegenstand und Aufgabe der vorliegenden Untersuchung. Zwei Fallkonstellationen werden im folgenden von besonderer Bedeutung sein: Die erste ist die, daß eine bezüglich der Rohstoffart homogene Lagerstätte sich beidseitig einer vertikal in den Erdboden fortgesetzt gedachten Staats- oder Festlandsockelgrenze befindet, die zweite die, daß eine Lagerstätte in einem Areal nachgewiesen oder vermutet wird, in dem sich die Gebietsansprüche von zwei oder mehr Küstenstaaten überlagern. In beiden Fällen ist die völkerrechtliche Zulässigkeil von Bergbauaktivitäten durch die betroffenen Völkerrechtssubjekte problematisch. Während dies bei der Förderung aus einem grenzüberschreitenden Reservoir in erster Linie für Kohlenwasserstoffvorkommen aufgrund des zumeist flüssigen oder gasfönnigen Aggregatzustandes dieser Stoffe gilt, trifft es bei der Gewinnung von Bodenschätzen aus Gebieten mit konkurrierenden Ansprüchen in gleicher Weise auf feste Stoffe zu. Nähere Ausführungen hierzu finden sich im ersten Teil der vorliegenden Arbeit. In der Staatenpraxis sind verstärkt Bemühungen zu beobachten, die mit den genannten Fallkonstellationen verbundenen Komplikationen im Wege der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bei der Aufsuchung und Gewinnung der betreffenden Rohstoffe zu bereinigen (,,Joint Development"). Diese Entwicklung fügt sich ein in den allgemeinen Rahmen der Wandlung des Völkerrechts zu
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Einleitung
einem Recht der Kooperation und lohnt eine intensivere Analyse. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird deshalb das Konzept vorgestellt, das einem staatlichen Zusammenwirken im hier interessierenden Bereich zugrunde liegt. Dazu werden zunächst einige instruktive Vorüberlegungen zur Begriffsbestimmung, zu den Funktionen, zur Umsetzung und zur historischen Entwicklung von Joint Development angestellt. Im Anschluß daran werden Entstehungsgeschichte und wesentlicher Inhalt bestehender bilateraler Kooperationsabkommen referiert. Die vergleichende Betrachtung dieses normativen Tatsachenmaterials ermöglicht es sodann, die Struktur, die den vorgestellten Abkommen zugrunde liegt, herauszuarbeiten. Besonderer Stellenwert kommt dabei den spezifischen inhaltlichen Ausprägungen der Zusammenarbeit zu, die hier als "Kooperationsmodelle" bezeichnet werden. Darüber hinaus werden aus der Vielzahl der Regelungspunkte der einzelnen Verträge diejenigen Elemente destilliert und erörtert, die in jedem Abkommen einer Lösung zugeführt werden bzw. zur Errichtung eines funktionsfähigen Regimes zugeführt werden sollten. Angesichts der vorzufindenden Staatenpraxis drängt sich die Frage auf, ob und inwieweit diejenigen Staaten, die in den problematischen Fallkonstellationen (noch) kein kooperatives Regime errichtet haben, hierzu rechtlich, vor allem auch gewohnheitsrechtlich, verpflichtet sind. Diesem Aspekt wendet sich die vorliegende Untersuchung im dritten Teil zu. Dabei liegt der Schwerpunkt der Betrachtung einmal auf prozeduralen Verhandlungspflichten und zum anderen auf materiell-rechtlichen Pflichten zur inhaltlichen Ausgestaltung der im einzelnen auszuhandelnden Zusammenarbeit. Hinsichtlich der Ressourcen beschränkt die vorliegende Untersuchung sich auf nicht-lebende, erschöpfbare natürliche Stoffe des Erdbodens und des Meeresuntergrundes. Dazu zählen vor allem die für die nationalen Volkswirtschaften so bedeutsamen abbaubaren Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle. Ausgenommen von der Betrachtung sind danach das Wasser als regenerierbare Ressource und alle Tier- und Pflanzenarten als Bestandteile der lebenden Natur. Die gewählte Eingrenzung auf nicht-erneuerbare und nicht-lebende Ressourcen bedeutet jedoch nicht, daß vergleichbare Entwicklungstendenzen hin zu einer zwischenstaatlichen Kooperation nicht auch im Bereich der Wassernutzung und der Nutzung von Lebewesen, insbesondere von Fischbeständen, zu beobachten wären. Sie werden hier jedoch allenfalls am Rande erwähnt und bleiben ansonsten ausgeklammert; die mit ihnen verbundenen Probleme der Erhaltung und Bewirtschaftung sind grundsätzlich anders geartet und bedürfen daher einer eigenständigen Untersuchung. Soweit nicht Räume außerhalb nationaler Jurisdiktion betroffen sind, fußen Aufsuchung und Gewinnung nicht-lebender natürlicher Ressourcen auf den völkerrechtlichen Bestimmungen zur Souveränität eines Staates über die natürlichen
Einleitung
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Reichtümer in und auf seinem Hoheitsgebiet sowie zu den souveränen Rechten, die er über seinen Teil des Festlandsockels ausübt. Dies ist unabhängig davon, ob die genannten bergbauliehen Tätigkeiten durch einen Staat allein oder von mehreren gemeinsam auf der Basis eines Kooperationsabkommens durchgeführt werden. Der Begriff "Festlandsockel" ist dabei im heute maßgeblichen rechtlichen, nicht im geologischen Sinne zu verstehen und umfaßt - zumindest - den Meeresboden und Meeresuntergrund der Unterwassergebiete jenseits der Küstenmeere bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen gemessen von den Basislinien. Dieser Umstand sowie die genannte Beschränkung auf nicht-lebende Ressourcen ermöglichen es, das seevölkerrechtliche Institut der Ausschließlichen Wirtschaftszone weitestgehend unbeachtet zu lassen. Zwar überlagert dieses junge, positivrechtlich erstmals in dem Seerechtsübereinkommen von 1982 (SRÜ) verankerte, sich daneben aber gewohnheitsrechtlich verfestigende Konzept zur Distribution von Nutzungsvorrechten heute weitgehend das Festlandsockelregime in sachlicher wie in räumlicher Hinsicht; das Schelfkonzept bleibt aber als eigenständiges Regime aus gutem Grund uneingeschränkt erhalten (Art. 76 ff. SRÜ). Hingewiesen sei hier nur auf die zwei bedeutendsten Unterschiede zwischen den beiden Völkerrechtsinstituten: Einmal kann der Festlandsockel im Fall bestimmter geomorphologischer Gegebenheiten die 200 Seemeilen-Grenze auch überschreiten und zum anderen sind die Rechte der Küstenstaaten am Festlandsockel weder von einer tatsächlichen oder nominellen Besitzergreifung noch von einer ausdrücklichen Erklärung abhängig. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist festzustellen, daß Bezüge zu solchen souveränen Rechten, die allein das Regime der Ausschließlichen Wirtschaftszone, nicht aber das Festlandsockelkonzept gewährt, nicht bestehen.
Erster Teil
Völkerrechtliche Grundlagen und Einführung in die Problematik Staatliche Zusammenarbeit ist niemals Selbstzweck, sondern erfolgt zur Bewältigung gemeinsamer Probleme oder zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen. Bevor also auf die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei der Aufsuchung, Erschließung und Gewinnung natürlicher Ressourcen eingegangen werden kann, gilt es zunächst, sich in einem einführenden Teil mit den einleitend bereits genannten problemträchtigen Fallkonstellationen auseinanderzusetzen; sie bilden die tatsächliche Grundlage der kooperativen Maßnahmen im hier relevanten Zusammenhang.
In der gebotenen Kürze soll dazu eingangs aufgezeigt werden, wem das geltende Völkerrecht Befugnisse über die natürlichen Ressourcen des Erd- und des Meeresbodens sowie ihres Untergrundes zuweist. Im Anschluß daran werden diejenigen tatsächlichen Konstellationen analysiert, in denen trotz der eindeutigen Bestimmungen zur Distribution der Ressourcen Probleme in genau dem Moment auftreten, in dem ein Staat von den ihm gewährten Rechten Gebrauch machen und bestimmte Rohstoffe aufsuchen und fördern will. Es soll verdeutlicht werden, welche ressourcenbezogenen Arbeiten in diesen Fällen völkerrechtlich zulässig bzw. untersagt sind und zu welchen- insgesamt nachteiligen- Konsequenzen dies führt. Erstes Kapitel
Zum Status nicht-lebender natürlicher Ressourcen im Völkerrecht A. Ressourcen im Bereich staatlicher Hoheitsgebiete Im innerstaatlichen Recht hat die Frage, wer Befugnisse zu Besitz, Nutzung und Verfügung über Bodenschätze1 beanspruchen und damit also auch primär 1 Die Begriffe Bodenschätze, Ressourcen, Rohstoffe, natürliche Reichtümer etc. werden hier synonym verwandt und in Anlehnung an § 3 Abs. 1 Bundesberggesetz
1. Kapitel: Zum Status nicht-lebender natürlicher Ressourcen
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Bergbau betreiben darf, eine fast ebenso lange Geschichte wie der Bergbau selbst. Im klassischen Völkerrecht dagegen besaßen die natürlichen Reichtümer keine eigenständige Bedeutung. In staatsfreien Räumen, insbesondere der Hohen See, unterlag der Zugang zu ihnen keinerlei Beschränkungen. Im übrigen oblag die mit den Befugnissen aus dem innerstaatlichen Eigentumsbegriff vergleichbare Macht über sie dem jeweiligen Staat als Ausfluß seiner territorialen Souveränität, das heißt, dem Recht, über das Staatsgebiee oder Teile desselben endgültig und ohne Einschaltung anderer Staaten verfügen zu können. Die Allokation der Bodenschätze entsprach somit der Aufteilung der bewohnbaren Teile der Erdoberfläche in Hoheitsgebiete, und der Zugang zu ihnen erfolgte durch den Erwerb der territorialen Souveränität. Bis in das neunzehnte Jahrhundert war der wichtigste Titel für den originären Erwerb territorialer Souveränität die Entdeckung und die sich anschließende Einverleibung bisher (vorgeblich) herrenloser Gebiete. Aber auch durch Annexion3 im Falle der restlosen Besiegung des Gegners oder durch Zessionsverträge kam es zum Übergang von Territorien·. Erst im Zuge des Dekolonialisierungsprozesses rückten die natürlichen Ressourcen in das Zentrum des internationalen Regelungsinteresses. Denn Kolonialismus und Imperialismus, insbesondere die Vergabe umfassender Konzessionen zur Ausbeutung von Bodenschätzen von den Kolonialmächten an ihre Staatsangehörigen4 und die sogenannte Politik der "offenen Tür" 5 hatten dazu geführt, daß in den Staaten der heutigen Dritten Welt Eigentum an und Kontrolle über die für die Nationalökonomie wichtigen Rohstoffe in die Hände ausländischer Investoren übergegangen waren. Im Jahre 1952 befaßten sich erstmals die Vereinten Nationen in einer Resolution6 ausdrücklich mit der Frage der Verfügungsbefugnis über die natürlichen (BBergG, BGBl. 1980 I, S. 1310) definiert als "alle mineralischen Rohstoffe in festem oder flüssigem Zustand und Gase mit Ausnahme von Wasser, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen (Lagerstätten) in oder auf der Erde, auf dem Meeresgrund, im Meeresuntergrund oder im Meerwasser vorkommen". Die Extraktion gelöster Elemente aus dem Meerwasser bleibt allerdings im folgenden ausgeklammert; ihr Umfang ist zwar zum Teil erheblich, ihre Gewinnung aber unter den gegenwärtigen Preis- und Kostenverhältnissen grundsätzlich nicht wirtschaftlich. 2 Zum Staatsgebiet zählen neben den Landgebieten, Binnen-, Eigen- und Küstengewässern auch der Luftraum und der Erduntergrund, soweit er technisch nutzbar ist, vgl. nur lpsen, S. 278. 3 Seit der Briand-Kellog-Pakt vom 27.8.1928 (RGBl. 1929 II, S. 97) die Anwendung militärischer Gewalt verbietet, sind Annexionen i.d.R. rechtswidrig. 4 Dazu Verdross/Simrna, Rdz. 1013; Fawcett/Parry, S. 119; Asante, S. 337 ff; 5 Brownlie, RdC 1979 I, S. 253; Bergmann, S. 178, spricht von einem durch die Berggesetze der Kolonialmächte geschaffenen "offenen System", in welchem jedermann, der das Mündigkeitsalter erreicht hatte, ein Recht auf Prospektion und Abbau zustand.
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Reichtümer; weitere Resolutionen7 , zwei Menschenrechtspakte8 sowie die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten9 folgten und gaben der Forderung der bisher nur als Rohstofflieferanten in Erscheinung getretenen jungen Staaten nach einer neuen, ihren Anspruch auf gleichberechtigte Partnerschaft verwirklichenden Weltwirtschaftsordnung Ausdruck. Zentrale Aussage aller Stellungnahmen der Generalversammlung ist die Postulierung der uneingeschränkten und ständigen Souveränität der Staaten über ihre Naturreichtümer und Wirtschaftskräfte ("permanent sovereignty over natural wealth and resources"). Diesem Recht, das wie kaum ein anderes von den Staaten der Dritten Welt verteidigt wird, liegt das Streben nach wirt~chaftlicher Selbstbestimmung zugrunde. Verständlich wird dies vor dem Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten: Mit dem politischen Sieg der vormals abhängigen Gebiete über das Kolonialsystem hatten diese zwar die formelle Unabhängigkeit errungen, doch tiefgreifende Probleme blieben bestehen. Zu nennen sind hier insbesondere die Abhängigkeit von ausländischer Unterstützung für den Aufbau einer nationalen Wirtschaft, hohe Auslandsverschuldung, fehlende Diversifizierung der Volkswirtschaft, mangelnde oder gänzlich fehlende Infrastruktur, Mangel an Rohstoffen und Industriegütern, Kapitalarmut und ungünstige terms of trade. Trotz politischer Selbstbestimmung blieb es so bei einer faktischen Fremdbestimmung infolge eingeschränkter wirtschaftlicher Handlungsfahigkeit. Damit wuchs der Wunsch der ehemaligen Kolonien, selber Kontrolle über die in fremdem Eigentum stehenden Sektoren ihrer Wirtschaft auszuüben. 10 Dieser Wunsch bezog sich gerade auch auf die Ausbeutung und 6 GA Res. AJ523 (VI) vom 12. Jan. 1952 betreffend "lntegrated economic development and commercial agreements", Djonovich 3 (1950-52), S. 186. Don stellte die Generalversammlung im Präambelabschnitt 1 fest, "that the under-developed countries have the right to deterrnine freely the use of their natural resources and that they must utilize such resources in order to be in a better position to funher the realization of their plans of economic development in accordance with their national interests". 7 V gl. die ausführliche Darstellung aller in diesem Zusammenhang relevanten Resolutionen bei Kemper, S. 24 ff. und Brownlie, RdC 1979 I, S. 255 ff.; von herausragender Bedeutung sind die "Declaration on the Permanent Sovereignty over Natural Resources" vom 14.Dez.1962, GA Res. AJ1803 (XVII), ILM 2 (1963), S. 223 ff., sowie die "Declaration on the Establishment of a New International Economic Order" vom 1. Mai .1974, GA Res. 3201 (S-Vl), ILM 23 (1974), S. 715 ff. 8 "Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" vom 19. Dez. 1966, BGBl. 1973 II, S. 1570; "Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte" vom gleichen Tag, BGBI. 1973 li, S. 1534; vgl. jeweils Art. 1 Abs. 2.
GA Res. 3281 (XXIX) vom 12. Dez. 1974, ILM 14 (1975), S. 251. Mit Kimminich, Neue Weltwinschaftsordnung, S. 18, liegt es nahe, die freiheitsschützende Funktion, welche das Privateigentum für den Einzelmenschen hat (vgl. für Art. 14 GG z.B. BVerfGE 50, 290, 339 ff.), auch auf internationaler Ebene zugunsten der Völkerrechtssubjekte anzunehmen. 9
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1. Kapitel: Zum Status nicht-lebender natürlicher Ressourcen
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Vermarktung von Rohstoffen. Im internationalen Bergrecht bedeutet die Verwirklichung des Prinzips der permanenten Souveränität deshalb die möglichst weitgehende Beschränkung des Eigentumserwerbs eines Bergbauberechtigten an den von ihm abgebauten oder geförderten natürlichen Vorkommen. Dem tragen insbesondere dieneueren Formen der Vertragsgestaltung zwischen Förderstaalen und Mineralölgesellschaften Rechnung. Heute werden Partnerschaftsund Dienstleistungsverträge den Konzessionsverträgen älteren Typs, bei denen ein Konzessionär in der Regel privates Eigentum an allen geförderten Rohstoffen ab dem Sondenkopf erwarb, vorgezogen. 11 Infolge dieser Entwicklungen wird das Recht der Völker, für ihre eigenen Zwecke frei und eigenverantwortlich über ihre natürlichen Ressourcen zu verfügen, oftmals mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, welches traditionell ein Recht auf Unabhängigkeit von Fremdherrschaft gewährt, vermischt. An dem Inhalt oder der Reichweite der Verfügungsbefugnis über Bodenschätze als Ausfluß der territorialen Souveränität hat sich durch das Hinzufügen des Aspektes der wirtschaftlichen Unabhängigkeit jedoch nichts geändert. Vorrangiges Ziel der Bemühungen der Entwicklungsländer - zusammengefaßt in der halboffiziellen Gruppe der 77 12 und unterstützt von den sozialistischen Staaten - war es in diesem Zusammenhang nämlich, das auf Nationalisierungen ausländischer Gesellschaften sowie die Übertragung des Eigentums an ihnen auf eigene Staatsangehörige, aber auch auf weniger einschneidende Maßnahmen wie zum Beispiel bestimmte Auflagen13, anwendbare Recht in ihrem Sinne weiterzuentwickeln. 14 Hier wiederum wurde insbesondere die Frage diskutiert, ob bei solchen staatlichen Maßnahmen seitens des Gastlandes Entschädigungen an die ausländischen privaten Eigentümer und Investoren zu zahlen seien und bejahendenfalls in welcher Höhe. 15 Der Abbau völkerrechtlicher Pflichten, insbesondere der nach traditionellem Völkergewohnheitsrecht gebotenen Zahlung einer prompten, effektiven und adäquaten Entschädigung, sollte in ein günstigeres Licht gesetzt werden, indem man die Souveränität der Staaten ausbauen und - im Hinblick auf die Fischer, ZfB 1976, S. 87; vgl. auch Hartung, S. 3. Liste der Mitglieder der Gruppe in UN Chronicle XIX (Okt. 1982), S. 35. 13 Schachter, S. 124. 14 Higgins, S. 267 ff.; Verwey/Schrijver, S. 3 ff. Dies schließt nicht aus, daß die genannten Grundsätze auch in anderem Zusammenhang relevant werden, wie dies z.B. im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Südafrika und den Vereinten Nationen wegen der Rohstoffe Namibias der Fall war. 15 Gemäß der Theorie der wohlerworbenen Rechte ist volle Entschädigung bei Enteignung ausländischen Vermögens zu leisten; demgegenüber steht es nach der Theorie der wirtschaftlichen Souveränität im Ermessen des Enteignerstaates, ob und gegebenfalls in welcher Höhe er Entschädigung leistet; zusätzlich werden vermittelnde Ansichten vertreten; vgl. zu allem Meesen, S. 11 ff.; Seidl-Hohenveldem, Rdz. 1605 ff.; Higgins, S. 289 ff.; Muller, S. 39 ff. 11
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Rechtsstellung ausländischer Privatinvestoren - mit neuen Inhalten füllen wollte.I6 Nach allem ist festzuhalten: Die aus der "permanenten Souveränität" abgeleiteten Ansprüche sind nicht Inhalt des Selbstbestimmungsrechts eines Volkes, sondern ein Problem der staatlichen GebietshobeiL 17
B. Ressourcen im Bereich des Festlandsockels Neben dem der Gebietshoheit hat sich allerdings ein zweites rechtliches Instrument zur Distribution von Nutzungsrechten an Rohstoffen entwickelt, das im folgenden dargestellt werden soll. Bis zum zweiten Weltkrieg basierte das Seevölkerrecht auf zwei Säulen: zum einen auf der qualifizierten Souveränität des Küstenstaates über das Küstenmeer, einem relativ schmalen, in der Regel 3 sm breiten 18 Wassergürtel angrenzend an die Landgebiete; zum anderen auf der Freiheit der Hohen See. 19 Mit dieser traditionellen Zweiteilung brach das Festlandsockelregime. Als Festlandsockel oder Kontinentalschelf0 wird jene unterseeische Fortsetzung des Festlandes bezeichnet, die als eine Art geologisches Fundament Kontinente und Inseln in unterschiedlicher Breite umgibt und in der Regel bis in eine Wassertiefe von ca. 200m absinkt. Die Schelfgebiete sind überaus rohstoffreich? 1 16 Allerdings geht der Trend heute in der Praxis auch der sozialistischen und der Entwicklungsländer eindeutig wieder dahin, ein günstiges Klima für ausländische private Investitionen zu schaffen, vgl. Wälde, S. 94 ff.; Shihata, S. 484 ff. 17 Ebenso Kemper, S. 73 ff. 18 ,,Potestatem terrae finiri, ubi finitur arrnorum vis", damit nimmt der niederländische Rechtsgelehrte Bynkershoek, Kap. II, Anfang des 18. Jahrhunderts Bezug auf den Grundsatz der Kanonenschußweite, denn neben wirtschaftlichen Interessen war der herausragende Grund für die Beanspruchung des Küstenmeeres die Errichtung einer Art Schutzwall um das Landgebiet 19 Diese geht zurück auf Hugo Grotius und sein Werk "Mare Liberum" aus dem Jahre 1608. Wenige Ausnahmen von der Freiheit der hohen See bestanden in Form besonderer Gebiete, die von Staaten effektiv okkupiert worden waren, wodurch sie die Souveränität und damit Anspruch auf die Nutzung der Ressourcen gewannen, so z.B. die Perlenfischer vor Ceylon und Bahrein, vgl. Rüster, Festlandsockel, S. 121 ff., oder in Form sog. Anschlußzonen, wo für bestimmte, z.B. steuer- und zollrechtliche oder gesundheitspolizeiliche Zwecke Hoheitsgewalt vom Küstenstaat ausgeübt wurde, Verdross!Simma, Rdz. 1086. Weitere Hinweise zur völkerrechtlichen Entwicklung vor 1945 bei Sturm, S. 16 ff.; Rüster, Festlandsockel, S. 121 ff.; Klemm, S. 12 ff. 20 Dieses Begriffe entstammen ursprünglich der Fachsprache der Ozeanographie, vgl. Sturm, S. 1 ff. 21 Zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Schelfnutzung allgemein Vitzthum, Rechtsstatus des Meeresbodens, S. 73 ff.; Rüster, Festlandsockel, S. 21 ff., 36 ff.; Eamey,
l. Kapitel: Zum Status nicht-lebender natürlicher Ressourcen
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Vor allem Öl- und Gasfunde sind gerade hier sehr häufig, da die Bildung dieser fossilen Brennstoffe Sedimentationsvorgänge voraussetzt, die überwiegend im küstennahmen Raum stattfinden.22 Die Erdöl- und Erdgasreserven der Festlandsockel sind deshalb von ganz besonderer ökonomischer Relevanz; Umfang und Bedeutung des Meeresbergbaus auf Schwermetallablagerungen, Sand und Kies, Kohle und Erzschlamm ist hiermit verglichen gering. Die Geschichte des Festlandsockelregimes beginnt mit der berühmten, eine stürmische Entwicklung im Seevölkerrecht auslösenden Truman-Proklamation von 1945. 23 Den historischen Hintergrund für das immens zunehmende Interesse an den maritimen Lagerstätten - und hier besonders an den Kohlenwasserstoffvorräten- bildet der kurz zuvor beendete Zweite Weltkrieg, der jedermann den gewaltigen Energiebedarf der Industriestaaten, welcher sich zudem auch für die Zukunft abzeichnete, demonstriert hatte. 24 Hinzu kamen Fortschritte in der Meerestechnik, die die Exploitation der Ressourcen auch in tieferen Gewässern vorstellbar machten. Mit der Proklamation beanspruchten die USA die natürlichen Ressourcen des Meeresbodens und Meeresuntergrundes auf dem Shelf "beneath the high seas but contiguous to the coasts of the United States" als "subject to its jurisdiction S. 1 ff.; zur Offshore-Förderung von Kohlenwasserstoffgemischen vgl. Das Buch vom Erdöl, S. 85 ff.; zur mineralischen Rohstoffgewinnung aus Meeresuntergrundlagerstätten im Schelfbereich mit Ausnahme der Förderung von Erdöl und Erdgas vgl. Wolff, S. 11 ff. 22 Haffner, S. 27 f.; Kuske, S. 4; Martens, S, 2 ff. Obwohl Shelfgebiete nur etwa 5% der Erdoberfläche ausmachen, werden dort bis zu 40% aller abbauwürdigen Erdölvorkommen der Welt vermutet, Hafner, S. 27; Ipsen, S. 713, spricht zurückhaltender von ca. 20%. Neuere Untersuchungen belegen, daß sich ca. 68 % der nachgewiesenen, ausheutbaren Kohlenwasserstoffvorkommen in den bis zur 200m-Isobathereichenden Meereszonen befinden, während Lagerstätten unter Meerestiefen von 200 m und mehr auf wenige Regionen der Welt beschränkt sind, vgl. Erdölnachrichten 7/89, S. 6; Garett, S.420. 23 Presidental Prodarnation No. 2667, "concerning the policy of the United States with respect to the natural resources of the subsoil and sea bed of the continental shelr', vom 28.9.1945, ST/ LEG/ SER.B/ I, S.38, Lay et al., Bd I, S. 106; vgl. auch die gleichzeitig erlassene "Executiv Order", ST/ LEG/ SER.B/1, S. 41. Damit waren es die USA als eine der unerschütterlichsten Verfechter der 3 sm Territorialgewässerzone, die so das Zeitalter der extensiven maritimen Ansprüche einleiteten. Eine zweite Proklamation "on policy of the United States with respect to coastal fisheries in certain areas of the high seas" vom gleichen Tag, Lay et al., Bd I, S. 95, wurde dagegen nie angewendet. Mit ihr wollten die USA, ohne Souveränitätsansprüche geltend zu machen, eine Fischereizone, die sich seewärts der Küstengewässer erstrecken und die Erhaltung der Fischbestände ermöglichen sollte, einführen. 24 Schon im Ersten Weltkrieg hatte die unterschiedliche Rohstoffversorgung der verfeindeten Mächte den Verlauf der für die Auseinandersetzung typischen Materialschlachten entscheidend beeinflußt; im Zweiten Weltkrieg kamen noch die Bewegungen der motorisierten Kampfverbände mit langen Nachschubwegen sowie der Luftkrieg und die Umstellung der Kriegsschiffe von Kohle auf Öl dazu, vgl. Reuther, S. 98.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
and control". Bemerkenswert ist die Betonung, daß der Status der beanspruchten Gebiete als Teile der Hohen See nicht tangiert werde und daß "the right to their (the high seas, Anm. der Verf.) free and unimpeded navigation are in no way thus affected". Konkurrierende Nutzungsarten, insbesondere Schiffahrt und Fischerei, sollten also nicht beeinträchtigt werden und die ausschließlichen Hoheitsrechte des Küstenstaates auf die Erforschung und Ausbeutung der Bodenschätze auf dem Festlandsockel beschränkt bleiben. Viele der Dekrete, Gesetze und Proklamationen, die wie eine Flut überall auf der Welt folgten 25, bewiesen dieses Augenmaß nicht und beanspruchten Souveränität nicht nur über den Meeresgrund und -Untergrund, sondern wegen der Bedeutung der Fischerei ebenfalls über das darüberliegende epikontinentale Meer, oftmals in einer Breite von bis zu 200 sm?6 Während gegenüber dem einseitigen Vorgehen der USA keine Proteste erfolgt waren, stieß diese Praxis der extensiven Inanspruchnahme küstenstaatlicher Nutzungsprivilegien allerdings auf breite Ablehnung in der Staatengemeinschaft. 27 Mit dem Schelfproblem befaßten sich schon bald die Völkerrechtswissenschaft28 sowieeine Reihe internationaler Körperschaften, insbesondere die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, die International Law Commission (ILC)29, und die International Law Association (ILAi0 , die die Ausweitung nationaler Jurisdiktion grundsätzlich billigten. 1958 wurde das Festlandsockelregime durch die Genfer Konvention über den Festlandsockel (FSK 1958)31 , die am 10.6.1964 in Kraft trat und gegenwärtig 54 Staaten bindee2, festgeschrieben. Da sie hauptsächlich das durch die umfangreiche, inhaltlich gleichförmige Übung der Staaten gebildete Völkergewohnheitsrecht kodifizierte, kam der Konvention damals bereits -jedenfalls bezogen auf die tragenden Elemente - nur deklaratorische Bedeutung zu. 25 Die Texte der Proklamationen finden sich in den Bänden der United Nations Legislative Series, ST/ LEG/ SER.B/1 ,8,15, 16,18 und 19; vgl. allgemein zur Staatenpraxis Kehden. 26 So insbes. die lateinamerikanischen Staaten, vgl. Attard, S.2 ff.; Rüster, Festlandsockel, S. 142 ff.; Gündling, S.31 ff.; Sturm, S. 25 ff. 27 Rüster, Festlandsockel, S. 105, 140; Hollick, S. 56 ff. 28 Vgl. die Abhandlungen von Lauterpacht 1950; Azcarraga des Bustamente, La plataforrna, 1952; Mouton, The Contineotal Shelf, 1952; Scelle 1955; Böhmert 1956. 29 Doc. Al CN.41 32: Memorandum presente par le Secretariat, YILC 1950 II, S. 67, 87 ff. 30 Reports der 43. Konferenz, Brüssel1948, S. 168 ff., der 44. Konferenz, Kopenhagen 1950, S. 87 ff., der 45. Konferenz, Luzem 1952, S. 143 ff., 164 ff. und der 46. Konferenz, Edinburgh 1954, S. 411 ff., 425 ff. 31 UNTS 499, S. 311. 32 Stand: 31. Dez. 1991, UNLS ST/LEG/SER.E/10, S. 78.
1. Kapitel: Zum Status nicht-lebender natürlicher Ressourcen
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Die Grundprinzipien des Festlandsockelregimes sind in Art. 2 der Konvention enthalten. Hiermit übereinstimmend formulierte der IGH im Jahre 1969 für den Bereich des Gewohnheitsrechts "that the rights of the coastal State in respect of the area of continental shelf that constitutes a natural prolongation of its land territory into and under the sea exist ipso facto and ab initio, by virtue of its sovereignty over the land, and as an eX:tension of it, in an exercise of sovereign rights for the purpose of exploring the seabed and expoiting its natural resources. In short, there is an inherent right. In order to exercise it, no speciallejjal process has to be gone through, nor have any special legal acts to be performed".
Den vorläufigen Schlußpunkt in der Entwicklung bildet die von der Dritten Seerechtskonferenz (UNCLOS III) 1982 angenommene Seerechtsübereinkommen (SRÜ) 34• Da sie im Hinblick auf das Festlandsockelregime als solches35 im wesentlichen geltendes Recht rezipiert36 und inhaltlich der Genfer Konvention nachgebildet ist, dient sie der überwiegenden Mehrheit der Staaten unabhängig von der Frage, wann sie in Kraft treten wird, schon heute als rechtlicher Rahmen und als Legitimationsbasis ihres seerechtspolitischen Handelns?7 33 North Sea Continental Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 22, Ziff. 19; ebenso: Aegean Sea Continental Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1978, S. 36, Ziff. 86. 34 Mit Beschluß vom 30. April 1982 wurde der Entwurf mit 130 gegen 4 Stimmen (Israel, Türkei, Venezuela, USA) bei 17 Enthaltungen (Belgien, Bulgarien, CSSR, Bundesrepublik, DDR, Italien, Luxemburg, Mongolei, Niederlande, Polen, Spanien, Thailand, UdSSR, Ukraine, Ungarn, Großbritannien, Weißrußland) angenommen. Die Konvention tritt gern. ihrem Art. 308 zwölf Monate nach Hinterlegung der sechzigsten Ratifikationsoder Beitrittsurkunde in Kraft. Die sechzigste Urkunde wurde am 16. Nov. 1993 hinterlegt. Der authentische englische Text ist abgedruckt in ILM 21 (1982), S. 1261. Eine amtliche deutsche Übersetzung findet sich bei Platzöder/Grunenberg. 35 In Bezug auf die Festschreibung der seewärtigen und seitlichen Kontinentalschelfgrenzen geht das Abkommen dagegen neue Wege, dazu im folgenden Kap. B II 2 d. 36 Von 1958 bis 1986 wurden mehr als 100 Festlandsockelproklamationen abgegeben, vgl. Wolfrum, NYIL 1987, S. 142 m.w.N.; Art. 77 Abs. 1 SRÜ lautet: "Der Küstenstaat übt über den Festlandsockel souveräne Rechte zum Zwecke seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus." Gern. Art. 77 Abs. 4 SRÜ umfassen die natürlichen Ressourcen im Sinne dieses Teils des Übereinkommens (wie schon Art. 2 Abs. 4 FSK 1958) nicht nur die mineralischen und sonstigen nicht-lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds, sondern auch die zu den seßhaften Arten gehörenden Lebewesen, also solche, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; diese Lebewesen bleiben im Rahmen der vorliegenden Untersuchung außer Betracht. 37 Allerdings wird die rechtliche Beurteilung heute, wie einleitend festgestellt, durch die gleichzeitige Anerkennung eines gewissermaßen dritten Instrumentes zur Distribution von Nutzungsrechten, der ausschließlichen Wirtschaftszone, verkompliziert. Sie enthält ein einheitliches Regime insbes. für die Erforschung, Nutzung und Erhaltung aller Res-
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Daneben wurde und wird die Fortentwicklung des Festlandsockelregimes mitgestaltet durch Urteile des IGH38 sowie durch Entscheidungen internationaler Schiedsgerichte39 und Schlichtungskommissionen40• Diese befassen sich zwar in der Hauptsache mit der Abgrenzung nationaler Schelfanteile, rekurrieren in diesem Rahmen aber immer wieder auch auf das Schelfkonzept als solches. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist festzuhalten: 1. Der Küstenstaat übt über den Festlandsockel "souveräne Rechte"41 , das heißt keine volle Souveränität aus; seine Hoheitsgewalt ist vielmehr funktional beschränkt auf die Erforschung und Ausbeutung der Naturvorkommen auf und im Schelfgebiet 2. Die genannten Rechte sind exklusiv in dem Sinne, daß Dritte von den beschriebenen Tätigkeiten ausgeschlossen sind. 3. Die Rechte hängen weder von einer tatsächlichen oder angenommenen Okkupation noch von einer ausdrücklichen Erklärung ab, sondern beruhen auf dem Prinzip der Kontiguität.
sourcen des Wassers und des Meeresbodens. Zur Dualität der Regime Gündling, S. 196 ff.; O'ConneiUShearer, Bd 1, S. 579 f.; Attard, S. 136 ff.; Vicuiia, The Exclusive Econimic Zone, S. 67 ff.; Fleischer/Nelson, S. 328 ff. 38 North Sea Continental Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1960, S. 3; Continental Shelf (Tunesia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1982, S. 18; Deiimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area, Judgment, I.C.J. Reports 1984, S. 246; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 13; Maritime Deiimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen (Denmark v. Norway), Judgment, I.C.J. Communique No. 93114 vom 14. Juni 1993. 39 Arbitration between the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the French Repubiic on the Deiimitation of the Continental Shelf, Decisions of the Court of Arbitration dated 30 June 1977 and 14 March 1978, ILM 18 (1979), S. 397; Tribunal Arbitral pour Ia delimitation de Ia frontiere maritime Guinee/Guinee-Bissau, Sentence du 14 Fevrier 1985, RGDIP 89 (1985), S. 454, eine nicht offizielle englische Übersetzung findet sich in ILM 25 (1986), S. 251; Court of Arbitration for the Deiimitation of Maritime Areas between Canada and France: Decision in the Case Conceming Delimitation of Maritime Areas (St. Pierre and Miquelon), June 10, 1992, ILM 31 (1992), s. 1145.
40 Conciliation Commission on the Continental Shelf Area between leeland and Jan Mayen: Report and Recommendations to the Govemments of leeland and Norway 1981, ILM 20 (1981), S. 797; die Bemühungen des Heiligen Stuhls führten zum Abschluß des Vertrages über Frieden und Freundschaft zwischen Argentinien und Chile vom 29. Nov. 1984, ILM 24 (1985), S. 1. 41 Zur Bedeutung der Unterscheidung von "sovereignty" und "sovereign rights" vgl. O'ConneiUShearer, Bd 1, S. 476 ff.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Zweites Kapitel
Problemkonstellationen Trotz der rechtlichen Klärung der Frage nach der Zuordnung der nicht-lebenden Ressourcen treten in der Praxis immer wieder Situationen auf, in denen die Grundsätze von der staatlichen Souveränität bzw. den souveränen Rechten eines Staates über die Ressourcen auf und in seinem Hoheits- und Schelfgebiet in genau dem Moment nicht mehr unmittelbar weiterhelfen, in welchem er seine Rechte ausüben, das heißt die in situ-Ressourcen erforschen und gewinnen will. Allen Fällen ist gemein, daß die Rohstoffe aufgrund der konkreten Lokalität ihrer Lagerstätte42 einen Bezug zu zwei oder mehr Staaten aufweisen. Gleichwohl lassen sich prinzipiell zwei - im folgenden noch näher zu untersuchende Problemkonstellationen unterscheiden, deren wesentliches Differenzierungskriterium aber bereits an dieser Stelle genannt werden soll: In der ersten Konstellation ist der oftmals äußerst schwierige Prozeß der Abgrenzung der Hoheitsgebiete bzw. Festlandsockelanteile zwischen benachbarten Staaten bereits abgeschlossen und ein Rohstoffreservoir überschreitet die festgelegte Grenze ("Grenzüberschreitende Lagerstätten"). In der zweiten Konstellation beanspruchen mehrere benachbarte Staaten ein bestimmtes Gebiet und die Grenzziehung steht noch aus; die "nationale Zugehörigkeit" eines in diesem Gebiet situierten Reservoirs ist also ungeklärt ("Lagerstätten im Bereich sich überschneidender staatlicher Gebietsansprüche"). Unter "benachbarten" Staaten werden in beiden Fällen unmittelbar aneinander angrenzende und auch solche Staaten verstanden, die sich, durch einen Wassergürtel getrennt, in einer bestimmten Entfernung gegenüberliegen. Die zweite Alternative ist insbesondere im Zusammenhang mit Schelfgebieten relevant, da es sich bei dem genannten Wassergürtel in der Regel um Meere bzw. Teile davon handelt; zu denken ist aber ebenso an Flüsse und Binnenseen. Beide Konstellationen sollen im Anschluß dargestellt und hinsichtlich der Zulässigkeit einseitiger Explorations- und Gewinnungsaktivitäten analysiert werden.
42 Unter einer Lagerstätte soll hier verstanden werden ein geologischer Körper, in dem ein mineralischer Rohstoff oder mehrere mineralische Rohstoffe angereichert vorliegen, die für eine wirtschaftliche Nutzung in Frage kommen. Im folgenden werden die Begriffe "Reservoir, Feld, Speichergestein, Struktur" etc., so dies auch aus geologischer Sicht nicht immer zutreffend sein mag, synonym verwandt.
3 Flormann-Pratr
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
A. Grenzüberschreitende Lagerstätten I. Beschränkung auf Grenzen zwischen souveränen Staaten
Mit dem Begriff "Grenze" werden vorliegend sowohl Staatsgrenzen auf dem Kontinent als auch Grenzlinien auf dem Festlandsockel erfaßt. Nicht berücksichtigt werden dagegen innerstaatliche Grenzen zwischen verschiedenen Bundesländern, Grenzen zwischen Vertragsfeldern verschiedener Bergbauberechtigter, Grenzen zwischen Festland und Küstenmeer bzw. Küstenmeer und Festlandsockel des gleichen Staates43 sowie Grenzen zwischen dem Festlandsockel eines Staates und dem Tiefseeboden44 • ß. Zur Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten
Ausdehnung und Verlauf von Bodenschätze enthaltenden geologischen Strukturen stehen in der Regel nicht in Einklang mit dem Verlauf von Grenzlinien, die Rechte souveräner Staaten voneinander trennen. Oftmals befinden sich Lagerstätten deshalb beidseitig einer vertikal in den Erdboden fortgesetzt gedachten Grenze45 zwischen zwei oder mehr benachbarten Staaten. Grenzüberschreitende Lagerstätten sind auf dem Kontinent ebenso wie auf dem Festlandsockel in großer Zahl vorhanden.46 Zu beantworten ist nun die Frage, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn die betroffenen Staaten die Bodenschätze einer grenzüberschreitenden Lagerstätte ausbeuten wollen, ob also deren einseitige Aufsuchung und Gewinnung zulässig sind. Dabei soll davon ausgegangen werden, daß zwischen den Nachbarstaaten (noch) keine Verhandlungen bezüglich der Ressourcen stattgefunden haben oder stattfinden. 47 "Einseitig" bedeutet in diesem Zusammenhang deshalb nicht not43
Vgl. hierzu Art. 7 FSK 1958 und Art. 85 SRÜ.
Die Ausbeutung des Tiefseebodens unterfallt nach dem neuen SRÜ der ausschließlichen Regelungskompetenz der Meeresbodenbehörde. Konflikte sind hier also grundsätzlich nicht ausgeschlossen, wie schon Art. 142 SRÜ verdeutlicht. Sie besitzen zum heutigen Zeitpunkt jedoch keine praktische Relevanz. 44
45 Nach geltendem Gewohnheitsrecht setzt sich die Grenze zwischen zwei Staaten nach unten in den Boden in der Weise fort, daß die Erdoberfläche mit den unterirdischen seitlichen Grenzen "einen unregelmäßigen Kegel bildet, dessen Spitze mit dem Erdmittelpunkt zusammenfallt", Braun, S. 5 f.; Rüster, Festlandsockel, S. 248; Lagoni, AJIL 1979, S. 216 m.w.N. 46 Beispiele nennen Lagoni, AJIL 1979, S. 219; Zydek/Dahlgrün, S. 332; Braun, S. I ff.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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wendig, daß nur einer der beteiligten Staaten entsprechend aktiv werden will; es bezeichnet lediglich die Tatsache, daß hinsichtlich der Such- und/oder Gewinnungsmaßnahmen zwischen den Nachbarn keine Absprachen bestehen. 1. Vorbemerkungen Festzuhalten ist zunächst, daß der Umstand, daß eine Lagerstätte die Grenze überschreitet, per se noch nicht zur Völkerrechtswidrigkeit von Forschungs-, Such- oder Gewinnungsaktivitäten auf einer Seite der Grenze führt. Es bleibt den Staaten48 unbenommen, sowohl Bergbau auf feste Stoffe zu betreiben, als auch Kohlenwasserstoffe49 oder andere flüssige Stoffe und Gase zu fördern, sowie die dazu nötigen Gewinnungseinrichtungen über Tage zu errichten, sofern sich die Rohstoffe und Gewinnungseinrichtungen in bzw. auf ihrem Hoheitsgebiet oder ihrem Teil des Festlandsockels befinden. Diese Berechtigung ist gerade Inhalt des Grundsatzes der staatlichen Souveränität über Ressourcen sowie der durch die Art. 2 ff. FSK 1958, 76 ff. SRÜ bzw. gewohnheitsrechtlich gewährten souveränen Rechte. Es ist keine Regel des internationalen Rechts erkennbar, die eine Verfügungsbeschränkung der jeweiligen Staaten- etwa in der Art des aus dem nationalen Recht bekannten gemeinsamen Eigentums - hinsichtlich der Lagerstätte als Ganzer anordnet. Anders stellt sich die Situationjedoch dar, wenn die Bergbauaktivitäten nachteilige Auswirkungen auf das Nachbarterritorium haben. Zu einer Beeinträchtigung angrenzender Staaten vermag es dabei zu kommen 1. wenn Bodenschätze (auch) aus dem angrenzenden Gebiet gefördert werden und 2. wenn in anderer Weise störend auf dieses Gebiet eingewirkt wird. Im folgenden ist zum einen zwischen der Förderung von festen und flüssigen bzw. gasförmigen Stoffen und zum anderer zwischen den beiden genannten Einwirkungsmöglichkeiten zu differenzieren. 47 Ob eine völkerrechtliche Pflicht zu Kontaktaufnahme und Verhandlungen besteht und welche Folgen sich hieran eventuell knüpfen, verlangt eine eigenständige, tiefergehende Untersuchung, die vorliegend aus Gründen der Übersichtlichkeit einem gesonderten Teil vorbehalten bleiben soll; vgl. unten, 3. Teil, 2. Kap.
48 Damit sind an dieser Stelle wie auch in den folgenden Abschnitten nicht nur staatliche Unternehmen, sondern alle Bergbauberechtigten gemeint, die ihre Rechte von dem betreffenden Staat ableiten. 49 Der Begriff der "Kohlenwasserstoffe" umfaßt alle chemischen Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Er wird vorliegend allerdings ausschließlich als Oberbegriff für die daneben ebenfalls verwendeten Ausdrücke ,,Erdöl" und "Ergas"also für flüssige und gasförmige Verbindungen - gebraucht; Kohlenwasserstoffe in fester Form (Erdwachs, Bitumen etc.) werden nicht erfaßt.
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I. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
2. Der Bergbau auffeste Rohstoffe a) Das Verbot der Grenzdurchörterung In Bezug auf Stoffe in einem festen Aggregatzustand, zum Beispiel Erzvorkommen oder Kohlenflöze, stehen weder die Wissenschaft noch die beteiligten Staaten oder Bergbauberechtigten vor ungelösten rechtlichen Problemen: Die unterirdische Überschreitung einer Grenze im Zusammenhang mit bergbauliehen Tätigkeiten (technisch: Grenzdurchörterung) -das heißt vor allem die Ausbeutung des Bodenmaterials des angrenzenden Gebietes - verletzt, soweit sie auf dem Festland erfolgt, die territoriale Integritäe0 des Nachbarstaates. 51 ; wird eine Grenzlinie auf dem Kontinentalschelf überschritten, so mißachtet dies das exklusive Recht des Küstenstaates, Bohrarbeiten auf dem Festlandsockel für alle Zwecke zu genehmigen und zu regeln, als Ausfluß seiner souveränen Rechte über diesen. 52 In beiden Fällen wird zudem die Souveränität des betroffenen Staates über seine natürlichen Reichtümer verletzt. Der Aushub fester Bodenschätze darf deshalb räumlich nicht so ausgedehnt werden, daß hierdurch die Substanz des Nachbargebietes in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Grenzdurchörterung ohne Ermächtigung des Nachbarstaates ist unzulässig. b) Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen Neben einer direkten Grenzdurchörterung sind jedoch auch andere bergbauliche Tätigkeiten vorstellbar, die auf das Nachbargebiet hinüberwirken und dort einen Schaden verursachen können.53 Beim Untertage-Abbau läßt sich auch bei An50 Die territoriale Integrität beinhaltet den Anspruch jedes souveränen Staates, daß sein Staatsgebiet sowie die darauf lebenden Personen und die daraufbzw. darin befindlichen Sachen nicht durch andere Staaten geschädigt werden; sie wird neben dem Recht auf politische Unabhänigkeit in Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta (BGBI. 1973 li, S. 430, 505) ausdrücklich anerkannt.
Thalmann, S. 123 ff.; Braun, S. 17 ff.; Lagoni, AJIL 1979, S. 217 Art. 81 SRÜ; wurde eine Ausschließliche Wirtschaftszone errichtet, so gilt Art. 81 SRÜ qua Verweisung über Art. 56 Abs. 3 SRÜ. Daß die SRÜ dieses Recht ausdrücklich nur für Ausbeutungsaktivitäten auf dem Festlandsockel gewährt, kann bei einer am Vertragszweckorientierten Auslegung (vgl. Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention v. 23.5.1969, WVK, BGBI. 1985 II, S. 926) des Art. 81 SRÜ nicht bedeuten, daß das seitliche Graben in den Festlandsockel vom Nachbargebiet aus erlaubt sein soll, ebenso Lagoni, ILA Report 1988, S. 530, Ziff. 24. 53 Tahlmann, S. 114 ff., 121 ff., und mit ihm von der Heydte, Festschrift Verdross, S. 141 ff., sprechen hier von "materiellen Immissionen", vgl. auch Beyerlin, EPIL 10, s. 313. 51
52
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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wendung aller technischen Hilfsmittel und der größtmöglichen Sorgfalt kaum vermeiden, daß das über den Abbaustätten liegende Deckgebirge absinkt und dadurch ungleichmäßige Senkungen, Pressungen und Zerrungen erzeugt werden. Diese führen zu Schäden an Hochbauten, aber auch im Bereich des Kanalbaus und der Entwässerungssysteme, an Schienen usw. Es liegt deshalb die Vermutung nahe, daß auch angrenzende Gebiete in Mitleidenschaft gezogen werden können. Zu denken ist weiterhin an Erschütterungen durch die Bergbauaktivitäten. Die Frage ist nun, ob derartige Tätigkeiten allein wegen ihrer nachteiligen Auswirkungen auf das angrenzende Territorium ebenfalls zu unterlassen sind, obwohl ein Staat sie ausschließlich in seinem Kompetenzraum vornimmt. Die aufgeworfene Frage ist nicht neu. Schon 1895 stellte der amerikanische Attorney General Harrnon im Zusammenhang mit dem Streit zwischen den USA und Mexiko über die Nutzung des Wassers des Rio Grande54 fest: "The fundamental principle of intemationallaw is the absolute sovereignty of every nation, as against all others, within its territory. ( ...) The exceptions, therefore, to the full and complete power of a nation within its own territory must be traced to the consent of the nation itself. They can flow from no other legitimate source." 55
Danach besitzt also jeder Staat absolute Souveränität und damit das Recht, sein Territorium ohne Rücksicht auf Beschädigungen jenseits seiner Grenzen nach eigenem Gutdünken zu nutzen. Ende der 50er Jahre gaben die USA diese sogenannte Rarmon-Doktrin endgültig auf, da sie im Verlauf des Disputes mit Kanada um die Nutzung des ColumbiaAusses einsehen mußten, daß im Extremfall die Staaten sich lediglich gegenseitig schaden und die Ressource unökonomisch nutzen würden. Die Praxis anderer Staaten beweist ebenfalls die Abkehr vom Prinzip der absoluten territorialen Souveränität.56 Auch vom rechtlichen Standpunkt aus ist die Doktrin unhaltbar. Indem sie die Souveränität eines Staates betont, läßt sie die Rechte anderer Staaten völlig außer Betracht. Hoheitsgewalt hat jedoch einen ambivalenten Charakter. Wie der IGH im Korfu-Kanal-Fall 194957 ausdrücklich feststellte, bedeutet Herrschaft über ein Gebiet nicht nur das Zugeständnis von Rechten, sondern auferlegt jedem Staat "the obligation not to allow knowingly its territory to be used for acts contrary to the rights of other states".58
54
Dazu Griffin, S. 50 ff.
55
Abgedruckt bei Krakau, S. 8 ff. Nachweise bei Klein, Umweltschutz, S. 91 ff. Corfu-Channel Case, Judgement of April9th 1949, I.C.J. Reports 1949, S. 4. ibid., s. 22.
56 57
58
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Die gleiche Beschränkung wie für die Nutzung von Hoheitsgebieten muß auch für Bergbauaktivitäten auf dem Festlandsockel gelten; zwar gehört dieser nicht zum Territorium des Küstenstaates, er stellt aber im Hinblick auf die genannten Unternehmungen ebenfalls einen Bereich ausschließlicher nationaler Jurisdiktionsgewalt dar. 59 Das Recht, welches durch die Anwendung der Harmon-Doktrin in der Regel verletzt wird, ist das der territorialen Integrität. Die territoriale Integrität ist der Komplementärbegriff zur territorialen Souveränität. Dabei sind das Recht eines Staates, allein über sämtliche Aktivitäten in seinem Gebiet zu entscheiden, und der Anspruch darauf, daß Gebietsbeeinträchtigungen von außen ohne seine Einwilligung unterbleiben, gleichwertig. Sie begrenzen, ja blockieren sich wechselseitig insofern, als kein Staat berechtigt ist, störend auf das Gebiet eines anderen Staates einzuwirken, wie umgekehrt der Anspruch auf Integrität nicht dazu führen kann, daß der Störerstaat in seinen Handlungen völlig gebunden ist.60 Man spricht hier deshalb vom Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität bzw. des schonenden Souveränitätsausgleichs. Dieses Prinzip ist heute völkerrechtliches Allgemeingut. 61 Es basiert auf einer Reihe allgemeiner Völkerrechtsprinzipien, insbesondere auf dem Grundsatz der guten Nachbarschaft. Der Nachbarschaftsgrundsatz wurde früher überwiegend als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (c) IGH-Statut62 angesehen. Denn ein Vergleich nationaler Rechtssysteme führt zu dem Ergebnis, daß in allen Rechtsordnungen die Tatsache der Nachbarschaft Rechten Beschränkungen auferlegt. 63 Trotz der im einzelnen unterschiedlichen Ausprägung dieser Beschränkungen ist der zugrundeliegende gemeinsame Gedanke der, daß ein Rechtssubjekt auf gleiche Rechte seiner Nachbarn Rücksicht zu nehmen hat und 59 Für den Bereich des Umweltschutzes, wo die aufgeworfene Frage ebenfalls große Relevanz besitzt, erklärt sich deshalb z.B. die skandinavische Umweltschutzkonvention vom 19. Feb. 1974, ILM 13 (1974), S. 591, in ihrem Art. 13 ausdrücklich für auf den Festlandsockel anwendbar. 60 Demgegenüber geht Beyerlin, FS Doering, S. 39 ff., von einem klaren RegeVAusnahme-Verhältnis aus. Regelnorm sei das für jeden Staat verbindliche Verbot, auf seinem Gebiet Aktivitäten vorzunehmen, die auf dem Gebiet benachbarter Staaten Beeinträchtigungen hervorrufen können. Durch Völkergewohnheits- oder Vertragsrecht würden dann Ausnahmen von dieser Regel begründet. Derartige Beschränkungen der territorialen Integrität bedürften stets eines gesonderten Nachweises. 61 Rauschning, FS Schlochauer S. 561; Oppermann/Kilian, HdUR, Sp. 688; Beyerlin, FS Doehring, S. 39 ff.; Fröhler/Zehetner, S. 73; Kloepfer/Kohler, S. 36 ff.; SeidlHohenveldem, Rdz. 1149 ff.; Oppenheim/Lauterpacht, Bd 1, S. 286 f.; Hey, S. 25 ff.
BGBl. 1973 li, S. 505. Berber, Rechtsquellen, S. 151 ff. Für das deutsche Recht vgl. §§ 903 ff. BGB sowie für das richterrechtlich entwickelte Institut des nachbarschaftliehen Gemeinschaftsverhältnisses die grundlegende Entscheidung RGZ 154, 161, 165 ff. 62
63
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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sie nicht schädigen darf, geringe, unbedeutende Beeinträchtigungen allerdings vom Nachbarn geduldet werden müssen. Von der Doktrin wird die Existenz des Prinzips der guten Nachbarschaft auch auf völkerrechtlicher Ebene allgemein anerkannt. 64 Unter Hinweis auf die Bekräftigung des Grundsatzes in der UNCharta65 und in der jüngeren Staatenpraxis spricht die Mehrzahl der Autoren heute bereits von seiner Geltung als einer Norm des Gewohnheitsrechts.66 Neben dem Grundsatz der guten Nachbarschaft wird auch auf das Verbot des Rechtsmißbrauchs67, das Gebot von Treu und Glauben68 und den Grundsatz sie utere tuo alienum non laedas69 sowie auf den völkerrechtlichen Gleichheitssatz70 verwiesen. 64
Vgl. nur Kunig, S. 16 ff.
65 Schon in der Präambel versprechen die Mitgliedsstaaten einander, "Duldsamkeit
zu üben und als gute Nachbarn in Frieden zu leben"; gern. Art. 74 sind sie sich darin einig, daß ihre Politik für Gebiete ohne Selbstregierung ebenso auf dem "allgemeinen Grundsatz der guten Nachbarschaft" beruhen muß wie die für das Mutterland. Darüber hinaus hat die Generalversammlung die Bedeutung des genannten Grundsatzes mehrfach bestätigt, so vor allen in ihren Resolutionen betreffend "Development and Strengthening of good-neighbourliness between States", GA Res. 34/99 vom 14. Dez. 1979, abgedruckt bei Djonovich 18 (1979/80), S. 253, und GA Res. 39178 vom 17. Dez. 1984, abgedruckt bei Djonovich 23 (1984/85), S. 483. 66 Randelzhofer/Simma, S. 403; Wildhaber, S. 97; Beyerlin, EPIL 10, S. 310 ff. 67 Ein Rechtsmißbrauch liegt vor, wenn ein Recht in einer Art und Weise gebraucht wird, die dem Geiste der zugrundeliegenden Rechtsordnung widerspricht, SeidlHohenveldem, Rdz. 1202 f. Ein Vergleich der einzelnen nationalen Rechte ergibt allerdings, daß das Verbot von einzelnen Rechtsordnungen nur den gemeinsamen Gedanken der Rechtswidrigkeit einer absichtlichen Schadenzufügung enthält, Berber, Rechtsquellen, S. 141 ff., 150. Dennoch stellt es nach wohl überwiegend vertretener Ansicht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, Oppenheim/Lauterpacht, Bd. 1, S. 345; a.A. Ipsen, S. 505; Neuhaus, S. 183. 68 Dieser Grundsatz ist ebenfalls in allen Rechtsordnungen anzutreffen, Berber, Rechtsquellen, S. 150, und heute allgemein auch im Völkerrecht anerkannt. Er bedeutet, daß die Staaten in aufrichtiger und ehrlicher Gesinnung ihren Pflichten nachkommen sollen, grundlegend Verdross, bona fides, S. 29 ff.; von der Heydte, bona fides, S. 364. Auch die UN-Charta bezieht sich in Art. 2 Ziff. 2 auf dieses Prinzip. 69 Wörtlich übersetzt heißt dieser Satz, daß man das Eigene so nutzen solle, daß andere dadurch nicht geschädigt werden. Er vermittelt demjenigen Staat, dem durch eine mißbrächliche Rechtsausübung eines anderen Völkerrechtssubjekts Schaden droht, einen Abwehranspruch. Er wird von zahlreichen Autoren als allgemeiner Rechtsgrundsatz angesehen. Seine Herkunft aus den nationalen Rechtsordnungneo ist , soweit ersichtlich, jedoch nicht nachweisbar, vgl. Klein, S. 112. In der Literatur wird deshalb versucht, den sie utere tuo-Satz mit Hilfe anderer Rechtsgrundsätze zu konkretisieren. Dabei sehen einen Teil der Autoren ihn als Bestandteil des Prinzips der guten Nachbarschaft an, so Hinds, S. 301 ff.; v.d.Hydte, FS Verdross, S. 135; Beyerlin, FS Doehring, S. 59; Verdross/Simma, § 1029. Andere setzen ihn dagegen mit dem Verbot des Rechtsmißbrauchs gleich, so Oppenheim/Lauterpacht, Bd 1, S. 346; Klein, Umweltschutz, S. 113. Ein inhaltlich über diese beiden Grundsätze hinausgehender Gehalt ist dem Satz jedenfalls nicht zu entnehmen.
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l. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Die genannten Grundsätze - und in ihrer Folge das Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität - gelten in allen völkerrechtlichen Regelungsbereichen. Frühe Beispiele stellen Einwirkungen und Belästigungen durch Schießübungen oder durch Scheinwerferbeleutung in Grenznähe dar.71 Im Zusammenhang mit der Nutzung natürlicher Ressourcen hat sich der Gedanke des Verbots einer rücksichts-undschrankenlosen Nutzung zunächst im Bereich des Wasserrechts durchgesetzt.72 Er ist hierauf jedoch nicht beschränkt. Auch im internationalen Umweltrecht ist er allgemein anerkannt, seit sich hier die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß Umweltprobleme nicht vor nationalen Grenzen halt machen und Schadstoffe in den unterschiedlichsten Konzentrationen durch Luft oder grenzüberschreitende Gewässer in Nachbarstaaten transportiert werden.73 Bestimmte Medien der Umwelt können deshalb nicht mehr national unabhängig voneinander bewirtschaftet werden.74 Auf den potentiellen Konfliktherd der Nutzung von Bodenschätzen in grenzüberschreitenden Lagerstätten ist das Prinzip einer beschränkten territorialen Souveränität und Integrität ebenfalls übertragbar. Da der Erd- und Meeresuntergrund, soweit technisch nutzbar, zum Staatsgebiet gehört bzw. einen Bereich exklusiver souveräner Rechte des Küstenstaates darstellt, muß seine potentielle oder tatsächliche Beeinträchtigung zu den gleichen völkerrechtlichen (Unterlassungs-)Pflichten des Verursachers führen wie eine Einwirkung an der Erdoberfläche oder im Luftraum über dem Staatsgebiet.75 Denn der Geschädigte kann Einwirkungen auf den Teil des Reservoirs in seinem Hoheits- oder SchelfBleckmann, S. 466, 468; Beyerlin, FS Doehring, S. 41. Wildhaber, S. 104; von der Heydte, FS Verdross, S. 141 f. 72 Vgl. Andrassy, Nachbarrecht, S. 65 f.; Schiedermaier/Rest, HdUR, Sp. 1128 ff. ; Baberis, Nat.Res.J. 1991 , S. 169 ff. Zur besonderen Bedeutung des Wassers als einem "essential component for solving two major crisises immediately facing mankind- food and energy", Biswas, S. 203 ff. Aus der Spruchpraxis des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vgl. die OderkommissionEntscheidung aus dem Jahre 1929, PCIJ Ser. A, No. 23, S. 27, den Maas-Fall von 1937, PCIJ Ser. AlB, No. 70, S. 26; siehe auch den Lac Lanoux-Fall von 1957, UNRIAA, Bd. 12, s. 281. 73 Vgl. zuletzt Kunig, S. 16 ff.; Beyerlin, FS Doehring, S. 39 ff. ; Kloepfer, S. 280. In diesem Zusammenhang sei auch auf Art. 194 Abs. 2 SRÜ hingewiesen, der lautet: "Die Staaten ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, damit die ihren Hoheitsbefugnissen oder ihrer Kontrolle unterstehenden Tätigkeiten so durchgeführt werden, daß anderen Staaten und ihrer Umwelt kein Schaden durch Versehrnutzung zugefügt wird, und damit eine Versehrnutzung als Folge von Ereignissen oder Tätigkeiten, die ihren Hoheitsbefugnissen oder ihrer Kontrolle unterstehen, sich nicht über die Gebiete hinaus ausbreitet, in denen sie in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen souveräne Rechte ausüben." 74 Insofern setzt nicht nur das Prinzip der guten Nachbarschaft, sondern auch die gegenseitige Abhängigkeit der staatlichen Souveränität Grenzen. 75 Ebenso Lagoni, AJIL 1979, S. 217. 70 71
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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gebiet regelmäßig ebensowenig verhindern, wie er in der Lage ist, Schmutz an der Grenze aufzuhalten oder die Auswirkungen von Irrigation zu vermeiden. Er ist aber durch die Souveränität des Schädigerstaates grundsätzlich gehindert, mit eigenen Hoheitsakten auf dessen Gebiet gegen die Quelle der Störungen vorzugehen, und vermag deshalb sein Integritätsinteresse nur durch die Geltendmachung völkerrechtlicher Begrenzungen der Souveränität des ihm Nachteile zufügenden Staates durchzusetzen. Allerdings wird ein Staat nicht alle Arten von Einwirkungen unterbinden können, denn mit jeder Nutzung der Umwelt, also auch mit der Förderung von Rohstoffen, sind notwendigerweise mehr oder minder große Auswirkungen auf angrenzende Gebiete verbunden. Dem tragen, wie bereits ausgeführt, auch die innerstaatlichen Ausprägungen des Nachbarschaftsgrundsatzes Rechnung. Die Frage, wie weit die nachbarschaftsrechtliche Verpflichtung zur Hinnahme bestimmter ungünstiger Einwirkungen das Prinzip der Integrität bzw. die Verpflichtung zur Rücksichtnahme das Prinzip der Souveränität einschränkt, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt. Aufgabe des Völkerrechts wie der internationalen Politik ist es hier, unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze und Prinzipien im Einzelfall eine gerechte Abwägung aller Interessen vorzunehmen und so einen Ausgleich der konkurrierenden Rechte zu fördern.76 Als gesicherter Bestandteil des Völkergewohnheitsrechtes gilt allein die Regel, daß jedenfalls die Zufügung eines "erheblichen"77 Schadens rechtswidrig ist. 78 Dagegen hat sich eine weitere Einschränkung der territorialen Integrität durch das Erfordernis der "Unüblichkeit"79 der Beeinträchtigungen nicht durchzusetzen 80 ~ vermocht.
76 Diese mangelnde Bestimmtheit des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität ist allerdings nicht ungewöhnlich. "Prinzipien" des Völkerrechts wie des innerstaatlichen Rechts ist vielmehr wesensimmanent, daß sie als richtungsgebende Maßstäbe zwar Bestandteil der Rechtsordnung sind, aber noch der Konkretisierung bedürfen. Unmittelbare Rechtspflichten können nur in engen Grenzen aus ihnen abgeleitet werden. 77 Der Sprachgebrauch ist hier allerdings nicht völlig einheitlich; vielfach wird von "empfindlichen" bzw. "nicht unerheblichen" Schäden oder von "übermäßigen oder lästigen" Einwirkungen gesprochen, vgl. auch Kriech, S. 11. 78 Wildhaber, S. 102; Beyerlin, FS Doehring, S. 49 ff.; Kunig, S. 16 ff.; lpsen, S. 854 ff.; Klein, Umweltschutz, S. 120 ff. 79 Randelshofer/Simma, S. 408; Fröhler/Zehetner, S. 74. Vgl. auch das Urteil des Straßburger Verwaltungsgerichts von 1983, in dem "consequences, grave et anormales" verlangt werden, ZaöRV 44 (1984), S. 344, danach müssen die Kriterien der Erheblichkeil und der Unüblichkeit kumulativ vorliegen. 80 Überzeugend Beyerlin, FS Doehring, S. 51, mit dem Hinweis auf die mangelnde Verankerung dieses Merkmals in der Staatenpraxis.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Leitentscheidung für das Verbot erheblicher Schädigung des Nachbargebietes, der insbesondere für den Bereich des Umweltvölkerrechts herausragende Bedeutung besitzt, ist der Trail-Smelter-Fall aus dem Jahre 1941.81 Es ging in diesem Disput um die Schäden in Land- und Forstwirtschaft, die durch die Abgase einer in Britisch-Kolumbien stehenden Zink- und Bleischmelze im Staate Washington angerichtet wurden. Das Gericht stellte damals unter Berufung auf das Nachbarrecht fest, daß "under the principles of intemationallaw (...) no state has the right to use or permit the use of its territory in such a manner as to cause injury by fumes in or to the territory of another or the properties or persons therein, when the case is of serious consequence and the injury is established by clear and convincing evidence."82
Weitere klassische Beispiele aus der Spruchpraxis internationaler Gerichte sind der schon erwähnte Korfu-Kanal-Fal183, der Lac-Lanoux-Fall84 und der Gut-Damm-Fall85 • Sie alle unterstützen die Annahme eines gewohnheitsrechtlich geltenden Verbots der erheblichen Schädigung fremden Territoriums und auch des Meeresboden und Meeresuntergrund im Bereich des Festlandsockels. Daneben wurde die sogenannte "trail smelter-rule" auch von nationalen Gerichten befolgt. 86 Die Staatenpraxis belegt die Geltung dieser Regel ebenfalls.87 Zur Vermeidung negativer Einwirkungen auf das Hoheitsgebiet durch Bergbaumaßnahmen lassen die Staaten in der Regel im unmittelbaren Grenzbereich einen Sicherheitspfeiler stehen. 88 Dementsprechende Pflichten werden oftmals auch vertraglich abgesichert. So wurde beispielsweise in einem deutsch-polnischen Abkommen von UNRIAA, Bd 3, S. 1907. ibid., S.l965. 83 Corfu-Channel Case, Judgement of April9th 1949,I.C.J. Reports 1949, S. 4. 84 UNRIAA, Bd 12, S. 281; eine inoffizielle englische Übersetzung ist auszugsweise abgedruckt in AJIL 53 (1959), S. 156. 85 Darstellung in ILM 8 (1969), S. 118 ff. und bei Erades, S. 161 ff. 86 Beispiele hierfür sind u.a. das Urteil des OLG Saarbrücken vom 22.10.1957, NJW 1958, S. 752- Anlaß war hier die Schadensersatzklage eines saarländischen Grundstückseigentümers, der Vermögenseinbußen aufgrund der Entwicklung von Rauch, Kohlenstaub und Flugkoks in einem französischen Kraftwerk erlitten hatte - sowie das Urteil des Rotteedamer Zivilgerichts vom 16.12.1983, besprochen bei Rest, UPR 1984, S. 148hier ging es um Schadensersatzklagen niederländischer Großgärtnereien, die für Schädigungen an ihren Gemüse- und Pflanzkulturen die Einleitung französischer Kaliwerke in den Rhein verantwortlich machten -; weitere Nachweise bei lpsen, S. 854; Wildhaber, s. 104 ff. 87 Für den Bereich des Umweltschutzes vgl. die Beispiele bei Klein, Umweltschutz, S. 96, 219, und in dem Kommentar Nr. 11 zu Art. 3 der IIA-"Rules of International Law Applicable to Transfrontier Pollution", ILA Report der 60. Konferenz, Montreal 1982, s. 157 ff. 88 Dazu Braun, S. 28 ff. 81
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2. Kapitel: Problemkonstellationen
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192289 und einem sowjetisch-polnischen Grenzvertrag aus dem Jahre 194890 vereinbart, zum Schutz vor Grenzdurchörterungen einen Pfeiler von insgesamt 40 Metern Stärke stehenzulassen. Nicht zuletzt spiegelt sich eine entsprechende opinio juris auch im sogenannten "weichen" Völkerrecht. 91 Im Ergebnis ist also festzustellen, daß auch bergbauliche Tätigkeiten auf dem Territorium eines Staates bzw. auf seinem Festlandsockel ohne direkte Grenzdurchörterung völkerrechtlich unzulässig sind, wenn und soweit sie zu erheblichen Einwirkungen auf das angrenzende Gebiet führen. Die Überschreitung der Erheblichkeitsgrenze im Zusammenhang mit dem Bergbau auf Bodenschätze in festem Aggregatzustand ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn infolge der Arbeiten im Grenzbereich Erdreich nachsackt und hierdurch auf der anderen Seite der Grenze Schäden an Gebäuden, anderen Objekten oder auch Personen entstehen, oder wenn der Nachbarstaat einen bedeutenden Teil seiner Bodenschätze nicht mehr oder nur noch unter Aufwendung größerer finanzieller Mittel fördern kann. 3. Die Gewinnungflüssiger und gasfönniger Rohstoffe
Gewichtigere Probleme ergeben sich zu Land wie auf dem Festlandsockel im Hinblick auf die Gewinnung von flüssigen oder gasförmigen Rohstoffen. Dabei konzentriert sich die Darstellung im folgenden auf Erdöl oder Erdgas, da vor allem diesen Rohstoffen große wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Charakteristisch für solche Stoffe enthaltende Lagerstätten ist, daß sie aus porösem, permeablem Speichergestein bestehen, das von einer undurchlässigen, 89 Deutsch-Polnisches Oberschlesisches Bergwerksabkommen vom 22. Juni 1922, RGBI1923 II S. 118. 90 Grenzvertrag vom 8. Juli 1948, UNTS 37, S. 66. 91 Dies gilt wiederum in erster Linie für das internationale Wasser- und Umweltrecht Erstmals griff das Prinzip 21 der Stockholmer Deklaration, ILM 11 (1972), S. 1416, das Prinzip der guten Nachbarschaft ausdrücklich auf und schrieb fest, daß die Staaten nicht nur das souveräne Recht zur Ausbeutung ihrer eigenen Hilfsquellen nach Maßgabe ihrer eigenen Umweltpolitik haben, sondern auch die Pflicht, dafür zu sorgen, daß durch Tätigkeiten innerhalb ihres Hoheits- oder Kontrollbereichs der Umwelt in anderen Staaten oder Gebieten außerhalb ihres nationalen Hoheitsbereiches kein Schaden zugefügt wird; die Beschränkung auf ein Verbot erheblicher Schädigungen enthält die der Stockholmer Konferenz folgende Resolution der Generalversammlung 2995 (XXVII) vom 15.12.1972, die - ganz allgemein - bestimmt, daß "in the exp1oration, exploitation and deve1opment of their natural resources, States must not produce significant harmful effects in zones situated outside their nationa1jurisdiction." Vgl. weiterhin Art. X der ILA-Helsinki-Regeln, ILA Rep. 1966, S. 496 und Art. 3 der ILA-Umweltschutzregeln, ILA Rep. 1982, S. 160, die beide von "substantial damage" sprechen.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
abdeckenden Schicht umgeben ist.92 Da Erdöl und Erdgas auf unerschlossener Lagerstatte in der Regel unter großem Druck stehen, entweichen die komprimierten Stoffe, sobald die undurchlässige Schicht von einer Fördersonde durchstoßen wird, indem sie - natürlich unabhängig von irgendwelchen politischen Grenzlinien- durch Wegsamkeilen im Sedimentgestein zum Bohrloch fließen. Diese Fließbewegung flüssiger oder gasförmiger Ressourcen hat zur Folge, daß von einer Seite der Grenze aus das gesamte Reservoir bis zu einem gewissen Entölungsgrad, der von der Durchlässigkeit des Speichergesteins, der Viskosität des Erdöls sowie dem jeweiligen Gewinnungsverfahren abhängig ist, entleert werden kann, und zwar ohne daß zugleich - physisch - die Grenze durchstoßen wird. 93 Der IGH beschrieb die Situation in den Festlandsockelfällen 1969 wie folgt: "Yet it frequently occurs that the samedepositlies on both sides of the line dividing a continental shelf between two states, and since it is possible to exploit such a deposit from either side, a problern immediately arises on account of the risk of prejudical or wasteful exploitation by one or other of the states concemed.' 94
Unabhängig vom Aggregatzustand der in ihnen enthaltenen Rohstoffe werden grenzüberschreitende Lagerstätten also durch die Tatsache gekennzeichnet, daß sie in ihrer Gesamtheit nicht ausschließlich einem Staat zugerechnet werden können; im Unterschied zu der im Zusammenhang mit der Grenzdurchörterung dargestellten Situation besteht im Falle flüssiger oder gasförmiger Ressourcen aber die zusätzliche, soeben genannte Besonderheit, daß aufgrund der physikalischen Merkmale von Erdöl- und Erdgasfeldern Förderbohrungen auf einer Seite der Grenzlinie zur Reduktion des Gesamtvolumens der in situ-Ressourcen führen können. Abhängig von der Entfernung der Bohrung zur Grenze ist es sogar unvermeidbar, daß dieser auch Öl aus dem angrenzenden Staatsgebiet oder Festlandsockel zufließt. Hierdurch vermag es wiederum in zweifacher Hinsicht zu einer Benachteiligung des Nachbarstaates zu kommen: 1. Der auf Öl bohrende Staat fördert- unabhängig von der insgesamt gewonnenen Menge- unter Umständen Rohstoffe, über welche nach allgemeinem Völkerrecht nicht er, sondern der Nachbar Souveränität besitzt. Er ist zudem in der Lage, zu Lasten des Nachbarn mehr als den ihm mengenmäßig zustehenden Teil - errechnet danach, welcher Anteil am Gesamtvolumen der Lagerstätte (ursprünglich) unter seinem Hoheits- oder Schelfgebiet lagerte - zu gewinnen.
92
Zur Entstehung von Erdöl und Erdgas vgl. Das Buch vom Erdöl, S. 17 ff.
Sollte dies durch sog. abgelenkte Bohrungen von einem Nachbarbohrturm aus dennoch geschehen, wirft die rechtliche Beurteilung gegenüber der Grenzdurchörterung naturgemäß keine besonderen Fragen auf. 94 North Sea Continental Shelf, Judgment, l.C.J. Resports 1969, S. 51, Ziff. 97. 93
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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2. Schließlich können durch die Rohstofförderung auf der einen Seite der Grenze tatsächliche Beeinträchtigungen des Reservoirs als Ganzem - vor allem in Fonn der Veränderung der Lagerstättenbedingungen durch Verringerung des Lagerstättendrucks, Veränderung des Wasserstandes etc.- verursacht werden, die bewirken, daß eine Ausbeutung seines Anteils durch den Nachbarberechtigten technisch nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll bzw. zumindest nicht mehr so rentabel ist. Bei Zugrundelegung der soeben im Zusanunenhang mit den festen Rohstoffen entwickelten Maßstäbe wäre die Zufügung derartiger Benachteiligungen ohne Frage völkerrechtswidrig. Konsequenz einer Zuwiderhandlung wäre - wie auch im Fall fester Rohstoffe - die völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Haftung des Förderstaates nach allgemeinen Grundsätzen. 95 Es besteht aufgrund der geschilderten physikalischen Besonderheiten jedoch das offensichtliche Problem, einseitig, das heißt ohne Mitwirkung des Nachbarn, den Umfang des eigenen Rohstoffanteils zu bestimmen bzw. die Verletzung von Rechten des Nachbarn festzustellen. Damit aber stellt sich die Frage, ob angesichtsdieser-im Vergleich mit der Förderung fester Stoffe- beachtlichen Schwierigkeiten hinsichtlich nichtkonsentierter, einseitiger Ausbeutungsaktivitäten von Petroleum eine abweichende rechtliche Bewertung geboten ist. Mit anderen Worten, es wird im folgenden zu klären sein, ob solche Aktivitäten ebenso wie Grenzdurchörterungen oder erhebliche Einwirkungen auf das Nachbargebiet in sonstiger Weise völkerrechtlich unzulässig sind. a) Das Verbot der Entziehung von Rohstoffen aus einem angrenzenden Gebiet Als - verneinende - Antwort auf diese Frage ist in der Literatur vorgeschlagen worden, die in einigen Privatrechtsordnungen vorzufindende "rule of capture" auf den Bereich internationaler Beziehungen zu übertragen.96 Im folgenden soll diese Regel vorgestellt und auf ihre Verankerung im geltenden Völkerrecht hin überprüft werden. 95 Zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit und Haftung vgl. Ipsen, S. 489 ff. Problematisch erscheint die Verantwortlichkeit des Gewinnungsstaates vorliegend allein unter dem Gesichtspunkt einer Zurechnung des schädigenden Verhaltens der Bergbauberechtigten als natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts; diese ist im Ergebnis jedoch zu bejahen, da den Staat eine Pflicht zur Kontrolle der durch ihn ermöglichten Bergbauaktivitäten trifft. Vgl. auch die Ausführungen zur Verletzung eines Joint Development-Abkommens, unten, 2. Teil, 5. Kap. 96 Thalmann, S. 121; Braun, S. 33; Morris, S. 206, 209; Beauchamp, S. 650. Auch im Rahmen des internationalen Wasserrechts war von einem Teil der Lehre eine entsprechende Privatrechtsregelung, die prior appropriation rule, für den internationalen Bereich fruchtbar gemacht worden, vgl. Thalmann, S. 132 ff.
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l. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
aa) Die "rule of capture" Seit Jahrhunderten konkurrieren überall auf der Welt drei Gruppen von Interessenten um die primäre Berechtigung zur Ausbeutung von Bodenschätzen: der Grundeigentümer, der Landesherr bzw. der Staat und die am Bergbau wirtschaftlich Interessierten. Entsprechend diesen drei Gruppen sind auf der innerstaatlichen Ebene die Systeme der Bindung natürlicher Ressourcen an das Grundeigentum97, der Verfügungsbefugnis des Staates98 und der Bergbaufreiheit99 zu unterscheiden. Heute beanspruchen fast alle Staaten der Welt, auch solche mit marktwirtschaftlicher Ordnung, die alleinige Verfügungsgewalt über die erschöpfbaren, nicht reproduzierbaren Rohstoffe. Die Trennung des Rechts zur Gewinnung von Bodenschätzen vom Eigentum an Grund und Boden wird meistenteils als ein Resultat bestimmter vorgegebener Eigenheiten aufgefaßt. 100 Daneben wird auch hier ähnlich wie auf der internationalen Ebene argumentiert und auf die immense gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Bodenschätze als nationale Rohstoffreserve hingewiesen. Die ständige Verfügbarkeil insbesondere ausreichender Energiemengen sei eine entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit jeder Wirtschaft. 101 Weiterhin spielen die Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr, der 97 Hier macht der Grundeigentümer geltend, sein Eigentum erstrecke sich auch auf den Erdkörper unter der Erdoberfläche. So auch grundsätzlich § 905 BGB; früher ließ § 67 EGBGB landesrechtliche Abweichungen von den §§ 903 ff. BGB zu (zur Einführung eines echten Staatsvorbehaltes für Erdöl in ganz Preußen durch die Erdölverordnung vom 13.12.1934, vgl. Schulz, S. 279); heute liegt mit§ 3 Abs. 3 BBergG eine bundesrechtliche Norm vor, die als speziellere und jüngere Norm Vorrang vor den Vorschriften des BGB besitzt. . 98 Dadurch werden die Interessen des Grundeigentümers zugunsten des Königs und später des Landesherrn bzw. des Staates ausgeschaltet, sog. Domina!- oder Regalitätssystem, vgl. Ebel. S. 146 ff.; Willecke, Berggesetzgebung, S. 15 ff. 99 Dieser Grundsatz beinhaltet ebenfalls die Trennung des Gewinnungsrechtes an bestimmten Bodenschätzen vom Eigentum am Boden, unter dem diese lagern; man versteht darunter das sowohl dem Grundeigentümer als auch dem Regalherrn gegenüber bestehende Recht des Bergbauinteressenten, auf eigenem wie auf fremden Grund und Boden nach Maßgabe der vom Regalherrn bzw. vom Staat vorgeschriebenen Bedingungen planmäßig nach den sog. bergfreien Mineralien zu suchen, Willecke, Berggesetzgebung, S. 15. Bei Entdeckung besteht ein Rechtsanspruch des Finders auf Verleihung des Bergwerkseigentums. Obwohl die Verleihung ein konstitutiver Staatsakt ist, gibt sie, da ein Ermessen der Behörde ausgeschlossenen ist, keine Möglichkeit echter staatlicher Einflußnahme aus wirtschaftspolitischen oder ähnlichen Gesichtspunkten; der Staat wird auf eine nur formale Ordnungsfunktion beschränkt, Westermann, S. 123 f. 100 Dazu Nicolaysen, S. 13 f. 101 So z.B. die Amtliche Begründung zum BBergG vom 13.8.1980, BGBI. 1980 I S. 1310, BT Drucks. 8/1315, S. 67, deren erster Satz lautet: "Bodenschätze gehören mit zu den lebenswichtigen Grundlagen einer Volkswirtschaft."
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Raumordnung, des Umweltschutzes sowie der Nutzung der Bodenschätze als Einnahmequelle für den Staat eine Rolle. Einen völlig anderen Verlauf nahm dagegen die Rechtsentwicklung in den USA. 102 Ihre Grundlage bildet das englische common law, das heißt vornehmlich ein Fallrechtssystem, das zum Teil im Wege der Gesetzgebung, zum Teil gewohnheitsrechtlich rezipiert wurde. 103 Die Geschichte des britischen Liegenschaftsrechts, und damit verbunden des Bergrechts, ist aufgrund alter, im Feudalismus wurzelnder Traditionen äußerst kompliziert. Für den vorliegenden Zusammenhang entscheidend ist, daß unabhängig davon, wie die Eigentumsrechte an der Erdoberfläche im 17. und 18. Jahrhundert zwischen der Krone, belehnten Vasallen, Bürgern und Bauern im einzelnen verteilt waren, das Recht zur Gewinnung mineralischer Rohstoffe mit dem Grundbesitz verknüpft war. Im Gegensatz zu Kontinentaleuropa vermochten sich also Bergregal und Bergbaufreiheit nicht durchzusetzen. Folglich war auch der Bergbau in Nordamerika von Anfang an reiner Eigentümerbergbau. 104 Noch heute sieht das britische Bergrecht prinzipiell vor, daß das Eigentum an Ressourcen zum Grundeigentum gehört. Wo aber tatsächlich im größeren Umfang Rohstoffe abgebaut werden, ist dieser Grundsatz durch Staatsvorbehalte- seit den 30er Jahren für Kohle, Erdöl und Erdgas eingeschränkt worden. 105 Das gleiche gilt für andere wichtige Bergbauländer, die dem angelsächsischen Rechtskreis angehören wie Australien, Kanada und Südafrika. Allein in den USA gilt die Bindung von Ressourceneigentum an Grund und Boden noch weitgehend uneingeschränkt. Verbunden mit dem Reichtum des nordamerikanischen Kontinents an Kohlenwasserstoffvorkommen, der im Vergleich zu anderen Regionen dazu schon früh entdeckt wurde, hat dies zur Entwicklung folgender Regelungen geführt: Einmal produziert, sind Bodenschätze Gegenstand unbeschränkter Eigentumsrechte des Gewinnungsberechtigten, also des Grundeigentümers bzw. des durch ihn Legitimierten. Nicht so unproblematisch sind dagegen die Eigentumsverhältnisse und Verfügungsbefugnisse hinsichtlich der noch im Boden befindlichen 102 An dieser Stelle wird sich auf eine Darstellung der Entwicklung in den USA beschränkt; ähnliches gilt jedoch auch für bestimmte Provinzen Kanadas, vgl. Kelly, s. 80. 103 Zweigert/Kötz, Bd 1, S. 278 f. ; Bergmann, S. 173. 104 Auf der Grundlage des rezipierten common law schufen die Einzelstaaten allmählich ihr eigenes, zeitgemäßeres Liegenschafts- und Bergrecht. Daneben trat nach dem Zusammenschluß der Staaten zu den USA das Bundesrecht, das seit Anfang dieses Jahrhunderts z.T. abweichende Regelungen enthält. Es gilt aber nur für das im Eigentum des Bundes stehende Land, die Public Domain, und für den Festlandsockel. Ansonsten liegt die Kompetenz für das gesamte bürgerliche Recht und die meisten Teile des Handelsrechts bei den Einzelstaaten, Zweigert/Kötz, Bd 1, S. 289; instruktiv zur Entwicklung des Bergrechts in den USA allgemein Herr, Zffi Bd 93, S. 107, Bd 94, S. 203 ff. ro5 Hartung, S. 2; Ely, S. 1244.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Ressourcen, hier vor allem der flüssigen oder gasförmigen. Bereits um die Jahrhundertwende kam es zu ersten Rechtsstreitigkeiten über Kohlenwasserstoffe in Lagerstätten, deren Ausdehnung nicht in gleicher Weise begrenzt wurde wie das Eigentum an dem sie bedeckenden Grund und Boden. Dabei konnte es nach dem Gesagten nicht darum gehen, ob der Grundeigentümer rechtlich geschützte Interessen an den Bodenschätzen besitzt, sondern allein um die konkrete, inhaltliche Ausgestaltung dieser Interessen. Gerade diese wurde allerdings in zahlreichen Entscheidungen, denen es zudem oftmals an dogmatischer Stringenz mangelte, unterschiedlich beurteilt. 106 Die Vielzahl von Ansichten zu der damaligen Zeit ist in erster Linie auf den unzulänglichen wissenschaftlichen Kenntnisstand in Bezug auf Ort, spezifische Eigenschaften und Umfang unterirdischer Reservoirs zurückführbar. Außerdem fehlte es in diesem neuen Rechtsbereich naturgemäß an Präjudizien aus dem common law. So verglich man in frühen Urteilen Erdöl und Gas, von dem angenommen wurde, es fließe in den Lagerstätten frei umher, mit anderen "ungezähmten" Rechtsobjekten, z.B. wilden Tieren, Vögeln oder subterranen Gewässern. Für diese existierte eine common law-Regel, wonach bis zu ihrer Inbesitznahme im englischen spricht man hier bildhafter von "capture" - kein Eigentum an ihnen besteht. 107 Ein texanisches Gericht formulierte diese Analogie mit den wohlklingenden Worten, daß Erdöl und -gas "are supposed to percolate restlessly about under the surface of the earth, even as the birds fly from field to field and the beasts roam from forest to forest. " 108
Und im bekannten Fall Westmoreland and C. Natural Gas Co. v. De Witt aus dem Jahre 1899 stellte der Supreme Court of Pennsylvania fest: "Petroleum, like savage animals and unlike other minerals, have a tendency and a power to escape without the volition of their owner but continue to be his property, as long as they remain in an area under his control. However when they migrate to other Iands or under the control of another person, the title of the previous owner disappears. Therefore the ownership of the land does not necessarily involve the ownership of petroleum. If drilling Ieads to a common deposit, petroleuro will be the property of who produces it."Hl9
Als Folge dieser Auffassung war jeder Grundeigentümer ermächtigt, durch Förderbohrungen auf seinem Besitz soviel Öl und Gas zu gewinnen, wie ihm 106 Nachweise und Überblick über die Rechtsprechung in Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, §3 (Generally). 107 Der britische leading case, Acton v. Blundell, 12M. & W. 324, 354, 152 Eng. Rep 1223, 1235 (Ex. 1843) bezieht sich auf unterirdische Gewässer, dazu Ely. S. 1218; Morris, S. 206; vgl. auch Elliff v. Texon Drilling Co., 146 Tex. 575, 210 SW 2d 558, 4 ALR 2d 191 (1948). 108 Medina Oil Development Co. v. Murhy, 223 S.W. 333, 335 (1921). 109 130 Pa. 235, 18 Atl. 724,5 L.R.A. 731 (1899).
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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technisch möglich war. In tatsächlicher Hinsicht begrenzt wurde diese Möglichkeit durch entsprechende Aktivitäten des Nachbarn. 110 Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, auf die verschiedenen, von der Rechtsprechung in den jeweiligen Einzelstaaten entwickelten Theorien bezüglich der Ausgestaltung der Eigentümerrechte im einzelnen einzugehen, da sie letztlich alle die rule of capture als allein zweckmäßig anerkannt haben. 111 Der Landeigentümer besaß also stets nur eine allseits als ,,reasonable" bezeichnete Chance, in situ-Ressourcen in seinem Boden auszubeuten und wirtschaftlich für sich zu verwerten.
bb) Unanwendbarkeit der "rule of capture" im Völkerrecht Übernähme man diese Regel für den internationalen Bereich, so würde hieraus als wesentliche Konsequenz im Hinblick auf die erste der eingangs dargestellten, möglichen Benachteiligung für den Nachbarn des Förderstaates folgen, daß der Grundsatz der permanenten Souveränität, demzufolge einem Staat alle Ressourcen in und auf seinen Hoheits- bzw. Schelfgebieten dauernd und ausschließlich zustehen, modifiziert würde. Über gasförmige und flüssige Stoffe übte er im Ergebnis nur insoweit Souveränität aus, als er sie durch Gewinnungseinrichtungen auf seinem Territorium bzw. Kontinentalschelf auch tatsächlich förderte. Das uneingeschränkte Recht des Nachbarn an seinen Bodenschätzen würde damit faktisch auf ein bloßes Aneignungsrecht ohne Ausschließlichkeitsfunktion reduziert. Folgerichtig wären die den eigenen Anteil mengenmäßig übersteigende Förderung und die Gewinnung von ursprünglich unter angrenzendem Nachbargebiet lagernden Rohstoffen durch den Förderstaal rechtmäßig. 110 ,,Every landowner or bis Ieesee may locate bis weil wherever he pleases, regardless of the interests of others.(...). He may crowd the adjoining farms so as to enable him to draw the oil and gas from them. What than can the neighbor do? Nothing; only go and do likewise.", Bamard v. Monongahela Nat. Gas Co., 216 Pa. 362, 65 At!. 801 (1907); vgl. auch Jacobs, S. 1207 f. 111 Walker, S. 372. Später geschah dies allerdings nicht mehr in Analogie zu den wilden Tieren, sondern wurde mit den physikalischen Besonderheiten gerechtfertigt. Im übrigen bestimmt z.B. der Mineral Code (zu den Mineralien zählen in den USA immer auch die Kohlenwasserstoffe), Title 31 der Louisiana Revised Statutes, die am 1.1.1975 in Kraft traten, noch heute: "Art. 8: A landowner may use and enjoy bis property in the most unlimited manner for the purpose of discovering and producing rninerals, provided it is not prohibited by law. He may reduce to possession and ownership all of the rninerals occurring naturaly in a liquid or gaseous state that can be obtained by Operations on or beneath his land even though his operations may cause their migration from beneath the land of another. Art. 14: A landowner has no right against another who causes drainage of liquid or gaseous minerals from beneath bis property if the drainage results from drilling or mining operations on other Iands.( ...).", abgedruckt bei Williams et al., Oil and Gas, S. 229.
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l'lorm~nn-PfalT
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die JToblematik
Die Übertragbarkeit der rule of capture auf die zwischenstaatliche Ebene wirft jedoch Zweifel auf, und zwar zunächst bereits aus dogmatischen Erwägun112 gen. (1) Die ,,rule of capture" als privatrechtliches Institut
So ist zum einen zu berücksichtigen, daß im vorliegenden Zusammenhang die Rechte und Befugnisse benachbarter Staaten bei der Gewinnung flüssiger und gasförmiger Rohstoffe aus grenzüberschreitenden Lagerstätten in Rede stehen und daß die Zuordnung der natürlichen Ressourcen zwischen den Subjekten des internationalen Rechts durch das Völkerrecht bestimmt wird, das hierfür die Institute der "Souveränität" und der "souveränen Rechte" bereithält. Demgegenüber handelt es sich bei der rufe of capture um eine Figur des innerstaatlichen, bürgerlichen Rechts, die das privatrechtliche Eigentum betrifft und die Rechtsbeziehungen zwischen Privatrechtssubjekten in den Fällen regelt, in denen diese Privatrechtssubjekte mit dem Eigentum an einem Grundstück zugleich Rechte an den Bodenschätzen in und auf dem Grundstück erworben haben. Eine direkte Anwendung der rule of capture scheidet damit aus. Des weiteren ist festzustellen, daß es an einer verbreiteten Anerkennung der rufe of capture in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Völker fehlt. Die Regel konnte sich ausschließlich in solchen Staaten durchsetzen, die eine Trennung des Eigentums am Grund und Boden von demjenigen an den Rohstoffen in und auf diesem Boden nicht kennen. 113 Ganz überwiegend beanspruchen heute jedoch die Staaten auch vis-a-vis den ihrer Hoheitsgewalt unterworfenen Personen die ausschließliche Verfügungsgewalt über alle erschöpfbaren Ressourcen losgelöst von der eigentumsrechtlichen Situation an der Erdoberfläche. Damit stellt die rule of capture keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Sinne des Art. 38 (c) lOH-Statutdar und kann auch insoweit keine Anwendung im Völkerrecht finden. Es verbliebe damit nur die Möglichkeit einer Analogiebildung zum innerstaatlichen Recht der us-amerikanischen Einzelstaaten. Eine analoge Anwendung der rufe of capture wird aber durch die allgemeine Entwicklung des Völkerrechts vor allem seit Mitte dieses Jahrhunderts und durch die Staatenpraxis nicht gedeckt. Zudem sprechen die katastrophalen tatsächlichen Auswirkungen der rule of 112 Allgemein zu den Einwirkungen nationalen Rechts auf das allgemeine Völkerrecht bei Vergleichbarkeit der zwischen- mit den innerstaatlichen Tatbeständen und Interessenlagen Strebe!, S. 168 ff. 113 Nach deutschem Recht besteht z.B. überhaupt kein privatrechtliches Eigentum an in situ-Ressourcen; vielmehr sind bergfreie Bodenschätze bis zu ihrer Aneignung durch den Gewinnungsberechtigten herrenlos, vgl. die Amtliche Begründung zum BBergG, BGBI. 1980 I, S. 1310, BT-Drucks. 8/1315, S. 77.
2. Kapitel: Problernkonstellationen
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capture, die größtenteils auch zu ihrer Überwindung in den USA geführt haben, gegen die Eignung dieser Regel zur Lösung des hier in Rede stehenden Problems. Alle genannten Aspekte sollen im folgenden kurz erläutert werden.
(2) Mit der ,,rule of capture" unvereinbare Völkerrechtsprinzipien (a) Das Recht zur Verwirklichung einer nationalen Rohstoffpolitik Eine allgemeine rechtliche Verpflichtung zur Förderung von Rohstoffen, wie sie vor allem im Anschluß an die erste Ölkrise 1973 und der Ausnutzung von Öl als "politische Waffe" diskutiert wurde, existiert nicht. Auch wenn die Weigerung, Ressourcen auszubeuten oder ihre Ausbeutung durch ausländische Unternehmen zuzulassen, vielfach als unfreundlicher Akt empfunden wird, kann ein gewisser Druck nur im Rahmen von Vertragswerken, insbesondere von internationalen Rohstoffabkommen oder dem GATT114, ausgeübt werden. 115 Ein Konzept des freien Zugangs zu Ressourcen, wie es noch in der rechtlich nicht bindenden "Gemeinsamen Erklärung" der beiden Staatsmänner Churchill und Roosevelt vom August 1941 (s~g. Atlantik-Charta) befürwortet worden war 116, ist gewohnheitsrechtlich gerade nicht nachzuweisen. Aus der insofern auch von den Befürwortern einer analogen Anwendung der rule of capture als solche nicht in Frage gestellten Souveränität der Staaten über ihre Rohstoffe folgt vielmehr, daß die Formulierung einer nationalen Erschließungspolitik in den Rahmen ihrer Jurisdiktion fällt. 117 Diese kann aber zu einer zurückhaltenden oder aber einer forcierten Produktion der Naturschätze führen, da sie immer die Lösung eines landesspezifischen Zielkonfliktes durch die betref114 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen vom 30.10.1947 in der Fassung der Schlußakte und des Protokolls von Torquay vorn 21.4.1951, BGBI.195l II, S. 173. 115 Fawcett/Perry, S. 120 f. Ausführlich mit den Fragen "Belieferungssicherheit kraft allgemeinen Völkerrechts" und "Schutz gegen plötzliche Liefersperren" setzt sich auseinander Tornuschat, S. 150 ff; die Idee "völkerrechtlicher Verfügungsbeschränkungen im Fall des Mißbrauchs von Rohstoffen" haben kürzlich Schwarze/von Simson in das völkerrechtliche Schrifttum eingeführt. 116 Berber, Dokumente, Bd 2, S. 2262 f.; EA I (1946/47), S. 343. Roosevelt und Churchill sprachen sich damals für die Zusammenarbeit aller Nationen auf wirtschaftlichem Gebiet (Ziff. 5) mit dem Ziel aus, "to further the enjoyment by all States, great or small, victor or vanquished, of access, on equal terms, to the trade and to the raw materials of the world which are needed for their economic prosperity."(Ziff. 4); zur Rechtsnatur vgl. Heusel, S. 106 ff.
117 Dies wird auch im Zuge der Diskussion um eine Neue Weltwirtschaftsordnung immer wieder betont, vgl. z.B. Punkt 4 der bereits erwähnten Resolution der Generalversammlung "on permanent souvereignty over natural resources" vom 14. Dez. 1962 (GA Res. 1803 (XVII), der festschreibt, daß die Exploitation natürlicher Rohstoffe entsprechend der Rohstoffordnung des jeweiligen Staates ausgeführt werden soll.
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
fende Regierung darstellt. 118 Zwar steht bei der Formulierung jeder Rohstoffordnung arn Anfang die Frage nach der effizientesten Verteilung der Nutzung eines beschränkten Bestandes an Ressourcen über die Zeit, und die Erreichung eines möglichst hohen staatlichen Einkommens stellt in der Regel das primäre Ziel jedes Landes bei der Ausbeutung dar; 119 neben diesen allgerneinen ökonomischen Überlegungen wird aber die Festsetzung der rechtlich-institutionellen Bedingungen für die Nutzung der Ressourcen auch von Externalitäten bestimmt, die das Setzen von Prioritäten durch den betreffenden Staat unumgänglich machen. Zu diesen Externalitäten zählen z. B. der Wunsch nach einer Verringerung der Abhängigkeit von Importen, nach einer Minderung von Handelsbilanzdefiziten, nach Vermeidung möglicher Beeinträchtigungen der Umwelt und nach Erzielung positiver Auswirkungen auf Wirtschafts- und Technologieentwicklung sowie Beschäftigungspolitik. Auch regionale, strukturelle und soziale Folgen der Erschließung finden Berücksichtigung. 120 Um Divergenzen mit ihrer Rohstoffpolitik zu vermeiden oder den diffizilen, autonomen Entscheidungsprozeß hinsichtlich der Nutzungs- und Abbauintensität nicht gar sinnlos erscheinen zu lassen, trachten die Staaten danach, Druck im Hinblick auf einen (beschleunigten) Abbau abzuwehren und ihn als unzulässig zu qualifizieren. Im Rahmen des Festlandsockelregimes schreiben dies die Art. 2 Abs. 2 FSK 1958 sowie 77 Abs. 2 SRÜ ausdrücklich fest. Die fast wortgleichen Bestimmungen lauten: "Die in Absatz 1 genannten Rechte sind insoweit ausschließlich, als niemand ohne ausdrückliche Zustimmung des Küstenstaates den Festlandsockel erforschen oder seine natürlichen Ressourcen ausbeuten darf, selbst wenn der Küstenstaat diese Tätigkeiten unterläßt"
Zusätzlich bestimmt der bereits mehrfach angeführte Art. 81 SRÜ: "Der Küstenstaat hat das ausschließliche Recht, Bohrarbeiten auf dem Festlandsockel für alle Zwecke zu genehmigen und zu regeln."
Wie Richter Arechaga in einem Sondervotum in dem Festlandsockelfall zwischen Tunesien und Libyen ausführte121 , wird gerade hierin ein wesentlicher 118 EineAnalyse offizieller Verlautbarungen zur staatlichen Erschließungspolitik aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht findet sich bei Hartung, S. 13 ff. 119 Grundsätzlich ist je nachdem, ob der Wert des noch nicht geförderten Bodenschatzes im Zeitablauf mit dem Zinssatz ansteigt oder nicht, ein Vorziehen oder ein Aufschub der Förderung vorteilhaft, vgl. von Böventer, S. 221. 120 Norwegen vertritt z.B. die Ansicht, eine kontrollierte Produktion solle die nachteiligen Effekte eines plötzlichen Einkommenszuwachses auf eine traditionell ländliche Gemeinschaft verhindern, vgl. Fawcett/Perry, S. 120 121 Contineotal Shelf (Tunesia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1982, S. 105, Ziff. 70.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Grund für die weite und sofortige Akzeptanz der Kontinentalschelfdoktrin sichtbar. Dieser bestand nicht so sehr in der nun eröffneten Möglichkeit der Ressourcengewinnung, sondern vielmehr in der negativen Konsequenz, das heißt, der Tatsache, daß das Regime dem Küstenstaat eine rechtliche Handhabe gab, Förderaktivitäten auf dem Meeresgrund und im Meeresuntergrund vor seinen Küsten durch einen anderen Staat zu verhindern. Da zu dieser Zeit nur einige wenige Industriestaaten über die notwendigen technologischen Kenntnisse und sonstigen Voraussetzungen verfügten, konnte so ein schneller Zugriff dieser Staaten auf die Rohstoffe im Meeresboden auf der Grundlage der mare liberum-Doktrin verhindert werden.122 Die Ausschließlichkeit der küstenstaatlichen Befugnisse sollte also nach dem Willen der Völker durch den besonderen Charakter der auf gewisse Nutzungen beschränkten Hoheitsrechte nicht berührt werden; diese Rechte verfallen nicht etwa, wenn von ihnen kein oder nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wird. Dritte Staaten können sich also hierauf nicht berufen, um damit eigene Rechte über den Schelf anderer Staaten zu begründen. Würde nun die rule of capture einen Bestandteil des geltenden Völkerrechts bilden, käme dies einem indirekten Zwang zur Förderung der Bodenschätze nahe, da ein Ressourceneigentümer danach, wie oben ausgeführt, mit dem Erschließungstempo seines Nachbarn mindestens Schritt halten muß, um sich seinen Anteil an den Bodenschätzen zu sichern. Dieser Zwang ist jedoch weder mit dem Grundsatz der staatlichen Souveränität, noch mit dem Festlandsockelregime vereinbar. (b) Das Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität Auf das dem Grundsatz der guten Nachbarschaft entstammende Prinzip der eingeschränkten territorialen Souveränität und Integrität und das aus ihm fließende Verbot, auf dem eigenen Territorium oder Festlandsockel Arbeiten durchzuführen, die erhebliche Beeinträchtigungen des angrenzenden Gebietes zur Folge haben, wurde oben bereits ausführlich eingegangen. 123 Die Gewinnung fremder Souveränität unterfallender Rohstoffe bedeutet, sofern es sich nicht um ganz geringe Mengen handelt, stets eine erhebliche und nicht etwa nur eine minimale, hinzunehmende schädigende Einwirkung. Die rule of capture ist deshalb mit dem genannten Prinzip nicht vereinbar.
122 Der Vorschlag der bundesdeutschen Delegation auf der Ersten Seerechtskonferenz, A/Conf. 13/C.4/C.l, der vom Gemeingebrauch sämtlicher Staaten im Bereich des Festlandsockels ausging und den Küstenstaaten als Treuhänder der Völkerrechtsgemeinschaft nur beschränkte Aufsichtsfunktionen einräumen wollte, wurde auf das heftigste und mit großer Mehrheit abgelehnt, Official Records, Bd IV, S. 126. 123 Vgl. in diesem Kap. oben, 2 b.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
(c) Das Prinzip der gemeinsamen Naturgüter mehrerer Staaten Ein weiteres rechtliches Konzept, das einer Verbindlichkeit der rule of capture auf zwischenstaatlicher Ebene entgegensteht, ist jenes der in der Entwicklung begriffenen Regeln über die Nutzung sogenannter "shared natural resources", ein ebenfalls aus dem Prinzip der guten Nachbarschaft abgeleiteter, sich aber seit fast drei Jahrzehnten verselbständigender Normenkomplex. 124 Wie das Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität wurde das Konzept der gemeinsamen Naturgüter mehrerer Staaten in jüngerer Zeit im internationalen Wasserrecht vor allem aufgrund von Bemühungen der ILA 125 entwickelt. Heute werden die Vorstellungen der ILA von der ILC weitergeführt, die seit 1974 ein Aktionsprogramm betreffend "the Law of the NonNavigational Uses of International Watercourses" durchführt. 126 Es wurde dann insbesondere vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 127 aber auch von der ILA128 für den Bereich des zwischenstaatli~hen Umweltschutzes fruchtbar gemacht. Es tritt damit für Nutzung und Konservierung von Ressourcen in nationalen Hoheitsgebieten bzw. auf dem Festlandsockel neben das Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität. Das Konzept hat sich (bislang) lediglich im Bereich der Nutzung internationaler Binnengewässer gewohnheitsrechtlich verfestigen können. 129 Im übrigen stellt 124 Allgemein zum Prinzip der gemeinsamen Naturgüter Bunge, HdUR, Sp. 656 ff.; Beyerlin, FS Doehring, S. 59 f.; Ipsen, S. 857 f.; Reinicke, S. 12 ff. 125 Vgl. den als Geburtsstunde dieses Konzeptes zu bezeichnenden Helsinki-Report "on the Uses of Waters of International Rivers" vom 20.8.1966, ILA-Reports 52 (1966), s. 477 ff. 126 Vgl. zuletzt die "Draft Articles" in ILM 30 (1991), S. 1575; zum Grundwasserrecht Baberis, Nat.Res.J. 1991, S. 169 ff. Einen Überblick überneuere Entwicklungen geben auch Hayton!Utton, S. 668 ff.; unter ihrer Leitung wurde der Bellagio Groundwater Treaty-Entwurf für das us-amerikanische-mexikanische Grenzgebiet erstellt, Nat. Res. J. 1989, s. 676 ff. 127 Das Umweltprogramm der UNO wurde im Gefolge der Stockholmer Umweltkonferenz durch die Resolution der Generalversammlung 2997 (XXVII) vom 15.Dez.1972, ILM 12 (1973), S. 433, geschaffen; von besonderer Bedeutung sind die vom UNEPVerwaltungsrat am 19. Mai 1978 verabschiedeten und von der UN-Generalversammlung zur Kenntnis genommenen "Draft Prinziples of Conduct in the Field of the Environment for the Guidance of States in the Conservation and Harmonious Utilization of Natural Resources Shared by Two or more States", ILM 17 (1978), S. 1091 ff.; dazu Hohmann, s. 72 ff.
128 Vgl. Art. 3 der Montrealer ,,Rules of International Law Applicable to Transfrontier Pollution" vom 30./31. Jan. 1982, ILA-Rep. 60 (1982), S. 158 ff., in denen die ILA das "equitable utilization"-Prinzip speziell auch im Hinblick auf Verschmutzungsfragen fortentwickelt und konkrete Vermeidungs- und Unterlassungspflichten festschreibt. 129 Ipsen, S. 857 f.; a.A. Rauschning, FS Schlochauer, S. 569 f.; Dahm/De1brück!Wol-
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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es soft law, nach der herkömmlichen Quellenlehre also kein verbindliches Recht dar. 130 Ihm deshalb praktische Relevanz abzusprechen, wäre jedoch verfehlt. Die Resolutionen, Beschlüsse, Prinzipienerklärungen und Empfehlungen als Ergebnisse zwischenstaatlicher Konferenzen oder der Bemühungen internationaler Organisationen üben auf die Fortentwicklung des Völkervertrags- und -gewohnheitsrechtes einen wesentlichen Einfluß aus. 131 In den betreffenden Gremien wird hart darum gerungen, eine für alle Mitgliedstaaten annehmbare oder zumindest nicht zu beanstandende Formulierung zu finden. Man kann also durchaus davon sprechen, daß im Prinzip der gemeinsamen Ressourcen die Rechtsauffassung der Staatenvertreter zum Ausdruck kommt, wenn auch der politische Wille, sich entsprechend rechtlich zu binden, dahinter zurückbleibt. Eine abschließende, allgemein akzeptierte Begriffsbestimmung der gemeinsamen Naturgüter ist bislang noch nicht gelungen. Üblicherweise werden unter gemeinsamen Naturgütern solche zusammengefaßt, die sich eine begrenzte Anzahl von Staaten untereinander "teilen".132 Davon zu unterscheiden sind die sogenannten res communes, die zum Hoheitsbereich keines Staates gehören. Eine keinesfalls abschließende Aufzählung der UNEP umfaßt als offensichtliche Beispiele "(a) An international water system, including both surface and ground waters; (b) An air-shed or air mass above the territories of a limited number of States; (c) Enclosed or semi-enclosed seas and adjacent coastal waters; (d) Migratory species which move between the waters or territories of several States; (e) A special ecosystem spanning the frontiers between two or more States, such as a series of mountains, forests or areas of special conservation nature." 133
Grenzüberschreitende Öl- und Gaslagerstätten werden hier nicht genannt und sind unmittelbar mit keinem dieser Beispiele vergleichbar, da es sich dort hauptsächlich um erneuerbare Ressourcen handelt. An dieser Stelle sollen deshalb die spezifischen Probleme in Bezug auf gemeinsame Naturgüter herausgestellt und mit denen grenzüberschreitender Lagerstätten verglichen werden. Mit Hilfe eines frum, Bd I, S. 448 und Reinicke, S. 183 ff., die das Konzept auch auf weitere völkerrechtliche Teildisziplinen, insbesondere das Umweltvölkerrecht, anwenden wollen. 130 Unter dem Begriff des soft law werden im allgemeinen solche Verhaltensregeln zusammengefaßt, die weder strikte Rechtsregeln noch ganz unverbindliche politische Maximen darstellen und statt dessen in einem Übergangsbereich zwischen Recht und Politik angesiedelt sind; hierzu Heusel, S. 42 ff. 131 Lagoni, HB Vereinte Nationen, S. 699 f.; zur Rolle der internationalen Organisationen als Institution der Kommunikation, der Kooperation aber auch der Konfrontation, vgl. Schreuer, S. 363 ff.; Hohmann, S. 400 ff. 132
Bunge, HdUR, Sp. 656.
Report des Executive Director an den Verwaltungsrat im April 1975, UNEP/ Gel 44 (1975), para. 86, abgedruckt in Environmental Policy and Law 14 (1975), S. 106; vgl. auch ILC Doc. A/CN 4/332/Add. I, S. 2 ff.; Art. 5 des ILA-Umweltschutzreports, ILA-Report 60 (1982), S. 168. 133
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
solchen funktionalen Ansatzes kann sodann ermittelt werden, ob Reservoirs, deren Ausbeutung einen Substanzverlust zur Folge hat und deren Reproduktion nicht möglich ist, unter den genannten Begriff zu subsumieren sind und damit den Restriktionen dieses Konzeptes unterliegen. Mit den gemeinsamen Naturgütern mehrerer Staaten werden in der Regel vier Problembereiche assoziiert: 1. Die Aufstellung einer Prioritätenliste für die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der Ressource. 134 2. Die exakte Distribution derjenigen Menge oder desjenigen Anteils, den jeder Staat für sich beanspruchen kann. 3. Völkerrechtsgemäße Aktivitäten eines Staates mit nachteiligen Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeit durch den Nachbarn. 4. Die Zahlung von Schadensersatz oder Kompensation an den dadurch Geschädigten bzw. die Aufteilung von durch die Nutzung erzielten Gewinnen eines Staates. Eben diese Konflikte treten regelmäßig auch im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Lagerstäten auf. So entstehen Nutzungskonflikte in Form von Inkompatabilitäten, wenn die (Energie-)Politik des einen Staates eine schnelle Erschließung und forcierte Ausbeutung favorisiert, zum Beispiel um Importabhängigkeiten zu reduzieren, während diejenige des Mitberechtigten möglicherweise infolge anderweitiger preiswerter Versorgungsmöglichkeiten die Exploitation aufschieben will. Eine Aufteilung der Rohstoffe ist ebenso notwendig, wie die Entwicklung eines geeigneten Instrumentariums zur Behandlung von Förderaktivitäten, die, obzwar in den Bereich staatlicher Souveränität fallend, schädliche Auswirkungen aufNachbargebiete mit sich bringen und deshalb verhindert bzw. ausgeglichen werden müssen. Bodenschätze in grenzüberschreitenden Lagerstätten stellen also shared natural resources dar. 135 Damit stellt sich die Frage nach dem Inhalt des Konzepts. Unabhängig von den vielen noch ungeklärten Einzelheiten, herrscht Einigkeit darüber, daß sich im Prinzip der gemeinsamen Naturgüter mehrerer Staaten zwei Grundgedanken verbinden: Es sind dies die Ideen der gerechten Nutzungsaufteilung sowie der Pflicht zu Kooperation. 136 Neuerdings steht der Umweltschutzgedanke als dritter 134 Dies wird nicht so sehr bei der konkurrierenden Nutzung einer Ressource, d.h. wenn zwei oder mehr Staaten sie in gleicher Weise nutzen wollen, relevant, sondern vor allem bei der sog. inkompatiblen Nutzung, wenn also die Nutzung durch einen Staat z.B die Nutzung als Industriegebiet - eine entgegengesetzte durch einen anderen - z.B die Nutzung als Naherholungsbiet - ausschließt. 135 A. A. Lagoni in verschiedenen, nicht veröffentlichten Diskussionsbeiträgen und Szekely, Nat.Res.J. 1986, S. 735. 136 Dies ist auch dem Bericht von McCaffrey, S. 147 f., über die 39. Sitzung der ILC zu den "Non-Navigational Uses of International W..tercourses" zu entnehmen, auf der
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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gleichwertig daneben. Die staatliche Souveränität wird also ebenso wie durch das zwischenstaatliche Nachbarrecht dem Grunde nach nicht in Frage gestellt. 137 Allerdings wird sie weniger betont und durch die Formulierung von Pflichten materiellen wie prozeduralen Charakters stärker eingeschränkt. Im Vordergrund der Diskussion steht statt dessen die Ressource, ihre Eigenschaften und ihre vorteilhafteste Nutzung bei einem Minimum an Beeinträchtigungen der Umwelt und bei Berücksichtigung der Teilhaberechte der verschiedenen Staaten. Leitbildfunktion erfüllt hier Art. IV der Helsinki-Regeln der ILA 138 , der bestimmt, daß jedem Staat im Einzugsgebiet eines internationalen hydrographischen Bekkens ("international drainage basin") ein Recht auf einen vernünftigen und gerechten Anteil an den Vorteilen der Nutzung des Wassersystems zusteht. 139 Damit ergänzt das Prinzip der shared natural resources dasjenige der beschränkten Souveränität und Integrität, indem es Lösungsansätze für bestimmte Konfliktsituationen bietet, die mit diesem nicht zu erfassen sind. Dazu gehört insbesondere der Fall, in dem es nicht um die Abwendung von Schaden von einem Nachbarn geht, sondern darum, ihm seinerseits eine bestimmte Art der Nutzung der Ressource zu ermöglichen oder seinen fairen Anteil vor dem Zugriff anderer zu sichern. 140 Mit diesem völkerrechtlichen Prinzip ist die rule of capture nicht vereinbar. über die rechtlichen Implikationen des Begriffs der shared natural resources keine Einigkeit zu erzielen war, ohne daß deshalb die zugrundeliegenden Gedanken in Frage gestellt wurden. Vgl. auch die Präambel der Alpine-Convention, ILM 31 (1992), S. 767 ff., wo der Ausdruck shared natural resources ebenfalls vermieden wird ("Aware that the Alps constitute one of the greatest integrated natural areas in Europe"), die Grundzüge des Konzeptes je~och in Art. 2 zum Ausdruck kommen ("The contracting Parties, respecting the principles of prevention, cooperation, and the-polluter-pays, shall maintain a comprehensive policy of protection and preservation of the Alps, taking into account in an equitable way the interests of all Alpine States and their Alpine regions, as weil as those of the European Economic Community in using resources wisely and exploiting them in a sustainable way"). 137 Dies verkennt anscheinend Szekely, Nat.Res.J. 1986, S. 735 f., der ausführt: "The question of joint planning is quite distinct from the question of property, which is not necessarily put at stake by whatever cooperation scheme is put into operation. Thus, even when they (die Ressourcen, Anm. der Verf.) may be regarded as shared from a purely physical, natural, or ecological point of view, legally they are not." Offenbar befürchtet Szekely, das Konzept der shared natural resources beseitige die staatliche Souveränität der Beteiligten über ihren - wie auch immer definierten - Teil der Bodenschätze. 138 Helsinki-Report "on the Uses of Waters of International Rivers" vom 20.8.1966, ILA-Reports 52 (1966), S. 477 ff. 139 Aus diesem Grund werden die Begriffe "Prinzip der gemeinsamen Naturgüter" und "Prinzip der fairen Nutzungsaufteilung" auch synonym verwandt. 140 Ebenso die Kommentierung zu Art. 5 der ILA-Regeln betreffend die "Rules of International Law Applicable to Transfrontier Pollution", ILA-Report 60 (1982), S. 168.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
(d) Das Prinzip der Billigkeit Abschließend soll darauf hingewiesen werden, daß die Prinzipien der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität sowie der gemeinsamen Naturgüter in einem größeren Zusammenhang stehen, der, obzwar grundsätzlich losgelöst von der Frage der Nutzung von Rohstoffen, nicht vernachlässigt werden darf. Es ist dies der Grundsatz der Billigkeit ("aequitas", "equity") im Völkerrecht. Er weist als umfassendes Konzept auf den Ausgleich der Interessen aller an einem Rechtsverhältnis Beteiligten hin. Billigkeit als Mittel zur Verwirklichung von Gerechtigkeit im Einzelfall findet sich in fast allen nationalen Rechtsordnungen. 141 Trotzdem fällt die Billigkeit nicht (nur) unter die allgemeinen Rechtsgrundsätze, sondern ist, wie der IGH erstmals in den Nordseefestlandsockelfällen ausführte, Bestandteil des Völkergewohnheitsrechtes!42 Zur Zeit liegen die Schwerpunkte der Diskussion bei der Abgrenzung von Seegrenzen sowie bei der Neuen Weltwirtschaftsordnung. 143
Vor allem im SRÜ von 1982 hat die Billigkeit in eindrucksvoller Weise Niederschlag gefunden. So formuliert schon die Präambel, das SRÜ stelle eine rechtliche Ordnung für die Meere und Ozeane dar, die "die ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung ihrer Ressourcen" fördern wolle. Diese Aussage wird zum Beispiel durch die Art. 74 und 83 SRÜ konkretisiert, die jeweils in ihrem ersten Absatz bestimmen, daß bei der Abgrenzung von Festlandsockeln und von Ausschließlichen Wirtschaftszonen eine "der Billigkeit entsprechende Lösung" erzielt werden müsse. 144 Und Art. 82 IV sieht die Verteilung der Abgaben für die Ausbeutung nicht-lebender Naturgüter im Meer außerhalb von 200 sm durch die Meeresbodenbehörde an die Vertragsstaaten "nach gerechten Verteilungsmaßstäben" 145 vor.
141 Allerdings unterscheidet sich die kontinentaleuropäische Auffassung von der angloamerikanischen grundlegend. Verkürzt gesagt geht es bei der erstgenannten um Interpretationshilfe und Lückenfüllung, vgl. z.B. § 242 BGB; dagegen steht bei der zweiten wie schon zu Zeiten des Aristoteles die Modifizierung des Rechts aus Gründen der Fairness und der Gerechtigkeit im Vordergrund. Nachweise bei Villiger, S. 180, Hafner, S. 207. 142 North Sea Contineotal Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 48, Ziff. 88 ff. 143 Janis, EPIL 7, S. 76 f. 144 Auch der IGH hat z.B. im Streit über die Festlandsockelgrenze zwischen Libyen und Tunesien, I.C.J. Reports 1982, S. 59, Ziff. 70, festgestellt, daß Resultat und Mittel "equitable" sein müßten, wobei das Ergebnis die Mittel dominiere; hierzu auch Nelson, S. 839 ff. m.w.N. 145 Vgl. weiterhin Art. 59 SRÜ (Billigkeit Grundlage für die Lösung von Konflikten über die Zuweisung von Rechten und Hoheitsbefugnissen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone) und 140 Abs. 2 SRÜ (Gerechte Verteilung der finanziellen und sonstigen wirtschaftlichen Vorteile, die aus der Tätigkeit im Gebiet stammen).
als
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Bezogen auf die Nutzung natürlicher Ressourcen beinhaltet equity einen verfahrensmäßigen und einen distributiven Aspekt. 146 Verfahrensgerechtigkeit bedeutet, die Interessen und Bedürfnisse anderer Staaten in Verhandlungen mit einzubeziehen; Verteilungsgerechtigkeit zielt auf eine faire Verteilungsordnung. In diesem Rahmen kann die Billigkeit auf drei verschiedene Arten wirken: intra legern,praeter Iegern odercontra Iegern, das heißt entsprechend der Ausprägungen in den innerstaatlichen Rechtsordnungen als Interpretationshilfe, zur Lückenfüllung oder als Korrektiv eines durch strikte Rechtsanwendung gewonnenen Ergebnisses. 147 Nicht in allen genannten Wirkungsweisen hat sich der Grundsatz der Billigkeit allerdings in Völkerrechtslehre und Rechtsprechung durchsetzen können. So ist den Nordseefestlandsockelurteilen zu entnehmen, daß sie sich nur auf die innerrechtliche Billigkeit beziehen. 148 Unstrittig ist auch, daß die Anwendung der Billigkeit contra Iegern eine besondere Ermächtigung des Rechtsanwenders erfordert. 149 Problematisch ist dagegen, ob es zur Anwendung der Billigkeit praeter Iegern ebenfalls einer besonderen Befugnis bedarf 50; dieser Frage kann hier allerdings nicht weiter nachgegangen werden. Festzuhalten ist aber, daß equity in den beiden innerrechtlichen Ausprägungen auch für das Problem der Ausbeutung grenzüberschreitender Rohstofflagerstätten fruchtbar gemacht werden kann, zum Beispiel bei der Auslegung bestehender Verteilungsregeln oder als eigenständiges normatives Verteilungskriterium. Die rule of capture wird dem Prinzip der Billigkeit, soweit es nach dem eben Gesagten gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, nicht gerecht. Bereits 1951 hat Thaimann für den Bereich des internationalen Wasserrechts, wo ebenfalls die Zivilrechtsauffassung gewisser us-arnerikanischer Staaten einer der rule of capture entsprechenden Regel, der rule ofprior appropriation151 , den Weg in das Völkerrecht zu ebnen gesucht hatte, im Hinblick auf diese Regel festgestellt: ,,Diese Doktrin unterscheidet sich in dem Sinne grundlegend von den anderen etwähnten daß sie sich nur in ganz beschränktem Maße auf Billigkeitsüberlegungen stützt." 1
Regelun~en,
Zwar ist ihr Vorteil mit Thaimann darin zu sehen, daß aufgrundder ,,rigorosen Fassung"153 der Regel diese selbst und nicht erst ihre Auslegung im Einzelfall 146
Ausführlich hierzu Hafner, S. 104 ff.
147
Ipsen, S. 218 ff.; Janis, EPIL 7, S. 75; Heintschel von Heinegg, S. 211 ff.
148
North Sea Contineotal Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 47 ff., Ziff. 85 ff.
Vgl. etwa Art. 38 Abs. 2 IGH-Statut, der dem Gerichtshof die Befugnis eingeräumt, mit Zustimmung der Parteien ex aequo et bono zu entscheiden. 149
150 151 152
Hierzu Ipsen, S. 219 f.; Villiger, S. 185 ff. Dazu Williams, S. 911 ff. Thalmann, S. 132.
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die genaue Bemessung der jedem Staat rechtmäßig zur Verfügung stehenden Wassermenge ermöglicht; doch wird damit bereits ein Spannungsverhältnis gekennzeichnet, welches auch zwischen der rule of capture (und der mit ihr einhergehenden Rechtssicherheit) und der aequitas (und der damit verbundenen Einzelfallgerechtigkeit) herrscht. Hieraus kann jedoch im Ergebnis nicht eine Befürwortung der rule of capture folgen, sondern allein eine so weit wie möglich gehende Konkretisierung und inhaltliche Ausgestaltung des Billigkeitsbegriffs in der Weise, daß für bestimmte, rechtlich abgegrenzte Bereiche diejenigen Kri~erien herausgearbeitet werden, die bei einer an formeller wie materieller Gerechtigkeit orientierten Lösung eines Streitfalles heranzuziehen sind. (3) Wirtschaftliche Folgen der ,,rule of capture" und die Abkehr von ihr im innerstaatlichen Recht in den USA Die Folgen der rule of capture sind bei einem knappen Wirtschaftsgut wie Bodenschätzen leicht vorstellbar: Wenn jeder, der ein rechtlich geschütztes Interesse an einem Teil eines grenzüberschreitenden Rohstoffvorkommens hat, berechtigt ist, Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Ressourcen als Ganze ohne Rücksicht auf gleichrangige Interessen anderer Parteien zu treffen, erscheint das Ergebnis aller Erfahrung nach vorprogrammiert - ein ungehinderter Kampf um eigene Vorteile beginnt. In gewisser Weise besteht hier eine Parallele zum Problem des common property. Als klassisches Beispiel dafür mag das gemeinsame Weideland dienen, auf dem alle Dorfbewohner so viele Kühe grasen lassen dürfen, wie sie mögen. Jeder Bewohner genießt die Vorteile eines Rindes, das er zusätzlich anschafft, allein, während die nachteiligen Folgen für das Weideland von allen Eigentümern gemeinsam getragen werden müssen. Das Ergebnis ist Überweidung. 154 Modernere Beispiele sind die Überfischung oder die kollektive Nutzung der Meere als Mülldeponien. In den ersten dreißig Jahren dieses Jahrhunderts, in einzelnen Staaten noch länger, herrschte in den USA dementsprechend das "Faustrecht"m. Um seinen Anteil an der geförderten Gesamtmenge zu maximieren, brachte jeder Abbauberechtigte soviele Bohrungen wie möglich nieder und ließ diese mit voller Kapazität fließen. Denn unabhängig von der zum damaligen Zeitpunkt völlig ungeklärten Frage, wie eine Erhöhung der Bohrlochzahl die Gesamtausbeute beeinflußt, vergrößerte sie natürlich (pro Zeiteinheit) die Fördermenge des jeweiligen operators.~ Die Konsequenz bestand in einer immensen Verschwendung und zwar in mehrfacher Hinsicht: 153
ibid..
154
Stolz, S. 130. Das Buch vom Erdöl, S. 78.
155
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Zum einen wurde Raubbau an den Rohstoffen betrieben, denn die wirtschaftliche Ausnutzung eines Erdöl- oder Erdgasfeldes insgesamt wurde nicht berücksichtigt.156 Deutliches Zeichen dieses Raubbaus stellten der auf die extensive Erschließung der Ölfelder zurückführbare Verbleib wertvoller Abbaureste in aufgegebenen Lagerstätten157 sowie der Verzicht auf die Gewinnung von Nebenprodukten, insbesondere Erdgas, dar. 158 Neben diese physikalisch bedingte trat die Verschwendung in wirtschaftlicher Hinsicht durch das Niederbringen von Bohrungen, die überflüssig waren, da entweder bereits früher fertig gestellte Gewinnungseinrichtungen eine optimale Nutzung garantierten oder aber die neue Bohrung die Gesamtausbeute nicht in der Weise steigern konnte, daß der ohne sie erzielbar gewesene Gewinn erreicht wurde. 159 Auch die Pacht, die die privaten Grundstückseigentümer, die ihren Boden entsprechend verwerten wollten, für grenzüberschreitende Felder erzielen konnten, war geringer; die auf den W ettbewerb eingestellten Förderunternehmen boten naturgemäß insgesamt weniger Pachtzins als bei Bestehen der Möglichkeit, die Rohstoffe in Übereinstimmung mit einem vorher erstellten, optimalen Plan zu nutzen. 160 Zudem führten die viel zu hohen, nicht an die Marktverhältnisse angepaßten Förderraten zu einer Übersättigung des Marktes, die sich ihrerseits auf die Verkaufspreise des Rohöls auswirkte! 61 Neben die Verschwendung von Rohstoffen und Geldmitteln traten Lager- sowie Transport- und damit Sicherheitsprobleme, denn das Petroleum 156 "The system of sharing that grew out of the rule of capture was not only inequitable, but it was of such nature as to force one owner to be tied and governed by the conduct of another. As a result no one owner was free to pursue an efficient plan. If there was misconduct, all had to participate in this misconduct or at least suffer from it.", Kaveler, S. 335. Eine ausführliche Darstellung hinsichtlich der Verschwendung von Rohstoffen und Nachweise über die umfangreiche Judikatur finden sich in Am. Jur. 2d, Gas and Oil, § 157 (Waste). 157 Öllagerstätten sind nicht homogen; viele enthalten Zonen, in denen das Speichergestein weniger porös ist als in anderen. Wird das Öl zu schnell gefördert, können die weniger permeablen Zonen nicht mehr entleert werden, weil der Wasserstand im Reservoir steigt. Wertvolles Öl verbleibt so in der Erde, Gocht, S. 106; Utton/McHugh, Nat.Res.J. 1986, s. 723. 158 Die hohen Förderraten hatten zur Folge, daß der Druck in der Lagerstätte unter den Wert abfiel, bei dem Erdgas in Erdöl gelöst bleibt. So bildeten sich im Speichergestein große Mengen freien Gases, das, da beweglicher als Öl, schneller in die Förderbohrung gelangte, vgl. Das Buch vom Erdöl, S. 78. Die Folge war eine zunehmende Gasproduktion, bis das gewünschte Öl gefördert werden konnte. Dieses als lästige Nebenerscheinung betrachtete Gas wurde in großen Mengen verbrannt ("abgefackelt"). 159 Logigan, S. 7. Das Ausmaß der Verschwendung ist eindrucksvoll: Auf einem großen Ölfeld in Texas befanden sich 1965 ca. 17.200 Bohrtürme; nach Schätzungen von Experten hätten 1.500 Bohrungen ausgereicht, Williams et al., Oil and Gas, S. 197 m.w.N. 160 Hazlett, S. 526. 161 So fiel z.B. 1931 der Preis für ein Faß Rohöl von über 90 auf weniger als 10 cents, Ely, S. 1213, 1229.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
wurde vielfach in leicht brennbaren Holzbehältern an der Erdoberfläche gelagert. So kam es zum sogenannten waste above ground. 162 Nicht zuletzt stellt Raubbau immer auch ein unnötiges volkswirtschaftliches Kostenelement dar, denn um die soziale Wohlfahrt zu maximieren, ist die Nutzung des Bestandes an erschöpfbaren Ressourcen in einer Weise über die Zeit zu verteilen, die sich zunächst an den spezifischen ökonomischen Bedürfnissen des jeweiligen Landes orientiert. 163 Als Fazit des Gesagten läßt sich feststellen, daß die im dargestellten Sinne wettbewerbsmäßige Ausbeutung von Kohlenwasserstofflagerstätten der effizienten Nutzung dieser Ressourcen im höchsten Maße abträglich war. Für die Gesetzgeber und Behörden der us-amerikanischen Staaten stellte sich deshalb schon bald die Frage, unter welchen technischen und institutionellen Bedingungen der Gesamtnutzen im Rahmen einer Wettbewerbswirtschaft maximiert werden konnte. Dabei war zu berücksichtigen, daß dieses Ziel zwei Aspekte umfaßt, die den soeben genannten Nachteilen der rule of capture entsprechen, die aber unter Umständen miteinander in Konflikt treten: Zum einen erfordert das gesamtwirtschaftliche Interesse die Beendigung der außerordentlichen Verschwendung der Rohstoffe, zum anderen sollen die sogenannten ,,korrelierenden lnteressen"164 der an der gemeinsamen Lagerstätte Berechtigten geschützt werden. Zur Feststellung aber, welche Maßnahmen nötig sind, um Raubbau zu verhindern, muß die Lagerstätte als Ganzes betrachtet werden. Damit jeder Grundeigentümer den ihm zustehenden Anteil an den Rohstoffen, nämlich diejenige Menge, die ursprünglich in seinem Grund und Boden lagerte, erhält, muß dagegen die jeweilige Grundstücksgröße Berücksichtigung finden. Der Durchsetzung beider Teilaspekte des einheitlichen Zieles und dem Ausgleich der beiden untereinander dienten und dienen direkte und indirekte Conservation-Maßnahmen, normiert in den Oil and Gas Conservation Statutes der Einzelstaaten. Die Ausführung dieser Maßnahmen und ihre Überwachung obliegt den Regulatory Agencies, das sind unabhängige, mit Befugnissen rechtsetzender, verwaltender und/oder richterlicher Art ausgestattete Aufsichtsbehörden der Bundesstaaten. 165 162 Zu nennen ist hier insbesondere der Verlust durch Leckagen, Verdunstung und Großbrände, Hazlett, S. 524; Utton/McHugh, Nat.Res.J. 1986, S. 723. 163 Zur ökonomischen Theorie erschöpfbarer Ressourcen vgl. grundlegend Siebert. 164 Den Ausdruck der "correlative rights" prägte der US-Supreme Court in seiner bekannten Entscheidung Ohio Oil Company v. lndiana, 177 U.S. 190, 203, 20. Sup. Ct. 576, 581, 44 L. Ed. 729 (1900), in welcher er erstmals feststellte, daß die Einzelstaaten Gesetze zur Verhinderung von Vergeudung von Rohstoffen erlassen dürfen. 165 Allgemein zu den Funktionen und Kompetenzen dieser Behörden, die in den Einzelstaaten zum Teil unterschiedlich benannt sind, Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil,
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Zu den direkten Maßnahmen zählen die landesgesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf die räumliche Verteilung von Bohrlöchern in einem Gebiet bestimmten Ausmaßes ("well spacing-legislation"). 166 Unter der Herrschaft der rule of capture hatte, wie ausgeführt, die Parole "more wells, more oil" gegolten. Die dem Ziel hoher Förderraten dienenden geringen Bohrlochabstände reduzierten jedoch den Lagerstättendruck übermäßig und verhinderten so eine optimale Ausbeutung. Durch die weil spacing-Gesetzgebung wurden nun Förderbohrungen auf Feldern unter einer bestimmten, in den Einzelstaaten unterschiedlichen Größe167 verboten. Dadurch entstand aber das Problem, daß zum Beispiel in der Nähe von Städten die eigentlich als reine Baugrundstücke gedachten Flächen für eigene Fördereinrichtungen unter dem Blickwinkel einer optimalen Ressourcennutzung viel zu klein waren. Bohrungen auf diesen Parzellen zu untersagen, hätte jedoch zur Folge gehabt, daß durch die in regulären Abständen errichteten Bohrtürme die gesamte Lagerstätte entölt worden wäre und die Eigentümer der kleineren Grundstücke übergangen worden wären. Einzige Lösungsmöglichkeit stellte hier vielfach die Zulassung von Ausnahmen bezüglich der Bohrlochabstände dar, so daß ein Eigentümer schließlich doch unabhängig von der Größe seiner Parzelle jedenfalls dann eigene Bohreinrichtungen betreiben konnte, wenn diese Parzelle nicht willkürlich von einem größeren Grundstück getrennt worden 168 war. Eine zweite direkte Maßnahme besteht darin, auf der Grundlage sogenannter "proration Statutes" die Produktionshöchstmenge für jede Bohrung festzulegen. 169 Die Berechnung der erlaubten Menge richtet sich dabei nach dem Ziel, welchem die Einführung von proration in erster Linie dienen soll: Der Verhinderung von Raubbau oder der Gerechtigkeit unter den Grundeigentümern. Geschaffen wurden § 148 (Quasi judicial and administrative regulations).
166 Williams et al., Oil and Gas, S. 197 f. Der Begriff "weil spacing" umfaßt sowohl die Anzahl der zu bohrenden Sonden als auch den Abstand zwischen den anzusetzenden Bohrpunkten, Logigan, S. 11 und Anm. 1. 167 Whittier, S. 308. Als Beispiel sei hier Texas genannt: die 1919 in Rule 37 des texanischen Gesetzes festgelegte Größe betrug lediglich 2 acres, erhöhte sich dann aber ständig und beträgt heute zwischen 80 und 160 acres für Ölbohrungen und zwischen 160 und 320 acresfür die Förderung von Gas, Williams et al., Oil and Gas, S. 198. 168 Ely, S. 1230. Da die Bohrlochabstände von den Aufsichtsbehörden mit den Ölproduzenten in einer öffentlichen Anhörung festgelegt werden, ist insofern eine gewisse Flexibilität bei der Handhabung gewährleistet, Hyne, S. 236. Ein durch eine Ausnahmegenehmigung erreichter Vorteil kann zudem durch die Zuteilung einer geringeren Förderquote kompensiert werden, Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, § 161 (Proration of production). Dies führt jedoch in vielen Fällen dazu, daß das Betreiben eigener Fördereinrichtungen für die Berechtigten nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll ist. Die well spacin~ Vorschriften erzielen deshalb den erwünschten Erfolg regelmäßig nur in Verbindung mit dem sog. "pooling", Whittier, S. 308; Leary, S. 317. 169 Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, § 161 (Proration ofproduction); Leary, S. 315.
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die proration statutes unter dem Eindruck der Überproduktion, zu der es Anfang der dreißiger Jahre aufgrund der fortschreitenden Entwicklung im Bereich der Bohr- und Fördertechnik sowie infolge der Entdeckung ausgedehnter Erdölund Erdgasfelder im Osten von Texas und bei Oklahoma City gekommen war 170, und deren Folgeerscheinungen wie dem erheblichen Preisverfall und den Sicherheitsproblemen. Die zugebilligten Förderquoten orientierten sich deshalb zu dieser Zeit vor allem an der Nachfrage auf dem Rohölmarkt. 171 Als in den siebziger Jahren die Nachfrage und - bedingt durch die Politik der OPEC - auch die Preise stiegen, verlor market demand prorationing seine Bedeutung. Heute dient die Zuteilung von Förderquoten vielmehr hauptsächlich dem Ausgleich unter Grundstücksnachbarn vor allem bei Grundstücken unterschiedlicher Größe. Dazu wird ermittelt, wieviel Öl durch eine Bohrung ohne Schaden für das gesamte Feld gewonnen werden kann 172 und ob diese maximal zu gewinnende Mengeverglichen mit der durch die Bohrungen der anderen Beteiligten geförderten Menge - im richtigen Verhältnis zur Größe des Grundstücks steht, auf dem sie placiert wurde173• Im Hinblick auf den zuletzt genannten Aspekt tritt dabei das zusätzliche Problem auf, daß auf zwei Parzellen unterschiedlicher Größe zwar einerseits nicht im gleichen Umfang Kohlenwasserstoffe gefördert werden sollen, andererseits aber eine direkte Proportionalität von Fördermenge und Grundstücksgröße vielfach dazu führen würde, daß die Produktion für Eigentümer kleinerer Grundstücke wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll wäre. Die Bestimmung von Bohrlochabständen sowie die Zuteilung von Förderraten führten, insbesondere wenn sie miteinander kombiniert wurden, zu einer deutlichen Erhöhung des Entölungsgrades einer Lagerstätte und stellten deshalb wichtige Schritte in Richtung auf eine bessere Ressourcennutzung dar. Die Nachteile dieser direkten Regelungsmechanismen174 waren und sind jedoch nicht zu übersehen. Allgemein läßt sich feststellen: Solange der Gewinn eines Grundeigentümers aus der Rohstoffausbeutung von der tatsächlich auf seinem Grund und Boden durch ihn oder seinen Konzessionär geförderten Menge abhängt, ist es nicht möglich eine Formel zu entwickeln, die garantiert, daß sowohl der Gewinn des Eigentümers seinem Anteil an den Rohstoffen sowie dem von ihm getragenen Risiko und getätigten Investitionen entspricht als auch Verschwendung vollständig eliminiert wird. Denn die Frage, wo eine Bohrung niedergebracht
° Kaveler, S. 336.
17
Utton!McHugh, Nat.Res.J. 1986, S, 723; Whittier, S. 315. Man spricht hier von der Maximum Efficient Rate, MER, vgl. Williams et al., Oil and Gas, S. 110 ff. 171
172
173 Vgl. z.B. die Entscheidung des Kansas Supreme Court Aylward Production Corp. v. State Corp. Comm'n, 162 Kan. 428, 434, 176 P. 2d 861,866 (1947). 174 Weitere, weniger bedeutsame direkte Maßnahmen werden bei Williams et al., Oil and Gas, S. 202, dargestellt.
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werden soll, wird nach wie vor durch die Grundstücksgrenzen bestimmt und nicht durch die konkreten Lagerstättenverhältnisse. Gerade für die primären Gewinnungsmethoden 175, bei denen die Kraft, die nötig ist, damit das Öl frei aus der Bohrung eruptiert, aus einem in der Lagerstätte selbst vorhandenen Energieträger - Randwasser oder Gas - stammt, ist jedoch die Placierung der Bohrungen von entscheidender Bedeutung. 176 Auch die komplexen Sekundär- uQd Tertiärverfahren177 werden weitgehend behindert, da sie naturgemäß auf die Lagerstätte als Ganze bezogen sind. Hinzu kommt außerdem, daß es den staatlichen Organen in der Regel nicht möglich ist, die zur Ausarbeitung eines optimalen Ausbeutungsplan notwendigen Informationen über eine Lagerstätte zu erlangen. Eine dritte- indirekte- Maßnahme, welche die genannten Nachteile vermeidet, stellt der Erlaß von Bestimmungen zum sogenannten "pooling" oder "unitization".178 dar. Diese Bestimmungen sehen vor, daß energiemäßig einheitliche, Eigentumsgrenzen überschreitende Lagerstätten auch als Einheit und entsprechend einem von mehreren Grundeigentümern und/oder ihren Pächtern 179 ge175 Bei dem Primärverfahren beträgt der Entölungsgrad - abhängig von der Art der Lagerstätte, den Gesteinseigenschaften, der Beschaffenheit des Erdöls und den Druckverhältnissen- durchschnittlich nur etwa 20 %; nur in Ausnahmefällen können bis zu 75 % des in der Lagerstätte ursprünglich vorhandenen Öls durch die Ausnutzung des als Fördennechnismus dienenden natürlichen Lagerstättendrucks gewonnen werden, vgl. Das Buch vom Erdöl, S. 80 ff.; Reuther, S. 81. 176 Utton/McHugh, Nat.Res.J. 1986, S. 724; Hyne, S. 214; Ely, S. 1238; Erdöllagerstätten haben vielfach die Form eines länglichen, domartigen Gewölbes. Im Scheitel dieses Gewölbes befindet sich regelmäßig Gas, darunter liegen Öl und Salzwasser. Es gehört zu den Vorarbeiten, die eine effiziente Ressourcennutzung ermöglichen, zu ermitteln, wo die Gas-Öl- bzw. Öl-Wasser-Grenze liegt und ob sich bei der Förderung der "Ölspiegel" senkt und das Gasvolumen sich vergrößert oder ob er sich hebt und Wasser nachsteilgt. Dementsprechend müssen dann die Produktionsbohrungen angesetzt werden, Mineralölstory, S. 23. 177 Von Sekundärverfahren spricht man, wenn die Lagerstättenenergie (der Lagerstättendruck) sich so vermindert hat, daß das Öl durch Einpressen großer WassennengenGas spielt hier eine geringere Rolle- zur Fördersonde gedrängt werden muß, sog. Wasserfluten; bei Anwendung dieser technisch und wirtschaftlich bewährten Methode lassen sich etwa weitere 10 % Öl gewinnen. Bei den technisch und finanziell sehr aufwendigen terziären Förderverfahren werden dem Flutwasser bestimmte Chemikalien (Tenside) zugesetzt oder der Lagerstätte wird thermische Energie (z.B. Dampf) zugeführt, um das Öl aus den feinen Rissen und Poren der Gesteinsschichten zu lösen; mit Hilfe terziärer Methoden lassen sich bis zu 70 % des in der Lagerstätte befindlich Öls födem. Vgl zu allem Das Buch vom Erdöl, S. 83 ff.; Reuther, S. 81 ff.; Müller, Jagd nach Energie, s. 78 ff. Gaslagerstätten werden stets mit Hilfe ihrer eigenen Energie ausgebeutet, Meinhold/P1ätz, S. 137; Mineralölstory, S. 24. 178 Allgemein zu diesen Begriffen vgl. Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, § 164 (Generell); Williams et al., Oil and Gas, S. 847. 179 Pachtverträge (leases) zwischen einem Grundeigentümer und einem Pächter, insbe-
S Flormiiiii·Pfaff
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meinsam erstellten Förderplan auszubeuten und die Erträge zu teilen sind. Pooling und unitization sollen in erster Linie auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, können heute aber in vielen Staaten auch zwangsweise durchgesetzt werden.
Pooling bezieht sich lediglich auf ein well spacing unit, also auf eine Fläche des Ausmaßes, auf der jeweils eine Bohrung niedergebracht werden darf. Eigentümer kleinerer Grundstücksparzellen, die keine Ausnahmegenehmigung von den well spacing-Vorschriften erhalten können oder für die die Errichtung einer eigenen Bohreinrichtung aufgrund der Zuteilung einer zu geringen Förderquote wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, kommen so zu einem gerechten Anteil an den gewonnenen Ressourcen 180, ohne daß dies allerdings bereits notwendig zu einer optimalen Nutzung der Lagerstätte als Ganzer führt. Können die Eigentümer sich über die Zusammenlegung ihrer Parzellen zu einem drilling unit nicht einigen, kann die Behörde eine Kooperation vielfach gegen den Willen eines opponierenden Betroffenen durchsetzen ("compulsory" oder "statuory pooling"). Die ersten zwingenden pooling-Gesetze wurden 1935 in New Mexico und Oklahoma sowie 1936 in Louisiana verabschiedet; 36 erdölproduzierende Staaten waren diesem Beispiel bis 1987 gefolgt. 181 Unitization umfaßt dagegen die gesamte oder nahezu die gesamte Lagerstätte. Es kann auf zwei Arten verwirklicht werden: durch die Vergabe eines Pachtvertrages durch alle Grundeigentümer gemeinsam an nur einen Konzessionär bei Aufteilung der Konzessionsgebühren entsprechend dem jeweiligen Anteil an Grund und Boden ("Community Lease"/ 82 oder durch den Abschluß eines Vertrages zwischen den Grundeigentümern bzw. ihren Pächtern zwecks gemeinsamer Ausbeutung der Lagerstätte ("Unitization Agreement"). Im Rahmen eines solchen Agreements wird ein Management Committee mit bestimmten Machtbefugnissen errichtet, das alle Eigentümer repräsentiert und die Förderaktivitäten für diese leitet und überwacht. Es wird ein Unit Operator ernannt, der unter der Aufsicht des Komitees die Rohstoffe fördert. Die Kosten und die erzielten Gewinne werden nach einer bestimmten Formel auf die einzelnen Grundeigentümer verteilt.I83 sondere einem Mineralölunternehmen, gewähren dem Pächter in der Regel das Recht, sich an pooling und/oder unitization zu beteiligen. Der Pächter muß dabei auf die Interessen des Grundeigentümers Rücksicht nehmen, Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, § 166 (Lease provisions); Handlan/Sykes, S. 313, 319 f.; Whittier, S. 307. 180 Whittier, S. 308. 181 Williams et al., Oil and Gas, S. 848; Ely, S. 1235. Die kanadischen Provinzen Alberta, British Columbia, Manitoba, Ontario und Saskatchewan haben ähnliche Gesetze erlassen, Williams et al., aaO; Kelly, S., 81. 182 Handlan/Sykes, S. 311; Williams et al., Oil and Gas, S. 817. 183 Für die weiteren Bestimmungen eines unitization agreement vgl. Blinn et al., S. 213 ff.; Kelly, S. 85 ff.; Taylor/Winsor, S. 65 ff.
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Die V orteile von unitization faßte die American Bar Association wie folgt zusammen: "It is only through unit operation that the logical and complete application of present technical knowledge of oil and gas conservation can be accomplished. lt is only through unit operation of a common source of supply that individual property rights can be fully protected. lt is only through unit Operation that the max.imum recovery can be achieved and the max.imum rate of daily production maintained." 184
Neben diese Vorteile, die dadurch erreicht werden, daß der Standort der Gewinnungseinrichtungen über Tage nicht mehr von den Eigentumsverhältnissen an Grund und Boden bestimmt wird, tritt als weiterer positiver Effekt der, daß die Kosten deutlich gesenkt und die Kapitalinvestitionen erheblich verringert werden können, somit also auch der Verschwendung finanzieller Mittel ein Ende gesetzt wird. 185 Dennoch scheiterte der Versuch freiwilliger Zusammenschlüsse der Grundeigentümer oftmals und aus den verschiedensten Gründen. Zu nennen sind hier die Angst der Eigentümer vor Konflikten mit den Kartell- und/oder Steuergesetzen des Bundes und der Länder, insbesondere aber auch schlichter Egoismus in Verbindung mit Unwissenheit um die Vorteile von unitization. 186 Viele Einzelstaaten verabschiedeten deshalb Gesetze, die eine Zusammenarbeit im Wege von unitization obligatorisch machen, sogenannte "statuory" oder "compulsory unitization legislation". 187 Zwingende unitization-Vorschriften sind etwas weniger weit verbreitet als die entsprechenden pooling-Regelungen. 1945 wurde Oklahoma der erste grössere erdölfördernde Staat, der ein umfassendes Gesetz erließ; Arkansas folgte 1951. Diese beiden Gesetze sowie ein Modellgesetz, welches die lnterstate Oil Compact Commission 188 empfohlen hat, dienten den anderen Staaten Zitiert bei Utton, VJIL 1968, S. 76. Blinn et al., S. 212; Whittier, S. 311 f. 186 Leary, S. 319 f.; Whittier, S. 307; Handlan/Sykes, S. 333 f.; Utton/McHugh, Nat.R.J., S. 724 und Anm. 46. Bereits 1949 stellte Kaveler, S. 333, demgegenüber fest: "In approaching the problern of unit operation along that line of thought, there is no preachment for monopoly, no call for the elemination of the system of free enterprise, no advancement of an un-American doctrine. Unit operation of an oil pool is consistent with the American system of free enterprise, with the American system of law, and with the American concept of the rights of individuals. It is not un-American to produce twice to three times as much minerat wealth as might otherwise be obtained. It is not un-American to optain the maximum recovery from an oil and gas pool. lt is not un-American to conserve a vital national resource." 187 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken hiergegen vgl. Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, § 172 (Validity of legislation conceming pooling and unitization) und die Nachweise bei Handlan/Sykes, S. 316 Anm. 27. 188 Diese Kommission wurde durch Art. 6 des ,,Interstate Compact to Conserve Oil and Gas" eingerichtet, durch einen Vertrag also, den 1935 zunächst Oklahoma, Texas, New Mexico, Illinois, Colorado und Kansas zum Zwecke der pfleglichen Behandlung 184 185
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weitgehend als Vorbild, dem bis 1984 32 Staaten gefolgt waren. 189 Im Falle von compulsory unitization wird die Aufsichtsbehörde ennächtigt, die gemeinsame Ausbeutung einer Lagerstätte oder eines Teils von ihr zu verlangen, auch wenn eine Minderheit hiergegen Einspruch erhebt. Die Gesetze fordern, daß eine qualifizierte Mehrheit- in der Regel 75 % der bergbauberechtigten Eigentümer bzw. Pächter- eine gemeinsame Nutzung erreichen will und einen entsprechenden Antrag bei der Behörde stellt. 190 Dieser Mehrheit obliegt es, ein Unitization Agreement abzuschließen und in dessen Rahmen einen Förderplan zu entwerfen, welcher der Regulatory Agency zur Annahme vorzulegen ist. Diese führt sodann Anhörungen durch, in denen sich alle Betroffenen äußern können. Sind die gesetzlichen Anforderungen an den Förderplan erfüllt, so kann die Behörde alle Eigentümer, das heißt auch solche, die mit einer gemeinsamen Ausbeutung der Lagerstätte nicht einverstanden sind, verpflichten, sich an dem . 191 PIan zu betet.1tgen. Nach allem kann die rule of capture also als im us-amerikanischen Recht weitestgehend überwunden bezeichnet werden. Eine Analogiebildung zu den Privatrechtsordnungen einzelner Staaten ist insoweit also nicht mehr möglich. Ennöglicht wurden die dargestellten Entwicklungen des Bergrechts durch die Fortentwicklung der Geowissenschaften. Soweit sich die Befürworter der rule of capture auf die mangelnden geologischen und physikalischen Erkenntnisse im Hinblick auf das Ausmaß von Lagerstätten und die stoffliche Zusammensetder Erdöl- und Erdgasreserven mit Zustimmung des Bundeskongresses geschlossen hatten und dessen Geltung seitdem unter Beitritt weiterer Staaten ständig verlängert wurde, Am. Jur. 2d, Vol. 38, Gas and Oil, § 158 (lnterstate compact to conserve oil and gas); Herr, ZfB Bd. 96, S. 401f. 189 Eine Auflistung der einzelnen Statuten und ihrer Fundstellen findet sich bei Utton/McHugh, Nat.Res.J. 1986, S. 725. Eine Ausnahme bildet der Staat Texas, was angesichts des erheblichen Anteils, den Texas an der Gesamtförderung einnimmt, zunächst verwundert. Den Grund hierfür bildet die Sorge vor allem der vielen unabhängigen, durch die Gesetzgebung geschützten Erdölproduzenten vor der Bildung von Monopolstellungen, das heißt, dem Erreichen einer marktbeherrschenden Stellung oder jedenfalls einer Ausdehnung der Marktanteile der großen Mineralöluntemehmen. Allerdings führte die Politik der Railroad Commission, die in Texas für die Überwachung der Kohlenwasserstofförderung zuständig ist, zu einem "hidden law of unitization". Die Kommission drosselte die Produktion derart, daß die freiwillige Zusammenarbeit als einziger Ausweg für die Produzenten blieb. Trotz der Geltung der common law-Regeln, die wie oben dargestellt die rule of capture unterstützen, erhielt die Railroad Commission dabei Unterstützung durch die Gerichte. Im Ergebnis hat Texas so eine höhere unitization-Rate erreicht als zum Beispiel Oklahoma, wenn auch das Fehlen eines Gesetzes sich insgesamt negativ auswirkt; vgl. zu allem Eubanks, S. 237 ff.
190
Staatlicherseits "gezwungen" wird also nur eine dissenring minority, Whittier,
191
Zu den weiteren Einzelheiten vgl. Leary, S. 320 f.
s. 309,311.
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zung ihres Inhalts berufen, sind diese Argumente überholt. Vor allem moderne Messmethoden gestatten es, Ort, Qualität und Umfang von Lagerstätten kostengünstig, relativ einfach, vor allem aber viel genauer zu bestimmen, als dies früher möglich war. 192 (4) Staatenpraxis (a) Lagerstätten-Klauseln in völkerrechtlichen Grenzverträgen Die katastrophalen Auswirkungen der rule of capture blieben auf der internationalen Ebene nicht unbeachtet, da eine vergleichbare tatsächliche wie rechtliche Entwicklung aufgrund der parallelen Interessenlage der souveränen Staaten und der Grundeigentümer in den USA zu befürchten stand. Zur Vermeidung einer kompetitiven, ineffektiven Ausbeutung von Lagerstätten und der ungerechten Aufteilung der in ihnen befindlichen Rohstoffe enthalten Grenzabkommen deshalb sogenannte Lagerstätten-Klauseln (,,mineral deposit clauses" oder ,,resource deposit clauses" 193). Die erste dieser Klauseln wurde 1965 in den Festlandsockelgrenzvertrag zwischen Großbritannien und Norwegen inkorporiert. Art. 4 dieses Vertrages lautet wörtlich: "lf any single geological petroleuro structure or petroleuro field, or any single geological structure or field of any other mineral deposit, including sand or gravel, extends across the dividing line and the part of such structure or field which is situated on one side of the dividing line is exploitable, wholly or in part, from the other side of the dividing line, the Contracting Parties shall, in consultation with the licensees, if any, seek to reach agreement as to the manner in which the structure or field shall be most effectively exploited and the manner in which the proceeds deriving therefrom shall . 194 be apportioned." 192 Erdölsuche beginnt heute mit der Luftbildphotographie und der Untersuchung von Gesteinsproben. Nachdem so ein vollständiges Bild der an der Oberfläche anstehenden Gesteine geschaffen wurde, folgen, sofern diese auf geeignete Strukturen schließen lassen, die Erkundung der unterirdischen Gesteinsschichten durch geophysikalische Hilfsmittel, Aufschlußbohrungen und die Untersuchung von Spülproben durch Bohrungsgeologen. Elektrische und radioaktive Messungen mit Hilfe von Methoden, die erst in jüngster Zeit von der Wissenschaft erarbeitet wurden, sowie Erweiterungsbohrungen tragen weiterhin dazu bei, daß die Eigentümlichkeiten der Lagerstätte weitgehend aufgeklärt und ein detailiertes Bild von der Ausdehnung und den Eigenschaften des Ölträgers im Untergrund entsteht. So ergeben bestimmte Bohrlochmessungen insbesondere auch Hinweise über den Flüssigkeitsgehalt des Speichergesteins; in Verbindung mit Porositäts-und Permeabilitätsmessungen kann sodann der Lagerstätteninhalt berechnet werden. Vgl. zu allem Das Buch vom Erdöl, S. 26 ff.; Gocht, S. 11. 193 Diese Begriffe gehen, soweit erkennbar, auf den Beitrag von Lagoni, AJIL 1979, S. 229, zurück und sind seitdem in der Literatur etabliert. 194 Agreement Relating to the Deiimitation of the Continental Shelf Between the Two Countries, 10. März 1965, UNTS 551, S. 214.
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Für den Fall, daß abbauwürdige, grenzüberschreitende Vorkommen entdeckt werden und die Gewinnung der Bodenschätze der einen Seite ganz oder teilweise (auch) von der anderen aus möglich ist, sollen die Parteien sich also um den Abschluß eines Abkommens bemühen, das zum einen die wirtschaftlich sinnvolle Art und Weise der Ressourcengewinnung bestimmt und zum anderen garantiert, daß beide Nachbarn an den Erlösen partizipieren. 195 Damit fügen die LagerstättenKlauseln sich ein in den größeren Rahmen, der gesetzt wird durch die geschilderte Entwicklung des Völkerrechts und die in ihrem Verlauf entstandenen Prinzipien, mit denen die rule of capture, wie ausgeführt, nicht in Einklang zu bringen ist. Die Staatenpraxis, die sich an die zitierte Klausel angeschlossenen hat, ist in ihrer Uniformität einzigartig. Die Durchsicht von 94 Grenzverträgen 196, die in den Jahren 1966 bis 1991 geschlossenen wurden und aus allen Regionen der Welt stammen, hat gezeigt, daß für den Fall der Entdeckung grenzüberschreitender, von einer Seite aus abbaubarer Vorkommen 48 Vereinbarungen entsprechende Verpflichtungen vorsehen, die zumeist - abgesehen von der eigentlichen Grenzregelung-denKern der Verträge darstellen. 197 Hinzu kommen 10 Grenzabkommen, größtenteils zwischen Anrainern des karibischen Meeres, die in allgemeiner Form, das heißt, ohne die Möglichkeit grenzüberschreitender Lagerstätten explizit anzusprechen, eine Kooperation bezogen auf die (lebenden und) nichtlebenden Ressourcen ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszonen bzw. ihres Festlandsockels vorsehen.198 Schließlich ist im vorliegenden Zusammenhang noch ein Abkommen zwischen dem Iran und Saudi Arabien relevant, das Förderarbeilen in Grenznähe verbietet, allerdings ohne zugleich eine Kooperationsverpflichtung zu statuieren. 199 Ausführlich zu den Lagerstätten-Klauseln im 3. Teil, 2.Kap. AI 1. Es gibt eine Reihe Vertragssammlungen, die speziell seerechtliche Abgrenzungsvereinbarungen zusammenstellen: Charney/Alexander, International Maritime Boundaries (1993); UNLS ST/LEG/SER.B/15 (1970), 16 (1974), 18 (1976) und 19 (1980); United Nations, The Law of the Sea, Maritime Boundaries, Agreements (1970- 1984); Rüster, Verträge (1975); Churchill et al., New Directions in the Law of the Sea, Bd IV (1975) und Bd V (1977), Nordquist et al., New Directions in the Law of the Sea, Bd VIII (1980), Simmonds, New Directions in the Law of the Sea, Looseblattsammlung (Stand: Jan. 1993); Conforti et al., Bd 1 (1979), Bd 2 (1987). Für den aktuellen Stand vgl. auch das United Nations Law of the Sea Bulletin und die International Legal Materials. 197 Vgl. Anhang C. 198 Vgl. Anhang D. Colson, S. 54, bezeichnet diese Abkommen allerdings als "largely political window dressing"; durch sie würde keine neue rechtliche Beziehung zwischen den Parteien definiert. Dennoch sind diese Verträge im vorliegenden Zusammenhang relevant, da sie- wenn auch in sehr allgemeiner Form- den Weg hin zu einer Zusammenarbeit weisen. 199 ,,Agreement Concerning Sovereignty over Al-Arabiyah and Farsi Islands and Delimitation of Boundary Line Seperating Submarine Areas Between the Kingdom of Saudi Arabia and Iran", 24. Okt. 1968; ILM 8 (1969), S. 493. 195
196
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Die genannten Vereinbarungen betreffen allesamt - ausschließlich oder in Verbindung mit anderen maritimen Zonen - die Abgrenzung von Festlandsockelanteilen. Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, daß die nachstehenden Feststellungen im Hinblick auf staatliche Übung und opinio juris nur bezogen auf Seegebiete, nicht aber für den Kontinentalbereich gelten. Denn sachlich begründete Umstände sind für diese Einschränkung maßgeblich: Zum einen wurde die räumliche Abgrenzung staatlicher Souveränitätsbereiche auf dem Festland zum größten Teil schon zu einer Zeit vorgenommen, als die Förderung von Kohlenwasserstoffen und anderen flüssigen bzw. gasförmigen Ressourcen noch nicht auf der völkerrechtlichen Agenda stand?00 Heute bestätigen oder aber korrigieren Grenzabkommen vor allem bereits bestehende Territorialgrenzen.201 Demgegenüber hat sich das Festlandsockelregime überhaupt erst nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges etabliert, so daß eine Abgrenzung nationaler Anteile naturgemäß erst in den letzten Jahren erfolgen konnte. Zum anderen ist der Festlandsockel, wie bereits ausgeführt, aufgrund der Zusammensetzung des Sedimentgesteins besonders rohstoffreich. Obwohl Schelfgebiete nur etwa 5% der Erdoberfläche ausmachen, werden dort bis zu 40% aller abbauwürdigen Erdölvorkommen der Welt vermutet.202 Zu Recht sehen die Staaten deshalb gerade hier einen erhöhten Regelungsbedarf bezogen auf grenzüberschreitende Lagerstätten. Wendet man sich nun den einzelnen mineral deposit-Klauseln zu, so fällt zunächst auf, daß in der weitaus größten Zahl die gegenüber der Festschreibung einer Verhandlungspflicht logisch vorrangige und im Rahmen dieses Kapitels besonders interessierende Frage, ob und inwieweit einseitge ressourcenbezogene Arbeiten im Fall eines von beiden Seiten ausheutbaren Reservoirs zulässig sind, - bis auf wenige Ausnahmen - gar nicht angesprochen wird. Beispiele für solche Ausnahmen stellen die jeweiligen, fast wortgleichen Art. 2 mehrerer Abkommen dar, die der Iran mit seinen Nachbarn geschlossen hat. 203 200 Das einzig relevante flüssige Medium, dessen Nutzung schon früh einer Koordinierung durch Nachbarstaaten bedurfte, war das Wasser. In diesem Bereich haben sich dann sehr zügig die oben dargestellten Prinzipien der eingeschränkten territorialen Souveränität und Integrität und der fairen Nutzungsaufteilung durchgesetzt. 201 Aus der neuerenGeschichte vgl. z.B. das "Agreement Regarding the Permanent Boundary Between Egypt and Israel and Tourism in the South Sinai", 26. Feb. 1989, ILM 28 (1989), S. 611. Das Abkommen wurde auf der Grundlage der Entscheidung eines Schiedsgerichts vom 29. Sept. 1988 geschlossen, das die lange Geschichte des Konfliktes schildert, ILM 27 (1988), S. 1421. Typisch erscheinen auch die Verträge der Bundesrepublik einmal mit Luxemburg über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze, 19. Dez. 1984, BGBI. 1988 II, S. 414- hier wird auf die Wiener Schlußakte von 1815 verwiesen - und zum anderen mit Belgien über die Berichtigung der deutsch-belgiseben Grenze im Bereich bestimmter regulierter Grenzgewässer, 26. März 1982, BGBl. 1988 II, S. 445; siehe auch Jennings, S. 397. 202 Hafner, S. 27; Ipsen, S. 713, spricht zurückhaltender von ca. 20%.
1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
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So lautet die Regelung im Abkommen Iran!Qatar: ,,If any single geological petroleuro structure or petroleuro field, or any single geological structure or field of any other mineral deposit, extends across the Boundary line set out in Article (1) of this Agreement and the part of such structure or field which is situated on one side of that Boundary line could be exploited wholly or in part by directional drilling from the other side of the Boundary line, then: (a) No weil shall be drilled on either side of the Boundary line as setout in Article (1) so that any producing section thereof is less than 125 metres from the said Boundary line, except by mutual agreement between the two Govemments" 204
(b) ...
Durch den Subparagraphen (a) wird ein der rule of capture entsprechendes Vorgehen der Vertragsparteien ausdrücklich ausgeschlossen, jedenfalls soweit es um das Niederbringen grenznaher Bohrungen geht, denen in der Regel unvermeidbar Erdöl und Erdgas aus dem benachbarten Gebiet zufließen. Eben diesem Ziel dient auch der jeweilige Art. 2 Abs. 2 der Grenzabkommen der Bundesrepublik mit den Niederlanden bzw. mit Dänemark: "(2) Sind die Vertragsparteien sich darüber einig oder hat das Schiedsgericht festgestellt, daß sich das Vorkommen auf den Festlandsockel beider Vertragsparteien erstreckt, so werden die Regierungen der Vertragsparteien zum Zwecke der Ausbeutung eine Regelung treffen, die unter Beiilcksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien dem Grundsatz Rechnung trägt, daß jede Vertragspartei Anspruch auf die in oder auf ihrem Festlandsockelliegenden Bodenschätze hat. Falls bereits Bodenschätze aus der grenzüberschreitenden Lagerstätte gewonnen worden sind, soll die Regelung auch Bestimmungen über einen angemessenen Ausgleich enthalten."205
Indem die überwiegende Mehrzahl der vertragsschließenden Parteien dagegen sogleich eine Verhandlungspflicht statuiert, ohne ein Wort über die generelle Zulässigkeil einseitiger ressourcenbezogener Maßnahmen zu verlieren, über203 Iran/Qatar, Vertrag vom 20. Sep. 1969; Iran/Vereinigte Arabische Emirate, Vertrag vom 13. Aug. 1974; lran/Oman, Vertrag vom 25. Juli 1974; Iran/Bahrain, Vertrag vom 17. Juni 1971; alle Verträge abgedruckt bei Chamey/Aiexander. 204 Nach Art. 4 des Abkommens zwischen Iran und Saudi Arabien soll die Pufferzone sogar 500 m betragen. Das neue Grenzabkommen zwischen Venezuela und Trinidad/Tobago, das den Vertrag von 1942 betreffend den Golf von Paria ablöst, sieht in seinem Art. III keine Unterlassungs-, wohl aber eine Informationspflicht für Bohrarbeiten vor, die in einer geringeren Entfernung als 500 m von der Grenze stattfinden, Chamey/Alexander, s. 685. 205 Verträge vom 28. Jan. 1971 über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee, BGBI. 1972 II, S. 881, 882, 889. Vergleichbar formulieren z.B. auch Art. 4 des Abkommens zwischen Frankreich und Spanien vom 29. Jan. 1974, Art. 2 des spanischitalienischen Vertrages vom 19. Feb. 1974 und der Vertrags zwischen Argentinien und Uruguay vom 19. Nov. 1973 (eine identische Regelung enthält Art. 71 des gleichen Abkommens im Hinblick auf die seewärtige Grenze überschreitende Lagerstätten); Verträge abgedruckt bei Chamey/Alexander.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
73
springt sie quasi den ersten Schritt. Hieraus kann nun aber nicht gefolgert werden, dieser erste Schritt werde nicht, auch nicht gedanklich, vollzogen. Näher liegt vielmehr die Annahme, die Vertragsstaaten seien angesichts des Dogmas der uneingeschränkten Souveränität der Staaten über ihre natürlichen Reichtümer und in Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen in den USA wie selbstverständlich von einem Verbot der einseitigen Aneignung der im angrenzenden Staatsgebiet bzw. Festlandsockellagemden flüssigen oder gasförmigen Bodenschätze ausgegangen. Denn die Anerkennung der rufe of capture und die Vereinbarung einer Verhandlungspflicht mit dem Ziel einer effektiven und gerechten Nutzung der Ressourcen schließen einander aus. Insofern widerlegt jeder einzelne Vertrag, der eine zwischenstaatliche Kooperation vorsieht, die Geltung der genannten Regel. Eben dies folgt auch aus der Denkschrift zum Gesetzentwurf zu den drei Festlandsockelgrenzabkommen der Bundesrepublik mit Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden aus dem Jahre 1971. Dort heißt es, die Ausarbeitung von Regeln zur gemeinsamen Ausbeutung grenzüberschreitender Lagerstätten solle sicherstellen, "daß nicht durch einseitige Ausbeutung solcher Vorkommen die Interessen der anderen Vertragspartei oder der auf der anderen Seite der Grenze konzessionierten Unternehmen beeinträchtigt werden. " 206 Ein möglicher Einwand mag an dieser Stelle lauten, dies überzeuge zunächst nur im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander. Über die Rechtslage, die besteht, wenn Nachbarstaaten nicht durch eine Lagerstättenklausel in ihrem Grenzabkommen gebunden sind, sei damit noch nichts gesagt. Angesprochen würde dieserartdie bekannte dogmatische Streitfrage, ob die häufige Verwendung inhaltlich identischer Vertragsklauseln als "Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. l(b) IGH-Statut angesehen werden oder zumindest für den Nachweis der "Rechtsüberzeugung" herangezogen werden, also als konstitutives Element für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht fungieren kann. Einer Stellungnahme zu dieser Kontroverse soll nicht ausgewichen werden. Systematisch korrekter erscheint jedoch ihre Einbettung in die im dritten Teil dieser Untersuchung erfolgende Diskussion, ob Nachbarstaaten heute angesichts der Häufigkeit und der Uniformität der minerat deposit-Klauseln (auch) nach Maßgabe des Völkergewohnheitsrechts zu Verhandlungen verpflichtet sind. 2m Denn die Festschreibung eines Kooperationsgebotes - "Kooperation" hier verstanden als Oberbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Ausgestaltungen des staatlichen "Miteinanders" stellt gegenüber einem bloßen Verbot der Gewinnung von Rohstoffen aus einem angrenzenden Hoheitsgebiet oder Festlandsockel das wirkliche Novum dar.
206
BR-Drucks. 62/72, S. 29.
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Ausführlich dazu unten im 3. Teil, 2. Kap. A I 1.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Nach allem ist festzuhalten, daß die Inkorporierung von mineral depositKlauseln in völkerrechtliche Grenzverträge auf die übereinstimmende Rechtsauffassung der Staaten schließen läßt, daß ein entsprechendes Verbot - und zwar auch in bezug auf Bodenschätze flüssiger oder gasförmiger Konsistenz - besteht. Es spricht damit ein starkes Indiz gegen die Anwendbarkeit der rule of capture. Dieses Indiz erhält entscheidendes Gewichtangesichts des Umstandes, daß die Geltung dieser Regel als Ausnahmetatbestand, der den Grundsatz der permanenten Souveränität der Staaten über ihre Rohstoffe relativiert und dem die Prinzipien der territorialen Souveränität und Integrität, der gemeinsamen Naturgüter mehrerer Staaten und der Billigkeit widersprechen, eines positiven Nachweises bedürfte, nicht dagegen - umgekehrt - ihre Nichtgeltung?08 (b) Art. 142 Abs. 2 SRÜ Einziges multilaterales Vertragswerk, welches Aufschluß über die Geltung der rule ofcapture im Völkerrecht geben könnte, ist das SRÜ. Das Übereinkommen enthält jedoch keine Vorschrift im Hinblick auf die Zulässigkeit der einseitigen Aneignung von Rohstoffen aus solchen Reservoirs, welche die Grenze zwischen zwei nationalen Festlandsockelanteilen überlagern. 209 Es begnügt sich vielmehr, in Übereinstimmung mit dem geltenden Völkergewohnheitsrecht, mit der Feststellung, daß der Küstenstaat über den Festlandsockel hoheitliche Rechte zum Zwecke der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen ausübt und daß diese Rechte exklusiv in dem Sinne sind, als niemand ohne ausdrückliche Zustimmung des Küstenstaates Bodenschätze gewinnen darf (Art. 77 Abs. 1 und 2 SRÜ). In Verbindung mit dem bekannten Umstand, daß es sich bei den wirtschaftlich relevanten Bodenschätzen der Schelfgebiete vor allem um Kohlenwasserstoff208 Auch ein weiteres naheliegendes Problem wird aus systematischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden. Kurz gefaßt handelt es sich darum, daß, vorausgesetzt ein Kooperationsgebot, insbesondere eine nach Treu und Glauben zu erfüllende Verhandlungspflicht, ließe sich aufgrund der Vielzahl der Lagerstätten-Klauseln (auch) außervertraglich nachweisen, dies möglicherweise Rückschlüsse auf die Zulässigkeit einseitiger Operationen -jedenfalls für den Zeitraum, in dem solche Verhandlungen stattfinden- zuließe. Konkreter: Sollte es gewohnheitsrechtlich geboten sein, daß Nachbarstaaten im Hinblick auf eine bestmögliche und gerechte Nutzung der gesamten Lagerstätte verhandeln, könnte dies zugleich ein umfassendes Verbot der Gewinnung von Rohstoffen während der Verhandlungsphase bedeuten- ein Verbot, das weit hinausgehen würde über die bloße Unzulässigkeil der Aneignung von Bodenschätzen aus dem angrenzenden Gebiet. Zu den hier angesprochenen Fragen vgl. unten den 3. Teil, 2. Kap. B. 209 Dagegen wird das Problem, daß derselbe Bestand oder Bestände miteinander verge.sellschafteter Arten lebender Ressourcen innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone von zwei oder mehr Küstenstaaten vorkommen, in Art. 63 SRÜ angesprochen, vgl. auch unten den 3. Teil, 2. Kap. I 2 a. Ebenso wäre es denkbar gewesen, zwischenstaatliche Verhandlungen für den Fall grenzüberschreitender Lagerstätten, jedenfalls wenn sie flüssige Stoffe oder Gase enthalten, obligatorisch zu machen.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
75
vorkommen- also um flüssige und gasförmige Verbindungen- handelt, spricht schon insofern alles dafür, daß die rule of capture nach der Überzeugung der Staatenvertreter in den Beziehungen der Staaten keine Anwendung findet, denn anderenfalls wäre die Aufnahme dieser Regel als Ausnahmetatbestand von den geschilderten Grundsätzen notwendig gewesen. Dieser Eindruck wird bestätigt durch die Vorschrift des Art. 142 Abs. 2, S. 2 SRÜ. Dazu ist anzumerken: In seinem Teil XI regelt dasSRÜden rechtlichen Status des Gebiets 210 und seiner Ressourcen sowie die Grundsätze seiner künftigen Nutzung zum Wohle der Staatengemeinschaft als Ganzer. In diesem Zusammenhang nun sahen die Verfasser des Konventionstextes die Möglichkeit, daß Ressourcenvorkommen im Gebiet sich in einen Bereich nationaler Hoheitsbefugnisse hinein erstrecken könnten. Art. 142 Abs. 1 statuiert deshalb die Verpflichtung, ressourcenbezogene Tätigkeiten im Gebiet nur unter gebührender Berücksichtigung der Rechte und berechtigten Interessen desjenigen Küstenstaates auszuüben, in dessen Bereich sich diese Vorkommen befinden. Abs. 2 der gleichen Vorschrift lautet: "Um eine Beeinträchtigung solcher Rechte und Interessen zu vermeiden, werden mit dem betreffenden Staat Konsultationen einschließlich vorheriger Benachrichtigungen durchgeführt. In Fällen, in denen Tätigkeiten im Gebiet zur Ausbeutung von Ressourcen führen können, die sich im Bereich nationaler Hoheitsbefugnisse befinden, ist die vorherige Zustimmung des betreffenden Küstenstaates erforderlich."
Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrife11 verdeutlicht, daß die Delegierten von Anfang an den Schutz des Küstenstaates im Auge hatten; ihm sollen durch die künftige, neuartige Nutzung des Meeresbodens außerhalb der Zonen nationaler Hoheitsgewalt keine Nachteile entstehen.212 Satz 2 konkretisiert deshalb 210 Gemäß der Begriffsbestimmung des Art. 1 Abs. 1, Ziff. l SRÜ umfaßt das "Gebiet" den Meeresboden und den Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse. 211 Seinem Inhalt nach läßt sich der Artikel zurückverfolgen bis zu der GA Res. 2749 (XXV), Declaration of Principles Governing the Sea-Bed and the Ocean F1oor, and the Subsoil Thereof, beyond the Limits of National Jurisdiction, 17. Dez. 1970, ILM 10 (1971), S. 220, Ziff. 12 und 13. Bereits Art. 14 des Informal Single Negotiating Text vom 7. Mai 1975, Doc. A/Conf. 621WP.8, stimmt fast wörtlich mit dem heutigen Art. 142 überein. Lediglich der S. 2 des Abs. 2 wurde erst in den Revised Single Negotiation Text vom 6. Mai 1976, Doc. A/Conf.62/WP 8/Rev. 1, eingefügt. Dies läßt darauf schließen, daß er nach der Überzeugung der Staatenvertreter lediglich bekräftigende, eventuell klarstellende Funktion haben sollte. 212 Art. 142 ist deshalb ein interessantes Beispiel für eine Umkehr des Entstehungsprozesses von Völkergewohnheitsrecht; zu einer Zeit, als die Ausbeutung des Meeresbodens unter der Hohen See technisch noch unmöglich bzw. wirtschaftlich noch unvertretbar war, hat sich bereits eine Rechtsüberzeugung der Staaten im Hinblick auf bestimmte Folgen eines solchen Verhaltens gebildet. Dies wird wiederum vor dem Hintergrund der Parallele zur Ausbeutung von Lagerstätten, welche die Grenze zwischen zwei nationalen Festlandsockelanteilen überschreiten, verständlich und erklärbar.
1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
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ausdrücklich den in den souveränen Rechten des einzelnen Staates gründenden Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Ausbeutung von Ressourcen aus seinem Festlandsockel, indem er ein Zustimmungserfordernis des Betroffenen zu Bergbauaktivitäten, welche die Gefahr einer solchen Ausbeutung in sich . htet. 213 bergen, emc Dürfen demnach also nicht einmal Tätigkeiten, die gemäß Art. 140 SRÜ zum Nutzen der gesamten Menschheit ausgeübt werden, zu einer Beeinträchtigung souveräner, einzelstaatlicher Rechte und Berechtigungen führen, so gilt dies zumindest auch, wenn nicht sogar erst recht- so ist die zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung der Staaten zu interpretieren - für die ressourcenbezogenen Arbeiten eines gleichgeordneten Nachbarstaates, die dieser ausschließlich in seinem eigenen Interesse ausführt. (c) Sonstige Staatenpraxis In der Literatur wird, soweit erkennbar, nur von vereinzelten, zudem schon ca. dreißig Jahre zurückliegenden Fällen berichtet, in denen es auf der zwischenstaatlichen Ebene faktisch zur Anwendung der rufe of capture kam. Ein Beispiel bildet die unkoordinierte Förderung von Erdöl an der Grenze zwischen Saudi Arabien und der von Kuwait und Saudi Arabien gemeinsam errichteten sogenannten ,,Neutralen Zone" im Jahre 1963.214 Ein weiteres stellt die nach dem zweiten Weltkrieg zunächst ohne Einwirkungsmöglichkeiten des jeweils anderen vorgenommene Ausbeutung einer Erdgaslagerstätte im österreichisch-tschechoslowakischen Grenzgebiet bei Zwerndorf-Vysoka dar.215 Der hieraus resultierende Streit wurde jedoch schon 1960 durch den Abschluß eines Kooperationsabkom. legt. mens216 be1ge Daß die Staaten in ihrer überwiegenden Mehrzahl eine wirtschaftlich unsinnige, kompetitive Gewinnung von Bodenschätzen in Grenzgebieten offensichtlich unterlassen, bezeugt mehr als alles andere, daß sich die us-amerikanische Regel nicht durchzusetzen vermochte. Als weiterer Beleg aus der jüngsten Geschichte für eine opinio juris, wonach kein Staat berechtigt ist, flüssige Bodenschätze oder Gase aus dem Nachbarterritorium zu gewinnen, mögen auch die gegenseitigen Anschuldigungen des Iraks und Kuwaits im Vorfelde der irakiseben Besetzung Kuwaits und des Golfkrieges im Jahre 1991 dienen. Beide Länder hatten sich wechselseitig des "Öldiebstahls" aus dem großen grenzüberschreitenden
213
Zu Art. 142 Abs. 2 SRÜ vgl. auch unten den 3. Teil, 2. Kap. I 2 b.
Blinn et al., S. 215; Lagoni, AnL 1979, S. 220. 215 Braun, S. 63. 216 Abkommen über die Ausbeutung der gemeinsamen Erdgas- und Erdöllagerstätten, UNTS 495, S. 125. Ausführlich zu diesem Abkommen unten im 2. Teil, 3. Kap. A II I. 214
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Feld von Rumailah bezichtigt, gegen das Vorgehen des jeweils anderen offiziell protestiert und den Golf-Kooperationsrat um Vermittlung gebeten.217 cc) Ergebnis
Trotz der im Ausgangspunkt vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage kann die dem innerstaatlichen Recht entstammende rule of capture auf der zwischenstaatlichen Ebene keine Geltung für sich beanspruchen. Diejenigen völkerrechtlichen Konzepte, die vor allem seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges entwickelt worden sind, lassen sie als einen mit geltendem Völkerrecht unvereinbaren Anachronismus .erscheinen. Ihre wirtschaftlichen Folgen verdeutlichen zudem ihre Untauglichkeit als Instrument zur Lösung des Problems grenzüberschreitender Lagerstätten. Auch ist sie - und dieser Umstand besitzt entscheidendes Gewicht - mit der Staatenpraxis und der entsprechenden Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft, wie sie sich seit Mitte der sechziger Jahre herauskristallisiert hat, unvereinbar. Von der völkerrechtlichen Doktrin wird die rule of capture ebenfalls mehrheitlich abgelehnt. 218 Auch ohne (physische) Grenzüberschreitung verletzen eine den eigenen Anteil an den Bodenschätzen mengenmäßig überschreitende Förderung sowie die Gewinnung fremden Hoheitsbefugnissen unterliegender Bodenschätze deshalb, soweit sie auf dem Festland erfolgen, die territoriale Integrität des Nachbarstaates bzw., soweit eine Grenzlinie auf dem Kontinentalschelf mißachtet wird, dessen Rechte über diesen. Darüber hinaus wird die Souveränität des verfügungsberechtigten Staates über die Ressourcen auf seinem Territorium bzw. seinem Festlandsockel verletzt. Die genannten Bergbauaktivitäten verletzen also - trotz der oben dargestellten physischen Besonderheiten von Lagerstätten, die flüssige oder gasförmige Rohstoffe enthalten - die gleichen staatlichen Rechte wie die Grenz(linien-)durchörterung, bei der durch technisches Gerät die Grenze tatsächlich durchstoßen wird; sie sind deshalb völkerrechtlich unzulässig.
217 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. Juli 1990; AdG vom 2. Aug. 1990, S. 34762 ff.; Heintze, S. 444, 449 f. 218 Andrassy, RdC 1951 II, S. 127; Terr, S. 67 und in Anm. 71; Baberis, Derecho De La lntegracion 1975, S. 49; Lagoni, AJIL 1979, S. 220; Onorato, Infl & Comp.L.Q. 1968, S. 89 f.; Miyoshi, IJECL 1988, S. 6 unter Berufung auf die übereinstimmende Meinung der Völkerrechtswissenschaftler und der Praktiker bei dem 3. "Workshop on Joint Exploration and Development of Offshore Hydrocarbon Resources in Southeast Asia"; Mössner, FS Thieme, S. 1037; Fox et al., S. 33; Utton/McHugh, Nat.Res.J. 1986, s. 727.
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
b) Das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen Unabhängig von einer Produktion von Kohlenwasserstoffen aus dem angrenzenden Gebiet besteht hier, ebenso wie bei den Bodenschätzen in festem Aggregatzustand, die Möglichkeit, daß ressourcenbezogene Arbeiten auf der einen Seite der Grenze negativen Einfluß auf den fremden Lagerstättenteil haben. Die Gefahr nachteiliger Einwirkungen ist bei Flüssigkeiten und Gasen aufgrund der geschilderten geophysikalischen Besonderheiten sogar noch sehr viel größer: Während bei festen Rohstoffen nur Bergbautätigkeiten im unmittelbaren Grenzbereich Auswirkungen auf benachbartes Gebiet zur Folge haben können, besteht eine solche räumliche Begrenzung bei Stoffen anderer Konsistenz grundsätzlich nicht. Unabhängig von der Entfernung einer Bohrung zur Grenze berührt die Förderung von Kohlenwasserstoffen stets - wenn auch in unterschiedlicher Intensität- die Lagerstättenbedingungen insgesamt. Dies kann zu einer Schädigung des Nachbarn führen, beispielsweise indem eine Gewinnung seines Anteils nun technisch nicht mehr möglich, wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll oder jedenfalls nicht mehr so rentabel ist. Eine Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Lagerstättenkonditionen ließe sich wiederum nur auf der Grundlage der rule of capture finden; diese ist jedoch, wie nachwiesen wurde, nicht Bestandteil des geltenden Völkerrechts. Tatsächliche Beeinträchtigungen, die einen erheblichen Schaden bewirken, sind entsprechend dem Grundsatz der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität deshalb auch hier völkerrechtlich unzulässig. Ebenso wie Art. 142 SRÜ bringen dies zum Teil auch die Lagerstätten-Klauseln zum Ausdruck. So lautet beispielsweise Art. 43 des Grenzabkommens zwischen Argenlinien und Uruguay im Hinblick auf die Bodenschätze in der Mündung des Rio de al Plata: "Any mineral deposit which extends on both sides of the line established in article 41 shall be mined in such a way that the volumes of the resources extracted from that deposit are shared proportionally to the overall voll;!me of the deposit to be found on each side of the line. Each Party shall rnine such deposits without causing significant darnage to the other Party and in accordance with the requirements of a thorough and rational use of the resource in keeping with the criterion established in the preceding paragraph. " 219
Und in Art. 4 des Grenzabkommens zwischen Frankreich und Spanien heißt es im Zusammenhang mit einer Verhandlungspflicht ,,In particular this procedure shall apply if the mode of exploitation of that part of the deposit which is situated on one side of the boundary affects the conditions for exploitation of the other part of the deposit. "220 219 Vertrag vom 19. Nov. 1973. Eine identische Regelung enthält Art. 71 des gleichen Abkommens im Hinblick auf die seewärtige Grenze überschreitende Lagerstätten.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Wann schädigende Auswirkungen erheblich oder- im Sinne der zuletzt genannten Vertragsklausel - "significant" sind, ist naturgemäß wiederum eine Frage des Einzelfalls. Lagoni führt hierzu aus: "The effects are substantial if a considerable arnount of the resources, which under other circumstances normally were commercially recoverable, cannot be exploited from the deposit."221
Danach ist der Begriff der erheblichen Auswirkungen beschränkt auf den Fall, daß eine beachtliche Menge anderenfalls produzierbarer Ressourcen tatsächlich nicht mehr gefördert werden kann. Die Situation, daß eine Förderung zwar technisch noch möglich ist, allerdings nur mit erheblich höherem finanziellen Aufwand, wird demgegenüber nicht erfaßt. Eine derartige Beschränkung ist jedoch nicht zwingend. Entscheidend bleibt die Verletzung des Rechtsgutes der territorialen Integrität bzw. der besonderen Rechte des Küstenstaates auf seinem Festlandsockel durch den Förderstaat. Auf die Art des dadurch eingetretenen Schadens (Rohstoffverlust oder finanzielle Einbußen) kann es dagegen nicht ankommen, sofern dieser nur als erheblich einzustufen ist. Zu den Schwierigkeiten einer Konkretisierung der genannten Begriffe kommt mangels hinreichender Kenntnis des Lagerstättenteils auf der anderen Seite der Grenze das Problem zu bewerten, welche Förderaktivitäten genau es sind, die die erheblichen Auswirkungen begründen. In jedem Fall müssen die Bohrlöcher einen gewissen Abstand zur Grenze haben, damit der Bohrung kein Erdöl oder Erdgas aus dem Nachbarterritorium zufließt oder dem angrenzenden Staat in andeter Weise Schaden zugefügt wird. Dies wird oftmals auch in Grenzverträgen fixiert. Beispielhaft hierfür sei das Abkommen zwischen Saudi Arabien und dem Iran aus dem Jahre 1968 genannt. 222 Darin wird zunächst der Grenzverlauf auf dem Festlandsockel bzw. zwischen den Küstenmeeren von zwei Inseln im Persischen Golf festgelegt. Angesichts des von der Grenzlinie durchschnittenen Marjaam-Erdölfeldes bestimmt ein weiterer Artikel sodann, daß keine Partei innerhalb einer Zone von 500 Metern beiderseits der Grenze Öl fördern darf.223 Vertrag vom 29. Jan. 1974. ILA Rep. 1988, S. 531, Ziff. 27. 222 "Agreement Conceming Sovereignty over Al-Arabiyah and Farsi Islands and Delimitation of Boundary Line Seperating Submarine Areas Between the Kingdom of Saudi Arabia and Iran"; ILM 8 (1969), S. 493; UNLS ST/ LEG/ SER.B./18, S. 433. 223 In einer den Vertragsschluß begleitenden No~e wird dieser Artikel interpretiert als Verbot jeglicher Bohroperationen von Installatiogen innerhalb oder außerhalb dieser Pufferzone in diese hinein. Ausgenommen sind lediglich Bohrungen zu Konservierungsund Beobachtungszwecken, auf die beide vertragsschließende Parteien sich geeinigt haben, ILM 8 (1969), S. 493, dazu Young, S. 155.Vergleichbare Regelungen treffen weitere Abkommen aus der Golfregion. Es handelt sich um die Festlandsockelabkommen zwischen dem Iran und Qatar von 1969, Iran und den VAE von 1974, Iran und Sahrain von 1971 und Iran und Oman von 1974. Diese Abkommen errichten jeweils eine Pufferzone von 220 221
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l. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Im Gegensatz zum Bergbau auf feste Stoffe ist eine generelle Beschränkung der Betrachtung auf grenznahe Aktivitäten hier, wie gesagt, jedoch nicht möglich. Angesichts dieser Unsicherheiten kann das Verbot der Zufügung erheblicher Schäden in Extremfall dazu führen, daß einseitige Maßnahmen vollständig zu unterlassen sind. 4. Zusammenfassung
Die Tatsache des Grenzverlaufs durch eine einheitliche Lagerstätte hat keine Auswirkungen auf den Status der in ihr enthaltenen Bodenschätze; jeder Staat besitzt hoheitliche Rechte an denjenigen Bodenschätzen, die sich in oder auf dem ihm zuzuordnenden Teil des Erd- oder Meeresboden befinden, das heißt, er allein darf sie aufsuchen, gewinnen und verwerten. Hieraus folgt: 1. Bergbauaktivitäten auf einer Seite einer Grenze, bei deren Ausführung Rohstoffe aus dem Territorium oder dem Festlandsockel des angrenzenden Staates gefördert werden, sind völkerrechtswidrig, und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Gewinnung fester, flüssiger oder gasförmiger Rohstoffe handelt und ob dabei die Grenze physisch durchstoßen wird oder nicht. 2. Das Gleiche gilt für Einwirkungen tatsächlicher Art im Zusammenhang mit dem Bergbau, wenn durch sie dem Territorium oder dem Festlandsockel des benachbarten Staates in anderer Weise ein erheblicher Schaden zugefügt wird.
B. Lagerstätten im Bereich sich überschneidender staatlicher Gebietsansprüche ("overlapping claims") I. "Overlapping claims" als Problem der Grenzziehung auf dem Festlandsockel
Im Gegensatz zu den grenzüberschreitenden Lagerstätten soll an dieser Stelle eine Beschränkung auf Meereszonen -exakter noch: auf Schelfgebiete- erfolgen. Die Landgebiete und Küstenmeere zwischen den Nationen sind, sieht man einmal von wenigen Beispielen wie der Antarktis ab, weitgehend aufgeteilt. Es handelt es sich bei territorialen Grenzstreitigkeiten deshalb in der Regel um das Infragestellen bereits bestehender Grenzen.224 Dagegen ist der Verlauf der Mehrzahl der Festlandsockelgrenzen noch offen; dadurch erhält die Fragestellung nach 125 Metern auf jeder Seite der Grenzlinie und statuieren zugleich eine Verhandlungspflicht für den Fall, daß ein grenzüberschreitendes Erdölfeld entdeckt werden sollte; vgl. auch Rarnazani, S. 159 ff.; Szekely, Nat.Res.J. 1986, S. 76lf. 224 Vgl. schon oben in diesem Kap. A II 3 a bb (4) (a).
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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der Zulässigkeil einseitiger ressourcenbezogener Maßnahmen hier ungleich größere Brisanz. II. Begriff und Entstehung von "overlapping claims"
Bevor die Rechtmäßigkeit einseitiger ressourcenbezogener Maßnahmen in Räumen mit sogenannten "overlapping claims" beurteilt werden kann, ist zu klären, was unter diesem Begriff im Rechtssinne - die Bedeutung im tatsächlichen Sinne ist den Worten unmittelbar zu entnehmen - zu verstehen ist und wie overlapping claims entstehen. 1. Die Wohlbegründetheit der Ansprüche als Voraussetzung von .,overlapping claims" im Rechtssinne
Die Notwendigkeit zur Ziehung einer Festlandsockeltrennlinie entsteht, wenn zwei oder mehr Staaten sich in einer Entfernung gegenüberliegen oder in der Weise aneinander angrenzen, daß- beanspruchen sie Meereszonen in dem nach geltendem Recht zulässigen Umfang - Gebiete entstehen, in denen sich diese Ansprüche überlappen. Mit dieser Feststellung wird zugleich eine notwendige· Voraussetzung für das Entstehen von overlapping claims im Rechtssinne angesprochen: Alle konkurrierenden Ansprüche müssen bona fide, das heißt nach Treu und Glauben zumindest dem Grunde nach anzuerkennen sein, mag auch ihr konkreter Umfang aufgrund gleichgerichteter Ansprüche weiterer Staaten noch ungewiß sein. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß staatliche Ansprüche in dieser Weise gerechtfertigt sind. Das Geltendmachen eines,Anspruchs auf einen bestimmten Teil des Festlandsockels beinhaltet zunächst nichts anderes als die Behauptung, ein Anrecht auf dieses Gebiet zu besitzen. Dabei braucht diese Behauptung nicht einmal der subjektiven Rechtsüberzeugung des Anspruchstellers zu entsprechen. Erst recht ist mit der bloßen Forderung, und sei ihr auch durch Proklamationen oder nationale Gesetzgebung Nachdruck verliehen worden, noch nichts über ihre Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Völkerrechtssubjekten gesagt. Der IGH hat 1951 im britisch-norwegischen Fischereifale25 dementsprechend ausgeführt: "The delimitation of sea areas has always an international aspect; it cannot be dependent merely upon the will of the coastal State as expressed in its municipallaw. Although it is true that the act of delimitation is necessarily a unilateral act, because only the coastal State is competent to undertake it, the validity of the delimitation with regard to other States depends upon intemationallaw."226 225 226
Fisheries case, Judgment of December 18th 1951, I.C.J. Reports 1951, S. 116. ibid., s. 132.
6 FlormODD-Pfalf
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l. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Zwar bezog sich dieses Diktum auf die Festlegung gerader Basislinien, es läßt sich aber auf den vorliegend interessierenden Problembereich übertragen. Dem steht nicht entgegen, daß der Festlandsockel dem Küstenstaat ipso jure zusteht, so daß es einer (einseitigen) Erklärung zur Begründung von Rechten an ihm nicht bedarf; wo ein Staat sich zu den Fragen der seitlichen und seewärtigen Begrenzung seiner Schelfgebiete äußert - und hierzu wird er in der Regel jedenfalls dann faktisch gezwungen sein, wenn das betreffende Gebiet tatsächlich oder potentiell auch von weiteren Staaten beansprucht wird bzw. werden kann227 unterliegt er den gleichen Anforderungen. Das internationale Recht setzt den Rahmen für die Forderung nach einem Anteil am Kontinentalschelf ebenso wie für die Beanspruchung gerader Basislinien oder neuerdings einer Ausschließlichen Wirtschaftszone. Soll aber die Erhebung von Ansprüchen rechtliche Konsequenzen auch im Verhältnis zu den Nachbarstaaten entfalten- und eben darum geht es bei der Frage nach der Zulässigkeit einseitiger Such- und Gewinnungsmaßnahmen in umstrittenen Gebieten - ist dies nur gerechtfertigt, wenn dieser Rahmen respektiert wird. Der IGH hat zum Begriff der overlapping claims im Rechtssinne noch nicht ausdrücklich Stellung genommen. Viele seiner Äußerungen oder solche einzelner Richter zeigen jedoch, daß das Gericht der Vereinten Nationen Ansprüchen ebenfalls nur dann Gewicht beimißt, wenn sie ihre Grundlage im internationalen Recht finden.228 Vereinzelt geht auch die Doktrin auf diese conditio sine qua non für ein Gebiet mit konkurrierenden Ansprüchen ein.229 227 Der faktische Zwang beruht hier auf der ansonsten möglicherweise bestehenden Gefahr, daß der Küstenstaat seinen Anspruch aus rechtlichen Gründen - estoppel, acquiecence, Treu und Glauben, vgl. Attard, S. 273 -oder auch aus tatsächlichen Gründen -Förderung der Rohstoffe durch den Nachbarn- verliert. 228 So führt der IGH im Grenzstreit zwischen Tunesien und Libyen aus: "The need for delimitation of areas of continental shelf between the Parties can only arise within the submarine regions in which claims by them to the exercise of sovereign rights are legally possible according to intemationallaw", Contineotal Shelf (Tunesia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1982, S. 42, Ziff. 34. Im Streit zwischen Libyen und Malta begründet das Gericht sein Urteil im Hinblick auf die Ansprüche Italiens u.a. damit, daß keine der Streitparteien behauptet habe, diese seien "obviously unreasonable", Contineotal Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, l.C.J. Reports 1985, S. 28, Ziff. 23. Im gleichen Fall kritisiert Richter Jennings das Gericht in seinem Sondervotum, indem er ihm vorwirft, sein Vorgehen erwecke den Eindruck, "that the correct location of a continental shelf boundary is determinded by a court of law by establishing some sort of compromise between different claims. Such an assumption is surely contrary to principle. ( ...) Claims are, therefore, irrelevant except in so far as they can be justified before the court by reference to the applicable law", ibid., S. 105. 229 Lagoni, Overlapping Claims, S. 150 ff.; Evans, S. 64 ff; Valencia/Miyoshi, S. 213; Oxman, S. 24; Valencia, Energy 1985, S. 576, spricht- allerdings im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für Joint Development- davon, daß "all claims must have a bona fides basis in intemationallaw"; ebenso Ziff. 3 der "Conclusions and Recommenda-
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Mit diesen Feststellungen wurde allerdings noch keine Aussage darüber getroffen, was konkret die anspruchsbegründenden Umstände für einen rechtsgültigen Titel sind. Hierfür können nach allem nur diejenigen Umstände in Betracht kommen, die mit den tragenden Elementen des Festlandsockelregimes, so wie es von der Völkerrechtsgemeinschaft traditionell anerkannt wird, vom IGH immer wieder konkretisiert wurde und schließlich auch Eingang in die SRÜ gefunden hat, vereinbar sind. Dort, wo beide (oder auch mehrere) Ansprüche danach die gleiche Legitimität besitzen, kommt es in Übereinstimmung mit dem geltendem Recht zu overlapping claims. Dementsprechend formulierte auch Richter Jessup 1969 in seinem Sondervotum zu den Nordseefestlandsockelurteilen des IGH: "However, as the Judgment of the Court points out, there will be areas in which, in accordance with rules and principles indicated by the Court, two States may have equal~ justifiable claims, or, in other words, areas in which those claims will overlap."2
Im weiteren ist deshalb der Frage der räumlichen Begrenzung des Festlandsockels nachzugehen, denn ihre Beantwortung macht zugleich auch die Voraussetzungen deutlich, unter denen die Geltendmachung eines Anspruchs auf einen Teil des Kontinentalschelfs Treu und Glauben entspricht. Zuvor lassen sich jedoch bereits zwei allgemeine Feststellungen treffen:
1. Nicht erforderlich ist es - und dies ergibt sich bereits aus der mangelnden
Notwendigkeit einer Erklärung überhaupt -, einen Anspruch der Staatenwelt in einer bestimmten Form zur Kenntnis zu bringen; ebensowenig muß dieser mit einer Begründung versehen sein. 2. Dem Anspruch auf einen Festlandsockelteil sind auch gewisse Schranken gesetzt, die nicht unmittelbar dem Festlandsockelregime zu entnehmen sind, sondern aus dem allgemeinen Regelungssystem des Seevölkerrechts folgen. Insbesondere darf sich ein claim nicht auf das Küstenmeer eines anderen Staates erstrecken, soweit dieses die heute gewohnheitsrechtlich anerkannte und durch Art. 3 SRÜ festgeschriebene Breite von 12 sm nicht überschreitet. Ebensowenig darf der territoriale Status von Gebieten in Frage gestellt werden, die in einem die Parteien bindenden Vertrag der einen Seite zugesprochen wurden. Dagegen läßt sich der Gedanke der Art. 4 Abs. 5 Küstenmeerübereinkommen (KüMeerÜ 1958i31 , 7 Abs. 6 SRÜ, wonach das System der geraden Basislinien nicht in der Weise angewendet werden darf, daß dadurch das Küstenmeer eines anderen Staates von der Hohen See bzw. - dies fügt Art. 7 SRÜ hinzu - von seiner ausschließlichen Wirtschaftszone abgeschnitten wird, tions" des 2. Workshop zum Thema "The South China Sea: Hydrocarbon Potential and Possibilities of Joint Development" von 1983, abgedruckt bei Miyoshi, IJECL 1988, s. 17. 230 North Sea Contineotal Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 81. 231 Übereinkommen vom 29.4.1958 über das Küstenmeer und die Anschlußzone, in Kraft getreten am 10.9.1964, UNTS 516, S. 205. 6•
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
nicht verallgemeinern. Zum einen sind die Rechte des Küstenstaates im Küstenmeer völlig anderer Natur als auf dem Festlandsockel; zum anderen stellt das System der geraden Basislinien eine Ausnahme gegenüber der in Art. 3 KüMeerÜ 1958 und Art. 5 SRÜ statuierten Regel dar und soll als solche nicht zum Nachteil Dritter gereichen. Des weiteren existiert im geltenden Völkergewohnheits- oder -Vertragsrecht auch keine Regel im Sinne eines allgemeinen Rücksichtnahmegebots, wonach es einem Staat überhaupt untersagt wäre, ein tatsächlich oder aufgrund der geologischen und geographischen Umstände auch nur möglicherweise von Dritten beanspruchtes Gebiet seinerseits zu beanspruchen. 232 Dagegen sind die Staaten im Rahmen des Rechtsmißbrauchsverbots (vgl. auch Art. 300 SRÜ) gebunden; allerdings ist praktisch kaum ein Fall vorstellbar, in welchem das bloße Vorbringen eines Anspruchs auf der Grundlage geltenden Völkerrechts als rechtsmißbräuchlich erscheint. 2. Die räumliche Begrenzung des Festlandsockels Das komplexe Problem der Begrenzung des Kontinentalschelfs ist in Monographien233 und Aufsätzen234 umfassend aufgearbeitet worden; den eingehenden Untersuchungen soll hier keine neue hinzugefügt werden. Vielmehr handelt es sich bei den folgenden Feststellungen nur um einen Überblick über die wichtigsten Fragen, dem im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eine doppelte Funktion zukommt: Zum einen verdeutlicht er die tragenden Elemente des Festlandsockelregimes, mit denen ein Anspruch vereinbar und durch die er gerechtfertigt sein muß, um bona fide im eben genannten Sinne zu sein. Zum anderen zeigt er einen wesentlichen Schwachpunkt der SRÜ auf- viele Autoren sprechen von .Jailure of UNCLOS Ill" - und fördert so das Verständnis dafür, daß die Anzahl 232 Zwar führt der IGH im Abgrenzungsstreit zwischen Libyen und Tunesien, I.C.J. Reports 1982, aus, "that an attempt by unilateral action to establish maritime boundary lines regardless of the legal position of other States is contrary to recognized principles of internationallaw", S. 66, Ziff. 87, das Gericht bezieht sich hier jedoch gerade nicht auf das Geltendmachen von Ansprüchen - dazu verweist es später, S. 67, Ziff. 87, explizit auf das Urteil im Fischereifall, I.C.J. Reports 1951, S. 116 -,sondern auf das einseitige Festlegen zwischenstaatlicher Grenzlinien auf dem Festlandsockel. Dies würde in der Tat sowohl der FSK 1958 als auch der SRÜ und geltendem Völkergewohnheitsrecht widersprechen, da alle drei genannten Rechtsquellen eine auf das Ziel des Abschlusses eines Abkommens gerichtete Verhandlungspflicht der Staaten statuieren, die einseitige Maßnahmen im diesem Zusammenhang unwirksam macht. 233 Rüster, Festlandsockel; Klemm; Johnston/Saunders; Prescott, Maritime Political Boundaries; Kapoor/Kerr; Jagota; Evans; Tanja, Legal Determination; Weil; Heintschel von Heinegg; Johnston; Colson. 234 Einen guten Überblick über die Flut von Veröffentlichungen geben Szekely und Johnston!Valencia in ihren Bibliographien; jüngere Beiträge stammen von Chamey, Alexander, Hutchinson, Jennings, Nelson, Bravender-Coyle und Langeraar.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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der Meereszonen mit sich überschneidenden Gebietsansprüchen trotz der immanenten Voraussetzung der Rechtsgültigkeit aller claims so groß und eine Grenzziehung auf dem Kontinentalschelf oftmals so problematisch ist. Obwohl das Festlandsockelkonzept als solches rasch Eingang in das Völkergewohnheits- und -Vertragsrecht fand, warf es von Anfang an einige schwierige Fragen vornehmlich im Zusammenhang mit der räumlichen- seewärtigen235 wie seitlichen236 - Begrenzung auf. Beide Problembereiche haben mehrere zum Teil unterschiedliche, zum Teil gemeinsame- Gründe: So ist die Schwierigkeit bei der Festlegung einer Außengrenze auch auf die Verquickung der Fragen der Ausdehnung des Festlandsockels mit derjenigen seiner Definition zurückzuführen. Dabei wurde erstere - die Frage nach der Ausdehnung des Kontinentalschelfs - durch die Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftszonenregimes und letztere - die Frage nach seiner Definition - durch die zunehmende Differenzierung zwischen dem Kontinentalschelf im geologischen und im rechtlichen Sinne noch zusätzlich verkompliziert. Die Brisanz der Abgrenzung der Anteile benachbarter Staaten an einem gemeinsamen Festlandsockel wird verständlicher, wenn man sich die eminente Bedeutung von Grenzen als unverzichtbaren Rahmen staatlicher Hoheitsbefugnisse vergegenwärtigt, deren Festlegung damit seit jeher zu den vordringlichsten Interessen der Staaten und zugleich zu den politisch sensibelsten Fragen gehört.237 Für beide Bereiche - seitliche wie seewärtige Abgrenzung - gleichermaßen gilt aber als entscheidender Umstand, daß der Wille zur Beherrschung der Schelfgebiete regelmäßig keinen Selbstzweck darstellt, sondern von elementaren wirtschaftlichen Interessen getragen wird. Bereits der erste bilaterale Vertrag zur Aufteilung submariner Zonen zwischen zwei Staaten aus dem Jahre 1942, der Vertrag zwischen Großbritannien (für seine überseeischen Besitzungen Trinidad und Tobago) und Venezuela für den Golf von Paria238, erfolgte vor dem Hintergrund der Entdeckung großer Erdöllagerstätten. Dem Vertrag selbst ist dieser Grund allerdings nur mittelbar zu entnehmen. 239 Dagegen bezog Präsident 235
Dabei geht es um die Trennlinie zwischen Festlandsockel und Hoher See.
Darunter ist im folgenden die Abgrenzung zwischen zwei oder mehr benachbarten - aneinander angrenzende oder sich gegenüber liegende - Staaten zu verstehen. 237 Dazu Rüster, Festlandsockel, S. 248; vgl. auch Oellers-Frahm, Grenzstreitigkeiten, S. 227, die zu Recht auf das Ausmaß des Staatsgebietes auch als wesentlichen psychlogischen Faktor für Wert, Bedeutung und Macht einer Nation hinweist. 236
238 UNLS STILEG/SER.B/ 1, S. 44; vielfach wird dieser Vertrag und nicht erst die Truman-Proklamation als Ausgangspunkt des Festlandsockelregimes bezeichnet. Zwar zieht er weder diesen Begriff heran, noch nennt er den Titel, auf den sich die Annexion stützt; im übrigen deuten sich aber die ersten Elemente der Schelfkonzeption - Landnahme unter Wasser ohne Beeinträchigung des Status der Wassersäule darüber- an. Zum Vertrag allgemein Klemm, S. 15 ff.; Rüster, Festlandsockel, S. 138 f.; Sturm, S. 19.
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Truman sich in seiner Proklamation bereits ausdrücklich auf die Rohstoffreserven und führte aus: "Having concem for the urgency of conserving and prudently utilizing its natural resources, the Govemment of the United States regards the natural resources ( ... ) subject to its jurisdiction and control." 240
Daran, daß die Entdeckung von Lagerstätten oder ihr vermutetes Vorhandensein die Hauptursache für die Geltendmachung von Ansprüchen über Schelfgebiete darstellten, hat sich bis heute nichts geändert?41 hn Gegenteil, da die Abhängigkeit der Staaten von der ausreichenden Verfügungsmöglichkeit über Rohstoffe, vor allem fossiler Brennstoffe, ständig zugenommen hat, wird gerade dort immer unnachgiebiger gestritten, wo eine Möglichkeit zur Verringerung der Energieimporte besteht. Nur in Kenntnis dieses Hintergrundes ist im übrigen auch erklärlich, warum hinsichtlich des Regimes, welches die souveränen Rechte des Küstenstaates auf die Erforschung und Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe des Festlandsockels, das heißt auf ein im Vergleich mit der umfassenden territorialen Souveränität bescheidenes Maß beschränkt, ein solch breiter Konsens zu erzielen war.242 a) Die Truman-Proklamation Den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung des Schelfkonzeptes lieferte, wie oben ausgeführt 243, die Proklamation des us-amerikanischen Präsidenten Truman 1945. Sie spezifiziert die seewärtigen Grenzen nicht; allein ein begleitendes Pressekommunique244 spricht von einer 100-Faden-Tiefenlinie; dies entspricht einer 600-feet- bzw. einer 183-Meter-Tiefenlinie. Offensichtlich wollten die USA sich in dieser Frage nicht in rechtlich bindender Weise festlegen. Zur seitlichen Abgrenzung und zur Abgrenzung sich gegenüber liegender Festlandsockelgebiete bietet die Proklamation selbst einen Lösungsansatz: sie 239 So enthält er Bestimmungen, daß die Schiffahrt nicht durch gegebenenfalls zu errichtende Installationen behindert werden solle (Art. 6), daß die Ausbeutung des Meeresgrundes nicht die Territorialgewässer der jeweils anderen Parteiei mit Öl oder anderen Substanzen verschmutzen dürfe (Art. 7) und daß Konzessionsinhaber zur Beachtung dieser Vertragsregelungen angehalten werden müßten (Art. 8). 240 UNLS ST/LEG/SER.B/1, S. 39. 241 "Those resources are the essential objective envisaged by States when they put forward claims to the sea-bed areas containing them", Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 41, Ziff. 50; Weil, S. 258; vgl. auch das Sondervotum Jessups in den Nordseefestlandsockelfallen,I.C.J. Reports, S. 73. 242 Daneben treten selbstverständlich andere Gründe wie z.B. das gleichgerichtete Interesse aller Nationen an einer freien und ungehinderten Schiffahrt. 243 Siehe in diesem Teil oben, 1. Kap. B. 244 UNLS ST/LEG/SER.B/1, S. 39.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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soll zwischen den Vereinigten Staaten und dem oder den betroffenen Staat(en) durch Vertrag und ,,in accordance with equitable principles" -ohne daß allerdings näher erläutert wird, was darunter zu verstehen ist - erfolgen. Die auf die Truman-Proklamation folgende Staatenpraxis bietet in den ersten Jahren kein einheitliches Bild.245 b) Die Festlandsockelkonvention von 1958 Während die Truman-Proklamation den Gegenstand, auf den sie sich bezieht, nicht definiert, bestimmt Art 1 der FSK 1958 den Festlandsockel im Rechtssinne als "den Meeresgrund und den Meeresuntergrund der an die Küste grenzenden Unterwasserzonen außerhalb des Küstenmeeres bis zu einer Tiefe von 200 Metern oder darüber hinaus, soweit die Tiefe des darüber befindlichen Wassers die Ausbeutung der natürlichen Reichtümer dieser Zonen gestattet." Eine entsprechende Regelung gilt für Unterwasserzonen, die an Inseln angrenzen und die bei einem Verständnis des Wortteils "Kontinental-" in seinem tatsächlichen Wortsinne ansonsten nicht mit einbezogen wären?46 Die Außengrenze des Kontinentalschelfs jenseits der 200-Meter-Tiefengrenze wird mit dieser Definition offengelassen. Die statt dessen vorgenommene Einführung der Ausbeutbarkeitsklausel beschwor zwar - angesichts der viel schneller als erwartet fortschreitenden Entwicklung der marinen Geowissenschaften sowie der O.ffshore-Technik247 - schon bald die Gefahr einer Ausdehnung ihrer Festlandsockel durch die Staaten in beliebige Wassertiefen und damit einer völligen Aufteilung des Meeres in "national lakes" herauf. Hiergegen formierte sich auch der Widerstand vor allem der Entwicklungs- und Binnenländer sowie der geographisch benachteiligten Staaten. 248 Trotzdem ist davon auszugehen, daß 245 Klemm, S. 43 ff.; eine Untersuchung der Staatenpraxis vor allem im Hinblick auf die seewärtigen Festlandsockelgrenzen findet sich bei Klemm, S. 32 ff.; die Arbeit der ILC im Vorwege der Ersten Seerechtskonferenz (UNCLOS I) stellen Jagota, S. 50 ff. und Klemm, S. 49 ff. dar. 246 Klemm, S. 27. 247 So zeigt z.B. der Diskussionsbeitrag von Hudson, der das Ausbeutbarkeitskriterium in die Arbeit der ILC einführte, auf dem 67. Treffen der ILC am 13.7.1950, daß in den fünfziger Jahren niemand glaubte, eine Ausbeutung von Rohstoffen in tieferen Gewässern als200m sei in absehbarer Zeit möglich, YILC 1950 I, S. 219. 248 Die Bemühungen um die Erhaltung eines Meeresraumes außerhalb der Bereiche küstenstaatlicher Jurisdiktion mit dem Ziel, diesen zum "common heritage of mankind" zu erklären, nahmen ihren Anfang 1967 mit dem Memorandum der UN-Vertretung Maltas an die Vereinten Nationen zum Tagesordnungspunkt 92 über die Nutzung der Schätze im Meeresgrund im Interesse der Menschheit, UN, GA OR, 22. Session, Annexes, Agenda ltem 92, UN Doc. A/6695, und fanden 1982 schließlich Eingang in das SRÜ in
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
die Formulierung des Art. 1 in den auf UNCLOS I folgenden Jahren insoweit auch gewohnheitsrechtliche Geltung erlangte.249 Das zweite- seitliche- Abgrenzungsproblem ist in Art. 6 Abs. 2 FSK 1958 einer nicht minder konfliktträchtigen und kontrovers diskutierten Lösung zugeführt worden. Grundsätzlich sind die Festlandsockel einvernehmlich durch zwischenstaatliche Abkommen gegeneinander abzugrenzen. Kommt eine Einigung nicht zustande, soll die Grenzlinie zwischen aneinander angrenzenden Staaten nach dem Äquidistanzprinzip250, zwischen gegenüberliegenden Staaten nach dem Mittellinienprinzip251 gezogen werden, es sei denn, "besondere Umstände" rechtfertigen die Festlegung der Grenzlinie in anderer Weise. Infolge seiner weiten Interpretationsspielräume erschwert die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes die Anwendung des Art. 6 FSK 1958 erheblich, zumal die Konvention selbst, aber auch die travaux preparatoires keine Anhaltspunkte dafür enthalten, was unter "besonderen Umständen" zu verstehen ist. 252 c) Die Nordseefestlandsockelflille von 1969 Für Nichtvertragsstaaten der FSK 1958 stellt sich die Situation hinsichtlich der seitlichen Abgrenzung insofern vergleichbar dar, als auch im Gewohnheitsrecht der Vertragsschluß zwischen den betroffenen Parteien absolute Priorität genießt.253 Seit der Entscheidung des IGH in den Nordseefestlandsockelfällen ist jedoch davon auszugehen, daß jedenfalls das Prinzip der gleichen Entfernung keine gewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen kann, wenn es auch im Normalfall zu gerechten Ergebnissen zu führen vermag. 254 Gleichzeitig wies der IGH aber auch die deutsche Forderung nach Zuteilung eines "billigen und gerechten" Anteils am Festlandsockel als mit den Grundprinzipien des Regimes seinem Teil XI. 249
Rüster, Festlandsockel, S. 254; Hutchinson, S. 115 ff. m.w.N.
Nach dem Grundsatz der gleichen Entfernung wird der Grenzverlauf von den nächstgelegenen Punkten der Basislinien festgelegt, von denen aus die Breite des Küstenmeeres jedes dieser Staaten gemessen wird, Art. 6 Abs. 2 FSK 1958. 250
251 Danach wird als Grenzlinie die mittlere Linie durch alle Punkte festgelegt, welche gleichweit entfernt sind von den nächstgelegenen Punkten der Basislinien, von denen aus die Breite des Küstenmeeres jedes dieser Staaten gemessen wird, Art. 6 Abs. 1 FSK 1958. 252 Ausdruck dieser Unsicherheit ist z.B die in Rechtsprechung und Doktrin diskutierte Frage, ob die Existenz einer Bodenschätze enthaltenden Lagerstätte einen solchen Umstand darstellt und ihre Einheit erhalten bleiben muß; vgl. hierzu untenim 3. Teil, 3. Kap. A II 1. 253 North Sea Continental Shelf Cases, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 47, Ziff. 85, lit. (a). 254
ibid., S. 23, Ziff. 23.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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unvereinbar zurück. 255 Statt dessen führte das Gericht aus, die jeweiligen Anteile müßten in jedem Fall entsprechend der Grundlage des Schelfkonzeptes in der Ozeanographie die natürliche Verlängerung ("natural prolongation") des jeweiligen Staatsgebietes im Meer darstellen; daneben nannte es eine Reihe von Billigkeitsgründen ("equitable principles"), die innerhalb dieses Rahmens bei den zu führenden Verhandlungen im Hinblick auf eine zukünftigen Grenzziehung durch Vertrag zu berücksichtigen seien?56 Angesichts dieser unsicheren Rechtslage die "equitable principles" des IGH bedürfen ebenso der inhaltlichen Konkretisierung wie die "besonderen Umstände" des Art. 6 FSK 1958257 - entstanden auch in der Folgezeit zahlreiche Streitigkeiten zwischen benachbarten und gegenüberliegenden Staaten. d) Das Seerechtsübereinkommen von 1982 und das geltende Gewohnheitsrecht aa) Die seewärtigen Grenzen des Festlandsockels
Erklärtes Ziel des SRÜ war es unter anderem, der immer weiter gehenden Expansion der Zonen küstenstaatlicher Zuständigkeiten, der sogenannten "creeping jurisdiction", ein Ende zu bereiten. Zu diesem Zweck sollten die seewärtigen Grenzen für Territorialgewässer, Festlandsockel und Ausschließliche Wirtschaftszone neu definiert werden. Das neue Festlandsockelregime ist dennoch äußerst küstenstaatenfreundlich ausgefallen: Es sichert diesen in Art. 76258 exklusive wirtschaftliche Nutzungsrechte in bezug auf alle nicht-lebenden Ressourcen und seßhaften Lebewesen zu, und zwar unabhängig von den geomorphologischen Gegebenheiten bis mindestens 200 sm Entfernung von der Küste, gegebenenfalls auch darüber hinaus bis zu einer Grenze von 350 sm oder alternativ von 100 sm jenseits der 2500-Meter-Wassertiefenlinie bis zur Außengrenze des Kontinentalrandes. 259 Gern. Art. 82 SRÜ gilt lediglich für Gewinne, die bei der Nutzung ibid., S. 21 f., Ziff. 18. ibid., S. 47, Ziff. 85,lit. (c) 257 Das Schiedsgericht im Abgrenzungsfall im Ärmelkanal, Arbitration between the United Kingdom of Great Britain and Northem Ireland and the French Republic on the Deiimitation of the Contineotal Shelf, Decisions of the Court of Arbitration dated 30 June 1977 and 14 March 1978, ILM 18 (1979), setzte schließlich beide Formulierungen ins Verhältnis zueinander und entschied: "In short, the role of the 'special circumstances' condition in Art. 6 is to ensure an equitable delimitation; and the combined 'equidistance - special circumstances rule', in effect, gives particular expression to a general norm that, failing agreement, the boundary between States abutting on the same continental shelf is tobe determined on equitable principles", S. 421, Ziff. 70. 258 Zur Entstehungsgeschichte der Art. 76 vgl. Brown, Marine Policy 1981, S. 173 ff. 259 Die Bedeutung dieserneue-n Regelung wird sichtbar, wenn man sich vergegenwärtigt, 255
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
von Rohstoffvorkommen jenseits von 200 sm erzielt werden, ein Erlösbeteiligungssystem. Die gleichen Rechte stehen auch Inseln zu, Art. 121 SRÜ. Da das SRÜ noch nicht in Kraft getreten ist, stellt sich die Frage, inwieweit diese Regelung als geltendes Gewohnheitsrecht bezeichnet werden kann. Einigkeit besteht heute darüber, daß eine vollständige Aufteilung der Meere in nationale Parzellen nicht erfolgen soll; damit ist das Ausbeutbarkeitskriterium des Art. 1 FSK 1958 endgültig überholt. Vielmehr ist im Zuge der Verhandlungen auf UNCLOS III ein dahin gehender Konsens deutlich geworden, daß der Tiefseeboden und seine natürlichen Reichtümer ein gemeinsames Erbe der Menschheit darstellen und nationaler Aneignung entzogen bleiben sollen?60 Darüber hinaus läßt sich jedoch kaum eine zuverlässige Aussage treffen. Eine Rezeption der höchst komplizierten261 , einen. diffizilen politischen Kompromiß zwischen den verschiedenen Interessengruppen 262 darstellenden Regelung des Art. 76 durch die Staatenpraxis ist jedenfalls (noch) nicht nachweisbar. 263 Sie kann deshalb allenfalls als eine Regel in statu nascendi bezeichnet werden. Allerdings ist die gewohnheitsrechtliche Geltung der 200 Seemeilen-Distanzregelung heute angedaß sich schätzungsweis 98 - 100% aller Kohlenwasserstoffvorräte auf bzw. in dem Kontinentalschelf diesseits der Außengrenze des Kontinentalrandes befinden; dabei liegen 80 bis 95% innerhalb einer Distanz von 200 sm vor der Küste und ca. 66% landwärts der 200 m-Tiefenlinie, Garrett, S. 420; Hafner, S. 28. 260 Umstritten ist dagegen, wie die Nutzung der Ressourcen erfolgen soll. Das in Art. 136 ff. SRÜ vorgesehene System der Nutzungsverwaltung durch eine internationale Meeresbodenbehörde ist in den Industriestaaten der westlichen Welt auf breite Ablehnung gestoßen und einer der entscheidenden Faktoren dafür, daß das SRÜ noch nicht in Kraft getreten ist; vgl. Brown, Marine Policy 1993, S. 81 ff. 261 Art. 76 Abs. 8 i.V.m. Annex II SRÜ sieht die Errichtung einer "Kommission zu Begrenzung des Festlandsockels" vor, die, mit Geologen und anderen Experten besetzt, den Staaten im Bedarfsfall bei der Festlegung der seewärtigen Grenzen - sofern der Festlandsockel über 200 sm hinausgeht- assistieren soll. Zur Interpretation des Art. 76 Abs. 1-7 vgl. McKelvey, S. 465 ff.; Brown, Sea-Bed Energy, S. 23 ff. 262 Den Staaten mit einem breiten Schelfgürtel, den sog. "margineers" (z.B. Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Indien, Neuseeland, Großbritannien, den USA und einigen westafrikanischen Ländern) standen die Binnen- und geographisch benachteiligten, aber auch viele andere Staaten (insbesondere die arabischen Staaten und die ehemalige UdSSR) mit der Ansicht gegenüber, die seewärtige Ausdehnung des Festlandsockels sollte wie die der Ausschließlichen Wirtschaftszone 200 sm nicht überschreiten.
263 Die Kriterien, auf welchen die Ansprüche der Küstenstaaten basieren, sind heute nach wie vor sehr unterschiedlich: 42 Staaten orientieren sich am kombinierten 200 m-Wassertiefen-/Ausbeutbarkeitskriterium, 21 Staaten am kombinierten 200 smDistanz-/Festlandrandkriterium, 6 Staaten ausschließlich am 200 sm-Distanzkriterium, 4 Staaten ausschließlich am Ausbeutbarkeitskriterium, 2 Staaten am kombinierten 200 sm Distanz-/100 sm-Distanz von der 2.500 m-Wassertiefenlinie-Kriterium, 1 Staat am kombinierten 200 sm-Distanz-/350 sm-Distanzkriterium und ebenfalls ein Staat ausschließlich am Festlandrandkriterium; vgl. Law of the Sea Bulletin No. 15, May 1990 (Stand: 31.12.1989).
2. Kapitel: Problernkonstellationen
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sichts der festen Etablierung des Regimes der Ausschließlichen Wirtschaftszone im allgemeinen Völkerrecht nicht mehr streitig. Demgegenüber kann eine opinio juris communis hinsichtlich derjenigen Bestimmungen, die bei Vorliegen bestimmter geomorphologischer Faktoren eine Ausdehnung des Festlandsockels über diese Entfernung hinaus ermöglichen und mit einer Abgabepflicht verbinden, nach Ansicht vieler Autoren nicht festgestellt werden. 264 bb) Die Abgrenzung von Festlandsockelanteilen zwischen benachbarten Staaten
Die Abgrenzung der Festlandsockelanteile und entsprechend der Ausschließlichen Wirtschaftszonen benachbarter Staaten gehörte zu den umstrittensten Fragen der Seerechtskonferenz.265 Hauptschwierigkeit war die konsensfähige Formulierung konkreter Kriterien, nach denen eine Abgrenzung erfolgen sollte, die allein dazu beigetragen hätte, die Zahl möglicher Konflikte zu verringern. Seit der Entscheidung des IGH in den Nordseefestlandsockelfällen waren Billigkeitsgrundsätze zu Lasten der traditionellen Äquidistanz- und Mittellinienprinzipien immer mehr in den Vordergrund gerückt. Dementsprechend waren auch die Verhandlungsdelegationen in zwei nahezu gleich starke Lager gespalten. In den ersten Entwürfen der Konvention266 fand sich deshalb eine Kompromißformulierung, die beide Prinzipien, allerdings mit einer Präferenz für die Billigkeit, vereinte; sie war nicht konsensfähig. Im Ergebnis wurde schließlich auf die ausdrückliche Nennung sowohl der traditionellen Konzepte als auch des Billigkeitsprinzips verzichtet und allein das Ziel vorgegeben. Art. 83 Abs. 1 (und entsprechend Art. 74 Abs. 1 für die Ausschließliche Wirtschaftszone) lautet nunmehr: "Die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Staaten mit gegenüberliegenden oder aneinander angrenzenden Küsten erfolgt durch Übereinkunft auf der Grundlage des Völkerrechts im Sinne des Artikels 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs, um eine der Billigkeit entsprechende Lösung zu erzielen."
Diese Regelung ist mit Recht fast durchweg als vollständiger Verzicht auf eine inhaltliche Lösung der Abgrenzungsfrage bezeichnet worden. 267 Tatsächlich 264 Bernhardt, Einfluß der Seerechtskonvention, S. 218; Hutchinson, S. 166 ff. m.w.N.; Vicufia, State Practice, S. 366; Colson, S. 42;Brown, Sea-Bed Energy, S. 34. 265 Das Konferenzdokument A/CONF. 62/62 vom 13. April1978 identifiziert sieben sog. "hard-core issues", für deren Lösung nach 1978 besondere negotiating groups eingesetzt wurden. Dazu zählte auch "Delimitation of marine boundaries between adjacent and opposite States and the Settlement of disputes thereor·, OR Bd IX, S. 18, Bd X, S. 6 ff.; vgl auch Brown, Marine Policy 1981, S. 179. 266 ISNT Teil II, Art. 61; RSNT Teil II, Art. 62; ICNT Art. 74; ICNT/Rev. 1, Art. 74; alle Vorentwürfe sind abgedruckt bei Platzöder, Documents, Bd I und II. 267 Der IGH äußerte: "In the new text, any indication of a specific criterion which could give guidance to the interested States in their effort to achieve an equitable solution
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1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
hat man sich hier auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, der angesichts der Polarisierung der Interessen zu finden war. Wenn auch aus diplomatischer Sicht als Erfolg zu werten ist, daß es überhaupt zu einer Einigung gekommen ist - was in der Tat nicht unterschätzt werden darf -, so ist das Ergebnis unter rechtlichen und methodischen Gesichtspunkten doch völlig unbefriedigend. Trotz der vielen territorialen Grenzen, die in den vergangenen Jahrhunderten überall auf der Welt gezogen werden mußten, gab es nie zuvor eine Zeit, in der so viele Grenzfragen einer Lösung bedurften wie gegen Ende des 20. Jahrhunderts; weniger als ein Drittel der Seegrenzen wurden bisher ausgehandelt. Angesichts der circa 130 Küstenstaaten und der verschiedenen maritimen Zonen, die durch das SRÜ kodifiziert bzw. neu geschaffen wurden, läßt sich errechnen, daß noch rund 300 internationale, häufig den Festlandsockel betreffende Abgrenzungsfälle - zumindest theoretisch - zur Lösung anstehen. Es soll allerdings nicht verkannt werden, daß die Schwierigkeit vieler benachbarter Staaten, sich auf einen Grenzverlauf zu einigen, nicht allein auf den mangelnden Abgrenzungsmethoden und -kriterien beruht, sondern entscheidend auch auf ungeklärten Vorfragen, die mit dem Abgrenzungsprozeß als solchem unmittelbar nichts zu tun haben. Dazu zählen in erster Linie die Inanspruchnahme historischer Rechte sowie die Existenz von Inseln, deren nationale Zugehörigkeit und/oder Bewohnbarkeie68 zwischen den Beteiligten streitig ist. Gleichwohl wäre es angesichts der geschilderten Herausforderung wünschenswert gewesen, UNCLOS ITI hätte einen konzeptionellen, auf die spezifischen Anforderungen der Festlegung von Seegrenzen zugeschnittenen Rahmen zu enthas been excluded", Continental Shelf (Tunisia!Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1982, S. 49, Ziff. 50; .,The Convention sets a goaltobe achieved, but is silent as to the method to be followed to achieve it. lt restricts itself to setting a Standard, and it is left to the States themselves, or to the courts, to endow this standard with specific content", Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 30 f., Ziff. 28. Ebenso Gündling, S. 310; Lagoni, AJIL 1984, S. 349; McDorman, S. 219; vgl. auch die Zusammenfassung kritischer generat statementsvon Delegierten auf UNCLOS III bei Jagota, S. 251 ff. Bei einigen Staaten stieß die Lösung auf strikte Ablehnung. Dazu zählten die Türkei und Venezuela, die aus diesem Grund im April 1982 gegen die Annahme der Konvention stimmten und sie im Dezember des gleichen Jahres auch nicht zeichneten. 268 Gern. Art. 121 Abs. 3 SRÜ haben nicht bewohnbare Inseln bzw. solche, die ein wirtschaftliches Eigenleben zu unterhalten nicht imstande sind, keinen Anspruch auf einen eigenen Festlandsockel oder eine Wirtschaftszone. Die Staaten sind deshalb in einigen Fällen bereits dazu übergegangen, unbewohnbare Felsen im Meer unter Aufwendung immenser Mittel in einer Weise zu befestigen, die es ihnen erlaubt, diese Zonen zu beanspruchen. So beabsichtigt z.B. Japan, die .,Insel" Okinotorishima in den nächsten Jahren mit 30 Mrd. Yen (knapp 400 Mill. DM) auszubauen und jedenfalls einen Kranz aus Beton- und Stahlbefestigungen anzulegen, u.U. auch einen unbemannten Leuchtturm und eine Funkstation zu erlebten, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Juni 1988.
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wickeln vermocht. Zwar stellen Johnston/Saunderi69 mit Recht fest, daß die Flexibilität der Staaten bei ihren Verhandlungen und der Abfassung des Vertrages erhalten wurde, dies jedoch auf Kosten von Rec;htssicherheit und Vorhersehbarkeit. Die Folge bilden eine anhaltende Flut ungelöster Abgrenzungsstreitigkeiten270 sowie die Verzögerung bereits aufgenommener Verhandlungen. Gravierender noch wiegt jedoch ein zweiter Aspekt: Das Versagen der Delegierten, die Frage der Grenzfestlegung in Beziehung zu der Frage der Ressourcennutzung im Grenzbereich zu setzen, obwohlletztere das eigentliche Ziel der Staaten darstellt. Hier muß deshalb die Kritik an dem Vorgehen der Staaten auf der Konferenz ansetzen, die Szekely wie folgt fonnuliert hat: "States seem to have followed the more selfish approach of creeping jurisdiction, and during the negotiations they camouflaged their greed for resources with the costume of the rules of delimitation tobe agreed on". 271
Jede Delegation versuchte durch ihre Vorschläge zur Grenzziehung, ihre konkreten, nationalen Interessen durchzusetzen272 und einen möglichst großen Anteil der Rohstoffvorkommen auf ihre Seite einer potentiellen Grenze zu bekommen. Die Ideen der Kooperation und gerechten Teilung vorhandener Reserven traten dahinter zurück. Dadurch ging die vielleicht einmalige Chance verloren, für Räume, die souveränen Rechten einzelner Staaten unterliegen, ein Konzept zu entwickeln, das die Problematik der Distribution von Ressourcen bzw. der Nut~ zungsrechte an ihnen selbstständig zu bewältigen imstande gewesen wäre und das gleichwertig neben dem zur Grenzziehung gestanden hätte. Ein Anliegen und Ziel der vorliegenden Arbeit ist es jedoch gerade zu verdeutlichen, daß eine Verbindung von Regeln zur Grenzziehung mit solchen zur Nutzung von Ressourcen in Grenzgebieten bzw. in Zonen sich überlappender Gebietsansprüchen eben wegen der Existenz von Fallkonstellationen, in denen das herkömmliche Instrumentarium der Souveränität bzw. der sourveränen Rechte versagt, sinnvoll gewesen wäre.
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s. 4.
Nur die allerwenigsten davon schweben vor internationalen Streitbeilegungsforen; vgl. insbes. Maritime Deiimitation between Guinea-Bissau and Senegal (Guinea-Bissau v. Senegal), I.C.J. Yearbook46 (1991-1992), S. 181 f. 271 Nat.Res.J. 1986, S. 741. 272 Hier wird der Unterschied zwischen den Kodifikationskonferenzen im klassischen Sinne und einer Reformkonferenz wie z.B. der Dritten Seerechtskonferenz deutlich: Letztere wurde nicht von einem das Gesamtinteresse im Vordergrund sehenden Gremium juristischer Experten wie der ILC weitestgehend vorbereitet, sondern Regierungsvertreter selbst versuchten vom Standpunkt ihrer partikulären, oft widersprüchlichen Interessen aus, ein Vertragswerk zu formulieren, das für alle Staaten annehmbar sein sollte, vgl. Gündling, S. 9 ff. 270
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Allein die Regelung des jeweiligen Abs. 3 der Art. 74 und 83 SRÜ deutet an, daß es um mehr geht als die bloße Trennung zweier Jurisdiktionsbereiche. Sie verpflichtet die Vertragsparteien in ihrem ersten Teil, sich um den Abschluß von ,,Abkommen praktischer Natur"- diese betreffen auch und sogar in erster Linie die Nutzung von Ressourcen - für die Übergangszeit bis zur abschließenden Deiimitation zu bemühen. Zusätzlich enthält sie die Vorschrift, daß die betroffenen Staaten das Zustandekommen eines die konkurrierenden Ansprüche auf bestimmte Festlandsockelanteile regelnden Übereinkommens nicht gefährden oder behindern sollen. Auf beide Bestimmungen wird noch ausführlich einzugehen sein.273 Die Frage, ob Art. 83 Abs. 1 gewohnheitsrechtliche Bedeutung besitzt, würde angesichts seiner Formulierung einen Zirkelschluß darstellen und erübrigt sich somit. Denn, wie oben ausgeführt, bietet die Konvention selbst keine Lösung, sondern verweist ihrerseits auf denjeweiligen Stand des Völkerrechts, so wie er in den in Art. 38 IGH-Statut genannten Rechtsquellen - das heißt auch dem Gewohnheitsrecht- zum Ausdruck kommt.274 Zwei Aussagen lassen sich jedoch treffen: Die erste folgt aus einem Vergleich der Formulierung des Konventionstextes mit derjenigen des Art. 6 FSK 1958. Im Unterschied zu Art. 6 soll die Abgrenzung nach der Konvention ausschließlich durch Abkommen erfolgen275 ; Art. 83 enthält keine konkrete, subsidiär eingreifende Regelung - weder Äquidistanz- oder Mittellinien- noch ein anderes Prinzip- mehr. Insofern entsprechen sich Vertragsund Gewohnheitsrecht: Keine Grenzlinie ohne einvernehmlich erzielte Vertragslösung.276 273 Siehe unten in diesem Kap. III 1 b aa und im 3. Teil, 3. Kap. B I 1 b. 274 Gleiches folgt bereits aus der Präambel, wo es heißt, daß für Fragen, die nicht in diesem Übereinkommen geregelt sind, weiterhin die Regeln und Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts gelten. 275 Ist ein Abkommen innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne nicht zu erreichen, werden die Parteien den Streitschlichtungsmechanismen des Teiles XV des SRÜ unterworfen. Gemäß Art. 298 Abs. 1 (a) SRÜ können Grenzstreitigkeiten allerdings von der obligatorischen Streitschlichtung ausgenommen werden. 276 Zu Beginn der 7. Session im Frühjahr 1978 wurde von der Konferenz die Negotiating Group 7 für den Bereich "Delimitation of maritime boundaries between adjacent and opposite States and settlement of disputes thereon" eingesetzt. Ihr Vorsitzender, Richter Manner, führte 1980 auf dem 5. Internationalen Ozean-Symposium in Tokyo aus: "The proposed provision that the delirnitation should be affected by agreement, which originates from the 1958 Convention on the Continental Shelf, is as such a procedural rule, but, depending on its forrnulation, it may express the principle that every (new) delimitation must be an agreed delimitation, and consequentely, that neither the equidistance line, nor any other line not effected by agreement (or by other settlement), can be substituted for an agreed delimitation. This kind of provision concerning the obligation to conclude an agreement has not been disputed and may therefore be regarded as generally acceptable", S. 11.
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Die zweite folgt aus einer Analyse der Entscheidungen internationaler Foren in Abgrenzungstreitigkeiten, die zeitlich auf die Verabschiedung der SRÜ folgten bzw. parallel zu den Verhandlungen gefällt wurden. Dies waren bekanntlich vier Urteile des IGH 277 und zwei Sprüche internationaler Schiedsgerichte278 • In allen Fällen kam das Gericht zu dem Ergebnis, daß unter Beachtung, Bewertung und Abwägung aller relevanten Umstände ein gerechtes Ergebnis gefunden werden müsse. Im Grenzstreit zwischen den USA und Kanada, dem Gulf of MaineFall, formulierte der BGH diese fundamental norm wie folgt: "(2) In either case, delimitation is to be affected by the application of equitable criteria and by the use of practical methods capable of ensuring, with regard to the geograghic configuration of the area and other relevant circumstances, an equitable result." 79
Auch im Hinblick auf das materielle Ziel des Grenzfestlegungsprozesses entsprechen sich also Gewohnheitsrecht und SRÜ. Die entscheidende Frage bleibt damit, welche Faktoren in diesem Sinne relevant, nämlich geeignet sind, ein gerechtes Ergebnis herbeizuführen. Anzuerkennen sind hier mit dem IGH insbesondere der geographische Kontext - das Vorhandensein von Inseln, die Länge und die allgemeine Konfiguration der Küste sowie die Proportionalität -, sicherheitspolizeiliche Erwägungen und das (Vor-)Verhalten der Parteien. Diese Umstände sind bei jeder Grenzziehung zu berücksichtigen.280 Zu den Kriterien, die vom IGH insbesondere in seinen beiden Urteilen aus den Jahren 1984 und 1985 als grundsätzlich, also nicht nur im 277 Contineotal Shelf (Tunesia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgrnent, I.C.J. Reports 1982, S. 18; Deiimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area, Judgment, I.C.J. Reports 1984, S. 246; Contineotal Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 13; Maritime Deiimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen (Denmark v. Norway), Judgment, I.C.J. Communique No. 93114 vom 14. Juni 1993. 278 Tribunal Arbitral pour 1a delimitation de Ia frontieremaritime Guinee/Guinee-Bissau, Sentence du 14 Fevrier 1985, RGDIP 89 (1985), S. 454; eine nicht offizielle englische Übersetzung findet sich in ILM 25 ( 1986), S, 251; Court of Arbitration for the Deiimitation of Maritime Areas between Canada and France: Decision in the Case Concerning Delimitation of Maritime Areas (St. Pierre and Miquelon), June 10, 1992, ILM 31 (1992), s. 1145. 279 Deiimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area, Judgment, I.C.J. Reports 1984, S. 300, Ziff. 112; ebenso im Fall Contineotal Shelf (Tunesia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1982, S. 59, Ziff. 70. Vgl. auch Richter Mosler, der in seiner dissenring opinion zum Festlandsockelfall zwischen Malta und Lybien resümiert: "Forty years of development of intemationallaw regarding the delimitation of maritime areas ... have not yet brought more concrete legal principles and rules on this matter than the maxim that delimitation is to be effected in accordance with equitable principles and taking account of allrelevant circumstances, so as to arrive at an equitable result", I.C.J. Reports 1985, S. 114. 280 Ausführlich Weil, S. 208 ff.; Heintschel von Heinegg, S. 227 ff.
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konkreten Einzelfall, mit dem Festlandsockelregime nicht vereinbar verworfen wurden und auf die sich die Staaten zur Rechtfertigung ihrer Ansprüche gegenüber ihren Nachbarn deshalb nicht berufen können, zählen insbesondere wirtschaftliche Überlegungen, die Berücksichtigung der Landmasse hinter der Küste, die Gleichheit der Staaten und der Gesichtspunkt der "distributive justice"; ebenso ist es den Staaten untersagt, "to refashion nature", indem sie geographische Merkmale in bestimmter, unzulässiger Weise interpretieren. Festzuhalten ist schließlich, daß ungeachtet des eindeutigen Wortlauts des Art. 76 Abs. 10 SRÜ, wonach die Bestimmungen zur Definition und damit zur seewärtigen Begrenzung des Festlandsockels die Abgrenzung der Festlandsockelanteile zwischen benachbarten Staaten nicht beeinflussen sollen, ein direkter Zusammenhang zwischen dem Problem der seewärtigen und dem der seitlichen Begrenzung des Schelfs besteht. Da weder Völkergewohnheits- noch -Vertragsrecht Allgemeingültigkeit zukommende Kriterien zur Festlegung von zwischenstaatlichen Grenzlinien auf dem Kontinentalschelf nennen, steht allein fest, daß auf dem Verhandlungswege, gegebenfalls mit Hilfe von Streitschlichtungsinstanzen, ein gerechtes Ergebnis erzielt werden soll. Insofern gewinnt die Frage an Gewicht, wie die äußeren Schelfgrenzen definiert sind, was einem Staat also "eigentlich" zustünde, besäße er keine Nachbarn. Und es ist in der Tat das duale System des Art. 76 SRÜ- die Verbindung des traditionellen Konzepts basierend auf geomorphologischen Faktoren mit dem neuen Konzept basierend allein auf der Distanz -, welches bei der Festlegung der Seegrenzen zwischen zwei Staaten zusätzliche Probleme aufwirft. Die Schwierigkeiten werden virulent, wenn wie es zum Beispiel beim sogenannten Timor-Gap zwischen Australien und Indonesien281 der Fall war - gegenüberliegende Staaten durch ungleich große Festlandsockel getrennt werden und ein Staat (im Beispiel: Australien mit einem breiten Schelfgürtel) seine Ansprüche mit den geomorphologischen Gegebenheiten begründet, der andere (im Beispiel: Indonesien mit einem schmalen Festlandsockel im geologischen Sinne) die seinen auf die Distanz stützt. Da die Distanz allein ebenfalls als Basis für die Ausübung nationaler Jurisdiktion anerkannt ist, gehen der IGH und mit ihm viele Vertreter der völkerrechtlichen Doktrin in Abkehrung von den Nordseeurteilen bereits so weit zu behaupten, das Entfernungsprinzip schließe innerhalb der 200 Seemeilen-Grenze jede Bedeutung der geologischen Faktoren aus?82 Als Folge, so wird zum Teil argumen281 Der Abgrenzungsstreit zwischen Australien und Indonesien wurde 1989 durch den Abschluß eines Joint Development-Abkommen beigelegt, dazu unten im 2. Teil, 3. Kap. B II 2 e.
282 "The court however considers that since the development of the law enables a State to claim that the continental shelf appertaining to it extends up to as far as 200 miles from its coast, whatever the geological characteristics of the corresponding sea-bed and subsoil, there is no reason to ascribe any role to geological or geophysical factors within that distance either in verifying the legal title of the States concerned or in
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tiert, setze sich in Fällen, in denen weniger als 400 sm zwischen gegenüberliegende Küsten liegen, zwingend das Mittellinienprinzip durch 283 ; entsprechendes gelte für aneinander angrenzende Staaten und das Äquidistanzprinzip284 • Derartig weitreichende Konsequenzen hat der IGH allerdings gerade nicht gezogen. 285 Zwar hat er schon im Abgrenzungsfall zwischen Libyen und Malta im Jahre 1985 in einem ersten Schritt die Mittellinie als provisorische Festlandsockelgrenze festgestellt, er hat diese dann jedoch im zweiten Schritt entsprechend den Umständen des Einzelfalls korrigiert. 286 Auch in der Lehre wird einer automatischen Anwendung des Mittellinien-/ Äquidistanzprinzips vor allem für die Fälle widersprochen, in denen sich einer der beiden Staaten darauf beruft, das umstrittene Gebiet sei die natürliche Fortsetzung seines Territoriums unter dem proceeding to a delimitation as between their claims. This is especially clear where verification of the validity of title is concemed, since, at least in so far as those areas are situated at a distance of under 200 miles from the coast in question, title depends solely on the distance from the coast of the claimant States or any areas of sea-bed claimed by way of continental shelf, and the geological or geomorphological characteristics of those areas are completely immaterial", Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 35, Ziff. 39. Wohlgemerkt bezieht sich der IGH hieranders als noch im Abgrenzungsstreit zwischen Tunesien und Libyen, I.C.J. Reports 1982, S. 48, Ziff. 48- auf Völkergewohnheitsrecht, nicht lediglich auf das SRÜ. Richter Oda geht in seiner dissenting opinion in diesem Fall sogar noch über die Mehrheitsentscheidung hinaus und führt aus: "( ...) to say that 'the concepts of natural prolongation and distance (...) are complementary' and that both remain 'essential elements' is surely, at least within the 200-rnile context, no more than a method ofkeeping 'natural prolongation' alive by artificial respiration", S. 128, Ziff. 6. Vgl. zu diesem neuen Ansatz des IGH auch Weil, S. 191 ff.; Nelson, ILA-Report 1986, S. 334 ff. In der Staatenpraxis scheint den geomorphologischen Besonderheiten ebenfalls immer geringeres Gewicht beigemessen zu werden, vgl. hierzu den Überblick bei Nelson, AJIL 1990, S. 847 f.; Brown, Sea-Bed Energy, S. 329 f. 283 Vgl. z.B. Heintschel von Heinegg, S. 249 ff. 284 Auf dieser Linie argumentierte Kanada im Gulf of Maine-Fall, I.C.J. Reports 1984, S. 297, Ziff. 106. 285 Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 37, Ziff. 43. Der IGH wies auch die Argumentation Kanadas im Gulf of Maine-Fal1 zurück und bezeichnete sie als einen weiteren, nicht überzeugenden Versuch, das Äquidistanzprinzip als bindenden Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts darzustellen, während es in Wahrheit allein eine praktische Methode sei, die zur Abgrenzung herangezogen werden könne, I.C.J. Reports 1984, S. 297, Ziff. 106. Allerdings wählte das Gericht bezogen auf das 2. Segment der Grenzlinie die Mittellinie zum Ausgangspunkt und modifizierte bzw. korrigierte sie aufgrundder geographischen Besonderheiten (ähnlich wie es dies später im Streit zwischen Libyen und Malta und zwischen Dänemark und Norwegen tun sollte), um ein gerechtes Ergebnis zu erzielen, S. 334 ff., Ziff. 216 ff. 286 I.C.J. Reports 1985, S. 48 ff., Ziff. 64 ff. Ähnlich ist der IGH offenbar (die vollen Urteilsgründe lagen bei Abschluß des Manuskripts noch nicht vor) im Abgrenzungsstreit um Jan Mayen zwischen Norwegen und Dänemark vorgegangen, I.C.J. Communique No. 93/14 7 Flomumn-Pfaff
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Wasser. 287 Aus der Entstehungsgeschichte des Schelfkonzeptes und aus der Tatsache, daß auf die Geomorphologie in der Definition des Art. 76 Abs. I SRÜ an erster Stelle Bezug genommen werde, folge, daß diese auch weiterhin die primäre Basis für Ansprüche auf Schelfgebiete sei. 288 3. Konsequenzen für die Wohlbegründetheil der staatlichen Ansprüche
Auf die oben angesprochene Problematik zurückkommend, Voraussetzung für overlapping claims seien zwei oder mehr Ansprüche mit einer vom geltenden Seevölkerrecht anerkannten Grundlage, läßt sich angesichts der Mehrzahl vertretener und mit guten Argumenten vertretbarer, wenn auch zum Teil widersprüchlicher Ansichten feststellen, daß heute sowohl die Doktrin der natürlichen Verlängerung als auch das Entfernungsprinzip anspruchsbegründenden Charakter besitzen. Hieraus folgt, daß die Staaten rechtlich nicht gehindert sind, ihre claims über die Äquidistanz- bzw. Mittellinie hinaus "abzustecken". Sodann vermögen bestimmte Umstände Rechte zu modifizieren, vor allem zu begrenzen. Sie werden aber nicht im Zusammenhang mit der Frage nach der Anspruchsgrundlage im geltenden Recht, sondern erst bei einer - zeitlich nachfolgenden - Abgrenzung von Festlandsockelanteilen zwischen benachbarten Staaten relevant. Insgesamt gesehen steht den Staaten also bei der Geltendmachung von Ansprüchen ein weiter Spielraum zu. Pointiert kann deshalb formuliert werden, daß jeder Staat, der ein Seegebiet gern unter seine Jurisdiktion bringen würde, für seine dahingehenden Ansprüche - in den soeben genannten Grenzen - auch eine Grundlage im Völkerrecht findet. Die Voraussetzung der sogenannten valid claims trägt somit insgesamt weniger dazu bei, die Anzahl möglicher Gebiete mit sich überlappenden Ansprüchen und damit unter Umständen die der Abgrenzungskonflikte zu verringern, als vielmehr die Beschränkungen hinsichtlich einseitiger Forschungs-, Explorations- und Ausbeutungsaktivitäten zu legitimieren, die im folgenden herauszuarbeiten sein werden.
287 Willheim, Maritime Studies 1987, S. 5 ff. Auch Nelson, AJIL 1990, S. 845, 853, weist mit Recht noch einmal nachdrucklieh darauf hin, daß das Äquidistanz-/Mittellinienprinzip auf UNCLOS III gerade nicht konsensfähig war. 288 Schließlich wird auch die Ansicht vertreten, Distanzprinzip und Prinzip der natürlichen Verlängerung stünden gleichwertig nebeneinander."Il y a ainsi deux regles entre Iesquelle il n'y a ni priorite ni hierachie.", Tribunal Arbitral pour la delimitation de Ia frontieremaritime Guinee/Guinee-Bissau, RGDIP 89 (1985), S. 530, Ziff. ll6; inoweit hat die Frage der seewärtigen Begrenzung des Festlandsockels keinen Einfluß auf die seitliche Abgrenzung gegenüber Nachbarn.
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111. Zur Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten
Vor dem geschilderten Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie es zu bewerten ist, wenn ein Staat, der einen bestimmten Teil des Festlandsockels nach Treu und Glauben wirksam beanspruchen kann, die natürlichen Ressourcen in diesem Gebiet nutzen möchte und zu diesem Zweck eine Konzession oder eine andere Art der Erlaubnis an ein Förderunternehmen erteilt, das dann entsprechend dem Inhalt der ihm erteilten Lizenz mit der geophysikalischen Prospektion289 beginnt, Aufschlußbohrungen290 niederbringt, zur Förderung der Rohstoffe notwendige feste Installationen errichtet oder sogar Produktionsbohrungen abteuft und die Rohstoffe fördert. Es erscheint problematisch, ob diese Aktivitäten angesichts der Tatsache von overlapping claims zulässig sind. Wie bei den grenzüberschreitenden Lagerstätten soll auch hier davon ausgegangen werden, daß es zwischen den Nachbarstaaten, welche konkurrierende Ansprüche bezüglich des in Frage stehenden Gebietes geltend machen 291 , (noch) zu keiner Kontaktaufnahme gekommen ist, das heißt, hinsichtlich der Maßnahmen zwischen den Parteien keine Absprachen stattgefunden haben.292 Eine Differenzierung zwischen festen und flüssigen bzw. gasförmigen Stoffen, wie sie oben im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Lagerstätten vorgenommen werden mußte, erübrigt sich an dieser Stelle insofern, als der Aggregatzustand der Rohstoffe hier erkennbar nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Rechtslage zu führen vermag.
289 Mit geophysikalischen Methoden wie magnetischen, seismischen und Schweremessungen kann die Mächtigkeit von Sedimenten und die Form von im Untergrund verborgenen Strukturen, in denen sich Öl angesammelt hat, bestimmt werden, Das Buch vom Erdöl, S. 29 ff. 290 Sie dienen der Erschließung vorher geologisch und geophysikalisch untersuchter Strukturen, in denen Erdöl oder Erdgas vermutet wird, deren Vorhandensein jedoch erst durch die Bohrung nachgewiesen werden kann, Das Buch vom Erdöl, S. 47 ff. 291 Dies können zwei, aber auch mehr Staaten sein. Zum Beispiel werden Teile des Golfs von Thailand von Kambodscha, Vietnam, Malaysia und Indonesien beansprucht, Buchholz, S. 55, und im Hatton-Rockaii-Gebiet konkurrieren die Ansprüche Irlands, Dänemarks (für die Faroer Inseln), Großbritanniens und Islands, Symmons, Int'l & Comp.L.Q. 1986, S. 347 ff. Die folgenden Untersuchungen und ihre Ergebnisse gelten deshalb entsprechend für die Sachverhalte, in denen mehr als zwei benachbarte Staaten wohlbegründete Anspruche auf ein Gebiet geltend machen können. 292 Ob eine völkerrechtliche Pflicht zu Kontaktaufnahme und Verhandlungen besteht und welche Folgen sich hieran eventuell knüpfen, verlangt eine eigenständige, tiefgehende Untersuchung, die vorliegend aus Gründen der Übersichtlichkeit einem gesonderten Teil vorbehalten bleiben soll; vgl. dazu unten im 3. Teil, 3. Kap. B I.
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1. Das Verbot der Rohstoffgewinnung und anderer Maßnahmen mit nicht nur vorübergehendem Charakter
Unter zwei Gesichtspunkten ist es vorstellbar, daß die in der Überschrift genannten, einseitigen, ressourcenbezogenen Maßnahmen völkerrechtswidrig sind: Einmal könnten sie souveräne Rechte des jeweiligen Nachbarstaates verletzen, zum anderen könnten sie den Prozeß einer friedlichen Einigung über den endgültigen Grenzverlauf auf dem Festlandsockel gefährden. Beide Möglichkeiten sollen in den folgenden Abschnitten untersucht werden. a) Ressourcenbezogene Arbeiten als Verletzung souveräner Rechte Wiederum sind zwei Fälle denkbar, in denen nicht-konsentierte Maßnahmen die souveränen Rechte eines Staates mit konkurrierenden Ansprüchen verletzen, sie mithin einen Verstoß gegen Art. 77 Abs. 1 SRÜ bzw. das gleichlautende Gewohnheitsrecht darstellen und aus diesem Grund nicht durchgeführt werden dürfen. 1. Das Gebiet, in welchem ein Staat A Ressourcen aufsuchen und fördern möchte, unterliegt schon vor der Teilung den exklusiven souveränen Rechten nur eines, nämlich desjenigen Staates - entweder Staat A oder Staat B - dem es zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem die Parteien diesbezügliche Verhandlungen abgeschlossen haben oder im Anschluß an das Urteil eines von den Streitparteien gemeinsam angerufenen internationalen (Schieds-)Gerichts, zugesprochen wird. Ist dies Staat B, so würde die Durchführung der von Staat A in Aussicht genommenen Aktivitäten souveräne Rechte des Nachbarn B verletzen; sie wären deshalb zu unterlassen. Hier offenbart sich ein Dilemma, denn die Verletzung souveräner Rechte hängt vom Bestehen oder Nichtbestehen bzw. vom Ausmaß derjenigen Parteirechte ab, die gerade zwischen den Beteiligten streitig sind; dieses Dilemma ist aus dem innerstaatlichen und dem Völkerrecht jedoch hinlänglich bekannt. 293 Sind zum Beispiel die Eigentumsverhältnisse an einem Auto, welches C gerne fahren würde, zwischen ihm und D streitig, so hängt die Frage der Nutzungsberechtigung sowie der Eigentumsverletzung in dem Fall, daß C das Auto dennoch fährt, ebenfalls von der ungeklärten Eigentumslage ab. Ein Unterschied könnte jedoch darin bestehen, daß im Beispiel jeder Rechtskundige C darüber Auskunft geben kann, ob er zur Nutzung des Wagens befugt ist, denn die Eigentumslage ist durch die geltende nationale Rechtsordnung determiniert und deshalb - nötigenfalls durch ein Gericht - unproblematisch 293 Zum vergleichbaren Problem beim Erlaß vorsorglicher Maßnahmen i.S.v. Art. 41 IGH-Statut siehe Magiera, S. 266.
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feststellbar. Ebenso würde eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht konsentierter Bergbaumaßnahmen auf einem ungeteilten Festlandsockel voraussetzen, daß eine Bewertung der Parteirechte vor einer einvernehmlichen Grenzziehung nicht nur praktisch durchführbar, sondern - in erster Linie - rechtlich überhaupt möglich ist. Es fragt sich deshalb, ob auch die Hoheitsverhältnisse an einem Gebiet mit overlapping claims schon vor dem Akt der Teilung in dieser Weise durch das Völkervertrags- bzw. -gewohnheitsrecht festgelegt sind, oder ob eine solche Festlegung nicht vielmehr erst durch die Grenzziehung selbst erfolgt. 2. Die Staaten besitzen über einen Teil oder auch über das gesamte Schelfgebiet, in welchem sich ihre Ansprüche überschneiden, vorläufig gleichgerichtete und gleichwertige (funktional begrenzte) Souveranitätsansprüche. Auch in diesem Fall ist es zumindest denkbar, wenn auch nicht so offenkundig wie eben unter erstens, daß die einseitige Aufnahme ressourcenbezogener Maßnahmen eine Souveränitätsverletzung des jeweils anderen Staates darstellen könnte. Um beurteilen zu können, ob eine der beiden dargestellten Alternativen vorliegt und, bejahendenfalls, welche, ist also zunächst der Rechtsstatus des ungeteilten Festlandsockels zu klären. Eine Souveräntitätsverletzung könnte allein unter der Prämisse von vornherein ausgeschieden werden, daß das Gebiet der überlappenden Gebietsansprüche keiner Jurisdiktion untersteht, also eine Artres communis darstellt, auf welche die am Konflikt beteiligten Staaten lediglich ein wie auch immer geartetes Anwartschaftsrecht für die Zeit nach der Teilung besitzen. Diese Möglichkeit ist jedoch rein hypothetischer Natur. Die souveränen Rechte des Küstenstaates bestehen gerade unabhängig von Besitzergreifung und ausdrücklicher Erklärung, so daß sich nicht begründen ließe, warum die Tatsache der overlapping claims zum Wegfall aller Rechte führen sollte. 294 Auch die Beteiligten vertreten die Auffassung, wonach sie in Gebieten, in denen sich ihre Ansprüche überschneiden, souveräne Rechte zu besitzen -dies schon deshalb, um Ansprüchen und störenden Handlungen Dritter von Anfang an und wirksam entgegen treten zu können. Die in der Staatengemeinschaft vorherrschende Rechtsauffassung äußerte sich in besonderem Maße in dem Ringen der Delegationen auf UNCLOS III um eine konsensfahige Formulierung sogenannter ,Jnterim measures"; dies sind Regeln, welche die Nutzung der umstrittenen Gebiete oder jedenfalls eines Teiles davon während der Übergangszeit bis zur Ziehung einer Grenzlinie ermöglichen. Hin294 Insofern unterscheiden sich overlapping claims auf dem Festlandsockel von sog. "white zones" innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone. Bei den "white zones" handelt es sich um solche Seegebiete, die zwischen benachbarten Staatt.• umstritten sind, über die sie ihre Jurisdiktion aber nicht ausdrücklich ausgedehnt haben, obwohl ein solcher Akt hier konstitutiv wirkt und zur Erlangung souveräner Rechte in der Wirtschaftszone erforderlich ist; damit bleibt es gegenüber Dritten bei der Anwendbarkeit des Hohe See-Regimes, vgl. Lagoni, ILA-Report 1992, S. 23 Ziff. 60.
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sichtlich der Notwendigkeit solcher Zwischenlösungen, die heute Bestandteil des bereits erwähnten Art. 83 Abs. 3 SRÜ sind, bestand eine breiter Konsens.Z95 Im folgenden ist somit zu klären, ob der Festlandsockel im Bereich sich überschneidender Gebietsansprüche theoretisch bereits in zwei nationaler Hoheitsgewalt unterfallende Zonen geteilt ist, oder ob beide beteiligten Staaten die gleichen souveränen Rechte über ihn besitzen. In einem zweiten Schritt werden dann einseitige Maßnahmen im Lichte der gewonnenen Ergebnisse zu bewerten und die Frage nach ihrer Rechtmäßigkeit abschließend zu beantworten sein.
aa) Der Rechtsstatus des Festlandsockels im Bereich von "overlapping claims" In der völkerrechtlichen Doktrin sowie vom IGH wurde hierzu direkt, soweit ersichtlich, noch nicht Stellung genommen. Entsprechend den eben genannten Möglichkeiten ist die Rechtslage unterschiedlich vorstellbar. Es ist einmal denkbar, daß der Festlandsockel ebensowenig wie durch einseitige Erklärung oder Okkupation erst infolge einer abschließenden staatlichen Einigung unter die Jurisdiktion des Küstenstaates fällt, daß er diesem vielmehr von Anfang an, das heißt auch bereits vor der Grenzziehung zusteht, und zwar in den Grenzen, welche der Abgrenzungsprozeß später ergibt. Die Ausführungen des IGH in den Nordseefestlandsockelfällen scheinen darauf hinzudeuten, daß das Gericht diese Ansicht vertritt. Es definierte dort mit Blick auf die deutsche Forderung nach einem "gerechten und fairen Anteil" seine essentielle Aufgabe als in der Abgrenzung, nicht der Zuteilung der betreffenden Gebiete oder ihrer Aufteilung in konvergierende Sektoren bestehend. Sodann fuhr es fort: "Delimitation is a process which involves establishing the boundaries of an area already, in principle, appertaining to the Coastal State and not the determination de novo of such an area. Deiimitation in an equitable manner is one thing, but not the same thing as awarding a just and equitable share of a previously undelimited area. (...) for the fundamental concept involved does not admit of there being anything undivided to share out."296
Der genaue Grenzverlauf ist danach nicht nur seewärtig sondern auch seitlich bereits durch bestimmte rechtlich relevante Faktoren determiniert. Vor Gericht ist er allein Gegenstand der Erkenntnis; seine Festlegung in einem internationalen Vertrag hat nur noch rechtsbestätigenden Charakter. Die Prämisse dieser Ansicht besteht darin, daß es für die seitliche Abgrenzung konkrete oder jedenfalls im Einzelfall konkretisierbare Prinzipien gibt, die von
295
296
20.
Adede, S. 233, 246; vgl. im übrigen unten im 3. Teil, 3. Kap. B I l b. North Sea Contineotal Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 22, Ziff. 18 und
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den Parteien oder einem Gericht angewendet werden müssen. Dem steht zunächst die bekannte Aussage des Gerichts selbst entgegen, wonach "there is no Iegallimit to the considerations which States may take account of for the purpose of making sure that they apply equitable procedures. " 297 Der scheinbare Widerspruch löst sich jedoch auf: Der IGH konkretisiert die .,considerations" an späterer Stelle doch, und zwar im Hinblick auf das Ziel, dem sie dienen sollen, nämlich "to leave as much as possible to each Party all those parts of the continental shelf that constitute a natural prolongation of its land territory into and under the sea, without enchroachment on the natural prolongation of the land territory of the other;"298 Im übrigen bezieht das Gericht sich hier allein auf diejenigen Überlegungen, welche die Staaten bei den Verhandlungen - vielfach im Rahmen eines package deals - zur einvernehmlichen Grenzziehung berücksichtigen können; dies sagt nichts darüber, ob alle denkbaren Umstände auch tatsächlich relevant wären, wenn das Gericht selbst sie beurteilen und die Grenzziehung vornehmen sollte. Auch nach den innerstaatlichen Rechtsordnungen können die Parteien eines Rechtsstreites zum Beispiel im Wege eines Vergleichs in den Grenzen des zwingenden Rechts über den Streitgegenstand unabhängig von der .,eigentlichen" Rechtslage disponieren. Gleiches steht den Staaten selbstverständlich auch nach Völkerrecht frei. Dies schließt die Existenz dieser .,eigentlichen" Rechtslage, an die ein Gericht bei seiner Entscheidung gebunden wäre, jedoch nicht aus.299
Nach Auffassung des IGH, wie sie in den Nordseefestlandsockelurteilen Ausdruck fand, scheint es also bestimmte, auf dem Schelfkonzept basierende Kriterien zu geben, die, wenn sie auch keine Allgemeingültigkeit beanspruchen, das heißt den Grenzverlauf nicht für alle Fälle gleichermaßen determinieren können, doch im Einzelfall konkretisierbar und keinesfalls willkürlich sind. Wäre aber- jedenfalls theoretisch - bereits vor einer Abgrenzung ein bestimmter Teil des Festlandsockels einem bestimmten Küstenstaat zugeordnet, so folgte daraus als logische Konsequenz, daß einseitige, mit dem Ziel der Ressourcennutzung ausge-
ibid., S. 50, Ziff. 93. ibid., S. 53, Ziff. 101, lit. C. 1. 299 Gerade zu diesem Punkt hat der IGH in seinem bislang letzten Abgrenzungsurteil festgestellt: "Yet although there may be no Iegallimit to the considerations which States may take account of, this can hardly be true for a court applying equitable procedures. For a court, although there is assuredly no closed !ist of considerations, it is evident that only those that are pertinent to the institution of the continental shelf as it has developed within the law, and to the application of equitable principles to its delimitation, will qualify for inclusion. Otherwise, the legal concept of continental shelf could itself be fundamentally changed by the introduction of considerations strange to its nature", Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, I.C.J. Reports 1985, S. 40, Ziff. 297 298
48.
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führte Maßnahmen durch den - wie nach der Abgrenzung schließlich erkannt dazu nicht Legitimierten die souveränen Rechte des Nachbarstaates verletzen. Eben dieses Ergebnis hat wiederum der IGH vertreten. In seinem ablehnenden Beschluß zum Erlaß vorsorglicher Maßnahmen im Abgrenzungsstreit in der Ägäis zwischen Griechenland und der Türkei 300 hat der Gerichtshof zunächst bestätigt, daß die Suche nach Rohstoffen auf dem Festlandsockel durch einen anderen als den Küstenstaat dessen souveräne Rechte verletze und ist sodann fortgefahren: "in the event that the Court should uphold Greece's claims on the merits, Turkey's activities in seismic exploration rnight then be considered as such an infringement and invoked as a possible cause of ~rejudice to the exclusive rights of Greece in areas then found to appertain to Greece." 01
Die Prämisse der dargestellten Ansicht, daß nämlich der genaue Grenzverlauf bereits vor der eigentlichen Abgrenzung feststeht, läuft jedoch -jedenfalls seit der veränderten rechtlichen Sichtweise im Anschluß an UNCLOS Ill - auf eine Fiktion hinaus. Wie heute war zwar auch nach damaligem Völkergewohnheitsrecht eine Grenzfestlegung nur durch Vertrag möglich und wie heute war (gewohnheitsrechtlich) die Anwendung einer bestimmten Abgrenzungsmethode nicht obligatorisch. Die aktuelle Rechtslage unterscheidet sich jedoch in einer ganz wesentlichen Hinsicht: Damals sollte die vertragliche Abgrenzung "in accordance with equitable principles"302 erfolgen, die der IGH -jedenfalls bis zu einem gewissen Grad - konkretisiert hatte. Demgegenüber ist heute ein Konsens nur noch dahingehend feststellbar, daß ein gerechtes Ergebnis erzielt werden muß. Jede Bezugnahme auf die Prinzipien zur Erreichung dieses Ziels wurde dagegen mangels Einigkeit zwischen den Delegationen aus den Entwürfen zum SRÜ gestrichen. Auch die gewohnheitsrechtliche Geltung eines geschlossenen Katalogs konkreter, Allgemeingültigkeit zukommender Prinzipien oder Kriterien ist nicht nachweisbar. 303 Insbesondere ist mit dem IGH nicht davon auszugehen, 300 Im August 1976 hatte Griechenland einseitig den IGH angerufen, damit dieser über die Abgrenzung der Festlandsockelanteile unter der Ägäis entscheide. Darüber hinaus wurde das Gericht im Wege des Antrages auf Bestimmung vorsorglicher Maßnahmen unter anderem aufgefordert, beiden Regierungen, der griechischen und der türkischen, vorzuschreiben, sich ohne Zustimmung der anderen Partei aller wissenschaftlichen Forschungs- und Explorationstätigkeiten in bestimmten, umstrittenen Gebieten zu enthalten. Allgemein zum Beschluß des IGH Oellers-Frahm, ZaöRV 1977, S. 620 ff.; dies., EPIL, S. 5f.; Gros, S. 31 ff.; Heintschel von Heinegg, S. 23 ff. 301 Aegean Sea Contineotal Shelf, Interim Protection, Order of 11 September 1976, I.C.J. Reports 1976, S. 11, Ziff. 31.
302
(C) 1.
North Sea Contineotal Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 53, Ziff. 101, lit.
303 Im Gulf of Maine-Fan führt der IGH konsequenterweise aus: ,,Each Parties reasoning is in fact based on a false prernise. The error lies precisely in searching general international law for, as it were, a set of rules which arenot there", I.C.J. Reports 1984, S. 298, Ziff.
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daß infolge der weitgehenden Akzeptanz des Distanzkriteriums in Art. 76 Abs. 1 SRÜ das Mittellinien- bzw. Äquidistanzprinzip heute eo ipso Anwendung findet. 304 Damit stehen die anwendbaren Prinzipien also nicht für jeden Einzelfall von vornherein fest, sondern sie können - umgekehrt - erst dann bestimmt werden, wenn sie sich im Lichte des Einzelfalls als geeignet zur Erzielung eines billigen Ergebnisses darstellen. Dies bedeutet nicht, daß hier ein rechtsfreier Raum bestünde, denn die Bestimmung, daß im Wege eines Abkommens ein gerechtes Ergebnis zu erzielen ist, stellt geltendes Vertrags- wie Gewohnheitsrecht dar. Es bedeutet jedoch, daß der Grenzverlauf vor dem Abschluß von Verhandlungen (bzw. Streitschlichtungsmechanismen) nicht, auch nicht theoretisch, feststeht, sondern allein vom Willen der beteiligten Staaten abhängt. Da aber eine Deiimitation im Falle von overlapping claims aufgrundder Wohlbegründetheit beider Ansprüche nur im Wege gegenseitigen Nachgebens erfolgen kann, sind stets mehrere gerechte und damit völkerrechtsgemäße Lösungen denkbar. Dem entspricht auch die Ansicht des überwiegenden Teils der Staatengemeinschaft, wie sie auf UNCLOS ill gebildet wurde. Bedingt durch die Verschiedenartigkeit insbesondere des geographischen Kontextes existieren danach zum einen keine Prinzipien, deren Anwendung obligatorisch wäre; zum anderen hat die Grenzziehung ausschließlich durch Vertrag zu erfolgen. Die Staaten wollten sich auf die Weise ganz bewußt eine gewisse Flexibilität und den gewünschten Spielraum erhalten, um im Rahmen der Zielvorgabe "gerechtes Ergebnis" ihre individuellen Interessen geltend machen und soweit durchsetzen zu können, wie dies im Rahmen eines für beide Seiten tragfaltigen Kompromisses möglich ist. Bei der vertraglichen Grenzfestlegung geht es deshalb nicht nur um die Erkenntnis und schriftliche Fixierung dessen, was Recht ist, sondern sie wirkt konstitutiv. Um die Fechtliche Regelung wird erst noch gerungen; sie hat somit rechtsgestaltenden Charakter. Steht aber vor einer vertraglichen Deiimitation noch nicht fest, welcher Küstenstaat über welchen Anteil am Schelfgebiet endgültig Jurisdiktion ausüben darf, schließt sich die Frage an, wie der Rechtsstatus des ungeteilten Festlandsockels statt dessen zu beurteilen ist. Theoretisch kommen hier wiederum zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder das Gebiet der overlapping claims untersteht keiner Jurisdiktion oder die um110; Weil, S. 153. Manche Autoren gehen deshalb bereits so weit zu behaupten, im Falle der Anrufung eines internationalen Gerichtes sei dieses befugt, eine ex aequo et bonoEntscheidung zu treffen, Fox et al., S. 32. Vgl. auch die Auseinandersetzung mit den Vertretern der rule oflaw-Schu!e bei Nelson, AJIL 1990, S. 839 ff., 857 f. 304 Vgl. in diesem Kap. oben, B 112 d bb; siehe auch Art. 76 Abs. 10 SRÜ. Mit Recht weist Nelson, ILA-Report 1986, S. 337, allerdings auf das erhöhte Gewicht dieser Prinzipien im Rahmen des Abgrenzungsprozesses hin.
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
strittenen Meereszonen (bzw. Teile davon305) unterliegen bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Zugehörigkeit den gleichrangigen souveränen Rechten beider Staaten. Da die erstgenannte Möglichkeit soeben bereits als mit Staatenpraxis und opinio juris nicht vereinbar ausgeschieden werden konnte, besitzen also - vorläufig - beide Staaten, deren Ansprüche nach Treu und Glauben gerechtfertigt sind, souveräne Rechte in dem Gebiet, in welchem sich diese Ansprüche überschneiden. Die Bezeichnung dieser Rechte als "gleichrangig" oder "gleichwertig" soll dabei verdeutlichen, daß sie angesichts der ungeregelten Grenzfrage die gleiche Legitimation im Gebiet der overlapping claims besitzen; dagegen soll die Frage, in welchem Verhältnis der Festlandsockel zwischen den Parteien zu teilen ist, nicht etwa im Sinne einer hälftigen Teilung präjudiziert werden. Die Aufteilung vermag später ebensogut in jedem anderen Verhältnis zu erfolgen, das den Parteien fair und gerecht erscheint. Dieses Ergebnis entspricht angesichts der offenen Grenzfrage auch dem allgemeinen Grundsatz der Billigkeit. Es wird zudem unterstützt durch den bereits mehrfach erwähnten Abs. 3 des Art. 83 SRÜ, der lautet: "Bis zum Abschluß der in Absatz 1 vorgesehenen Übereinkunft bemühen sich die beteiligten Staaten nach besten Kräften und im Geist der Verständigung und Zusammenarbeit, vorläufige Vereinbarungen praktischer Art zu treffen und während dieser Übergangszeit die Erzielung der endgültigen Übereinkunft nicht zu gefährden oder zu verhindern. Diese Vereinbarungen lassen die endgültige Abgrenzung unberührt."
Hier werden also zwei Gebote formuliert, deren ersteres- die Verpflichtung der Vertragsparteien, sich nach besten Kräften und im Geist der Verständigung und Zusammenarbeit um den Abschluß vorläufiger Vereinbarungen praktischer Art zu bemühen, - unmittelbar die Bodenschätze der umstrittenen Region berührt. Denn vor allem im Hinblick auf sie besteht ein Bedürfnis für vorläufige Regelungen. 306 Mit der Inkorporierung der Pflicht, ein Interimsabkommen anzustreben, wird aber inzident zum Ausdruck gebracht, daß bis zum Abschluß der endgültigen Grenzübereinkunft beide Staaten die gleichen Rechte bezogen auf das Gebiet der overlapping claims besitzen. Anders ist die mit dem Verhandlungsgebot verbundene Pflicht zur Erzielung einer vorläufigen Einigung, die immer nur einen Kompromiß zwischen den staatlichen Interessen darstellen kann, und der damit verbundene Druck auf die Vertragsparteien zu einem jedenfalls partiellen und zeitlich begrenzten Verzicht auf ihre souveränen Rechte nicht zu rechtfertigen. Bezweifelt werden mag allerdings, ob das gewonnene Ergebnis auf das gesamte Gebiet mit overlapping claims zutreffen kann oder ob hier nicht vielmehr eine Einschränkung in der Weise vorzunehmen ist, daß nur ein Teil davon, das potentielle Grenzgebiet im engeren Sinne, den hoheitlichen Rechten beider Staaten unterliegt, während Randbereiche entgegen den soeben getroffenen Feststellungen 305
306
Vgl. die sogleich folgenden Ausführungen zum sog. "Kemgebiet". Ebenso Lagoni, ILA-Report 1988, S. 545, Ziff. 50.
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doch bereits der Souveränität desjenigen Staates unterstehen, an dessen Küstenmeer sie anschließen. Abs. 3 des Art. 83 SRÜ, der, obwohl noch nicht geltendes Recht, bis zu einem gewissen Grad die Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft widerspiegelt, enthält allerdings eine solche räumliche Beschränkung nicht. Folgende Überlegungen der Billigkeit könnten sie jedoch nahe legen: Overlapping claims wurden definiert als diejenigen Zonen eines Schelfgebietes, bezüglich welcher zwei oder mehr Staaten Souveränitätsansprüche geltend machen können, die gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben gerechtfertigt sind, weil sie sich ausschließlich auf Gebiete beziehen, die der jeweilige Staat nach geltendem Völkerrecht beanspruchen könnte, besäße er keine Nachbarn. Die flächenmäßige Ausdehnung des Gebietes, in welchem die staatlichen Ansprüche konfligieren, ist damit spätestens seit der Anerkennung auch des reinen Distanzkonzepts in der Tendenz umso größer, je geringer die Entfernung zwischen den Territorien (Festland und/oder Inseln) der Anrainerstaaten ist. Pragmatismus wie juristischer Sachverstand legen es weiterhin nahe, daß die Grenzlinie sich umso mehr an der Mittel- bzw. Äquidistanzlinie orientieren wird, je dichter die Staaten beieinander liegen und zwar unabhängig davon, ob Grundlage der geltend gemachten Ansprüche das Distanzkonzept oder geomorphologische Faktoren sind.307 Es läßt sich vertreten, daß es unter diesen Umständen der Billigkeit widersprechen würde, würden beiden beteiligten Staaten souveräne Rechte über das Gebiet der overlapping claims insgesamt und nicht nur über eine Art ":kerngebiet" zugestanden und so die jeweils dem Grunde nach gegebenen staatlichen Ansprüche auf eine Zone exklusiver souveräner Rechte um so weiter verkürzt, je näher das Territorium des Nachbarstaates liegt.
Doch auch in den Fällen größerer räumlicher Distanz ließe sich womöglich ein "eigentliches" Grenzgebiet herausschälen, indem alle denkbaren, mit dem Festlandsockelregime zu vereinbarenden relevant circumstances und equitable criteria, deren Beachtung zu einem gerechten Ergebnis des Grenzziehungsvorgangs führen soll, bereits im Vorwege berücksichtigt würden. Auf diese Weise könnte ein "Kerngebiet" definiert werden, in dem allein die beteiligten Staaten nach Treu und Glauben tatsächlich damit rechnen müssen, daß es bei der vertraglichen Einigung über den Grenzverlauf der anderen Partei zufallen könnte. Dieser Aspekt würde dann die Annahme gleicher souveräner Rechte rechtfertigen. Die erheblichen Unsicherheiten und praktischen Schwierigkeiten, mit denen eine solche Einschränkung verbunden wäre, läßt sie jedoch unzweckmäßig erscheinen; sie ist deshalb abzulehnen. Die eben gewonnene Eindeutigkeit der Erkenntnis - der ungeteilte Festlandsockel ist ein Gebiet, in welchem die Staaten 307 Wie bereits ausgeführt, hat der IGH schon im Abgrenzungsfall zwischen Libyen und Malta in einem ersten Schritt die Mittellinie als provisorische Festlandsockelgrenze festgestellt und diese dann im zweiten Schritt entsprechend den Umständen des Einzelfalls korrigiert, I.C.J. Reports 1985, S. 48 ff., Ziff. 64 ff.
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I. Teil: Yölkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
gleichrangige souveräne Rechte besitzen, soweit sich ihre wohlbegründeten Ansprüche räumlich überschneiden - würde wieder in Frage gestellt, jede Rechtssicherheit in unklarer Abwägung aufgelöst und weiteren Abgrenzungsproblemen und Konflikten Tor und Tür geöffnet. Weder in der völkerrechtlichen Literatur noch in der Praxis der Staaten scheint denn auch eine Einschränkung der hier diskutierten Art bislang in Betracht gezogen worden zu sein. Im Anschluß an die getroffenen Feststellungen fragt sich nun, wie ein solches Gebiet, in welchem zwei Staaten gemeinsam Hoheitsbefugnisse besitzen, rechtlich zu qualifizieren ist. Nahe liegt der Gedanke, daß es sich um ein Staatengemeinschaftsgebiet (Kondominium) handelt. Dieses wird regelmäßig eben dadurch gekennzeichnet, daß mehreren Staaten die territoriale Souveränität über ein bestimmtes Gebiet gemeinsam zusteht und die Kondominialgewalt von ihnen gemeinsam ausgeübt wird. 308 Dabei sind hinsichtlich des ersten Teils der Definition mit Schneider3(1) zwei Elemente zu unterscheiden: zum einen der Rechtstitel, der die betreffenden Staaten in einer Weise verbindet, daß ihre Herrschaft über das umstrittene Gebiet als gemeinsame erscheint, zum anderen der Titel, durch den der Gebietserwerb als solcher erfolgt. Erwägt man nun, den Gedanken des Gemeinschaftsgebietes für die vorliegenden Fragestellungen fruchtbar zu machen, so wirft das zuletzt genannte Element keine Schwierigkeiten auf; der Erwerb der (funktional begrenzten) Souveränität durch den Küstenstaat über das seinem Territorium vorgelagerte Kontinentalschelf erfolgt gemäß Art. 2 FSK 1958, 76 SRÜ bzw. gleichlautendem Gewohnheitsrecht. Es fehlt jedoch an dem die Rechte der Einzelstaaten verbindenden Element. Dieses besteht entweder in einer bereits vor dem Gebietserwerb existierenden Staatenverbindung310 oder aber- und dies ist der Normalfall - in einem Staatsvertrag311. Eine gewohnheitsrechtliche Norm, die etwa besagt, daß konkurrierenden Ansprüchen unterliegende Gebiets- oder Festlandsockelanteile eo ipso Staatengemeinschaftsgebiete darstellen, besteht daneben nicht. Kondominien entste308 Schneider, EPIL Bd 10, S. 60; Yerdross/Simma, § 1045. Bekannte Beispiele für Kondominien bilden die Republik Andorra (zwischen dem französischen Staatsoberhaupt und dem Bischof von Urgel, Spanien), die Flüsse Mosel, Sauer und Our in ihrem Grenzverlauf zwischen Deutschland und Luxemburg und - bis zum Jahre 1980 - die Neuen Hehriden (zwischen Frankreich un Großbritannien). Zu Ausnahmen vgl. Dahrn/Delbrück/Wolfrum, Bd. 1/1, S. 343. 309 EPIL Bd 10, S. 59. 310 Schneider, a.a.O., nennt hier beispielhaft die Realunion zwischen Österreich und Ungarn als Grundlage für das Condominium der beiden Staaten über Bosnien-Herzogowina in den Jahren von 1908 bis 1918. 311 Beispiele bei den in Anm. 308 genannten Autoren. Zur umstrittenen Frage der Hoheitsverhältnisse am Bodensee vgl. Bothe, Zusammenarbeit, S. 248 m.w.N.
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hen und existieren demnach nur auf der Grundlage eines auf die gemeinsame Innehabung und Ausübung von Souveränität gerichteten, rechtlichen Willens der betreffenden Staaten - sei es als "territorialer Kompromiß" 312 oder als bewußt gewähltes Rechtsinstitut, das Aufeinanderangewiesensein und Kooperation in einem Grenzgebiet dokumentiere13 • In bezugauf den ungeteilten Festlandsockel ist ein solcher Wille der Küstenstaaten generell nicht ersichtlich.314 Der Status des Gebietes ist, im Gegenteil, zwischen den Parteien gerade streitig. Bei dem ungeteilten Festlandsockel handelt es sich somit um ein Gebiet, dessen rechtlicher Status noch offen ist. Zwei oder mehr Staaten besitzen hier mit Wirkung gegenüber Dritten - souveräne Rechte, ohne daß der Wille zur gemeinsamen Ausübung der Hoheitsgewalt, wie er für ein Kondominium gerade kennzeichnend ist, vorhanden wäre. 315 Dennoch stehen die Staaten in einem rechtlich verdichteten Verhältnis; dies führt zu Konsequenzen für die Rechtmäßigkeit einseitiger ressourcenbezogener Arbeiten, was im folgenden aufgezeigt werden wird. bb) Folgerungen für die Zulässigkeif einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten
Aus dem bisherigen Ergebnis, daß ein Staat Über das Gebiet der overlapping claimsbis zu dessen einvernehmlicher Teilung gemeinsam mit dem Nachbarn, der konkurrierende Ansprüche geltend macht, souveräne Rechte ausübt, ohne daß es sich hierbei um ein Staatengemeinschaftsgebiet handelt, kann nun nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß einseitige ressourcenorientierte Maßnahmen zulässig wären. Der Gedanke der Gleichwertigkeit und Gleichartigkeit der staatlichen Rechte und der daraus fließenden Befugnisse legt vielmehr auch Dahrn!Delbrück/Wolfrum, Bd. 1/1, S. 342. So das gemeinschaftliche deutsch-luxemburgische Hoheitsgebiet, welches die Flußläufe vor Our, Sauer und Mosel umfaßt, Rudolf, S. 301 ff. 314 Zur Unterstützung dieser Feststellung kann für den Bereich von Meereszonen wiederum auf Art. 83 Abs. 3 SRÜ und dessen schwierige Entstehung rekurriert werden. Daß die Delegierten auf UNCLOS III selbst den rechtlichen Rahmen für ein transitorisches System nur unter erheblichen Mühen schaffen konnten, verdeutlicht, daß ihnen die gemeinsame Wahrnehmung souveräner Rechte nicht erstrebenswert erschien. 315 Eine Parallele im innerstaatlichen Recht bildet hier die Gemeinschaft i.S.d. § 741 BGB. Zu ihrer Entstehung genügt die Tatsache vorhandener gemeinschaftlicher Rechtszuständigkeit. Regelmäßig ist ein auf ihre Entstehung gerichteter Wille der Beteiligten nicht vorhanden. Ohne eine eingehende Analyse aller relevanten nationalen Rechtsordnungen, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, daß die genannte Einrichtung des deutschen Rechts Parallelen in allen maßgeblichen Rechtssystemen der Völkerrechtsgemeinschaft hätte. Ihre Wirkungen im Hinblick auf die Ausübung von Rechten können deshalb nicht ohne weiteres als allgemeine Rechtsgrundsätze i.S.d. Art. 38 IGH-Statut bezeichnet werden. 312
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
hier die Annahme nahe, daß diese sich wechselseitig begrenzen.316 Denn die Vorstellung einer solchen Begrenzung ist auf völkerrechtlicher Ebene nicht nur durch das eben beschriebene Institut des Kondominiums bekannt, sondern ebenso durch das im Zusammenhang mit den grenzüberschreitenden Lagerstätten bereits dargestellte Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität. Dieses Prinzip ist ohne weiteres auf ein Gebiet mit overlapping claims übertragbar, da es in der Sache keinen Unterschied bedeutet, ob zwei Staaten über ein jeweils abgegrenzte, aber benachbarte Gebiete souveräne Rechte ausüben oder über das gleiche. Im Gegenteil, erscheint hier ein argurnenturn a fortiori erlaubt. 317 Beschränkungen der Rechte beider Staaten folgen also aus der ihr eigenen, ambivalenten Natur von Hoheitsgewalt: Kann jeder Nachbar sich auf seinewenn auch funktional auf die Ausbeutung der Bodenschätze begrenzte- Souveränität berufen, so bedeutet dies neben dem Recht beider Staaten, in dem durch die übrigen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten gesetzten Rahmen zu tun und lassen, was sie wollen, auch die Verpflichtung, die Integrität des jeweils anderen zu respektieren. Aus diesem Grunde finden einseitige Forschungs- und Fördennaßnahmen in Gebieten sich überschneidender Ansprüche auf den Festlandsockel einerseits ihre Grundlage in dem exklusiven Recht, Bohrarbeiten für alle Zwecke zu genehmigen und zu regeln sowie Installationen zum Zwecke der Ressourcennutzung zu errichten318 ; sie greifen andererseits jedoch in eben diese Befugnisse des gleichermaßen berechtigten Nachbarküstenstaates ein. Durch die Gewinnung von Rohstoffen wird zudem die Souveränität des jeweils mitbetroffenen Staates über die natürlichen Reichtümer auf dem seinem Territorium vorgelagerten Schelfgebiet mißachtet. Staatliche Souveränität und Integrität - hier jeweils bezogen auf die Rechte am noch ungeteilten Festlandsockel - sind gleichwertig; eine Rangordnung zwischen ihnen besteht nicht. Sie begrenzen und beschränken sich wechselseitig in der Weise, daß der eine Staat seine Rechte nicht rücksichtslos ausüben, so wie der andere nicht jede Art von Einwirkung verbieten kann. Rechtswidrig sind stets erhebliche lntegritätsverletzungen, die den anderen Staat schädigen; gegen sie besitzt der betroffene Staat ein Abwehrrecht. 319 316 Auch in einer Gemeinschaft ist ein Teilhaber nach § 743 Abs. 2 BGB zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes nur insoweit befugt ist, als hierdurch nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. 317 Für das innerstaatliche deutsche Recht wird ebenfalls anerkannt, daß ein Bergbautreibender nicht nur auf die kollidierenden Interessen angrenzender Bergwerksbesitzer Rücksicht nehmen muß, sondern ebenso auf die Interessen anderer im gleichen Feld beliehener Bergwerksbesitzer, Weller, S. 122. 318 Vgl. Art. 81 SRÜ (im Falle der Errichtung einer Ausschließlichen Wirtschaftszone gilt Art. 81 SRÜ qua Verweisung über Art. 56 Abs. 3 SRÜ) und Art. 80 i.V.m. Art. 60 SRÜ. 319 Siehe in diesem Kap. oben, A li 2 b.
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Damit bedarfwiederum die Frage einer Klärung, wann eine Verletzung souveräner Rechte am Kontinentalschelf als "erheblich" zu qualifizieren ist, um die Restriktionen, denen die Staaten bei der Rohstofferschließung unterliegen, aufzuzeigen. Dazu ist zunächst festzustellen, daß solche Maßnahmen, die nicht unter die exklusiven, souveränen Rechte des Küstenstaates fallen, sondern in Ausübung der Freiheit der Hohen See erfolgen, insbesondere der Freiheit der Seeschiffahrt, von vornherein nicht als völkerrechtswidrig in Betracht kommen. Auch eine wissenschaftliche Grundlagenforschung, die ihrer Art nach zur Entdeckung oder Feststellung von Bodenschätzen offensichtlich ungeeignet ist, muß vom betroffenen Staat hingenommen werden. Zwar gehört sie nicht zu den Freiheiten der Hohen See 320, sondern fällt gemäß Art. 246 Abs. 1 SRÜ grundsätzlich unter die küstenstaatliche Jurisdiktion 321 ; sie verletzt aber, solange sie keinen Bezug zu den Rohstoffen im Meeresboden und -untergrund hat, sondern anderen Zwekken, beispielsweise dem marinen Umweltschutz, dient, ressourcenbezogene souveräne Rechte nicht. Gleiches gilt für die Erteilung vpn Explorations- oder Exploitationslizenzen, denn hier geht es um ein rein innerstaatliches Verfahren ohne direkte ,,Außenwirkung". Erst die Aufnahme und Durchführung der Maßnahmen, welche die Erlaubnis nach nationalem Recht legalisiert, ist geeignet, souveräne Rechte zu verletzen. Im übrigen können, wie im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Bergbauaktivitäten, auch de minimis-Effekte ausgeschlossen werden. Wendet man sich nun dem eigentlich problematischen ressourcenbezogenen Vorgehen von Staaten zu und vergegenwärtigt man sich dabei nochmals, daß es hier um den Schutz wenn auch nur vorläufig zugewiesener souveräner Rechte der Parteien vor erheblichem Schaden geht, drängt sich die Parallele zu Art. 41 Abs. 1 des IGH-Statuts322 auf. Durch diese Norm wird der Gerichtshof ermächtigt, 320 Bereits in Art. 2 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See vorn 29.4.1958, BGBI.1972 li, S. 1091, UNTS Bd 450, S. 82, wurde sie auffälligerweise nicht explizit genannt. 321 So besitzen Küstenstaaten gern. Art. 246 Abs. 1 SRÜ bzw. gleichlautendem Gewohnheitsrecht das Recht, "die wissenschaftliche Meeresforschung in ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone auf ihrem Festlandsockel in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Bestimmungen dieses Übereinkommens zu regeln, zu genehmigen und zu betreiben", dazu Attard, S. 122 f.; außerdem bestimmen die Art. 246 Abs. 2 SRÜ, 5 Abs. 8 FSK 1958 bzw. das gleichlautende Gewohnheitsrecht, die wissenschaftliche Meeresforschung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel werde "mit Zustimmung des Küstenstaates" betrieben. 322 Art. 41 Abs. 1 IGH-Statut lautet: "Der Gerichtshof ist befugt, wenn er es nach den Umständen für erforderlich hält, diejenigen vorsorglichen Maßnahmen zu bezeichnen, die zur Sicherung der Rechte der Parteien getroffen werden müssen." Vgl. auch die inhaltsgleiche, allerdings umfangreichere Bestimmung des Art. 290 SRÜ; nach dessen Abs. 1 kann der Gerichtshof oder das Gericht "die vorläufigen Maßnahmen anordnen,
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I. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
vorsorgliche Maßnahmen zur Sicherung der Rechte der Parteien zu bezeichnen, wenn er dies den Umständen nach für erforderlich hält. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts liegt die eine solche Ausnahmebefugnis legitimierende Dringlichkeit vor, wenn die Besorgnis besteht, daß ansonsten den Rechten eines Staates irreparabler Schaden zugeführt werden könnte. 323 In bezug auf das Verbot, Nachbarterritorien erheblichen Schaden zuzufügen, bietet sich eine entsprechende Argumentation an, auch wenn nicht verkannt werden soll, daß die beiden Begriffe "erheblich" und "irreparabel" nicht notwendig identisch sind. 324 Folglich wären jedenfalls all diejenigen einseitigen Maßnahmen als für mit geltendem Völkerrecht nicht vereinbar auszuscheiden, die einer Wiedergutmachung nicht zugeführt werden können. Zum Problembereich der Nutzung natürlicher Ressourcen im Bereich von overlapping claims hatte das Gericht Gelegenheit, sich in dem bereits genannten Beschluß zum Ägäis-Fall zu äußern. Bekanntlich hatte Griechenland unter anderem beantragt, beiden beteiligten Regierungen aufzuerlegen, sich hinsichtlich aller nicht konsentierten Such- und Forschungsarbeiten auf dem Festlandsockel in bestimmten umstrittenen Gebieten zurückzuhalten. Seine Ablehnung dieses Antrags hat das Gericht unter anderem damit begründet, daß die sie unter den gegebenen Umständen für erforderlich halten, um bis zur endgültigen Entscheidung die Rechte jeder ,Streitpartei zu sichern oder schwere Schäden für die Meeresumwelt zu verhindern." Ebenso Lagoni, AJIL 1984, S. 362 ff. 323 Fisheries Jurisdiction (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Iceland), Interim Protection, Order of 17 August 1972, I.C.J. Reports 1972, S. 16, Ziff. 21; Fisheries Jurisdiction (Federal Republic ofGerrnany v. Iceland), Interim Protection, Order of 17 August 1972, I.C.J. Reports 1972, S. 34, Ziff. 22; Nuclear Tests (Australia v. France), Interim Protection, Order of 22 June 1973, I.C.J. Reports 1973, S. 103, Ziff. 20; Aegean Sea Continental Shelf, Interim Protection, I.C.J. Reports 1976, S. 9, Ziff. 25. Auch in den innerstaatlichen Rechtsordnungen ist anerkannt, daß vorläufiger Rechtsschutz nur gewährt werden darf, wo besondere Umstände den mit präventiv wirkenden Geboten verbundenen schweren Eingriff in die Rechtssphäre der belasteten Partei rechtfertigen. Solche Umstände liegen in der Regel dann. vor, wenn durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann oder dem Antragsteller sonst wesentliche Nachteile entstehen können. Von daher ist es richtig, daß auch der IGH die außerordentliche Befugnis zum Erlaß vorsorglicher Maßnahmen nur dann in Anspruch nimmt, wenn dem in der Hauptsache anstehenden Recht ein irreparabler Schaden droht. 324 Denkbar ist insbesondere, daß erhebliche negative Einwirkungen ein Minus gegenüber irreparablen Schäden in der Weise darstellen, daß zwar alle irreparablen Schäden erheblich sind, jedoch nicht alle Schäden, um das Merkmal der ,,Erheblichkeit" zu erfüllen, auch irreparabel sein müssen. Dann wäre unter Umständen ein abgeschwächter Maßstab zugrundezulegen, nach welchem auch solche ressourcenbezogenen Arbeiten, die einer Wiedergutmachung grundsätzlich zugänglich sind, unter bestimmten Voraussetzungen völkerrechtswidrig wären.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
]]3
"the continued seismic exploration activities undertaken by Turkey are all of the transitory character just described, and do not involve the establishment of installations on or above the seabed of the continental shelf; and ( ...) no suggestion has been made that Turkey has embarked upon any operations involving the actual appropriation or other use of the natural resources of the areas of the continental shelf which are in dispute;"325
Im Hinblick auf die Gefahr eines irreparablen Schadens für die im Streit befangenen Rechte differenziert das Gericht also danach, ob bestimmte Maßnahmen transitorischer Natur sind; allein Aktivitäten mit bleibendem Charakter oder - dies darf wohl ergänzt werden - mit nur schwer zu beseitigenden Folgen, beispielsweise die Errichtung fester Offshore-Bohranlagen, erfordern ein Eingreifen des Gerichts. Vorübergehende Beeinträchtigungen, wie sie beispielsweise durch seismische Untersuchungen verursacht werden, sind demgegenüber "capable of reparation by appropriate means" 326• Wie im Urteil auch ausdrücklich ausgeführt, hätte der Gerichtshof danach unzweifelhaft in dem Fall, daß ein Küstenstaat mit der Förderung von Rohstoffen -quasi dem Prototyp einer Aktivität mit bleibendem Charakter- begonnen hätte, einstweilige Maßnahmen für erforderlich gehalten. Es läßt sich also festhalten, daß die einseitige Aneignung natürlicher Ressourcen in einem Gebiet mit overlapping claims in jedem Fall unzulässig ist. Dagegen läßt sich nach den Ausführungen des IGH eine einheitliche Aussage hinsichtlich von Sucharbeiten und der Erforschung möglicher Lagerstätten nicht treffen. Vielmehr differenziert das Gericht, indem es eine Lösung auf der Grundlage der Alternativen "vorübergehender Eingriff/Eingriff mit bleibenden Folgen" sucht, in einer Weise, die sich grundsätzlich zur Abgrenzung erheblicher Einwirkungen von solchen, die nur minimale schädliche Folgen haben, ebenso eignet wie zur Sonderung irreparabler Schäden von solchen, die einer Wiedergutmachung zugänglich sind. Danach sind neben den schon erwähnten, wohl am häufigsten verwendeten seismischen Untersuchungsmethoden zur Auffindung bestimmter ölführender Gesteinsgruppen oder Schichten auch gravimetrische, elektrische und magnetische Messungen zulässig. Das Vortreiben von Bohrlöchern in den Meeresuntergrund, das hier, anders als auf dem Festland, in der Regel umfangreicher baulicher Vorbereitungen bedarf, ist dagegen untersagt.
325
30.
Aegean Sea Continental Shelf, Interim Protection,I.C.J, Reports 1976, S. 10, Ziff.
326 ibid. S. 11, Ziff. 33. Die Auffassung des Gerichts ist im Hinblick auf die Gewinnung von Erkenntnissen über den Festlandsockel allerdings nicht gänzlich ohne Widerspruch geblieben. In der Tat stellt sich die Frage, die der griechische ad hoc-Richter Stassinopou1os in seiner abweichenden Meinung, S. 37, und mit ihm Gros, S. 39 ff. , aufgeworfen hat, wie nämlich das Zusammentragen von Informationen wiedergutgemacht, vor allem deren Offenlegung seitens der Türkei erreicht werden kann.
8 Flormann-Pfall
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I. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
b) Ressourcenbezogene Aktivitäten als Gefahr für den friedlichen Einigungsprozeß über den Verlauf der Festlandsockelgrenze Bereits die Truman-Proklamationvon 1945327 brachte zum Ausdruck, daß die Abgrenzung des amerikanischen Festlandsockels von dem seiner Nachbarn einvernehmlich und ,,in accordance with equitable principles" erfolgen solle. Diese beiden Prinzipien - Abgrenzung durch Übereinkunft und gemäß gerechter Kriterien- unterliegen seitdem der Geschichte des Festlandsockelregimes. 328 Auch Art. 83 Abs. 1 SRÜ enthält die Verpflichtung zur Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Staaten mit gegenüberliegenden oder aneinander angrenzenden Küsten durch Vertrag - es handelt sich um ein pactum de negotiando - und fügt insofern keine neuen Gesichtspunkte hinzu. Die betroffenen Staaten sind also gewohnheits- wie vertragsrechtlich329 verpflichtet, Verhandlungen nach Treu und Glauben im Hinblick auf die Erzielung eines Grenzabkommens zu führen. Es ist nun offensichtlich, daß die Frage der Zulässigkeil bestimmter ressourcenbezogener Maßnahmen eng mit dem Prozeß der Abgrenzung der Festlandsockelanteile verknüpft ist. Auf der dritten Seerechtskonferenz wurden deshalb verschiedene Vorschläge in bezugauf die Anforderungen an das Verhalten der Küstenstaaten bis zum Abschluß des endgültigen Grenzabkommens diskutiert. Angenommen wurde schließlich der bereits mehrfach erwähnte Abs. 3 des Art. 83 SRÜ330, in welchem die Vertragsparteien zum einen verpflichtet werden, sich um den Abschluß von Abkommen praktischer Natur für die Übergangszeit bis zur abschließenden Deiimitation zu bemühen, zum anderen sollen sie - und dies ist für den vorliegenden Zusammenhang relevant - in der Übergangszeit die Erzielung der endgültigen Übereinkunft nicht gefährden oder verhindern. Der zuletzt genannte Regelungsteil ist in mehrfacher Hinsicht für Interpretationen offen und konkretisierungsbedürftig. So stellt sich zunächst die Frage nach seinem sachlichen Umfang und sodann das Problem seines räumlichen und zeitlichen Geltungsbereichs. Dabei geben die Materialien331 von UNCLOS ill oder Veröffentlichungen von Beobachtern der Konferenz332 wenig Auskunft. UNLS ST/LEG/SER.B/1, S. 38. Vgl. schon North Sea Continental Shelf, Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 34, Ziff. 47. 329 Vgl. Art. 6 FSK 1958. 330 Für den Text der Vorschrift siehe in diesem Kap. oben, B III 1 a aa. Eine identische Regelung enthält Art. 74 Abs. 3 SRÜ für die Ausschließliche Wirtschaftszone. 331 Gemäß Art. 32 WVK können die vorbereitenden Arbeiten zumindest als ergänzendes Auslegungsmittel herangezogen werden. Diese Vorschrift gilt auch gewohnheitsrechtlich. 332 Eine ausführliche Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Absätze 3 der Art. 74 und 83 SRÜ findet sich bei Lagoni, AJIL 1984, S. 349 ff.; vgl außerdem 327 328
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Das Schwergewicht der Diskussion lag damals deutlich auf der Ausarbeitung konsensfähiger Abgrenzungsprinzipien und -kriterien; der dabei erkennbar gewordene Riß quer durch die Konferenz setzte sich sodann bei der Formulierung von Rechten und Pflichten der Beteiligten in der Übergangszeit fort. So befürworteten die Vertreter des Mittellinien-/Äquidistanzprinzips eine Regelung, wonach in Ermangelung eines anderslautenden Abkommens kein Staat berechtigt sein sollte, seine Jurisdiktion über die Mittel- respektive Äquidistanzlinie hinaus auszuweiten; demgegenüber drängten die Fürsprecher einer Grenzlösung gemäß "equitable principles" auf einen größeren Spielraum der beteiligten Staaten.333 aa) Der Normzweck des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 2. Hs SRÜ
Eine Interpretation der Regelung muß deshalb bei ihrem Sinn und Zweck ansetzen. 334 Hier kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Einmal könnte der Schutz der Küstenstaaten bzw. ihrer gleichgerichteten und gleichrangigen souveränen Rechte bezweckt sein. Dementsprechend lautete zum Beispiel ein Vorschlag der irischen Delegation aus dem Jahre 1974: "Pending an agreement for which provision is made in the preceeding paragraphs, no State is entitled to carry on exploration or exploitation activities in any areas which are claimed bona fide by any other State except with the express consent of that State, provided such a claim is not inconsistent with the principles laid down in this article." 335
Und der Informal Single Negotiating Text (ISNT/ Part 11)336 aus dem Jahre 1975 enthielt bezogen auf interim measures die Regelung, daß "2. Pending agreement, no State is entitled to extend its continental shelf beyond the median line or the equidistance line".337
Andere Delegationen unterstützten den Gedanken eines Moratoriums, nach welchem alle "economic activities within the area under dispute" verboten sein so11ten. 338 Adede, S. 222 ff., 232 ff., 244 ff., sowie Oxman, S. 23. 333 Lagoni, AJIL 1984, S. 351. Den Grund hierfür formuliert Oxman, S. 23: "The link ( ... ) was clearly understood. Any precise rule of delimitation for a provisional period (that differs from the rules for definitive delimitation) could become the definitive solution in the absence of third party settlement." 334 Vgl. Art. 31 Abs. 1 WVK, der die bisherige Praxis kodifiziert. 335
UN Doc. A/CONF. 62/C. 2/L. 43 (1974), Platzöder, Documents, Bd 5, S. 163.
336
UN Doc. A/CONF. 62/WP. 8/Pt.II (1975), Platzöder, Documents, Bd 1, S. 21.
Vgl. den holländischen Vorschlag aus dem Jahre 1974, UN Doc. A/Conf. 62/C.2/L.l4 81974), Platzöder, Documents, Bd 5, S. 133. Ähnlich lautende Vorschläge wurden von den Befürwortem des Äquidistanz- bzw. Mittellinienprinzips auch später noch innerhalb der Negotiating Group 7 vorgetragen, Lagoni, AJ11Ll984, S. 351; Adede, S. 213. 337
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Diese hier nur exemplarisch herausgegriffenen Vorschläge bzw. informellen Texte haben das gemeinsame Ziel, einen möglicherweise verletzten Küstenstaat und seine souveränen Rechte zu schützen; sie waren jedoch allesamt nicht konsensfähig. Demgegenüber verfolgt die Regelung in ihrer jetzigen, erstmals im Informal Composite Negotiating Text/Revision Two (ICNT/ Rev.2) 339 von 1980 enthaltenen Fassung einen hierüber hinausweisenden, zugleich eher pragmatischen Ansatz. Besonders deutlich wird dies in ihrem ersten Teil. Danach sollen die Staaten bis zur Erzielung eines endgültigen Abkommens nach Möglichkeit gemeinsam provisorische Schritte zur Nutzung des umstrittenen Gebietes und seiner Ressourcen unternehmen; hier wird also über die bloß präventive, rechtsbewahrende Regelung hinaus ein Anreiz für die kooperative Nutzung zum Wohle beider Beteiligten geschaffen. 340 Aber auch in dem hier relevanten zweiten Teil zeigt sich das eigentliche Ziel der Regelung: die Vermeidung einer Eskalation des Konfliktes als Voraussetzung filr die möglichst umgehende und reibungslose Herstellung eines befriedeten Rechtszustandes. Denn neben der Möglichkeit der Verletzung souveräner Rechte bergen die genannten einseitigen Maßnahmen stets die Gefahr einer Zuspitzung des Streites in sich. So wäre es in den siebziger Jahren fast zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Griechenland und der Türkei gekommen, als letztere Lizenzen an ihre staatliche Ölgesellschaft verliehen hatte und türkische Forschungsschiffe daraufhintrotzgriechischer Proteste zum Teil von Kriegsschiffen eskortiert Explorationsfahrten in die von beiden beanspruchten Gebiete unternahmen. 341 Im April 1986 kam es unter anderem deshalb zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Golfanliegern Bahrain und Qatar, weil Bahrain auf einer Insel im umstrittenen Grenzgebiet Bohrinstallationen errichten wollte, in deren Untergrund sich ein Teil eines großen, hauptsächlich dem Hoheitsgebiet des Staates Qatar unterliegenden Gasfeld befindet. 342 Auch Libyen war anscheinend bereit, zur Verteidigung seiner Rechte die marinen Streitkräfte einzusetzen, als Konzessionäre Maltas Bohraktivitäten im umstrittenen Gebiet aufnahmen. 343 Und ein Joint Development-Projekt zwischen Süd338 So der Vorschlag der Delegation von Papua Neu Guinea aus dem Jahre 1978, Conf. Doc. NG 7115, Platzöder, Documents, Bd 9, S. 406; vgl. auch Adede, S. 233. 339 UN Doc. NConf. 62/WP. 10/Rev. 2 (1980), Platzöder, Documents, Bd 2, S. 22. 340 Hierzu ausführlich unten im 3. Teil, 3. Kap. B I I b aa. 341 Aegean Sea Contineotal Shelf, Interim Protection (Diss. Op. Stassinopoulos), I.C.J. Reports 1976, S. 36. Vgl. auch die Resolution des UN-Sicherheitsrates, UN Doc. SI RESI395 (1976), ILM 15 (1976), S. 1235.
342 The Christian Science Monitor vom 27. Jan. 1989; vgl. auch Archiv der Gegenward 56 (1968), S. 29928 A. Der Streit der beiden Staaten ist zur Zeit vor dem IGH anhängig, vgl. I.C.J. Yearbook 46 (1991-1992), S. 184 ff. 343 Attard, S. 119 in Anm. 422 unter Berufung auf UN Doc. SI PV. 2246 (41911980) (Verbatim records of meetings of the security council).
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Korea, Japan und Taiwan scheiterte 1970 an den starken Protesten der Volksrepublik China, die ein solches Projekt als ernstliche Provokation ihrerselbst sowie Nord-Koreas bezeichnete. Die USA nahmen die Drohungen Chinas sehr ernst und warnten amerikanische Firmen, die Konzessionen in den umstrittenen Gebieten hielten, daß sie auf eigenes Risiko handelten. Dadurch kamen alle Sucharbeiten zunächst zum Stillstand.344 Nicht konsentierte ressourcenbezogener Forschungs-, sowie Explorations- und Fördermaßnahmen gefahrden also latent das friedliche Zusammenleben der betreffenden Nachbarstaaten und verzögern, schlimmstenfalls verhindern eine vertragliche Einigung zur Beilegung des Konfliktes. Dem will die Regelung des Art. 83 Abs. 3 S. 1, 2. Hs entgegenwirken. Er enthält deshalb keine starre Regel, sondern statuiert für beide Staaten die spezifische Pflicht, sich bei der Ausübung ihrer Rechte zu beschränken {"duty to exercise mutual restraint"34\ um so eine im Hinblick auf die endgültige Deiimitation schädliche Konfrontation zu vermeiden. Zusammenfassend ist danach festzuhalten, daß Art. 83 Abs. 3 S. 1, 2. Hs SRÜ nicht allein die beiderseitigen souveränen Rechte absichern, sondern in erster .Linie einer Verschärfung der Konfliktsituation entgegenwirken will. Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist im Anschluß zu klären, ob aus diesem - moderneren - Ansatz ein unterschiedlicher Umfang der den Staaten auferlegten (Unterlassungs-)Pflichten folgt. bb) Folgerungen für die Zulässigkeit einseitiger ressourcenbezogener Aktivitäten Aufgrund des geschilderten pragmatischen Ansatzes läßt sich die Vorschrift in Abs. 3 nicht in der Weise konkretisieren, daß bestimmte Maßnahmenper se verboten, andere dagegen automatisch erlaubt wären. Bei jeder einseitigen Maßnahme ist statt dessen auf ihre potentiellen Auswirkungen auf die anzustrebende endgültige Grenzziehung im Einzelfall abzustellen. Folgende generell-abstrakten Feststellungen lassen sich jedoch treffen: Maßnahmen, die nicht unter die exklusiven, souveränen Rechte des Küstenstaates fallen, sondern in Ausübung der Freiheit der Hohen See erfolgen, müssen auch hier von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Regelung fallen. Ausgenommen sind allerdings militärische Operationen, die im direkten Zusammenhang mit dem Abgrenzungskonflikt stehen, wie zum Beispiel die Eskorte des türkischen Explorationsschiffes Candarli durch Kriegsschiffe 1973174.346 345
Takeyama, S. 286; Park, Energy 1981, S. 1337. Lagoni, AJIL 1984, S. 365.
346
ibid.
344
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1. Teil: Völkerrecht!. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Gleiches gilt für die rein wissenschaftliche Grundlagenforschung. Sie ist, solange sie keinen Bezug zu den Rohstoffen im Meeresboden und -Untergrund hat, in der Regel nicht dazu geeignet, den Vertragsschließungsprozeß zu stören.347 Die mangelnde Bedeutung der Meeresforschung für eine Abgrenzung wird ferner in der Regelung des Art. 241 SRÜ sichtbar, die bestimmt, daß wissenschaftliche Forschungsarbeiten ,,keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf irgendeinen Teil der Meeresumwelt oder ihrer Ressourcen" bilden. 348 Nicht verkannt werden darf allerdings die oftmals bestehende Schwierigkeit, ausschließlich wissenschaftlich motivierte Forschungsarbeiten von ressourcenbezogener Forschung, für die möglicherweise anderes gilt, zu trennen.349 Gleichermaßen aus dem Anwendungsbereich der Regelung herauszunehmen ist die Erteilung von Erlaubnissen zur Aufsuchung und/oder Gewinnung von Bodenschätzen nach innerstaatlichem Recht. Hier geht es, wie oben bereits gesagt, um ein rein nationales Verfahren, das die Interessen des Nachbarstaates nicht direkt berührt und das daher, wenn es nicht zur bewußten Provokation mißbraucht wird, nicht dazu geeignet ist, den Abgrenzungsprozeß zu gefahrden.350 Offensichtlich ist weiterhin, daß die Förderung von Kohlenwasserstoffen und anderen Bodenschätzen in den umstrittenen Gebieten untersagt ist. Die Zulässigkeit der einseitigen Ausführung solcher Arbeiten würde jede Bereitschaft zum Abschluß eines Übereinkommens lähmen. Staaten, welche über die dazu notwendigen wirtschaftlichen und technologischen Möglichkeiten verfügen, würden aller Erfahrung nach beginnen, die größtmögliche Menge an Rohstoffen für sich zu gewinnen, und, sofern nicht Überlegungen politischer Opportunität dagegen stehen, eine Benachteiligung des Nachbarn in Kauf nehmen. Das Interesse am Abschluß eines Grenzvertrages, der, wie gezeigt wurde, neben der Herstellung 347 Daß die Staaten wissenschaftliche Forschungsarbeiten grundsätzlich anders beurteilen als Explorations- und Exploitationsmaßnahmen folgt sowohl aus dem Festlandsokkelregime selbst als auch aus Art. 5 Abs. 8 FSK 1958 sowie Art. 246 Abs. 3 SRÜ, welche die Pflicht der Küstenstaaten statuieren, wissenschaftlichen Projekten dritter Staaten ohne "unmittelbare Bedeutung für die Erforschung und Ausbeutung der lebenden oder nichtlebenden Ressourcen" (Art. 246 Abs. 5 SRÜ) auf ihrem Kontinentalshelf "unter normalen Umständen" zuzustimmen. 348 Diese Regelung gilt auch gewohnheitsrechtlich, vgl. dazu die Ausführungen des IGH im Ägäis-Fall, I.C.J. Reports 1976, S. 10, Ziff. 29. 349 Die brasilianische Delegation führte zur Rechtfertigung ihrer Forderung nach absoluter Kontrolle des Küstenstaates über die Meeresforschung - darüberhinausgehend aus: ,,In the last analysis, every particle of scientific knowledge would be translated into terms of economic gain or national security and, in a technological society, scientific knowledge means power", zitiert bei Attard, S. 107. 350 Eine andere Ansicht vertrat Griechenland vor dem IGH im Ägäis-Fall, in dem es sein Verlangen nach vorsorglichen Maßnahmen u.a. damit begründete, daß "Turkey's grants of exploration licences and exploration activity must tend to anticipate the judgment ofthe Court", I.C.J. Reports 1976, S. 7, Ziff. 17, lit. (i).
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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von Rechtssicherheit ja in erster Linie die Distribution tatsächlich oder möglicherweise vorhandener Rohstoffreserven bezweckt, würde stark sinken. Außerdem birgt die Ausbeutung von Bodenschätzen in einem Gebiet, in welchem sich die Ansprüche verschiedener Staaten überschneiden, wie keine andere Maßnahme die Gefahr einer Zuspitzung des Konfliktes und einer Verhärtung der Fronten in sich. Beides aber wirkt den Bemühungen um den Abschluß eines Grenzabkommens diametral entgegen. Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung der Rechtslage, sobald wissenschaftliche Forschung (auch) Aufschlüsse über Vorkommen und Lokalität von Ressourcen zu liefern vermag oder wenn durch Erschließungsarbeiten bewußt Informationen über das betreffende Gebiet gesammelt werden. Vorstellbar ist, daß hier der Wissensvorsprung einer Konfliktpartei oder auch die Kenntnis der anderen, unter Umständen inaktiven Partei von diesem Vorsprung den Abschluß eines Grenzabkommens hindert oder zumindest stört. Denn die Partei, die den Wissensvorsprung besitzt, könnte diesen treuwidrig zu ihrem Vorteil ausnutzen, indem sie bei den Verhandlungen im Rahmen eines package deals oder bei der ,,Abwägung aller relevanten Umstände" diejenigen Gebiete für sich zu gewinnen sucht, welche Kohlenwasserstoffvorräte enthalten, während sie rohstoffarme und damit mehr oder weniger wertlose Gebiete zur Disposition stellt. Doch selbst, wenn die besser informierte Partei nicht versuchen sollte, in dieser Weise ihre Interessen durchzusetzen, könnte es genügen, um die Atmosphäre des Mißtrauens zu verstärken und so das Ziel des Abschlusses eines Grenzvertrages zu gefahrden, wenn der Nachbarstaat ebendies befürchtet. Hieraus zu folgern, daß ressourcenbezogenen Forschungsarbeiten und das Aufsuchen von Rohstoffen deshalb nach Art. 83 Abs. 3 generell unzulässig sind, hieße jedoch im Ergebnis, eine Pflicht zum Aufschub aller ressourcenbezogenen Tätigkeiten anzunehmen, obwohl die Entstehungsgeschichte der Norm gezeigt hat, daß sich die Idee eines Moratoriums gerade nicht durchzusetzen vermochte.351 Durch ihren pragmatischen Ansatz wollten die Staaten sich vielmehr eine gewisse Flexibilität erhalten. Zu einer Lösung weisen die folgenden Erwägungen. Dazu ist es notwendig, sich nochmals zu vergegenwärtigen, daß die den Parteien über das Gebiet der overlapping claims als Ganzes zugewiesenen Rechte nur vorläufiger Natur sind und nach einer Teilung der umstrittenen Gebiete erlöschen, soweit sie sich auf diejenige Zonen beziehen, die nunmehr den ausschließlichen Hoheitsbefugnissen der anderen Partei unterfallen. Der gebietsrechtliche Status des ungeteilten Festlandsockels ist noch offen, damit ist zugleich auch die endgültige Verteilung der Nutzungsrechte zwischen den Parteien ungeklärt. Ebensowenig wie es einem JSI Vgl. auch die Kritik, die an denjenigen informellen Vorschlägen auf der Konferenz geäußert wurde, die in etwa dem heutigen Wortlaut der Norm entsprechen. Auch hier wurden immer wieder Bedenken geäußert, die Formulierungen könnten als Verpflichtung zum Unterlassen jeglicher Aktivitäten mißverstanden werden, Adede, S. 244 ff.
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Staat rechtlich möglich ist, die Grenzen seines Festlandsockelanteils einseitig festzulegen, kann es ihm nun nach Treu und Glauben erlaubt sein, die nutzungsrechtliche Seite einseitig zu präjudizieren.352 Alle ressourcenbezogenen Aktivitäten, die final hierauf gerichtet sind oder die dies aus tatsächlichen Gründen bewirken, müssen deshalb unterlassen werden. Dazu zählen neben allen Förderaktivitäten auch solche Explorationstätigkeiten, die nicht nur vorübergehenden Charakter haben, sondern nur schwer oder gar nicht wiedergutzumachende Folgen nach sich ziehen; sie sind zugleich in besonderem Maße geeignet, eine Verschärfung des Grenzkonfliktes herbeizuführen. Damit geht der sachliche Umfang des Art. 83 Abs. 3 S. 1, 2. Hs SRÜ nicht über den des gewohnheitsrechtliehen Verbots der erheblichen schädigenden Einwirkung auf Objekte, die der Hoheitsgewalt (auch) des Nachbarstaates unterstehen, hinaus. Hinsichtlich des geographischen Kontextes, auf welchen sich die Pflicht zu mutual restraint bezieht, enthält die Vorschrift des Art. 83 Abs. 3 SRÜ in ihrer heutigen Fassung ebenfalls keinen Hinweis. Auch sie war auf UNCLOS III zwischen den Vertretern der verschiedenen Interessengruppen umstritten.353 Soweit ältere Fassungen der Vorschrift oder Vorschläge einzelner Delegationen auf konkrete Zonen oder geographische Linien Bezug nahmen, wurden diese nicht übernommen. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelung, Rücksicht auf die gleichgerichteten Interessen des Nachbarstaates zu nehmen und eine Konfrontation mit schädlichen Auswirkungen auf den friedlichen Abgrenzungsprozeß zu vermeiden, kann es sich hier allein um das Gebiet handeln, welches auch Gegenstand des Abgrenzungsprozesses ist. Da dies das gesamte Gebiet ist, in welchem sich die Ansprüche überschneiden, und nicht etwa nur ein, wie auch immer abzugrenzendes, "Kerngebiet"354, deckt sich der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift- wie auch der des genannten gewohnheitsrechtliehen Verbots einer erheblichen schädigenden Einwirkung- mit dem Gebiet, in dem sich die beiderseitigen Ansprüche überlappen. 355 Gemäß ihrem interimistischen Charakter endet die Verpflichtung, den Abschluß eines endgültigen Abkommens nicht zu behindern, jedenfalls mit Abschluß dieses Endabkommens. Ungleich schwerer zu beantworten sind die Fragen nach dem 352 In einer vergleichbaren Situation, als die ehemalige DDR ihr Küstenmeer ohne vorherige Absprache auf 12 sm erweiterte, führte ein Vertreter der Bundesregierung aus: "Darüber hinaus verstößt das einseitige Vorgehen der DDR auch gegen den allgemeinen Billigkeitsgrundsatz, daß in unklaren Situationen kein Staat berechtigt ist, durch ein einseitiges Vorgehen den anderen betroffenen Staat in Zugzwang und in eine nachteilige Verhandlungsposition zu bringen", ZaöRV 47 (1987), S. 328. 353 Oxford, S. 23. 354 V gl. in diesem Kap. oben, B III 1 a aa. 355 Ebenso Lagoni, AJIL 1984, S. 365.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
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Zeitpunkt, in welchem sie entsteht und ob sie gegebenfalls schon vor Abschluß eines Grenzabkommens suspendiert werden kann. Der Wortlaut gibt auch hier keinen Aufschluß. Mit Lagon;356 sind drei mögliche Zeiträume zu unterscheiden. Einmal könnte die Pflicht auf den Zeitraum beschränkt sein, in welchem die betreffenden Parteien über ein endgültiges Grenzabkommen verhandeln. Sie würde dann durch die Aufnahme der Gespräche ins Leben gerufen und wäre eng mit dem Schicksal der Verhandlungen verbunden, was hieße, sie würde nicht nur durch den positiven Fall des Abschlusses eines Übereinkommens, sondern auch durch das Scheitern oder die Unterbrechung der Gespräche beendet. Sodann könnte der zweite Halbsatz des Abs. 3 in engem Zusammenhang mit dem ersten gelesen und die Entstehung der besagten Verpflichtung an die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel des Zustandekommens eines interimistischen Abkommens zur Nutzung des umstrittenen Gebietes geknüpft werden; die Aufnahme solcher Verhandlungen kann lange vor der Aushandlung eines endgültigen Deiimitationsabkommens erfolgen. Als letzte Alternative schließlich kommt in Betracht, die Verpflichtung an die Existenz von Zonen mit sich überschneidenden Gebietsansprüchen zu binden. Danach entstünde die duty to exercise mutual restraint in dem Moment, in welchem feststeht, daß die staatlichen Ansprüche auf ein bestimmtes Gebiet sich überlappen. Für die erste- und in abgeschwächtem Maße auch für die zweite- Möglichkeit ist anzuführen, daß sie die souveränen Rechte der Nachbarstaaten geringstmöglich beschneidet. Gegen die beiden erstgenannten Alternativen spricht jedoch, daß es die Staaten auf diese Weise selbst in der Hand hätten, die Entstehung der besagten Pflicht zu verzögern bzw. zu verhindern, indem entweder eine Partei oder auch beide beteiligten Staaten die Aufnahme von Verhandlungen hinausschieben oder ganz ablehnen 357 und statt dessen einseitige Forschungs-, Such- oder Ausbeutungsaktivitäten betreiben. In der Tendenz würde also eher ein Abschreckungseffekt erzielt statt ein Anreiz zu Aufnahme und baldigem Abschluß eines interimistischen oder auch endgültigen Übereinkommens geschaffen. Dies liegt jedoch konträr zu Sinn und Zweck des Art. 83 Abs. 3 S. l , 2. Hs SRÜ. Die Verpflichtung muß deshalb im gleichen Augenblick wie die overlapping claims entstehen und sodann auch an deren Existenz gekoppelt bleiben. 358 Diese Lösung kommt dem Ziel der Norm auch insofern am nächsten, als die staatliche Verpflichtung dann nicht etwa endet, wenn die Verhandlungen einen toten Punkt erreicht haben oder endgültig abgebrochen werden.
ibid., s. 363 f. So hat sich z.B. Griechenland im Ägäis-Fall geweigert, Verhandlungen mit der Türkeit zu führen, vgl. I.C.J. Pleadings (Aegean Sea Continental Shelf), S. 3, 21. 358 Ebenso Lagoni, AJIL 1984, S. 364. 356 357
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Auch dieses Ergebnis stimmt sachlich überein mit dem oben unter a) (ressourcenbezogene Aktivitäten als Verletzung souveräner Rechte) gewonnenen. Denn das Verbot, erheblich auf Sachen oder Personen einzuwirken, die den souveränen Rechten des Nachbarstaates unterstehen, existiert ebenfalls von dem Moment an, in dem sich die Ansprüche der betroffenen Staaten erstmals überschneiden, bis zur Bereinigung des Problems unabhängig vom Schicksal des zwischenstaatlichen Verhandlungsprozesses im Einzelfall. 359 c) Staatenpraxis Bei dem Bemühen um eine Lösung der Frage nach der Zulässigkeil einseitiger ressourcenorientierter Arbeiten in umstrittenen Gebieten darf das tatsächliche Verhalten der Staaten allerdings nicht aus dem Blickfeld verloren werden. Denn nicht die abstrakt-generell konkretisierende Interpretation bestimmter Regeln, sondern erst die den Konsens der Staatengemeinschaft widerspiegelnde Praxis erlaubt endgültige Rückschlüsse auf das geltende allgemeine Völkerrecht. Danach scheint es aber, als entwickele und bewege die Staatenpraxis sich entlang der soeben aufgezeigten Linie. Ein wichtiges Beispiel hierfür bildet der sogenannte "Hesseloe-Disput" zwischen Dänemark und Schweden. Hesseloe ist eine kleine dänische Insel im Kattegat, über deren Berücksichtigung bei der Abgrenzung der Festlandsockelanteile die beiden Staaten keine Einigung erzielen konnten. Im Jahre 1983 vergab Dänemark eine Genehmigung zur Aufsuchung von Erdölvorkommen für das umstrittene Gebiet, die auch das Abteufen von Explorationsbohrungen umfaßte. 360 Im August des gleichen Jahres protestierte Schweden gegen die einseitigen Sucharbeiten und erreichte schließlich deren Einstellung seitens Dänemark, bis 1984 ein Grenzabkommen geschlossen werden konnte?61 Ein anderes Beispiel stellt der Abgrenzungsstreit zwischen Malta und Libyen dar. 1965 hatte Malta den Nachbarn informiert, daß es die Mittellinie als Seegrenze betrachte. Wiewohl die Grenze gewisser Vertragsgebiete libyscher Konzessionäre offenbar nördlich der Mittellinie verlief, entließ Libyen diese aus der Verpflichtung, in den umstrittenen Gebieten Arbeiten zur Aufsuchung von Öl durchzuführen.362 In gleicher Weise berücksichtigen sämtliche Offshore-Feldesgrenzen der 359 Da die unter a) und b) gewonnenen Ergebnisse somit vollständig übereinstimmen, erscheint es an dieser Stelle nicht notwendig, auf die Frage einzugehen, inwieweit die Pflicht zur Zurückhaltung, wie Art. 83 Abs. 3 SRÜ sie normiert, auch gewohnheitsrechtlich besteht; vgl. zu dieser Frage aber unten im 3. Teil, 3. Kap. A III. 360 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Aug. 1983, S. S. 361 Johnson Theutenberg, S. 251 f. 362 Continental Shelf (Malta/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1985, s. 28 f., Ziff. 24.
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Volksrepublik China im Gelben Meer die von Japan und Südkorea gewünschte Äquidistanzlinie, obwohl China diese Linie ebensowenig wie Taiwan als Grenze seines Festlandsockelanteils anerkennt. 363 Auch Thailand hat in Gebieten des östlichen Golfs von Thailand, in dem seine Ansprüche sich mit denen Vietnams und Kambodschas überschneiden, nur wenige Explorationsmaßnahmen unternommen und es achtet streng darauf, daß Bohraktivitäten nur auf seinem unumstrittenen Festlandsockelbereich stattfinden.364 Frankreich und Kanada schließlich hatten beide im Gebiet um die französischen Inseln Saint Pierre und Miquelon Erlaubnisse für Explorationstätigkeiten verliehen. Nachdem die jeweils andere Seite hiergegen protestiert hatte, wurden keine Bohrungen durchgeführt. 365 In vielen anderen Regionen der Erde, in denen Seegrenzen offen sind, finden ebenfalls keine ressourcenbezogenen Arbeiten statt, obwohl Konzessionen bereits verliehen wurden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein von Kohlenwasserstoffvorräten spricht und die Küstenstaaten diese an sich dringend benötigten.366 Es soll allerdings nicht verkannt werden, daß diese Zurückhaltung nicht immer und automatisch den Schluß auf die Überzeugung der Küstenstaaten zuläßt, zum Unterlassen der Arbeiten rechtlich verpflichtet zu sein, um souveräne Rechte des oder der Nachbarn nicht zu verletzen und ernste politische oder gar militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden und dieserart den friedlichen Einigungsprozeß über den Grenzverlauf nicht zu gefahrden. Ein einfacher Grund für die Zurückhaltung besteht vielfach darin, daß es einem anspruchstellenden Staat unmöglich ist, die über das nötige technologische Know how und die erforderlichen finanziellen Mittel verfügenden Fördergesellschaften zu motivieren, aufwendige und kostenintensive Sucharbeiten in umstrittenen und damit unsicheren Regionen vorzunehmen, insbesondere wenn der konfligierende Anspruch von einer Regionalmacht vorgebracht wird. So führen westliche Firmen kaum Arbeiten in Gebieten Ostasiens durch, die auch von der Volksrepublik China beansprucht werden, zumal sie in diesen Fällen weder Garantien noch Schutz von ihrem Heimatstaat erwarten können. Jedoch läßt sich allgemein ein Trend zur Zurückhaltung konstatieren. 367 Dieser drückt sich nicht nur in den geschilderten, offenbar nicht abgesprochenen Akten der Selbstbeschränkung aus, sondern ebenso in bestimmten ausdrücklichen Vereinbarungen der betroffenen Nachbarn, vor allem in der Errichtung sogenannter Buchholz, S. 102. McDorman, ODIL 1987, S. 295. 365 Case Concerning the Deiimitation of Maritime Areas between Canada and the French Republic, ILM 31 ( 1992), S. 1175. 366 Valencia/Miyoshi, S. 218 f. 367 Vgl. auch Attard, S. 118, der diesen Trend selbst bei wissenschaftlichen Untersuchungen beobachtet. 363
364
124
1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
Moratorium-Gebiete. Dies sind Zonen, bezüglich derer die Beteiligten sich gegenseitig zusichern, bis zur endgültigen Entscheidung des Grenz- oder Ressourcenkonfliktes auf alle Erschließungsmaßnahmen zu verzichten. Ein Beispiel ist der Golf von Tonking, wo die verfeindeten Nachbarstaaten Vietnam und China Anfang 1974 übereinkamen, daß bis zur Erarbeitung einer endgültigen Grenzlösung in bestimmten umstrittenen Gebieten keine Bohrarbeiten stattfinden sollen.368 Desgleichen haben sich Norwegen und die ehemalige UdSSR in ihrer Verhandlungsrunde im Dezember 1984 dahingehend verständigt, in den vom anderen ebenfalls beanspruchten Zonen der an lebenden wie an erschöpfbaren Ressourcen reichen Barents-See keine Explorationstätigkeiten durchzuführen.369 Ein weiteres Beispiel bildet die Beting-See. Bevor die vormalige UdSSR und die USA im Jahre 1990 ihren Streit über den genauenVerlauf der im Vertrag von 1867 zur Regelung der Zession Alaskas an die USA bestimmten Trennlinie beilegen konnten, hatten sie eine ca. 30 Seemeilen breite Pufferzone in dem umstrittenen Gebiet errichtet, in der keine Partei Probebohrungen durchführen durfte. 370 In diesem Zusammenhang ist auch nochmals das Berner Abkommen aus dem Jahre 1976371 zu nennen, in dem Griechenland und die Türkei einander zugesichert haben, alle Handlungen in bezug auf den Festlandsockel zu unterlassen, welche schädigenden Einfluß auf die Abgrenzungsverhandlungen bezüglich der Ägäis haben könnten. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß Tunesien und Libyen im Jahre 1981 Sucharbeiten nach Erdöl vor ihren Küsten aussetzten, da die Festlandsockelgrenze zwischen ihnen streitig war.372 Dieser Fall liegt allerdings insofern besonders, als zu dieser Zeit bereits ein Verfahren vor dem IGH anhängig war. Die Staaten halten sich nach allem offenbar für verpflichtet, Gewinnungsund jedenfalls solche Sucharbeiten auf dem Festlandsockel zu unterlassen, die die Errichtung fester Installationen voraussetzen oder andere bleibende Einwirkungen auf das Schelfgebiet zur Folge haben. In der völkerrechtlichen Doktrin wird eine solche Enthaltungspflicht ebenfalls angenommen.373
368
McDorman, S. 224; Kent!Valencia, S. 175 ff.; Rhee/MacAulay, S. 100; Yuan,
369
Churchill, The Soviet Union, S. 52. Antinori, S. 15.
s. 394. 370
371 "Agreement on Procedures for Negotiation of Aegean Contineotal Shelf Issue" vom 11.11.1976, ILM 16 (1977), S. 13. 372 Lagoni, AJIL 1984, S. 366; vgl. auch das Urteil im libysch-tunesischen Festlandsockelstreit, I.C.J. Resports 1982, S. 37, Ziff. 21. 373 Lagoni, AJIL 1984, S. 365; Miyoshi, IJECL 1988, S. 11; Attard, S. 118; Valencia/Miyoshi; S. 213; Leanza, S. 394.
2. Kapitel: Problemkonstellationen
125
2. Zusammenfassung
Existiert in bezug auf einen Schelfgürtel, den sich mehrere Staaten teilen, kein Grenzabkommen und machen diese Staaten Ansprüche geltend, die alle gleichermaßen bonafide, das heißt vereinbar sind mit den anerkannten Prinzipien des Festlandsockelregimes, so entsteht dadurch eine Zone sui generis. Thr gebietswie nutzungsrechtlicher Status ist offen. In ihr besitzen die angrenzenden Staaten bis zur Teilung gleichartige, gleichgerichtete und gleichwertige souveräne Rechte, die sich wechselseitig begrenzen. Angesichts der Existenz von overlapping claims sind die betroffenen Küstenstaaten gewohnheits-wie vertragsrechtlich verpflichtet, Verhandlungen im Hinblick auf die Erzielung einer Grenzübereinkunft zu führen und alles zu unterlassen, was den friedlichen Einigungsprozeß gefährden könnte. Sie stehen also auch insofern in einer verdichteten rechtlichen Beziehung. Aus beiden Gesichtspunkten folgt übereinstimmend: Die Gewinnung von Rohstoffen, die Errichtung fester Installationen und die Vomahme anderer ressourcenbezogener Handlungen, die nicht bloß vorübergehenden Charakter besitzen, stellen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung der souveränen Rechte des Nachbarstaates dar und sind zudem geeignet, eine Verschärfung der Konfliktsituation herbeizuführen. Sie sind deshalb völkerrechtswidrig.
Drittes Kapitel
Konsequenzen der bestehenden Rechtslage Unter der "bestehenden Rechtslage" werden gemäß den vorangegangenen Ausführungen die Verbote der Grenzdurchörterung bzw. des Entziehens von Rohstoffen aus angrenzenden Gebieten und der erheblichen grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen (im Fall grenzüberschreitender Lagerstätten) sowie das Verbot der Rohstoffgewinnung und anderer ressourcenbezogener Aktivitäten mit nicht nur vorübergehendem Charakter (im Fall sich überschneidender Gebietsansprüche) verstanden.
126
1. Teil: Völkerrechtl. Grundlagen und Einführung in die Problematik
A. Im Fall grenzüberschreitender Lagerstätten Überschreitet eine bezüglich des Rohstoffes homogene Lagerstätte eine bestehende politische Grenze auf dem Festland bzw. im Küstenmeer oder eine Grenzlinie auf dem Festlandsockel, so verbleibt den betroffenen Staaten zur Vermeidung der Verletzung souveräner Rechte des Nachbarn regelmäßig allein die Möglichkeit, auf den Abbau von Rohstoffen zu verzichten: Bei dem Bergbau auf feste Stoffe beschränkt sich dies allerdings räumlich auf grenznahe Gebiete. So können oftmals schon aufgrund des vielfach gekurvten Grenzverlaufs bestimmte Teile der Lagerstätte mit vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand nicht mehr ausgebeutet werden. Doch auch wenn ein Abbau entsprechend dem Grenzverlauf technisch und wirtschaftlich durchführbar sein sollte, wird zur Verhinderung negativer Einwirkungen auf das Hoheitsgebiet des Nachbarstaates (Nachsacken von Erdreich etc.) im unmittelbaren Grenzbereich in der Regel ein Grenzsicherheitspfeiler stehen zu lassen sein. Auch bei der Förderung flüssiger oder gasförmiger Stoffe müssen die Bohrlöcher in jedem Fall einen gewissen Abstand zur Grenze halten, damit der Bohrung kein Erdöl oder -gas aus dem Nachbarterritorium zufließt oder dem angrenzenden Staat in anderer Weise Schaden zugefügt wird. Hierüber hinaus wirken sich die genannten materiell-rechtlichen Verbote jedoch häufig noch weitaus gravierender aus. Denn abhängig von den konkreten Lagerstättenkonditionen fließen einer Bohrung auch aus weit entfernt liegenden Gebieten Rohstoffe zu bzw. hat die Produktion dieser Stoffe unabhängig von der Entfernung des Bohrlochs zur Grenze erhebliche Auswirkungen (auch) auf den Teil des Feldes, der den hoheitlichen Rechten des Nachbarstaates unterliegt. Dies vermag in einzelnen Fällen dazu zu führen, daß die Gewinnung von Stoffen wie Erdöl oder Erdgas vollständig zu unterlassen ist. Insofern unterscheidet die Situation sich also grundlegend von derjenigen im Fall fester Bodenschätze. Generell und unabhängig vom Aggregatzustand der Ressourcen eines grenzüberschreitenden Reservoir läßt sich aber festhalten, daß Folge der bestehenden Rechtslage ein - aus betriebs- wie volkswirtschaftlicher Sicht oftmals bedeutender -Verlust an anderenfalls gewinnbaren Rohstoffen ist.
B. Im Fall von Lagerstätten im Bereich sich überschneidender Gebietsansprüche Für Gebiete, in denen sich staatliche Ansprüche überschneiden, ergeben sich entsprechende negative Konsequenzen. Denn um Rechtsverletzungen zu vermeiden und um die Erzielung eines Grenzabkommens nicht zu gefährden oder zu verhindern, müssen ressourcenbezogene Aktivitäten mit dauerhaften Folgen im
2. Kapitel: Problemkonstellationen
127
gesamten Gebiet unterbleiben. Die Rohstoffgewinnung ist also generell nicht möglich. Darüber hinaus sind auch solche Aufsuchungsarbeiten zu unterlassen, die nicht nur vorübergehende Auswirkungen auf die umstrittenen Zonen besitzen
Zweiter Teil
"Joint Development"
Erstes Kapitel
Vorbemerkungen Um den aufgezeigten negativen Konsequenzen für die Gewinnung bzw., im Fall von overlapping claims, auch schon für die Aufsuchung der Bodenschätze zu begegnen, entscheiden die betroffenen Staaten sich in der Praxis zunehmend für eine Zusammenarbeit. Diese Entwicklung fügt sich ein in den größeren Zusammenhang der Wandlung, die das Völkerrecht gegenwärtig angesichts der stetig wachsenden Interdependenz der Staaten auf der normativen Grundlage von Völkerbundsatzung und insbesondere UN-Charta 1 erlebt und die allgemein mit dem Schlagwort "von der Koexistenz zur Kooperation" beschrieben wird.2 Das klassische Völkerrecht konkretisierte in erster Linie diejenigen (Unterlassungs-)Pflichten, die aus der souveränen Gleichheit aller Staatenverbände folgen und erfüllte damit die Funktionen der Konservierung, Stabilisierung und Koordination. 3 Die im ersten Teil der Untersuchung herausgearbeiteten "Enthaltungspflichten" bezüglich einseitiger ressourcenorientierter Aktivitäten können insoweit also diesem traditionellen Bereich des internationalen Rechts zugeordnet werden.4 Demgegenüber 1
Vgl. Art. 1 Ziff. 3 und Art. 56 i.V.m. Art. 55 (b); vgl. auch unten 3. Teil, 1. Kap.
Grundlegend Friedmann, S. 60 ff.; "Koexistenz" wird hier nicht ideologisch verstanden. 3 Simma, Friedens-Warte 1974, S. 72, systematisiert den Inhalt des Koexistenzrechts in knapper Form mit den drei Schlagworten: Abgrenzung der Hoheitsbereiche der Staaten, Regelung ihres Verkehrs miteinander und ihrer Machtstellung untereinander. 4 Dabei wird nicht verkannt, daß das aus den Grundsatz der guten Nachbarschaft folgende Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität bereits sehr moderne Züge trägt, indem es herausarbeitet, daß staatliche Souveränität grundsätzlich zwei unterschiedliche Stoßrichtungen hat und der traditionellen Freiheit eines Staates, sein Territorium nach Belieben zu nutzen, eine zweite, gleichstarke Komponente entgegensetzt. Ensprechendes gilt für das Gebot to exercise mutual restraint, um den Grenzziehungsprozeß im Fall sich überschneidender Gebietsansprüche nicht zu gefahrden. 2
1. Kapitel: Vorbemerkungen
129
regelt das moderne Recht der organisierten, in einem intensivierten Kommunikationsprozeß befindlichen Staatengemeinschaft - über die traditionellen Bereiche hinaus - zunehmend auch (Handlungs-)Pflichten zu gegenseitiger Hilfeleistung und internationaler Zusammenarbeit, übernimmt also zukunftsorientierte, planende Aufgaben. Deutliche Ausprägungen dieses Strukturwandels sind die Entwicklungen im internationalen Umweltrecht, im Wasserrecht und im Recht der lebenden Meeresressourcen. Nicht zuletzt ist auch die vermehrte Gründung internationaler Organisationen ein sichtbares Zeichen für die gewandelte Anschauung und den Willen der Staaten, sich zur Erreichung bestimmter Ziele enger zusammenzuschließen. Eine hinsichtlich der Intensivierung der staatlichen Zusammenarbeit obstruktive Politik, so läßt sich ohne weiteres feststellen, widerspricht heute dem Geist der Völkerrechtsordnung. Allerdings bedarf der Begriff der Kooperation stets noch der inhaltlichen Konkretisierung. Denn er besagt zunächst einmal nur, daß zwei oder mehr Parteien miteinander bzw. aufeinander bezogen aktiv werden. Wie in den soeben beispielhaft genannten Bereichen des Völkerrechts stellen deshalb auch im Hinblick auf die zwischenstaatliche Kooperation bei der Ausbeutung nicht-lebender Ressourcen Verträge das wichtigste Regelungsinstrument dar. Durch internationale Abkommen werden hinreichend spezifische, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende materielle wie prozedurale Rechte und Pflichten fixiert, die den ansonsten wenig aussagekräftigen Begriff der Zusammenarbeit inhaltlich mit Leben erfüllen. Für die vertragliche Kooperation benachbarter Staaten bei der Ausbeutung von Bodenschätzen hat sich international der Terminus ,,Joint Development" durchgesetzt. Er ist ins Deutsche am besten mit "gemeinsames Aufsuchen und Gewinnen" zu übersetzen. Diese Übersetzung ist gegenüber dem englischen Begriff sogar noch präziser und zwar insofern, als nicht-lebende Ressourcen mit Ausnahme des Wassers nicht erneuerbar und damit einer Entwicklung, Verbesserung oder Vermehrung, wie sie der Begriff "development" anzudeuten scheint, nicht zugänglich sind. Allerdings hat sich der genannte englische Terminus jedenfalls als Oberbegriff - in den einschlägigen Veröffentlichungen etabliert und ist insoweit durchaus prägnant. Er soll deshalb auch in der vorliegenden Arbeit verwendet werden. Der nachstehende, zweite Teil der Untersuchung gliedert sich wie folgt: Zunächst wird das Joint Development-Konzept vorgestellt werden. Es folgt eine Analyse der Staatenpraxis, das heißt der bestehenden Joint DevelopmentAbkommen. Schließlich soll die Struktur, die den dargestellten Kooperationsvereinbarungen zugrunde liegt, eingehend betrachtet werden.
9 Flonnllllll-Pfall"
130
2. Teil: Joint Development
Zweites Kapitel
Zum ,Joint Development"·Konzept A. Bestimmung des Begriffs ,,Joint Development" Der Begriff ,,Joint Development" wird, wiewohl er sich -quasi als Schlagwort - etabliert hat, in Literatur und Staatenpraxis nicht immer einheitlich verstanden und benutzt.5 Allgemein läßt Joint Development sich definieren als vertragliche Zusammenarbeit benachbarter Staaten zum Zwecke der koordinierten Aufsuchung und/oder Gewinnung von nicht-lebenden natürlichen Reichtümern im Bereich ihrer Territorien oder anderer Zonen, die ihrer (funktional beschränkten) Hoheitsgewalt unterliegen. Einige Autoren fügen dieser Definition weitere Elemente hinzu und reduzieren ihr Verständnis von Joint Development damit im Ergebnis auf bestimmte, ausgewählte Ausprägungen der Zusammenarbeit.6 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung wird jedoch ein umfassender Ansatz gewählt. Weder legt der Begriff es nahe, noch werden Argumente dafür angeboten, einzelne Formen der Kooperation bei der Ressourcengewinnung per definitionem auszuscheiden. Geboten erscheint vielmehr ein pragmatischer Ansatz; das soll hier heißen, die Annäherung an den Begriff über die Ziele des ihm Sinn und Inhalt verleihenden Konzepts: Solche Staatsverträge, die geeignet sind, die im folgenden aufzuzeigenden Aufgaben zu erfüllen, verwirklichen die Idee eines Joint Development. B. Funktionen von ,,Joint Development" Joint Development als völkerrechtliches Konzept bezweckt und bewirkt zunächst - und zwar unabhängig davon, ob die staatliche Zusammenarbeit eine Folge grenzüberschreitender Lagerstätten oder von overlapping claims ist - die Vermeidung der Verletzung souveräner Rechte des jeweiligen Nachbarn über 5 So auch Miyoshi, IJECL 1988, S. 5; Fox et al., S. 43; Lagoni, ILA-Report 1988, S. 513, Ziff. 7; Johnston!Valencia, S. 23 f. 6 So scheint nach der Auffassung Onoratos, FIU 1989, S. 314, Joint Development nur bei hälftiger Teilung der Rohstoffe vorzuliegen. Valencia, San Diego L.R. 1986, S. 683, fügt seiner Definition das Element "common exercise of sovereign rights" hinzu. Und auch Townsend Gault, Nat.Res.F. 1988, S. 279, bezeichnet Verträge, die zugleich den Grenzverlauf festlegen, nicht als Joint Development-Abkommen "in the true sense of the term". Nach dem hier vertretenen weiten Verständnis bedeutet Joint Development dagegen begriffsnotwendig weder die Teilung der Ressourcen zu gleichen Teilen noch gemeinsame Jurisdiktion oder gemeinsame Ausübung von Hoheitsrechten.
2. Kapitel: Zum Joint Development-Konzept
131
bestimmte Gebiete und an bestimmten Ressourcen, welche einseitige Erforschungs- und Gewinnungsarbeiten notwendigerweise mit sich brächten. Joint Development erfüllt also eine spezifisch konfliktverhindemde, friedenstiftende Funktion. Sodann ist Joint Development gerichtet auf den gerechten Ausgleich der Interessen aller Parteien, die Rechte an einer Lagerstätte besitzen, sowie auf die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der in ihr enthaltenen Bodenschätze. Die Kooperation dient insoweit also der Verwirklichung der gleichen Ziele, die auch bei unitization und pooling1 im Vordergrund stehen. Ohne Zweifel haben diese in das oil and gas law der us-amerikanischen Einzelstaaten eingeführten Instrumente auch als Vorbild für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit gedient - und zwar ganz allgemein und nicht nur, soweit die Problematik direkt vergleichbar ist, soweit es also um die gemeinsame Bewirtschaftung grenzüberschreitender Erdölfelder geht.8 Dennoch ist Joint Development als eigenständiges Institut des Völkerrechts klar zu unterscheiden von den innerstaatlichen, in den ConservationStatutes zusammengefaSten Regelungen, wie sie oben dargestellt wurden. Im Fall von overlapping claims geht die Bedeutung des Konzeptes schließlich noch über die genannten Aspekte hinaus. Denn die Errichtung eines Nutzungsregimes ermöglicht vielfach überhaupt erst die Aufsuchung und Gewinnung der Bodenschätze, und dies, obwohl eine zwischenstaatliche Kooperation hier - im Gegensatz zu dem Fall grenzüberschreitender Lagerstätten - nicht die einzige Lösungsmöglichkeit des Konfliktes darstellt. Im Gegenteil steht zunächst regelmäßig der Versuch der betroffenen Staaten im Vordergrund ihrer Bemühungen, die aufgrund der sich überschneidenden Gebietsansprüche entstandene Situation durch den Abschluß einer Grenzübereinkunft zu bereinigen. Ein solches Abkommen bewirkt die klare Zuordnung der Bodenschätze zur einen oder anderen Seite. So hat zum Beispiel der 1987 in Kraft getretene Grenzvertrag zwischen Indien und Birma, dem heutigen Myanmar,9 einen Disput gelöst, der entstanden war, als Birma in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre Konzessionen für die nördlichen Gebiete der Andaman-See vergab, die ebenfalls von Indien Dazu im 1. Teil oben2. Kap. A II 3 a bb (3). Beauchamp, S. 648 f.; Utton!McHugh, Nat.Res.J. 1986, S. 726; Onorato, lnfl & Comp. L.Q. 1968, S. 92; Sharma, Economic Factors, S. 251 und Delimitation, S. 128. Auch Richter Jessup, der den Gedanken der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im Falle grenzüberschreitender Lagerstätten und in Gebieten mit sich überlappenden staatlichen Ansprüchen in seinem Sondervotum zu den Nordseefestlandsockelfällen sehr unterstützte, verweist unter Berufung auf Onorato, ibid., auf die .,municipal laws of most of the oil-producing nations", die nach einer Phase ungeregelter Ausbeutung von Ressourcen nunmehr die Zusammenarbeit aller .,interest holders" verlangten, North Sea Continental Shelf,l.C.J. Reports 1969, S. 83. 9 .,Agreement on the Deiimitation of the Maritime Boundary in the Andaman Sea, the Coco Channel and the Bay of Bengal" vom 23. Sept. 1986, ILM 27 (1988), S. 1144. 7
8
132
2. Teil: Joint Development
beansprucht wurden. 10 Allerdings kommt eine Einigung zwischen den betroffenen Staaten über den Grenzverlauf häufig gerade in dem Fall nicht zustande, in dem (auch) Bodenschätze betroffen sind. Die Konfliktparteien haben dann die Möglichkeit, den IGH, ein internationales Schiedsgericht oder eine Schlichtungskommission zur Lösung des Abgrenzungsstreits anzurufen. Generell läßt sich jedoch feststellen, daß die Staaten sich, insbesondere in politisch so sensiblen Bereichen wie dem Verlauf ihrer Außengrenzen, nur ungern dem Spruch Dritter unterwerfen. Zudem haben die bislang gefällten Urteile des IGH und der verschiedenen Schiedsgerichte zwar in der Regel zu akzeptablen, weil gerechten Ergebnissen geführt; mit einem größeren Anstieg der Anzahl der Streitfälle, die internationalen Streitschlichtungsgremien unterbreitet werden, ist aber dennoch nicht zu rechnen. Hierzu sind die staatlichen Interessen, die auf dem Spiel stehen, zu gravierend und die Entscheidungen für die Parteien im Ergebnis zu wenig berechen- und vorhersehbar. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß ein international verbindliches Streitschlichtungssystem nicht besteht. Insbesondere eröffnet auch das SRÜ in seinem "Settlement of Disputes" betreffenden Teil XV den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Streitigkeiten betreffend die Festlegung von Seegrenzen von den bindenden Mechanismen auszunehmen (Art. 298 Abs. 1). 11 Der Abschluß einer Grenzübereinkunft scheitert deshalb außerordentlich häufig. An dieser Stelle nun kommt der Joint Development-Gedanke ein weiteres Mal zum Tragen: Die zeitgleiche Ausarbeitung einer Nutzungsordnung für bestimmte Rohstoffe des umstrittenen Gebietes ermöglicht vielfach eine Einigung über den Grenzverlauf, da eine solche dann nicht mehr notwendig mit dem Verzicht auf die Bodenschätze jenseits der Grenze verbunden ist. Ein derartiger package deal wird insbesondere unter der Voraussetzung in Betracht kommen, daß allein die Frage der Aufteilung nachgewiesener oder vermuteter Rohstoffreserven streitig ist und andere Konfliktpunkte - zum Beispiel die Berücksichtigung einer der Küste einer Partei vorgelagerten Insel oder ähnliches - nicht existieren. Bestehen dagegen weitere grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den Nachbarn und ist deshalb eine Einigung über den Grenzverlauf auch dann nicht zu erzielen, wenn parallel eine Nutzungsordnung erarbeitet wird, so 10
Kent/Valencia, S. 178.
Es ist weiterhin zu bedenken, daß eine Grenzziehung einen Ressourcenkonflikt immer nur dann endgültig zu lösen vermag, wenn einer der beteiligten Staaten- gegebenenfalls im Austausch gegen andere Gebiete oder mit Geldzahlungen - zum Verzicht auf alle Zonen, welche bekanntermaßen oder auch nur möglicherweise Bodenschätze enthalten, bewegt werden kann. Anderenfalls ist die Befürchtung berechtigt, daß früher oder später grenzüberschreitende Lagerstätten entdeckt werden, die Notwendigkeit einer anders gearteten Lösung also lediglich mit zeitlicher Verzögerung entsteht. Diese Lösung muß dann oftmals unter Zeitdruck entwickelt werden, ohne daß ein umfassender Ausgleich aller Interessen erzielt werden kann. 11
2. Kapitel: Zum Joint Development-Konzept
133
sind die betroffenen Staaten ofbnals jedenfalls zu einer pragmatischen Lösung nur des Ressourcenkonfliktes bereit, insbesondere wenn auf nationaler Ebene ein erhöhter Bedarf nach den Bodenschätzen besteht. Joint Development bietet also die weitere Alternative, die komplexe Frage der Grenzziehung gänzlich von derjenigen einer angemessenen Ressourcennutzung abzukoppeln. Mit der Hilfe der Joint Development-Idee kann so die nicht zu lösende Streitfrage der (ausschließlichen) souveränen Rechte an einem Gebiet transformiert werden in die eigentlich relevante nach der mengenmäßigen Aufteilung seiner Ressourcen. 12 Dabei kann auch solchen wirtschaftlichen und politischen Interessen Bedeutung beigemessen werden, die bei einer streng am Recht orientierten Festlegung einer Grenze - insbesondere durch ein internationales Gericht - nicht berücksichtigt werden dürften. In einer solchen Situation kann das Joint DevelopmentRegime als Interimslösung bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Grenzverlauf errichtet werden - das staatliche Übereinkommen stellt dann zugleich ein "provisional arrangement of a practical nature" im Sinne des 83 Abs. 3 SRÜ dar13 - oder aber permanent. Im letzteren Fall macht die Vereinbarung weitere Verhandlungen über den Grenzverlauf überflüssig und es bewahrheitet sich, was Bothe 14 einmal mit den Worten: "Gute Nachbarschaft bedarf der Grenzziehung nicht, sie überwindet sie" ausgedrückt hat. Schließlich ist im Fall konfligierender Gebietsansprüche die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen oftmals auch aus tatsächlichen Gründen nur im Rahmen eines Joint Development-Regimes möglich. Die Suche nach Bodenschätzen im allgemeinen, diejenige nach Öl im Offshore-Bereich im besonderen ist ein extrem kostenintensives und risikoreiches Geschäft. Um dieses Risiko nicht noch zu vergrößern, investieren internationale Mineralölgesellschaften und Konsortien, auf deren Mitwirkung die Staaten mangels ausreichender eigener finanzieller Mittel und eigenem technischen Know how in der Regel angewiesen sind, nur ungern in umstrittenen Gebieten, wo stets die Gefahr einer Beeinträchtigung ihrer Rechte durch politische Auseinandersetzungen oder sogar militärische Interventionen besteht. 15 Auch ist es schwer, in solchen Fällen das notwendige 12
Ebenso Richardson, AJIL 1988, S. 449.
Vgl. unten 3. Teil, 3. Kap. BI I b. Zusammenarbeit, S. 252. 15 Vgl. die Beispiele hierfür bei Townsend Gault, Boundary Delimitation, S. 222 f.; Fox et al., S. 39; Onorato, FILJ 1986, S. 81, 83. Beispielsweise haben amerikanische Mineralölgesellschaften alle Sucharbeiten im Gelben und Ostchinesischen Meer eingestellt, nachdem die Volksrepublik China eigene Ansprüche auf einen umstrittenen Teil des dortigen Festlandsockels geltend gemacht und vehement gegen ein ins Auge gefaStes Joint Development-Abkommen zwischen Süd-Korea, Japan und Taiwan protestiert hatte. Infolge dessen hatte die amerikaDisehe Regierung den Gesellschaften mitgeteilt, diese arbeiteten auf eigenes Risiko, sie würde selbst dann nicht eingreifen, wenn Schiffe festgehalten werden sollten, vgl. Park, Energy 1981, S. 1337. 13
14
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2. Teil: Joint Development
Kapital am Markt zu erhalten. Ein Joint Development-Abkommen, das einen zuverlässigen rechtlichen Rahmen für die Nutzung der Bodenschätze schafft, beseitigt ein wesentliches Hemmnis und wirkt somit investitionsfördernd. Die genannten Ziele und Funktionen von Joint Development befinden sich im Einklang mit dem Grundsatz der permanenten Souveränität über alle natürlichen Ressourcen in und auf nationalen Hoheitsgebieten sowie mit dem Festlandsockelregime. Auch das System der exklusiven Rechte des Küstenstaates über die natürliche Verlängerung seines Staatsgebietes unter dem Meer wurde in erster Linie etabliert, um ausschließlich ihm bestimmte Rechte über einen bestimmten Teil des Meeresbodens und dessen Untergrund sowie über die dort enthaltenen natürlichen Reichtümer zuzuweisen. Konkurrierende internationale Nutzungsaktivitäten sollten so vermieden und die Ressourcennutzung durch den genannten Staat allein ermöglicht und vereinfacht werden. 16 Der Durchsetzung dieser Ziele in bestimmten problematischen Situationen dientloint Development. Heute wird der Gleichlauf zwischen Festlandsockelregime und Joint Development-Konzept bzw. die Ergänzung des ersteren durch das letztere nicht zuletzt bezeugt auch durch Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRÜ.17
C. Umsetzung durch Vertrag Wie jede Form zwischenstaatlicher Kooperation so bedarf auch das Joint Development-Konzept der Umsetzung und Konkretisierung im Einzelfall. Beides erfolgt hier durch Staatsvertrag. 18 Allgemein läßt sich von einer Vereinbarungen als einem ,,Joint DevelopmentAbkommen" sprechen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Es besteht eine bindende völkerrechtliche Willenseinigung zwischen zwei oder mehr Parteien. 2. Die beteiligten Parteien sind souveräne Staaten. 3. Die Willenseinigung zielt auf die positive Nutzung von nicht-lebenden natürlichen Ressourcen in einem bestimmten Gebiet und trifft die hierfür wesentlichen Entscheidungen selbst. 4. Die Parteien sind Inhaber der für eine solche Regelung erforderlichen hoheitlichen Befugnisse. Dies bedeutet im einzelnen: 16
Zu diesen und weiteren Zielen Hutchinson, BYIL 1985, S. 113 ff., 161.
17
Dazu unten im 3. Teil, 3. Kap. B I 1 b.
Informelle Absprachen oder solche auf unterstaatlicher Ebene bleiben vorliegend außer Betracht. Sie sind in einem politisch wie rechtlich höchst sensiblen - weil Hoheitsrechte betreffenden - Bereich wie dem hier behandelten im übrigen auch kaum vorstellbar; zu informellen Übereinkünften vgl. aber unten im 3. Teil, 3. Kap. B I 1 b. 18
2. Kapitel: Zum Joint Development-Konzept
135
Während unitization und pooling auf der privatrechtliehen Ebene durch die vertragsgemäße Zusammenarbeit mehrerer Grundeigentümer, Pächter oder Konzessionäre verwirklicht wird, handelt es sich bei Joint Development-Abkommen um Verträge zwischen zwei- theoretisch auch mehr19 - Völkerrechtssubjekten, exakter: zwischen zwei oder mehr Staaten. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, daß in dem Joint Development-Vertrag auch die jeweiligen Konzessionäre zur (vertraglichen) Zusammenarbeit ermutigt oder gar verpflichtet werden. Es bleibt den Vertragsstaaten des weiteren unbenommen, im Rahmen des Joint Development-Regimes selbst ein Joint Ventiliere mit einer staatlichen oder nichtstaatlichen Gesellschaft einzugehen oder Konzession-, Produktionsteilungs-, Service- oder andere Verträge abzuschließen. Dies sindjedoch Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung des Abkommens, nicht der an ihm selbst und unmittelbar beteiligten Parteien.
Joint Development-Abkommen stellen völkerrechtliche Verträge dar. Zustandekommen, Durchführung und Beendigung der Abkommen unterliegen damit den Regeln des internationalen Rechts. Zwar steht es Völkerrechtssubjekten grundsätzlich frei, ihre Vereinbarungen einer ihrer nationalen Rechtsordnungen zu unterstellen, Vertragsmaterie sind vorliegend jedoch genuin Hoheitsrechte und damit spezifisch völkerrechtliche Regelungegegenstände. 20 Demgegenüber unterfällt die tatsächliche Umsetzung der vertraglichen Vereinbarungen durch staatliche oder private Förderunternehmen -gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einer gemeinsamen, eigene Rechtspersönlichkeit besitzenden Behörde - regelmäßig dem nationalen Recht. Dies betrifft jedoch wiederum nur den Inhalt, nicht die Rechtsnatur des Kooperationsvertrages selbst. Joint Development-Abkommen schaffen die rechtliche Grundlage entweder für die wirtschaftlich sinnvolle Ausbeutung von Lagerstätten, welche eine politische Grenze überschreiten, oder für eine absprachegemäße Verleihung von Rechten an Mineralölgesellschaften und die sich daran anschließenden Such- und Gewinnungsaktivitäten in Räumen, in denen Gebietsansprüche benachbarter Staaten konkurrieren. Sie sind damit stets auf die effektive und umfassende Nutzung der betreffenden natürlichen Ressourcen gerichtet. Hierdurch unterscheiden sie sich von Moratorien und solchen Staatsverträgen, die die Pflicht zum Stehenlassen eines Sicherheitspfeilers oder das Verbot von Bohrungen in Grenznähe vorsehen. 19 Besonderheiten grundsätzlicher Natur bestehen in dieser Hinsicht nicht. In der Praxis wurde ein drei- oder mehrseitiges Abkommen allerdings noch nicht geschlossen. Der, soweit erkennbar, einzige in diese Richtung unternommene Versuch- Anfang der siebziger Jahre planten Japan, Südkorea und Taiwan, vielversprechende Gebiete des Festlandsockels zwischen ihnen gemeinsam zu explorieren - ist gescheitert, allerdings aus Gründen, die außerhalb des Joint Development-Konzeptes liegen, vgl. in diesem Teil unten, 3. Kap. B II 2 c. 20 Vgl. auch Wille, Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee, S. 88 ff.
136
2. Teil: Joint Development
Damit ein Joint Development-Regime in der Praxis umgesetzt werden kann, muß der Vertrag mindestens die folgenden vier Punkte selbse 1 regeln: Erstens muß das Gebiet, in welchem die Kooperation stattfinden soll, definiert oder die Lagerstätte, auf die sich die Zusammenarbeit bezieht, bezeichnet werden?2 Zweitens muß die Frage nach der konkreten Art und Weise der Zusammenarbeit bei der Erschließung der Rohstoffvorkommen einer Entscheidung zugeführt werden. Drittens ist die mengen- bzw. quotenmäßige Aufteilung der Vorräte oder der Gewinne zu bestimmen. Und viertens muß festgelegt werden, im Rahmen welcher Rechtsordnung die Zusammenarbeit erfolgen sol1.23 Schließlich müssen die Vertragsparteien die notwendige territoriale Kompetenz besitzen. Das heißt, sie müssen entweder Hoheitsgewalt über den Boden ausüben, in oder auf dem die Rohstoffe sich befinden (im Bereich des Festlandsockels genügen funktional beschränkte Hoheitsrechte), oder durch geltendes Völkerrecht gerechtfertigte Ansprüche auf diesen besitzen.
D. Historische Entwicklungen Die vertragliche Zusammenarbeit von Staaten im Bereich des kontinentalen Bergbaus auf feste Stoffe in Grenzgebieten besitzt eine alte Tradition. Der grenzüberschreitende Salzbergbau an der österreichisch-bayerischen Grenze läßt sich beispielsweise bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. 24 Geschichte und Grundsätze dieser Zusammenarbeit sind in der Literatur hinreichend aufgearbeitet worden.25 21 Dies umfaßt auch die Möglichkeit, die Regelungsbefugnis für die drei letzten Punkte an eine gemeinsame, gegebenenfalls neu zu schaffende Instanz zu delegieren. Zu den Schwierigkeiten, zu denen es in diesem Fall jedoch kommen kann, vgl. die Ausführungen zum "Memorandum of Understanding" zwischen Thailand und Malaysia von 1979, in diesem Teil unten, 3. Kap. B II 2 d. 22 Ist die vertragliche Regelung gebietsbezogen, kann sie als Statusvertrag im weiteren Sinne bezeichnet werden, da sie Fragen der Ordnung und der Zuordnung eines bestimmten Gebietes betrifft. Eine solche Qualifikation hat vorliegend jedoch sachlich keine Konsequenzen, da die rechtliche Besonderheit solcher Verträge- die Begründung spezifischer Rechte und Pflichten über den Kreis der Vertragsparteien hinaus - nur Statusverträgen im engeren Sinne innewohnt. Dies sind Verträge, die aus Gründen des Gemeinwohls eine territoriale Ordnung errichten, die auch für Dritte maßgebend sein soll, vgl. Klein, Statusverträge, S. 21 ff. 23 Ausführlich zu diesen und den weiteren Elementen eines Joint DevelopmentAbkommens in diesem Teil unten, 4. Kap. B. 24 Der erste Vertrag, der eine Grenzüberschreitung genehmigte, betrifft dieses Gebiet und stammt aus dem Jahre 1271; weitere Nachweise bei Braun, S. 43 ff.; Schücking, S. 302 ff.; Rühland, S. 422. 25 Braun; Schücking; neuere Abhandlungen sind zu diesen Fragen, soweit ersichtlich,
2. Kapitel: ZumJoint Development-Konzept
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Seitdem nun auch in größerem Umfang -zunächst auf dem Festland -Rohstoffe in flüssigem und gasförmigem Zustand gewonnen werden, besteht hier ebenfalls die Notwendigkeit einer Absprache zwischen den Völkerrechtssubjekten, deren Grenze eine Lagerstätte durchschneidet. Der Gedanke einer Kooperation wurde, soweit erkennbar, erstmals im Jahre 1960 durch Österreich und die damalige CSR hinsichtlich ihrer gemeinsamen Erdgaslagerstätte im Grenzabschnitt Vysoka-Zwemdorf verwirklicht. 26 Hingewiesen sei auch auf die wegweisenden Veröffentlichungen von Utton 21 und von Onorato28 , beide aus dem Jahre 1968, in denen erstmals auch Vertreter der Völkerrechtswissenschaft auf die Erforderlichkeil einer Zusammenarbeit zwischen Nachbarstaaten eingehen. So wirft Utton eingangs seines Aufsatzes die Frage auf: "What provision has been made or should be made for the efficient, economical, and coordinated exploitation of gas or oil fields which transcend international boundaries. For example, what arrangements have been made or should be made if political boundaries between littoral States divide a productive gas or oil field?"29 Und Onorato schließt seine Ausführungen mit den Worten: "The law that will ultimately apply to the apportionment of international shared petroleum reserves must be fair and equitable if it is to prove workable. lt is therefore submitted in conclusion that only such a law as is founded on co-operation, co-ordination and agreement between countries interested in a common petroleum source is likely tobe satisfactory."30 Seit Mitte der sechziger Jahre enthalten, wie bereits ausgeführt, auch Abkommen zur Festlegung der Seegrenzen in Regionen, in denen Ölvorkommen, aber auch andere Bodenschätze vermutet werden, mehrheitlich eine sogenannte mineral deposit clause. 31 Der Prototyp einer solchen Klausel entstammt dem Festlandsockelgrenzabkommen zwischen Norwegen und Großbritannien.32 Lagerstättenklauseln begründen für den Fall, daß geologische Strukturen mit abbauwürdigen Vorkommen sich über die Grenzen der jeweiligen Sockelanteile erstrecken, eine Verhandlungspflicht der Parteien. Die Modalitäten der Kooperation werden jedoch noch nicht konkret geregelt, sondern sollen gerade Gegenstand der zu führenden allerdings nicht erschienen. 26 Ausführlich zu diesem Abkommen in diesem Teil unten, 3. Kap. A II 1. 27 VJIL 1968, S. 66. 28 Infl.&Comp.L.Q. 1968, S. 85. 29 ibid., s. 68. 30 ibid., s. 102. 31 Vgl. oben im 1. Teil, 2. Kap. A II 3 a bb (4) (a); ausführlich zu den LagerstättenKlauseln unten im 3. Teil, 2. Kap. AI 1. 32 "Agreement Relating to the Deiimitation of the Continental Shelf between the two Countries" vom 10.3.1965, UNTS 551, S. 214; United Kingdom Treaty Series No. 71 (1965), Cmnd. 2757.
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2. Teil: Joint Development
Gespräche sein. Grenzabkommen mit einer entsprechenden Klausel stellen deshalb keine Joint Development-Abkommen im Sinne der obigen Definition deren Wesensmerkmal bestand unter anderem gerade darin, daß in ihnen alle relevanten Entscheidungen bereits getroffen werden- dar; sie sind aber entscheidende Wegbereiter für derartige Übereinkünfte. Doch nicht nur für den Problembereich der grenzüberschreitenden Lagerstätten, sondern auch für die Situation der overlapping claims soll die historische Entwicklung hier kurz nachgezeichnet werden. Im Mittelpunkt steht dabei wiederum das internationale Seerecht, da vor allem in maritimen Gebieten eine große Zahl sich überschneidender Gebietsansprüche existiert. Bereits Anfang der fünfziger Jahre - das heißt fünf Jahre nach Erlaß der Truman-Proklamation -wurde das Problem von Lagerstätten auf dem Festlandsockel in einem Bereich sich überschneidender staatlicher Gebietsansprüche aufgegriffen. Allerdings war der Blickwinkel, aus welchem die Diskussion geführt wurde, zum damaligen Zeitpunkt ein anderer. Es ging nicht primär um die Möglichkeit zwischenstaatlicher Zusammenarbeit bei der Aufsuchung und Gewinnung von Rohstoffen, sondern vielmehr um die Abgrenzung der Festlandsockelanteile benachbarter Staaten und die damit verbundene Frage, ob die als Grenzlinie vielfach favorisierte Mittellinie zum Zwecke der Erhaltung der ,,Einheit einer Lagerstätte"33 modifiziert werden solle oder gar müsse. Erstmals nahm Gidel in einem ,,Memorandum on the High Seas" vom 14. Juli 195034, das von der UN-Völkerrechtskomrnission vorbereitet worden war, zu dieser Frage Stellung und führte aus: ,,Les limites des gisements des substances precieuses ne concorderont pas, suivant les plus grandes probabilites, avec les lignes separatives qu'une methodegenerate aura permis de determiner. Le meme gisement se continuera donc tres frequemment de part et d'autre de Ia ligne envisagee. Or, rexploitation d'un gisement en un lieu donne reagira d'une maniere certaine, au moins en matiere de substances petrolieres, sur les autres parties du gisement. Le principe qu'il ne faut pas perdre de vue et dont Ia pratique obligera a tenir compte est celui de l'unite du gisement. Le droit international consacre deja cette idee en matiere de droit fluvial; eile s'impose d'autant gtus ici que le gisement, loin de se renouveler comme le fleuve, se detruit par rusage." 5 33 Onorato, lnfl and Comp.L.Q. 1968, S. 86, weist zu Recht darauf hin, daß die Formulierung "unity of a deposit" sprachlich insofern schief ist, als es nicht um die Einheit der Lagerstätte, sondern vielmehr darum geht, daß ein Rohstoffreservoir als Ganzes der Souveränität nur eines Staates unterstellt wird.
34 Doc. A/CN.4/32, Memorandum presente par le Secretariat, YILC 1950 II, S. 67, 87 ff. Zuvor hatte sich allerdings schon die Truman-Proklamationzur Rechtfertigung der us-amerikanischen Ansprüche darauf berufen, daß nicht selten die Reichtümer des Festlandsockels die Erstreckung einer Lagerstätte seien, die sich innerhalb des Staatsgebietes befinde, und dieserart das Problem der Einheit einer Lagerstätte berührt, dazu Klemm, S. 29.
2. Kapitel: Zum Joint Development-Konzept
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Zur Unterstützung seiner These, daß die Einheit einer Lagerstätte zu erhalten sei, stützte Gidel sich also auf die im intetnationalen Flußrecht entwickelten Prinzipien, ohne allerdings weitere Hinweise darauf zu geben, wie diese Prinzipien bei den vorliegenden Problemkonstellationen konkret umzusetzen seien.36 Die gleiche Ansicht vertrat einige Jahre später Mouton?1 Auch nach seiner Meinung sollte die "essential unity of a deposit" bei einer Grenzziehung so weit wie möglich berücksichtigt werden. 38 Mouton berief sich dabei auf das soeben erwähnte UN-Memorandum sowie auf die Entscheidung im norwegisch-schwedischen Streit um die für den Hummerfang wichtigen, im Küstenmeer gelegenen Grisbadarna-Bänke. In diesem Fall hatte ein internationales Schiedsgericht durch einen Spruch vom 23. Oktober 190939 die Mittellinie, welche die Hummerbänke durchschnitten hätte, als Seegrenze zwischen beiden Ländern verworfen und letztere statt dessen so festgelegt, daß die Bänke vollständig Schweden zufielen. Obwohl das Schiedsgericht seine Entscheidung im wesentlichen mit den historischen Titeln der schwedischen Fischer begründete40, sah Mauton hierin die Anwendung des gleichen Prinzips.41 Mauton war es auch, der den vielzitierten, weil so plakativen Satz prägte: "Never two straws in one glass.'"'2 Das Problem erdölhöfiger Strukturen bei überlappenden Gebietsansprüchen der Anrainerstaaten wurde sodann auf der Genfer Seerechtskonferenz im Jahre 1958 erneut aufgegriffen43 , spielte in den Debatten jedoch keine wesentliche 35
ibid., s. 112.
Es ist interessant festzustellen, daß die ILC in dem Kommentar zu Art. 72 ihres Entwurfs eines Festlandsockelübereinkommens- dem späteren Art 6 FSK 1958 -ausführt, Abweichungen von der Mittellinie könnten aufgrund bestimmter rechtlicher und geographischer Überlegungen erfolgen, während das wirtschaftliche Argument Gidels, die Einheit einer Lagerstätte, nicht aufgegriffen wurde, YILC 1956 II, S. 300. 36
The Contineotal Shelf, S. 295 und RdC 1954, S. 421. "We think the principal should be kept in mind that the dividing line should if it can be avoided not cross an oil pool'', The Contineotal Shelf, S. 295. 37
38
39
AJIL 1910, S. 226 ff.
"Whereas, a demarcation which would assign the Grisbadama to Sweden is supported by all of several circumstances of fact which were pointed out during the discussion and of which the following are the principal ones: a. The circumstance that Iobster fishing in the shoals of Grisbadama has been carried on for a much Ionger time, to a much larger extent, and by a much !arger number of fishers by the subjects of Sweden than by the subjects of Norway. ( ... ) It is a settled principal of the law of nations that a state of things which actually exists and has existed for a long time should be changed as little as possible", ibid., S. 233. 40
41
RdC 1954, S. 422.
42
ibid.,
s. 421.
So vertrat der Gesandte Großbritanniens die Ansicht: "Other types of special circumstances were the possession by one of the two States concerned of special mineral 43
140
2. Teil: Joint Development
Rolle und findet in der FSK 1958 allenfalls mittelbaren Niederschlag, nämlich dann, wenn man die Einheit einer Lagerstätte als "besonderen Umstand" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FSK 1958 anerkennt. In den Nordseefestlandsockelflillen von 1969 bezeichnete der Gerichtshof die natürlichen Reichtümer als einen tatsächlichen Faktor, der in den im Hinblick auf eine Grenzziehung geführten Verhandlungen von zwei Staaten Berücksichtigung finden solle.44 Dabei blieb jedoch- wie seinerzeit in dem UN-Memorandum - offen, in welcher Weise dies zu geschehen habe.45 Dagegen wies Richter Ammoun in seinem Sondervotum ausdrücklich die Ansicht zurück, die konkrete Lokalität einer Lagerstätte könne per se Einfluß auf den Grenzverlauf haben. 46 Auch Richter Jessup anerkannte das Vorhandensein von Bodenschätzen nur dann als einen bei der Grenzziehung zu berücksichtigenden besonderen Umstand, wenn die Rechte eines Staates an einer Lagerstätte auf einem anderen Grundsatz, wie zum Beispiel dem Grisbadarna-Prinzip47 , beruhen.
exploitation rights or fishery rights, or the presence of a navigable channel." Der Vertreter Uruguays wurde noch deutlicher und führte im Hinblick auf das Mittellinienprinzip aus, "that the proposed method of defining a boundary was related entirely to the surface of the continental shelf and did not take account of the conditions obtaining on the sea bottom. A boundary thus drawn might cut across a minerat deposit in the ocean subsoil in a manner prejudicial to one of the States concemed", vgl. UN Conference on the Law of the Sea, OR, Bd VI, Fourth Committee (Continental Shelf), S. 93, 95. 44 North Sea Continental Shelf Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 53, Ziff. 97 und S. 54 f., Ziff. lOtunter (D) (2). 45 In der Literatur wurden die Formulierungen des Gerichtshofs überwiegend dahin gehend interpretiert, daß dieser die Einheit einer Lagerstätte nicht als "special circumstance" ansehe, Nachweise bei Lagoni, AJIL 1979, S. 241; vgl. auch Sharma, Econornic Factors, S. 254; Townsend Gault, Marine policy 1979, S. 305. 46 Zur Begründung führte er aus: "To adopt as basis in order to draw up boundaries, among other factors, the riches secreted by the bed of the sea, would amount to nothing less than an apportionment of the continental shelf, whereas all that is in question is a delimitation of the areas originally appertaining to the coastal States, as has already been stated. In addition, since potential riches will for a long time hence go on being discovered unceasingly, such delimitation, faced with a deposit overlapping two areas, would continually be subject to rectification.", North Sea Continental Shelf Judgment (Sep. Op. Ammoun), I.C.J. Reports 1969, S. 150, Ziff. 53. 47 North Sea Continental Shelf Judgment (Sep. Op. Jessup), I.C.J. Reports 1969, S. 80 f.; ihm folgt Brown, Hydrospace, S. 67. Die Staaten haben sich in einzelnen Fällen entsprechend dem Grisbadarna-Prinzip verhalten. So haben z.B. die Bundesrepublik Deutschland und Dänemark, als sie die Grenzlinie auf dem Festlandsockel in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des IGH neu festsetzten, Gebiete, in welchen dänische Konzessionäre Suchbohrungen durchgeführt hatten, Dänemark zugesprochen, obwohl sie aus geographischer Sicht der Bundesrepublik zugestanden hätten, vgl. BR-Drucks. 62172; dazu auch Lagoni, AJIL 1979, S. 242; Wilke, s. 285 ff.
2. Kapitel: ZumJoint Development-Konzept
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Daneben wurde die Existenz von Bodenschätzen in den Nordseefestlandsockelfällen von einem internationalen Gericht erstmals aber auch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. In einem obiter dieturn schlug der Gerichtshof für den Fall überlappender Gebietsansprüche als Alternative zu einer Teilung des betreffenden Gebiets ein "agreement for joint exploitation" vor. Er fügte hinzu, daß diese Lösung vor allem dann angemessen erscheine, wenn e~ um die Frage der Erhaltung der Einheit einer Lagerstätte ginge.48 Seit der Entscheidung des IGH in den Nordseefestlandsockelfällen beziehen internationale Spruchkörper stets die vermutete oder bereits verifizierte Existenz erdölhöfiger Strukturen als einen von vielen Faktoren in ihre Überlegungen zur Abgrenzung von Festlandsockelanteilen mit ein. 49 Zugleich wirdjedoch in nunmehr ständiger Rechtsprechung betont, daß nur durch die Zusammenarbeit der betroffenen Staaten im Hinblick auf eine Ressource deren Vorhandensein angemessen berücksichtigt werden könne. so Bereits zuvor war der Gedanke einer Kooperation im Fall von overlapping claims in der Staatenpraxis aufgegriffen und vertraglich umgesetzt worden. Aus dem Jahre 1962 stammt das Zusatzabkommen zu dem zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden 1960 unterzeichneten Vertrag über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung (Ems-Dollart-Vertrag), der eine Kooperation beider vertragsschließenden Parteien in bezug auf die Ausbeutung der Bodenschätze im Untergrund der Emsmündung vorsieht. 1965 einigten sich Saudi Arabien und Kuwait hinsichtlich der Teilung einer neutralen Zone zwischen ihren Staatsgebieten und errichteten zugleich ein Joint Development-Regime für 48 North Sea Continental Shelf Judgment, I.C.J. Reports 1969, S. 53, Ziff. 99. Richter Jessup führte diesen Gedanken in seinem Sondervotum, S. 82 ff., unter Verweis auf die Staatenpraxis weiter aus, und Richter Ammoun fügte seinen jede Relevanz der Rohstoffe für eine Grenzziehung verneinenden Ausführungen hinzu: "Consequentely, if the preservation of the unity of deposit is a matter of concem to the Parties, they must provide for this by a voluntary agreement (by transfer or joint exploitation), and this does not fall within the category of a facor or rule of delirnitation", S. 150, Ziff. 53. 49 Vgl. die Festlandsockelstreitigkeiten zwischen Libyen und Tunesien, I.C.J. Reports 1982, S. 77, Ziff. 107; zwischen den USA und Kanada,l.C.J. Reports 1984, S. 342 ff., Ziff. 237 ff.; zwischen Libyen und Malta, I.C.J. Reports 1985, S. 41, Ziff. 50 (die Parteien haben dem Gericht diesbezüglich allerdingskeine weiteren Informationen unterbreitet); zwischen Guinea und Guinea-Bissau, RGDIP 89 (1985), S. 530, Ziff. 114, und S. 532 f., Ziff. 121 ff.; zwischen Norwegen und Island, ILM 20 (1981), S. 826 ff. und zwischen Frankreich und Kanada ILM 31 (1992), S. 1175. Allein im Kanal-Fall zwischen Frankreich und Großbritannien spielten Rohstoffe offenbar keine Rolle. so Vgl. die Konflikte zwischen Kanada und den USA, I.C.J. Reports 1984, S. 342, Ziff. 237, und S. 344, Ziff. 240; zwischen Tunesien und Libyen, I.C.J. Reports 1982, S. 77 f., Ziff. 107, sowie das Sondervotum Evenson, S. 320 ff.; zwischen Guinea und Guinea-Bissau, RGDIP 89 (1985), S. 530, Ziff. 114, und S. 532 f., Ziff. 121 ff.; und zwischen Norwegen und Island, ILM 20 (1981), S. 826 ff.;
142
2. Teil: Joint Development
die Ressourcen in der gesamten Zone und der an sie angrenzenden Gewässer. Beide Abkommen werden an anderer Stelle noch ausführlicher zu betrachten sein. 5 1
Drittes Kapitel
Staatenpraxis Nachfolgend sollen nun die Entstehungsgeschichte und inhaltliche Ausgestaltung von Joint Development-Abkommen dargestellt werden, die in der Praxis bereits abgeschlossenen wurden. Die Reihenfolge der Darstellung knüpft dabei zunächst an die im ersten Teil herausgearbeiteten Ausgangssituationen an, das heißt an die Problemkonstellationen, in denen einseitige ressourcenbezogene Maßnahmen völkerrechtswidrig wären und die eine Kooperation in Form von Joint Development deshalb in besonderem Maße nahelegen. Unterschieden werden soll damit nach der Motivationslage der beteiligten Völkerrechtssubjekte sowie nach den Funktionen, die das zwischenstaatliche Abkommen erfüllt. Dementsprechend wird für den Fall, daß sich die Ansprüche benachbarter Staaten überschneiden, weiterhin danach differenziert, ob mit der Ausarbeitung des Joint Development-Regimes zugleich eine enggültige Lösung der Grenzfrage erreicht werden konnte. Im Anschluß daran sollen unter einem gesonderten Gliederungspunkt drei weitere Abkommen dargestellt werden, die zwar problemlos in die eben genannte Systematik zu integrieren wären, deren Texte aber nicht in einer der Verfasserin zugänglichen Weise veröffentlicht wurden, deren exakte Analyse deshalb nicht geleistet werden kann. Die folgende Darstellung bezweckt, dem Leser eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie die politische Bereitschaft zur Zusammenarbeit in der Staatenpraxis vertraglich umgesetzt worden ist. Sie konzentriert sich deshalb auf die Kernvorschriften der einzelnen Abkommen. Alle weiteren wesentlichen Bestimmungen eines Joint Development-Vertrages werden an späterer Stelle noch umfassend und systematisch aufzuzeigen sein.52
51 52
Vgl. in diesem Teil unten, 3. Kap. B II 2 a und B II 3. In diesem Teil unten, 4. Kap. B.
3. Kapitel: Staatenpraxis
143
A. Abkommen infolge grenzüberschreitender Lagerstätten Der Vollständigkeit halber wird zunächst kurz auf diejenigen Abkommen eingegangen werden, die den grenzüberschreitenden Bergbau auf feste Stoffe auf dem Kontinent zum Inhalt haben. Solche Abkommen existieren in großer Zahl und ihre rechtlichen Grundlagen und Besonderheiten sind in der Völkerrechtsliteratur bereits analysiert worden. 53 Joint Development-Abkommen, die sich auf Meeresgebiete beziehen und Rohstoffe in festem Aggregatzustand zum Gegenstand haben, wurden in der Praxis bislang nicht geschlossen. I. Abkommen zur Regelung des Bergbaus auf feste Stoffe
Um einen grenzüberschreitenden Abbau zu ermöglichen und die betrieblichen Bereiche der Bergwerke den geologischen Gegebenheiten sinnvoll anzupassen, gewähren Nachbarstaaten sich oftmals vertragsmäßig-einseitig oder gegenseitig - das Recht, den vom ausländischen Gebiet aus betriebenen Bergbau durch Bergbaustollen oder Tunnel über die Landesgrenzen hinaus in das eigene Gebiet fortzuführen. In der Regel werden dazu - unbeschadet der politischen Grenze durch die Festlegung begradigter Linien neue Abbaugrenzen für die (beiderseitigen) Betriebe vereinbart, die den bergtechnischen und -wirtschaftlichen Erfordernissen so weit wie möglich entsprechen. Soweit keine Auswirkungen auf inländisches Staatsgebiet zu erwarten sind, werden zur Vereinfachung der betrieblichen und rechtlichen Probleme vielfach auch hoheitliche Befugnisse übertragen bzw. wird auf die Ausübung eigener Hoheitsgewalt verzichtet; damit kann die Gewinnung der Rohstoffe durch einen Betrieb nach einheitlichen Regeln und Vorschriften erfolgen. 54 Grundsätzlich sehen diesbezügliche Vertragsklauseln vor, daß die Grubenräume als Hoheitsgebiet desjenigen Staates behandelt werden, auf dessen Gebiet die Bodenschätze zutage gefördert werden, während Schächte und Betriebsanlagen über Tage in der Hoheit desjenigen Staates verbleiben, in dessen Gebiet sie liegen. Dementsprechend werden unter Tage vorgenommenen Handlungen oder Unterlassungen hinsichtlich ihrer zivil- und strafrechtlichen Folgen so behandelt, als ob sie auf dem Territorium des Nachbarstaates geschehen wären. Zu den Rechtsgebieten, deren Vorschriften ebenfalls nicht durchgesetzt werden, zählen weiterhin das Arbeits- und Sozialrecht sowie das Steuerrecht.55 Im Interesse der Einheitlichkeit Vgl. die Monographien von Braun und Schücking. Handelt es sich um ein gegenseitiges Abkommen muß jeder Staat zustimmen, das im eigenen Gebiet ansässige Unternehmen zu verpflichten, den Abbau auch im grenzüberschreitenden Teil des Betriebes nach den dafür innerstaatlich geltenden Vorschriften zu führen. 53
54
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2. Teil: Joint Development
wird schließlich auch die W ahrnehrnung der staatlichen Aufsicht durch ein und dieselbe nationale Behörde geregelt.56 Eine direkte Kooperation zwischen den Staaten bei der Ausbeutung der Bodenschätze selbst findet in der Regel nicht statt. Aus der Fülle bilateraler Abkommen seien hier beispielhaft einige der Bundesrepublik Deutschland herausgegriffen: Aus dem Jahre 1958 stammt der Vertrag mit Holland "über den Abbau von Steinkohlen in deutsch-niederländischen Grenzgebiet westlich Wegberg-Brüggen".57 Er dient dem Zweck, die in der Anlage C des Vertrages über "Kredit und Steinkohlen" aus dem Jahre 192058 vorgesehene Regelung hinsichtlich des grenzunterschreitenden59 Steinkohlenabbaus beiderseits der Grenze durchzusetzen. Das Abkommen von 1920 sah vor, daß ein niederländisches Bergwerksunternehmen aus "ökonomisch-geographischen, geologischen und technischen Gründen" für dort genannte Grubenfelder die Möglichkeit zur Ausbeutung durch Schachtanlagen von jenseits der Grenze aus erhalten sollte. Der Vertrag von 1958 enthält neben weiteren Ergänzungen im Hinblick auf eine wirtschaftlich vernünftige Zusammenarbeit der beteiligten Staaten im Rahmen der Bergwirtschaft die bisher fehlenden Vorschriften zur Durchführung des Abkommens. Insbesondere wird unbeschadet der deutsch-niederländischen Staatsgrenze im Vertragsgebiet eine Betriebsgrenze vereinbart, bis zu der der grenzunterschreitende Abbau geführt werden darf. Im Anschluß daran erwarben die holländischen "Staatsmijnen" nach deutschem Recht das Bergwerkseigentum von den bisherigen deutschen Eigentümern der jeweiligen Teilgebiete. Als weiteres interessantes, wenn auch durch die geschichtliche Entwicklung überholtes, Beispiel sei auf das Gesetz "über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet der Werra" vom 3. Dez. 198460 hingewiesen. Bis Ende des Zweiten Weltkrieges Weitere Beispiele bei Braun, S. 75 ff. Die genannten Beschränkungen der Gebietshoheit zugunsten des nutzungsberechtigten Nachbarstaates sind rechtlich als wirtschaftliches Servitut zu qualifizieren, dazu Ipsen, S. 257; Verdross/Sirnrna, §§ 1024 ff. 55
56
51 BGBI. 1959 II S. 913; BT-Drucks. 3/ 1028. Ähnlich schon der deutschniederländische Vertrag über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für ostwärts der deutschniederländischen Landesgrenze liegende Steinkohlefelder vom 18.1.1952, BGBI. 1953 II S. 119. Vgl. zu beiden Verträgen Funder, S. 392 ff. 58 RGBl.. 1920 II S. 55. 59 Aus dem Regelungszusammenhang des Vertrages ergibt sich, daß mit der Wahl dieser Terminologie ("grenzunterschreitend") nicht auch eine abweichende Sicht der völkerrechtlichen Lage indiziert werden sollte. 60 BGBl. 1984 I S. 1430; BT-Drucks. 10/ 1765. Zu vergleichbaren Regelungen für den grenzüberschreitenden Braunkohlenabbau vgl. Wilke, Die Verträge über die Abgrenzung des Festlandsockels der Nordsee, S. 132 ff.
3. Kapitel: Staatenpraxis
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bestand ein einheitliches Werra-Kalirevier. Es wurde durch die Schaffung der ehemaligen innerdeutschen Grenze durchschnitten. In Expertenkommissionen wurde in den folgenden Jahren eine Lösung des Problems entwickelt, die ebenfalls darin besteht, unbeachtet der politischen Grenze durch begradigte Linien eine neue Abbaugrenze für die beiderseitigen Förderunternehmen festzulegen. Dabei wurden die auf diese Weise auszutauschenden Anteile an den Kalisalzvorkommen so weit wie möglich ausgeglichen.61 Für die von der Begradigung betroffenen Flächen übertrug sodann der jeweils Verfügungsberechtigte das Recht zum Abbau auf den benachbarten, das heißt auf der anderen Seite der Grenze Berechtigten, dessen Abbau in die auszutauschenden Bereiche unterirdisch weitergeführt wird. Aus dem Jahre 1956 stammt der deutsch-französische Vertrag zur Regelung der Saarfrage.62 Mit seinem Kapitel VI (Art. 78- 88 i.V.m. Anlagen 25- 30) beendet er den seit Anfang der zwanziger Jahre bestehenden Konflikt zwischen beiden Staaten um die Warndt-Gruben im saarländisch-lothringischen Grenzgebiet.63 Damals war ein französisches Bergbauunternehmen zunächst ohne jede, dann mit französischer, aber ohne deutsche staatliche Genehmigung in den Warndt, einen weit nach Westen vorspringenden, an drei Seiten von der französischen Grenze umgebenen Teil des Saargebietes vorgedrungen. Nach deutscher Auffassung war dies unrechtmäßig, da das Reichtrotz der Regelung im Versailler Vertrag 64 - treuhänderische Regierung des Saarlandes durch den Völkerbund, der es durch eine fünfköpfige Regierungskommission verwaltete, - eigentlicher Souverän des Gebietes war.65 Der Vertrag von 1956 enthält nun in Anerkennung der immensen französischen Investitionen und der wirtschaftlichen Bedeutung 61 Die notwendige Gegenseitigkeit des dargestellten Verfahrens wurde sichergestellt über eine Vereinbarung zwischen der Treuhandstelle für Industrie und Handel und dem Ministerium für Außenhandel auf der Grundlage des Berliner Abkommens und über entsprechende Akte seitens der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. 62 "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage" vom 27.10.1956, BGBI. 1956 II S. 1587. 63 Ausführlich zum Problem der Warndt-Gruben Schücking, S. 229 ff.; Braun, S. 53 ff.; Kammer, S. 13 ff.; Wilke, Die Verträge über die Abgrenzung des Festlandsockels der Nordsee, S. 135 ff. Inhalt des neueren Abkommens aus dem Jahre 1981, BGBI. 1981 li S. 1105, ist allein die Verlängerung der Tätigkeit der Saar-Lothringischen Kohleunion (Saarlor) über den 31.12.1981 hinaus. Die Saarlor wurde als deutsch-französische Gesellschaft mit besonderem Rechtsstatus aufgrund von Art. 84 des Saarvertrages zum Zwecke der Koordinierung des Absatzes der Kohle der Reviere Saar und Lothringen gegründet, siehe dazu BR Drucks. 9/ 899, 1066. 64
RGBI. 1919 li, S. 688.
Schücking, S. 304; Kammer, S. 3 ff. Der Status des Saargebietes nach Art. 45 - 50 nebst Anlage des Versailler Friedens läßt sich am besten als Verwaltungszession seitens des deutschen Reiches an den Völkerbund erklären. Das Saarland blieb Bestandteil des deutschen Reiches, Münch, in: Strupp/Schlochauer, Bd 3, S. 147. 65
10 Flonnum.Pfaff
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2. Teil: Joint Development
der Kohle für Frankreich - insofern also losgelöst vom ursprünglichen Problem der grenzüberschreitenden Lagerstätten- einen Kompromiß66, der darin besteht, daß die Iothringischen Gruben den Abbau für die Dauer von längstens 25 Jahren weiterführen dürfen, jedoch nur noch in einem regional, mengen- und zeitmäßig genau begrenzten Umfang. Auf der Grundlage dieser Regelung schloß der neue deutsche Rechtsträger der Saargruben einen Pachtvertrag67 mit dem staatlichen französischen Bergbauunternehmen Houillieres du Bassin de Lorraine über einen Teil der Kohlevorkommen des Wamdt.68 Abschließend sei das ,,Deutsch-Polnische Oberschlesische Bergwerksabkommen" aus dem Jahre 192269 genannt. Eine Einigung zwischen den Parteien war hierinfolge der Teilung Oberschlesiens 1921 notwendig geworden. Der Vertrag bestimmt zunächst, daß die von der neuen Grenze durchschnittenen Bergwerksfelder nach Maßgabe des Grenzverlaufs in rechtlich selbständige Einzelfelder geteilt werden sollen, für die sodann grundsätzlich die Behörden und das Recht desjenigen Staates zuständig sind, in dessen Gebiet sie liegen. Ist allerdings das bisherige Gesamtfeld vor lokrafttreten des Abkommens bereits in Betrieb gewesen, so verpflichten die beiden Vertragsteile sich, einander die Fortführung in das eigene Gebiet hinein - unter Berücksichtigung der hiermit verbundenen Konsequenzen für die Ausübung der Hoheitsgewalt - zu ermöglichen.
II. Abkommen zur Regelung der Gewinnung Oüssiger oder gasrcirmiger Rohstoffe
1. Tschechoslowakei - Österreich ( 1960)
Bereits in den ersten Jahren der Nachkriegszeit wurden von der russischen Besatzungsmacht Versuchsbohrungen an der Grenze zwischen Österreich und der damaligen CSR bei Zwerndorf-Vysoka niedergebracht. In der Folgezeit 66
BT Drucks. 2/2901, 3000.
Zu den Regelungen des Pachtvertrages siehe Art. 78 und das Muster in Anlage 25 des Saarvertrages. 68 Die hinsichtlich der Kontrollrechte des Verpächters erforderlichen Regelungen sind hier sehr viel komplexer als in anderen Verträgen, weil zwei im Wamdt gelegene Schächte des französischen Unternehmens eine Verbindung zwischen unter und über Tage und damit zwischen dem französischen und deutschen Zuständigkeitsbereich herstellten. Für die Tagesanlagen und die Schächte bis zu den Füllörtern gelten deutsche Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Dagegen gilt im Interesse der Rechtseinheitlichkeit für die französische Belegschaft, auch soweit sie über Tage beschäftigt wird, französisches Arbeitsschutz- und Tarifrecht. V gl. Art. 79 und Anlage 26 des Saarvertrages. 67
69
RGBl. 1923 li, S. 118.
3. Kapitel: Staatenpraxis
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entstanden ständig Streitigkeiten zwischen den Nachbarn. Beide Staaten beuteten die Lagerstätte an der gemeinsamen Staatsgrenze ohne Kontrollmöglichkeit durch den jeweils anderen aus.70 Die Auseinandersetzungen wurden beendet, als die Vertreter der Tschechoslowakischen Republik und Österreichsam 23. Jan. 1960 das "Abkommen über die Ausbeutung der gemeinsamen Erdgas- und Erdöllagerstätten"71 unterzeichneten. Das Abkommen betrifft unmittelbar nur die Erdgaslagerstätte im Grenzabschnitt Vysoka-Zwerndorf, gilt jedoch auch für alle weiteren gemeinsamen Felder (vgl. die Präambel und die Art. 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 und 5 Abs. 3). 72 Gemäß Art. 1 des Abkommens findet zwischen den Vertragsstaaten eine "geologische Zusammenarbeit" statt, die sich im einzelnen wie folgt gestaltet: Es wird eine gemischte Kommission aus Vertretern beider Staaten errichtet.73 Deren Aufgabe besteht in erster Linie in der mengenmäßigen Bewertung der Vorräte einer gemeinsamen Lagerstätte und des auf jeden der vertragsschließenden Parteien entfallenden Anteils an derselben sowie in der alljährlichen Überprüfung bzw. Revision der ermittelten Vorratszahlen (Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1). Sodann legt die Kommission die Bedingungen für die Ausbeutung der Lagerstätte fest, insbesondere erstellt sie langfristige Förderprograrnme (Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 2).74 Die Entwicklung einer Methode zur Berechnung der Vorräte einer Lagerstätte obliegt ebenfalls der Kommission (Art. 3). Die Parteien gewähren der Kommission die für die Berechnung der Vorräte erforderliche geologischtechnische Dokumentation (Art. 4 Abs. 1). Sie haben die Möglichkeit, gegen die von der Kommission erzielten Ergebnisse Einspruch einzulegen (Art. 2 Abs. 3, 5 Abs. 2). 70 Braun, S. 63. 71 UNTS 495, S. 125, siehe auch den dazugehörigen Notenwechsel.; in Kraft getreten
am gleichen Tag. Zu diesem Abkommen Braun, S. 63; Lagoni, AJIL 1979, S. 222 f.; Wilke, Die Verträge über die Abgrenzung des Festlandsockels der Nordsee, S. 129 ff. 72 Das Abkommen ist im Zusammenhang mit dem ebenfalls am 23. Jan. 1960 geschlossenen "Abkommen über die Grundsätze der geologischen Zusammenarbeit" zu lesen, UNTS 495, S. 99. Dabei handelt es sich um ein Abkommen quasi im Vorfelde von Joint Development, das in erster Linie den Austausch geologischer Unterlagen und ihre gemeinsame Beurteilung durch die Parteien, aber auch bereits die Koordinierung der geologischen Forschung in den Grenzgebieten vorsieht (Art. 1); es geht es über den Inhalt einer bloßen Lagerstätten-Klausel hinaus. Soweit die angesprochene Forschung zur Auftindung einer gemeinsamen, nutzbaren Lagerstätte führt, sollen die Vertragsstaaten hierüber ein gesondertes Abkommen schließen (Art.6). In Übereinstimmung mit Art. 6 erfolgt die Ausbeutung der Erdgaslagerstätte im Grenzabschnitt Vysoka-Zwemdorf. 73 Weitere Einzelheiten bezüglich der Zusammensetzung der Kommission und des von ihr anzuwendenden Verfahrens regelt das Abkommen nicht. 74 Zudem soll die Kommission etwaige Schwierigkeiten, die bei der Durchführung des Abkommens entstehen können, beseitigen (Art. 2, Abs. 2) und Meinungsverschiedenheiten bereinigen (Art. 8, Abs. 1).
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2. Teil: Joint Development
Beide Vertragsteile informieren sich gegenseitig laufend über alle eventuell neu gewonnenen Erkenntnisse insbesondere über solche, die die Lagerstättenbedingungen betreffen und/oder die Berechnung der Vorräte beeinflussen können (Art. 4 Abs. 2). Sodann fördert jeder Staat seinen proportionalen Anteil am Gesamtvorkommen selbst nach Maßgabe des von der gemeinsamen Kommission erstellten Produktionsplanes (Art. 5). Die Angaben über die monatliche Fördeernenge und die Lagerstättenbedingungen werden regelmäßig ausgetauscht (Art. 6). Erreicht eine der Vertragsparteien die programmäßige Fördermenge innerhalb eines Jahres nicht bzw. überschreitet er sie, so kann er eine Fehlmenge im folgenden Jahr nachfördern bzw. muß einen Überschuß in den nächsten drei Jahren einsparen (Art. 7)?5 Mittel zur Durchsetzung des Ziels eines gerechten Interessenausgleichs zwischen den Nachbarstaaten sind in diesem Abkommen also die Festlegung eines Produktionsplanes in Verbindung mit der Absprache von Fördeernengen und der fortlaufende Informationsaustausch. Eine direkte Kooperation bei der Gewinnung der Rohstoffe ist dagegen nicht vorgesehen; eine technisch und wirtschaftlich vernünftige Ressourcennutzung kann hier jedoch über eine wirksame Kontrolle durch die gemischte Kommission erreicht werden. Wonach sich der auf jede der vertragschließenden Parteien entfallende Anteil an den Rohstoffen konkret bemißt, wird in dem Vertrag nicht ausdrücklich gesagt. Art. 3 Abs. 1 nimmt lediglich auf die Methode der Berechnung der Vorräte der gesamten Lagerstätte Bezug, die durch die gemischte Kommission festgelegt werden soll. Dieses Schweigen des Abkommens ist in Übereinstimmung mit dem geltenden internationalen Recht so auszulegen, daß der Anteil einer Partei derjenigen Menge der Reserven entspricht, die ursprünglich76 in seinem Territorium lagerten.
75 Neben den genannten Regelungen enthält dieses vergleichsweise nicht sehr ausführliche Abkommen noch eine Vorschrift betreffend die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten (Art. 8) und Schlußbestimmungen (Art. 9). 76 Unter "ursprünglich" ist hier der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. der erstmaligen Berechnung des Gesamtinhaltes durch die Kommission zu verstehen; darüber, daß bereits vorher- z.B. aus der Lagerstätte Vysoka-Zwemdorf- geförderte Erdgasmengen in die Berechnung miteinbezogen werden sollen, besagt das Abkommen nichts. Es ist nach Sinn und Zweck des Vertrages des weiteren davon auszugehen, daß nachträgliche Änderungen der Verteilung der Vorräte auf die jeweiligen Territorien keinen Einfluß auf deren Aufteilung unter den Parteien haben sollen. Dementsprechend hat sich die Österreichische Regierung offenbar entschlossen, den restlichen Anteil der Tschechoslowakei in Geld auszugleichen, nachdem sich im Zuge der Erdgasgewinnung durch veränderte Druckverhältnisse das Lager so weit auf österreichisches Gebiet verschoben hatte, daß eine Ausbeutung von der tschechischen Seite aus nicht mehr rentabel war, Braun, S. 63.
3. Kapitel: Staatenpraxis
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Abreden hinsichtlich der souveränen Rechte über die noch im Erdboden befindlichen oder bereits geförderten Ressourcen werden nicht getroffen. Unausgesprochen liegt dem Vertragswerk damit die Fiktion zugrunde, daß die absprachegemäß tatsächlich durch einen Vertragspartner gewonnenen Rohstoffe auch aus seinem Territorium stammen. Da eine Staatsgrenze besteht und eine direkte Zusammenarbeit bei der Erdgasförderung nicht vorgesehen ist, mußte die Frage der anwendbaren Rechtsordnung nicht ausdrücklich angesprochen werden. Wie vor dem Abschluß des Abkommens besitzt jeder Vertragspartner alleinige Jurisdiktion im Hinblick auf die Gewinnungsarbeiten auf seiner Seite der Grenze.
2. Großbritannien- Norwegen Die Suche nach Rohstoffen begann in der Nordsee Anfang der sechziger Jahre. Großbritannien als einziger Anrainerstaat auf der westlichen Seite dieses Meeres beeilte sich, mit den ihm gegenüber liegenden Küstenstaaten Norwegen, Dänemark und den Niederlanden Verträge zur Abgrenzung des Festlandsockels auf der Grundlage des Mittellinienprinzips auszuhandeln. In dem Abkommen vom 10. März 1965 mit Norwegen77 wurde, wie ausgeführt, erstmalig in der Völkerrechtsgeschichte auch eine Regelung darüber aufgenommen, wie zu verfahren ist, wenn ein Rohstoffreservoir entdeckt werden sollte, das von der Grenze durchschnitten wird und von jeder Seite aus exploitiert werden könnte. In diesem Fall, so bestimmt Art. 4 des Abkommens, sollten die Vertragsparteien sich gemeinsam mit den Lizenznehmern, soweit vorhanden, darüber einigen, wie dieses Vorkommen am rentabelsten ausgebeutet werden könnte und wie die dadurch gewonnenen Erträge aufgeteilt werden sollten. Auf der Grundlage dieser Regelung haben die Regierungen Großbritanniens und Norwegens mehrere Joint Development-Abkommen ausgehandelt und zwar für das Frigg-Gasfeld und die Statfjord und Murchison-Ölfelder. a) Das Frigg-Erdgasfeld-Abkomrnen (1976) Im Mai 1972 bestätigte sich die Vermutung, daß das im britischen Sektor der Nordsee belegene, ausgedehnte Frigg-Gasfeld sich in den norwegischen Sektor hinein erstreckt und in ein Feld mündet, welches dort ein Jahr zuvor entdeckt worden war. Die Lizenznehmer beider Staaten entschlossen sich daraufhin zur gemeinsamen Förderung der Ressourcen und schlossen entsprechende unitization77 "Agreement Relating to the Deiimitation of the Contineotal Shelf between the two Countries", UNTS 551, S. 214; United Kingdom Treaty Series No. 71 (1965), Cmnd. 2757; Rüster, Verträge, S. 51.
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2. Teil: Joint Development
Verträge.78 Die daneben von den beteiligten Staaten geführten Verhandlungen führten am 10. Mai 1976 zum Abschluß des ,.Agreement between the Govemment of the United Kingdom of Great Britain and Northem Ireland and the Govemment of the Kingdom of Norway relating to the Exploitation of the Frigg Field Reservoir and the Transmission of Gas therefrom to the United Kingdom. "79 In dem Abkommen wird das Frigg-Gasfeld durch eine Kombination geologischer Daten und geographischer Koordinaten definiert. Daneben bezieht sich der Vertrag aber auch auf alle anderen erdgashöfigen Strukturen, aus denen dem Frigg-Feld Gas zuzufließen vermag (Art. 30 Abs. 1, Art. 3 Abs. 4). Das Abkommen besteht aus insgesamt drei Teilen. Teill regelt die Modalitäten der Ausbeutung des Frigg Field-Reservoirs; Teil 2 betrifft die Überführung des gesamten gewonnenen Gases von der Lagerstätte nach St. Fergus, Schottland80; Teil 3 enthält einige allgemeine Bestimmungen. Die Kernregelung dieses Abkommens besteht darin, daß das Frigg-Feld von bestimmten, in Annex A näher bezeichneten Plattformen aus "as a single unit" ausgebeutet werden soll (Präambel und Art. 1 Abs. 1). Zur Verwirklichung dieses Zieles verpflichten beide vertragsschließenden Parteien ihre Lizenznehmer, mit denen der jeweils anderen Partei Verträge abzuschließen, die die Ausbeutung des Feldes in Übereinstimmung mit dem zwischenstaatlichen Abkommen vorsehen (Art. 1 Abs. 2).81 Mittels eines solchen Vertrages ist auch ein Plan zur pfleglichen Behandlung (conservation) der Ressourcen zu erstellen (Art. 4) und ein Betriebsführer (unit operator) zu bestimmen (Art. 5). Das Abkommen sieht- erwartungsgemäß -keine hälftige Teilung des gewonnenen Erdgases zwischen den Lizenznehmem der Parteien vor. Nach Art. 2 Abs. 2 und 3 sollen die Regierungen beider Vertragsteile vielmehr - möglichst vor Aufnahme der Förderaktivitäten - die Grenzen des Gasfeldes festlegen, dessen Gesamtvolumen bewerten und die Reserven sodann den Festlandsockeln Norwegens respektive Großbritanniens zuteilen.82 Kommt eine Einigung zwischen Townsend Gault, Marine Policy 1979, S. 308. United Kingdom Treaty Series No. 113 (1977), Cmnd. 7043; Churchill at al. , Bd 5, S. 398. Das Abkommen trat am 22. Juli 1977 in Kraft. Vgl. zu diesem Abkommen Fox et al., S. 60 f.; Lagoni, AJIL 1979, S. 225 f.; ders., ILA-Report 1988, S. 514 ff., Ziff. 10; Mauin, S. 792 ff.; Onorato, Energy 1981, S. 1313; Townsend Gault, Marine Policy 1979, S. 309 ff.; Woodliffe, Inn and Comp. L.Q. 1977, S. 340 ff. 80 Die norwegische Regierung stimmte 1974 nach langen Überlegungen dem Verkauf des gesamten norwegischen Gasanteils an eine britische Gesellschaft zu. Die Gründe hierfür. waren der begrenzte nationale Bedarf nach Erdgas sowie die enormen technischen Schwierigkeiten, die das Verlegen von Rohrleitungen nach Norwegen bereitet hätten, vgl. Woodliffe, Inn and Comp. L.Q. 1977, S. 345. 81 Zum nationalen Recht Großbritanniens und Norwegens, das den zuständigen Ministern diese Macht verleiht, vgl. Townsend Gault, Marine Policy 1979, S. 307. 78 79
3. Kapitel: Staatenpraxis
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den Parteien zu diesem frühen Zeitpunkt nicht zustande, erfolgt die Aufteilung vorläufig und ohne nachteilige Auswirkungen auf die Positionen der Parteien nach Maßgabe eines Vorschlags der Lizenznehmer, und nur in Ermangelung eines solchen zu gleichen Teilen.83 Die Grenzen des Erdgasfeldes sowie sein Gesamtinhalt können auf Verlangen einer Vertragspartei zu bestimmten Zeitpunkten bzw. unter bestimmten Voraussetzungen erneut geprüft werden (Art. 3 Abs. 1). Grundlage jeder Bewertung sind jedoch die Lagerstättenbedingungen vor Beginn der Förderung. Führt die Revision zu einer Neuaufteilung der Reserven, ist sicherzustellen, daß unter der Herrschaft des alten Teilungsplanes von den Lizenznehmern eventuell zuviel oder zuwenig erhaltene Mengen ausgeglichen werden (Art. 3 Abs. 3). 84 Das Abkommen bestimmt in seinem dritten Teil ausdrücklich, daß die Art und Weise der Ausbeutung des Frigg-Feldes, für welche die Parteien sich entschieden haben, die Hoheitsgewalt, die jeder Vertragsteil nach internationalem Recht auf seiner Seite der Grenzlinie ausübt, oder die hieraus fließenden Rechte in keinem Punkt berührt. Insbesondere die in Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Annex A vereinbarten Bohrinstallationen - vier davon befinden sich auf dem Festlandsockel Großbritanniens, zwei auf demjenigen Norwegens - unterstehen der ausschließlichen Zuständigkeit des jeweiligen Küstenstaates; weder die Gerichtsbarkeit noch die Anwendbarkeit der innerstaatlichen Gesetze werden durch die Regelungen betreffend die Ausbeutung des Gasfeldes oder den anschließenden Transport des Gases eingeschränkt (Art. 29). Die einzige Ausnahme bildet insofern Art. 26, wonach im Fall eines nationalen oder internationalen Notstandes die beiden Regierungen einzeln oder auch gemeinsam besondere Rechte ausüben dürfen und einander im Hinblick hierauf konsultieren sollen. Auch sollen die Staaten sich um die Entwicklung einheitlicher Sicherheits- und Bauvorschriften für alle Bohrinseln und Pipelines bemühen (Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 17). Schließlich betrachten die Regierungen eine Reihe weiterer Fragen als gemeinsame Belange und wollen diesbezüglich im Wege von Konsultationen Lösungen erarbeiten. Dies trifft vor allem zu auf die Bestimmung der Position der Bohrinseln im Verhältnis zur Grenzlinie (Art. 2 Abs. 1}, die Festlegung der Grenzen der Frigg-Gasfeldes und die Aufteilung seines Gesamtinhaltes (Art. 2 Abs. 2}, die 82 Gut 60 % des Gases gehen danach heute an Norwegen, The European Continental Shelf Guide 1986/87, S. 473. 83 Können die vertragschließenden Parteien sich innerhalb eines Jahres nach Aufnahme der Gewinnungsaktivitäten nicht auf die Grenzen des Feldes, seinen Gesamtinhalt oder dessen Aufteilung einigen, ist die Frage einem Schiedsgericht gern. Art. 28 zu unterbreiten (Art. 2 Abs. 4). 84 Des weiteren regelt Art. 3 in seinen Abs. 2 und 4 wie zu verfahren ist, wenn sich im Zuge einer Überprüfung herausstellt, daß das Frigg Feld auch Gebiete umfaßt, für die eine bislang nicht am unitization-Regime beteiligte Gesellschaft eine Lizenz besitzt, oder daß dem Frigg Feld aus angrenzenden Gebieten Gas zufließt.
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2. Teil: Joint Development
Ausstattung von Inspektoren mit gewissen Vollmachten auch im Hinblick auf die Bohrplattformen auf dem jeweils anderen Teil des Festlandsockels (Art. 8), die Vermeidung von Schäden durch Umweltverschmutzung (Art. 23) sowie schließlich den Abschluß von Übereinkommen mit arbeits- und sozialrechtlichem Bezug (Art. 24 Abs. 4 ). Der Vereinfachung der Umsetzung des Abkommens dient die Errichtung der paritätisch besetzten, sechsköpfigen ,,Frigg Field Consultative Commission". Zu den Aufgaben dieser Kommission gehört die Prüfung von Angelegenheiten, welche die Vertragsparteien ihr unterbreiten. Weitere Aufgaben sowie Fragen des Verfahrens sollen in noch abzuschließenden Übereinkommen festgelegt werden (Art. 27). Die Kommission bildet damit ein Forum für den Austausch von Standpunkten und die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten; eigene Machtbefugnisse oder die Ausstattung der Kommission mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit sind dagegen nicht vorgehen. Bei dem außerordentlich ausführlichen Abkommen 85 handelt es sich um den Modellfall eines (zwischenstaatlichen) unitization-Abkommens. Festzustellen ist, daß die Regierungen die Umsetzung des Abkommens vorbereitende Maßnahmen wie konkrete Durchführung der Gewinnung der Rohstoffe- zwar den privaten Unternehmen zuweisen, sich selbst aber die Kontrolle und Weisungsbefugnis hinsichtlich aller wesentlichen Angelegenheiten vorbe85 Die Übereinkunft enthält neben den Genannten eine ganze Reihe weiterer Vorschriften, die an dieser Stelle der Vollständigkeit halber genannt werden sollen: Bestimmungen des ersten Teils beziehen sich weiterhin auf die Freizügigkeit des Personen- und Warenverkehrs (Art. 6 Abs. 1), den freien Zugang von Schiffen und Flugzeugen zu allen Installationen (Art. 6 Abs. 2), den Funkverkehr (Art. 7 Abs. 3), den Einsatz von Inspektoren beider Vertragsparteien zur Kontrolle der Einhaltung der Sicherheits- und Bauvorschriften (Art. 8), die Besteuerung der Lizenznehmer und des unit operator ausschließlich durch den jeweiligen Lizenzgeber (Art. 9), der Übertragung der Rechte der Lizenznehmer durch diese auf Dritte (Art. 10), die Sicherstellung der Fortführung der Förderung durch den jeweiligen Lizenzgeber bei Ablauf, Rückgabe oder Widerruf einer Bergbauberechtigung (Art. 11) und die Benutzung der Bohrinseln zum Zwecke der Ausbeutung anderer Kohlenwasserstofflagerstätten (Art. 12). Der gesamte zweite Teil des Abkommens (Art. 13- 21) widmet sich der Weiterleitung des gewonnenen Gases an die Küste Großbritanniens durch zwei Rohrleitungen, von denen jeweils eine norwegischen und eine englischen Gesellschaften gehört. Die norwegische Pipeline unterfien und dem Sudan, Deutschland und den Niederlanden, Iran und Sharjah, Japan und Südkorea, Thailand und Malaysia, Australien und Indonesien sowie den damals noch unvereinigten Teilen des Jemen. Schließlich mehren sich Berichte, wonach betroffene Staaten in einen Kommunikationsprozeß eintreten. 221
b) Art. 83 SRÜ Als weitere vertragsrechtliche Bestimmung, die - wenn auch nur de lege ferenda - unter Umständen Antwort auf die hier interessierende Fragestellung zu geben vermag, komm Art. 83 Abs. 3 SRÜ 1982 in Betracht.
aa) Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRO als "pactum de negotiando" Art. 83 Abs. 3, S. 1 umfaßt zwei Vorschriften. Die erste ist prozeduraler Art und verpflichtet die Parteien, sich bis zum Abschluß der endgültigen Grenzübereinkunft nach besten Kräften und im Geist der Verständigung und Zusammenarbeit zu bemühen, "vorläufige Vereinbarungen praktischer Art" zu treffen; auf sie ist im folgenden näher einzugehen. Die zweite enthält die materiell-rechtliche Pflicht, während der Übergangszeit die Erzielung der Grenzübereinkunft nicht zu gefährden oder zu verhindern; sie wurde bereits im ersten Teil der Arbeit dargestellt.222 Der hier relevante Regelungsteil statuiert eine Verhandlungspflicht, stellt also ein pactum de negotiando dar. Die Verhandlungspflicht ist wie jede völkerrechtliche Verpflichtung nach Treu und Glauben zu erfüllen. Dies wird durch die Formulierung, die Staaten sollten sich "nach besten Kräften und im Geist der Verständigung und Zusammenarbeit" um ein Übereinkommen bemühen, noch einmal betont. Eine Pflicht zur Einigung wird hierdurch nicht errichtet. Im Gegensatz zu den bislang diskutierten Verhandlungspflichten zielt die hier einschlägige allerdings nicht notwendig auf den Abschluß eines formalen, schrift221 Vgl. z.B. den Bericht im International Harald Tribune vom 21.11.1990 betreffend den südostasiatischen Raum. 222
V gl. oben im 1. Teil, 2. Kap. B III 1 b aa; siehe auch in diesem Kap. oben A III.
3. Kapitel: Lagerstätten bei sich überschneidenden Gebietsansprüchen
359
liehen Staatsvertrages; in Betracht kommen ebenso - wahrscheinlich sogar zuvörderst- inoffizielle Absprachen zum Beispiel durch zwei Verbalnoten. 223 Dies folgt aus dem Wortlaut des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs. So benutzt der englische Originaltext den betont offenen, informellen Begriff "arrangement" anstelle von "agreement" wie beispielsweise in Art. 83 Abs. 1; die deutsche Übersetzung spricht dementsprechend von "Vereinbarungen" und nicht von "Abkommen, Übereinkünften, Verträgen" oder ähnlichem. bb) Gegenstand und Umfang der Verhandlungspflicht
Hinsichtlich des Gegenstandes, auf den die vorläufigen Abkommen sich beziehen sollen, enthält die Vorschrift keinen Hinweis. Denkbar ist einmal, daß es sich hierbei um die Grenze bzw. ihren Verlauf handelt. Unter vorläufigen Abkommen praktischer Art wären dann (nur) solche Übereinkommen zu verstehen, die funktional darauf gerichtet sind, den Abschluß einer endgültigen Grenzvereinbarung vorzubereiten. Mit einem solchen Verständnis der Norm ließe sich aber weder die Verwendung der Formulierung vorläufige Abkommen "praktischer Art" erklären, noch der 2. Satz des Art. 83 Abs. 3 vereinbaren, wonach diese Vereinbarungen die endgültige Abgrenzung gerade unberührt lassen. Näher liegt dagegen die Annahme, daß Gegenstand der interim measures in erster Linie die natürlichen Reichtümer des Meeresbodens bzw. seines Untergrundes sind. Denn gerade im Hinblick auf ihre Erforschung und Ausbeutung gewährt das Festlandsockelregime den Küstenstaaten souveräne Rechte; gerade bezogen auf Fragen, die mit ihrer Nutzbarmachung zusammenhängen, vermögen die betroffenen Staaten deshalb rechtswirksame Übereinkünfte treffen und bedürfen sie solcher Übereinkünfte auch konkret. Im Hinblick auf den räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Verhandlungspflicht sowie auf den möglichen Inhalt der vorläufigen Vereinbarungen ist Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs ebenfalls konkretisierungsbedürftig und für Interpretationen offen. Eine Annäherung an diese Fragen setzt deshalb die Ermittlung von Ziel und Zweck dieser Vorschrift voraus. Da sie sich in erster Linie auf die Ressourcen in dem Gebiet bezieht, im dem die staatlichen Ansprüche überlappen, liegt die Vermutung nahe, daß ihr Sinn im Schutz der gleichgerichteten und gleichrangigen Rechte der Küstenstaaten bestehen könnte. Wie die Entstehungsgeschichte, insbesondere der Vergleich des zuletzt konsensfahigen Textes mit dem früherer informeller Fassungen und 223 Vgl. auch Lagoni, AflL 1984, S. 358. Auf mündliche Absprachen ist die WVK nicht anwendbar; dies schließt jedoch die rechtliche Verbindlichkeit solcher Absprachen nicht aus, Art. 3 WVK.
3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
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Vorschläge erhellt, zielt sie jedoch hierüber hinaus. 224 Beabsichtigt ist auch, einen Anreiz für die kooperative, dem Wohle aller Beteiligten dienende Nutzung des umstrittenen Gebietes unter Umgehung der Frage des Grenzverlaufs zu schaffen. Hierdurch wird die Verletzung souveräner Rechte des Nachbarn im übrigen ebenso wirksam wie durch eine reine Verbotsnorm verhindert; zugleich aber werden deren nachteilige Auswirkungen vermieden. Damit wirkt Art. 83 Abs. 3, S. I, I. Hs -wie auch die im Zusammenhang mit den grenzüberschreitenden Lagerstätten erörterten minerat deposit-Klauselnsowohl präventiv als auch inzentiv. Beide Wirkungsweisen haben wiederum positive Rückwirkungen auf den Prozeß der Aushandlung eines endgültigen Grenzabkommens, sei es, daß er parallel geführt wird, sei es, daß er erst zukünftig aufgenommen werden soll. Insofern besteht mittelbar also durchaus ein Zusammenhang zwischen einem vorläufigen Abkommen und der abschließenden Grenzbestimmung. Zudem zeigt sich eine völlige Übereinstimmung zwischen den Zielen der beiden Regelungsteile des Art. 83 Abs. 3 S. 1 SRÜ. 225 Die Bestimmung ist Resultat der Erkenntnis der Delegierten auf UNCLOS III, daß in vielen Fällen noch Jahre oder Jahrzehnte vergehen werden, bis eine endgültige Lösung der Grenzfrage erreicht ist. Zu vage sind die rechtlichen Prinzipien, Methoden und Regeln in diesem Bereich, zu groß sind die politischen und militärischen Spannungen in vielen Regionen der Erde angesichts konkurrierender Territorialansprüche vor allem im Hinblick auf Inseln und angesichts unterschiedlicher ideologischer oder religiöser Weltanschauungen und zu gegensätzlich sind schließlich die strategischen Interessen an bestimmten Meeren und Meerengen, als daß eine reibungslose Abwicklung des internationalen "Geschäfts zur Verteilung der Reichtümer der Schelfgebiete" per Grenzziehung sofort und überall möglich erscheint. Gefragt waren (und sind) deshalb Alternativen, die ein flexibles Reagieren auf die Erfordernisse des Einzelfalls ermöglichen, die abschließende Lösung nicht präjudizieren und dennoch für eine gewisse Rechtssicherheit sorgen. Johnston/Valencia 226 sprechen hier von der Notwendigkeit von "institutional arrangements" anstelle von "linear Settlements". Die Frage nach dem Raum, auf den die Verhandlungen sich zu beziehen haben, hat sich damit bereits selbst beantwortet. Ausgehend von dem Sinn und Zweck der Bestimmung, die Rechte der Parteien zu schützen, darüber hinaus aber auch den aus wirtschaftlicher Sicht negativen Auswirkungen der materiellen Verbotsnormen zu begegnen und eine Nutzung der Rohstoffe zu ermöglichen, 224 Beispiele für Fassungen früherer, nicht konsensfähiger Entwürfe und Vorschläge finden sich oben im l. Teil, 2. Kap. B III 1 b aa. 225 Zu Ziel und Zweck des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 2. Hs vgl. oben im 1. Teil, 2. Kap. B III 1 b aa. 226
s. 23 ff.
3. Kapitel: Lagerstätten bei sich überschneidenden Gebietsansprüchen
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ist grundsätzlich das gesamte Gebiet, in dem diese Verbote wirken, das Gebiet der overlapping claims also, in den Verhandlungsprozeß einzubeziehen. Den Gesprächspartnern steht es jedoch frei, sich auf bestimmte gebietliehe Ausschnitte zu beschränken, so sie darin übereinstimmen, daß andere Zonen Rohstoffvorkommen nicht enthalten oder deren Aufsuchung und/oder Ausbeutung aus bestimmten Gründen zurückgestellt werden soll. Entsprechend ihrem interimistischen Charakter endet die Verhandlungspflicht mit Abschluß eines Abkommens im Sinne von Art. 83 Abs. 1 SRÜ. Schwerer zu beantworten ist wiederum die Frage nach dem Zeitpunkt, in welchem sie entsteht und ob sie gegebenenfalls schon vor Abschluß einer endgültigen Grenzübereinkunft erlöschen kann. Da es nicht unmittelbar Ziel und Zweck der Vorschrift ist, den Abschluß des Grenzabkommens vorzubereiten oder zu fördern, sind, soviel steht fest, Entstehungs- und Beendigungszeitraum der Pflicht zu Gesprächen über vorläufige Vereinbarungen praktischer Art unabhängig von dem Zeitraum, in dem die Parteien über das Grenzabkommen verhandeln. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Verhandlungspflicht wie diejenige zu mutual restraint (Art. 83 Abs. 3, S. I, 2. Hs SRÜ) in dem Moment entsteht, in dem deutlich wird, daß die beiderseitigen Ansprüche in räumlicher Hinsicht überlappen. Voraussetzung hierfür ist, daß zumindest eine Partei die Aufnahme von Gesprächen wünscht. Des weiteren ist vorausgesetzt, daß diese Partei ressourcenbezogene Arbeiten durchzuführen beabsichtigt, die einseitig vorzunehmen ihr von Rechtswegen untersagt ist. Obwohl es im Interesse der Rechtssicherheit und Streitverhütung sowie im Sinne eines gerechten Ausgleichs der Rechte und Interessen der Parteien erstrebenswert erscheint, kooperative Maßnahmen so früh wie möglich ins Auge zu fassen 227 , ist es einem Küstenstaat rechtlich nicht möglich, seinen Nachbarn an den Verhandlungstisch zu rufen, wenn er die avisierten Aktivitäten auch allein und auf eigene Kosten durchführen kann. Die Souveränität des Nachbarn würde sonst in unnötigem Maße beschnitten. Die Beendigung der Verhandlungspflicht ist ebenfalls nicht an das rechtliche Schicksal der Abgrenzungsgespräche gekoppelt. Die Pflicht geht erst dann durch Erfüllung unter, wenn eine vorläufige Vereinbarung getroffen wurde oder aber wenn beide Parteien sich eine angemessene Zeit ernsthaft und loyal um eine 227 Vgl. schon das Sondervotum Richter Jessups zum Nordseefestlandsockelurteil: "( ... ) and there is nothing to prevent the Parties in their negotiations, pending final delimitation, from agreeing upon, for example, joint licensing of a consortium which, under appropriate safeguards concerning future exploitation, might undertake the requisite wildcat operations", I.C.J. Reports 1969, S. 84. Auch die Vorschläge der Schlichtungskommission im Jan Mayen-Fall beziehen sich bereits auf das "pre-drilling stage", ILM 20 (1981), S. 827 ff., dem sind Norwegen und lsland gefolgt. Andere Parteien von Joint Development-Abkommen haben ebenfalls eine Zusammenarbeit von Beginn der ersten ressourcenbezogenen Arbeiten an vereinbart.
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3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
solche bemüht haben, ohne daß sie zu erzielen gewesen wäre. Eine mögliche Suspendierung oder der Abbruch von Verhandlungen über den Grenzverlauf markiert also in keiner Weise den Beendigungszeitpunkt der hier diskutierten Verhandlungspflicht; im Gegenteil wird es tatsächlich oftmals so sein, daß Verhandlungen über Interimslösungen erst dann aufgenommen werden, wenn sich gezeigt hat, daß eine Grenzübereinkunft jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht zu erreichen ist. 228 cc) Materielle Vorgaben zur Ausgestaltung einer Vereinbarung (1) Vorläufigkeit; Praktikabilität
Es wurde bereits festgestellt, daß avisiertes Ziel der Verhandlungspflicht des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs nicht notwendig ein formaler Staatsvertrag in schriftlicher Form ist. Nach dem Wortlaut kann es sich ebensogut um eine informelle Absprache handeln. Über die inhaltliche Ausgestaltung der Vereinbarungen enthält die Norm dagegen so gut wie keine Aussagen. Ausdrücklich heißt es lediglich, daß die Vereinbarungen Übergangscharakter besitzen- hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit der Parteien, das interimistische Regime in ein bleibendes umzuwandeln bzw. es gleich als ein solches zu konzipieren - und daß sie ohne Einfluß auf die endgültige Abgrenzung im Sinne des Art. 83 Abs. 1 SRÜ sind (Art. 83 Abs. 3, S. 2 SRÜ). Die Staaten laufen damit also nicht Gefahr, im Hinblick auf die von ihnen behaupteten Rechte in eine schlechtere Verhandlungsposition zu geraten oder solche Rechte durch die Hinnahme bestimmter Handlungen des Nachbarn auf der Basis des Estoppe/-Prinzips sogar zu verwirken. Des weiteren sollen die Vereinbarungen "praktischer Art", das heißt im konkreten Einzelfall zweckmäßig und gut zu handhaben sein. Drängende (Einzel-)Probleme sollen - vorläufig - gelöst, nicht aber notwendig ein umfassendes Konzept erstellt werden. Angesichts dieser nur geringfügigen inhaltlichen Vorgaben läßt sich eine weitere Eingrenzung möglicher Vereinbarungstypen nur über die Funktion, die 228 Von der Frage nach der zeitlichen Geltung der Pflicht zu verhandeln ist diejenige nach dem rechtlichen Schicksal einer schon erzielten vorläufigen Vereinbarung in Falle des Scheiteros von Gesprächen zur endgültigen Abgrenzung zu trennen. Sieht die Vereinbarung für diesen Fall keine Kündigungs- oder Rücktrittsmöglichkeit vor, so läßt sich diese auch nicht aus Art. 56 Abs. l (b) WVK oder aus Art. 25 Abs. 2 WVK analog herleiten. Denn Sinn und Zweck vorläufiger Abkommen ist es gerade, den Rechtszustand in Abwesenheit einer Grenzübereinkunft zu regeln, so auch Lagoni, ILA Rep. 1988, S. 546 f., Ziff. 52, entgegen AJIL 1984, S. 358 f.
3. Kapitel: Lagerstätten bei sich überschneidenden Gebietsansprüchen
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die Absprachen erfüllen sollen, erreichen. Diese ist jedoch ebenfalls breit angelegt. Sie umfaßt, wie oben gezeigt, sowohl Übereinkünfte, welche die Ausübung der Jurisdiktion der Parteien über bestimmte beanspruchte Gebiete beschränkenim Hinblick auf die gleichrangigen Rechte der Parteien also präventiv wirken wie auch solche, die geeignet sind, die Nutzbarmachung der in situ-Ressourcen voranzutreiben - also über eine Schutzwirkung hinaus Anreiz zu kooperativem Vorgehen bieten. Durch den geringen Konkretisierungsgrad der ins Auge gefaßten Absprachen unterscheidet sich Art. 83 Abs. 3 SRÜ wesentlich von einer Lagerstätten-Klausel bzw. dem gleichlautenden Gewohnheitsrecht im Fall grenzüberschreitender geologischer Strukturen. Die dort statuierte Verhandlungspflicht ist stets auf ein Abkommen betreffend die positive Nutzung der Ressourcen gerichtet, das die wirtschaftlich effektivste Methode der Rohstoffgewinnung sicherstellen und eine gerechte Aufteilung der gezogenen Vorteile garantieren soll. (2) Folgerungen Angesichts der Unbestimmtheit und der Unbestimmbarkeil der Details der angestrebten Vereinbarungen wird zugleich deutlich, daß es sich bei diesen Vereinbarungen um Joint Development-Abkommen handeln kann, jedoch- im Gegensatz zu den Vereinbarungen infolge von Lagerstätten-Klauseln- nicht handeln muß. Ohne Frage stellen Joint Development-Verträge die geeignetste und fortschrittlichste Form vorläufiger Vereinbarungen im Sinne des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRÜ dar. 229 Vergegenwärtigt man sich nochmals die Funktionen von Joint Development, zeigt sich die offensichtliche Kompatibilität mit den Zielen der genannten Norm: Joint Development ist gerichtet auf eine Vermeidung der Verletzung souveräner Rechte von Nachbarn und bewirkt- darüber hinaus deren gerechten Ausgleich. Joint Development ermöglicht die positive Nutzung des umstrittenen Gebiets und seiner Ressourcen und gewährleistet - darüber hinaus- eine von allen Beteiligten als optimal eingeschätzte Erschließung. Joint Development bereinigt zwischenstaatliche Konflikte im Hinblick auf die Erforschung und Ausbeutung des Gebiets und fördert - darüber hinaus - die Erzielung einer endgültigen Grenzübereinkunft im Wege der Deeskalation. Dementsprechend berufen sich die Parteien des jüngsten und bislang einzigen Joint Development-Abkommens, das vollständig nach Beendigung von UNCLOS m geschlossen wurde, - Australien und Indonesien - in der Präambel auch ausdrücklich auf Art. 83 Abs. 3 SRÜ. 229 Vgl. auch Lagoni, AJIL 1984, S. 361 f.; ders., ILA Rep. 1988, S. 547 f., Ziff. 54; Valencia/Miyoshi, S. 212 ff.; Miyoshi, IJECL 1988, S. 14 f.
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3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
Unterhalb der Schwelle einer hoch differenzierten, ausgereiften und umfassenden Lösung, wie Joint Development sie im Idealfall darstellt, sind jedoch weitere interimistische Maßnahmen praktischer Natur denkbar, welche angesichts der Offenheit des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRÜ dessen Sinn und Zweck ebenfalls zu erfüllen geeignet sind: So können die Parteien gemeinsam die geographischen Daten des Gebiets festlegen, in welchem die beiderseitigen Ansprüche sich überschneiden. Hiervon ausgehend können sie die overlapping claims-Zone auf das "eigentliche" Grenzgebiet, das oben 230 als "Kerngebiet" bezeichnet worden ist, reduzieren. So haben zum Beispiel Indonesien und Vietnam durch Gespräche das Gebiet, in dem ihre Ansprüche überlappen, von 11.270 Quadratmeilen auf 1.000 Quadratmeilen verkleinern können. 231 Der praktische Nutzen einer solchen Einigung liegt darin, daß in den nunmehr unumstrittenen Gebieten Such- und Gewinnungsarbeiten einseitig durchgeführt werden können. Das gesamte Gebiet der overlapping claimsoder auch das herausgeschälte Kerngebiet kann sodann zum moratorium area deklariert werden, in dem keine ressourcenbezogenen Arbeiten stattfinden dürfen. Beispielsweise sind China und Vietnam in bezug auf den Golf von Tonkin übereingekommen, keine Bohrungen in den besonders umstrittenen Gebieten niederzubringen. 232 Desgleichen haben sich Norwegen und die ehemalige UdSSR in ihrer Verhandlungsrunde vom Dezember 1984 dahin gehend verständigt, in den vom Gesprächspartner ebenfalls beanspruchten Zonen der Barents-See keine Explorationstätigkeiten durchzuführen.233 Ein weiteres Beispiel bildet auch die Bering-See. Bevor die damalige UdSSR und die USA 1990 ihren Streit über den genauenVerlauf der im Vertrag von 1867 zur Regelung der Zession Alaskas an die USA bestimmten Trennlinie beilegen konnten234 , hatten sie eine ca. 30 Seemeilen breite Pufferzone in dem umstrittenen Gebiet errichtet, in der keine Partei Probebohrungen durchführen durfte.235 Eine andere Möglichkeit, die im Gegensatz zu einem Moratorium die Nutzbarmachung der Rohstoffe ermöglicht, ist die Vereinbarung einer provisorischen Grenzlinie. Informelle Absprachen im Hinblick auf de facto- Trennlinien sind Vgl. oben im 1. Teil, 2. Kap. B III 1 a aa. RheeJMacAulay, S. 100. 232 McDorman, S. 224; Kent!Valencia, S. 175 ff.; Rhee/MacAulay, S. 100; Yuan, s. 394. 233 .Churchill, The Soviet Union, S. 52. 234 "Agreement on the Maritime Boundary" vom 1. Jan. 1990, ILM 29 (1990), S. 941; eine verständliche Analyse der komplizierten Bestimmungen dieses Vertrages liefern Johnston!Valencia, S. 62 ff. 235 Antinori, S. 15. 230 231
3. Kapitel: Lagerstätten bei sich überschneidenden Gebietsansprüchen
365
anscheinend von einigen westafrikanischen Staaten getroffen worden. 236 Ausdruck finden sie in dem Umstand, daß sich die Konzessionsgebiete auf dem an Kohlenwasserstoffvorkommen reichen Schelf, die den Mineralölgesellschaften von den benachbarten Staaten jeweils zugewiesen wurden, nicht überschneiden. Auch Tunesien und Libyen hatten bis Mitte der siebziger Jahre eine solche de factaGrenze beachtet.237 Gleiches gilt offenbar für China und Japan bzw. Südkorea im Gelben Meer. 238 Als provisorische Grenze eignet sich vor allem die Äquidistanz- bzw. Mittellinie, da eine gewisse Vermutung für ihre Billigkeit spricht. 239 Eine weitere Möglichkeit der Parteien besteht darin, schon vor Aufnahme von Abgrenzungsverhandlungen den Austausch von Informationen zu vereinbaren, die Ertrag wissenschaftlicher Forschungsarbeiten oder einseitiger Explorationsaktivitäten sind. Zu wissen, ob kommerziell ausheutbare Rohstoffvorkommen im umstrittenen Meeresuntergrund vorhanden sind oder nicht, wird in der Regel den Weg zu einer Grenzübereinkunft ebnen. Die betroffenen Völkerrechtssubjekte können schließlich auch die kooperative Durchführung von Sucharbeiten aushandeln, ohne sich dabei zugleich - und dies unterscheidet eine solche Vereinbarung von einem Joint DevelopmentAbkommen- hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" des weiteren Vorgehens für den Fall zu entscheiden, daß die gemeinsam niedergebrachten Bohrungen fündig sind.240 Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß sich private Firmen oder Konsortien zur Durchführung der gemeinsamen Explorationstätigkeiten nur werden finden lassen, wenn sie sich für den Fall erfolgreicher Suche auch eine faire Chance ausrechnen können, eine Förderlizenz zu erhalten, wenn also für den Zeitraum danach eine gewisse Rechtssicherheit besteht. Nach allem sollte deutlich geworden sein, daß die Nachbarstaaten kaum Pflichten im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung einer Übereinkunft treffen. Vielmehr steht ihnen hier eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, die allesamt gleichermaßen mit Wortlaut und mit Ziel und Zweck des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRÜ vereinbar sind. Joint Development-Abkommen stellen nur eine- allerdings eine besonders sinnvolle- Alternative dar.
Vgl. Underwood, S. 250 f.; Dalhousie Ocean Studies Programme, S. 47 ff. Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, I.C.J. Reports 1982, s. 84, Ziff. 117. 236
237
Buchholz, S. 102. Vgl. dazu den Festlandsockelstreit zwischen Malta und Libyen, l.C.J. Reports 1985, S. 47, Ziff. 62 f. 240 Zu dieser und weiteren Optionen Johnston/Saunders, Ocean Boundary Issues, S. 332 ff.; Johnston!Va1encia, S. 23 ff. 238
239
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3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
2. Völkergewohnheitsrecht Selbst das in vieler Hinsicht fortschrittliche SRÜ betont zur Lösung des Problems sich überschneidender Gebietsansprüche in traditioneller Weise den Primat der Grenzziehung. Dieser Ansatz hat sich jedoch als zu eng und zu unflexibel erwiesen angesichts der Dauer und Komplexität der Abgrenzungsverhandlungen und der vielfachen politischen, ideologischen, religiösen und militärischen Spannungen in vielen Regionen der Erde. Unter dem Eindruck dieser Erkenntnis sind die Staatenvertreter auf UNCLOS III, wie soeben dargestellt, übereingekommen, die betroffenen Küstenstaaten- zusätzlich zu Verhandlungen über den Grenzverlauf - zu Maßnahmen zu verpflichten, die nur interimistischer Natur sind und den Grenzverlauf als solchen nicht präjudizieren. Die Vereinbarung solcher Maßnahmen stellt also eindeutig ein Minus gegenüber der Grenzlösung dar. Dies könnte als ein Indiz für den gewohnheitsrechtliehen Charakter der genannten Pflicht gewertet werden. Andererseits bestehen Sinn und Zweck des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRÜ nicht in erster Linie in der Vorbereitung der Grenzübereinkunft, sondern in dem Schutz der beiderseitigen Rechte an den Naturgütern des Festlandsockels im umstrittenen Gebiet sowie in der Ermöglichung von deren Nutzbarmachung im gegenseitigen Einvernehmen. Insofern stellt sie ein Novum und ein echtes Aliud im Verhältnis zur Grenzziehung dar, was gegen ihre gewohnheitsrechtliche Geltung spricht. Des weiteren ist die Entstehungsgeschichte des Art. 83 Abs. 3 zu berücksichtigen. Vielfalt und Unterschiedlichkeit der informellen, nicht konsensfahigen Entwürfe und Vorschläge einzelner Delegationen und Staatengruppierungen verdeutlichen, daß diese Norm nicht zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehendes Gewohnheitsrecht kodifiziert, sondern allenfalls dessen schrittweise Fortentwicklung (,.progressive development") zum Ausdruck gebracht hat. 241 Damit schließt sich aber die Frage an, ob dieser Entwicklungsprozeß heute, gut zehn Jahre nach Verabschiedung des SRÜ, abgeschlossen und die Pflicht, wenn auch nicht über Joint Development-Abkommen, so doch jedenfalls über ,.vorläufige Übereinkünfte praktischer Art" zu verhandeln, nunmehr gewohnheitsrechtlich verankert ist. Daß sich allgemeines Völkergewohnheitsrecht aus bilateralen Verträgen entwickeln kann, wurde oben bereits ausgeführt. 242 Gleiches ist grundsätzlich auch für mehrseitige Übereinkünfte anerkannt.243 Darüber hinaus sind auch noch nicht in Kraft befindliche Konventionsentwürfe und Ergebnisse internationaler Staatenkonferenzen zu berücksichtigen, wie gerade die Diskussion um Bedeutung und Gewicht des SRÜ für das allgemeine Seevölkerrecht verdeutlicht hat.244 Schließ241 242
243 .
Lagoni, AJIL 1984, S. 354; vgl. auch Adede, S. 222 ff., 244 f. V gl. in diesem Teil oben im 2. Kap. A II 2 b aa. Baxter, S. 294 ff.
3. Kapitel: Lagerstätten bei sich überschneidenden Gebietsansprüchen
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lieh führt auch der Aspekt, daß das SRÜ im Gegensatz zu anderen multilateralen Vertragswerken das Ergebnis von Verhandlungen ist, die nach dem consensusVerfahren und dem package deal-Prinzip geführt wurden, nicht notwendig dazu, daß die Konvention nicht für den Nachweis der opinio juris der Teilnehmerstaaten herangezogen werden kann. 245 Dennoch mahnt gerade der Umstand, daß das SRÜ einen Handel im Sinne eines gegenseitigen Gebens und Nehmens246 darstellt, zur Vorsicht. Sofern es nicht um Bestimmungen geht, die schon vor UNCLOS Ill geltendes Gewohnheitsrecht darstellten, ist daher besonders sorgfaltig zu prüfen, ob die Völkerrechtssubjekte sich in der Folgezeit entsprechend den ausgehandelten Vorschriften verhalten haben. 247 Die Tendenz, vorläufige Absprachen im Hinblick auf die Nutzung bzw. Nichtnutzung des umstrittenen Gebietes zu treffen, ist in der Völkerrechtspraxis unverkennbar. So haben die Staaten auf einer Skala, deren unteres Ende durch die Vereinbarung eines Moratoriums für das gesamte Gebiet der overlapping claims und deren oberes Ende durch die Aushandlung eines ausgereiften Joint Development-Abkommens markiert wird, viele Möglichkeiten genutzt, die Übergangszeit bis zur Erzielung einer Grenzübereinkunft einvernehmlich zu gestalten. Hier offenbart sich jedoch ein Dilemma: Da diese Absprachen zum großen Teil informeller Natur sind, fallt es schwerer, sie zu dokumentieren als offizielle, schriftliche und bei einem Depositar hinterlegte248 Staatsverträge. Dies gilt in noch erhöhtem Maße für bloße Gespräche; ob und vor allem mit welchem Inhalt diese stattfinden, wird von staatlicher Seite oftmals geheim gehalten. Es ist deshalb realistisch anzunehmen, daß informelle Vereinbarungen in größerer Zahl getroffen wurden bzw. zumindest über sie verhandelt wurde, ohne daß dies an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Trotz der Regelung in Art. 83 Abs. 3, S. 2 SRÜ, wonach vorläufige Vereinbarungen keinen Einfluß auf den späteren Grenzverlauf nehmen, fürchten die Staaten oftmals, ihre Einwilligung in Übergangslösungen könnte politisch als Nachgiebigkeit in der Sache mißverstanden werden. Informelle Absprachen werden für Außenstehende deshalb oftmals erst dann
244 Verdross/Simma, § 581; Lee, AJIL 1983, S. 561 ff., Schweisfurth, S. 572 ff.; Bernhardt, Einfluß der UN-Seerechtskonvention, S. 213 ff. 245 Heintschel von Heinegg, S. 113 ff.; a.A. Schweisfurth, S. 577 ff. 246 Bernhardt, Einfluß der UN-Seerechtskonvention, S. 216, spricht von einem "Wechselspiel von Forderungen und Konzessionen" bei der Erarbeitung der Regeln für das zukünftige Seerecht. 247 Erst wenn dies der Fall ist, darf zum Nachweis der opinio juris nicht nur die Übung selbst, sondern ebenso der Vertragstext herangezogen werden. Denn dieser stellt den eindeutgien Beweis dar, daß das tatsächliche Verhalten von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung getragen ist, Heintschel von Heinegg. S. 115. 248 Vgl. Art. 102 UN-Charta.
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3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
erkennbar, wenn sich, wie zum Beispiel vor der Küste Westafrikas, Konzessionsgebiete nicht überschneiden, obwohl eine offizielle Grenzregelung nicht besteht. 249 Der Nachweis des Vorliegens des objektiven Merkmals des Völkergewohnheitsrechts, der Tatsache, daß vorläufige Vereinbarungen praktischer Art tatsächlich getroffen wurden bzw. -da es vorliegend (nur) um den Nachweis einer Verhandlungs- nicht aber einer Einigungspflicht geht- zumindest nach Treu und Glauben über sie verhandelt wurde, fallt damit schwer. Nicht einfacher gelingt es zu belegen, daß diese Übung von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung der handelnden Völkerrechtssubjekte getragen wird. Angesichts der zahlenmäßig noch recht geringen (bekannten) Interimsabkommen, erscheint es nicht legitim, lediglich auf die Staatenpraxis selbst oder auf die entsprechende Vorschrift in dem SRÜ zu verweisen. Schließlich kann auch der aus dem Nachbarrecht fließende, im Zusammenhang mit dem Problem der grenzüberschreitenden Lagerstätten maßgebliche und im Bewußtsein der Staatengemeinschaft mittlerweile fest verankerte Gedanke, daß ein wirksamer Schutz der Rechte und Interessen nur durch Informationsaustausch und Zusammenarbeit zu erreichen ist, hier nicht weiterhelfen. Da im Fall von overlapping claims die Küstenstaaten (vorerst) die gleichen souveränen Rechte an den gesamten Rohstoffvorräten besitzen 250, ist die Mitwirkung des jeweils anderen zur Ermittlung, ob und bejahendenfalls welche negativen Einwirkungen von einseitigen ressourcenbezogenen Arbeiten ausgehen, nicht in ebenso offenkundiger Weise gefordert wie bei grenzüberschreitenden Reservoirs. Neben den informellen Vereinbarungen ist allerdings auch die wachsende Zahl offizieller Joint Development-Abkommen zu berücksichtigen sowie der Umstand, daß die Staaten zunehmend in einen Kommunikationsprozeß eintreten. 2s1 Und auch die Rechtsentwicklungen hinsichtlich der Nutzung anderer Ressourcen, insbesondere von Fischbeständen in Gebieten sich überlappender Ansprüche auf eine Ausschließliche Wirtschaftszone, dürfen nicht unbeachtet bleiben. 2S2 Alle Aspekte zusammenfassend, läßt sich resümieren, daß eine dem Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs entsprechende gewohnheitsrechtliche Pflicht, über interimistische Maßnahmen im Hinblick auf die Ressourcen des Festlandsockels zu verhandeln, mit den allgemeinen Entwicklungen des Völkergewohnheitsrechts im Hierzu Underwood, S. 250 f.; Dalhousie Ocean Studies Programme, S. 47 ff. Nicht berücksichtigt wird hierbei der Fall, daß rohstofführende Strukturen sich über die Grenzen des umstrittenen Gebiets hinweg in den Festlandsockelanteil eines Beteiligten hinein erstrecken. 2s1 Vgl. oben in diesem Kap. B I 1 b. 2s2 So schon Terr, S. 67 ff. Zu den Kooperationsabkommen im Hinblick auf lebende Ressourcen vgl. Colson, S. 56 ff. 249
250
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Einklang steht und auch in der Entstehung begriffen ist Es erscheint jedoch noch verfrüht, heute bereits von einer existierenden Norm des Völkergewohnheitsrechts zu sprechen. 253 Aus dem soeben Gesagten folgt, daß eine Pflicht, über Joint Development sei es als Zwischenlösung bis zur endgültigen Grenzziehung, sei es als Alternative zu dieser - zu verhandeln, erst recht (noch) nicht Bestandteil des geltenden Völkergewohnheitsrechts ist. Obwohl sich eine zunehmende Zahl von Nachbarstaaten, die zudem verschiedene geographische Regionen und politische Systeme der Erde repräsentieren, für ein kooperatives Regime zur Nutzung der Ressourcen des ihren Küsten vorgelagerten Schelfs entscheidet, kann angesichts der ein Vielfaches betragenden Zahl nichtgelöster Ressourcenkonflikte in nichtdeiimitierten Gebieten (noch) nicht von einer dauerhaften, einheitlichen und verbreiteten Übung die Rede sein. ß. Exkurs: Beispiele rdr mögliche künftige ,,Joint Development"-Gebiete
Für viele Gebiete mit overlapping claims werden in der Literatur immer wieder die Chancen für ein gemeinsames Vorgehen der betroffenen Nachbarstaaten ausgelotet und zum Teil für gut befunden. Dies gilt speziell für die zahlreichen im (süd-)ostasiatischen Raum umstrittenen maritimen Zonen. 254 Als candidate areas for joint development werden von Experten für diese Region vor allem genannt255 - der östliche Teil des Golfs von Thailand (Vietnam, Kambodscha, Thailand256) 257 - der südwestliche Teil des Golfs von Thailand (Malaysia, Thailand, Vietnam) - der Golf von Tonkin (China/Vietnam) - im Dangeraus Ground das Gebiet um die Spratly-Inseln (Malaysia, Vietnam, 253 A.A. Lagoni, ILA Rep. 1992, S. 22, Ziff. 57, im Hinblick auf die Parallelvorschrift des Art. 74 Abs. 3 SRÜ betreffend die lebenden Ressourcen der Ausschließlichen Wirtschaftszone. Eine zwischen den Art. 74 und 83 SRÜ differenzierende Betrachtung erscheint allerdings durchaus naheliegend, da die Gesprächsbereitschaft der Staaten im Fall erneuerbarer Ressourcen generell größer sein dürfte als bei erschöfbaren Rohstoffen. 254
Zum Öl- und Gaspotential dieser Gebiete allgemein vgl. Kent!Valencia, S. 155 ff.
Vgl. insbes. die Darstellungen bei Valencia/Miyoshi, S. 223 ff.; Johnston!Valencia, S. 121 ff.; Fox et al., S. 155 ff.; Kent!Valencia, S. 110 ff., 185 ff. 255
256 Die in die Klammern gesetzten Staatennamen bezeichnen jeweils diejenigen Staaten, die das umstrittene Gebiet oder Teile desselben, die sich speziell für eine Zusammenarbeit anbieten, beanspruchen und zwischen denen die entsprechenden Verhandlungen deshalb stattfinden müßten. 257 Vgl. des weiteren Weggel, S. 260 f. Erinnert sei auch an Art. 3 des "Agreement on Historie Waters ofVietnam und Kampuchea" vom 7. Juli 1982, abgedruckt bei Kittichaisaree, S. 180; Thailand hat gegen die Errichtung dieser Zone protestiert, vgl. Fox et al., s. 163.
24 l'lomuum-Pfaff
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3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
die Philippinen, China) das gelbe Meer (China, Nordkorea, Südkorea)258 im ostchinesische Meer das Gebiet um die Senkaicu-Inseln (China/Japan) 259 die Natuna-See (Vietnam, Indonesien) Schelfgebiete vor der Küste Bruneis (Brunei, Malaysia, China) das Gebiet um einige der von der bisherigen UdSSR kontrollierten Kurilleninseln (Rußland, Japan) 260 - die Arafura See (Australien, Indonesien).
-
Das ebenfalls immer wieder diskutierte Joint Development-Regime zur Schliessung des sogenannten "Timor-Gap" zwischen Australien und Indonesien wurde mittlerweile errichtet. 261 Berichtet wird des weiteren auch von einem bereits ausgehandelten Joint Development-Abkommen zwischen Thailand und Vietnam im Golf von Thailand262 sowie von einer schon mehrere Jahre währenden Zusammenarbeit zwischen Japan und China zur Erschließung der Bohai-Bucht, die nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß Japan den chinesischen Anspruch bezüglich der Bucht, die China als Inlandsgewässer bzw. als historische Bucht bezeichnet, niemals anerkannt hat.263 Ob hierüber hinaus in näherer Zukunft der Abschluß weiterer Kooperationsverträge zu erwarten ist, erscheint angesichts der vielfältigen politischen Zwistigkeiten in der Region fraglich. Doch nicht nur für die Meere Südostasiens wurde und wird ein kooperatives Vorgehen befürwortet, sondern ebenso für - die Ägäis (Türkei, Griechenland)264 - den Golf von Mexiko (Mexiko, USA) 265 - die Barents-See (Rußland, Norwegen) 266 Vgl. des weiteren Valencia, Marine Policy 19~8. S. 393. Vgl. des weiteren Terr, S. 70; Lee, ODIL 1987, S. 600 f. 260 Zu einem bereits bestehenden japanisch-sowjetischen Joint Venture in dieser Region, vgl. Onorato, FIU 1988, S. 326 ff. 261 Dazu oben im 2. Teil, 3. Kap. B II 2 e. 262 International Harald Tribune vom 21.11.1990. 263 Yuan, S. 392; Strupp, S. 131; 0streng, Energy 1985, S. 569. Danach stellt Japan Ausrüstung wie technisches know how zur Verfügung, während China für die Arbeitskräfte sorgt. Japan, das kaum über eigene Energiequellen verfügt, erhält im Gegenzug einen Anteil an dem geförderten Öl. 264 Lagoni, Overlapping Claims, S. 154; van Dyke, S. 68 f. 258 259
265 Szekely et al., S. 609 ff., die bereits einen Modellvertrag entworfen haben; Utton/McHugh, S. 731 f.; Szekely, Nat.Res. J. 1986, S. 766 ff. 266 Churchill, The Soviet Union, S. 53; Fox et al., S. 172 f.; Jorgensen-Dahl, S. 415, 424 f.; zur verstärkten Kooperation in dieser Region nach den gravierenden politischen Veränderungen in den Staaten der ehemaligen UdSSR Stoltenberg, S. 5 ff.; das Fridtjof Nansen-Institut hat der zunehmenden Zusammenarbeit in Nordeuropa Heft 4/1992 der
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- das Gebiet um den Rockall-Granitfelsen (Island, Dänemark, Irland, Großbritannien)267 - die Beaufort-See (USA, Kanada)268 - den Golf von Venezuela (Venezuela, Kolumbien)269 - das Gebiet um die Falkland-Inseln (Großbritannien, Argentinien)270. Ob und in welchem Maße die betroffenen Völkerrechtssubjekte ernsthaft die Möglichkeiten von Joint Development diskutieren, ist nicht immer klar zu erkennen. Verschiedentlich, so ist bekannt geworden, hat auch eine Streitpartei der anderen in Gesprächen angeboten, gemeinsam nach einer Möglichkeit zur Zusammenarbeit bei der Nutzbarmachung der Ressourcen als Übergangs- oder als Alternativlösung zu suchen, ohne daß die andere Partei auf dieses Angebot eingegangen wäre. Beispielsweise hat die Türkei im Ägäiskonflikt Joint Development als Alternative mehrfach angesprochen, desgleichen die UdSSR im Streit um die Grenze in der Bering-See271 , China im Konflikt mit Japan um die SenkairuInseln und ihren Festlandsockel272, Guinea im Abgrenzungsstreit mit seinem Nachbarn Guinea-Bissau273 , die UdSSR im Barents-See-Disput mit Norwegen 274 und schließlich Qatar im Streit mit Bahrain um die Golfinsel Hawar275 •
Mittlerweile haben die USA und die ehemalige Sowjietunion ihren auf einer unterschiedlichen Interpretation der im Jahre 1867 im Zusammenhang mit der Zession Alaskas ausgehandelten Trennlinie beruhenden Grenzkonflikt in der Bering-See beigelege76, ohne daß das neue Grenzabkommen ein gemeinsames Vorgehen im Hinblick auf die vermuteten Kohlenwasserstoffvorräte vorsieht, wie es in der Literatur277 und auch von Seiten der UdSSR278 vorgeschlagen worden ist. Allerdings scheint es, als sei die Chance für Joint Development in diesem Gebiet noch nicht endgültig vertan279, zumalessich bei der Bering-See, vom Institut veröffentlichten International Challenges gewidmet und beleuchtet dort die unterschiedlichen Aspekte dieser Kooperation. 267 Fox et al., S. 177 f. 268 Rothwell, S. 45 ff.; Fox et al., S. 172. 269 Fox et al., S. 186 f.; allgemein zum Konfliktpotential im karibischen Meeresraum Sanders/Ratter, S. 5 ff. 27 Fox et al., S. 175 f. 271 Klimenko, s. 148. 272 Lee, ODIL 1987, S. 600 f.; Johnston!Valencia, S. 104 ff., 110 ff. 273 V gl. das Urteil des Tribunals, ILM 25 (1986), Ziff. 31. 274 Scrivener, S. 86 f.; Jorgensen-Dahl, S. 415. 275 Townsend Gault, Offshore Boundary Delimitation, S. 220. 276 ,,Agreement on the Maritime Boundary" vom 1. Jan. 1990, ILM 29 (1990), S. 941. 277 Antinori, S. 30 f.; Fox et al., S. 166 ff. 278 Klimenko, S. 148.
°
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wie im übrigen auch bei vielen Meeren Südostasiens, um ein halbgeschlossenes Meer handelt und damit zusätzlich die Pflichten des Art. 123 SRÜ eingreifen. Auch Chile und Argentinien sind schließlich zu einem Einvernehmen hinsichtlich des Grenzverlaufs im Beagle-Kanal und in den angrenzenden Gewässern ge. K ooperat10n . zu verabreden.281 1angt28o, o hne eme C. Faktoren, die den Abschluß eines ,Joint Development"·Abkommens beeinflussen Oben wurde festgestellt, daß die Pflicht, im Fall von overlapping claims über gemeinsame ressourcenbezogene Aktivitäten zu verhandeln, noch kein geltendes Völkergewohnheits- oder -Vertragsrecht darstellt. Damit sind und bleiben es vorerst auch weiterhin die politischen Rahmenbedingungen, die nicht nur darüber bestimmen, ob ein Joint Development-Abkommen erzielt wird, sondern auch darüber, ob diesbezüglich überhaupt Verhandlungen geführt werden. Über die Faktoren, die Joint Development- wie auchjede andere interimistische Übereinkunft und schließlich auch die endgültige Grenzvereinbarung - fördern oder behindern, lassen sich einige generelle Aussagen treffen. Zu den bedeutsamsten Faktoren zählen: 282 1. Die Zahl der Staaten, die Anspruch auf eine maritime Zone erheben: Es ist grundsätzlich einfacher, einen Konflikt zu lösen, der die Interessen von nur zwei Küstenstaaten berührt, als einen solchen, an dem drei oder mehr Parteien beteiligt sind. 2. Der Charakter der allgemeinen politischen Beziehungen zwischen den Betroffenen: Erkennen die Staaten einander nicht an oder unterhalten sie keine diplomatischen Beziehungen, sind die Chancen für ein Abkommen naturgemäß äußerst gering. Gleiches gilt, wenn das Verhältnis traditionell schlecht ist und auch in anderen politischen Bereichen Meinungsverschiedenheiten bestehen, insbesondere wenn diese auf ideologischen, religiösen oder kulturellen Differenzen beruhen. Wie das Beispiel der politischen Beziehungen zwischen China und Vietnam verdeutlicht, sind die Auseinandersetzungen innerhalb gleicher WeltanDazu Johnston!Valencia, S. 97; Elferink, S. 44, 47. "Treaty of Peace and Friendship" vom 29. Nov. 1984, ILM 24 (1985), S. 11. 281 Vgl. zu den verschiedenen alternativen Lösungsmöglichkeiten, zu denen u.a. Joint Development zählte, Hernekamp, S. 108; auch der Vermittlungsvorschlag des Heiligen Stuhls aus dem Jahre 1980 sah die Schaffung eines sog. "Meer des Friedens" vor, in welchem beide Parteien gleiche Rechte besitzen sollten, Wagner, S. 179 ff. 282 Zum folgenden vgl. allgemein 0streng, Opportunities and Constraints, S. 20 ff., Valencia/Miyoshi, S. 217 ff. ; Kent/Valencia, S. 184 ff.; Johnston/Saunders, Ocean Boundary lssues, S. 324 ff. 279
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schauungen oftmals allerdings nicht weniger heftig. Positiv wirkt es sich dagegen aus, wenn die Küstenstaaten im Rahmen regionaler politischer Verbindungen wie der Europäischen Union, dem Nordischen Rat oder der Association of South East Asian Nationi83 zusammenwirken und ihr Verhältnis auch ansonsten ein gutnachbarliches, durch Vertrauen und Kooperation geprägtes ist. Hier haben pragmatische Lösungsansätze eine reelle Chance. 3. Der Grad der gegenseitigen Abhängigkeit vor allem auch in Sicherheitsfragen: Gehören die Parteien rivalisierenden Militärbündnissen an oder konkurrieren sie um die regionale Vormachtstellung, ist ein gemeinsames Vorgehen eher unwahrscheinlich. 4. Der Umstand, ob die Rechtssysteme der beiden Staaten auf einer gemeinsamen historischen Grundlage basieren: Ist dies der Fall, wirkt sich nicht nur die generelle Übereinstimmung der Werteordnungen positiv aus, vielmehr sind auch Detailsfragen hinsichtlich der materiellen Ausgestaltung eines kooperativen Regimes - zum Beispiel hinsichtlich des Konzessionssystems oder hinsichtlich der Abgabenfragen - leichter zu regeln. 5. Der Umstand, ob nur die Methoden und Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung zwischen den Parteien umstritten sind oder ob weitere ungelöste Vorfragen den Konflikt verkomplizieren: Zu den ungelösten Vorfragen zählen insbesondere Streitigkeiten um die nationale Zugehörigkeit bestimmter Festlandgebiete oder Inseln bzw., wo diese geklärt ist, über die Qualifikation einer Landfläche als "Insel" im Unterschied zu einem "Felsen" im Sinne des Art. 121 Abs. 3 SRÜ. Um so komplexer die Probleme sind, um so geringer erscheinen die Aussichten für Joint Development. 6. Der Umstand, ob die Staaten gegenseitig die bonafides-Basis ihrer Ansprüche anerkennen: Hält eine oder halten beide Parteien den Anspruch der jeweils anderen als mit den Grundsätzen des Festlandsockelregimes nicht vereinbar, so sind die Aussichten für ein gemeinsames Vorgehen in der Tendenz geringer. 7. Der Grad an Kenntnissen über die Ressourcenvorkommen im Gebiet der overlapping claims: Sind zum Beispiel erdölführende Strukturen nachgewiesen, kann dies eine Kompromißlösung fördern, es kann sie aber, abhängig von der konkreten Einstellung der Beteiligten, auch vollständig unmöglich machen. Dieses Faktum vermag sich also - ebenso wie der umgekehrte Fall, daß das Rohstoffpotential noch unbekannt ist- in beide Richtungen auszuwirken. 8. Der Grad des Bedarfs der Beteiligten nach neuen Energiequellen und der Umstand, daß diese sich in umstrittenen Gebieten befinden: Dieser Punkt steht 283 Die sechs Mitglieder dieser 1967 gegründeten regionalen Vereinigung- Brunei (Mitglied seit 1984), Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur und Thailandsind größere Handelspartner Japansund des Westens.
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3. Teil: Gebote zur zwischenstaatlichen Kooperation
in enger Verbindung mit dem vorher genannten; sein Einfluß kann ebenfalls nur im Einzelfall bewertet werden. Können die Parteien ihren nationalen Rohstoffbedarf nicht aus anderen eigenen Quellen decken und kommt der Erschließung insbesondere von Kohlenwasserstoffvorkommen entwicklungsstrategische Bedeutung zu, vermag dies eine Einigung zu beschleunigen, ebenso kann es sie aber auch vollständig verhindern. Entscheidend ist, ob die beteiligten Staaten meinen, durch eine Zusammenarbeit ihren eigenen Interessen zuwider "etwas zu verschenken" oder ob sie einer eher pragmatischen Sichtweise zuneigen, wonach es vielfach besser ist, kurz- oder mittelfristig einen Teil der möglichen Gewinne zu realisieren, als auf unabsehbare Zeit ganz auf sie zu verzichten. Um so mehr die genannten Faktoren einander in positiver oder negativer Weise verstärken, um so größer bzw. geringer erscheinen die Aussichten, daß eine Joint Development-Vereinbarung zu erreichen ist. Treffen entgegengesetzt wirkende Faktoren zusammen, vermögen diese sich jedoch auch wechselseitig zu neutralisieren bzw. -bei Überwiegen der inzentiven Elemente- den Weg hin auf eine Übereinkunft zu ebnen?84 So kann ein übereinstimmend großer Bedarf nach neuen, eigenen Energiequellen politische Differenzen durchaus überwinden, wie der Fall Japan/Südkorea beweist. Und Interdependenzen in Sicherheitsfragen wiegen oftmals schwerer als Streitigkeiten um die völkerrechtliche Qualifikation einer Insel als solche und um die Ausdehnung ihres Festlandsockels, wie das Beispiel des Jan Mayen-Abkommens verdeutlicht.
284 Vgl. auch die Tabelle bei Johnston!Valencia, S. 172; dort werden 51 für das Zustandekommen einer Grenzübereinkunft signifikante Faktoren herausgearbeitet und im Hinblick auf verschiedene ungelöste Grenzkonflikte im pazifischen Ozean auf einer Skala von -5 bis +5 bewertet. Durch die Addition der Zahlen erhält der Leser Auskunft über den Grad an Wahrscheinlichkeit, daß ein Abkommen erzielt werden kann. Das Ergebnis verdeutlicht in etwa auch die Chancen für Joint Development. Sie stehen danach am besten für ein Abkommen zwischen den USA und Kanada und am schlechtesten für einen Vertrag zwischen den Staaten, rlie Ansprüche auf die Spratly-Inseln angemeldet haben.
Zusammenfassung der Ergebnisse Joint Development läßt sich allgemein definieren als die vertragliche Zusammenarbeit benachbarter Staaten zum Zwecke der koordinierten Suche nach und/oder Gewinnung von nicht-lebenden natürlichen Ressourcen im Bereich ihrer Territorien oder anderer Zonen, die ihrer (funktional beschränkten) Hoheitsgewalt unterliegen. Mit der vorliegenden Arbeit wurde der Versuch unternommen, diese Form zwischenstaatlicher Zusammenarbeit im Hinblick auf ihre Voraussetzungen und ihre Ausgestaltung in der Staatenpraxis umfassend zu analysieren und zu strukturieren. Überdies galt es, Antwort auf die Frage zu finden, ob und unter welchen Voraussetzungen Staaten auch außerhalb bestehender Joint DevelopmentAbkommen zur Zusammenarbeit bei der Aufsuchung und Gewinnung der Rohstoffe verpflichtet sind. 1. Als tatsächlicher Hintergrund der Kooperation, so wie sie sich in der Rechtswirklichkeit darstellt, konnten zwei spezifische Problemkonstellationen identifiziert werden: Grenzüberschreitende Lagerstätten. Hier befindet sich ein Rohstoffreservoir beidseitig einer vertikal in den Erdboden fortgesetzt gedachten Staats- oder Festlandsockelgrenze. Die einseitige Aufsuchung und Gewinnung der Bodenschätze durch die betroffenen Staaten ist in diesem Fall völkerrechtlich zulässig, soweit sie keine oder nur minimale Auswirkungen auf das jeweils angrenzende Gebiet hat. Werden dagegen durch die genannten Bergbauaktivitäten dem Territorium bzw. dem Festlandsockelanteil des Nachbarn Rohstoffe entzogen oder führen sie in anderer Weise zu erheblichen grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen - dies ist insbesondere bei der Förderung flüssiger und gasförmiger Ressourcen vielfach nicht zu vermeiden -, so dürfen sie einseitig nicht durchgeführt werden. In der Konsequenz können oftmals bedeutende Mengen an Rohstoffen nicht gefördert werden. Lagerstätten im Bereich sich überschneidender Gebietsansprüche. Hier liegt ein Ressourcenvorkommen in einer Zone, deren gebietsrechtlicher Status noch nicht durch Grenzziehung geklärt wurde. Solche Zonen existieren auf dem Festland und in Küstenmeeren, besonders häufig aber treten sie im Bereich von Schelfgebieten auf. Einseitige Arbeiten zur Aufsuchung von Bodenschätzen durth
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Zusammenfassung der Ergebnisse
einen Staat, der Ansprüche auf das betreffende Gebiet erhoben hat, sind in diesem Fall völkerrechtlich zulässig, soweit sie vorübergehender Natur und ohne bleibende Folgen sind. Aus dieser Einschränkung folgt unmittelbar, daß eine einseitige Gewinnung der Rohstoffe in keinem Fall möglich ist, da sie stets irreversible Auswirkungen hat. Eine Zusammenarbeit der betroffenen Staaten stellt in beiden Fallkonstellationen die aus rechtlicher wie aus wirtschaftlicher Sicht gleichermaßen sinnvolle Möglichkeit dar, die in der Regel unerwünschten Konsequenzen für die Nutzung der Bodenschätze aus den eben bezeichneten Lagerstätten zu überwinden. Von dieser Möglichkeit hat in den vergangeneo 35 Jahren deshalb eine Vielzahl von Staaten Gebrauch gemacht und sogenannte Joint Development-Verträge geschlossen. 2. Die Untersuchung der verfügbaren zwischenstaatlichen Joint DevelopmentVerträge ermöglichte zunächst eine Klassifizierung der Formen der Zusammenarbeit. Damit verbunden konnten die folgenden fünf Grundmodelle bestimmt werden, die dem Kooperationsregime sein Gepräge verleihen:
Modell 1: Ressourcenbezogene Arbeiten in einem bestimmten Gebiet werden durch nur einen der beteiligten Staaten (bzw. durch den von ihm Berechtigten) auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsordnung ausgeführt. Im Gegenzug hat er bestinunte Abgaben an den Vertragspartner zu leisten oder ihn an den erzielten Gewinnen prozentual zu beteiligen. Modell 2: Explorations- und Gewinnungsarbeiten erfolgen separat durch die Berechtigten jeder Vertragspartei auf deren Seite einer Grenze oder- in Ermangelung einer solchen - einer provisorisch gezogenen Trennlinie. Es findet jedoch eine Zusammenarbeit durch Konsultationen der Vertragsparteien, über eine gemeinsame, staatliche Kommission oder mit Hilfe von Verträgen direkt zwischen den Berechtigten insofern statt, als (zumindest) die Vorräte einer Lagerstätte gemeinsam berechnet, Produktionspläne und Fördermengen abgesprochen und die Anteile jeder Vertragspartei bestimmt werden. Modell 3: Die Vertragsparteien eröffnen ihren jeweils separat lizensierten Berechtigten die Möglichkeit - und verpflichten sie regelmäßig auch dazu -, Aufsuchungs- und Gewinnungsarbeiten in einem bestimmten Gebiet nicht getrennt vorzunehmen, sondern sie von einem gemeinsamen Betriebsführer (,joint" oder "single operator") durchführen zu lassen. Modell 4: Ressourcenbezogene Arbeiten werden von den betroffenen Staaten gemeinsam und zwar durch das Medium einer auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gesellschaft durchgeführt, die sie zu diesem Zweck gegründet haben und an der sie beide - in der Regel zu je 50% - beteiligt sind.
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Modell 5: Beide Parteien üben mit der Hilfe einer gemischten, mit eigener Rechtspersönlichkeit und umfassenden Befugnissen ausgestatteten Behörde die Rechte über bestimmte Rohstoffe in einem Gebiet gemeinsam aus. Insbesondere ist die errichtete Behörde ermächtigt, für beide Parteien bindend Verträge mit Förderunternehmen abzuschließen und diese zur Aufsuchung und Ausbeutung der Bodenschätze zu berechtigen. Die von den Unternehmen an sie abzuführenden Erlöse leitet die Behörde zu gleichen Teilen an die Vertragsparteien weiter.
Diese fünf Grundmodelle stehen unabhängig nebeneinander. Das sie verbindende Element liegt jedoch in ihrer übereinstimmenden - in zwei Richtungen weisenden - Funktion: in der Vermeidung einer Verletzung von Rechten des Nachbarstaates einerseits und in der Ermöglichung einer Ressourcennutzung in wirtschaftlich optimaler Form und bei gerechter Aufteilung der daraus resultierenden Vorteile andererseits. Die Modelle sind des weiteren auch, und zwar gerade auch im Hinblick auf diese Funktion, gleichwertig. Abstrakt ist weder aus rechtlicher, noch aus wirtschaftlicher oder politischer Sicht ein Modell vorzugswürdig; insbesondere kann jedes einzelne unabhängig davon gewählt werden, ob die angestrebte Kooperation Folge der Entdeckung einer grenzüberschreitenden Lagerstätte oder sich überschneidender Gebietsansprüche ist. Allerdings läßt sich in der Staatenpraxis der Trend verzeichnen, wonach die beteiligten Völkerrechtssubjekte in dem Fall, daß der Grenzverlauf zwischen ihnen feststeht, für die Ausbeutung flüssiger oder gasförmiger Rohstoffe das dritte Modell und in dem Fall, daß sich ihre Gebietsansprüche auch weiterhin überschneiden, das fünfte Modell präferieren. 3. Die Auswertung der Staatenpraxis ermöglichte neben der Klassifizierung der Formen der Zusammenarbeit des weiteren die Bestimmung der phänotypischen Regelungspunkte dieser Art völkerrechtlicher Übereinkunft. Zur Errichtung eines funktionstüchtigen Regimes bedarf es zwingend a) der Definition des Kooperationsgebietes bzw. der Lagerstätte, auf die sich die Zusammenarbeit beziehen soll, b) der Festlegung der konkreten Form der Zusammenarbeit, das heißt der Entscheidung für eins der vorgestellten Kooperationsmodelle, c) der Bestimmung der mengen- oder quotenmäßigen Aufteilung der zu gewinnenden Rohstoffe bzw. der aus ihrer Verwertung erzielten Erlöse und in dem Fall, daß eine Grenzregelung (noch) nicht erfolgt ist, d) der Wahl der Rechtsordnung, innerhalb derer die Kooperation verwirklicht werden soll. Welche Fragen hierüber hinaus sinnvollerweise in einem Joint DevelopmentAbkommen zu regeln sind, ist naturgemäß Ergebnis einer wertenden Betrachtung der Akteure und nicht zuletzt abhängig von ihren allgemeinen politischen Beziehungen. Entsprechend sind Regelungsinhalte und -intensität in der Praxis sehr unterschiedlich ausgefallen. Aus der Vielzahl fakultativer Vertragselemente konnten jedoch diejenigen herausgefiltert werden, deren Aufnahme in der Rechts-
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Zusammenfassung der Ergebnisse
Wirklichkeit besonders verbreitet ist und auch bei abstrakter Betrachtung stets vernünftig erscheint. Dabei handelt es sich um Regelungen zur Errichtung einer gemeinsamen Kommission, zur Laufzeit des Abkommens, zum Umweltschutz, zur Lösung und Vermeidung von Nutzungskonflikten, zum Schutz vor Abschluß des Kooperationsabkommens bereits einseitig verliehener Bergbauberechtigungen, zur nachfolgenden Entdeckung grenzüberschreitender Lagerstätten, zur Definition bestimmter zentraler Begriffe, zum Vorbehalt eigener Rechte und Rechtspositionen und zur Streitbeilegung. 4. Im Anschluß an die Analyse und Strukturierung der Staatenpraxis war zu klären, inwieweit die jeweils betroffenen Staaten angesichts der genannten zwei Problemkonstellationen völkerrechtlich zirr Zusammenarbeit bei der Aufsuchung und Gewinnung der Rohstoffe verpflichtet sind. Zwar ist von rational agierenden Rechtssubjekten stets Kooperation auf freiwilliger Basis zu erwarten, zumal wenn sie - wie dies im Fall der Nutzung der Rohstoffquellen besonders häufig der Fall ist -, existentielle Bedeutung reklamieren kann. Doch zeigt die Realität allenthalben, daß der Rekurs auf gemeinsame Interessen allein offenbar nicht zwingend zu einem Zusammenwirken führt. Aus dieser Erkenntnis gewinnt insbesondere die Frage nach eventuellen völkergewohnheitsrechtliehen Pflichten ihre Bedeutung. Diesbezüglich gelangt die vorliegende Untersuchung denn auch zu einem differenzierenden Ergebnis: Grenzüberschreitende l.Agersttitten. Hier besteht eine gewohnheitsrechtliche Pflicht der betroffenen Staaten, über den Abschluß eines Joint Development-Abkommens zu verhandeln. Eine entsprechende allgemeine und als Recht anerkannte Übung zeigte sich in Gestalt der sogenannten Lagerstätten-Klausel, die in der überwiegenden Zahl völkerrechtlicher Vereinbarungen zur Abgrenzung der besonders rohstoffreichen maritimen Gebiete enthalten ist. Durch sie verpflichten sich die Parteien der Grenzabkommen für den Fall zu Verhandlungen, daß ein grenzüberschreitendes Rohstoffreservoir entdeckt wird, dessen auf der einen Seite der Grenze belegeuer Teil ganz oder teilweise auch von der anderen Seite aus ausgebeutet werden kann. Ziel der Gespräche ist stets eine vertragliche Einigung über die wirtschaftlich optimale Form der Gewinnung der Rohstoffe der Lagerstätte in ihrer gesamten Ausdehnung sowie über die gerechte Aufteilung der Rohstoffe bzw. der aus ihrer Förderung erzielten Erlöse. Angestrebt wird dieserartder Abschluß eines Joint Development-Abkommens. Eine hierüber hinausgehende Verpflichtung zur vertraglichen Einigung und damit zur Zusammenarbeit im engeren Sinne ist dagegen auch unter Berücksichtigung der bestehenden Kooperationsabkommen nicht nachzuweisen. lAgerstätten im Bereich sich überschneidender Gebietsansprüche. Zum heutigen Zeitpunkt existiert hier weder eine Verhandlungs- noch eine Einigungspflicht Allerdings stellt eine Verhandlungspflicht in bezugauf ein kooperatives Vorgehen
Zusammenfassung der Ergebnisse
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bei dem Erforschen und Gewinnen von Bodenschätzen in Gebieten mit overlapping claims eine Norm in statu nascendi dar. Dies belegt zum einen die zunehmende Zahl von Joint Development-Verträgen. Ein starker Trend zur Kooperation ist unverkennbar; der Gedanke des gemeinsamen Aufsuchensund Fördems natürlicher Ressourcen scheint sich in den Köpfen der politischen Entscheidungsträger mehr und mehr zu verfestigen. Es ist zudem zu erwarten, daß von dem neuen Abkommen zwischen Australien und Indonesien Signalwirkung ausgehen wird. Im Gegensatz zum Beispiel zu den Akteuren im politisch wie rechtlich vergleichsweise homogenen Nordseeraum ist es hier zwei Staaten mit sehr unterschiedlichen Rechtsordnungen gelungen, ein gemeinsames, hochdifferenziertes Nutzungsregime zu entwickeln und dieserartihren Grenzkonflikt wenn nicht zu bereinigen, so doch in positive und handhabbare Bahnen zu lenken. Neben den Kooperationsabkommen ist es die Bestimmung des Art. 83 Abs. 3, S. 1, 1. Hs SRÜ, die auf eine in der Entstehung befindliche rechtliche Verpflichtung zu Verhandlungen üper die gemeinsame Nutzung der Rohstoffe hinweist. Einschränkend war in diesem Zusammenhang zwar festzustellen, daß interimistische Vereinbarungen im Sinne dieser Vorschrift nicht zwingend Joint DevelopmentAbkommen sein müssen; andererseits sollte deutlich geworden sein, daß die Schaffung eines Joint Development-Regimes in jeder Hinsicht am besten geeignet ist, Sinn und Zweck der genannten Bestimmung zu verwirklichen. 5. Die zur Zeit im Bereich des Völkergewohnheitsrechts noch voneinander abweichenden Ergebnisse lassen sich im Kern darauf zurückführen, daß die betroffenen Staaten bei Vorliegen einer grenzüberschreitenden Lagerstätte offenbar davon überzeugt sind, durch den gemeinsamen Abbau nicht mehr, aber auch nicht weniger als denjenigen Anteil an den Bodenschätzen zu erlangen, auf den sie angesichts des Grenzverlaufs Anspruch haben. Demgegenüber darf für den Fall von overlapping claims vermutet werden, daß sie bei einer kooperativen Nutzung des umstrittenen Gebiets etwas zu verschenken meinen, da mit dieser notwendigerweise das Teilen der gewonnen Rohstoffe bzw. Erlöse einhergeht. Es erscheint deshalb an der Zeit, daß die Staaten die Ansprüche ihres Nachbarn auf ein umstrittenes Gebiet- soweit sie durch das geltende Völkerrecht gerechtfertigt sind - als den ihren gleichwertig erkennen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis sollte es nicht schwerfallen, Joint Development als gerechte und wirtschaftlich vernünftige Alternative der Nutzung der Rohstoffe schon vor und unabhängig von der Bestimmung des Grenzverlaufs zu verwirklichen.
AnhangA Verzeichnis der erörterten ,Joint Development,,·Abkommen I. Abkommen infolge grenzüberschreitender Lagerstätten
Tschechoslowakei- Österreich ,,Abkommen über die Ausbeutung der gemeinsamen Erdgas- und Erdöllagerstätten" vom 23. Januar 1960, am gleichen Tag in Kraft getreten.
Norwegen - Großbritannien ,,Agreement between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Kingdom of Norway relating to the Exploitaion of the Frigg Field Reservoir and the Transmission of Gas therefrom to the United Kingdom" vom 10. Mai 1976, in Kraft seit dem 22. Juli 1977. "Agreement relating to the Exploitation of the Statfjord Field Reservoirs and the Offtake ofPetro1eum therefrom" vom 16.0ktober 1976, in Kraft seit dem 30. Januar 1981 . ,,Agreement relating to the Exploitation of the Murebison Field Reservoir and the Offtake ofPetroleurn therefrom" vom 16. Oktober 1976, in Kraft seit dem 30. Januar 1981.
D. Abkommen infolge sich überschneidender Gebietsansprüche 1. Bei gleichzeitiger Grenzziehung im Joint Development-Gebiet
Saudi-Arabien - Bahrain ,,Agreement Concerning the Deiimitation of the Continental Shelf in the Persian Gulf Between the Shaykdom of Bahrain and the Kingdorn of Saudi Arabia" vom 22. Februar 1958, in Kraft seit dem 26. Februar 1958.
Abu-Dhabi- Qatar ,,Agreement for Settlement of the Offshore Boundary and Ownership of Islands Between the Government of Abu Dhabi and the Government of Qatar" vom 20. März 1969, am gleichen Tag in Kraft getreten.
Frankreich - Spanien "Convention entre le Gouvernement de l'Etat Espagnol et le Gouvernement de la Republique franyaise sur la delirnitation des plateaux continenteaux des deux Etats dans le golfe de Gascogne (golfe de Biscaye)" vom 29. Januar 1974, in Kraft seit dem 5. April 1975.
AnhangA
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Island- Norwegen "Agreement on the Contineotal Shelf between leeland and Jan Mayen" vom 22. Oktober 1981, in Kraft seit dem 2. Juni 1982. 2. Ohne Grenzziehung im Joint Development-Gebiet
Deutschland- Niederlande Zusatzabkommen zum Ems-Dollart-Vertrag vom 14. Mai 1962, in Kraft seit dem 1. August 1963.
Iran und Sharjah "Memorandum of Understanding" vom 29. November 1970, am gleichen Tag in Kraft getreten.
Japan- Südkorea ,,Agreement Concerning Joint Development of the Southern Part of the Contineotal Shelf Adjacent to the Two Countries" vom 30. Januar 1974, in Kraft seit dem 22. Juni 1978.
Saudi Arabien - Sudan "Agreement Relating to the Joint Exploitation of the Natural Resources of the Sea-Bed and Sub-Soil of the Red Sea in the Common Zone" vom 16. Mai 1974, in Kraft seit dem 26. August 1974.
Thailand- Malaysia "Memorandum of Understanding between the Kingdom ofThailand and Malaysia on the Establishment of the Joint Authority for the Exploitation of the Resources of the Sea-Bed in a Defined Area of the Contineutal Shelf of the two Countries in the Gulf of Thailand" vom 21. Februar 1979, in Kraft seit dem 24. Oktober 1979. "Agreement between the Government of Malaysia and the Government of the Kingdom of Thailand on the Constitution and other Matters relating to the Establishment of the Malaysia-Thailand Joint Authority" vom 30. Mai 1990, in Kraft seit dem 21. Januar 1991.
AustraUen - Indonesien ,,Agreement on the Zone of Cooperation in an Area Between the Indonesian Province of East Timor and Northern Australia" vom 11. Dezember 1989, in Kraft seit dem 9. Februar 1991 . 3. Bei teilweiser Grenzziehung im Joint Development-Gebiet
Saudi-Arabien- Kuwait "Agreement Relating to the Partition of the Neutral Zone" vom 7. Juli 1965, in Kraft seit dem 25. Juli 1965.
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Abbildungen ausgewählter Joint Development-Gebiete
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