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German Pages 302 [308] Year 2009
Daniel Krayl Möglichkeiten und Grenzen einer Wirtschaftsund Währungsunion im asiatischen Raum
Daniel Krayl
Möglichkeiten und Grenzen einer Wirtschafts- und Währungsunion im asiatischen Raum
Lucius & Lucius
Anschrift des Autors: Daniel Krayl Kugelstraße 17 88299 Leutkirch im Allgäu E-Mail: [email protected]
Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
ISBN 978-3-8282-0481-2 © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2009 Gerokstr. 51, 70184 Stuttgart www.lucius verlag. com
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Druck und Einband: Rosch-Buch, Scheßlitz Printed in Germany
ν
Inhaltsverzeichnis 1 Einführung
1
2 Vorüberlegungen 2.1 Überblick und Charakterisierung 2.2 Allgemeine Ziele Asiens 2.3 Das Problem divergierender Interessen
4 4 10 15
3 Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum 3.1 Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien 3.2 Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien 3.3 Initiativen der ASEAN-Staaten 3.4 Offene Fragen
21
4
Grundzüge geeigneter Wirtschafts- und Währungsräume 4.1 Allgemeine Grundlagen 4.2 Theorie der Wirtschaftsräume 4.3 Theorie der Währungsräume
5 Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum? 5.1 Analyse ausgewählter Kriterien 5.1.1 Wirtschaftskraft 5.1.2 Konjunktur 5.1.3 Monetäre Kriterien 5.1.3.1 Preisentwicklung
21 27 33 40 42 42 45 61 82 82 82 94 107 107
5.1.3.2 Zinsentwicklung
122
5.1.3.3 Geldmengenentwicklung
132
5.1.3.4 Wechselkursentwicklung
140
5.1.4 Faktormärkte 5.1.5 Grad der Offenheit 5.1.6 Produktdiversifikation 5.1.7 Wettbewerbsfähigkeit 5.2 Hindernisse einer fortschreitenden Integration 6 Folgen einer Wirtschafts- und Währungsunion in Asien 6.1 Kosten einer Wirtschafts- und Währungsunion in Asien 6.2 Nutzen einer Wirtschafts- und Währungsunion in Asien 6.3 Resultat der Kosten-Nutzen-Analyse
147 159 165 169 176 180 180 184 191
VI · Inhaltsverzeichnis
7 Voraussetzungen einer asiatischen Wirtschafts- und Währungsunion 7.1 Freier Wettbewerb als oberste Prämisse 7.2 Grundprinzipien einer asiatischen Verfassungsordnung 7.2.1 Die politische Verfassung als Ausgangspunkt 7.2.2 Eine wirtschaftliche Ordnung für Asien 7.2.3 Notwendige monetäre Anforderungen 7.3 Die Schaffung erforderlicher Institutionen auf supranationaler Ebene 7.4 Notwendige Reformmaßnahmen der teilnehmenden Staaten
198 198 204 207 229 240 247 253
8 Die Umsetzung einer asiatischen Wirtschafts- und Währungsunion 8.1 Unterschiedliche Szenarien auf dem Weg zu einer Wirtschaftsund Währungsunion 8.2 Modalitäten zur Einführung 8.3 Ein Zeitplan für die Einführung und Ausblick
256 256 260 263
9 Zusammenfassung
266
Literaturverzeichnis
269
1
1
Einführung
Mit einem Wirtschaftswachstum von 7,6% im Jahr 2007 und einem erwarteten Wachstum von 7,7% im Jahr 2008 ist der gesamte asiatische Kontinent — vom Bosporus im Westen bis zum Pazifischen Ozean im Osten — der noch immer am schnellsten wachsende Kontinent der Welt (Asian Development Bank 2007b). Ob Politiker, Journalisten oder auch Ökonomen — sie alle vermitteln in ihrem Reden, Handeln und Schreiben den Eindruck, dass Asien eine allgemein bekannte und selbstverständliche Größe sei. Asien ist Gegenstand der Diskussion, ist Bezugspunkt oder Kontrapunkt, wird bewundert, vor gewarnt oder ignoriert. Wenn aber in den vergangenen Jahren Asien dabei als die neue starke Wirtschaftsregion beschrieben wurde und sogar von einer Verschiebung des Welthandelszentrums vom atlantischen in den pazifischen Raum die Rede war, so wird Asien bei genauerem Hinsehen meist mit Ost- bzw. Südostasien gleichgesetzt. Die Gründe dafür sind vielseitig und können nicht mit wenigen Worten beschrieben werden. Für Ökonomen sind Ost- und Südostasien dabei nicht nur aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums von großem Interesse, sondern auch aufgrund der Vielzahl an wirtschaftlichen Ordnungen und politischen Systemen. In Verbindung mit ethnisch, religiös und historisch bedingten unterschiedlichen Kulturen entstehen dort immer wieder nationale wie regionale Integrations- bzw. Desintegrationsprozesse, aus denen heraus eine enorme Dynamik entsteht. Diese Arbeit wird sich daher bei der Untersuchung nach den Möglichkeiten und Grenzen einer asiatischen Wirtschafts- und Währungsunion ebenfalls auf den ost- bzw. südostasiatischen Raum beziehen. In erster Linie werden dafür die südostasiatischen Staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) Gegenstand der Analyse sein. Wo speziell erwähnt, werden zudem die ostasiatischen Staaten China, Japan und Südkorea in die Betrachtung mit einbezogen, dann als ASEAN+3 gekennzeichnet. Dass der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahre Asien wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Betrachtung geführt hat, soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass 1997 mit dem Ausbruch der Asienkrise viele der ASEAN-Staaten in ihrer Entwicklung weit zurückgeworfen wurden und nur langsam auf das Ausgangsniveau zurückkehren konnten. Die wirtschaftpolitischen Fehler und institutionellen Schwächen, die Teil der Asienkrise waren, sind somit ein entscheidender Ansatzpunkt für die Schaffung neuer, geeigneter Strategien und Institutionen, durch die zukünftige Krisen bewältigt und wenn möglich verhindert werden sollen. So haben seit dieser Krise beispielsweise die wirtschaftlichen und monetären Integrationsbemühungen in Asien stark zugenom-
2 • Einführung
men und verstärkten sich noch einmal als Reaktion auf die Einführung des Euro und die Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitglieder. Ob allerdings die Integrationsbemühungen so weit vorangetrieben werden, dass am Ende dieses Prozesses auch in Asien ein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum entstehen kann und dies zu einer Verschiebung des Welthandelszentrums beiträgt, ist unklar. Dennoch haben die Staats- und Regierungschefs der ASEAN-Staaten mit der Erklärung „ASEAN Vision 2020" (ASEAN Secretariat 1997) ihren festen Willen zu einer verstärkten Integration bekundet, an deren Ende auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion stehen kann: „We will create a stable, prosperous and highly compeütive ASEAN Economic Region in which there is a free flow of goods, services and investments, a freer flow of capital, equitable economic development and reduced poverty and socio-economic disparities." Augenblicklich ist Asien jedoch noch weit entfernt von einer Wirtschafts- und Währungsunion, wie sie etwa in Europa bereits etabliert werden konnte. Vor allem die starke wirtschaftliche, politische und kulturelle Heterogenität Südostasiens wird für dieses Vorhaben als stark hemmend angesehen. Auch fehlt es bisher noch an geeigneten, normierenden Ordnungen bzw. Institutionen, die für solch eine Union zwingend notwendig sind. Ziel dieser Arbeit ist es dennoch, die Möglichkeiten und Grenzen solch eines Vorhabens auszuloten und die ASEAN-typischen Begebenheiten so mit einzubeziehen, dass eine für diese Region spezifische Handlungsempfehlung gegeben werden kann. Nach einer Eignungsprüfung wird der Schwerpunkt zudem auf den Kosten und Nutzen, den Voraussetzungen und der letztendlichen Umsetzung eines gemeinsamen asiatischen Wirtschafts- und Währungsraums liegen. Im Detail ergibt sich daraus folgende Vorgehensweise: Nach dieser Einführung folgen im zweiten Kapitel einige Vorüberlegungen. Sie sollen gleich zu Beginn dieser Arbeit auf die Problematik der politischen, ökonomischen und monetären Fragestellungen in Asien hinweisen und ein erstes Verständnis für den Forschungsgegenstand liefern. Einem Überblick über die ASEAN-Staaten und ihrer Stellung in der Weltgemeinschaft folgt der Versuch, allgemeine gemeinsame Ziele Asiens ausfindig zu machen, um darauffolgend die unterschiedlichen Interessen in dieser Region zu analysieren. Auf den Vorüberlegungen aufbauend, ist das dritte Kapitel dann der wirtschaftlichen und monetären Integration im asiatischen Raum gewidmet. Nach dem Aufzeigen der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien wird die Asienkrise analysiert und als ein Auslöser verstärkter Integrationsbemühungen ausfindig gemacht. Danach werden die bis heute bereits ergriffenen Initiativen der ASEAN-Staaten vorgestellt. Als Status Quo sollen sie den Ausgangspunkt für die späteren Vorschläge zur Umsetzung bilden.
Einführung · 3
Im vierten Kapitel wird der theoretische Rahmen dieser Arbeit festgelegt. Er teilt sich in die Theorie der Wirtschaftsräume und die Theorie der Währungsräume auf. Während letztere von der monetären Integrationstheorie und insbesondere der Theorie der optimalen Währungsräume geprägt ist, beschreibt die Theorie der Wirtschaftsräume den ökonomischen Integrationsprozess. Dieser ist in erster Linie durch den schrittweisen Abbau von Handelsbeschränkungen gekennzeichnet und zeigt den möglichen Integrationspfad hin zu einem gemeinsamen Markt auf. Vor dem dargelegten theoretischen Hintergrund wird im fünften Kapitel anhand ausgewählter Kriterien untersucht, inwieweit die ASEAN-Staaten einen geeigneten Wirtschafts- und Währungsraum darstellen. Ziel ist es dabei, herauszufinden, ob die ASEAN-Staaten in ihrer Gesamtheit den notwendigen Anforderungen an eine Wirtschafts- und Währungsunion gerecht werden bzw. durch ihre wirtschaftlichen und monetären Strukturen überhaupt zueinander passen. Auszumachen ist, ob sich aufgrund der starken Heterogenität nur bestimmte, und wenn ja, welche Staaten an einer Wirtschafts- und Währungsunion beteiligen sollten. Mit der Auswahl eines geeigneten Teilnehmerkreises folgt im sechsten Kapitel eine Kosten-Nutzen-Analyse. Den Kosten, die durch die Aufgabe einer eigenständigen Geldpolitik, den möglichen Verlust wirtschaftspolitischer Entscheidungsmöglichkeit oder den Abbau von Handelsbeschränkungen entstehen können, werden Nutzen, die sich u. a. aus den Transaktionskostenersparnissen einer Gemeinschaftswährung, eines stabileren Preisniveaus oder des gewonnenen Vertrauens in den Wirtschaftsstandort oder die Finanzplätze ergeben, gegenübergestellt. Dadurch sollen die Folgen einer asiatischen Wirtschafts- und Währungsunion abschätzbar werden. Im siebten Kapitel werden die Voraussetzungen zur Etablierung eines asiatischen Wirtschafts- und Währungsraums thematisiert. Es wird der freie Wettbewerb als oberste Grundprämissen dargelegt, ein notwendiger politischer, wirtschaftlicher und monetärer Ordnungsrahmen beschrieben und die erforderlichen supranationalen Institutionen aufgezeigt. Eine Schilderung der hierfür zwingend voranzustellenden Reformmaßnahmen soll auf die dringendsten Probleme beim Aufbau hinweisen. Mit der letztendlichen Umsetzung einer asiatischen Wirtschafts- und Währungsunion beschäftigt sich Kapitel acht. Es werden hierbei sowohl unterschiedliche Szenarien beschrieben als auch denkbare Modalitäten zur Einführung aufgezeigt. Ein Zeitplan zur Einführung sowie ein Ausblick komplementieren dieses Kapitel. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung.
4
2 2.1
Vorüberlegungen Überblick und Charakterisierung
In der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) hat die Region Südostasien eine Institution, die die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen der darin vereinigten Staaten regelt. Die ASEAN wurde 1967 gegründet und ist damit — legt man die Römischen Verträge zugrunde — nur zehn Jahre jünger als die Europäische Union (EU). Die Gründungsmitglieder der ASEAN sind die Republik Indonesien, Malaysia, die Republik der Philippinen, die Republik Singapur und das Königreich Thailand. Im Jahr 1984 wurde Brunei Darussalam, 1995 die Sozialistische Republik Vietnam und 1997 die Demokratische Volksrepublik Laos sowie die Union Myanmar Mitglied der ASEAN. 1999 folgte, als bisher letztes Land, das Königreich Kambodscha. Die Staaten PapuaNeuguinea und Timor-Leste haben Beobachterstatus. Abbildung 2.1: ASEAN-Karte
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Indonesien
Die ASEAN umfasst damit in ihrer Gesamtheit zehn Mitgliedsstaaten und ist so die größte und bedeutendste Vereinigung unabhängiger Staaten in Asien. Mit weit über einer halben Milliarde Einwohner, davon allein 222 Millionen in Indonesien, gehört diese Region damit außerdem zu einer der bevölkerungsreichsten
Überblick und Charakterisierung • 5 der Erde. Dazu tragen auch die, bevölkerungsmäßig mit großen EU-Staaten durchaus vergleichbaren Länder Philippinen (87 Mio. Einwohner), Vietnam (84 Mio. Einwohner), Thailand (65 M o . Einwohner) und Myanmar (57 M o . Einwohner) bei. Vergleicht man jedoch die Wirtschaftsleistung, so fallen die ASEAN-Staaten weit hinter andere Regionen der Welt zurück. Zwar hat sich der Abstand insbesondere in den späten 1980er Jahren und frühen 1990er Jahren, als keine andere Region ein höheres Wachstum und einen stärkeren Rückgang der Armut zu verzeichnen hatte, erheblich verringert, doch mit dem Ausbruch der Asienkrise 1997 kam diese Entwicklung zu einem abrupten Ende. Die wirtschaftliche Erholung dauerte lange, und so ist vor allem natürlich im Vergleich mit der Europäischen Union und den USA, aber auch zu den in direkter Nachbarschaft gelegenen Staaten China, Indien und Japan der Anteil der ASEAN am Weltbruttoinlandsprodukt noch immer relativ gering. Abbildung 2.2: Anteil der ASEAN am Weltbruttoinlandsprodukt
Quelle: IWF (2007b), eigene Berechnung. Bemerkungen: Bruttoinlandsprodukt in KKP des Jahres 2006 ψ aktuellen Preisen in US-Dollar. Gerade die beiden aufstrebenden Nationalstaaten China und Indien erzeugen für die ASEAN-Staaten ein Spannungsfeld, welches mit besonderen Herausforderungen verbunden ist. Dabei ist es vor allem der Wettbewerb um ausländische Direktinvestitionen, aber auch der um Absatzchancen der in den ASEAN-
6 · Vorüberlegungen
Staaten produzierten und für den Export bestimmten Güter. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Herausforderungen lassen sich zu großen Teilen auf die, im Vergleich zu China und Indien, nach wie vor sehr hohe Heterogenität zurückführen. So reichen etwa die politischen Systeme von der konstitutionellen Monarchie (Kambodscha und Thailand) über die präsidiale Republik (Indonesien, Philippinen und Singapur) bis hin zum sozialistischen Staat (Laos, Vietnam) oder der Militärdiktatur (Myanmar). Auch hinsichtlich der Religionen gibt es zahlreiche Unterschiede. Während in Laos, Myanmar, Singapur, Thailand und Vietnam der Buddhismus weit verbreitet ist, sind die Philippinen mehrheitlich christlich geprägt. In Brunei, Indonesien und Malaysia bekennen sich hingegen die meisten Einwohner zum Islam. Zur politischen und religiösen Heterogenität kommt die wirtschaftliche Heterogenität hinzu. Diese wird besonders in den unterschiedlichen Niveaus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf deutlich. Tabelle 2.1: Basisdaten der ASEAN 2006 Land
Landfläche
Gesamtbevölkerung
BIP zu aktuellen Preisen
Wachstumsrate des BIP
BIP pro K o p f zu aktuellen Preisen
jährliche durschnittliche Inflationsrate
durschnittliche Arbeitslosenquote
Tausend km2
Tausend
Millionen US-Dollar
Prozent
US-Dollar in KKP
Prozent
Prozent
BRN
5,8
383
11845,7
3,8
25940,1
0,1
4,0
IDN
1891
222051
364288,0
5,6
4930,1
13,2
10,5
KHM
181
13996,2
6105,2
5,0
2406,4
4,7
0,8
LAO
237
6135,3
3527,4
7,3
2280,4
7,3
(2001) 7,0
MYS
330
26686,2
149728,9
5,9
11993,1
4,0
3,0
MMR
677
57289,1
11951,0
7,0
1589,1
4,0
(2001) 4,0
PHL
300
86910,3
117131,8
5,4
5102,1
7,6
8,1
SGP
0,697
4483,9
132273,4
7,9
29065,6
1,0
2,7
513
65233
206552,1
5,0
9488,3
4,6
1,3
330
84221,9
60965,2
8,2
3600,1
7,2
5,3
4465,5
567390
1064368,7
5,8
5391,9
5,4
4,7
THA VNM ASEAN
Quelle: Basic ASEAN Indicators (ASEAN Secretariat 2007b). Aus Tabelle 2.1 lässt sich entnehmen, dass Brunei Darussalam (BRN) gemessen am BIP pro Kopf in Kaufkraftparitäten (KKP) im Jahr 2006 das zweitreichste Land der ASEAN ist und damit etwa auf dem Niveau der meisten südeuropäischen Staaten liegt. Allerdings ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von Brunei zugleich auch eines der niedrigsten in der Region. Die Wirtschaft des Sultanats Brunei ist stark auf die Förderung und Weiterverarbeitung von Erdölund Erdgasprodukten ausgerichtet. Ungefähr 50% der Wirtschaftsleistung lassen sich auf den Erdöl- und Gassektor zurückführen. Einen weiteren bedeutenden
Überblick und Charakterisierung • 7
Anteil seiner Wirtschaftsleistung erzielt Brunei mit der Anlage seiner Devisenreserven in ausländischen Kapitalgesellschaften. Die wichtigsten Handelspartner Bruneis sind Japan, Südkorea, Australien und die USA. Die Arbeitslosenquote beträgt 4,0%, wobei aufgrund einer starken Überbeschäftigung im öffentlichen Sektor (über 50% der erwerbstätigen Bevölkerung sind dort beschäftigt) mit einer verdeckten Arbeitslosigkeit gerechnet werden muss. Mit einer Inflationsrate von 0,1% hat Brunei die geringste Teuerungsrate unter den ASEAN-Staaten. Beim UN Human Development Index (HDI) belegt Brunei 2006 Rang 34.1 Das mit Abstand bevölkerungsreichste Land der ASEAN Indonesien (IDN) liegt im Pro-Kopf-Einkommen im Mittelfeld der ASEAN-Staaten. Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2006 mit 5,6% etwas mehr als der Durchschnitt der vergangenen drei Jahre und liegt damit ebenfalls im Mittelfeld. Gestützt wird das Wirtschaftswachstum insbesondere durch den inländischen Konsum sowie durch die Ausfuhr von Rohstoffen. Hauptexportgüter sind neben Öl- und Erdgasprodukten Textilien und Holzerzeugnisse. Technische Ausstattungen und chemische Erzeugnisse sind ebenfalls von Bedeutung. Zu den Hauptlieferländern gehören Singapur, Japan, die Volksrepublik China und die USA. Die durchschnittliche Inflationsrate konnte 2006 zwar gebremst werden, ist aber noch immer die höchste unter den ASEAN-Staaten. Auch die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zu anderen Ländern der Region relativ hoch. Indonesien rangiert beim UN HDI auf Platz 108. Das Königreich Kambodscha (KHM) zählt noch immer zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Dies spiegelt sich auch durch Rang 129 des UN HDI wider. Gemessen am BIP pro Kopf in KKP rangiert Kambodscha 2006 mit 2406,4 US-Dollar an drittletzter Stelle unter den ASEAN-Staaten. Die beträchtlichen Reformbemühungen seit dem Ende der politischen Krisen zu Anfang der 1990er Jahre haben jedoch dazu geführt, dass Kambodscha wieder stabile und zuletzt zwischen durchschnittlich 5% und 10% liegende Wachstumsraten des BIP erzielt. Das Wirtschaftswachstum wird besonders vom stark zunehmenden Tourismus sowie von der Bau- und Textilindustrie getragen. Kambodschas stark marktwirtschaftlich ausgerichtete Wirtschaft leidet allerdings noch stark unter Korruption und unsicheren rechtlichen Rahmenbedingungen. Wie Kambodscha gehört die Demokratische Volksrepublik Laos (LAO) zu den am wenigsten entwickelten Ländern. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt mit 2280,4 US-Dollar im Jahr 2006 noch unter dem Kambodschas. Die Landwirtschaft, insbesondere der Reisanbau, macht rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus. Die unter den ASEAN-Staaten einmalige Binnenlage wirkt dabei besonders hemmend auf den Überseeexport. Und so zählen zu den Hauptexportländern 1
Insgesamt werden 177 Ränge notiert. Vgl. United Nations Development Programme
(2006).
8 · Vorüberlegungen
fast ausschließlich die direkten Nachbarstaaten Thailand, die Volksrepublik China und Vietnam. Bei einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 7,0% (2001) sind ca. 80% der Beschäftigten noch immer im Agrarsektor tätig. Die marktwirtschaftliche Öffnung Laos' hat allerdings dazu geführt, dass das Wirtschaftswachstum seit fast zehn Jahren konstante 7% ± 1,5% beträgt. Die Inflationsrate ist 2006 mit 7,3% die dritthöchste der ASEAN. Im UN HDI belegt Laos mit Platz 133 den letzten unter den ASEAN-Staaten. Eines der aufstrebendsten Länder der ASEAN ist Malaysia (MYS). Mit einem BIP pro Kopf in KKP von 11993,1 US-Dollar im Jahr 2006 liegt Malaysia damit an dritter Stelle unter den ASEAN-Staaten und in etwa auf gleichem Niveau wie die mittel- und osteuropäischen Staaten. Die Industriestruktur ist diversifiziert und erlaubt neben dem Export von Erdöl- und Erdgasprodukten sowie Holzerzeugnissen, Palmöl und Kautschuk auch die Ausfuhr von elektronischen Bauteilen, EDV-Technik, Automobilzubehör und chemischen Erzeugnissen. Zu den Hauptabnehmerländern zählen die USA, Singapur, Japan sowie die Volksrepublik China mit Hongkong. Der Export verzeichnet dabei seit langem Überschüsse und trägt so zu Wachstumsraten des BIP leicht oberhalb des ASEANDurchschnitts bei. Relativ verlässliche Rahmenbedingungen fördern darüber hinaus die Investitionstätigkeit ausländischer Geldgeber. So ist die Arbeitslosigkeit gering und die Inflationsentwicklung überschaubar. Im UN HDI liegt Malaysia an 61. Stelle und somit auf Rang zwei innerhalb der ASEAN. Dahingegen ist die gegenwärtige Lage von Myanmar (MMR) sehr ungünstig. Obwohl Myanmar offizielle Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes von regelmäßig über 7% verzeichnet und als enorm ressourcenreiches Land an einer bevorzugten wirtschaftlichen wie geopolitischen Schnittstelle zwischen Indien, China und Südostasien liegt, ist es das mit Abstand ärmste Land der ASEAN. Nach Angaben des United Nations Development Programme (UNDP) lebt inzwischen ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Im UN HDI belegt Myanmar Rang 130. Über 50% der Wirtschaftsleistung entfallen auf den Agrarsektor, der Rest zum Großteil auf einen militärgestützten Industriesektor und Handel. Erratischer staatlicher Interventionismus, ein instabiles Bankensystem, Wechselkursmanipulationen und eine weitverbreitete Korruption haben zu schwerwiegenden strukturellen Problemen geführt, welche die Investitionstätigkeit und damit die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erheblich behindern. Hinzu kommen aufgrund der Menschenrechtssituation Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union sowie der USA, die zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage beitragen. Die Philippinen (PHL) sind nach Indonesien das bevölkerungsreichste Land der ASEAN und mit einem BIP pro Kopf in KKP von 5102,1 US-Doüar ein zugleich interessanter Investitionsstandort. Mitunter unvorhersehbare Änderungen der politischen wie rechtlichen Rahmenbedingungen schränken jedoch vor
Überblick und Charakterisierung • 9 allem langfristige Investitionen ein. Die starke Abhängigkeit des Landes von Erdölimporten sowie die seit der Asienkrise noch immer sehr hohe Auslandsverschuldung und ein fortwährend hohes Haushaltdefizit bereiten darüber hinaus weitere Probleme. Mit einem Wirtschaftswachstum von 5,4% liegen die Philippinen nur gering unter dem ASEAN-Durchschnitt, zugleich aber zu weit von den Wachstumsraten entfernt, die für eine nachhaltige Bekämpfung der Armut notwendig wären. Die Industriestruktur ist diversifiziert, wenngleich ein noch immer beachtlicher Anteil am BIP die Agrar- und Forstwirtschaft ausmacht. Exportiert werden vor allem Elektrotechnik und Elektronikbauteile, Textilien, landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Maschinen- und Fahrzeugteile. Zu den Exportempfangern gehören in erster Linie die USA und Japan. Wie die Arbeitslosenquote von 8,1% ist die Inflationsrate mit 7,6% im Jahr 2006 die zweithöchste unter den ASEAN-Staaten. Im UN HDI rangieren die Philippinen auf Rang 84. Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in KKP von 29065,6 US-Dollar ist die Republik Singapur (SGP) das reichste Land der ASEAN. Singapur steht damit auf dem Niveau westeuropäischer Staaten, weist aber zugleich eine Wachstumsrate von 7,9% im Jahr 2006 aus. Die hohen Wachstumsraten werden von privatem Konsum und über Industrie- und Dienstleistungssektor breit gestreute Investitionen getragen. Dies führt zu einer Arbeitslosenquote von 2,7% bei gleichzeitig niedrigen Inflationsraten. Sehr gute Rahmenbedingungen, hohe wirtschaftliche Freiheit und Haushaltsüberschüsse machen Singapur damit zu einem der weltweit attraktivsten Investitionsstandorte für ausländische Kapitalgeber und tragen so auch zu einem guten Platz 25 im UN HDI bei. Neben dem Schwerpunkt auf Finanz- und Bankdienstleistungen produziert und exportiert Singapur vor allem elektronische Erzeugnisse, weiterverarbeitete Mineralölprodukte, Maschinen, Mess- und Regeltechnik. Zu den Hauptabnehmerländern zählen Malaysia, die USA, Indonesien, Hongkong und die Volksrepublik China. Die Wirtschaft des Königreichs Thailand (THA) ist durch eine marktwirtschaftlich-liberale Ordnung und eine hohe Bedeutung des Außenhandels zu charakterisieren. Zu den wichtigsten Ausfuhrgütern gehören Maschinen und Fahrzeuge, weiterverarbeitete Güter sowie Nahrungsmittel. Die Hauptabnehmerländer sind die USA, Japan, die Volksrepublik China und Singapur. Nach dem Überwinden der Asienkrise, bei der Thailand mit am stärksten betroffen war, gehört das Königreich mit einem Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2006 von 9483,3 US-Dollar zu den reicheren ASEAN-Staaten, und auch die Arbeitslosigkeit ist mit 1,3% nun eine der niedrigsten in der Region. Thailands Wirtschaft ist 2006 mit 5,0% gewachsen, wobei wie im Falle der Philippinen höhere Wachstumsraten notwenig wären, um die noch vorhandene Armut im Land substantiell zu beseitigen. Im UN HDI nimmt Thailand so den 74. Platz ein. Aufgrund seiner Offenheit ist Thailand über die Asienkrise hinaus ein seit langem attraktiver Investitionsstandort in der Region. Allerdings sorgen zeitweise politische Kursänderungen oder
10 · Vorüberlegungen
Instabilitäten sowie externe Ereignisse 2 immer wieder für kurzfristige Unsicherheit bei Investoren. Unter den ASEAN-Staaten ist Vietnam (VNM) das am schnellsten wachsende Land. Mit Wachstumsraten um 7% in den vergangenen Jahren und 8,2% im Jahr 2006 sowie der zunehmenden Öffnung und marktwirtschaftlichen Ausrichtung, erinnert Vietnam an die Reformbemühungen Chinas der 1980er und 1990er Jahre. Nach dem Willen der Regierung soll sich das derzeitige Pro-KopfEinkommen von 3600,1 US-Dollar bis 2010 auf rund 5000 US-Dollar pro Kopf in KKP erhöhen. Durch die beschleunigende Privatisierung von Staatsbetrieben, die marktorientierten Systemreformen sowie den 2007 erfolgten Beitritt zur WTO gewinnt Vietnam bei internationalen Investoren zunehmend an Bedeutung. Doch wenngleich heute Rohöl, vor allem aber Textilien und Schuhe zu den Hauptausfuhrgütern zählen und die Industrieproduktion stark steigt, so beschäftigt die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei gerade außerhalb der Zentren noch immer einen Großteil der Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote lag 2006 bei 5,3%. Im UN HDI liegt Vietnam einen Platz hinter Indonesien auf Rang 109. Die kurze Charakterisierung der zehn ASEAN-Staaten hat gezeigt, dass diese sowohl in politischen wie auch wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten sehr unterschiedlich sind. Auch ist die ökonomische Bedeutung der ASEAN im Vergleich zu anderen Regionen der Welt nach wie vor eher gering. Inwieweit die ASEAN-Staaten daher in der Lage sein werden, eine vertiefende Integration voranzutreiben, an deren Ende möglicherweise auch eine Wirtschafts- und Währungsunion steht, hängt mitentscheidend von den verbindenden gemeinsamen Zielen und den trennenden unterschiedlichen Interessen der ASEAN-Staaten ab. In den folgenden beiden Abschnitten dieses Kapitels werden deshalb die allgemeinen Ziele sowie die divergierenden Interessen der ASEAN-Staaten näher untersucht. Damit soll die Basis für eine tiefer gehende Untersuchung der wirtschaftlichen und monetären Integration im asiatischen Raum geschaffen werden.
2.2
Allgemeine Ziele Asien
Der generelle Versuch, allgemeine Ziele klar zu identifizieren, ist stets mit großen Schwierigkeiten verbunden. Besonders dann, wenn es sich um die Ziele einer ganzen Region handelt. Von allgemeinen Zielen kann gesprochen werden, wenn sie von allen beteiligten Parteien getragen werden. Dies impliziert, dass die Ziele, so wie sie verabschiedet wurden, gemeinschaftlich dargelegt und einstimmig beschlossen sind. Nur in Übereinstimmung (Konsens) gefundene Ziele können einen allgemeinen Charakter aufweisen. Dass allgemeine Ziele von allen beteiligten Parteien akzeptiert werden, hat zur Folge, dass spezielle Ziele einzelner ParZu nennen sind hier etwa die Lungenkrankheit SARS, die Tsunami-Katastrophe oder die Vogelgrippe. 2
Allgemeine Ziele Asiens • 11
teien nur insofern mit einfließen können, als dass sie den speziellen Zielen der anderen Parteien nicht grundsätzlich entgegenstehen. Daraus resultiert zumeist nur ein Minimalkonsens, der zudem oft vielfältig interpretierbar ist. Die Festlegung auf allgemeine Ziele sagt darüber hinaus noch nichts über die Mittel und Methoden, welche zur Zielerfüllung eingesetzt werden. Es ist aber zumindest möglich, anhand allgemeiner Ziele Leitlinien zu formulieren, nach denen gehandelt werden soll. Leitlinien bilden also einen Korridor, innerhalb dessen sich Mittel und Methoden aller Parteien bewegen, um der Erfüllung der allgemeinen Ziele gerecht zu werden. Bis zur Gründung der ASEAN war es nicht möglich, allgemeine Ziele für Südostasien auszumachen. Gegenseitiges Misstrauen und Feindseligkeiten prägten die Politiken der dortigen Länder. 3 In der am 8. August 1967 in Thailands Hauptstadt unterzeichneten „Bangkok Declaration" (ASEAN Secretariat 1967) legten die Staats- und Regierungschefs der Gründungsnationen Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand die informellen Grundsätze und Normen ihrer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit fest. 4 Der Wille, sich gemeinsam und im Dialog für „Frieden, Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung in der Region einzusetzen", (Hawser 2005, S. 29) kann somit als ein erstes, allgemeines Ziel in Südostasien identifiziert werden. Dabei lagen die spezifischen Ursachen bei der Gründung der ASEAN vor allem in der Vermeidung zwischenstaatlicher Spannungen, der Reduzierung des Einflusses externer Akteure 5 und der Beförderung einer sozioökonomischen Entwicklung zur weiteren Abgrenzung gegenüber den kommunistischen Regimes der Region (vgl. Biziouras 2002). Abgesehen vom antikommunistischen Charakter der Gründungsnationen diente die ASEAN darüber hinaus vor allem als eine Plattform der politischen Elite zur Darstellung der eigenen Legitimation gegenüber der Bevölkerung (Ganesan 2004). Bis zu Beginn der 1990er Jahre war die ASEAN vor allem eine politische Gemeinschaft, deren oberstes Ziel die Sicherheit in der Region war. Vor allem die Ereignisse in Indochina zwischen 1976 und 1989 wie etwa die Herrschaft der Roten Khmer oder der anschließende Einmarsch vietnamesischer Truppen in Kambodscha, die Etablierung sozialistischer und militärisch gestützter Systeme Hervorzuheben sind dabei die militärische Konfrontation zwischen Indonesien und Malaysia, die Spannungen zwischen Malaysia und den Philippinen sowie die zwischen Malaysia und Singapur. Eine umfassendere Ausführung und Gründe für die Konflikte sind u. a. zu finden bei Gordon (1966). 4 Eine historische Analyse zur Gründung der ASEAN wird u. a. von Jorgensen-Dahl (1982), Leifer (1989), Frost (1990) und Narine (1998) geliefert. 5 Vgl. dazu ausführlich Ganesan (2000). 3
12 · Vorüberlegungen
in Laos und Myanmar sowie die Angst einer Ausweitung des Sozialismus über all diese Länder hinaus, entwickelten sich zum Schwerpunkt der gemeinschaftlichen Politik. 6 Wirtschaftliche Beziehungen pflegten die einzelnen Mitgliedsstaaten der ASEAN untereinander kaum (Chatterjee 1990).7 Erst mit dem Ende des Kalten Krieges und durch die Erweiterungsschritte 1984 (Brunei), 1995 (Vietnam), 1997 (Myanmar und Laos) und 1999 (Kambodscha) sowie den einschneidenden Ereignissen der Asienkrise 1997 und 1998 wurden zunehmend auch ökonomische Aspekte zum allgemeinen Ziel der ASEAN. 8 Im Jahr 1997 wurde auf dieser Basis die „ASEAN Vision 2020" verabschiedet (ASEAN Secretariat 1997). Die Mitgliedsstaaten der ASEAN rufen darin zu einer verstärkten wirtschaftlichen Integration und einer dynamischen Entwicklung auf. Seit der Verabschiedung der „Bangkok Declaration" prägen jedoch bestimmte Grundprinzipien oder auch Leitlinien die Zusammenarbeit der südostasiatischen Staaten. Schon damals sollte die Absicht der Unterzeichnerstaaten zum Ausdruck gebracht werden, einen regionalen Dialogprozess zu unterstützen, aus dem aber keine verbindlichen Abkommen hervorgehen. Im Gegensatz zum verrechtlichten, auf Verbindlichkeit beruhenden und mit supranationalen Elementen versehenen Integrationsprozess in Europa, so Loewen (2006), haben die ASEAN-Staaten keinen völkerrechtlichen Vertrag als Kooperationsgrundlage geschlossen. Die zweiseitige „Bangkok Declaration" ist daher und „im Vergleich zu den weitaus umfassenderen und differenzierteren Verträgen der Europäischen Union, nur eine Absichtserklärung" (Loewen 2006, S. 2). Die Leitlinien, entlang derer sich Mittel und Methoden zur Zielerfüllung in Südostasien bewegen, werden als der „ASEAN-Way" bezeichnet. Nach Auffassung zahlreicher Experten stellt der „ASEAN-Way" den Schlüssel zum Verständnis der ASEAN-Kooperationen dar (vgl. Narine 2002). Haacke (2003) beschreibt den „ASEAN-Way" als das Prinzip der internen Konfliktbewältigung, der vertrauensbildenden Maßnahmen, der Konsultationen und des Konsenses. Wie Acharya (2001) stellt Guan (2004) den „ASEAN-Way" als eine soziokulturelle Norm dar, die er aber mit dem Respekt vor der Souveränität, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, den Verzicht auf Waffengewalt, der leisen Diplomatie, der Neutralität der Organisation bei bilateralen Spannungen, dem gegenseitigen Respekt und anderem verknüpft. Darüber hinaus wird der „ASEAN-Way" auch immer wieder mit Flexibilität, Informalität, Geduld und Pragmatismus in Verbindung gebracht. Vgl. etwa Indorf/Suhrke (1981) sowie Leifer (1989). Die bevorzugten Handelspartner waren im bilateralen Sinne die USA, Europa und Japan. 8 Einen Überblick über Abkommen und Erklärungen liefern u. a. Hund (2002) und Guan (2004). 6
7
Allgemeine Ziele Asiens · 13
Der „ASEAN-Way" manifestiert sich am deutlichsten in den Handlungsprinzipien und Entscheidungsverfahren der ASEAN. Die zentralen Handlungsnormen der ASEAN-Staaten wurden im Jahr 1976 während der Bali Konferenz in Indonesien im „Treaty of Amity and Cooperation in Southeast Asia" (ΤAC) (ASEAN Secretariat 1976) niedergeschrieben. Demnach verpflichten sich die ASEANStaaten, nationale Identität, staatliche Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit zu respektieren. Das Prinzip der Nichteinmischung 9 in innere Angelegenheiten und die gewaltfreie Lösung von Konflikten sollten die dauerhafte und unverbindliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten gewährleisten. Dieses Prinzip gilt bis heute und soll auch in Zukunft gewahrt werden 10 , wenngleich dessen Aufrechterhaltung schwieriger wird 11 und zum Teil von einigen ASEAN-Staaten selbst nicht mehr mit absoluter Priorität verfolgt wird 12 . Nachdem zu Beginn der 1990er Jahre den politischen Zielen auch ökonomische hinzugefügt wurden, erfolgte mit dem Jahrtausendwechsel eine Modifizierung und detailliertere Darlegung der allgemeinen Ziele. Auf dem neunten ASEAN Gipfeltreffen in Bali 2003 kommt es schließlich zur Verabschiedung der „Bali Concord II" (ASEAN Secretariat 2003). Die „Bali Concord II" steht dabei im direkten Zusammenhang mit der „ASEAN Vision 2020" des Jahres 1997, soll aber der mittlerweile auf zehn Mitglieder erweiterten ASEAN besser gerecht werden (Ferguson 2004). Die ASEAN-Staaten verständigten sich mit der „Bali Concord II" auf die Schaffung einer „ASEAN Community", welche von drei Säulen getragen wird: Die Sicherheit und den Frieden betreffend, die „ASEAN Security Community" (ASC)13, die Kultur betreffend, die „ASEAN Socio-Cultural Community" (ASCC), die Wirtschaft betreffend, die „ASEAN Economic Community" (AEC) 14 . Zahlreiche Instrumente und Einrichtungen wurden seither geschaffen oder erweitert, um dem Ziel einer „ASEAN Community" näher zu kommen. Als wichtigstes Instrument beschreibt das „Vientiane Action Programme" (VAP), das dem „Hanoi Plan of Action" (ΗΡΑ) 15 nachfolgt, die Aktivitäten, die zur RealisieZur Entstehung dieses Prinzips vgl. beispielsweise Funston (2000) und Kraft (2000). Siehe dazu die Kuala Lumpur Declaration on the Establishment of the ASEAN Charter (ASEAN Secretariat 2005b). 11 Vgl. dazu Narine (1997) und Acharya (1997). 12 Dies gilt vor allem in den Beziehungen zu Myanmar vgl. Beng (2003), Abdullah/Chow (2003) sowie Haacke (2005). 13 Erläutert bei Severino (2004). 14 Eine ausführliche Darstellung u. a. zu finden bei Hew/Sen (2004), Hew/Soesastro (2003) sowie Plummer (2006). 15 Der ΗΡΑ galt von 1998-2004 (ASEAN Secretariat 1998b). 9
10
14 • Vorüberlegungen
rung dieses Vorhabens angedacht sind. Das VAP gilt für den Zeitraum von 2004 bis 2010 und hat zudem die Aufgabe, die Strategien und Ziele der ASC, ASCC und AEC zu verknüpfen und zu vereinen sowie die Entwicklungsunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten zu verringern (ASEAN Secretariat 2004b). In einer Stellungnahme des Generalsekretärs der ASEAN aus dem Jahr 2004 heißt es, dass damit das „big picture" der „ASEAN Community" festgelegt sei und nun die Umsetzung folge (ASEAN Secretariat 2004b). Auf ihrem Gipfeltreffen 2007 in Cebu auf den Philippinen haben die Staats- und Regierungschefs der ASEAN-Staaten ihre Absicht zur Schaffung einer „ASEAN Community" noch einmal bekräftigt und nannten als vorgezogenes Datum der Vollendung das Jahr 2015 (ASEAN Secretariat 2007c). Die vage Andeutung des Jahres 2005, eine nach 40 Jahren verbindliche vertragliche Basis für die ASEAN schaffen zu wollen (ASEAN Secretariat 2005b), wurde ebenfalls in Cebu noch einmal unterstrichen (ASEAN Secretariat 2007d) und Ende 2007 dann auch umgesetzt (ASEAN Secretariat 2007a). Das als „ASEAN-Charter" im Jahr 2005 angedachte Regelwerk, welches unter der Leitung früherer Staats- und Regierungschefs (Eminent Person Group, kurz: EPG) der ASEAN entstand, regelt alle bisherigen auf Absichtserklärungen aufbauenden Entscheidungen, stellt diese auf eine verbindliche Basis und bildet einen institutionellen Rahmen für alle die ASEAN betreffenden Angelegenheiten. Die „ASEAN-Charter" hält nunmehr auch formal die Ziele, Normen und Prinzipien der ASEAN fest, die Severino (2005, S.9) wie folgt zusammenfasst: An oberster Stelle steht das Wohlergehen der Bevölkerung sowie der Schutz ihrer Rechte, gefolgt von der Aufrechterhaltung des Friedens und der Stabilität in der Region, der Integration der Wirtschaft, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, dem Schließen von Entwicklungslücken zwischen den ASEAN-Staaten, der Reduzierung der Armut, der Erhaltung der Umwelt für eine nachhaltige Entwicklung, dem gemeinschaftlichen Handeln als Region bei transnationalen Problemen, der Förderung gemeinsamer Werte in der Region, der Kultivierung einer regionalen Identität, der Unterstützung einer südostasiatischen bzw. ASEAN-relevanten Wissenschaft, der Schaffung und Weiterentwicklung effektiver Institutionen, um die genannten Ziele verfolgen zu können sowie allen weiteren Zielen, die die Staats- und Regierungschefs in Zukunft für die Gemeinschaft festlegen. Ob und inwiefern diese Ziele mit der Aufnahme in die „ASEAN-Charter" auch tatsächlich umgesetzt werden, bleibt ungewiss. Zu oft kollidierten bereits in der Vergangenheit die vereinbarten Ziele - je detaillierter sie beschrieben wurden —
Allgemeine Ziele Asiens · 15
mit den individuellen Zielen der einzelnen Staaten, weshalb es daher vor allem die divergierenden Interessen der einzelnen ASEAN-Staaten sind, die eine Verfolgung gemeinsamer Ziele regelmäßig erschweren. Insbesondere dann, wenn die Mittel und Methoden zur Zielerfüllung - wie erwähnt - durch den „ASEANWay" begrenzt werden. Der kommende Abschnitt soll daher einen Einblick in das Problem der divergierenden Interessen der ASEAN-Staaten gewähren. Es wird aufgezeigt, wo diese entstehen, was die Ursachen dafür sind und wann die unterschiedlichen Interessen zum Problem für die Gemeinschaft werden.
2.3
Das Problem divergierender Interessen
Von den drei Säulen, welche die „ASEAN Community" begründen, werden vor allem zwei immer wieder von unterschiedlichen Interessen beeinflusst. Zum einen ist dies die „ASEAN Security Community", zum anderen die „ASEAN Economic Community". Unterschiedliche Vorstellungen treten in erster Linie also da auf, wo die sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen eines ASEAN-Staates betroffen sind. Die sicherheitspolitischen Interessen der ASEANStaaten sieht Wilson (1975) durch interne, intraregionale und externe Akteure beeinflusst. Die Einflüsse lassen sich u. a. an: den ethnischen und religiösen Konflikten, der Bedrohung durch terroristische Vereinigungen, den politisch und wirtschaftlich begründeten Flüchtlingen, den zahlreichen ungeklärten Territorialansprüchen sowie den damit verbundenen Grenzkonflikten, dem Schmuggel von Waffen und Drogen, der Piraterie sowie den sicherheitspolitischen und ideologischen Bindungen festmachen. Ethnische und religiöse Konflikte treten in fast allen Mitgliedsstaaten der ASEAN auf und stellen eine ständige Gefahr für die interne Sicherheit und die Stabilität der betroffenen Länder dar. Im Zentrum stehen dabei vor allem Aceh und Papua in Indonesien, die philippinische Inselgruppe Mindanao, die drei südlichen Provinzen Thailands und natürlich Myanmar. 16 In den meisten dieser Konflikte kämpfen separatistische Gruppen gegen die Zentralregierung der jeweiligen Staaten, um ein Mehr an Autonomie oder sogar die Unabhängigkeit zu erreichen. Mitunter gelingt es den Zentralregierungen nur, durch zeitliche befristete Waffenstillstandsabkommen und umfangreiche politische Zugeständnisse ein AusEin Überblick der Konflikte ist u. a. zu finden bei Lande (1999) und Vatikiotis (2006). Zu Indonesien siehe Kingsbury/Aveling (2003). Zu Mindanao vgl. Ringuet (2002). Zum Konflikt in Südthailand vgl. Croissant (2005), Gunaratna et al. (2005) und Harish (2006). Zu Myanmar siehe Blaustein (1993) und Smith (1999). 16
16 · Vorüberlegungen
weiten der Konflikte zu verhindern. Dennoch überspringen die verschiedenen ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen immer wieder auch die politischen Grenzen. Bei den Versuchen, die eigene Souveränität innerhalb der meist von Kolonialmächten gezogenen Grenzverläufe aufrechtzuerhalten, 17 entstehen regelmäßig Spannungen zwischen den ASEAN-Staaten. Insbesondere dann, wenn zur Wahrung der Souveränität militärische Aktionen im Grenzgebiet durchgeführt werden. Spannungen entstehen außerdem, weil unterschiedliche Auffassungen über die Frage, wie mit den Konflikten umgegangen werden soll, bestehen. Je nach eigener Interessenslage werfen sich die ASEAN-Staaten immer wieder gegenseitig vor, nicht energisch genug gegen separatistische Gruppen vorzugehen und damit Unruhen im eigenen Land zu provozieren. In den vergangenen Jahren ist vor allem aber der Terrorismus zu einer zentralen Bedrohung der Sicherheit in Südostasien geworden (Singh 2004). Gegenseitig unterstützen sich separatistische und terroristische Gruppierungen in ihrem jeweiligen Kampf. Sie vereinen Ressourcen, nehmen an gemeinsamen Trainings teil und akquirieren die notwendigen finanziellen Mittel (Abuza 2002). Dabei entstand in den meist schwer zugänglichen Gebieten, von denen aus die Gruppen operieren, zudem eine Basis für eine Vielzahl an weiteren kriminellen Aktivitäten wie Schmuggel, Waffen- und Drogenhandel. Wenngleich die Ziele unterschiedlich sind, so steht in Südostasien der politisch motivierte Terrorismus auch in engem Zusammenhang mit der in wirtschaftlich motivierten Piraterie (Young/Valencia 2003). Von der Piraterie ist dabei in erster Linie die Hochseeschifffahrt in der Straße von Malakka betroffen. 18 Die Übergriffe reichen von einfachen Überfallen über Entführung und Diebstahl bis hin zum Kapern ganzer Schiffe samt Ladung (Young/Valencia 2003). Die Straße von Malakka verbindet den gesamten ost- und südostasiatischen Raum mit den Handels- und Ölzentren des Mittleren Ostens und Europas. Die Sicherheit dort ist daher von großer Bedeutung für viele Volkswirtschaften — nicht nur in Asien. Doch wie bei den ethnischen und religiösen Konflikten sowie dem Terrorismus, so sind auch die Piraterie betreffend die Reaktionen der ASEAN-Staaten äußerst unterschiedlich. Auch hier divergieren die Interessen der einzelnen Länder mitunter erheblich. Je nach verfügbaren Ressourcen, der Priorität innerhalb der aktuellen Politik und dem Grad an Abhängigkeit vom Seehandel unterscheiden sich so die Reaktionen der ASEAN-Staaten (Richardson 2004). Während beispielsweise für Singapur, als einer der größter Häfen der Welt, die maritime Sicherheit von elementarer Bedeutung ist, scheinen in Indonesien, wo viele verzweifelte Seeleute und Fischer in der Piraterie einen Ausweg aus ihrer Armut suchen (McCawley 2004), andere Fragen Vorrang zu haben. 17 18
Siehe dazu Lande (1999) und Ginsburg (2005). Zu weiteren Schwerpunkten vgl. McCawley (2004).
Das Problem divergierender Interessen · 17
Zwar konnten sich Indonesien, Malaysia und Singapur 2004 auf eine gemeinsame Durchführung von „Melaka Straits - Singapore Coordinated Patrols" (MSSCP) einigen, doch enden diese an den Grenzen der jeweiligen Hoheitsgewässer (Leinweber 2004) und beschränken daher eine effektive Bekämpfung der Piraterie. Dass der Wille zu einer umfangreichen und effektiven Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Terrorismus und der Piraterie nicht besonders ausgeprägt ist, hat unterschiedliche Ursachen. 19 So befürchten die ASEAN-Staaten zum einen, dass durch eine umfangreiche Zusammenarbeit die eigenen politischen und administrativen Schwächen (beispielsweise durch die Deckung oder Duldung krimineller Aktivitäten von offizieller Seite) aufgedeckt werden könnten. Zum anderen will jedes Land zeigen, selbst Herr der Lage zu sein, um Einmischungen in Fragen der eigenen Innenpolitik zu verhindern. Außerdem herrscht Unklarheit über die wirklichen Absichten der möglichen Partner. Dabei geht es vor allem um die Angst, bei einer zu offenen Kooperation die eigene Souveränität zu gefährden. Die Wahrung territorialer Integrität ist daher einer der wichtigsten Bestandteile südostasiatischer Politik. Zusammen mit dem Nichteinmischungsprinzip des „ASEAN-Way" beeinflussen sie eine Vielzahl an gemeinschaftlichen Abkommen. Ungeklärte Territorialansprüche, die seit der Gründung der ASEAN die vorurteilsfreie Kommunikation zwischen den Mitgliedsstaaten erheblich erschweren, behindern so viele der für eine wirkungsvolle Integration notwendigen Übereinkommen. Fast alle intraregionalen Beziehungen sind deshalb immer wieder von Unstimmigkeiten begleitet (Ganesan 1999; Tan 2000). In jüngster Zeit sind es insbesondere die zunehmenden Grenzkonflikte und wechselseitigen Animositäten, die zwischen Thailand und Myanmar für Spannungen sorgen (Myoe 2002). Doch nicht nur interne oder intraregionale Akteure bestimmen die Politik in Südostasien, auch externe Akteure haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Interessen der jeweiligen ASEAN-Staaten. Viele der in diesem Zusammenhang unterschiedlichen Auffassungen rühren dabei aus der Historie her (Beeson 2003). Seit der Gründung der ASEAN 1967 war die Einflussnahme und Anzahl externer Akteure unterschiedlich stark ausgeprägt. Während im Zeitablauf nur China, Japan und die USA als die drei Hauptakteure, - wenn auch in unterschiedlichem Umfang 20 — konstant präsent waren, so beeinflusste zur Zeit des Kalten Krieges zudem die Sowjetunion 21 und in jüngster Vergangenheit auch Indien 22 die Politik in Südostasien. In der Zeit 19 20 21 22
Für eine ausführliche Darstellung mit historischem Hintergrund vgl. Teitler (2002). Vgl. hierzu ausführlich Ganesan (2000). Vgl. beispielsweise Horn (1975) und Gaiduk (2003). Zur Art und Wiese des indischen Einflusses vgl. Yahya (2003).
18 · Vorüberlegungen
des Kalten Krieges wurde die intraregionale Entwicklung vor allem dadurch gehemmt, dass sich die Staaten Südostasiens den unterschiedlichen ideologischen Blöcken angegliedert haben. Die daraus für einige Staaten entstandenen Beziehungen und Bindungen zu externen Akteuren prägen das Bild daher bis heute. So sind Thailand, die Philippinen, vor allem aber Singapur traditionell eng mit den USA verbunden (Ganesan 2000). Abgesehen von unterschiedlichen Einstellungen zu Pressefreiheit, Menschenrechten, Demokratie sowie dem Kampf gegen den Terror und den zeitweise anti-amerikanischen Stimmungen23, ist das Verhältnis der USA aber auch zu anderen ASEAN-Staaten gut. So betrachtet heute kein Mitglied der ASEAN die USA als eine Bedrohung der eigenen Sicherheit, wenngleich die explizite Unterstützung der USA von Seiten mehrerer ASEAN-Staaten die für andere im Mittelpunkt stehende Solidarität untereinander zu untergraben scheint. Neben den USA ist Japan ein weiterer wichtiger externer Akteur. Obwohl Japan immer wieder hegemoniale Ambitionen nachgesagt werden, so verursacht Japan doch die wenigsten Spannungen zwischen den ASEAN-Staaten. Zwar treten von Zeit zu Zeit unterschiedliche Auffassungen über die japanische Kriegsvergangenheit auf, doch für viele ist Japan heute ein bedeutender Handelspartner und einer der größten Investoren. Auch international vertritt Japan häufig die Interessen der ASEAN-Staaten und ist daher ein gerngesehener und geachteter Partner24. In nahezu allen für die ASEAN bedeutenden Fragestellungen der vergangenen Jahrzehnte spielt Japan eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt war Japan eines der wenigen Länder, die während der Asienkrise sofort finanzielle Hilfen zugesagt hatten. Die sicherheitspolitischen Beziehungen zu Japan lassen sich daher als problemfrei einstufen und geben innerhalb der ASEAN keinerlei Anlass zu Differenzen. Ganz anders stellt sich die Situation bei China dar. Unter den drei Hauptakteuren erzeugt China die größten Spannungen innerhalb der ASEAN. Viele ASEANStaaten sehen in China eine Gefahr für die Sicherheit in der Region. Dies lässt sich u. a. auf die zahlreichen ungeklärten Territorialansprüche zurückführen. Beispielsweise beeinträchtigt die Besetzung der Paracel-Inseln und die der Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer nicht nur die Beziehungen zu Vietnam, sondern auch die zu Malaysia und den Philippinen erheblich.25 Chinas Unwille, mit der ASEAN als Gemeinschaft zu verhandeln, erzeugt weitere Spannungen. Dass China bevorzugt bilaterale Abkommen schließt, fassen viele ASEAN-Staaten als den Versuch auf, die Gemeinschaft spalten zu wollen. Die Ausschreitungen der vergangenen Jahre gegen die wirtschaftlich erfolgreichen chinesischen Minderheiten in einigen ASEAN-Staaten geben ebenfalls Anlass zu Unstimmigkeiten. 23 24 25
Vor allem von der malaysischen Regierung unter Mahathir verbreitet (Sodhy, 2003). Zur Einstellung der ASEAN-Staaten gegenüber Japan vgl. Elsbree (1981). Siehe u. a. Valero (1994) sowie Catley/Keliat (1997).
Das Problem divergierender Interessen • 19
Die externen Akteure beeinflussen indes nicht nur die sicherheitspolitischen Interessen der ASEAN-Staaten, sondern natürlich auch die wirtschaftspolitischen. Zum einen ist da der Standortwettbewerb mit China und Indien. Die unterschiedlichen Auffassungen der ASEAN-Staaten, die dahingehend bestehen, wie der Herausforderung des Standortwettbewerbs begegnet werden soll26, verursachen Meinungsverschiedenheiten und behindern ein zielgerichtetes und gemeinsames Vorgehen. Zum anderen sind es die Beziehungen zu den jeweils wichtigsten Handelspartnern und Investoren. Deren Einfluss auf die Interessen der stark vom Export abhängigen ASEAN-Staaten ist groß. Zu Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten der ASEAN kommt es auch, da westliche Industrienationen, insbesondere die Europäische Union und die USA, Handelsabkommen immer wieder mit Fragen der Menschenrechte, Sozialstandards und Demokratie verknüpfen (Azis 1996). Problematisch ist dabei vor allem der Umgang mit Myanmar (Lintner 1999). Seit Jahren widersetzt sich Myanmars Militärjunta jeglichen Versuchen, die Menschenrechtssituation 27 zu verbessern, so dass viele ASEANStaaten befürchten, dass Myanmars uneinsichtiges Verhalten in diesem Punkt die Exportchancen des eigenen Landes beeinträchtigen und die Reputation der ASEAN als eine stabile, friedliche und prosperierende Gemeinschaft gefährdet (Abdullah/Chow 2003; Beng 2003). Die Unnachgiebigkeit Myanmars führte bereits dazu, dass einige ASEAN-Staaten - wie erwähnt - das Grundprinzip der Nichteinmischung in Frage stellen (Haacke 2005, S. 197). Wenngleich der wirtschaftspolitische Einfluss externer Akteure bedeutende Auswirkungen auf die Interessen der ASEAN-Staaten hat, so werden die wirtschaftspolitischen Interessen doch in erster Linie von der individuellen Situation und dem Entwicklungsstand eines jeden einzelnen Mitgliedslandes determiniert. Die enorme wirtschaftliche Heterogenität führt zu unterschiedlichen Schwerpunkten in der jeweiligen Wirtschaftspolitik und generiert daher verschiedenste Interessen. Während für einige Länder die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Vordergrund steht, ist für andere Länder der internationale Wettbewerb im Bereich der Informations- und Biotechnologie von herausragender Wichtigkeit. Zu den Entwicklungsunterschieden kommen Unterschiede in den Finanzverfassungen und Währungsregimes. Einige Finanzmärkte Südostasiens sind liberal und offen, andere unterdessen stakt reguliert und eingeschränkt. Einige Währungen sind relativ frei konvertierbar und andere in geringen Bandbreiten an Ankerwährungen gekoppelt. Je nach individueller Situation und Wirtschaftsstruktur, ergeben sich daraus unterschiedliche Auffassungen, wie beispielsweise auf einen Exportrückrang oder einen Preisverfall bestimmter Produktgruppen reagiert werden soll. 26 27
Vgl. dazu Asian Economic News (2005). Zur kaum veränderten Menschenrechtssituation in Myanmar vgl. Evans (1994).
20 • Vorüberlegungen
Der Protektionismus eigener Schlüsselindustrien ist ein weiterer Punkt, bei dem die Meinungen weit auseinander liegen. Mit Ausnahme von Singapur verteidigen alle ASEAN-Staaten die eine oder andere Industrie in ähnlicher Art und Weise. Allem voran Reis und andere landwirtschaftliche Güter. Immer unter dem Vorbehalt, die Lebensmittelversorgung zu sichern, wird nach Mitteln und Wegen gesucht, diese zu schützen. Aber auch am Schutz sogenannter strategisch wichtiger Industrien wie dem Automobilbau, der chemischen Industrie, der Textilherstellung und der Elektrotechnik wird festgehalten. Eng mit dem Protektionismus verbunden ist zudem die Ungewissheit, welches Land in welchem Umfang vom möglichen Freihandel profitiert. Davon hängt wiederum ab, wie Handelsabkommen zwischen den ASEAN-Staaten und zu deren externen Partnern aussehen sollen und zu welchem Zweck sie geschaffen werden. Alles in allem vertreten die Mitgliedsstaaten der ASEAN die unterschiedlichsten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen. Dass souveräne Staaten unterschiedliche Interessen in der Verfolgung ihrer sicherheits- und wirtschaftspolitischen Ziele haben, ist aber zunächst einmal nichts ungewöhnliches, legitim und nachvollziehbar. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welcher Basis die individuellen Interessen eines Landes festgelegt werden und mit welchen Mitteln und Methoden sie verfolgt werden. Ist es das erklärte Ziel der ASEAN, eine „[...] stable, prosperous and highly competitive ASEAN Economic Region [.../' (ASEAN Secretariat 1997) zu etablieren, dann ist es unabdingbar, bestimmte individuelle Interessen eines jeden Mitgliedsstaates diesem gemeinsamen Ziel unterzuordnen oder Modalitäten zu finden, anhand derer die individuellen Ziele bei möglichst geringen Kosten aller Beteiligter erreicht werden können. Entscheidend wird dabei jedoch sein, mit welchen Kosten, aber auch welchem Nutzen die jeweiligen ASEAN-Staaten überhaupt zu rechnen haben und inwieweit sie aufgrund ihrer Heterogenität zur Schaffung einer solchen Region geeignet sind.
21
3
Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
3.1 Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien In der Geschichte der Weltwirtschaft gab es schon immer Phasen, in denen Staaten mehr und weniger Handel miteinander trieben (vgl. Borchardt 2001). Gerade die vergangenen 60 Jahre waren dabei eine Phase, in der der internationale Handel besonders stark zunahm. So stieg beispielsweise der Wert der weltweiten Güterexporte von 58 Mrd. US-Dollar im Jahr 1948 auf 10159 Mrd. US-Dollar im Jahr 2005 an. Abbildung 3.1: Weltweite Güterexporte seit 1948
Quelle: World Trade Organisation (2006). Allerdings lässt sich ein nicht zu vernachlässigender Teil dieses Anstiegs schon allein aufgrund der Zunahme an unabhängigen Staaten erklären. Während etwa bei den Vereinten Nationen 1948 weltweit nur 58 unabhängige Staaten als Mitglieder registriert waren, so waren es 2006 bereits 192 (United Nations 2007). Eine Vielzahl der seit 1948 neu entstandenen Staaten sind kleine Nationen mit oftmals unter 5 Mio. Einwohnern. Gerade kleine Staaten können, wie Alesina/Spolaore (2003) zeigen, wegen ihres kleinen Heimatmarktes vom internationalen Handel besonders profitieren. Es liegt also bereits in deren Interesse, diesen auszuweiten, was dann zu einem Anstieg des gesamten weltweiten Handels führt. Alesina et al. (2000) zeigen aber, dass auch der Handel zwischen Staa-
22 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
ten, deren Grenzen sich nicht verändert haben, zugenommen hat. Die Zunahme des weltweiten Handels lässt sich somit nicht ausschließlich auf die Zunahme der unabhängigen Staaten beschränken. Als ein weiterer wichtiger Grund für die Zunahme des weltweiten Handels kann so der Anstieg der Direktinvestitionen angenommen werden. Mit der weitgehenden Aufgabe der Kapitalverkehrskontrollen in den USA zu Beginn der 1970er Jahre, der alsbald zahlreiche andere Staaten folgten, wurden durch die Direktinvestitionen die Möglichkeiten einer vermehrten Arbeitsteilung in der Produktion erheblich verbessert. Daraus entstand wiederum ein Anstieg des Handels, der insbesondere aus Vor- und Zwischenprodukten besteht. Gerade in den vergangenen Jahrzehnten haben die Staaten allerdings auch andere, den Handel behindernde Regelungen verringert bzw. abgeschafft und so beispielsweise die Zollsätze reduziert oder die Mengenkontingente gelockert. Zusammen mit den im Zeitablauf immer weiter gesunkenen Kosten für Transport und Kommunikation führte auch dies zu einem stetigen Anstieg des weltweiten Handels. Dabei wurden die Regelungen zur Abschaffung von Handelsschranken meist entweder bilateral oder multilateral und in eng begrenzten Regionen aufgegeben. Die damit zusammenhängende handelspolitische Bevorzugung bestimmter Staaten hat dazu beigetragen, dass zunehmend von einer Regionalisierung anstatt der Globalisierung des internationalen Handels gesprochen wird.28 Heute sind so über 90% der 150 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) außerdem Mitglieder in mindestens einem der zahlreichen regionalen Handelsräume. Allein zwischen 1990 und 1995 wurden über 30 solcher integrierten Handelsräume neu gegründet (World Trade Organization 1995). Unter ihnen u. a. die im Jahr 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründete MERCOSUR 29 , die ebenfalls im Jahr 1991 gegründete Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)30, die 1992 von den ASEAN-Staaten etablierte Freihandelszone AFTA und die im Jahr 1994 von Kanada, den USA und Mexico gegründete NAFTA. Zusammen mit der Europäischen Union (EU), deren ursprünglicher Handelsraum schon länger existiert, sind diese Integrationsräume heute mit die weltweit bedeutendsten.31
28
Zu dem Verhältnis von Regionalismus und Globalisierung und den in diesem Zusammenhang stehenden Bemühungen der Welthandelsorganisation (WTO) vgl. beispielsweise die Ausführungen in Lahiri (2001), von Sampson (2003) und Aggarwal/Fogarty (2004). 29 Venezuela wurde 2006 als fünftes Mitglied mit aufgenommen. 30 Deren Mitglieder sind heute: Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, die Ukraine und Usbekistan. 31 Weitere bedeutende Handelsräume sind u. a.: Die Andengemeinschaft, die South Asia Free Trade Area (SAFTA) oder die Greater Arab Free Trade Area (GAFTA).
Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien • 23
Die folgende Abbildung 3.2 zeigt den weltweiten Umfang des gesamten, zusammengefassten Güterhandels des Jahres 2005 der in den zuvor erwähnten Handelsräumen vertretenen Länder plus China und Indien im Vergleich — ausgedrückt in Exportvolumen in Mrd. US-Dollar. Abbildung 3.2: Umfang des Güterhandels 2005
Quelle: World Trade Organization (2006) Es wird darin sehr deutlich, dass im Jahr 2005 die 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (auch aufgrund ihrer Anzahl) mit insgesamt 4001 Mrd. USDollar im Vergleich zu anderen Handelsräumen das höchste Exportvolumen verzeichneten. Dagegen ist das Exportvolumen an Gütern der zehn ASEANStaaten mit 653 Mrd. US-Dollar vergleichsweise gering. Und dies auch im Vergleich zu der nur drei Staaten umfassenden NAFTA, deren Mitgliedsstaaten mit 1478 Mrd. US-Dollar ein mehr als doppelt so hohes Exportvolumen verzeichnen und zu China, das als Nationalstaat mit 762 Mrd. US-Dollar ein ebenfalls höheres Exportvolumen hat. Lediglich im Vergleich zu den Handelsräumen MERCOSUR und GUS sowie zu Indien ist das Exportvolumen der ASEANStaaten höher. Es zeigt sich also, dass die ASEAN-Staaten trotz der — gemessen am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt — relativ starken Ausrichtung ihrer Volkswirtschaften auf die Exportindustrie und vor allem auch im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl ein - gerade im Gegensatz zu EU und NAFTA - eher geringes Exportvolumen verzeichnen können. Dies wird auch dann besonders deutlich, wenn man sich die in Abbildung 3.3 dargestellten Anteile am gesamten Weltexportvolumen näher betrachtet.
24 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
Abbildung 3.3: Anteil am Weltexportvolumen ausgewählter Regionen 2005 ASEAN (10)
6% NAFTA (3) 15% MERCOSUR (4) 2%
EU (25) GUS (12) J
39%
3%
Quelle: World Trade Organization (2006) Zieht man zu Abbildung 3.3 dann das in Abbildung 3.4 abgebildete Verhältnis von intraregionalen zu extraregionalen Exporten hinzu, so lässt sich klar erkennen, dass Handelsräume, die einen vergleichsweise hohen Anteil am Weltexportvolumen haben, meist auch über einen hohen intraregionalen Exportanteil verfügen. Abbildung 3.4: Verhältnis intra- zu extraregionalen Exporten 2005 100% 80%
60% 40% 20% 0% ASEAN (10)
NAFTA (3)
MERCOSUR
EU(25)
(4) β Intra-Exporte • Extra-Exporte
Quelle: World Trade Organization (2006).
GUS (12)
Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien · 25
So ist festzustellen, dass bei den beiden größten Handelsräumen EU und NAFTA mit einem jeweiligen Anteil von 39% bzw. 15% am Weltexportvolumen über die Hälfte der Exporte auf intraregionale Exporte entfallen. Mit 66,8% finden damit rund zwei Drittel aller EU-Exporte ihren Absatz in anderen EU-Staaten. Ähnlich so in Nordamerika, wo sich 55,8% des Gesamtexportes der NAFTA auf intraregionale Exporte zurückführen lassen. Ganz anders stellt sich hingegen die Situation bei den kleineren Handelsräumen dar. Während bei der GUS 2005 bei einem Anteil von 3% am Weltexport noch 18,1% auf intraregionale Exporte entfallen, können die MERCOSUR-Staaten bei einem Weltexportanteil von 2% auf einen intraregionalen Exportanteil von lediglich 12,9% verweisen. Dahingegen lassen sich bei den ASEAN-Staaten bei einem Anteil von 6% am weltweiten Gesamtexport zumindest 24,9% ihrer Exporte auf einen intraregionalen Ursprung zurückführen. Darüber hinaus konnten die ASEAN-Staaten den Anteil intraregionaler Exporte an ihren Gesamtexporten von 20,1% im Jahr 1990 auf 22,1% im Jahr 1999 und schließlich auf 24,9% im Jahr 2005 erhöhen. Aber auch andere Handelsräume, allen voran die EU und NAFTA, konnten ihren Anteil an intraregionalen Exporten steigern. Damit stehen die ASEAN-Staaten in einem Spannungsverhältnis, um bei weltweit steigenden Exportvolumen den Anschluss zu den großen Handelsräumen EU und NAFTA nicht zu verlieren und gleichzeitig von kleineren Handelsräumen nicht eingeholt zu werden. Geht man davon aus, dass der Export von Gütern bzw. der Handel im Allgemeinen positive Auswirkungen auf die Wohlstandsentwicklung eines Landes hat, so ergibt sich daraus fast automatisch die Notwendigkeit einer vertieften wirtschaftlichen und monetären Integration. Dies gilt insbesondere auch für die ASEAN-Staaten, die gegenüber den großen Handelsräumen EU und NAFTA sowie China einen — wie gezeigt — noch vergleichsweise geringen Anteil am Weltexport haben. Dabei gibt ein hoher Anteil am Weltexportvolumen nicht nur Auskunft über die angemessene Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Industrie 32 oder ermöglicht, aufgrund von Deviseneinnahmen benötigte Importgüter im Ausland zu erwerben, sondern trägt vor allem auch dazu bei, die eigene handelspolitische Position gegenüber anderen Handelsräumen zu stärken. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn es den ASEAN-Staaten gelingt, neben der Erhöhung ihres Anteils am Weltexport vor allem den intraregionalen Handel zu stärken. Die durch Integration erzielbare Stärkung des intraregionalen Handels erlaubt es dann, die Abhängigkeit der ASEAN-Staaten von extraregionalen Volkswirtschaften und deren wirtschaftlicher Entwicklung sowie deren Handels- und Zollpolitik zu reduzieren und dadurch gleichzeitig die eigenen Volkswirtschaften zu stabilisieren. Durch die Bündelung von eigenen Ressourcen ist es den ASEANStaaten außerdem möglich, Skaleneffekte innerhalb der Region zu nutzen und so Wohlfahrtseffekte in den Mitgliedsstaaten zu generieren. Vor allem der Bünde32
Bei zumindest frei konvertierbaren Wechselkursen.
26 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
lung der hohen Fremdwährungsreserven kommt dabei eine wichtige Rolle zu.33 Die mit dem Pooling der Fremdwährungsreserven zusammenhängende monetäre Integration erlaubt es zudem, aufgrund der dann vernetzten Finanzmärkte die Gefahren schwerer Finanz- und Währungskrisen zu minimieren. Eine gemeinsame Währung trägt ergänzend dazu bei, den Handel weiter zu erleichtern, Risiken zu reduzieren, Preise zu stabilisieren und einen fairen Wettbewerb innerhalb des Handelsraumes durch entstehende Transparenz zu fördern. Die starke wirtschaftliche Heterogenität der ASEAN-Staaten kann sich dabei als Chance erweisen, da die heute noch vorhandenen unterschiedlichen Entwicklungsstadien der jeweiligen Volkswirtschaften Faktorpreisunterschiede implizieren, die gegenüber anderen, homogeneren Handelsräumen eine verbesserte intraregionale Arbeitsteilung ermöglichen und so über einen gewissen Zeitraum ein hoher Wertschöpfungsanteil in der Region verleibt. In diesem Zusammenhang entsteht außerdem die Möglichkeit einer verbesserten Risikodiversifikation innerhalb der Region. Überall dort, wo mit der Heterogenität Risiken verbunden sind — beispielsweise beim Finden gemeinsamer Interessen oder den Auswirkungen einer asymmetrischen Wirtschaftsentwicklung —, trägt die Integration dazu bei, die Lebensstandards der beteiligten Länder kontinuierlich anzugleichen und so diese Art der Risiken im Laufe der Zeit zu begrenzen. Die Notwendigkeit zu einer vertiefenden Integration ergibt sich aber nicht nur aus primär wirtschaftlichen und monetären Anforderungen heraus, sondern lässt sich auch auf politische Effekte zurückfuhren. So wäre eine hoch integrierte ASEAN in der Lage, ihre allgemeinen, politischen Interessen in der Welt besser zu vertreten und stärkeren Einfluss auf die Entscheidungen der Weltgemeinschaft zu üben. Innerhalb der ASEAN würde die Integration außerdem zur Friedenssicherung beitragen und die Dialogbereitschaft zur Beilegung der in Kapitel 1.1 ausgeführten, zwischenstaatlichen Meinungsverschiedenheiten stärken. Auch die damit zusammenhängende und noch immer anhaltende Problematik der illegalen Migration könnte durch die wirtschaftliche, monetäre und politische Integration eingeschränkt werden.34 Es zeigt sich also, dass es notwendig ist, aufgrund zahlreicher interner und externer Faktoren die Integration in Südostasien voranzutreiben. Die bis heute erzielten Fortschritte im Integrationsprozess, wie sie im dritten Abschnitt dieses Kapitels noch näher beleuchtet werden, beruhen zu einem Großteil auf diesen Faktoren. Neben dem gerade in den vergangenen Jahren immer stärker zunehmendem Wettbewerb zu Indien und China war und ist die Asienkrise bis heute ein weite-
Vgl. dazu auch die Ausführungen von Gosselin/Parent (2005), Williams (2005), Lane/Milesi-Ferretti (2006), Wyplosz (2007). 34 Zu den Ursachen und Auswirkungen der Migration in Südostasien vgl. u. a. die Ausführungen von Hugo (1999) Skeldon (1999), Jordan (2000). 33
Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien · 27
rer wichtiger Grund für die verstärkten wirtschaftlichen und monetären Integrationsbemühungen in Südostasien. Im folgenden Abschnitt werden daher die Ursachen und Auswirkungen der Asienkrise näher beleuchtet und deren Einfluss auf den Integrationsprozess der ASEAN-Staaten dargestellt.
3.2
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien
Zwischen Anfang der 1970er Jahre und Ende der 1980er Jahre erreichten die Staaten Südostasiens ein im Vergleich zu anderen Region enormes Wirtschaftswachstum. So wiesen beispielsweise die damals am stärksten wachsenden ASEAN-Staaten Indonesien, Malaysia, Thailand und Singapur zwischen 1971 und 1989 ein durchschnittliches jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in KKP von 11,59% aus. Zusammen mit den verbleibenden, jedoch etwas schwächer wachsenden ASEAN-Staaten Brunei, Kambodscha, Laos und den Philippinen 35 verzeichnete die ASEAN in diesem Zeitraum aber noch immer ein Wachstum von durchschnittlich 8,34%. Die Weltbank bestätigte in einer 1993 veröffentlichten Studie (World Bank 1993), dass während dieser Zeit keine andere Region der Welt schneller wuchs als die der „High Performing Asian Economies" (HPAEs). 36 Aufgrund der beeindruckenden Wachstumserfolge war daraufhin sehr schnell vom „East Asian Miracle" die Rede. Das „East Asian Miracle", welches neben den wachstumsstärksten ASEAN-Staaten sich in aller Regel auch auf die ostasiatischen Staaten Hongkong, Japan, Südkorea und Taiwan bezieht, war u. a. gekennzeichnet durch: die Förderung makroökonomischer Stabilität, die Offenheit für ausländische Technologie, die Förderung ausländischer Direktinvestitionen, einer selektiven Industriepolitik, der Exportförderung, hohen Investitionen in Humankapital, gezielte Finanzmarktinterventionen mit Deregulierungsinitiativen, Schaffung spezieller Förderbanken und
Für Myanmar und Vietnam weisen die Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006) in diesem Zeitraum keine Daten aus. 36 Tjiptoherijanto (1997) gibt für den Zeitraum von 1960 bis 1990 ein durchschnittliches Wachstum des BNE pro K o p f in Ostasien von 5,5% an, während es in Latein Amerika und der Karibik nur 1,8% und in den OECD-Staaten 2,5% betrug. Für das reale BIP pro K o p f geben Collins/Bosworth (1996) im Zeitraum 1960 bis Mitte der 1990er ein durchschnittliches Wachstum von 4,6% an. 35
28 • Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
der bevorzugten Zuteilung von Krediten. 37 Doch nach einem bereits leichten Rückgang des Wirtschaftswachstums Anfang bis Mitte der 1990er Jahre fand mit dem Beginn der Asienkrise im Juli 1997 das bis dahin immer noch recht hohe Wachstum der meisten ASEAN-Staaten ein abruptes Ende. Abbildung 3.5: BIP-Wachstum der ASEAN-Staaten in % 30,00% 25,00% 20,00% 15,00%
10,00% 5,00%
0,00% -5,00%
-10,00% -15,00% -20,00% 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 BRN
Π5Ν
KHM
LAO
PHI.
SGP
THA
VNM
MYS
Quelle: Venn World Table 6.2 (Heston et al. 2006). Bemerkungen: BIP-Wachstum hier als die Veränderungsrate des BIP pro Kopf in KKP. Dabei war die Asienkrise zu Beginn eine reine Währungskrise — und dies auch nur in einem Land (Thailand). Sie entwickelte sich jedoch recht bald zu einer der tiefgreifendsten, eine ganze Region umfassenden Wirtschaftskrisen überhaupt. Abbildung 3.5 verdeutlicht den kollektiven Einbruch des BIP-Wachstums der betroffenen ASEAN-Staaten zwischen 1997 und 1998. Dabei sind Währungskrisen im Allgemeinen nichts Außergewöhnliches. So fanden Eichengreen et al. (1995) in ihrer Untersuchung 78 solcher Krisen in einem Zeitraum von 1959 bis 1993. Auch Frankel/Rose (1996) entdeckten in 105 Entwicklungsländern zwischen 1971 und 1992 117 Krisen. Während die meisten der untersuchten Krisen von eher geringem Ausmaß waren und wieder sehr schnell das Niveau vor der Krise erreichten und überstiegen, waren die Folgen der Asienkrise ausgeprägter und kostenintensiver. In ihren Untersuchungen weisen Vgl. dazu beispielsweise die Ausführungen von World Bank (1993), Page (1994), Perkins (1994), Hughes (1995), Klump/Menkhoff (1995). 37
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 29
Reyes/Mandap (1999), die Weltbank (World Bank 1999) und Zhu et al. (2001) darauf hin, dass die Asienkrise vor allem auf Preise und Vermögen, Beschäftigung und Einkommen sowie die Einkommensverteilung negative Auswirkungen hatte. Aber auch nicht pekuniäre Folgen wie die gebremste Entwicklung der Bildung, der Gesundheitsversorgung sowie die des Unweitschutzes wurden identifiziert. Doch wie kam es zu solch einer Krise und welche entscheidenden Erkenntnisse lassen sich daraus für die wirtschaftliche und monetäre Integration der ASEANStaaten ableiten? Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwunges, welcher durch ein liberales Investitionsumfeld mit getragen wurde und bei dem die Exportindustrie im Mittelpunkt stand38, wurde Anfang der 1990er Jahre zuerst in Thailand, dann auch in anderen Ländern, der Kapitalmarkt zunehmend dereguliert. Aufgrund hoher Zinsen und dem Umstand, dass die meisten Währungen der ASEAN-Staaten in irgendeiner Weise an den US-Dollar gekoppelt waren und deshalb als stabil galten, kam es zu einem vermehrten Zufluss an ausländischem Kapital. Die asiatische, auf Wachstum ausgelegte Exportindustrie entlieh zudem die notwendigen finanziellen Mittel kostengünstig und fast ausschließlich bei heimischen Banken39, die sich wiederum langfristig im Ausland refinanzierten40. Dabei wurden Kredite oftmals durch speziell geschaffene Förderbanken leichtfertig und ohne weitere Prüfung vergeben, was durch eine unzureichende Finanzaufsicht auch nicht sanktioniert werden konnte. Vor dem Hintergrund der seit Anfang der 1990er Jahre weltweit sinkenden Nachfrage nach Exportgütern (Dasgupta/Imai 1998), führte die zusätzliche Abwertung des Renminbi (RMB) 1994, die Chinas Exportmöglichkeiten gegenüber den ASEAN-Staaten stark verbesserte sowie die Schwäche des Japanischen Yen gegenüber dem US-Dollar zu einem starken Rückgang der südostasiatischen Exportindustrie. Aufgrund rückläufiger Renditen im Exportsektor wurde das Kapital daraufhin zunehmend in spekulative Finanzmarkttitel, Immobilien und andere nicht handelbare Güter umgeschichtet und auf einen immer kürzer werdenden Zeithorizont hin angelegt (Lipsky 1998). Die Kapitalimporte der späten 1980er und 1990er Jahre hatten trotz hoher Exporterlöse in den meisten ASEAN-Staaten ein starkes Leistungsbilanzdefizit verursacht (vgl. Abbildung 3.6). Dies wurde lange Zeit aber nicht als problematisch angesehen, da gleichzeitig hohe BIP-Wachstumsraten erreicht wurden, eine 38
Getragen wurde die positive Entwicklung der Exportindustrie in den ASEAN-Staaten auch von den gestiegenen Produktionskosten in Japan, Hongkong, Korea und Taiwan. 39 Finanzierungsalternativen wie Rentenmärkte waren nur unzureichend etabliert. 40 Wegen der niedrigen Zinsen in den USA wurde das Geld zumeist im Dollar-Raum entliehen.
30 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
niedrige Inflation vorhanden war und die Kapitalimporte zumeist zur Kapitalbildung und nicht zum Konsum verwendet wurden (Bosworth 1998). Abbildung 3.6: Leistungsbilanzentwicklung
BRN
Π3Ν
KHM
LAO
MMR
MYS
PHL
SGP
THA
VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
Aufgrund des stark angestiegenen Leistungsbilanzdefizits, von hohen Ineffizienzen begleitendem Wachstum (vgl. Krugman 1994), des Exportrückgangs, institutionellen Schwächen und zahlreichen anderen, letztlich nicht mehr hinreichend erschließbaren Gründen kam es im November und Dezember 1996 zu ersten starken Spekulationsangriffen auf die thailändische Währung Baht (THB). Diese weiteten sich im Januar und Februar sowie im Mai und Juni des Jahres 1997 weiter aus und führten dazu, dass die Bank of Thailand enorme Fremdwährungsreserven dazu verwenden musste, den Wechselkurs des Baht zu stützen. Am 2. Juli 1997 waren die Währungsreserven jedoch zu einem Großteil verbraucht und zwangen die Bank of Thailand letztendlich, den Wechselkurs vollkommen freizugeben.41 Obwohl die ASEAN-Staaten zu diesem Zeitpunkt nur rund 20% ihrer Gesamtexporte auf intraregionalen Handel zurückführen konnten und bis dato nur wenige wirklich verbindliche Integrationsabkommen geschlossen hatten, nahmen die Kapitalgeber und Spekulanten eine weitaus größere Integration als die vorNach Kittiprapas (2000) wurden die Fremdwährungsreserven der Bank of Thailand zu Beginn des Jahres 1997 noch mit 40 Mrd. US-Dollar angegeben und verringerten sich bis Ende Juni 1997 auf 33,5 Mrd. US-Dollar. Später verkündete die Bank of Thailand, Fremdwährungsreserven von rund 23 Mrd. US-Dollar zur Aufrechterhaltung des Wechselkursverhältnisses verwendet zu haben. 41
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 31
handene an. Dies führte dazu, dass die volkswirtschaftlichen Probleme Thailands auf andere Länder wie beispielsweise Indonesien, Malaysia oder die Philippinen extrapoliert wurden. Von Juli bis Ende Oktober 1997 kamen aufgrund von Spekulationen und Kapitalflucht so immer mehr südostasiadsche Staaten unter Druck, die eigene Währung gegenüber dem US-Dollar abzuwerten. Und so verlor der Thailändische Baht rund 34%, die Indonesische Rupiah (IDR) sogar 45%, der Malaysische Riggit (MYR) 26% und der Philippinische Peso (PHP) 25% an Wert (Aschinger 1998). Abbildung 3.7: Indexierte Wechselkurse in US-Dollar
BND
IDR
KHR
LAK
MMK
MYR
PHP
SGD
THB
VND
Quelle: Asian Development hank Key Indicators 2007 (Asian Development hank 2007c). Bemerkungen: Skala logarithmiert. Die Abwertung der Währungen sowie die vorausgehenden hohen Kapitalexporte hatten zur Folge, dass die auch weiterhin abfließende bzw. nicht hinreichend zur Verfügung gestellte Liquidität die Krise weiter verschärfte (Bird/Rajan 2002). Die Liquiditätsproblematik (vgl. Bosworth 1998) sowie die wenig hilfreichen Politikvorgaben und -ansätze des Internationalen Währungsfonds (vgl. Jomo 2001) führten dazu, dass binnen weniger Monate die Wirtschaftsleistung rapide absank. Die Auswirkungen, die aus dem Rückgang der Wirtschaftsleistung resultierten, waren dabei von Land zu Land sehr unterschiedlich. Auch waren — wie erwähnt - nicht alle ASEAN-Staaten im selben Maße von der Asienkrise betroffen. Dennoch bekamen in allen Ländern insbesondere die breiten Mittel- und Unterschichten in irgendeiner Weise die Folgen der Rezession zu spüren. Durch den
32 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
Kapitalabzug, den massiven Verfall der Währungen und den Absturz der Aktienkurse stieg die Auslandsverschuldung von Unternehmen, Finanzintermediären und staatlichen Institutionen erheblich an. Daraus entstehende Zahlungsschwierigkeiten verursachten die Schließung von Firmen und Banken und hatten hohe Arbeitslosigkeit sowie den Verlust von Sparguthaben und anderen Vermögenstiteln zur Folge. Dazu trug auch das Platzen der Immobilienblase bei. Mangels sozialer Sicherungssysteme bedeutete dies für viele eine außerordentliche Armut. Nahrungsmittelsicherheit, medizinische Versorgung und Bildung konnte nicht mehr ausreichend nachgekommen werden. Die Asienkrise hatte so natürlich auch Auswirkungen auf die politischen Systeme der betroffenen Länder. In Indonesien brach im Mai 1998 das autoritäre System unter Präsident Suharto zusammen, in Thailand kam es im Rahmen einer vollständigen Neuordnung des Parteiensystems zu einem vorzeitigen Regierungswechsel und auch auf den Philippinen und in Malaysia brachten die Auswirkungen der Asienkrise einen Wechsel an der Staatsspitze. Nachdem Ende 1998 und Anfang 1999 einige Staaten erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung anzeigten (vgl. Bhaskaran 1999), die gewaltigen sozialen Auswirkungen der Krise aber noch lange nicht absehbar waren, wurde recht schnell deutlich, dass die Integrationsbemühungen, so wie sie vor der Asienkrise betrieben wurden, nicht weitergeführt werden konnten. Während einige ASEAN-Staaten bevorzugten, sich vorerst stärker auf nationalstaatliche Politikfelder zu konzentrierten, entschieden sich andere — allen voran die wirtschaftlich stärkeren und sich schneller erholenden Länder — wieder vermehrt international tätig zu werden und bilaterale Handelsabkommen auch und gerade mit Ländern außerhalb der ASEAN zu schließen (Ziltener 2005). Zwar brachte diese Vorgehensweise anfänglich Kritik anderer ASEAN-Staaten ein, entwickelte sich aber zusehends als ein geeignetes Instrument, dem sich verschärfenden Wettbewerb mit China und Indien zu begegnen und wurde so mehr und mehr auch von den zuvor eher verhaltenen ASEAN-Staaten übernommen. Die zahlreichen bilateralen Initiativen vieler ASEAN-Staaten fördern jedoch nicht gerade eine gemeinsame (multilaterale) Ausrichtung der ASEAN, ließen aber dennoch genügend Spielraum, zeitgleich auch intraregionale Aktivitäten voranzutreiben. Mit dem Beitritt Kambodschas und der Komplementierung der ASEAN auf zehn Mitgliedsstaaten im Jahr 1999 konnte die ab dann wieder zunehmende Zusammenarbeit innerhalb der ASEAN somit auf ganz Südostasien ausgedehnt werden. Bei allen Integrationsinitiativen, die seitdem ergriffen wurden, steht die Vermeidung einer erneuten Asienkrise dabei fast immer an oberster Stelle. Aus diesem Grund wurden neben der Bewältigung der sozialen Auswirkungen der Asienkrise vor allem Reformen des Finanzmarktes, des Wechselkurssystems, der Handelsbeziehungen und einiger staatlicher Institutionen vorangetrieben.
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 33
Wie diese Integrationsinitiativen im Detail aussahen und funktionierten und welche weiteren Aktivitäten die ASEAN-Staaten bis heute ergriffen haben, soll Thema des folgenden Abschnittes sein.
3.3
Initiativen der ASEAN-Staaten
Waren die Integrationsbemühungen der ASEAN in den ersten 30 Jahren seit ihrer Gründung im Jahr 1967 vor allem auf friedensschaffende und friedenserhaltende Maßnahmen ausgelegt, so erwies sich die Asienkrise als eine Art Katalysator, neben den politischen nun auch die wirtschaftlichen und monetären Aspekte der Integration voranzutreiben. Zwar gab es bereits vor der Asienkrise einige Versuche, wirtschaftliche, entwicklungspolitische und finanzielle/monetäre Kooperationen durchzuführen, doch waren diese, wie die meisten anderen der bis dahin aufgenommenen Initiativen, eher freiwilligen Charakters und mehr Absichtserklärungen als tatsächlicher Ausgangspunkt einer wirklichen Integration, was dazu führte, dass nur wenige dieser Initiativen auch tatsächlich umgesetzt wurden. Das erste ernstzunehmende Projekt, auf das sich die ASEAN-Staaten einigen konnten, war die Gründung einer „ASEAN Free Trade Area" (AFTA) im Jahr 1992. Die Freihandelszone AFTA, die sich erst mit ihrem Beitritt zur ASEAN auch auf die Staaten Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha erstreckte, war angedacht, den intraregionalen Handel zu stärken sowie einen einheitlichen, gemeinsamen Markt und Investitionsstandort zu schaffen (vgl. ASEAN Secretariat 2002). Dazu wurden zahlreiche zusätzliche Abkommen wie das „ASEAN Framework Agreement on Services" (AFAS) oder das „Abkommen zur ASEAN Investment Area" (ΑΙΑ) geschlossen, um etwa intraregionale Beschränkungen bei Dienstleistungen und Investitionen, aber auch dem Güterhandel zu reduzieren. Beim Güterhandel sah beispielsweise das auf dem die AFTA aufbauende Abkommen zur Reduzierung der Zollsätze (Agreement on Common Effective Preferential Tariffs, kurz: CEPT) vor, fast alle auf intraregional gehandelte Güter anfallenden Zollsätze bis 2008 auf unter 5% zu senken (ASEAN Secretariat 1992; 1998a).42 Aufgrund des zunehmenden Integrationsengagements der ASEAN-Staaten nach der Asienkrise gelang es aber dann bereits 2003, dieses Vorhaben zu verwirklichen, so dass nunmehr fast 99% aller Waren einem Zollsatz zwischen 0% und 5% unterliegen. 43 Staaten, die der AFTA später beitraten, wurde dabei ein verlängerter Durchführungszeitraum zugesagt (2006 für Vietnam, 2008 für Laos und Myanmar sowie 2010 für Kambodscha). 44 Auf
Kurz nach der Gründung der A F T A 1992 wurde deren schnelle Umsetzung aber vor allem wegen unterschiedlicher Auffassungen den jeweiligen Kernindustrien und der Landwirtschaft gegenüber gehemmt, so dass zeitweise sogar einer Verschiebung über das Jahr 2008 hinaus in Betracht kam. 43 Dabei wurde der durchschnittliche Zollsatz von 12,8% (1993) auf 2,7% (2003) gesenkt. 44 Vgl. dazu auch die Ausführungen des A S E A N Secretariat (1998a; 2002). 42
34 • Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
eine Zollunion mit gemeinsamem Außenzoll konnte man sich aber bis dato noch nicht einigen. Auch die für einen gemeinsamen Markt notwendige und möglichst vollständige Beseitigung nichttarifarer Handelschranken kommt nur langsam voran. Eine neben der AFTA weitere und für die wirtschaftliche Integration besonders bedeutende Initiative, welche ebenfalls erst aufgrund der durch die Asienkrise gesammelten Erfahrungen zustande kam, ist darum die im Rahmen der „ASEAN Community" vorangetriebene „ASEAN Economic Community" (AEC). Die Basis zur Schaffung der AEC wurde dabei bereits inmitten der Asienkrise, im Dezember 1997, durch die Verabschiedung der „ASEAN Vision 2020" gelegt. Das 2003 unterzeichnete Abkommen „Bali Concord II" konkretisierte die Vorstellungen der „ASEAN Vision 2020" und zeichnet, neben der im Rahmen der „ASEAN Community" ebenfalls vorgestellten ASEAN „Security Community" (ASC) und „ASEAN Socio-Cultural Community" (ASCC), eine Blaupause der AEC (vgl. Ferguson 2004). Demnach soll die AEC die ASEAN-Staaten bis 2020 zu einem einheitlichen, von Wettbewerb bestimmten Markt und Produktionsstandort zusammenführen, der erfolgreich in die Weltwirtschaft integriert ist, Bewegungsfreiheit für Güter, Dienstleistungen, Kapital und gut ausgebildete Arbeitnehmer bietet sowie eine gleichmäßige Entwicklung aller beteiligter Nationen ermöglicht (ASEAN Secretariat 2003; 2004b). Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zahlreiche weitere Initiativen gestartet. Zu den bedeutendsten zählen dabei die bereits in Kapitel 0 kurz vorgestellten Maßnahmen des „Hanoi Plan of Action" (ΗΡΑ) sowie des „Vientiane Action Programme" (VAP). Neben der Zusammenführung der drei Säulen der „ASEAN Community" (ASC, ASCC und AEC) ist es die Hauptaufgabe von ΗΡΑ und VAP, gemeinsam mit der „Initiative for ASEAN Integration" (IAI) und anderen Aktivitäten, vor allem die wirtschaftliche Integration aktiv und fassbar voranzutreiben sowie die Entwicklungsunterschiede zwischen den zehn ASEAN-Staaten zu reduzieren. Unter dem Dach der AEC wurden dazu konkrete Vereinbarungen getroffen, die beispielsweise die Auflegung eines Entwicklungsfonds zur Förderung der ärmsten ASEAN-Staaten (Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam) vorsieht, aber auch spezifische Integrationsfahrpläne für wirtschaftlich bedeutende Sektoren zeichnen. In diesem Rahmen wurden so mittlerweile über 100 Einzelprojekte verwirklicht, die von der Förderung der Informationstechnologie und des Tourismus über Energiegewinnungsprojekte, Infrastrukturmaßnamen, Austauschprogramme und Ausbildungsoffensiven bis hin zur Gesundheitsförderung und Public-Privat-Partnership-Programmen reichen.45 Viele dieser Projekte Vgl. dazu die Originaldokumente von ΗΡΑ, VAP und IAI des ASEAN Sekretariats (ASEAN Secretariat 1998b; 2001; 2004c) sowie die Ausführungen u. a. von Cuyvers et al. (2005).
45
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 35
werden dabei auch von extraregionalen Partnern wie der Europäischen Union oder den USA und anderen Industrienationen unterstützt — mitunter aber auch mit beeinflusst. Die AEC ist demnach die — zumindest seit der Asienkrise 1997/1998 — wichtigste wirtschaftliche Integrationsinitiative der ASEAN-Staaten und kann, sollten weitere bestimmte Bedingungen erfüllt und gewisse Voraussetzungen gegeben sein, sich als wichtiger Grundbaustein einer Wirtschaftsunion in Südostasien erweisen. Dass auch die ASEAN-Staaten der AEC eine hohe Bedeutung beimessen, lässt sich schon daran erkennen, dass dessen Komplementierung im Januar 2007 um fünf Jahre von 2020 auf 2015 vorgezogen wurde (ASEAN Secretariat 2007c). Die Asienkrise hat allerdings nicht nur Initiativen zur wirtschaftlichen Integration beschleunigt, sondern vor allem auch die monetäre bzw. finanzielle Integration vorangetrieben. Noch im November 1997, also nur fünf Monate, nachdem die Thailändische Zentralbank gezwungen war, die feste Kopplung des Baht an den US-Dollar aufzugeben, wurde die „Manila Framework Group" (MFG) ins Leben gerufen. Aufgabe der MFG war es, bis zu ihrer Auflösung 2004 durch Überwachung bzw. Beobachtung der Wirtschaft und der Finanzmärkte mögliche Krisen rechtzeitig zu erkennen und geeignete Vorschläge zu deren Vermeidung zu unterbreiten und im Falle einer Krise das Krisenmanagement zu koordinieren (vgl. Manupipatpong 2002). Mitglieder der MFG waren 14 Nationen 46 , bei deren halbjährlichen Treffen neben den Vertretern der jeweiligen Finanzministerien und der Zentralbanken auch Vertreter der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Asian Development Bank (ADB) und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich anwesend waren. Zur Auflösung kam es, weil die Teilnahme zahlreicher extraregionale MFG-Mitglieder sich als ungeeignet und wenig hilfreich für die Bedürfnisse der Region Südostasien erwies. Im Rahmen des „ASEAN Surveillance Process" (ASP) bestehen bis heute dennoch zahlreiche weitere Überwachungsinstitutionen, die ebenfalls im Zuge der Asienkrise etabliert wurden und deren Überwachungsfunktion anhand der Datensammlung, -aufbereitung und -analyse sowie der Transparenzschaffung und Politikberatung einen wichtigen Beitrag zur Integration in Südostasien leisten (vgl. Manzano 2001). Zu den wichtigsten Institutionen im ASP gehört die 1998 geschaffene „ASEAN Surveillance Coordinating Unit" (ASCU). Ihre Aufgabe umfasst das Zusammenführen von Informationen zu aktuellen wirtschaftlichen und monetären Entwicklungen in der Region und darüber hinaus, die Überwachung bestimmter sektoraler und sozialer Bereiche, die Aufarbeitung dieser Informationen sowie Diese sind: Australien, Brunei, China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Korea, Malaysia, Neuseeland, die Philippinen, Singapur, Thailand und die USA. 46
3 6 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
die Bereitstellung geeigneter Früherkennungsinstrumente, um Probleme rechtzeitig ausfindig zu machen, die die Wirtschaft im Allgemeinen und den Finanzsektor im Besonderen negativ beeinflussen könnten. Wenngleich die Arbeit der ASCU mitunter als wenig effektiv und die vielen Redundanzen mit der Arbeit des IWF bemängelt werden 47 , trägt die ASCU dennoch dazu bei, Marktintransparenzen zu reduzieren, strukturelle Probleme aufzuzeigen, Reformen anzustoßen und die politische Koordination dabei zu verbessern. Weitere Institutionen sind die zahlreichen, auf Basis der verstärkten internationalen Zusammenarbeit entstandenen Ministertreffen. Unter ihnen das „ASEAN+3 Finance Ministers' Meeting", das „APEC Finance Ministers' Meeting" sowie das „ASEM Finance Ministers' Meeting". Dazu kommen beinah endlose Expertenrunden im Rahmen des „EMEAP Governors' Meeting", der „SEACEN Expert Group on Capital Flows" oder der „Association of Credit Rating Agencies in Asia" (ACRAA) (vgl. Lamberte/Yap 2003). Aus diesen Institutionen heraus entstanden, vor allem im Umfeld der 1998 zusammengefundenen ASEAN+3 (ASEAN plus China, Japan und Südkorea), einige für die ASEAN besonders bedeutende Initiativen. Zu ihnen gehört der Vorschlag zur Schaffung eines eigenen asiatischen Währungsfonds, welcher insbesondere von Japan unterstützt und vorangetrieben wurden, dann aber an der ablehnenden Haltung des IWF, der Europäischen Union und der USA scheiterte (Bird/Rajan 2002; Wang/Andersen 2002). Trotz der ablehnenden Haltung von IWF, EU und USA unternahmen die ost- und südostasiatischen Staaten allerdings weitere Versuche, ihre Abhängigkeit im Falle einer Krise von internationalen Institutionen wie dem IWF oder auch der Weltbank zu reduzieren. Im Mai 2000 kommt es so in Chiang Mai, Thailand, zu einem Übereinkommen der „Chiang Mai Initiative" (CMI) - , die bis dahin bestehenden, aber eher unbedeutenden „ASEAN Swap Arrangements" (ASA) 48 zu erweitern, um daraus ein Netwerk gegenseitiger (bilateraler) Swap-Abkommen herzustellen. Die „Bilateral Swap Arrangements" (BSAs), welche den Kern der CMI bilden, sollen im Falle einer spekulativen Attacke auf eine der beteiligten Währungen kurzfristige Leistungsbilanzdefizite ausgleichen, in dem ein Teil (10%) des in der Krisensituation dann notwendigen Kapitals sofort und ohne IWF-Beteiligung bereitstellt wird. 49 Dies soll anhand wechselseitiger, auf maximal sechs Monate begrenzter Währungskredite geschehen, die meist in US-Dollar ausgestellt sind und es dem jeVgl. dazu auch die Ausführungen bei Manzano (2001) oder Manupipatpong (2002). Das Abkommen zu den ASEAN Swap Arrangements (ASA) wurde 1977 von Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand unterzeichnet und umfasst ca. 2 Mrd. US-Dollar. 49 Für weiteres Kapital ist dann allerdings die Einbindung des IWF notwendig, da sonst keine Einigung mit den für die ASEAN noch immer sehr wichtigen USA hätte erzielt werden können. 47
48
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 37
weils betroffenen Land erlauben, die eigene Währung zu stützen und Liquidität für den durch Kapitalflucht beeinträchtigten Markt bereitzustellen. Als „lender of last resort' soll die CMI somit vor allem ein Übergreifen spekulativer Attacken und ein Ausweiten der Krise auf andere asiatische Länder vermeiden sowie eine gewisse Wechselkursstabilität und bessere Kapitalflusskontrolle erreichen.50 Die aus den Erfahrungen der Asienkrise resultierende CMI umfasst nach zahlreichen Erweiterungsschritten heute 28 bilaterale Swap-Abkommen mit einem Volumen von rund 80 Mrd. US-Dollar (vgl. Tabelle 3.1). Tabelle 3.1: Bilaterale Swap-Abkommen im Rahmen der CMI Länder
Währung
Summe in US-Dollar
Japan - Korea
USD/KRW
10 Mrd.
Japan - Korea
JPY/KRW
3 Mrd.
Korea - Japan
USD/JPY
5 Mrd.
Korea - Japan
KRW/JPY
3 Mrd.
Japan - China
JPY/CNY
3 Mrd.
China - Japan
CNY/JPY
3 Mrd.
Korea - China
KRW/CNY
China - Korea
CNY/KRW
Japan - Thailand
China - Thailand
USD/THB
2 Mrd.
China - Malaysia
USD/MYR
1,5 Mrd.
China - Philippinen
CNY/PHP
2 Mrd.
China - Indonesien
USD/IDR
4 Mrd.
4 Mrd.
Korea - Thailand
USD/THB
1 Mrd.
4 Mrd.
Thailand - Korea
USD/KRW
1 Mrd.
USD/THB
3 Mrd.
Korea - Malaysia
USD/MYR
1,5 Mrd.
Thailand - Japan
USD/JPY
3 Mrd.
Malaysia - Korea
USD/KRW
1,5 Mrd.
Japan - Malaysia
USD/MYR
1 Mrd.
Korea-Philippinen
USD/PHP
1,5 Mrd.
Philippinen - Korea
USD/KRW
1,5 Mrd.
Korea - Indonesien
USD/IDR
Indonesien - Korea
USD/KRW
Japan - Philippinen
USD/PHP
Philippinen-Japan
USD/JPY
Japan - Indonesien
6 Mrd. 0,5 Mrd.
USD/IDR
6 Mrd.
Japan - Singapur
USD/SGD
3 Mrd.
Singapur-Japan
USD/JPY
1 Mrd.
Total
2 Mrd. 2 Mrd. 80 Mrd.
Quelle: Japanese Ministty of Finance (2007). Eine ausführliche Darstellung der CMI und Diskussion darüber ist u. a. zu finden bei: Henning (2002), Manupipatpong (2002), Rana (2002), Wang/Andersen (2002) und Eichengreen (2003). 50
38 Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
Zusammen mit dem von den Finanzministern der ASEAN+3-Staaten im Mai 2007 geschlossenen Abkommen, die CMI durch das Pooling eines Teils der enormen Fremdwährungsreserven zu einem multilateralen Netzwerk auszubauen, ist die CMI nun in der Lage, zu einem der wichtigsten Grundbausteine beim Aufbau einer Währungsunion in Südostasien zu werden. Ein weiterer bedeutender Grundbaustein zur Schaffung einer Währungsunion in Südostasien ist neben der CMI in der — ebenfalls durch die ASEAN+3-Staaten initiierten - „Asian Bond Market Initiative" (ABMI) zu sehen. Aufgrund der hohen Spartätigkeit weiter Teile der südostasiatischen Bevölkerung, der fast ausschließlichen Finanzierung der Unternehmen durch Bankkredite sowie der nur unzureichend vorhandenen Liquidität entstand aus den Erkenntnissen der Asienkrise heraus die Notwendigkeit, einen breiteren, umfassenderen, transparenteren und weniger krisenanfälligeren Finanzmarkt zu bilden. Die „Asian Bond Market Initiative", die Teil dieser gewonnenen Erkenntnis ist, soll deshalb vor allem dazu beitragen, durch eigene in Landeswährung ausgestellte Anleihen erweiterte und langfristige intraregionale Finanzierungs- und Anlagemöglichkeiten für Privatpersonen, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zu schaffen. Dadurch soll wiederum die Abhängigkeit kurzfristiger US-Dollar dominierter Kredite verringert, der Kapitalabfluss in außerasiatische Geldanlagen eingegrenzt und eine Stabilisierung des Finanzsystems erreicht werden. 51 Mit Ausnahme von Brunei, Kambodscha, Laos, und Myanmar werden heute in allen ASEANStaaten eigene in Landeswährung notierte Anleihen ausgegeben (Asian Development Bank 2007a). 52 Tabelle 3.2: Umfang in Landeswährung notierter Anleihen In Mrd. US-Dollar Staat
Firmen
in % des BIP Staat
Total
Firmen
Total
IDN
48,1
6,9
55
12,6
1,8
14,4
MYS
70,8
61,2
132
42,1
36,4
78,4
PHL
43,5
43,5
37,2
SGP
55,9
43,3
99,2
41,9
32,4
74,3
THA
89,2
39,5
128,7
36,3
16,1
52,4
VNM
4,5
0,4
4,9
8,1
0,8
8,9
37,2
Quelle: Asia Bond Indicators, Mär^ 2007 (Asian Development Bank 2007a).
51 Zur Ausgestaltung, Hintergründen und Entwicklung der Asian Bond Market Initiative vgl. u. a. Hirose et al. (2004), Rhee (2004), Plummer/Click (2005) und Montreevat (2005). 52 Die Laufzeiten der ausgestellten Anleihen sind dabei sehr unterschiedlich. A m Häufigsten sind 3-, 5-, 7- und 10-jährige Anleihen (vgl. Asian Development Bank 2007a).
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 39
In engem Zusammenhang mit der Emittierung eigener Anleihen stehen weitere Initiativen, die sich insbesondere mit der Marktregulierung, dem Investorenschutz, der Förderung und Entwicklung neuer Anleihen, den Kapitalverkehrskontrollen, der Besteuerung, der Datenaufbereitung, dem Rating und den rechtlichen, für den Anleihenmarkt besonders relevanten Rahmenbedingungen beschäftigen. Es zeigt sich, dass die ASEAN-Staaten in den vergangenen Jahren zahlreiche auch sehr spezifische Initiativen zur wirtschaftlichen und monetären Integration ergriffen haben und diese Initiativen mitunter sehr erfolgreiche Ergebnisse mit sich brachten. Viele dieser Initiativen kamen dabei jedoch eher als Reaktion externer Faktoren, die Druck auf den Integrationsprozess ausgeübt haben, zustande, als dass sie das Ergebnis eines geplanten, eigens initiierten Integrationswillen waren. 53 Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass die ASEAN-Staaten ein institutionelles Umfeld schaffen, welches die Ziele, Normen und Prinzipien der ASEAN widerspiegelt und innerhalb dessen sich ein dynamischer, stabiler, regelgeleiteter Integrationsprozess vollziehen kann, an dessen Ende eine Wirtschaftsund Währungsunion steht und der insbesondere den regionalen Interessen dient und die ASEAN-Staaten unabhängig von externen Faktoren macht. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit der Verabschiedung der „ASEANCharter" (ASEAN Secretariat 2007a) erfolgt. Die „ASEAN-Charter" wird die bisher getroffenen Vereinbarungen der ASEAN sowie deren — in Kapitel 2.2 erwähnten - Ziele, Normen und Prinzipien auf eine vertragliche Basis stellen und einen institutionellen Rahmen für alle die ASEAN betreffenden Entscheidungen bilden. Insbesondere wird der ASEAN der Status einer juristischen Person mit rechtlichen Befugnissen zuerkannt, das nunmehr zweimal jährlich stattfindende ASEAN Gipfeltreffen als oberstes Entscheidungsgremium verankert, die Stellung des ASEAN-Sekretariats gestärkt, die Klärung von Unstimmigkeiten durch einen „Dispute Settlement Mechanism" neu geordnet, die Beziehungen zwischen den ASEAN-Staaten und deren gemeinsamen externen Partnern verbindlich geregelt, Grundsätze innerstaatlichen Verhaltens (auch bezüglich der Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten) festgelegt sowie die Förderung einer gemeinschaftlichen Identität besiegelt. Außerdem werden die existierenden Mechanismen im Entscheidungsfindungsprozess restrukturiert und die bisher gebräuchlichen Formeln durch eine allgemeine „ASEAN minus x" Formel ersetzt, nach der die Mitgliedsstaaten über ihre Integrationstiefe und Partizipation in zeitlicher Hinsicht selbst entscheiden dürfen, sofern über die zu entscheidenden Fragen ein Konsens besteht (vgl. ASEAN Secretariat 2007a; 2008a). Ob jedoch die letztendliche Umsetzung einer solchen „ASEAN-Charter" gelingt und die gewünschte effiziente, zeitnahe Implementierung beschlossener Ent53
Vgl. dazu die Ausführungen von Hook (1999), Beeson (2003) und Yeo (2005).
40 · Wirtschaftliche und monetäre Integration im asiatischen Raum
Scheidungen stattfindet, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Zu oft erwies sich die Festsetzung, vor allem aber die konsequente Ausführung der Vorhaben als problematisch. Auf dem Weg zu einer Wirtschafts- und Währungsunion in Südostasien bleiben daher weiterhin zahlreiche Fragen, die den wirtschaftlichen und monetären Integrationsprozess, aber auch den wirklich notwendigen Institutionenaufbau der ASEAN betreffen, offen. Der kommende Abschnitt soll darum diese noch offenen Fragen aufwerfen, um darauf aufbauend im weiteren Verlauf dieser Arbeit einige Lösungsvorschläge dafür zu erarbeiten.
3.4
Offene Fragen
Ist es das erklärte Ziel der ASEAN, eine Wirtschafts- und Währungsunion im asiatischen Raum zu bilden, so müssen, bevor ein solches Vorhaben beginnt, einige wichtige Fragen beantwortet werden. Diese betreffen in erster Linie die Eignung, die zu erwartenden Folgen aber auch die Voraussetzungen sowie die Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion. Obwohl die ASEAN-Staaten bis heute bereits zahlreiche Integrationsbemühungen vorangetrieben und durchgeführt haben, steht das tatsächliche Vermögen der ASEAN-Staaten, eine langfristige, funktionsfähige und effiziente Wirtschafts- und Währungsunion zu etablieren, noch nicht hinreichend fest. Aus diesem Grund ist es notwendig, für solch ein Projekt zu allererst die Eignung der ASEAN-Staaten in ihrer Gesamtheit zu überprüfen. Es geht hierbei um die Frage: Ist Asien überhaupt ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum oder nicht? Auf der Basis der bisherigen Entwicklung und den Bemühungen der ASEAN-Staaten ist zu untersuchen, ob sich aus deren spezifischen ökonomischen und monetären Begebenheiten zumindest eine theoretisch technische Eignung ergibt, und wenn ja, für alle oder nur bestimmte Mitgliedsstaaten. Konkret müssen hierbei die noch offenen Fragen nach der Entwicklung der Wirtschaftskraft, dem zukünftigen Entwicklungspotential, den Konjunkturverläufen, der Preis-, Zins-, Geldmengen- und Wechselkurentwicklung sowie der Faktormobilität und anderen Kriterien beantwortet werden, bevor detaillierte Aussagen über die gemeinschaftliche Eignung gemacht werden können. Vor allem wird es aber auch um die Frage gehen, welche noch bestehenden Hindernisse einer fortschreitenden Integration im Wege stehen. Von mindestens ebenso hoher Bedeutung wie die Frage nach der Eignung der ASEAN-Staaten, ist die Frage nach den zu erwartenden Folgen einer Wirtschafts- und Währungsunion in Südostasien. Es muss beantwortet werden, welchen Nutzen die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion bietet und mit welchen Kosten ein derartiges Vorhaben verbunden ist. Auch geht es dabei um die bisher noch nicht beantwortete Frage: Wer (welches Land, welcher Sektor, welche Gruppe) am meisten profitiert bzw. wer die Kosten der Wirtschafts-
Die Asienkrise als Auslöser einer erweiterten wirtschaftlichen und monetären Int. · 4 1
und Währungsunion zu tragen hat? Dies schließt mit ein, ob und inwieweit bestimmte Kosten und Nutzen von dauerhaftem oder einmaligem Charakter sind. Können zu diesen Fragen befriedigende Antworten gegeben werden, so ist nach den Voraussetzungen einer Wirtschafts- und Währungsunion im asiatischen Raum zu fragen. Es ist dabei zu klären, welche Eigenschaften und Institutionen wirklich notwendig sind, um eine effektive und effiziente Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion zu gewährleisten. Es muss darauf aufbauend gefragt werden, welche zukünftige Rolle den bisher betriebenen Integrationsbemühungen zukommen kann, wie sie eventuell ausgebaut bzw. verbessert werden können und ob die Prinzipien des „ASEAN-Way" einer weiteren Entwicklung im Weg stehen oder gar Chancen bieten? Vor allem muss aber nach den Voraussetzungen gefragt werden, die den zukünftigen Nutzen für alle Beteiligten erhöhen und zugleich die Kosten möglichst gering halten. Inwieweit die notwendigen Vorraussetzungen unter den bisherigen Umständen 54 und der Tatsache, dass bisher alle Vereinbarungen auf Freiwilligkeit und Konsens beruhten, umgesetzt werden können, ist ebenfalls zu untersuchen. In diesem Zusammenhang ist auch die noch offene Frage nach einer notwendigen politischen, wirtschaftlichen und monetären Verfassungsordnung von besonderer Bedeutung. Es ist zu erläutern, welche verfassungsrechtlich fixierten Rechtsnormen den Anforderungen der ASEAN-Staaten entsprechen und wie deren Umsetzung dazu beitragen kann, die jeweiligen Zuständigkeiten eindeutig zu regeln sowie politische Freiheiten und effiziente Marktstrukturen sicherzustellen. Der vierte und letzte Problemkreis hat schließlich die Frage nach der Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion in Südostasien zum Gegenstand. Hier geht es um die unterschiedlichen Szenarien sowie die Modalitäten zur Einführung.
54 Dazu gehören auch die Einflüsse externer Partner, wie sie in Kapitel 2.3 erläutert wurden.
42
4
Grundzüge geeigneter Wirtschafts- und Währungsräume
4.1 Allgemeine Grundlagen Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die allgemeinen Ziele, die unterschiedlichen Interessen sowie darauf folgend die Notwendigkeit und der Status Q u o der wirtschaftlichen und monetären Integration in Asien dargestellt wurden und die noch offenen Fragen einen Ausblick auf die weitere Vorgehensweise gegeben haben, wird dieses Kapitel die Integration aus theoretischer Sicht näher beleuchten. Der Begriff Integration bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch sowohl die Schaffung einer Einheit als auch die Eingliederung in ein größeres Ganzes. Er ist ambivalent und beschreibt so zum einen den Zustand, bei dem einzelne staatliche Einheiten nach abgeschlossenem Integrationsprozess eine wirtschaftliche und/oder monetäre und/oder politische Gemeinschaft bilden und zum anderen den Integrationsprozess selbst.55 Der wirtschaftliche Integrationsprozess ist gekennzeichnet durch die Abschaffung wechselseitiger Behinderungen und Diskriminierungen im grenzüberschreitenden Waren-, Diensdeistungs- und Kapitalverkehr.56 Letzterer bildet den Übergang zum monetären Integrationsprozess, welcher sich insbesondere durch eine Koordinierung der Geld- und Wechselkurspolitik charakterisieren lässt. Der politische Integrationsprozess ist gekennzeichnet durch die schrittweise Aufgabe von Souveränität und die Verlagerung eigener politischer Kompetenzen auf zumeist höher gelagerte staatliche Einheiten sowie eine vertiefte Koordination bestimmter Politikbereiche. In allen Fällen beschränkt sich der Integrationsbegriff allerdings nicht auf die sofortige und vollständige Beseitigung aller Behinderungen, Diskriminierungen und Grenzen, sondern bezieht vielmehr auch die einzelnen Zwischenschritte mit ein. Jeder Integrationsprozess mit dem Ziel, die wechselseitigen Behinderungen, Diskriminierungen und Grenzen zwischen staatlichen Einheiten zu beseitigen, bedeutet gleichzeitig jedoch auch die Aufrechterhaltung derselben gegenüber Dritten. Die Verbindung staatlicher Einheiten kann innerhalb einzelner, aber auch zwischen mehreren Volkswirtschaften erfolgen. Ist letzteres der Fall, so ist außerdem zwischen regionaler und globaler Integration zu unterscheiden. Die regionale Integration ist dadurch gekennzeichnet, dass
Der dynamischen Sichtweise wird in der Regel eine größere Bedeutung zugemessen. Eine umfangreiche Darstellung der wirtschaftlichen Integration u. a. zu finden bei: Machlup (1977). 55
56
Allgemeine Grundlagen · 43
innerhalb einer bestimmten Region, die nicht 2wingend mit dem geographischen Begriff der Region gleichzusetzen ist, die wechselseitigen Behinderungen, Diskriminierungen und Grenzen reduziert bzw. abgeschafft werden. Die globale Integration versteht dahingegen die weltweite Abschaffung von Handelshemmnissen im Sinne der von der WTO geführten Verhandlungen. Die Kernfragen, die hinter dem Integrationsbegriff stehen, sind: Lohnt es sich für ein Land, internationalen Handel zu betreiben und dadurch seine Märkte für Güter, Dienstleitungen, Arbeit und Kapital zu öffnen oder ist es besser, protektionistische Maßnahmen zur Abschottung zu ergreifen? Wie verteilen sich Wohlfahrtsgewinne bzw. -Verluste auf die teilnehmenden Länder, Regionen und deren Industrien? Welche Kosten und welche Nutzen sind mit der Schaffung fixer Wechselkurse bzw. einer gemeinsamen Währung verbunden? Welche Auswirkung hat der Integrationsprozess auf die Industriestruktur? Und wie ist die Rolle der Politik dabei zu beurteilen? Die Fragen implizieren bereits, dass die unterschiedlichen Arten der Integration bedeutende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der beteiligten Länder und Regionen haben. Diese Auswirkungen können dabei sowohl positiv als auch negativ sein. Zu den von den beteiligten Ländern erwarteten positiven Auswirkungen gehören u. a.: Die Handelsschaffung, eine verstärkte Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen der beteiligten Länder, Einkommenseffekte, Reallokation von Produktionsfaktoren, Skalenerträge durch Spezialisierung, technischer Fortschritt, Verbesserungen der Terms of Trade, Spillover-Effekte, Abbau monopolistischer Marktstrukturen, Wettbewerbsintensivierung, neue Investitionsgelegenheiten, sinkende Investitionsrisiken und eine verstärkte grenzüberschreitende Investitionstätigkeit (vgl. Borrmann 1997). Als negative Auswirkungen der Integration gelten: Der wachsende Einkommensdruck auf immobile und gering qualifizierte Arbeitskräfte, Veränderung der Industriestruktur, Arbeitsplatzverluste in bestimmten Industriesektoren und Regionen, begrenzter Gestaltungsspielraum der nationalen Politik sowie ungewollte Migrationsbewegungen. Für eine abschließende Beurteilung der Integration ist jedoch die Perspektive, von der aus die Auswirkungen bewertet werden sollen, entscheidend. So bemisst sich der Erfolg oder Misserfolg eines Integrationsprozesses letztendlich nicht nur anhand der die Veränderung der Wohlfahrtssituation der einzelnen direkt beteiligten Länder bzw. Regionen, sondern auch über die der integrierten Gemeinschaft als Ganzes sowie den eventuell nicht beteiligten Drittländern. Dies führt dazu, dass die Beurteilung eines spezifischen Integrationsprozesses nur unter bestimmten Annahmen und einer bestimmten Sichtweise heraus erfolgen kann.
44 · Grundzüge geeigneter Wirtschafts- und Währungsräume
Sind die direkt beteiligten Länder darüber hinaus sehr unterschiedlich — etwa in Bezug auf deren Offenheit, Wirtschaftskraft, Entwicklungsstand, Industriestruktur und Einwohnerzahl — und liegen in ungleicher räumlicher Distanz zueinander, so erhöht sich der Komplexitätsgrad erheblich und erschwert eine umfangreiche und abschließende Beurteilung. Doch nicht nur die Beurteilung der Integration wird durch diese Faktoren erschwert; bereits die Findung einer geeigneten theoretischen Basis erweist sich als problematisch. So tun sich — wie später zu sehen sein wird — klassische, neoklassische und modernere Integrationstheorien gleichermaßen schwer, die komplexen Integrationszusammenhänge realitätsnah zu modellieren. Entsprechend lieferten sie bis heute alles andere als handfeste Erkenntnisse über mögliche Integrationsergebnisse. Gerade dann, wenn es gilt, eine allgemeingültige Theorie der Integration zu entwerfen, die auf alle Anwendungsgebiete übertragbar sein soll. Viele Ansätze, die sich vor allem um realitätsnähere Annahmen bemühen, sind so spezifisch, dass es enorm schwierig ist, die verschiedenen Forschungsergebnisse zu einer Richtlinie für die Bewertung von Integrationsphänomenen zusammenzufassen (vgl. Gunter 1989). Um die Auswirkungen, die eine Wirtschafts- und Währungsunion für Südostasien haben kann, zu untersuchen und um herauszufinden, unter welchen Bedingungen sich die ASEAN-Staaten zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion zusammenschließen sollten, ist es somit notwendig, in den folgenden Abschnitten möglichst viele Integrationsphänomene und deren theoretische Hintergründe zu analysieren, um diese einer abschließenden Beurteilung zufuhren zu können. In einem ersten Schritt wird dazu der allgemeine Integrationsbegriff in eine wirtschaftliche und eine monetäre Komponente unterteilt werden.57 Eine geteilte Darstellung der wirtschaftlichen und monetären Integration erlaubt es, später eine differenziertere Herangehensweise zu verfolgen. Kapitel 4.2 wird sich demzufolge mit der Theorie der Wirtschaftsräume beschäftigen. Darin werden verschiedene wirtschaftliche Integrationsphänomene näher beleuchtet werden und die theoretisch-historischen Grundlagen des Integrationsprozesses aufgezeigt, um dann im Verlauf dieser Arbeit die Eignung Südostasiens als einheitlichen Wirtschaftsraum untersuchen zu können. Kapitel 4.3 wird die Theorie der Währungsräume darstellen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Theorie der optimalen Währungsräume (OCA) sowie die unterschiedlichen Aspekte der gängigsten Währungsregimes. Die damit eng verbundenen monetären Integrationsphänomene wie etwa der Einfluss des Wechselkurses auf den Handel oder der Zusammenhang zwischen Kapitalmarktöffnung und Wachstum werden ebenso von Bedeutung sein.
57
Die politische Komponente soll nur am Rand betrachtet werden.
Theorie der Wirtschaftsräume • 45
4.2
Theorie der Wirtschaftsräume
Die wirtschaftliche Integration zwischen unabhängigen Staaten lässt sich auf verschiedenen Stufen verwirklichen. Gewöhnlicherweise sind in der Literatur 58 die folgenden Integrationsstufen (mit zunehmendem Integrationsgrad) zu identifizieren: 1.) Die Freihandelszone, welche durch Freihandel zwischen den daran teilnehmenden Mitgliedsländern gekennzeichnet ist. 2.) Die Zollunion, bei der zum Freihandel ein gemeinsamer Außenzoll hinzukommt. 3.) Der Gemeinsame Markt, der durch Abbau der Mobilitätshindernisse der Produktionsfaktoren identifiziert werden kann. 4.) Die Wirtschaftsunion, deren Hauptmerkmal die Koordinierung der Wirtschaftspolitik ist. Tabelle 4.1: Stufen der wirtschaftlichen Integration
Freihandelszone
Freihandel zwisehen den Mitgliedsländern ren χ
Gemeinsamer Außenzoll
Mobilität der Produktionsfakto-
Zollunion
χ
χ
Gemeinsamer Markt
χ
χ
χ
Wirtschaftsunion
χ
χ
χ
Koordinierung der Wirtschaftspolitik
χ
Quelle: Eigene Darstellung Jedes Land muss dabei für sich entscheiden, welche Stufe der Integration die für sie beste ist. In der Regel beginnt die wirtschaftliche Integration meist auf den Gütermärkten und schließt im Zeitablauf dann die Faktormärkte mit ein. Allerdings ist ein schrittweiser Ablauf nicht zwingend. So lassen sich beispielsweise Integradonsstufen auch überspringen, wenn sich die daran beteiligten Staaten darauf einigen können. Die unterste Integrationsstufe bildet die Freihandelszone. Eine Freihandelszone entsteht zumeist, wenn zwischen zwei Staaten geschlossene Freihandelsabkommen mit weiteren Ländern kombiniert und schließlich zu einer einheitlichen Freihandelszone zusammengeführt werden. 59 Bilaterale Freihandelsabkommen bzw. die daraus resultierenden Freihandelszonen sind durch die Abwesenheit gegenseitiger Handelshemmnisse und Importbeschränkungen gekennzeichnet. Allerdings kommt es in den meisten Fällen nicht zu einer sofortigen vollkommenen Abwesenheit aller Handelsschranken, sondern vielmehr zu einem schrittweiVgl. beispielsweise Balassa (1962). Während Freihandelsabkommen auch international zustande kommen, sind Freihandelszonen in der Regel regional begrenzt. 58
59
46 · Grundzüge geeigneter Wirtschafts- und Währungsräume
sen Abbau, bei dem oftmals bestimmte Sektoren oder Industrien ausgeklammert bleiben. Während die Hemmnisse, Beschränkungen und sonstigen restriktiven Handelsvorschriften dabei nur zwischen den Mitgliedern der Freihandelszone beseitigt werden, bleiben meist die von jedem Land einzeln festgelegten Handelsschranken gegenüber Drittländern bestehen. Als Hauptursache für die Schaffung von Freihandelszonen gilt der vermutete positive Zusammenhang zwischen dem Abbau von Handelshemmnissen bzw. der Offenheit eines Landes und dessen wirtschaftlichen Wachstum. Die Offenheit eines Landes wird dabei vorwiegend als die Abwesenheit von tarifären wie nichttarifaren Handelbeschränkungen definiert. Allerdings werden je nach Untersuchung darüber hinaus auch weitere Definitionen und Indikatoren verwendet. Harrison (1996) liefert in ihrer Untersuchung einen Überblick über die unterschiedlichen Definitionen und zeigt, dass Studien, welche die Auswirkungen von Offenheit auf das Wachstum anhand des Verhältnisses von Export plus Import zu BIP untersuchen, einen positiven Zusammenhang finden.60 Auch Studien, die anhand von Preisvariablen oder der Produktivität die Auswirkungen von Offenheit auf das Wachstum erforschen, kommen, so Harrison (1996), auf einen positiven Zusammenhang. 61 Ebenfalls positiv bewerten Dollar (1992), Leamer (1988) sowie Sachs/Warner (1995) den Zusammenhang, welchen sie anhand eines konstruierten Offenheitsindexes analysieren. Edwards (1998) fand wie schon Lee (1993) in seiner Analyse, in der er eine Vielzahl von Handelspolitik-Indikatoren verwendete, eine signifikant negative Beziehung zwischen erhobenen Zollsätzen und Wachstum. Eine negative Beziehung sehen in diesem Bezug auch Clemens/Williamson (2001) sowie Sala-i-Martin (1997) — jedoch nur einen sehr schwachen. Rodriguez/Rodrik (1999) weisen darauf hin, dass die positive Korrelation zwischen Offenheit und Wachstum, so wie sie von Dollar (1992), Edwards (1998), Sachs/Warner (1995) und auch Ben-David (1993) aufgezeigt wird, nicht befriedigend ist, da zum einen Mängel in den verwendeten Offenheitsindikatoren bestehen und zum anderen wichtige Wachstumsdeterminanten unberücksichtigt bleiben. Vamvakidis (2002) unterzieht den Zusammenhang zwischen Offenheit und Wachstum einer historischen Analyse und legt dar, dass dieser nur zwischen 1920 und 1990 positiv ist, während bis 1970 kein und von 1920 bis 1940 ein negativer Zusammenhang besteht. Dass zwischen der Liberalisierung des Handels und Wachstum kein kausaler Zusammenhang bestehen muss, zeigt auch
Vgl. dazu auch Balassa (1985), Edwards (1992) und Helliwell/Chung (1992). Die Auswirkungen von Offenheit auf das Wachstum anhand von Preisvariablen werden u. a. von Barro (1991) und Dollar (1992) untersucht, während die Auswirkungen von Offenheit auf das Wachstum anhand von Produktivitätskennziffem von Nishimizu/Robinson (1984), Syrquin/Chenery (1989) und Tybout (1992) näher betrachtet wird. 60 61
Theorie der Wirtschaftsräume · 47
Yanikkaya (2003) und offenbart, dass sich gerade für sich entwickelnde Länder Handelsbeschränkungen positiv auf das Wachstum auswirken können. Des Weiteren beschreibt die neuere Literatur zur endogenen Wachstumstheorie die unterschiedlichsten Modelle und Ergebnisse, bei denen Handelsbeschränkungen das weltweite Wachstum positiv wie negativ beeinflussen können (Romer 1990; Grossman/Helpman 1990; Rivera-Batiz/Romer 1991a, 1991b; Matsuyama 1992). Dass der Nutzen freien Handels nicht für alle gleich sein muss, d. h. dass es Gewinner und Verlierer geben kann, zeigen daneben Studien, wie sie von Grossman/Helpman (1991b), Lucas (1988), Rivera-Batiz/Xie (1993) oder auch von Young (1991) durchgeführt wurden. Sie alle weisen darauf hin, dass bei stark unterschiedlichen Handelspartnern es unter Umständen zu adversen Effekten kommen kann und das, obwohl das allgemeine weltweite Wachstum zunimmt. Obwohl also bis heute keine eindeutigen (allgemeingültigen) Erkenntnisse über den Zusammenhang von Offenheit und Wachstum vorliegen — und darauf weist der kurze Überblick hin - , kommt doch die Mehrheit der vorliegenden Studien zu dem Ergebnis, dass die Öffnung eines Landes unter bestimmten Voraussetzungen vorteilhafter erscheint als Protektionismus. Da die Freihandelszone als unterste Integrationsstufe auch als Referenzmodell für alle weiteren Integrationsstufen verstanden werden kann, lassen sich die hier gewonnenen Erkenntnisse zur Öffnung eines Landes später auch auf die Zollunion, den Gemeinsamen Markt und die Wirtschaftsunion übertragen. Die theoretische Basis, welche der Befürwortung der Freihandelszone — und damit allen anderen Integrationsstufen - zugrunde liegt, wurde jedoch bereits Mitte des 18. Jahrhunderts von Adam Smith gelegt. Im Zuge seiner gewonnenen Erkenntnisse über die Vorteile der Arbeitsteilung argumentierte er, dass diese noch viel größer seien, würden sich gesamte Volkswirtschaften auf die Herstellung bestimmter Produkte spezialisieren. Unter der Voraussetzung von freiem Handel sollte sich danach ein Land vor allem auf diejenigen Produkte spezialisieren, welche es absolut kostengünstiger als das Ausland herstellen kann. Diese Produkte sollten exportiert und die Produkte, die das Ausland absolut kostengünstiger herstellen kann, importiert werden. Diese durch freien Handel hervorgerufene internationale Arbeitsteilung würde so den Absatzmarkt einzelner Unternehmen vergrößern und eine kostengünstigere Produktion erlauben. Dadurch würden die Unternehmensgewinne gesteigert, Innovationen geschaffen und letztendlich der Wohlstand vermehrt. David Ricardo (1817) argumentierte, dass es nicht zwingend auf die absoluten Kostenvorteile, sondern vielmehr auf die relativen bzw. komparativen Kostenvorteile ankomme. Er zeigte auf, dass freier Handel zwischen zwei Ländern selbst dann vorteilhaft ist (zu Wohlfahrtsgewinne führt), wenn ein Land sämtliche Güter weniger effizient produziert als andere. So sei die Spezialisierung eines Landes auf die Güter notwendig, welche es mit einem relativen — und nicht not-
48 • Grundzüge geeigneter Wirtschafts- und Währungsräume wendigerweise absoluten - Kostenvorteil produzieren kann. Diese Waren sollten exportiert werden, wohingegen Waren, die keinen komparativen Kostenvorteil besitzen, importiert werden sollten. Auf diese Weise würden alle am Handel teilnehmenden Länder profitieren und ihre Wohlfahrt maximieren können. Mit der Ausnahme einiger weniger Studien (u.a. McDougall 1951; 1952; Stern 1962) konnten jedoch bis heute kaum empirische Belege für die von Ricardo gezogenen Rückschlüsse und deren Annahmen gefunden werden. 62 Dies ist darauf zurückführen, dass die klassischen Integrationstheorien, wie sie von Smith und Ricardo entworfen wurden, sich auf die Betrachtung eines einzigen Produktionsfaktors, den Faktor Arbeit, beschränken und dessen unbegrenzte Verfügbarkeit annehmen. Dem begegnete später die neoklassische Integrationstheorie. Anstatt eines Produktionsfaktors bezieht sie mehrere Produktionsfaktoren sowie deren Knappheit in die Analysen mit ein. So führten Heckscher (1919) und Ohlin (1933) die relativen Kostenvorteile der verschiedenen Volkswirtschaften auf deren unterschiedliche Ausstattung mit Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, aber auch Boden) zurück. Demnach werde sich jedes Land auf die Produktion des Gutes spezialisieren, dessen Produktionsfaktor relativ reichlich vorhanden ist. Samuelson (1948) erweiterte das Heckscker-Ohlin-Modell 63 und führte aus, dass internationaler Handel vorteilhaft sei, wenn jedes Land diejenigen Güter produziere und exportiere, zu deren Produktion relativ viel von einem ausreichend vorhandenen Produktionsfaktor eingesetzt werde, wohingegen diejenigen Güter importiert würden, die einen relativ hohen Einsatz eines knappen Produktionsfaktors erforderten. So sollte beispielsweise ein kapitalreiches Land kapitalintensive Güter exportieren und arbeitsintensive Güter aus einem arbeitsreichen Land importieren. Bei gleicher Technologie und Ausstattung der Länder würde damit der Freihandel auch dann Vorteile bieten, wenn die relativen Faktorausstattungen unterschiedlich sind. Bereits der einseitige Übergang eines Landes zu Freihandel hätte so — unter den von Heckscher, Ohlin und Samuelson angenommenen Vorraussetzungen — eine Erhöhung der Wohlfahrt zur Folge. Wenngleich das von Samuelson erweiterte Heckscher-Ohlin-Modell (HeckscherOhlin-Samuelson-Modell) einen wesentlich besseren Ansatz als der von Ricardo darstellte, so suggeriert er doch, dass Unterschiede in der Faktorausstattung die Spezialisierung eines Landes sowie deren Art und Umfang im Handel mit anderen Ländern erklären können. Trotz der empirischen Schwächen wird das Modell von Ricardo noch gerne zur Erklärung bestimmter Formen des Handels, der Verteilung der daraus entstehenden Wohlfahrtsgewinne und des Einflusses der technologischen Ausstattung auf die Spezialisierung eines Landes herangezogen (vgl. Davis 1995; Eaton/Kortum 1997). 63 Weitere Erweiterungen wurden u.a. von Jones (1956-57, 1965) und Vanek (1968) (Heckscher-Ohlin-Vanek-Modell) vorgenommen. 62
Theorie der Wirtschaftsräume • 49
Erste Kritik an der von Heckscher und Ohlin entwickelten und von Samuelson erweiterten Faktorproportionentheorie stammte u. a. von Leontief (1954), der — basierend auf empirischen Ergebnissen — das Heckscher-Ohlin-SamuelsonModell widerlegte und darauf hinwies, dass auch die Qualität der Produktionsfaktoren von entscheidender Bedeutung für die Erklärung des internationalen Handels sei.64 Darauffolgende Untersuchungen versuchten dann der Tatsache Rechnung zu tragen, dass bestimmte Eigenschaften des modernen Handels nicht mehr durch die von der neoklassischen Integrationstheorie gesetzten Annahmen erklärt werden könnten. Wo die neoklassische Integrationstheorie davon ausging, dass der Handel vor allem zwischen Ländern stattfinden würde, deren Faktorausstattung recht unterschiedlich sei (/«/«/industrieller Handel), erhöhte sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg der Handel insbesondere zwischen den Ländern, die eine relativ ähnliche Faktorausstattung aufwiesen (z'«/r 1 in Zeiten konjunktureller Überauslastung. Aus Abbildung 5.9, welche die Auslastungsquote ALQt der acht ASEAN-Staaten Brunei, Indonesien Kambodscha, Laos, Malaysia, Philippinen, Singapur und 108 pür die Ermittlung der Ausgangsinvestition 10 stehen neben der hier angewandten Methode noch andere Vorgehensweisen zur Verfügung. So verwendet Harberger (1978) in der ursprünglichen Form den Drei-Jahres-Durchschnitt der Bruttoinvestition I und Nehru/Dhareshwar (1993) ermitteln 10 anhand der Regression der logarithmierten Bruttoinvestitionen auf die jeweiligen Jahre.
Konjunktur • 101
Thailand zwischen 1970 und 2003 darstellt, wird ersichtlich, dass diese, wie beim zuvor untersuchten Output Gap, insbesondere seit Ende der 1980er Jahre mehr und mehr gleichgerichtet verläuft. Abbildung 5.9: Auslastungsquote
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Es lassen sich zudem im Zeitablauf deutlichere Zyklen erkennen, die die konjunkturelle Entwicklung der ASEAN-Staaten widerspiegeln. 109 Deutlich wird in diesem Zusammenhang aber auch, dass mit der Asienkrise es zu einem Rückgang der konjunkturellen Auslastung gekommen ist, wenngleich nicht jedes Land in gleichem Maße von diesem Rückgang betroffen war und einige Länder sich schneller von diesem Rückgang erholten als andere. Auch ist ein Rückgang der Auslastungsquote Mitte der 1980er Jahre zu beobachten, welche auch der Output Gap bereits als ausgeprägte Rezession ausgewiesen hat. Zusammen mit den jeweils darauffolgenden Erholungsphasen lässt sich anhand der Auslastungsquote ein klarer Zyklusrhythmus von ca. sieben Jahren ausmachen, wobei der der Asienkrise folgende Rezessionszyklus wesentlich kürzer ausfiel als üblich. Inte-
109 Zyklusrhythmen von sieben bis elf Jahren werden mitunter auch als Juglarzyklen bezeichnet. Sie werden meist einem wiederkehrenden Investitionszyklus gleichgesetzt. Zyklen von drei bis vier Jahren — wie im Fall der Asienkrise — werden hingegen als Kitchinzyklen bezeichnet, die meist mit Lagerhaltungszyklen gleichgesetzt oder durch Zufallsschocks hervorgerufen werden. Kitchinzyklen werden in der Regel von längeren Juglarzyklen überlagert. Zur klassischen Konjunkturtheorie vgl. Schumpeter (1939) oder auch Tichy (1994).
102 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
ressant ist aber vor allem die Entwicklung der Auslastungsquote von Brunei. Als über den Zeitablauf stets reichstes Land der ASEAN-Staaten verzeichnet Brunei — zumindest bis Ende der 1980er Jahre — erhebliche Schwankungen seiner konjunkturellen Auslastung. Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf die starke Abhängigkeit Bruneis von Ol- und Gasexporten. So stieg beispielsweise die konjunkturelle Auslastung Bruneis seit der ersten Ölkrise 1973 stetig an und erreichte mit der zweiten Ölkrise 1979 ihren Höhepunkt. Aber auch andere von der Ölproduktion abhängige Staaten wie Indonesien oder Malaysia erreichten 1979 Höchststände in ihrer konjunkturellen Auslastung. Auffällig ist darüber hinaus die konjunkturelle Entwicklung Laos', welche sich bis zur marktwirtschaftlichen Öffnung in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre antizyklisch zu denen der anderen ASEAN-Staaten verhielt. Im Großen und Ganzen ergeben sich aus dem Verlauf der Auslastungsquote ALQ t und im Gegensatz zum Output Gap dennoch zahlreiche Anhaltspunkte für einen in den letzten Jahren gleichgerichteten Konjunkturverlauf zwischen den ASEAN-Staaten. Doch inwieweit sich die ASEAN-Staaten letztendlich zu einem Konjunkturverbund zusammenschließen lassen, ist anhand der visualisierten Auslastungsquote noch nicht hinreichend zu erkennen. Im Folgenden werden deshalb auf Basis der Auslastungsquote ALQ, weitere Untersuchungen durchgeführt werden, die dazu beitragen, einen ganzheitlichen Uberblick über die südostasiatische Konjunktur zu erhalten. In einem ersten Schritt werden dafür die Vor- und Nachlaufbeziehungen der Auslastungsquote ALQf näher betrachtet. Die Auslastungsquote ALQt wird dazu einer paarweisen Kreuzkorrelationsanalyse unterzogen, um sowohl Konjunkturgeber als auch Konjunkturnehmer unter den ASEAN-Staaten zu identifizieren. Für die Kreuzkorrelationsanalyse werden dafür alle kombinatorisch möglichen Kreuzkorrelationen KKß zwischen den Länderzeitreihen AL.Qi und ALQj, mit i φ j und einer Datenspanne von + fünf Lags (Jahren) berechnet. Aus den entstehenden ( 8 x 7 = 56) Kreuzkorrelationsdiagrammen KKß werden daraufhin die Datenpunkte der jeweils maximalen Korrelation mit KKß > 0,4 extrahiert. Die erhaltenen Datenpunkte werden schließlich auf die Ergebnismenge mit einer Vor- und Nachlaufbeziehung von maximal zwei Jahren begrenzt, da ein längerer Lag nur anhand eines unplausibel langsamen Transmissionsmechanismus erklärt werden könnte (vgl. Graff 2005). Tabelle 5.5 gibt die Auszählung der Korrelationen wieder und ist nach dem Saldo aus Vor- (v) und Nachlauf (n) sortiert. Ein positiver Saldo zeigt an, dass ein Land gemessen an den paarweisen Kreuzkorrelationen der Länderzeitreihen öfter vor- als nachläuft und damit tendenziell als Konjunkturgeber angesehen werden kann. Länder, die häufiger nach- als vorlaufen, können dagegen als Konjunkturnehmer gelten. Aus der Spalte „gleichlaufend", welche nicht in die Berechnung des Saldos mit eingeflossen ist, geht hervor, inwieweit ein Land über
Konjunktur · 103
einen konjunkturellen Gleichlauf mit anderen Ländern verfugt - also einem Konjunkturverbund angehört. Tabelle 5.5: Vor- und Nachlaufbeziehung von ALQ vorlaufend
gleichlaufend
nachlaufend
Saldo (v-n)
PHL
6
0
0
6
THA
4
1
1
3
MYS
2
3
1
1
BRN
2
1
1
1
LAO
0
0
1
-1
SGP
1
2
3
-2
IDN
1
1
4
-3
KHM
0
0
5
-5
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Bemerkungen: Kreu^korrelation mit Vor- und Nachlauße^ehung von < 2 Jahre mit Korrelationen KKß > 0,40. Zu erwarten wäre nun, dass größere Volkswirtschaften eher vor- und kleinere Volkswirtschaften eher nachlaufen. Aufgrund der dargestellten Ergebnisse der Analyse entsprechen dem weitgehend die Daten von Thailand, Malaysia, Laos und Kambodscha. Nur für Indonesien als der größten Volkswirtschaft der ASEAN-Staaten und für Singapur, der Nummer vier, kann diese Hypothese nicht gelten. 110 Auch die Führungsrolle der Philippinen ist nur schwer zu erklären und kann höchstens auf die starken Handelsverflechtungen mit den Vereinigten Staaten zurückgeführt werden, die ihrerseits als Weltkonjunkturgeber gelten. Was den konjunkturellen Gleichlauf mit anderen Ländern betrifft, so wäre zu erwarten, dass insbesondere offene Volkswirtschaften über eine hohe Gleichlaufbeziehung mit anderen Staaten verfügen. Da Malaysia und Singapur die meisten Gleichlaufbeziehungen aufweisen und laut Tabelle 5.17 zugleich auch die offensten Volkswirtschaften der ASEAN sind, kann dem entsprochen werden. Malaysia und Singapur sind damit am besten in die Konjunkturverläufe der restlichen ASEAN-Staaten integriert, während hingegen Laos, aber auch Kambodscha und die Philippinen als eher isolierte Volkswirtschaften keinen konjunktuMit einem nominalen BIP von 243508 Mio. US-Dollar ist Indonesien die größte Volkswirtschaft der acht beobachteten ASEAN-Staaten. Gefolgt von Thailand mit 143170 Mio. US-Dollar, Malaysia mit 103952 Mio. US-Dollar, Singapur mit 92389 Mio. US-Dollar, den Philippinen mit 79149 Mio. US-Dollar, Brunei mit 4715 Mio. US-Dollar, Kambodscha mit 4327 Mio. US-Dollar und Laos mit 2046 Mio. US-Dollar. Vgl. ASEAN Secretariat (2005a). 110
104 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
rellen Gleichlauf mit anderen ASEAN-Staaten verzeichnen. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung, der geographischen Lage und der in Abschnitt 5.1.6 noch genauer zu untersuchenden Offenheit überraschen die Ergebnisse jedoch nicht. In einem zweiten Schritt sollen nun die Daten der Auslastungsquote einer hierarchischen Clusteranalyse unterzogen werden. Die Clusteranalyse dient dazu, eine gewisse Anzahl an Objekten (hier: die acht ASEAN-Staaten) derart in Gruppen (Cluster) zu unterteilen, dass die derselben Gruppe angehörigen Objekte eine möglichst hohe Ähnlichkeit zueinander aufweisen und sich gleichzeitig gegenüber anderen Gruppen deutlich abgrenzen. Die quadrierte Euklidische Distanz soll hierzu als Distanzmaß zur Messung der Objektähnlichkeit herangezogen werden. Anhand der sich ergebenden Distanzen werden die Objekte dann nacheinander zu Gruppen zusammengefasst. Die Clusterstruktur bestimmt sich dabei anhand des Ward-Algorithmus. 111 Abbildung 5.10 zeigt das aus dem ALQ-Datensatz resultierende Dendrogramm der hierarchischen Clusteranalyse. Das Dendrogramm ist von oben nach unten zu lesen und beschreibt in dieser Richtung auch die Hierarchie der zusammengehörenden Gruppen. Auf oberster Hierarchieebene spalten sich die acht ASEANStaaten zunächst in zwei Gruppen auf. Nämlich in Brunei auf der einen und die restlichen ASEAN-Staaten auf der anderen Seite. Dies spiegelt vor allem und noch einmal die wirtschaftliche Sonderstellung Bruneis mit seiner starken Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten wider. Auf zweiter Hierarchieebene trennen sich Thailand und Laos von den noch verbleibenden Ländern. Die Gruppenbildung von Thailand und Laos ist wohl in erster Linie auf die geographische Nähe der beiden Länder im Zentrum Indochinas zurückzuführen. Die Trennung der restlichen Länder erfolgt dann in eine erste Gruppe bestehend aus Kambodscha und den Philippinen und eine zweite Gruppe bestehend aus Singapur und einer weiteren Untergruppe bestehend aus Malaysia und Indonesien. Die Bildung der zweiten Gruppe samt Untergruppe kann vorwiegend durch die soziokulturelle, aber auch geographische Nähe dieser drei ASEAN-Staaten erklärt werden. Singapur, Malaysia und Indonesien, welche auch als maritimer Kern der ASEAN gelten und über ein Distanzmaß von maximal 16 von einander getrennt sind, können somit als die ASEAN-Staaten mit der größten konjunkturellen Ähnlichkeit identifiziert werden. Dahingegen ist die Gruppenbildung von Kambodscha und den Philippinen nur schwer zu erklären. Da weder geographische noch soziokulturelle Nähe diese beiden ASEAN-Staaten miteinander verbinden, sei deshalb auch darauf hingewiesen, dass diese Gruppenbildung nur durch ein sehr hohes Distanzmaß von über 30 zustande kommt. Generell kann gesagt werden, dass die meisten ASEAN-Staaten nur durch eine recht hohe Distanz zu Gruppen zusammengefasst werden können. Selbst das relativ geringe Distanzmaß der drei 111
Zur Clusteranalyse vgl. beispielsweise Kaufman/Rousseeuw (1990) oder Bortz (2005).
Konjunktur · 105 ASEAN-Staaten Singapur, Malaysia und Indonesien ist im internationalen Vergleich noch immer als hoch zu betrachten. 112 Abbüdung 5.10: Clusteranalyse ALQ1970-2003 80 70
60 W
|
S
50 40
30 20
10
0
Ζ pi P3
Ζ
Ω
ο. Ο
Ξ
§
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Zuletzt wird der ^-IZjg-Datensatz nun noch einer Faktorenanalyse unterzogen. Die Faktorenanalyse soll zeigen, ob sich die ASEAN-Staaten selbst noch einmal in unterschiedliche Konjunkturverbunde unterteilen lassen. Damit steht die Faktorenanalyse in engem Zusammenhang mit den bisher durchgeführten Untersuchungen und ist daher vor allem als Ergänzung zu diesen gedacht. Zur Durchführung der Faktorenanalyse soll als Extraktionsmethode die Hauptkomponentenanalyse verwendet werden. Dazu wird anfanglich für jede Variable ohne Wiederholung eine Kommunalität von genau 1 geschätzt. Für die erhaltenen Faktoren soll ein Eigenwert von mindestens 1 gelten. Als Rotationsverfahren wird die Varimaxmethode mit vorheriger Kaiser-Normalisierung angewandt. 113 Das Ergebnis der Faktorenanalyse ist in Tabelle 5.6 wiedergegeben. Länder, die sich darin gemeinsam stark (> 0,5) auf einen Faktor laden, sind sodann als Konjunkturverbund zu interpretieren. 112 So findet Graff (2005) anhand der auch hier verwendeten Systematik ein Distanzmaß von ca. 3 für die Gruppe „Kerneuropa" einschließlich Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Österreich und Deutschland sowie für die Gruppe „angelsächsische Länder" mit Australien, Großbritannien, Kanada und den USA. Für die Gruppe „Lateinamerika" mit Chile, Uruguay und Argentinien findet Graff (2005) ein Distanzmaß von 10 und für die ostasiatischen Tigerstaaten Hongkong und Südkorea ein Distanzmaß von ca. 6,5. 113 Zur Faktorenanalyse vgl. u. a. Bortz (2005) und Backhaus et al. (2006).
106 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Anhand Tabelle 5.6 können daher zwei Konjunkturverbunde ausgemacht werden. Faktor 1 beschreibt den ersten Verbund, zu dem sich die maritimen ASEAN-Staaten Malaysia, Brunei, Singapur, Indonesien und die Philippinen zählen. Der zweite Verbund — dargestellt durch Faktor 2 — umfasst die kontinentalen indochinesischen ASEAN-Staaten Laos, Kambodscha und Thailand. Da Thailand auch in Faktor 1 eine Ladung > 0,5 aufweist, kann Thailand sowohl zum zweiten als auch zum ersten Konjunkturverbund hinzugezählt werden. Mit einem Varianzerklärungsanteil von 69,72% tragen die Faktoren ausreichend zur Erklärung des Datensatzes bei. Tabelle 5.6: Faktorladungsmatrix ALQ Faktor 1
Faktor 2
Kommunali tat
MYS
0,8974
0,2685
0,8774
BRN
0,8116
-0,3303
0,7678
SGP
0,7789
0,3420
0,7237
IDN
0,7222
0,4811
0,7531 0,5024
PHL
0,7050
-0,0732
THA
0,5887
0,5575
0,6574
LAO
-0,1280
0,8736
0,7795
KHM
0,1608
0,7004
0,5165
Quadratsumme Prozent der Varianz
3,4782
2,0996
5,5778
43,4780
26,2450
69,7230
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Damit lassen sich nun für das in diesem Abschnitt untersuchte Kriterium Konjunktur zusammenfassend wertvolle Schlussfolgerungen ziehen. So hat zum einen zu Beginn der Untersuchung die Analyse des Trendverlaufs ergeben, dass mit der Ausnahme von Kambodscha alle ASEAN-Staaten über ein gleichgerichtetes Trendwachstum verfugen. Zum anderen hat der Verlauf des Output Gaps sowie der Auslastungsquote ALQ gezeigt, dass in den letzten Jahren mehr und mehr auch die Konjunkturzyklen gleichgerichtet verlaufen. Allerdings hat die Analyse der Vor- und Nachlaufbeziehungen der Auslastungsquote ergeben, dass nur wenige Länder, nämlich Malaysia und Singapur, auch tatsächlich über einen nennenswerten konjunkturellen Gleichlauf mit anderen ASEAN-Staaten verfügen, wohingegen die meisten Mitgliedsstaaten eher über konjunkturelle Vorbzw. Nachlaufbeziehungen miteinander verbunden sind. Auch hat die Clusteranalyse gezeigt, dass sich die ASEAN-Staaten nur über eine relativ hohe Distanz zu Konjunkturgruppen zusammenfassen lassen. Schließlich ergab jedoch die Faktorenanalyse ein relativ gut zu interpretierendes Ergebnis zur konjunkturellen Zusammengehörigkeit innerhalb der ASEAN.
Konjunktur · 107
Damit bestehen nun einige Anhaltspunkte, um die Wahrscheinlichkeit ausgeprägter asymmetrischer exogener Schocks in der Zukunft — zumindest aufgrund der bisherigen konjunkturellen Entwicklung — als eher gering einstufen zu können. Da aber die konjunkturelle Entwicklung der Vergangenheit asymmetrische Nachfragschocks in der Zukunft nicht vollständig und exklusiv erklärt, ist es notwendig, weitere Kriterien in die Untersuchung mit einzubeziehen. Im Folgenden sollen deshalb monetäre Kriterien einschließlich Preis-, Zins-, Geldmengen- und Wechselkursentwicklung näher analysiert werden. 5.1.4 5.1.4.1
Monetäre Kriterien Preisentwicklung
Die Untersuchung der Preisentwicklung ist für die Schaffung einer Wirtschaftsund Währungsunion aus unterschiedlichen Gründen von großer Bedeutung. So kann die Entwicklung der Preise beispielsweise Auskunft darüber geben, wie weit die Integration der an der Schaffung beteiligten Ländern bereits vorangeschritten ist, ob auf die Auswirkungen eines exogenen Schocks durch Preisanpassungen reagiert werden kann, welche zukünftigen Preisänderungen zu erwarten sind und was für Aussichten sich daraus für die beteiligten Wirtschaftseinheiten ergeben und wie die Geld- bzw. Wirtschaftspolitik demzufolge auszurichten ist. Eine moderate und gleichmäßige Entwicklung der Preise ermöglicht es den Unternehmen, die Kosten und Erlöse langfristig zu berechnen und bedeutet für die Haushalte eine annähernd gleich bleibende Kaufkraft. Unerwartet (stark) schwankende Preise hingegen verunsichern Käufer und Unternehmen, rufen eine oft willkürliche Vermögensumverteilung hervor und haben aufgrund der dann mangelnden Informations- und Lenkungsfunktion der Preise zur Folge, dass eine suboptimale Ressourcenallokation eine nachhaltig positive Entwicklung der Wirtschaft gefährdet. 114 In Anbetracht dieser Auswirkungen hat es sich heute daher weitgehend durchgesetzt, die Vorteile der Preisstabilität anzuerkennen und diese zu einem wichtigen Ziel der Geldpolitik zu machen. 115 Die Ursachen für die Änderung von Preisen sind vielfältig und hängen sowohl von realwirtschaftlichen als auch von monetären Effekten ab. Im Umfeld einer Wirtschafts- und Währungsunion spielen beide Effekte eine bedeutende Rolle, wenngleich die Integration der einzelnen Wirtschaftsräume zuerst einmal die realwirtschaftlichen Effekte in den Vordergrund rückt. 114 Vgl. dazu einführend auch Gischer et al. (2005). Einen Überblick über die Auswirkungen von Preisänderungen auf das Wachstum liefert Briault (1995). Weitere Ausführungen dazu etwa bei Barro (1996) oder auch Bruno/Easterly (1996). 115 Gemeint ist hierbei insbesondere die Vermeidung zweistelliger Preisänderungen. Zu den Vor- und Nachteilen (Nutzen und Kosten) sehr geringer Preisänderungen vgl. Howitt (1990), Feldstein (1996) und Thornton (1996).
108 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Öffnen beispielsweise Staaten ihre Märkte und reduzieren dabei die bestehenden Handelshemmnisse, so wird dies zu einer Zunahme des Handels und damit auch zu einer Zunahme des Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftseinheiten der sich integrierenden Märkte fuhren. Wo Unternehmen in abgegrenzten Märkten aufgrund unvollkommener Konkurrenz Preisaufschläge durchsetzen konnten, wird es durch den zunehmenden Wettbewerb des integrierten Marktes tendenziell zu Preissenkungen kommen und sich daraus auf Dauer eine Annäherung der Preise ergeben. 116 Vorangetrieben wird diese Preisannäherung vor allem von einem aufkommenden Arbitragehandel, der aus der Öffnung der Märkte heraus entsteht. Bei regionalen Preisunterschieden für qualitativ identische und handelbare Produkte werden die Wirtschaftseinheiten diese am Ort des niedrigeren Preises kaufen und am Ort des höheren Preises verkaufen. Was zu einem Nachfrageanstieg am Ort des niedrigeren Preises führt, bedeutet für den Ort des höheren Preises einen Nachfragerückgang und hat damit Angleichung der Preise zur Folge. Dies gilt für alle Preise, also auch für die immobiler, regional begrenzter und damit nicht handelbarer Produkte. Die Ursache dafür liegt im sogenannten Balassa-Samuelson-Effekt. 117 Durch die Integration der Märkte und der Intensivierung des Wettbewerbs kommt es etwa am Ort des niedrigeren Preises zu einer Steigerung der Arbeitsproduktivität im Sektor der handelbaren Produkte, wodurch es dort zu Lohnerhöhungen kommt. Diese Lohnerhöhungen werden in gewissen Maßen auch auf den Sektor der nicht handelbaren Produkte übergehen, da es sonst zwischen den Sektoren zur Arbeitskräftewanderung kommt. Da der Sektor der nicht handelbaren Produkte (vor allem Diensdeistungen) keine ähnlichen Produktivitätszuwächse erreichen wird, werden wie bei den handelbaren Produkten auch dort die Preise steigen und so zu einer Angleichung der unterschiedlichen Preisniveaus führen. Eine vollkommene Angleichung der Preise wird sich allerdings selbst langfristig nicht einstellen. Einerseits, weil (wo vorhanden) flexible Wechselkurse für einen zusätzlichen Ausgleich von Angebot und Nachrage zwischen qualitativ identischen, aber unterschiedlich bepreisten Produkten sorgen und andererseits der Fortbestand von Transport- oder anderen Transaktionskosten sowie Nachfragepräferenzen und regional unterschiedliche Steueraufschläge (insbesondere der Mehrwertsteuer) eine totale Angleichung der Preise verhindern werden. 118 Ob und in wieweit sich die Preise zwischen den ASEAN-Staaten bereits angenähert haben, soll nun im Folgenden Gegenstand der Unersuchung sein. Die Da116 Dieses auch als Gesetz des einheitlichen Preises (Law of one Price) bekannte Phänomen wurde u. a. bereits von Cournot (1927) und Marshall (1930) erwähnt. Jüngere Ausführungen dazu u. a. bei Stigler (1968; 1987). 117 Eine Einführung dazu bei Krugman/Obstfeld (2006). 118 Zu den Einschränkungen des Gesetzes des einheitlichen Preises vgl. auch die Ausführungen von McChesney et al. (2004) sowie die dort angegebene Literatur.
Preisentwicklung · 109
ten der Tabelle 5.7, die den Penn World Table der Version 6.2 (Heston et al. 2006) entnommen sind, zeigen die Entwicklung des Preisniveaus des in Kaufkraftparitäten (KKP) ausgedrückten Bruttoinlandsprodukts (BIP) der ASEANStaaten zwischen 1970 und 2003. 1 1 9 Als Referenzwert gilt dabei das Preisniveau der USA, welches jeweils 100 entspricht. Es zeigt sich, dass zwischen den beobachteten ASEAN-Staaten nicht nur in Bezug auf die Wirtschaftskraft, sondern auch in Bezug auf das Preisniveau erhebliche Unterschiede bestehen. Während etwa Singapur (SGP) im Jahr 2003 auf 73,50% des US-amerikanischen Preisniveaus kommt, verzeichnet Vietnam (VNM) kaum 18%. Vier weitere ASEAN-Staaten, nämlich Indonesien (IDN), Kambodscha (KHM), Laos (LAO) und die Philippinen (PHL) überschreiten das Preisniveau von 20% nur knapp. Insgesamt liegen damit nur zwei der neuen beobachteten ASEAN-Staaten über einem Preisniveau, das 4 0 % des US-Niveaus annimmt. Tabelle 5.7: Preisniveau des BIP in KKP IDN
KHM
LAO
MYS
PHL
SGP
THA
1970
16,70
31,61
40,78
1,99
47,51
24,45
50,77
35,90
1971
16,07
29,35
55,34
1,58
46,82
24,58
51,68
34,39
32,48
1972
19,43
29,78
29,27
1,88
50,69
24,58
57,93
35,03
31,07
1973
24,84
35,77
46,60
2,39
60,69
26,36
71,08
38,88
38,33
1974
56,11
43,94
38,16
2,13
62,44
32,13
73,66
43,92
44,06
1975
55,01
45,55
35,64
2,32
58,52
30,42
71,80
42,26
42,69
1976
51,86
49,16
33,35
17,80
54,56
31,06
67,17
41,26
43,28
BRN
MMR
VNM
MW 31,21
1977
51,93
50,20
36,25
57,07
55,60
31,99
65,41
40,43
48,61
1978
49,44
48,45
33,48
65,14
61,07
32,81
67,29
40,84
49,82
1979
54,29
37,85
35,18
76,64
64,21
35,44
67,46
40,86
51,49
1980
96,70
41,70
33,79
53,68
61,35
35,14
68,32
42,20
54,11
1981
101,64
45,00
30,86
32,37
57,12
34,00
69,64
39,74
51,30
1982
98,02
42,56
29,22
31,16
55,15
32,54
67,01
38,01
49,21
1983
80,76
35,11
35,04
47,62
55,80
27,89
66,98
37,94
48,39
1984
76,46
32,64
36,15
57,53
54,67
26,73
66,10
35,93
48,28
1985
70,20
30,48
34,68
54,59
49,97
26,63
63,08
31,51
45,14
1986
47,22
27,23
34,06
43,30
46,86
24,55
61,71
32,63
39,70
1987
52,46
24,04
33,74
28,44
46,96
25,09
63,05
33,52
38,41
1988
49,02
26,12
26,20
17,72
45,36
26,01
68,41
34,77
1989
53,26
26,33
20,32
19,13
45,47
27,25
71,29
35,37
9,58
34,22
1990
58,97
25,51
18,47
19,92
45,50
26,40
75,80
36,44
8,85
35,10
36,70
119 Rechnerisch ergibt sich das Preisniveau dabei aus der KKP des BIP geteilt durch den jeweiligen US-Dollar Wechselkurs multipliziert mit 100.
110 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währurigsraum? 1991
59,24
25,80
20,97
22,16
1992
61,57
25,53
20,66
23,09
48,86
1993
60,63
26,82
21,73
24,89
49,43
45,58
26,05
80,06
37,53
9,19
36,29
29,61
84,81
37,93
10,78
38,09
29,64
86,95
38,71
13,42
39,14
1994
62,72
27,74
21,33
27,02
49,16
32,47
94,37
40,12
15,43
41,15
1995
68,62
28,88
24,45
29,23
51,86
34,97
99,66
42,16
17,82
44,18
1996
70,53
29,61
23,67
29,03
52.33
36,89
100,86
42,70
19,37
45,00
1997
67,31
26,12
22,79
25,51
48,41
34,57
94,96
36,12
19,17
41,66
1998
47,29
12,12
20,34
18,76
34,93
26,64
85,73
30,04
18,22
32,67
1999
53,22
18,04
21,16
19,51
34,96
28,91
80,80
31,77
17,94
34,03
2000
51,59
17,77
21,83
25,12
36.34
26,32
75,87
30,01
18,14
33,67
2001
46,97
15,95
21,44
24,02
34,49
23,47
72,60
27,37
17,55
31,54
2002
45,92
18,46
21,54
20,43
34,38
23,60
71,21
27,88
17,46
31,21
2003
47,25
20,98
21,13
22,16
33,73
22,59
73,50
28,77
17,95
32,01
Quelle: Venn World Table 6.2 (Heston et cd 2006), eigene Berechnung. Bemerkungen: Preisniveau des BIP in KKP mit US-Niveau — 100. Vergleicht man die Daten des Jahres 2003 mit denen des Ausgangsjahres 1970, so hat sich das durchschnittliche Preisniveau der ASEAN-Staaten gegenüber dem US-amerikanischen Preisniveau nur unwesentlich erhöht. Es stieg von 31,21% im Jahr 1970 auf 32,01% im Jahr 2003. Dabei lagen 1970 fünf ASEANStaaten über diesem Durchschnitt (waren damit relativ teurer) und nur drei darunter (damit relativ günstiger), wohingegen 2003 nur drei ASEAN-Staaten darüber und nunmehr sechs darunter lagen. Nimmt man hinzu, dass 1970 der Abstand einzelner Länder wie etwa von Laos mit 1,99% oder auch Brunei mit 16,70% zum US-amerikanischen Preisniveau wesentlich größer war, als dies 2003 der Fall war und berücksichtigt, dass fünf ASEAN-Staaten (Indonesien, Kambodscha, Malaysia, die Philippinen und Thailand) seit 1970 einen Rückgang ihres Preisniveaus im Vergleich zum US-Niveau zu verzeichnen hatten, so lässt es die Vermutung zu, dass sich die Preise der ASEAN-Staaten zwar nicht an die USamerikanischen Preise angenähert haben, es aber dagegen zu einer Annäherung der Preise zwischen den ASEAN-Staaten selbst gekommen ist. Wirft man einen Blick auf den visualisierten Verlauf des Preisniveaus (Abbildung 5.11), so lässt sich die Vermutung der Preiskonvergenz zwischen den ASEANStaaten noch einmal erneuern. Es zeigt deutlich, dass sich die Preisniveaus der ASEAN-Staaten mit dem Ende der 1980er Jahre zunehmend gleichgerichtet bewegen und sich dabei eine — mit Ausnahme von Singapur und gegebenenfalls auch Brunei — Annäherung der Preise auf zwischen 19% (Vietnam) und 47% (Brunei) des US-amerikanischen Preisniveaus eingestellt hat. 120 Es wird aber auch 120 Damit spricht die Entwicklung der ASEAN-Staaten tendenziell auch für ein Verhalten nach dem Gesetz des einheitlichen Preises.
Preisentwicklung - 1 1 1
deutlich, dass das Preisniveau der meisten ASEAN-Staaten immer dann zurückgegangen ist, wenn konjunkturelle Schwächephasen (vgl. Abbildung 5.8) wie etwa Mitte der 1980er Jahre oder nach der Asienkrise im Jahr 1997 eingetreten sind. Damit deutet vieles auf eine in den vergangenen zwanzig Jahren bereits vorangeschrittene Integration der südostasiatischen Märkte hin121, die zudem in der Lage sind, die Auswirkungen exogener Schocks durch Preisanpassungen — zumindest teilweise — auszugleichen. Abbildung 5.11: Verlauf des Preisniveaus des BIP in KKP
BRN
IDN
KHM
LAO
PHL
-SGP
THA
VNM
MYS
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Bemerkungen: Preisniveau des BIP in KKP mit US-Niveau — 100. Ob sich die Preisniveaus der ASEAN-Staaten untereinander aber auch tatsächlich so angenähert haben, wie es Abbildung 5.11 vermuten lässt und daraus die notwendigen Schlüsse gezogen werden können, kann letzten Endes nur anhand der σ- bzw. ß-Konvergenz überprüft werden. Die (absolute) ß-Konvergenz soll mittels einer Regression der durchschnittlichen Preisniveauänderung von 1970-2003 auf das Ausgangsniveau des logarithmierten Preisniveaus von 1970 erfolgen. Dafür ist: (5.17)
pi = α + ßoi + ei.
Mit p — der durchschnittlichen Preisniveauänderung von 1970 bis 2003, ο = dem logarithmierten Preisniveau im Jahr 1970 und der Anzahl der Länder (/ = 1,...,»), mit η — 9 ergibt sich für: 121 Zumal die Staaten der EU-15 im Jahr 2003 mit 74,90% (Portugal) und 133,86% (Irland) des US-amerikanischen Niveaus ähnlich hohe Preisniveauunterschiede verzeichnen.
112 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
(5.18)
pt = a + /?(lnPNi97o); +
ein ß, für welches gilt β = -0,0251 (-5,3438)
(5.19) es folgt für a:
a = 0,0860 (5,7006).
(5.20) Damit ist: (5.21)
j = 0,0860 - 0,0251*.
Für das Bestimmtheitsmaß R gilt: (5.22) R 2 = 0,8031 und R = 0,8962. Mit einem β von -0,0251 zeigt das Ergebnis der Schätzung somit einen klaren Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Preisniveauänderung von 1970 bis 2003 (p) und dem logarithmierten Preisniveau des Ausgangsjahres 1970 (o). Daraus folgt, dass ASEAN-Staaten mit einem niedrigeren Preisniveau eine durchschnittlich höhere Preisangleichung verzeichnen als ASEAN-Staaten mit einem relativ hohen Preisniveau. Bei einem p-Wert von 0,0011 ist dieses Ergebnis auf einem 5%-Niveau zudem deutlich signifikant (Werte in Klammern entsprechen den t-Werten). Abbildung 5.12: Absolute ß-Konvergenz des Preisniveaus des BIP in KKP 8,00%
• LAO
6,00% 4,00%
• BRN
2,00%
• SGP
VNM
I-β 0,00%
IDN*
-2,00% -4,00% 2,00
2,50
kPN 1970 Quelle: Perm World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung.
KHM
Preisentwicklung
113
Betrachtet man noch die Konvergenzgeschwindigkeit mit einem λ von 0,0251, so nähern sich demnach die Preisniveaus der ASEAN-Staaten mit 2,51% pro Jahr einander an. Durch: (5.23)
λ = -In 0,5 / t*
ergibt sich daraus die Halbwertzeit t*, die erforderlich ist, um existierende Preisunterschiede zwischen den ASEAN-Staaten zur Hälfte zu schließen; die aber mit t* — 27,6 Jahre gleichwohl sehr lang ist. Dem Ergebnis der Schätzung zufolge, wonach ASEAN-Staaten mit einem niedrigeren Preisniveau sich schneller an das durchschnittliche Preisniveau annähern als Staaten mit einem relativ hohen Preisniveau, dabei die Halbwertzeit recht lang ist und der Tatsache, dass die Mehrzahl der ASEAN-Staaten heute ein mehr oder weniger einheitliches Preisniveau zwischen 19% (Vietnam) und 47% (Brunei) des US-amerikanischen Niveaus verzeichnen, mag als Indiz für einen bereits vollendeten Konvergenzprozess gewertet werden, nachdem Preisniveauänderungen in der Zukunft schwächer ausfallen könnten, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Um diese Aussage zu verifizieren, ist allerdings eine Untersuchung des Streuungsverhaltens der Preisniveaus, also auf σ-Konvergenz, zwingend erforderlich. Denn das Ergebnis der ß-Konvergenz ist zwar eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Voraussetzung für die Konvergenz der Preisniveaus, da beispielsweise Orte mit höheren Preisen zu Orten mit niedrigeren Preisen werden können und umgekehrt, ohne dass dabei eine tatsächliche Angleichung der Preisniveaus stattfindet. Wenn aber die Streuung der Preisniveaus untereinander abnimmt, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Preise wirklich annähern, daraus eine insgesamt stabilere Preisniveaubeziehung zwischen den ASEAN-Staaten entsteht und somit zukünftige Preisniveauänderungen tatsächlich schwächer ausfallen werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die Untersuchung auf σ-Konvergenz erfolgt, wie schon bei der Wirtschaftskraft, durch den Variationskoeffizienten, der das relative Streuungsmaß von Niveauwerten angibt. Anhand Abbildung 5.13 lässt sich erkennen, dass der Variationskoeffizient der ASEAN-Staaten im Ausgangsjahr 1970 wie auch 2003 einen fast identischen Wert von rund 0,55 annimmt und damit über den Zeitablauf hinweg sich die Streuung der Preise nicht verringert hat, es also keinen Anhaltspunkt auf Konvergenz gibt. Jedoch fällt auf, dass die ASEAN-Staaten sowohl zwischen 1973 und 1977 als auch zwischen 1982 und 1986 eine Annäherung der Preise verzeichnen konnten, die aber jeweils nur von kurzer Dauer war. Ließe man nun allerdings über den gesamten Zeitraum die Entwicklung des Preisniveaus des relativ reichen Singapurs außen vor, so erhielte man zumindest einen seit 1990
114 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
kontinuierlich fallenden Variationskoeffizienten, der 2003 einen Wert von 0,36 annehmen würde. Ohne die Entwicklung des Preisniveaus von Singapur ergäbe sich also ein Rückgang der Streuung der Preise, der mit 13 Jahren seit 1990 zudem wesentlich lang anhaltender gewesen wäre als die Rückgänge nach 1973 und nach 1982. Es steht damit fest, dass es vor allem die restlichen acht ASEANStaaten sind, deren Preise konvertieren und dabei eine stabilere Preisniveaubeziehung untereinander erreichen, was wiederum schwächere Preisniveauänderungen in der Zukunft vermuten lässt. Abbildung 5.13: VariationskoefiEzient des Preisniveaus des BIP in KKP
VK mit SGP
VK ohne SGP
Quelle: Venn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung.
Trotz der heute sehr ähnlichen Preisniveaus, die zumindest die acht ASEANStaaten Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, die Philippinen, Thailand und Vietnam miteinander verbinden und dem Rückgang der Streuung der Preise, ist das vermutete Ende des Preiskonvergenzprozesses zwischen diesen Ländern aber keineswegs sicher. So können die stabileren Preisniveaubeziehungen untereinander sowie die damit verbundenen schwächeren Preisniveauänderungen in der Zukunft etwa durch ungleiche Preisanpassungsprozesse gegenüber Singapur oder anderen wichtigen Handelspartnern außerhalb der ASEAN beeinträchtigt werden. Zudem können zukünftige Unsicherheiten bei der Preisentwicklung aus dem unterschiedlichen Ab- bzw. Aufbau von versteckten Handelshemmnissen sowie aus staatlichen Preiseingriffen resultieren oder aber das Ergebnis bestimmter geldpolitischer Aktionen sein. Und nicht zuletzt können die heute sehr ähnlichen Preisniveaus durch die noch immer bestehenden Differenzen des sich aber zukünftig möglicherweise unterschiedlich verändernden Pro-
Preisentwicklung - 1 1 5
Kopf-Einkommens asymmetrisch beeinflusst werden. Lediglich die einheitliche Fortführung der wirtschaftlichen und auch monetären Integration kann diesen Effekten entgegentreten und für eine stabile und gleichmäßige Preisniveauentwicklung zwischen den ASEAN-Staaten sorgen. Eine stabile und gleichmäßige Preisniveauentwicklung zwischen den ASEANStaaten ist für eine Wirtschafts- und Währungsunion vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil sich eine für alle Länder zuständige Zentralbank in der Regel nur anhand durchschnittlicher, für die Staatengemeinschaft als Ganzes gültigen Indikatoren orientieren kann und danach ihre einheitliche Geldpolitik ausrichtet. Stark unterschiedliche Preisniveauentwicklungen in den einzelnen ASEANStaaten tragen hingegen dazu bei, dass beispielsweise aus einheitlichen, von der Zentralbank gesetzten Nominalzinsen unterschiedliche Realzinsen werden. Unterschiedliche Realzinsen bedeuten aber für eine am Durchschnitt ausgerichtete Geldpolitik, dass diese sich destabilisierend auf die wirtschaftliche Entwicklung der Staatengemeinschaft auswirken kann, weil etwa geldpolitische Impulse anders als beabsichtigt und unterschiedlich bei den betroffenen Wirtschaftseinheiten der Gemeinschaft ankommen. Beziehen dann noch die einzelnen Wirtschaftseinheiten eher die nationale als die gemeinschaftliche Preisentwicklung in ihre Wirtschaftsplanungen mit ein, so wird auch dies bei stark unterschiedlichen Preisentwicklungen zu einer asymmetrischen Entwicklung der Wirtschaft fuhren und somit Spannungen verursachen. Außerdem wird eine stark unterschiedliche Preisentwicklung zwischen den ASEAN-Staaten eine einheitliche Kursausrichtung der Zentralbank ganz allgemein vor große Schwierigkeiten stellen. Denn unterschiedliche Preisentwicklungen werden in den einzelnen Mitgliedsstaaten immer auch unterschiedliche Interessen bezüglich der Geldpolitik hervorrufen und damit eine gleichmäßige, verlässliche und unabhängige Arbeit der Zentralbank erheblich erschweren. Die große Bedeutung, die der zukünftigen Entwicklung der Preise daher zukommt, macht es notwendig, neben der Untersuchung der Preisniveauentwicklung auch die spezifische Untersuchung der Preisänderung selbst mit in die Analyse einzubeziehen. Die Untersuchung der Preisänderung soll allerdings nicht durch die aus Tabelle 5.7 abgeleiteten Veränderungsraten der Preisniveaus erfolgen, sondern durch einen separaten Indikator geschehen. In einem ersten Schritt soll dies der Verbraucherpreisindex sein. Der Verbraucherpreisindex misst die Entwicklung der Preise aller im Inland verkauften Güter und wird anhand der Wertänderung eines bestimmten Warenkorbes ermittelt. Tabelle 5.8 zeigt die den Key Indicators 2007 der Asian Development Bank (Asian Development Bank 2007c) entnommenen Daten zur Preisentwicklung der ASEAN-Staaten und verdeutlicht, dass die ASEAN-Staaten sowohl bei den Jahr-zu-JahrSchwankungen als auch untereinander erhebliche Unterschiede in der Preisentwicklung verzeichnen.
1 1 6 - Ist Asien ein geeigneter Wirtschafte- und Währungsraum?
Tabelle 5.8: Inflationsraten nach Verbraucherpreisindex BRN
IDN
KHM
MYS
PHL
SGP
THA
VNM
MW
1996
1,97%
7,90%
7,14%
LAO 9,23%
MMR
3,38%
7,51%
1,40%
5,92%
5,72%
5,58%
1997
1,68%
6,20%
7,96%
19,56%
2,82%
5,59%
2,01%
5,59%
3,18%
6,07%
1998
-0,41%
58,47%
14,78%
90,05%
25,30%
5,16%
9,27%
-0,31%
8,11%
7,82%
21,82%
1999
-0,08%
20,30%
4,03%
128,40%
21,31%
2,82%
5,95%
0,00%
0,21%
4,24%
18,72%
2000
1,25%
9,30%
-0,79%
8,40%
-0,20%
1,52%
3,95%
1,25%
1,66%
-1,55%
2,48%
2001
0,58%
12,50%
0,23%
7,75%
21,16%
1,40%
6,80%
1,03%
1,60%
-0,35%
5,27%
1,78%
3,00%
-0,41%
0,70%
4,00%
8,78%
1,16%
3,45%
0,51%
1,80%
4,26%
6,98%
2002
-2,29%
10,00%
3,30%
10,70%
57,02%
2003
0,30%
5,10%
1,15%
15,45%
36,63%
2004
0,90%
6,10%
3,80%
10,50%
4,51%
1,39%
5,98%
1,73%
2,70%
7,75%
4,54%
2005
1,09%
10,50%
5,80%
7,20%
9,39%
3,06%
7,63%
0,50%
4,50%
8,40%
5,81%
2006
0,20%
12,70%
4,70%
6,80%
3,60%
6,20%
1,00%
4,70%
6,60%
5,17%
Quelle: Asian Development Bank, Kej Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c). Uber eine recht stabile Preisentwicklung von durchschnittlich unter 5% verfugen demnach Brunei, bedingt auch Kambodscha, Malaysia, Singapur und Thailand. Oberhalb dieses Niveaus liegen hingegen Indonesien, Laos, die Philippinen und Vietnam. Für diese vier ASEAN-Staaten ist vor allem mit einer Beeinträchtigung der Geld- und Preisfunktion zu rechnen, was die Entwicklung der einzelnen Länder selbst, aber auch die Funktionsweise einer gemeinsamen Wirtschaftsund Währungsunion erheblich erschwert. Die starken Schwankungen der am Verbraucherpreisindex gemessenen jüngeren Preisentwicklung lassen ebenfalls das bereits vermutete Ende des Preiskonvergenzprozesses anzweifeln, zumal sich die durchschnittliche Inflationsrate der ASEAN-Staaten (MW) nicht signifikant auf ein niedrigeres Niveau einstellt. Es deutet damit vorerst auch nichts auf in der Zukunft stabilere Preisniveaubeziehungen zwischen den ASEAN-Staaten hin. Da allerdings aufgrund der Heterogenität und der Entwicklungsdynamik der ASEAN-Staaten sich die Zusammensetzung des zur Preismessung notwendigen Warenkorbes von Land zu Land stark unterschiedet und zudem oft ändert, ist der Verbraucherpreisindex hier nur bedingt aussagefähig. Weil darüber hinaus die Datenlage sehr eingeschränkt ist und nicht über das Jahr 1996 hinausgeht, ist der BIP-Deflator für die langfristige Messung der Preisänderungen der ASEANStaaten eher geeignet, als dies der Verbraucherpreisindex ist. Die langfristige Untersuchung der Preisentwicklung soll in einem zweiten Schritt daher durch den BIP-Deflator geschehen. Der BIP-Deflator ist, im Gegensatz zum Verbraucherpreisindex, der die Entwicklung der Preise aller im Inland verkauften Güter misst, der Preisindex des Bruttoinlandsproduktes und misst die Entwicklung der Preise aller im Inland
Preisentwicklung - 1 1 7
produzierten teln:
Güter. Rechnerisch lässt sich der BIP-Deflator daher wie folgt ermit-
(5.24)
BIP-Deflator = (BIPnominai / BIPreai) x 100.
Der BIP-Deflator zeigt somit an, wie viel der Zunahme des nominalen BIP eine Folge von Preiserhöhungen gegenüber dem (in konstant gehaltenen Preisen eines Basisjahres ausgedrückten) realen BIP ist. Aus der jährlichen Änderungsrate des BIP-Deflators in Prozent erhält man wiederum die relevante Preisänderung bzw. Inflationsrate. Tabelle 5.9: Inflationsraten nach BIP-Deflator BRN
IDN
KHM
LAO
MMR
MYS
1971
6,20%
3,94%
4,81%
5,36%
1,42%
1972
5,25%
1,86%
4,28%
4,67%
0,15%
6,26%
PHL
SGP
THA
VNM
MW
3,25%
4,78%
-1,53%
3,53%
2,17%
6,16%
5,94%
3,81%
1970
1973 1974
7,67%
5,53%
5,82%
14,47%
8,32%
8,01%
12,40%
8,56%
10,76% 24,50%
9,97%
10,17%
11,99%
9,30%
8,30%
5,55%
11,32%
1975
9,98%
10,06%
9,28%
9,36%
2,22%
6,20%
11,94%
6,67%
8,21%
1976
7,74%
2,94%
5,59%
5,55%
13,50%
3,45%
6,40%
4,52%
6,21%
1977
9,21%
10,65%
6,35%
6,75%
9,27%
7,48%
8,72%
6,54%
8,12%
1978
9,72%
8,69%
6,59%
6,97%
6,51%
7,47%
6,32%
7,27%
7,44%
1979
7,67%
24,87%
8,20%
8,47%
13,37%
11,52%
7,79%
9,74%
11,45%
1980
7,11%
24,02%
10,58%
10,48%
11,93%
5,85%
9,25%
8,67%
10,99%
1981
6,04%
15,45%
9,91%
9,26%
3,03%
7,17%
10,11%
6,29%
8,41%
1982
-0,22%
12,39%
5,80%
5,40%
5,21%
8,04%
9,31%
2,94%
6,11%
1983
6,93%
0,38%
3,76%
3,68%
4,82%
0,49%
4,56%
7,29%
3,99%
1984
3,30%
0,94%
3,46%
3,95%
7,45%
1,00%
1,39%
4,25%
3,22%
1985
3,00%
6,14%
3,16%
2,28%
-0,10%
7,40%
1,61%
-2,05%
2,68%
1986
2,28%
-3,80%
2,52%
2,82%
-7,08%
2,10%
1,67%
3,09%
0,45%
1987
3,06%
1,18%
3,08%
2,44%
7,53%
4,80%
1,53%
4,67%
3,54%
1988
3,41%
-2,20%
3,35%
0,32%
5,18%
5,90%
4,97%
5,81%
3,34%
1989
3,63%
4,10%
3,72%
0,10%
2,61%
2,29%
5,04%
3,32%
1990
5,36%
9,45%
5,80%
9,15%
4,85%
4,07%
3,73%
3,21%
6,05%
5,74%
1991
2,12%
1,59%
7,84%
3,38%
3,44%
3,15%
4,28%
3,58%
6,23%
3,96%
1992
2,31%
1,59%
0,94%
4,43%
2,36%
2,05%
2,05%
3,35%
2,87%
2,44%
1993
2,18%
1,45%
-4,45%
3,56%
3,25%
1,01%
0,70%
1,99% -0,85%
0,98%
3,10%
1994
1,98%
3,13%
2,48%
1,18%
3,00%
2,16%
3,39%
1,56%
1,77%
2,29%
1995
2,07%
4,31%
6,40%
2,65%
4,10%
2,59%
3,05%
2,98%
2,56%
3,41%
1996
1,61%
1,93%
-0,53%
0,68%
2,03%
2,07%
1,71%
3,16%
0,35%
1,44%
1997
1,20%
4,33%
1,66%
1,77%
0,86%
-1,81%
0,51%
-0,75%
3,42%
1,24%
1998
0,43%
2,92%
0,80%
4,23%
0,22%
7,75%
-1,51%
-1,40%
1,62%
1,67%
118 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum? 1999
1,34%
-2,88%
4,02%
1,41%
1,24%
4,52%
-2,04%
-2,07%
5,04%
1,18%
2000
2,73%
2,10%
-6,55%
0,92%
2,36%
-1,94%
6,90%
1,46%
2,59%
1,17%
2001
2,53%
2,92%
2,59%
-0,39%
1,26%
1,00%
0,49%
-0,15%
2,62%
1,43%
2002
2,19%
-0,99%
2,59%
4,72%
3,97%
5,18%
0,77%
2,84%
0,00%
2,36%
2003
2,43%
0,65%
0,94%
2,65%
4,27%
3,23%
1,67%
2,65%
0,75%
2,14%
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Bemerkungen: Inflationsraten ermittelt aus der Veränderung des BIP-Deflator.
Die zuvor abgebildete Tabelle 5.9 zeigt die aus den Daten der Penn World Table der Version 6.2 (Heston et al. 2006) errechneten Inflationsraten der ASEANStaaten.122 Es zeigt sich, dass wie beim Verbraucherpreisindex so auch beim BIPDeflator sich mitunter erhebliche Differenzen zwischen den beobachten ASEAN-Staaten ergeben und wie etwa im Jahr 1980 von 5,85% in den Philippinen bis 24,02% in Indonesien reichen können. Aber auch die Jahr-zu-JahrSchwankungen sind bisweilen sehr groß und können wie in Malaysia (1972 auf 1973), Kambodscha (1999 auf 2000) oder Indonesien (1982 auf 1983) 10% und mehr betragen. Abbildung 5.14: Verlauf der Inflationsraten nach BIP-Deflator
1970
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
BRN
IDN
KHM
LAO
PHL
SGP
THA
VNM
1997
2000
2003
MYS
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung.
Analysiert man die Inflationsraten anhand ihres Verlaufes, so verdeutlichen sich sowohl die Unterschiede in den Jahr-zu-Jahr-Schwankungen als auch die jährü122 Die verwendeten Daten ergeben sich aus BIPnomjnai = BIP pro Kopf in KKP sowie BIPreal = BIP pro Kopf in KKP zu konstanten Preisen nach Laspeyres.
Preisentwicklung
119
chen Differenzen zwischen den ASEAN-Staaten noch einmal. Im Gegensatz zum Verbraucherpreisindex deutet in der längerfristigen Ansicht der Abbildung 5.14 jedoch einiges daraufhin, dass die Inflationsraten der ASEAN-Staaten leicht synchron verlaufen und sich außerdem ein Trend zu allgemein niedrigeren Inflationsraten abzeichnet. Ob die Inflationsraten der ASEAN-Staaten synchron verlaufen, die zunehmenden und abnehmenden Phasen der Inflation also annähernd übereinstimmen, kann durch die paarweise Korrelation der Länderinflationsraten untersucht werden. Tabelle 5.10 zeigt das Ergebnis der Untersuchung auf und macht klar, dass die Inflationsraten der meisten ASEAN-Staaten hoch (> 0,50) korreliert sind, also vieles auf eine synchron verlaufende Bewegung der Inflationsraten hindeutet. Tabelle 5.10: Korrelationsmatrix Inflationsraten BRN
IDN
KHM
LAO
MYS
PHL
SGP
BRN
1,00
IDN
0,60
1,00
KHM
0,61
0,65
1,00
LAO
0,72
0,78
0,70
1,00
' MYS
0,56
0,59
0,44
0,51
1,00
PHL
0,45
0,64
0,63
0,61
0,49
1,00
SGP
0,70
0,68
0,60
0,66
0,49
0,44
1,00
THA
0,64
0,48
0,50
0,55
0,67
0,43
0,69
THA
1,00
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Inwieweit sich ein Trend zu allgemein niedrigeren Inflationsraten abzeichnet, lässt sich durch einen Blick auf den Verlauf der durchschnittlichen Inflationsraten erkennen. Betrug die durchschnittliche Inflationsrate der ASEAN-Staaten zwischen dem Ausgangsjahr 1971 und dem Jahr 1979 noch 7,61%, so reduzierte sich diese im Zeitraum von 1980 bis 1989 auf 4,58% und im Zeitraum von 1990 bis 1999 auf 2,44%. Zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2003 sank die durchschnittliche Inflationsrate noch einmal auf 1,78%, was damit deutlich für einen Rückgang der nach dem BIP-Deflator gemessenen Inflationsraten spricht. Ob der beobachtete Trend zu allgemein niedrigeren Inflationsraten auch mit einer Konvergenz der Inflationsraten einhergeht, hängt von der Streuungsentwicklung der Inflationsraten ab. Verringert sich die Streuung der Inflationsraten, so ist davon auszugehen, dass die ASEAN-Staaten eventuell doch eine in der Zukunft stabilere und gleichmäßigere Preisniveauentwicklung verzeichnen können und dies die Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion erheblich erleichtern würde.
120 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Die Analyse der Streuungsentwicklung der Inflationsrate soll, da diese keinen eindeutigen Niveaucharakter besit2t, nicht durch den Variationskoeffizienten, sondern durch die Betrachtung der Standardabweichung erfolgen. Aus Abbildung 5.15 wird deutlich, dass die Streuungsentwicklung sehr unstetig verläuft, es aber einen — durch die Hilfsgerade verdeutlichten — Trend hin zu einer verringerten Streuung gibt; die Inflationsraten der ASEAN-Staaten also konvergieren. Somit kann festgehalten werden, dass durch den allgemeinen Rückgang der Inflationsraten und durch die Abnahme der Streuung vieles auf zukünftig ähnlich verlaufende Preisänderungen hindeutet. Im Gegensatz zur kurzfristigen Untersuchung des Verbraucherpreisindexes spricht die längerfristige Analyse des BIP-Deflators damit für eine in der Zukunft stabilere und gleichmäßigere Preisentwicklung. Abbildung 5.15: Standardabweichung der Inflationsrate nach BIP-Deflator
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Die Frage nach der zukünftigen Preisentwicklung soll nun noch durch eine Untersuchung auf Anwesenheit einer gemeinsamen Inflation ergänzt werden. Sie soll insbesondere dazu beitragen, das Bild der vergangenen Preisbeobachtungen zu vervollständigen und die Gemeinsamkeiten der ASEAN-Staaten auf diesem Gebiet noch einmal unterstreichen. Dabei ist in erster Linie zu klären, inwieweit die ASEAN-Staaten durch eine gemeinsame Inflationsbewegung miteinander verbunden sind und wie ähnlich der Inflationsverlauf der einzelnen ASEANStaaten einer gemeinsamen Inflationsbewegung ist. Die Untersuchung erfolgt anhand der Faktorenanalyse, die als Extraktionsmethode die Hauptkomponentenanalyse verwendet. Wie bei der Konjunkturunter-
Preisentwicklung · 121
suchung im vorangegangenen Abschnitt, wird auch hier für jede Variable ohne Wiederholung eine Kommunalität von anfanglich genau 1 geschätzt. Ebenfalls soll für die erhaltenen Faktoren ein Eigenwert von mindestens 1 gelten und als Rotationsverfahren die Varimaxmethode mit vorheriger Kaiser-Normalisierung herangezogen werden. Das Ergebnis der Faktorenanalyse ist in Tabelle 5.11 dargestellt und zeigt eine für alle Länder stark positive (> 0,5) Ladung auf einen Faktor, der als gemeinsame Inflationsbewegung zu interpretieren ist. Die stark positiven Ladungen lassen darauf schließen, dass alle ASEAN-Staaten eng mit der gemeinsamen Inflationsbewegung (dem Faktor) verbunden sind. Mit einem Varianzerklärungsanteil von 64,27% trägt der gemeinsame Faktor zudem ausreichend zur Erklärung des Datensatzes bei, wonach die Inflationsbewegungen der einzelnen ASEAN-Staaten durch die gemeinsame Inflationsbewegung wiedergegeben werden können. Es kann also von einer gemeinsamen Inflationsbewegung der ASEAN-Staaten gesprochen werden. Tabelle 5.11: Faktorladungsmatrix der Inflationsrate Faktor 1
Kommunalität
LAO
0,8681
0,7536
IDN
0,8498
0,7221
BRN
0,8279
0,6855
SGP
0,8252
0,6809
KHM
0,8037
0,6459
THA
0,7697
0,5925
MYS
0,7335
0,5380
PHL
0,7234
0,5233
Quadratsumme Prozent der Varianz
5,1417
5,1417
64,2719
64,2719
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Damit kann zusammenfassend festgehalten werden: Die ASEAN-Staaten verfügen heute — mit Ausnahme von Singapur — über ein recht ähnliches Preisniveau, welches sich durch Annäherungsprozesse eingestellt hat. Staaten mit niedrigerem Ausgangniveau verzeichneten im Zeitablauf dabei höhere Preisanpassungsraten, während Staaten mit höherem Ausgangsniveau niedrigere Preisanpassungsraten hatten. Die Streuung hat dabei allerdings nur ohne die Daten von Singapur abgenommen, was also lediglich auf Konvergenz der restlichen ASEAN-Staaten schließen lässt. Unter normalen Umständen ließen ähnliche Preisniveaus und deren Konvergenz dann gleichgerichtete und ebenfalls ähnliche Preisanpassungsraten in der Zukunft vermuten. Doch diese Vermutung kann nur durch die Infla-
122 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
tionsanalyse anhand des BIP-Deflators bekräftigt werden. Dabei zeigen die Daten des BIP-Deflators auf, dass die ASEAN-Staaten im Beobachtungszeitraum von hohen Inflationsraten auf niedrigere Inflationsraten eingeschwenkt sind, daneben die Streuung der Inflationsraten abgenommen hat und zunehmende wie abnehmende Phasen der Inflationsentwicklung meist übereinstimmen. Außerdem ist eine gemeinsame Inflationsbewegung vorhanden. Die Daten des Verbraucherpreisindexes hingegen bringen keine derartigen Ergebnisse hervor und bieten somit auch keinen Anhaltspunkt für ähnliche Preisentwicklungen in der Zukunft. In Anbetracht weiterer Unsicherheitsfaktoren wie möglicherweise stark asymmetrisch wachsende Bruttoinlandsprodukte oder Preisannäherungsprozesse zu Nicht-Mitgliedsstaaten können vorerst keine eindeutigen Annahmen über die zukünftige Preisentwicklung der ASEAN-Staaten getroffen werden, wenngleich aber vieles für eine ähnliche Preisentwicklung in der Zukunft spricht. Dies bedeutet, dass verlässliche Aussagen über eine problemfreie Funktionsweise einer Wirtschafts- und Währungsunion in Südostasien von der Untersuchung weiterer Kriterien abhängig gemacht werden müssen.
5.1.4.2 Zinsentwicklung Neben der Preisentwicklung ist das Kriterium der Zinsentwicklung ein weiteres bedeutendes Kriterium, anhand dessen die Eignung der ASEAN-Staaten zur Schaffung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion analysiert werden kann. Für die Entwicklung der Zinsen — insbesondere der längerfristigen — gilt, dass diese wichtige Informationen über die von den Wirtschaftseinheiten erwartete wirtschaftliche Entwicklung enthalten. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Zusammensetzung des (nominalen) Langfristzinses, der neben dem Realzins aus der Inflationserwartung und unter Umständen gewissen Risikoprämien für Wechselkurs-, Liquiditäts-, Ausfall- oder allgemeine Politik- bzw. Markunsicherheiten besteht.123 Veranschaulichen lässt sich dies anhand einer modifizierten Fisher-Gleichung, für die gilt: (5.25)
i = r + π6 + RP
wobei / dem Nominalzins entspricht, r den Realzins definiert, π für die erwartete Inflationsrate steht und RP als allgemeine Risikoprämie interpretiert werden kann. Durch die Analyse der Zinsentwicklung ist es also möglich, Aussagen über die aus der erwarteten Inflation und den vermuteten Risiken abgeleitete zukünftige 123 Derlei Risikoprämien fallen vor allem in sich entwickelnden Ländern wie etwa auch den ASEAN-Staaten an. Vgl. Ferrucci (2003).
Zinsentwicklung • 123
wirtschaftliche Entwicklung zu treffen. 124 Im Allgemeinen wird für die Analyse der Zinsentwicklung ein Zinssatz gewählt, der für langfristige Wertpapiere staatlicher Emittenten (ζ. B. zehnjährige Staatsanleihen) gezahlt wird. 125 Da aber einige ASEAN-Staaten noch keine, andere erst seit kurzem Staatsanleihen in Landeswährung emittieren 126 , sollen zur Analyse der langfristigen Zinsentwicklung die Zinsen zwölfmonatiger Termineinlagen verwendet werden. Zwar sind auch hier die Daten nicht immer vollständig und mit einer zwölfmonatigen Laufzeit nur bedingt langfristig, dagegen rechtfertigen aber die längere Verfügbarkeit sowie das üblicherweise recht ähnliche Niveau mit den Zinsen auf Staatsanleihen eine Verwendung der Daten. Tabelle 5.12: Zinsen zwölfmonatiger Termineinlagen BRN
IDN
KHM
MYS
PHL
SGP
THA
VNM
MW
17,00%
11,95%
7,26%
14,80%
3,99%
8,88%
9,60%
10,50%
1997
16,00%
11,13°/θ
9,33%
16,20%
4,41%
11,50%
9,60%
11,17%
1998
28,29%
11,09%
5,74%
18,40%
2,51%
6,00%
11,40%
11,92%
1999
22,35%
9,84%
3,95%
11,80%
2,46%
4,12%
7,20%
8,82%
2000
12,17%
7,20%
20,00%
4,24%
10,90%
2,42%
3,50%
6,24%
8,33%
2001
15,48%
8,33%
15,00%
4,00%
12,40%
1,53%
2,88%
6,84%
8,31%
15,28%
7,20%
15,50%
4,00%
8,90%
1,32%
2,00%
7,80%
7,75%
10,39%
7,00%
15,50%
3,70%
9,50%
0,70%
1,00%
7,20%
6,30%
1996
2002
LAO
MMR
2003
1,69%
2004
1,62%
7,07%
6,60%
13,00%
3,70 %
10,08%
0,72%
1,00%
7,56%
5,71%
2005
1,63%
10,95%
6,83%
10,50%
3,70%
10,15%
0,86%
3,00%
8,40%
6,22%
2006
1,14%
11,63%
6,45%
11,00%
3,73%
9,70%
0,88%
4,50%
8,40%
6,38%
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c), wo notwendig und möglich durch Daten derjeweiligen Zentralbanken vervollständigt. Tabelle 5.12 zeigt die Entwicklung der Zinsen zwölfmonatiger Termineinlagen der ASEAN-Staaten zwischen 1996 und 2006, die den Key Indicators 2007 der Nach der Grenzproduktivitätstheorie entspricht der Zins — neben bestimmten Zeitpräferenzen - der Grenzproduktivität des Kapitals, wodurch Rückschlüsse auf konjunkturelle Veränderungen und damit die Gewinnerwartungen der Wirtschaftseinheiten gezogen werden können (Clark 1899). Auch nach Schumpeter (1952) können Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung gemacht werden, weil der Zins als Anteil vorübergehender Unternehmensgewinne nur im Umfeld einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft bezahlt werden kann. 125 Wären die Emittenten zudem öffentliche Haushalte westlicher Industrienationen, so könnten auch die zuvor angenommenen Risikoprämien vernachlässigt werden. 126 Zehnjährige Staatsanleihen in Landeswährung werden von Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam emittiert. 124
124 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währurigsraum?
Asian Development Bank (Asian Development Bank 2007c) entnommen sind. Es ist zu erkennen, dass in diesem Zeitraum alle ASEAN-Staaten einen Rückgang der Zinsen verzeichnen konnten. Lag das durchschnittliche Zinsniveau im Jahr 1996 noch bei 10,50%, so verringerte sich dieses auf 6,38% im Jahr 2006, was einem prozentualen Rückgang von ca. 39% entspricht. Den stärksten absoluten Rückgang konnte dabei Laos verbuchen, wo sich der Zinssatz vom Jahr 2000 mit 20,00% zum Jahr 2006 mit 11,00% um neun Prozentpunkte verringert hat. Dies entspricht einem prozentualen Rückgang von 45%. Den unter den ASEAN-Staaten größten prozentualen Rückgang der Zinsen konnte hingegen Singapur erreichen, wo sich das Zinsniveau um ca. 78% verringerte; gefolgt von Thailand mit rund 49% und Kambodscha mit 46%. Einen im Vergleich zu anderen ASEAN-Staaten eher geringen prozentualen Rückgang im Zinsniveau verzeichnete hingegen Vietnam mit 12,5%. Betrachtet man neben den reinen Daten zudem den Verlauf der Zinssätze (Abbildung 5.16), so lässt sich erkennen, dass mit dem Ausbruch der Asienkrise 1997 das allgemeine Zinsniveau anstieg, danach jedoch wieder abfiel und seit 2004 es wiederum eine Tendenzen zu steigenden Langfristzinsen gibt. Diesmal allerdings von einem nunmehr durchgängig niedrigeren Niveau aus, als dies vor 1997 der Fall war. Dem Trend wieder ansteigender Zinsen können sich in gewissem Umfang lediglich Kambodscha, Laos und Malaysia entziehen. Abbildung 5.16: Verlauf der Zinssätze zwölfmonatiger Termineinlagen
BRN
IDN
KHM
LAO
PHL
—SGP
THA
VNM
MYS
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c). Es lässt sich damit eine erste Annahme über die von den Wirtschaftseinheiten erwartete wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen ASEAN-Staaten treffen. Im
Zinsentwicklung · 125
Allgemeinen hat sich die Erwartung in die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität der Länder seit der Asienkrise 1997 erheblich verbessert, was sich in einem rückläufigen Zinsniveau manifestiert. Die Wirtschaftseinheiten erwarten demnach einen Rückgang der Inflation bzw. der allgemeinen Risiken. Dies gilt vor allem für Kambodscha, Laos und Malaysia, deren Zinsniveau bis heute nahezu kontinuierlich zurückging. Aber auch für Brunei und Singapur. Eher indifferent ist dagegen die von den Wirtschaftseinheiten angenommene wirtschaftliche Entwicklung für die Philippinen und Vietnam, deren Langfristzinsen seit längerem keine klaren Entwicklungstendenzen mehr aufzeigen. Unsicherheit besteht aus der Sicht der Wirtschaftseinheiten jedoch vor allem für die Entwicklung von Thailand und Indonesien, deren Zinsniveau seit 2004 wieder stark zugenommen hat. 127 Um beurteilen zu können, inwieweit die ASEAN-Staaten für die Schaffung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion geeignet sind, ist jedoch nicht der langfristige Zinsverlauf alleine, sondern insbesondere die Frage nach der Konvergenz der Zinsen von herausragendem Interesse. Die Untersuchung auf Konvergenz soll wie bei der Wirtschaftskraft und dem Preisniveau durch das Konzept der σ-Konvergenz bei Verwendung des Variationskoeffizienten erfolgen. Abbildung 5.17: Variationskoeff. der Zinssätze zwölfmonatiger Termineinlagen
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c), eigene Berechnung.
127 Allerdings kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der erneute Anstieg der Zinsen nicht auch auf die zwischen Mitte 2004 und Anfang 2006 durchgeführte kontinuierliche Leitzinserhöhung der US-Notenbank von 1,0% auf 5,25% zurückzufuhren ist.
126 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Aus der vorangegangenen Abbildung 5.17, die den Variationskoeffizienten der Zinssätze zwölfmonatiger Termineinlagen anzeigt, ist zwischen den Jahren 1996 und 2006 keine Annäherung der Zinsen zu erkennen. Es kann sogar davon ausgegangen werden, dass die Streuung der Zinssätze zwölfmonatiger Termineinlagen zwischen den ASEAN-Staaten zugenommen hat, zumindest aber uneinheitlich verlief. Ein Variationskoeffizient über 0,5 schränkt darüber hinaus die generelle Aussagefähigkeit der Analyse stark ein, wodurch im betrachteten Zeitraum letztendlich keine Anhaltspunkte auf σ-Konvergenz gefunden werden können. Es kann also angenommen werden, dass die Wirtschaftseinheiten von den ASEAN-Staaten keine einheitliche wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft erwarten. Für eine ausführlichere Untersuchung der Zinsentwicklung greift jedoch die ausschließliche Betrachtung eines einzigen (nominalen) Langfristzinses — bestehend aus Realzins, Inflations- und Risikoerwartung - meist zu kurz; lassen sich doch in einer Volkswirtschaft in der Realität mehrere unterschiedliche Zinssätze registrieren. Innerhalb des sehr breiten Spektrums unterschiedlicher Zinsen ist die Unterscheidung nach der Fristigkeit allerdings eine der verbreitetsten und bedeutendsten. 128 Neben dem bereits eingeführten Langfristzins auf zwölfmonatige Termineinlagen soll daher zudem ein kurzfristiger Zinssatz, wie er beispielsweise auf Spareinlagen gezahlt wird, in die Analyse miteinbezogen werden. In der Regel wird dabei davon ausgegangen, dass der langfristige Zins — wie ausgeführt - durch die Erwartungen der Wirtschaftseinheiten determiniert ist, während der kurzfristige Zins auf die geldpolitische Steuerung der Zentralbank zurückgeführt wird. Bei der Analyse der kurz- und langfristigen Zinsen steht vor allem das Verhältnis der beiden Zinssätze zueinander, die zeitliche Zinsstruktur oder Fristigkeitsstruktur (term structure) im Mittelpunkt. Mit der traditionellen bzw. reinen Erwartungs-, der Liquiditätsprämien- und der Marktsegmentierungstheorie bietet die ökonomische Literatur drei unterschiedliche, teils ergänzende, teils konkurrierende Kernansätze 129 zur Erklärung der zeitlichen Zinsstruktur. 130 Die Erwartungstheorie stellt dabei den ältesten und bis dato weithin anerkanntesten Erklärungsversuch dar. Die auf Fisher (1930) zurückgehende und u. a. von Hicks (1939) weiterentwickelte Erwartungstheorie besagt, dass unter der Annahme vollkommener Informationseffizienz und Risikoneutralität der langfristi128 Zinsen lassen sich neben dem unterschiedlichen Zeithorizont auch nach der Bonität, nach örtlichen Gesichtspunkten, unterschiedlichen staatlichen Einflüssen und anderen Kriterien differenzieren. 129 Neben den drei Kernansätze liefern auch die Theorie von Cox et al. (1985) sowie die Perferred Habitat-Theorie von Modigliani/Sutch (1966) Erklärungsversuche zur Zinsstruktur. 130 Einen Überblick von Ansätzen zur Erklärung der zeitlichen Zinsstruktur lieftert u. a. auch Issing (2007).
Zinsentwicklung • 127
ge Zins gleich dem geometrischen Mittel der erwarteten kurzfristigen Zinsen entspricht. Dies beruht auf den sich ergebenden Arbitragebewegungen, die durch intertemporale Zinsdifferenzen hervorgerufen werden. Erwarten die Wirtschaftseinheiten demnach einen zukünftigen Anstieg der kurzfristigen Zinsen, so muss der heutige kurzfristige Zins unterhalb des heutigen Langfristzinses liegen. Gehen die Wirtschaftseinheiten hingegen von sinkenden kurzfristigen Zinsen in der Zukunft aus, so liegt der heutige langfristige Zins unter dem heutigen kurzfristigen Zins. Bei erwarteten gleichbleibenden Zinsen decken sich heutige kurzund langfristige Zinssätze. Neben der Erwartungstheorie bietet die Liquiditätsprämientheorie einen weiteren (ergänzenden) Ansatz zur Erklärung der Zinsstruktur. Die Liquiditätsprämientheorie (vgl. Hicks 1939) fußt dabei auf den von Keynes aufgestellten Annahmen zur Geldhaltung, wonach Wirtschaftseinheiten stets zahlungsfähig sein wollen und dadurch eine Vorliebe für den Besitz von Geld - eine Liquiditätspräferenz (liquidity preference) - haben. Die Liquiditätspräferenz bewirkt, dass Wirtschaftseinheiten für den heutigen Verzicht auf Liquidität entlohnt werden wollen und eine Prämie, den Zins, verlangen. Da in der Regel mit steigender Kapitalbindungsdauer der Liquiditätsgrad abnimmt, wird zwischen Zinshöhe und Kapitalbindungsdauer eine positive Korrelation bestehen. Heutige Kurzfristzinsen werden demnach (auch bei erwarteten gleichbleibenden Zinsen) unterhalb der heutigen Langfristzinsen liegen. Im Gegensatz zu den in der Erwartungs- und Liquiditätsprämientheorie getroffenen Annahmen geht die Marktsegmentierungstheorie (vgl. Culbertson 1957) von einem uneinheitlichen, nicht homogenen Kapitalmarkt aus und unterteilt diesen stattdessen in einzelne, segmentierte Teilmärkte, auf denen sich je nach Marktkonstellation voneinander isolierte Zinssätze bilden. Nach der Marktsegmentierungstheorie erklärt sich die Zinsstruktur also vornehmlich durch unterschiedliche Fristigkeitspräferenzen der Wirtschaftseinheiten, die diese nur auf institutionell abgegrenzten Märkten zu jeweils unterschiedlichen Zinssätzen erfüllen können. Bis heute haben eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen versucht, den Erklärungsgehalt der einzelnen Zinsstrukturtheorien zu verifizieren. Die mitunter sehr widersprüchlichen Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass es bislang an einem allgemein anerkannten, umfassenden Erklärungsansatz mangelt und die hier ausgeführten Theorien lediglich Teilansätze darstellen. Trotzdem scheint von den drei Zinsstrukturtheorien jedoch nach wie vor die Erwartungstheorie der von den meisten Autoren am weitesten akzeptierte Erklärungsversuch zu sein. So gelangt etwa Froot (1989) in einer Analyse der USamerikanischen Zinsstruktur zu dem Ergebnis, dass die Erwartungstheorie vor allem im langfristigen Bereich einen hohen Erklärungsgehalt aufweist. Und Gerlach/Smets (1997) weisen darauf hin, dass die Erwartungstheorie auch für
128 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
kurzfristige Laufzeiten nicht zu verwerfen ist. 131 Für sich entwickelnde Länder wie etwa für Brasilien (Tabak/Andrade 2003) oder Sri Lanka (Cooray 2003) aber auch andere (Arize et al. 2002) deutet sich ein noch stärkerer Erklärungsgehalt der Erwartungstheorie an, als dies in Industrieländern der Fall ist. Aufgrund dieses Umstandes sowie der nach wie vor weiten Akzeptanz und der recht breiten empirischen Fundierung sollen im Folgenden daher die Ansätze zur Erwartungstheorie auch für die Erklärung der Zinsstrukturen der ASEANStaaten herangezogen werden. Abbildung 5.18: Zinsstrukturkurven I IDN
BRN 2%
1996 —
1998 1
2000
2002
kurzfristig
2004
1996
2006
—
1998
2000
— kurzfristig
2000
' kurzfristig '
langfristig
KHM
1996
1998
2002
2004
2006
• langfristig
LAO
2002
2004
1996
2006
langfristig
-
1998 2000 kurzfristig
2002 2004
2006
langfristig
Quelle: Asian Development Rank Key Indicators 2007 (Asian Development Rank 2007c).
131 Den Erklärungsgehalt der Erwartungstheorie anzweifelnde Untersuchungen liegen u. a. von Campbell/Shiller (1984; 1991), Mankiw (1986) und Evans/Lewis (1994) vor.
Zinsentwicklung · 129 Abbildung 5.19: Zinsstrukturkurven II
20%
15% 6%
10%
4%
5%
2%
0% Η 1 1 Γ—τ .
0%
1996 —
1998
2000
2002
— kurzfristig
2004
2006
langfristig
1996
1998
2000
— - kurzfristig ~
,
ι ,
2002 ~
,
2004
, 2006
langfristig
ΤΗΑ
1996
1998
2000
kurzfristig
2002
2004
2006
langfristig
1996
1998
2000
kurzfristig
2002
2004
2006
langfristig
VNM
—™1 kurzfristig
langfristig
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
130 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafte- und Währungsraum?
Abbildung 5.18 und Abbildung 5.19 zeigen dabei den Verlauf der bereits ausgeführten langfristigen Zinsen der zwölfmonatigen Termineinlagen im Vergleich zu den aus gleicher Quelle stammenden kurzfristigen Zinsen auf Spareinlagen. Es zeigt sich, dass in den meisten Mitgliedsstaaten der ASEAN die Zinsen auf kurzfristige Spareinlagen unterhalb denen zwölfmonatiger Termineinlagen liegen und es somit — zumindest im Beobachtungszeitraum zwischen 1996 und 2006 — eine normale Zinsstruktur gibt. Einzig Indonesien zeigt, und das auch nur im Jahr 1997, eine inverse Zinsstruktur (langfristige Zinsen liegen unterhalb der kurzfristigen Zinsen), die, wie in solchen Fällen üblich, mit einem zudem verhältnismäßig hohen Zinsniveau einhergeht. Auch ist zu erkennen, dass das allgemeine Zinsniveau der ASEAN-Staaten rückläufig ist und sich damit die bereits bei der ausschließlichen Betrachtung der Langfristzinsen aufgezeigten Erwartungen der Wirtschaftseinheiten bezüglich Stabilität und positiver Wirtschaftsentwicklung bestätigten lassen. Bei einer detaillierteren Analyse der einzelnen ASEAN-Staaten fällt auf, dass deren Zinsstrukturen zwar größtenteils normal — im Sinne von: langfristige Zinsen liegen oberhalb der kurzfristigen Zinsen — verlaufen, jedoch nicht immer parallel sind. Nur die Zinsstrukturkurven von Indonesien, den Philippinen und Singapur sind durch einen annähernd vollständig parallelen Verlauf der kurz- und langfristigen Zinsen gekennzeichnet, was auf eine von den Wirtschaftseinheiten als sehr glaubwürdig eingeschätzte Geldpolitik der jeweiligen Zentralbanken schließen lässt. Eine eher konvergierende Beziehung der kurz- und langfristigen Zinsen weisen hingegen die Zinsstrukturkurven von Laos, Thailand, Vietnam und Brunei 132 auf. Jedoch konvergieren die Zinsen von Laos und Thailand dabei in der Weise, dass die langfristigen Zinsen schneller absinken als die kurzfristigen Zinsen, während im Falle von Vietnam und Brunei die Konvergenz durch steigende kurzfristige und sinkende langfristige Zinsen zustande kommt. Unter der noch immer geltenden Prämisse, dass die langfristigen Zinsen durch die Erwartungen der Wirtschaftseinheiten determiniert sind und die kurzfristigen Zinsen vornehmlich durch die Zentralbank beeinflusst werden, lassen sich daraus unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. So ist für Laos und Thailand anzunehmen, dass sowohl die Wirtschaftseinheiten als auch die Zentralbanken von einer stabileren zukünftigen Wirtschaftsentwicklung samt niedrigerer Inflation und rückläufigem Risiko ausgehen, wohingegen die Situation in Vietnam und Brunei auf ein ebenso stärker werdendes Vertrauen in die Entwicklung der Wirtschaft hindeutet, gleichzeitig aber sich die Zentralbanken gezwungen sehen, durch Zinserhöhungen einer Überhitzung der Wirtschaft entgegenzutreten. Für Kambodscha und Malaysia lassen sich bis ins Jahr 1999 bzw. 2000 ebenfalls konvergierende Kurzund Langfristzinsen feststellen, deren Verlauf aber seitdem eine deutlich diverFür Brunei können die Annahmen aufgrund der sehr knappen Datenlage nur eingeschränkt gelten. 132
Zinsentwicklung -131 gierende Tendenz aufzeigt. In beiden Fällen ist das Auseinanderdriften der kurzund langfristigen Zinsen dabei vor allem auf den Rückgang der kurzfristigen Zinsen zurückzufuhren, während der langfristige Zins weitgehend konstant blieb. Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Wirtschaftseinheiten der beiden Länder eine weiterhin gleichbleibende Inflations- und Risikoerwartung haben, die Zentralbanken aber aus unterschiedlichen Gründen eine Zinssenkungspolitik verfolgen. Interessant ist für die Analyse der kurz- und langfristigen Zinsen aber nicht nur deren Verlauf und deren Verhältnis zueinander, sondern insbesondere auch die Differenz, die zwischen kurz- und langfristigen Zinsen besteht. Gibt doch gerade sie Auskunft darüber, wie hoch die von den Wirtschaftseinheiten erwartete Inflation und die geforderten Risikoprämien sind. Daraus lassen sich sodann wiederum zusätzliche Erkenntnisse über die wirtschaftliche Gesamtsituation und den Entwicklungspfad der einzelnen ASEAN-Staaten gewinnen. Aus Abbildung 5.20, welche die Differenzen zwischen den kurz- und langfristigen Zinsen (term spreads) der ASEAN-Staaten mittels Zinsdifferenzkurven visualisiert, wird ersichtlich, dass nach der Asienkrise 1998, zumindest aber seit dem Jahr 2000, die Mitgliedsstaaten der ASEAN sich in zwei Gruppen einteilen lassen. Die eine Gruppe, bestehend aus Brunei, Malaysia, Singapur und Thailand, ist durch relativ geringe Zinsdifferenzen gekennzeichnet, die in einem Bereich zwischen knapp über 0,0% und knapp über 2,0% liegen. Die andere Gruppe, zu der Indonesien, Kambodscha, Laos, die Philippinen und Vietnam zählen, verzeichnet hingegen höhere Zinsdifferenzen, die zwischen 3,5% und 7,0% schwanken. Diese Zweiteilung spiegelt einerseits natürlich die bestehenden Entwicklungsunterschiede der ASEAN-Staaten wider, wo für weniger entwickelte Länder höhere Inflations- und Risikoerwartungen bestehen als für weiter entwickelte Länder — wie etwa Brunei, Malaysia, Singapur oder auch Thailand. Andererseits wird aber auch deutlich, dass innerhalb des Beobachtungszeitraums sich eine gewisse Persistenz der Zinsdifferenzen andeutet, aus der sich keine signifikanten Erwartungsänderungen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Situation der einzelnen ASEAN-Staaten herauslesen lassen. Die Wirtschaftseinheiten inklusive der Zentralbanken werden ihre Inflations- und Risikoeinschätzungen für die Zukunft also nicht außerordentlich ändern. Zuletzt gibt die zweigeteilte Struktur der Zinsdifferenzkurven noch Auskunft über die Verfassung der jeweiligen Finanzmärkte. So ist davon auszugehen, dass ASEANStaaten mit niedrigeren Zinsdifferenzen (Brunei, Malaysia, Singapur und Thailand) in der Regel auch liquidere und informationseffizientere Finanzmärkte sowie einen gefestigteren Bankensektor aufweisen als Länder, in denen die Abstände zwischen den von den Zentralbanken determinierten kurzfristigen Zinsen und den durch die Erwartungen der Wirtschafteinheiten beeinflussten langfristigen Zinsen größer sind.
132 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Abbildung 5.20: Zinsdifferenzkurven
«ν
12,0% 10,0% 8,0%
I
6,0%
iff
4,0%
2,0% 0,0%
Λ ^ • s ~s
19%
\ >
^
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.
.-s
2002
2003
\ " ' \
-2,0%
ν
\
/ V
1997
BRN PHL
1998
1999
2000
IDN SGP
2001
KHM THA
LAO VNM
2004
2005
2006
MYS
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c), eigene Berechnung. Für die Entwicklung der Zinsen lässt sich damit zusammenfassen: Alle ASEANStaaten konnten im Beobachtungszeitraum zwischen 1996 und 2006 einen Rückgang der langfristigen Zinsen auf zwölfmonatige Termineinlagen verzeichnen. Das durchschnittliche Zinsniveau sank dabei von 10,50% auf 6,38%. Dies lässt den Schluss zu, dass für die ASEAN-Staaten allgemein niedrigere Inflationsraten sowie ein verringertes Risiko erwartet werden. Allerdings ging mit dem Rückgang der langfristigen Zinsen keine Konvergenz einher, sodass ein einheitliches Zinsniveau vorerst nicht zu erkennen ist. Auch die Analyse der Zinsstruktur hat gewisse Unterschiede zwischen den ASEAN-Staaten offenbart. Insbesondere die Betrachtung der Zinsdifferenzkurven hat gezeigt, dass sich die Unterschiede in einer Zweiteilung der ASEAN-Staaten präsentieren und die ASEAN-Staaten damit aus heutiger Sicht und anhand der Zinsentwicklung eher keinen einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum darstellen.
5.1.4.3
Geldmengenentwicklung
Für die Beurteilung, inwieweit die ASEAN-Staaten einen geeigneten, einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum darstellen, spielt neben dem aktuellen Preisniveau, der vergangenen Preisentwicklung und der eben analysierten Zinsentwicklung auch die Entwicklung der Geldmenge eine bedeutende Rolle. Je nach Betrachtungswinkel lassen sich aus der Entwicklung der Geldmenge wichtige Schlüsse über die zukünftige Inflationsrate, die Auslastung des Produktionspotentials und natürlich die Wirkungsweisen der verfolgten Geldpolitik ziehen,
Geldmengenentwicklung · 133
was zusammen wiederum entscheidende Anhaltspunkte über die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung der ASEAN-Staaten liefert. In der ökonomischen Theorie existieren unterschiedliche Mechanismen, die in der Lage sind, die Beziehung zwischen Geldmenge, Preisen und gesamtwirtschaftlicher Produktion begründen zu können. Diese hängen vom Zeithorizont und den Wechselwirkungen der betrachteten ökonomischen Variablen ab. Den üblichen analytischen Ausgangspunkt bei der Untersuchung der langfristigen Beziehung zwischen Geld, Preisen und gesamtwirtschaftlicher Produktion bildet die Quantitätstheorie (vgl. Fisher 1930), die sich mit Hilfe der Quantitätsgleichung verdeutlichen lässt:133 (5.26)
Μ · V~ Ρ · Y.
Demnach entspricht die umlaufende Geldmenge (M) multipliziert mit der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (V) dem Produkt aus Preisniveau (P) und realem Bruttoinlandsprodukt (Y). Für die geldpolitische Anwendung dieses Ansatzes lässt sich die Quantitätsgleichung auch in Wachstumsraten umformulieren, womit gilt: (5.27)
AM + AV - π + AY.
In dieser Form entspricht das Wachstum der Geldmenge (AM) plus der Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit (AV) gleich der Inflationsrate (π) plus des realen Wirtschaftswachstums (AY). Unter der Annahme einer konstanten Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit führt eine Erhöhung des Geldmengenwachstums so zu einer entsprechenden Steigerung der Inflationsrate, sofern sich das reale Bruttoinlandsprodukt nicht ändert. Steigt hingegen das reale Bruttoinlandsprodukt und bleiben dabei das Preisniveau unverändert und die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge konstant, so kann die gesamtwirtschaftliche Produktion nur mit einer zunehmenden Geldausstattung einhergehen. Folglich kann bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit damit eine steigende Geldmenge nur zur Erhöhung der Inflation oder zur Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Produktion führen. Betrachtet man für die ASEAN-Staaten den Verlauf der Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M2 (V), wie ihn Abbildung 5.21 visualisiert, so lässt sich erkennen, dass diese von Indonesien, Laos, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand zwar auf unterschiedlichen Niveaus, dennoch aber relativ konstant verlief, während sich die Umlaufgeschwindigkeit von Vietnam erhöhte und die von Brunei sank.
133 Für sich alleingestellt ist es der Quantitätsgleichung nicht möglich, kausale Zusammenhänge zwischen den einzelnen Variablen herzustellen, da es sich bei der Quantitätsgleichung lediglich um eine Identitätsgleichung handelt. Vgl. Issing (2007).
134 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Abbildung 5.21: Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M2
1996
1997
BRN MYS
1998
1999
IDN PHL
2000
2001
2002
KHM SGP
2003
2004
LAO THA
2005
2006
MMR VNM
Quelle: Asian Development hank Key Indicators 2007 (Asian Development hank 2007c). Bemerkungen: Umlaufgeschwindigkeit (V) ermittelt aus nominalem BIP / M2. Unter der bestätigten Annahme weitgehend konstanter Umlaufgeschwindigkeiten lassen sich nun anhand der Entwicklung der Geldmenge Rückschlüsse auf die Inflation und die gesamtwirtschaftliche Produktion ziehen. Dafür soll zunächst zwischen der nominalen und realen Geldmenge unterschieden werden. Diese auf Friedman (1956) zurückgehende Unterscheidung bildet den Ausgangspunkt der Neo-Quantitätstheorie, die nicht nur die Beziehung zwischen Geld, Preisen und gesamtwirtschaftlicher Produktion erläutert, sondern vor allem auch eine Erklärung des Prozesses selbst — dem Transmissionsmechanismus — bietet. Nach Friedman (1956) ist die nominale Geldmenge im Wesentlichen durch die Zentralbanken exogen determiniert und entspricht damit dem Geldangebot. Die reale Geldmenge, die sich aus der Division der nominalen Geldmenge durch das Preisniveau ergibt, ist hingegen durch die Wirtschaftseinheiten bestimmt, die sich bei ihren Konsum- und Investitionsausgaben ausschließlich an realen Größen orientieren (frei von Geldillusion sind) und dafür eine reale Kassenhaltung vornehmen. 134 Die reale Geldmenge stellt damit die Geldnachfrage dar und ist im Gegensatz zur nominalen Geldmenge endogen bestimmt. Die Orientierung der Wirtschaftseinheiten an realen Größen bewirkt, dass die von den Zentralbanken initiierten Änderungen der nominalen Geldmenge stets die von den Wirtschaftseinheiten gewünschte reale Kassenhaltung
Durch die Orientierung an realen Größen und einer gewissen realen Kassenhaltung lässt sich auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erklären. Vgl. Friedman/Schwartz (1963) sowie Issing (2007). 134
Geldmengenentwicklung • 135
stören bzw. aus dem Gleichgewicht bringen. Das Wiederherstellen der gewünschten realen Kassenhaltung führt schließlich erneut dazu, dass sich je nach Auslastungsgrad entweder die Preise und/oder die gesamtwirtschaftliche Produktion ändern. 135 Durch die Kenntnis dieser Zusammenhänge lassen sich nun wertvolle Schlüsse über die wirtschaftliche und monetäre Situation der ASEANStaaten ziehen und weitere Hinweise über deren Eignung zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion finden. Die folgende Abbildung 5.22 und Abbildung 5.23 stellen dafür die Veränderungsraten der Geldmenge M2 den Inflationsraten gegenüber. Abbildung 5.22: Nominales Geldmengenwachstum und Inflation I IDN
BRN
1996 "
1998
2000
2002
Geldmenge
2004
1996
2006
Inflation
1998
50%
*
/
10% 0% -10% 1996
1998
2000
• —— Geldmenge
2004
2006
•Inflation
LAO
40% 30%
2002
' Geldmenge '
KHM
20%
2000
2002
2004
2006
Inflation
140% 120% 100% 80% 60% 40% 20% 0%
// \\ /
/ / 1996
1998
2000
" — Geldmenge —
2002 —
2004
2006
Inflation
QuelleiAsian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
' Eine ausführlichere Darstellung dieses Prozesses ist u. a. bei Issing (2007) zu finden.
136 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Abbildung 5.23: Nominales Geldmengenwachstum und Inflation II MMR
MYS 30% 25% 20%
15%
\
10%
/
Λ
V
5% 0%
-10% 1996
1998 2000
2002 2004
2006
•Inflation
' Geldmenge '
1996
1998
40%
20%
30%
15%
20%
10%
10% -
5%
0%
0%
-10%
•
2000
2004
2006
Inflation
SGP
25%
1998
2002
Geldmenge
—
PHL
1996
2000
2002
Geldmenge
2004
1996
2006
Inflation
3
~
1998
2000
2002
Geldmenge
THA
2004
2006
Inflation
VNM
20%
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% -10%
15% 10% 5%
1996
1998 1
2000
Geldmenge
2002
2004
2006
Inflation
1996
1998
2000
Geldmenge
2002
2004
2006
Inflation
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
Geldmengenentwicklung · 137
Es ist zu erkennen, dass die Daten, die wieder den Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c) entnommen sind, ein sehr unterschiedliches Bild der ASEAN-Staaten in Bezug auf das Verhältnis von nominalem Geldmengenwachstum und Inflation aufzeigen. Während Indonesien, Laos und Thailand eine auffallend enge und relativ zeitnahe Beziehung zwischen dem Wachstum der Geldmenge M2 und der Infladonsentwicklung haben, ist dieser Zusammenhang in den anderen ASEAN-Staaten nicht ohne weiteres zu erkennen. Für Myanmar kann ein um ein Jahr verzögerter Zusammenhang zwischen dem Geldmengenwachstum und dem Inflationsanstieg angenommen werden, wenngleich die eingeschränkte Datenlage keinen umfassenden Anhaltspunkt dafür bietet. Der Zusammenhang zwischen dem vorlaufenden Geldmengenwachstum und der nachfolgenden Inflation scheint für die Philippinen mit immer länger werdenden Nachfolgebeziehungen der Inflation verbunden zu sein, die 1998 noch ein Jahr, 2001 bereits zwei und 2005 drei Jahre betrugen. Für Brunei lässt sich noch ein sehr schwacher Zusammenhang vermuten, wohingegen Kambodscha, Malaysia, Singapur und Vietnam keinerlei Beziehungen zwischen Geldmengenwachstum und Inflation erkennen lassen. Für die drei erstgenannten ASEAN-Staaten Indonesien, Laos, und Thailand kann damit angenommen werden, dass diese, bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit bzw. konstanter realer Kassenhaltung, relativ ausgelastete Produktionskapazitäten haben und Geldmengenänderungen demnach vor allem Preisänderungen hervorrufen.136 Interessant ist diese Erkenntnis insbesondere bei der Betrachtung der Jahre 1997 und 1998. Es zeigt sich, dass der Versuch von Indonesien, Laos und Thailand, die negativen Auswirkungen der Asienkrise durch eine überdurchschnittliche Geldmengenausweitung abzufangen, scheiterte und nicht die Produktion, sondern fast ausschließlich die Preise stiegen.137 Für Malaysia, Singapur und die Philippinen, die ihre Geldmengen im Umfeld der Asienkrise ebenfalls stark ausgeweitet haben, zeigen sich hingegen keine oder nur bedingte Preisänderungen; das Geldmengenwachstum schlug sich demzufolge in einer erneuten Ausweitung der Produktion nieder. Allgemein gilt für Malaysia, Singapur und die Philippinen, aber auch für Brunei, Kambodscha und Vietnam, dass deren Geldmengenwachstum im Beobachtungszeitraum eher mit einer Ausweitung der Produktion als mit einem Anstieg der Preise einherging. 138
136 Indonesien und Laos sind - wie in Kapitel 5.1.3.1 gezeigt hat - zudem auch die Länder, die nach wie vor über die höchsten Inflationsraten der ASEAN verfugen. 137 Wie in Kapitel 3.2 aufgezeigt wurde, war eine der Hauptursachen der Asienkrise die zu geringe Liquidität der Märkte. Die verspätete Bereitstellung von Geld ging daher vor allem in die Preise. 138 Vgl. dazu auch die Ausführungen zum Wirtschaftswachstum, wie sie in Kapitels 5.1.1 dieser Arbeit zu finden sind.
138 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Allerdings ist dieser Zusammenhang für diese Länder nicht zwingend und keineswegs direkt. Zum einen zeigen Länder mit niedrigeren Inflationsraten einen im Allgemeinen geringeren Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation und zum anderen können gerade in kleineren, offeneren und weniger entwickelten Volkswirtschaften Geldmengenzuwächse außerdem in andere Kanäle — wie etwa das Ausland oder Portfolioverlagerungen — gelangen und so weder starken Einfluss auf Produktion noch auf Preisniveau haben. Letztendlich können an dieser Stelle nicht alle der möglichen Einflussgrößen der Geldnachfrage in den ASEAN-Staaten ausgeführt und analysiert werden, da die Gesamtzusammenhänge zwischen Geldmengenwachstum, Inflation und Produktionsentwicklung zu komplex und vielschichtig sind. Außerdem kommen durch eine weiter fortschreitende Kapitalmarktliberalisierung, die mitunter eingeschränkte Unabhängigkeit der Zentralbanken, eine stark schwankende Liquidität und Kreditvergabe sowie Wechselkurseffekte und die ausländischen Kapitalzuflüsse durch Direktinvestitionen weitere Faktoren hinzu, die eine umfassende Einschätzung der Wirkungsbeziehung von Geldmengenwachstum und Inflation kaum zulassen. Indes kann aufgrund der sehr unterschiedlichen Verhältnisse der ASEAN-Staaten in Bezug auf deren Geldmengenwachstum und die Inflation sowie die ausgeführten unsicheren Gesamtzusammenhänge vermutet werden, dass mit der Geldmengenentwicklung eine mögliche Instabilität zwischen den ASEAN-Staaten einhergehen kann. Entscheidend ist daher, inwieweit die einzelnen Zentralbanken in der Lage sind, die wirtschaftlichen und monetären Determinanten einzuordnen und in eine stringente, stabile, unabhängige und gleichgerichtete Geldpolitik zu überführen. Die nach wie vor noch immer sehr uneinheitlichen und unsicheren Zusammenhänge verdeutlichen sich auch an den recht großen Differenzen des durchschnittlichen Geldmengenwachstums der ASEAN-Staaten. Während etwa das durchschnittliche Geldmengenwachstum im Beobachtungszeitraum zwischen 1996 und 2006 von Brunei gerade einmal 2,7% beträgt und die stärkste Jahresexpansion der Geldmenge 20,7% war, ist das durchschnittliche Geldmengenwachstum in Thailand 6,9%, in Singapur 9,3%, in Malaysia 12,7%, in den Philippinen 12,8%, in Indonesien 18,9%, in Kambodscha 24,4%, in Vietnam 30,1%, in Myanmar 31,4% und in Laos sogar 41,5%. 139 Diese recht großen Differenzen können dabei vor allem für die Etablierung einer Wirtschafts- und Währungsunion erhebliche Schwierigkeiten bedeuten. Zum einen, weil im Vorfeld eines einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraumes für alle Teilnehmer weitgehend identische monetäre Bedingungen vorteilhaft wären und diese sich zudem an ähnlichen gesamtwirtschaftlichen Eckdaten ausrichten sollten, und zum anderen, weil eine stark unterschiedliche Geldmengenentwicklung auf lange Sicht immer auch
139 Zum Vergleich: Das durchschnittliche Wachstum der Geldmenge M3 der Bundesrepublik Deutschland betrug zwischen 1968 und 1998 rund 8,3% jährlich.
Geldmengenentwicklung • 139
die Gefahr einer ungleichen Preisentwicklung in sich birgt. Die Eignung der ASEAN-Staaten zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion hängt daher auch mit entscheidend von der zukünftigen Entwicklung der nominalen Geldmenge ab. Die anhand Abbildung 5.22 und Abbildung 5.23 zu erkennenden jährlichen Wachstumsraten der nominalen Geldmenge M2 der ASEAN-Staaten von 1996 bis 2006 lassen diesbezüglich eine gewisse Annäherung zwischen den Mitgliedsstaaten der ASEAN erkennen. Insbesondere seit dem Jahr 2002 scheinen die jährlichen Wachstumsraten der Geldmenge 40,0% nicht mehr zu überschreiten und deuten damit auf eine gewisse zukünftige Stabilität — zumindest die Wachstumsraten der Geldmenge M2 betreffend - hin. Allerdings fällt bei einer genaueren Betrachtung der Daten auf, dass die jährlichen Veränderungsraten der Geldmenge M2 vor allem für ASEAN-Staaten, die bereits ein hohes Geldmengenwachstum haben, eine gewisse Persistenz verzeichnen und damit möglicherweise auch in der Zukunft hoch sein werden. Zu den Ländern, die eine dauerhaft hohe Veränderungsrate der Geldmenge M2 besitzen und inzwischen auch einen starken absoluten Anstieg der Geldmenge verzeichnen (vgl. Abbildung 5.24), gehören in erster Linie Laos, Myanmar und Vietnam, aber auch Kambodscha. Abbildung 5.24: Entwicklung der nominalen Geldmenge M2 3000 2500 2000
1500 1000 500
0 1996
1997
1998
BRN MYS
1999
2000
ON PHL
2001
2002
KHM —SGP
2003
2004
LAO THA
2005
2006
MMR VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
Gerade für diese vier Länder muss angenommen werden, dass deren geldpolitische Schwerpunktsetzung sich — vor allem hinsichtlich der Geldmenge — von der Geldpolitik der anderen ASEAN-Staaten stark unterscheidet. Generell dürften aber außerdem strukturelle Unterschiede im monetären wie auch wirtschaftlichen Umfeld sowie die daraus resultierenden unterschiedlichen Anforderungen an die
140 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Geldpolitik dazu beitragen, dass sich die Geldmenge so ungleich entwickelt. Für die Beantwortung der Frage, inwieweit die ASEAN-Staaten einen geeigneten, einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum darstellen, kann die Entwicklung der Geldmenge daher letztendlich keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung liefern. Nicht zuletzt auch aufgrund der zu komplexen und zu vielschichtigen Gründe bzw. Ursachen, die auf die Entwicklung der Geldmenge Einfluss nehmen.
5.1.4.4 Wechselkursentwicklung Das Kriterium der Wechselkursentwicklung spielt sowohl für das monetäre als auch das realwirtschaftliche Umfeld einer möglichen Wirtschafts- und Währungsunion eine bedeutende Rolle. Zum einen, weil es im Zusammenhang weiterer Kriterien eine umfangreichere Erklärungsbasis für die Frage nach der Eignung der ASEAN-Staaten zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion bietet. Zum anderen aber auch, weil die Wechselkursentwicklung eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen in- und ausländischer Volkswirtschaft darstellt. Die zentrale Bedeutung, die der Wechselkursentwicklung zukommt, beruht vor allem auf den verschiedenen Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses. In der ökonomischen Theorie werden meist die Kaufkraftparität, die Zinsparität, die Produktivitätsentwicklung sowie die Wachstumserwartungen als die Hauptdeterminanten des Wechselkurses genannt.140 Generell ergibt sich der Wechselkurs, der das Umtauchverhältnis zweier Währungen widerspiegelt, aus dem Angebot und der Nachfrage nach diesen Währungen. Der Wechselkurs kann daher als der Preis einer ausländischen Währungseinheit, ausgedrückt in inländischen Währungseinheiten, verstanden werden. Die Theorie der Kaufkraftparität besagt, dass langfristige Wechselkursentwicklungen auf unterschiedliche Güterpreisbewegungen zurück zu führen sind. In ihrer absoluten Form erklärt die Kaufkraftparitätentheorie den Wechselkurs zweier Währungen durch das Verhältnis des inländischen Preisniveaus in Inlandswährung zu Auslandspreisniveau in Auslandswährung. Dahinter steht die Vorstellung, dass idendsche Güter aufgrund möglicher Arbitrage im In- wie im Ausland denselben Preis haben müssen. Genauer: Die Kaufkraft des Geldes gleich ist. Auf die relative Form der Kaufkraftparität übertragen, bedeutet eine Aufwertung der Inlandswährung (sinkender Wechselkurs), dass die ausländische Inflationsrate höher ist als die inländische Inflationsrate. Geht man — wie im vorangegangenen Abschnitt diskutiert wurde — davon aus, dass sowohl inländische als auch ausländische Inflationsrate überwiegend von der Veränderungsrate der Geldmenge abhängen, so kann allgemein angenommen werden, dass wenn das ausländische Geldangebot stärker steigt als das inländische und die reale 140
Zu weiteren Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses vgl. beispielsweise Rubel
(2005).
Wechselkursentwicklung · 141 Geldnachfrage dabei im In- wie im Ausland konstant bleibt, wiederum die ausländische Inflationsrate höher ist als die inländische Inflationsrate und damit die Inlandswährung aufwertet. Die Kaufkraftparitätentheorie gibt damit nicht nur über die Beziehung von Preisniveau und Wechselkurs Auskunft, sondern schließt auch die Entwicklung der Geldmenge mit ein. Dabei setzt die Kaufkraftparitätentheorie jedoch immer voraus, dass zwischen dem In- und dem Ausland keinerlei Handelshemmnisse und sonstige Transaktionskosten bestehen dürfen, welche die Arbitragemöglichkeiten negativ beeinflussen. 141 Die Zinsparitätentheorie wählt einen alternativen Ansatz zur Erklärung des Wechselkurses. Nach der Zinsparitätentheorie spiegelt der Wechselkurs die unterschiedlichen Zinsniveaus zwischen dem Inland und Ausland wider. Liegt etwa der inländische Zinssatz über dem des Auslandes, so wird es zu einer verstärkten Anlage in inländischer Währung kommen, wodurch die Nachfrage nach inländischer Währung steigt und diese tendenziell aufwertet. 142 Aus diesem entgegen gerichteten Änderungsverhalten von Zinssatz und Wechselkurs wird wiederum deutlich, dass für die Zentralbanken ein Zielkonflikt zwischen der Beeinflussung des Zinssatzes und des Wechselkurses besteht. 143 Die Entwicklung des Wechselkurses kann neben den unterschiedlichen Zinsen und der unterschiedlichen Preisen auch durch die unterschiedliche Entwicklung der Produktivität zwischen In- und Ausland beeinflusst werden. Unterschiedet man — wie üblich — handel- und nicht handelbare Güter und geht davon aus, dass handelbare Güter wegen des intensiveren Wettbewerbs und einer höheren Kapitalintensität eine höhere Produktivität haben als nicht handelbare Güter, so führt ein relativ stärkerer Produktivitätsfortschritt im Inland zu einer Aufwertung der inländischen Währung. Eine im internationalen Vergleich eher geringere Produktivitätsentwicklung hat demzufolge eine Abwertung der inländischen Währung zur Folge. Zuletzt kann die Wechselkursentwicklung auch durch die Wachstumserwartungen der Wirtschaftseinheiten erklärt werden (vgl. Corsetti/Pesenti 1999). Wird davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Inlandes positiver ist als die des Auslandes, so wird verstärkt im Inland investiert und angelegt werden, um an der zukünftigen Entwicklung zu partizipieren. Dadurch wird die Nachfrage nach inländischer Währung steigen, was zu einer Aufwertung der 141 Die identischen Güter müssen sowohl in ihrer Beschaffenheit als auch Verfügbarkeit identisch und handelbar sein. 142 Umgekehrt entspricht die zu beobachtende aktuelle Zinsdifferenz zwischen dem Inland und dem Ausland damit der erwarteten Änderungsrate des (Kassa-)Wechselkurses bzw. der Änderungsrate des Terminkurses. 143 Wie bei der Kaufkraftparitätentheorie gelten auch bei der Zinsparitätentheorie die getroffenen Annahmen nur für einen vollkommenen (Kapital-)Markt, also die Abwesenheit aller möglichen Transaktionskosten.
142 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Inlandswährung führt. Positive Wachstumserwartungen eines Landes werden also mit einem fallenden Wechselkurs einhergehen. Bevor nun anhand der hier ausgeführten Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses die Wechselkursentwicklungen der zehn ASEAN-Staaten untersucht werden können und daraus Rückschlüsse über die Eignung der ASEAN-Staaten zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion möglich werden, ist eine vorherige Betrachtung der Wechselkursregimes unerlässlich. In den Ausführungen des Kapitels 4.3 wurden dazu die theoretischen Grundlagen und sowie die Hintergründe unterschiedlicher Ausgestaltungsformen der Wechselkursarrangements, zwischen fix und flexibel, aufgezeigt. Je nach Ausgestaltungsform zeigen nämlich die Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses unterschiedliche Wirkungsweisen, die wiederum eine Anpassung der daraus zu ziehenden Rückschlüsse erfordert. Die folgende Tabelle 5.13 zeigt die Wechselkursregimes der ASEAN-Staaten in den Jahren 1996, 2000 und 2006. Es wird ersichtlich, dass die Mehrheit der ASEAN-Staaten heute, wie 1996, ein System des managed floating, also der Erhaltung der Wechselkursstabilität, verfolgt. Es wird aber auch deutlich, dass nur vier der zehn ASEAN-Staaten (Brunei, Kambodscha, Laos und Singapur) ihr Wechselkursregime zwischen 1996 und 2006 nicht änderten, wohingegen sechs der zehn ASEAN-Staaten (Indonesien, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Thailand und Vietnam) Änderungen ihres Wechselkursregimes vornahmen. Während die Änderungen der Wechselkursregimes zwischen 1996 und dem Jahr 2000 vor allem aufgrund der Asienkrise erfolgten 144 , lassen sich die Änderungen zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2006 auch auf andere Ursachen zurückführen. Dazu gehören — wie auch Kapitel 4.3 aufzeigt - insbesondere sich wandelnde volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen, aber auch eine politisch motivierte Neuausrichtung der Geldpolitik. So hat etwa Indonesien nach Jahren relativ hoher Inflationsraten im Jahr 2004 seine Geldpolitik vom independently floating auf die Erhaltung der Wechselkurstabilität bei gleichzeitigem inflation targeting umgestellt. Auch Thailand hat sich vom independently floating abgewandt, allerdings das inflation targeting vor die Erhaltung der Wechselkursstabilität gesetzt. Malaysia kehrte nach einer durch die Asienkrise verursachten, sechsjährigen Phase der fixen Wechselkursbindung wieder auf ein managed floating System zurück, wobei die Wechselkursstabilität nun nur eines von vielen zu erfüllenden geldpolitischen Zielen ist. Während die Philippinen nach wie vor ein independently floating betreiben, dabei allerdings die Inflationsbekämpfung in den Vordergrund rückten, entschied sich Vietnam
Bauer/Herz (2006) führen hierzu u. a. aus, dass es in diesem Zusammenhang Malaysia und den P h i l l i p i n e n gelang, ihr Wechselkursregime zu stabilisieren, während die Indonesische Rupiah (INR) und der Thailändische Baht (THB) instabiler wurden. 144
Wechselkursentwicklung · 143
nach Jahren kontinuierlicher Abwertung des Dong für eine stärkere Fixierung des Wechselkurses gegenüber dem US-Dollar. Tabelle 5.13: Wechselkursregimes der ASEAN-Staaten Currency board arrangement
Exchange rate anchor
Pegged exchange rates within horizontal bands
Managed floating with no predetermined path for the exchange rate
Independently floating
BRN MMR, THA
Currency composite 1996
Other conventional fixed peg arrangements
Monetary aggregate target
LAO
Inflation targeting Others
Exchange rate anchor
BRN
2000
Currency composite
MYS
IDN, KHM, MYS, SGP, VNM
PHL
LAO
PHL
KHM, SGP
IDN, THA
VNM
MMR
Monetär)' aggregate target Inflation targeting Others
Exchange rate anchor
BRN
VNM
2006
Currency composite Monetary aggregate target
LAO
Inflation targeting
IDN, THA
Others
KHM, MMR, MYS, SGP
PHL
Quelle: In Anlehnung an IWF (2007a).
Die stärkere Fixierung des Wechselkurses gab Vietnam jedoch bereits Ende 2006 schon wieder auf und erhöhte die Schwankungsbreite zum US-Dollar von + / -
144 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
0,25% auf +/- 0,5%. Zum Ende des Jahres 2007 nahm Vietnam erneut eine Ausweitung der Schwankungsbreite auf +/- 0,75% vor, um durch gezieltes Aufkaufen von US-Dollar insbesondere den für das Land so wichtigen Exportsektor weiter stärken zu können. Generell haben nahezu alle ASEAN-Staaten eine bestimmte Vorstellung des Außenwertes ihrer Währung und versuchen, diesen in erster Linie stabil, gleichzeitig jedoch eher ab- als aufwertend auszurichten. Die in Abbildung 5.25 dargestellten indexierten Wechselkurse in US-Dollar verdeutlichen dies und machen klar, dass es den meisten Mitgliedsstaaten der ASEAN dabei - wie Vietnam vor allem um die Stärkung des überaus wichtigen Exportsektors geht, der, wie noch gezeigt werden wird, einen noch immer sehr hohen Anteil am erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt der Länder hat. Abbildung 5.25: Indexierte Wechselkurse in US-Dollar
BRN
IDN
KHM
LAO
MMR
MYS
PHL
SGP
THA
VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
Überträgt man die Entwicklung der indexierten US-Dollar-Wechselkurse, wie in Abbildung 5.26 geschehen, in jährliche Veränderungsraten, so werden sowohl die tendenziellen Abwertungen als auch die Stabilisierungsbemühungen der ASEAN-Staaten noch einmal deutlich. Vor allem nach dem Jahr 2002 gehen die auch durch die Asienkrise verursachten Schwankungen der Wechselkurse zurück und scheinen zunehmend gleichgerichtet zu verlaufen. Von der anhaltenden Abwertung der eigenen Währung ist nach wie vor rund die Hälfte der ASEANStaaten betroffen.
Wechselkursentwicklung • 145
Abbildung 5.26: Veränderungsraten der Wechselkurse 20,00% 10,00% 0,00% -10,00% -20,00% -30,00% 40,00% 1996
1997
BRN MYS
1998
1999
2000
IDN PHL
2001
2002
KHM SGP
2003
2004
LAO THA
2005
2006
MMR VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c). Trotz der tendenziellen (auch beabsichtigten) Abwertung ihrer Währungen — durch die in der Regel die Importpreise und damit die Preise allgemein steigen —, bemühen sich die ASEAN-Staaten heute zudem, verstärkt auch die Inflationsbekämpfung zu einem wichtigen Ziel ihrer Geldpolitik zu machen. Dies gilt besonders für Thailand, zunehmend aber auch für Indonesien und die Philippinen. Die Balance zu halten zwischen dieser Art der Wechselkursstabilisierung und der Inflationsbekämpfung, ist allerdings gerade für die ASEAN-Staaten mit großen Schwierigkeiten verbunden, die keinen aktiven Einfluss auf die Geldpolitik, speziell auf den tatsächlichen Außenwert ihrer Währung, haben. Zum einen, weil wie im Falle von Brunei keine eigene Zentralbank vorhanden ist und der Wechselkurs des Brunei-Dollars in einem festen Verhältnis von 1:1 an den SingapurDollar gekoppelt ist. Zum anderen aber auch, weil wie in Kambodscha, Laos oder Myanmar der Thailändische Baht, noch öfter hingegen der US-Dollar als gleichberechtigtes Zahlungsmittel neben der jeweils nationalen Währung akzeptiert ist. Durch die Existenz einer Parallelwährung ist die Aussagekraft des auch in Abbildung 5.25 dargestellten Wechselkurses jedoch zusätzlich stark eingeschränkt, da nur durch aufwendige Kapitalverkehrskontrollen die Entstehung eines Schwarz- bzw. Parallelmarktes verhindert werden kann. 145 Die mangelnde Aussagekraft des aufgezeigten Wechselkurses spiegelt sich vor allem in Myanmar wider, wo der inoffizielle Wechselkurs des Kyat zum US-Dollar 2006 mit 1:220 und nicht, wie offiziell gehandelt, 1:5,78 angegeben wird. Für Laos und Kambodscha werden Abweichungen zwischen 1% und 2% zum offiziellen Wechselkurs genannt. 145
146 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Es zeigt sich damit noch einmal, dass die Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses die Wechselkursentwicklungen der beobachteten ASEAN-Staaten nur begrenzt erklären können. Unter der Miteinbeziehung der Leistungsbilanzentwicklungen (vgl. Abbildung 5.27), der in den vorangegangenen Abschnitten analysierten Entwicklungen der Preise, Zinsen und Geldmengen sowie der Wirtschaftsentwicklung, lassen sich allerdings dennoch wichtige Schlüsse über die Eignung der ASEAN-Staaten zur Schaffung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion ziehen. Abbildung 5.27: Leistungsbilanzentwicklung 25000
. ..·-"
..··
„ '
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20000 .
15000
=
10000
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- -
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5000
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-
-5000 -10000 -15000 1996
1997
BRN MYS
1998
1999
IDN PHL —
2000
2001
KHM SGP
2002
2003
LAO THA
2004
2005
2006
MMR VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c). So verzeichnen etwa Laos, Kambodscha, Myanmar und Vietnam trotz zweistelligem Wirtschaftswachstum meist negative Leistungsbilanzsalden und dies, obwohl deren jeweilige Landeswährungen nach wie vor tendenziell abwerten. Verbunden mit relativ hohen Inflationsraten und hohen Zinsen lässt sich dies vor allem auf den Entwicklungsstand dieser Länder zurückführen. Eine kapitalintensive Grundausstattung der Wirtschaft wird durch eine steigende Geldmenge vorfinanziert, welche in Zusammenhang mit einer wachsenden Wirtschaft und langsam ansteigendem Wohlstand Preissteigerungen verursacht. Mit Hilfe einer eher unterbewerteten Währung soll der Export zukünftig zu Wachstum und Wohlstand beitragen. 146 Bezeichnet wird diese Art der wirtschaftlichen Entwicklung auch als Flying Geese Model und beschreibt den, Japan versetzt folgenden, Entwicklungspfad asiatischer Staaten. Vgl. Kojima (2000). 146
Wechselkursentwicklung • 147
Dem entgegengesetzt stehen Brunei und Singapur sowie Malaysia und Thailand. In diesen vergleichsweise hochentwickelten Staaten tragen niedrige bis moderate Inflationsraten im Inland zu einer zum Teil stark positiven Leistungsbilanz bei, die gleichzeitig mit einem Wirtschaftswachstum um 5% und niedrigen Zinsen einhergeht. Dennoch können diese vier ASEAN-Staaten aus rein monetärer Sicht nicht zwingend gleichgesetzt werden, da sich vor allem die realwirtschaftlichen Begebenheiten hinsichtlich der Größe und Produktionsstruktur zwischen den beiden Stadt- und Flächenstaaten erheblich unterscheiden. Zudem scheint seit 2002 auch die Leistungsbilanzentwicklung zwischen Thailand und Malaysia zu divergieren. Für Indonesien und die Philippinen lässt sich feststellen, dass beide Länder durch mehr oder weniger starke Abwertungen ihrer Währungen in der Vergangenheit nunmehr positive Leistungsbilanzsalden erwirtschaften. Durch die noch immer relativ hohen Inflationsraten und Zinsen sind wiederkehrende Leistungsbilanzdefizite allerdings nicht auszuschließen, was dann möglicherweise erneut zur Abwertung der Landeswährung fuhren könnte. Zusammenfassend zeigt die Analyse der monetären Kriterien damit ein nach wie vor eher uneinheitliches Bild der ASEAN-Staaten. Wie an anderer Stelle wird auch hier die Zweiteilung in Laos, Kambodscha, Myanmar und Vietnam auf der einen Seite und Brunei, Indonesien, Singapur, Malaysia, die Philippinen und Thailand auf der anderen Seite deutlich, wobei auch zwischen den letztgenannten noch beachtliche Unterschiede festzustellen sind. Mögliche asymmetrische Auswirkungen einseitiger exogener Schocks können damit letztendlich nicht vollkommen ausgeschlossen werden und scheinen wegen der unterschiedlichen geldpolitischen Ausrichtungen ebenfalls denkbar. Die zunehmend gleichgerichtete Entwicklung einiger monetärer Indikatoren lässt jedoch hoffen, dass sich die Mitgliedsstaaten der ASEAN, insbesondere mit dem Beginn der 2000er Jahre, in ein allgemein stabileres Umfeld begeben und somit die problemfreie Funktionsweise einer möglichen Wirtschafts- und Währungsunion deutlicht erhöht werden könnte.
5.1.5
Faktormärkte
Das indifferente Bild, welches die Analyse der monetären Kriterien hinterlässt, vermag die Eignung der ASEAN-Staaten zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion nicht abschließend zu beurteilen. Für die Beurteilung, inwieweit bestimmte Regionen zur Schaffung einer ausschließlichen Währungsunion geeignet sind, verwendet Mundell (1961) das Kriterium der Faktormobilität. Danach sollten bestimmte Regionen nur dann die eigene Währung als ein mögliches Anpassungsinstrument aufgeben und einen gemeinsamen Währungsraum bilden, wenn die Auswirkungen einseitiger exogener Schocks durch die Mobilität von Produktionsfaktoren ausgeglichen werden können. In erster Linie geht es dabei
148 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
um die Mobilität des Faktors Arbeit sowie dessen Endohnung, aber auch um die Mobilität des Faktors Kapital (vgl. Kapitel 4.3). Die Faktormobilität ist allerdings nicht nur für die Schaffung eines gemeinsamen Währungsraumes von Bedeutung, sondern ebenso für die Etablierung einer Wirtschaftsunion wichtig, da mobile Produktionsfaktoren entscheidende Determinanten eines funktionsfähigen Wettbewerbs sind. Im Folgenden sollen daher die Arbeits- und Kapitalmärkte der ASEAN-Staaten insbesondere auf deren Flexibilität und Ausstattung hin untersucht werden. Betrachtet man in einem ersten Schritt den Arbeitsmarkt und analysiert dabei die sektorale Verteilung der Beschäftigten, so lassen sich wieder einmal erhebliche Unterschiede zwischen den ASEAN-Staaten ausmachen. Anhand Abbildung 5.28 wird deutlich, dass in Laos über 80% der rund 2,5 Mio. Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, während es in anderen Flächenstaaten wie etwa Malaysia oder den Philippinen nur ca. 15% respektive 35% sind. Doch selbst zu den ansonsten ähnlich strukturierten und vergleichbar entwickelten Nachbarstaaten von Laos, nämlich Vietnam, Kambodscha und Myanmar, ist der Unterschied in der Beschäftigungsstruktur beträchtlich.
f
1 I 1 ι ( 1 11 111 1 Γ1 ΙΗ Γ II1
Abbildung 5.28: Beschäftigung nach Sektoren 2006
100% 80%
60% 40%
20% 0%
•
dll
SGP
BRN
(2001)
MYS
PHL
THA
IDN
VNM
KHM
MMR
liiiil J
LAO
(1997) (2003)
Ξ Landwirtschaft Ξ Verarbeitendes Gewerbe ® Bergbau Β Sonstiges
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
Die Unterschiede in der Beschäftigungsstruktur spiegeln sich natürlich auch in der Verteilung der Einkommen wider. In der Regel geht dabei eine Beschäftigung im primären Sektor mit meist niedrigeren Pro-Kopf-Einkommen einher als
Faktormärkte • 149 eine Beschäftigung in anderen Sektoren. 147 In Kombination mit der jeweiligen Gesamtbevölkerung lässt sich aus dem Pro-Kopf-Einkommen der ASEANStaaten die Einkommensverteilung zwischen den ASEAN-Staaten darstellen. Ein bis in die Gegenwart weitverbreitetes Instrument, die Einkommensverteilung zu visualisieren, ist die Lorenzkurve. Im Falle der Gleichverteilung entspricht sie der 45°-Linie und wird mit zunehmender Konzentration konvexer. Abbildung 5.29: Lorenzkurve der Einkommensverteilung
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
Kummukerter Bevolk eru ngsanteil Verteilung 2 0 0 3
Verteilung 1 9 7 0
~Gleichverteilung
Quelle:Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006), eigene Berechnung. Bemerkungen:Gini-Koeffi%ientfür die Verteilung 2003: 0,84 und für die Verteilung 1970: 0,90. Die in Abbildung 5.29 wiedergegebenen Lorenzkurven der ASEAN-Staaten der Jahre 1970 und 2003 zeigen eine relativ starke Ungleichverteilung der Einkommen; lassen aber durch die in diesem Zeitraum abnehmende Konvexität auf eine zunehmende Gleichvereidung der Einkommen schließen. Es scheinen damit gewisse Angleichungs- bzw. Konvergenzprozesse der Einkommen zwischen den ASEAN-Staaten stattzufinden, was wiederum die gefundenen Erkenntnisse des Kapitels 5.1.2 zur Wirtschaftskraft bestätigt sowie erste Hinweise auf die Mobilität der Produktionsfaktoren liefert. Die in Abbildung 5.29 dargestellten Lorenz147 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Drei-Sektoren-Hypothese etwa bei Fourastie (1954) und Clark (1954).
150 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
kurven können mit Hilfe des Gini-Koeffi2ienten auch zahlenmäßig ausgedrückt werden. Der Gini-Koeffizient gibt das Verhältnis aus der Fläche zwischen der 45°-Linie und Lorenzkurve und der Gesamtfläche wieder und nimmt bei einer Gleichverteilung der Einkommen (45°-Linie) den Wert 0 sowie bei einer totalen Ungleichverteilung den Wert 1 an. Für die Einkommensverteilung zwischen den ASEAN-Staaten ergibt sich für das Jahr 1970 daraus ein Gini-Koeffizient von 0,9 und für das Jahr 2003 ein Gini-Koeffizient von 0,84. Dabei kann - wie Abbildung 5.30 verdeutlicht — von einem kontinuierlichen Rückgang der Ungleichverteilung gesprochen werden. Abbildung 5.30: Entwicklung des Gini-Koeffizienten 1970-2003
QuelkPenn
World Table 6.2 (Heston et al. 2006).
Betrachtet man die Verteilung der Einkommen nicht zwischen den ASEANStaaten, sondern innerhalb der ASEAN-Staaten, so ist eine erheblich gleichmäßigere Einkommensverteilung zu erkennen. Tabelle 5.14: Innerstaatliche Gini-Koeffizienten LAO
KHM
IDN
VNM
PHL
THA
MYS
SGP
34,6
40,4
34,3
37,0
46,1
42,0
49,2
42,5
(2002)
(1997)
(2002)
(2002)
(2000)
(2002)
(1997)
(1998)
Quelle:Onited Nations Development Programme (2006).
Die in Tabelle 5.14 dargestellten Gini-Koeffizienten der ASEAN-Staaten, die dem Human Development Index 2006 (United Nations Development Pro-
Faktormärkte · 151
gramme 2006) entnommen sind, verdeutlichen diese verhältnismäßig geringen Unterschiede der innerstaatlichen Einkommensverteilung. So ist der Abstand zwischen Indonesien, dem Land mit der niedrigsten Ungleichverteilung der Einkommen (Gini-Koeffizienten von 0,34) und Malaysia, dem Land mit der höchsten Ungleichverteilung der Einkommen (Gini-Koeffizienten von 0,49) gerade einmal 0,15. Im internationalen Vergleich zu anderen Ländern und Regionen rangieren die zehn ASEAN-Staaten damit im Mittelfeld und es lassen sich - auch im Gegensatz zur zwischenstaatlichen Einkommensverteilung — keine zu großen Differenzen in Bezug auf die innerstaatliche Einkommensverteilung feststellen. 1 « Da die unterschiedliche Einkommensverteilung neben persönlichen Gründen und anderen Faktoren 149 nach wie vor eine der Hauptursachen von Migration ist, ist zu vermuten, dass im Falle der ASEAN-Staaten die Migration nunmehr vor allem zwischen und weniger innerhalb der ASEAN-Staaten stattfindet. Und in der Tat ist Südostasien in erster Linie von hohen zwischenstaatlichen Migrationsbewegungen geprägt, die zudem eine meist lange Historie aufweisen.150 Ein Großteil dieser Migrationsbewegungen erfolgt vor allem zwischen ländlich geprägten Gebieten und Urbanen Ballungszentren und ist normalerweise befristeter, mitunter aber auch permanenter Natur. Sechs der zehn ASEANStaaten lassen sich dabei als Sendeländer, zwei als Empfangerländer und ebenfalls zwei sowohl als Empfänger- als auch Sendeländer charakterisieren. Unter den Sendeländern sind es insbesondere die Philippinen, in denen die Migration von herausragender Bedeutung ist. So gehen rund 4,75 Mio. Philippiner einer Erwerbstätigkeit im Ausland nach; eine Vielzahl von ihnen als Dienstmädchen oder als Arbeiter in der Ölindustrie bzw. Hochseeschifffahrt im Mitderen Osten, Hongkong oder in Südostasien: Malaysia bzw. Thailand. Hinzu kommen die beiden ausschließlichen Empfangerländer Brunei und Singapur. Dort stellen Migranten heute rund ein Drittel der Erwerbsbevölkerung dar und sind eine wichtige Stütze der Wirtschaft. Singapur wie Brunei versuchen jedoch vermehrt nur noch hochqualifizierte Migranten aufzunehmen und durch gewisse Abgaben und Steuern ungelernte Arbeitskräfte fernzuhalten. So auch Malaysia, wo schätzungsweise ein Fünftel der 10 Mio. Erwerbstätigen Migranten aus anderen Ländern sind. In Malaysia, das wie Thailand sowohl Empfänger- als auch Sendeland Innerhalb der EU beträgt der Abstand zwischen Dänemark mit 0,25 (1997) und Portugal mit 0,39 (2000) 0,14. Innerhalb der NAFTA ist der Abstand zwischen Kanada mit 0,33 (1998) und Mexiko 0,55 (2000) 0,22. 149 Etwa politische oder religiöse Verfolgung, Bürgerkriege oder die Suche nach Abenteuer. 150 Zwischenstaatliche Migration wird in Südostasien bereits seit dem 17. Jahrhundert festgestellt, nahm aber insbesondere seit den 1970er und 1980er Jahren erheblich zu. Vgl. Hugo (2004a; 2004b) oder Kaur (2007). 148
152 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafte- und Währungsraum?
ist, sind es in erster Line Indonesier, aber auch Migranten aus Kambodscha und Vietnam, die einer Arbeit in der Bauindustrie oder auf den Plantagen nachgehen. Als Südostasiens viertgrößtes Empfängerland ist Thailand Empfängerland von knapp 2 Mio. Migranten aus Myanmar, Kambodscha und Laos, während Empfangerländer thailändischer Migranten Saudi-Arabien, Taiwan, Myanmar, Singapur, Brunei und Malaysia sind. Tabelle 5.15: Bestand migrierter Arbeitskräfte Sendeland
Migranten
Empfängerländer
QueUe
Jahr
Indonesien
2.000.000
Malaysia, Saudi Arabien, Taiwan, Singapur, Korea, Vereinigte Arabische Emirate
Migration News (2001b)
2001
Kambodscha
200.000
Malaysia, Thailand
Scalabrini Migration Center (2000)
1999 2004
Laos
173.000
Thailand
Migration News (2005)
Malaysia
250.000
Japan, Taiwan
Asian Migrant Center (1999)
1995
Myanmar
1.100.000
Thailand
Migration News (2001a)
2001
Philippinen
4.750.000
Mitderer Osten, Malaysia, Thailand, Korea, Hongkong, Taiwan
Dimzon (2005)
2005
Thailand
340.000
Saudi Arabien, Taiwan, Myanmar, Singapur, Brunei, Malaysia
Migration News (2002), Scalabrini Migration Center (1999)
2002
Vietnam
340.000
Korea, Japan, Malaysia, Taiwan
Nguyen (2005)
2004
Quelle: In Anlehnung an Hugo (2005). Zu den öffentlich zugänglichen Daten (vgl. Tabelle 5.15) müssen allerdings eine Vielzahl illegaler Migranten hinzu addiert werden, deren tatsächliche Anzahl und Aufenthaltsorte zumeist unbekannt sind. 151 Demzufolge ist eine umfassende und zuverlässige Erhebung aller Migranten kaum möglich und schwankt daher wohl zwischen 8 Mio. und 11,5 Mio. (vgl. Hugo 2004a). Dies entspricht rund 2% der Gesamtbevölkerung bzw. etwas mehr als 5% der erwerbstätigen Bevölkerung der ASEAN. In ihrem Umgang mit (illegalen) Migranten besteht zwischen den ASEANStaaten dabei oftmals Uneinigkeit. Zwar haben sich die Arbeitsminister der Mitgliedsstaaten der ASEAN darauf geeinigt, insbesondere die Sicherheit und die Gesundheit der migrierten Arbeitnehmer zu schützen sowie die Zusammenarbeit auf diesem Feld zu vertiefen, doch werden in einigen Ländern immer wieder vor allem illegale Migranten in größeren Gruppen in ihre Sendeländer zurückgesandt, während andere Länder eine Legalisierung bevorzugen (vgl. Battistella 2003).
151
Vgl. dazu die Ausführungen bei Battisteila (2003).
Faktormärkte · 153
Insgesamt versuchen die meisten ASEAN-Staaten — bei allerdings sehr unterschiedlichen und sich oft ändernden Rechtsnormen — in erster Linie nur noch hochqualifizierte Migranten aufzunehmen und den Zufluss gering qualifizierter Migranten einzuschränken. Zusammenfassend kann der Arbeitsmarkt in Südostasien aufgrund der großen Anzahl von Migranten und deren hoher Mobilität dennoch als offen und sehr flexibel charakterisiert werden. Freilich ist diese Flexibilität gewissermaßen erzwungen und die Koordinierungs- bzw. Einflussmöglichkeiten der einzelnen Länder eher begrenzt, doch bestehen mit der Mobilität des Faktors Arbeit entscheidende Anhaltspunkte, die für die Schaffung einer Wirtschafts-, insbesondere aber für eine Währungsunion sprechen. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Anpassungsfähigkeit gegenüber einseitigen, exogenen Schocks. Die Anpassungsfähigkeit gegenüber einseitigen, exogenen Schocks kann jedoch nicht nur durch die Mobilität des Faktors Arbeit erfolgen, sondern - wie aufgezeigt — auch anhand von Lohnanpassungen geschehen. Ein einseitiger Nachfragerückgang in einem bestimmten Sektor muss also nicht zwingend mit einer Arbeitsmigration in einen anderen Sektor (oder ein anderes Land) einhergehen, sondern kann ebenso mittels nach unten flexiblen Löhnen ausgeglichen werden. Die Ausführungen des Kapitels 5.1.4.1 zur Preisentwicklung lieferten für die ASEAN-Staaten bereits erste Hinweise bezüglich einer generellen Flexibilität von Preisen (auch nach unten). Inwieweit für die ASEAN-Staaten eine Flexibilität von Löhnen besteht, soll hier annähernd und aufgrund der mangelnden Datenlage zur Lohnhöhe ersatzweise durch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit analysiert werden. Geht man von einem vereinfachten neoklassischen Ansatz aus, so steigt die Arbeitslosigkeit nur dann, wenn etwa ein Nachfragerückgang auf dem Gütermarkt ein Marktungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt verursacht und dieses nicht durch Preissenkungen egalisiert werden kann — oder der Preis bewusst hochgehalten wird. Betrachtet man sich die in Abbildung 5.31 abgebildete Arbeitslosenquote der ASEAN-Staaten, so ist zu erkennen, dass alle ASEAN-Staaten mit Ausnahme der Philippinen und Indonesien ein zwischen 1% und 5% generell niedriges Niveau an Arbeitslosigkeit aufweisen. Im Beobachtungszeitraum von 1996 bis 2006 kann für Indonesien - als einziges Land - ein eindeutiger Trendverlauf der Arbeitslosenquote (nach oben) beobachtet werden. Dieser kontinuierliche Anstieg der Arbeitslosigkeit in Indonesien ist vor allem auf die Schaffung von Mindestlöhnen zurückzuführen. Zwar verfügen heute nahezu alle ASEAN-Staaten über gewisse Mindestlöhne, die voll flexible Löhne damit auch nicht zulassen, doch hat die kontinuierliche Erhöhung der Mindestlöhne in Indonesien über das Marktgleichgewicht hinaus dazu beigetragen, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes insbesondere in arbeitsintensiven Sektoren erheblich verschlechterte und so zu Arbeitslosigkeit geführt hat (vgl. Asian Development Bank 2003; 2005;
154 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
2007b). Im Gegensatz dazu ist die mit permanent über 8% liegende Arbeitslosigkeit der Philippinen in erster Linie dem anhaltend hohen Bevölkerungswachstum geschuldet, wodurch die Erwerbstätigenzahl schneller ansteigt, als durch das Wirtschaftswachstum neue Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden können (vgl. Asian Development Bank 2005). Für die restlichen ASEAN-Staaten lässt sich eine signifikante, jedoch nicht übermäßige Veränderung der Arbeitslosigkeit vor allem von 1997 auf 1998 und für Brunei noch einmal von 2000 auf 2001 feststellen. Dass der durch die Asienkrise verursachte Anstieg der Arbeitslosigkeit von 1997 auf 1998 bereits 1999, spätestens aber im Jahr 2000 wieder zurückging, kann, in Verbindung mit anderen Faktoren wie etwa der Wechselkursanpassung, auch in besonderem Maße durch die Flexibilität der Löhne erklärt werden. Abbildung 5.31: Arbeitslosenquote
BRN
IDN
KHM
LAO
MMR
MYS
PHL
SGP
THA
VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c).
Es deutet damit letztendlich vieles darauf hin, dass die ASEAN-Staaten sowohl in Bezug auf die Mobilität des Faktors Arbeit als auch in Bezug auf die Flexibilität der Löhne über eine ausreichende Anpassungsfähigkeit verfügen, um — zumindest mittelfristig — auf einseitige exogene Schocks reagieren zu können. Inwieweit die ASEAN-Staaten in der Lage sind, mittels des Faktors Kapital diese Anpassungsfähigkeit noch zu erhöhen, lässt sich durch eine detaillierte Betrachtung der Kapitalmobilität analysieren. Zur Messung der Kapitalmobilität werden in der empirischen Literatur im Wesentlichen drei Methoden genannt (vgl. Obstfeld 1994a). Neben der Untersuchung der gedeckten und ungedeckten Zinsparität sowie der Messung internationaler Konsumkorrelationen spielt vor allem der
Faktormärkte · 155
Zusammenhang zwischen nationalem Sparen und nationalen Investitionen eine herausragende Rolle.152 Ist nach Feldstein/Horioka (1980) der Zusammenhang zwischen nationaler Spar- und Investitionsquote lose, so deutet dies auf eine hohe Kapitalmobilität hin, während ein starker Zusammenhang für eine geringe internationaler Kapitalmobilität spricht. Der Feldstein-Horioka-Ansatz beruht dabei auf der Überlegung, dass bei vollkommener internationaler Kapitalmobilität die Ersparnisse eines Landes immer dorthin fließen, wo sie am produktivsten investiert werden können. Ein Absinken der nationalen Ersparnisse hätte dann keinen Einfluss auf die Investitionen, weil die konstante Kapitalnachfrage im Inland durch ausländisches Kapital gedeckt werden würde. Je unabhängiger also die nationalen Investitionen von nationalem Sparen sind, desto höher ist die Mobilität des Faktors Kapital. Für die ASEAN-Staaten lässt sich die Kapitalmobilität daraus folgend durch die Gleichung (5.28)
Ii/Yi = a+ ß(Si/Yi)
schätzen, wobei I/Y der Investitionsquote (Bruttoinvestitionen zu Volkseinkommen) entspricht, S/Y die Sparquote (Bruttoersparnisse zu Volkseinkommen) darstellt und i für die Anzahl der Länder steht. Als Schätzergebnis impliziert ein /^-Koeffizient mit β = 0 vollkommene Kapitalmobilität, wohingegen ein ßKoeffizient mit β — 1 völlig immobiles Kapital bedeutet. Die Daten der ASEAN-Staaten, die den Key Indicators 2007 der Asian Development Bank (Asian Development. Bank 2007c) entnommen sind, werden dafür sowohl für die Investitionsquote als auch für die Sparquote in mehrjährige Durchschnittsdaten überführt, um so zyklische Schwankungen der Konjunktur weitgehend auszublenden. Es wird der übliche Beobachtungszeitraum von 1996 bis 2006 im Einklang dazu in zwei jeweils fünfjährige Abschnitte von 1996 bis 2001 und von 2001 bis 2006 unterteilt und durch die Daten von 1991 bis 1996 erweitert. Das Ergebnis der Querschnittschätzung ist in Tabelle 5.16 wiedergegeben. Es zeigt für den Zeitraum von 1991 bis 1996 ein β von 0,61, für den Zeitraum von 1996 bis 2001 ein β von 0,41 und für 2001 bis 2006 ein β von 0,06. Während die Mobilität des Faktors Kapital zwischen 1991 und 1996 als eher gering beschrieben werden kann, deutet sich im Zeitraum zwischen 2001 und 2006 aufgrund des relativ niedrigen /?-Koeffizienten ein hohes Maß an Kapitalmobilität an. Es weist damit vieles auf eine seit 1991 stark zunehmende Kapitalmobilität der ASEAN-Staaten hin, wenngleich das Ergebnis für den letzten Zeitabschnitt zwischen 2001 und 2006 bei einem p-Wert von 0,78 auf einem 5%- Niveau nicht signifikant ist. 152 Im Unterschied zur Untersuchung der Zinsparität und Konsumkorrelation erfasst die Analyse des Zusammenhanges von Spar- und Investitionsquote nicht nur bestimmte Teile, sondern das gesamte Kapital und ist daher wesentlich umfassender.
156 • Ist Asien ein geeigneter Wirtschafte- und Währungsraum?
Tabelle 5.16: Statistische Maße zur Spar- und Investitionsquote l 1991-1996
R^ 0,6105
p-Wert
0,7860
0,0014
0,7683
0,0019
0,0116
0,7830
0,3142
0,1164
(5,0705) 1996-2001
0,4083 (4,8182)
2001-2006
0,0597 (0,2862)
1996-2006
0,2530 (1,7910)
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c), eigene Berechnung. Bemerkungen: Die Werte in Klammer entsprechen den t-Werten. Die gefundenen Ergebnisse der Querschnittsanalyse der ASEAN-Staaten entsprechen damit zumindest zwischen 1991 und 1996, bedingt aber auch von 1996 bis 2001 den von Feldstein/Bacchetta (1991) und Obstfeld (1994a) - allerdings für OECD-Staaten der 1980er Jahre - aufgezeigten Größenordnungen. Anhand der Querschnittsanalyse untersuchen auch Kim et al. (2005) die Mobilität des Faktors Kapital einer Gruppe asiatischer Staaten und finden dabei zwischen den Zeiträumen von 1960 bis 1979 und von 1980 bis 1998 bei sehr ähnlichen ßKoeffizienten ebenso Hinweise, die für eine zunehmende Mobilität des Faktors Kapital sprechen. Und auch Tan (1999) ermittelt bei ihrer Untersuchung der fünf ASEAN-Staaten Indonesien, Malaysia, Singapur, Thailand und den Philippinen mittels der Querschnittsanalyse eine von 1968 bis 1997 ansteigende Kapitalmobilität. Mit Hilfe einer Längsschnittanalyse erforschen Chan/Baharumshah (2003) die Kapitalmobilität einiger einzelner ASEAN-Staaten und finden für den Zeitraum von 1971 bis 1999 für Indonesien mit einem /^-Koeffizienten von 0,76 und für Thailand mit einem ^-Koeffizienten von 0,69 eine eher geringe Kapitalmobilität, während sie für Singapur, die Philippinen und auch Malaysia mit ßKoeffizienten von 0,05, 0,34 und 0,50 eine erhöhte Kapitalmobilität aufzeigen. Montiel (1994) findet für den Zeitraum zwischen 1970 und 1990 sehr ähnliche Ergebnisse und gibt für Indonesien, Thailand, Singapur und Malaysia ßKoeffizienten von 0,82, 0,72, 0,06 und 0,24 an. Und obwohl die erhöhte Kapitalmobilität einiger ASEAN-Staaten dabei zu einem bedeutenden Anteil eher gegenüber Nicht-ASEAN-Staaten besteht als gegenüber anderen Mitgliedsstaaten, so scheinen dennoch — oder gerade deswegen - genügend Anhaltspunkte vorhanden zu sein, die mittels der gegebenen Kapitalmobilität positive Aussagen über die Anpassungsfähigkeit der ASEAN-Staaten gegenüber einseitigen exogenen Schocks zulassen. Da jedoch mit einer gewissen Kapitalmobilität immer auch Risiken verbunden sind, weil etwa eine abrupte
Faktormärkte • 1 5 7
Umkehr der Kapitalströme selbst einseitige Schocks auslösen b2w. verstärken kann, soll zum Ende dieses Abschnittes noch ein Blick auf die Entwicklung der Kapitalbilanz sowie bestimmte institutionelle Regelungen der Kapitalmärkte geworfen werden. Die in folgender Abbildung 5.32 dargestellte Kapitalbilanz, die hier die Devisenbilanz der ASEAN-Staaten mit einschließt, setzt sich in erster Linie aus Direktund Portfolioinvestitionen zusammen, deren Daten erneut den Key Indicators 2007 der Asian Development Bank (Asian Development Bank 2007c) entnommen sind. Abbildung 5.32: Entwicklung der Kapitalbilanz
BRN MYS
IDN KHM PHL — — SGP
LAO THA
MMR VNM
Quelle: Asian Development Bank Key Indicators 2007 (Asian Development Bank 2007c). Es zeigt sich ein Bild, bei dem insbesondere die wirtschaftlich starken ASEANStaaten (Indonesien, Malaysia, Thailand und Singapur) erhöhte Schwankungen der gleichzeitig negativen Kapitalbilanzen aufweisen, während für die restlichen ASEAN-Staaten tendenziell positive und weniger schwankende Kapitalbilanzsalden festzustellen sind. Die negativen Kapitalbilanzsalden einiger ASEAN-Staaten lassen sich zu einem Großteil auf die relativ hohen Kapitalexporte im Umfeld der Devisenbilanzen zurückführen, die aus der beabsichtigten Stabilisierung der eigenen Währung heraus resultieren. Die Schwankungen, die dabei entstehen, sind in der Regel allerdings weit weniger problematisch als starke Schwankungen bei positiven Kapitalbilanzsalden, da Kapitalexporte dort mit einem meist externen Kapitalabfluss verbunden sind, der oftmals wiederum mit einem Vertrauensverlust in die betroffene Volkswirtschaft einhergeht.
158 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum?
Für die monetäre Integration der ASEAN-Staaten, an deren Ende möglicherweise auch eine gemeinsame Währung steht, sind Kapitalmobilität sowie Schwankungen der Kapitalströme vor allem im Zusammenhang der vorhandenen institutionellen Regelungen von Bedeutung, da diese wichtige Einflussfaktoren für die Anfälligkeit und die Anpassungsfähigkeit der ASEAN-Staaten gegenüber einseitigen exogenen Schocks sind. Im Gegensatz zur wirtschaftlichen Integration sind jedoch die institutionellen Regelungen im Umfeld der monetären Integration weit weniger fortgeschritten. So weisen die ASEAN-Staaten etwa bei der Kapitalmarktinfrastruktur, aber auch bei den Marktakteuren gewisse Defizite auf, deren Behebung mit entscheidend dafür ist, inwieweit die ASEAN-Staaten einen geeigneten Wirtschafts- und Währungsraum darstellen. Zu den größten noch bestehenden Defiziten zählen: ungenügende institutionelle Investoren wie beispielsweise Pensionsfonds oder Versicherungen, ein Mangel an umfangreichen Corporate Governance-Standards (auch und vor allem im Bankensektor), eine unzureichende Transparenz, eine nicht ausreichende Marktbreite und -tiefe sowie Liquiditätsengpässe, ein nicht vorhandenes einheitliches Clearing and Settlement-System, zu wenig unabhängige Credit Rating-Agenturen, eine zuverlässige und ebenfalls unabhängige Finanzmarktaufsicht sowie zu umfangreiche Kapitalverkehrskontrollen, deren vollkommene Abschaffung allerdings nur graduell und mit Bedacht vorgenommen werden sollte.153 Für Vietnam, insbesondere aber für Kambodscha, Laos und Myanmar kommen weitere Defizite hinzu, die bis an die Grundausstattung eines als voll funktionsfähig und zeitgemäß bezeichneten Kapital- und Finanzmarktes heranreichen. So ist etwa der Bankensektor in Kambodscha seit dem Jahr 2000 zwar weitgehend privatisiert und marktwirtschaftlich ausgerichtet, doch sind mit dem Versicherungswesen und anderen Finanzintermediären noch immer weite Teile des Finanzsystems der staatlichen Einflussnahme ausgesetzt. Die Eröffnung einer Börse ist für das Jahr 2009 geplant. In Laos ist das Finanzsystem einer noch weitreichenderen staatlichen Beeinflussung ausgesetzt, wobei eine Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte kaum vorhanden ist. Die erste vollständig privat geführte Bank wurde 2007 eröffnet, eine Börse ist für das Jahr 2010 angekündigt. Ähnlich die Situation in Myanmar. Auch dort ist das Finanzsystem umfangreicher staatlicher Beeinflussung ausgesetzt, die sich u. a. in einer erzwungenen Kreditvergabe an Regierungsstellen manifestiert. Zahlreiche Banken sehen sich zudem seit einigen Jahren mit rückläufigen Spareinlagen konfrontiert, die in Verbindung mit undurchsichtigen und häufig ändernden Regelungen den Ge153
Zu den genannten Defiziten vgl. ausführlich Cowen et al. (2006).
Faktormärkte • 159
schäftsbetrieb erheblich erschweren. Verbessert hat sich hingegen das Finanzsystem Vietnams, wo nach zahlreichen Reformbemühungen sich ein vergleichsweise breiter Bankensektor aus in- und ausländischen Instituten gebildet hat. Allerdings ist auch in Vietnam eine noch immer relativ hohe staatliche Einflussnahme auf das Finanzsystem zu beobachten. Eine schwache Überwachung des Finanzmarkts sowie mangelnde Transparenz beeinträchtigen vor allem den Handel an der im Jahr 2000 eröffneten Börse. Für die Faktormärkte lässt sich damit zusammenfassend festhalten, dass die ASEAN-Staaten heute sowohl für den Faktor Arbeit als auch für den Faktor Kapital über ein — auch im internationalen Vergleich — zunehmendes Maß an Mobilität verfügen und daher genügend Anhaltspunkte bestehen, die für eine zügige Anpassungsfähigkeit der ASEAN-Staaten gegenüber einseitigen exogenen Schocks sprechen. Allerdings zeigen die ASEAN-Staaten — unter ihnen insbesondere Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam - vor allem im institutionellen Umfeld der beiden Faktoren Arbeit und Kapital noch immer einen gewissen Nachholbedarf. Letztendlich bietet das Kriterium der Faktormobilität einen wichtigen, jedoch noch nicht abschließenden Hinweis, inwieweit die ASEANStaaten zur Schaffang einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion geeignet sind. 5.1.6
Grad der Offenheit
Im Gegensatz zu Mundell (1961) misst McKinnon (1963) der Faktormobilität weniger Bedeutung bei, sondern argumentiert, dass eine Währungsunion auch ohne hinreichende Faktormobilität sinnvoll sein kann, wenn die betroffenen Staaten über eine ausreichende Offenheit verfügen. Offenheit definiert McKinnon (1963) dabei als das Verhältnis von handelbaren zu nicht handelbaren Gütern bzw. als das Verhältnis von Export plus Import zu Bruttoinlandsprodukt. Nach McKinnon (1963) sind vor allem diejenigen Länder zur Schaffung einer Währungsunion geeignet, die über eine kleine, gleichzeitig aber relativ offene Volkswirtschaft (hoher Ex- und Importanteil am BIP) verfügen, da dann Wechselkursschwankungen ausfallen, die negative Auswirkungen auf das Preisniveau haben können. Für große, geschlossene Volkswirtschaften (niedriger Exund Importanteil am BIP) sieht McKinnon (1963) hingegen eher flexible Wechselkurse von Vorteil, da diese häufig stabilisierende Auswirkungen auf das inländische Preisniveau haben können. In beiden Fällen sind die Gründe dafür in der betriebenen Geld- und Wechselkurspolitik der jeweiligen Notenbanken in der Folge asymmetrischer exogener Schocks zu sehen. Wo bei einem relativ hohen Offenheitsgrad eines kleinen Landes ein flexibler Wechselkurs sich weit weniger effektiv als Anpassungsinstrument gegenüber einseitigen exogenen Schocks einsetzen lässt, weil ein Rückgang des hohen Exportanteils sonst zu einer relativen Verteuerung der Importgüter und damit der Preise allgemein fuhren würde, so
160 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafts- und Währungsraum? kann der Wechselkurs in einem großen, weit weniger vom Ex- und Import abhängigen Land sehr wohl als Anpassungsinstrument eingesetzt werden, da die relative Verteuerung von Importprodukten in Folge der Wechselkursanpassung kaum Auswirkungen auf das allgemeine inländische Preisniveau des Landes haben wird. Die Offenheit eines Landes besitzt allerdings nicht nur wechselkurspolitische Implikationen, sondern ist auch — wie in Kapitel 4.2 dargestellt — für den Handel, die Wettbewerbsfähigkeit sowie das Wachstum und damit letztendlich auch für eine mögliche Wirtschaftsunion von herausragendem Interesse. Die in der nachfolgenden Tabelle 5.17 dargestellten Offenheitsgrade der zehn ASEAN-Staaten — wiedergegeben als Exporte plus Importe dividiert durch das BIP zu aktuellen Preisen — zeigen, dass heute alle ASEAN-Staaten mit Offenheitsgraden von über 50 relativ offene und damit zugleich stark in die Weltwirtschaft integrierte Volkswirtschaften sind. Mit Offenheitsgraden weit über 100 befinden sich zudem zahlreiche ASEAN-Staaten im internationalen Umfeld im vorderen Bereich und selbst Indonesien, das mit einem Offenheitsgrad von 56,93 im Jahr 2003 das geschlossenste Mitgliedsland der ASEAN ist, rangiert im internationalen Vergleich noch immer im Mittelfeld. 154 Es zeigt sich außerdem, dass sich diese relativ hohe Offenheit der ASEAN-Staaten erst seit dem Beginn der 1990er Jahre kontinuierlich gebildet hat, während davor lediglich Singapur in seiner Stellung als regionaler Entrepothafen sowie Brunei und auch Malaysia bereits seit den 1970er Jahren über einen relativ hohen Offenheitsgrad verfügen. Im Gegensatz zu den allgemein recht hohen Offenheitsgraden der ASEANStaaten ist die zunehmende Öffnung jedoch keine südostasiatische Besonderheit, sondern geht vielmehr mit einer weltweiten Öffnung zahlreicher anderer Länder einher. 155 Tabelle 5.17: Offenheitsgrad als (Exporte + Importe)/BIP BRN
IDN
KHM
LAO
MMR
MYS
PHL
SGP
THA
1970
107,18
29,56
11,76
11,37
77,29
43,76
279,53
32,92
1971
107,18
31,35
11,76
11,37
79,49
42,34
267,59
33,75
1972
107,18
33,74
11,76
11,32
73,38
40,18
234,35
36,52
45,13
243,15
36,95
1973
107,18
39,79
11,76
11,35
77,33
154 Im Jahr 2003 verfügen etwa die USA über einen Offenheitsgrad von 23,74, Deutschland über einen Offenheitsgrad von 67,38, China über einen Offenheitsgrad von 54,28 und als ein relativ kleines Land der EU verfügen die Niederlande über einen Offenheitsgrad von 119,60 (Heston et al. 2006). 155 Vgl. dazu auch die späteren Ausführungen zur Wachstumstheorie im Umfeld einer zunehmenden Handelsliberalisierung wie etwa bei Frankel/Romer (1999), Vamvakidis (2002) und anderen.
Grad der Offenheit · 161 1974
107,18
50,08
11,76
11,42
96,39
53,35
318,19
43,85
1975
113,33
45,16
11,76
11,24
90,65
49,12
287,27
39,65
1976
111,99
46,18
11,76
11,36
93,20
45,31
306,12
41,72
1977
110,70
43,57
11,76
11,48
92,73
45,03
325,45
44,60
1978
109,60
42,71
11,76
11,07
92,55
45,98
336,10
43,14
1979
109,21
53,66
11,76
11,51
103,15
47,61
380,76
51,98
1980
104,96
52,65
11,76
11,59
112,59
53,80
425,34
54,14
1981
106,67
52,12
11,76
10,60
110,86
53,08
413,22
53,20
1982
106,59
48,50
11,76
12,00
110,46
48,58
378,34
46,86
1983
107,29
50,85
11,76
11,70
108,07
52,14
337,47
47,01
1984
107,29
47,67
11,76
9,11
106,63
51,46
320,29
47,11
1985
107,29
42,65
11,76
13,80
104,68
47,01
316,57
48,54
1986
107,29
39,97
11,76
11,32
106,50
48,63
309,90
48,18
1987
107,29
46,33
11,75
20,12
113,57
54,52
345,25
57,32
1988
140,50
44,87
11,75
45,53
124,27
55,85
374,59
68,80
1989
148,11
45,69
11,75
66,94
136,69
58,89
356,46
74,25
57,58
1990
144,32
49,06
9,64
57,92
146,89
60,99
358,11
75,91
79,55
1991
147,88
49,90
9,02
54,60
159,31
61,83
335,62
78,05
67,09
1992
141,81
52,85
10,74
52,00
150,61
62,22
321,92
77,47
73,73
1993
136,23
50,52
39,34
56,37
157,94
69,93
322,41
79,82
67,08
1994
113,87
51,88
55,53
65,62
179,90
71,87
323,00
83,30
78,30
1995
122,09
53,96
78,03
60,55
192,11
80,46
355,49
91,88
74,83
1996
131,51
52,26
69,04
63,76
181,77
89,24
342,97
85,20
92,77
1997
131,51
55,99
74,79
65,98
185,67
108,00
331,98
94,78
94,29
209,49
109,51
319,09
100,32
96,75
217,57
98,26
348,44
103,47
102,57
1998
131,51
96,19
82,18
95,37
1999
126,23
64,04
83,15
95,37
2000
126,23
76,39
116,64
85,36
228,87
102,96
377,68
126,55
112,50
2001
126,23
76,85
117,57
88,00
214,42
102,79
369,27
126,75
111,48
2002
126,23
65,09
124,84
85,65
211,26
101,89
369,65
123,62
115,24
2003
127,28
56,93
132,19
89,79
207,64
106,59
392,64
125,82
128,17
Quelle: Penn World Table 6.2 (Heston et al. 2006).
Die allgemeine Annahme, wonach dabei vor allem kleine Länder eine Öffnung ihrer Volkswirtschaften vollziehen, um Zugang zu größeren Märkten zu erlangen, während relativ große Länder aufgrund ihrer bereits vorhandenen umfangreichen Marktgröße eher geschlossen bleiben, kann für die ASEAN-Staaten nur bedingt geltend gemacht werden. Wie Abbildung 5.33 verdeutlicht, ist für das Jahr 2003 kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der volkswirtschaftlichen Größe und der Offenheit der ASEAN-Staaten zu erkennen. Zwar lassen die bedeutenden Staaten Indonesien, Thailand, Malaysia und Singapur auf einen solchen Zusammenhang innerhalb der ASEAN schließen, doch widersprechen
162 · Ist Asien ein geeigneter Wirtschafte- und Währungsraum?
dem Kambodscha, Laos, die Philippinen und Vietnam, vor allem aber das relativ kleine Brunei. Abbildung 5.33: Volkswirtschaftliche Größe und Offenheit 2003 βSi 250000 I
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