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German Pages [458] Year 2014
Schriften zum deutschen und internationalen Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht
Band 37
Herausgegeben von Professor Dr. Haimo Schack, Kiel, Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht
Constanze Thönebe
Kunstwerke in der Ausstellungs- und Verkaufswerbung und in Museumskatalogen Eine vergleichende Untersuchung des deutschen, französischen und US-amerikanischen Urheberrechts
V& R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0225-0 ISBN 978-3-8470-0225-3 (E-Book) Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhaltsübersicht
Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 1 Die urheberrechtliche Privilegierung öffentlicher Ausstellungen und des Kunsthandels – Hintergründe und Interessen A. Geistiges Werk und einzigartige Ware: die wertbildende Verwertung von Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Struktur des Kunstmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kunstvermittelnde Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . B. Interessen der beteiligten Kreise an einer Privilegierung von Werbemaßnahmen und Museumskatalogen . . . . . . . . . . . I. Die Interessen der Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Interessen von Museen und Ausstellungshäusern . . . . III. Die Interessen des Kunsthandels . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Interessen der Werkeigentümer . . . . . . . . . . . . . . V. Die Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . .
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53 53 56 58 60 61
Kapitel 2 Die Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken . . . . . . . . . . . I. Begründung und Funktion der urheberrechtlichen Schranken II. Die Schrankenregelungen der §§ 44a ff. im Gefüge des UrhG . III. Schrankenvorgaben des Konventionsrechts . . . . . . . . . . . IV. Schrankenvorgaben der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . V. Auslegung der Schrankenregelungen . . . . . . . . . . . . . .
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63 63 63 67 70
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71 83
6
Inhaltsübersicht
VI. Systematische Einordnung von § 58 UrhG und Bewertung des Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungs- und Verkaufswerbung und in Museumsverzeichnissen . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privilegierung der Ausstellungs- und Verkaufswerbung (§ 58 Abs. 1 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen (§ 58 Abs. 2 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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94 94
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199
Kapitel 3 Die Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gesetzliche Grundlagen des französischen droit d’auteur . . . . . I. Die Revolutionsgesetze von 1791/1793 . . . . . . . . . . . . . II. Das Urheberrechtsgesetz vom 11. März 1957 . . . . . . . . . . III. Die Urheberrechtsnovelle von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Code de la propri¦t¦ intellectuelle von 1992 . . . . . . . . B. Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur . . . . . . . . . . . I. Geschützte Werke und Rechtsinhaberschaft . . . . . . . . . . II. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die gesetzlichen Schranken der Verwertungsrechte . . . . . . C. Die Privilegierung von Versteigerungskatalogen . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Umfang der Katalogbildfreiheit gemäß Art. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Richtlinienkonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Nutzung von Kunstwerken durch Museen und Ausstellungshäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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243 243 243 244 245 245 247 247 247 252 252 263 264
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280 304 304
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306
Kapitel 4 Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika . A. Gesetzliche Grundlagen des US-amerikanischen Urheberrechts I. Vom Statute of Anne zum Copyright Act 1790 . . . . . . . II. Der Copyright Act 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der geltende Copyright Act 1976 . . . . . . . . . . . . . . B. Schutzinhalt und Schranken des copyright . . . . . . . . . . . I. Geschützte Werke und Rechtsinhaberschaft . . . . . . . . II. Die Urheberrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die gesetzlichen Schranken in §§ 107 ff. C.A. 1976 . . . . . C. Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung . . I. Entwicklung der fair use-Doktrin . . . . . . . . . . . . . .
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309 309 309 312 315 317 317 318 323 325 325
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7
Inhaltsübersicht
II. Ökonomisch-utilitaristische Begründungsmodelle . . . . . . . . III. Methodik der fair use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die vier fair use-Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beispiele aus der Rechtsprechung für faire und unfaire Nutzungen von visuellen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nutzung von Kunstwerken durch den Kunsthandel zur Verkaufswerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nutzung zur Werbung für Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . II. Nutzung zur Werbung durch den sonstigen Kunsthandel . . . . E. Nutzung von Kunstwerken durch Museen zur Ausstellungswerbung I. Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte . . . . . II. Fair use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Nutzung von Kunstwerken in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen von Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte . . . . . II. Fair Use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Zusammenfassung der Ergebnisse der fair use-Prüfungen . . . . . . H. Werbe- und Katalognutzungen in der Lizenzierungspraxis der Artists Rights Society . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5 Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Urheberrechtliche Privilegierung der Verkaufswerbung . . . . . . I. Gegenüberstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsvorschlag für die Privilegierung von Verkaufswerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Urheberrechtliche Privilegierung der Ausstellungswerbung . . . . I. Deutschland: Abbildungsfreiheit für Werke in öffentlichen Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankreich: Ausstellungswerbung unterliegt dem Ausschließlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. USA: Kommentierte kleinformatige Abbildungen in der Ausstellungswerbung als fair use . . . . . . . . . . . . . . . . C. Urheberrechtliche Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenüberstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von Ausstellungsund Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328 330 331 354 373 374 391 392 393 395 408 408 410 427 428
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431 431 431
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436 437
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440 440
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444
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447
Inhalt
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 1 Die urheberrechtliche Privilegierung öffentlicher Ausstellungen und des Kunsthandels – Hintergründe und Interessen A. Geistiges Werk und einzigartige Ware: die wertbildende Verwertung von Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Struktur des Kunstmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Galerien und Kunsthandlungen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Museen und Sammler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kunstvermittelnde Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausstellungshäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kunstvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gruppenausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Privatsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Interessen der beteiligten Kreise an einer Privilegierung von Werbemaßnahmen und Museumskatalogen . . . . . . . . . . . I. Die Interessen der Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Interessen von Museen und Ausstellungshäusern . . . . III. Die Interessen des Kunsthandels . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Interessen der Werkeigentümer . . . . . . . . . . . . . . V. Die Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . .
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10 Kapitel 2 Die Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken . . . . . . . . . . . . I. Begründung und Funktion der urheberrechtlichen Schranken . 1. Die Sozialbindung des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . 2. Das Allgemeininteresse als ein Schutzgrund des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schrankenregelungen der §§ 44a ff. im Gefüge des UrhG . . III. Schrankenvorgaben des Konventionsrechts . . . . . . . . . . . IV. Schrankenvorgaben der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik des Schrankenkataloges in Art. 5 HRL und Umsetzungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL – Vervielfältigungshandlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder von Archiven . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL – Werbung für die öffentliche Ausstellung und den öffentlichen Verkauf von künstlerischen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Dreistufentest in Art. 5 Abs. 5 HRL . . . . . . . . . . . . V. Auslegung der Schrankenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . VI. Systematische Einordnung von § 58 UrhG und Bewertung des Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freistellung der Werbung durch den Kunsthandel . . . . . . 2. Freistellung der Werbung für Kunstausstellungen . . . . . . . 3. Freistellung der Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungs- und Verkaufswerbung und in Museumsverzeichnissen . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Gesetzesentwürfe zur Kodifizierung einer Katalogbildfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Empfohlene Ergänzung des Marwitz-Entwurfs von 1929 . b) Der Goldbaum/Wolff-Entwurf von 1929 (§ 22 Nr. 1) . . . . c) Der Hoffmann-Entwurf von 1929 (§ 21 Nr. 7) . . . . . . . d) Der deutsch-österreichische Gesetzesentwurf von 1932 (§ 42 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Entwurf der Akademie für Deutsches Recht von 1939 (§ 40 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frühe Privilegierungen von Katalogbildern in der Schweiz und in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 30 Nr. 2 URG 1922 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
63 63 63 63 66 67 70 71 72
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78 80 83 84 85 87 88 94 94 95 95 96 96 97 98 99 99
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Inhalt
b) § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 öUrhG 1936 . . . . . . . . . . . 3. Gewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Katalogbildfreiheit für Museumskataloge . . . . . . . . . 4. Erste Kodifizierung der Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG (1965) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesentwürfe für ein Urheberrechtsgesetz . . . . . aa) Der Referentenentwurf von 1954 . . . . . . . . . . bb) Der Regierungsentwurf von 1962 . . . . . . . . . . cc) Der Vorschlag des Rechtsausschusses und die verabschiedete Fassung . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck und Umfang der Privilegierung in § 58 UrhG (1965) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzgeberische Bewertung der beteiligten Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung und Schrifttum zu zentralen Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Neuregelung der Katalogbildfreiheit im Jahr 2003 . . a) Gesetzesvorschläge zur Umsetzung der Harmonisierungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Diskussionsentwurf vom 7. Juli 1998 . . . . . bb) Der Referentenentwurf vom 18. März 2002 . . . . cc) Stellungnahmen von Interessenverbänden zu § 58 DiskE und § 58 RefE . . . . . . . . . . . . . . (1) FreeLens e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutscher Bibliotheksverband e.V. . . . . . . . (3) Deutscher Museumsbund e.V. . . . . . . . . . dd) Der Regierungsentwurf vom 31. Juli 2002 . . . . . b) Verabschiedete Neufassung von § 58 UrhG (2003) . . . II. Privilegierung der Ausstellungs- und Verkaufswerbung (§ 58 Abs. 1 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privilegierte Werkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Werke der bildenden Künste . . . . . . . . . . . . . . aa) Werke der reinen Kunst . . . . . . . . . . . . . . . bb) Werke der angewandten Kunst . . . . . . . . . . . cc) Werke der Baukunst . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lichtbildwerke und Lichtbilder . . . . . . . . . . . . . c) Analoge Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG auf weitere Werkarten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung auf künstlerische Werke i. S. v. Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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3.
4.
5.
bb) Beschränkung auf ausstellungsfähige Werke i. S. v. § 18 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlich ausgestellte, zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmte Werke . . . . . . . . . . a) Öffentliche Ausstellung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG . . . . . . aa) Ausstellung i. S. v. § 18 UrhG . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentlichkeit der Ausstellung . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitliche Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung von Werken zur öffentlichen Ausstellung . . aa) Bedeutung des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . bb) Person des Bestimmenden . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unvorhergesehene Nichtausstellung von Werken . (2) Werke in Wanderausstellungen . . . . . . . . . . . (3) Werke in Mappen, Skizzenbüchern etc. . . . . . . c) Bestimmung zum öffentlichen Verkauf . . . . . . . . . . . aa) Öffentlicher Verkauf i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG . . . . . . (1) Veranstaltungscharakter und Öffentlichkeit des Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Privilegierung von Internetauktionen? . . . . . . . bb) Bestimmung zum öffentlichen Verkauf . . . . . . . . . cc) Verhältnis zwischen öffentlicher Verkaufsausstellung und öffentlichem Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . Privilegierter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veranstalter von öffentlichen Ausstellungen . . . . . . . . b) Veranstalter von öffentlichen Verkaufsveranstaltungen . . c) Verhältnis des Veranstalters zu ausführenden Dritten . . . Privilegierte Verwertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentliche Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . . . Werbung in dem zur Förderung der Veranstaltung erforderlichen Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Werbung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG und typische Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Anforderungen an Werbemaßnahmen i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
aa) Eignung zur Werbung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einstufung von Ausstellungskatalogen . . . . . (2) Smartphone-Apps mit Werkwiedergaben . . . (3) Nutzungen am Ort der Veranstaltung . . . . . bb) Strenge Veranstaltungsbezogenheit der Nutzung . (1) Verbindung von Werknutzung und Veranstaltungsinformation . . . . . . . . . . . (2) Das Urteil des LG Berlin vom 31. Mai 2007 . . (3) Die Auffassung des Kammergerichts . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine direkte Gewinnerzielung durch Nutzung des Werbemediums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erforderlichkeit der Nutzung zur Förderung der Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die (Veranstaltungs-)Förderung als Maßstab der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kriterien zur Beurteilung der Erforderlichkeit . . (1) Bedeutung der Branchenüblichkeit . . . . . . . (2) Räumliche Reichweite der Nutzung . . . . . . (3) Zeitraum der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . (4) Anzahl und Auswahl von Werken . . . . . . . (5) Auflagenhöhe von Werbemitteln und -träger . (6) Größe und Qualität der einzelnen Abbildung . (7) Verwendung von Bildausschnitten . . . . . . . (8) Technische Optionen bei der Gestaltung der Online-Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bildgröße und -qualität; Vergrößerung und Zoomfunktionen . . . . . . . . . . . . . . (b) Filmische Wiedergaben . . . . . . . . . . . (c) Ermöglichung des Downloads . . . . . . . 6. Schranken der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . aa) Veröffentlichungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . bb) Recht auf Anerkennung der Urheberschaft . . . . (1) Inhalt des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Pflicht zur Quellenangabe . . . . . . . . . . . . cc) Verbot der Entstellung und Beeinträchtigung des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Änderungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
(a) Größenänderungen . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfahrensbedingte Änderungen . . . . . . . . (c) Nutzung von Werkteilen . . . . . . . . . . . . b) Rechte der Reproduktionsfotografen . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen (§ 58 Abs. 2 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privilegierte Werkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke . . . . . . b) Analoge Anwendung auf weitere Werkarten? . . . . . . . . 2. Privilegierte Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Öffentliche Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigener Sammlungsbestand . . . . . . . . . . . . . . . b) Privilegierte Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bibliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bildungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Privilegierung von Ausstellungshäusern und sonstigen Ausstellungsveranstaltern? . . . . . . . . . . ee) Privilegierung von Archiven? . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privilegierte Verwertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Herausgabe von Verzeichnissen im Zusammenhang mit einer Ausstellung (1. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausstellungsverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Herausgebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterordnung der Nutzung unter den Ausstellungszweck . aa) Inhaltlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgestellte oder zur Ausstellung bestimmte Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erschließung der Ausstellung vor Vermittlung des Werkgenusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . cc) Räumlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . dd) Quantitative Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arten von Ausstellungsverzeichnissen . . . . . . . . . . .
194 195 196 197 197 199 200 200 201 202 202 202 205 206 207 207 209 211 212 213 214 214 215 215 216 216 217 219 219 220 221 223 225 225 226
15
Inhalt
5. Herausgabe von Verzeichnissen zur Dokumentation von Beständen (2. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestandsverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff des Bestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begriff der Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . cc) Dokumentation von Teilbeständen . . . . . . . . . . b) Qualitative, quantitative und räumliche Grenzen der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arten von Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . 6. Keine Verfolgung eines eigenständigen Erwerbszwecks . . . a) Bedeutung des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kooperation des Herausgebers mit Dritten . . . . . . . . 7. Schranken der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bewertung der aktuellen Katalogbildfreiheit und ihrer Richtlinienkonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3 Die Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . A. Gesetzliche Grundlagen des französischen droit d’auteur . I. Die Revolutionsgesetze von 1791/1793 . . . . . . . . . II. Das Urheberrechtsgesetz vom 11. März 1957 . . . . . . III. Die Urheberrechtsnovelle von 1985 . . . . . . . . . . . IV. Der Code de la propri¦t¦ intellectuelle von 1992 . . . . B. Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur . . . . . . . I. Geschützte Werke und Rechtsinhaberschaft . . . . . . II. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darbietungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausstellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vervielfältigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutzdauer der Verwertungsrechte . . . . . . . . . III. Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . IV. Die gesetzlichen Schranken der Verwertungsrechte . . 1. Der Grundsatz der engen Auslegung der Ausnahmen 2. Der Schrankenkatalog des Art. L. 122-5 CPI und der besondere Schutz von Kunstwerken . . . . . . . . . a) Kopien zum Privatgebrauch . . . . . . . . . . . . b) Analysen und kurze Zitate . . . . . . . . . . . . .
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226 226 227 228 230
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230 232 233 233 235 237
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238 240
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243 243 243 244 245 245 247 247 247 248 248 248 250 250 250 251 251 252 252 252
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253 253 255
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16 c) Grafische und plastische Kunstwerke in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erhaltung und Konsultation von Werken in Bibliotheken, Museen und Archiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Information über grafische, plastische oder architektonische Werke durch die Presse . . . . . . . . . . f) Kunstwerke an öffentlich zugänglichen Orten . . . . . . . g) Sonstige Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Dreistufentest in Art. L. 122-5 CPI als Schranken-Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Privilegierung von Versteigerungskatalogen . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die »Utrillo-Rechtsprechung« zu Reproduktionen in Auktionskatalogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt und Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die teleologische Auslegung des Zitatrechts durch die erste Kammer der Cour d’appel de Paris und die Cour d’appel de Versailles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die enge Auslegung des Zitatrechts durch die vierte Kammer der Cour d’appel de Paris und die Cour d’appel d’Orl¦ans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die restriktive Auffassung der Cour de cassation . . . . . e) Die Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erste Kodifizierung der Katalogbildfreiheit für Versteigerungen in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (1997) . . . . . a) Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erlass der Ausführungsbestimmung in Art. R. 122-12 CPI. 3. Neuregelung der Katalogbildfreiheit für gerichtliche Versteigerungen in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (2000) . . . . . a) Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beibehaltung der Ausführungsbestimmung (Art. R. 122-1 CPI n. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Umfang der Katalogbildfreiheit gemäß Art. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privilegierte Werkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) »Œuvres d’art graphiques et plastiques« im allgemeinen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
258 258 259 260 260 261 261 262 263 264 264 264
265
266 267 268 270 271 271 274 274 275 279 279 280 281 281
Inhalt
b) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Werkkatalog des Art. L. 112-2 CPI . . . . . . . . . bb) »Œuvre d’art graphique, plastique ou architectural« i. S. v. Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI . . . . . . . . . . . . . . cc) »Œuvres d’art graphiques et plastiques« i. S. v. Art. L. 122-8 und Art. R. 122-3 CPI . . . . . . . . . . . . . c) Historische und teleologische Auslegung . . . . . . . . . . d) Stellungnahme und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung zum Erscheinen im Katalog einer gerichtlichen Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff »vente judiciaire« . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Definition des Gesetzes vom 10. Juli 2000 und ihre Auslegung in Rechtsprechung und Literatur . . . bb) Erfasste Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zwangsversteigerungen (ventes judiciaires forc¦es) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) »Freiwillige« gerichtliche Versteigerungen (ventes judiciaires volontaires) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Katalog einer gerichtlichen Versteigerung . . . . . . . . . aa) Beschränkung auf Kataloge von reinen Kunstauktionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Form, Inhalt und Zweckbestimmung des Katalogs . . cc) Art und Weise der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestimmung der Werke zum Erscheinen im Katalog . . . . 3. Privilegierter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privilegierte Verwertungsarten . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualitatives und quantitatives Ausmaß der Nutzung . . . 5. Schranken der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Dreistufentest in Art. L. 122-5 CPI . . . . . . . . . . . aa) Keine Beeinträchtigung der normalen Werkverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine ungebührliche Verletzung berechtigter Urheberinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urheberpersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Richtlinienkonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Nutzung von Kunstwerken durch Museen und Ausstellungshäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 283 283 284 285 286 287 289 289 289 292 292 293 294 294 295 295 296 297 297 298 298 298 299 299 299 299 302 303 304 304 306
18 Kapitel 4 Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika . A. Gesetzliche Grundlagen des US-amerikanischen Urheberrechts I. Vom Statute of Anne zum Copyright Act 1790 . . . . . . . II. Der Copyright Act 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der geltende Copyright Act 1976 . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlegende Reformen des copyright-Systems . . . . 2. Berne Convention Implementation Act (1988) . . . . . . 3. Weitere wichtige Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . B. Schutzinhalt und Schranken des copyright . . . . . . . . . . . I. Geschützte Werke und Rechtsinhaberschaft . . . . . . . . II. Die Urheberrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vervielfältigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bearbeitungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbreitungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Recht der öffentlichen Aufführung . . . . . . . . . . e) Recht der öffentlichen Zurschaustellung . . . . . . . f) Schutzdauer der Verwertungsrechte . . . . . . . . . . 2. Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Visual Artists Rights Act (VARA) . . . . . . . . . b) Veröffentlichungsrecht und weitere urheberpersönlichkeitsrechtliche Aspekte . . . . . . III. Die gesetzlichen Schranken in §§ 107 ff. C.A. 1976 . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reproduktionen von Bibliotheken und Archiven (§ 108) C. Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung . . I. Entwicklung der fair use-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . II. Ökonomisch-utilitaristische Begründungsmodelle . . . . III. Methodik der fair use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die vier fair use-Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. »Purpose and character of the use« . . . . . . . . . . . a) Transformativität der Nutzung . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Kriteriums . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmung der Transformativität . . . . . . . . b) Kommerzialität der Nutzung . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Kriteriums . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmung der Kommerzialität . . . . . . . . . cc) Behandlung nichtkommerzieller Nutzungen . . . c) Weitere Charakteristika der Nutzung . . . . . . . . . aa) Unterrichts-, Bildungs- und Forschungszwecke .
Inhalt
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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309 309 309 312 315 315 316 316 317 317 318 318 319 319 319 320 320 321 321 321
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Inhalt
bb) Nachrichtenberichterstattung, Kommentierung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. »Nature of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . a) Differenzierung zwischen kreativen und faktischen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unveröffentlichte Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. »Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole« . . . . . . . . . . . . . . . a) Quantitativer und qualitativer Maßstab . . . . . . . . . . . b) Vollständige und teilweise Wiedergabe von visuellen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. »Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktuelle Marktschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung auf Schäden durch »market substitution« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betrachtung der relevanten Märkte für Original und Bearbeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Potentielle Marktschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung auf »traditionelle und voraussichtlich erschließbare Märkte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Behandlung von Kritik, Kommentierung und »gemischten« Nutzungszwecken . . . . . . . . . . . . c) Behandlung positiver Marktauswirkungen . . . . . . . . . V. Beispiele aus der Rechtsprechung für faire und unfaire Nutzungen von visuellen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Basquiat v. Baghoomian (1991) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haberman v. Hustler Magazine, Inc. (1986) und Brewer v. Hustler Magazine, Inc. (1984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc. (1986) . . . 4. NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp. (2000) . . . . . . . . 5. Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd. (2002/2004) . . . . . . . . a) Entscheidung des Seventh Circuit (2002) . . . . . . . . . . b) Entscheidung des District Court for the Northern District of Illinois (2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd. (2006) . . . 7. Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc. (1997) . . . 8. Kelly v. Arriba Soft Corp. (2003) und Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc. (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
339 339 340 340 341 342 342 343 346 347 348 349 349 350 351 352 354 354 356 359 360 362 362 364 365 368 370
20 D. Nutzung von Kunstwerken durch den Kunsthandel zur Verkaufswerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nutzung zur Werbung für Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte . . . 2. Fair use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) »Purpose and character of the use« . . . . . . . . . . . . . aa) Transformativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kommerzielle Werbung für das Werkoriginal . . . (2) Informationswert versus Substitutionspotential . . (a) Print- und Online-Kataloge . . . . . . . . . . . (b) Printanzeigen und E-Mail-Newsletter . . . . . (c) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kommerzialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erleichterung der Veräußerung des Werkstücks . . . . dd) Verhalten des Nutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) »Nature of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . c) »Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole« . . . . . . . . aa) Print- und e-Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Printanzeigen und E-Mail-Newsletter . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) »Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung des Markts für die Originale . . . . bb) Beeinträchtigung von Zweitmärkten für Reproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweitmarkt für Werbenutzungen durch den Kunsthandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kunstreproduktionen im engeren Sinne . . . . . . (3) Zweitmarkt für sonstige kommerzielle Reproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Positive Effekte auf den Marktwert des Werkes . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewichtung der Einzelfaktoren und Gesamtergebnis . . . II. Nutzung zur Werbung durch den sonstigen Kunsthandel . . . . E. Nutzung von Kunstwerken durch Museen zur Ausstellungswerbung I. Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte . . . . . II. Fair use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. »Purpose and character of the use« . . . . . . . . . . . . . . a) Werbung zur Erfüllung des Bildungsauftrags der Museen .
Inhalt
373 374 374 375 375 376 376 378 378 382 382 382 384 384 385 385 386 386 387 387 387 387 388 388 388 389 390 391 391 391 392 393 395 395 395
Inhalt
b) Transformativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Reine Bildwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Werbung mit Bild- und Textbeiträgen . . . . . . . . . cc) Superseding use . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kommerzialität: Commercial nature oder nonprofit educational purpose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhalten des Nutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Werbung mit Werken aus Sonder- und Dauerausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. »Nature of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . 3. »Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole« . . . . . . . . . . . . . . . a) Reine Bildwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Werbung mit Bild- und Textbeiträgen . . . . . . . . . . . 4. »Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung des Markts für die Originale . . . . . . . b) Beeinträchtigung von Zweitmärkten für Reproduktionen . aa) Zweitmarkt für Werbenutzungen durch Museen? . . . bb) Zweitmarkt für kommerzielle Reproduktionen . . . . c) Positive Effekte auf den Marktwert des Werkes . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewichtung der Einzelfaktoren und Gesamtergebnis . . . . . F. Nutzung von Kunstwerken in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen von Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte . . . . . II. Fair Use-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. »Purpose and character of the use« . . . . . . . . . . . . . . a) Bildungsfunktion von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausstellungskataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestandskataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Museumsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Digitale Offline-Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Online-Ausstellungen und Online-Sammlungsverzeichnisse . . . . . . . . . . . . ff) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transformative oder superseding use? . . . . . . . . . . .
21 396 396 397 397 398 399 400 401 401 402 402 403 403 403 403 404 404 404 405 406 407 408 408 410 410 410 410 411 411 411 411 412 412
22
Inhalt
c) Kommerzialität: Commercial nature oder nonprofit educational purpose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Katalogvertrieb mit Gewinnerzielungsabsicht . . . . . (1) Ausstellungs-, Bestandskataloge und digitale Offline-Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Museumsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtkommerzielle Katalognutzung . . . . . . . . . . (1) Katalogvertrieb zum Selbstkostenpreis . . . . . . . (2) Öffentlich zugänglich gemachte Online-Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhalten des Nutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verzeichnisse von Sonderausstellungen und Bestandsverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. »Nature of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . 3. »Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole« . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausstellungskataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestandskataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Museumsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Online-Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. »Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung des Marktes für die Originale . . . . . . b) Beeinträchtigung von Zweitmärkten für Reproduktionen . aa) Zweitmarkt für Katalognutzungen durch Museen? . . bb) Zweitmarkt für kommerzielle Reproduktionen . . . . c) Positive Effekte auf den Marktwert des Werkes . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewichtung der Einzelfaktoren und Gesamtergebnis . . . . . 6. Vergleich mit den Wertungen der Classroom Guidelines . . . G. Zusammenfassung der Ergebnisse der fair use-Prüfungen . . . . . . H. Werbe- und Katalognutzungen in der Lizenzierungspraxis der Artists Rights Society . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428
Kapitel 5 Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Urheberrechtliche Privilegierung der Verkaufswerbung . . . . . . . I. Gegenüberstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . .
431 431 431
414 415 415 416 416 416 417 417 417 418 418 419 419 420 420 421 421 421 421 422 422 422 423 424 424 426 427
23
Inhalt
1. Deutschland: Abbildungsfreiheit für Kunstwerke in öffentlichen Verkaufsveranstaltungen . . . . . . . . . . . . 2. Frankreich: Katalogbildfreiheit für Werke in gerichtlichen Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. USA: Werbung für den Handel mit Kunstwerken als vermutlich »unfaire« Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsvorschlag für die Privilegierung von Verkaufswerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Urheberrechtliche Privilegierung der Ausstellungswerbung . . . . I. Deutschland: Abbildungsfreiheit für Werke in öffentlichen Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankreich: Ausstellungswerbung unterliegt dem Ausschließlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. USA: Kommentierte kleinformatige Abbildungen in der Ausstellungswerbung als fair use . . . . . . . . . . . . . . . . C. Urheberrechtliche Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenüberstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutschland: Katalogbildfreiheit für Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse von Museen . . . . . . . . . . . . . . 2. Frankreich: Keine Privilegierung von Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. USA: Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse als im Einzelfall faire Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von Ausstellungsund Bestandsverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2013 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Haimo Schack, für die engagierte Betreuung meiner Promotion und die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe zum deutschen und internationalen Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht. Für die überaus zügige Erstellung der Promotionsgutachten danke ich neben Herrn Professor Dr. Schack auch dem Zweitberichterstatter, Herrn Professor Dr. Joachim Jickeli, sehr herzlich. Ferner danke ich dem Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Privatrecht in Hamburg und dem Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München, die mir für meine Recherchen zum französischen und US-amerikanischen Urheberrecht großzügig Zugang zu ihren Beständen gewährten. Herzlicher Dank gebührt schließlich meiner Familie sowie allen Freunden und Kollegen, die durch ihre Diskussionsbereitschaft, ihr Lektorat und nicht zuletzt durch ihren Zuspruch und geduldigen Beistand zur Entstehung und Fertigstellung dieser Arbeit beigetragen haben. Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle Frau Dr. Friederike Gräfin von Brühl, der ich wertvolle Hinweise und Anregungen verdanke. Für die Förderung des Promotionsvorhabens und die Gewährung des hierfür notwendigen Freiraums bin ich darüber hinaus der Kanzlei Graf von Westphalen und dort vor allem Herrn Dr. Ronald Steiling, Herrn Dr. Carsten Bittner und Herrn Professor Dr. Christian Winterhoff zu großem Dank verpflichtet. Widmen möchte ich diese Arbeit meiner Mutter Edith Thönebe, die mich stets voller Liebe und mit der ihr eigenen Zuversicht unterstützt hat. Sie verstarb viel zu früh im Jahr 2012. Hamburg, im März 2014
Constanze Thönebe
Abkürzungsverzeichnis
1st (2nd, 3rd usw.) Circuit U.S. Court of Appeals for the First (Second, Third usw.) Circuit a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Amtsblatt der Europäischen Union (seit 1. Februar 2003) ADAGP Soci¦t¦ des Auteurs dans les Arts Graphiques et Plastiques a. F. alte Fassung ALI-ABA American Law Institute – American Bar Association (Continuing Professional Education) Alt. Alternative Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Am. U. L. Rev. American University Law Review AN Assembl¦e Nationale Anm. Anmerkung Ann. propr. ind. Annales de la propri¦t¦ industrielle, artistique et litt¦raire ARS Artists Rights Society Art. Artikel; Article BBl. Schweizerisches Bundesblatt Bd. Band BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Boston U. L. Rev. Boston University Law Review BR-Drucks. Bundesratsdrucksache BT-Drucks. Bundestagsdrucksache Bull. civ. (I/AP) Bulletin des arrÞts de la Cour de cassation, Chambres civiles (PremiÀre Chambre civile/Assembl¦e pl¦niÀre) BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise CA Cour d’appel
28 C.A. Cal. Cardozo Arts & Ent. L. J. Cass. civ. Cass. com. Cass. crim. Cass. pl¦n. C.C.D. Mass. CCE CCiv CCom CDPA cert. denied Ch. Chron. Cir. Col. L. Rev. Col.-VLA J. L. & Arts COM Comm. Conn. L. Rev. Corp. CPI Ct. Cl. D. (Chron.; Jur.; Somm.; IR) D. Colo. DdA ders., dies. d. h. D. Mass. D. Md. D. N.J. D.P. ebd. E.D. Cal. EG Einl. endg. Eng. Rep. ErwGr. EU
Abkürzungsverzeichnis
Copyright Act California Supreme Court Cardozo Arts & Entertainment Law Journal Cour de cassation, Chambre civile Cour de cassation, Chambre commerciale Cour de cassation, Chambre criminelle Cour de cassation, Assembl¦e pl¦niÀre Circuit Court for the Central District of Massachusetts Communication – Commerce Êlectronique (RepÀre, Alertes, Êtudes, Commentaires) Code civil Code de commerce Copyright, Designs and Patents Act 1988 (UK) certiorari denied (Revisionsantrag durch den Supreme Court abgelehnt) Chapter ; Court of Chancery Chronique (Bericht über die Entwicklung der Gesetzgebung und/oder Rechtsprechung im Bereich des Urheberrechts) Circuit Court of Appeals Columbia Law Review Columbia-VLA Journal of Law and the Arts (seit 2001 ohne den Zusatz VLA) Commission of the European Union Commentaires Connecticut Law Review Corporation Code de la propri¦t¦ intellectuelle U.S. Court of Claims Recueil Dalloz (Chronique; Jurisprudence; Sommaires; Informations rapides) U.S. District Court for the District of Colorado Droit d’auteur derselbe, dieselbe(n) das heißt U.S. District Court for the District of Massachusetts U.S. District Court for the District of Maryland U.S. District Court for the District of New Jersey Receuil p¦riodique et critique Dalloz (vor 1941) ebenda U.S. District Court for the Eastern District of California Europäische Gemeinschaft Einleitung endgültig The English Reports Erwägungsgrund Europäische Union
Abkürzungsverzeichnis
EuGH EuGHE f./ff. F.2d, F.3d Fasc. F. Cas. Fed. Cir. Fn. FS F.Supp. (2d) Gaz. Pal. Geo. Mason L. Rev. GG ggf. GRUR GRUR Int. Harv. L. Rev. h. M. H.R. Rep. Hrsg. Hs. ICOM i. d. F. IfM IIC IR i. S. d., i. S. v. i. V. m. J.-Cl. J. Cop. Soc. USA JCP JCP E Jh. J. Intell. Prop. L. J. Int’l Media & Ent. L. JOAN Kap. KG KOM KUG
29 Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des EuGH folgende, fortfolgende Federal Reporter, Second (Third) Series Fascicule Federal Cases U.S. Court of Appeals for the Federal Circuit Fußnote Festschrift Federal Supplement (Second Series) Gazette du Palais George Mason Law Review Grundgesetz gegebenenfalls Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Harvard Law Review herrschende Meinung House of Representatives Report Herausgeber Halbsatz International Council of Museums in der Fassung Institut für Museumsforschung (bis 1. 8. 2006: Institut für Museumskunde) International Review of Industrial Property and Copyright Law Informations Rapides im Sinne der/des, im Sinne von in Verbindung mit Juris-Classeur Propri¦t¦ litt¦raire et artistique Journal of the Copyright Society of the USA Juris-Classeur P¦riodique (La Semaine Juridique), Êdition g¦n¦rale Juris-Classeur P¦riodique, Êdition Entreprise et affaires Jahrhundert Journal of Intellectual Property Law Journal of International Media & Entertainment Law Journal Officiel Assembl¦e Nationale Kapitel Kammergericht (Berlin) Kommission der Europäischen Union Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (Kunsturhebergesetz)
30 KUR
L. Law & Contemp. Probs. LG LGZ Loy. L.A. Ent. L. J. LPA L. Rev. LUG MMR m. w. N. n./n8 N.C. L. Rev. N.D. Ill. N.E.2d n. F. NJW NJW-RR Nr. n.v. N.Y.S.2d OLG öUrhG PI p.m.a. Propr. Ind. RBÜ RegE RG RGZ RIDA RL Rn. Rolls Ct. Rspr. RTD com. S. S.D. N.Y. Sec. Slg.
Abkürzungsverzeichnis
Kunst und Urheberrecht (1999 – 2005); Kunst und Recht, Journal für Kunstrecht, Urheberrecht und Kulturpolitik (seit 2006) Loi Law and Contemporary Problems Landgericht Entscheidungen der Landgerichte in Zivilsachen Loyola of Los Angeles Entertainment Law Journal (seit 2000: Loyola of Los Angeles Entertainment Law Review) Les Petites affiches Law Review Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 MultiMedia und Recht mit weiteren Nachweisen num¦ro North Carolina Law Review District Court for the Northern District of Illinois North Eastern Reporter, Second Series neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer nicht veröffentlicht New York Supplement, Second Series Oberlandesgericht Urheberrechtsgesetz (A) Propri¦t¦s Intellectuelles post mortem auctoris Propri¦t¦s Industrielles Revidierte Berner Übereinkunft Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue internationale du droit d’auteur Richtlinie Randnummer Rolls Court Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit commercial et de droit ¦conomique Satz; Seite; siehe District Court for the Southern District of New York Section (= Paragraph) Sammlung
Abkürzungsverzeichnis
Somm. SPADEM str. TGI Trib. (civ.) TRIPs u. a. U.C.L.A. L. Rev. UFITA U. Pa. L. Rev. URG UrhG UrhR US U.S. U.S.C. v. VAGA VG vgl. VO WCT WIPO Wm. & Mary L. Rev. WPPT WTO z. B. Ziff. z. T. ZUM zust.
31 Sommaires (comment¦es) Soci¦t¦ des Auteurs Compositeurs et Editeurs de Musique streitig Tribunal de grande instance Tribunal (civil) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights unter anderem U.C.L.A. Law Review Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (seit 2000: Archiv für Urheber- und Medienrecht) University of Pennsylvania Law Review Urheberrechtsgesetz (CH) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte von 1965 Urheberrecht United States/Vereinigte Staaten United States Supreme Court Reports United States Code versus Visual Artists and Galleries Association Verwertungsgesellschaft vergleiche Verordnung WIPO Copyright Treaty World Intellectual Property Organization William & Mary Law Review WIPO Performances and Phonograms Treaty World Trade Organization zum Beispiel Ziffer zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend
Einleitung
Kunst bereichert unser Leben in einzigartiger Weise. Sie fordert uns auf, uns mit der individuellen Sichtweise der Künstlerin oder des Künstlers auf die Gesellschaft und ihre jeweiligen Phänomene auseinanderzusetzen. Der Besuch einer Ausstellung richtet unser Augenmerk abseits des Alltäglichen auf die im Kunstwerk verkörperten Aussagen oder Fragen und regt uns an, unseren eigenen Blick zu überprüfen und zu schärfen. Werke aus vergangenen Epochen gewähren uns zugleich Einblicke in die Verhältnisse und Ästhetik ihrer Zeit und vergegenwärtigen uns ein Stück unserer Geschichte. Kunst vermag uns damit nicht nur einen visuellen Genuss zu vermitteln, sondern auch unsere Wahrnehmung, unseren Horizont zu erweitern. Angesichts der heutigen Vielfalt an künstlerischen Ausdrucksformen entzieht sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kunstwerk als ästhetisch wertvoll, bedeutend, ausstellungsund sammelwürdig empfunden wird, allerdings mehr denn je einer allgemeingültigen Antwort. Intransparent erscheint dem Außenstehenden auch die Preisbildung auf dem Kunstmarkt, der seit Mitte der 1990er Jahre einen beispiellosen »Boom« erlebt, in dessen Verlauf die Auktionspreise für einzelne Künstler irrationale Höhen erreicht haben.1 Tatsächlich ist die Wertschätzung von Kunstwerken in der Regel das Ergebnis eines langjährigen, komplexen Prozesses der Kanonisierung, an dem der Kunstmarkt und öffentliche Institutionen wie Museen und Ausstellungshäuser heute gleichermaßen beteiligt sind. Kommerzielle wie inhaltliche Kunstvermittler müssen sich dabei im Rahmen ihrer Tätigkeit fotografischer Reproduktionen der Werke bedienen, sei es, um eine Vernissage oder eine Auktion zu bewerben, sei es, um einen Ausstellungskatalog zu bebildern. Um ein Kunstwerk einem größeren Kreis von Rezi1 Das teuerste Kunstwerk, das je bei einer Auktion verkauft wurde, ist aktuell Francis Bacons Tryptichon »Three Studies of Lucian Freud«, das am 12. 11. 2013 für 142,4 Mio. US-Dollar (inkl. Aufgeld) in einer Auktion von Christie’s den Eigentümer wechselte. Am selben Tag versteigerte Christie’s Jeff Koons’ Arbeit »Balloon Dog« für 58,4 Mio. US-Dollar. Koons löste damit Gerhard Richter als teuersten lebenden Künstler ab, dessen Werk »Domplatz, Mailand« am 14. 5. 2013 bei Sotheby’s 37,1 Mio. US-Dollar erzielt hatte.
34
Einleitung
pienten (oder Kaufinteressenten) zuzuführen, ist seine Verwertung in Form der Reproduktion unverzichtbar.2 In diesem Kontext ist eine Schrankenregelung des deutschen Urheberrechts angesiedelt, die zwei unterschiedliche Arten von Kunst-»Verwertern« begünstigt. Der mit dem Urheberrechtsgesetz von 1965 eingeführte § 58 UrhG gestattete in seiner ersten Fassung Veranstaltern von öffentlichen Ausstellungen, Werke der bildenden Kunst zustimmungs- und vergütungsfrei in Ausstellungsverzeichnissen abzubilden. Die gleiche Befugnis wurde Veranstaltern von Auktionen gewährt, um ihnen die Aufnahme der zur Versteigerung gelangenden Kunstobjekte in ihre Verkaufskataloge zu erleichtern. Gerechtfertigt wurden die urheberrechtlichen Privilegierungen mit dem Bedürfnis nach der Herausgabe entsprechender Kataloge auf Seiten der Verwerter und des Publikums, aber auch mit den Interessen der Urheber selbst. Denn die Kataloge, so die Gesetzesbegründung, förderten die Bekanntheit und den Absatz ihrer Werke. Der europäische Gesetzgeber griff den Aspekt der »Werbung« für Kunstgegenstände und Künstler bei der Gestaltung des Schrankenkatalogs der sog. Harmonisierungs-RL (Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001) auf. Gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL sind Schrankenregelungen der Mitgliedstaaten zulässig, die dem Kunsthandel und Ausstellungsveranstaltern erlauben, Kunstwerke zur Werbung für die öffentliche Ausstellung und den öffentlichen Verkauf zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Bei der Umsetzung der Richtlinie erweiterte der deutsche Gesetzgeber die Befugnisse in § 58 UrhG entsprechend und stellte – über Auktionskataloge hinaus – Bildnutzungen zur Werbung für öffentliche Verkaufsveranstaltungen frei. Die frühere »Katalogbildfreiheit« siedelte er in Absatz 2 an und dehnte die Privilegierung auf die Möglichkeit der Herausgabe von Bestandskatalogen aus. Die Ausschließlichkeitsrechte der Urheber wurden damit – zu Gunsten der hauptsächlichen Verwerter der Originalwerke – weiter eingeschränkt. Die vorliegende Arbeit will die Reichweite der in der Literatur umstrittenen, eine Vielzahl von Auslegungsfragen aufwerfenden Vorschrift des § 58 UrhG untersuchen und unter Berücksichtigung zwingender verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben für die Gestaltung und Auslegung von Schrankenregelungen einer aktuellen Bewertung unterziehen. Zu diesem Zweck wird in Kapitel 1 zunächst der rechtstatsächliche Hintergrund der Privilegierungen in § 58 UrhG betrachtet und ein Überblick über die Akteure des Kunstmarktes, die kunstvermittelnden Institutionen und die Interessen der Beteiligten gegeben. Kapitel 2 stellt sodann die rechtlichen Anforderungen dar, denen die Schran2 Anschaulich zur Kanonisierung und Popularisierung von Werken der bildenden Kunst durch druckgrafische und fotografische Reproduktionen seit dem 19. Jh. Kemmer, in: Blübaum/ Brakensiek, S. 11 ff.
Einleitung
35
kentatbestände des deutschen Urheberrechts genügen müssen, bevor die Voraussetzungen von § 58 Abs. 1 und 2 UrhG im Einzelnen geprüft werden. Im Anschluss werden das französische droit d’auteur (Kapitel 3) und das in den Vereinigten Staaten von Amerika geltende copyright (Kapitel 4) daraufhin untersucht, ob auch diese Rechtsordnungen mit ihren unterschiedlichen Urheberschutzkonzepten die von § 58 UrhG privilegierten Nutzungen erlauben. Kapitel 5 fasst die Ergebnisse zusammen und unterbreitet – sofern angezeigt – Vorschläge für eine Neugestaltung der Schranken.
Kapitel 1 Die urheberrechtliche Privilegierung öffentlicher Ausstellungen und des Kunsthandels – Hintergründe und Interessen
A.
Geistiges Werk und einzigartige Ware: die wertbildende Verwertung von Kunst
Bevor ein Kunstwerk seinen Platz in einem Museum findet und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, durchläuft es in der Regel eine lange »Wertschöpfungskette«1. Sie beginnt üblicherweise mit der ersten Ausstellung in einer Galerie, die den noch unbekannten Künstler vertritt, seine Werke anbietet und auf dem Markt bekannt macht. Von Anfang an wird dem Kunstwerk dabei nicht nur eine ästhetische, sondern zugleich eine kommerzielle Wertigkeit beigemessen,2 die seinen besonderen, ambivalenten Status ausmacht. Kunst beansprucht eine vom monetären Wert des körperlichen Objekts unabhängige, autonome Geltung.3 Sie bezieht ihren Wert aus der im Werkstück ästhetisch verkörperten Aussage. Die künstlerische Leistung und die Qualität einer Arbeit lassen sich nicht objektiv bestimmen. Da ein Kunstwerk zur Verbreitung und Rezeption geschaffen wird und der Künstler von seinem Verkauf leben muss, kommt dem Werk jedoch gleichzeitig der Charakter einer Ware zu.4 Dem an sich »unbezahlbaren« Gut muss somit ein Handelswert zugemessen werden, ein Vorgang, der sich zugespitzt auch als »pricing the priceless«5 bezeichnen lässt. Eine erfolgreiche Positionierung eines Kunstwerkes auf dem Markt setzt voraus, dass sich über einen gewissen Zeitraum ein Konsens über seine Qualität zwischen Galeristen, Ausstellungskuratoren, Sammlern und Kritikern entwickelt.6 Dabei wird registriert, in welcher (möglichst namhaften) Erstgalerie ein Künstler ausgestellt hat, auf welchen Sonder- oder Gruppenausstellungen oder 1 2 3 4 5
Dossi, S. 11. Vgl. Boll, S. 71. Vgl. Pommerehne/Frey, S. 9. Boll, S. 71. So der Titel der Publikation des britischen Kulturwissenschaftlers William D. Grampp: Pricing the Priceless. Art, Artists, and Economics, New York 1989. 6 Boll, S. 72 f. Vgl. auch Thornton, S. 127.
38
Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Kunstmessen im In- und Ausland er vertreten war und ob in renommierten Fachzeitschriften über ihn geschrieben wurde.7 Insbesondere die absolvierten Ausstellungen sind – neben Verkaufserfolgen – Indizien für die zunehmende Anerkennung des Künstlers bzw. die Entwicklung der Nachfrage nach seinen Werken.8 Kunstmarkt und Ausstellungswesen greifen auf diese Weise ineinander und bestimmen langfristig die Wertschätzung eines Künstlers. In der »Kunstwelt« zu reüssieren und den Marktwert seines Œuvres über kurz oder lang zu steigern, gelingt indes nur einem Bruchteil der Künstler.9 Die Nachfrage des Marktes konzentriert sich bekanntermaßen auf einen vergleichsweise kleinen Teil von Künstlern, der tatsächlich vom Verkauf seiner Werke leben kann.10 Auch das Urheberrecht, das dem Künstler die wirtschaftliche Verwertung seines Werkes sichern will, greift nur ein, wenn urheberrechtlich relevante Nutzungen nachgefragt werden. Nach der Konzeption des Urheberrechts profitieren daher in erster Linie bereits etablierte, auf dem Kunstmarkt, im Ausstellungsbetrieb und nicht zuletzt vom Publikum geschätzte Künstler von der Geltendmachung ihrer Verwertungsrechte.11 Von praktischer Relevanz sind dabei angesichts des faktisch bedeutungslosen Ausstellungsrechts, das nur für noch unveröffentlichte Werke gilt (§ 18 UrhG), zum einen die in §§ 16, 17 und 19a UrhG geregelten Rechte der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung. Der Künstler kann etwa Abbildungen seiner Werke und deren Vertrieb in Kunstbüchern, auf Kunstpostkarten oder als Drucke lizenzieren oder deren Nutzung für Wiedergaben im Internet gestatten. Zum anderen gewährt § 26 UrhG bildenden Künstlern und Fotografen eine Erlösbeteiligung an der Weiterveräußerung ihrer Werke durch den Kunsthandel in Form des Folgerechts. Die Folgerechtsabgabe soll den strukturellen Nachteil ausgleichen, der darin liegt, dass bildende Künstler ihre Einnahmen hauptsächlich aus der Veräußerung des Werkoriginals erzielen, aber an dessen weiterer Nutzung, namentlich durch Ausstellungen,12 und an etwaigen Wertsteigerungen nicht mehr partizipieren können. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu anderen Werkschaffenden, wie z. B. Schriftstellern oder Komponisten, die – bei entsprechender Etablierung am Markt – fortgesetzt Einkünfte aus dem Verkauf von Werkexemplaren an den »Endverbraucher« und der öffentlichen Wiedergabe 7 Vgl. Prengel, S. 105. 8 Fesel, KUR 1999, 133, 138. 9 Die deutsche Künstlersozialkasse bezifferte das jährliche Durchschnittseinkommen der Versicherten im Bereich der bildenden Kunst zum 1. 1. 2013 mit 14.192 EUR. Die Statistiken zum Einkommen der Versicherten sind abrufbar über www.kuenstlersozialkasse.de. 10 Vgl. Prengel, S. 105. 11 Vgl. Schack, ZUM 2008, 817, 820 f. 12 Zur rechtspolitischen Diskussion über die Einführung einer Ausstellungsvergütung vgl. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 18 Rn. 10 ff.; Schack, ZUM 2008, 817 ff.; Erdmann, GRUR 2011, 1061.
Geistiges Werk und einzigartige Ware: die wertbildende Verwertung von Kunst
39
ihrer Werke zu generieren vermögen.13 Entsprechende Verwertungen dieser Werke werden vom Urheberrecht vollständig erfasst und abgegolten, während bildende Künstler und Fotografen ihr wesentliches Einkommen aus dem Absatz der Originale auf einem enger begrenzten Markt beziehen und erst langfristig – über nachgefragte Reproduktionen bzw. bei Weiterveräußerungen von Werkstücken – von ihren Verwertungsrechten profitieren können. Der besonderen Verwertungssituation von Kunstwerken, deren Urheber auf die nachhaltige Unterstützung und Wertschätzung ihres Schaffens durch den Kunsthandel und kunstvermittelnde Institutionen angewiesen sind, scheint auch § 58 UrhG Rechnung tragen zu wollen, der Bildnutzungen von Kunstwerken zur Werbung für den öffentlichen Verkauf wie für Ausstellungen freistellt und darüber hinaus Abbildungen in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen von Museen gestattet. Die Regelung knüpft an § 58 UrhG a. F. an, der Wiedergaben in Ausstellungs- und Versteigerungskatalogen privilegierte und vom damaligen Gesetzgeber u. a. damit gerechtfertigt wurde, dass die Kataloge auch die Bekanntheit und den Absatz der Werke förderten, sprich, sich positiv auf die Nachfrage nach Originalen des Künstlers auswirkten. Bevor die Schrankenregelung im Einzelnen untersucht wird, sollen daher zunächst die vom Gesetzgeber unterstellten Effekte der Bildnutzung auf den Primärmarkt für Kunstwerke genauer betrachtet werden. Hierzu werden im Folgenden die Rolle der privilegierten kommerziellen wie inhaltlichen Kunstvermittler dargestellt und die jeweiligen Interessen der Beteiligten erörtert.
I.
Die Struktur des Kunstmarkts
Der Kunsthandel im engeren Sinne besteht aus Galerien, Kunsthandlungen und Auktionshäusern.14 Als besonderes Ausstellungs- und Verkaufsforum, auf dem Galerien ihr Angebot präsentieren, spielen nationale und internationale Kunstmessen eine wichtige Rolle. Auf Kundenseite gehören private Sammler und Museen zu den wichtigen Abnehmern. 1.
Galerien und Kunsthandlungen
Galerien können sowohl auf dem Primärmarkt für Kunst tätig sein, auf dem ein Kunstwerk erstmals dem Publikum angeboten wird, als auch auf dem Sekundärmarkt, der alle weiteren Verkäufe erfasst. Galerien im engeren Sinne bzw. sogenannte Programm-Galerien werden oft als »Gatekeeper« des Kunstmarktes 13 Schack, ZUM 2008, 817. 14 Zur Geschichte des Kunstmarktes s. Boll, S. 18 ff.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
bezeichnet.15 Als Erstaussteller dienen sie der Sichtbarmachung und Vermittlung der von ihnen ausgewählten und vertretenen Künstler und Stilrichtungen, deren öffentliche Wertschätzung sie damit ebenso steuern wie die Preisbildung für die jeweiligen Werke.16 Sie ermöglichen ferner die Begegnung zwischen Publikum und Künstler im Rahmen von Ausstellungen und beraten und betreuen Kunstsammler.17 Dadurch kommt Galeristen »eine Schlüsselstellung im Kunstmarkt zu, wenn nicht gar für die Bestimmung der Entwicklungsrichtungen der Kunst insgesamt«.18 Obgleich sich die Möglichkeiten der Präsentation für junge Künstler in der letzten Zeit durch das Aufkommen von Kunstagenturen (s. unten) und einer sich auch jüngerer, unbekannterer Kunst öffnenden Museumslandschaft19 erweitert haben, gilt die Ausstellung in einer führenden Galerie daher nach wie vor als wesentliche Voraussetzung für eine Karriere auf dem Kunstmarkt20. Zu den Kernaufgaben des Galeristen zählt die Ausstellung der Kunstwerke mit der zugehörigen Werbung durch Anzeigen, Einladungen, Katalogen und Vernissagen.21 Vom erzielten Umsatz erhält der Galerist einen vereinbarten Prozentsatz als Bruttokommission, bei junger und preiswerter Kunst häufig 50 % des Verkaufspreises.22 Die erste »Anschubphase«, in der ein noch unbekannter Künstler nach und nach auf dem Markt etabliert wird, kann bis zu zehn Jahre dauern.23 Für den Galeristen ist das Geschäft somit eine langfristige Mischkalkulation.24 Investitionen in noch unbekannte Künstler, von denen letztlich nur ein kleiner Teil die Anerkennung des Marktes findet, werden durch Gewinne aus dem Verkauf von Werken bereits arrivierter Künstler finanziert.25 Aufgrund der engen Zusammenarbeit zwischen Künstler und (Erst-)Galeristen sind Letztere mit Blick auf urheberrechtlich relevante Nutzungen, unter anderem zu Werbezwecken, in der Praxis weniger auf die Privilegierung des § 58 Abs. 1 UrhG angewiesen. Der Galerievertrag umfasst (ggf. stillschweigend) neben der Befugnis zur Ausstellung noch unveröffentlichter Werke (§ 18 UrhG) und deren Verbreitung (§ 17 Abs. 1 UrhG) auch die Einräumung von Vervielfältigungs- und 15 Fesel, KUR 1999, 133, 134, unter Bezugnahme auf v. Alemann, Heine, Galerien als Gatekeeper. Institutionelle Aspekte der Kunstvermittlung, in: Gerhards, Jürgen (Hrsg.), Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler, Rezipienten, Opladen 1997, S. 211 – 224. 16 Fesel, KUR 1999, 133, 134 m. w. N.; Schack, KuR, Rn. 645. 17 Mues, S. 15; Boll, S. 37 f. 18 Boll, S. 37. Zur Geschichte des Galeriewesens s. Mues, S. 13 ff. 19 Boll, S. 38. 20 S. Mues, S. 15 f. 21 Schack, KuR, Rn. 654; vgl. auch Fesel, KUR 1999, 133, 140. 22 Vgl. das Beispiel für eine Ertragskalkulation bei Fesel, KUR 1999, 133, 137. 23 Fesel, KUR 1999, 133, 138. 24 Boll, S. 38. 25 Vgl. Boll, S. 38; Pommerehne/Frey, S. 18.
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Verbreitungsrechten zur Herstellung von Werbemitteln sowie ggf. die Befugnis zur öffentlichen Zugänglichmachung der Werke auf der Webseite der Galerie.26 Speziell der Katalog zu einer Galerieausstellung versteht sich allerdings häufig weniger als »Verkaufswerkzeug«, sondern vielmehr als erste wissenschaftliche Publikation zum Werk des gezeigten Künstlers.27 Vom Berufsbild des Galeristen unterscheidet sich der Kunsthändler dadurch, dass er keine eigens für Ausstellungen geschaffenen Räumlichkeiten unterhält und keine Erstausstellungen von Künstlern durchführt und wirtschaftlich verantwortet.28 Auch tritt er in der Regel nicht als Kommissionär, sondern als Käufer und Wiederverkäufer in Erscheinung und ist somit der klassische Akteur des Sekundärmarkts. Neben Galerien und Kunsthandlungen haben sich in jüngerer Zeit auch Kunstagenturen am Markt etabliert, die wie Galerien bestimmte Künstler vertreten und vermitteln, aber nur vereinzelt Ausstellungen in wechselnden angemieteten Räumlichkeiten organisieren. Großen Einfluss auf Akquisitionen von Sammlern und Museen nehmen mittlerweile auch Kunstberater, sog. Art Consultants. Sie unterstützen Museen, Sammler oder Wirtschaftsunternehmen bei Einzelankäufen, dem Aufbau von Sammlungen oder bei der Durchführung von Einzelprojekten.29
2.
Kunstmessen
Zu den wichtigen Plattformen des Kunsthandels zählen Kunstmessen, auf denen Galerien die Werke der von ihnen geförderten Künstler einem größeren Publikum präsentieren und anbieten können. Soweit die Messe auch den Sekundärmarkt bedient, sind daneben auch reine Kunst- und Antiquitätenhandlungen vertreten.30 Eine der wichtigsten Vorreiter der modernen Kunstmessen im heutigen Sinne war die 1967 als »Kölner Kunstmesse« gegründete jetzige »Art Cologne«.31 Seitdem sind zahlreiche weitere Kunstmessen im In- und Ausland hinzukommen. Zu den wichtigen internationalen Standorten zählt die Schweiz mit der 1979 ins Leben gerufenen »Art Basel«, die seit 2002 mit der »Art Basel Miami Beach« einen Ableger in den USA unterhält und seit 2013 mit der »Art Basel Hongkong« auch in China, dem aktuell nach den USA zweitgrößten 26 27 28 29 30
Vgl. Schack, KuR, Rn. 650, 654, 655. Boll, S. 228. Fesel, KUR 1999, 133, 140. Boll, S. 41; Mues, S. 15. Einen Überblick über die Entwicklung des Messewesens und bedeutende Standorte geben Kemle, S. 13 ff., und Boll, S. 214 ff. 31 Vgl. Kemle, S. 17.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Kunstmarkt der Welt, vertreten ist.32 1974 wurde die in Paris stattfindende »Foire internationale d’art contemporain« (FIAC) gegründet. Mit der »Paris Photo« erhielt die französische Hauptstadt 1996 zudem ein wichtiges Forum für historische und zeitgenössische Fotografie. Großes Medieninteresse ruft seit ihrer Gründung im Jahr 2004 jährlich die Londoner »Frieze Art Fair« hervor, die sich zunehmend als Konkurrenz für andere Messestandorte etabliert hat und im Frühjahr 2012 zum ersten Mal auch in New York ihre Zelte aufschlug. In New York findet unter anderem auch die »Affordable Art Fair« statt, ein aus London stammendes internationales Messekonzept, bei dem zeitgenössische Kunst zu Preisen bis 5.000 US-Dollar angeboten wird. Diese Messereihe startete im November 2012 mit der viertägigen »Affordable Art Fair Hamburg« erstmalig auch in Deutschland; die 56 teilnehmenden Galerien aus dem In- und Ausland boten Kunstwerke bis zu einem Preis von 5.000 EUR an.33 3.
Auktionen
Eine besonders faszinierende Art der Kunstdistribution auf dem Sekundärmarkt34 stellt die Auktion35 dar. Als erstes professionelles Auktionshaus gilt das 1674 in Stockholm gegründete »Auktionsverket«.36 1744 entstand mit Sotheby’s das zweite der beiden großen internationalen Auktionshäuser, das allerdings bis ins 20. Jahrhundert nur mit Büchern handelte.37 Das 1766 von James Christie gegründete Auktionshaus Christie’s, das sich auf den Verkauf von Gemälden und Möbeln spezialisierte, ist damit als das erste »Kunstauktionshaus« der Welt anzusehen.38 Heute sind Sotheby’s und Christie’s die weltweit bekannten Marktführer im Bereich der Kunstversteigerungen, deren wichtigste Auktionen in New York und London stattfinden. In Deutschland zählen die Villa Grisebach39, das Kunsthaus Lempertz40, Ketterer Kunst41, Van Ham Kunstauktionen42, 32 Vgl. Siemons, Goldene Schnitte aus dem Reich der Mitte, FAZ, Onlineausgabe vom 29. 3. 2013. 33 Die Messe war nach Angaben des Veranstalters mit 13.500 Besuchern und einem Umsatz von 1,4 Mio. EUR die erfolgreichste Erstjahresmesse ihrer Art. 34 Die Einlieferung von Werken durch den Künstler selbst, mit dem der britische Künstler Damien Hirst 2008 den Handel umging, wird die seltene Ausnahme bleiben. Sotheby’s versteigerte 223 atelierfrische, eigens für die Auktion produzierte Werke des Künstlers am 15. und 16. 9. 2008 für umgerechnet 140 Mio. EUR; vgl. Pietsch, Direktverkauf bei Damien Hirst, art 9/2008, S. 117; Schlüter, Business Punk (zur Retrospektive zu Ehren Hirsts in der Londoner Tate Modern im Jahr 2012), art 4/2012, S. 32. 35 Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von Auktionen in Deutschland Schack, KuR, Rn. 108 ff. 36 Kemle, S. 41. 37 Boll, S. 23 f. Zu den Anfängen der Kunstauktionen von Sotheby’s vgl. Lacey, S. 59 ff. 38 Boll, S. 24. 39 www.villa-grisebach.de.
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Hauswedell & Nolte43, die Galerie Bassenge44 und Nagel Auktionen45 zu den bekannten Auktionshäusern. In Frankreich wiederum lag das Auktionswesen historisch bedingt lange Zeit exklusiv in der Hand der sog. commissaires-priseurs, staatlich vereidigten Amtsträgern, die zur Durchführung von Versteigerungen befugt waren.46 In der Region Paris waren sie seit 1852 verpflichtet, ihre Auktionen im verbandseigenen Hútel Drouot abzuhalten.47 Als einziger Versteigerungsort in Paris avancierte das Hútel Drouot zum zentralen Umschlagplatz des französischen und – bis in die 1950er Jahre hinein – auch des internationalen Kunsthandels. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzten sich mit zunehmender Globalisierung des Kunstmarkts London und New York als wichtige Auktionsstätten durch. Der französische Auktionshandel verlor damit an Bedeutung. Seinen Auktionsmarkt öffnete Frankreich erst unter zunehmendem Druck der EU ab dem Jahr 2000 schrittweise für ausländische Unternehmen.48 Heute wird auch der französische Auktionsmarkt von den internationalen Häusern Sotheby’s und Christie’s dominiert.49 40 41 42 43 44 45 46
www.lempertz.com. www.kettererkunst.de. www.van-ham.com. www.hauswedell-nolte.de. www.bassenge.com. www.auction.de. Das Monopol der commissaires-priseurs ging auf ein Edikt Heinrichs II. aus dem Jahr 1556 zurück und bestand mit kurzen Unterbrechungen bis zur Öffnung des Auktionsmarkts im Jahr 2000 fort; ausführlich Vigneron, Rn. 50, 54 f., 57; Maurice, S. 26 ff. 47 Vigneron, Rn. 60 Fn. 45. Heute wird Drouot in Form einer Holding geführt, die vier Auktionsstätten in Paris unterhält. Die Anteilseigner sind überwiegend commissaires-priseurs judiciaires; s. Bericht des Gesetzesausschusses des französischen Senats vom 8. 7. 2009 zum Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Gesetz Nr. 2000-642 vom 10. 7. 2000 (Bericht Nr. 533), verfasst von Senatorin des Esgaulx, S. 24, www.senat.fr/rap/l08-533/l08-5331.pdf (12. 7. 2012). 48 Das Gesetz vom 10. 7. 2000 erlaubte die Durchführung freiwilliger, kommerzieller Auktionen beweglicher Sachen durch private Handelsgesellschaften, den »soci¦t¦s de ventes volontaires de meubles aux enchÀres publiques« (SVV). Sie bedurften der Zulassung durch den Versteigerungsrat (Conseil des Ventes), der bereits früher die staatlichen Lizenzen an die commissaires-priseurs vergeben hatte. Angesichts der strengen Zulassungvoraussetzungen bewirkte das Gesetz allerdings keine dem Gemeinschaftsrecht genügende Liberalisierung des Auktionsmarktes; vgl. Vigneron, Rn. 66 ff., 73 – 77. Die Vorgaben der Dienstleistungs-RL (RL 2006/123/EG) zwangen Frankreich zu einer weitergehenden Reform, die mit dem Gesetz vom 20. 7. 2011 erfolgte. Freiwillige Versteigerungen können heute von sog. »op¦rateurs de ventes volontaires de meubles aux enchÀres publiques« (OVV) durchgeführt werden, deren Rechtsform beliebig ist. Zwar müssen diese weiterhin u. a. ihre Qualifikation zum Abhalten von Auktionen nachweisen und ihre Tätigkeit beim Versteigerungsrat anmelden; Letzterem kommen jedoch in erster Linie Aufsichtsfunktionen zu; vgl. Art. 321-18 ff. CCom. 49 Vgl. den vom Conseil des Ventes herausgegebenen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2011, in dem die 20 erfolgreichsten Versteigerungsunternehmen für das Jahr 2011 aufgeführt werden. Danach erzielten Christie’s France und Sotheby’s France im Geschäftsbereich »Art et Objets de collection« mit 165 Mio. bzw. 157 Mio. EUR die höchsten Zuschlagspreise. Es folgen die
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Die auf Auktionen erzielten Preise wirken als Signale auf Kunstmarkteilnehmer und -interessierte50 und können einen starken Aufwärtstrend für den Marktwert der jeweiligen Künstler auslösen. Fällt ein Werk hingegen bei einer Auktion durch, gilt es als »verbrannt«, was einer Unverkäuflichkeit gleichkommt,51 und schafft zugleich negative Publicity für den Künstler. Eines der wichtigsten Instrumente für den Absatz auf Auktionen ist der Katalog,52 in dem die Auktionsware beschrieben und abgebildet wird.53 Für das Auktionshaus stellt der Katalog zugleich ein Mittel dar, um sich als erfolgreicher Verkäufer zu präsentieren und neue Kundenkontakte zu gewinnen.54 Zu den Katalogangaben zählen bei Werken der Malerei Urheber und Werktitel, die angewandte Technik, die Werkmaße, das Entstehungsjahr und wichtige Details wie etwa die Signatur des Künstlers, Besonderheiten auf der Rückseite des Werkstücks (z. B. Künstlerzeichen oder Vignetten von Galerien) oder Hinweise auf Beschädigungen. Bei Skulpturen, Druckgrafik und Fotografien kommen Informationen zur Auflagenhöhe oder der Art des fotografischen Abzugs hinzu, die ebenfalls Einfluss auf den Marktwert des Werkstücks haben. Ferner enthält der Katalog üblicherweise Angaben zur Provenienz des Werkes einschließlich der Teilnahme an bekannten Ausstellungen. Im Einzelfall werden nähere Informationen zur Entstehungsgeschichte mitgeteilt und auch die etwaige Aufnahme des Werkes in ein Werkverzeichnis des Künstlers oder andere kunsthistorische Darstellungen erwähnt. Kunstvermittelnde Ausführungen fehlen dagegen in aller Regel. Zu den heute als selbstverständlich erachteten Informationen gehört schließlich die – erst 1971 von Sotheby’s eingeführte – Angabe des Schätzpreises für das jeweilige Werk.55 Die Kataloge werden (gegen eine Gebühr) auf Bestellung bzw. an Abonnenten abgegeben. Ferner werden sie an Einlieferer versendet und auch unaufgefordert und kostenlos an Sammler verschickt, die bekanntermaßen auf dem Gebiet der Auktion sammeln.56 Neben dem Printkatalog hat sich im letzten Jahrzehnt der Online-Katalog als
50 51 52
53 54 55 56
französischen Auktionshäuser Artcurial mit einem Umsatz von 98 Mio. EUR und Tajan mit 33 Mio. EUR; s. Les Ventes Publiques en France, Rapport d’Activit¦ 2011, S. 116, abrufbar auf der Internetseite des Versteigerungsrates www.conseildesventes.fr (21. 8. 2012). Kemle, S. 42. Boll, S. 255. Der Begriff ist dem lateinischen »catalogus« entlehnt und meint »Verzeichnis« oder »Aufzählung«; Cramer, S. 43. Der Verkaufskatalog ist keine Erfindung unserer Zeit. Bereits Kardinal Richelieu soll italienische Kunstgegenstände für seine Sammlung anhand eines Albums von Zeichnungen ausgewählt haben, das ihm aus Italien übersandt wurde; Dossi, S. 20; Hoog/Hoog, S. 16, unter Bezugnahme auf Montembault, Marie/Schloder, John E., L’Album Canini du Louvre et la collection d’Antiques de Richelieu, Paris 1988. Boll, S. 234. Boll, S. 200, 234. Boll, S. 237. Boll, S. 239.
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wichtiges Werbemedium etabliert. Nahezu jedes Auktionshaus präsentiert sein Angebot heute auch auf seiner eigenen Homepage, wobei verschiedene Darstellungsformen von Online-Katalogen gängig sind. Teilweise wird ein mit dem Layout des Printkatalogs identischer PDF-Katalog zugänglich gemacht, in dem man – mit Vergrößerungsoptionen – virtuell blättern kann. Häufig kann auch eine vom Printkatalog losgelöste Darstellung gewählt werden, bei der sich die Werkabbildungen mit näheren Angaben zu den einzelnen Losen separat aus einer Übersicht abrufen, vergrößern und (mit Informationen zum Werk) im PDF-Format speichern bzw. ausdrucken lassen.57 Das Internet kommt indessen nicht nur als Informationsquelle oder als Kommunikationsmedium, um bei Saalauktionen online mitzubieten, sondern auch als eigenständige Distributionsplattform in Betracht. Internetauktionen von Kunst, die sich Ende der 1990er Jahre etablierten,58 vollziehen sich in der Regel nach dem Vorbild der eBay-Auktionen als »Rolling Sale«, d. h. als Einzelauktionen von Werken mit jeweils unterschiedlicher Laufzeit.59 Aufgrund der mit dem Internethandel verbundenen Sicherheitsrisiken, insbesondere der fehlenden Vorbesichtigungsmöglichkeit und der potentiellen Täuschungsmöglichkeiten, die die Anonymität des Internets mit sich bringt, kommt dieser Vertriebsweg jedoch eher für günstige als für hochpreisige Kunstwerke in Betracht.60 Diesem Problem will das 2012 gegründete Online-Aktionshaus Auctionata AG61 begegnen, indem es eingelieferte Kunstwerke durch internationale Experten auf ihre Echtheit überprüfen und schätzen lässt und den Kunden sogar Echtheitsgarantien ausstellt. Im Gegensatz zum »Rolling Sale« versteigert das Auktionshaus in Echtzeit und überträgt die Veranstaltung per Live-Stream im Internet. Ein bislang einmaliges, aber möglicherweise zukunftsweisendes Geschäftsmodell.
4.
Museen und Sammler
Museen beeinflussen den Kunstmarkt in mehrfacher Hinsicht. Aufgrund ihres öffentlichen Auftrags, Kunst zu sammeln, zu bewahren und auszustellen, und ihrer fachlichen Kompetenz kommt ihnen faktisch die Deutungshoheit darüber zu, welche Kunstwerke bzw. Künstler als bedeutend gelten.62 Mit der doku57 S. etwa die sog. e-catalogues auf den Homepages der großen internationalen Auktionshäuser, www.sothebys.com/en/catalogues/buybrowse.html; www.christies.com/calendar/; www.phil lipsdepury.com/auctions.aspx (19. 10. 2013). 58 Vgl. Boll, S. 248 ff. 59 Boll, S. 250. 60 Vgl. Boll, S. 252 ff.; Blomberg, S. 21 ff.; Schack, KuR, Rn. 121. 61 www.auctionata.de. 62 Vgl. Boll, S. 53.
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mentierten Ausstellung eines Kunstwerkes – etwa einer privaten Leihgabe – in einem staatlichen Museum ist daher eine sichere Wertsteigerung verbunden.63 Durch eine kuratierte Ausstellung in einem Museum wird das physische Objekt zum einen in den Werkzusammenhang gestellt – das Œuvre –, zum anderen als Kulturerbe kanonisiert. Als Folge wächst das Ansehen des Werkstücks unter dem Einfluss der für neutral gehaltenen öffentlichen Hand.64 Ein vergleichbarer Effekt tritt ein, wenn ein Museum ein Kunstwerk für seine Sammlung erwirbt. Mit der Aufnahme in die eigene Sammlung entziehen Museen dem Markt das Werk zugleich langfristig und ermöglichen dessen Rezeption durch eine breite Öffentlichkeit. Die mit der »musealen Adelung« eines Werkes verbundene Wirkung hatte für staatliche Museen allerdings in der jüngeren Vergangenheit die paradoxe Folge, dass sie die stark gestiegenen Preise, insbesondere für Gegenwartskunst, in Zeiten knapper Kassen häufig nicht mehr aufbringen können und verstärkt auf private (Dauer-)Leihgaben zurückgreifen mussten, um entstandene Lücken im Bestand65 zu füllen.66 Die museale Provenienz von Kunst in Gestalt ehemaliger Leihgaben, die in erhöhtem Maße »marktfrisch« auf den Kunstmarkt zurückkehren,67 ist daher keine Seltenheit mehr.68 Museen können andererseits auch selbst als Verkäufer von Kunst auftreten, indem sie einzelne Sammlungsgegenstände wieder veräußern. Ein solches »deaccessioning« kommt in Deutschland jedoch weitaus seltener vor als in den USA, wo Museen traditionell stärker auf Eigenfinanzierung angewiesen sind (vgl. unten II.1). Einen vergleichbar positiven Effekt auf das Œuvre eines Künstlers kann die Aufnahme von Werken in eine renommierte Privatsammlung haben, die von einzelnen Sammlern oder auch von Unternehmen zusammengetragen wurde. Dies gilt umso mehr, wenn der Sammler über ein eigenes Museum bzw. Ausstellungsräume verfügt.69 Anders als Museen treten Sammler tendenziell auch 63 Boll, S. 128. 64 Boll, S. 128. 65 Ohnehin eilt moderne Kunst, die auf dem Markt erfolgreich ist, jener, die in Museen gesammelt und ausgestellt wird, häufig voraus; Pommerehne/Frey, S. 19 (auf Arbeiten von Pionieren der Pop Art Bezug nehmend). 66 Vgl. Kirchmaier, Museum heute, Heft 31, S. 37, 38; Blomberg, S. 164 f.; Boll, S. 129; BörschSupan, S. 43. 67 Boll, S. 128. 68 Kritisch zur Funktion des »Durchlauferhitzers des Marktes«, der Museen damit zukommen kann, wenn Leihgaben aus der Sammlung abgezogen und gewinnbringend verkauft werden, Blomberg, S. 165. 69 Ein Beispiel hierfür ist das Museum der Sammlerin Ingvild Goetz in München, deren »Sammlung Goetz« mit über 4700 Werken zu den größten Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst in Deutschland zählt; www.sammlung-goetz.de. Im September 2013 gab die Sammlerin bekannt, dass sie ihr Museum und einen Teil der Werke dem Freistaat Bayern schenken wird. Die verbleibenden Sammlungsteile werden dem Land als Dauerleihgaben überlassen.
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häufiger als Verkäufer auf. Dies gilt zumindest für diejenigen Sammler, die die Zusammensetzung ihrer Sammlung auch unter dem Gesichtspunkt der Wertbeständigkeit bewusst gestalten, indem sie etwa Werke von weniger gefragten Künstlern wieder verkaufen, um den Wert der Sammlung zu erhalten, oder langfristig überbewertete Arbeiten veräußern, um in jüngere, noch unterbewertete Kunst zu investieren.70
II.
Kunstvermittelnde Institutionen
Neben seiner Wertschätzung auf dem Kunstmarkt spielt die inhaltliche Kunstvermittlung durch Museen, Ausstellungshäuser und Sammler eine zentrale Rolle für die Anerkennung eines Künstlers und die Entwicklung der Nachfrage nach seinen Werken. Im Folgenden werden die wesentlichen kunstvermittelnden Institutionen dargestellt, wobei vertieft auf die Bedeutung sowie auf die gegenwärtige Situation der Museen eingegangen wird, die von § 58 UrhG als Veranstalter von Ausstellungen sowohl durch die Freistellung von Werbemaßnahmen (Abs. 1) als auch hinsichtlich der Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandskatalogen (Abs. 2) privilegiert werden. 1.
Museen
Die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung des Museums71 kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Kunstmuseen sammeln, bewahren, erforschen und vermitteln im öffentlichen Interesse Kunstgegenstände und machen sie damit einem breiten Publikum zugänglich und – so ihr Bestreben – verständlich.72 Sie dienen damit nicht nur der Bewahrung und Erforschung von Kulturgut, sondern ermöglichen als besonderer Ort, an dem Kunstwerke zeitweise oder dauerhaft ausgestellt werden, eine unmittelbare Erfahrung der Werkoriginale, die Auseinandersetzung mit ihrer Aussage und ihren »sinnlich-intellektuellen Genuss«73. Die modernen Museen gehen auf die repräsentativen Kunstsammlungen der Fürsten des 18. Jahrhunderts zurück, die unter dem Einfluss des Gedankenguts der Aufklärung ihre Schätze zur Bildung des Volkes öffentlich mach70 S. Thornton, S. 56. 71 Der Name Museum ist dem in Alexandria Anfang des 3. Jh. v. C. von Ptolomäus I. gegründeten Museion entlehnt. Dieser den Musen geweihte Ort diente Gelehrten als Forschungsstätte und Schule; Schack, KuR, Rn. 83. 72 Vgl. die Definition des Museums in den Statuten des International Council of Museums (ICOM), unten S. 211. 73 Blomberg, S. 23.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
ten.74 Der erste der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Museumsbau in Deutschland war das 1769 – 1776 errichtete Museum Fridericianum des Landgrafen Friedrich II. in Kassel.75 Im 19. Jahrhundert setzte nach der Säkularisierung die Gründung bürgerlicher Sammlungen ein.76 Parallel dazu wurden Kunstvereine ins Leben gerufen, in denen das Bürgertum selbstbewusst als Kunstförderer neben und später an die Stelle des Adels trat. Aus den Vereinen gingen teilweise eigene Museen hervor.77 Heute verzeichnet das Berliner Institut für Museumsforschung 660 Kunstmuseen in Deutschland, darunter 409 in öffentlicher Trägerschaft. Die Gesamtzahl an Museumsbesuchen lag im Jahr 2010 bei weit über 19 Millionen.78 Insbesondere für die Arbeit der staatlichen Museen haben sich die Rahmenbedingungen allerdings in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt. Nachdem die Einrichtungen in den 1970er Jahren zunehmend als zu elitär und auf die wissenschaftliche Forschung ausgerichtet kritisiert wurden, setzte eine vermehrte Besucherorientierung ein; die stärkere Öffnung gegenüber dem Publikum leitete in den 1980er Jahren einen »Museumsboom« mit ständig wachsenden Besucherzahlen ein,79 der auch zu zahlreichen Museumsneubauten führte.80 Seit Anfang der 1990er Jahre müssen die Museen jedoch infolge des Sparzwangs der öffentlichen Haushalte und der Kürzungen ihrer Etats mit erheblich geringeren öffentlichen Zuwendungen arbeiten und vermehrt Drittmittel aus der Privatwirtschaft81 für Ausstellungen und Ankäufe einwerben.82 Auch die Aufnahme von Leihgaben privater Sammler, insbesondere zur Füllung von Lücken in den Beständen mit zeitgenössischer Kunst, gewann daher zunehmend an Bedeutung.83 Zugleich stieg der Druck auf die Museen, mit möglichst populären Sonderausstellungen84 hohe Besucherzahlen vorzuweisen85 und
74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85
Vgl. Börsch-Supan, S. 20; Beyer, S. 28. Schack, KuR, Rn. 85. Schack, KuR, Rn. 85; Beyer, S. 28. Schack, KuR, Rn. 95. S. IfM, Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2010, Heft 65, Tabelle 6, S. 20; Tabelle 14, S. 33. Vgl. Beyer, S. 29 f., 62 ff. Vgl. Börsch-Supan, S. 9 f. Speziell zu Bedeutung und Erscheinungsformen des Kunstsponsorings vgl. Schack, KuR, Rn. 97; Wienick, Kultursponsoring, IfM, Heft 29. Blomberg, S. 98, 164 f.; ifo/IfM, Eintrittspreise von Museen, IfM, Heft 46, S. 37. Vgl. Blomberg, S. 165; Kirchmaier, Museum heute, Heft 31, S. 37, 38. Vgl. Bröckers, Museumsbesuch als Event, IfM, Heft 37, S. 71 ff. 380 der 660 deutschen Kunstmuseen veranstalteten im Jahr 2010 insgesamt 1.786 Sonderausstellungen, die 16.810.795 Besucher verzeichneten und damit den Großteil aller Museumsbesuche ausmachten, IfM, Statistische Gesamterhebung 2010, Heft 65, Tabelle 45, S. 62; vgl. Tabelle 6, S. 20.
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zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen,86 etwa durch Verkäufe in Museumsshops87 oder durch die kommerzielle Nutzung von Werken aus dem Bestand, deren Reproduktionen über professionelle Bildagenturen88 angeboten werden. Der erfolgreichen Öffnung der Museen gegenüber dem Publikum folgte somit eine eher zwangsweise Öffnung gegenüber marketingorientiertem Handeln89 sowie der kommerziellen Nutzung der Einrichtungen und Bestände.90 Damit vollzog sich in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten eine Entwicklung zu größerer wirtschaftlicher Eigenverantwortung der staatlichen Einrichtungen, welche für Museen in den USA seit Langem selbstverständlich ist. Da sich der überwiegende Teil der US-amerikanischen Museen in privater Hand befindet und nur in geringem Umfang staatliche Förderung erhält, gehört das Bemühen um externe Finanzierungsquellen in Gestalt privater Sponsoren und Spender dort zum Alltag.91 Auch die kommerzielle Verwertung der Bestände durch Reproduktionen, Merchandising-Artikel92 und digitale Bildauswertungen93 setzte in den USA früher ein als in europäischen Häusern.94 Zugleich bestehen bezüglich des Verkaufs von entbehrlichen Stücken aus der Sammlung, etwa um Ankäufe zu finanzieren oder schlicht um laufende Kosten zu decken, geringere Hemmschwellen.95
86 Mit Eintrittsgeldern kann in der Regel nur ein geringer Teil des Museumshaushalts bestritten werden; Schack, KuR, Rn. 86; vgl. auch van der Beek, S. 53 f.; ifo/IfM, Eintrittspreise von Museen, IfM, Heft 46, S. 49. Vgl. auch unten S. 395 Fn. 489 zu Einnahmen aus Kartenverkäufen in den USA. 87 Vgl. Hütter/Schulenburg, Museumsshops, IfM, Heft 28. 88 Immer mehr Museen schließen Verträge mit kommerziellen Bildarchiven, wie der in Weilheim ansässigen »Artothek« (www.artothek.de) oder der von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegründeten Bildagentur bpk (http://bpkgate.picturemaxx.com/webgate_cms/); Garbers-von Boehm, S. 43 ff. International gelten die Bildagenturen »Corbis« und »Getty Images« als größte kommerzielle Anbieter von Bildmaterial. Speziell auf die Reproduktion von Kunstwerken hat sich die 1972 in Großbritannien gegründete »Bridgeman Art Library« konzentriert, die ihr Angebot seit 1999 in einer Kooperation mit der Agentur »Getty Images« auf deren Internetportal vermarktet. Zur Tätigkeit der »Bridgeman Art Library« s. Lehment, S. 205 f. 89 Vgl. Bristot, Marketing für Museen, IfM, Heft 40, S. 34. Ausführlich zur Umbruchsituation für die Museen Anfang der 1990er Jahre und zur Notwendigkeit verstärkter Marketingbemühungen Schuck-Wersig/Wersig, Museen und Marketing in Europa, IfM, Heft 37, S. 124 ff. 90 Vgl. Kirchmaier, KUR 2004, 177; Blomberg, S. 164 ff.; Börsch-Supan, S. 8. 91 Vgl. Schack, KuR, Rn. 86; Pommerehne/Frey, S. 73, 76. 92 Bereits 1955 wurde in den USA die in Denver ansässige Museum Store Association (MSA) gegründet; Hütter/Schulenburg, Museumsshops, IfM, Heft 28, S. 9; www.museumstoreassociation.org. 93 Garbers-von Boehm, S. 43. 94 Vgl. Hodes/Gross, Conn. L. Rev. 10 (1978), 620; Tuchmann, Col.-VLA J. L. & Arts 24 (2000 – 2001), 287 f. 95 Vgl. Pommerehne/Frey, S. 78; Schack, KuR, Rn. 94; ders., in: Schack/Schmidt, S. 23 ff.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Die technische Entwicklung und die im heutigen »Informationszeitalter« gängigen Kommunikationsmittel stellten Museen im In- und Ausland in der jüngeren Vergangenheit vor weitere Herausforderungen. Die Einrichtungen sahen sich mit der Frage konfrontiert, ob und inwieweit eine Öffnung gegenüber den neuen Medien, insbesondere dem Internet, notwendig ist oder – etwa im Fall der öffentlichen Zugänglichmachung von Sammlungsgegenständen – auch zum Verlust potentieller Besucher führen würde.96 Mittlerweile scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass sich Museen der neuen Kommunikationsmittel in gewissem Umfang bedienen müssen, um für Besucher attraktiv und präsent zu bleiben. Neue Medien werden für die inhaltliche Vermittlungsarbeit wie zu Marketingzwecken genutzt.97 Neben den heute selbstverständlichen Internetauftritten der Museen, die Informationen zur jeweiligen Einrichtung und zu aktuellen Veranstaltungen bereitstellen,98 werden z. B. Ausstellungs- oder Bestandskataloge mit digitalen Werkabbildungen auf CD-ROM herausgegeben. Eine neuere Entwicklung, die ihr Vorbild ebenfalls in den USA findet, besteht im Angebot sogenannter Museums-Apps, d. h. über (kommerziell betriebene) Internetplattformen herunterladbarer Anwendungsprogramme für Smartphones oder Tablet-Computer, die dem Nutzer gezielte Informationen zu einem Museum vermitteln. Je nach Art und Umfang können die Möglichkeiten der einzelnen Anwendung von einem knappen Überblick über aktuelle Veranstaltungen, die Wiedergabe von Ausstellungs- oder Sammlungs-»Highlights« bis hin zu detaillierten Ausstellungsführern mit Audiofunktionen reichen.99 MuseumsApps stellen damit ein Kommunikationsinstrument dar, das unter Marketingaspekten der Besucherbindung dienen, aber auch zur Kunstvermittlung im engeren Sinne eingesetzt werden kann.100 Es ist anzunehmen, dass derartige Angebote im Museumsbereich künftig noch zunehmen werden.
2.
Ausstellungshäuser
Der öffentlichen Ausstellung und Vermittlung von Kunstwerken haben sich auch reine Ausstellungshäuser verpflichtet, die im Unterschied zu Museen über keine eigene Sammlung verfügen und damit ausschließlich Wechselausstellungen zu 96 Vgl. die Beiträge der Teilnehmer des 1997 durchgeführten internationalen Workshops »Museumsbesuch im Multimedia-Zeitalter«, in: Schuck-Wersig/Wersig, Deutsche Museen im Internet, IfM, Heft 13, S. 6 ff. 97 Vgl. Bristot, Marketing für Museen, IfM, Heft 40, S. 56. 98 Zu den unterschiedlichen Angeboten auf den Webseiten deutscher Museen vgl. Braun, Klick zur Kunst, art 3/2011, S. 36 ff. 99 Ausführlich zur Gestaltung der Apps von deutschen und ausländischen Kunst- und sonstigen Museen Gütt, S. 17 ff. 100 Vgl. Gütt, S. 36 ff.
Geistiges Werk und einzigartige Ware: die wertbildende Verwertung von Kunst
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verschiedenen Themen aus fremden Beständen bzw. fremdem Besitz kuratieren.101 Damit stellen diese Einrichtungen neben Museen eine weitere wichtige Größe im Bereich der Kunstvermittlung dar.102 Da sie keine Sammlung zusammenzutragen und zu bewahren haben, sind Ausstellungshäuser flexibler in der Ausgestaltung der Ausstellungen und unter Umständen weniger kostenintensiv.103 Im Jahr 2010 gab es in Deutschland 484 Ausstellungshäuser, von denen 299 auf die Präsentation von Kunst spezialisiert waren. Letztere veranstalteten insgesamt 1.608 Ausstellungen.104 Etwa die Hälfte aller Ausstellungshäuser (einschließlich solcher, die ausschließlich Kunst zeigen) werden in staatlicher Trägerschaft geführt; ein Großteil der übrigen Einrichtungen wird von Vereinen unterhalten (dazu sogleich unter 3).105 Ausstellungshäuser werden auch als »Kunsthallen« bezeichnet; allerdings tragen auch einige Museen diese Bezeichnung, wie etwa die Hamburger Kunsthalle106 oder die Kunsthalle Bremen107, deren Gründung jeweils auf die Initiative der 1822 bzw. 1823 gegründeten bürgerlichen Kunstvereine zurückgeht. Im Fall der »Temporären Kunsthalle Berlin«, einem am Berliner Schlossplatz für die Dauer von zwei Jahren errichteten Ausstellungspavillon, war wiederum nicht nur die Präsentation der dort gezeigten internationalen Gegenwartskunst, sondern auch die Einrichtung selbst nur von vorübergehender Dauer.108 3.
Kunstvereine
Kunstvereine sind eine bürgerliche Institution, die in Deutschland nach 1815 aufblühte109 und, wie das deutsche Vereinswesen allgemein, auf das vor dem Hintergrund der Aufklärung und der französischen Revolution erstarkte Selbstbewusstsein des Bürgertums zurückzuführen ist.110 Durch die Veranstaltung von Ausstellungen, in denen insbesondere ortsansässige Künstler gezeigt werden, wollen Kunstvereine das Interesse an Kunst wecken und die örtlichen
101 Vgl. die Kriterien des IfM für ein Ausstellungshaus, IfM, Statistische Gesamterhebung 2010, Heft 65, S. 84; Beyer, S. 30. 102 Beyer, S. 30. 103 IfM, Statistische Gesamterhebung 2010, Heft 65, S. 63. 104 Ebd. S. 63; Tabelle 55, S. 75; Tabelle 56, S. 76. 105 Ebd. Tabelle 55, S. 75. 106 www.hamburger-kunsthalle.de. 107 www.kunsthalle-bremen.de. 108 Vgl. Maak, Das Kunstwerk als Supermuseum, FAZ, Onlineausgabe vom 22. 7. 2010. 109 Schack, KuR, Rn. 95. 110 Beyer, S. 31 m. w. N.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Künstler fördern.111 Auf diese Weise leisten sie ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Bekanntmachung und Anerkennung der ausgestellten Künstler. 4.
Gruppenausstellungen
Keine Institutionen im engeren Sinne, aber gleichwohl für die Kunstwelt von großer Bedeutung sind Ausstellungsreihen, wie die erstmals 1955 veranstaltete Documenta in Kassel, die im Abstand von fünf Jahren für jeweils 100 Tage zeitgenössische Kunst zeigt und neben Fachleuten auch ein breites kunstinteressiertes Publikum anzieht. Sie gilt als die anspruchsvollste Ausstellung internationaler Kunst, die einen Überblick über die herrschenden Strömungen gibt. Bereits seit 1895 findet zweijährlich die Kunstbiennale in Venedig statt. Ursprünglich als Weltausstellung der Kunst konzipiert, präsentieren derzeit 29 Länder zeitgenössische künstlerische Arbeiten in ihren Pavillons. Daneben wird unabhängig von den Länderausstellungen jeweils eine Themenausstellung kuratiert. Die Zahl solcher häufig als Biennalen oder Triennalen konzipierten Gruppenausstellungen hat in den letzten Jahrzehnten international zugenommen. Gleichwohl dürften die Documenta und die Biennale di Venezia weiterhin die angesehensten Veranstaltungen ihrer Art und entsprechend bedeutende Ausstellungsstationen für die teilnehmenden Künstler darstellen. 5.
Privatsammlungen
Schließlich wird der Ausstellungsbetrieb durch eine wachsende Zahl von Privatsammlungen ergänzt, die Werke aus dem Bestand – der sich häufig auf bestimmte zeitgenössische Kunstrichtungen konzentriert – in eigenen Museen oder durch Kooperationen mit staatlichen Museumsträgern der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ein Beispiel hierfür ist der Hamburger Sammler Harald Falckenberg, dessen Sammlung112 deutscher und amerikanischer Gegenwartskunst der letzten 30 Jahre sich seit 2001 in den zu großzügigen Ausstellungsräumen umgebauten Phoenix-Hallen in Hamburg-Harburg befindet. Seit 2008 wird das Programm in den Phoenix-Hallen von den Deichtorhallen Hamburg kuratiert, die die Sammlung Falckenberg als Dauerleihgabe bis 2023 präsentieren. Ein Beispiel für Kunstvermittlung durch Unternehmen ist die Kooperation der Deutschen Bank mit der Solomon R. Guggenheim Foundation, die 1997 als »Deutsche Guggenheim« in Berlin eine Kunsthalle eröffnete, in der bis zum
111 Schack, KuR, Rn. 95. 112 www.sammlung-falckenberg.de.
Interessen der beteiligten Kreise
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Jahr 2012 zahlreiche Sonderausstellungen mit moderner und zeitgenössischer Kunst gezeigt wurden.113
B.
Interessen der beteiligten Kreise an einer Privilegierung von Werbemaßnahmen und Museumskatalogen
Im Folgenden sollen die Interessen der beteiligten Kreise, denen der Gesetzgeber von 1965 und 2003 mit den Privilegierungen in § 58 UrhG Rechnung tragen wollte, im Einzelnen untersucht werden.
I.
Die Interessen der Urheber
1. Urheber von Kunstwerken haben, wie (unter A) dargelegt, ein vitales Interesse daran, dass ihre Werke von einer möglichst namhaften Galerie ausgestellt und verkauft werden und schließlich auch Eingang in eine renommierte Privatsammlung oder die Sammlung eines Museums finden, welches sie im Rahmen seiner Dauerausstellung präsentiert oder an Sonderausstellungen teilnehmen lässt. Erfolgreiche Galerie-, Museums- oder Gruppenausstellungen sowie der Ankauf eines Werkes durch ein Museum oder einen Sammler sind wichtige Etappen im Lebenslauf des Künstlers, die seine Bekanntheit und sein Ansehen steigern und den Marktwert seiner Werke deutlich beeinflussen. Hierzu beitragen kann auch der mit einer Wertsteigerung verbundene, öffentlichkeitswirksame Weiterverkauf einer Arbeit im Rahmen einer Auktion. Den Werbeeffekt für Künstler und Werk zog auch die Gesetzesbegründung zu § 58 UrhG a. F. heran, indem sie betonte, dass Ausstellungs- und Auktionskataloge nicht nur für den privilegierten Veranstalter und das Publikum, sondern auch für den Urheber von Nutzen seien, da sie die Bekanntheit und den Absatz seiner Werke förderten.114 Entsprechende Erwägungen liegen der mit § 58 Abs. 1 UrhG umgesetzten Freistellung von Nutzungen zur Ausstellungs- und Verkaufswerbung in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL zugrunde.115 Das Argument der »kostenlosen Werbung«116 wird allerdings vornehmlich im Bereich der Kunst zur Rechtfertigung zustimmungsund vergütungsfreier Nutzungen herangezogen.117 Mit § 58 UrhG vergleichbare 113 Nach der Beendigung der Kooperation wurde in den Räumlichkeiten der ehemals »Deutschen Guggenheim« im April 2013 die »Deutsche Bank KunstHalle« eröffnet. 114 S. unten S. 102. 115 Näher dazu unten S. 78 ff. 116 Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 435. 117 Vgl. Colombet, Grands principes, S. 65; Geiger, IIC 2004, 717, 721 f.; W. Nordemann/ Dustmann, in: Ebling/Schulze, 2. Teil, Rn. 219; s. auch BGH GRUR 1983, 25, 27 – Presse-
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Freistellungen finden sich im UrhG bzw. in Art. 5 HRL für keine andere Gruppe von Verwertern. Bildende Künstler und Fotografen haben daher ungleich stärkere Einschnitte in ihre Verwertungsrechte hinzunehmen als andere Urheber, weil sie (neben der Ausstellung) maßgeblich auf die bildliche Verbreitung ihrer Werke angewiesen sind, um die Nachfrage nach den Originalen zu wecken. Ob das Eigeninteresse der Künstler an den freigestellten Bildnutzungen tatsächlich so ausgeprägt ist, wie von der »jeden Interessengegensatz verwischenden«118 Gesetzesbegründung 1965 unterstellt, bedarf jedoch einer kritischen Hinterfragung. Hierbei ist genauer zwischen den eingangs erwähnten Auswirkungen der Ausstellung und des Verkaufs einerseits und den Effekten der in diesem Zusammenhang erlaubten Bildnutzungen andererseits zu unterscheiden. 2. Im Kontext von Museumsausstellungen ist zwischen mehreren Effekten für den Urheber zu differenzieren: Die allgemeine Bekanntheit eines Werkes und ein daraus ggf. resultierender Absatz (von Reproduktionen) dürfte in erster Linie durch die Präsentation des Originals gefördert werden, die beim Betrachter Interesse an Werk und Künstler weckt, und nicht durch den – meist erst im Anschluss an den Museumsbesuch vom Publikum erworbenen119 – Katalog.120 Dem einzelnen Katalogbild kommt daher – bezogen auf die öffentliche Bekanntmachung des Künstlers und die Nachfrage nach Reproduktionen – kein wesentlich größerer Werbeeffekt zu als anderen im wissenschaftlichen oder kommerziellen Interesse erfolgenden Wiedergaben seiner Werke in Publikationen, die oftmals im Museumsshop neben dem Katalog ausliegen und angeboten werden. Gleiches gilt für Abbildungen in reinen Bestandskatalogen, die auch eingelagerte Werke umfassen können. Die besondere Bedeutung der Katalogbilder liegt für den Künstler vielmehr in der dokumentierenden Funktion der Museums- bzw. Ausstellungsverzeichnisse, die neben der fachlichen Erläuterung des Werkes zugleich den musealen, d. h. künstlerischen »Rang« von Urheber und Werk manifestieren und damit wesentlichen Einfluss auf das Ansehen des Urhebers, die fachliche Auseinandersetzung mit seinem Werk und auf den Marktwert für die Originale ausüben.121 Dieser mittelbare Effekt unterscheidet Wiedergaben in Ausstellungs- bzw. Bestandskatalogen von sonstigen Reproduktionen. Er dürfte insbesondere zu Beginn einer Künstlerkarriere eine
118 119 120 121
berichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I, zur Förderung der Interessen des Urhebers durch die Vervielfältigung und Verbreitung seines Werkes in einer Tageszeitung. Kritisch zur Hervorhebung der Vorteile für die Urheber hingegen Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 435, der darauf hinweist, dass auch die popularitätsfördernde Wiedergabe von Werken der Musik im Radio nicht etwa unentgeltlich erfolgen darf; vgl. auch Dix, S. 143; Katzenberger, UFITA 68 (1973), 71, 93 f. Berger, ZUM 2002, 21, 22. Vgl. unten S. 159 f. S. Poeppel, S. 392. Vgl. oben S. 45 f.
Interessen der beteiligten Kreise
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wichtige Rolle spielen, wenn der Urheber erst allmählich Anerkennung erfährt und noch keine Nachfrage nach anderweitigen Bildnutzungen besteht. Von der Wertsteigerung des konkret ausgestellten und genutzten Werkes, das in der Regel im Eigentum des Museums oder eines Sammlers steht, kann der Urheber hingegen nicht profitieren, es sei denn, es handelt sich um ein Multiple bzw. um Auflagenkunst.122 Daher ist zweifelhaft, ob die mittelbaren Auswirkungen der Katalognutzung das Interesse der Künstler an der Geltendmachung des Vervielfältigungsrechts stets zurücktreten lassen,123 zumal die Ausstellung bzw. der Ankauf eines Werkes durch ein Museum als für den Künstler maßgeblicher Vorgang nicht von der zustimmungs- und vergütungsfreien Bildnutzung abhängt.124 3. Illustrierte Ausstellungswerbung ist in besonderem Maße geeignet, die Bekanntheit und den Absatz (von Vervielfältigungen) des jeweils genutzten Werkes zu fördern. Von einer erfolgreichen Ausstellungswerbung, für die in der Regel ein bestimmtes Werk als »Zugpferd« genutzt wird, profitieren letztlich sämtliche ausgestellten Werke in Form hoher Besucherzahlen und der damit generierten Aufmerksamkeit. Im Vergleich zu Katalogbildern stellen Verwertungen zu Werbezwecken allerdings insofern eine intensivere Nutzung dar, als sie aufgrund ihrer Größe und räumlichen Reichweite geeignet sind, ideelle, persönlichkeitsrechtliche Interessen des Urhebers zu berühren.125 Gerade bei stark exponierten Nutzungen, etwa auf Plakaten, dürfte dem Künstler daran gelegen sein, das konkrete Erscheinungsbild seines Werkes mitbestimmen zu können. Trotz des starken Bekanntmachungseffekts der Werbung wird die Zustimmungsfreiheit der Nutzung daher nicht im Interesse jedes Urhebers liegen. 4. An der illustrierten Werbung für den öffentlichen Verkauf seiner Werke hat der Urheber naturgemäß ein wirtschaftliches Interesse, wenn seine Werke auf dem Primärmarkt, namentlich über eine Galerie, veräußert werden. Der Verkauf in einer Galerieausstellung oder auf einer Kunstmesse steigert zudem die Bekanntheit des Künstlers in Fachkreisen und der am Kunstmarkt interessierten Öffentlichkeit. Für entsprechende Nutzungen bedarf es indes im Verhältnis zwischen Künstler und Galeristen in der Regel keiner gesetzlichen Privilegierung.126 Die Freistellung in § 58 Abs. 1 UrhG erlangt somit in erster Linie bei 122 Vgl. Schack, ZUM 2008, 817, 821. 123 Der Künstler Frank Stella etwa klagte im August 2011 darüber, kürzlich gebeten worden zu sein, für die Wiedergabe von 32 seiner Werke im Katalog einer amerikanischen Museumssammlung auf seine Reproduktionsrechte zu verzichten; The Art Newspaper, Onlineausgabe vom 4. 8. 2011. 124 Vgl. jedoch Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421 ff., zu der in den USA früher üblichen Praxis, sich die Verwertungsrechte vom Urheber beim Ankauf eines seiner Werke weitgehend abtreten zu lassen. 125 Poeppel, S. 399. 126 S. oben S. 40 f.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
Verkäufen auf dem Sekundärmarkt praktische Bedeutung. An der Werbung für Weiterverkäufe seiner Werke hat der Urheber vor allem dann ein Interesse, wenn er über das Folgerecht am Veräußerungserlös und damit an der Wertsteigerung eines Werkstücks partizipieren kann. Ein öffentlichkeitswirksamer Verkauf, etwa auf einer Auktion, vermag auch die Entwicklung des Marktwertes für andere Werke des Künstlers positiv zu beeinflussen. Auf der anderen Seite birgt die Bildnutzung in der Werbung, insbesondere im Internet, auch gewisse Risiken für die Werkauswertung durch die Urheber, die es bei der Beurteilung der Verkaufswerbung und ihrer Grenzen zu bedenken gilt.
II.
Die Interessen von Museen und Ausstellungshäusern
1. Zur Ausstellung eines bereits veröffentlichten Kunstwerkes (vgl. § 18 UrhG) sind Museen entweder als Eigentümer gemäß § 44 Abs. 2 UrhG befugt oder sie leiten diese Befugnis, ebenso wie reine Ausstellungshäuser oder sonstige Veranstalter von Ausstellungen, vertraglich von einem Leihgeber ab. Weitergehende urheberrechtliche Nutzungsbefugnisse stehen ihnen hingegen in aller Regel nicht zu; diese verbleiben im Zweifel beim Urheber (vgl. § 44 Abs. 1 UrhG). Allein das Recht zur öffentlichen Ausstellung eines Werkes genügt zur Durchführung einer Kunstausstellung jedoch nicht. Museen und Ausstellungshäuser wollen und sollen das Publikum auch über Herkunft, Geschichte, Bedeutung und Zusammenhänge der ausgestellten Werke und die Konzeption der Ausstellung informieren können.127 Diese Funktion erfüllen vor allem Ausstellungskataloge mit vertiefenden Informationen und Werkabbildungen, die es dem Besucher ermöglichen, eine Ausstellung inhaltlich nachzubereiten und sich die Exponate nochmals zu vergegenwärtigen. Die Katalogbildfreiheit in § 58 Abs. 2 Alt. 1 UrhG erscheint damit als »Verlängerung« der in § 44 Abs. 2 UrhG grundsätzlich anerkannten Ausstellungsfreiheit,128 indem sie die zustimmungsund vergütungsfreie Bildnutzung der Exponate für entsprechende Publikationen ermöglicht. 2. Für die privilegierten Einrichtungen entfallen hierdurch zum einen die Gebühren für die Bildrechte, die den jeweiligen Katalog, abhängig von Umfang und Größe der Abbildungen, erheblich verteuern können. Die Herstellung von Ausstellungskatalogen wird heutzutage üblicherweise als Teil eines Ausstellungsprojekts von der öffentlichen Hand bzw. privaten Sponsoren mitfinan127 Berger, ZUM 2002, 21, 23. Zu den einzelnen Konzeptionen der Kunstvermittlung vgl. Cramer, S. 21 ff. 128 Berger, ZUM 2002, 21, 23.
Interessen der beteiligten Kreise
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ziert129 und ist in aller Regel ein Zuschussgeschäft. Die Erzielung von Gewinnen aus dem Absatz gelingt nur ausnahmsweise bei populären Sonderausstellungen, für die Kataloge in hoher Auflage herausgegeben und verkauft werden können. Die Kataloge profitieren in diesem Fall auch von der Ausstellungswerbung und der medialen Aufmerksamkeit, die die Veranstaltung auf sich zieht.130 Infolge der Einsparung der Vergütungen für die Bildnutzung können die Kataloge günstiger an das Museumspublikum abgegeben werden als vergleichbare andere Publikationen. Zusätzlich wird meist eine Buchhandelsausgabe erstellt, die von Verlagen, mit denen die Museen bei der Herstellung ihrer Kataloge zusammenarbeiten, im normalen Buchhandel vertrieben wird. Die Preisdifferenz zwischen den Museums- und Buchhandelsausgaben liegt derzeit bei ca. 5 bis 15 EUR.131 Zum anderen reduziert sich für die Museen der bürokratische Aufwand, der mit der Einholung der Nutzungsrechte verbunden ist, wenngleich ein großer Teil der Urheber von Verwertungsgesellschaften vertreten wird, die die erforderlichen Lizenzen in der Regel kurzfristig und unbürokratisch erteilen.132 Schließlich wird durch die Zustimmungsfreiheit sichergestellt, dass eine Ausstellung vollständig dokumentiert werden kann und die Aufnahme sämtlicher Werke nicht daran scheitert, dass mit einzelnen Rechteinhabern keine Einigung über die Nutzungskonditionen erzielt werden kann.133 3. Die gleichen Vorteile bestehen für Nutzungen zur Herausgabe von Bestandskatalogen, die Museen nunmehr gemäß § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG gestattet sind. Allerdings hat die Herausgabe von Bestandskatalogen, bei der die wissenschaftliche Dokumentation der Sammlungsstücke für die Fachwelt im Vordergrund steht, gegenüber der Publikation der – stark subventionierten – Ausstellungskataloge in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Dies gilt vor
129 Vgl. Cramer, S. 214; vgl. auch Pommerehne/Frey, S. 80. Kritisch zum Inhalt der häufig unter Zeitdruck hergestellten Ausstellungskataloge, in die wissenschaftliche Beiträge einfließen, die früher in Aufsätzen und Bestandskatalogen erschienen wären und Publikumsnähe vermissen ließen, Börsch-Supan, S. 56 ff. 130 Cramer, S. 214. 131 Die Preise der Museumsausgaben der Kataloge liegen aktuell zwischen 25 und 35 EUR; häufig wird der Katalog für 29,90 EUR angeboten. Die Preise der Buchhandelsausgaben, die in der Regel inhaltlich identisch gestaltet, aber mit einem hochwertigeren Einband versehen sind, bewegen sich zwischen 35 und 49 EUR. 132 In Deutschland werden bildende Künstler und Fotografen von der Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst vertreten, die auch mit ausländischen Verwertungsgesellschaften kooperiert, www.bildkunst.de. Die VG Bild-Kunst hat mit den meisten deutschen Museen einen sog. Standardvertrag für Museumsnutzungen geschlossen, der auch die von § 58 UrhG gestatteten Verwertungen umfasst und einzelne Fragen der Nutzung für die Praxis klarstellt; vgl. Pfennig, KUR 1999, 10, 11; ders., in: Posthume Güsse, S. 20 f. 133 Vgl. Berger, ZUM 2002, 21, 23.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
allem für Sammlungen zeitgenössischer Kunst, die in größerer Zahl urheberrechtlich geschützte Werke vereinen.134 4. Die Freistellungen in § 58 Abs. 2 UrhG erleichtern Museen und Ausstellungshäusern nach alledem die ihrem Forschungs- und Bildungsauftrag entsprechende Herausgabe illustrierter Ausstellungs- und Bestandskataloge, die kostengünstiger an das jeweilige Publikum abgegeben werden können. Auch die Erzielung von Überschüssen durch den Vertrieb der Verzeichnisse, die aus der Perspektive staatlicher Museen wünschenswert ist,135 wird damit zumindest wahrscheinlicher.136 § 58 Abs. 1 UrhG entspricht darüber hinaus dem praktischen Bedürfnis von Museen und Ausstellungshäusern, mit Exponaten öffentlichkeitswirksam für ihre Ausstellungen zu werben und dadurch ihre Besucherzahlen und ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.137 Hinter der Privilegierung, von der staatliche Einrichtungen zu einem Großteil profitieren, steht damit nicht zuletzt auch ein fiskalisches Interesse138 an Kosteneinsparungen und einer höheren Eigenwirtschaftlichkeit der öffentlich subventionierten Museen.
III.
Die Interessen des Kunsthandels
1. Die Interessen des Kunsthandels knüpfen im Ausgangspunkt ebenfalls an das Eigentum am Werkexemplar an, das übertragen werden soll.139 Hierzu ist ein Galerist, Kunsthändler oder Versteigerer, falls er das betreffende Kunstwerk nicht selbst erworben hat, in der Regel als für Rechnung des Eigentümers handelnder Kommissionär befugt.140 Urheberrechtlich ist ihm (bzw. dem Eigentümer) zu diesem Zweck nach deutschem Recht sowohl die (Verkaufs-)Ausstellung des veröffentlichten Werkes gestattet (vgl. § 44 Abs. 2 UrhG) als auch die Weiterverbreitung des Werkexemplars, da sich das Verbreitungsrecht aufgrund der mit Zustimmung des Urhebers erfolgten erstmaligen Veräußerung erschöpft hat, § 17 Abs. 2 UrhG. Dem Verbreitungsrecht des Urhebers sind damit durch das aus § 903 BGB folgende Recht des Eigentümers, sein Werkexemplar frei
134 Vgl. Börsch-Supan, S. 54 ff. 135 Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Museumsbund e.V. zur Neuregelung von § 58 UrhG, unten S. 111 f. 136 S. jedoch zum Ausschluss einer Gewinnerzielung durch den Katalogvertrieb gemäß § 58 Abs. 2 UrhG unten S. 233 ff. 137 Vgl. Kirchmaier, KUR 2004, 177. 138 Schack, KuR, Rn. 284. 139 Berger, ZUM 2002, 21, 23. 140 Vgl. Berger, ZUM 2002, 21, 23; Fesel, KUR 1999, 133, 135.
Interessen der beteiligten Kreise
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veräußern zu können, nach den Wertungen des Urheberrechtsgesetzes klare Grenzen gesetzt. 2. Um einen Kunstgegenstand erfolgreich zu verkaufen, bedarf es neben seiner körperlichen Präsentation jedoch auch der Werbung in Form fotografischer Vervielfältigungen, die abwesenden Kaufinteressenten die Eigenschaften des Werkes in möglichst guter, originalgetreuer Qualität veranschaulichen; die bloße Beschreibung des Werkes genügt dem Informationsbedürfnis der Kunden nicht.141 Je größer wiederum der Kreis der Kaufinteressenten ist, desto wahrscheinlicher ist der Verkauf. Speziell für Kunstauktionen dürfte zudem gelten, dass die Anzahl der geworbenen Interessenten, d. h. potentiellen Bieter, auch die Höhe des Zuschlagspreises direkt beeinflusst.142 Der Kunsthandel hat daher ein zentrales Interesse an der freien Herstellung von Vervielfältigungsstücken eines Werkes in hoher Qualität und ihrer ungehinderten Verbreitung bzw. Wiedergabe an den in Betracht kommenden Kundenkreis. Dies gilt sowohl für Einzelverkäufe von Kunstwerken, unabhängig davon, ob sie im Rahmen einer Galerieausstellung oder in einer Kunsthandlung angeboten werden, als auch für Verkäufe einer Vielzahl von Werken, etwa auf einer Auktion.143 Im Auktionshandel besteht darüber hinaus ein Bedürfnis nach einer möglichst kurzfristigen Bildnutzung. Auktionskataloge werden üblicherweise in einem vergleichsweise kleinen Zeitfenster erstellt und bis kurz vor der Drucklegung durch ständig neu hinzukommende Werke ergänzt. Eine vorherige Lizenzierung sämtlicher Werkabbildungen – ein Katalog umfasst oft hunderte, eine Auktionsreihe pro Saison ggf. über tausend Lose – stieße angesichts des damit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwands daher auch faktisch an Grenzen.144 3. Wird ein Kunstgegenstand auf einer öffentlichen Verkaufsveranstaltung angeboten, bedarf es neben der Information über das einzelne Werk zusätzlich der Werbung für die Veranstaltung als solche, etwa für eine Versteigerung oder eine Messeausstellung. Auch die Veranstaltungswerbung erzielt beim Publikum einen größeren Effekt, wenn sie sich der Wiedergabe einzelner attraktiver Werke aus dem Angebot bedienen kann. 4. Diesen Belangen des Handels trägt § 58 Abs. 1 UrhG weitgehend Rechnung, indem er – über die bereits von § 58 UrhG a. F. gestatteten Abbildungen in Auktionskatalogen hinaus – Werbung für den »öffentlichen Verkauf« der Kunstwerke einschließlich der Internetwerbung erlaubt. Während die Katalogbildfreiheit im Bereich musealer Ausstellungen als »Verlängerung« der Aus-
141 142 143 144
Vgl. Berger, ZUM 2002, 21, 23; Wiesner, S. 67; Poeppel, S. 409. Vgl. Berger, ZUM 2002, 21, 23. Vgl. Poeppel, S. 410 f. Praktisch handhabbar wäre eine Vergütungspflichtigkeit der Bildnutzung daher nur über Rahmenvereinbarungen mit den Verwertungsgesellschaften.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
stellungsfreiheit erscheint,145 stellen sich die Nutzungsbefugnisse des Kunsthandels zu Werbezwecken damit als »Verlängerung« des Erschöpfungsprinzips dar. Im Interesse der Warenverkehrsfreiheit soll der Urheber die von § 17 Abs. 2 UrhG ermöglichte freie Veräußerung eines Werkexemplars nicht durch die Geltendmachung seiner Ausschließlichkeitsrechte erschweren oder im Extremfall vereiteln können.146
IV.
Die Interessen der Werkeigentümer
Für die Gruppe der Werkeigentümer, zu denen auch Museen und Sammler gehören, kann zum einen auf die Ausführungen zu den Belangen des Kunsthandels verwiesen werden. Der Eigentümer, der z. B. ein Werk auf dem Sekundärmarkt versteigern lässt, profitiert unmittelbar von einer zur Werbung vorgenommenen Bildnutzung, die zum Zweck der Information über das angebotene Werkstück praktisch unabdingbar ist.147 Zum anderen kommt dem (privaten) Eigentümer auch eine erfolgreiche Ausstellung des Werkes zugute. So erhöht die Präsentation des Werkes in einer Sonderausstellung oder seine Aufnahme als Dauerleihgabe in eine Sammlung häufig das Renommee des Künstlers und den Marktwert des Werkstücks.148 Die eingetretene Wertsteigerung kann der Leihgeber später durch einen Verkauf realisieren.149 Vor diesem Hintergrund profitiert der Eigentümer von einer effektiven Werbung für die Ausstellung, aber auch von der Aufnahme des Werkes in den entsprechenden Katalog, der die künstlerische Bedeutung des Werkes dokumentiert. Denkbar ist allerdings, dass die Einbeziehung des Werkes in die Ausstellungswerbung oder einen Katalog vom Eigentümer aus bestimmten Gründen nicht gewünscht wird, etwa weil er befürchtet, die exponierte Nutzung erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls.150 Da ihm die Disposition über die Bildverwertung nicht zusteht, § 44 Abs. 1 UrhG, verbleibt ihm in diesem Fall nur die Möglichkeit, sich im Leihvertrag mit der ausstellenden Institution auszubedingen, dass sein Name nicht genannt oder die Leihgabe zu den von § 58 UrhG privilegierten Zwecken nicht genutzt werden darf. Schließlich kann der Werkeigentümer, der als Veranstalter selbst eine öffentliche Ausstellung mit Kunstwerken durchführt oder deren öf145 S. oben S. 56. 146 Vgl. Berger, ZUM 2002, 21, 23; Dreier, GRUR Int. 1992, 135, 136; Poeppel, S. 409. 147 Auch der neue Eigentümer des Werkstücks kann im Übrigen ein Interesse an der Bildnutzung haben. So dokumentiert etwa ein Auktionskatalog den (Schätz-)Wert und die zum Zeitpunkt des Erwerbs gegebene Beschaffenheit eines Werkes sowie dessen Provenienz. 148 Vgl. Mercker, S. 35; Wiesner, S. 34; s. oben S. 45 f. 149 Wiesner, S. 34. 150 Vgl. Mercker, S. 36.
Interessen der beteiligten Kreise
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fentlichen Verkauf organisiert und verantwortet, eigene Bildnutzungen zu Werbezwecken direkt auf § 58 Abs. 1 UrhG stützen.
V.
Die Interessen der Allgemeinheit
1. Die Allgemeinheit hat zunächst ein Interesse an der Verfügbarkeit illustrierter Informationen über Kunstausstellungen, die dem Besucher in Form von Katalogen oder kompakteren Ausstellungsführern eine Identifikation der Exponate ermöglichen und Wissen über die einzelnen Werke und die Inhalte der jeweiligen Ausstellung anschaulich vermitteln.151 Die Privilegierung von Ausstellungskatalogen, d. h. die von § 58 Abs. 2 Alt. 1 UrhG bezweckte Erleichterung ihrer Herausgabe, kommt damit unmittelbar dem Bildungs- und Informationsbedürfnis des Publikums152 und dem kulturpolitischen Anliegen der Zugänglichmachung und Vermittlung von Kunst zugute. Ausstellungsbesucher profitieren zudem davon, dass die Verzeichnisse aufgrund der Einsparung der Lizenzgebühren für die Bildrechte günstiger abgegeben werden können und etwas erschwinglicher werden (vgl. oben II). Darüber hinaus sind die Kataloge nicht nur für Kunstfreunde von bleibendem Wert,153 sondern auch für ein Fachpublikum von wissenschaftlichem Interesse.154 Dem Bildungsbedürfnis des kunstinteressierten Publikums entspricht grundsätzlich auch die Verfügbarkeit von Informationen über Sammlungsbestände in entsprechenden Verzeichnissen von Museen, welche die Werke erforschen und der Öffentlichkeit trotz beschränkter Ausstellungsmöglichkeiten vermitteln wollen. Gleichwohl dürfte das im Zusammenhang mit einer Ausstellung geweckte Interesse des Publikums an begleitenden oder vertieften Informationen über die konkret ausgestellten Exponate ungleich höher sein als das Interesse an einer Dokumentation des Gesamtbestands, den der Besucher nicht betrachten bzw. erfahren kann. Die Kunstvermittlung bleibt hier auf die Auseinandersetzung mit dem Abbild beschränkt. Der Informationswert von Bestandskatalogen entspricht damit, bezogen auf nicht ausgestellte Werke, demjenigen vergleichbarer Publikationen zu bestimmten Künstlern, Künstlergruppen oder Stilrichtungen mit wissenschaftlichem Anspruch, während Ausstel-
151 152 153 154
Vgl. Poeppel, S. 392. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 3. Schack, KuR, Rn. 691. Ausführlich Cramer, S. 210 ff., 214 f., die auf die gewachsene Bedeutung der über den Ausstellungsetat finanzierten Ausstellungskataloge als wissenschaftliches Forum und die damit verbundenen Probleme hinweist.
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Hintergründe der urheberrechtlichen Privilegierungen
lungskataloge in besonderer Weise dem Informationsbedürfnis des Publikums und der öffentlichen Auseinandersetzung mit Kunst dienen.155 2. Die Öffentlichkeit hat ferner ein Interesse an der Information über das Stattfinden von Ausstellungen und darüber, welche Art von Kunstgegenständen ausgestellt wird. Dem trägt neben § 50 UrhG, der im Interesse der verfassungsrechtlich geschützten Informationsfreiheit die illustrierte Berichterstattung über Tagesereignisse gestattet,156 auch die Privilegierung von Werbemaßnahmen für Ausstellungen in § 58 Abs. 1 UrhG in gewissem Umfang Rechnung. Im Unterschied zu den nur käuflich erwerbbaren Ausstellungsverzeichnissen ist die Vergütungsfreiheit von Werbenutzungen für das Publikum jedoch nicht relevant. 3. Einen größeren Stellenwert besitzt die freigestellte Bildnutzung für die Allgemeinheit im Bereich der Werbung durch den Kunsthandel, die nicht nur die Veranstaltung als solche bekannt macht, sondern potentiellen und insbesondere ortsabwesenden Kaufinteressenten die Verfügbarkeit visueller Informationen über die Beschaffenheit eines Kunstgegenstandes sichert.157 Zwar ist der in Betracht kommende Kreis von Werbeadressaten kleiner als derjenige von Ausstellungsbesuchern. Die Erleichterung des freien Warenverkehrs mit urheberrechtlich geschützten Werkexemplaren kommt gleichwohl einer potentiellen Vielzahl von Personen zugute, die Kunstwerke veräußern oder erwerben will.
155 Vgl. Schack, KuR, Rn. 682, 691. 156 Vgl. BGH GRUR 1983, 25, 27; BGH GRUR 1983, 28, 29 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I und II. 157 Vgl. oben S. 59 f.
Kapitel 2 Die Rechtslage in Deutschland
Das deutsche UrhG stellt in § 58 Abs. 1 Nutzungen zur Werbung für den öffentlichen Verkauf und die öffentliche Ausstellung von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerke frei. Daneben erlaubt § 58 Abs. 2 Museen, Bildungseinrichtungen und Bibliotheken, Werke dieser Art in Ausstellungs- und Bestandskatalogen abzubilden und die Kataloge herauszugeben. Im folgenden Abschnitt A wird die Privilegierung zunächst im Kontext der verfassungs-, konventions- und europarechtlichen Vorgaben betrachtet, an denen sich die Schrankenregelungen des UrhG messen lassen müssen. Im Zusammenhang mit Nutzungen i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG liegt der Fokus dabei auf Verwertungen durch Museen. In Abschnitt B wird sodann unter I die historische Entwicklung von § 58 UrhG dargestellt, bevor in den Teilen II und III die Reichweite der Privilegierung zu Werbezwecken sowie zur Herstellung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen untersucht wird.
A.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
I.
Begründung und Funktion der urheberrechtlichen Schranken
1.
Die Sozialbindung des geistigen Eigentums
a) Die Frage nach der Funktion und dem Wesen der urheberrechtlichen Schranken ist untrennbar mit der Rechtfertigung bzw. Funktion des Urheberrechts allgemein verbunden.1 In Kontinentaleuropa wird das Urheberrecht vorwiegend individualrechtlich begründet. Es basiert auf der im Naturrecht und dem Gedankengut der Aufklärung wurzelnden Idee vom »geistigen Eigentum« des Urhebers an seinem Werk.2 Als subjektives, unveräußerliches Recht soll es 1 Vgl. Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 816. 2 Vgl. Schricker/Loewenheim, Einl. Rn. 8 m. w. N.
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Die Rechtslage in Deutschland
dem Urheber die alleinige Herrschaft über sein Geisteswerk vermitteln und ihm ermöglichen, das Ergebnis seiner schöpferischen Leistung wirtschaftlich zu nutzen. Während sich die persönlichkeitsrechtliche Komponente des Urheberrechts im deutschen Recht auf Art. 1, 2 Abs. 1 GG stützen kann,3 sind die Verwertungsrechte über die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie geschützt.4 BVerfG und BGH haben die vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers an seinem Werk wiederholt als »Eigentum« im Sinne von Art. 14 GG bezeichnet und damit dem »durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern« zugeordnet.5 Mit der Anerkennung des »geistigen Eigentums« setzte sich zugleich die Erkenntnis durch, dass auch dieses Eigentum der Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit gewissen Schranken unterliegt.6 Der Gesetzgeber hat daher bei der inhaltlichen Gestaltung des Urheberrechts nicht nur die Individualbelange der Urheber zu sichern, sondern deren individuellen Befugnissen »die im Interesse des Gemeinwohls erforderlichen Grenzen zu ziehen; er muss den Bereich des Einzelnen und die Belange der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich bringen«.7 Die Schranken des Urheberrechts sind somit Ausdruck einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Interessenabwägung. Sie sind (nur) dann verfassungsgemäß, wenn sie durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind.8 b) Als privilegierungsfähige Gemeinwohlinteressen kommen grundsätzlich sämtliche Verfassungsgüter in Betracht.9 Hierzu zählen neben den Staatszielbestimmungen der Verfassung auch grundrechtlich abgesicherte (Individual-) Interessen, da die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen enthalten, sondern objektiv-rechtliche Werteentscheidungen der Verfassung verkörpern und vom Gesetzgeber auch aufgrund ihrer Schutzfunktion bei der Ausgestaltung und Auslegung gesetzlicher Normen zu beachten sind.10 Stets müssen die – auf verfassungslegitime Interessen gestützten – Schranken jedoch Zwecke verfol3 Vgl. Schack, UrhR, Rn. 46 ff. 4 Schricker/Loewenheim, Einl. Rn. 10 m. w. N. 5 BVerfGE 31, 229, 239 = GRUR 1972, 481, 483 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 392 = GRUR 1980, 44, 46 – Kirchenmusik; BVerfGE 79, 29, 40 – Vollzugsanstalten; BGHZ 141, 13, 35 = GRUR 1999, 707, 711 – Kopienversanddienst. 6 Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 1; Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/ 270, S. 30. Hierzu zählt neben den inhaltlichen Schranken, die im Fokus dieser Untersuchung stehen, als übergreifende Schranke des Urheberrechts insbesondere die gesetzliche Schutzfrist (§ 64 UrhG). Zu den generellen Schranken des Urherberrechts s. Schack, KuR, Rn. 273 ff. 7 BVerfG GRUR 1972, 481, 483 f. – Kirchen- und Schulgebrauch. 8 BVerfG GRUR 1972, 481, 483 f. – Kirchen- und Schulgebrauch. Zur Funktion der urheberrechtlichen Schranken aus Sicht des US-copyright und der ökonomischen Analyse des Rechts vgl. unten S. 328 ff. 9 Poeppel, S. 139. 10 Poeppel, S. 131 ff.; vgl. auch Reschke, S. 27 ff., 41.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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gen, denen auch das Urheberrecht als Ganzes dient.11 Denn der Urheber soll grundsätzlich vor allem dort freien Zugang zu seinen Werken gewähren müssen, wo dies der Förderung der geistigen und kulturellen Werte dient, die ihrerseits Grundlage für sein Schaffen sind.12 Zu den insoweit privilegierungswürdigen Gütern gehören insbesondere die in Art. 5 GG garantierte Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit und die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, die für die gesellschaftliche Auseinandersetzung und das geistige Schaffen unabdingbar sind und in den Schranken zu Gunsten der freien Berichterstattung (§§ 49 – 50 UrhG) sowie in der Zitierfreiheit (§ 51 UrhG) ihren Ausdruck finden.13 Einschränkungen des Urheberrechts, mit denen der Staat den Zugang der Bevölkerung zu kulturellen Gütern zu angemessenen Bedingungen sicherstellen will,14 können sich zum anderen auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) und das daraus abgeleitete Kulturstaatsprinzip stützen.15 Das rein fiskalische Interesse des Staates an der Einsparung von Lizenzgebühren kann Beschränkungen des Urheberrechts dagegen nicht rechtfertigen.16 Ebenso unzulässig sind Schranken, die ausschließlich bestimmten Individual- bzw. Partikularinteressen und nicht zugleich einem breiteren Gemeinwohlinteresse zu dienen bestimmt sind. Die Privilegierung eines begrenzten Nutzerkreises darf somit lediglich als »Reflex« aus einem Allgemeininteresse folgen, das durch Verwertungshandlungen einzelner Personen oder Einrichtungen, die z. B. besonders nah am privilegierten Interesse stehen, ausreichend befriedigt wird.17 c) Vereinzelt werden Schranken – so insbesondere auch § 58 UrhG18 – auch mit den eigenen Interessen der Urheber begründet, die von der Beschränkung selbst profitierten.19 Nach Auffassung von Stieper sind auch solche Schranken im Prinzip der Sozialbindung verankert, da eine weite Verbreitung des Werkes nach der Gesetzesbegründung grundsätzlich dem Wesen geistigen Schaffens und damit dem Interesse des Urhebers entspreche. Die Schranken des Urheberrechts beruhten daher nicht immer auf gegensätzlichen Urheber- und Gemeinwohl-
11 12 13 14 15 16
Reschke, S. 135. Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 63; vgl. auch unten S. 66 f. Vgl. Schack, UrhR, Rn. 540. Vgl. die Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 30 Vgl. Poeppel, S. 153; Reschke, S. 45 f., jeweils m.w. N. Schack, UrhR, Rn. 571; Reschke, S. 135 f. Gleiches gilt, wenn lediglich staatliche Aufgaben erleichtert werden sollen, die keinen engeren Bezug zum Werkschaffen des Urhebers aufweisen; Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 63. 17 Poeppel, S. 139; vgl. auch Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 63; a. A. offenbar Stieper, S. 27. 18 Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 58 UrhG a. F. unten S. 102; v. Gamm, § 45 Rn. 2. 19 Vgl. auch unten S. 329 zu der von Vertretern der ökonomischen Analyse des Rechts unterstellten stillschweigenden Zustimmung der Urheber zu bestimmten freien Werknutzungen.
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Die Rechtslage in Deutschland
interessen.20 Das kann jedoch nicht überzeugen. Die Sozialbindung verpflichtet den Gesetzgeber dazu, das über die Eigentumsgarantie geschützte Interesse des Urhebers an der Disposition über den im Werk verkörperten Vermögenswert mit berechtigten Interessen der Allgemeinheit in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Auf mutmaßlich eigene Interessen des Urhebers lässt sich die Beschränkung seiner Rechte nicht stützen. Wenn und soweit mit der erlaubten Nutzung für den Urheber auch Vorteile verbunden sind, können diese allerdings bei der vom Gesetzgeber vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden und sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Ausschließlichkeitsrechts ggf. stärker zurücktreten lassen. d) Bei der Ausgestaltung von Schrankenregelungen ist insbesondere zu berücksichtigen, ob den Urhebern als Ausgleich für die jeweilige Beschränkung ihrer Verwertungsrechte ein gesetzlicher Vergütungsanspruch einzuräumen ist. Denn aus der Sozialgebundenheit des Urheberrechts folgt nach Auffassung des BVerfG nicht, dass der Urheber seine Leistung grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung stellen müsste.21 Dem Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu Kulturgütern wird vielmehr schon mit dem Ausschluss des Verbotsrechts des Urhebers genügt.22 Der Ausschluss eines Vergütungsanspruches erfordert insofern ein gesteigertes öffentliches Interesse gerade an der Vergütungsfreiheit der Nutzung.23 2.
Das Allgemeininteresse als ein Schutzgrund des Urheberrechts
Das Allgemeininteresse ist allerdings nicht nur Schranke, sondern zugleich ein Schutzgrund des Urheberrechts.24 Denn mit der Gewährung von Verwertungsrechten, die den Urhebern die dauerhafte Erzielung von Einkünften ermöglichen, sollen Anreize für schöpferische Leistungen geschaffen werden, die dem Interesse der gesamten Gesellschaft an neuen Ideen und kultureller Vielfalt zugutekommen.25 Die in diesem Kontext viel zitierte copyright clause der USamerikanischen Verfassung bringt diesen utilitaristischen Aspekt des Urheberrechts auf den Punkt, indem sie auf den »Fortschritt der Wissenschaft und 20 Stieper, S. 27. A. A. v. Gamm, § 45 Rn. 2, der betont, dass die Schranken der §§ 55 – 60 UrhG nicht auf der Sozialbindung des Urheberrechts beruhten, sondern letztlich eigenen Interessen der Urheber dienten. 21 Vgl. BVerfG GRUR 1972, 481, 484 – Kirchen- und Schulgebrauch. 22 BVerfG GRUR 1972, 481, 484 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfG GRUR 1980, 44, 48 f. – Kirchenmusik. 23 BVerfG GRUR 1972, 481, 484 – Kirchen- und Schulgebrauch; Dreier/Schulze, vor 44a ff. Rn. 10. 24 Schricker, GRUR 1992, 242, 246; Geiger, GRUR Int 2004, 815, 816. 25 Grundlegend zur ökonomischen Begründung des copyright Landes/Posner, J. Leg. Stud. 18 (1989), 325 – 363.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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nützlichen Künste« abstellt, den es durch die Gewährung eines zeitlich befristeten Ausschließlichkeitsrechts an Werken und Erfindungen zu fördern gilt.26 Auch den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, die traditionell die Anerkennungs- und Entlohnungsfunktion des Urheberrechts betonen, ist der Blick auf Gemeinwohlinteressen nicht fremd. So verfolgten die Denker der Aufklärung mit ihrem Plädoyer für die Anerkennung eines geistigen Eigentums und die Abkehr vom Privilegienwesen auch ein soziales Ideal: die Verbreitung der Ideen der Aufklärung und die Ermöglichung der freien geistigen Auseinandersetzung.27 Wenngleich stärker auf wirtschaftspolitische Überlegungen gestützt, hebt auch der europäische Gesetzgeber heute die Notwendigkeit eines vereinheitlichten Urheberschutzes auf hohem Niveau für die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse des Gemeinwohls hervor.28 Angesichts seines »überindividuellen Schutzzwecks«29 ist Urheberrecht daher so auszugestalten, dass es auch der Allgemeinheit in gewissem Umfang zu berechtigten Zwecken zugute kommt.30 Betrachtet man – wie das angloamerikanische copyright – die Anreizfunktion des Urheberrechts gar als seinen wesentlichen Schutzzweck, hat dies zugleich Auswirkungen auf die Gestaltung der Schranken.31 So ist nach der in § 107 CA 1976 kodifizierten fair use-Doktrin als zentraler Schranke des US copyright stets auch der Effekt einer Nutzung auf den Marktwert für das jeweilige Werk zu untersuchen. Nutzungen, die die wirtschaftliche Verwertung eines Werkes behindern, sollen grundsätzlich unterbleiben, um die Motivation für neues geistiges Schaffen nicht zu schwächen.32
II.
Die Schrankenregelungen der §§ 44a ff. im Gefüge des UrhG
1. Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) von 1965 bezweckt einen möglichst umfassenden Schutz der ideellen und materiellen Interessen des Urhebers an seinem Werk (vgl. § 11 UrhG).33 Mit diesem gesetzgeberischen Grundanliegen gehen bewusst weit gefasste Tatbestände zum Objekt und Inhalt des Urheberrechts einher.34 So ermöglicht die offene Definition des Werkes in § 2 UrhG als »persönliche geistige Schöpfung« (Abs. 2) mit der lediglich beispielhaften 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Näher zum US-amerikanischen copyright unten S. 309 ff. Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 816. S. ErwGr. 3, 4 und 9 HRL. Schricker, GRUR 1992, 242, 246. Vgl. Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 816; ders., GRUR Int. 2008, 459, 462; Schricker, GRUR 1992, 242, 246. Vgl. Ullrich, GRUR Int. 2009, 283, 284 f. Ausführlich zur fair use-Doktrin unten S. 325 ff. Vgl. Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 28 f. Poeppel, S. 32.
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Die Rechtslage in Deutschland
Aufführung von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst (Abs. 1) die automatische Erfassung neuer Werkarten und Ausdrucksformen.35 §§ 11 ff. UrhG regeln den Inhalt des Urheberrechts, beginnend mit den Urheberpersönlichkeitsrechten (§§ 12 – 14 UrhG). Im Anschluss definieren §§ 15 ff. UrhG die vermögensrechtlichen und sonstigen Befugnisse des Urhebers. § 15 UrhG gewährt dem Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher (Abs. 1) wie unkörperlicher Form (Abs. 2) zu verwerten. Diese allgemeine Verwertungsbefugnis des Urhebers wird in §§ 16 ff. UrhG wiederum nur beispielhaft durch Aufzählung der bekannten Verwertungsarten konkretisiert.36 2. Den weit gefassten Definitionen von Schutzobjekt und -inhalt des Urheberrechts stehen die in §§ 44a – 60 UrhG abschließend geregelten Schranken der Verwertungsrechte gegenüber. Die im Schrankenkatalog aufgeführten Tatbestände gestatten der Allgemeinheit, einzelnen Nutzergruppen, Einrichtungen oder Verwertern die Nutzung von Werken oder einzelnen Werkarten zu bestimmten, detailliert bezeichneten Zwecken. Mit ihnen soll, wie unter I.1 dargestellt, ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und berechtigten Interessen der Allgemeinheit gewährleistet werden. Berücksichtigt werden u. a. die Informationsfreiheit und die Freiheit des geistigen Schaffens (vgl. §§ 48 – 51 UrhG), private Interessen der Verbraucher (vgl. § 53 UrhG), Interessen der (Kultur-)Wirtschaft (vgl. §§ 55 – 59 UrhG) und staatliche Interessen bzw. (Bildungs-)Aufgaben (vgl. §§ 45, 46, 47, 52 Abs. 1 S. 3, 52a, 53 Abs. 3 UrhG).37 Den Schutz der Urheberpersönlichkeitsrechte, die von den Schranken der §§ 44a ff. UrhG grundsätzlich unangetastet bleiben, gewährleisten das bei der Nutzung stets zu beachtende Änderungsverbot (§ 62 UrhG) und die Pflicht zur Quellenangabe (§ 63 UrhG).38 3. Das Urheberrechtsgesetz kennt vier Arten von Schrankenregelungen mit unterschiedlicher Eingriffsintensität: a) Die schwerwiegendste Beschränkung liegt in der Zustimmungs- und Vergütungsfreiheit der Nutzung,39 d. h. der Versagung des Ausschließlichkeitsrechts. Derartige Schrankenregelungen kommen, wie gesehen, allein dort in Betracht, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse auch an der Vergütungsfreiheit der Nutzung besteht, welches das Interesse des Urhebers, möglichst an jeder Verwertung seiner Werke zu partizipieren, ausnahmsweise zurücktreten lässt.40 Die
35 36 37 38 39 40
Vgl. Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 37; Schack, UrhR, Rn. 180. Stieper, S. 6. Schack, UrhR, Rn. 540 ff.; vgl. auch Rehbinder, Rn. 436 ff. Vgl. Poeppel, S. 33. Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 6; Poeppel, S. 35. Vgl. oben S. 66; Dreier/Schulze, vor §§ 44a Rn. 15.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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Zustimmungs- und Vergütungsfreiheit ist gleichwohl die häufigste Art der Beschränkung im UrhG.41 Auch § 58 UrhG gestattet die freie Verwertung. b) Einen weniger starken Eingriff in das Urheberrecht stellt die sog. gesetzliche Lizenz dar. Hier erhält der Urheber als Ausgleich für die Gestattung der betreffenden Nutzung einen Vergütungsanspruch, der jeweils »angemessen« sein muss. Gesetzliche Lizenzen sind dort angebracht, wo das hinter der jeweiligen Schranke stehende Allgemeininteresse den Ausschluss einer Vergütung nicht rechtfertigen kann und/oder wo die Durchsetzung des Verbotsrechts bzw. des Vergütungsanspruchs aufgrund der Massenhaftigkeit urheberrechtsrelevanter Vorgänge praktisch unmöglich wäre.42 In letzteren Fällen vermag die gesetzliche Lizenz einen unüberschaubar großen Kreis von Endnutzern zumindest mittelbar zu erfassen.43 In den vom UrhG geregelten Fällen44 müssen die Vergütungsansprüche überwiegend durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. c) Bei einer sog. Zwangslizenz wird der Inhaber des Urheberrechts lediglich verpflichtet, seine Zustimmung zur Nutzung zu angemessenen Bedingungen zu erteilen.45 Die Zwangslizenz begründet somit einen gesetzlichen Kontrahierungszwang.46 Dieses vom deutschen Gesetzgeber kaum genutzte Instrument47 erscheint angemessen, wenn der Zugang der Allgemeinheit zu bestimmten Werken oder zu einem bestimmten Zweck sichergestellt werden soll und davon ausgegangen werden kann, dass sich die Beteiligten auf angemessene Nutzungsbedingungen einigen werden.48 d) Bei der sog. Verwertungsgesellschaftenpflichtigkeit darf das Ausschließlichkeitsrecht dagegen nicht mehr individuell, sondern nur durch Verwertungsgesellschaften ausgeübt werden. Eine entsprechende Schranke sieht das
41 Eine zustimmungs- und vergütungsfreie Nutzung erlauben §§ 44a, 45, 45a Abs. 2, 47 Abs. 1, 48, 49 Abs. 1 und 2, 50, 51, 52 Abs. 1 S. 3, 55, 56, 57, 58, 59, 60 UrhG. 42 Vgl. Poeppel, S. 35 f.; Dreier/Schulze, vor §§ 44a Rn. 14. 43 Poeppel, S. 36. Aus der Perspektive der ökonomischen Analyse des Rechts werden gesetzliche Lizenzen daher traditionell als Reaktion auf eine Form von Marktversagen, die mangelnde Kontrollierbarkeit von Nutzungen, verstanden; s. unten S. 329. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten, eine Vielzahl von Einzelnutzungen mittels DRM- bzw. OnlineLizenzsystemen zu verwalten, kann dieses Begründungsmodell jedoch nicht mehr voll überzeugen. 44 §§ 45a, 46, 47 Abs. 2, 49 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 52a, 52b, 53 und 53a UrhG. 45 Dreier/Schulze, vor §§ 44a Rn. 11; vgl. auch Schack, UrhR, Rn. 481, 897. 46 Vgl. Schricker/Loewenheim/Melichar, vor § 44a ff. Rn. 36. 47 Das UrhG sieht Zwangslizenzen bislang in § 42a (§ 61 a. F.), § 87 Abs. 5 und § 5 Abs. 3 S. 2 UrhG vor. Da das Ausschließlichkeitsrecht bei der Zwangslizenz formal gewahrt bleibt, fallen die Regelungen systematisch nicht unter die Schranken des 6. Abschnitts des UrhG; Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 36. 48 Dreier/Schulze, vor §§ 44a Rn. 12.
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Die Rechtslage in Deutschland
UrhG allein in § 20b Abs. 1 vor.49 Der Vorteil der kollektiven Rechtewahrnehmung besteht in der Bündelung einer unüberschaubaren Vielzahl von Rechtspositionen, die von einer bestimmten Verwertungssituation betroffen sind. Zugleich steht der Privilegierte nur einer wahrnehmungsberechtigten Person gegenüber.50
III.
Schrankenvorgaben des Konventionsrechts
Abgesehen von den Maßgaben des Verfassungsrechts51 müssen die Schrankenbestimmungen des deutschen Urheberrechts auch mit zwingenden internationalen Regelungen vereinbar sein.52 Zu beachten sind namentlich die Regelungen der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) in ihrer Pariser Fassung von 197153, das 1994 abgeschlossene TRIPs-Übereinkommen54, der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT)55 und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT)56, beide vom 20. Dezember 1996.57 Die Staatsverträge sehen allerdings keine detaillierten Ausnahmetatbestände zu Gunsten bestimmter Nutzer (-gruppen) vor, sondern geben den Mitgliedstaaten lediglich vor, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen vom Mindestschutz der jeweiligen Konvention zulässig sind. Konkrete Vorgaben für eine Reihe möglicher Ausnahmen enthält allein die RBÜ. Sie behält der Gesetzgebung der Verbandsländer unter anderem vor, Zitate aus einem veröffentlichten Werk der Literatur oder Kunst zu erlauben, »sofern sie den anständigen Gepflogenheiten entsprechen und in ihrem Umfang durch den Zweck gerechtfertigt sind« (Art. 10 Abs. 1 RBÜ), und bestimmte Nutzungen anlässlich der Berichterstattung über Tagesereignisse zuzulassen (Art. 10bis Abs. 2 RBÜ). Von besonderer Bedeutung für die Anwendung von Schrankenbestimmungen ist der in Art. 9 Abs. 2 RBÜ niedergelegte »Dreistufentest«. Danach dürfen die Verbandsländer die Vervielfältigung »in gewissen Sonderfällen« unter der 49 Verwertungsgesellschaftenpflichtig sind im Übrigen nur einzelne gesetzliche Vergütungsansprüche sowie Auskunftsansprüche; vgl. Schack, UrhR, Rn. 482. 50 Poeppel, S. 37 f. 51 Vgl. oben S. 63 ff. 52 Vgl. Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 12. 53 Text in BGBl. 1973 II 1069, 1071, für Deutschland in Kraft seit dem 10. 10. 1974 (BGBl. II 1079). 54 Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, Text in BGBl. 1994 II 1565, für Deutschland in Kraft seit dem 1. 1. 1995 (BGBl. 1994 II 1438). 55 WIPO Copyright Treaty vom 20. 12. 1996, Text in BGBl. 2003 II 755; Gesetz v. 10. 8. 2003, BGBl. II 754; in Kraft seit dem 14. 3. 2010 (BGBl. 2011 II 856). 56 WIPO Performances and Phonograms Treaty vom 20. 12. 1996, Text in BGBl. 2003 II 770; Gesetz v. 10. 8. 2003, BGBl. 2003 II 754; in Kraft seit dem 14. 3. 2010 (BGBl. 2011 II 860). 57 Näher zu den Schrankenvorgaben in internationalen Verträgen Poeppel, S. 107 ff.
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Voraussetzung gestatten, dass eine solche Vervielfältigung »weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt«.58 Der Dreistufentest wurde in Art. 13 TRIPs für alle Verwertungsrechte übernommen und ist daher bei der Gestaltung und Anwendung nationaler Beschränkungen stets als »Schranken-Schranke« zu berücksichtigen. Auch die WIPO-Verträge von 1996 wiederholen den Dreistufentest in Art. 10 WCT, Art. 16 Abs. 2 WPPT. Schließlich hat auch der europäische Gesetzgeber die Grundsätze des Tests in Art. 5 Abs. 5 der Harmonisierungs-RL übernommen, deren Schrankenvorgaben im folgenden Abschnitt dargestellt werden.
IV.
Schrankenvorgaben der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung des Urheberrechts
Seit 1991 wird das Urheberrecht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in zunehmendem Maße durch Richtlinien bestimmt.59 Der überwiegende Teil der bislang verabschiedeten Richtlinien60 betrifft einzelne Schutzgegenstände wie Datenbanken oder spezielle Verwertungsrechte wie das Folgerecht. Die einzigen Richtlinien, die Kernbereiche des Urheberrechts übergreifend regeln, sind bislang die sog. Schutzdauer-Richtlinie61 und die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft62 (HRL). Mit letzterer Richtlinie wollte der europäische Gesetzgeber das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte insbesondere an die neuen digitalen Verwertungsformen anpassen, die mit der jüngeren technischen Entwicklung einhergegangen waren.63 Zugleich hielt er eine Neubewertung und Vereinheitlichung auch der urheberrechtlichen Schranken für angezeigt.64 In Art. 2 bis 4 HRL wurden daher zunächst die Verwertungsrechte der Urheber sowie der Inhaber verwandter Schutzrechte harmonisiert.65 Art. 5 HRL enthält sodann einen – im Normgebungsverfahren stark 58 59 60 61 62 63 64 65
Näher zu den einzelnen Etappen des Dreistufentests unten S. 80 ff. Vgl. Schack, UrhR, Rn. 142 ff., 152 – 154. S. die Übersicht bei Schack, UrhR, Rn. 139. RL 93/98/EWG vom 29. 10. 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, ABl. EG L 290, S. 9 (im Folgenden Schutzdauer-RL). RL 2001/29/EG vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. EG 2001 L 167, S. 10. Vgl. ErwGr. 5 HRL. S. ErwGr. 31 HRL. Mit diesem Teil der Richtlinie setzte die Europäische Gemeinschaft zugleich die aus den WIPO-Verträgen vom 20. 12. 1996 (WCT und WPPT) resultierenden Verpflichtungen um und bereitete damit den am 16. 3. 2001 beschlossenen Beitritt der EU zu beiden Überein-
72
Die Rechtslage in Deutschland
umkämpften66 – Katalog von »Ausnahmen und Beschränkungen«, an dem sich die nationalen Schranken messen lassen müssen.67 Nach einem Überblick über die Systematik von Art. 5 HRL und die Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten (1) werden im Folgenden die Ausnahmetatbestände von Art. 5 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 lit. j HRL vorgestellt (2 und 3), an denen sich die Neufassung von § 58 UrhG orientieren muss, und bereits einige für das Verständnis der Schrankenvorgaben wesentliche Auslegungsfragen angesprochen. Als allgemein zu beachtendes Korrektiv für die Ausgestaltung und Auslegung nationaler Schranken wird im Anschluss der in der Richtlinie wiederholte Dreistufentest dargestellt (4).
1.
Systematik des Schrankenkataloges in Art. 5 HRL und Umsetzungsspielräume
Art. 5 HRL führt insgesamt 21 Ausnahmetatbestände auf, die bestimmte erlaubnisfreie Nutzungen von Werken gestatten. Die Schranken des Vervielfältigungsrechts (Art. 2 HRL) sind in Art. 5 Abs. 1 und 2 HRL geregelt. Art. 5 Abs. 3 HRL enthält Schrankenregelungen, die zusätzlich für das Recht der öffentlichen Wiedergabe und Zugänglichmachung (Art. 3 HRL) gelten. Gemäß Art. 5 Abs. 4 HRL können die in Abs. 2 und 3 aufgeführten Schranken auch in Bezug auf das Verbreitungsrecht im Sinne von Art. 4 zugelassen werden, soweit eine solche Ausnahme durch den Zweck der Vervielfältigung gerechtfertigt ist. In Art. 5 Abs. 5 HRL wurde schließlich der dem Konventionsrecht entlehnte Dreistufentest68 angesiedelt, der als »Schranken-Schranke« für alle Ausnahmeregelungen beachtet werden muss.69 Die in Art. 5 HRL vorgesehenen Schranken der Verwertungsrechte sind erschöpfend, so ErwGr. 32. Die Mitgliedstaaten dürfen daher grundsätzlich keine weiteren bzw. darüber hinausgehenden Beschränkungen vorsehen oder beibehalten.70 Abgesehen von Art. 5 Abs. 1, der Ausnahme für vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, sind alle aufgezählten Schranken jedoch nur fakultativ. Den Mitgliedstaaten bleibt es überlassen, ob und in welchem Umfang sie
66 67
68 69 70
kommen vor; vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 734; Bayreuther, ZUM 2001, 828. Die Verträge sind für die EU am 14. 12. 2009 und am 14. 3. 2010 in Kraft getreten. Vgl. Bayreuther, ZUM 2001, 828, 829; Hoeren, MMR 2000, 515, 516; s. auch Schippan, ZUM 2001, 116, zur »wundersamen Vermehrung der Schrankenbestimmungen« in Art. 5 HRL. Gemäß ErwGr. 32 HRL trägt Art. 5 »den unterschiedlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten Rechnung«. Allerdings verweist eine ganze Reihe von Schranken auf das deutsche Recht, d. h. wiederholt oder konkretisiert Vorgaben des UrhG; Hoeren, MMR 2000, 515, 517; vgl. auch Schippan, ZUM 2001, 116, 127. Vgl. oben S. 70 f. Vgl. Reinbothe, GRUR Int 2001, 733, 740. Vgl. Reinbothe, GRUR Int 2001, 733, 737.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
73
einzelne Beschränkungen in ihr nationales Recht übernehmen.71 Die Beschränkungen stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch schließen sie einander aus.72 Darüber hinaus erlaubt ein »Auffangtatbestand« in Art. 5 Abs. 3 lit. o HRL den Mitgliedstaaten die Fortschreibung bereits bestehender Schranken »für die Nutzung in bestimmten […] Fällen von geringer Bedeutung«, sofern sie »nur analoge Nutzungen betreffen und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft nicht berühren«.73 Umsetzungsspielraum besteht auch hinsichtlich der Frage, ob den Rechtsinhabern für die Nutzung ihrer Werke eine Vergütung zustehen soll. Lediglich drei der in Art. 5 HRL enthaltenen Tatbestände (Abs 2 lit. a, b und e) sehen vor, dass die Rechtsinhaber »einen gerechten Ausgleich« für die gestattete Nutzung erhalten müssen. Gemäß ErwGr. 36 können die Mitgliedstaaten das Erfordernis eines »gerechten Ausgleichs« jedoch auch für andere Schrankenbestimmungen vorsehen. Ein kompensierender Vergütungsanspruch kann insbesondere erforderlich sein, wenn sich bei der Anwendung des Dreistufentests ergibt, dass die Beschränkung eines Verwertungsrechts anderenfalls berechtigte Interessen der Rechtsinhaber ungebührlich verletzt.74
2.
Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL – Vervielfältigungshandlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder von Archiven
Gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht vorsehen »in Bezug auf bestimmte Vervielfältigungshandlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder von Archiven, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen«.
Privilegiert wird eine begrenzte Anzahl von Einrichtungen, darunter Museen, Bibliotheken und Archive, die auch als »Gedächtnisinstitutionen« (»memory« bzw. »heritage institutions«)75 bezeichnet werden. Im Dienste der Gesellschaft sammeln, bewahren und vermitteln sie mit unterschiedlichen Schwerpunkten bedeutsame Objekte oder Dokumente, in denen sich das kulturelle Gedächtnis 71 Bayreuther, ZUM 2001, 828, 829; Poeppel, S. 124. Einschränkend Spindler, GRUR 2002, 105, 111, der der Auffassung ist, eine selektive Umsetzung innerhalb einer Schranke scheide aus, da dies den jeweils vorgesehenen Interessenausgleich unterliefe. 72 Reinbothe, GRUR Int 2001, 733, 737. 73 Art. 5 Abs. 3 lit. o HRL. Kritisch zu dieser Option Hoeren, MMR 2000, 515, 519. 74 Näher dazu unten S. 82. 75 Dreier/Euler/Fischer/van Raay, ZUM 2012, 273, 274.
74
Die Rechtslage in Deutschland
der Menschen verkörpert.76 Mit der Schrankenvorgabe in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL soll den Mitgliedstaaten daher offenbar ermöglicht werden, diesen für die Erschließung und den Erhalt des kulturellen Erbes wichtigen Institutionen gewisse urheberrechtlich relevante Nutzungen zu erlauben. Der Wortlaut der Ausnahme wirft jedoch einige grundsätzliche Fragen auf. a) Zunächst fällt auf, dass die Vorschrift im Gegensatz zu den sonstigen Schranken in Art. 5 Abs. 2 HRL lediglich »bestimmte Vervielfältigungshandlungen« statt »Vervielfältigungen« gestattet.77 Da ein konkreter Nutzungszweck nicht vorgegeben wird, könnte die an den Dreistufentest erinnernde Beschränkung auf »bestimmte« Nutzungen als bloße Aufforderung an den nationalen Gesetzgeber verstanden werden, einen hinreichend konkreten Privilegierungszweck festzulegen. Auch ErwGr. 40 betont mit Blick auf Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, dass Ausnahmen zu Gunsten nichtkommerzieller Einrichtungen »auf bestimmte durch das Vervielfältigungsrecht erfasste Sonderfälle begrenzt werden« sollten. Auf der anderen Seite müssen Schrankenregelungen gemäß Art. 5 Abs. 5 HRL ohnehin auf »bestimmte Sonderfälle« beschränkt werden. Die gesonderte Betonung des Bestimmtheitskriteriums in ErwGr. 40 verwundert insofern. Darüber hinaus erklärt Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, ebenso wie Art. 5 Abs. 1 HRL, nur bestimmte Vervielfältigungshandlungen für zulässig. Dies legt nahe, dass nur spezifische, punktuell vorgenommene oder zumindest quantitativ beschränkte Verwertungsakte privilegiert werden dürfen.78 Anders als die Tatbestände in Art. 5 Abs. 2 lit. a, b und e HRL sieht lit. c für die freigestellten Vervielfältigungshandlungen auch keinen »gerechten Ausgleich« vor. Wortlaut und Gesetzessystematik sprechen somit dafür, dass Art. 5 Abs. 2 lit. c weniger weit reichende Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts gestattet als die benachbarten Schrankenregelungen, z. B. die Freistellungen von reprografischen oder privaten Vervielfältigungen (Art. 5 Abs. 2 lit. a, b).79 Ein entsprechend enges Verständnis lässt sich auch dem vorläufigen Bericht der Europäischen Kommission vom 30. November 200780 über die Anwendung von Art. 5, 6 und 8 HRL angesichts der Entwicklung des digitalen Marktes entnehmen. Darin heißt es, Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL verweise durch seine Begrenzung auf bestimmte Vervielfältigungshandlungen als einzige Schranke ausdrücklich auf das erste 76 Vgl. Dreier/Euler/Fischer/van Raay, ZUM 2012, 273, 274. 77 Die englische Fassung spricht von »specific acts of reproduction«. 78 Vgl. unten S. 81 zur Auslegung der ersten Stufe des Dreistufentests durch die TRIPsSchiedsstelle. 79 So auch Kühl mit Blick auf den in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nicht vorgesehenen »gerechten Ausgleich«, S. 95. 80 Commission Staff Working Document, Report to the Council, the European Parliament and the Economic and Social Committee on the application of Directive 2001/29/EC on the harmonisation of certain aspects of copyright and related rights in the information society, SEC(2007) 1556.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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Element des in Art. 5 Abs. 5 verankerten Dreistufentests. Dementsprechend solle die Regelung auf bestimmte Sonderfälle beschränkt bleiben, wie auch ErwGr. 40 verdeutliche. Nach ihrem Wortlaut gewähre die Vorschrift Bibliotheken und anderen Begünstigten keine pauschale Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht; Vervielfältigungen seien nur für bestimmte Sonderfälle zulässig, wie z. B. für den Erhalt von Werken in Bibliotheksbeständen. Andererseits, so die Kommission weiter, enthalte die Schranke keine weiteren Vorgaben zur Nutzung, beispielsweise mit Blick auf das »Format Shifting« oder hinsichtlich der Anzahl der zulässigen Kopien. Insoweit habe die Kommission den Mitgliedstaaten in ihrer Empfehlung vom 24. August 200481 den Erlass von Bestimmungen empfohlen, die öffentlichen Einrichtungen ein mehrfaches Kopieren und Konvertieren digitalen kulturellen Materials zum Zwecke der Bewahrung erlauben.82 Nach alledem scheint die Schranke auf Vervielfältigungshandlungen zu eng begrenzten Zwecken zugeschnitten zu sein, die – auch quantitativ – mit Nutzungen zu Erhaltungs- oder Archivierungszwecken vergleichbar sind. b) Darüber hinaus werfen Wortlaut und Satzbau der Vorschrift die Frage auf, ob alle der genannten Einrichtungen »öffentlich zugänglich« sein müssen. ErwGr. 40 HRL, der nichtkommerzielle Einrichtungen »wie der Öffentlichkeit zugängliche Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen sowie Archive« erwähnt, deutet darauf hin, dass jedenfalls die ersten drei Arten von Einrichtungen einschließlich Museen der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen; nicht zwingend gilt dies für Archive.83 c) Schließlich lassen Wortlaut und Syntax von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nicht erkennen, ob die Vervielfältigungshandlungen selbst oder aber die genannten Einrichtungen »keinen unmittelbaren oder kommerziellen Zweck« verfolgen dürfen. ErwGr. 40, der auf »nicht kommerzielle Einrichtungen« Bezug nimmt,
81 Empfehlung der Kommission vom 24. August 2006 zur Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung, 2006/585/EG, ABl. EU 2006 L 236. 82 Commission Staff Working Document, Report to the Council, the European Parliament and the Economic and Social Committee on the application of Directive 2001/29/EC on the harmonisation of certain aspects of copyright and related rights in the information society, SEC(2007) 1556, S. 5; vgl. Nr. 9 der Empfehlung der Kommission vom 24. August 2006 zur Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung, 2006/585/EG, ABl. EG 2006 L 236, S. 28, 30. 83 Ein klareres Bild folgt ebenso wenig aus dem Vergleich verschiedener Sprachfassungen der Richtlinie. Die Fassungen, die das Attribut »öffentlich zugänglich« der Aufzählung der Einrichtungen nicht wie der deutsche Text voranstellen, sondern grammatikalisch an das zu bezeichnende Substantiv anfügen, erweisen sich als unterschiedlich. Während u. a. der französische und italienische Richtlinientext die öffentliche Zugänglichkeit jeweils allein auf Bibliotheken beziehen, siedeln die spanische und die schwedische Fassung den Begriff jeweils hinter der Aufzählung der Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen an.
76
Die Rechtslage in Deutschland
spricht in diesem Zusammenhang für die zweite Alternative. Die Entstehungsgeschichte der Schranke spricht hingegen für ein anderes Verständnis: aa) Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der Kommission vom 10. Dezember 199784 enthielt in Art. 5 Abs. 2 lit. c eine weiter gefasste Regelung, die das Vervielfältigungsrecht zu Gunsten öffentlich zugänglicher Einrichtungen einschränkte. Zulässig waren danach Schranken »in Bezug auf bestimmte Vervielfältigungshandlungen ohne unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen oder wirtschaftlichen Nutzen, die von der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen vorgenommen werden.«85
Der damalige Richtlinienentwurf privilegierte damit öffentlich zugängliche Einrichtungen allgemein; mit den Vervielfältigungshandlungen durfte »kein unmittelbarer oder mittelbarer kommerzieller oder wirtschaftlicher Nutzen« verbunden sein. Dieser Zusatz soll Art. 1 Abs. 3 der Vermiet- und Verleihrichtlinie 92/100/EWG entlehnt sein.86 Dort diente er ebenfalls der Spezifizierung einer Tätigkeit, des Verleihens.87 bb) Auf Betreiben des Europäischen Parlaments88 wurde Art. 5 Abs. 2 lit. c im Geänderten Richtlinienvorschlag der Kommission vom 25. Mai 199989 neu gefasst. Dieser Vorschlag erlaubte den Erlass einer Schranke »in bezug auf bestimmte Vervielfältigungshandlungen, die zum Zweck der Archivierung oder Erhaltung eines Werkes oder Schutzgegenstandes von Einrichtungen vorgenommen werden, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen oder wirtschaftlichen Zweck verfolgen, wie Bibliotheken, Archive und Einrichtungen im Bildungs-, Ausbildungs- oder kulturellen Bereich.«
Die geänderte Fassung stattete die Schranke zunächst mit zwei klar umrissenen Privilegierungszwecken, der Archivierung oder Erhaltung eines Werkes, aus. Damit begünstigte diese Entwurfsfassung lediglich einrichtungsinterne Nutzungen, die die Eingliederung eines Werkexemplars in den Bestand oder seine langfristige Erhaltung ermöglichen sollten. Ferner sah die Neufassung vor, dass die Einrichtungen selbst – und nicht (nur) die Verwertungshandlungen90 – keinen kommerziellen oder wirtschaftlichen Zweck verfolgen dürfen, und il84 85 86 87 88
KOM(97) 628 endg., Abl. EG 1998 C 108, S. 6. KOM(97) 628 endg., Abl. EG 1998 C 108, S. 11. v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.38. Ebenso in Art. 2 Abs. 1 lit. b der neuen RL-Fassung 2006/115/EG. Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 10. 2. 1999, ABl. EG 1999 C 150, S. 171, s. Änderungsantrag 38, S. 179. Vgl. auch den Bericht des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte, auf dessen Vorschlag die in Erster Lesung verabschiedete Stellungnahme im Wesentlichen basiert, A4-0026/99, S. 19. 89 KOM(1999) 250 endg. vom 25. 5. 1999, ABl. EG 1999 C 180, S. 6. 90 Bei Nutzungen zu rein archivarischen und konservatorischen Zwecken wäre auch der Vervielfältigungshandlung als solcher kein wirtschaftlicher Nutzen zugekommen.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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lustrierte durch die beispielhafte Aufzählung91 im letzten Halbsatz, welche Arten von Einrichtungen in diesem Sinne als privilegierungswürdig anzusehen sind. Das Erfordernis der »öffentlichen Zugänglichkeit« der Einrichtungen war nicht mehr ausdrücklich im Text enthalten; ErwGr. 28 dieser Richtlinienfassung sprach mit Blick auf Art. 5 Abs. 2 lit. c allerdings weiter von »der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen, wie öffentlichen Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen«. cc) Seine endgültige Gestalt erhielt Art. 5 Abs. 2 lit. c durch den am 28. September 2000 vom Ministerrat beschlossenen Gemeinsamen Standpunkt zum Richtlinienvorschlag92, dem in der Folge auch die Kommission93 und das Europäische Parlament94 zustimmten. In der Begründung des Rates heißt es unter Nr. 25 und 2695 : »25. In seiner Änderung 38 hatte das Europäische Parlament vorschlagen, in Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) anzugeben, dass nur Vervielfältigungshandlungen, die zum Zweck der Archivierung oder Erhaltung vorgenommen werden, ausgenommen werden können. Der Rat hat jedoch einer flexibleren Formulierung den Vorzug gegeben, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen würde, auch Vervielfältigungshandlungen von den betroffenen Einrichtungen zu einem anderen als den oben genannten Zwecken auszuklammern, sofern diese Handlungen keinen wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen. 26. Das Europäische Parlament hatte ferner vorschlagen – und die Kommission hatte dies akzeptiert –, in Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) eine offene Liste der Kategorien von Einrichtungen aufzunehmen, die für die entsprechende Ausnahme in Betracht kämen. Der Rat hat sich jedoch für eine erschöpfende Liste entschieden.«
Der Rat sprach sich demnach dafür aus, die Beschränkung auf Archivierungsund Erhaltungszwecke zu Gunsten beliebiger Nutzungszwecke aufzuheben, solange die betreffenden Nutzungshandlungen nichtkommerzieller Natur sind. Daraus ergibt sich zugleich, dass sich der – offenbar dem Geänderten Vorschlag entlehnte – Relativsatz in Art. 5 Abs. 2 lit. c (»die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen«) in der endgültigen Richtlinienfassung auf die Verwertungshandlungen selbst beziehen 91 Vgl. Reinbothe, GRUR Int 2001, 733, 739. 92 Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 28. 9. 2000, ABl. EG 2000 C 344, S. 1. 93 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Art. 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EGV, SEK(2000) 1734 endg. vom 20. 10. 2000. 94 S. die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. 2. 2001, A5-0043/2001. 95 ABl. EG 2000 C 344, S. 17.
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Die Rechtslage in Deutschland
soll.96 Insoweit kehrte der Rat inhaltlich zum ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Kommission zurück, fügte ihm jedoch eine abschließende Liste privilegierter Einrichtungen hinzu, die neben den bereits im Geänderten Vorschlag genannten Bibliotheken, Archiven und Bildungseinrichtungen auch Museen umfasste. Sonstige kulturelle Einrichtungen wurden bewusst ausgeklammert. Warum in ErwGr. 40 weiterhin von »nicht kommerziellen Einrichtungen« gesprochen wird, bleibt indes unklar. Denkbar ist (neben der Möglichkeit eines Redaktionsversehens), dass ungeachtet der vom Rat beabsichtigten Betonung der Nichtkommerzialität der Nutzung Einigkeit darüber bestand, dass auch der Status der genannten öffentlichen Einrichtungen – im Sinne des Geänderten Vorschlags – stets nichtkommerziell ist. d) Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL lässt nach alledem nationale Schranken zu Gunsten von jeweils öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen sowie von Archiven zu und privilegiert damit primär die Tätigkeit sog. Gedächtnisinstitutionen. Erlaubt ist die Freistellung »bestimmter Vervielfältigungshandlungen«, wie z. B. einrichtungsinterner Vervielfältigungen zu Erhaltungs- oder Archivierungszwecken.97 Von einer ausdrücklichen Beschränkung der Regelung auf diese Nutzungszwecke sah der Richtliniengeber allerdings ab. Dennoch erscheint die vergütungsfreie Gestattung von Verwertungen in größerem Umfang angesichts des Wortlauts der Norm sowie der Gesetzessystematik und -historie problematisch. Die Frage, ob sich der von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ausgeschlossene »unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche oder kommerzielle Zweck« auf die Einrichtungen oder die Nutzungshandlungen bezieht, beantwortet die Gesetzeshistorie zu Gunsten der letzten Alternative.98 Dass der Begriff »nicht kommerzielle Einrichtungen« in ErwGr. 40 beibehalten wurde, könnte allerdings darauf hindeuten, dass der Richtliniengeber zusätzlich von der Nichtkommerzialität der konkret privilegierten Institutionen ausging. 3.
Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL – Werbung für die öffentliche Ausstellung und den öffentlichen Verkauf von künstlerischen Werken
Gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL können die Mitgliedstaaten Ausnahmen oder Beschränkungen vom Vervielfältigungsrecht und vom Recht der öffentlichen Wiedergabe bzw. Zugänglichmachung vorsehen
96 In diesem Sinne auch Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 739. 97 Entsprechend wurde Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL in Frankreich durch Art. L. 122-5 Nr. 8 CPI umgesetzt; s. unten S. 258 f. 98 v. Lewinski/Walter beziehen die Nichtkommerzialität hingegen auf die Einrichtungen; v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.38.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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»für die Nutzung zum Zwecke der Werbung für die öffentliche Ausstellung oder den öffentlichen Verkauf von künstlerischen Werken in dem zur Förderung der betreffenden Veranstaltung erforderlichen Ausmaß unter Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung«.
Die Regelung erlaubt die Nutzung von künstlerischen Werken zu Werbezwecken sowohl für öffentliche Ausstellungen als auch für den Verkauf der Werke in recht unbestimmter Weise, d. h. in dem zur Förderung der jeweiligen Veranstaltung »erforderlichen Ausmaß«, wenngleich »unter Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung«. Wie die Vorschrift nach Vorstellung des europäischen Gesetzgebers im Einzelnen auszulegen ist, lässt sich weder den Erwägungsgründen noch den Materialien entnehmen. Eine entsprechende Schranke sah weder der ursprüngliche Richtlinienentwurf der Kommission vom 10. Dezember 199799 noch der Geänderte Richtlinienvorschlag vom 21. Mai 1999100 vor. Die Vorschrift fand erst durch den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 28. September 2000101 Eingang in den Richtlinientext. Zulässig waren nach dieser ersten Fassung nationale Schranken »für die Nutzung zum Zwecke der Werbung für die öffentliche Ausstellung und den öffentlichen Verkauf von künstlerischen Werken in dem zur Förderung der betreffenden Veranstaltung erforderlichen Ausmaß«.
In der Begründung seines Standpunkts gab der Rat an, mit Art. 5 Abs. 3 lit. f bis lit. n »eine Reihe zusätzlicher, eng definierter Ausnahmen« berücksichtigt zu haben, um »entsprechenden Anträgen von Mitgliedstaaten entgegenzukommen«.102 Entlehnt wurde die Freistellung von Werbemaßnahmen möglicherweise dem britischen Urheberrecht.103 Art. 63 (1) des britischen Copyright, Design and Patents Act 1988 (CDPA) gestattet die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken der Kunst zum Zwecke der Verkaufswerbung.104 Auch 99 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, KOM(97) 628 endg. vom 10. 12. 1997, ABl. EG 1998 C 108, S. 6. 100 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, KOM(1999) 250 endg. vom 25. 5. 1999, ABl. EG 1999 C 180, S. 6. 101 Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 28. 9. 2000, ABl. EG 2000 C 344, S. 1, 9. 102 Gemeinsamer Standpunkt des Rates, ABl. EG 2000 C 344, S. 18, Nr. 35. 103 Vgl. Berger, ZUM 2002, 21, 25. 104 Art. 63 (1) CDPA (Advertisement of sale of artistic work) lautet: »It is not an infringement of copyright in an artistic work to copy it, or to issue copies to the public, for the purpose of advertising the sale of the work«.
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Die Rechtslage in Deutschland
Österreich kennt seit 1936 in § 54 Abs. 1 Nr. 2 öUrhG eine Freistellung zu Gunsten des Verkaufs von Kunstwerken.105 Die Kommission stimmte der vorgeschlagenen Schranke im Oktober 2000 zu,106 ihr Text wurde jedoch im Europäischen Parlament aufgrund einer Empfehlung des Rechtsausschusses für die zweite Lesung um den Zusatz »unter Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung« ergänzt. Als Begründung beschränkte sich der Ausschuss auf die Feststellung: »Dieser Änderungsantrag spricht für sich«.107 Die Ergänzung soll mithin betonen, dass Nutzungen, die nicht ausschließlich der Werbung für die konkrete Veranstaltung dienen bzw. kommerzieller Natur sind, nicht mehr unter die Freistellung fallen. Nach Auffassung von v. Lewinski/Walter dient die Ausnahme mehreren Interessen: Sie soll zunächst dem Veranstalter einer Ausstellung oder einem Kunsthändler ermöglichen, die Exponate oder Verkaufsgegenstände ohne die Notwendigkeit der Rechteeinholung zu bewerben; des Weiteren diene die Ausnahme der allgemeinen Öffentlichkeit, die über die Ausstellung oder den Verkauf informiert wird. Schließlich diene die Freistellung dem Künstler, insbesondere wenn er erwarten könne, vom Verkauf seiner Werke als Folge der Ausstellung oder des Verkaufs zu profitieren.108
4.
Der Dreistufentest in Art. 5 Abs. 5 HRL
Art. 5 Abs. 5 HRL wiederholt den in Art. 9 Abs. 2 RBÜ, Art. 13 TRIPs und Art. 10 WCT enthaltenen Dreistufentest109, dessen Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen: Die Schrankenregelungen des Art. 5 Abs. 1 bis 4 HRL dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.110 a) Die erste Stufe, die Beschränkung auf bestimmte Sonderfälle, dient dazu, pauschale Beschränkungen auszuschließen; der Gesetzgeber soll sich auf die Verfolgung spezieller Ziele festlegen müssen.111 Wie weitgehend die Anforderungen dieser ersten Teststufe an den Gesetzgeber sind, ist im Einzelnen um105 S. unten S. 100. 106 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Art. 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EGV, SEK(2000) 1734 endg. vom 20. 10. 2000. 107 Empfehlung des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt vom 6. 2. 2001, A5-0043/2001 endg., S. 10 f. (Änderungsantrag 10). 108 v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.65. 109 Vgl. oben S. 70 f. 110 Ausführlich zur Auslegung und Anwendung des Dreistufentests Senftleben, GRUR Int. 2004, 200; Poeppel, S. 111 ff. 111 Schack, AfP 2003, 1, 7 m.w. N.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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stritten.112 Nach Auffassung der TRIPs-Schiedsstelle bedeutet die Begrenzung auf »bestimmte« Sonderfälle in Art. 13 TRIPs, dass eine Ausnahme eindeutig zu definieren ist, wobei jedoch nicht jede nur denkbare Situation genau definiert werden muss, solange der Anwendungsbereich der Ausnahme bekannt und spezifiziert ist. Der Begriff des »besonderen« Falls wiederum wird dahingehend interpretiert, dass die Ausnahme in ihrem Anwendungsgebiet begrenzt sein oder einen besonders definierten Rahmen haben müsse. Sie müsse daher in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht eng gehalten sein. Das lege ein enges Anwendungsgebiet sowie ein besonderes oder charakteristisches Ziel nahe.113 b) Ist eine Ausnahme danach hinreichend spezifiziert, ist auf der zweiten Teststufe zu untersuchen, ob die betreffende Freistellung die normale Werkverwertung – bezogen auf das jeweils eingeschränkte Verwertungsrecht114 – beeinträchtigt. Der Begriff der »normalen Ver- bzw. Auswertung« bezeichnet den Kreis jener Handlungen, von denen ein Urheber vernünftigerweise erwarten kann, dass sie ihm für eine Verwertung seines Werkes zustehen. Eine urheberrechtliche Beschränkung soll nicht zur Folge haben, dass dem Urheber auf seinem eigenen Markt Konkurrenz gemacht wird.115 Insofern ist eine Bestimmung des Markts erforderlich, der vom jeweiligen Verwertungsrecht abgedeckt wird. Unbeeinträchtigt bleiben sollen nach der zweiten Teststufe die zu einem bestimmten Zeitpunkt üblichen Verwertungsmöglichkeiten, d. h. der typische Verwertungsmarkt eines bestimmten Werkes.116 Dabei können auch neue und nach Ansicht der TRIPs-Schiedsstelle selbst künftige Verwertungsmöglichkeiten mit berücksichtigt werden, die mit einem ausreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit und Plausibilität eine ökonomische und praktische Bedeutung erlangen könnten.117 Unter welchen Voraussetzungen eine Beeinträchtigung des typischen Verwertungsmarktes vorliegt, lässt sich jedoch allgemein kaum definieren.118 Senftleben fordert in diesem Zusammenhang, eine Beschränkung solle nur dann verworfen werden, wenn sie ganz erhebliche Umsatzeinbußen mit
112 Zum Meinungsstand und zur Problematik einer Konkretisierung des Merkmals »bestimmte Sonderfälle« Poeppel, S. 112 ff. m. w. N. 113 S. WTO-Panelreport vom 15. 6. 2000 zu Sec. 110(5) CA 1976, WT/DS160/R (abrufbar unter http://docsonline.wto.org), S. 33 (Absätze 6.108 und 6.109). 114 Reinbothe, FS Dittrich, S. 251, 258; Schack, AfP 2003, 1, 7; Poeppel, S. 116; a. A. Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 209, der die Gesamtverwertung von Werken der betroffenen Art zum Ausgangspunkt nehmen will. 115 Reinbothe, FS Dittrich, S. 251, 258; Bornkamm, FS Erdmann, S. 29, 46. 116 Poeppel, S. 116 f. m. w. N. 117 S. Poeppel, S. 117, unter Bezugnahme auf den WTO-Panelreport v. 15. 6. 2000 zu Sec. 110(5) CA 1976, WT/DS160/R (abrufbar unter http://docsonline.wto.org), S. 44 (Absatz 6.166) und S. 48 (Absatz 6.180). 118 Vgl. Poeppel, S. 117 f.
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Die Rechtslage in Deutschland
sich bringe, d. h. auf den »ökonomischen Kern des Urheberrechts« übergreife.119 Die TRIPs-Schiedsstelle wiederum fragt danach, ob eine Freistellung zu einem Verlust »bedeutender« oder »handfester« kommerzieller Gewinne führe.120 c) Ist eine Beeinträchtigung der normalen Werkauswertung im Einzelfall nicht feststellbar, erreicht man die dritte Teststufe. Sie verbietet Schrankenregelungen, die berechtigte Interessen der Urheber ungebührlich bzw. unzumutbar verletzen. Die letzte Etappe zwingt damit zu einer Interessenabwägung zwischen den legitimen, insbesondere ökonomischen Interessen der Urheber und den jeweils von der Freistellung privilegierten (berechtigten) Zwecken.121 Nur ungebührliche bzw. unzumutbare Verletzungen führen zur Unzulässigkeit einer Schranke.122 Um die Grenze der Unzumutbarkeit zu bestimmen, sind Umfang, Inhalt und Zweck der Schrankenregelung zu berücksichtigen.123 Die vorzunehmende Gesamtabwägung kann ergeben, dass die Aufhebung eines Verwertungsrechts nur dann dreistufentestkonform ist, d. h. die Interessen der Urheber nicht unzumutbar verletzt, wenn dem Urheber ein kompensierender Vergütungsanspruch eingeräumt wird.124 Die Harmonisierungs-RL spricht insoweit von einem »gerechten Ausgleich« (vgl. ErwGr. 35, 36). Allerdings darf der Gesetzgeber das Ausschließlichkeitsrecht nicht ohne zwingenden Grund zu einem bloßen Vergütungsanspruch herabstufen, wenn lizenzvertragliche Vereinbarungen möglich sind.125 d) Die drei Teststufen stellen damit im Ergebnis die gleichen Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen an urheberrechtliche Schranken wie die verfassungskonforme Auslegung.126 Der von Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Schutz der vermögenswerten Rechte des Urhebers als wichtiges verfassungsrechtliches Abwägungskriterium findet seine Entsprechung auf der zweiten Teststufe, die den wirtschaftlichen Kern des Urheberrechts schützen will. Im Rahmen der dritten Stufe ist wiederum zu prüfen, ob berechtigte Interessen der Urheber verletzt sind und ein finanzieller Ausgleich erforderlich ist.127 Die Interessen der Allge119 Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 209, noch dazu auf die Gesamtverwertung des Werkes abstellend, s. oben Fn. 114. 120 WTO-Panelreport, WT/DS160/R (abrufbar unter http://docsonline.wto.org), S. 48 (Absatz 6.183): »We believe that an exception or limitation to an exclusive right […] rises to the level of a conflict with a normal exploitation of the work […], if uses […] enter into economic competition with the ways that right holders normally extract economic value from that right to the work (i. e., the copyright) and thereby deprive them of significant or tangible commercial gains«. 121 Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 210 f.; Bornkamm, FS Erdmann, S. 29, 47; Poeppel, S. 119. 122 Vgl. Senftleben, GRUR Int. 2004, 200, 210. 123 Poeppel, S. 119; Reinbothe, FS Dittrich, S. 251, 259. 124 Bornkamm, FS Erdmann, S. 29, 47; Poeppel, S. 119. 125 Schack, AfP 2003, 1, 8. 126 Ausführlich Reschke, S. 133 ff. 127 Reschke, S. 134 f.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
83
meinheit sind bereits im Kontext der ersten Teststufe relevant, die ein spezifisches Ziel der Schranke vorschreibt, das einem (verfassungs-)legitimen Zweck dienen muss. Auf der dritten Teststufe sind die Interessen der Urheber und der Allgemeinheit entsprechend der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung der Schranken zu gewichten und abzuwägen.128
V.
Auslegung der Schrankenregelungen
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die in §§ 44a ff. UrhG normierten Schranken grundsätzlich eng auszulegen.129 Während diese Maxime früher vorwiegend mit dem besonderen Charakter der Schranken als Ausnahmevorschriften begründet wurde, die das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers einschränken,130 stellt der BGH in jüngerer Zeit maßgeblich auf den urheberrechtlichen Grundgedanken ab, dass »der Urheber möglichst tunlich angemessen an den wirtschaftlichen Früchten zu beteiligen [ist], die aus seinem Werk gezogen werden«131. Die ihm zustehenden Ausschließlichkeitsrechte dürften daher nicht übermäßig beschränkt werden.132 Eine restriktive Auslegung der Ausnahmeregelungen wird zudem aus dem Konventionsrecht, insbesondere aus dem Dreistufentest133 abgeleitet,134 der nunmehr auch in Art. 5 Abs. 5 HRL verankert ist. Der EuGH hat insoweit bestätigt, dass das Gebot der engen Auslegung, das nach ständiger Rechtsprechung für Bestimmungen einer Richtlinie gilt, die von einem in ihr aufgestellten allgemeinen Grundsatz abweichen, auch auf die Ausnahmetatbestände in Art. 5 HRL anzuwenden ist, die noch dazu im Licht von Art. 5 Abs. 5 HRL auszulegen sind.135 Nach mittlerweile überwiegender Ansicht in der Literatur kann allerdings in Einzelfällen auch eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung von 128 Reschke, S. 135 f. 129 BGHZ 50, 147, 152 = GRUR 1968, 607 – Kandinsky I; BGHZ 58, 262, 265 = GRUR 1972, 614 – Landesversicherungsanstalt; BGH GRUR 1983, 28, 29 – Presseberichtserstattung und Kunstwerkwiedergabe II; BGH GRUR 1985, 874, 875 – Schulfunksendung; BGHZ 114, 368, 371 = GRUR 1991, 903 – Liedersammlung; BGHZ 116, 305, 308 – Altenwohnheim; BGHZ 123, 149, 155 = GRUR 1994, 45, 47 – Verteileranlagen; BGHZ 126, 313, 317 = GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; BGHZ 144, 232, 235 = GRUR 2001, 51, 52 – Parfumflakon. 130 So bereits RGZ 130, 196, 206 – Codex aureus; BGHZ 50, 147, 152 f. – Kandinsky I; BGHZ 58, 262, 265 – Landesversicherungsanstalt. 131 BGHZ 17, 266, 282 = GRUR 1955, 492, 497 – Grundig-Reporter. 132 BGH GRUR 2002, 605, 606 f. – Verhüllter Reichstag; BGH GRUR 2005, 670, 671 – Wirtschaftswoche. 133 Vgl. oben S. 70 f., 80 ff. 134 Vgl. Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 18. 135 EuGH GRUR 2009, 1041, 1045 – Infopaq/DDF.
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Die Rechtslage in Deutschland
Schranken zulässig sein.136 Darüber hinaus wird zum Teil eine grundsätzlich flexiblere Anwendung der Schranken im Lichte der Kommunikationsgrundrechte oder gar eine weite Auslegung gefordert.137 Obgleich grundsätzlich an der engen Auslegung der Schranken festhaltend, hat auch der BGH einzelne Schranken bisweilen großzügig interpretiert oder eine analoge Anwendung zugelassen.138 Nach der jüngeren Rechtsprechung kann eine weite Auslegung insbesondere im Hinblick auf neue technische Entwicklungen geboten sein, die – unter Berücksichtigung des Schrankenzwecks – eine Anpassung von Schranken an geänderte oder neue Verwertungsformen erforderlich machen.139 Die extensive Anwendung einer Schranke kommt auch dann in Betracht, wenn dies den Urheber ausnahmsweise »günstiger stellt als die Geltung des Ausschließlichkeitsrechts«140. Danach ist mit der Rechtsprechung und überwiegenden Lehre festzuhalten, dass im Einzelfall der Zweck einer Schranke oder deren verfassungskonforme Auslegung auch eine weite oder analoge Anwendung einer Schranke rechtfertigen kann.
VI.
Systematische Einordnung von § 58 UrhG und Bewertung des Interessenausgleichs
Die Schranken des § 58 Abs. 1 und 2 UrhG und die ihnen jeweils zugrunde liegenden Interessenbewertungen sollen im Folgenden auf ihre Vereinbarkeit mit den dargestellten Grundsätzen des Verfassungs-, Konventions- und Europarechts überprüft werden. 136 Vgl. Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 20; Dreier/Schulze, vor §§ 44a ff. Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 45 Rn. 1; Ulmer, S. 315; Schack, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 689; Rehbinder, Rn. 435; Dreyer/Kotthoff/Meckel, vor §§ 44a ff. Rn. 19 ff. Für eine grundsätzlich enge Auslegung hingegen v. Gamm, § 45 Rn. 4; Fromm/Nordemann/ W. Nordemann, vor §§ 44a ff. Rn. 3; Möhring/Nicolini, § 45 Rn. 2. 137 Vgl. Geiger, GRUR Int. 2004, 815, 821; P. Raue, FS Nordemann, S. 327, 339; Kröger, MMR 2002, 18, 20 f.; Löffler, NJW 1980, 201, 204 f.; Hoeren, MMR 2000, 3 ff.; Möhring/Nicolini/ Hoeren, § 69d Rn. 2. Ausführlich zum Meinungsstand Poeppel, S. 41 ff. 138 BGHZ 99, 162, 164 f. = GRUR 1987, 362 – Filmzitat; BGHZ 141, 13, 19 ff. = GRUR 1999, 707, 709 – Kopienversanddienst; BGHZ 151, 300, 310 = GRUR 2002, 963 – Elektronischer Pressespiegel; BGH GRUR 2005, 670, 671 – Wirtschaftswoche; vgl. auch BGHZ 87, 126, 131 = GRUR 1983, 562 – Zoll- und Finanzschulen; BGH GRUR 1985, 874, 876 – Schulfunksendung; BGH GRUR 1994, 45, 47 – Verteileranlagen. 139 BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel. 140 BGH GRUR 2002, 963, 966 – Elektronischer Pressespiegel; vgl. auch BGH GRUR 2005, 670, 671 – Wirtschaftswoche. Ausdrücklich abgelehnt hat der BGH hingegen eine zur Begründung freier Nutzungen mitunter angeführte Interessenabwägung außerhalb des Urheberrechts; BGH GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag; BGH GRUR 2003, 956, 957 – GiesAdler ; vgl. Schack, UrhR, Rn. 537.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
1.
85
Freistellung der Werbung durch den Kunsthandel
a) § 58 Abs. 1 UrhG erlaubt – in Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL141 – die zustimmungs- und vergütungsfreie Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Kunstwerken zu Zwecken der Verkaufswerbung. Während die Gesetzesbegründung von 2003, abgesehen von der Bezugnahme auf die Richtlinienvorgabe, zu den Hintergründen der Privilegierung schweigt,142 stellte die Begründung von § 58 UrhG a. F. auf das Bedürfnis »aller Beteiligten«, namentlich der Veranstalter und des Publikums, nach einer erleichterten Herausgabe von Versteigerungsverzeichnissen ab. Da die Kataloge den Absatz und das Bekanntwerden seiner Werke förderten, seien sie auch für den Urheber von Nutzen.143 Unmittelbar von der Freistellung begünstigt wird zunächst der – die Verkäufe veranstaltende – Kunsthandel, d. h. Auktionshäuser, Galerien und Kunsthandlungen. Auf die Belange des Kunsthandels allein lässt sich die Schranke indes nicht stützen, da es sich dabei um Partikularinteressen handelt, die eine Versagung der Ausschließlichkeitsrechte mangels Gemeinwohlbezugs i. S. v. § 14 Abs. 2 GG ebenso wenig rechtfertigen können wie eigene Interessen der Urheber.144 Auf der anderen Seite kommt die Freistellung der Nutzung jedoch dem Interesse der Allgemeinheit am ungehinderten Zugang zu (Bild-)Informationen über zum Verkauf angebotene Kunstwerke zugute.145 Den Werkeigentümern wiederum wird die – von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte146 – freie Verfügung über ihr Eigentum am Werkstück erleichtert, welches gemäß § 17 Abs. 2 UrhG weiterverbreitet werden darf. Freie Bildnutzungen zu Verkaufszwecken dienen damit zugleich dem freien, ungehinderten Verkehr urheberrechtlich geschützter Waren. Die Freistellung lässt sich somit auch auf breitere Allgemeininteressen stützen. b) Allerdings erlaubt § 58 Abs. 1, insbesondere verglichen mit den sonstigen Schranken im UrhG und in Art. 5 HRL, die wirtschaftlichen Zwecken dienen (können)147, quantitativ und qualitativ relativ weitgehende Nutzungen. Zwar kann angenommen werden, dass Wiedergaben zu Werbezwecken – bei enger Auslegung der Schranke – die normale Werkverwertung in Form der Lizenzierung von Reproduktionen nicht derart beeinträchtigen, dass den Urhebern bedeutende wirtschaftliche Verluste entstehen.148 Mit der zweiten Stufe des 141 142 143 144 145 146 147 148
Vgl. oben S. 78 ff. Vgl. unten S. 113. S. unten S. 102. Vgl. oben S. 65 f.; Poeppel, S. 409 f. Vgl. Geiger, Rn. 257; Gautier, Rn. 360. Vgl. Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rn. 14. Vgl. §§ 55 – 57, 59 UrhG. Vgl. oben S. 81 f.
86
Die Rechtslage in Deutschland
Dreistufentests ist die Schranke daher vereinbar. Angesichts des verbleibenden Eingriffs in die Verwertungsrechte fordert ein Teil der Literatur jedoch eine Vergütung der Werbenutzungen.149 Dagegen wird angeführt, dass dem Urheber bei jedem erfolgreichen (Weiter-)Verkauf des Werkstücks ein Anteil am Erlös als Folgerechtsvergütung zufließt, so dass die Urheber von der Nutzung profitierten.150 Dieses Argument ist aus ökonomischer Perspektive beachtlich, weil die Folgerechtsabgabe das für die Urheber im Kontext der Veräußerung wirtschaftlich weitaus bedeutendere Recht darstellt. Dogmatisch ist hingegen fraglich, ob sich Einschnitte in Verwertungsrechte mit dem Hinweis auf die spätere Geltendmachung eines anderen Rechtes rechtfertigen lassen, zumal im Zeitpunkt der Nutzung noch nicht feststeht, ob ein Folgerechtsanspruch entstehen wird.151 Da das deutsche UrhG 1965 die Regelungen in § 26 und § 58 zeitgleich einführte, ist jedoch anzunehmen, dass der Gesetzgeber von 1965 die wechselseitigen Bezüge zwischen Katalogbildfreiheit (zur Werbung für Auktionen) und Folgerecht bereits in die Interessenabwägung bei der Ausgestaltung der Schranke und der Verwertungsrechte der Künstler mit hat einfließen lassen. Diese vom UrhG berücksichtigten Bezüge können somit auch bei der aktuellen Abwägung herangezogen werden. Bei der Gesamtabwägung der betroffenen Belange erscheint das Interesse der Urheber an der Geltendmachung der Reproduktionsrechte für Werbenutzungen angesichts der – wenngleich nicht zwingend bei jeder Veräußerung anfallenden152 – Folgerechtsvergütung (weiterhin) weniger gewichtig als die Interessen der Allgemeinheit an der Erleichterung der Veräußerung von Werkstücken. Bildnutzungen, die allein dem – im Idealfall – wertsteigernden Verkauf des Werkexemplars dienen, sind dem Urheber, der in der Regel bei jedem Eigentümerwechsel unter Einschaltung des Handels eine Erlösbeteiligung erhält, 149 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 55. Praktikabel erschiene dabei angesichts der Vielzahl der Einzelnutzungen allenfalls die Erhebung pauschaler Vergütungen. So schlägt Mercker für Reproduktionen in Verkaufsausstellungskatalogen eine Abgabe nach dem Vorbild der Künstlersozialabgabe vor, S. 171 f. Ähnlich Dreier, GRUR Int. 1992, 135, 136. Die zur Künstlersozialabgabe verpflichteten Unternehmen haben in Deutschland die bei der VG Bild-Kunst geführte »Ausgleichsvereinigung Kunst« gebildet, die die Zahlung der Künstlersozialabgabe (§§ 23 ff., 32 KSVG) und der Folgerechtsvergütung in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren ermöglicht; dazu M. Schulze, in: Ebling/Schulze, 2. Teil, Rn. 406 ff. 150 Berger, ZUM 2002, 21, 27; Poeppel, S. 410; Lehment, S. 95. 151 Vgl. auch die Kritik von Mercker, S. 168. 152 Vgl. § 26 Abs. 1 S. 4 UrhG. Für die freie Nutzung von Werken der angewandten Kunst und Baukunst zu Werbezwecken (dazu unten S. 118 ff.) vermag der Hinweis auf das Folgerecht zudem nicht uneingeschränkt zu greifen, da diese Werkarten gemäß § 26 Abs. 8 UrhG nicht folgerechtspflichtig sind (vgl. jedoch Art. 2 Abs. 1 der Folgerechts-RL). Da angewandte Kunst und Baukunst weitaus seltener Gegenstand lizenzierter Reproduktionen sein dürften als Werke der reinen Kunst und Lichtbildwerke, beeinträchtigt die Gestattung von Werbenutzungen die Verwertungsinteressen der Urheber aber auch in geringerem Umfang.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
87
daher vergütungsfrei zuzumuten.153 Die Schranke, die ihrem Wortlaut nach ausschließlich Nutzungen zur Werbung in dem »zur Förderung der Veranstaltung« erforderlichen Ausmaß gestattet, bedarf jedoch einer engen Auslegung, damit die Grenze zu einer ungebührlichen Interessenverletzung der Urheber nicht überschritten wird.
2.
Freistellung der Werbung für Kunstausstellungen
Im Gegensatz zur Privilegierung von Werbemaßnahmen des Kunsthandels, die in § 58 UrhG a. F. mit der Freistellung von Auktionskatalogen eine Vorläuferregelung besaß, ist die Privilegierung der Werbung für Kunstausstellungen eine dem deutschen Urheberrecht bis 2003 unbekannte Regelung. Der Gesetzgeber begründete sie wiederum mit der Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL.154 Wie in Kapitel 1 B.II dargestellt, dient die Schranke dem Interesse der Veranstalter von Ausstellungen, zu denen insbesondere öffentliche Museen und Ausstellungshäuser zählen, mit Exponaten aus den jeweiligen Ausstellungen zu werben. Wenngleich die Bildnutzung damit den öffentlichen Bildungsauftrag der Einrichtungen zu verwirklichen hilft und auch dem Bedürfnis des Publikums nach bebilderten Informationen zum Inhalt der Veranstaltung entspricht, fehlt es hier an einem gesteigerten öffentlichen Interesse an der Zustimmungs- und Vergütungsfreiheit der Nutzung. Insoweit ist zu bedenken, dass sich die Ausstellungswerbung im Gegensatz zu Ausstellungskatalogen nur der Abbildung einiger weniger Werke bedienen muss, um die Veranstaltung in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der damit verbundene Kosten- und Verwaltungsaufwand ist insofern geringer als bei der Einholung der Bildrechte für Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnisse. Zudem wird der Veranstalter durch Eintrittsgelder für eine Ausstellung in der Regel gewisse Einnahmen erzielen können. Werknutzungen im Kontext der Werbung dienen auch nicht der vertieften Information über Werke und Ausstellung, sondern vor allem einer bebilderten, das jeweilige Werbemittel schmückenden Bekanntmachung und Vorschau. Sie umfassen u. a. exponierte Wiedergaben des Werkes im öffentlichen Raum, etwa auf – in unterschiedlichster Weise gestalteten – Plakaten, und können damit auch die von 153 Vgl. insoweit die Begründung des schweizerischen Urheberrechtsentwurfes aus dem Jahr 1989, wonach die Ausdehnung der Katalogbildfreiheit auf Auktionskataloge mit dem Argument abgelehnt wurde, dass »es, besonders angesichts des Verzichts auf ein Folgerecht, den Veranstaltern von Auktionen durchaus zuzumuten [ist], auf das Wiedergaberecht der Urheber noch geschützter Werke Rücksicht zu nehmen und für die Einräumung einer entsprechenden Lizenz einen Teil ihrer Einnahmen aus der Auktion aufzuwenden«; Botschaft des Bundesrates vom 19. 6. 1989 zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG), abgedruckt in UFITA 114 (1990), 147 ff., 208. 154 S. unten S. 113.
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Die Rechtslage in Deutschland
Art. 1, 2 Abs. 1 GG geschützten persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Urheber empfindlich berühren.155 Aus verfassungsrechtlicher Sicht erscheint danach bereits die Zustimmungsfreiheit der Nutzung bedenklich. Schließlich lösen die beworbenen Ausstellungen auch keinen Folgerechtsanspruch aus, der den Eingriff in die Verwertungsrechte wirtschaftlich kompensieren könnte. Dem Urheber kommt zwar der zusätzliche Bekanntmachungseffekt der Werbenutzung zugute. Dieser ideelle Vorteil spricht jedoch dafür, dass er seine Zustimmung zu konkret beabsichtigten Werbenutzungen in der Regel zu angemessenen Bedingungen oder gar ohne Vergütung erteilen wird. Verweigert ein Urheber dagegen seine Zustimmung, stehen dem Ausstellungsveranstalter hinreichende Alternativen für Werbemotive zur Verfügung.156 De lege ferenda sollten Werbenutzungen für Ausstellungen daher – trotz Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL – vom Anwendungsbereich von § 58 Abs. 1 UrhG ausgenommen werden.157 De lege lata ist derweil eine restriktive Auslegung der Schranke geboten.
3.
Freistellung der Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
a) § 58 Abs. 2 UrhG erlaubt öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen die zustimmungs- und vergütungsfreie Werknutzung zur Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandskatalogen. Damit dient die Schranke im Museumsbereich dem Interesse an der erleichterten und kostengünstigeren Herausgabe vollständiger Ausstellungs- und Bestandsdokumentationen.158 Rein fiskalische Interessen bzw. Interessen einzelner Verwerter können Eingriffe in die Ausschließlichkeitsrechte zwar nicht begründen.159 Doch korrespondiert die Nutzung unmittelbar mit dem Bildungs- und Informationsinteresse von Ausstellungsbesuchern.160 Museen in staatlicher Trägerschaft können die Herausgabe der Kataloge, mit der sie ihrem öffentlichen Bildungsund Forschungsauftrag entsprechen, ihrerseits auf das Kulturstaatsprinzip stützen. Damit liegen – insbesondere was Ausstellungskataloge betrifft, die die öffentliche und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kunst in besonderem Maße fördern – zugleich privilegierungswürdige Allgemeininteressen vor, die jedenfalls die Zustimmungsfreiheit der Nutzung rechtfertigen könnten.161 Die Möglichkeit, die Verzeichnisse kostengünstiger an das Publikum abzugeben, 155 156 157 158 159 160 161
Poeppel, S. 399; vgl. oben S. 55. Berger, ZUM 2002, 21, 25. Ebenso Poeppel, S. 399 f.; in diesem Sinne auch Berger, ZUM 2002, 21, 25 f. S. oben S. 56 ff. S. oben S. 65; Schricker/Loewenheim/Melichar, vor §§ 44a ff. Rn. 5; Poeppel, S. 393. S. oben S. 61 f. Ebenso Poeppel, S. 392 f.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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spricht auf den ersten Blick auch für die Vergütungsfreiheit. Ob und inwieweit das Allgemeininteresse zustimmungs- und vergütungsfreie Wiedergaben in Museumskatalogen tatsächlich rechtfertigen kann, bedarf jedoch insbesondere mit Blick auf den Dreistufentest in Art. 5 Abs. 5 HRL162 einer genaueren Prüfung. b) Institutionelle Aussteller wie Museen zählen zu den wesentlichen Verwertern von Kunstwerken. Da bildende Künstler und Fotografen nach der Veräußerung eines Werkexemplars in der Regel nur selten Gelegenheit haben, aus der Lizenzierung von Reproduktionen Einkünfte zu erzielen, dürfte die vollständige Freistellung von Katalogbildern in musealen Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen die ohnehin raren Möglichkeiten der Zweitverwertung schmälern.163 Ob dadurch die »normale Werkverwertung« i. S.d zweiten Stufe des Dreistufentests beeinträchtigt wird, lässt sich indes – auch mangels empirischer Daten164 – nicht abschließend beurteilen. Unterstellt werden kann zunächst, dass die gelegentliche Lizenzierung einer einzigen Katalogabbildung, etwa in einem (Gruppen-)Ausstellungskatalog, für den Urheber wirtschaftlich kaum ins Gewicht fällt.165 Bedeutendere Einnahmen können erzielt werden, wenn es sich um den Katalog zu einer Einzelausstellung mit Werken eines Künstlers handelt oder Werke des Künstlers bereits in zahlreichen Museen vertreten sind. Mit zunehmender Anerkennung des Künstlers mehren sich somit die »Verluste« durch die freigestellten Museumsreproduktionen. Zugleich wird es aber wahrscheinlicher, dass seine Werke häufiger in anderen wissenschaftlichen oder kommerziellen Publikationen erscheinen. Damit kann einerseits eine Konkurrenzsituation zwischen Museums- und anderen Bildnutzungen auftreten, die Zweitverwertungen durch den Urheber zusätzlich beeinträchtigt; andererseits kann der Anteil an Nutzungen eines Werkes in Museumsverzeichnissen bei einem wachsenden »Markt« für Reproduktionen an einem bestimmten Punkt abnehmen und an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren. Die Frage, ob die normale Verwertung von Kunstwerken, bezogen auf Vervielfältigungen, durch § 58 Abs. 2 UrhG von vornherein unzulässig beeinträchtigt wird, kann daher ohne repräsentative Zahlen zur wirtschaftlichen Relevanz der Bildnutzungen von Museen nicht eindeutig beantwortet werden.166 Sieht man die 162 Vgl. oben S. 80 ff. 163 Vgl. Schack, KuR, Rn. 284, 692. 164 Die VG Bild-Kunst etwa hält keine Zahlen vor, anhand derer sich Katalognutzungen von Museen und Nutzungen in anderen »Büchern« quantitativ gegenüberstellen ließen. 165 Nach den aktuellen Tarifen der VG Bild-Kunst ist z. B. für eine halbseitige Abbildung in Büchern bei einer Auflage bis zu 3.000 Exemplaren eine Vergütung von 64 EUR zu zahlen. Für ganzseitige Abbildungen beträgt die Vergütung 80 EUR. Die Tarife sind auf der Internetseite der VG Bild-Kunst einsehbar, www.bildkunst.de. 166 Für eine nicht zu strenge Beurteilung der zweiten Testetappe mag hier sprechen, dass der Dreistufentest als Korrektiv für Nutzungen von Werkarten konzipiert scheint, für die ein breiter, urheberrechtlich relevanter Markt von Endkonsumenten besteht, dessen Er-
90
Die Rechtslage in Deutschland
normale Bildauswertung der Werke durch die Freistellung von Ausstellungsund Bestandskatalogen im Ergebnis als nicht beeinträchtigt an, gelangt man zu der Frage, wie die betroffenen Interessen auf der dritten Teststufe zu bewerten und gewichten sind. c) Bei der Interessenabwägung auf der letzten Stufe des Dreistufentests, die der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung entspricht,167 sind das öffentliche Interesse an der Information über die ausgestellten oder im Bestand befindlichen Werke und der Bildungsauftrag öffentlicher Museen den berechtigten Verwertungsinteressen der Urheber gegenüberzustellen. aa) Wie bereits dargelegt, entsprechen Ausstellungskataloge dem besonderen Bedürfnis des Publikums an weitergehenden Informationen über die Exponate. Weniger groß ist das Allgemeininteresse dagegen an der Nutzung nichtausgestellter Werke im Bestand, die nicht der unmittelbaren Erläuterung von Exponaten für das Publikum dienen. Anders als im Fall der Verkaufs- und Ausstellungswerbung ist die Nutzung in Bestandskatalogen auch nicht zeitlich beschränkt. Auch bietet das Folgerecht den Künstlern keinen wirtschaftlichen Ausgleich für die vorgenommenen Verwertungshandlungen.168 In der Literatur wird daher, zum Teil unter Berufung auf einen Verstoß gegen den Dreistufentest,169 seit Längerem die Einführung eines Vergütungsanspruchs gefordert.170 Andere Autoren gehen davon aus, dass selbst Ausstellungskataloge, die durch exzellente Farbwiedergaben bestechen, die Publikation systematisch geordneter Kunstbände durch das am Werkschaffen des Künstlers geweckte Interesse eher förderten,171 d. h. die Nachfrage nach Reproduktionen sogar anregen könnten.172
167 168 169 170
171 172
schließung im Kern dem Urheber vorbehalten bleiben muss. Der Schwerpunkt der Verwertung von Kunstwerken liegt dagegen auf ihrem urheberrechtlich nicht erfassten Verkauf, während die Lizenzierung von Reproduktionen erst dann zum Tragen kommt, wenn der Künstler – nach Vorstellung des Gesetzgebers mit Hilfe der Katalogbilder – gewisse Anerkennung und Bekanntheit erlangt hat (vgl. oben S. 38 f.). Da Lizenzgebühren eine weitere Einkommensquelle der Künstler darstellen, lassen sich Einschnitte in die Reproduktionsrechte jedoch keineswegs pauschal mit dem »Fördereffekt« für den Absatz der Originale rechtfertigen, zumal sich die positiven Auswirkungen der Katalogbilder, wie gesehen (oben S. 54 f.), in Grenzen halten dürften. Zur Berücksichtigung eventueller Werbeeffekte im Rahmen der Interessenabwägung s. sogleich unter c)aa) und bb). S. oben S. 82 f. Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 9. Kühl, S. 95 f.; an der Richtlinienkonformität zweifelt auch v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 147. Für die Einführung eines Vergütungsanspruches de lege ferenda ferner Berger, ZUM 2002, 21, 26; Schack, UrhR, Rn. 569; Mercker, S. 163 ff.; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 8; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 236; Lehment, S. 94 f.; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 147 f. Entsprechend bereits zu § 58 UrhG a. F.: Katzenberger, UFITA 68 (1973), 71, 93 f.; Dreier, in: Schricker, Informationsgesellschaft, S. 170 f.; ders., GRUR Int. 1992, 135, 136. W. Nordemann/Dustmann, in: Ebling/Schulze, 2. Teil, Rn. 219. Vgl. auch Kirchmaier, KUR 2004, 177, 182, der entsprechend der Gesetzesbegründung zu
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Dass die immateriellen Vorteile der Katalognutzungen die Verwertungsinteressen der Urheber vollständig in den Hintergrund treten lassen, erscheint jedoch zweifelhaft, zumal sich auch insoweit nicht abschließend bewerten lässt, welche Anreize die Abbildung in einem Museumskatalog, verglichen mit der Besichtigung des Exponats, beim Publikum konkret weckt.173 Eine erläuterte Katalogabbildung kann beim Besucher einer Ausstellung zwar das Interesse an einem Künstler verstärken; ob er gerade deshalb zusätzlich eine Postkarte mit dem Motiv erwirbt oder ein Kunstbuch mit vergleichbaren Werkabbildungen eher kauft oder davon absieht, lässt sich nicht voraussagen. Feststehen dürfte nur, dass Museumskataloge hauptsächlich wegen ihrer Abbildungen erworben werden174 und der Künstler die Museumstätigkeit mit der vergütungsfreien Wiedergabe an prominenter Stelle »subventioniert«. bb) Wie gesehen, beeinflusst die Aufnahme von Werken in Museumsausstellungen und -sammlungen sowie ihre Abbildung in den zugehörigen Verzeichnissen aber auch die Wertschätzung eines Künstlers auf dem Primärmarkt.175 Dieser für den Künstler bedeutende Effekt resultiert allerdings maßgeblich aus dem Ankauf bzw. der – den Museen vergütungsfrei erlaubten176 – Ausstellung des Werkes und lässt ein Interesse an einer Vergütung der Katalogbilder nicht hinfällig werden, es sei denn, man geht insoweit von einer Art »Dankesschuld« des Urhebers gegenüber den Museen und der Allgemeinheit aus. Letzterem Argument hat das BVerfG in seinem Beschluss zum Kirchen- und Unterrichtsgebrauch177 (§ 46 UrhG) indes eine klare Absage erteilt und festgestellt, dass der Urheber, der auf dem überkommenen Kulturgut aufbaut, weder aufgrund einer besonderen Dankesschuld gegenüber der Allgemeinheit noch aufgrund der ideellen Vorteile, die mit Aufnahme eines Werkes in ein Schulbuch einhergehen, zur unentgeltlichen Wiedergabe verpflichtet ist. Der mögliche ideelle Vorteil – die Etikettierung des Werkes als »anerkanntes Kulturgut« – könne als Ausgleich für das fehlende Verbotsrecht, nicht jedoch für die Nicht-
173
174 175 176 177
§ 58 UrhG a. F. darauf hinweist, dass die Kataloge die Bekanntheit und den Absatz der Werke förderten. Vgl. insoweit den Einwand Ernst Ludwig Kirchners gegen die vergütungsfreie Wiedergabe von vier Werken (vermutlich allesamt Holzschnitte) in der expressionistischen Zeitschrift »Anbruch«: »Die Art und Größe der Reproduktionen bedeutet eine Entwertung der Originale, da die Abbildungen recht gut als Ersatz der Originale dienen können und wohl auch so gedacht sind«. Kirchner verbot dem Mitherausgeber und Verleger der Zeitschrift, Jsrael Ber Neumann, daher am 24. 11. 1919 jede Reproduktion seiner Arbeiten, es sei denn, Letzterer zahle die geforderten Gebühren und Kirchner selbst wähle die Blätter aus; Delfs, Briefwechsel Kirchner, Nr. 817. Dementsprechend ließ Kirchner sich (unter der Geltung des KUG) auch Wiedergaben in Museumskatalogen vergüten; s. unten Fn. 199. Vgl. Börsch-Supan, S. 57; s. auch unten S. 160 Fn. 533. S. oben S. 54 f. Vgl. dazu Erdmann, GRUR 2011, 1061, 1064 f. BVerfG GRUR 1972, 481 – Kirchen- und Schulgebrauch.
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Die Rechtslage in Deutschland
berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen des Urhebers angesehen werden.178 Auch der Bildungszweck der Sammlungen und der damit verbundene Verwaltungsaufwand könne den Ausschluss des Vergütungsanspruchs nicht rechtfertigen. Der Urheber sei nicht verpflichtet, »das Ergebnis eigener Leistung für Zwecke der Volksbildung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen«.179 Das BVerfG verlangte daher für die Werknutzung in Sammlungen für den Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch die Einführung eines Vergütungsanspruchs. Zwar liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Museumsverzeichnissen und Schulbüchern darin, dass Museen die Werkabbildungen nicht lediglich als Unterrichtsmaterial verwenden, sondern die Originale im Allgemeininteresse verwahren, erforschen und ausstellen und damit wesentlich zum Renommee der Werke beitragen. Nach den Wertungen des »Schulbuch«-Beschlusses verpflichtet dies den Urheber jedoch nicht zum Verzicht auf eine Vergütung, zumal sich die für ihn »werbende« Nutzung in Museumskatalogen – anders als etwa im Bereich der Presseberichterstattung (§ 50 UrhG) – nicht in einzelnen Wiedergaben, wie etwa in Tageszeitungen180 oder im Internet181, erschöpft oder die strengen Voraussetzungen des wissenschaftlichen Großzitats (§ 51 S. 2 Nr. 1 UrhG)182 erfüllen muss. Auch der Bildungszweck von Ausstellungskatalogen und Sammlungen i. S. v. § 46 UrhG, der die Einschränkung der Verwertungsrechte maßgeblich rechtfertigt, ist vergleichbar. Die unterschiedliche Behandlung der Vergütungsfrage lässt sich daher streng genommen auch nicht damit rechtfertigen, dass die Kataloge dem Publikum günstiger angeboten werden sollen.183 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kosten der Kataloge aus dem Gesamtbudget für eine Ausstellung finanziert werden, zu dem neben dem Träger
178 BVerfG GRUR 1972, 481, 485 – Kirchen- und Schulgebrauch; vgl. auch BVerfG GRUR 1980, 44, 48 – Kirchenmusik. 179 BVerfG GRUR 1972, 481, 485 – Kirchen- und Schulgebrauch. In diesem Sinne hatte der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren u. a. unter Berufung auf die »Dankesschuld« des Urhebers erfolgreich für die Vergütungsfreiheit der Nutzung plädiert. Der Entwurf der Bundesregierung hatte hingegen eine Vergütungspflicht vorgesehen, um die wirtschaftlichen Interessen der Urheber zu wahren. Die Vorschrift bezwecke nicht, dass derartige Sammlungen auf Kosten der Urheber möglichst billig hergestellt werden könnten; vgl. die Begründung des RegE, die Stellungnahme des Bundesrates und die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses bei Haertel/Schiefler, S. 216 f., 534. 180 Vgl. BGH GRUR 1983, 25 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I. 181 Vgl. BGH GRUR 2011, 415 – Kunstausstellung im Online-Archiv. Danach dürfen Werkabbildungen, die anlässlich einer Ausstellung als Teil der Berichterstattung im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, nur so lange wiedergegeben werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann. Eine darüber hinaus gehende Wiedergabe in einem Online-Archiv ist von § 50 UrhG nicht mehr gedeckt. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Auslegung BVerfG GRUR 2012, 389. 182 Vgl. BGHZ 50, 147, 155 – Kandinsky I; Schack, KuR, Rn. 280. 183 Ebenso Berger, ZUM 2002, 21, 26.
Grundlagen der urheberrechtlichen Schranken
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der Einrichtung regelmäßig auch Sponsoren beitragen,184 und im Verhältnis zu den sonstigen Kosten der Veranstaltung, u. a. für den Transport und die Versicherung der Werke und die zu leistende wissenschaftliche Vorarbeit, eine vergleichsweise kleine Kostenposition darstellen.185 Entsprechendes gilt für die im Fall der Vergütungspflichtigkeit der Katalogbilder aufzuwendenden Lizenzgebühren. Museen profitieren zudem von der Möglichkeit, mit Eintrittsgeldern für Sonder- oder Dauerausstellungen gewisse Einnahmen zu erzielen. cc) Ein Wertungswiderspruch offenbart sich auch bei einem Vergleich mit § 52b UrhG, der mit dem sog. »Zweiten Korb«186 eingeführt wurde und öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Museen und Archiven in Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL die Zugänglichmachung von Werken aus ihrem Bestand an elektronischen Leseplätzen erlaubt.187 § 52b UrhG soll der Gesetzesbegründung zufolge dem Bildungsauftrag der genannten Einrichtungen Rechnung tragen und zugleich einen Beitrag zur Förderung der Medienkompetenz der Bevölkerung leisten.188 Obgleich die Gewährung der Nutzung auf die Räume der Einrichtung und die dortige bloße Wahrnehmung189 begrenzt ist und eine »doppelte Bestandsakzessorietät«190 voraussetzt, sieht die Norm die Zahlung einer angemessenen Vergütung vor.191 Die Herausgabe in Verzeichnissen i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG, die quantitativ sowie mit Blick auf die gestattete Verbreitung eine ungleich intensivere Werknutzung darstellt, ist demgegenüber vergütungsfrei. dd) Einen gesetzlichen Vergütungsanspruch für Nutzungen in Ausstellungswie Bestandsverzeichnissen legt insbesondere auch Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nahe. Die Schrankenvorgabe sieht einen »gerechten Ausgleich« zwar nicht ausdrücklich vor. Hintergrund hierfür ist aber offenbar der intendierte enge Anwendungsbereich der Schranke, die ursprünglich vor allem einrichtungsinterne Verwertungshandlungen zu Erhaltungszwecken privilegieren wollte.192 Gesetzeshistorie und -systematik sprechen daher dafür, dass Nutzungen, die über
184 Vgl. oben S. 48. 185 S. Mercker, S. 164. 186 Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. 10. 2007 (BGBl. I 2513), in Kraft getreten am 1. 1. 2008. 187 Ebenso Lehment, S. 95. 188 Begründung des RegE, BT-Drs. 16/1828, S. 26. 189 Ein Ausdruck oder Abspeichern von Werken auf Datenträgern soll nicht erlaubt sein; Schricker/Loewenheim, § 52b Rn. 11 m. w. N. 190 Die Einrichtungen dürfen gemäß § 52b S. 2 UrhG nicht mehr Werkexemplare gleichzeitig an elektronischen Leseplätzen zugänglich machen, als der Bestand der Einrichtung umfasst. 191 Die Begründung des RegE enthält dazu keine Ausführungen; vgl. BT-Drs. 16/1828, S. 25 f. Zur »digitalen Lesetantieme« in § 52b Abs. 3 und 4 vgl. auch Pflüger/Heeg, ZUM 2008, 649, 651 f. 192 S. oben S. 74 ff.
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Die Rechtslage in Deutschland
einzelne Verwertungshandlungen, wie z. B. Vervielfältigungen zu konservatorischen Zwecken, hinausgehen, einer Vergütung bedürfen.193 Nach alledem erscheint eine Vergütungspflicht für Bildnutzungen in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen von Museen bereits de lege lata geboten.
B.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungs- und Verkaufswerbung und in Museumsverzeichnissen
I.
Historische Entwicklung
Das bis Ende 1965 geltende Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (Kunsturhebergesetz, KUG)194 sah keine gesetzliche Freistellung für Katalogabbildungen oder vergleichbare Bildnutzungen durch Museen oder den Kunsthandel vor. § 19 Abs. 1 KUG gestattete lediglich die Aufnahme »einzelner Werke« der bildenden Kunst und Fotografie in eine selbständige wissenschaftliche Arbeit oder in ein Schriftwerk für den Schul- und Unterrichtsgebrauch unter der Voraussetzung, dass die Nutzung »ausschließlich zur Erläuterung des Inhalts« erfolgte.195 Die Abbildungen durften als »dem Schriftwerkszwecke behilfliche Nebensache«196 nur dem besseren Verständnis des Textes dienen. Dem stand nach Auffassung des Reichsgerichts nicht entgegen, dass auch erläuterungshalber beigefügte Abbildungen oftmals eine »anziehende Zutat« sind; der Schmuckzweck durfte jedoch nicht überwiegen.197 Auch eine (visuelle) Vervollständigung des textlichen Inhalts ging über die bloße »Erläuterung« hinaus.198 Zulässig waren danach nur Wiedergaben einzelner Werke als erläuternde Großzitate, z. B. in einem kunstgeschichtlichen Werk für den Unterricht.199 Museen, die ihre Exponate umfassend (und als Hauptgegenstand) in Katalogen präsentieren wollten, mussten sich das »Katalog-Abbildungsrecht« daher ausdrücklich einräumen lassen.200 Mehrere Entwürfe für eine Reform des Urheberrechts enthielten indes 193 Ebenso im Ergebnis Kühl, S. 95 f. 194 RGBl. 1907, S. 7. 195 Das entlehnte Werk musste erschienen oder »bleibend öffentlich ausgestellt« sein (§ 19 Abs. 1 S. 2 KUG), d. h. sich in letzterem Fall entweder an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen oder in Räumen befinden, die dem Zutritt des Publikums grundsätzlich offen stehen (Kirchen, Museen, Galerien etc.); Ulmer2, § 50, S. 240. 196 RGZ 130, 196, 200 – Codex aureus. 197 RGZ 130, 196, 207 – Codex aureus. 198 RGZ 139, 327, 339; 144, 106, 112. 199 Vgl. Ulmer2, § 50, S. 241, 243. Zur Fortgeltung der Voraussetzungen von § 19 Abs. 1 KUG im Anwendungsbereich von § 51 Nr. 1 UrhG vgl. BGH GRUR 1968, 607, 608 – Kandinsky I. 200 S. Voigtländer/Elster3, § 8 LUG Anm. 4a), S. 106; Mercker, S. 56. Allerdings beachteten nicht
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
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seit Ende der 1920er Jahre auch Vorschläge für eine gesetzliche Freistellung von Katalogbildern (dazu sogleich unter 1). Anders als in der Schweiz und in Österreich (s. unten 2) wurden die Gesetzesentwürfe jedoch vom deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bildete sich gleichwohl für Museen eine gewohnheitsrechtliche Befugnis heraus, ein zur öffentlichen Ausstellung überlassenes Werk in einem Katalog wiedergeben zu dürfen (s. unten 3). Das UrhG 1965 nahm schließlich in § 58 UrhG a. F. eine gesetzliche Katalogbildfreiheit für Ausstellungs- und Versteigerungskataloge auf (s. unten 4), die im Jahr 2003 vor dem Hintergrund der umzusetzenden Harmonisierungs-RL erheblich erweitert wurde (s. unten 5). 1.
Erste Gesetzesentwürfe zur Kodifizierung einer Katalogbildfreiheit
Ende der 1920er Jahre wurden im Rahmen privater Reformentwürfe für ein einheitliches Urhebergesetz201 erstmals Vorschläge für eine Freistellung von Katalogbildern veröffentlicht bzw. im Zuge der Vorarbeiten diskutiert. a) Empfohlene Ergänzung des Marwitz-Entwurfs von 1929 Bruno Marwitz konzipierte einen 1929 veröffentlichen Gesetzesvorschlag für eine einheitliche Reform der Urheberrechtsgesetze in Deutschland und Österreich. Sein Entwurf202 und ein dazu erarbeiteter Fragebogen wurden einer aus deutschen und österreichischen Juristen zusammengesetzten Arbeitsgruppe zur Stellungnahme vorgelegt. Auf Frage Nr. XIII (»Welchen sonstigen Beschränkungen ist das UR zu unterwerfen?«) regte ein nicht namentlich genanntes österreichisches Mitglied der Arbeitsgruppe (Mitarbeiter 31) die Aufnahme einer – im Marwitz-Entwurf nicht enthaltenen – Schrankenregelung zur Privi-
alle Museen die Urheberrechte der Künstler bei der Erstellung von Publikationen. So stritt sich Ernst Ludwig Kirchner, der Reproduktionen seiner Werke penibel kontrollierte, u. a. mit der Berliner Nationalgalerie wegen unautorisierter Wiedergaben in Katalogen; vgl. seinen Briefwechsel mit dem Verlag Julius Bard im Februar 1931, in: Delfs, Briefwechsel Kirchner, Nr. 2486 – 2488. Vgl. auch den Schriftwechsel Kirchners mit dem Direktor der Kunsthalle Hamburg, Gustav Pauli, von Juni 1921 (Nr. 963 – 965), in dem Kirchner um »wörtliche Befolgung« seiner anwaltlich übermittelten Reproduktionsbedingungen für zwei von der Kunsthalle angekaufte Werke bat und darauf hinwies, dass er für Abbildungen in Museumskatalogen stets ein Honorar beanspruche. 201 UFITA 2 (1929), 185 – 191 und 652 – 681, druckte vier Gesetzesentwürfe von Goldbaum/ Wolff, Elster, Hoffmann und Marwitz ab. Die Entwürfe von Goldbaum/Wolff und Hoffmann enthielten jeweils eine Privilegierung von Sammlungskatalogen. 202 Die Regelungen des Arbeitsentwurfs von Marwitz gehen nur indirekt aus dem Bericht von Elster, Hoffmann und Marwitz zur deutschen und österreichischen Urheberrechtsreform hervor, UFITA 2 (1929), 125 – 184.
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Die Rechtslage in Deutschland
legierung der Wiedergabe von Werken der bildenden Kunst in öffentlichen Sammlungen an:203 »g) […] Als weitere Auswirkung des Rechts der Allgemeinheit, die im geltenden Rechte Deutschlands und Österreichs noch nicht anerkannt sind, die sich aber im Hinblick auf diese Rechte empfehlen, nennt 31: aa) Die Zulässigkeit der Wiedergabe von solchen Werken der bildenden Kunst, die sich in öffentlichen Sammlungen befinden. Denn der Künstler, der sein Werk an eine öffentliche Sammlung überlässt, will hiermit sein Werk in ganz besonderer Weise der Öffentlichkeit zugänglich machen (Kodifikation dieses Rechts der Allgemeinheit findet sich in Bulgarien § 53, Finnland § 18, Lettland Ziff. 54, Polen Art. 15 Ziff. 3, Portugal Art. 93, Rumänien Art. 27 Ziff. 1, Schweiz Art. 30 Ziff. 2, Uruguay Art. 18 Nr. 8).«
In der endgültigen Fassung seines Gesetzesentwurfs berücksichtigte Marwitz diesen Vorschlag allerdings nicht.204 b) Der Goldbaum/Wolff-Entwurf von 1929 (§ 22 Nr. 1) Der ebenfalls aus dem Jahr 1929 stammende und im Auftrag des Reichsverbandes für deutsches Schrifttum von Wenzel Goldbaum und Hans-Erich Wolff verfasste Entwurf eines Urheberschutzgesetzes205 enthielt demgegenüber in § 22 Nr. 1 eine spezielle Freistellung von Katalogbildern veröffentlichter Werke sowohl der bildenden Kunst als auch der Fotografie. Sie lautete: »Zulässig ist die Wiedergabe: 1. von veröffentlichten Werken der bildenden Kunst oder Photographie nach Exemplaren einer öffentlichen Sammlung, sofern die Wiedergabe in dem von der Verwaltung der Sammlung herausgegebenen Katalog erfolgt, 2. […]«206
c) Der Hoffmann-Entwurf von 1929 (§ 21 Nr. 7) Auch der Entwurf zu einem Urheberrechtsgesetz von Willy Hoffmann sah in § 21 ein Nutzungsprivileg für Werke der bildenden Kunst in öffentlichen Sammlungen vor, das allerdings nicht auf Wiedergaben in Katalogen beschränkt war. Die Privilegierung war mit einer Freistellung für Werke an öffentlichen Orten kombiniert. Sie enthielt die Einschränkung, dass die Wiedergabe jeweils »in anderer Kunstgattung als das Original«207 erfolgen musste. In Betracht kamen
203 Elster/Hoffmann/Marwitz, Zur deutschen und österreichischen Urheberrechtsreform, UFITA 2 (1929), 125 f., 164, 169. 204 Vgl. Marwitz, UFITA Bd. 2 (1929), 668 – 681, §§ 16 – 23, § 18. 205 Goldbaum/Wolff, Entwurf eines Urheberschutzgesetzes, UFITA 2 (1929), 185 – 191, 189. 206 Goldbaum/Wolff, UFITA 2 (1929), 185, 189. 207 Ähnlich bereits die Einschränkungen in §§ 18 Abs. 2, 20 Abs. 1 S. 1 KUG.
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insoweit vor allem fotografische Vervielfältigungen, während Vervielfältigungen unter Verwendung der Technik des Originals unzulässig gewesen wären. »Als zulässige Wiedergabe ist anzusehen […] 7. die Wiedergabe von Werken der bildenden Kunst, die sich bleibend an einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Orte oder in öffentlichen Sammlungen befinden, jedoch in anderer Kunstgattung als das Original. Bei privaten Bauwerken erstreckt sich die zulässige Wiedergabe auf die äußere Ansicht.«208
d) Der deutsch-österreichische Gesetzesentwurf von 1932 (§ 42 Nr. 1) Im Jahr 1932 veröffentlichte das Reichsjustizministerium einen deutsch-österreichischen Urhebergesetzesentwurf (RMJ-E 1932), der in § 42 Nr. 1 ein Katalogbildprivileg erstmals auch für Werkstücke einführen wollte, die »zur öffentlichen Versteigerung bestimmt« waren. Zudem knüpfte die Regelung nicht an die Zugehörigkeit des Werkstücks zu einer Sammlung, sondern an dessen öffentliche Ausstellung an. Neben der Vervielfältigung der Werke in vom jeweiligen Veranstalter herausgegebenen Verzeichnissen sollte auch die »gewerbsmäßige« Verbreitung der Verzeichnisse gestattet sein: »Es ist zulässig: 1. ein öffentlich ausgestelltes oder zur öffentlichen Versteigerung bestimmtes Werkstück in Verzeichnissen, die vom Veranstalter der Ausstellung oder der Versteigerung für diesen Zweck herausgegeben werden, zu vervielfältigen und die Verzeichnisse gewerbsmäßig zu verbreiten; 2. […].«209
Die Begründung der Schrankenregelung lautete: »Für Werke der bildenden Künste enthält § 42 Nr. 1 des Entwurfs eine dem geltenden Recht unbekannte Vorschrift, durch welche die Herausgabe illustrierter Ausstellungsund Versteigerungskataloge erleichtert werden soll. Das Bedürfnis nach solchen Verzeichnissen ist für alle Beteiligten, namentlich für den Veranstalter und das Publikum so offensichtlich gegeben, dass es näherer Begründung zu diesem Punkt nicht bedarf; auch für den Urheber sind die Kataloge von Nutzen, da sie das Bekanntwerden und den Absatz seiner Werke fördern. […]«210
208 Hoffmann, Entwurf eines Gesetzes über das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst, UFITA 2 (1929), 659 – 668. 209 Entwurf eines Gesetzes über das Urheberrecht an Werken der Literatur, der Kunst und der Photographie mit Begründung, S. 13 f. 210 Ebd. S. 94.
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e) Der Entwurf der Akademie für Deutsches Recht von 1939 (§ 40 Nr. 2) Eine ähnliche Regelung enthielt der im Jahr 1939 veröffentlichte Entwurf eines Urheberrechtsgesetzes der Akademie für Deutsches Recht (Akademie-E)211 in § 40 Nr. 2. In § 40 Nr. 1 wurde zudem die öffentliche Zurschaustellung212 eines zur Versteigerung in der Zwangsvollstreckung bestimmten Werkstückes gestattet: »§ 40 Ausstellungsfreiheit, Katalogbilder Es ist zulässig: 1. ein zur Versteigerung in der Zwangsvollstreckung bestimmtes Werkstück öffentlich zur Schau zu stellen; 2. ein öffentlich zur Schau gestelltes oder zur öffentlichen Versteigerung bestimmtes Werkstück in Verzeichnissen, die vom Veranstalter der Ausstellung oder der Versteigerung für diesen Zweck herausgegeben werden, zu vervielfältigen und die Verzeichnisse zu verbreiten.«213
Der Bericht des zuständigen Fachausschusses für Urheber- und Verlagsrecht in der Akademie für Deutsches Recht214 enthält keine näheren Ausführungen zu beiden Schranken. Es ist anzunehmen, dass unter § 40 Nr. 1 fallende Werke auch nach Maßgabe von Nr. 2 hätten genutzt werden dürfen. Ebenso wie alle vorangegangenen Entwürfe blieb dieser Gesetzesentwurf allerdings folgenlos;215 mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs kamen die Reformarbeiten gänzlich zum Erliegen.216 Ein neues Urheberrechtsgesetz wurde erst 1965 verabschiedet.
211 Entwurf eines Urheberrechtsgesetzes des Fachausschusses für Urheber- und Verlagsrecht der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1939, 242 – 255. 212 Zum Recht des Urhebers auf öffentliche Zurschaustellung des Werkes sowie zum Ausstellungsrecht des Eigentümers vgl. §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 22 des Entwurfs. 213 Entwurf eines Urheberrechtsgesetzes des Fachausschusses für Urheber- und Verlagsrecht der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1939, 242, 249. 214 Bericht über die Beratungen und Vorschläge des Ausschusses für Urheber- und Verlagsrecht der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht in der Akademie für Deutsches Recht für die Neugestaltung des deutschen Urheberrechtsgesetzes, GRUR 1939, 256, 261 f. 215 Vgl. Schack, UrhR, Rn. 122. 216 Vgl. Begründung des RegE 1962, BT-Drucks. IV/270, S. 27 f.
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2.
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Frühe Privilegierungen von Katalogbildern in der Schweiz und in Österreich
Als erste im deutschsprachigen Raum führten in den 1920er und 1930er Jahren die neuen Urheberrechtsgesetze der Schweiz und Österreichs jeweils eine Freistellung von Katalogbildern ein.217 a) Art. 30 Nr. 2 URG 1922 Das Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst vom 7. Dezember 1922 (URG 1922) normierte in Art. 30 Nr. 2 eine Regelung zur Katalogbildfreiheit. »Zulässig ist die Wiedergabe: 1. […] 2. von Werken der bildenden Künste oder Photographie nach bleibend in einer öffentlichen Sammlung befindlichen Exemplaren, sofern die Wiedergabe in den von der Sammlung herausgegeben Katalogen erfolgt; […]«218
Durch die Begrenzung auf »bleibend« in einer Sammlung befindliche Exemplare waren Werke, die einer Sammlung nicht dauerhaft angehörten, z. B. Leihgaben für eine Sonderausstellung, vom Anwendungsbereich der Regelung ausgeschlossen; Werke im Depot konnten hingegen genutzt werden.219 Ferner erfasste die Schranke nach den Gesetzesmaterialien ausschließlich Wiedergaben in Katalogen im engeren Sinn unter Ausschluss von Museumsführern. Sonstige Reproduktionen waren nicht gestattet. Die amtliche Begründung erklärte, dass »eine Erweiterung der Wiedergabefreiheit über die als ›Katalog‹ anzusehenden Veröffentlichungen der Museumsverwaltungen hinaus sich mit der dem Inhaber des Urheberrechts geschuldeten Rücksicht nicht vertragen würde«.220 Im Zuge der Neuregelung des schweizerischen Urheberrechts im Jahr 1992 wurde die Freistellung in Art. 26 angesiedelt und – entgegen eines früheren Entwurfs in Art. 25 – auf Messe- und Auktionskataloge erstreckt.221 Ferner wurde die Voraussetzung der »bleibenden« Sammlungszugehörigkeit aufgegeben. Art 26 URG 217 Näher zu den gesetzlichen Regelungen der Katalogbildfreiheit in der Schweiz und Österreich Mercker, S. 174 ff., 193 ff. 218 Abgedruckt bei M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 320. 219 Vgl. Kucsko, FS 50 Jahre UrhG, S. 191, 192, 196 f., zu § 54 Nr. 1 öUrhG 1936; Botschaft des Bundesrates vom 19. 6. 1989 zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG), BBl. 1989, 477 – 614, abgedruckt in UFITA 114 (1990), 147 ff., 208. 220 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 9. 7. 1918 = Nr. 29 vom 17. 7. 1918, Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzessammlung, Bd. III, S. 571, 635, zitiert von M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 320. 221 Vgl. Entwurf zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG) vom 19. 6. 1989, BBl. 1989, 615 – 634; Botschaft des Bundesrates vom 19. 6. 1989, BBl. 1989, 477 – 614, beide abgedruckt in UFITA 114 (1990), 119 ff., 126; 147 ff., 208.
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Die Rechtslage in Deutschland
1992 lautet: »Ein Werk, das sich in einer öffentlich zugänglichen Sammlung befindet, darf in einem von der Verwaltung der Sammlung herausgegebenen Katalog abgebildet werden; die gleiche Regelung gilt für die Herausgabe von Messe- und Auktionskatalogen«.222 b) § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 öUrhG 1936 Auch das österreichische Urheberrechtsgesetz (öUrhG) von 1936 regelte in § 54 die Katalogbildfreiheit.223 Während § 54 Abs. 1 Nr. 1 an Art. 30 Nr. 2 des schweizerischen URG von 1922 angelehnt war,224 gestattete § 54 Abs. 1 Nr. 2 weitergehend die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken der bildenden Künste, die zum Verkauf angeboten werden, in »Verzeichnissen« oder »ähnlichen Werbeschriften«, wobei diese Materialien nur unentgeltlich oder zum Selbstkostenpreis abgegeben werden durften: »(1) Es ist zulässig: 1. Werke der bildenden Künste nach bleibend zu einer öffentlichen Sammlung gehörenden Werkstücken in dem vom Eigentümer der Sammlung für ihre Besucher herausgegebenen Verzeichnissen zu vervielfältigen und zu verbreiten; 2. veröffentlichte Werke der bildenden Künste nach Werkstücken, die versteigert werden sollen oder sonst zum Verkauf angeboten werden, in Verzeichnissen der feilgebotenen Werkstücke oder in ähnlichen Werbeschriften zu vervielfältigen und zu verbreiten; doch dürfen solche Werbeschriften vom Herausgeber nur unentgeltlich oder zu einem die Herstellungskosten nicht übersteigenden Preis verbreitet werden; […].«225
3.
Gewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Katalogbildfreiheit für Museumskataloge
Anders als in der Schweiz und in Österreich wurden die (Vorkriegs-)Entwürfe für ein neues Urheberrechtsgesetz in Deutschland nicht umgesetzt. Unter der Weitergeltung von KUG und LUG bildete sich jedoch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts für Museen eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Befugnis heraus, zur öffentlichen Ausstellung überlassene Werke in einem Katalog wie222 Das Schweizer Bundesgericht entschied am 17. 10. 2000, dass Art. 26 auch auf Kataloge temporärer Ausstellungen Anwendung findet; BGE 127 III 26, 31 f. 223 Ausführlich dazu Kucsko, FS 50 Jahre UrhG, S. 191 ff. 224 S. amtliche Begründung zu § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 öUrhG 1936, abgedruckt bei M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 318. 225 Text abgedruckt bei M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 317 f., und Kucsko, FS 50 Jahre UrhG, S. 191, 194. Die aktuelle Regelung der Katalogbildfreiheit stellt in § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 öUrhG mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 lit j HRL zusätzlich klar, dass die Nutzung jeweils »zur Förderung des Besuchs der Sammlung« (Nr. 1) bzw. der Veranstaltung (Nr. 2) erforderlich sein muss. Zudem wird »jede andere kommerzielle Nutzung« ausgeschlossen.
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dergeben zu dürfen.226 Zustimmungs- und vergütungsfreie Katalognutzungen waren danach für Museen bereits gewohnheitsrechtlich gebilligt,227 bevor der Gesetzgeber von 1965 die Frage der Freistellung schließlich nicht nur im Sinne der Museen, sondern auch im Interesse der Auktionshäuser aufgriff.
4.
Erste Kodifizierung der Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG (1965)
Das am 1. Januar 1966 in Kraft getretene Urheberrechtsgesetz gestattete erstmals eine Nutzung von Werken der bildenden Kunst in Ausstellungs- und Versteigerungsverzeichnissen; die Schrankenregelung wurde in § 58 UrhG angesiedelt. a) Gesetzesentwürfe für ein Urheberrechtsgesetz Die Vorentwürfe zu § 58 UrhG 1965 griffen erkennbar auf den Wortlaut von § 42 Nr. 1 RMJ-E 1932 und § 40 Akademie-E 1939 zurück,228 die neben öffentlich ausgestellten Werken auch »zur Versteigerung bestimmte« Werke hatten privilegieren wollen. aa) Der Referentenentwurf von 1954 1954 veröffentlichte das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf eines Urheberrechtsgesetzes (RefE 1954), der in § 52 ein »Verzeichnis«-Privileg für ausgestellte oder zur Versteigerung bestimmte Werke der bildenden Künste vorsah. »§ 52 Katalogbilder Zulässig ist, ein öffentlich zur Schau gestelltes oder zur öffentlichen Versteigerung bestimmtes Werk der bildenden Künste in Verzeichnissen, die vom Veranstalter der Ausstellung oder der Versteigerung herausgegeben werden, zu vervielfältigen und die Verzeichnisse zu verbreiten.«229
Begründet wurde der Entwurf in enger Anlehnung an die Ausführungen zu § 42 Nr. 1 RMJ-E 1932 wie folgt: »§ 52 enthält eine dem geltenden Recht unbekannte Regelung, durch die die Herausgabe illustrierter Ausstellungs- und Versteigerungskataloge erleichtert werden soll. Das 226 Voigtländer/Elster/Kleine, §§ 8 LUG, 10 KUG Anm. 3, S. 66; Gerstenberg, § 58 Nr. 1; v. Gamm, § 58 Rn. 1. Vgl. jedoch die 1942 herausgegebene Vorauflage von Voigtländer/ Elster3, § 8 LUG Anm. 4a), S. 106, derzufolge sich auch Museen das Katalog-Abbildungsrecht noch ausdrücklich sichern mussten. 227 Vgl. dazu auch Mercker, S. 56. Für Abbildungen in Versteigerungskatalogen oder Werbemitteln des sonstigen Kunsthandels ist eine entsprechende Befugnis zumindest nicht überliefert. 228 S. Mercker, S. 59; vgl. oben S. 97 f. 229 Referentenentwürfe, Referentenentwurf eines Urheberrechtsgesetzes, S. 1, 24.
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Bedürfnis nach solchen Verzeichnissen ist für alle Beteiligten, namentlich für die Veranstalter und das Publikum, offensichtlich gegeben und bedarf keiner näheren Begründung; auch für den Urheber sind die Kataloge von Nutzen, da sie das Bekanntwerden und den Absatz seiner Werke fördern. Diese Vorschrift erscheint daher gerechtfertigt.«230
bb) Der Regierungsentwurf von 1962 Die Fassung des Regierungsentwurfes (RegE) von 1962231, der die Katalogbildfreiheit in § 59 UrhG ansiedelte, ließ das Wort »öffentliche« vor Versteigerungen fallen. Ergänzt wurde dagegen, dass die Herausgabe des Verzeichnisses »zur Durchführung« der Ausstellung oder Versteigerung erfolgen musste. Der Entwurf lautete: »§ 59 – Katalogbilder Zulässig ist, öffentlich ausgestellte oder zur Versteigerung bestimmte Werke der bildenden Künste in Verzeichnissen, die zur Durchführung der Ausstellung oder Versteigerung vom Veranstalter herausgegeben werden, zu vervielfältigen und zu verbreiten.«232
Die amtliche Begründung übernahm wiederum die Erwägungen, die bereits zu § 52 RefE 1954 und § 42 Nr. 1 RMJ-E 1932 angeführt worden waren. »Zu § 59 – Katalogbilder Diese Bestimmung enthält eine dem geltenden Recht unbekannte Regelung, durch die die Herausgabe illustrierter Ausstellungs- und Versteigerungskataloge erleichtert werden soll. Das Bedürfnis nach solchen Verzeichnissen ist für alle Beteiligten, namentlich für die Veranstalter und das Publikum, offensichtlich gegeben. Auch für den Urheber sind die Kataloge von Nutzen, da sie das Bekanntwerden und den Absatz seiner Werke fördern.«233
cc) Der Vorschlag des Rechtsausschusses und die verabschiedete Fassung Erweitert wurde die Fassung des § 59 RegE 1962 durch einen Änderungsvorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages. Danach sollte die Schranke sich zusätzlich auf »zur öffentlichen Ausstellung […] bestimmte Werke« beziehen: 230 Referentenentwürfe, Begründung zu dem Referentenentwurf eines Urheberrechtsgesetzes S. 55, 169. 231 Entwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), BT-Drucks. IV/270, mit Synopse der Beschlüsse des Rechtsausschusses (BTDrucks. IV/3401) abgedruckt in UFITA 45 (1965), 155 – 239. Der Entwurf beruhte u. a. auf einem im Sommer 1959 veröffentlichten Ministerialentwurf des Bundesjustizministeriums; vgl. Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 28. 232 RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 13. 233 Begründung des RegE, BT-Drucks. IV/270, S. 76.
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»Zulässig ist, öffentlich ausgestellte sowie zur öffentlichen Ausstellung oder zur Versteigerung bestimmte Werke der bildenden Künste in Verzeichnissen, die zur Durchführung der Ausstellung oder Versteigerung vom Veranstalter herausgegeben werden, zu vervielfältigen und zu verbreiten.«234
Zur Begründung führte der Rechtsausschuss aus: »Die vorgeschlagene Neufassung erstreckt die Vorschrift auf Werke, die zur öffentlichen Ausstellung bestimmt sind, um klarzustellen, dass beispielsweise in den Ausstellungskatalog eines Museums auch solche Werke aufgenommen werden dürfen, die aus Platzmangel vorübergehend im Magazin des Museums eingelagert sind.«235
Der Bundestag verabschiedete die vom Rechtsausschuss befürwortete Fassung nach einer redaktionellen Änderung schließlich als § 58 UrhG.236 »§ 58 Katalogbilder »Zulässig ist, öffentlich ausgestellte sowie zur öffentlichen Ausstellung oder zur Versteigerung bestimmte Werke der bildenden Künste in Verzeichnissen, die zur Durchführung der Ausstellung oder Versteigerung vom Veranstalter herausgegeben werden, zu vervielfältigen und zu verbreiten.«
b)
Zweck und Umfang der Privilegierung in § 58 UrhG (1965)
aa) Gesetzgeberische Bewertung der beteiligten Interessen Auf den RMJ-E von 1932 zurückgehend, privilegierte die Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG (1965) somit einerseits den überwiegend öffentlich-rechtlich organisierten Ausstellungssektor und andererseits ein spezielles Segment des Kunstmarkts, den Auktionsmarkt, d. h. zwei grundsätzlich unterschiedliche »Verwerter« von Kunstwerken. Die Gesetzesbegründung stellte insoweit darauf ab, dass die Herausgabe von Ausstellungs- und Versteigerungskatalogen nicht nur dem Bedürfnis der Verwerter und der Öffentlichkeit entspreche, sondern auch für den Künstler von Vorteil sei, indem sie deren Bekanntheit und den Absatz der Kunstwerke fördern. Letzteres Argument trifft indessen auf Verkaufswerbung allgemein und nicht nur auf Auktionskataloge zu. Im Vordergrund der Freistellung von 1965 stand daher offenbar die besondere, vergleichbare Nutzungssituation der Museen und Auktionshäuser, die jeweils eine Vielzahl von Werken unterschiedlicher Urheber in ihre Kataloge aufnehmen
234 Zusammenstellung von RegE 1962 und Beschlüssen des Rechtsausschusses, BT-Drucks. IV/ 3401, S. 20. 235 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses vom 14. 5. 1965, BT-Drucks. IV/3401, S. 11, auch abgedruckt in UFITA 46 (1966), 174, 192. 236 Vgl. Mercker, S. 61.
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Die Rechtslage in Deutschland
müssen und sich bei der Einholung der Bildrechte mit einem zusätzlichen Verwaltungs- und Kostenaufwand237 konfrontiert sehen. bb) Rechtsprechung und Schrifttum zu zentralen Auslegungsfragen (1) Die einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 58 UrhG (1965) wurden im Laufe der Jahre durch die Rechtsprechung und Literatur näher konkretisiert. Umstritten war zunächst, welche Werkarten die Privilegierung erfasste. Diskutiert wurde unter anderem, ob der Begriff des »Werkes der bildenden Künste« im engen Sinne zu verstehen war oder aber im weiteren Sinne insbesondere auch Werke der angewandten Kunst umfasste (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG). Der BGH ließ diese Frage in der Entscheidung »Parfumflakon« vom 4. Mai 2000 zwar offen, bezeichnete die im Schrifttum zum Teil befürwortete Beschränkung der Norm auf bildende Kunst im engeren Sinne jedoch als »zweifelhaft«.238 Nach überwiegender Auffassung in der Literatur war § 58 UrhG (1965) zudem analog auf Lichtbildwerke anzuwenden.239 Angesichts der Einbeziehung dieser Werkart in die Definition des Ausstellungsrechts (§ 18 UrhG) und in die Regelung der Ausstellungsbefugnis des Werkeigentümers (§ 44 Abs. 2 UrhG) wurde ihre Nichterwähnung in § 58 UrhG als Redaktionsversehen betrachtet.240 (2) Zwei für die allgemeine Auslegung der Schranke und des Verzeichnisbegriffs bedeutsame Urteile fällte der BGH in den 1990er Jahren. Die Entscheidung »Katalogbild«241 vom 12. November 1992 betraf Nutzungen einer Lithografie von Salvador Dal, die anlässlich ihrer bevorstehenden Versteigerung auf dem Titelbild eines Auktionskataloges sowie auf der Vorderseite eines Werbeprospektes wiedergegeben worden war. Der BGH stellte zunächst den Grundsatz auf, dass die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken in Katalogen ohne Zustimmung des Urhebers und ohne Zahlung einer Vergütung angesichts der Zweckbestimmung von § 58 UrhG (1965) und der gebotenen engen Auslegung der Schranken nur dann zulässig sei, »wenn sie – räumlich, zeitlich und inhaltlich – der unmittelbaren Förderung des Ausstellungs- oder Versteigerungszwecks« dienten.242 Ein solcher »die Privilegierung rechtfertigende unmittelbare Bezug der Katalogbilder zum Ausstellungs- bzw. Versteigerungszweck« sei bei 237 Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Museumsbund e.V. vom 17. 4. 2002 zur Neuregelung von § 58 UrhG, unten S. 111 f. 238 BGH GRUR 2001, 51, 52 – Parfumflakon. Für eine Anwendung von § 58 UrhG (1965) auf angewandte Kunst auch Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 1; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 387; a. A. v. Gamm, § 58 Rn. 2; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 1. 239 Samson, S. 75; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 1; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 18; Wandtke/ Bullinger/Lüft1, § 58 Rn. 2; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 388; a. A. Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 1; Mues, S. 113. 240 Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 1; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 18. 241 BGH GRUR 1993, 822 – Katalogbild. 242 BGH GRUR 1993, 822, 823 – Katalogbild, unter Bezugnahme auf v. Gamm, § 58 Rn. 4.
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der Wiedergabe eines Werks auf der Titelseite eines Auktionskatalogs noch gegeben. Eine Werkabbildung – auch auf der Titelseite – diene »dem Informationsbedürfnis des Publikums und damit auch dem vom Gesetz berücksichtigten Interesse des Veranstalters und des Urhebers, das Bekanntwerden und den Absatz seiner Werke zu fördern«. Im Rahmen dieses Normzwecks liege »auch noch die Abbildung als Titelbild, auch wenn sie nicht nur das Interesse am einzelnen Bild, sondern an der Ausstellung bzw. Versteigerung insgesamt wecken« solle. Auch ein solchermaßen bezweckter Anreiz sei noch »dem Ausstellungs- bzw. Versteigerungszweck untergeordnet«.243 Letzteres verneinte der BGH hingegen für die verkleinerte Wiedergabe des Werkes auf der Vorderseite eines Prospekts des beklagten Auktionshauses, bei dem es sich nicht um ein Verzeichnis im Sinne von § 58 UrhG i. d. F. von 1965 handele. Zudem werbe der Prospekt generell für die gewerbliche Tätigkeit der Beklagten; dieser weitgehende Werbezweck sei nicht mehr von der Privilegierung erfasst, bei der »die illustrierte Information über die Versteigerung« im Vordergrund stehen müsse.244 (3) Die Entscheidung »Museumskatalog«245 vom 30. Juni 1994 wiederum betraf eine Publikation des Frankfurter Städel Museums, die neben einem Vorwort und einem Beitrag über die Geschichte des Instituts ein »Verzeichnis« der dort beheimateten Gemälde und ihrer Urheber mit knappen biografischen Daten und Inventurangaben enthielt. 113 der ausgestellten Werke wurden im Anschluss in einem separaten Bildteil in Gestalt großformatiger Farbabbildungen wiedergegeben. Der BGH entschied zunächst, dass sich § 58 UrhG 1965 trotz der gebotenen engen Auslegung »nicht nur auf Kataloge vorübergehender Ausstellungen, sondern auch auf Verzeichnisse zur Durchführung ständiger öffentlicher Ausstellungen, insbesondere in öffentlich zugänglichen Museen und Kunstsammlungen« bezieht. Die Zweckbestimmung der Vorschrift, die Erleichterung der Herausgabe von Ausstellungs- und Versteigerungskatalogen, treffe bei ständigen öffentlichen Ausstellungen ebenso zu wie bei vorübergehenden Ausstellungen. Zudem wies der BGH darauf hin, dass die Norm nach ihrer Entstehungsgeschichte auch auf Werke anzuwenden sei, die zur Ausstellung »bestimmt, aber ›aus Platzmangel vorübergehend im Magazin des Museums eingelagert‹«246 seien.247 Die der Entscheidung insoweit zustimmende Literatur schloss daraus, dass die einlagerten Werke »zumindest in absehbarer Zeit« ausgestellt (oder versteigert) werden müssten.248 Schließlich befand der 243 244 245 246 247 248
BGH GRUR 1993, 822, 824 – Katalogbild. BGH GRUR 1993, 822, 823 f. – Katalogbild. BGH GRUR 1994, 800 – Museumskatalog. Vgl. oben S. 102 f. BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog. Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10; Wandtke/Bullinger/Lüft1, § 58 Rn. 3; vgl. auch Möhring/
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BGH, dass die notwendige Unterordnung der Abbildung unter den Ausstellungszweck nicht nur bei Ausstellungsführern im engeren Sinn, sondern auch bei Ausstellungskatalogen gegeben ist, mit denen die Ausstellung als Veranstaltung mit eigener Zielsetzung für Interessenten, insbesondere Besucher, erschlossen werden soll. Dabei müsse jedoch die Wiedergabe eines Werkes »als Bestandteil der Ausstellung im Vordergrund stehen, nicht die Vermittlung des Werkgenusses«. Diese Voraussetzung verneinte der BGH für den Katalog des Städel Museums, der mit seinen großformatigen und durchweg farbigen Abbildungen der Sache nach ein »Kunstbildband« sei; im Vordergrund stehe nicht die Wiedergabe der Werke als Bestandteil der Ausstellung, sondern die Werkabbildung als solche, durch die der Kunstgenuss – auch unabhängig von einem Museumsbesuch – vermittelt werden solle.249 (4) Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Werk »öffentlich ausgestellt« ist, beschäftigte sich das LG München I bereits 1978 anlässlich einer Wanderausstellung mit Werken Alfred Kubins. Im Sinne der späteren BGHRechtsprechung verlangte das Landgericht die »Zuordnung eines Verzeichnisses zu einem konkreten Ausstellungszweck«. Dabei müsse es sich jedoch nicht um eine ortsgebundene Ausstellung handeln. Grundsätzlich zulässig sei daher, für eine sog. Wanderausstellung einen einzigen Katalog herauszugeben, in den in gewissen Grenzen auch solche Bilder aufgenommen werden könnten, die aus bestimmten Gründen nicht an allen Ausstellungsorten gezeigt werden. Allerdings müssen die genutzten Werke gemäß den Erwägungen des Landgerichts in einer der Ausstellungsstätten tatsächlich zur Ausstellung kommen oder zumindest konkret hierfür vorgesehen sein.250 Die Aufnahme nicht ausgestellter Werke, die lediglich aus Anlass einer Ausstellung erfolgt, erklärte das Landgericht hingegen für unzulässig.251 Bei ausgestellten Skizzenbüchern wiederum machte das Landgericht die Einbeziehung aller darin enthaltenen Einzelwerke in den Katalog davon abhängig, ob der Besucher beliebig im Skizzenbuch blättern kann oder aber nur einzelne aufgeschlagene Blätter des Skizzenbuches in einer Nicolini/Gass, § 58 Rn. 23, der § 58 jedoch für nicht anwendbar hält, wenn ganze Abteilungen eines Museums zeitweise geschlossen sind. A. A. Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 2. 249 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog. Die Forderung des BGH nach einer Wiedergabe der Werke »als Bestandteil einer Ausstellung« erscheint allerdings bei Werken in Dauerausstellungen bzw. ständigen Sammlungen, die oft »nur« bestimmten Epochen oder Stilrichtungen zugeordnet sind, schwieriger zu erfüllen als bei Sonderausstellungen, die eine Vielzahl von Werken unter neuem thematischen Blickwinkel präsentieren. Für die Wiedergabe von Werken in Verzeichnissen von ständigen Sammlungen genügt nach § 58 Abs. 2 UrhG nunmehr die Zugehörigkeit zum Bestand; vgl. unten S. 226 ff. 250 LG München I, 11. 4. 1978, Schulze LGZ 162, 5 f. Zust. Gerstenberg, Anm. ebd. 10, 11; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 21; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 389; M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 325. 251 Ebenso Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 11.
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Vitrine zu besichtigen sind. In letzterem Fall befürwortete das Landgericht die Anwendung von § 58 UrhG 1965 nur für die konkret aufgeschlagenen Skizzen.252 (5) Die Literatur zu § 58 UrhG 1965 vertrat zudem, dass die Katalogabbildung eines »zur Ausstellung bestimmten« Werkes urheberrechtlich nicht unzulässig werde, wenn das Werk z. B. infolge einer Vertragskündigung von der Ausstellung zurückgezogen253 oder aber die gesamte Veranstaltung abgesagt wird254. In letzterem Fall müsse jedoch eine weitere Vervielfältigung und Verbreitung unterbleiben.255 (6) Nach der Rechtsprechung und Literatur zu § 58 UrhG 1965 setzte die Aufnahme eines Werkes der bildenden Kunst (oder eines Lichtbildwerkes) in einen Katalog somit einen engen räumlichen und zeitlichen Bezug zu einer konkreten Ausstellung oder Versteigerung voraus. Zur Ausstellung oder Versteigerung »bestimmte« Werke mussten entweder in absehbarer Zeit ausgestellt oder versteigert oder bereits im Rahmen einer Sonder- oder Dauerausstellung präsentiert werden. Die Art der Verzeichnisse beschränkte sich im Auktionsbereich auf Versteigerungskataloge, während im Museumssektor neben Ausstellungsführern auch umfangreichere Ausstellungskataloge für Sonder- wie auch für Dauerausstellungen für zulässig erklärt wurden. Zum Teil wurde vertreten, dass § 58 UrhG 1965 de lege lata nicht nur Printkataloge, sondern auch »digitale« Verzeichnisse, wie Kataloge auf CD-ROM, im Internet oder in sonstiger elektronischer Form, erfasse.256 Ebenfalls umstritten war, ob die Kataloge – entsprechend § 54 Abs. 1 Nr. 2 öUrhG257 – maximal zum Selbstkostenpreis vertrieben werden durften258 und ob ein Abverkauf überzähliger Exemplare nach Ende einer Ausstellung erlaubt sein sollte.259
252 LG München I, 11. 4. 1978, Schulze, LGZ 162, 5, 6 f. Ebenso Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 11; Gerstenberg, Anm. Schulze LGZ 162, 10, 11; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 22; zust. unter Berufung auf die Wahrung der »Ausstellungswahrheit« der Kataloge auch M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 325 f.; a. A. Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 391. 253 v. Gamm, § 58 Rn. 3; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 389 f. 254 v. Gamm, § 58 Rn. 3; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 22. 255 v. Gamm, § 58 Rn. 3. 256 Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 392; Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 4; a. A. Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 4, 14, der jedoch in Rn. 8 de lege ferenda die Vergütungspflichtigkeit der Verwertungen bei gleichzeitiger Ausdehnung von § 58 UrhG auf digitale Nutzungen vorschlägt. 257 Vgl. oben S. 100. 258 So v. Gamm, § 58 Rn. 4; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 6; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 2; dagegen Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 395. 259 Für die Möglichkeit eines Abverkaufs geringer Restbestände Gerstenberg, Schulze, LGZ 162, 10, 12; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 394; a. A. Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 15; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 35.
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Inhaltlich war die Unterordnung der Werknutzung unter den Veranstaltungszweck dadurch zu gewährleisten, dass insbesondere bei Ausstellungskatalogen nicht die Vermittlung des Kunstgenusses, sondern die Wiedergabe des Werkes »als Bestandteil der Ausstellung«260 im Vordergrund stehen musste. Dies involvierte im Streitfall eine Prüfung der Größe und Qualität der Werkabbildungen und ihrer redaktionellen Einbeziehung in den jeweiligen Katalog. Einigkeit bestand darin, dass nicht nur Verzeichnisse unzulässig waren, die – wie ein Kunstbildband – dem Werkgenuss dienten, sondern auch (mit Gewinnerzielungsabsicht) im Buchhandel vertriebene Katalogausgaben sowie Nutzungen für in Museumsshops vermarktete Merchandising-Produkte wie Plakate, Poster, T-Shirts, Repliken oder Bildpostkarten.261 5.
Die Neuregelung der Katalogbildfreiheit im Jahr 2003
In seiner aktuellen Form basiert § 58 UrhG auf dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003262, das der Umsetzung der Harmonisierungs-RL diente. a) Gesetzesvorschläge zur Umsetzung der Harmonisierungs-RL Der Neufassung von § 58 UrhG gingen mehrere Entwürfe voraus, die in verschiedenen Gesetzesvorschlägen zur Umsetzung der Harmonisierungs-RL enthalten waren. aa) Der Diskussionsentwurf vom 7. Juli 1998 Bereits 1998 veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz (BMJ) einen sog. 1. Diskussionsentwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (DiskE).263 Die Harmonisierungs-RL lag zu diesem Zeitpunkt in Form eines ersten Vorschlags der Kommission vom 10. Dezember 1997 vor, dessen Art. 5 erst neun Ausnahmetatbestände enthielt.264 Darunter befand sich noch keine Freistellung von Werbemaßnahmen für Ausstellungen oder Verkaufsveranstaltungen.265 Der Diskussionsentwurf behielt insoweit die Zielsetzung von § 58 a. F. bei, Werkwiedergaben zur Durchführung von Ausstellungen 260 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog. 261 Vgl. v. Gamm, § 58 Rn. 4; Gerstenberg, Anm. zu LG München I, Schulze, LGZ 162, 10, 12; Jacobs, Anm. zu BGH GRUR 1993, 822, 824 f.; ders., FS Vieregge, S. 381, 394; Fromm/ Nordemann9, § 58 Rn. 2, 3; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 25, 28; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 14 – 16. 262 BGBl. I 1774. 263 Text und Begründung des Diskussionsentwurfs vom 7. 7. 1999 sind abgedruckt in KUR 1999, 157 ff. 264 Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 737. 265 Vgl. oben S. 79.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
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und Versteigerungen zu ermöglichen. Allerdings erweiterte er die Schranke allgemein auf »Werke«; gestattet wurde neben der Vervielfältigung und Verbreitung auch die unkörperliche »Übertragung«266 der Werke unabhängig vom Medium des »Verzeichnisses«. »[…]§ 58 Werke in Ausstellungen und Versteigerungen Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und Übertragung von öffentlich ausgestellten oder zur öffentlichen Ausstellung oder zur Versteigerung bestimmten Werken durch den Veranstalter zur Durchführung einer Ausstellung oder Versteigerung.«
Zur Begründung heißt es: »Zu Nummer 18. (§ 58): Die in der bisherigen Fassung enthaltene Beschränkung der erlaubnisfrei zulässigen Verwertung auf Werke der bildenden Künste wird gestrichen. Demnach werden künftig auch Multimedia-Werke, wenn sie, wie in der Regel, nicht zugleich als Werke der bildenden Künste anzusehen sind, von der Schrankenregelung umfasst. Eine nach § 58 UrhG zulässige Verwertungshandlung ist nunmehr auch die Übertragung der Werke. Im Zusammenhang hiermit entfällt die Beschränkung auf das Verwertungsmedium der ›Verzeichnisse‹, worunter nach der zum geltenden Recht vertretenen Auffassung lediglich Druckwerke fallen. Infolgedessen ist die Verwertung auch im Rahmen digitaler Offline-Medien (CD-ROM) zulässig.«267
bb) Der Referentenentwurf vom 18. März 2002 Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 18. März 2002268, der nach Inkrafttreten der Harmonisierungs-RL vorgelegt wurde, lehnte § 58 UrhG dagegen stark an Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL an und privilegierte Nutzungen sowohl des allgemeinen Kunsthandels als auch von Ausstellungshäusern zur Werbung für Verkaufsveranstaltungen bzw. Ausstellungen. Freigestellt werden sollte neben der Vervielfältigung und Verbreitung auch die öffentliche Zugänglichmachung, d. h. auch Online-Nutzungen, im »zur Förderung der Veranstaltung« erforderlichen Umfang. Nutzungen ohne Werbefunktion waren nicht gestattet. Die frühere Beschränkung auf bestimmte Werkarten übernahm diese Fassung, ebenso wie § 58 DiskE, nicht. Der RefE 2002 lautete:
266 Das im DiskE vorgesehene »Übertragungsrecht« (vgl. § 19a DiskE) wurde später begrifflich durch das »Recht der öffentlichen Zugänglichmachung« ersetzt (§ 19a UrhG). 267 Begründung des DiskE des BMJ vom 7. 7. 1998, KUR 1999, 164 ff., 169. 268 Referentenentwurf für ein Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 18. 3. 2002, abrufbar unter www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/ent/Re fEntw_Infoges_18_3_02.pdf (19. 10. 2013).
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»§ 58 Werke in Ausstellungen und Versteigerungen Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von öffentlich ausgestellten oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken durch den Veranstalter zur Werbung, soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist.«269
Der Entwurf wurde wie folgt begründet: »Der Vorschlag orientiert sich eng an der Vorgabe aus Artikel 5 Abs. 3 Buchstabe j) der Richtlinie, der die Zulässigkeit auf eine Werbung in dem zur Förderung einer Veranstaltung erforderlichen Umfang begrenzt. Künftig werden auch Multimedia-Werke als künstlerische Werke, die häufig nicht zugleich Werke der bildenden Künste im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 sind, von der Schrankenregelung umfasst. Eine nach § 58 zulässige Verwertungshandlung ist nunmehr auch die öffentliche Zugänglichmachung der Werke. Im Zusammenhang hiermit entfällt die Beschränkung auf das Verwertungsmedium der »Verzeichnisse«, worunter nach der zum geltenden Recht vertretenen Auffassung lediglich Druckwerke fallen. Infolgedessen ist die Verwertung auch im Rahmen digitaler Offline-Medien (CD-ROM) zulässig.«270
cc) Stellungnahmen von Interessenverbänden zu § 58 DiskE und § 58 RefE Zu § 58 in der Fassung des DiskE und des RefE äußerten sich verschiedene Interessenverbände, die ihre Belange durch die Neuregelung betroffen sahen.271 (1) FreeLens e.V. Der Interessenverband FreeLens e.V., der Fotojournalisten und Fotografen vertritt, nahm im Juli 1998 zum DiskE des BMJ Stellung.272 Der Verband merkte mit Blick auf die im DiskE fallengelassene Beschränkung auf bestimmte Werkarten an, dass sich die bisherige Katalogbildfreiheit nach Ansicht der Literatur auch auf Fotografien erstrecke; die Beschränkung auf Werke der bildenden Kunst sei als Redaktionsversehen interpretiert worden. Auch die Neufassung lasse Zweifel offen, ob Fotografien, die keine Werke sind (Lichtbilder), von dieser Bestimmung erfasst seien. Diese Rechtsunsicherheit solle beseitigt werden. Ferner sei der in der Begründung des Entwurfs verwendete Begriff »MultimediaWerk« unklar. Zugleich trat FreeLens für eine Beibehaltung der bisherigen Beschränkung der Norm auf Druckwerke ein. Die Verwertung im Rahmen digitaler Offline-Medien (CD-ROM) stelle durch die leichte und verlustfreie digitale Kopiermöglichkeit eine zu große Gefährdung der enthaltenen Werke dar. Zu269 270 271 272
RefE, a. a. O., S. 7 f. RefE, a. a. O., S. 35 f. Vgl. dazu auch Mercker, S. 71 ff. Stellungnahme zum DiskE eines 5. UrhRÄndG (Juli 1998) von FreeLens e.V. gegenüber dem Bundesministerium der Justiz, abrufbar unter www.fotorecht.de/publikationen/urheber3. html (20. 10. 2013).
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mindest sollten die Ersteller solcher CD-ROMs zum Einsatz geeigneter technischer Schutzmaßnahmen verpflichtet sein. (2) Deutscher Bibliotheksverband e.V. Der Deutsche Bibliotheksverband wies in seiner Stellungnahme273 zu § 58 DiskE auf einen neuen Nutzungsaspekt hin, der in die Schrankenregelegung mit aufgenommen werden sollte: Eine überschaubare Zahl von Bibliotheken habe ihr Bestandsangebot um den Verleih von Werken der bildenden Künste, meist Grafiken, erweitert. Da sich das Ausleihverhalten mehr am Objekt als am Künstler ausrichte, müssten die Bestände in einem Katalog mit Abbildungen der Kunstwerke nachgewiesen werden. Der Verband schlug daher eine Erweiterung von § 58 DiskE auf den »nicht gewerbsmäßigen Verleih durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen« vor, die seines Erachtens von Art. 5 Abs. 3 lit j HRL gedeckt sei. Angesichts des relativ geringen Aufkommens, der nichtkommerziellen Tätigkeit der Bibliotheken (Artotheken) und der geringen Qualität der Abbildungen sei auch eine Vergütungsfreiheit mit Art. 9 Abs. 2 RBÜ vereinbar. (3) Deutscher Museumsbund e.V. Der Deutsche Museumsbund wiederum nahm im April 2002 zum RefE vom 18. März 2002 Stellung und zeigte sich im Hinblick auf die vorgesehene Beschränkung der Regelung auf Werbezwecke im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL besorgt. Die für die Museen in der Bundesrepublik Deutschland dringend erforderliche sog. »Katalogbildfreiheit« werde dadurch bedrohlich geschwächt. Sie gelte bisher für Museumskataloge, die Sonder- und Dauerausstellungen sowie Sammlungsbestände dokumentieren. Der Wortlaut von § 58 RefE sei jedoch auf den Zweck der Werbung ausgerichtet und schränke diesen zudem dadurch ein, dass die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung zulässig sei, »soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist«. Während eine solche Formulierung den Bedürfnissen des Kunsthandels und des Versteigerergewerbes Rechnung trage, sei sie im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Katalogbildfreiheit für Museen, Bibliotheken und Archive und den mit diesen Einrichtungen verbundenen »Bildungsauftrag« deutlich zu eng gefasst. Das Recht zur Vervielfältigung und die bisherige Katalogbildfreiheit bilde für Museen in der Bundesrepublik Deutschland eine entscheidende Grundlage für die Herstellung von bezahlbaren Publikationen. Die Katalogbildfreiheit stelle sicher, dass Museumskataloge für alle Bürgerinnen und Bürger erschwinglich seien und unser Kulturgut somit öffentlich zugänglich bleibe. Eine Kostenstei273 Stellungnahme vom 25. 7. 2001, abrufbar unter www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/st/ DBV-BMJ-Stellungn.pdf (20. 10. 2013).
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gerung durch massive Einschränkung der Katalogbildfreiheit hätte zwei negative Folgen: Zum einen würde der wirtschaftliche Ertrag beim Verkauf von Museumskatalogen reduziert, zum anderen würde der Auftrag der Museen beeinträchtigt, das von ihnen bewahrte Kulturgut für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Gleichzeitig würden die erhöhten Produktionskosten die öffentlichen Haushalte zusätzlich erheblich belasten. Im Gegensatz zu Verkaufsausstellungen würden Einzelwerke oder das gesamte Œuvre eines Künstlers schließlich erst durch die Aufnahme dieser Werke in Museen aufgewertet. Dies bedeute, dass es durchaus im Interesse eines Urhebers liege, dass das Werk in Museumspublikationen vervielfältigt werde. Angesichts der bisher für alle Beteiligten »profitablen« Regelung bat der Museumsbund das Ministerium, darauf hinzuwirken, dass der Wortlaut von § 58 UrhG in der seinerzeit gültigen Fassung beibehalten und um die Worte »sowie öffentlich zugänglich zu machen« ergänzt wird. Das nationale Recht stünde auch in dieser Fassung im Einklang mit der europäischen Richtlinie.274 dd) Der Regierungsentwurf vom 31. Juli 2002 Der auf den RefE folgende Regierungsentwurf vom 31. Juli 2002275 gab § 58 sodann seine heutige zweigliedrige Struktur, indem er der Regelung einen Absatz 2 anfügte, der – an Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL276 orientiert – öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen die Werknutzung in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen erlaubt. Geschuldet war diese Erweiterung ausweislich der amtlichen Begründung offensichtlich der – auch vom Deutschen Museumsbund geäußerten – Sorge, dass die Freistellung von Werbemaßnahmen gemäß dem RefE die Herausgabe von Museumskatalogen nicht mehr erfasse. Die vom Deutschen Bibliotheksverband gewünschte Erweiterung der Schranke auf den »nicht gewerbsmäßigen Verleih« von Kunstwerken wurde hingegen nicht (ausdrücklich) aufgenommen.277 Darüber hinaus beschränkte das Kabinett (den im Übrigen vom RefE unverändert übernommenen) Absatz 1 auf die Verwertung von Werken der bildenden Künste und – nunmehr ausdrücklich – von Lichtbildwerken. Damit wurde zugleich dem Anliegen des FreeLens e.V. Rechnung getragen, die Anwendung von § 58 UrhG auf Lichtbildwerke klarzustellen. Der RegE 2002 lautete: 274 Stellungnahme des Präsidenten des Deutschen Museumsbundes, Martin Roth, vom 17. 4. 2002 zum RefE des BMJ für ein Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. 275 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 31. 7. 2002, zugleich BR-Drucks. 684/02. 276 Vgl. oben S. 73. 277 Vgl. jedoch die von § 58 Abs. 2 UrhG freigestellte Dokumentation von (Bibliotheks-)Beständen; dazu unten S. 208, 232 f.
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»17. § 58 wird wie folgt gefasst: § 58 Werke in Ausstellungen, öffentlichem Verkauf und öffentlich zugänglichen Einrichtungen (1) Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von öffentlich ausgestellten oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken durch den Veranstalter zur Werbung, soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. (2) Zulässig ist ferner die Vervielfältigung und Verbreitung der in Absatz 1 genannten Werke in Verzeichnissen, die von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung oder zur Dokumentation von Beständen herausgegeben werden und mit denen kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird.«278
Die amtliche Begründung lautet: »Zu Nummer 17 (§ 58): Der Vorschlag orientiert sich in Absatz 1 eng an der Vorgabe aus Artikel 5 Abs. 3 Buchstabe j der Richtlinie, der die Zulässigkeit auf eine Werbung in dem zur Förderung einer Veranstaltung erforderlichen Umfang begrenzt. Zugleich erweitert sich aber der Kreis der zulässigen Verwertungshandlungen. Eine nach § 58 zulässige Verwertungshandlung ist nunmehr auch die öffentliche Zugänglichmachung der Werke. Im Zusammenhang hiermit entfällt die Beschränkung auf das Verwertungsmedium der »Verzeichnisse«, worunter nach der zum geltenden Recht vertretenen Auffassung lediglich Druckwerke fallen. Infolgedessen ist die Verwertung auch im Rahmen digitaler Offline-Medien (CD-ROM) zulässig. Schließlich wird die Verwertungsbasis nunmehr über Werke der bildenden Künste hinaus ausdrücklich auch auf Lichtbildwerke ausgedehnt; dies wurde in der Literatur bereits über eine entsprechende Anwendung des § 58 vertreten (vgl. Schricker/Vogel, § 58 Rz. 1 m. w. N.) und entspricht der Systematik in den §§ 18 und 44. Absatz 2 beruht auf Artikel 5 Abs. 2 Buchstabe c der Richtlinie. Zulässig können daher allein Vervielfältigung und Verbreitung in Bezug auf die mit Absatz 1 übereinstimmende Verwertungsbasis sein, was zudem nur in Form von Verzeichnissen erfolgen kann. Anders als nach Absatz 1 wird eine öffentliche Zugänglichmachung nicht ermöglicht. Absatz 2 betrifft auch einen anderen Kreis von Begünstigten: Während Absatz 1 den jeweiligen Veranstalter berechtigt, privilegiert Absatz 2 ausschließlich öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen. Diesen wird im Hinblick auf ein kulturpolitisches Bedürfnis die Möglichkeit zur Herausgabe von Katalogen gesichert; der Begriff des Verzeichnisses umfasst in dem mittlerweile geänderten technischen Umfeld in diesem Zusammenhang auch digitale Offline-Medien wie CD-ROM. Die Kataloge wiederum müssen entweder im Zusammenhang mit einer Ausstellung stehen oder der Bestandsdokumentation der privilegierten Einrichtung dienen. Mit diesen Kriterien wird der Anwendungsbereich der Schranke im gebotenen Umfang eingegrenzt. 278 BR-Drucks. 684/02, S. 9.
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Dem damit insgesamt geänderten Gehalt des § 58 trägt die Neufassung der Überschrift Rechnung.«279
b) Verabschiedete Neufassung von § 58 UrhG (2003) Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens blieb der Wortlaut von § 58 RegE unangetastet.280 Der Bundesrat äußerte sich in seiner Stellungnahme zum RegE vom 27. September 2002 nicht zu der Norm. § 58 wurde daher unverändert in den Regierungsentwurf in der Fassung vom 6. November 2002281 zur Vorlage an den Bundestag übernommen. Der Bundestag verabschiedete diese Fassung am 11. April 2003 in zweiter und dritter Lesung. Am 13. September 2003 trat das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003282 mit § 58 UrhG in der folgenden, noch heute geltenden Fassung in Kraft: »§ 58 Werke in Ausstellungen, öffentlichem Verkauf und öffentlich zugänglichen Einrichtungen (1) Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von öffentlich ausgestellten oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken durch den Veranstalter zur Werbung, soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. (2) Zulässig ist ferner die Vervielfältigung und Verbreitung der in Absatz 1 genannten Werke in Verzeichnissen, die von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung oder zur Dokumentation von Beständen herausgegeben werden und mit denen kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird.«
Mit der Freistellung von Werbenutzungen in § 58 Abs. 1 UrhG schöpfte der Gesetzgeber den Spielraum von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL weitgehend aus und erweiterte die Schranke in mehrfacher Hinsicht: Während § 58 UrhG a. F. lediglich Werbung für Auktionen in Gestalt von Versteigerungsverzeichnissen gestattete, darf nunmehr der gesamte Kunsthandel mit »zum öffentlichen Ver279 BR-Drucks. 684/02, S. 48 f. 280 Der Deutsche Kulturrat bemerkte in seiner Stellungnahme vom 15. 10. 2002 zum RegE lediglich, man habe zwar mit Blick auf den RefE angeregt, den Wortlaut von § 58 unverändert zu lassen und seine Auslegung an Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL zu orientieren; die jetzt vorgesehene Neufassung entspreche jedoch der Interessenlage und könne von den Beteiligten akzeptiert werden; Stellungnahme abrufbar unter www.urheberrecht.org/topic/InfoRiLi/st/stellgn_dt_kr.pdf (20. 10. 2013). Vgl. auch die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum RefE für ein »Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft« vom 18. 4. 2002, abrufbar unter www.puk-online.net/puk-online/06.2002/stel lungnahme0001.htm (20. 10. 2013). 281 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 6. 11. 2002, BT-Drucks. 15/39. 282 BGBl. 2003 I 1774.
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kauf bestimmten« Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken werben. Darüber hinaus wurden Werbemaßnahmen erstmals auch im Ausstellungssektor erlaubt. Neben dieser Erweiterung des Privilegierungszwecks erstreckt die Neuregelung zugleich den Kreis der zulässigen Verwertungsarten auf die öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), d. h. auf Online-Nutzungen. Begrenzt wird die Freistellung durch den aus Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL sinngemäß übernommenen Zusatz, dass die Nutzung »zur Förderung der Veranstaltung erforderlich« sein muss. Nicht ausdrücklich aufgenommen wurde dagegen der in der Richtlinie enthaltene »Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung«. § 58 Abs. 2 UrhG privilegiert in Anlehnung an Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL Nutzungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen. Diese dürfen »in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung oder zur Dokumentation von Beständen« Verzeichnisse der in Abs. 1 genannten Werke herausgegeben. Die Forderung eines inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit einer Ausstellung scheint der Rechtsprechung des BGH zur Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG a. F. entlehnt zu sein;283 die zusätzlich erlaubte ausstellungsunabhängige »Dokumentation von Beständen« geht indes erheblich über § 58 UrhG a. F. hinaus. Neben Museen werden auch öffentlich zugängliche Bibliotheken und Bildungseinrichtungen begünstigt. Allerdings ist fraglich, inwieweit letztere Einrichtungen angesichts der Beschränkung der Norm auf Kunstwerke faktisch von der Freistellung profitieren können. Die in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ebenfalls aufgeführten Archive bleiben unerwähnt.284 Zulässig ist die Vervielfältigung und Verbreitung der Werke (vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. c, Abs. 4 HRL) in analogen wie digitalen (Offline-)Verzeichnissen, mit denen kein »eigenständiger Erwerbszweck« verfolgt werden darf. Dieser Zusatz entstammt, wenngleich nicht wörtlich, Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL.285 Die konkrete Reichweite der Freistellungen in § 58 Abs. 1 und 2 UrhG einschließlich ihrer Richtlinienkonformität wird in den folgenden Abschnitten II und III untersucht.
283 Vgl. oben S. 104 f. 284 Vgl. jedoch den durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. 10. 2007 (BGBl. I 2513) eingeführten § 52b UrhG, mit dem Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL umgesetzt wurde. 285 Vgl. oben S. 73.
116 II.
Die Rechtslage in Deutschland
Privilegierung der Ausstellungs- und Verkaufswerbung (§ 58 Abs. 1 UrhG)
§ 58 Abs. 1 UrhG gestattet dem Veranstalter einer öffentlichen Ausstellung oder Verkaufsveranstaltung, Werke der bildenden Künste und Lichtbildwerke, die öffentlich ausgestellt oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmt sind, zu Zwecken der Werbung zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Freistellung werden, beginnend mit den privilegierten Werkarten, nachfolgend im Einzelnen erörtert. 1.
Privilegierte Werkarten
§ 58 Abs. 1 UrhG erlaubt nunmehr neben der Nutzung von Werken der bildenden Künste ausdrücklich auch die Verwertung von Lichtbildwerken. Damit folgte der Gesetzgeber von 2003 ausweislich der amtlichen Begründung286 der überwiegenden Literaturmeinung, die bereits früher eine analoge Anwendung von § 58 UrhG a. F. auf fotografische Werke befürwortet hatte.287 Im Hinblick auf die ebenfalls diskutierte Frage, ob der Begriff des Werkes der bildenden Kunst im engen oder weiteren Sinne zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber, der den Anwendungsbereich von § 58 UrhG auf die Nutzung von Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerke begrenzte, hingegen keine Klärung herbeigeführt. Gleiches gilt für die Frage, ob § 58 UrhG analog auf weitere Werkarten angewandt werden kann. a) Werke der bildenden Künste Werke der bildenden Künste werden im Werkkatalog des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG »einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke« aufgeführt. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG verwendet den Begriff der bildenden Künste mithin als Sammelbegriff, unter den die reine bildende Kunst, die Baukunst und die (einem Gebrauchszweck dienende) angewandte Kunst fallen.288 Dies gab bereits während der Geltung von § 58 UrhG a. F. Anlass zu der Frage, ob die Vorschrift vor dem Hintergrund der grundsätzlich gebotenen engen Auslegung urheberrechtlicher Schranken289 allein auf Werke der
286 287 288 289
S. oben S. 113. S. oben S. 104. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 133. Vgl. oben S. 83.
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reinen, zweckfreien Kunst oder auch auf Werke der angewandten Kunst und der Baukunst anzuwenden sei. aa) Werke der reinen Kunst Unter die Schrankenregelung fallen zunächst Werke der bildenden Künste im engeren Sinne, die reine, zweckfreie Kunst. Dazu gehören die klassischen Kunstformen der Malerei, Grafik und Plastik.290 Die Bandbreite an künstlerischen Arbeiten, die heute in Museen gezeigt und auf dem Kunstmarkt gehandelt werden, ist indes schon seit Langem nicht mehr auf die traditionellen Kunstgattungen beschränkt. Vielmehr zählen hierzu im Rahmen eines weiten Kunstbegriffs auch moderne, gattungsübergreifende Kunstrichtungen wie z. B. Happenings und Performances,291 kinetische Skulpturen oder Installationen, Environments oder Videoarbeiten. Zu den neueren Erscheinungsformen von »Kunst« gehören ferner Schöpfungen der digitalen Kunst oder Multimediakunst, die eigens für die Wahrnehmung im Internet oder sogar auf Smartphones292 geschaffen werden. Auch solche Kunstformen werden grundsätzlich von § 58 Abs. 1 UrhG erfasst, sofern sie urheberrechtlich den Werken der bildenden Kunst zuzurechnen sind.293 Entscheidend hierfür ist zunächst, ob es sich bei dem jeweiligen Werk um eine Gestaltungsform handelt, die (noch bzw. auch) in den Bereich der bildenden Kunst i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG fällt, d. h. das ästhetische Empfinden durch die Gestaltung von Flächen, Körpern oder Räumen anspricht.294 Die klare Abgrenzung zu anderen Werkarten, beispielsweise zu Filmwerken295, Werken der Musik oder Tanzkunst, kann im Einzelfall schwierig sein.296 Stets muss die betreffende Gestaltung die Voraussetzungen einer persönlichen geistigen Schöpfung erfüllen, § 2 Abs. 2 UrhG, d. h. auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit des Urhebers beruhen, geistigen Inhalt aufweisen und eine wahrnehmbare Formgestaltung gefunden haben, in der die 290 Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 133, 146. In Betracht kommen insoweit Statuen, Plastiken, Gemälde, Fresken, Aquarelle, Collagen, Zeichnungen, Holzschnitte, Lithografien, Radierungen, Stiche usw. 291 Jacobs, FS Vieregge, 381, 387; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 129. 292 Vgl. das Projekt »art for mobile life« des Berliner Kunstsammlers Ivo Wessel und des Galeristen Gerd Harry Lybke, in dessen Rahmen Künstler ihre Werke als sog. »E-Art-App« zum Download auf Smartphones gestalten können; art 1/10, S. 118. Auch der Pop-ArtKünstler David Hockney arbeitet seit einiger Zeit mit dem Zeichenprogramm seines iPhones und iPads; vgl. Schlüter, Der Weitermaler, art 11/2012, S. 30. 293 Vgl. Dreier, in: Schricker, Informationsgesellschaft, S. 170; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 129. 294 Vgl. Fromm/Nordemann/A. Nordemann, § 2 Rn. 137; Rehbinder, Rn. 180. 295 Vgl. dazu unten S. 126 ff. 296 Vgl. BGH GRUR 1985, 529 – Happening. Während der BGH offen ließ, ob ein Bühnenhappening als Werk der bildenden Kunst oder der Choreografie einzuordnen war, hatte die Vorinstanz (KG GRUR 1984, 507) ein Werk der bildenden Kunst angenommen.
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Individualität des Urhebers zum Ausdruck kommt.297 Maßgeblich für das Vorliegen eines Werkes der bildenden Kunst ist dementsprechend, ob es die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Urhebers auf ästhetischem Gebiet ausdrückt.298 Geschützt wird im Bereich der reinen Kunst auch die sog. kleine Münze, so dass ein Minimum an zutage tretender Individualität für den Urheberschutz genügt.299 Eine körperliche Festlegung ist nicht erforderlich, ebenso wenig muss die Festlegung dauerhaft sein.300 Urheberschutz genießen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG auch bereits Entwürfe von Werken der bildenden Kunst.301 Die Zugrundelegung eines weiten Verständnisses von reiner Kunst, das – ihre Schutzfähigkeit vorausgesetzt – auch moderne künstlerische Ausdrucksformen mit einschließt, entspricht auch dem Sinn und Zweck von § 58 Abs. 1 UrhG, zur Förderung der jeweiligen Veranstaltung Werbung für solche Kunstwerke zu gestatten, die Gegenstand des Kunstmarkts und von Kunstausstellungen sind. Vereinbar ist dies auch mit Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, der ohne Nennung konkreter Werkarten die Nutzung »künstlerischer Werke« gestattet. Eine andere – anhand des Einzelfalles zu beantwortende – Frage ist dagegen, ob die gestalterische Eigenart eines Werkes, insbesondere bei Arbeiten mit flüchtigem oder unkörperlichem Charakter (z. B. Happenings oder Formen der Videokunst), dem von § 58 Abs. 1 UrhG vorausgesetzten Verkauf oder der Ausstellung zugänglich ist (näher dazu unten c).
bb) Werke der angewandten Kunst Wie eingangs erwähnt, lässt der Wortlaut von § 58 Abs. 1 UrhG weiterhin offen, ob sich die Schranke nur auf Werke der reinen Kunst oder – i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG – auch auf Werke der angewandten Kunst bezieht.302 297 Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 135, 137. Näher zur Voraussetzung der persönlichen geistigen Schöpfung im Bereich der bildenden Kunst Schack, KuR, Rn. 223 ff. Die Rechtsprechung hat versucht, ein Kunstwerk dahingend zu definieren, dass es eine persönliche geistige Schöpfung sei, »die mit Darlegungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht ist und deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach den im Leben herrschenden Anschauungen noch von Kunst gesprochen werden kann, und zwar ohne Rücksicht auf den höheren oder geringeren Kunstwert«, BGHZ 24, 55, 63 f. – Ledigenheim; st. Rspr.; vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 135 m. w. N. Kritisch zu dieser tautologischen Formel Rehbinder, Rn. 184; Schack, KuR, Rn. 8. 298 Rehbinder, Rn. 184. 299 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 24, 39, 139 m. w. N. 300 Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 20 m. w. N. 301 Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass schon die erste Formgebung geschützt wird, vorausgesetzt, die Formgebung ist soweit fortgeschritten, dass sie die erforderliche Individualität zum Ausdruck bringt; Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 22, 133. 302 Zum Meinungsstand unter der Geltung von § 58 UrhG a. F. s. oben S. 104.
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(1) Bei Werken der angewandten Kunst handelt es sich um Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung. Hierzu zählen kunstgewerbliche Gegenstände jeder Art, Gegenstände industrieller Formgebung, Gebrauchsgrafik, Modeschöpfungen, Möbel und nach der Rechtsprechung des BGH303 auch Bühnenbilder.304 Voraussetzung der Schutzfähigkeit ist wiederum, dass die ästhetische Gestaltung des entsprechenden Gegenstands eine individuelle schöpferische Prägung aufweist. Bei der Betrachtung, ob eine künstlerische Gestaltung vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Schöpfung des Werkes maßgeblich; einzubeziehen ist auch die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der übrigen Öffentlichkeit gefunden hat. Ein Indiz kann auch die Präsentation des Objekts in Kunstmuseen und Kunstausstellungen sein.305 Die kleine Münze ist hingegen nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur im Bereich der Gebrauchskunst nicht schutzfähig;306 Werke der angewandten Kunst müssen insoweit eine über rein handwerkliche Durchschnittgestaltungen hinausgehende Individualität besitzen.307 Geschützt sind wiederum auch Entwürfe, die bereits einen geistigen Gehalt ausdrücken. (2) Der BGH hat die Frage der Anwendung von § 58 UrhG a. F. auf Werke der angewandten Kunst in seiner Entscheidung »Parfumflakon« zwar offengelassen, jedoch unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG festgestellt, dass Werke der angewandten Kunst grundsätzlich ebenso wie Bilder, Skulpturen und Grafiken zu den Werken der bildenden Kunst zählen und bei ihnen ebenso wie bei Werken der reinen Kunst das Bedürfnis bestehen könne, sie in einem Ausstellungs- oder Versteigerungskatalog abzubilden. Die im Schrifttum zum Teil befürwortete Beschränkung von § 58 UrhG a. F. auf Werke der bildenden Kunst im engeren Sinne sei daher »zweifelhaft«.308 Das heutige Schrifttum teilt diese Zweifel ganz überwiegend und spricht sich – auch vor dem Hintergrund der jüngeren BGHRechtsprechung zu einer flexibleren Auslegung von Schrankenbestimmungen – für die Einbeziehung von Werken angewandter Kunst aus.309 Vogel zufolge ist bei der Auslegung privilegierter Werkarten im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift ein großzügiger Maßstab i. S. d. Gies-Adler-Entscheidung des BGH310 anzulegen und der Begriff der Werke der bildenden Künste i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 303 304 305 306 307 308 309
BGH GRUR 1986, 458 – Oberammergauer Passionsspiele. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 158 m. w. N. BGH GRUR 1987, 903, 905 – Le Corbusier-Möbel. Vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 160 m. w. N. Rehbinder, Rn. 186; vgl. auch Schack, UrhR, Rn. 231 ff. BGH GRUR 2001, 51, 52 – Parfumflakon. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 55 f.; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 8; ders., KUR 2005, 56, 57; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 3; Wandtke/ Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 3; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 3; Schack, KuR, Rn. 283 Fn. 157; Mercker, S. 127; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 129. 310 BGH GRUR 2003, 955, 957.
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UrhG zu verstehen. Eine enge Auslegung der Begriffe führe bei Ausstellungen zu unvertretbaren konzeptionellen Einschränkungen.311 Einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung von Werken der reinen Kunst und Werken der angewandten Kunst vermögen auch Lüft und Kirchmaier nicht zu erkennen.312 Jacobs stützt ein weites Begriffsverständnis auf Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, der allgemein von »künstlerischen Werken« spreche und damit ersichtlich auch Werke der angewandten Kunst meine.313 (3) Der nunmehr herrschenden Auffassung ist zuzustimmen. Für die Einbeziehung von Werken der angewandten Kunst spricht zunächst die Gesetzessystematik. Wie der BGH zu § 58 UrhG a. F. hervorhob, umfasst der Begriff des Werkes der bildenden Kunst in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG grundsätzlich auch Baukunst und angewandte Kunst.314 Werke der bildenden Künste (und Lichtbildwerke) treten im UrhG insbesondere in §§ 18, 44 Abs. 2 und 26 Abs. 1 UrhG in Erscheinung, die das Ausstellungsrecht des Urhebers und die Folgerechtsvergütung regeln und damit inhaltlich enge Bezüge zu den von § 58 Abs. 1 UrhG privilegierten Kunstausstellungen und Verkaufsveranstaltungen aufweisen.315 Ein weites gesetzgeberisches Verständnis der bildenden Kunst kommt dabei deutlich in der Regelung des Folgerechts in § 26 UrhG zum Ausdruck: Die Klarstellung, dass das Folgerecht nicht für Werke der Baukunst und der angewandten Kunst gilt (§ 26 Abs. 8 UrhG)316, wäre überflüssig, wenn der Begriff des (Original-)Werkes der bildenden Künste in Abs. 1 ohnehin nur Werke der reinen Kunst erfasste.317 Diese vom Gesetzgeber 1965 in § 26 UrhG gewählte Regelungstechnik318 spricht dafür, dass sich das Ausstellungsrecht in § 18 UrhG – mangels begrifflicher Einschränkung – wiederum auf Werke der bildenden Kunst im weiteren Sinne bezieht.319 Gleiches gilt zwangsläufig für die Ausstellungsbefugnis des Werkeigentümers in § 44 Abs. 2 UrhG320 – und kann mithin auch für § 58 Abs. 1 UrhG angenommen werden. 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320
Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9. Kirchmaier, KUR 2005, 56, 57; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 3. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 56. BGH GRUR 2001, 51, 52 – Parfumflakon. Vgl. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 1. Weniger restriktiv ist hingegen die Folgerechts-RL, die Werke der angewandten Kunst gemäß Art. 2 Abs. 1 nicht zwingend ausschließt; vgl. dazu Dreier/Schulze, § 26 Rn. 34. Entsprechend Kühl, S. 79. Bereits § 26 UrhG in seiner vom 1. 1. 1966 bis 1. 1. 1973 geltenden Fassung enthielt in Absatz 3 den Ausschluss von Werken der Baukunst und der anwandten Kunst. §§ 18 und 44 Abs. 2 UrhG gelten seit dem 1. 1. 1966 mit unverändertem Wortlaut. In diesem Sinne Kühl, S. 79; dagegen Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, § 18 Rn. 12, 14; unklar insoweit Möhring/Nicolini/Kroitzsch, § 18 Rn. 5, 6, der auf die Kommentierung zu § 2 verweist und sodann eine Erstreckung auf »andere« Werke ausschließt. Bei § 44 Abs. 2 UrhG, der als Ausnahmeregel zu Gunsten des Eigentümers eng auszulegen ist (vgl. Dreier/Schulze, § 44 Rn. 15 m.w. N.), wird eine zu breite Anwendung dadurch
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Darüber hinaus steht die Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG auf Werke der Gebrauchskunst, wie Vogel zu Recht hervorhebt, im Einklang mit dem Zweck der Vorschrift. Museen stellen heute bei weitem nicht nur Werke der reinen Kunst, sondern auch kunstgewerbliche Arbeiten und modernes Design aus. Ganze Stilrichtungen, wie z. B. das Art D¦co, haben sich vornehmlich in der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen wie Schmuck, Geschirr oder Möbeln niedergeschlagen und füllen heute in Museen ganze Abteilungen oder werden in eigens der Ausstellung von angewandter Kunst gewidmeten Museen präsentiert. Auch im Kunsthandel nehmen Werke der angewandten Kunst eine wichtige Rolle ein; sie werden von Kunst- und Antiquitätengeschäften oder in Auktionen zu teilweise erheblichen Summen veräußert. Mit dem BGH ist daher festzustellen, dass für derartige Werke ein ebenso großes Nutzungsbedürfnis besteht wie für Werke der reinen Kunst. Vereinbar ist die Anwendung der Schranke auf Werke der angewandten Kunst schließlich auch mit Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, der die Nutzung von »künstlerischen Werken« gestattet und damit eine allgemeine Formulierung wählt, die auch angewandte Kunst zu erfassen scheint.321 cc) Werke der Baukunst Fraglich ist weiter, ob – i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG – neben Werken der angewandten Kunst auch Werke der Baukunst unter die Privilegierung fallen. (1) Werke der Baukunst sind – unabhängig von der Art ihrer Konstruktion und Herstellung sowie ihrer Zweckbestimmung – Bauten jeglicher Art, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen.322 Dies können z. B. Wohn- und Geschäftshäuser, Schulen, Kirchen, Schlösser, Amtsgebäude, Fabriken ebenso wie Türme, Brücken, Denkmäler oder Plätze sein.323 Der Urheberschutz kann sich auch auf Werke der Innenarchitektur oder nur auf einzelne Teile eines Bauwerkes beziehen, z. B. auf die Fassadengestaltung, sofern dieser Teil die notwendige Individualität aufweist.324 Gleiches gilt für Entwürfe, in denen die individuellen Züge des Bauwerkes bereits ihren Niederschlag gefunden haben.325
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vermieden, dass sie sich nur auf ausstellungsfähige »Originale« von Kunstwerken bezieht, wobei sich der Originalbegriff nach den Anschauungen des Kunstmarkts richtet; vgl. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 44 Rn. 23. Vgl. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 56. Allerdings müssen die nationalen Gesetzgeber den Rahmen einer Schrankenvorgabe nicht voll ausschöpfen (s. oben S. 72 f.), so dass der Wortlaut der Richtlinie nicht zwingend für die herrschende Auffassung spricht. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 151; ausführlich Schack, KuR, Rn. 767. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 151; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 235, jeweils m. w. N. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 152 f.; Schack, KuR, Rn. 771, jeweils m. w. N. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 157 m. w. N.
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(2) Unter der Geltung von § 58 UrhG a. F. war umstritten, ob Bauwerke von der Privilegierung erfasst waren.326 Jacobs begründete seine bejahende Auffassung damit, dass Werke der Baukunst zwar kaum ausgestellt, wohl aber versteigert werden könnten.327 Hinsichtlich der Auslegung von § 58 Abs. 1 UrhG n. F. besteht der Meinungsstreit, wenngleich unter anderen Vorzeichen, fort. Die überwiegende Ansicht befürwortet heute die Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG auch auf Werke der Baukunst.328 Jacobs und Mercker hingegen halten dies angesichts des limitierten Schrankenkatalogs von Art. 5 HRL für ausgeschlossen. Sie verweisen darauf, dass die Richtlinie nur in Art. 5 Abs. 3 lit. m die Nutzung »eines künstlerischen Werkes in Form eines Gebäudes bzw. einer Zeichnung oder eines Plans eines Gebäudes zum Zwecke des Wiederaufbaus des Gebäudes« gestatte; andere Nutzungszwecke seien für Bauwerke nicht privilegiert.329 (3) Zuzustimmen ist dennoch der überwiegenden Auffassung. Wie gesehen, spricht für ein weites Verständnis der bildenden Kunst zunächst die Gesetzessystematik (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 26 Abs. 1, 8 UrhG). Darüber hinaus kann für Werke der Baukunst zum einen im Bereich von Versteigerungen ein praktisches Bedürfnis bestehen, Nutzungen zu Werbezwecken vornehmen zu dürfen,330 wie Jacobs zu § 58 UrhG a. F. zutreffend hervorhob. Zum anderen sind architektonische Werke auch Gegenstand der Kunstwissenschaft und werden im Rahmen von Ausstellungen, auch in Form von Entwürfen (etwa Zeichnungen, Modellen oder Grundrissen), präsentiert. Der Zweck von § 58 Abs. 1 UrhG rechtfertigt ihre Nutzung daher ebenfalls. Eine Differenzierung zwischen Werken der angewandten Kunst und der Baukunst lässt sich auch nicht auf die Schrankenvorgaben in Art. 5 HRL stützen. Ein Vergleich von Art. 5 Abs. 3 lit. j mit lit. m HRL zeigt im Gegenteil, dass die Richtlinie den Begriff des »künstlerischen Werkes« als Oberbegriff verwendet, der im Fall von Art. 5 Abs. 3 lit. m HRL auf »Gebäude« beschränkt wurde. Da sich die Schrankenregelungen in Art. 5 HRL wechselseitig nicht ausschließen,331 eröffnet Art. 5 Abs. 3 lit. m HRL somit nur eine zusätzliche Nutzungsmöglichkeit speziell für den Wiederaufbau urheberrechtlich geschützter Gebäude. Der umfassendere Begriff des »Werkes der Baukunst« wird wiederum in Art. 5 Abs. 3 lit. h HRL, einer Schrankenvorgabe zur Panoramafreiheit, beispielhaft zusam326 Dafür Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 387; Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 1; ebenso offenbar Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 17, § 2 Rn. 20 – 28; dagegen v. Gamm, § 58 Rn. 2. 327 Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 387. 328 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 8; ders., KUR 2005, 56, 57; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 3; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 3; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 129. 329 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 56; Mercker, S. 127 f. 330 Vgl. TGI Paris, 17. 12. 2002, D. 2003, 2089 mit Anm. Edelman, zur Internetwerbung für die Versteigerung eines Pariser Hútel Particulier samt Einrichtung und Mobiliar. 331 S. oben S. 73.
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men mit Plastiken genannt, die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden. Diese Regelung verdeutlicht, dass die Nutzung eines Bauwerks in Form eines Gebäudes nach Art. 5 Abs. 3 lit. h wie nach Art. 5 Abs. 3 lit. m oder – allgemein als »künstlerisches Werk« – nach Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL zulässig sein kann, ebenso wie Plastiken als Werke der reinen Kunst zugleich unter Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL fallen können. »Künstlerische Werke« i. S. v. Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL umfassen danach grundsätzlich auch Werke der Baukunst.332 Eine entsprechende Auslegung ist somit auch für den Begriff des Werkes der bildenden Kunst in § 58 Abs. 1 UrhG möglich und, wie oben dargelegt, insbesondere im Bereich von Kunstausstellungen auch sinnvoll. b) Lichtbildwerke und Lichtbilder Anders als § 58 UrhG a. F. erfasst die Neuregelung des § 58 Abs. 1 UrhG ausdrücklich auch Lichtbildwerke.333 Ihre Einbeziehung trägt der Etablierung der Fotografie als unabhängiger Kunstform Rechnung, die in Deutschland bereits ab Mitte der 1970er Jahre zunehmend Gegenstand des Handels war334, aber erst gegen Ende der 1980er Jahre auch von den Museen als »sammelwürdig« anerkannt wurde.335 aa) § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG schützt Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden. Schutzgegenstand ist nach heutigem Verständnis die Aufzeichnung und Wiedergabe eines vorhandenen Motivs, Abbilds oder Bildgegenstands durch ein beliebiges technisches Verfahren, sei es chemisch-physikalisch, elektronisch (digital) oder andersartig,336 das mit strahlender Energie – in der Regel Lichtstrahlen – arbeitet.337 Der Schutz als Lichtbildwerk setzt voraus, dass das entstandene Lichtbild als eine persönliche geistige Schöpfung des Fotografen anzusehen ist,338 d. h. eine »eigenschöpferische Prägung«339 aufweist. Es muss eine individuelle Betrachtungsweise oder künstlerische Auffassung des Fotografen zum Ausdruck bringen, die es von einer lediglich gefälligen, routinemäßigen oder rein handwerklichen 332 A. A. offenbar v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.65, die Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL aufgrund ihrer vergleichbaren Nutzungssituation vornehmlich »auf Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Fotografien und sogar Werke angewandter Kunst« angewendet wissen wollen. 333 Kritisch zur Erstreckung von § 58 UrhG auf Werke der Fotografie angesichts der verbesserten digitalen Wiedergabetechniken Mercker, S. 129 f. 334 Vgl. Boll, S. 151 f.; Blomberg, S. 99. 335 Vgl. Blomberg, S. 93, 98 f. 336 Dreier/Schulze, § 2 Rn. 189 m. w. N.; vgl. OLG Hamburg ZUM 2004, 675, 677 – Becker/ Setlur; Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 179. 337 Schack, KuR, Rn. 860. 338 OLG Hamburg GRUR 1999, 717 – Wagner-Familienfotos; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 2 Rn. 182. 339 BGH GRUR 1981, 352, 352 – Staatsexamensarbeit.
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Abbildung des Fotografierten abhebt,340 etwa durch die Wahl des Motivs, Herausarbeitung von Licht und Schatten, Retuschierungen341, Fotomontagen oder andere künstlerische Gestaltungsmittel, wie ungewohnte Perspektiven oder Bildausschnitte.342 Einer besonderen Gestaltungshöhe bedarf es indessen nicht; die »kleine Münze« ist auch im Bereich der Fotografie geschützt.343 Da der Lichtbildschutz nach überwiegender Auffassung nicht von einer körperlichen Fixierung abhängt, können bei entsprechend individuellem Gehalt auch einzelne Fernsehbilder344 ebenso wie einzelne Film- und Videobilder Urheberschutz genießen.345 bb) Über § 72 Abs. 1 S. 3 findet § 58 Abs. 1 UrhG auch auf einfache Lichtbilder Anwendung,346 d. h. auf Aufnahmen, in denen ein Mindestmaß an zwar nicht schöpferischer, aber persönlicher geistiger Leistung zum Ausdruck kommen muss.347 Dieses Ergebnis ist auch unter Wertungsgesichtspunkten gerechtfertigt. Zunächst ist nicht ersichtlich, warum Lichtbilder ein höheres Maß an Immaterialgüterschutz genießen sollen als Lichtbildwerke.348 Daneben spricht die mitunter schwierige Differenzierung zwischen Lichtbildwerk und Lichtbild für eine Einbeziehung von Lichtbildern. Ein Beispiel hierfür sind gewerblich erstellte Presse- oder Dokumentarfotos, die zwar eine realitätsnahe Abbildung eines Motivs und (nicht primär) künstlerische Zwecke verfolgen, aber dennoch oft durch die Art und Weise der Aufnahme des jeweiligen Sujets beeindrucken und regelmäßig in Fachkreisen prämiert349 und ausgestellt werden. Da bei diesen (wie bei anderen Arten von) Fotografien in Frage stehen kann, 340 Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 184; Schack, UrhR, Rn. 239; Platena, S. 238 ff.; Dreier/ Schulze, § 2 Rn. 192; Heitland, S. 37; Lehment, S. 49 f.; Rehbinder, Rn. 198; a. A. Fromm/ Nordemann/A. Nordemann, § 2 Rn. 198, 199, der eine von anderen Aufnahmen »unterscheidbare Gestaltung« genügen lässt. 341 Vgl. OLG Koblenz GRUR 1987, 435 – Verfremdete Fotos. 342 Rehbinder, Rn. 198. 343 Art. 6 der Schutzdauer-RL stellt dies nunmehr klar; Heitland, S. 53 ff., 62 f.; BGH ZUM 2000, 233, 234 – Werbefotos. 344 BGHZ 37, 1, 6 – AKI. 345 Schack, UrhR, Rn. 239; Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 179, jeweils m. w. N.; a. A. Platena, S. 130. 346 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 3; Dreier/ Schulze, § 58 Rn. 3; so wohl auch Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 18, zu § 58 UrhG a. F. 347 Vgl. BGH GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion; BGH ZUM 2000, 233, 234 – Werbefotos; OLG Hamburg ZUM 2004, 675, 677 – Becker/Setlur ; Schack, UrhR, Rn. 722; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 72 Rn. 23 m. w. N. Erforderlich ist ein, wenn auch geringer gestalterischer Spielraum des Fotografen; Schack, KuR, Rn. 861; Lehment, S. 27; a. A. Fromm/Nordemann/A. Nordemann, § 72 Rn. 10, 11, der eine rein technische Leistung für ausreichend hält. 348 Vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 3. 349 Z.B. durch die niederländische Stiftung World Press Photo, s. www.worldpressphoto.org/ foundation.
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ob eine Abbildung eher das Ergebnis handwerklichen, technischen Könnens darstellt350 oder Ausdruck einer individuellen, künstlerischen Gestaltung ist,351 ist die Erstreckung von § 58 Abs. 1 UrhG auf Lichtbilder auch unter diesem Aspekt gerechtfertigt. c) Analoge Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG auf weitere Werkarten? Im Hinblick auf den Zweck von § 58 Abs. 1 UrhG, Werbung für Werke in Ausstellungen und Verkaufsveranstaltung zu ermöglichen, stellt sich die Frage, ob die Norm analog auf andere Werkarten angewandt werden kann. Wie oben dargelegt, kann eine weite Auslegung oder analoge Anwendung von Schrankenregelungen ausnahmsweise zulässig sein, wenn unter Berücksichtigung des Schrankenzwecks eine Anpassung an neue Nutzungsformen erforderlich ist.352 Vor diesem Hintergrund ließe sich argumentieren, dass die kontinuierliche Erstreckung des Ausstellungs- bzw. Kunstbetriebs auf neue Ausdrucksformen und Ausstellungsinhalte seit Inkrafttreten der Schranke auch eine Erweiterung der privilegierten Werkarten rechtfertige.353 Danach könnten sämtliche Werkarten erfasst werden, die Gegenstand des (Kunst-)Handels oder von Ausstellungen jeglicher Art sind, z. B. als Sprach- bzw. Musikwerke geschützte handschriftliche Manuskripte oder Partituren. In der Literatur wurde eine analoge Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG vor allem für technische und wissenschaftliche Darstellungen i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG befürwortet.354 Hierunter fallen z. B. Konstruktionspläne, Stadtpläne, Karten, Skizzen oder sonstiges Lehr- und Anschauungsmaterial in zwei- oder dreidimensionaler Form.355 Vogel begründet die Einbeziehung solcher Werke in den Anwendungsbereich von § 58 UrhG damit, dass Überschneidungen mit den Werkarten nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG nicht dazu führen sollten, die Präsentation technischer und wissenschaftlicher Darstellungen in einer Architekturausstellung von der Schrankenregelung auszunehmen.356 Ein Nutzungsbedürfnis nahm Dreier im Kontext von § 58 UrhG a. F. auch bereits für »Multimediawerke« an, sofern diese ausnahmsweise 350 351 352 353
Vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 Rn. 184; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 250. Vgl. Wandtke/Bullinger, § 2 Rn. 118; LG Hamburg ZUM 2009, 165 – Mauersoldat. S. oben S. 83 f. Bereits der DiskE 1998 und der RefE von März 2002 (oben S. 109 f.) wollten § 58 UrhG nicht mehr auf bestimmte Werkarten beschränken. 354 Bejahend Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 388, zu § 58 UrhG a. F.; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 3; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9. 355 Dreier/Schulze, § 2 Rn. 222. 356 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9. Unklar ist, ob Vogel insoweit konzeptuelle Überschneidungen, d. h. ein Nebeneinander mehrerer ausgestellter Werkarten, oder Überschneidungen von Werkarten i. S. v. § 2 Abs. 1 UrhG bezogen auf ein und dasselbe Exponat meint. Die Bezugnahme auf die Auffassung von Dreier, der § 58 analog auf Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art anwenden möchte, spricht eher für ersteres Verständnis.
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Werken der bildenden Kunst zuzurechnen seien. Er plädierte daher für eine Aufhebung der Beschränkung auf Werke der bildenden Künste.357 aa) Beschränkung auf künstlerische Werke i. S. v. Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL Einer allgemeinen Öffnung von § 58 Abs. 1 UrhG für sonstige Werkarten, sei es im Wege einer Analogie oder de lege ferenda, steht jedoch nunmehr Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL entgegen, der den EU-Mitgliedstaaten im Kontext der Ausstellungsund Verkaufswerbung lediglich die Freistellung von »künstlerischen Werken« gestattet. Werke, die nicht mehr im weiteren Sinne künstlerisch sind, d. h. den Betrachter auf ästhetischem Gebiet durch individuelle Gestaltungen bzw. Formgebungen ansprechen, darf das nationale Recht daher nicht privilegieren. Die Anwendung von § 58 UrhG auf technische und wissenschaftliche Darstellungen i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG, die der Veranschaulichung eines technischen oder wissenschaftlichen Inhaltes dienen,358 ist somit bei richtlinienkonformer Auslegung ausgeschlossen. bb) Beschränkung auf ausstellungsfähige Werke i. S. v. § 18 UrhG (1) Fraglich ist, welche Werkarten neben Werken der bildenden, angewandten und Baukunst als »künstlerische Werke« gelten können, für die ein Nutzungsbedürfnis i. S. v. § 58 UrhG und Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL besteht. Hier kommen insbesondere Filmwerke und ähnlich geschaffene Werke i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG in Betracht, die sich durch eine individuelle, einen geistigen Inhalt ausdrückende Gestaltung einer Bildfolge bzw. Bild- und Tonfolge auszeichnen.359 Zu Werken, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, zählen auch am Computer erzeugte Bildfolgen wie z. B. Computeranimationen oder MultimediaProdukte.360 Viele Künstler bedienen sich des Films als selbständigen Ausdrucksmittels, als Form der Dokumentation (z. B. einer Performance)361 oder nutzen von ihnen gestaltete Ton- und Bildfolgen als Elemente der Video- oder Multimediakunst.362 Während z. B. Videoinstallationen, die samt »Wiedergabe357 Bei gleichzeitiger Aufhebung der Beschränkung auf Verzeichnisse, der Gestattung der öffentlichen Wiedergabe der Werke im Internet und eines zum Ausgleich für diese Erweiterungen einzuführenden verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsanspruchs; Dreier, in: Schricker, Informationsgesellschaft, S. 170. 358 Vgl. Dreier/Schulze, § 2 Rn. 222, 223. 359 Vgl. Rehbinder, Rn. 202 – 204; Dreier/Schulze, § 2 Rn. 204. 360 Dreier/Schulze, § 2 Rn. 207 m. w. N. 361 Die deutsche Künstlerin Rebecca Horn beispielsweise hielt in den 1970er Jahren sowohl ihre Performances als auch von ihr geschaffenene kinetische Skulpturen in Filmaufnahmen fest. 362 Ein Beispiel hierfür ist die 2008 für das New Yorker Museum of Modern Art geschaffene Multimedia-Installation »Pour Your Body Out (7354 Cubic Meters)« der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist. Sie projezierte mit Musik unterlegte Filmszenen auf die meterhohen Wände eines Museumsatriums, gestaltete eine kreisförmige Sitzfläche für die be-
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Hardware« wie Fernsehern als gegenständliche Werkeinheit präsentiert werden, ohne Weiteres im Museum ausgestellt werden (und in ihrer Gesamtheit als Werk der bildenden Kunst gelten)363, bedarf es jedoch bei »reinen« Kunstfilmen ihrer Vorführung vom jeweiligen Filmträger unter Zuhilfenahme technischer Einrichtungen (vgl. § 19 Abs. 4 UrhG).364 Gleiches gilt etwa für die filmische Dokumentation einer Performance oder eines Happenings, bei denen das dem Film zugrunde liegende Werk(ereignis) durch den Film vervielfältigt, aber nicht ohne Zuhilfenahme technischer Geräte erneut wahrnehmbar gemacht werden kann. Letztere Werke können daher nicht im urheberrechtlichen Sinne ausgestellt, d. h. als körperliches Werkexemplar unmittelbar vom Betrachter wahrgenommen werden365 oder »zur Ausstellung bestimmt sein«366. Zwar ist fraglich, ob der Begriff der öffentlichen Ausstellung in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL eine direkte körperliche Zurschaustellung im Sinne des deutschen Ausstellungsrechts (§ 18 UrhG) erfordert, zumal keineswegs alle Mitgliedstaaten ein Ausstellungsrecht kennen.367 Mit »Ausstellung« könnte vielmehr auch die körperliche oder unkörperliche Präsentation eines künstlerischen Werkes gemeint sein. Für das deutsche Recht, das in §§ 18, 44 Abs. 2, 26 und 58 UrhG die gleichen Begrifflichkeiten verwendet, ist jedoch anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Schrankenregelung – was »zur öffentlichen Ausstellung bestimmte« Werke betrifft – tatsächlich nur auf ausstellungsfähige Werkexemplare der bildenden Kunst und Lichtbildwerke i. S. v. § 18 UrhG angewandt wissen wollte.368 (2) Gegen eine Einbeziehung von Filmwerken oder ähnlich geschaffener Werke in die Freistellung spricht überdies die besondere Eigenart solcher Werke.
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trachtenden Besucher sowie ein Gehäuse für die Filmprojektoren. Videos mit Kurzdokumentationen der Installation und ihres Aufbaus sind abrufbar unter www.moma.org/visit/ calendar/exhibitions/307 (20. 10. 2013). Vgl. Kühl, S. 80. Näher zur Schutzfähigkeit der einzelnen Elemente von Videoinstallationen Hilgert, in: Handbuch KuR, S. 10, 18 f. Das Museum muss daher über das Vorführungsrecht (§ 19 Abs. 4 UrhG) verfügen. Eine analoge Anwendung von § 44 Abs. 2 UrhG auf andere Werkarten bzw. Verwertungsarten kommt aufgrund des Ausnahmecharakters der Norm und der daher gebotenen engen Auslegung nicht in Betracht; vgl. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 44 Rn. 19, 21; Bullinger/ Bretzel/Schmalfuß, Rn. 155 f. Vgl. auch OLG Köln ZUM 2009, 68, 69 zur Unzulässigkeit einer analogen Anwendung von § 44 Abs. 2 UrhG auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken zu Verkaufszwecken. Verfehlt ist hingegen das Argument des OLG, eine solche Analogie komme auch deshalb nicht in Betracht, weil »das Recht des Erwerbers, das Werk im Rahmen eines öffentlichen Verkaufs zugänglich zu machen, in § 58 UrhG speziell geregelt ist«. Vgl. Dreier/Schulze, § 18 Rn. 6. Näher zu den Begriffen der »Ausstellung« und der »Bestimmung« zur Ausstellung unten S. 129 ff., 134 ff. S. Kühl, S. 80 – 82. Auch die Kommentarliteratur zu § 58 UrhG verweist hinsichtlich des Ausstellungsbegriffs schlicht auf § 18 UrhG; vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 10; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 6.
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Zwar ist es heute ohne Weiteres technisch möglich, Filmwerke zur Werbung für eine museale Präsentation oder für den Verkauf (des Filmträgers) wiederzugeben. Hierfür in Betracht kämen theoretisch die Vervielfältigung und Verbreitung von Filmstills in gedruckten Werbematerialien oder die Vervielfältigung (vgl. § 16 Abs. 2 UrhG) und öffentliche Zugänglichmachung von Ausschnitten oder gar des ganzen Films im Internet. Im Unterschied zu körperlichen Kunstobjekten, wie z. B. Gemälden, die vollständig, wenn auch in verkleinerter Form, fotografiert werden können, greift eine ausschnittsweise Wiedergabe von schutzfähigen Werkteilen jedoch zwangsläufig in das Recht des Urhebers auf Schutz der Werkintegrität (§ 14 UrhG) ein, das auch im Rahmen gesetzlicher Nutzungen zu wahren ist.369 Eine vollständige Wiedergabe wiederum, die – anders als bei Fotografien von ausgestellten Werken der bildenden Kunst – ohne jeden Authentizitäts- und Qualitätsverlust z. B. auf der Internetseite des Museums erfolgen könnte, greift erheblich in das für die Werkverwertung zentrale Recht des Künstlers auf öffentliche Wiedergabe ein. Die insoweit bestehende Problematik einer angemessenen Nutzung spricht deutlich gegen die Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG auf Filmwerke und vergleichbare Schöpfungen. cc) Ergebnis Einer analogen Anwendung von § 58 Abs. 1 auf andere in § 2 Abs. 1 UrhG genannte Werkarten steht – ein praktisches Nutzungsbedürfnis vorausgesetzt – zunächst Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL entgegen, der nur die Privilegierung »künstlerischer Werke« zulässt. Nicht-künstlerische Werke wie technische und wissenschaftliche Darstellungen, Musik- oder Sprachwerke dürfen daher nicht genutzt werden. Als künstlerische Werke im weiteren Sinne könnten zwar Filmwerke und ähnlich geschaffene Werke gelten. Filmwerke können jedoch zum einen nicht im urheberrechtlichen Sinn ausgestellt, sondern nur vorgeführt werden, was jedenfalls gegen eine Nutzung zur Werbung für Ausstellungen spricht. Die erforderliche unkörperliche Wiedergabe solcher Werke spricht zum anderen auch deshalb gegen eine freie Nutzung, insbesondere im Internet, weil damit entweder in starkem Maße in das Verwertungsrecht der Urheber oder aber – bei ausschnittweisen Nutzungen – in die Werkintegrität eingegriffen wird. Künstlerische Arbeiten, die Elemente des Films dergestalt mit einbeziehen und präsentieren, dass Vorführung und Wiedergabetechnik bereits integrale Teile des ausgestellten Werkexemplars sind, und die mithin keiner traditionellen Vorführung unter Verwendung des Filmträgers bedürfen, können hingegen – als Werke der bildenden Kunst – nach § 58 Abs. 1 UrhG genutzt werden.
369 Näher dazu unten S. 191 ff., 196 f.; vgl. auch § 94 Abs. 1 S. 2 UrhG.
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2.
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Öffentlich ausgestellte, zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmte Werke
Die von § 58 Abs. 1 UrhG privilegierten Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke müssen ferner öffentlich ausgestellt sein oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmt sein. In den folgenden Abschnitten wird daher untersucht, welche Voraussetzungen an die öffentliche Ausstellung und den öffentlichen Verkauf sowie die »Bestimmung« von Werken zu diesen Zwecken zu stellen sind. a) Öffentliche Ausstellung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG Unter einer Kunstausstellung, auf die § 58 Abs. 1 UrhG angesichts der Privilegierung von Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken (ebenso wie Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL) ersichtlich abstellt,370 wird allgemein eine »zeitlich begrenzte öffentliche Präsentation von als Kunst deklarierten Gemälden, Skulpturen, modernen Medien (Fotografie, Computer, Video), Objekten und Installationen zum Zweck der Information, der Kunstpflege und des Verkaufs« bezeichnet.371 Gegenwärtige Hauptformen der (nichtkommerziellen) Kunstausstellung sind nach Olbrich die Einzelausstellung von Werken eines Künstlers, einer Künstlergruppe oder einer künstlerischen Richtung bzw. Epoche, Ausstellungen der Kunst eines Landes, die Schaustellung von Kunstgegenständen aller Art (einschließlich von Architekturmodellen u. ä.) unter besonderen thematischen, gattungsmäßigen, stilgeschichtlichen und anderen historischen, temporären, nationalen und sonstigen Gesichtspunkten, aus privatem oder gesellschaftlichem Besitz, durchgeführt in Galerien oder Museen, im Freien, aber auch in Kulturhäusern von Betrieben, Städten, Dörfern oder gesellschaftlichen Organisationen.372 aa) Ausstellung i. S. v. § 18 UrhG Während die obige Definition der Kunstausstellung allgemein auf die »Präsentation« von Kunst abstellt, beschreibt der das Ausstellungsrecht regelnde § 18 UrhG, auf den die Literatur im Kontext von § 58 UrhG überwiegend Bezug nimmt,373 eine Ausstellung als öffentliche Zurschaustellung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken eines (unveröffentlichten) Werkes des bildenden Künste oder Lichtbildwerkes. Sie setzt körperlich vorhandene Werkexemplare voraus, die in diesem Zustand vom Betrachter unmittelbar wahrgenommen 370 371 372 373
Vgl. oben S. 127. Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Stichwort: Kunstausstellung. Olbrich, Lexikon der Kunst, Stichwort: Kunstausstellung. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 10; Dreyer/Kotthoff/ Meckel, § 58 Rn. 6; Mercker, S. 134; vgl. auch Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 1.
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werden können, ohne dass man sie erst mittels technischer Einrichtungen abspielen oder vorführen muss.374 Unkörperliche Wiedergaben eines Werkexemplars, sei es im Wege der Vorführung (§ 19 Abs. 4 UrhG) oder im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), fallen somit auch dann nicht unter den urheberrechtlichen Ausstellungsbegriff, wenn sie Teil einer Museumsschau sind. Wie bereits dargestellt,375 gilt dieses engere, gegenstandsbezogene Verständnis der Ausstellung aufgrund der identischen Begrifflichkeiten und verwandten Regelungsinhalte zwangsläufig auch für § 58 UrhG. Werke der bildenden Kunst, die nicht körperlich zur Schau gestellt werden können, sind damit de lege lata ebenso wenig privilegiert wie »Internetausstellungen« von Werken.376 bb) Öffentlichkeit der Ausstellung Ausstellungen (und Verkauf) i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG müssen jeweils »öffentlich« sein. Insoweit wird überwiegend auf die Voraussetzungen des Öffentlichkeitsbegriffs in § 15 Abs. 3 UrhG abgestellt,377 der vom Gesetzgeber des Jahres 2003 neu definiert wurde378 und nach h. M. auch für die Werkverwertung in körperlicher Form heranzuziehen ist, sofern es dabei – wie bei § 18 UrhG – auf eine an die Öffentlichkeit gerichtete Handlung ankommt.379 Eine Ausstellung ist danach öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der weder mit dem Verwerter noch mit den anderen das Werk wahrnehmenden Personen durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Hierfür reicht es aus, dass die Ausstellung jedermann zugänglich ist.380 Ferner genügt es mit Blick auf die Praxis des Ausstellungsbetriebs, dass Mitglieder der Öffentlichkeit die Werke sukzessive betrachten können (sog. sukzessive Öffentlichkeit).381 Werke in nicht öffentlichen Veran374 Dreier/Schulze, § 18 Rn. 4, 6; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, § 18 Rn. 17; Wandtke/Bullinger, § 18 Rn. 2. 375 S. oben S. 126 f. 376 Vgl. Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, § 18 Rn. 17, 19; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 18 Rn. 6. 377 Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 20, zu § 58 UrhG a. F.; Mercker, S. 134 f.; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 130; auf § 15 Abs. 3 UrhG verweisen auch Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 10, letzterer allerdings in missverständlicher Weise auf die »Veröffentlichung« der Werke abstellend. 378 Amtl. Begr., BT-Drucks. 15/38, S. 17. 379 Vgl. BGH GRUR 1991, 316, 317 – Einzelangebot; GRUR 1982, 102, 103 – Masterbänder ; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, § 15 Rn. 58; Dreier/Schulze, § 15 Rn. 38. 380 Dreier/Schulze, § 18 Rn. 11; ebenso Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 56, allerdings ohne Bezugnahme auf § 15 Abs. 3 UrhG. In diesem Sinne auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 6, zum Begriff des öffentlichen Verkaufs. 381 Vgl. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 18 Rn. 18, § 15 Rn. 71 f. m. w. N.; Dreier/Schulze, § 18 Rn. 11, § 15 Rn. 42; Mercker, S. 135.
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staltungen fallen dagegen nicht unter die Privilegierung des § 58 Abs. 1 UrhG.382 Dies rechtfertigt sich durch die im Ausstellungsbereich bezweckte Information der Allgemeinheit über die jeweilige Veranstaltung, während für nicht öffentliche Ausstellungen schon kein nennenswertes Bedürfnis für Werbenutzungen bestehen dürfte.383 cc) Zeitliche Begrenzung Während für den Anwendungsbereich von § 18 UrhG unerheblich ist, ob die öffentliche Zurschaustellung eines Werkes temporär oder dauerhaft erfolgt, ist die zeitliche Dimension der Ausstellung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG umstritten. (1) Nach überwiegender Auffassung soll die Dauer der Ausstellung oder des Verkaufs unerheblich sein.384 Diese Auffassung basiert maßgeblich auf der – die Gesetzesmaterialien zitierenden – Rechtsprechung des BGH zu § 58 UrhG a. F., wonach auch solche Werke von der Schranke erfasst sein sollten, die zwar zur Ausstellung bestimmt, aber »aus Platzmangel vorübergehend im Magazin des Museums eingelagert sind«385. Daraus folgte, dass § 58 UrhG a. F. auch für Verzeichnisse galt, die ständige Sammlungen eines Museums dokumentieren. Für eine solche Auslegung sprach aus Sicht des BGH das gemäß der Gesetzesbegründung »bei allen Beteiligten bestehende Bedürfnis nach einer erleichterten Herausgabe illustrierter Ausstellungskataloge«, welches auch bei ständigen Ausstellungen gegeben sei.386 Die aktuelle Literatur überträgt diesen Gedanken nunmehr auf das auch für ständige Ausstellungen vorhandene Bedürfnis der Werbung.387 W. Nordemann leitet eine Einbeziehung von Dauerausstellungen für die Neufassung von § 58 UrhG zusätzlich daraus ab, dass »öffentlich ausgestellte Werke« erstrangig genannt werden.388 Unter einer Ausstellung i. S. v. § 58 UrhG a. F. verstand W. Nordemann hingegen nur die vorübergehende Präsentation von Kunstwerken, die in einem abgegrenzten zeitlichen Rahmen Sonderthemen zum Gegenstand hat. Er berief sich insoweit auf den allgemeinen Sprachgebrauch sowie auf die Parallelität von 382 Kritisch dazu Gerstenberg, § 58 Nr. 2; Mercker, S. 135. 383 Ausnahmen sind freilich denkbar, z. B. Werkabbildungen auf Einladungen für eine private Kunstausstellung im engen Freundes- und Bekanntenkreis. 384 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 12; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Wandtke/Bullinger/ Lüft, § 58 Rn. 4; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 8; Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 2; Schack, UrhR, Rn. 569 Fn. 163; für die Privilegierung nur zeitlich begrenzter Ausstellungen Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57; Graf, Kunstchronik 58 (2005), 457, 458; Mercker, S. 137; W. Nordemann/Dustmann, in: Ebling/Schulze, 2. Teil, Rn. 219; so bereits M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 324 f. und Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 2, zu § 58 UrhG a. F. 385 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museums-Katalog; vgl. oben S. 102 f. 386 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museums-Katalog. 387 v. Westerholt, in: Handbuch KuR, Handbuch KuR, S. 125, 130. 388 Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 2.
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»Ausstellung« und »Versteigerung« im Gesetz. Zudem könne nur bei zeitlich begrenzten Ausstellungen von ihrer »Durchführung« gesprochen werden.389 Eine entsprechende Auffassung vertrat M. Schulze mit der Begründung, dass eine Privilegierung ständiger Ausstellungen die Gefahr berge, dass die für längere Zeiträume angelegten Kataloge hochwertigen Kunstbänden nahezu gleichkämen. Die Beeinträchtigung der normalen Auswertung eines Werkes sei dadurch vorprogrammiert.390 Für § 58 Abs. 1 UrhG n. F. vertreten u. a. Jacobs und Mercker, dass darunter nur noch zeitlich begrenzte Ausstellungen oder Verkaufsveranstaltungen fallen; die früher von § 58 UrhG a. F. privilegierten Kataloge von ständigen Sammlungen würden jetzt von § 58 Abs. 2 UrhG erfasst.391 (2) Der bereits zu § 58 UrhG a. F. von W. Nordemann und M. Schulze vertretenen engen Auslegung des Ausstellungsbegriffs ist zuzustimmen. Auch wenn § 58 UrhG n. F. nicht mehr die Werknutzung »zur Durchführung« einer Ausstellung verlangt, ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung, abgesehen vom üblichen Begriffsverständnis392, nunmehr aus dem § 58 Abs. 1 UrhG und Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL zugrunde liegenden Zweck der »Förderung der Veranstaltung«. Der Begriff der Veranstaltung legt nach allgemeinem Sprachgebrauch einen bestimmten zeitlichen Rahmen nahe, der bei Dauerausstellungen nicht mehr gegeben ist.393 In diesem Sinne handelt es sich auch bei Veranstaltungen i. S. v. § 52 Abs. 1 S. 3 UrhG nach ständiger Rechtsprechung des BGH und allgemeiner Auffassung in der Lehre um planmäßige, zeitlich begrenzte, aus besonderem Anlass stattfindende Einzelveranstaltungen.394 Darüber hinaus folgt auch aus dem Wortlaut von § 58 Abs. 2 UrhG, dass der Gesetzgeber von 2003 eine zeitliche Begrenzung von Ausstellungen unterstellt hat, indem »in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung« herausgegebene Verzeichnisse privilegiert werden. Der Hinweis auf den zu wahrenden »zeitlichen Zusammenhang« wäre überflüssig, wenn auch Dauerausstellungen unter den Ausstellungsbegriff fielen. Werke in Dauerausstellungen Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 2. M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 324 f. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57; Mercker, S. 137. Vgl. die Definition der »Kunstausstellung« oben S. 129. Von einer Kunstausstellung als »ephemerem Ereignis« geht auch Cramer, S. 43, aus: »Eine Ausstellung bringt nach spezifischen Gesichtspunkten ausgewählte Kunstwerke für eine begrenzte Zeit an einem bestimmten Ort zusammen, wodurch das Einzelwerk vorübergehend seines besonderen Ausdruckswerts enthoben und in ein Gesamtgefüge eingegliedert wird. Dadurch entsteht ein spezifischer Sinnzusammenhang, der von der jeweiligen Ausstellungskonzeption bestimmt wird«. 393 Ebenso Graf, Kunstchronik 58 (2005), 457, 458; W. Nordemann/Dustmann, in: Ebling/ Schulze, 2. Teil, Rn. 219. Vgl. auch Schack, ZUM 2008, 817, 821. 394 BGH GRUR 1992, 386 – Altenwohnheim II; Schricker/Loewenheim/Melichar, § 52 Rn. 23 m. w. N. 389 390 391 392
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können nun hingegen auch in einem Bestandsverzeichnis erfasst werden,395 so dass dem vom BGH zu § 58 UrhG a. F. betonten Bedürfnis nach der erleichterten Herausgabe von Museumskatalogen, wie Jacobs und Mercker hervorheben, durch § 58 Abs. 2 UrhG Rechnung getragen wird. Eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Privilegierung der Werbung für Dauerausstellungen lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass § 58 Abs. 1 UrhG »öffentlich ausgestellte Werke« erfasst. Mit Blick auf die zeitliche Dauer einer Ausstellung verhält sich diese Formulierung zunächst neutral. Wie bereits unter der Geltung von § 58 UrhG a. F. besteht zudem das Bedürfnis, Nutzungshandlungen nicht nur im Vorfeld, sondern auch während der Dauer einer Ausstellung zu erlauben. Dies galt früher insbesondere für die Verbreitung der (vor Ausstellungsbeginn hergestellten) Kataloge im Museum; nunmehr sollen eine Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Werken zur Werbung auch während einer Ausstellung ermöglicht werden. Die Privilegierung von bereits ausgestellten Werken ist unter diesem Aspekt notwendig. Gleiches gilt für länger währende Verkaufsausstellungen, z. B. in Galerien. Hinzu kommt schließlich, dass die Nutzung auf den zur Förderung der jeweiligen Veranstaltung »erforderlichen Umfang« (vgl. Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL) zu begrenzen ist. Die Beschränkung der Werbung auf ein zur Veranstaltungsförderung erforderliches Ausmaß fiele schwer, wenn auch Dauerausstellungen beworben werden dürften. Denn damit wäre eine stetige bzw. wiederholte Nutzung von Exponaten erlaubt, die – auch online – eine »Dauerwerbung« für die ausgestellten Sammlungsteile und das betreffende Museum ermöglichen würde. Obgleich ein praktisches Bedürfnis für die Förderung auch ständiger Sammlungen besteht, erscheint die Gestattung einer entsprechend intensiven Werknutzung ohne Vergütungspflicht mit Blick auf den Dreistufentest in Art. 5 Abs. 5 HRL bedenklich. Die mit einer Katalogbildfreiheit für ständige Ausstellungen verbundene Gefahr der Beeinträchtigung der normalen Werkauswertung betonte bereits M. Schulze.396 Auch wenn Verwertungen zu Werbezwecken nicht zwingend die normale Auswertung eines Exponats beeinträchtigen, dürfte eine vergütungsfreie »Dauernutzung« doch die berechtigten Interessen der Urheber ungebührlich verletzen. Berücksichtigt man, dass auch der Schwerpunkt der Museumstätigkeit heute auf der Veranstaltung von Sonderschauen liegt,397 erscheint die Beibehaltung der Zustimmungs- und Vergütungspflichtigkeit für die Bewerbung von Dauerausstellungen auch aus Sicht der Museen verschmerzbar.
395 S. unten S. 226 ff., 232. 396 M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 324 f. 397 Zur Situation der Museen vgl. oben S. 48 f.
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dd) Ergebnis Festzuhalten bleibt, dass bei der hier gebotenen engen Auslegung unter einer Ausstellung i. S. v. § 58 UrhG eine zeitlich begrenzte öffentliche Zurschaustellung von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken zu verstehen ist, die der Vermittlung von Informationen über die gezeigten Kunstgegenstände unter beliebigen thematischen, gattungsmäßigen, stilgeschichtlichen oder sonstigen Gesichtspunkten oder dem Verkauf der Kunstgegenstände dient. Im musealen Kontext sind damit nur Sonderausstellungen von § 58 Abs. 1 UrhG erfasst. Werke aus Dauerausstellungen sind hingegen nicht privilegiert. Gleiches gilt für Werke, die nicht ausgestellt sind bzw. werden sollen, sondern lediglich thematischen Bezug zu Ausstellungsinhalten bzw. einzelnen Exponaten aufweisen.398 b)
Bestimmung von Werken zur öffentlichen Ausstellung
aa) Bedeutung des Kriteriums § 58 Abs. 1 UrhG erfasst nicht nur öffentlich ausgestellte, sondern auch »zur öffentlichen Ausstellung bestimmte« Werke. Eine gleichlautende Formulierung enthielt bereits § 58 UrhG a. F. Sie diente der Klarstellung, dass auch aus Platzmangel vorübergehend eingelagerte Werke in den Katalog zu einer Dauerausstellung aufgenommen werden durften,399 damit nicht bei jedem Wechsel der Exponate ein neues Verzeichnis aufgelegt werden muss. Zugleich war eine Nutzung von bereits zur Ausstellung (oder Versteigerung) »bestimmten« Werken im Hinblick auf den zeitlichen Vorlauf geboten, der erforderlich ist, um einen Sonderausstellungs- oder Auktionskatalog rechtzeitig zum Beginn der Veranstaltung fertigzustellen. Das Bedürfnis, Werknutzungen im Vorfeld einer Ausstellung vornehmen zu dürfen, besteht für die von § 58 Abs. 1 UrhG privilegierten Werbemaßnahmen fort, so dass die Erfassung von zur Ausstellung »bestimmten« Werken beizubehalten war. Nach Auffassung der Literatur liegt eine solche Zweckbestimmung vor, wenn das betreffende Werk in absehbarer Zeit bzw. naher Zukunft in einer beabsichtigten Ausstellung gezeigt werden soll.400 Der zeitliche Horizont bis zur Ausstellung ist jedoch nach neuer Rechtslage ebenso wenig entscheidend401 wie eine etwaige Einlagerung des Werkes zum Nutzungszeitpunkt. Maßgeblich ist allein, ob das Werk bereits für die Teilnahme an einer konkreten (Sonder-) 398 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 13; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4. Eine Nutzung solcher Werke ist allerdings ohnehin weniger in Werbemitteln, sondern eher in ausstellungsbegleitenden Katalogen, insbesondere zu Vergleichszwecken, üblich; vgl. unten S. 220. 399 S. oben S. 102 f. 400 Vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 4; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 10. 401 Zum erforderlichen zeitlichen Vorlauf von Nutzungshandlungen s. unten S. 157 f., 175.
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Ausstellung bestimmt ist. Denn angesichts der Beschränkung von § 58 Abs. 1 UrhG auf Werbung für zeitlich befristete Veranstaltungen genügt es, anders als im Kontext der früheren Katalogbildfreiheit, nicht mehr, dass sich das Werk »zumindest nicht auf unabsehbare Zeit« im Depot eines Museums befindet402, d. h. nur »grundsätzlich«403 für eine (Wieder-)Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen ist. Eine entsprechend großzügige Privilegierung stände überdies nicht mit dem Zweck von § 58 Abs. 1 UrhG in Einklang, ein potentielles Ausstellungspublikum mit einer Vorschau auf künftige Exponate zu werben. Damit stellt sich zunächst die Frage, auf wen die Bestimmung eines Werkes für eine konkrete Ausstellung zurückzugehen hat. bb) Person des Bestimmenden Mit Blick auf die Bestimmung zur öffentlichen Ausstellung wird teilweise vertreten, diese Bestimmung müsse vom »Berechtigten« getroffen werden, d. h. vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger, vom Lizenznehmer oder dem nach § 44 Abs. 2 UrhG berechtigten Eigentümer.404 Diese Auffassung stellt somit maßgeblich auf die urheberrechtliche Berechtigung zur Ausstellung ab. Nach von Gamm genügen wiederum »konkrete Abreden« zur Ausstellung oder Versteigerung der fraglichen Werke.405 Beide Auffassungen treffen in der Zusammenschau zu: Wer zivilrechtlich über das Werkexemplar verfügen kann, sei es als Sacheigentümer oder ggf. Leihnehmer, muss zunächst das Ausstellungsrecht des Urhebers an einem Werk der bildenden Kunst oder Lichtbildwerk wahren. Hat der Urheber ein unveröffentlichtes Werk veräußert und sich dabei das Ausstellungsrecht vorbehalten, darf das Werk vom Eigentümer weder ausgestellt406 (vgl. §§ 18, 44 Abs. 2 UrhG) noch nach § 58 UrhG genutzt werden.407 In vielen Fällen wird das Ausstellungsrecht jedoch durch eine vorherige Veröffentlichung i. S. v. § 6 Abs. 1 UrhG durch den Urheber selbst (oder seinen Galeristen) erloschen sein. Ist das Ausstellungsrecht unproblematisch, bedarf es einer Abrede zwischen dem Werkeigentümer und dem Veranstalter einer Ausstellung über die Teil402 So weiterhin die Befürworter der Privilegierung von Dauerausstellungen; vgl. etwa Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 12; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Wandtke/Bullinger/ Lüft, § 58 Rn. 4; a. A. Mercker, S. 137. 403 Vgl. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 9; ders., KUR 2005, 56, 57. 404 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 4; Mercker, S. 138. 405 v. Gamm, § 58 Rn. 3 zu § 58 UrhG a. F. 406 Der Veranstalter einer Ausstellung muss sich daher – sofern er nicht selbst nach § 44 Abs. 2 UrhG berechtigter Eigentümer ist – vergewissern, ob ein noch unveröffentlichtes Werk ausgestellt werden darf; Schack, KuR, Rn. 672. 407 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 11, § 18 Rn. 16; Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 6. Zur Wahrung des Veröffentlichungsrechts und den Folgen einer unerlaubten Nutzung s. unten S. 187.
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nahme des Werkes an der konkreten Veranstaltung, es sei denn, es besteht Personenidentität. In letzterem Fall muss eine Entscheidung des Eigentümers, z. B. des Trägers einer Sammlung, der eine Sonderausstellung organisiert, zur Aufnahme des Werkes in die Ausstellung vorliegen. Denkbar ist darüber hinaus, dass der Werkeigentümer, z. B. im Rahmen eines Vertrages über eine Dauerleihgabe, ein Museum ohne weitere Vorgaben zur Ausstellung des Werkes berechtigt hat.408 Diese grundsätzliche vertragliche Erlaubnis bzw. »Dauerbestimmung« zur Ausstellung rechtfertigt noch nicht die Nutzung des Werkes zu Werbezwecken, solange nicht eine Bestimmung des Leihnehmers, d. h. der veranstaltenden Institution, zur Aufnahme des Werkes in eine konkrete Sonderschau hinzutritt. Im Allgemeinen trifft die Bestimmung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG somit derjenige, der (zivilrechtlich dazu befugt) über die Teilnahme eines Werkstücks an einer konkret geplanten öffentlichen Ausstellung entscheidet. Auch der Veranstalter selbst kann die Bestimmung treffen, etwa indem er einen Sammlungsgegenstand oder eine zeitweise eingelagerte Leihgabe in die Planung der nächsten Sonderausstellung mit einbezieht. In welcher Form die Bestimmung erfolgt, in der Regel in einem schriftlichen Vertrag über die Ausleihe eines Werkes für eine Sonderausstellung, ist unerheblich. Im Hinblick darauf, dass der Nutzer für die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 UrhG nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweispflichtig ist, erscheint eine schriftliche Dokumentation der »Bestimmung zur Ausstellung« jedoch insbesondere für den Fall ratsam, dass die Ausstellung des Werkes aus unvorhergesehenen Gründen unterbleibt (vgl. unten cc)(1)). Bei Dauerleihgaben etwa kann die Einbeziehung in einzelne Sonderausstellungen in einem schriftlichen Zusatz zum (Dauer-)Leihvertrag oder – sofern von den Regelungen des Vertrags ohne Weiteres gedeckt – in einem Vermerk des Veranstalters fixiert werden. cc) Sonderfälle Da § 58 Abs. 1 UrhG, wie bereits § 58 UrhG a. F., die Nutzung von Werken bezweckt, die zur Ausstellung kommen sollen, dürfen grundsätzlich nur Werke abgebildet werden, die dem Besucher einer Ausstellung tatsächlich zugänglich sind bzw. sein werden (Ausstellungswahrheit)409. Für bestimmte Fälle haben Rechtsprechung und Literatur jedoch aus Gründen der Praktikabilität Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen.
408 Zu Vereinbarungen über eine Ausstellungspflicht des Museums in Leihverträgen vgl. Kirchmaier, Museum heute, Heft 31, S. 37, 39. 409 M. Schulze, FS Dittrich, S. 311, 325.
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(1) Unvorhergesehene Nichtausstellung von Werken Hierzu zählt zunächst der Fall, dass eine (ursprünglich) erlaubte Ausstellung vollständig abgesagt410 oder eine Leihgabe kurzfristig zurückgezogen wird411. Entsprechend unerwartete Änderungen sollen nach überwiegender Auffassung in der Lehre an der urheberrechtlichen Zulässigkeit der bereits vorgenommenen Verwertungshandlungen gemäß § 58 Abs. 1 UrhG nichts ändern. Die Werknutzung muss jedoch eingestellt werden, sobald die Nichtdurchführung der gesamten Veranstaltung feststeht.412 Darüber hinaus wird vereinzelt vertreten, dass auch die Nutzung einzelner Werke, die wider Erwarten nicht zur Ausstellung gelangen, einzustellen ist.413 Dem ist unter Berücksichtigung des neuen Privilegierungszwecks von § 58 Abs. 1 UrhG grundsätzlich zuzustimmen: Abgesehen davon, dass die »Bestimmung zur Ausstellung« ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung eines Werkes nicht mehr vorliegt, ist der Grundsatz der Ausstellungswahrheit gerade bei Nutzungen zu Werbezwecken von großer Bedeutung. Anders als bei ausstellungsbegleitenden Katalogen, die nach alter Rechtslage bei Änderungen im Ausstellungsbestand nicht neu aufgelegt werden sollten414 (und nach hier vertretener Auffassung bereits nicht als Werbemittel einzustufen sind)415, besteht bei der Konzipierung von Werbung ein gesteigertes Interesse des Publikums wie des Veranstalters, ausschließlich Werke zu verwenden, die tatsächlich besichtigt werden können. Stellt sich demnach im Vorfeld oder während der Ausstellung heraus, dass ein Werk nicht (mehr) ausgestellt werden kann, sind weitere Nutzungen grundsätzlich zu unterlassen. Werkabbildungen im Internet etwa können und müssen kurzfristig von der Webseite des Museums entfernt werden. Nur ausnahmsweise kann eine Fortsetzung einzelner, insbesondere analoger Verwertungen unter Berücksichtigung des konkreten Werbemittels, der Intensität der Werknutzung, des Zeitpunkts der Zurückziehung des Werkes und der Auswirkungen für den Urheber wie für den Veranstalter bei Fortsetzung bzw. Einstellung der Werbemaßnahme in Betracht kommen.416 Das kann beispiels410 Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 4; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Mercker, S. 137 f.; so bereits v. Gamm, § 58 Rn. 3; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 23, zu § 58 UrhG a. F. 411 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 9; ders., KUR 2005, 56, 57; Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 11; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 131; so bereits v. Gamm, § 58 Rn. 3; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10, zu § 58 UrhG a. F. 412 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7; so bereits v. Gamm, § 58 Rn. 3. 413 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7; a. A. Jacobs, der meint, die Abbildung solcher Werke (im Katalog) sei durch die »Bestimmung zur Ausstellung« gedeckt, weil dadurch auch die zeitlich frühere Drucklegung von Werbemaßnahmen erfasst sei. 414 Vgl. unten S. 220 f. 415 S. unten S. 159 ff. 416 Eine entsprechende Ausnahme sollte für Versteigerungskataloge zulässig sein; vgl. unten S. 143.
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weise bedeuten, dass eine intensive Verwertung wie eine großformatige Plakatwerbung mit dem Motiv eines zurückgezogenen Werkes im Interesse des Urhebers und der Ausstellungswahrheit zu unterbleiben hat, während eine bereits in hoher Auflage hergestellte Faltbroschüre, in der das betreffende Werk stark verkleinert neben anderen Werken abgebildet ist, weiterhin als Werbematerial genutzt werden darf. (2) Werke in Wanderausstellungen Auch bei Werken, die an einer Wanderausstellung teilnehmen sollen, kommt es vor, dass einzelne Exponate aus bestimmten Gründen nicht an allen Ausstellungsstationen gezeigt werden können. Das Landgericht München I entschied bereits 1978 für eine solche Situation, dass gleichwohl ein einheitlicher Katalog für die gesamte Veranstaltung mit allen zumindest für eine Ausstellungsetappe vorgesehenen Werken erstellt werden darf.417 Nach allgemeiner Auffassung sollen daher auch unter der Geltung von § 58 Abs. 1 UrhG n. F. Werke in Wanderausstellungen genutzt werden dürfen, die nicht an allen Ausstellungsorten gezeigt werden, wobei die Autoren auch in diesem Kontext überwiegend noch auf Katalogabbildungen Bezug nehmen.418 Mercker zufolge können derartige Werke dann verwertet werden, wenn für die Veranstaltung nur ein Katalog herausgegeben oder nur ein Werbekonzept umgesetzt wird.419 Nach neuer Rechtslage scheint allerdings eine weitergehende Differenzierung angebracht. Zunächst sind Ausstellungskataloge nach hier vertretener Auffassung nicht als Werbung einzustufen,420 so dass sie bei der Beurteilung von Nutzungen i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG außer Acht bleiben müssen. Bei der Nutzung von Werken für typische Werbematerialien, wie Prospekte, Plakate oder Anzeigen, erweist es sich wiederum als problematisch, Werke in die Werbung für einzelne Ausstellungsetappen mit einzubeziehen, die am betreffenden Ort tatsächlich nicht zu besichtigen sind. Für Werke in Wanderausstellungen gilt daher bei enger Auslegung mit Blick auf den Zweck der Schranke, dass ein Werk grundsätzlich nur dann zur Werbung für eine Ausstellungsetappe genutzt werden darf, wenn es auch zur Ausstellung während dieses konkreten Ausstellungsabschnitts bestimmt ist. Denn trotz eines überörtlichen Ausstellungskonzepts handelt es sich bei den einzelnen Etappen in verschiedenen Museen oder Ausstellungshäusern um separate Veranstaltungen i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG und Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL mit jeweils eigenem Förderbedarf. Sofern allerdings für 417 LG München I, 11. 4. 1978, Schulze LGZ 162, 5 f.; dazu oben S. 106. 418 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 12; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 9; ders., KUR 2005, 56, 57. 419 Mercker, S. 137. 420 S. unten S. 159 ff.
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alle Etappen einer Wanderausstellung ein gemeinsames Werbekonzept erstellt und genutzt werden soll, dürfen hierfür ausnahmsweise auch solche Werke genutzt werden, die nicht an allen Stationen gezeigt werden, sofern in den Werbematerialien ein entsprechender Hinweis erfolgt.421 Eine exponierte Nutzung solcher Werke, z. B. als Plakatmotiv oder auf dem Titel einer Broschüre, hat jedoch naheliegenderweise zu unterbleiben. (3) Werke in Mappen, Skizzenbüchern etc. Die Bestimmung zur Ausstellung ist ferner bei Werken fraglich, die sich in Mappen, Skizzenbüchern oder ähnlichen Zusammenstellungen befinden und bei denen jeweils immer nur eine aufgeschlagene Seite betrachtet werden kann. Nach Auffassung des Landgerichts München I zu § 58 UrhG a. F.422 hing die Zulässigkeit der Nutzung (in Katalogen) davon ab, welche Seiten während der Veranstaltung tatsächlich ausgestellt sind bzw. betrachtet werden können. Dieser Maßstab ist mit Blick auf den neuen Privilegierungszweck der Werbung auch für § 58 Abs. 1 UrhG beizubehalten. Besteht demnach für den Besucher die Möglichkeit, in der Mappe oder dem Skizzenbuch beliebig zu blättern, dann sind alle darin enthaltenen Einzelwerke zur Ausstellung bestimmt und nach zutreffender Auffassung in der Literatur von der Privilegierung erfasst.423 Liegen Mappen oder Skizzenbücher allerdings aus konservatorischen Gründen oder Sicherheitsaspekten in einer Vitrine unter Verschluss,424 kommt es in enger Auslegung der Vorschrift darauf an, welche Seiten ausgestellt sind bzw. im Verlauf der Veranstaltung gezeigt werden sollen.425 Auf den Umstand, dass ein Skizzenbuch »insgesamt« ausgestellt ist, kann die Nutzung aller darin enthaltenen Werke nicht gestützt werden.426 Abgesehen davon, dass das Buch oder die Mappe als solche nicht zwingend Werkcharakter (als Sammelwerk oder aufgrund einer übergreifenden Gestaltung des gesamten Buches) besitzen, können die Einzelwerke nicht als »ausgestellt« i. S. v. »zur Schau gestellt« angesehen werden, wenn sie vom Publikum nicht betrachtet werden können. Ihre Einbe421 Ein großzügigerer Maßstab ist bei Katalogen zu Wanderausstellungen anzulegen; s. unten S. 221. 422 LG München I, 11. 4. 1978, Schulze LGZ 162, 5 f.; s. oben S. 106 f. 423 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 13; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Mercker, S. 132. 424 Der begrenzten Ausstellungsfähigkeit der Einzelwerke wird heute zum Teil dadurch abgeholfen, dass die einzelnen Blätter einer Mappe digitalisiert und in einem digitalen Display bzw. Bilderrahmen neben der aufgeschlagenen Originalmappe eingeblendet werden. Dies setzt indes die Zustimmung des Urhebers zur Vervielfältigung und Vorführung des Werkes (§ 19 Abs. 4 UrhG) voraus. Da solche Wiedergaben keine Ausstellung des Werkes i. S. v. § 18 UrhG darstellen (vgl. oben S. 129 f.), sind sie auch von § 58 UrhG nicht erfasst. 425 LG München I, 11. 4. 1978, Schulze, LGZ 162, 6 f.; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 13; Mercker, S. 132; a. A. Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 391, zu § 58 UrhG a. F. 426 So jedoch Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 391, zu § 58 UrhG a. F.; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 9.
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ziehung in die Werbung entspräche auch nicht dem Zweck von § 58 Abs. 1 UrhG, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Ausstellungsinhalte zu informieren. Bei der Konzeption der Ausstellungswerbung ist daher auch insoweit zu beachten, dass sich die Privilegierung nur auf solche Werke erstreckt, die dem Publikum zugänglich sind. c) Bestimmung zum öffentlichen Verkauf Privilegiert sind ferner Werke, die zum öffentlichen Verkauf bestimmt sind. Die Erweiterung der Norm auf den gesamten Kunsthandel beruht auf der Schrankenvorgabe in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL. Nicht mehr nur Auktionshäuser, sondern auch Galerien und der sonstige Kunsthandel dürfen zum Verkauf vorgesehene Werke nach Maßgabe von § 58 Abs. 1 UrhG zu Werbezwecken nutzen. Dementsprechend entfiel auch die Beschränkung auf das Wiedergabemedium des (Versteigerungs-)Verzeichnisses. aa) Öffentlicher Verkauf i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG Üblicherweise werden Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke zum einen von Galerien oder Kunsthandlungen angeboten, die die Werke in ihren Verkaufsräumen oder auf Kunstmessen ausstellen. Zum anderen kommt ein Verkauf über Auktionshäuser in Betracht, wobei die einzelnen Lose in der Regel im Rahmen einer Vorbesichtigung gezeigt werden. Die Präsentation der Werke im Vorfeld des eigentlichen Verkaufs fällt begrifflich bereits als öffentliche Ausstellung unter § 58 Abs. 1 UrhG, sofern es sich um eine zeitlich begrenzte Zurschaustellung von körperlichen Werkexemplaren handelt, die Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich ist.427 Fraglich ist daher, inwiefern sich »öffentliche (Verkaufs-)Ausstellungen« vom »öffentlichen Verkauf« i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG unterscheiden und in welchem Verhältnis beide Alternativen zueinander stehen. (1) Veranstaltungscharakter und Öffentlichkeit des Verkaufs Da der Verkauf »öffentlich« sein muss, kann damit nicht allein der bilaterale Akt des Kaufvertragsschlusses gemeint sein. Vielmehr setzt § 58 Abs. 1 UrhG, wie bereits mit Blick auf den Begriff der Ausstellung dargelegt,428 voraus, dass die Nutzung der Förderung einer konkreten Veranstaltung dient. Privilegiert sind danach neben Sonderausstellungen nur zeitlich begrenzte Verkaufsveranstaltungen429, die öffentlich sein müssen. Unter Rückgriff auf den Öffentlichkeitsbegriff in § 15 Abs. 3 UrhG430 muss der Verkauf einer Mehrzahl von Mitgliedern 427 Vgl. oben S. 129 ff. 428 S. oben S. 132. 429 In diesem Sinne auch Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57; Mercker, S. 135; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 6; W. Nordemann/Dustmann, in: Ebling/Schulze, 2. Teil, Rn. 219. 430 Vgl. oben S. 130 f.
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der Öffentlichkeit offen stehen. Die vom Verkäufer (etwa in Form einer Verkaufsausstellung des Werkstücks oder im Rahmen einer Auktion431) ausgesprochene invitatio ad offerendum darf sich nicht nur an Personen richten, die persönlich mit dem Verkäufer verbunden sind. Ausreichend ist wiederum, dass keine personenbezogenen Beschränkungen bestehen.432 Daraus folgt, dass unter dem öffentlichen Verkauf eine zeitlich begrenzte Veranstaltung zu verstehen ist, in deren Verlauf eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, Angebote zum Kauf eines Werkes abzugeben. Diese Voraussetzungen sind ohne Weiteres bei Auktionen, Galerieausstellungen mit wechselnden Künstlern einschließlich Vernissagen und Finissagen, Kunstmessen oder sonstigen Veranstaltungen erfüllt, auf denen Kunstwerke für einen befristeten Zeitraum zum Verkauf angeboten werden.433 Kunstwerke, die lediglich im (wechselnden) Angebot von Galerien oder Kunsthandelsgeschäften gezeigt werden, ohne in eine zeitlich begrenzte Verkaufsschau oder -aktion eingebunden zu sein, dürfen demgegenüber nicht zu Werbezwecken genutzt werden. Ein sachlicher Grund für diese Beschränkung ist im Bereich des Kunsthandels allerdings weniger ersichtlich als im Bereich musealer Dauerausstellungen. Für Werke im »durchlaufenden« Angebot von Kunsthandlungen besteht das gleiche Bedürfnis für ihre Bewerbung wie bei Werken in befristeten Verkaufsveranstaltungen. Die längerfristige Nutzung eines Werkes zu Verkaufszwecken scheint auch mit Blick auf die Interessen der Urheber weniger schädlich, zumal die Folgerechtsvergütung im Falle einer Veräußerung unabhängig davon anfällt, ob das Werk im Rahmen einer »Veranstaltung« angeboten wurde oder nicht.434 Der gesetzlich vorausgesetzte Veranstaltungscharakter verhindert daher im Bereich des Kunsthandels allenfalls, dass Werke in stärkerem Maß zur Eigenwerbung für das Unternehmen des Verkäufers herangezogen werden.435 (2) Privilegierung von Internetauktionen? Da nach dem Wortlaut von § 58 Abs. 1 UrhG nur die Verkaufsveranstaltung öffentlich sein muss, stellt sich die Frage, ob § 58 Abs. 1 UrhG auch Verkäufe im Internet erfasst, bei denen das Werkstück der Öffentlichkeit zwar nicht – wie bei einer Verkaufsausstellung – körperlich präsent ist, aber eine unbeschränkte 431 Vgl. § 156 BGB. 432 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 6: Der Begriff des öffentlichen Verkaufs »umfasst alle Arten des Verkaufs, die öffentlich angekündigt wurden und an der sich die Öffentlichkeit ohne personenbezogene Beschränkung des Teilnehmerkreises beteiligen kann«. Vgl. auch Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 4. 433 In diesem Sinne auch Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57; Mercker, S. 135; vgl. auch W. Nordemann/Dustmann, in: Ebling/Schulze, 2. Teil, Rn. 219. 434 Vgl. oben S. 85 – 87. 435 Vgl. unten S. 164 ff.
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Die Rechtslage in Deutschland
Teilnahme am Verkauf durch Mitglieder der Öffentlichkeit möglich ist (vgl. §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a, 15 Abs. 3 UrhG).436 In Betracht kommen von kommerziellen Auktionshäusern durchgeführte Internetauktionen, aber auch Verkäufe durch Privatpersonen, die einzelne Kunstwerke auf Versteigerungsplattformen wie eBay »einstellen«. In diesem Sinne entschied das OLG Köln, dass die öffentliche Zugänglichmachung einer urheberrechtlich geschützten Zeichnung über ein Auktionsportal für Kunstwerke durch den Werkeigentümer (zumindest bis zum Erwerb im Rahmen der Versteigerung) von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt sei. Zum Merkmal des »öffentlichen Verkaufs« führte das Gericht lediglich aus, die Zeichnung sei durch die »Versteigerung« verkauft worden.437 Ob Online-Verkäufe als »öffentlicher Verkauf« i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG eingestuft werden können, begegnet dennoch gewissen Zweifeln. Zunächst scheint das Gesetz mit den Begriffen der »öffentlichen Ausstellung« und des »öffentlichen Verkaufs« in beiden Fällen die physische Präsentation eines Werkstücks in einer körperlich zugänglichen Veranstaltung vorauszusetzen. Im Fall der Internetauktion ist jedoch nur die von der jeweiligen Plattform eröffnete Möglichkeit des Kaufvertragsschlusses »öffentlich«. Auch der Begriff der »Veranstaltung« impliziert einen gewissen Organisations- und Werbeaufwand, den ein (professioneller) Veranstalter438 zu betreiben hat. Bei Verkäufen im Internet wäre hingegen jede privat oder gewerblich durchgeführte Einzelauktion, die durch Einstellen einer Werkabbildung und -beschreibung in das entsprechende Auktionsportal eingeleitet wird, als Veranstaltung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG zu qualifizieren. Auf der anderen Seite sprechen der Aspekt der Warenverkehrsfreiheit und der Umstand, dass das Internet heute ein wichtiges Distributionsmedium darstellt, für eine Privilegierung auch von Internetauktionen.439 Privatpersonen werden damit richtigerweise von der Einholung der Bildrechte entlastet. Zwar fällt bei privaten Veräußerungen ohne Beteiligung des Kunsthandels keine Folgerechtsabgabe an, die die Vergütungsfreiheit der Werbenutzung maßgeblich
436 Bejahend u. a. Poeppel, S. 412 f., der einen öffentlichen Verkauf dann annimmt, wenn der Veräußerer mit seinem Verkaufsanliegen eine Mehrzahl von Personen anspricht, die weder untereinander noch mit dem Anbieter persönlich verbunden sind. 437 OLG Köln ZUM 2009, 68, 69 – Auktionsportal für Kunstwerke. 438 Zum Begriff des Veranstalters s. unten S. 144 ff. Eine Beschränkung der Norm auf den professionellen Kunsthandel unterstellen auch v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.65. 439 So auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 14; Poeppel, S. 412 f.; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 139 Fn. 63. Die sonstige Literatur äußert sich nicht näher zur Frage von OnlineVerkäufen bzw. bezieht sich lediglich beispielhaft auf Verkaufsausstellungen wie Galerieausstellungen oder Kunstmessen (vgl. Mercker, S. 135 f.; Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 57) oder auf den allgemeinen Hinweis, dass die Werke i. S. v. § 15 Abs. 3 UrhG einer unbestimmten Vielzahl von potentiellen Interessenten angeboten werden müssen (Wandtke/Bullinger/ Lüft, § 58 Rn. 4).
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rechtfertigt.440 Der Großteil der Veräußerungen, bei denen ein Erlös von mindestens 400 EUR erzielt wird (vgl. § 26 Abs. 1 S. 4 UrhG), dürfte allerdings ohnehin über den professionellen Kunsthandel durchgeführt werden und damit folgerechtspflichtig sein. Die Freistellung der Bildwerbung für Internetauktionen lässt sich damit im Ergebnis auf die gleiche Interessenbewertung stützen wie herkömmliche öffentliche Verkaufsveranstaltungen.441 bb) Bestimmung zum öffentlichen Verkauf Auch bezüglich der »Bestimmung« eines Werkes zum öffentlichen Verkauf stellt sich die Frage, wer diese zu treffen hat. Berechtigt zum Verkauf ist stets der Sacheigentümer.442 Von ihm wird daher in aller Regel die Bestimmung zum öffentlichen Verkauf stammen, so etwa bei der Einlieferung zu einer Auktion. Denkbar ist auch, dass der Eigentümer die Ausübung der Bestimmung zum öffentlichen Verkauf (konkludent) einem Dritten überlassen hat, z. B. der Urheber, der sein Werk einer Galerie in Kommission gegeben hat, welche das Werk in der Folge auf verschiedenen Verkaufsveranstaltungen ausstellt. Wie im Kontext der öffentlichen Ausstellung muss auch für den öffentlichen Verkauf gelten, dass bei einer nicht mehr vorliegenden Bestimmung zum Verkauf, etwa durch Kündigung des Galerievertrags oder Zurückziehen eines Werkes von der Auktion, weitere Nutzungshandlungen – insbesondere Einzelnutzungen eines Werkes, z. B. auf Internetseiten – grundsätzlich unterbleiben müssen.443 Im Einklang mit der überwiegenden Literatur444 sollte eine Werkabbildung in einem bereits gedruckten Versteigerungskatalog jedoch ausnahmsweise (weiter) verbreitet werden dürfen, wenn das Werkoriginal wider Erwarten nicht in den Verkauf gelangt.445 cc)
Verhältnis zwischen öffentlicher Verkaufsausstellung und öffentlichem Verkauf Wie eingangs angesprochen, fallen öffentliche Verkaufsausstellung und öffentlicher Verkauf häufig zusammen, z. B. bei Galerieausstellungen oder auf Kunstmessen. Bei Auktionen, in denen das jeweilige Los dem Publikum übli440 S. oben S. 85 – 87. Zur Werbung für folgerechtspflichtige Einzelverkäufe von Kunstwerken in einer Kunsthandlung müssen dagegen de lege lata die Bildrechte eingeholt werden (s. oben S. 140 f.). 441 Vgl. oben S. 85 – 87. 442 Ist das betreffende Werk noch unveröffentlicht und hat sich der Urheber des Werkes bei dessen Veräußerung das Ausstellungsrecht vorbehalten (§ 44 Abs. 2 UrhG), bedarf es für die Präsentation des Werkes auf der Verkaufsveranstaltung auch der Zustimmung des Urhebers, vgl. oben S. 135. 443 Vgl. oben S. 137 f. 444 S. oben S. 137. 445 A. A. offenbar auch für Verkaufskataloge Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7.
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Die Rechtslage in Deutschland
cherweise nur während des Bietens zu Identifikationszwecken neben dem Auktionator präsentiert wird, liegt hingegen keine Zurschaustellung im engeren Sinne vor, die den Anwesenden eine nähere Betrachtung (und Begutachtung) des Werkes ermöglichen soll. Diesen Zweck erfüllt vielmehr die Vorbesichtigung des Werkes im Vorfeld der Auktion. Maßgebliche Veranstaltung, die der Werbung bedarf, ist hier der öffentliche Verkauf, so dass dieses Kriterium keinesfalls überflüssig ist. Gleiches gilt, wie gesehen, bei Internetauktionen als Form des öffentlichen Verkaufs ohne körperliche Präsentation des Werkes.
3.
Privilegierter Personenkreis
§ 58 Abs. 1 UrhG privilegiert den Veranstalter der Ausstellung oder der Verkaufsveranstaltung. Dies ist nach allgemeiner Auffassung derjenige, der in organisatorischer und finanzieller Hinsicht für die Durchführung der Ausstellung oder der öffentlichen Verkaufsveranstaltung verantwortlich ist.446 Eine etwaige Gewinnerzielungsabsicht des Veranstalters ist nach dem Gesetzeswortlaut unschädlich;447 § 58 Abs. 1 UrhG begrenzt in Anlehnung an Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL allein die Kommerzialität der Nutzungshandlungen. a) Veranstalter von öffentlichen Ausstellungen Als Veranstalter von Ausstellungen, die in Museen und Ausstellungshäusern durchgeführt werden, ist der jeweilige öffentliche oder private Träger anzusehen, der durch den Direktor vertreten wird.448 Daneben können Ausstellungen auch von Privatpersonen, Unternehmen oder gesellschaftlichen Organisationen konzipiert und verantwortet werden; Veranstalter ist dann in der Regel eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts.449 Bei Wanderausstellungen differenziert die Literatur zum Teil danach, ob alle teilnehmenden Institutionen die Ausstellung gemeinsam verantworten, das finanzielle Risiko tragen und dementsprechend zusammen als Veranstalter auftreten450 oder ob ggf. ein Direktor federführend ist, der allein als Veranstalter gelten kann.451 Richtigerweise ist mit Jacobs jedes einzelne Museum, in dem die
446 Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 5; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 14; Dreier/ Schulze, § 58 Rn. 5; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 13; Mercker, S. 138; ähnlich Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 15; Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 61; zum Veranstalterbegriff in § 81 UrhG vgl. BGH GRUR 1960, 253 – Autoscooter. 447 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 15. 448 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 15. 449 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 13. 450 Mercker, S. 138 f. 451 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 15.
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(Wander-)Ausstellung gezeigt wird, Veranstalter.452 Denn die einzelnen Museen sind für die Durchführung ihrer Ausstellung organisatorisch und finanziell verantwortlich, auch wenn die Ausstellungsinhalte auf einem überörtlichen oder von einem anderen Museum erstellten Konzept beruhen. Wie bereits ausgeführt, setzt auch die Nutzung eines Werkes zur Werbung voraus, dass das Exponat (auch) für die zu bewerbende Ausstellungsetappe bestimmt ist.453 Dementsprechend ist die Institution, die die betreffende Ausstellungsstation ausrichtet, als (auch für die Werbung) zuständiger Veranstalter anzusehen. Die Ansiedelung der urheberrechtlichen Privilegierung und Verantwortung bei der jeweils ausstellenden Institution schließt im Übrigen nicht aus, dass die einzelnen Veranstalter bei der Gestaltung und Herstellung der Werbematerialien zusammenarbeiten oder auf ein bereits andernorts erarbeitetes Werbekonzept zurückgreifen. b) Veranstalter von öffentlichen Verkaufsveranstaltungen Im Bereich des Kunsthandels ist Veranstalter im Allgemeinen der Verkäufer, der für die öffentliche Verkaufsveranstaltung in organisatorischer und finanzieller Hinsicht verantwortlich ist.454 Dies ist regelmäßig der Inhaber des Unternehmens, etwa eines Auktionshauses oder einer Galerie,455 der Kunstwerke als deren Eigentümer oder als Kommissionär im Rahmen von Versteigerungen bzw. Galerieausstellungen verkauft. Einen Sonderfall stellen Verkaufsveranstaltungen wie Kunstmessen dar, deren (Gesamt-)Veranstalter nicht mit den Verkäufern der dort angebotenen Werke identisch ist. Der Messeveranstalter sorgt zwar für den organisatorischen Rahmen, eine überörtliche Veranstaltungswerbung und gibt insbesondere einen Messekatalog heraus. Die unternehmerische Verantwortung für den eigentlichen Verkauf der Werke liegt aber bei den einzelnen Galerien, die dem Messeveranstalter für ihre Teilnahme Standmieten zahlen und ggf. Verkaufsprovisionen entrichten. Die Galerien sind letztlich auch für die Erstellung der Werkabbildungen verantwortlich, die in den Messekatalog aufgenommen und auf der Internetseite der Messe gezeigt werden. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht sachgerecht, den Messeveranstalter, der keinen Zugang zu den einzelnen Werken hat, als (allein) privilegierten Veranstalter zu betrachten456, während die einzelne Galerie (zumindest bei Sekundärverkäufen) für die eigene Bewerbung ihres Angebots die jeweiligen Bildrechte einholen müsste. Die Galerien sind daher – neben dem Messeveranstalter – als Veranstalter ihrer eigenen Ver452 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 61. Zust. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 140. In diesem Sinne offenbar auch Dreier/Schulze, § 58 Rn. 5. 453 S. oben S. 138 f. 454 Vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 5. 455 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 15. 456 So jedoch Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 61.
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Die Rechtslage in Deutschland
kaufsausstellung anzusehen, damit sie die betreffenden Werke vervielfältigen und in Werbemedien des Messeveranstalters sowie in ihren eigenen Werbemitteln präsentieren können. c) Verhältnis des Veranstalters zu ausführenden Dritten Veranstalter von Ausstellungen und Verkaufsveranstaltungen müssen bei der Werknutzung zu Werbezwecken – z. B. für Werbung in Form von Printanzeigen, per Post versandten Werbematerialien oder Verkaufskatalogen, auf Plakaten oder im Internet457 – regelmäßig auf Leistungen Dritter zurückgreifen. Hierzu zählen etwa Fotografen, Druckereien, Buch- oder Zeitschriftenverlage, Unternehmen der Außenwerbung und Agenturen, die Internetseiten erstellen und betreuen. Die unter § 58 UrhG a. F. bestehende Einschränkung, dass der Veranstalter als Herausgeber des Ausstellungs- oder Versteigerungsverzeichnisses auftreten musste, auch wenn er mit deren Herstellung einen Verlag beauftragen durfte,458 besteht nicht mehr.459 Die Veranstalter dürfen daher Dritte mit der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Zugänglichmachung eines Werkes beauftragen oder die Verwertung veranlassen, ohne im technischen Sinne Herausgeber des jeweiligen Mediums zu sein. Dies bestätigte das Kammergericht in einem Rechtsstreit, der eine bebilderte Werbebeilage eines Auktionshauses in einer Kunstzeitschrift zum Gegenstand hatte. Das Kammergericht hielt es für ausreichend, wenn der Veranstalter die Werbung veranlasst und verantwortet, wenn auch unter Einbeziehung Dritter, die durch Bereitstellung einer Werbeplattform technische Hilfe leisten.460
4.
Privilegierte Verwertungen
Sind die vorstehend beschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 UrhG erfüllt, ist ein Werk der bildenden Kunst oder Lichtbildwerk also öffentlich ausgestellt bzw. zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmt, dann darf der Veranstalter das Werk zum Zweck der Werbung in dem zur Förderung der Veranstaltung erforderlichen Umfang vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen. Im folgenden Überblick sollen die gestatteten Verwertungsarten und ihre praktische Relevanz für die Nutzung zu Werbezwecken461 aufgezeigt werden. Die Grenzen, die der Nutzung durch die 457 Zu den üblichen Werbemaßnahmen s. unten S. 152 f. 458 Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 30, zu § 58 UrhG a. F. 459 Dennoch erwähnt ein Großteil der Literatur, Kataloge als Werbung einstufend, diese Prämisse weiterhin für § 58 Abs. 1 UrhG; vgl. statt vieler Dreier/Schulze, § 58 Rn. 5. 460 KG, Hinweis nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO vom 19. 10. 2009, 5 U 98/07, S. 2, n.v.; dazu Mercker/ Mittl, ZUM 2010, 397, 398. 461 Zum Begriff der Werbung s. unten S. 151 f.
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Beschränkung auf »zur Förderung der Veranstaltung« erforderliche Werbemaßnahmen konkret gezogen sind, werden sodann in Abschnitt 5 erörtert. a) Vervielfältigung § 58 Abs. 1 UrhG gestattet zunächst die Vervielfältigung eines Werkes zur Werbung. § 16 Abs. 1 UrhG beschreibt das Vervielfältigungsrecht als Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. Der Vervielfältigungsbegriff ist danach umfassend: Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, es den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen.462 Im Kontext der von § 58 Abs. 1 UrhG gewährten Freistellung zu Werbezwecken ist insbesondere die fotografische Vervielfältigung der Werke als »erste Stufe« der Nutzung von zentraler Bedeutung. Im Wege analoger oder digitaler fotografischer Verfahren angefertigte Vervielfältigungsstücke können als Vorlage für weitere Reproduktionen verwendet und für die Herstellung bzw. Gestaltung unterschiedlichster Werbemittel eingesetzt werden. Die reproduzierten Werkabbildungen können dabei sowohl auf traditionellen Werbematerialien in Druckform erscheinen, z. B. auf Veranstaltungsplakaten oder in Zeitungsanzeigen, als auch in elektronischen Medien platziert werden. Die Nutzung digitaler Bilddaten ermöglicht u. a. die Speicherung von Vervielfältigungsstücken auf Internetservern, ohne die etwa ein Versand in E-Mails oder die von § 58 Abs. 1 UrhG ebenfalls freigestellte öffentliche Zugänglichmachung nicht möglich wäre.463 Neben Vervielfältigungen i. S. v. § 16 Abs. 1 UrhG sind theoretisch auch filmische Vervielfältigungen von Kunstwerken i. S. v. § 16 Abs. 2 UrhG zu Werbezwecken denkbar. b) Verbreitung § 58 Abs. 1 UrhG erlaubt auch die Verbreitung der privilegierten Werke bzw. von Vervielfältigungsstücken. Unter dem Verbreitungsrecht versteht das Gesetz das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen, § 17 Abs. 1 UrhG. Es erfasst als Recht zur Verwertung in körperlicher Form (§ 15 Abs. 1 UrhG) nur die Verbreitung körperlicher Werkexemplare (Original oder Vervielfältigungsstücke).464 § 17 Abs. 1 UrhG kennt zwei Formen von Verbreitungshandlungen: das Anbieten von Werkexemplaren an die Öffentlichkeit, etwa durch Inserate, Kataloge und Pro462 Schricker/Loewenheim, § 16 Rn. 5 m. w. N. 463 Zu den Erscheinungsformen digitaler Vervielfältigungen Wandtke/Bulllinger/Heerma, § 16 Rn. 13 ff. 464 Schricker/Loewenheim, § 17 Rn. 5 m. w. N.
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Die Rechtslage in Deutschland
spekte sowie das Ausstellen in Geschäften, auf Ausstellungen oder Messen,465 oder deren Inverkehrbringen in Form einer Eigentumsübertragung, mit der das Werkstück aus der internen Betriebssphäre der Öffentlichkeit zugeführt wird.466 Da nicht nur das erstmalige Inverkehrbringen von Werkexemplaren, sondern auch jede Weiterverbreitung unter den Verbreitungsbegriff fällt, gewährleistet der Erschöpfungsgrundsatz (§ 17 Abs. 2 UrhG) die Verkehrsfähigkeit von Werkstücken.467 Wurden diese mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht, dürfen sie (mit Ausnahme der Vermietung) weiterverbreitet werden. Die Freistellung der Verbreitung in § 58 Abs. 1 UrhG ermöglicht den Veranstaltern von Ausstellungen oder Verkaufsveranstaltungen das Inverkehrbringen fotografischer Vervielfältigungsstücke der privilegierten Werke auf bzw. in Werbemitteln. Als Formen des Inverkehrbringens kommen beispielsweise der Versand an interessierte Kreise (z. B. Einladungen für Vernissagen oder Auktionskataloge) oder das Schalten von Anzeigen für die jeweilige Veranstaltung in Zeitungen oder Zeitschriften in Betracht.468 Zusätzlich können auch digitale Offline-Medien wie CD-ROM469 verbreitet werden, auf denen digitalisierte Werke gespeichert sind. Was das Verhältnis zwischen dem Verbreitungsrecht am Werkexemplar und dem Recht zur Verbreitung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG betrifft, ist zu beachten, dass der Anbieter eines Kunstwerkes – sofern hinsichtlich des angebotenen Werkexemplars noch keine Erschöpfung eingetreten ist – über ein Nutzungsrecht nach § 17 Abs. 1 UrhG verfügen muss.470 Relevant, aber in der Praxis unproblematisch ist dies für Galerien, die Künstler auf dem Primärmarkt vertreten und deren (in Kommission genommene) Werke ausstellen und bewerben. In aller Regel erfolgt die Einräumung des Verbreitungsrechts (ggf. konkludent) im Rahmen des Galerievertrages.471 Bei Verkaufsangeboten auf dem Sekundärmarkt wiederum ist das Verbreitungsrecht infolge der ersten Veräußerung des Werkstücks erloschen, § 17 Abs. 2 UrhG. Durch eine vorangegangene Ausstellung des Werks tritt die Erschöpfung hingegen nicht ein.472 Vom Verbreitungsrecht am Werkstück zu trennen ist die gesetzliche Gestattung der Verbreitung 465 Schricker/Loewenheim, § 17 Rn. 9; BGH GRUR 2007, 871, 873 – Wagenfeld-Leuchte. 466 BGH GRUR 2007, 50 Tz. 14 – Le Corbusier-Möbel; Schricker/Loewenheim, § 17 Rn. 14 m. w. N. 467 Vgl. Schricker/Loewenheim, § 17 Rn. 44. 468 Vgl. LG Berlin ZUM-RD 2007, 42 – Katalogbildfreiheit für Zeitschriftenbeilage eines Auktionshauses; KG, Hinweis vom 19. 10. 2009, 5 U 98/07, S. 2, n.v. 469 Amtl. Begr., BT-Drucks. 15/38, S. 21. 470 Vgl. Schack, KuR, Rn. 655. 471 Schack, KuR, Rn. 655. 472 BGH GRUR 1995, 673, 675 f. – Mauerbilder.
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gemäß § 58 Abs. 1 UrhG. Diese legitimiert nicht die das Original selbst betreffende Verbreitungshandlung, sondern lediglich die Verbreitung von (fotografischen) Vervielfältigungsstücken zum Zwecke der Werbung. Die Verbreitung der Bildwerbung ist somit zugleich Nutzungshandlung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG und Angebot des Werkstücks gegenüber der Öffentlichkeit i. S. v. § 17 Abs. 1 UrhG, die ggf. der Zustimmung des Urhebers bedarf. Gemäß § 58 Abs. 1 UrhG rechtmäßig in den Verkehr gebrachte Vervielfältigungsstücke dürfen aufgrund der eingetretenen Erschöpfung weiterverbreitet werden.473 War eine Verbreitungshandlung indes nicht mehr von der Schranke des § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt und damit unrechtmäßig, kann der Urheber eine weitere Verbreitung verbieten.474 Gleiches gilt für Vervielfältigungsstücke, die etwa durch Ausdruck oder Festlegung auf einen Datenträger von öffentlich zugänglich gemachten Werken erstellt wurden; sie unterliegen grundsätzlich nicht der Erschöpfung.475 c) Öffentliche Zugänglichmachung § 58 Abs. 1 UrhG gestattet – in Erweiterung der zuvor von § 58 UrhG a. F. erfassten Verwertungsarten – schließlich die öffentliche Zugänglichmachung von Werken. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, ein Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist (§ 19a UrhG). Die maßgebliche Nutzungshandlung liegt im tatsächlichen Bereithalten des Werkes zum Abruf für eine Öffentlichkeit.476 Hauptanwendungsfall ist die Ermöglichung des Abrufs von Werken im Internet.477 Nach wohl überwiegender Auffassung umfasst das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung über das Bereithalten zum Abruf hinaus im Sinne von Art. 8 WTC (und Art. 3 HRL) auch die spätere Online-Übertragung des Werks auf Abruf an ein Mitglied der Öffentlichkeit.478 Für den Begriff der Öffentlichkeit
473 474 475 476
In diesem Sinne offenbar auch Mercker, S. 99. Vgl. Schricker/Loewenheim, § 17 Rn. 17; § 96 Abs. 1 UrhG. Vgl. Schricker/Loewenheim, § 17 Rn. 45 m. w. N. GRUR 2009, 845, 847 – Internet-Videorecorder; BGH GRUR 2010, 628, 629 – Vorschaubilder ; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, § 19a Rn. 43; Wandtke/Bullinger, § 19a Rn. 10. 477 Die für die Sichtbarmachung des Werkes erforderliche vorübergehende Vervielfältigung im Arbeitsspeicher des Nutzers ist gemäß § 44a UrhG gestattet; Wandtke/Bullinger, § 19a Rn. 12, § 44a Rn. 1. Eine dauerhafte Abspeicherung, d. h. Vervielfältigung des Werkes ist hingegen nur zulässig, wenn der Nutzer, etwa gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG, dazu berechtigt ist; vgl. Wandtke/Bullinger, § 19a Rn. 12. 478 S. statt vieler Schack, GRUR 2007, 639, 640 f.; Gerlach, ZUM 1999, 278, 282; Dreier/Schulze, § 19a Rn. 6; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, § 19a Rn. 1, 13 ff., 33, 41 f. m. w. N., der ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe i. S. v. § 15 Abs. 2 UrhG
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Die Rechtslage in Deutschland
gilt wiederum § 15 Abs. 3 UrhG.479 Entscheidend ist demnach, ob die in Betracht kommenden Nutzer untereinander oder mit dem Werkverwerter durch persönliche Beziehungen verbunden sind.480 Die öffentliche Zugänglichmachung von Werken zur Werbung eröffnet den Veranstaltern von Ausstellungen und öffentlichen Verkäufen von Kunstwerken die Möglichkeit, insbesondere über das Internet mit vergleichsweise geringem Aufwand eine Vielzahl potentieller Besucher bzw. Kunden zu erreichen. In Betracht kommt zunächst das Platzieren von Werkabbildungen auf der Homepage von Museen, Auktionshäusern, Galerien und sonstigen Kunsthandelsunternehmen, sofern die Wiedergabe für eine konkrete Veranstaltung wirbt.481 Auch die Veranlassung von Veranstaltungswerbung auf anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Internetseiten, z. B. in Form von Werbebannern, ist denkbar. Öffentlich zugänglich gemacht werden Werke auch, wenn eine interaktive Abrufmöglichkeit über Smartphones eröffnet wird, z. B. über Museums-Apps482. Dabei kann es sich um internetunabhängige Anwendungen handeln, bei denen der Nutzer das Programm einmalig im App-Store aus dem Internet herunterlädt und (einschließlich der übermittelten Bilddateien) speichert.483 Viele SmartphoneApps funktionieren aber auch netzabhängig, d. h. die jeweils abrufbaren Informationen werden, vergleichbar mit einer Internetseite, bei einer Verbindung mit dem Internet regelmäßig aktualisiert.484 5.
Werbung in dem zur Förderung der Veranstaltung erforderlichen Umfang
Der Veranstalter einer Ausstellung oder eines öffentlichen Verkaufs darf sich der soeben dargestellten Verwertungsformen zum Zweck der Werbung für eine konkrete Veranstaltung bedienen. Die jeweilige Nutzung muss jedoch nach Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL »zur Förderung der Veranstaltung« erforderlich sein.
479 480 481 482 483
484
annimmt; offengelassen für die Rechtslage vor Inkrafttreten von § 19a UrhG BGH GRUR 2003, 958, 961 – Paperboy. Amtl. Begr., BT-Drucks. 15/38, S. 17. Vgl. dazu Dreier/Schulze, § 15 Rn. 43. S. unten S. 164 ff. Vgl. oben S. 50. Zu Smartphone-Apps als »Werbemittel« s. unten S. 162 f. Der Übermittlungsvorgang entspricht dabei einem On-Demand- bzw. Pulldienst; vgl. Schack, GRUR 2007, 639, 643; Wandtke/Bulllinger, § 19a Rn. 25, 27. Der Download der Anwendung muss allerdings kostenfrei angeboten werden, um unter die Privilegierung zu fallen; vgl. unten S. 154 f. Vgl. die Beispiele bei Gütt, S. 15 ff.
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a)
Begriff der Werbung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG und typische Erscheinungsformen aa) Der Begriff der Werbung ist im UrhG nicht definiert oder in den Gesetzesmaterialien erläutert. Auch die Harmonisierungs-RL hält keine Definition parat. Sie gibt lediglich den Werbezweck vor, indem es sich um Werbung »für die öffentliche Ausstellung oder den öffentlichen Verkauf von künstlerischen Werken« im Sinne der »Förderung« solcher Veranstaltungen handeln muss. Allgemein wird Werbung als Bestandteil der Kommunikationspolitik einer betrieblichen Organisation verstanden. Sie ist der bewusste, gezielte und kostenverursachende Einsatz spezieller Werbemittel in unterschiedlichsten Werbeformen zur Beeinflussung von (potentiellen) Austauschpartnern mit dem Ziel, bei den Zielpersonen positive Reaktionen auf das Leistungsangebot der werbungtreibenden Organisation oder auf diese selbst auszulösen.485 Dieses eher auf die reine Wirtschafts-, d. h. Produkt- oder Imagewerbung, zugeschnittene Verständnis kommt auch in der weit angelegten Definition Art. 2 Nr. 1 der Irreführungs-Richtlinie 84/450/EWG486 zum Ausdruck. Danach ist Werbung »jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern«. Für § 58 Abs. 1 UrhG eignet sich die Berücksichtigung des Absatzes bzw. Umsatzes als Werbeziel jedoch nur für den Kunsthandel, während im Bereich der Ausstellungswerbung als Form der kulturellen Werbung487 nicht der kommerzielle Erfolg488, sondern die Gewinnung einer möglichst hohen Besucherzahl für die jeweilige Veranstaltung im Vordergrund steht. Die Definition von Werbung hat somit dem unterschiedlichen Charakter der von § 58 Abs. 1 UrhG privilegierten Veranstaltungen Rechnung zu tragen. Danach ist unter Werbung i. S. v. § 58 UrhG jede Kommunikationsmaßnahme zu verstehen, die darauf abzielt und geeignet ist, bei den Adressaten entweder den Entschluss zum Besuch einer Ausstellung zu fördern489 oder den Entschluss zur Teilnahme490 an
485 Vgl. Vahlens Großes Marketinglexikon, 2. Aufl., München 2001, Stichwort: Werbung, S. 1891, 1893. 486 Richtlinie 84/450/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung vom 10. 9. 1984, ABl. EG L 250/17. 487 Vgl. Vahlens Großes Marketinglexikon, 2. Aufl., München 2001, Stichwort: Werbung, S. 1893. 488 In diesem Sinne Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 58, und Mercker, S. 142, denn darin liege der Sinn und die Zielsetzung der Harmonisierungs-RL. 489 Vgl. Poeppel, S. 394. 490 Der persönliche Besuch der Veranstaltung ist bei Kunstauktionen angesichts der üblicherweise bestehenden Möglichkeit, telefonisch oder über das Internet mitzubieten, nicht einmal erforderlich.
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einer Verkaufsveranstaltung zu fördern und zum kommerziellen Erfolg der Verkaufsveranstaltung beizutragen. bb) Um Ausstellungs- und Verkaufsveranstaltungen in diesem Sinne zu fördern, kommen die unterschiedlichsten Arten von Werbung in Betracht. Bei der Betrachtung von Werbemaßnahmen ist zunächst begrifflich zwischen dem einzelnen Werbemittel, d. h. der sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungsform der Werbebotschaft, z. B. einem Inserat oder einem Plakat, und dem Werbeträger, d. h. dem Medium der Informationsvermittlung, z. B. einer Zeitschrift oder Litfaßsäule, zu unterscheiden. Wichtige Werbeträger sind Print- bzw. sog. Insertionsmedien (Zeitungen, Zeitschriften etc.), Medien der Außenwerbung (Litfaßsäulen, Plakatwände, Werbevitrinen, Verkehrsmittel etc.), Medien der Direktwerbung (Prospekte, Kataloge, Werbebriefe etc.), zu denen auch die Online- bzw. elektronische Werbung (Internet, E-Mailversand) gezählt werden kann, sowie sog. FFF-Medien (Film, Funk und Fernsehen).491 Im Bereich der Ausstellungs- und der Veranstaltungswerbung im Kunsthandel wird mit unterschiedlichem Schwerpunkt üblicherweise auf alle klassischen Werbeträger und auf die neuen elektronischen Medien zurückgegriffen, wobei Werbung in FFF-Medien492 eher die Ausnahme darstellt. Für Ausstellungen wird zum einen Direktwerbung in Form der Versendung von gedrucktem Informationsmaterial (Einladungskarten, Prospekte, Flyer) oder E-Mails an interessierte Kreise (z. B. Mitglieder von Fördervereinen) betrieben. Derartige Werbemedien werden zudem gezielt öffentlich ausgelegt, z. B. in anderen kulturellen Einrichtungen oder in Touristeninformationen. Zum anderen wird die breite Öffentlichkeit durch Inserate, etwa im Feuilleton von Zeitungen und in Kunstmagazinen, sowie durch Außenwerbung in Form von Plakaten, z. B. in U-Bahnstationen, an Bushaltestellen oder auf Verkehrsmitteln, auf Ausstellungen aufmerksam gemacht. Daneben informieren die Homepages von Museen und Ausstellungshäusern über aktuelle Veranstaltungen. In jüngerer Zeit werden Informationen zu Ausstellungen auch über Smartphone-Apps vermittelt, sei es über museumseigene Apps, sei es über von Dritten angebotene Anwendungen.493 Alle Werbemittel enthalten in der Regel eine oder mehrere Abbildungen interessanter, optisch ansprechender Exponate, die als »Zugpferd« für die jeweilige Veranstaltung ausgewählt werden. 491 Vgl. Vahlens Großes Marketinglexikon, 2. Aufl., München 2001, Stichworte: Werbemittel, S. 1865; Werbeträger, S. 1880; Werbung, S. 1892. 492 Die Werbung in Film-, Funk- und Fernsehen erfordert zudem die Einholung des Rechts zur Wiedergabe eines Werkes im Wege der – von § 58 Abs. 1 UrhG nicht freigestellten – Sendung (§ 20 UrhG). 493 Vgl. oben S. 50. Als unabhängiger Informationsdienst zu aktuellen Kunstausstellungen und Verkaufsveranstaltungen wird z. B. die App »EYEOUT – the mobile art guide« angeboten, http://eyeout.com/ (15. 12. 2012). Ihr Download im iTunes-Store kostet derzeit 4,49 EUR.
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Während im Ausstellungsbereich ein möglichst breites Publikum angesprochen werden soll, richten sich die Werbebotschaften des Kunsthandels in der Regel gezielter an interessierte Kreise und potentielle Kunden. Dies geschieht durch Verschicken von Werbematerial an Interessenten (Einladungen, Broschüren, Kataloge etc.), das Versenden von E-Mails oder Auslegen von Werbematerialien an geeigneten Orten. Auch in Zeitungen oder in Zeitschriften wie Kunstmagazinen wird geworben, ebenso auf den Internetseiten der jeweiligen Unternehmen oder auf Internetplattformen, die z. B. über künftige Auktionen informieren. Die großen internationalen Auktionshäuser stellen mittlerweile auch digitale Auktionskataloge zum Abruf bzw. Download auf Smartphones oder Tablet-Computern bereit.494 Breit gestreute Außenwerbung für Verkaufsveranstaltungen wie Auktionen oder Galerieausstellungen ist eher selten anzutreffen. Eine Ausnahme stellen Kunstmessen dar, über die vor Ort oder im größeren regionalen Umkreis etwa durch Plakate informiert wird. Für diese Art von Massenwerbung wird im Printbereich allerdings seltener ein bestimmtes Kunstwerk, sondern eher reine Schriftwerbung, etwa mit dem Logo der Messe und einer Auflistung der teilnehmenden Galerien,495 eingesetzt. Eine entsprechend reduzierte Präsentation ist auch bei Online-Auftritten von Messen anzutreffen; teilweise werden auf die Internetseiten aber in Anlehnung an die Gestaltung des Messekatalogs auch einzelne Exponate pro Aussteller eingestellt. cc) Da § 58 Abs. 1 UrhG die Nutzung zur Ausstellung oder zum Verkauf bestimmter Werke explizit mit der Veranstaltungswerbung verknüpft,496 kommt der Verwertung des einzelnen Kunstwerkes faktisch eine Doppelfunktion zu: Das Abbild wirbt einerseits für die Betrachtung bzw. den Verkauf des Werkstücks selbst; andererseits soll es den Adressaten nach dem Wortlaut des Gesetzes (auch) zum Besuch der beworbenen Veranstaltung animieren. Dabei ergeben sich für die beiden von § 58 Abs. 1 UrhG privilegierten Veranstaltungsformen im Einzelnen unterschiedliche Anforderungen an die Werknutzung, aber auch unterschiedliche Grenzen, auf die in den Abschnitten c) und d) näher eingegangen wird. Ein zentraler Unterschied, der bereits an dieser Stelle hervorgehoben werden soll, besteht gemäß der obigen Definition von Werbung darin, dass die zur Ausstellungswerbung verwendeten Exponate lediglich einen allgemeinen Anreiz zum Besuch der Schau setzen sollen, während eine erfolgreiche Werbung für kommerzielle Verkaufsveranstaltungen weitergehend auch Werbung für die einzelnen Werkstücke umfasst. Zwingend gilt dies für Auktionen, deren Publikum sich im Vorfeld über alle einzelnen Lose und deren Beschaf494 Vgl. Zeitz, Auktionskataloge auf ’s iPhone – Christie’s macht mobil, FAZ, Onlineausgabe vom 7. 8. 2009. 495 Vgl. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60. 496 S. oben S. 132, 140 f.
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fenheit informieren können muss. Daraus folgt beispielsweise, dass im Bereich des Kunsthandels auch Verkaufskataloge als Veranstaltungswerbung einzustufen sind,497 während Ausstellungskataloge, die überwiegend erst nach dem Besuch einer Ausstellung zur Vertiefung der Ausstellungsinhalte erworben werden, nicht mehr als Werbemittel gelten, sondern nur unter § 58 Abs. 2 UrhG fallen können.498 b)
Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, den § 58 Abs. 1 UrhG umsetzt, enthält den Zusatz, dass die Nutzung zum Zwecke der Werbung »unter Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung« zu erfolgen hat. Die Formulierung beruht auf der Empfehlung des Rechtsausschusses.499 Warum der deutsche Gesetzgeber den Zusatz in § 58 Abs. 1 UrhG nicht ausdrücklich übernommen hat, ist unklar. Möglicherweise nahm er an, dass sich ein Ausschluss (anderweitiger) kommerzieller Nutzungen bei enger Auslegung der Norm bereits aus der Begrenzung auf Werbung (in erforderlichem Umfang) ergibt.500 Da die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung der Schrankenregelungen inhaltlich nicht über die Vorgaben in Art. 5 HRL hinausgehen dürfen,501 muss der Zusatz in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL in jedem Fall bei der Anwendung und Auslegung von § 58 Abs. 1 UrhG berücksichtigt werden, sei es bereits bei der Auslegung des Werbebegriffs, sei es als eigenständiges einschränkendes Kriterium für die Beurteilung der Zulässigkeit einzelner Werbemaßnahmen.502 aa) Inhaltlich ist der »Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung« in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL so zu verstehen, dass die privilegierten Nutzungen über die werbende Bekanntmachung der Veranstaltung hinaus – welche mit Blick auf den angestrebten Verkauf von Kunstwerken oder etwa die Einnahme von Eintrittsgeldern für Ausstellungen zumindest mittelbar kommerziellen Charakter hat – keinem (weiteren) kommerziellen Interesse des Veranstalters dienen dürfen. Ausgeschlossen sind damit zum einen Werknutzungen, die für den Veranstalter oder Dritte eine eigenständige Einkunftsquelle darstellen, wie etwa Merchandising-Produkte mit Werkabbildungen (Tassen, Postkarten, Plakate etc.),503 die im Museumsshop verkauft werden. Zum anderen sind Nutzungen 497 498 499 500
A. A. v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.66. Näher dazu unten S. 159 ff. S. oben S. 80. In diesem Sinne Kühl, S. 94, die den Zusatz in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL nur für eine »verdeutlichende Information« hält. 501 S. oben S. 72. 502 In letzterem Sinne Poeppel, S. 395. 503 So im Ergebnis auch Poeppel, S. 395, der die Bedeutung des Zusatzes bei Zugrundelegung
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ausgeschlossen, die nicht mehr als Werbung für eine konkrete Veranstaltung, sondern schwerpunktmäßig als Imagewerbung für ein Ausstellungshaus oder ein Kunsthandelsunternehmen anzusehen sind.504 Beide Einschränkungen lassen sich allerdings in der Tat bereits, wie eingangs angesprochen, aus der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Werbung ableiten, die über das zur Förderung der Veranstaltung erforderliche Maß zudem nicht hinausgehen darf.505 Wären unter dem »Deckmantel« der Werbung Verwertungen statthaft, die dem Veranstalter neben der notwendigen Bekanntmachung der Veranstaltung die Erzielung zusätzlicher Einkünfte erlaubten, läge regelmäßig ein Eingriff in die normale Verwertung des Werkes und eine Verletzung der berechtigten Interessen der Urheber vor. Eigenständige Bedeutung gewinnt der Zusatz in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL somit erst dort, wo ein typisches Werbemittel ausnahmsweise nicht unentgeltlich verbreitet wird, sondern käuflich erworben werden muss. Dies gilt etwa für Auktionskataloge, die in der Regel gegen eine Gebühr abgegeben bzw. versandt werden und somit – theoretisch – der Gewinnerzielung dienen könnten.506 Derartige Werbemittel dürfen bei richtlinienkonformer Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG allenfalls zum Selbstkostenpreis verkauft werden.507 Ein weiteres Beispiel sind Werbenutzungen auf SmartphoneApps der Veranstalter, etwa auf einer Museums-App, die Werbung für künftige Ausstellungen enthält.508 Sofern die jeweilige App nur gegen eine Gebühr zum Download angeboten wird, an der üblicherweise auch der Betreiber der OnlinePlattform pro Download anteilig verdient,509 ist die Werknutzung gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. c HRL ausgeschlossen.510 Die vorstehende Wertung entspricht der herrschenden Auffassung zu § 58 UrhG a. F., die eine überwiegend auf Gewinnerzielung ausgerichtete Werknut-
504 505 506 507 508 509 510
eines weiten Werbebegriffs darin sieht, dass »doppelfunktionale« Werbenutzungen von Werken, namentlich für Merchandising-Produkte oder Werbemedien wie Plakate oder Kataloge, mit denen der Ausstellungsveranstalter zugleich Geld verdient, ausgeschlossen werden sollen. Zur Überschreitung der Grenze zur Eigenwerbung vgl. unten S. 164 ff. Näher zur Erforderlichkeit der Nutzung unten S. 169 ff. In der Praxis übersteigen die Kosten der Katalogherstellung und seines Vertriebs nach Auskunft der Auktionshäuser regelmäßig die erhobene (Schutz-)Gebühr ; vgl. auch BGH GRUR 1993, 822, 824 – Katalogbild. Lehment, S. 91; ebenso Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 17 allgemein für Kataloge. Entsprechend Poeppel, S. 395, für Ausstellungskataloge, die er als Werbemedium einordnet. Näher dazu unten S. 162 f. Zu den Vertriebsmodellen vgl. Gütt, S. 8 – 11. Dies gilt erst recht für Nutzungen durch kommerzielle Drittanbieter von Apps, vgl. Fn. 493. Unschädlich ist es hingegen, wenn ein Dritter an der Gestaltung einer App oder einer Internetseite für den Veranstalter beteiligt ist und verdient, da die Herstellung und der Vertrieb nahezu jeden Werbemittels die Inanspruchnahme kommerzieller Dienstleistungen erfordert. Die spätere Nutzung des Werbemittels durch das Publikum darf jedoch dem Veranstalter oder Dritten nicht unmittelbar zur Erzielung von Gewinnen dienen.
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zung, z. B. für die Herstellung von Merchandising-Artikeln, für ebenso unzulässig hielt wie die generelle Werbung für den Veranstalter.511 Der Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL beantwortet für die Neufassung zugleich die damals umstrittene Frage, ob (Versteigerungs-) Kataloge zum Selbstkostenpreis abgegeben werden müssen. bb) Fraglich ist, ob darüber hinaus auch alle indirekten kommerziellen Vorteile ausgeschlossen sein sollen, die mit der Werbenutzung einhergehen können, etwa ein mit einer Veranstaltungswerbung zugleich verbundener positiver Werbeeffekt für den Veranstalter oder die bereits angesprochene Einnahme von Eintrittsgeldern. Ein solch weitgehendes Verbot mittelbarer kommerzieller Effekte würde die Freistellung jedoch aushöhlen. Es ist anzunehmen, dass sich der europäische wie der deutsche Gesetzgeber darüber im Klaren waren, dass jede Veranstaltungswerbung zugleich positive Auswirkungen für den Veranstalter mit sich bringen kann, die – solange kein Missbrauch der Nutzung zur Eigenwerbung vorliegt512 – in Kauf zu nehmen sind.513 Dies folgt auch daraus, dass die Veranstaltungen bzw. der Veranstalter nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL und § 58 Abs. 1 UrhG durchaus kommerzielle Ziele verfolgen dürfen. Ausgeschlossen sind lediglich kommerzielle Nutzungshandlungen, die über die unmittelbare Veranstaltungsförderung hinausreichen. Problematisch können insoweit Werbemaßnahmen sein, von denen indirekt ein nicht mit dem Veranstalter identischer Dritter profitiert. Ein Beispiel hierfür ist die Nennung eines Ausstellungs-Sponsors auf Eintrittskarten, Flyern oder sonstigen Werbematerialien, die Werkabbildungen enthalten. Bei enger Auslegung des Merkmals »jegliche andere kommerzielle Nutzung« müsste eine Verknüpfung von Sponsorenangabe und – mit Exponaten bebilderter – Ausstellungswerbung jedenfalls dann unterbleiben, wenn sie zugleich der Imagepflege eines Erwerbszwecke verfolgenden Sponsors dient.514 Berücksichtigt man indes, dass viele Ausstellungen heute nur noch mit finanzieller Beteiligung externer Geldgeber realisierbar sind,515 die in den Informationen zur Veranstaltung erwähnt werden möchten, ist zweifelhaft, ob die Freistellung in § 58 Abs. 1 UrhG ihren Zweck praktisch noch erfüllen kann, wenn jeglicher Werbeeffekt für Sponsoren ausgeschlossen wird. Eine möglichst dezente Erwähnung von 511 S. oben S. 104, 107 f. 512 Vgl. unten S. 164 ff. 513 Vgl. auch BGH GRUR 1993, 822, 824 – Katalogbild: »Es liegt in der Natur eines Versteigerungskatalogs, dass er dem Versteigerungsinteresse und damit einem kommerziellen Zweck dient. Das hat der Gesetzgeber bei der Privilegierung solcher Kataloge gesehen und zugrunde gelegt«. 514 Vgl. insoweit das Urteil »Kunstforum«, in dem der öst. OGH in der Imagepflege des Ausstellungssponsors ein Handeln des Veranstalters »zu Erwerbszwecken« Dritter sah; OGH KUR 2000, 109, 113 f. 515 Vgl. oben S. 48.
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Sponsoren, die organisatorisch »im Lager« des Veranstalters stehen, muss daher als noch zulässiger mittelbarer Werbeeffekt angesehen werden. Dieser darf das Ausmaß an Imageförderung, das für den (kommerziellen oder nichtkommerziellen) Veranstalter selbst unschädlich wäre, jedoch keinesfalls überschreiten.516 Hinzunehmen ist insoweit auch die gängige Praxis, Sponsoren ein gewisses Kontingent an Einladungen des Veranstalters zur Abgabe an Geschäftskunden etc. zur Verfügung zu stellen. Eine unmittelbare Eigennutzung von Exponaten durch den Sponsor selbst, etwa in Form von Werbung für die geförderte Ausstellung mit Werkabbildungen auf dessen Internetseite, ist hingegen nicht mehr von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt.517 c) Allgemeine Anforderungen an Werbemaßnahmen i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG Bei der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Werbung i. S. v. § 58 UrhG518 sind ausschließlich solche Verwertungshandlungen zu privilegieren, die darauf abzielen und geeignet sind, potentielle Besucher über die konkrete Veranstaltung zu unterrichten und zu deren Besuch anzuregen sowie – im Bereich des Kunsthandels – auch den Absatz der einzelnen Werke zu fördern. Daraus ergeben sich bereits einige allgemeine Anforderungen an Werbemaßnahmen, die in den folgenden Abschnitten dargestellt werden. aa) Eignung zur Werbung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht Werbung weist zunächst eine klar abgrenzbare zeitliche Komponente auf. Sie kann ihren Zweck nur im Vorfeld der Veranstaltung, d. h. mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf, und während der Dauer der Veranstaltung erfüllen.519 Der erforderliche bzw. angemessene Vorlauf der Werbung ist je nach Art, Umfang und »Einzugsgebiet« der Veranstaltung unterschiedlich.520 Mit dem Ende der Veranstaltung endet auch die Privilegierung. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle Verwertungshandlungen mit dem Ende der Veranstaltung einzustellen sind.521 Aus Gründen der Praktikabilität ist den Veranstaltern allenfalls ein kurzer Zeitraum nach Veranstaltungsende einzuräumen, innerhalb dessen die 516 Vgl. unten S. 165 ff. Zur Sponsorennennung in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen s. unten S. 233 ff., 236 f. 517 Vgl. Pfennig, Museum und UrhR, S. 92. 518 Vgl. oben S. 86 f., 87 f. 519 Vgl. Kirchmaier, KUR 2005, 56, 58; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 7. 520 Dazu unten S. 175. 521 Kirchmaier, KUR 2005, 56, 58; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 7; Mercker, S. 147 f.; Froehlich, ZUM 2003, 453, 455; Lehment, S. 91; ebenso Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7, 15; Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60, die allerdings in erster Linie auf die Unzulässigkeit eines (nachträglichen) Abverkaufs von (Ausstellungs-)Katalogen abstellen. So bereits Möhring/ Nicolini/Gass, § 58 Rn. 35; Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 3, zu § 58 UrhG a. F. Für einen gewissen zeitlichen Nachlauf hingegen Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 21.
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zur Beendigung der Nutzung erforderlichen technischen oder organisatorischen Maßnahmen durchgeführt werden können, etwa die Entfernung von Abbildungen von Exponaten von der Internetseite eines Museums oder Auktionshauses. Bei anderen Werbeträgern, etwa bei einer im Außenraum gebuchten Plakatwerbung, ist der Zeitraum der Maßnahme von vornherein mit dem ausführenden Unternehmen abzustimmen. Zwar kann man davon ausgehen, dass kein Veranstalter kostenintensive Werbemaßnahmen über das zeitlich notwendige Maß hinaus veranlassen wird.522 Gerade im Internet sind allerdings längerfristige Nutzungen ohne zusätzliche Kosten möglich. Hier besteht etwa für Auktionshäuser ein gewisser Anreiz, erfolgreich versteigerte Werke unter Nennung des Auktionsergebnisses auf ihrer Webseite zu belassen, die auf diese Weise der (nach § 58 Abs. 1 UrhG unzulässigen) Imagewerbung523 dienen. Für solche Nutzungen ist stets die Zustimmung des Urhebers bzw. Rechtsinhabers einzuholen. Anders ist hingegen Werbung für den Nachverkauf von Werken zu beurteilen, die bei einer Auktion nicht versteigert werden konnten. Die Auktionshäuser selbst betrachten den regelmäßig stattfindenden Nachverkauf, für den innerhalb eines bestimmten Zeitraums Einzelgebote für die betreffenden Werke abgegeben werden können, noch als Teil der Veranstaltung. Problematisch daran ist, dass dieser nicht mehr in gleicher Weise wie die beendete Saalauktion524 »öffentlich« ist. Dennoch sollten bestimmte Werbemaßnahmen für den befristeten Nachverkauf, etwa die weitere Wiedergabe der Gegenstände auf der Internetseite des Auktionshauses, möglich sein, ohne dass hierfür die Bildrechte eingeholt werden müssen. Einen weiteren Sonderfall stellen Werbematerialien wie Veranstaltungsvorschauen größerer Museen und Ausstellungshäuser dar, die beispielsweise über Ausstellungen in einem künftigen Quartal informieren, vorab an Freunde und Förderer der betreffenden Institutionen verschickt werden und im jeweiligen Museum oder an anderen Orten ausliegen. Solche im Informationsinteresse des Publikums für einen längeren Programmzeitraum hergestellten Materialien können ebenfalls bis zum Ablauf des Zeitraums weiter genutzt werden, auch wenn darin angekündigte Ausstellungen bereits beendet sind. In Betracht kommt etwa das (weitere) Auslegen der Broschüren vor Ort im Museum. Die Eignung zur Werbung hängt darüber hinaus von räumlichen Aspekten ab. Einen Werbeeffekt entfalten in erster Linie alle Maßnahmen, mit denen Mitglieder der Öffentlichkeit an beliebigen Orten außerhalb des Veranstaltungsortes (einschließlich der Außenfassaden des Veranstaltungsgebäudes) über die jeweilige Veranstaltung informiert werden. Gleiches gilt für Werbung im Inter522 Vgl. Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 3. 523 Näher dazu unten S. 164 ff. 524 Oder eine Internetauktion, vgl. oben S. 141 ff.
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net, die ortsunabhängig abgerufen werden kann. Nicht mehr ohne Weiteres als Werbung im engeren Sinne einzuordnen sind dagegen Informationen, die das Publikum erst am Ort der Veranstaltung wahrnimmt. Dies soll im Folgenden anhand des Beispiels von Ausstellungskatalogen dargelegt werden. Sodann wird unter (2) die Werbefunktion »mobil« abrufbarer Nutzungen auf Smartphones untersucht. Unter (3) werden schließlich verschiedene Nutzungen erörtert, die auch innerhalb der Veranstaltungsräume sinnvoll und zulässig sind. (1) Einstufung von Ausstellungskatalogen (a) Ob Ausstellungskataloge unter die Privilegierung von § 58 Abs. 1 UrhG fallen, gehört zu den im Kontext der Neuregelung stark umstrittenen Fragen. Ein Ausstellungskatalog hat zum einen die Aufgabe, den Besucher über die Zusammenstellung der Präsentation zu informieren, indem er die Exponate auflistet und die Autoren und Titel der Darstellungen nennt. Darüber hinaus gibt er, je nach Anspruch und Ausführlichkeit, über den akademischen Rang des Künstlers, über Entstehungsjahr, Technik, Format und Inhalt der Werke Auskunft. Zum anderen enthebt der Katalog die temporäre Zusammenstellung von Einzelwerken durch die schriftliche Fixierung ihrer Zeitgebundenheit. Die Ausstellung wird dokumentiert und erinnerbar.525 Der Katalog besitzt somit eine Doppelfunktion der »Information« und »Dokumentation«;526 er richtet sich an die Ausstellungsbesucher, aber auch an ein Fachpublikum. In diesem Sinne sind Ausstellungskataloge als »Bestandteil einer Ausstellung«527 anzusehen. Sie liegen begleitend in den Ausstellungsräumen zur Einsicht aus und sind regelmäßig erst mit Eröffnung der Ausstellung erhältlich.528 Erworben werden können sie grundsätzlich vor oder nach dem Ausstellungsbesuch, z. B. an der Museumskasse, im Museumsshop oder über den (Online-)Buchhandel529. (b) In der Literatur wird zum Teil unter Zugrundelegung eines weiten Verständnisses von Werbung vertreten, dass die in Katalogen enthaltenen vertiefenden Informationen zur Ausstellung einen Anreiz zum Besuch setzten und die Verzeichnisse daher als Werbemittel einzuordnen seien.530 Mit der Gegenmei525 Cramer, S. 43. 526 Cramer, S. 43. 527 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 10; vgl. auch Berger, ZUM 2002, 21, 23. Kritischer hingegen Hoeren, MMR 2000, 515, 519, der Ausstellungskataloge für »eigenständige Nebenprodukte« hält, die eigene Märkte abdeckten. 528 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 10. 529 Zur Unzulässigkeit eines Vertriebs über den Buchhandel gemäß § 58 Abs. 1 vgl. jedoch unten S. 225 und 235 f. 530 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 59; Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 740; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 8; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 18; Poeppel, S. 394 f.; Wiesner, S. 31 f.; ebenso Bullinger, FS Raue, S. 379, 388; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 9; Bullinger/Bretzel/Schmalfuß, Rn. 198; Prengel, S. 170 f. Für eine Subsumtion
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nung531 ist die Einstufung von Ausstellungskatalogen als Werbung jedoch richtigerweise abzulehnen. Wie oben dargestellt, hat ein Ausstellungskatalog im Wesentlichen eine erläuternde und dokumentierende Funktion, die mit dem Ausstellungsbesuch verknüpft ist. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass die Entscheidung des Publikums zum Erwerb eines Ausstellungsverzeichnisses zum ganz überwiegenden Teil erst nach dem Besuch einer Veranstaltung getroffen wird.532 Das mag daran liegen, dass viele Besucher den Kauf eines Katalogs davon abhängig machen, ob ihnen die Ausstellung gefallen hat und eine inhaltliche Nachbereitung, die nochmalige Betrachtung der Werke oder der Katalog als Souvenir für sie interessant sind.533 Auch der Preis solcher Publikationen, der sich häufig zwischen 30 und 50 EUR bewegt, wird dazu beitragen, dass die Kaufentscheidung erst nach der Veranstaltung getroffen wird. Die zentrale Werbefunktion im Ausstellungsbereich, die Öffentlichkeit im Vorfeld oder während des Zeitraums zum Besuch der Veranstaltung anzuregen, können Ausstellungskataloge somit nicht erfüllen; ihr Erwerb setzt die Kenntnis vom Stattfinden der Ausstellung und ein gewecktes Interesse an deren Inhalten bereits voraus.534 Auch das Argument, ein verfügbarer Katalog erzeuge »aller Erfahrung nach
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von Ausstellungskatalogen unter den Begriff der Werbung wohl auch Berger, ZUM 2002, 21, 25; Flechsig, ZUM 2002, 1, 12. Bayreuther, ZUM 2001, 828, 836; Hoeren, MMR 2000, 515, 519; Mestmäcker/Schulze/ Kirchmaier, § 58 Rn. 10; ders., KUR 2005, 56, 57; Kühl, S. 95; Mercker, S. 142 – 144; Fromm/ Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 3; Lehment, S. 88 ff.; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 135 f.; ebenso v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.66, zu Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL. Auch der Deutsche Museumsbund ging in seiner Stellungnahme zum RefE 2002 davon aus, dass Kataloge von einer Privilegierung zu Werbezwecken nicht erfasst sind, vgl. oben S. 111 f. Ebenso wenig erwähnt Nr. 2.b) des Standardvertrags der VG Bild-Kunst Ausstellungskataloge im Zusammenhang mit den dort geregelten Werbenutzungen. Vgl. die Studie von Costa/Copple/Fehrenbach/Graf zu Besucherreaktion zum Katalogverkauf in Ausstellungen, IfM, Heft 49, S. 29. Danach gaben 88,5 % der 303 Befragten an, dass sie Kataloge erst nach dem Rundgang durch die Ausstellung erwerben. Dies entspricht den Verfassern zufolge einer alten Erfahrung, die in fast allen Museen gelte. Als Ort des nachträglichen Kaufs nannten 40,3 % den Buchhandel, 37,3 % den Museumsladen, 19,1 % das Antiquariat und 9,2 % den Versand. Letztere Zahl dürfte mit der gestiegenen Bedeutung des Online-Handels seit der Untersuchung im Jahr 1998 zu Lasten des stationären Buchhandels stark zugenommen haben. Vgl. wiederum Costa/Copple/Fehrenbach/Graf, Besucherreaktionen zum Katalogverkauf, IfM, Heft 49, S. 28: 67,7 % der Befragten gaben als Motiv für den Katalogkauf ein weitergehendes Interesse zum Ausstellungsthema an, immerhin 40,9 % nannten als Grund die Katalogabbildungen. 26,4 % der Befragten nutzten den Katalog für weitergehende Forschungen, während 5 % ihn als Souvenir erwarben. Selbst Besucher, die einen Katalog ausnahmsweise im Vorfeld des Ausstellungsbesuchs gekauft haben, werden zuvor durch klassische Werbemaßnahmen wie Zeitungsanzeigen oder Plakate oder durch einen Blick auf die Museumshomepage auf die Veranstaltung aufmerksam geworden sein.
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auch einen besonders starken Anreiz, eine Ausstellung zu besuchen«535, überzeugt nicht. Zwar ist die Aussicht, einen Ausstellungskatalog erwerben zu können, für viele Museumsbesucher attraktiv ; ein Katalog verbessert auch die »Akzeptanz und Einschätzung einer Veranstaltung«536. Es erscheint jedoch lebensfremd anzunehmen, dass an einem Ausstellungsthema interessierte Personen bewusst von deren Besuch absehen, wenn keine umfangreichere Publikation dazu erscheint,537 zumal die Entscheidung zum Katalogkauf in aller Regel erst im Anschluss an den Besuch fällt. (c) Die Einstufung von Ausstellungskatalogen als Werbung ist auch nicht mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL geboten, der keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass entsprechend umfangreiche Publikationen vom Begriff der Werbung erfasst sein sollen.538 Da es nicht der Verwertung sämtlicher Exponate bedarf, um Besucher für eine Ausstellung zu gewinnen, ist die Einstufung von Katalogen als Werbemittel im Gegenteil auch unter dem Aspekt der (fehlenden) Erforderlichkeit abzulehnen.539 (d) Hinzu kommen systematische Argumente540 : Dem Interesse von Museen und Publikum an der Herausgabe illustrierter Ausstellungsverzeichnisse trägt nunmehr § 58 Abs. 2 UrhG Rechnung, so dass es eines Rückgriffs auf § 58 Abs. 1 UrhG nicht bedarf. Dabei entstünde überdies ein Wertungswiderspruch zwischen Nutzungen nach § 58 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG, da Werke zu Werbezwecken gemäß Absatz 1 auch öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen, während Nutzungen für Ausstellungsverzeichnisse gemäß § 58 Abs. 2 UrhG nur in Form der Vervielfältigung und Verbreitung erlaubt sind.541 Ordnete man Ausstellungskataloge als Werbemedium ein, müsste zwangsläufig auch die Bereitstellung von Online-Katalogen als von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt gelten, die dem 535 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 59. Ähnlich Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 18: Ohne vertiefende Information in die Zusammenhänge einer Ausstellung sähen viele potentielle Besucher von einem Besuch ab. 536 Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 7. 537 Weitaus wichtiger erscheint es, dem Besucher kostengünstig praktische und inhaltliche Anleitungen für den Ausstellungsbesuch an die Hand zu geben, z. B. Raumpläne mit einem Verzeichnis verschiedener Ausstellungsabschnitte und/oder der Exponate. Informationsund Orientierungshilfen müssen auch nicht zwangsläufig bebildert sein, wie das Beispiel der von Besuchern gern genutzten Audio-Guides zeigt, die eine Konzentration auf das besichtigte Werkstück ermöglichen. 538 So jedoch Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 59. A. A. v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.66, die nicht nur Ausstellungs-, sondern auch Auktionskataloge vom Begriff der Werbung ausnehmen. 539 Vgl. unten S. 175 f. Ebenso im Ergebnis Kühl, S. 95. 540 Die Tatsache, dass § 58 Abs. 1 und Abs. 2 auf unterschiedlichen Vorgaben der HRL beruhen und dementsprechend auszulegen sind, lässt gleichwohl Raum für die Berücksichtigung der Gesetzessystematik beider Schranken, die zusammen kodifiziert wurden. 541 Ebenso v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 136; vgl. auch Lehment, S. 90.
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Publikum leichter und kostengünstiger zugänglich sind als Printverzeichnisse. Die neue Katalogbildfreiheit in § 58 Abs. 2 UrhG privilegiert Online-Verzeichnisse jedoch gerade nicht.542 Es ist unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber Kataloge dennoch von § 58 Abs. 1 UrhG erfasst wissen wollte und den dabei entstehenden Widerspruch zu § 58 Abs. 2 UrhG bewusst in Kauf genommen hat.543 Vielmehr ist § 58 Abs. 2 UrhG für Verwertungen zur Herausgabe von Katalogen als lex specialis anzusehen. (2) Smartphone-Apps mit Werkwiedergaben Zu Werknutzungen, deren Werbefunktion zweifelhaft sein kann, gehört des Weiteren die Übermittlung von Werkabbildungen und -informationen auf Smartphone-Apps. Nicht nur der Kunsthandel, sondern auch Museen und Ausstellungshäuser nutzen neben dem Internet zunehmend diese Möglichkeit der mobilen, ortsunabhängigen Kommunikation mit dem Publikum.544 Die jeweiligen Anwendungsprogramme, die über bestimmte Online-Plattformen (z. B. den Apple iTunes-Store) angeboten und heruntergeladen werden können,545 ermöglichen den bequemen Abruf von beliebigen Informationen zu einer Veranstaltung. Während etwa Apps mit Auktionskatalogen oder Informationen über konkrete Galerieausstellungen546 klar als Werbemaßnahmen einzustufen sind, bedarf es im Ausstellungsbereich einer Differenzierung nach der Art der Anwendung: Werden z. B. über eine allgemeine Museums-App, die netzabhängig aktualisiert wird und unterschiedliche Text- und Bildinformationen zur jeweiligen Einrichtung vermittelt, kürzere bebilderte Informationen zu einer künftigen oder aktuellen Sonderausstellung zum Abruf übermittelt, dürfte die Werknutzung in diesem Zusammenhang – wie auf der Webseite des Museums oder in einer E-Mail – von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt sein. Der Anwender, der die App heruntergeladen hat und regelmäßig nutzt, wird schon im Vorfeld einer Ausstellung über deren Stattfinden informiert. Kritischer zu beurteilen sind Apps oder Funktionen von Apps, die speziell für eine Ausstellung erstellt werden und dem Anwender – wie ein bebilderter Ausstellungsführer – nähere Informationen zu allen Exponaten zugänglich machen sollen. Zum einen ist anzu542 So die amtl. Begr., BT-Drucks. 15/38, S. 22, zu § 58 Abs. 2 UrhG: »Anders als nach Absatz 1 wird eine öffentliche Zugänglichmachung nicht ermöglicht«; s. oben S. 113. 543 A. A. Poeppel, S. 398, der annimmt, der Reformgesetzgeber habe den weiten Bedeutungsinhalt des Werbebegriffs, der Kataloge mit erfasse, und das komplexe Konkurrenzverhältnis von § 58 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG übersehen. 544 Vgl. oben S. 50. 545 Voraussetzung der Privilegierung ist stets, dass mit dem Vertrieb der App kein kommerzieller Zweck verfolgt wird; vgl. oben S. 154 f. sowie unten S. 168 f. 546 So haben etwa die Organisatoren des »Gallery Weekend« in Berlin ihren Besuchern in der Vergangenheit eine Smartphone-App mit näheren Informationen zu der Veranstaltung angeboten; s. Gütt, S. 21.
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nehmen, dass derartige Apps, die für eine vor-Ort-Nutzung vorgesehen sind und ein gewisses Datenvolumen haben, eher von bereits zum Ausstellungsbesuch entschlossenen Personen heruntergeladen werden. Ihre Werbefunktion ist daher fraglich. Zum anderen stellen entsprechend ausführliche Anwendungen mit einer Vielzahl von Werkabbildungen der Sache nach Online- bzw. digitale Kataloge dar,547 die nach der Wertung von § 58 Abs. 2 UrhG als Werbemaßnahme nicht in Betracht kommen.548 Schließlich sind bebilderte Einzelerläuterungen zu einer Vielzahl von Werken zur Werbung für eine Ausstellung auch nicht erforderlich.549 Bei Bildnutzungen im Rahmen von Smartphone-Apps bedarf es daher – ebenso wie auf Internetseiten – de lege lata einer Betrachtung der einzelnen Nutzung bzw. des Nutzungskontextes, um festzustellen, ob es sich noch um eine Nutzung zu Werbezwecken im engeren Sinne handelt. (3) Nutzungen am Ort der Veranstaltung (a) Die erforderliche zeitliche und räumliche Eignung der Werknutzung zur Werbung schließt freilich nicht aus, dass etwa im Eingangsbereich eines Museums für den Besuch einer aktuellen Veranstaltung geworben wird und noch unentschlossene Besucher z. B. durch Plakate oder Broschüren angesprochen werden. Größere Museen oder Ausstellungshäuser, die zeitgleich mehrere Ausstellungen präsentieren, können selbstverständlich auch Werbematerial für alle aktuellen oder künftigen Schauen vor Ort auslegen, die von Museumsgängern als Anregung für den nächsten Besuch mitgenommen werden. Auch eine Werknutzung auf Eintrittskarten, die Werke aus einer parallel veranstalteten oder künftigen Ausstellung zeigen, erfüllt diesbezüglich einen Werbezweck. Meist bilden Eintrittstickets jedoch zur Ausstellung gehörende Exponate ab, die bei ihren bereits zum Besuch entschlossenen Besitzern keine Werbefunktion mehr erfüllen können. Solche Werkabbildungen bedürfen daher der Zustimmung des Urhebers.550 Ebenso wenig als Werbung einzuordnen sind Merchandising-Artikel wie Tassen oder T-Shirts mit Abbildungen von Exponaten, die im Museumsshop erworben werden können. Sie dienen in erster Linie der Gewinnerzielung durch den Museumsträger bzw. den jeweiligen Inhaber des Museumsshops und nicht der Information der Öffentlichkeit über eine Veranstaltung. Dies gilt selbst dann, wenn das jeweilige Produkt Hinweise darauf enthalten sollte, dass das sie schmückende Werk Teil der aktuellen Ausstellung ist; 547 Dies gilt auch dann, wenn die Ausstellungs-App nach dem erstmaligen Download netzunabhängig genutzt werden kann, da die Übermittlung (auch) der von dem Programm verwendeten digitalen Bilddaten auf Abruf des Nutzers i. S. v. § 19a UrhG erfolgte; vgl. oben S. 149 f. 548 S. oben S. 161 f. 549 S. dazu unten S. 175 f. 550 Ebenso Lehment, S. 88; a. A. Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 389 f.
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entsprechend sekundäre Werbeeffekte551 sind von § 58 Abs. 1 UrhG nicht mehr gedeckt. Gleiches gilt für Ausstellungsplakate, die nicht zu Informationszwecken im öffentlichen Raum oder im Eingangsbereich eines Museums hängen, sondern dem Publikum an der Museumskasse oder im Shop zum Kauf angeboten werden. Wie Ausstellungskataloge werden derartige Produkte, zu denen auch Poster oder Postkarten gezählt werden können, üblicherweise auch erst nach dem Besuch einer Ausstellung gekauft. (b) Auch im Bereich des Kunsthandels müssen bestimmte Werbenutzungen noch am Ort der Veranstaltung zulässig sein. Dies ergibt sich jedoch weniger aus der Möglichkeit, noch einen entscheidenden Anreiz für den Besuch einer Veranstaltung zu setzen, sondern daraus, dass weitergehende Informationen über das Veranstaltungsangebot, d. h. die angebotenen Werke und deren Beschaffenheit, für den Besucher bzw. Kunden von besonderer Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für Auktionen, bei denen der Katalog mit Abbildungen der einzelnen Lose, anders als bei Ausstellungen, unverzichtbares Instrument sowohl für die Vorbereitung als auch für die Teilnahme an der Veranstaltung ist. Die Abgabe eines Katalogs, die den (kommerziellen) Veranstaltungserfolg fördert, muss daher auch noch vor Ort und während einer Versteigerung für kurzfristig eintreffende Interessenten möglich sein. Gleiches gilt für die Abgabe von Messekatalogen, Katalogen von Galerieausstellungen und sonstigen Informationsmaterialien, die während des Veranstaltungszeitraums vor Ort verkauft werden oder unentgeltlich erhältlich sind und über die Beschaffenheit (und ggf. den Preis) der Werke informieren. bb) Strenge Veranstaltungsbezogenheit der Nutzung Aus der engen Auslegung des Begriffs der (Veranstaltungs-)Werbung folgt des Weiteren eine strenge Veranstaltungsbezogenheit der Nutzung, die sich auch in der inhaltlichen Gestaltung des Werbemittels niederschlagen muss. Ein enger Veranstaltungsbezug lässt sich zudem daraus ableiten, dass die Werbung zur Förderung der Veranstaltung »erforderlich« sein muss.552 Er entspricht zugleich der von der Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. geforderten Unterordnung der privilegierten Verzeichnisse unter den Veranstaltungszweck: Die Kataloge mussten den Ausstellungs- oder Versteigerungszweck in räumlicher, zeitlicher und nicht zuletzt inhaltlicher Hinsicht unmittelbar fördern.553 Die »Unmittelbarkeit der Veranstaltungsförderung« bleibt auch für § 58 Abs. 1 UrhG weiterhin
551 Vgl. Schuck-Wersig/Wersig, Museen und Marketing in Europa, IfM, Heft 37, S. 125. 552 Näher dazu unten S. 169 ff. 553 S. oben S. 104 f.
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ein sinnvolles Bewertungskriterium, das für die Beurteilung der Veranstaltungsbezogenheit der Werbung herangezogen werden kann.554 (1) Verbindung von Werknutzung und Veranstaltungsinformation Um über eine Ausstellung oder den öffentlichen Verkauf von Werken werbend zu unterrichten, bedarf es naheliegenderweise hinreichender Informationen über die Veranstaltung. Hierzu zählen als Mindestangaben die Bezeichnung (z. B. Titel oder sonstige Bezeichnung einer Ausstellung, Galerieausstellung oder Auktion), der Ort sowie der Beginn bzw. Zeitraum der Veranstaltung. Zwischen diesen Angaben und der Werkwiedergabe muss ein redaktioneller Zusammenhang bestehen, aus dem sich ergibt, dass das genutzte Werk eines bestimmten Künstlers in der betreffenden Veranstaltung entweder ausgestellt wird oder dort erworben werden kann. Werbemittel für Verkaufsveranstaltungen wie Kataloge können darüber hinaus weitere Angaben zu einzelnen Werken, insbesondere zu preisbildenden Faktoren, enthalten. Der auf diese Weise hergestellte Bezug zu einer Ausstellung, Auktion oder sonstigen Verkaufsveranstaltung rechtfertigt die Bildnutzung jedoch dann nicht mehr, wenn die Werbung zusätzlich weitere Zwecke verfolgt und damit den Bereich der unmittelbaren Veranstaltungsförderung verlässt. Dies illustriert eine Entscheidung des Landgerichts Berlin, das sich erstmals mit der Neufassung von § 58 UrhG auseinandergesetzt hat. (2) Das Urteil des LG Berlin vom 31. Mai 2007 Das LG Berlin555 hatte darüber zu befinden, ob eine 72-seitige Anzeige, die ein Auktionshaus anlässlich einer »Jubiläumsauktion« in einem Kunstmagazin geschaltet hatte, noch von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt war. Im Streit stand, ob die Werknutzung noch der Werbung für eine konkrete Veranstaltung diente oder der (Image-)Werbung für den Veranstalter selbst. Die umfangreiche Anzeige, die hinter dem redaktionellen Teil des Magazins angesiedelt war, enthielt ein vierseitiges Vorwort des Auktionshauses, Auszüge aus vier Auktionskatalogen mit qualitativ ansprechenden Abbildungen von Kunstwerken, die – wie im Katalog – überwiegend auf Einzelseiten präsentiert wurden, ein Bestellformular für die Kataloge sowie Angaben zu den Veranstaltungsdaten und Vorbesichtigungsterminen. Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, die Anzeige diene in erster Linie der kommerziellen Imagewerbung und sei damit nicht von § 58 Abs. 1 UrhG privilegiert. Diese Einschätzung stützte das Gericht darauf, dass das 554 Vgl. auch Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 17, der die Wertungen der BGH-Rechtsprechung jedoch im Kontext der »Erforderlichkeit« erörtert. 555 LG Berlin ZUM-RD 2007, 421 – Katalogbildfreiheit für Zeitschriftenbeilage eines Auktionshauses.
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Auktionshaus sich im Vorwort u. a. als »Marktführer der deutschen Moderne« darstelle und diesen Ruf auch anhand der Auswahl von zur Versteigerung stehenden Kunstwerken rechtfertigen wolle. Auch richte sich die Anzeige weniger an potentielle Käufer als an potentielle Einlieferer, bei denen die Beklagte sich bekanntmachen wolle. Belege hierfür sah das Landgericht in der Präsentation vornehmlich hochpreisiger Werke, die ohne Losnummern wiedergegeben wurden, der breiten Auswahl von Werken, mit der Fachkreise bzw. Sammler, denen die Beklagte bekannt sei, wenig anfangen könnten, sowie der breiten Streuung der Werbung in einer Auflage von 100.000 Zeitschriftenexemplaren.556 Die zuletzt genannten Kriterien allgemein als Indizien für eine Imagewerbung heranzuziehen, erweist sich allerdings als problematisch. Dies gilt zunächst für die betonte selektive Abbildung von Werken, die bei Auktionen jenseits der Katalogwerbung unvermeidbar ist. Typischerweise werden dabei, etwa in Zeitungsanzeigen, gerade auch Spitzenlose abgebildet, die die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Veranstaltung lenken sollen. Auch hochpreisige Werke wollen ihre Abnehmer finden, so dass eine Differenzierung zwischen den einzelnen Preisklassen als Nutzungskriterium verfehlt ist. Zweifelhaft erscheint zudem die Annahme, Katalogauszüge könnten einschlägige Fach- und Sammlerkreise nicht ansprechen. Sammler zählen ebenso zu den Lesern von Kunstmagazinen wie (sonstige) Kunstbesitzer, die die Anzeige nach Auffassung des Landgerichts ansprechen wollte. Hiervon zeugen die zahlreichen (kleineren) Inserate, die von Galerien und Auktionshäusern im Anzeigenteil von Kunstzeitschriften geschaltet und jeweils nur mit einem Werk bebildert werden. Auch fehlende Losnummern sind für sich genommen kein Indiz für einen unzureichenden Veranstaltungsbezug, wenn zugleich auf Auktionsnummer und -datum verwiesen wird. Schließlich lässt das Landgericht mit Blick auf die Streuung der Werbung unberücksichtigt, dass die Anzeige auch auf die Termine zur Vorbesichtigung in verschiedenen Städten hinweist und dass auch am Markt etablierte Häuser stets aufs Neue darauf angewiesen sind, überregional Kunden für ihre Auktionen zu werben. Die vom Landgericht hervorgehobene Präsentation und Auswahl einzelner Lose spricht daher nicht zwingend gegen den notwendigen konkreten Veranstaltungsbezug und für das Vorliegen einer Imagewerbung. Der entscheidende Gesichtspunkt, der die Beurteilung des Gerichts im Ergebnis rechtfertigt, scheint vielmehr die Selbstdarstellung des Auktionshauses im Vorwort der Anzeige. Indem das Unternehmen im textlichen »Vorspann« zum Bildteil ausdrücklich auf seine erfolgreiche Marktführerschaft, seine fachliche Kompetenz und Sorgfalt hinweist, überschreitet es die Grenze zur Eigenwerbung, und die Anzeige (einschließlich der Werknutzungen) verlässt den Bereich 556 LG Berlin ZUM-RD 2007, 421 f. – Katalogbildfreiheit für Zeitschriftenbeilage eines Auktionshauses.
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der unmittelbaren Veranstaltungswerbung. Mit anderen Worten: Die gleichen Bildnutzungen hätten – vorbehaltlich der Erforderlichkeitsprüfung557 – ohne das Vorwort der Veranstalter möglicherweise zulässig sein können. Das Urteil verdeutlicht, dass der informatorische Kontext, in dem die Werke präsentiert werden, eine entscheidende Rolle spielen kann. Nutzungen für Verkaufsveranstaltungen sind danach auch hinsichtlich des Begleittextes darauf zu beschränken, die konkrete Veranstaltung anzukündigen oder über die im Einzelnen angebotenen Werke zu informieren. Eine damit indirekt verbundene Förderung des Unternehmensimage ist unschädlich, solange die wiedergegebenen Werke nicht zusätzlich als Beleg für den Erfolg des Unternehmens oder gar als schmückendes Beiwerk für die Eigenwerbung herangezogen werden. (3) Die Auffassung des Kammergerichts Das Kammergericht teilte die Einschätzung des Werbeziels durch das Landgericht im Ergebnis. In einem nicht veröffentlichten Hinweis558 an die Parteien nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO hielt der 5. Zivilsenat zunächst fest, dass Schrankenregelungen mit Blick auf den urheberrechtlichen Beteiligungsgrundsatz eng anhand des konkreten Normzwecks auszulegen seien, wobei sich die § 58 UrhG zugrunde liegende Interessenbewertung durch die Neuregelung nicht geändert habe. Nach Auffassung des Gerichts sei das von der Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. entwickelte Postulat der »unmittelbaren Förderung des Veranstaltungszwecks« daher auch für § 58 Abs. 1 UrhG und die Auslegung des Merkmals »soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist« beizubehalten. Die danach gebotene Beschränkung der Werknutzung auf die unmittelbare Förderung der Veranstaltung trägt nach Ansicht des Kammergerichts einerseits dem berechtigten Interesse von Versteigerer und Eigentümer an der Förderung des Versteigerungserfolges sowie dem Informationsinteresse des Publikums Rechnung und wahrt andererseits noch die Interessen des Urhebers. Allein der Bezug zu einem zur Versteigerung anstehenden Werk könne das Bekanntwerden und den Absatz seiner Werke fördern und mit Blick auf das Folgerecht dem wirtschaftlichen Interesse des Urhebers am Erfolg der Veranstaltung dienen. Unter dieser Voraussetzung betrachtete der Senat auch mittelbar aus der Veranstaltungswerbung resultierende Vorteile für den Veranstalter als unschädlich. Letzterer dürfe eine mit geschützten Werken bebilderte Werbung jedoch nicht zur Unternehmenswerbung nutzen, die nicht mehr den Interessen des Urhebers und des Publikums diene. Diese Grenze hielt auch das Kammergericht im Streitfall für überschritten, da der Informationsgehalt der Werbung maßgeblich 557 Dazu unten S. 169 ff.; speziell zur Anzahl an genutzten Werken s. S. 176 f. 558 KG, Hinweis nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO vom 19. 10. 2009, 5 U 98/07, n.v.; dazu Mercker/ Mittl, ZUM 2010, 397. Die Berufung wurde daraufhin zurückgenommen.
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durch den Textteil der Anzeige geprägt wurde, in der die Beklagte vor allem ihr Unternehmen dargestellt hatte. Daneben merkte das Gericht an, dass eine unmittelbare Veranstaltungsförderung auch dann nicht mehr vorliege, wenn statt der illustrierten Information die Vermittlung des Werkgenusses im Vordergrund stehe, selbst wenn dies regelmäßig nicht im Interesse des Veranstalters liegen werde. Eine Überschreitung dieser »objektiven Grenze« könne vorliegen, wenn die Abbildungen hinsichtlich des Formats, der Farbgebung oder anderer Qualitätsmerkmale über das hinausgingen, was üblicherweise in Versteigerungskatalogen zu finden sei.559 Auf die Anzahl der abgebildeten Werke komme es hingegen nicht an. Das einzelne Werk werde nicht dadurch intensiver genutzt, dass daneben noch Werke anderer Künstler abgebildet seien. (4) Zusammenfassung Die Entscheidung des LG Berlin und die es stützende Auffassung des Kammergerichts bestätigen die bereits unter § 58 UrhG a. F. maßgebliche Prämisse, dass die Nutzung unmittelbar der Veranstaltungsförderung dienen muss und nicht zur Eigen- oder Imagewerbung, etwa eines Auktionshauses, herangezogen werden darf. Die im Zusammenhang mit der Werknutzung vermittelten Informationen dürfen daher nicht das veranstaltende Unternehmen selbst anpreisen. Entsprechendes gilt im Ausstellungsbereich. Da § 58 Abs. 1 UrhG ausschließlich Werbung für Sonderausstellungen erlaubt,560 ist eine Werknutzung, mit der (auch) ein Museum bzw. dessen ständige Sammlung oder eine nicht mit der Sonderausstellung identische Veranstaltung (z. B. ein Kunstseminar anlässlich der Ausstellung) beworben wird, unzulässig. Bei der vom Kammergericht ebenfalls thematisierten Größe und Qualität der Abbildungen sowie der Anzahl der verwerteten Werke handelt es sich dagegen streng genommen um Aspekte, die nicht den Veranstaltungsbezug der Werbenutzung, sondern deren Erforderlichkeit betreffen (dazu unten d). cc) Keine direkte Gewinnerzielung durch Nutzung des Werbemediums Wie bereits (unter b) dargelegt, hat die Verwertung von Werken zur Werbung bei enger Auslegung und richtlinienkonformer Anwendung von § 58 Abs. 1 UrhG unter »Ausschluss jeglicher anderer kommerzieller Nutzung« zu erfolgen. Unzulässig sind damit neben der soeben erörterten Eigenwerbung für den Veranstalter sämtliche Nutzungen, die eine eigenständige Einnahmequelle darstellen. Merchandisingprodukte wie Tassen, T-Shirts, Poster oder andere Artikel, die an der Museumskasse oder im Museumsshop erworben werden können (und schon 559 Vgl. Mercker/Mittl, ZUM 2010, 397, 399. 560 S. oben S. 131 ff.
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begrifflich keine Werbung darstellen)561, sind daher nicht von der Privilegierung gedeckt. Bei Werbemitteln wie Auktionskatalogen wiederum, die Kunden entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, hängt die Zulässigkeit der Nutzung davon ab, ob sie mit einer Gewinnerzielung für den Veranstalter verbunden ist. Eine Verbreitung der Verzeichnisse zum Selbstkostenpreis, der tatsächlich nur den Kostenaufwand der Herstellung decken soll, ist somit noch als zulässig anzusehen.562 Auch lediglich mittelbare kommerzielle Effekte der Veranstaltungswerbung für den Veranstalter, z. B. die Erzielung von Einnahmen aus Eintrittsgeldern für eine Ausstellung oder eine Imageförderung, führen als unvermeidbarer, vom europäischen und deutschen Gesetzgeber in Kauf genommener Nebeneffekt nicht zur Unzulässigkeit der Nutzung.563 Unschädlich sind schließlich auch Einnahmen Dritter, die im Auftrag des Veranstalters an der Herstellung und Verbreitung von Werbemitteln mitwirken. Dies gilt etwa für Reproduktionsfotografen, Druckereien, Zeitschriftenverlage oder Internetagenturen, deren Dienstleistungen der Veranstalter zum Zweck der Werknutzung zwangsläufig in Anspruch nehmen können muss.564 Nicht mehr gedeckt sind hingegen Einnahmen Dritter, die aus einem kommerziellen Vertrieb einzelner Werbemittel oder -träger resultieren, etwa in Form entgeltlich zum Download angebotener Museums-Apps, die auch Ausstellungswerbung vermitteln. d) Erforderlichkeit der Nutzung zur Förderung der Veranstaltung Erlaubt ist die Nutzung von Werken zur Werbung nur, »soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist«. Dieses, wenngleich unbestimmte Kriterium soll den als Werbemaßnahmen einzuordnenden Verwertungen (oben c) letztgültige Schranken setzen. Der letzte Halbsatz von § 58 Abs. 1 UrhG beruht auf der sinngemäß übernommenen Formulierung in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, der Werbung »in dem zur Förderung der betreffenden Veranstaltung erforderlichen Ausmaß« erlaubt. Die Schrankenvorgabe setzt allerdings sprachlich einen leicht anderen Akzent, indem sie nicht die »Förderung«, sondern ein vom Richtliniengeber angenommenes, zur Förderung »erforderliches Ausmaß« an Werbung in den Vordergrund stellt, das es einzuhalten gilt. Fraglich ist, was unter der »Erforderlichkeit zur Veranstaltungsförderung« zu verstehen ist und wie sie in der Praxis beurteilt werden kann.
561 S. oben S. 151 f., 154 f. 562 S. oben S. 155. 563 Entsprechendes gilt für Sponsoren der Veranstaltung, soweit sie lediglich auf Werbematerialien mit erwähnt werden; s. oben S. 156 f. 564 S. oben S. 146.
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aa) Die (Veranstaltungs-)Förderung als Maßstab der Erforderlichkeit Die Veranstaltungsförderung im Wege der Werbung bezieht und beschränkt sich zwangsläufig auf die Ziele des jeweiligen Veranstalters. Wie bereits dargelegt, besteht das Werbeziel im Ausstellungsbereich darin, möglichst viele Besucher zu gewinnen, während im Kunsthandelsbereich über hohe Besucherzahlen hinaus insbesondere der Absatz der einzelnen Werke angestrebt wird, der letztlich über den Erfolg der Veranstaltung mit entscheidet.565 Förderungs- und Werbeaufwand werden sich dabei im Allgemeinen am Umfang (und räumlichen Einzugsgebiet) der jeweiligen Veranstaltung orientieren.566 Problematisch ist insoweit, dass der Begriff der Förderung keine feste Größe567, sondern vielmehr einen aktiven Prozess beschreibt568, der – abhängig von der subjektiven Einschätzung des Förderungsbedarfs durch den Veranstalter – theoretisch Werbemaßnahmen in beliebigem (finanzierbarem) Ausmaß rechtfertigen könnte. Zwar kann man sich, ausgehend von Zielsetzungen des Veranstalters, gewissen objektiven Grenzen einer notwendigen Veranstaltungsförderung unter Zuhilfenahme betriebswirtschaftlicher und im Marketing verwendeter Methoden nähern, die auch in den Museumsbetrieb Einzug gehalten haben.569 So werden angestrebte Mindestbesucherzahlen oder deren Steigerung heute als quantifizierbares Marketingziel definiert570 und die zu seiner Erreichung ergriffenen Maßnahmen nach Ablauf einer zeitlichen Periode (z. B. einer Ausstellung) auf ihren Erfolg hin kontrolliert und ausgewertet.571 Der Rückgriff auf entsprechend elaborierte betriebsinterne Untersuchungen und Planungen in dieser oder anderer Form ist jedoch zur Beurteilung von Nutzungen i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG nicht praktikabel. Abgesehen davon, dass der Einsatz von Werbung als Teil einer Marketingstrategie an subjektiven Leistungszielen der jeweiligen betrieblichen Organisation orientiert ist und kontinuierliche Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen (etwa Interessenverschiebungen bei Besuchern)572 erfordert, wird nicht jedes Museum oder Kunsthandelsunternehmen entsprechende Auswertungen anstellen, um möglichst viele Besucher bzw. Kunden zu gewin565 566 567 568 569 570
571 572
S. oben S. 151 ff. Vgl. Mercker, S. 141. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7. Vgl. Kirchmaier, KUR 2005, 56, 58: aktives Unterstützen der Veranstaltung zur Steigerung ihres Erfolgs. S. oben S. 48 f. Zu vermarktende »Produkte« des Museums sind die Präsentation der ständigen Sammlung, die Wechselausstellungen und die Durchführung von Veranstaltungen. Das Museum ist bei der Herstellung der »Produkte« an Leistungsziele gebunden, zu denen in der Regel auch das Erreichen einer jährlichen Mindestbesucherzahl zählt; ifo/IfM, Eintrittspreise von Museen, IfM, Heft 46, S. 47. Vgl. Bristot, Marketing für Museen, IfM, Heft 40, S. 40, 54 f. Vgl. Bristot, Marketing für Museen, IfM, Heft 40, S. 54 f.
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nen. Vielfach wird auf bestimmte Erfahrungswerte mit einer Auswahl bewährter Werbemittel zurückgegriffen, wobei auch das verfügbare Werbebudget den in der Regel kostenintensiven Maßnahmen Grenzen setzt. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass für die Förderung einer Veranstaltung in der Regel eine gewisse Bandbreite an alternativ einsetzbaren Werbemaßnahmen zur Verfügung steht. Um die Erforderlichkeit einer einzelnen Werknutzung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG zu beurteilen, müsste streng genommen ihre Bedeutung im Rahmen des gesamten Werbekonzepts mit berücksichtigt werden. Die für eine Veranstaltung notwendige »Förderung« lässt sich nach alledem nicht objektiv und eindeutig bestimmen573 und erscheint als Maßstab für die Erforderlichkeit der (Einzel-)Nutzung wenig tauglich. Das Tatbestandsmerkmal kann und darf daher, auch angesichts des unterschiedlichen Charakters der einzelnen Veranstaltungen, nicht so strikt interpretiert werden, dass die zwingende, nachweisbare Notwendigkeit einer Nutzung vorliegen muss.574 Da Werbenutzungen nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers gleichwohl auf ein »erforderliches Ausmaß« an Förderung zu beschränken sind, kann das Kriterium bei lebensnaher Betrachtung nur so verstanden werden, dass solche Maßnahmen erlaubt sein sollen, die eine – der Art und dem Umfang der Veranstaltung angemessene – Information über die Veranstaltung in der Öffentlichkeit bzw. den beteiligten Kreisen gewährleisten, ohne dabei übermäßig in die Rechte der Urheber einzugreifen.575 Insbesondere darf die Werbemaßnahme im Sinne des Dreistufentests keine Verletzung berechtigter Interessen der Urheber bewirken.576 Insofern ist eine Einzelfallbewertung der konkreten Werbemaßnahmen geboten, die sich mit Dreier an einem restriktiven, aber nicht zu strengen Maßstab orientieren sollte, »der den Handlungsspielraum zur Förderung einerseits nicht zu kleinlich bemisst, die Interessen der Urheber andererseits aber auch nicht unberücksichtigt lässt«577. Bei der Interessenabwägung besteht damit Raum für eine Beurteilung des insgesamt notwendigen Werbe573 S. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7. 574 S. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7. 575 Strenger offenbar Vogel, der das Merkmal der Erforderlichkeit als Korrektiv zur Reduzierung der Schranke auf das von ihrem Zweck »in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht unbedingt getragene Maß« i. S. d. Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. versteht. Ferner soll die »Unmittelbarkeit der Förderung« als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinzukommen; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 17; ähnlich das KG in seinem Hinweis vom 19. 10. 2009 (s. oben S. 167 f.). Die Unmittelbarkeit der Förderung des Veranstaltungszwecks ist allerdings ein Aspekt, der nach hier vertretener Auffassung schon aus der gebotenen engen Auslegung des Werbebegriffs folgt (s. oben S. 164 f.), während das Kriterium der Erforderlichkeit eine nähere Beurteilung der einzelnen Werbemaßnahmen unter quantitativen und qualitativen Aspekten unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen erfordert. 576 Vgl. oben S. 82. 577 Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7. Vgl. auch Lettl, S. 193.
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aufwands durch den jeweiligen Veranstalter,578 der jedoch darauf achten muss, dass sich die einzelnen Werknutzungen qualitativ und quantitativ im Rahmen dessen halten, was zur werbenden Information über die konkrete Veranstaltung sachlich noch geboten und den Urhebern zumutbar ist. Dies soll im nächsten Abschnitt konkretisiert werden. bb) Kriterien zur Beurteilung der Erforderlichkeit Der zur Förderung einer Veranstaltung notwendige Werbeaufwand lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen. Der Veranstalter soll grundsätzlich potentielle Ausstellungsbesucher oder Kunden unter Verwendung ausgestellter bzw. angebotener Werkstücke werben dürfen. Die Werbung muss einerseits dem Informationsbedürfnis der Adressaten und auch den heute üblichen visuellen Werbestandards genügen, darf aber anderseits nicht über das hinaus gehen, was für eine adressatengerechte, wirksame Werbung geboten ist. Konkret muss der Veranstalter entscheiden, welche Werbemittel in welchen Werbeträgern eingesetzt werden sollen und in welchem zeitlichen, räumlichen und zahlenmäßigen Umfang Werbung mit Werkstücken getrieben werden soll. Ferner muss bestimmt werden, wie viele Werke aus einer Veranstaltung genutzt werden sollen und – mit Blick auf die Werknutzung im engeren Sinne – in welcher Größe und Qualität und ggf. mit welchen Nutzungsoptionen für den Adressaten das Einzelwerk wiedergegeben wird. Die genannten Nutzungsaspekte, die in der Praxis Anlass zu Streit geben können, sollen im Folgenden näher betrachtet werden. Aus Sicht der Urheber ist dabei neben der Eigenart der Werbemittel und ihrem Verbreitungsgrad von besonderer Bedeutung, in welchem Format und in welcher Qualität ihr Werk genutzt wird. Denn eine Beeinträchtigung urheberrechtlicher Interessen hängt nicht allein vom Nutzungsmedium, sondern vor allem auch von der Art und Weise der Wiedergabe eines Werkes ab.579 Für die beiden von § 58 Abs. 1 UrhG privilegierten Veranstaltungsarten ergeben sich allerdings mit Blick auf den Einsatz und die Gestaltung der einzelnen Werbemittel unterschiedliche praktische Bedürfnisse, die bei der Beurteilung der »Erforderlichkeit« zu berücksichtigen sind.580 Dazu zählt der Umstand, dass potentielle Kunden einer Verkaufsveranstaltung, anders als Ausstellungsbesucher, ein starkes und legitimes Interesse an der Information über die Beschaffenheit der angebotenen Werkstücke haben,581 das sich auch in der Qualität und Größe der Werkabbildungen niederschlägt.
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Vgl. Mercker, S. 141. Vgl. Poeppel, S. 413 Fn. 1060. Vgl. oben S. 153 f. Vgl. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 133; Mercker/Mittl, ZUM 2010, 397, 400.
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(1) Bedeutung der Branchenüblichkeit Als ein (objektives) allgemeines Kriterium zur Beurteilung, ob eine konkrete Werbemaßnahme erforderlich ist, wird in Rechtsprechung und Literatur zum Teil die Branchenüblichkeit angeführt.582 Der Veranstalter soll die Erforderlichkeit »anhand der Üblichkeit in der Branche« einschätzen dürfen,583 wobei aber auch »Fortentwicklungen« Raum zu geben sei.584 Die Branchenusancen zu betrachten ist insoweit sinnvoll, als sich im Ausstellungs- und Kunsthandelsbetrieb bestimmte Werbenutzungen etabliert haben, die erfahrungsgemäß gut geeignet sind, effektiv über die betreffenden Veranstaltungen zu unterrichten, und zu den vom Publikum erwarteten »Standards« gehören, wie etwa ein bebilderter Auktionskatalog.585 Richtig ist ferner, dass auch neue technische Wiedergabemöglichkeiten und – damit einhergehend – neue Nutzungsgewohnheiten der Werbeadressaten Berücksichtigung finden dürfen, wie der heute übliche Rückgriff auf das Internet als wichtiges Informationsmedium. Gleichwohl sollte die Branchenüblichkeit allenfalls ergänzend und nicht als absoluter Maßstab der Zulässigkeit herangezogen werden. Denn die Etablierung eines bestimmten Werbemittels sagt nichts darüber aus, ob es zur Werbung tatsächlich erforderlich ist oder ob die Art und Weise seiner Gestaltung, z. B. die Werkwiedergabe auf Internetseiten, im Einzelfall noch als zulässig anzusehen ist.586 Die Branchenüblichkeit einer Werbemaßnahme entbindet den Nutzer somit nicht von der sorgfältigen Prüfung, ob die einzelne Werkverwertung den Rahmen des Erforderlichen tatsächlich noch einhält. (2) Räumliche Reichweite der Nutzung Die räumliche Reichweite, d. h. der Verbreitungsgrad der Werbung, wird sich häufig am Umfang der Veranstaltung und dem angestrebten Einzugsgebiet für potentielle Besucher bzw. Kunden orientieren. Dies gilt nicht nur für Verkaufsveranstaltungen, sondern auch im Ausstellungsbereich. Vor allem größere Schauen mit bekannten Werken bzw. Künstlern in Städten mit hohem Touristenaufkommen werden heute auch von einem überregionalen Publikum besucht, das eine Besichtigung als Teil einer Städtereise einplant oder speziell für die Veranstaltung anreist. Als erforderlich zur Gewinnung solcher Besucher582 LG Berlin ZUM-RD 2007, 421, 422 – Katalogbildfreiheit für Zeitschriftenbeilage eines Auktionshauses (dazu oben S. 165 ff.); Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60; Mercker, S. 141; Lehment, S. 90. 583 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60. 584 LG Berlin ZUM-RD 2007, 421, 422 – Katalogbildfreiheit für Zeitschriftenbeilage eines Auktionshauses. 585 Zu den gängigen Werbeformen für Ausstellungen und Verkaufsveranstaltungen vgl. oben S. 152 f. 586 Vgl. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 133; Mercker/Mittl, ZUM 2010, 397, 400.
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gruppen können somit neben Werbemaßnahmen im örtlichen Umfeld der Veranstaltung, die ein kunstinteressiertes (Stamm-)Publikum ansprechen, und der ortsunabhängig wahrnehmbaren Internetwerbung auch breit gestreute Nutzungen angesehen werden, etwa Anzeigen mit Werkabbildungen in überregionalen Tageszeitungen oder Kunstmagazinen. Der geringere Umfang einer Veranstaltung oder ein weniger zentraler Veranstaltungsort sollte jedoch umgekehrt kein zwingender Grund für eine räumliche Beschränkung der Nutzung sein. Vom Standpunkt der Förderung aus bedürfen kleinere Veranstaltungen mit Werken (noch) wenig bekannter Künstler in gleichem oder eher stärkerem Maße einer Werbung als etwa Schauen in bekannten und viel frequentierten Großstadtmuseen. Gerade aus Sicht junger Künstler, die ihren »Durchbruch« zu größerer Bekanntheit oft einer einzelnen Galerie- oder gar Museumsausstellung verdanken, erscheint eine effektive Werbung besonders wichtig. In der Praxis wird sich Werbung für Veranstaltungen kleineren Umfangs allerdings auch aus Kostengründen auf ein räumlich beschränktes Gebiet konzentrieren, in dem realistischerweise mit interessierten Besuchern bzw. Kunden gerechnet werden kann, während groß angelegte Veranstaltungen, die hohe Besucherzahlen anstreben und mit Blick auf die erheblichen Kosten der Veranstaltung587 auch Eintrittsgelder einnehmen wollen, über ein größeres Werbebudget verfügen. Das an die Veranstaltungsförderung und -ziele anknüpfende »Erforderlichkeits«-Merkmal kann somit dazu führen, dass etwa populäre Werke von etablierten Künstlern in »Blockbuster«-Ausstellungen aufgrund des angenommenen größeren Werbebedarfs (z. B. mit Blick auf den Grad der Verbreitung) einer intensiveren Nutzung unterliegen als Werke unbekannterer Künstler in kleineren Schauen.588 Der Förder- bzw. Werbebedarf der einzelnen Veranstaltung ist daher nicht etwa repräsentativ für den Förder- bzw. Bekanntmachungsbedarf der einzelnen Werke bzw. Künstler. Vielmehr wird sich Bekanntheit und Beliebtheit der Einzelwerke bzw. Künstler häufig im Umfang der ergriffenen Werbemaßnahmen spiegeln.589
587 Vgl. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 18 Rn. 15; Schack, KuR, Rn. 687. 588 Vgl. v. Lewinski/Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.66: »[R]egarding a small exhibit in a certain city or an exhibit that is not expected to attract many visitors from far away, uses for advertising in that city or closer surroundings, rather than advertising in far-away cities, may be considered necessary«. 589 Der in der Konzeption des Urheberrechts begründete Umstand, dass das Einkommen des Urhebers aus der Geltendmachung seiner Verwertungsrechte von der Nachfrage nach der Werknutzung abhängt, führt somit bei etablierten Künstlern als Kehrseite ihrer Popularität auch zu größeren hinzunehmenden Eingriffen im Bereich der gesetzlichen Nutzung; vgl. oben S. 38.
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(3) Zeitraum der Nutzung Wie gesehen, ist Werbung schon begrifflich auf das Vorfeld und die Dauer der jeweiligen Veranstaltung beschränkt. Einen gewissen Entscheidungsspielraum hat der Veranstalter daher lediglich bei der Frage, wann er mit der Werbung für eine Ausstellung oder eine Verkaufsveranstaltung beginnt. Welcher Zeitpunkt für welche Maßnahme angebracht ist, kann wiederum vom Umfang der Veranstaltung abhängen. Für eine Auktion mit zahlreichen hochpreisigen Werken oder eine große Sonderausstellung, die Besucher aus dem ganzen Land erreichen will, kann früher mit der Platzierung einzelner ankündigender Werbemaßnahmen (etwa Anzeigen in Kunstzeitschriften oder in Auktions- oder Ausstellungsvorschauen überregionaler Zeitungen) begonnen werden als für Veranstaltungen mit stark regionalem Charakter. Insgesamt sollte der zeitliche Vorlauf von Werbung, der sich an Erfahrungswerten der Veranstalter orientiert und auch durch die aufzuwendenden Kosten begrenzt werden dürfte, nicht zu streng bemessen werden. Ein »Nachlauf« der Nutzung, der über den zur Beendigung der Verwertungshandlung erforderlichen Zeitraum hinausgeht, ist grundsätzlich unzulässig.590 Das OLG Köln hat die Frage, ob und welche (Online-)Nutzungen im Fall der Verkaufswerbung nach Kaufvertragsschluss zulässig sein können, offen gelassen. Es stellte lediglich fest, dass ein etwaiges Nutzungsrecht jedenfalls nicht länger als eine Woche nach dem Verkauf bestehe.591 Tatsächlich ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, ein Werk nach dem Verkauf weiter öffentlich zugänglich zu machen. Dies schließt, wie in der Entscheidung angesprochen, hingegen nicht aus, dass die Werkabbildung nach Veranstaltungsende (ausschließlich) für den Erwerber weiter sichtbar bleibt, d. h. nicht-öffentlich zugänglich gemacht wird.592 (4) Anzahl und Auswahl von Werken Zu den Aspekten, die mit Blick auf die Erforderlichkeit bei der Nutzung zu beachten sind, gehört auch die Anzahl der Werke, die insgesamt zur Werbung verwendet werden dürfen. Nach dem Wortlaut von § 58 Abs. 1 UrhG kann zwar grundsätzlich jedes der ausgestellten oder zur Ausstellung oder zum Verkauf bestimmten Werke zur Nutzung ausgewählt werden. Richtig ist ferner, dass die Nutzung eines Werkes nicht dadurch intensiver wird, dass daneben noch andere Werke verwendet werden.593 Aus Sicht des einzelnen Künstlers, der häufig nur 590 S. oben S. 157 f. 591 OLG Köln ZUM 2009, 68, 69; zu der Entscheidung vgl. auch oben S. 142. 592 Für den Bereich der Museumsnutzungen gestattet die VG Bild-Kunst den Einrichtungen gemäß ihres Standardvertrags die Präsentation von Werken in digitalisierter Form im Internet in einem Zeitraum von je vier Wochen vor und nach einer Ausstellung (Nr. 5.b). 593 KG, Hinweis vom 19. 10. 2009, n.v.; s. oben S. 167 f.
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mit einem Werk in einer Ausstellung vertreten ist, erscheint die Frage der Anzahl der insgesamt verwendeten Exponate damit auf den ersten Blick unerheblich. Da sich das Kriterium der Erforderlichkeit jedoch nicht nur auf die Art und Weise der Einzelnutzung, sondern auch auf den insgesamt notwendigen Werbeaufwand bezieht,594 ist die Anzahl der verwendeten Werke für die Privilegierung durchaus von Bedeutung. (a) Für den Ausstellungsbereich gilt dabei, dass die Zahl der zur Werbung verwendeten Werke deutlich zu begrenzen ist. Denn das Ziel der Veranstaltungsförderung bzw. Werbung, eine hohe Anzahl von Personen zum Besuch einer Ausstellung zu animieren, kann bereits durch eine Auswahl einiger repräsentativer Werke erreicht werden, die einen Eindruck von den Ausstellungsinhalten vermitteln und zur Besichtigung der Originale anregen. Das bedeutet etwa, dass in Prospekte oder Faltblätter mit Kurzinformationen zu einer Ausstellung einige Exponate aufgenommen werden können. Gleiches gilt für die Nutzung im Internet, z. B. im Rahmen eines Beitrags zu einer aktuellen Ausstellung auf der Homepage eines Museums.595 Für die Gestaltung von Plakatwerbung im öffentlichen Raum oder von Zeitungsanzeigen, Einladungen für Vernissagen oder Programmvorschauen wiederum wird ohnehin regelmäßig nur ein Werk als »Zugpferd« der jeweiligen Veranstaltung eingesetzt. Der in der Regel mit den Museen abgeschlossene Standardvertrag der VG Bild-Kunst begrenzt die Anzahl der Werke, die verwertet werden dürfen, nur im Zusammenhang mit digitalen bzw. Online-Nutzungen. Er erlaubt den Museen »zur Ankündigung und Begleitung von Ausstellungen im Internet« die Nutzung von insgesamt nicht mehr als zehn Werken in digitalisierter Form.596 Diese Höchstzahl erscheint auch jenseits der Internetwerbung ausreichend. (b) Im Kunsthandel ist demgegenüber nicht nur die Information der Öffentlichkeit über das Stattfinden der Veranstaltung als solche, sondern auch die Vermittlung von (Bild-)Informationen über die angebotenen Werke für den Werbeerfolg von Bedeutung. Dies gilt vor allem für Auktionen, bei denen erst das Wissen der potentiellen Käufer um die einzelnen Lose und deren Beschaffenheit ein Interesse an der Veranstaltung weckt und eine hinreichende Beteiligung sichert.597 Auktionshäuser dürfen daher im Vorfeld der Versteigerung, 594 S. oben S. 170 – 172. 595 Die Beschränkung der Ausstellungswerbung auf eine gewisse Anzahl von Werken entspricht auch den gesetzgeberischen Wertungen, die sich aus dem Verhältnis zwischen § 58 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG ableiten lassen: Die gleichzeitige Wiedergabe einer Vielzahl von Exponaten oder aller Werke, die faktisch einem Ausstellungsverzeichnis entspricht, ist nur unter den speziellen Voraussetzungen von § 58 Abs. 2 UrhG erlaubt. Vgl. auch v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 139. 596 Nr. 5.b) des Standardvertrages. 597 Vgl. oben S. 153 f.
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wie bereits unter der Geltung von § 58 UrhG a. F., mit allen zum Kauf angebotenen Werken in Print- und (nunmehr auch) Onlinekatalogen598 werben.599 Gleiches gilt etwa für die Werbung von Galerien, wenngleich diese, soweit sie Künstler direkt vertreten, nicht auf die gesetzliche Nutzung nach § 58 Abs. 1 UrhG angewiesen sind. Bei Werbenutzungen außerhalb von Katalogen kann der zahlenmäßige Umfang der Nutzung unter Erforderlichkeitsaspekten dagegen problematisch sein.600 Dies gilt insbesondere für Werbung mit einer größeren Bandbreite von Werken, die sich nicht speziell an einen Kreis von Kaufinteressenten richtet (z. B. Katalogabonnenten, Besucher der Internetseite des Auktionshauses). Da Werbemaßnahmen im Kunsthandel stets auf den Absatz der Einzelwerke abzielen, sollte in diesem Zusammenhang allerdings kein zu strenger Maßstab angelegt werden, sondern eine Einzelfallbetrachtung auch anhand der Zielgruppe des Werbemediums erfolgen. So kann die Präsentation einer gewissen Auswahl von Werken für eine Auktion in einem Kunstmagazin (z. B. in einem beiliegenden Prospekt) durchaus dazu beitragen, den Kreis der Interessenten zu erhöhen, die daraufhin den Katalog bestellen oder online betrachten. Die Nutzung einer Vielzahl von Werken, die selbst Katalogcharakter annimmt, dürfte jedoch selbst in Kunstzeitschriften das Maß des Erforderlichen überschreiten.
(5) Auflagenhöhe von Werbemitteln und -träger Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ist streng genommen auch die Auflagenhöhe, d. h. die Anzahl der verwendeten Werbemittel (Flyer, Prospekte, Verkaufskataloge) bzw. des Werbeträgers (Zeitungen, Magazine etc.) zu betrachten. Diese wird sich in der Praxis meist an der vom Veranstalter erwarteten bzw. angestrebten Anzahl von Besuchern bzw. (Kauf-)Interessenten orientieren.601 Auch insoweit gilt, dass das Ausmaß der Nutzung in der Regel vom Potential der jeweiligen Ausstellung oder Verkaufsveranstaltung abhängt, viele (auch überörtliche) Besucher bzw. Teilnehmer anzuziehen, und faktisch durch das Werbebudget der Veranstalter begrenzt wird.602 Allgemeingültige Maßstäbe für die zulässige Auflagenhöhe lassen sich daher nicht formulieren. Der Bereich des Erforderlichen wird in jedem Fall verlassen, wenn der Veranstalter Werbemittel, wie z. B. Plakate für die Außenwerbung, bewusst in höherer Auflage produzieren 598 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 12. 599 In Betracht kommt ferner der Vertrieb von Verkaufskatalogen auf CD-ROM; vgl. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 12. 600 Vgl. LG Berlin ZUM-RD 2007, 421; a. A. KG, Hinweis vom 19. 10. 2009, 5 U 98/07, n.v.; zu beiden Entscheidungen s. oben S. 165 ff. 601 v. Gamm, § 58 Rn. 4; Mercker, S. 145; vgl. auch Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60. 602 Vgl. oben (2) und (3).
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lässt, um sie beispielsweise am Veranstaltungsort zur Imagewerbung an Interessenten zu verteilen. (6) Größe und Qualität der einzelnen Abbildung Besonderes Augenmerk ist auf die Größe und die Qualität der Werkabbildungen in der Werbung zu richten. Auf dem Prüfstand stehen dabei vor allem Werbematerialien, die vergleichsweise große und qualitativ hochwertige Abbildungen enthalten und dem Betrachter dadurch – neben der bezweckten visuellen Vorschau und Information – einen Werkgenuss vermitteln. Entsprechende Wiedergaben können eine Konkurrenz für gängige lizenzierbare Bildnutzungen darstellen und mit der normalen Verwertung des Werkes kollidieren. Die Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. hielt daher großformatige und farbige Abbildungen in Ausstellungskatalogen für unzulässig, sofern diese unter Berücksichtigung der konkreten Aufmachung der Kataloge nicht mehr dazu dienten, dem Besucher die Ausstellung zu erschließen, sondern wie ein Kunstbildband den Werkgenuss vermitteln. Die geforderte »Unterordnung« der Nutzung unter den Ausstellungszweck, die eine vergütungsfreie Beschränkung der Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers noch rechtfertigte, war in solchen Fällen nicht mehr gewährleistet.603 Wenngleich speziell Ausstellungskataloge nicht als Werbemittel anzusehen sind,604 bleibt die Frage, ob und inwieweit Werkabbildungen dem Betrachter (auch) einen Kunstgenuss vermitteln, nach Auffassung der Literatur auch für die Bewertung der Erforderlichkeit von Werbenutzungen i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG relevant.605 Allerdings darf die Vermittlung des Werkgenusses, die in gewissem Grad mit jeder Wiedergabe eines Kunstwerkes einhergeht,606 mit Blick auf die Ziele, die Werbemaßnahmen im Unterschied zu Ausstellungskatalogen erfüllen sollen, nicht undifferenziert als Ausschlusskriterium angewandt werden. Denn wirksame Werbemaßnahmen erfordern zum Teil eine gewisse Größe und Bildqualität, die zumindest hinsichtlich des Bildformats über die seinerzeit vom BGH beurteilten Katalogbilder hinausgeht.607 Bleibt man in der Terminologie des BGH, lässt sich die »unmittelbare Unterordnung der Werkwiedergabe unter den Werbezweck« daher gerade nicht für jedes Werbemittel an einer Verwen-
603 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; s. oben S. 105 f. 604 S. oben S. 159 ff. 605 Vgl. Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 61; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 6; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 18; Mercker, S. 144; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 133; ebenso KG, Hinweis vom 19. 10. 2009, 5 U 98/07, n.v. (s. oben S. 167 f.). 606 Vgl. RGZ 130, 196, 207 – Codex aureaus; BGH GRUR 1968, 607, 608 – Kandinsky I; Desbois, Rn. 244. 607 Vgl. oben S. 105 f.
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dung kleinerer Bildformate festmachen, bei denen der Werkgenuss deutlich im Hintergrund steht. (a) Werbung erzielt im Allgemeinen die größte Wirkung, wenn sie sich großformatiger, originalgetreuer Abbildungen bedienen kann, die dem Betrachter sofort ins Auge fallen und Interesse an den dargestellten Werken wecken. Das Bedürfnis, Werbung effektiv zu gestalten, korrespondiert daher in der Regel mit dem Bedürfnis, qualitativ hochwertige Abbildungen zu nutzen und, abhängig vom Werbeträger, mit großformatigen Vervielfältigungen zu arbeiten, die zugleich einen gewissen Werkgenuss vermitteln.608 Diese Tendenz scheint fast zwangsläufig mit den Interessen der Urheber zu kollidieren, so dass die notwendige Grenzziehung, welche Qualität und Größe der Wiedergabe zum Zweck der Werbung noch gerechtfertigt ist, im Einzelfall schwierig ist. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass nicht jede Nutzung zu Werbezwecken auch geeignet ist, die Verwertungsinteressen der Urheber zu beeinträchtigen. So stellen z. B. Werkabbildungen auf Ausstellungsplakaten im öffentlichen Raum zwar aufgrund ihrer Größe und ihrer Publikumsreichweite eine intensive Nutzung dar, die urheberpersönlichkeitsrechtliche Interessen des Urhebers tangieren kann.609 Da Passanten als Adressaten der Werbung jedoch keine Möglichkeit haben, sich die Abbildungen körperlich anzueignen, steht die Nutzung nicht in Konkurrenz zu möglichen Werkverwertungen durch den Urheber. Der mehr oder weniger flüchtige »Konsum« solcher Werkabbildungen ersetzt Kunstliebhabern nicht den Erwerb eigener Vervielfältigungsstücke (z. B. vom Künstler lizenzierte Drucke, Postkarten, Poster oder Bildbände), sondern weckt im Idealfall ein breites Interesse an Ausstellung und Künstler. Gleiches gilt – vorbehaltlich der Einzelfallbetrachtung – für Werbeanzeigen in Tageszeitungen oder Kunstmagazinen, die in der Regel schon aufgrund der Einbettung in den gedruckten Werbeträger und dessen geringerer Papierqualität nicht mit kommerziellen Verwertungen in Wettbewerb stehen. Bedenklicher erscheint demgegenüber die Werbung mit hochwertigen Reproduktionen, die der Adressat in körperlicher oder unkörperlicher Form dauerhaft nutzen kann, sei es, dass er sie käuflich erwirbt (z. B. Versteigerungskataloge), sei es, dass der Veranstalter sie kostenlos zur Verfügung stellt (z. B. Online-Wiedergaben auf Internetseiten von Museen oder Auktionshäusern). Hier besteht – abhängig vom jeweiligen Werbemittel – eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass qualitativ hochwertige bzw. hochaufgelöste Darstellungen als Surrogat für vom Künstler lizenzierte Vervielfältigungen dienen und damit die normale Auswertung des Werkes durch den Urheber i. S. v. Art. 5
608 Vgl. Poeppel, S. 399. 609 Vgl. Poeppel, S. 399.
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Abs. 5 HRL beeinträchtigen. Dies gilt es bei der Beurteilung einzelner Werbemaßnahmen grundsätzlich zu beachten. (b) Eine weitere Differenzierung hat mit Blick auf die unterschiedlichen Anforderungen an Werbedarstellung im Kunsthandels- und im Ausstellungsbereich zu erfolgen. Im Bereich des Kunsthandels ist eine möglichst originalgetreue Darstellung der angebotenen Werke, insbesondere in Auktionskatalogen, eine wesentliche Voraussetzung für den Werbe- und Veranstaltungserfolg. Während sich Besucher einer Galerie- oder Messeausstellung vor Ort anhand von Katalogen oder sonstigem Werbematerial näher über die ausgestellten Werke informieren, hängt die Teilnahme an einer Auktion (bzw. an der Vorbesichtigung) maßgeblich davon ab, dass sich die Kaufinteressenten schon im Vorfeld der Veranstaltung ein hinreichendes Bild von der Beschaffenheit der Werke machen können.610 Der visuelle Informationsgehalt der Vervielfältigung spielt daher eine wichtige Rolle. Dem muss die Gestaltung von Print- und OnlineKatalogen für Auktionen trotz des dabei in gewissem Umfang vermittelten Werkgenusses Rechnung tragen können.611 Die gängige Praxis, bei der die Lose – abhängig von ästhetischer Eigenart und Schätzwert des Werkes – farbig und in guter Bildqualität ganz- oder halbseitig612 mit den wesentlichen Informationen zum Werk wiedergegeben werden, bewegt sich daher im Rahmen dessen, was zur Information des Publikums sachlich geboten und vom Urheber nach der gesetzlichen Wertung von § 58 Abs. 1 UrhG hinzunehmen ist.613 Dem Werbezweck entspricht auch die übliche Platzierung eines repräsentativen Werkes auf der Titelseite des Katalogs, die bereits von der Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. mit Blick auf die Weckung des Interesses an der beworbenen Veranstaltung insgesamt für zulässig gehalten wurde.614 Nicht mehr von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt sind aber auch im Kunsthandelsbereich Kataloge, die die gängigen handlichen Katalogformate verlassen und Werke in einem Format abbilden, das Kunstbildbänden entspricht. Zwar wird ein Auktionskatalog, der eine Vielzahl unterschiedlicher Werke und Künstler vereint, für seinen professionell oder privat am Kauf des Originals interessierten Erwerber nicht unbedingt ein Medium darstellen, das etwa als Ersatz für einen Bildband mit Werken des favorisierten Künstlers herhalten kann. Zudem betreffen Versteigerungen häufig Objekte aus Privatbesitz, die bislang – anders als öffentlich ausgestellte Werke in Museen – für kommerzielle Zweitverwertungen 610 Vgl. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 133. 611 Vgl. BGH GRUR 1968, 607, 608 – Kandinsky I, zur Zulässigkeit von wissenschaftlichen Zitaten von Werken der bildenden Kunst i. S. v. § 51 Nr. 1 UrhG. 612 Zum Teil werden, insbesondere bei Werken mit geringerem Schätzwert, auch mehr als zwei Werkabbildungen zusammen auf einer Katalogseite platziert. 613 Vgl. Schack, KuR, Rn. 283; Lehment, S. 91. 614 BGH GRUR 1993, 822, 824 – Katalogbild; s. auch oben S. 104 f.
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durch Reproduktionen, Postkarten etc. praktisch nicht in Betracht kamen. Für diese Werke besteht somit zum Zeitpunkt ihrer Verauktionierung häufig (noch) kein Zweitmarkt, der durch die Katalogbilder oder sonstige Werbung beeinträchtigt wird. Daneben gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Kataloge auch aufgrund der Werkabbildungen attraktive Nachschlagewerke und Sammelobjekte darstellen, die grundsätzlich von jedermann bestellt werden können und nach der Veranstaltung zum Teil in Antiquariaten gehandelt werden.615 Die Urheber müssen unter diesen Umständen nicht dulden, dass zustimmungs- und vergütungsfrei hergestellte Werkabbildungen kursieren, die quantitativ und qualitativ über das zur Information des Auktionspublikums angebracht erscheinende Maß hinausgehen. Einer kritischen Würdigung bedürfen daher auch digitale Werkwiedergaben in Online-Auktionskatalogen, sofern sie kopiert und damit ohne Weiteres für andere digitale Nutzungen verwendet werden können. Die insoweit bestehenden Alternativen der Werkdarstellung im Internet werden gesondert in Abschnitt (8) betrachtet. Weniger problematisch sind hingegen Printanzeigen für Auktionen oder Galerieverkäufe in Massenmedien wie Tageszeitungen oder Kunstmagazinen, die sich in der Regel eines einzelnen Werkes als »Zugpferd« der Veranstaltung bedienen und keine kommerzielle Bild- bzw. Papierqualität aufweisen. (c) Die Ausstellungswerbung wiederum muss angesichts der angestrebten Erreichung großer Kreise der Öffentlichkeit bei der Gestaltung der Werbemittel andere Schwerpunkte setzen als der Kunsthandel. Hier sind mittlerweile in der Außenwerbung großformatige Werkwiedergaben auf Plakatwänden, in Werbevitrinen oder etwa auf Verkehrsmitteln üblich, die eine hohe Aufmerksamkeit beim örtlichen Publikum erzielen. Entsprechende exponierte Wiedergaben können im Hinblick auf persönlichkeitsrechtliche Interessen des Urhebers problematisch sein;616 sie sind aber – ebenso wie kleinformatige Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen – kaum geeignet, in die normale Werkverwertung einzugreifen. Werbemaßnahmen, die dem Adressaten ein körperliches Werkstück an die Hand geben bzw. eine körperliche Festlegung ermöglichen, sind dagegen mit Blick auf die zu wahrenden Verwertungsinteressen der Urheber kritischer zu würdigen. Hier gilt der Grundsatz, dass die Verwendung großformatiger, qualitativ hochwertiger Vervielfältigungen in Werbemitteln wie Ausstellungsprospekten oder im Internet nicht notwendig erscheint.617 Zwar sollten Museen als professionelle Bewahrer und Vermittler von Kunst schon mit Blick auf die Wahrung der Werkintegrität mit guten, werkgetreuen Reproduktionen arbeiten 615 Zur eingetretenen Erschöpfung des Verbreitungsrechts an den Vervielfältigungsstücken s. oben S. 148 f. 616 S. unten S. 194 f.; vgl. Poeppel, S. 399. 617 Ebenso im Ergebnis v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 133, 139 f.
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dürfen. Der Anreiz zur Besichtigung der Originale kann aber bereits durch kleinere Abbildungen in verbreiteten Printmaterialien oder auf der Internetseite eines Museums gesetzt werden, die zusammen mit dem Begleittext eine Vorschau auf die Ausstellungsinhalte gewährleisten. Für die Ausstellungswerbung ist somit in Bezug auf Bildgröße- und Qualität von Wiedergaben in Printmaterialien und im Internet ein strengerer Maßstab anzulegen als im Bereich des Kunsthandels. Es bedarf jedoch auch hier einer Einzelfallbetrachtung. Der Standardvertrag der VG Bild-Kunst etwa gestattet den Museen u. a. vergütungsfreie Werkwiedergaben auf (unentgeltlich verbreiteten) Ausstellungsplakaten bis zu einer maximalen Größe von DIN A0.618 Bilddateien, die zur Werbung in das Internet eingestellt werden, dürfen eine Auflösung von 768 x 512 und 72 dpi619 nicht überschreiten.620 (7) Verwendung von Bildausschnitten Ein gängiges Gestaltungsmittel der Bildwerbung ist heutzutage die Verwendung von effektvollen Aus- bzw. Anschnitten eines Werkes, etwa auf einem Ausstellungsplakat, in Ausstellungsprospekten oder auf dem Titel eines Auktionskatalogs. Die teilweise Wiedergabe des Werkes verletzt jedoch zwangsläufig das Recht des Urhebers auf Werkintegrität (§ 14 UrhG).621 Solche Eingriffe, die auch in den Ausnahmen vom Änderungsverbot in § 62 Abs. 3 UrhG nicht vorgesehen sind, sind von § 58 Abs. 1 UrhG nicht gedeckt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn z. B. ein bestimmtes Werkdetail zur Information von Kaufinteressenten vergrößert dargestellt werden muss. Hier kann im Einzelfall – zusätzlich zur integralen Abbildung – eine ausschnittsweise Wiedergabe gerechtfertigt sein.622 (8) Technische Optionen bei der Gestaltung der Online-Nutzung Wie unter (6) angesprochen, sind insbesondere Werkwiedergaben im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung kritisch zu würdigen, die ein größeres Format mit höherer Auflösung aufweisen. Häufig können die auf dem Bildschirm aufgerufenen Bilddateien ohne Weiteres heruntergeladen und gespeichert werden. Zulässig sind solche Vervielfältigungen in den Grenzen von § 53 UrhG zum privaten Gebrauch, die Missbrauchsanfälligkeit ist jedoch bei uneingeschränkter Kopiermöglichkeit evident. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Formen der Online-Nutzung noch als erforderlich anzusehen sind und 618 619 620 621 622
Nr. 2.b) des Standardvertrags. Dots per inch (Bildpunkte pro Zoll). Nr. 5.b) des Standardvertrags. S. unten S. 191 ff., 196 f. Näher dazu unten S. 196 f.
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ob im Interesse und zum Schutz der Urheber bestimmte technische Einschränkungen zu fordern sind. (a) Bildgröße und -qualität; Vergrößerung und Zoomfunktionen Online-Nutzungen zur Ausstellungswerbung, namentlich auf Homepages von Museen und Ausstellungshäusern, sind nicht nur zahlenmäßig zu begrenzen, sondern auch qualitativ auf eine bestimmte Größe und Auflösung der Wiedergaben zu beschränken (s. oben (6)). Für den Kunsthandel, insbesondere für Auktionshäuser, ist mit Blick auf die Notwendigkeit der Information über die einzelnen Werke kein solch strenger Maßstab anzulegen. Zumindest in OnlineKatalogen, die aktiv von Interessenten eingesehen werden, dürfen Werke digital in größerem Format und höherer Auflösung zur Information über ihre Beschaffenheit abgerufen werden.623 Der üblichen Gestaltung von Online-Katalogen entspricht es heute, kleinere Versionen von Bilddateien (»Thumbnails«) in eine Übersicht der einzelnen Lose einzustellen, die angeklickt werden können und zu einer Seite mit näheren Angaben zum Werk und einer größeren Version der Abbildung führen. Der Internetanwender kann auch diese Ansicht oft erneut vergrößern oder durch nochmaliges Anklicken eine größere Bildversion abrufen. Manche Auktionshäuser gestalten ihren Online-Katalog optisch auch in Anlehnung an den Printkatalog, in dem (mit oder ohne Vergrößerungsfunktion) »geblättert« werden kann. Möglich sind darüber hinaus Werkwiedergaben, die eine »Zoomfunktion« beinhalten, welche ausschnittsweise auch Bilddetails wie die Oberflächenstruktur eines Ölgemäldes sichtbar macht. Auch solche Optionen beim Abruf der Werke erscheinen durch das Interesse potentieller Käufer an der Beschaffenheit und Qualität des Werkes sachlich noch gerechtfertigt. (b) Filmische Wiedergaben Bei Skulpturen und anderen Kunstwerken mit dreidimensionalem oder sonstigem besonderen Charakter besteht technisch die Möglichkeit, eine filmische Ansicht des Werkes zu erstellen, die als Vervielfältigung i. S. v. § 16 Abs. 2 UrhG anzusehen ist, und im Internet oder auf Nachfrage für Kaufinteressenten als Stream abrufbar zu machen.624 Die digitale Online-Darstellung ermöglicht im Gegensatz zu analogen Katalogbildern eine realitätsnahe Präsentation solcher Werke. Eine entsprechende Nutzung ist in erster Linie im Kunsthandel als erforderlich in Betracht zu ziehen, wenn Einzelbilder die Eigenart eines dreidimensionalen oder Bild-, Licht-, Ton- oder kinetische Elemente umfassenden 623 Vgl. Schack, KuR, Rn. 283, demzufolge § 58 Abs. 1 UrhG selbst bei sehr strenger Auslegung des Erforderlichkeitskriteriums im Bereich der Verkaufswerbung auch qualitativ hochwertige digitale Abbildungen noch erfasst. 624 Vgl. oben S. 147.
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Werkes nur unzureichend vermitteln können, z. B. im Fall von Installationen, die sich durch besondere Bewegungselemente auszeichnen. Für Ausstellungen wird heute im Internet mitunter mit abrufbaren Filmtrailern geworben, die mit erläuternden Kommentaren unterlegt sind oder kurze Interviews mit Kuratoren oder Museumsdirektoren in den Ausstellungsräumen wiedergeben. Derartige Kurzfilme, die potentielle Besucher über die Inhalte einer Schau informieren sollen, sind als Weiterentwicklung des Werbespektrums im Bereich der elektronischen Medien anzusehen. Die kurze Einblendung einer begrenzten Anzahl625 von Werken in derartigen Werbetrailern, etwa bei einem Blick in einen Ausstellungsraum, als Hintergrund bei einem Interview oder frontal in voller Größe, ist als Teil einer wirksamen Werbemaßnahme anzusehen, die – sofern sie keine Speicherung der Bilddaten in hoher Qualität bzw. Auflösung ermöglicht (siehe (c)) – nicht in die Verwertungsinteressen der Urheber eingreift. Anders sind hingegen längere Filmbeiträge über eine Ausstellung zu beurteilen, die eine Vielzahl an Werken zeigen, oder gar virtuelle, interaktiv steuerbare Rundgänge durch die Ausstellungsräume, die einige größere Museen teilweise auf ihren Internetseiten anbieten. Derartige Beiträge bzw. Wiedergabeoptionen verlassen den Bereich des zur Besuchergewinnung Erforderlichen und entsprechen eher einer visuellen Dokumentation der Ausstellung, die das Interesse an einem realen Besuch bei einem Teil der Betrachter sogar schwinden lassen kann. (c) Ermöglichung des Downloads Besteht die Möglichkeit, die auf der Internetseite eines Museums oder eines Kunsthandelsunternehmens zum individuellen Aufruf verfügbar gemachten Werke herunterzuladen, können beliebig viele Nutzer kostenlos eigene Werkstücke abspeichern, ausdrucken, per E-Mail verschicken, für eigene Bildschirmnutzungen oder auf sonstige Weise verwenden. In der multiplen Nutzungsmöglichkeit digitaler Vervielfältigungsstücke liegt ein wesentlicher Unterschied zur Werbung mit gedruckten Werkabbildungen, etwa in Auktionskatalogen, die ebenfalls dauerhaft beim Nutzer verbleiben. Die visuelle Qualität und die Bandbreite weiterer Nutzungen hängen dabei wesentlich von der Auflösung der Bilddatei ab. Insofern stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Veranstalter von öffentlichen Ausstellungen und Verkäufen den Internetnutzern – über den reinen Abruf einer Internetseite mit Werkabbildungen hinaus – auch den Download einzelner Bilddateien sollen ermöglichen können. (aa) Für den Bereich der Ausstellungswerbung gilt zunächst, dass das Werbeziel, mit Informationen über die Ausstellungsinhalte möglichst viele Besucher anzusprechen, nicht erfordert, dass Internetnutzer die abgerufenen Werke, etwa 625 S. oben S. 176.
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auf einer Museumshomepage, herunterladen und dauerhaft speichern können. Gleichwohl ist es auf den Internetseiten vieler Museen möglich, die eingestellten Werkabbildungen zu kopieren, wodurch – neben Vervielfältigungen zum Privatgebrauch (§ 53 UrhG) – auch rechtswidrige Nutzungen ermöglicht werden.626 Zwar ist die Auflösung und damit auch Druckqualität von Bilddateien auf Internetseiten, die sich schnell auf dem Bildschirm öffnen lassen müssen, bereits durch die dafür noch verwendbaren Dateigrößen begrenzt. Ausdrucke in guter bzw. kommerzieller Qualität erfordern höher aufgelöste Bilddateien, d. h. größere Datenmengen. Allerdings eignen sich kopierbare Bilddateien für alle anderen Arten von digitalen Bildschirmnutzungen und können daher auch zu kommerziellen Zwecken verwendet werden, etwa für kostenpflichtige Bilddatenbanken oder Kunstmarktportale.627 Die öffentliche Zugänglichmachung von Exponaten ist daher nur dann ohne technischen Kopierschutz zulässig, wenn Größe und Qualität der Wiedergabe auf ein Maß beschränkt werden, das dem Betrachter einen werkgetreuen Eindruck von einem Exponat vermittelt, aber insbesondere keine kommerzielle Weiterverwendung erlaubt (vgl. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG). Wann konkret die Schwelle zwischen ansprechender Vorschaufunktion und kommerzieller Bildqualität überschritten wird, ist allerdings schwer zu beurteilen, zumal die Vielfalt an digitalen Nutzungsmöglichkeiten auch für kleinere Bildformate – z. B. für Smartphone-Apps – in Zukunft noch zunehmen dürfte.628 Im Interesse der Urheber sind die Internetseiten daher zusätzlich so zu programmieren, dass die Bilddateien entweder (mit Kopierschutz) nur betrachtet629 oder allenfalls mit den Textinformationen zur Ausstellung zusammen in Form einer PDF-Datei kopiert und ausgedruckt werden können. (bb) Differenzierter ist wiederum die Interessenlage im Bereich des Kunst626 Eine Erschöpfung i. S. v. § 17 Abs. 2 UrhG tritt an online übermittelten Daten nicht ein, s. oben S. 149. Aber auch die Ermöglichung massenhafter digitaler Kopien gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG ist nicht unbedenklich. Zur Diskussion des Verbots der digitalen Privatkopie vgl. Poeppel, S. 273 ff. 627 Derzeitiger Marktführer unter den Kunstmarktportalen ist die Preisdatenbank Artprice.com. Gegen Zahlung von 20 EUR für den Tageszugang bis zu einem Jahresabonnement von knapp 450 EUR gewährt sie dem Nutzer Zugang zu Auktionsergebnissen für die Werke von über 540.000 Künstlern sowie Hintergrundinformationen zu Künstlern, Epochen und der wirtschaftlichen Entwicklung des Kunstmarkts; s. Rother/Thon, art 9/2012, S. 152 f. 628 Die VG Bild-Kunst gestattet Museen in Nr. 5.b) ihres Standardvertrags die Nutzung von Werken in Internet, sofern die Auflösung 768 x 512 Pixel und 72 dpi nicht überschreitet. 629 Im Internet verbreitet ist mittlerweile der Einsatz sog. Lightboxes zur Anzeige von Grafiken. Dabei öffnet sich bei Anklicken eines Bildes ein separates Fenster, das die aufgerufene Internetseite überlagert und in dem das anzuzeigende Bild (oder auch mehrere Bilder in einer durchlaufenden Fotostrecke) – ohne Vergrößerungs- oder Kopierfunktionen – betrachtet werden können.
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handels zu beurteilen, der potentiellen Käufern ermöglichen will, online zur Verfügung gestellte Daten über angebotene Werke zu speichern oder auszudrucken, etwa um die Auszüge – anstelle des vollständigen Printkatalogs – zur Vorbesichtigung oder Auktion mitzunehmen. Vor diesem Hintergrund sollte es dem Kunsthandel gestattet sein, seinen Kunden zu Informationszwecken in gewissem Rahmen die Anfertigung digitaler Kopien zu ermöglichen.630 In der Praxis geschieht dies etwa dadurch, dass Online-Auktionskataloge als PDFDateien abgerufen und gespeichert werden können.631 Alternativ wird Interessenten mitunter ermöglicht, sich einen individuellen Katalog mit ausgewählten Objekten zusammenzustellen und als PDF-Datei abzuspeichern oder Abbildung und Informationen zu einem einzelnen Werk separat zu kopieren. Digitale Kopien oder Ausdrucke, die der unter (6) dargestellten Gestaltung und Qualität von Printkatalogen entsprechen, sind als Nutzungsoption auch im Online-Bereich zulässig. Ein Ausdruck der Katalogseite auf Normalpapier wird sogar deutlich hinter der Qualität des Printkatalogs zurückbleiben. Problematisch ist es hingegen, wenn höher aufgelöste Bilddateien abgerufen und isoliert gespeichert und/oder ausgedruckt werden können. Für Auktionshäuser und andere Kunsthandelsunternehmen, die Werke zur Veranstaltungswerbung im Internet präsentieren, muss daher wie für Museen gelten, dass die in der Regel vergrößerbaren, höher aufgelösten Darstellungen entweder mit einem Kopierschutz zu versehen sind oder ihre Speicherung nur im Katalog-Layout (mit Werkinformationen) als PDF-Datei ermöglicht wird. 6.
Schranken der Freistellung
Neben den in Abschnitt 5 erörterten sachlichen Beschränkungen, die sich aus dem Erforderlichkeitskriterium ergeben, unterliegt jede Nutzung nach § 58 Abs. 1 UrhG den allgemeinen Schranken, die sich aus den Urheberpersönlichkeitsrechten632 und Rechten Dritter ergeben. a) Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte Bei der Nutzung nach § 58 Abs. 1 UrhG sind – wie bei allen Schrankennutzungen – die Urheberpersönlichkeitsrechte zu beachten, d. h. das Recht des Urhebers auf Erstveröffentlichung seines Werkes (§ 12 UrhG), auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) und auf Schutz der Werkintegrität (§ 14 UrhG). Die erforderliche Wahrung der Werkintegrität und des Rechts auf Urhebernennung 630 Gegen die Ermöglichung des Downloads von Werken von Galerie-Webseiten Froehlich, ZUM 2003, 453, 455. 631 Ob die nicht nur vorübergehende Vervielfältigung durch den Internetnutzer zulässig ist, beurteilt sich wiederum nach den Schranken der §§ 44a ff., namentlich nach § 53 UrhG. 632 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 28; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 15.
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wird für die Schrankennutzungen durch das in § 62 UrhG normierte Änderungsverbot und die in § 63 UrhG geregelte Pflicht zur Quellenangabe klargestellt und näher konkretisiert. aa) Veröffentlichungsrecht Bei Verwertungen nach § 58 Abs. 1 UrhG ist zunächst das Recht des Urhebers auf Erstveröffentlichung seines Werkes nach § 12 UrhG zu wahren. § 58 Abs. 1 UrhG privilegiert nur die Nutzung bereits i. S. v. § 6 Abs. 1 UrhG veröffentlichter Werke.633 Diese müssen daher zuvor mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht634 worden sein, etwa durch eine Ausstellung i. S. v. § 18 UrhG. Werden bislang unveröffentlichte Werke der bildenden Kunst oder Lichtbildwerke dennoch unter Berufung auf § 58 Abs. 1 UrhG verwertet und auf diese Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, d. h. in Werbematerialien verbreitet oder im Internet zugänglich gemacht, tritt hierdurch keine Veröffentlichung i. S. v. § 6 UrhG ein, weil es an der hierfür erforderlichen Zustimmung des Berechtigten fehlt.635 bb)
Recht auf Anerkennung der Urheberschaft
(1) Inhalt des Rechts § 13 S. 1 UrhG gewährt dem Urheber das vorbehaltlose Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Die Bestimmung entspricht dem in der Regel vorhandenen Bedürfnis des Urhebers, in der Öffentlichkeit als Schöpfer seines Werkes wahrgenommen zu werden. Sie gehört zu den wesentlichen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Berechtigungen, die ihre Grundlage in den geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk haben (§ 11 UrhG).636 Indem § 13 UrhG dem Urheber dazu verhilft, mit seinen Werken namentliche Bekanntheit zu erlangen, kommt die Anerkennung der Urheberschaft auch seinen materiellen Interessen mittelbar zugute.637 Nach h. M. beinhaltet das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nicht nur ein Abwehrrecht, das den Urheber etwa dazu befugt, sich gegen die Anmaßung der Urheberschaft durch einen Plagiator zu wehren,638 sondern auch ein generelles Recht auf Namens633 Mercker, S. 115. Vgl. oben S. 135. 634 Vgl. dazu Schricker/Loewenheim/Katzenberger, § 6 Rn. 7 ff. 635 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 7; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 5, 18, § 6 Rn. 47; Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 6; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 11; Rehbinder, Rn. 338. 636 BGH GRUR 1995, 671, 672 – Namensnennungsrecht des Architekten. 637 Vgl. Wandtke/Bullinger, § 13 Rn. 1. 638 Vgl. Schack, UrhR, Rn. 370.
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nennung.639 Der Urheber kann verlangen, dass sein Werk nur in Verbindung mit seiner Urheberbezeichnung (vgl. § 13 S. 2 UrhG) verwertet wird.640 Er ist daher grundsätzlich bei jeder Nutzung seines Werkes zu nennen.641 § 13 S. 2 UrhG sieht zudem ausdrücklich vor, dass der Urheber bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.642 Die vom Urheber gewählte Bezeichnung ist auch vom Nutzungsberechtigten zu beachten643 und an Vervielfältigungsstücken so anzubringen, dass eine eindeutige Zuschreibung zum Urheber gewährleistet ist.644 (2) Pflicht zur Quellenangabe (a) § 63 UrhG ergänzt das Recht des Urhebers auf Anerkennung seiner Urheberschaft für den Bereich der zustimmungsfreien Verwertung. Gemäß Abs. 1 ist bei der Vervielfältigung eines Werkes oder eines Werkteils in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UrhG sowie der §§ 58 und 59 UrhG stets die Quelle deutlich anzugeben.645 Die Quellenangabe ermöglicht zum einen dem Publikum, das Werk zu identifizieren und bei Interesse ggf. auch aufzufinden; ihr kommt damit eine über die Namensnennung hinausgehende Werbefunktion zu.646 Zum anderen lässt sich anhand der Quelle überprüfen, ob das Werk (vorbehaltlich § 62 UrhG) unverändert wiedergegeben wurde.647 Damit schützt die Pflicht zur Quellenangabe den Ur-
639 BGH GRUR 1963, 40, 43 – Straßen – gestern und morgen; BGH GRUR 1972, 713, 714 – Im Rhythmus der Jahrhunderte; Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 13 Rn. 6, 12; Wandtke/Bullinger, § 13 Rn. 7; Dreier/Schulze, § 13 Rn. 3 m. w. N. 640 BGH GRUR 1972, 713, 714 – Im Rhythmus der Jahrhunderte; Wandtke/Bullinger, § 13 Rn. 2. 641 BGH GRUR 1963, 40, 43 – Straßen – gestern und morgen; BGH GRUR 1972, 713, 714 – Im Rhythmus der Jahrhunderte; BGH GRUR 1995, 671, 672 – Namensnennungsrecht des Architekten; LG Leipzig GRUR 2002, 424, 425 – Hirschgewand; Wandtke/Bullinger, § 13 Rn. 7; Dreier/Schulze, § 13 Rn. 3. 642 Der Urheber darf auch einen Künstlernamen, ein Pseudonym (vgl. § 10 Abs. 1 Alt. 2 UrhG) oder ein Künstlerzeichen (z. B. seine Initialen oder ein Monogramm) nutzen; Schack, UrhR, Rn. 375. 643 §§ 39 Abs. 1, 62 Abs. 1 S. 2 UrhG. 644 Wandtke/Bullinger, § 13 Rn. 11; Dreier/Schulze, § 13 Rn. 21. 645 Von dieser Pflicht ist der Nutzer nur ausnahmsweise entbunden, wenn und soweit die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung Befugten anderweit bekannt ist, § 63 Abs. 1 S. 3 UrhG; vgl. dazu Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 17; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 23; 646 Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 1; Möhring/Nicolini/Gass, § 63 Rn. 1; Dreier/Schulze, § 63 Rn. 1. 647 Möhring/Nicolini/Gass, § 63 Rn. 1; Dreier/Schulze, § 63 Rn. 1; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 2.
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heber, der von der Nutzung seines Werkes nach §§ 44a ff. UrhG häufig keine Kenntnis hat, zugleich präventiv vor Verfälschungen.648 (b) Der nicht näher definierte Begriff der Quelle meint nach dem Wortlaut und dem Regelungszweck von § 63 UrhG Angaben, die geeignet sind, die Identität und Herkunft des für die konkrete Vervielfältigung verwendeten649 (Original-)Werkes oder Werkteils zu belegen.650 Erforderlich sind dazu neben der Bezeichnung des Urhebers651 weitergehende Informationen652, zu denen auch die Angabe der Fundstelle653 im weiteren Sinne gehört (vgl. § 63 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 UrhG). Im Einzelnen sind der vollständige Name654 des Urhebers, der Titel655 und im Bereich der bildenden Kunst auch das Entstehungsjahr656 des Werkes anzuführen. Ferner ist kenntlich zu machen, ob als Vorlage für die Vervielfältigung das Original oder eine Nachbildung gedient hat.657 Bei Werken in Museen oder anderen öffentlich zugänglichen Sammlungen ist mit Blick auf die Kontrollfunktion von § 63 UrhG auch der Name des Ausstellungshauses mit Ortsangabe zu nennen.658 Zu Recht weist Dustmann allerdings darauf hin, dass die Nennung des Ausstellungsortes nur bei einem dauerhaften dortigen Verbleib des Werkes sinnvoll ist.659 Bei Werken, die in temporären Ausstellungen gezeigt werden, ist insofern ihr üblicher Ausstellungsort anzugeben. (c) Gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 UrhG muss die Quellenangabe stets deutlich sein, d. h. – wie die Urheberbezeichnung – in einer Art und Weise am Vervielfältigungsstück angebracht werden, die es dem Publikum ermöglicht, die Angabe ohne Weiteres mit dem benutzten Werk in Verbindung zu bringen.660 Um dies zu 648 Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 2. 649 OLG Hamburg GRUR 1974, 165, 167 – Gartentor. 650 Vgl. Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 11; Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 6; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 14. 651 Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 13 m.w. N. 652 Vgl. Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 6; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 11. 653 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 10. 654 Dreier/Schulze, § 63 Rn. 11; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 13; Wandtke/ Bullinger, § 63 Rn. 12. 655 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 10; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 14; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 12. 656 Dreier/Schulze, § 63 Rn. 12; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 12; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 10. 657 Möhring/Nicolini/Gass, § 63 Rn. 11, unter Bezugnahme auf RGZ 130, 196 – Codex aureus; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 22. 658 Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 14; zust. Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 15, Dreier/Schulze, § 63 Rn. 13; ebenso Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 10; Möhring/Nicolini/Gass, § 63 Rn. 12; Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 8. Bei im Freien aufgestellten Werken wird die Ortsangabe hingegen nach überwiegender Ansicht nicht für erforderlich gehalten; s. OLG Hamburg GRUR 1974, 165, 167 – Gartentor ; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 15; a. A. Lehment, S. 96 f. 659 Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 8. 660 Dreier/Schulze, § 63 Rn. 13; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 13.
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gewährleisten, sind Größe und Form (Schriftbild) der Quellenangabe so zu gestalten, dass die jeweiligen Informationen ohne besondere Mühe erfassbar, verständlich und leicht auffindbar sind.661 Auch bei der bildhaften Wiedergabe von Werken auf Werbemitteln hat die Quellenangabe daher grundsätzlich unmittelbar neben oder unter der Darstellung zu erfolgen.662 Erscheint die Quellenangabe indes als ästhetischer Fremdkörper, kann sie ausnahmsweise an anderer Stelle erfolgen,663 sofern eine eindeutige Zuordnung zur Werkabbildung durch konkrete Seiten- und Positionsangaben gewährleistet ist664. Dementsprechend darf bei Werbematerialien wie Einladungskarten zu Ausstellungen, bei denen es besonders auf die ästhetische Gestaltung ankommt, die Quelle (wie üblich) auf der Rückseite mit weiteren Angaben zur Veranstaltung abgedruckt werden. Gleiches gilt etwa für die Vorderseiten von Auktions- oder Galeriekatalogen, die regelmäßig nur den Titel der Auktion bzw. den Namen des Künstlers und den Ausstellungstitel angeben. Die Quellenangaben zum Titelbild müssen jedoch beim Aufschlagen des Katalogs leicht auffindbar sein. (d) Bei der öffentlichen Wiedergabe von Werken schreibt § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG eine Quellenangabe lediglich für Nutzungen nach §§ 46, 48, 51 und 52a UrhG vor. In allen anderen Fällen (einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 58 Abs. 1 UrhG) muss die Quelle dann angegeben werden, wenn und soweit die Verkehrssitte es erfordert, § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG. Unter der Verkehrssitte ist nach allgemeiner Auffassung eine allgemeine Übung unter loyalen, den Belangen des Urhebers mit Verständnis gegenübertretenden, billig und gerecht denkenden Benutzern zu verstehen.665 Für die öffentliche Zugänglichmachung von Werken, die dem Kunsthandel und von Ausstellungsveranstalter nach § 58 Abs. 1 UrhG gestattet ist, kann angenommen werden, dass die einzelnen Wiedergaben – namentlich im Internet – heute in gleicher Weise mit Urheber- bzw. Quellenangaben versehen werden wie körperliche Vervielfältigungsstücke auf analogen Werbemitteln. Dies folgt bereits aus der fachlichen Verantwortung der Veranstalter als kommerzielle bzw. im öffentlichen Bildungsauftrag handelnde Kunstvermittler. So ist es etwa in Online-Auktionskatalogen üblich und erforderlich, Angaben zu Urheber, Werktitel, Technik und Schöpfungsjahr neben der Werkabbildung mit aufzuführen. Auch Internetseiten 661 Möhring/Nicolini/Gass, § 63 Rn. 147. 662 Vgl. LG Berlin GRUR 2000, 787, 789 – Screenshots; Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 15, 16; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 15. Weniger streng Dreier/Schulze, § 63 Rn. 14, der darauf abstellt, dass die Quelle dem Werk eindeutig zugeordnet werden kann. 663 Wandtke/Bullinger, § 63 Rn. 15, 16, auf das Beispiel des Kunstzitats in Malerei und Fotografie verweisend. 664 Dreier/Schulze, § 63 Rn. 14. 665 Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 13; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 12 m. w. N.; ähnlich Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 17.
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von Museen enthalten, soweit es um werbende Informationen zu Sonderausstellungen geht, nähere Werkinformationen, die jedenfalls Urheber, Titel, Technik, Schöpfungsjahr und ggf. den (vom Veranstaltungsort abweichenden) üblichen Ausstellungsort umfassen. Darüber hinaus dürfte die Quellenangabe bei der Wiedergabe von Werken auf Webseiten wegen der Vergleichbarkeit mit einer körperlichen Vervielfältigung inzwischen aber auch allgemein der Verkehrssitte entsprechen.666 Das Deutlichkeitsgebot in § 63 Abs. 1 UrhG erfordert gerade auch bei der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken, die punktuell auf einer Internetseite abgerufen werden können und nicht (mitsamt der Quelle) in körperliche Informationsträger (z. B. Kataloge, Prospekte) eingebunden sind, eine enge Verknüpfung von Werkwiedergabe und Quellenangabe. Letztere ist daher grundsätzlich neben oder unter der jeweiligen Bilddatei zu platzieren. Die Einblendung der Quellenangaben beim Führen der Maus über eine Grafik (sog. Scroll-Over-Funktion) ist nur dann hinreichend deutlich, wenn auf der Internetseite ein unübersehbarer Hinweis auf eine solche Funktion erfolgt.667 Allerdings legt bei Wiedergaben gemäß § 58 Abs. 1 UrhG schon der Werbezweck nahe, die für das Publikum interessanten Werkinformationen deutlich wahrnehmbar neben der Abbildung anzubringen; Quellenanzeigen über eine ScrollOver-Funktion werden daher eher als Zusatzoption in Betracht kommen. cc)
Verbot der Entstellung und Beeinträchtigung des Werkes
(1) Inhalt des Rechts Der Urheber hat grundsätzlich ein Recht darauf, dass das von ihm geschaffene Werk, in dem seine individuelle künstlerische Schöpferkraft ihren Ausdruck gefunden hat, der Mit- und Nachwelt in seiner unveränderten individuellen Gestaltung präsentiert wird.668 Das Urheberrecht schützt den Urheber daher durch ein Geflecht von Bestimmungen (§§ 14, 39 und 62 UrhG) gegen ungewollte Eingriffe in die Integrität des Werkes. Die zentrale Norm ist § 14 UrhG.669 (a) § 14 UrhG gewährt dem Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung des Werks zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. § 14 666 Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 14; vgl. auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 63 Rn. 19. 667 Vgl. Fromm/Nordemann/Dustmann, § 63 Rn. 10; Schricker/Loewenheim/Dietz/Spindler, § 63 Rn. 15a. 668 BGH GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung; BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung. 669 Wandtke/Bullinger, § 14 Rn. 1, § 62 Rn. 2.
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UrhG enthält drei Tatbestandsmerkmale, die dreistufig zu prüfen sind.670 Auf der ersten Stufe ist zunächst das Vorliegen einer Entstellung oder Beeinträchtigung i. S. v. § 14 UrhG zu untersuchen. Beeinträchtigung ist der Oberbegriff für Umgestaltungen, Entstellungen und sonstige Änderungen, mit denen vom geistigästhetischen Gesamteindruck des Werkes abgewichen wird.671 Sie kann zunächst mit objektiv nachweisbaren Eingriffen in die Substanz des Werkoriginals oder eines Vervielfältigungsstückes einhergehen.672 Beispiele hierfür sind das Aboder Ausschneiden von Teilen oder das Retuschieren einer Fotografie.673 Beeinträchtigt werden kann ein (Kunst-)Werk aber auch dadurch, dass es – in seiner Substanz unverändert – in einem Sachzusammenhang oder mit Zutaten präsentiert wird, die die Aussage des Werkes verändern oder herabwürdigen.674 Eine Beeinträchtigung begründet jedoch nur dann ein Verbotsrecht des Urhebers, wenn sie geeignet ist, dessen berechtigte geistige oder persönliche Interessen am Werk zu gefährden. Die auf zweiter Stufe zu prüfende Eignung zur Beeinträchtigung ideeller Urheberinteressen wird bei objektiven Beeinträchtigungen des Werkes indiziert.675 Schließlich ist auf dritter Stufe die Berechtigung der gefährdeten Urheberinteressen anhand einer einzelfallbezogenen Abwägung zwischen dem Integritätsinteresse des Urhebers und dem Interesse des Nutzungsberechtigten, etwa des Werkeigentümers oder von Mitgliedern der Öffentlichkeit676, zu untersuchen. Wichtige Kriterien sind dabei die Art und Intensität des Eingriffs677, die Gestaltungshöhe des Werkes678, dessen (ästhetische oder funktionelle) Bestimmung679 sowie der Grad der mit der Nutzung verbundenen Öffentlichkeit.680 Erst im Rahmen der Interessenabwägung wird festgestellt, welchem Rechtsgut im konkreten Fall der Vorzug gebührt.681 (b) Da die Verwertung eines Werkes häufig Anpassungen und Änderungen erfordert682, stellt § 39 Abs. 1 UrhG speziell für das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem Inhaber eines vertraglichen Nutzungsrechts klar, dass Letzterer das Werk, dessen Titel oder die Urheberbezeichnung nicht ohne entspre670 671 672 673 674 675 676 677 678 679 680 681 682
Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 14 Rn. 18. Dreier/Schulze, § 14 Rn. 10. Vgl. Dreier/Schulze, § 14 Rn. 10, 14. Vgl. BGH GRUR 1971, 525 – Petite Jacqueline; LG München I, AfP 1994, 239, 240 – Venus der Lumpen; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 30, 32 f. Dreier/Schulze, § 14 Rn. 11; vgl. BGH GRUR 2002, 532, 534 – Unikatrahmen. OLG München GRUR Int 2007, 332, 333 – Christoph Columbus; Schricker/Loewenheim/ Dietz/Peukert, § 14 Rn. 27; Dreier/Schulze, § 14 Rn. 15. Vgl. Schack, UrhR, Rn. 389. OLG München GRUR Int 2007, 332, 333 – Christoph Columbus. Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 14 Rn. 31 m.w. N. Vgl. BGH GRUR 1974, 675, 678 – Schulerweiterung. Wandtke/Bullinger, § 14 Rn. 20. Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 14 Rn. 29. Dies erkennt das UrhG in §§ 39, 62 selbst an; Wandtke/Bullinger, § 14 Rn. 18.
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chende Vereinbarung ändern darf. Zulässig sind indessen Änderungen des Werkes, zu denen der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann (§ 39 Abs. 2 UrhG). Diese an § 157 BGB angelehnte Auslegungsregel ist Ausdruck des Gebots zur gegenseitigen Rücksichtnahme von Urheber und berechtigtem Werknutzer.683 Werkänderungen, die dem Zweck der vertraglich eingeräumten Nutzung entsprechen und im Verkehrsleben üblich sind, hat der Urheber grundsätzlich hinzunehmen. Hierzu zählen beispielsweise Änderungen, die sich bei der Nutzung des Werkes durch einen Kunstverlag aus der Art des Wiedergabeverfahrens ergeben.684 § 39 Abs. 2 UrhG wiederholt damit das bereits in § 14 UrhG enthaltene Gebot der Interessenabwägung.685 (2) Änderungsverbot Für den Bereich der freien Werknutzung wird der in § 14 UrhG verankerte Integritätsschutz des Urhebers durch § 62 UrhG konkretisiert. § 62 Abs. 1 S. 1 UrhG enthält ein grundsätzliches Änderungsverbot für alle im Rahmen der Schranken der §§ 44a ff. UrhG erfolgenden Nutzungen.686 Allerdings lassen die weiteren Bestimmungen des § 62 UrhG Ausnahmen von diesem Grundsatz zu. Der Verweis in Abs. 1 S. 2 auf die entsprechende Geltung von § 39 UrhG stellt zunächst klar, dass Änderungsvereinbarungen auch im Bereich der Urheberrechtsschranken zulässig sind.687 Aus dem Verweis auf § 39 Abs. 2 UrhG folgt weiter, dass Änderungen des Werkes auch im Rahmen der freien Werknutzung daran zu messen sind, ob sie sich für die von der Schrankenregelung erlaubte Nutzung als erforderlich darstellen und dem Urheber zumutbar sind.688 Bei der Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 39 Abs. 2 UrhG ist allerdings – da es um die Grenzen gesetzlich gestatteter Nutzungen geht – zu Gunsten des Urhebers ein restriktiverer Maßstab anzulegen als im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 39 UrhG.689 Darüber hinaus gestattet § 62 UrhG in Absatz 2 bis 4 gewisse Änderungen in Bezug auf einzelne Werkarten und Nutzungszwecke. Damit hat der Gesetzgeber die vorzunehmende Interessenabwägung für bestimmte Nutzungen teilweise durch positiv vorgegebene Beurteilungskriterien konkretisiert,690 ohne den 683 LG Hamburg ZUM-RD 2008, 30, 32; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, § 39 Rn. 20. 684 Rehbinder, Rn. 414. 685 Schack, UrhR, Rn. 390. Umstritten ist, ob die Abwägung in beiden Fällen stets zum selben Ergebnis führen muss; vgl. dazu Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, § 39 Rn. 21 m. w. N. 686 Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 62 Rn. 8. 687 Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 62 Rn. 12. 688 Dreier/Schulze § 62 Rn. 12; Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 10; vgl. auch OLG Hamburg GRUR 1970, 38, 39 – Heintje. 689 Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 62 Rn. 14 m. w. N.; vgl. auch Fromm/Nordemann/ A. Nordemann, § 62 Rn. 7 f. 690 Vgl. Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, § 62 Rn. 15; Prengel, S. 189.
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Kreis zulässiger Änderung auf die dort genannten Arten zu beschränken (§ 62 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 39 Abs. 2 UrhG).691 Die Zulässigkeit einzelner Änderungen muss jedoch stets anhand der konkret betroffenen Interessen festgestellt werden.692 Speziell für Werke der bildenden Künste und Lichtbildwerke gibt § 62 Abs. 3 UrhG vor, dass Übertragungen des Werkes in eine andere Größe und solche Änderungen zulässig sind, die das für die Vervielfältigung angewendete Verfahren mit sich bringt. Derartige Anpassungen, die auch für Verwertungshandlungen gemäß § 58 Abs. 1 UrhG eine wichtige Rolle spielen, darf der Urheber den gesetzlich Nutzungsberechtigten nach Treu und Glauben somit grundsätzlich nicht versagen. (a) Größenänderungen Gemäß §§ 44a ff. UrhG erlaubte Vervielfältigungen, Verbreitungen oder öffentliche Wiedergaben von Werken der bildenden Kunst oder von Lichtbildwerken können selten ohne Änderung der Größenverhältnisse geschehen.693 § 62 Abs. 3 Alt. 1 UrhG gestattet es daher, diese Werkarten in einem anderen Format wiederzugeben. Zulässig sind insbesondere Verkleinerungen des Werkes, z. B. im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse.694 Auch zu Werbezwecken i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG müssen Werkabbildungen in einer Größe erstellt werden dürfen, die für die Gestaltung der jeweiligen Werbemittel geeignet ist. Hierfür muss häufig mit starken Verkleinerungen gearbeitet werden. Dies gilt für die Nutzung in gedruckten Werbemitteln (z. B. in Ausstellungsprospekten oder Auktionskatalogen) wie für die Einbindung digitalisierter Werkabbildungen in Internetseiten.695 Zum Teil werden auch Vergrößerungen erforderlich sein, z. B. für die Außenwerbung mit Werken auf Ausstellungsplakaten. Vergrößerungen können nach dem neutralen Wortlaut von § 62 Abs. 3 UrhG ebenfalls zulässig sein, solange sie nicht zu einer Entstellung des Werkes führen.696 Bei sehr großflächigen Plakatierungen, z. B. in U-Bahn-Stationen, dürfte das gedruckte Abbild vom ästhetischen Eindruck des Originals, etwa eines Ölgemäldes, aufgrund der extremen Vergrößerung allerdings erheblich abweichen. Die Abweichungen wiegen dabei umso schwerer, als sie mit einer stark exponierten Nutzung im öffentlichen Raum verbunden sind, die persönlichkeitsrechtliche Interessen in besonderem Maße beeinträchtigen kann.697 691 692 693 694
Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 8; OLG Hamburg GRUR 1970, 38, 40 – Heintje. Vgl. Dreier/Schulze, § 62 Rn. 6. Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 20. Vgl. BGH GRUR 1983, 25, 27 und GRUR 1983, 28, 30 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I und II. 695 Vgl. Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, § 39 Rn. 34. 696 Vgl. Rehbinder, Rn. 485. 697 Vgl. Poeppel, S. 399.
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Entsprechende Nutzungen sind daher von § 62 Abs. 3 UrhG nicht mehr ohne Weiteres gedeckt und mit dem Urheber abzustimmen.698 Nicht mehr vom Begriff der Größenänderung erfasst ist eine Dimensionsvertauschung, z. B. die Übertragung eines dreidimensionalen Werks in eine zweidimensionale Form.699 Die fotografische Darstellung auch dreidimensionaler Werke ist jedoch als verfahrensbedingte Änderung von § 62 Abs. 3 UrhG gedeckt. (b) Verfahrensbedingte Änderungen § 62 Abs. 3 Alt. 2 UrhG gestattet Änderungen, die das für die Vervielfältigung angewendete Verfahren notwendigerweise mit sich bringt. Die Vorschrift beruht auf der Erkenntnis, dass bei der Reproduktion eines Werkes der bildenden Kunst oder der Fotografie durch die jeweilige Reproduktionstechnik bedingte Veränderungen und Informationsverluste auftreten, die sich auf die ästhetische Wahrnehmung des Werkes als Verlust von Bildqualität auswirken.700 Erhebliche Qualitätseinbußen treten beispielsweise bei der Abbildung von Werken in Zeitungsanzeigen auf. Der Urheber hat es daher gemäß § 62 Abs. 3 UrhG zu tolerieren, dass seine hochaufgelöste Fotografie beim Zeitungsdruck mit gröberem Raster wiedergegeben wird.701 Grundsätzlich sind die Abweichungen vom Original aber so gering wie möglich zu halten,702 wobei auch der aktuelle Stand der Reproduktionstechnik für das jeweilige Wiedergabemedium und die damit einhergehenden visuellen Wiedergabestandards zu beachten sind. So kann der Urheber angesichts der heutigen drucktechnischen Standards grundsätzlich verlangen, dass sein farbiges Werk nicht nur in Katalogen, sondern – sofern diese Farbdruck verwenden – auch in Tageszeitungen entsprechend farbig abgebildet wird.703 Geringe technisch bedingte farbliche Abweichungen sind je-
698 Der Standardvertrag VG Bild-Kunst für Museumsnutzungen erlaubt Abbildungen zu Werbezwecken auf Ausstellungsplakaten mit einem maximalen Format von DIN A0 (Nr. 2.b). 699 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 62 Rn. 15; Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 20. 700 Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 22. 701 Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 23. 702 Prengel, S. 189. 703 Ebenso Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 8. Für die allg. Zulässigkeit von Schwarzweiß-Wiedergaben hingegen BGH GRUR 1983, 25, 27 und GRUR 1983, 28, 30 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I und II; Schricker/Loewenheim/Dietz/ Peukert, § 58 Rn. 28; Dreier/Schulze, § 62 Rn. 18; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 62 Rn. 15; Schack, UrhR, Rn. 570; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 234. So wohl auch Fromm/Nordemann/A. Nordemann, § 62 Rn. 10. Prengel wiederum stellt darauf ab, ob der Urheber im Einzelfall aus ästhetischen Gründen eine farbige oder schwarzweiße (d. h. vom Original abweichende) Reproduktion seines Werkes bevorzugt. Abgesehen davon, dass danach eine (in §§ 44a ff., 62 UrhG nicht vorgesehene) Abstimmung mit dem Urheber erforderlich wäre,
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doch hinzunehmen. Eindeutig unzulässig sind demgegenüber bewusste Veränderungen der Farblichkeit oder sonstige gestalterische Eingriffe.704 Hierzu zählen auch Überschriftungen eines Motivs, die in der Veranstaltungswerbung gängig sind. Eine verfahrensbedingte Änderung liegt auch in der zwangsläufig zweidimensionalen fotografischen Abbildung eines dreidimensionalen Werkes zu Werbezwecken. Damit kann aufgrund der in gewissem Umfang erforderlichen Bildgestaltung durch den Fotografen auch eine Umgestaltung des Werkes (§ 23 UrhG) verbunden sein.705 Diese ist von § 63 Abs. 3 UrhG gedeckt, sofern es sich um eine auf Originaltreue ausgerichtete Reproduktion handelt und der abweichende ästhetische Eindruck primär auf dem Dimensionswechsel und nicht auf zusätzlichen fotografischen Gestaltungselementen, wie auffälligen Perspektiven, besonderen Lichteinfällen etc., beruht. (c) Nutzung von Werkteilen Wie bereits angesprochen, kommt es bei Nutzungen zu Werbezwecken häufig vor, dass Werke ausschnittsweise genutzt werden, um mit einem besonders auffälligen oder eindrucksvollen Detail eine hohe Aufmerksamkeit zu erzielen.706 Wenngleich vereinzelt befürwortet,707 ist die teilweise Werkverwertung von § 58 UrhG jedoch grundsätzlich nicht gedeckt.708 In der Wiedergabe angeschnittener Werkformate oder von Ausschnitten liegt eine objektive Beeinträchtigung des Werkes i. S. v. § 14 UrhG, die geeignet ist, die ideellen Interessen des Urhebers, der auf die Gestaltung der Werbung und deren Verbreitung nach § 58 Abs. 1 UrhG keinen Einfluss nehmen kann, zu gefährden. Auch das bei Werbenutzungen vorhandene praktische Bedürfnis, Teile eines Werkes zu verwenden, etwa bei der Gestaltung kleinformatiger Ausstellungsbroschüren oder Programmvorschauen, kann entsprechende Beeinträchtigungen gestützt auf § 62 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 39 S. 2 UrhG nicht legitimieren. Dem Interesse des Urhebers an der Wahrung der Werkintegrität, insbesondere bei exponierten Verwertungen in der Öffentlichkeit, gebührt insoweit Vorrang vor den Interessen der Nutzer.709 Eine teilweise Wiedergabe des Werkes kommt nur ausnahmsweise in
704 705 706 707
708 709
lässt sich jedoch aus §§ 14, 62 UrhG kein Anspruch des Urhebers auf eine bestimmte künstlerische Art und Weise der Darstellung ableiten. Vgl. Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 23; Dreier/Schulze, § 62 Rn. 18; Prengel, S. 189 f. Wandtke/Bullinger, § 62 Rn. 22. S. oben S. 182. Vgl. Jacobs, Anm. zu BGH GRUR 1993, 822, 824 f. – Katalogbild, für die Verwendung von Ausschnitten eines Werkes auf dem Titelblatt eines Ausstellungs- oder Versteigerungskatalogs, das im Inneren des Katalogs vollständig abgebildet wird. So offenbar auch Dreier/ Schulze, § 58 Rn. 15, sofern keine das Werk entstellenden Ausschnitte verwendet werden. Ebenso Mercker, S. 121. Vgl. jedoch Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI, der vollständige wie teilweise Reproduktionen von Kunstwerken in Versteigerungskatalogen gestattet; dazu unten S. 295 f.
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Betracht, wenn eine Detailabbildung zur Information potentieller Käufer über die Beschaffenheit eines Gegenstandes erforderlich ist. So kann es in begründeten Fällen nach § 62 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 39 S. 2 UrhG gerechtfertigt sein, in einem Auktionskatalog neben der vollständigen Werkabbildung einen bestimmten Ausschnitt wiederzugeben oder die Abbildung eines Werkdetails auf Nachfrage an einen Kaufinteressenten zu übersenden. b) Rechte der Reproduktionsfotografen Die Privilegierung gemäß § 58 Abs. 1 UrhG gilt ausschließlich im Verhältnis des Veranstalters zum Urheber des Werkes bzw. seinen Rechtsnachfolgern. Nicht freigestellt ist nach herrschender Meinung die Nutzung der – zu Werbezwecken benötigten – fotografischen Reproduktionen der Werke.710 Unabhängig davon, ob sich dabei um Lichtbilder (§ 72 UrhG) oder Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) handelt,711 hat der Veranstalter daher die an der Abbildung bestehenden Verwertungsrechte einzuholen (§§ 16, 17, 19a, § 72 Abs. 1 UrhG)712 und auch die Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12 – 14 UrhG) des Fotografen entsprechend zu wahren.713
7.
Zusammenfassung
§ 58 Abs. 1 UrhG erlaubt in Übereinstimmung mit der Harmonisierungs-RL die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Werken der bildenden Kunst im weiteren Sinne (einschließlich angewandter Kunst und 710 S. statt vieler Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 9 m. w. N. Vgl. jedoch zu der von Teilen der Literatur befürworteten Erstreckung des Zitatrechts (§ 51 UrhG) auf die insoweit benötigten Reproduktionsfotografien Schack, Festschrift Pfennig, S. 207 – 215, m. w. N. zum Meinungsstand. 711 Bei der (manuellen) Reproduktion zweidimensionaler Werke entsteht nach zutreffender Auffassung regelmäßig ein Lichtbild i. S. v. § 72 Abs. 1 UrhG, da die originalgetreue Wiedergabe des Werkes eine zumindest handwerklich perfekte Leistung erfordert, in der die für den Lichtbildschutz erforderliche persönliche geistige Leistung zum Ausdruck kommt; Schack, KuR, Rn. 864; ders., FS Pfennig, S. 207, 208; Dreier/Schulze, § 72 Rn. 10, 12; Lehment, S. 25 ff., 36 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf GRUR 1997, 49, 51 – Beuys-Fotografien; a. A. W. Nordemann, GRUR 1987, 15, 17 (kein Lichtbildschutz); Pfennig, KUR 2007, 1, 4 (für das Entstehen eines Lichtbildwerkes). Bei der Reproduktion dreidimensionaler (Kunst-)Gegenstände, bei der der Fotograf naturgemäß über einen größeren Gestaltungsspielraum verfügt, wird zum Teil angenommen, dass in der Regel ein Lichtbildwerk entsteht; Dreyer/ Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 245; vgl. auch Dreier/Schulze, § 2 Rn. 195; a. A. Schack, KuR, Rn. 863; ders., FS Pfennig, S. 207, 209; Lehment, S. 37 ff, 51 (in der Regel nur Lichtbildschutz); Prengel, S. 184 (generell verneinend). 712 Vgl. Schack, KuR, Rn. 693, 865 f. 713 Dies gilt nach überwiegender Auffassung grundsätzlich auch für das Entstellungsverbot; Dreier/Schulze, § 72 Rn. 16, 18; a. A. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 72 Rn. 31 m.w. N. zum Meinungsstand.
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Baukunst) sowie von Lichtbildwerken714 zur Werbung für Sonderausstellungen und Verkaufsveranstaltungen. Die Werknutzung für Dauerausstellungen oder zeitlich nicht begrenzte Verkaufsangebote von Kunstwerken ist hingegen bei richtlinienkonformer Auslegung nicht privilegiert.715 Sowohl die Ausstellung als auch der Verkauf müssen in dem Sinne öffentlich sein, dass im Verlauf der Veranstaltung eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, die zur Schau gestellten Werke (§ 18 UrhG) zu besichtigten oder Angebote zum Kauf eines Werkes abzugeben. Dies umfasst im Bereich des Kunsthandels auch Internetauktionen.716 Aufgrund des erforderlichen zeitlichen Vorlaufs der Werbung im Vorfeld der jeweiligen Veranstaltungen dürfen auch »zur öffentlichen Ausstellung« und »zum öffentlichen Verkauf bestimmte« Werke genutzt werden.717 Der Begriff der Werbung, die gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL keinen (zusätzlichen) kommerziellen Zweck verfolgen darf, ist eng auszulegen und umfasst nur solche Kommunikationsmaßnahmen, die zeitlich und räumlich unmittelbar geeignet sind, Besucher für die jeweilige Veranstaltung zu gewinnen bzw. im Bereich des Kunsthandels darüber hinaus den Absatz der einzelnen Werke zu fördern.718 Eine Gewinnerzielung durch den Vertrieb von Werbemitteln ist ebenso unzulässig wie eine Nutzung von Werken, die in erster Linie der Imagewerbung für den Veranstalter dient.719 Das die Nutzung darüber hinaus beschränkende Merkmal der »Erforderlichkeit zur Förderung der Veranstaltung« darf hingegen im Interesse einer effektiven Werbung nicht zu eng verstanden werden. Es erfasst solche Maßnahmen, die eine Art und Umfang der Veranstaltung angemessene Information der Öffentlichkeit gewährleisten, ohne dabei ungebührlich in die Rechte der Urheber einzugreifen.720 Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit sind im Einzelnen die räumliche und zeitliche Reichweite der Werbung, die Anzahl der genutzten Werke, die Auflagenhöhe der Werbemittel und insbesondere die Qualität und Größe der analogen oder digitalen Werkwiedergaben zu berücksichtigen.721 Als Schranken-Schranken sind daneben stets die Urheberpersönlichkeitsrechte nach Maßgabe von §§ 62, 63 UrhG zu wahren.722 Gleiches gilt für die Rechte der Fotografen an den Reproduktionsvorlagen.723 Kritisch zu bewerten ist, dass § 58 Abs. 1 UrhG die Privilegierung von Wer714 715 716 717 718 719 720 721 722 723
S. oben S. 116 ff. S. oben S. 131 ff., 140 f. S. oben S. 130 f., 141 ff. S. oben S. 134 ff. S. oben S. 151 ff. S. oben S. 154 ff., 164 ff. S. oben S. 170 ff. S. oben S. 172 ff. S. oben S. 186 ff. S. oben S. 197.
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bemaßnahmen für die Bereiche des Kunsthandels und des Ausstellungswesens in einer Norm zusammenfasst, obwohl sich die jeweiligen Veranstalter durch unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse auszeichnen, die insbesondere bei der Auslegung des Erforderlichkeitskriteriums zutage treten und zu berücksichtigen sind.724 De lege ferenda sollten die Schranken zu Gunsten der Verkaufs- und Ausstellungswerbung daher – sofern Letztere beibehalten wird725 – in getrennten Bestimmungen geregelt werden. Im Übrigen besteht kein hinreichender Grund, Werbenutzungen im Bereich des Kunsthandels, die der nach § 17 Abs. 2 UrhG möglichen freien Veräußerung eines Kunstgegenstands dienen sollen, auf öffentliche Verkaufsveranstaltungen zu beschränken, solange gewährleistet ist, dass die Wiedergabe im oben genannten Sinne allein dem Absatz des Werkstücks dient.726 Die ausschließliche Privilegierung von »Veranstaltungen« führt zudem bei Kunstmessen und Online-Verkäufen von Einzelwerken zu praktischen Auslegungsproblemen.727 Die von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL vorgegebene Beschränkung auf Veranstaltungswerbung, die die Nutzung zeitlich eingrenzt, ist jedoch de lege lata vom nationalen Gesetzgeber einzuhalten.
III.
Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen (§ 58 Abs. 2 UrhG)
Gemäß § 58 Abs. 2 UrhG ist es zulässig, die in Abs. 1 genannten Werke in Verzeichnissen zu vervielfältigen und zu verbreiten, die von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung oder zur Dokumentation von Beständen herausgegeben werden und mit denen kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird. Diese auf Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL gestützte Schrankenregelung soll den privilegierten Einrichtungen »im Hinblick auf ein kulturpolitisches Bedürfnis die Möglichkeit zur Herausgabe von Katalogen«728 sichern. Die Richtlinienumsetzung wirft insoweit Fragen auf, als die Schrankenvorgabe in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL aufgrund ihres Wortlauts und ihrer Entstehungsgeschichte die Freistellung eines engen Kreises von Nutzungshandlungen nahelegt,729 während § 58 Abs. 2 UrhG in Fortschreibung von § 58 UrhG a. F.730 die Herausgabe von Ausstellungsverzeichnissen und – darüber hinaus – ganzer 724 725 726 727 728 729 730
Vgl. oben S. 172 ff. Vgl. oben S. 87 f. Vgl. oben S. 140 f. Vgl. oben S. 141 f., 145 f. BT-Drucks. 15/38, S. 21, 22; s. oben S. 113. S. oben S. 73 ff. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 15; vgl. auch Kühl, S. 96.
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Bestandsverzeichnisse privilegiert. Anders als Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL erlaubt die Norm zudem nur die Nutzung von Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken in Verzeichnissen, obwohl diese Werkarten hauptsächlich in Museen und seltener in Bildungseinrichtungen und Bibliotheken vertreten sein dürften. Die von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ebenfalls privilegierten Archive bleiben gänzlich unerwähnt. Schließlich hat der deutsche Gesetzgeber den Ausschluss eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Zweckes der Vervielfältigungshandlungen in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL dahingehend umformuliert, dass mit den Verzeichnissen »kein eigenständiger Erwerbszweck« verfolgt werden darf. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 58 Abs. 2 UrhG sowie die Konsequenzen dieser höchst eigenwilligen Umsetzung731 von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL sollen im Folgenden untersucht werden. 1.
Privilegierte Werkarten
a) Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke aa) Hinsichtlich der privilegierten Werkarten verweist § 58 Abs. 2 UrhG auf die in Absatz 1 genannten Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke. Die Beschränkung auf diese beiden Werkarten folgt nicht aus Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, sondern aus der gesetzgeberischen Absicht, die frühere Katalogbildfreiheit aufrechtzuerhalten. § 58 Abs. 1 UrhG privilegiert ebenso wie Absatz 2 öffentliche Ausstellungen von Museen, so dass auf die dort genannten, bereits von § 58 UrhG a. F. privilegierten Werkarten Bezug genommen werden konnte. Wie im Anwendungsbereich von § 58 Abs. 1 UrhG ist der Begriff des Werkes der bildenden Künste in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG auch Werke der angewandten Kunst und Baukunst, einschließlich ihrer Entwürfe. Für die von § 58 Abs. 2 UrhG privilegierten Werke der bildenden Kunst in (Museums-)Ausstellungen und Beständen gelten die gleichen systematischen und teleologischen Erwägungen wie für öffentlich ausgestellte oder zur Ausstellung bestimmte Werke der bildenden Kunst i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG.732 Neben Lichtbildwerken dürfen entsprechend § 58 Abs. 1 UrhG auch bloße Lichtbilder genutzt werden.733 bb) In der Literatur wird darüber hinaus thematisiert, ob sich der Verweis auf die »in Absatz 1 genannten Werke« auch auf ihre öffentliche Ausstellung bzw. ihre Bestimmung zur öffentlichen Ausstellung (oder zum öffentlichen Verkauf) erstreckt.734 Ein solches Verständnis folgt jedoch weder zwingend aus der Be731 732 733 734
Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 62. Vgl. oben S. 118 ff. Vgl. oben S. 124 f. In diesem Sinne Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 10, 14, der für bloße Bestandsdo-
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201
zugnahme auf die in Absatz 1 genannten »Werke« noch ist es im Anwendungsbereich von § 58 Abs. 2 UrhG erforderlich. Im Kontext von § 58 Abs. 2 UrhG erweist sich die Voraussetzung, dass ein Werk öffentlich ausgestellt oder zur Ausstellung bestimmt ist, lediglich hinsichtlich der ersten Nutzungsalternative, der Herausgabe von Verzeichnissen in »inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung«, als sinnvoll. Sie ist jedoch zugleich überflüssig, da sich die (beabsichtigte) Ausstellung der Werke schon aus ebendiesem gesetzlich geforderten Zusammenhang ergibt, der der Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. entlehnt wurde.735 Für Werke in Beständen, die im Sinne der zweiten Nutzungsalternative in einem Verzeichnis dokumentiert werden sollen, ist die Bezugnahme auf die Ausstellung hingegen nicht zweckmäßig, da die Nutzungsbefugnis im Gegensatz zur »alten« Katalogbildfreiheit nicht an ihre Zurschaustellung, sondern allein an die Bestandszugehörigkeit anknüpft.736 Auch die »Bestimmung« zur Ausstellung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG ist für Werke im Bestand nicht zwingend gegeben. Denn diese setzt voraus, dass ein Werk bereits für eine konkrete (Sonder-)Ausstellung vorgesehen ist,737 was für die Mehrzahl eingelagerter Sammlungsgegenstände von Museen regelmäßig nicht zutreffen wird. Schließlich ergäbe auch die Bezugnahme auf einen öffentlichen Verkauf der Werke in den genannten Einrichtungen keinen Sinn, so dass ein »Hineinlesen« der Werkattribute aus § 58 Abs. 1 in den Tatbestand von § 58 Abs. 2 UrhG abzulehnen ist. b) Analoge Anwendung auf weitere Werkarten? Die auf Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL basierende zusätzliche Privilegierung von Bildungseinrichtungen und Bibliotheken wirft die Frage auf, ob sich die Nutzung neben Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken ausnahmsweise auch auf weitere Werkarten soll erstrecken können, die typischerweise in diesen Einrichtungen verwahrt werden und ggf. der Dokumentation bedürfen. Eine Beschränkung auf bestimmte Werkarten enthält Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nicht. In Betracht kämen vor allem Schriftwerke aus einem Bibliotheksbestand. Deren vollständige Vervielfältigung, noch dazu in analogen oder digitalen »Verzeichnissen«, ist jedoch weder im Kontext einer Ausstellung noch zur Dokumentation des gesamten Bestands praktikabel noch dürften derartige Publikationen von den jeweiligen Einrichtungen angestrebt werden. Rein interne Dokumentationen von Werken, etwa die Anfertigung separater Kopien von Sprachwerken zu kumentationen jedoch eine Ausnahme vom Ausstellungserfordernis zulassen will; vgl. auch Poeppel, S. 400 Fn. 1030, der eine teleologische Reduzierung der Bezugnahme allein auf die Werkarten in Absatz 1 anregt. 735 Vgl. oben S. 104 f. sowie unten S. 219 ff. In diesem Sinne auch Dreier/Schulze, § 58 Rn. 12. 736 S. unten S. 226 ff. 737 S. oben S. 134 f.
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Die Rechtslage in Deutschland
Erhaltungszwecken, sind wiederum angesichts der vorausgesetzten »Herausgabe« von »Verzeichnissen« nicht erfasst. Darüber hinaus spricht auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber § 58 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG einschließlich der in Absatz 2 enthaltenen Bezugnahme auf die Werkarten des Absatzes 1 im Jahr 2003 gemeinsam kodifizierte und mit Absatz 2 ausdrücklich die (früher von § 58 UrhG a. F. gewährleistete) Möglichkeit der Herausgabe von Kunstkatalogen im musealen Sinne aufrechterhalten wollte, gegen eine Ausdehnung der Schranke auf sonstige Werke. Bibliotheken und Bildungseinrichtungen kommt die neue Katalogbildfreiheit daher nur zugute, wenn und soweit sich Werke der bildenden Kunst oder Lichtbildwerke in ihrem Bestand befinden738 und dokumentiert oder ausgestellt werden sollen.739
2.
Privilegierte Einrichtungen
§ 58 Abs. 2 UrhG begünstigt ausschließlich »öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen«. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich zunächst mit den allgemeinen Anforderungen, die die privilegierten Einrichtungen erfüllen müssen. Sodann wird auf die begrifflichen Merkmale der einzelnen Einrichtungen eingegangen und erörtert, ob die Schranke analog auf Ausstellungshäuser sowie auf Archive anzuwenden ist. a)
Allgemeine Anforderungen
aa) Öffentliche Zugänglichkeit (1) Der Wortlaut von § 58 Abs. 2 UrhG lässt Raum für die Frage, ob nur Bibliotheken oder auch Bildungseinrichtungen und Museen öffentlich zugänglich sein müssen. Aus der Formulierung von ErwGr. 40 HRL und der Gesetzgebungshistorie von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL folgt jedoch, dass sich das Kriterium der öffentlichen Zugänglichkeit in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL sowohl auf Bibliotheken als auch auf Bildungseinrichtungen und Museen bezieht.740 Bereits der erste Richtlinienvorschlag der Kommission sprach von »der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen«; im Geänderten Vorschlag war diese Formulierung nicht mehr enthalten, die öffentliche Zugänglichkeit von Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen wurde aber auch in ErwGr. 28 dieser Fassung – wie in 738 In Betracht kommt dies vor allem für Bibliotheken, die im Sinne einer Artothek auch Kunstgegenstände verwahren und verleihen; vgl. unten S. 207 f. 739 Zur Frage, ob Ausstellungen i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG mit Werken aus dem Bestand der jeweiligen Einrichtungen »bestückt« werden müssen, vgl. unten S. 206 f. 740 Vgl. oben S. 75. Zur Privilegierung von Archiven und dazu, ob auch sie öffentlich zugänglich sein müssen, s. unten S. 213 f.
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ErwGr. 40 der verabschiedeten Fassung – weiter vorausgesetzt.741 Entsprechend gilt auch für § 58 Abs. 2 UrhG, dass alle drei Institutionen »öffentlich zugänglich« sein müssen, zumal allein der Öffentlichkeitsbezug, d. h. die dem Allgemeininteresse dienende Zugänglichkeit der Einrichtungen, die Schranke rechtfertigt.742 (2) Der Begriff der öffentlichen Zugänglichkeit einer Einrichtung ist im UrhG nicht definiert, obgleich er mehrfach im Gesetz verwendet wird (vgl. §§ 27 Abs. 2, 52b, 53a, 54c UrhG). Auch die Harmonisierungs-RL enthält keine Definition des Begriffs, der für die von Art. 5 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 lit. n HRL privilegierten Einrichtungen gilt. Aus ErwGr. 40 folgt lediglich, dass der Richtliniengeber die Begriffe »öffentlich zugänglich« i. S. v. Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL und »der Öffentlichkeit zugänglich« (ErwGr. 40) synonym verwendet. Fraglich ist, ob danach ein (auch räumlicher) Zugang für die Allgemeinheit erforderlich ist oder eine Öffentlichkeit im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG ausreicht743. In letzterem Sinne versteht ein Teil der Literatur zu § 58 Abs. 2 und § 52b UrhG, der Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL umsetzt, das Erfordernis der öffentlichen Zugänglichkeit dahingehend, dass die Einrichtung nur einem Kreis von Nutzern offen stehen muss, die i. S. v. § 15 Abs. 3 UrhG weder miteinander noch mit dem Träger der Einrichtung persönlich verbunden sind.744 Gegen eine Gleichsetzung der Öffentlichkeit i. S. v. § 15 Abs. 3 mit der öffentlichen Zugänglichkeit i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG spricht allerdings die Reichweite der vergütungsfrei gestatteten Werknutzung. Denn die von § 58 Abs. 2 UrhG (entsprechend § 58 UrhG a. F.) vorausgesetzte »Herausgabe« der Verzeichnisse impliziert, dass diese in gewissem Umfang publiziert, d. h. in den Verkehr gebracht werden dürfen und nicht lediglich dem jeweils zugelassenen Fachpublikum zur 741 S. oben S. 76 f. 742 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 16; ebenso Dreier/Schulze, § 58 Rn. 11; Mercker, S. 150; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 145; vgl. auch Reschke, S. 157, zu § 52b UrhG. 743 Entsprechend v. Lewinski und Walter, in: Walter/v. Lewinski, Information Society Directive, Rn. 11.5.37, die die Zugänglichkeit für eine spezifische Öffentlichkeit, etwa für alle Studenten und Professoren einer Universität, genügen lassen. Vgl. auch v. Lewinski, in: Walter/v. Lewinski, Rental and Lending Rights Directive, Rn. 6.1.31, zum Begriff der öffentlichen Zugänglichkeit in Art. 1 Abs. 3 Vermiet- und Verleih-RL (Art. 2 Abs. 1 lit. b der konsolidierten RL-Fassung). 744 Dreier/Schulze, § 58 Rn. 11, § 27 Rn. 19; Schricker/Loewenheim, § 52b Rn. 3; Dreyer/ Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1997, 3440, 3443 – Betreibervergütung; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 145. Dies entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers zu § 52b UrhG; vgl. BT-Drucks. 16/1828, S. 40, 48, zur zwischen Bundesregierung und Bundesrat umstrittenen Einordnung von Schulbibliotheken als »öffentlich zugänglich«. Der Bundesrat hatte kritisiert, der Kreis der Nutzer einer Schulbibliothek erfülle zwar das Kriterium der Öffentlichkeit i. S. v. § 15 Abs. 3 UrhG, eine solche Bibliothek sei gleichwohl nicht »im engen Sinn« öffentlich zugänglich; BT-Drucks. 16/1828, S. 40.
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Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden.745 Eine entsprechend weitgehende Privilegierung vollständiger Werkverzeichnisse lässt sich nur auf ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit an der Vermittlung näherer Informationen746 über die in der jeweiligen Einrichtung ausgestellten oder bewahrten Werke stützen,747 das – wie im Fall von Museumsausstellungen – gerade aus der räumlichen Zugänglichkeit der Einrichtung und der – im Rahmen ihres kulturellen Bildungsauftrages – körperlich zugänglich gemachten Werkbestände resultiert. Anderenfalls würde eine vom räumlichen Zutritt zu den Einrichtungen losgelöste Publikation der Werke ermöglicht, die auch von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nicht gedeckt wäre (vgl. ErwGr. 40 HRL). Die Öffentlichkeit der Einrichtungen setzt somit eine grundsätzliche Wahrnehmungs- oder Nutzungsmöglichkeit von Werkexemplaren für ein breiteres Publikum vor Ort voraus,748 welches (auch) anhand von Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnissen über die Werke informiert werden darf. Das Öffentlichkeitskriterium in § 58 Abs. 2 UrhG ist daher nach einem strengeren Maßstab als in § 15 Abs. 3 UrhG zu beurteilen.749 Öffentlich zugänglich ist eine Einrichtung nur, wenn sie allgemein zugänglich ist, d. h. von vornherein für die Nutzung durch jedermann vorgesehen ist oder – neben den Angehörigen bzw. den üblichen Nutzern der Institution – auch externen Besuchern Zutritt gewährt, ohne dass bestimmte persönliche Voraussetzungen, wie etwa ein spezifisches Forschungsinteresse, nachgewiesen werden müssen.750 Dass der Zugang an gewisse Beschränkungen, wie Ausweisoder Mitgliedschaftspflichten, (Leih-)Gebühren oder Eintrittsgelder, geknüpft 745 746 747 748
Vgl. unten S. 218 f. Vgl. Schack, KuR, Rn. 284. Vgl. unten S. 216. A. A. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20, die einen räumlichen Bezug nicht für notwendig und daher auch Internetbibliotheken für privilegiert hält. Vgl. dazu unten S. 209. 749 Dagegen spricht nicht, dass der Öffentlichkeitsbegriff in § 15 Abs. 3 UrhG grundsätzlich einheitlich verwendet werden sollte. Denn ein weites Verständnis der Öffentlichkeit in § 15 Abs. 3 UrhG bei der Definition der Verwertungsrechte sichert einen möglichst umfassenden Schutz der Urheber, während die auch auf den physischen Zutritt bezogene »öffentliche Zugänglichkeit« von Einrichtungen, die gemäß §§ 44a ff. UrhG privilegiert werden, im Interesse der Urheber grundsätzlich eng auszulegen ist, vgl. oben S. 83. 750 In diesem Sinne Spindler, NJW 2008, 9, 13, für § 52b UrhG (»ungehinderter Zugang«) und Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23, der Publikums- und allgemein zugängliche Universitäts- und Forschungsbibliotheken für privilegiert hält; ebenso Reschke, S. 157, zu § 52b UrhG (»Angebot an die gesamte Bevölkerung«). Ähnlich Mercker, S. 151, der darauf abstellt, dass öffentliche Bibliotheken »einem erweiterten Kreis von Nutzern zur Verfügung stehen müssen, der keine besondere Gruppenzugehörigkeit aufweisen muss«. Vgl. auch die Privilegierung von Bibliotheken und Archiven gemäß 17 U.S.C. § 108, die allgemein zugänglich sein müssen bzw. zumindest nicht nur Forschern der jeweiligen Einrichtungen zugänglich sein dürfen (s. unten S. 324 f.). Unklar Wandtke/Bullinger/Jani, § 52b UrhG Rn. 9, der einerseits auf den Öffentlichkeitsbegriff in § 15 Abs. 3 UrhG abstellt, andererseits fordert, dass die Einrichtung im Rahmen ihrer Benutzungsordnung jedermann offen stehen muss.
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wird, ist hingegen unschädlich751, solange sie den Zutritt zur Einrichtung nicht nennenswert behindern752 und allen Nutzern nach gleichen Kriterien abverlangt werden.753 Des Weiteren genügt es, dass die Einrichtung der Öffentlichkeit grundsätzlich zugänglich ist. Der Privilegierung steht es daher nicht entgegen, wenn der Zutritt zu einer Ausstellung oder zu einzelnen Werken zeitweise beschränkt wird, etwa weil eine geschlossene Führung stattfinden soll oder der Werkzustand nur einen beschränkten Zugang zum Original erlaubt.754 bb) Gemeinnützigkeit Bis auf das Kriterium der öffentlichen Zugänglichkeit enthält der Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL und § 58 Abs. 2 UrhG keine weiteren Anforderungen an die Natur der Einrichtungen. Wie oben dargelegt, bezieht sich auch der Ausschluss unmittelbarer oder mittelbarer kommerzieller Zwecke in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL in seiner endgültigen Fassung – ebenso wie der Ausschluss eines eigenständigen Erwerbszweckes in § 58 Abs. 2 UrhG – nicht auf die Einrichtungen, sondern auf die Nutzungshandlungen.755 Allerdings bietet die Richtlinie durchaus Anhaltspunkte dafür, dass der europäische Gesetzgeber die Schrankenvorgabe des Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL grundsätzlich nur auf nichtkommerzielle, d. h. gemeinnützige Einrichtungen angewandt wissen wollte. Hierauf deutet ErwGr. 40 HRL hin, der den Mitgliedstaaten die Normierung von Ausnahmen zu Gunsten »bestimmter nicht kommerzieller Einrichtungen, wie der Öffentlichkeit zugängliche Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen sowie Archive« gestattet. Diese Formulierung geht offenbar auf den Geänderten Vorschlag der Kommission zurück, der in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ausdrücklich nichtkommerzielle Einrichtungen privilegiert wissen wollte.756 Auch wenn Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL durch den Gemeinsamen Standpunkt des Rates geändert wurde, spricht der beibehaltene Wortlaut von ErwGr. 40 dafür, dass die in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL aufgezählten Institutionen nach Vorstellung des Richtliniengebers nichtkommerziellen Charakter haben, d. h. gemeinnützig sind.757 Danach wäre für § 58 Abs. 2 UrhG eine »doppelte Nichtkommerzialität« zu fordern, die sich nicht nur auf die Nutzung, sondern zusätzlich auf die Einrichtungen bezieht. Eine solche Auslegung erscheint mit Blick auf den von der Harmonisierungs-RL 751 752 753 754 755 756 757
Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23. Vgl. Spindler, NJW 2008, 9, 13. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20; Mercker, S. 151. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 11. S. oben S. 77 f. S. oben S. 76. In diesem Sinne setzte Deutschland Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL, abweichend von § 58 Abs. 2 UrhG, in § 52b UrhG um.
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betonten Ausnahmecharakter der Schranke,758 auf die nicht vorgesehene Vergütung sowie die Reichweite der deutschen Privilegierung auch geboten. Anderenfalls dürften kommerzielle Einrichtungen in ihrem Bestand befindliche Werke zur Herausgabe von Verzeichnissen nutzen. Selbst wenn die Verzeichnisse nach § 58 Abs. 2 UrhG keinem »eigenständigen« Erwerbszweck dienen dürfen, unterstützte die Nutzung auf Kosten der Urheber eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete betriebliche Organisation, die sich durch die Freistellung eigene Aufwendungen für die Einholung der Verwertungsrechte ersparte. Den Verzeichnissen käme dadurch ein mittelbarer wirtschaftlicher Zweck zu,759 den Art. 5 Abs. 2 lit. c RL, anders als § 58 Abs. 2 UrhG, ausdrücklich für unzulässig erklärt. Bei richtlinienkonformer Auslegung ist daher in § 58 Abs. 2 UrhG das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der »nichtkommerziellen« bzw. »gemeinnützigen« Einrichtung hineinzulesen, d. h. die Einrichtungen dürfen ihre Einnahmen (einschließlich aller Überschüsse und Gewinne) ausschließlich für ihre satzungsmäßigen Zwecke verwenden.760 Der Gemeinnützigkeit steht dabei nicht entgegen, dass ein Museum seinen Besuchern Eintrittsgelder abverlangt oder eine Bibliothek für das Verleihen ihrer Bestände ein Entgelt beansprucht, sofern der jeweilige Betrag das für die Deckung der Verwaltungskosten erforderliche Maß nicht überschreitet.761 Ob die Einrichtungen in öffentlicher oder private Trägerschaft stehen oder aus öffentlichen oder privaten Mitteln finanziert werden, ist dagegen nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 lit. c RL und § 58 Abs. 2 UrhG unerheblich. Hierauf kann es auch nach dem Zweck der Norm, die dem kulturellen Informationsinteresse des Publikums dient, auch nicht ankommen.762 Faktisch wird der überwiegende Teil der privilegierten Einrichtungen jedoch öffentlich-rechtlich organisiert sein763 und damit das Merkmal der Gemeinnützigkeit erfüllen. cc) Eigener Sammlungsbestand Ob die Privilegierung in § 58 Abs. 2 UrhG stets einen eigenen (Sammlungs-) Bestand der Einrichtungen voraussetzt, lässt sich nur mittelbar für Bibliotheken und Museen ableiten, die per definitionem über eigene Sammlungen verfügen. 758 Vgl. oben S. 74 f. 759 Vgl. BGH GRUR 1972, 617, 618 – Werkbücherei. Danach kommt auch ein unentgeltliches Verleihen von Büchern an Werkangehörige mittelbar dem Erwerbsinteresse des Unternehmens zugute, indem es das Arbeitsklima und die Arbeitsfreude fördert; vgl. auch BGHZ 17, 376 – Betriebsfeiern. 760 A. A. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 145, die auch kommerziell geführte Einrichtungen als privilegiert erachtet. 761 Vgl. ErwGr. 11 Vermiet- und Verleih-RL; Schricker/Loewenheim, § 52b Rn. 4 m. w. N.; Dreier/Schulze, § 27 Rn. 18. 762 Vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 11; Mercker, S. 151. 763 Vgl. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 26; Kühl, S. 95.
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Die erste Nutzungsalternative, die Herausgabe von Ausstellungsverzeichnissen, legt demgegenüber nahe, dass die Einrichtungen auch Werkschauen mit Exponaten aus fremdem Besitz durchführen und diese – wie unter der Geltung von § 58 UrhG a. F. – in Katalogen abbilden dürfen. Auch Bildungseinrichtungen verfügen nicht unbedingt über eigene Werkbestände. Ein strengeres Verständnis folgt aus der Harmonisierungs-RL und ihrer Gesetzgebungshistorie. Wie oben dargestellt, sah der Geänderte Vorschlag der Kommission vor, dass Werknutzungen durch nichtkommerzielle Einrichtungen nur zur Archivierung oder Erhaltung eines Werkes vorgenommen werden sollten.764 Die enge Formulierung wurde zwar im Gemeinsamen Standpunkt zu Gunsten einer flexibleren Handhabung der Schranke fallengelassen.765 Sie verdeutlicht gleichwohl, dass Kommission und Rat vor allem »Gedächtnisinstitutionen«766 mit eigenem Werkbestand und kulturellem Bewahrungsauftrag vor Augen hatten, bei denen allein das Bedürfnis bestehen kann, Werke zu konservatorischen Zwecken zu vervielfältigen. Bestätigt wird dies durch den Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL, der den Mitgliedstaaten Schranken zu Gunsten der Nutzung von Werken gestattet, »die sich in den Sammlungen der Einrichtungen gemäß Absatz 2 Buchstabe c) befinden«. Historie und Systematik der Harmonisierungs-RL sprechen somit dafür, dass Art. 5 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 lit. n ausschließlich Einrichtungen mit eigenen Sammlungen privilegieren.767 Dies muss bei richtlinienkonformer Auslegung auch für § 58 Abs. 2 UrhG beachtet werden.768 b)
Privilegierte Institutionen
aa) Bibliotheken (1) Unter einer Bibliothek ist eine planvoll angelegte, geordnete und benutzbare Sammlung von handschriftlichen oder gedruckten Büchern zu verstehen, die neben anderen gedruckten Publikationsformen auch analoge oder digitale 764 765 766 767
S. oben S. 76. S. oben S. 77. Dreier/Euler/Fischer/van Raay, ZUM 2012, 273, 274. In diesem Sinne privilegiert § 52b UrhG, der Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL umsetzt, nur »veröffentlichte Werke aus dem Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken, Museen oder Archive«. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, die Schranke gestatte »lediglich die Zugänglichmachung von Werken, die von den genannten Einrichtungen erworben wurden oder die sie als Pflichtexemplare erhalten haben. Die Regelung erlaubt also nur die öffentliche Zugänglichmachung von Werken aus dem Bestand der jeweiligen Institution«; BTDrucks. 16/1828, S. 26. 768 Vgl. auch Schricker/Loewenheim, § 27 Rn. 18, zum Begriff der »der Öffentlichkeit zugängliche[n] Einrichtung (Bücherei, Sammlung von Bild- oder Tonträgern oder anderer Originale oder Vervielfältigungsstücke)« in § 27 Abs. 2 UrhG: »Daraus ergibt sich, dass es sich bei der Einrichtung um eine Institution handeln muss, die Vervielfältigungsstücke systematisch sammelt und dem Benutzer zur Verfügung stellt«.
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Medienarten umfassen kann,769 wie etwa Audio- oder Videomaterial.770 Bibliotheken entwickeln sich damit mehr und mehr zu Mediatheken, in denen auch audiovisuelle Medien eingesehen oder ausgeliehen werden können. Wie der Deutsche Bibliotheksverband in seiner Stellungnahme771 zum DiskE von 1998 hervorhob, hat eine gewisse Zahl von Bibliotheken ihr Bestandsangebot zudem um den Verleih von Werken der bildenden Künste, insbesondere Grafiken, erweitert. Entsprechende Bibliotheken erfüllen damit zugleich die Funktion von Artotheken, die Originalwerke kostenlos oder gegen geringe Gebühr verleihen. Da der Bestand an Kunstwerken gegenüber den Benutzern in Katalogen bildlich dokumentiert werden muss, regte der Bibliotheksverband seinerzeit an, § 58 DiskE auf den nicht gewerbsmäßigen Verleih von Werken durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen zu erweitern.772 Obwohl nicht ausdrücklich in der Gesetzesbegründung erwähnt,773 ist denkbar, dass der Gesetzgeber diesem Anliegen mit der Privilegierung der Bestandsdokumentation von Bibliotheken in § 58 Abs. 2 UrhG Rechnung tragen wollte. Danach könnten auch Werke der bildenden Künste und Lichtbildwerke, die sich in entsprechenden Abteilungen von Bibliotheken befinden, den Nutzern zum Zweck der Auswahl unter den Werken in Bestandsverzeichnissen zur Verfügung gestellt werden. Dazu müsste sich der Begriff der Bibliothek, der im herkömmlichen Wortsinn in erster Linie eine Sammlung von Schriftwerken voraussetzt, so weit auslegen lassen, dass er auch den systematischen Verleih von Kunstwerken umfasst oder gar Einrichtungen, die ausschließlich als Artothek fungieren (und somit keinen Bestand von Büchern oder Zeitschriften aufweisen). Letzteres scheint angesichts der abschließenden Nennung von Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL774 ausgeschlossen. Da die Privilegierung von Bibliotheken durch § 58 Abs. 2 UrhG jedoch keinerlei Sinn ergäbe, wenn nicht zumindest auch (Teil-)Bestände von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken genutzt werden dürften, sollte die Schranke jedenfalls auf solche Bibliotheken Anwendung finden, die Artotheken beherbergen bzw. vergleichbare Abteilungen umfassen. (2) Zu öffentlich zugänglichen Bibliotheken zählen im Allgemeinen Publikumsbibliotheken (z. B. Landesbibliotheken oder Stadtbüchereien) sowie wis769 Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Stichwort: Bibliothek. 770 Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23; vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 27 UrhG, BT-Drucks. 13/115, S. 8. 771 S. oben S. 111. 772 Entgegen der Ansicht des Bibliotheksverbandes ist die Werbung für den Verleih von Werken allerdings nicht schon von § 58 Abs. 1 UrhG gedeckt, der ausschließlich Verkaufs- und Ausstellungswerbung privilegiert. 773 S. oben S. 113 f. 774 S. oben S. 77 f.
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senschaftliche Bibliotheken (z. B. Universitäts- und Forschungsbibliotheken), sofern sie allgemein zugänglich sind775 bzw. auch externen Nutzern zur Verfügung stehen.776 Ob die Sammlungen als Leih- oder Präsenzbibliothek ausgestaltet sind, ist irrelevant;777 entscheidend ist die von der Einrichtung gewährte Möglichkeit der Nutzung bzw. Wahrnehmung von Werkexemplaren. (3) Umstritten ist, ob Art. 58 Abs. 2 UrhG auch Internet-Bibliotheken erfasst.778 Stellt man allein auf den Begriff der Bibliothek ab, der im weiteren Sinne auch virtuelle Büchersammlungen umfassen dürfte, wäre dies zu bejahen.779 Der Umstand, dass es sich bei der Bibliothek um eine »der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung«780 handeln muss, in der sich Sammlungen von Werken der bildenden Kunst oder Lichtbildwerken befinden, impliziert jedoch das Vorhandensein begehbarer Räumlichkeiten. In diesem Sinne spricht auch Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL ausdrücklich von »Räumlichkeiten« der in Abs. 2 lit. c genannten Einrichtungen. § 58 Abs. 2 UrhG setzt somit begrifflich, ebenso wie Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, eine körperlich zugängliche Institution und nicht lediglich eine i. S. v. § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemachte Sammlung voraus. Hinzu kommt, dass für Internet-Bibliotheken in aller Regel kein nennenswertes Bedürfnis bestehen wird, ihren Bestand für Nutzer zusätzlich durch Offline-Medien zu dokumentieren,781 denn eine im Internet abrufbare Bibliothek »verkörpert« bereits den Bestand. Ihr Betreiber muss für die öffentliche Zugänglichmachung der Werke über entsprechende Nutzungsrechte verfügen, die zugleich das Recht zum Abruf von Bestandskatalogen umfassen dürften. Richtigerweise sind InternetBibliotheken daher von § 58 Abs. 2 UrhG nicht umfasst. bb) Bildungseinrichtungen (1) § 58 Abs. 2 UrhG privilegiert ferner Bildungseinrichtungen. Wie dieser Begriff zu verstehen ist, folgt weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus der Harmonisierungs-RL. Fraglich ist, ob damit gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch und im engeren Wortsinn nur Einrichtungen zu verstehen sind, die der gezielten, planmäßigen Wissensvermittlung an Zugehörige der Einrichtung wie Studenten oder Schüler dienen, oder ob der Begriff im weiteren Sinne alle In775 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23. 776 Vgl. oben S. 202 ff. Dies ist z. B. bei Werks-, Patienten- oder Gefangenenbibliotheken in der Regel nicht der Fall; vgl. Spindler, NJW 2008, 9, 13. 777 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20. 778 Befürwortend Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20; Mercker, S. 151; ablehnend Schricker/ Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23, weil Internet-Bibliotheken »ernsthaft keine körperlichen Ausstellungs- und Bestandskataloge zur Ausstellung bestimmter Werkstücke« herausgäben. 779 In diesem Sinne Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20. 780 Vgl. ErwGr. 40 HRL; oben S. 202 ff. 781 Vgl. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23.
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stitutionen erfasst, die die Bildung von Menschen bezwecken,782 so dass neben Instituten der Schul- und Hochschulbildung, Aus- und Weiterbildung, wie Schulen, Universitäten, Volkshochschulen oder Kindergärten, auch Einrichtungen wie Archive privilegiert wären,783 die ihre Bestände lediglich zu Informations- oder Bildungszwecken zur Verfügung stellen. Gegen ein derart großzügiges Begriffsverständnis spricht allerdings, dass die Schrankenregelungen der Harmonisierungs-RL nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen sind.784 Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL gibt ausdrücklich keinen konkreten Nutzungszweck vor, der Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs der Bildungseinrichtung böte. Die bewusst abschließend formulierte Aufzählung von Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archiven785 deutet aber darauf hin, dass der Begriff der Bildungseinrichtung nicht in einem weitestmöglichen Sinn verstanden werden soll, der zugleich eine Vielzahl von kulturellen Einrichtungen umfasste; anderenfalls wäre die Nennung von Museen, Bibliotheken und Archiven überflüssig.786 Bildungseinrichtungen sind daher im engeren Wortsinne Institutionen, wie Schulen, Universitäten oder Volkshochschulen, mit einem originär edukativen Anliegen.787 (2) Anders als bei Bibliotheken oder Museen ist das Kriterium der »öffentlichen Zugänglichkeit« bei Bildungseinrichtungen nicht nur eine Frage des räumlichen Zugangs zur jeweiligen Institution, sondern vor allem der persönlichen Zulassung zum Bildungsangebot der Einrichtung (als Schüler, Student etc.). Zutreffend spricht Vogel daher von »der Öffentlichkeit angebotenen« Einrichtungen.788 Das heißt, ihr jeweiliges Bildungsangebot muss der Allgemeinheit bzw. den betreffenden Kreisen (z. B. schulpflichtige Kinder, Studienbewerber mit Hochschulreife) grundsätzlich offen stehen. Dass die Zulassung im Einzelnen bestimmten sachlichen oder persönlichen Beschränkungen unterliegt bzw. aus Kapazitätsgründen unterliegen muss, ist unschädlich, solange diese Voraussetzungen für alle Bewerber gleichermaßen gelten, sachlich begründet sind (z. B. Eignungstests) und den Zugang zur jeweiligen Einrichtung nicht grundsätzlich und in erheblicher Weise erschweren. 782 Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 7. 783 So Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23; Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 7. 784 S. oben S. 83. 785 S. oben S. 77 f. 786 Vgl. auch die Aufzählung im Geänderten Vorschlag der Kommission (oben S. 76), die sogar zwischen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen differenzierte und diese von kulturellen Einrichtungen abgrenzte. 787 In diesem Sinne offenbar auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20, die Universitäten und Schulen jeder Art einschließlich Fernschulen sowie Bundesbildungsanstalten für Kindergarten- und Sozialpädagogik von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL erfasst sieht. 788 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23.
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cc) Museen (a) Der Begriff des Museums ist im deutschen Recht nicht definiert. Nach den international anerkannten, auch vom Deutschen Museumsbund als verbindlich herangezogenen789 Ethischen Richtlinien des Internationalen Museumsrats (ICOM) ist unter einem Museum »eine gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung [zu verstehen], die zu Zwecken des Studiums und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt«.790 Diese Definition führt neben den klassischen Aufgaben des Sammelns, Bewahrens und Erforschens auch das Bekanntmachen und Ausstellen von Sammlungsgegenständen als Merkmal der Museumstätigkeit auf, dem letztlich die ersten drei Funktionen dienen.791 Museen, die der Öffentlichkeit (i. S. d. Allgemeinheit) regelmäßig zugänglich sind, zeichnen sich somit insbesondere auch durch die von § 58 Abs. 2 UrhG privilegierte Ausstellungstätigkeit aus. (b) In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob für die von § 58 Abs. 2 UrhG privilegierten Ausstellungsverzeichnisse bei richtlinienkonformer Auslegung nur Werke aus eigenem Bestand oder auch – in Sonderausstellungen häufig mit einbezogene – Leihgaben verwertet werden dürfen.792 Die Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, d. h. seine zeitweise vorgesehene Begrenzung auf Vervielfältigungen zu konservatorischen Zwecken,793 legt, ebenso wie der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL, nahe, dass die Schrankenvorgabe speziell auf die Nutzung von Gegenständen zugeschnitten ist, die sich in den Sammlungen der Einrichtungen befinden. Diese Einschränkung kommt in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL allerdings nicht mehr zum Ausdruck, der eine Bestandsakzessorietät der Nutzung – anders als Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL – zumindest nicht ausdrücklich fordert. Sie widerspräche vor allem der heutigen kuratorischen Praxis von Museen. Stellt man allein auf den Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ab, erscheint es daher – auch vor dem Hintergrund der Ausstel789 Vgl. die Informationen zur Definition eines Museums auf der Internetseite des Deutschen Museumsbundes (www.museumsbund.de/de/das_museum/geschichte_definition/defini tion_museum/) (20. 10. 2013). 790 Ethische Richtlinien für Museen von ICOM in der am 8. 10. 2004 auf der 21. ICOM-Generalversammlung in Seoul/Süd-Korea überarbeiteten Fassung, S. 15, abrufbar auf der Internetseite des ICOM Deutschland unter www.icom-deutschland.de/schwerpunkte-ethi sche-richtlinien-fuer-museen.php (20. 10. 2013); vgl. auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 20; Mercker, S. 151. 791 Vgl. Mößle, S. 82. 792 Vgl. erneut § 52b UrhG, der – Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL umsetzend – nur Werke aus dem Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken, Museen oder Archive privilegiert, die an elektronischen Leseplätzen in den Räumen der Einrichtung zur Forschung und für private Studien zugänglich gemacht werden dürfen. 793 S. oben S. 76.
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lungspraxis der Museen – noch vertretbar, Museen zur Erstellung von (Sonder-) Ausstellungskatalogen auch die Nutzung von Werken zu gestatten, die sich nur zeitweise in ihrem Besitz befinden.
dd)
Privilegierung von Ausstellungshäusern und sonstigen Ausstellungsveranstaltern? Problematischer ist dagegen die zum Teil befürwortete Erstreckung der Privilegierung auf reine Ausstellungshäuser794, deren Verzeichnisse von § 58 UrhG a. F. ohne Weiteres erfasst waren. Zwar sind Kataloge von Ausstellungshäusern kulturpolitisch ebenso förderungswürdig wie Ausstellungskataloge von Museen. § 58 Abs. 2 UrhG gilt indes, wie auch die Gesetzesbegründung hervorhebt, ausschließlich für Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen.795 Angesichts der klaren Definition eines Museums können Ausstellungshäuser unter diesen Begriff nicht gefasst werden. Sie lassen sich streng genommen auch nicht als Bildungsinstitutionen im engeren Sinne796 einstufen. Unklar ist auch, ob der deutsche Gesetzgeber Ausstellungshäuser als Bildungseinrichtung angesehen hat. In diesem Fall hätte gerade mit Blick auf den kulturpolitischen Zweck von § 58 Abs. 2 UrhG – statt des Hinweises auf die abschließende Aufzählung an Einrichtungen – eine entsprechende Klarstellung in der Gesetzesbegründung nahe gelegen. Hinzu kommt, dass der europäische Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 lit. n HRL offenbar Einrichtungen mit eigenen Sammlungen von Werken privilegieren wollte, die dort im Allgemeininteresse bewahrt und öffentlich zugänglich gemacht werden.797 Dieser Gedanke spiegelt sich auch in § 58 Abs. 2 UrhG wider, der in seiner zweiten Alternative die Dokumentation von Beständen privilegiert. Bei enger richtlinienkonformer Auslegung können reine Ausstellungshäuser daher nicht von § 58 Abs. 2 UrhG profitieren. Für sie bedeutet die auf Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL basierende neue Katalogbildfreiheit den Verlust der früheren Privilegierung.798 Gleiches gilt nach neuer Rechtslage für Ausstellungsveranstalter »in Nebentätigkeit« wie Unternehmen oder Kirchen799, die begrifflich ebenso wenig unter eine der privilegierten Einrichtungen fallen. 794 So hält Vogel ohne nähere Begründung auch Ausstellungshäuser für privilegiert, für die freilich die Herausgabe eines Bestandskatalogs entfalle; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23. 795 S. oben S. 113. 796 Vgl. oben S. 209 f. 797 Vgl. Dreier/Euler/Fischer/van Raay, ZUM 2012, 273, 274, 279. 798 Dementsprechend müssen Ausstellungshäuser heute die Reproduktionsrechte für Katalogbilder einholen. Diese Praxis bestätigte für die Schirn Kunsthalle Frankfurt deren Katalogmanagerin, Katharina Siegmann, in einem Telefonat mit der Verfasserin am 28. 11. 2013. 799 Poeppel, S. 397.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
213
ee) Privilegierung von Archiven? Archive werden nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 UrhG, obwohl in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL aufgeführt, nicht privilegiert. Unter einem Archiv ist eine Einrichtung zu verstehen, die der systematischen Erfassung, Ordnung, Verwahrung, Betreuung und Erschließung von Schrift-, Bild- und Tongut staatlicher Dienststellen, anderer Institutionen (Verbände, Unternehmen) oder Einzelpersonen dient.800 Im Gegensatz zu Bibliotheken oder Museen, die sich durch die Nutzungsmöglichkeit bzw. Ausstellung ihrer Bestände auszeichnen, liegt die für Archive charakteristische Funktion in der Bestandssicherung und Verwahrung des Archivguts801 und nicht darin, die Archivalien einer breiten Öffentlichkeit zu Bildungszwecken zu vermitteln. Dementsprechend zeichnen sich Archive, worauf auch die Formulierung in ErwGr. 40 HRL hindeutet (»der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen wie Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen sowie Archive«), nicht per se durch eine öffentliche Zugänglichkeit aus.802 Dennoch kann auch für Archive ein praktisches Bedürfnis bestehen, Werke in ihrem Bestand für zugelassene Nutzer in Katalogen abzubilden. Auch die Durchführung von öffentlichen Ausstellungen in der Einrichtung ist denkbar. Da der Gesetzgeber in § 58 Abs. 2 UrhG jedoch »ausschließlich« Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen privilegiert hat,803 lässt sich die Nichteinbeziehung von Archiven gerade vor dem Hintergrund des abweichenden Wortlauts von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nicht mit einem Redaktionsversehen804 erklären. Eine Anwendung der Norm auf Archive, etwa über den Begriff der Bildungseinrichtung805 oder im Wege der Analogie, kommt daher nicht in Betracht. Die Auslassung von Archiven erscheint mit Blick auf den von § 58 Abs. 2 UrhG gestatteten Nutzungsumfang auch sachgerecht. Denn die Freistellung der Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen rechtfertigt sich nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie durch ein »kulturpolitisches Be800 Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Stichwort: Archiv. 801 Vgl. Schack, AfP 2003, 1, 2; Dreier/Euler/Fischer/van Raay, ZUM 2012, 273, 274. 802 Zwar sind die meisten staatlichen Archive grundsätzlich jedermann zugänglich; Schack, AfP 2003, 1, 2. Teilweise wird der Zugang zum Bestand aber erst gewährt, wenn ein besonderes Interesse nachgewiesen wird; vgl. OLG Zweibrücken GRUR 1997, 363, 364 – Jüdische Friedhöfe. In diesen Fällen ist die Voraussetzung der öffentlichen Zugänglichkeit i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG nicht mehr erfüllt (s. oben S. 202 ff.). Vgl. auch Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL, der eine Wiedergabe oder Zugänglichmachung von Sammlungsgegenständen lediglich »für einzelne Mitglieder der Öffentlichkeit« in den Räumlichkeiten der Einrichtung ermöglichen will und damit nicht zwingend voraussetzt, dass auch ein Archiv im weiteren Sinne öffentlich zugänglich ist. 803 S. oben S. 113. 804 So Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23; ebenso Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 16. 805 S. oben S. 209 f. Dies befürworten Kühl, S. 90 Fn. 594; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23; Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 7.
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Die Rechtslage in Deutschland
dürfnis«, d. h. das Informationsinteresse des jeweiligen Einrichtungspublikums an den in einer Sammlung beherbergten (und im Fall von Museen ausstellbaren und im Fall von Bibliotheken und Bildungseinrichtungen ausleih- bzw. benutzbaren) Werken.806 Eine isolierte Information über Kunstwerke in Verzeichnissen, die unabhängig von einem möglichen Zugang zu den Werken bzw. zur jeweiligen Einrichtung verbreitet werden können, ist von § 58 Abs. 2 UrhG nicht mehr gedeckt. Für Archive, die der Öffentlichkeit nur teilweise zugänglich sind und deren Hauptzweck nicht in der breiten Vermittlung von Wissen über die Archivalien liegt, entfällt der notwendige inhaltliche und räumliche Bezug zwischen Werk und Öffentlichkeit, so dass Verzeichnisse ihrer Bestände nicht in dem von § 58 Abs. 2 UrhG erlaubten Umfang privilegiert werden können.807 c) Zusammenfassung § 58 Abs. 2 UrhG privilegiert ausschließlich Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen, die der Öffentlichkeit im Sinne einer allgemeinen Zugänglichkeit offen stehen und nach den Wertungen der Harmonisierungs-RL zudem nichtkommerziellen Charakter und einen eigenen Werkbestand aufweisen müssen. Obwohl die Schranke gerade auch die Herausgabe von Ausstellungskatalogen erleichtern will, können reine Ausstellungshäuser ohne eigene Sammlung daher bei richtlinienkonformer Auslegung nicht mehr als privilegiert angesehen werden. Werke in Archivbeständen hat der deutsche Gesetzgeber hingegen zu Recht nicht in die Freistellung von § 58 Abs. 2 UrhG mit einbezogen, weil diese Einrichtungen der Öffentlichkeit nicht immer zugänglich sind. 3.
Privilegierte Verwertungen
§ 58 Abs. 2 UrhG gestattet nur die Vervielfältigung und Verbreitung der Werke in Verzeichnissen. Die öffentliche Zugänglichmachung von Werken ist damit ausgeschlossen. Online-Verzeichnisse von Ausstellungen oder Beständen dürfen auf der Basis von § 58 Abs. 2 UrhG nicht zum interaktiven Abruf im Internet oder in anderen Netzwerken bereitgestellt werden.
806 S. oben S. 113; vgl. S. 203 f. 807 A. A. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 23; Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 7, die jedenfalls öffentlich zugängliche Archive als Bildungseinrichtung einstufen. Vgl. jedoch § 52b S. 1 UrhG, der (öffentlich zugängliche) Archive im Gegensatz zu § 58 Abs. 2 UrhG neben Museen und Bibliotheken ausdrücklich aufführt; vgl. Schricker/Loewenheim, § 52b Rn. 3 m.w. N.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
215
a) Vervielfältigung Die Befugnis zur Vervielfältigung808 spielt, wie bei der Freistellung gemäß Absatz 1, eine für die Erstellung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen zentrale Rolle. Denn sie ermöglicht es, die jeweils privilegierten Werke fotografisch zu reproduzieren und sie mithilfe der Reproduktionsvorlagen in Verzeichnissen in gedruckter Form oder – ausweislich der Gesetzesbegründung809 – auch in Gestalt digitaler Offline-Medien wie CD-ROM weiter zu vervielfältigen und zu verbreiten. Als Variante der digitalen Nutzung auf CD-ROM kommt dabei neben der fotografischen Ablichtung auch die filmische Vervielfältigung eines Werkes i. S. v. § 16 Abs. 2 UrhG in Betracht, die zu Zwecken einer realistischeren Wiedergabe dreidimensionaler Werke eingesetzt werden kann.810 b) Verbreitung Um die erstellten Verzeichnisse herausgeben zu können, müssen die darin enthaltenen Vervielfältigungsstücke ferner verbreitet, d. h. der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht werden dürfen.811 Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL gestattet den Mitgliedstaaten nur, Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorzusehen; eine durch den Zweck der Vervielfältigung gerechtfertigte Verbreitung kann allerdings gemäß Art. 5 Abs. 4 HRL erlaubt werden. Gemessen am konkreten Privilegierungszweck von § 58 Abs. 2 UrhG ist auch die Verbreitung der hergestellten Vervielfältigungsstücke in Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnissen notwendig und zulässig. Problematisch erscheint jedoch, dass der Richtliniengeber bei der Konzipierung von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL offenbar singuläre Nutzungen zu konservatorischen, Archivierungs- und ähnlichen einrichtungsinternen Zwecken vor Augen hatte und die darauf basierenden Schranken der Mitgliedstaaten im Sinne des Dreistufentests auf »bestimmte Sonderfälle« beschränkt bleiben sollen.812 Vor diesem Hintergrund begegnet die vergütungsfreie Gestattung umfangreicher Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen, die für die Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen erforderlich sind, erheblichen Bedenken.813
808 Zum Inhalt des Vervielfältigungsrechts s. oben S. 147. 809 S. oben S. 113. 810 Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 25, die als Beispiel für eine Nutzung nach § 58 Abs. 2 UrhG u. a. das »Videoverfilmen« von Kunstwerken mit dem Ziel nennt, das gegenseitige Verleihen von Exponaten reibungsloser zu gestalten. 811 Zum Inhalt des Verbreitungsrechts s. oben S. 147 f. 812 S. oben S. 74 f.; ErwGr. 40 HRL. 813 Ausführlich zur Richtlinienkonformität von § 58 Abs. 2 UrhG unten S. 7.
216 4.
Die Rechtslage in Deutschland
Herausgabe von Verzeichnissen im Zusammenhang mit einer Ausstellung (1. Alt.)
§ 58 Abs. 2 UrhG soll Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen die Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen erleichtern. Der Gesetzgeber wollte damit zunächst die frühere Katalogbildfreiheit fortschreiben, die mit dem »offensichtlichen« Interesse der Veranstalter, des Publikums und auch der Urheber an der Freistellung von Katalogbildern begründet wurde.814 Die erste Tatbestandsvariante erlaubt daher die Herausgabe von Verzeichnissen in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung. a) Ausstellungsverzeichnisse aa) Als Verzeichnis wird im Allgemeinen eine nach bestimmten inhaltlichen Kriterien oder Strukturen gegliederte Anordnung von Informationen bezeichnet. Als Tatbestandsmerkmal von § 58 Abs. 2 UrhG darf der Begriff des Verzeichnisses jedoch nicht in einem zu technischen Sinne als bloße unkommentierte Auflistung bzw. Abbildung von Werken verstanden werden.815 Vielmehr ist jedenfalls ein Ausstellungsverzeichnis nach dem Zweck der Schranke eine Publikation, die (neben der Dokumentation der zusammengestellten Exponate) der Vermittlung von Informationen über die jeweilige Schau dienen soll816 und daher auch Textbeiträge zu den Ausstellungsinhalten und den in der Ausstellung (und im Katalog) gezeigten Werken enthalten muss. Den Informationszweck eines Ausstellungsverzeichnisses hat bereits der BGH in seinem zu § 58 UrhG a. F. ergangenen Urteil »Museumskatalog«817 unterstrichen: Der Zweck öffentlicher Ausstellungen liege »regelmäßig nicht nur darin, die ausgestellten Gegenstände als solche der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gerade bei Ausstellungen von Werken bildender Künstler [gehe] es vielmehr darum, Zusammenhänge und Entwicklungen zu verdeutlichen sowie Vergleiche zu ermöglichen«.818 Diese Funktion erfüllen nach Auffassung des BGH, der die Begriffe »Verzeichnis« und »Katalog« (wie bereits Überschrift und Wortlaut von § 58 UrhG a. F.) synonym verwendete, neben Museums- oder Ausstellungsführern im engeren Sinn auch umfangreichere Ausstellungsverzeichnisse, sofern sie dazu dienen, die Ausstellung als Veranstaltung mit eigener Zielsetzung für Interessenten zu erschließen.819
814 815 816 817 818 819
S. oben S. 102. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 9. Vgl. oben S. 159. BGH GRUR 1994, 800 – Museumskatalog; dazu oben S. 105 f. BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog. BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
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Ein entsprechend weites Verständnis des Ausstellungsverzeichnisses beansprucht auch für § 58 Abs. 2 UrhG weiterhin Geltung, wobei zu beachten ist, dass der Begriff der Ausstellung – wie im Kontext von § 58 Abs. 1 UrhG820 – als zeitlich begrenzte Sonderausstellung zu verstehen ist. Was für § 58 Abs. 1 UrhG zwingend aus dem Tatbestandsmerkmal der »Veranstaltung« folgt, ergibt sich für § 58 Abs. 2 UrhG aus dem »inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang«, in dem die Herausgabe der Verzeichnisse erfolgen muss821 und der bei Dauerausstellungen nicht sinnvoll als beschränkendes Korrektiv des Nutzungsumfangs dienen könnte. Zudem dürfen Werke in Dauerausstellungen nach dem zweiten Privilegierungszweck in Bestandskatalogen abgebildet werden.822 bb) Der Begriff des Verzeichnisses legt weiterhin nahe, dass es sich grundsätzlich um eine vollständige Erfassung der Informationen oder Gegenstände zu dem betreffenden Thema handelt.823 Fraglich ist, ob dies zugleich impliziert, dass sämtliche Werke aus einer Ausstellung (oder einem Bestand) auch in dem Verzeichnis abzubilden sind. Der Verzeichnisbegriff würde die Einrichtungen bei dieser engen Auslegung zu einer im quantitativen Sinne maximalen Nutzung der privilegierten Werke zwingen. Für Ausstellungsverzeichnisse, die zwar häufig, aber nicht in jedem Fall sämtliche Exponate unter Informationsgesichtspunkten wiedergeben, sollte es daher genügen, dass die ausgestellten Werke aufgelistet, aber nicht durchgängig abgebildet, sondern manche auch nur beschrieben werden.824 cc) Wie bereits erwähnt, umfasst der Begriff des Verzeichnisses i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur analoge, d. h. gedruckte Exemplare, sondern auch digitale Offline-Medien wie CD-ROM.825 Danach sind auch die Herstellung und der Vertrieb von Ausstellungskatalogen auf CD-ROM zulässig. Ein Bereithalten der Verzeichnisse zum Abruf im Internet oder in anderen Netzen ist hingegen mangels Freistellung der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 58 Abs. 2 UrhG ausgeschlossen.826 b) Begriff des Herausgebens aa) Die Ausstellungsverzeichnisse müssen durch die privilegierten Einrichtungen herausgegeben werden. Der Begriff des Herausgebens ist gesetzlich nicht 820 821 822 823 824
Vgl. oben S. 131 ff.. Vgl. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 18; dazu unten S. 219 ff. S. unten S. 227 f., 232. Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 5. In diesem Sinne Art. R. 122-1 CPI, der einen (Versteigerungs-)Katalog als bebildertes oder nichtbebildertes Verzeichnis beschreibt; dazu unten S. 294 f. 825 S. oben S. 113. Kritisch Schack, KuR, Rn. 284. 826 Gleiches gilt für die Zugänglichmachung von Werken an einrichtungsinternen Besucherterminals. Eine solche »on the spot«-Nutzung kann jedoch unter den Voraussetzungen von § 52b UrhG ermöglicht werden.
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Die Rechtslage in Deutschland
geregelt. Als Herausgeber wird im Allgemeinen eine natürliche Person, eine Personengruppe oder eine juristische Person bezeichnet, die publizistisch und rechtlich für die Sammlung, Bearbeitung und Veröffentlichung von Texten und Bildern, Ton- und Bildaufzeichnungen verantwortlich ist.827 Die herausgeberische Tätigkeit ist daher auf die Veröffentlichung, d. h. die Publikation schriftlicher, visueller oder audiovisueller Inhalte ausgerichtet, für die der Herausgeber inhaltlich verantwortlich zeichnet. Diese Verantwortung muss für Verzeichnisse i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG die privilegierte Einrichtung, vertreten durch ihren Direktor oder Geschäftsführer, übernehmen. Unschädlich soll jedoch nach allgemeiner Auffassung sein, wenn die einen Ausstellungskatalog herausgebende Einrichtung bei dessen Herstellung mit einer Druckerei oder einem Verlag zusammenarbeitet, solange der Verlag nur unterstützend tätig und der Katalog in der Einrichtung vertrieben wird.828 Eine Herausgabe durch Dritte ist hingegen unzulässig. Diese strenge Auslegung ist auch erforderlich, denn anderenfalls wäre nicht gewährleistet, dass die Verantwortung für die einzelne Nutzung und den dabei zu wahrenden unmittelbaren inhaltlichen und zeitlichen Bezug zur Ausstellung bei der privilegierten Einrichtung verbleibt. bb) Der bereits in § 58 UrhG a.F für die Beschreibung der privilegierten Tätigkeit verwendete Begriff der Herausgabe impliziert, ebenso wie der Informationszweck der Verzeichnisse und der Ausschluss »eigenständiger« Erwerbswecke, dass die Ausstellungsverzeichnisse stets zur Verbreitung an das Einrichtungspublikum vorgesehen sind.829 Bei wortgetreuer Auslegung fällt eine Herstellung von Verzeichnissen bzw. selbst einzelner Vervielfältigungen zu ausschließlich einrichtungsinternen Zwecken, etwa zur Archivierung für konservatorische Maßnahmen, daher nicht unter die Privilegierung, obgleich dies eher dem Anliegen der Schrankenvorgabe in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL entspräche830 und eine weitaus geringere Beschränkung der Urheberrechte bedeutete. cc) Von der Herausgabe der Verzeichnisse zu trennen ist deren Vertrieb. § 58 Abs. 2 UrhG verlangt nicht ausdrücklich, dass die Einrichtungen bzw. ihre 827 Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Stichwort: Herausgeber. Die Funktion des Herausgebers kann sich je nach Art des zu veröffentlichenden Werkes deutlich unterscheiden. Im wissenschaftlichen Bereich gibt der Herausgeber oftmals die Inhalte der Publikation im Detail vor und steuert auch einzelne Beiträge oder Artikel bei. Bei Sammelwerken (z. B. Zeitschriften) gibt der Herausgeber häufig nur bestimmte Leitlinien für den Inhalt vor; vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 31 Rn. 59. 828 v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 140, 143; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 5; Mestmäcker/ Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 14; so wohl auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 13 (allerdings unter Bezugnahme auf die abweichende Meinung von Jacobs); ebenso Möhring/ Nicolini/Gass, § 58 Rn. 30; v. Gamm, § 58 Rn. 3, zu § 58 UrhG a. F.; a. A. Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 396, der die Herausgabe durch einen Verlag im Auftrag des Veranstalters für zulässig hielt. 829 Vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 13. 830 Vgl. oben S. 73 ff.
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Träger die Verzeichnisse auch selbst verbreiten, wenngleich die Verbreitung grundsätzlich in den Räumlichkeiten der Einrichtung erfolgen muss.831 Ob und in welchem Umfang ein Vertrieb durch Dritte möglich ist, richtet sich danach, ob mit den Verzeichnissen in diesen Fällen ein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird.832 c) Unterordnung der Nutzung unter den Ausstellungszweck Das Kriterium des »inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhangs« mit einer Ausstellung kann als Fortschreibung des Tatbestandsmerkmals von § 58 UrhG a. F. »zur Durchführung« einer Ausstellung verstanden werden. In den Entscheidungen »Katalogbild« und »Museumskatalog« hatte der BGH insoweit festgestellt, dass die zustimmungs- und vergütungsfreie Werknutzung nur dann zulässig ist, wenn sie räumlich, zeitlich und inhaltlich der unmittelbaren Förderung des Ausstellungszwecks dient, d. h. dem Ausstellungszweck untergeordnet ist.833 Diese Anforderung wurde in Gestalt des »inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhangs« in die Neufassung der Schranke aufgenommen. Das Merkmal verdeutlicht damit zugleich die vom Gesetzgeber intendierte Fortgeltung der früheren BGH-Rechtsprechung zur Unterordnung der Nutzung unter den Ausstellungszweck.834 Wie bisher sollte die Nutzung daher neben dem im Gesetz genannten inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang auch einen räumlichen Bezug zur Ausstellung aufweisen. Darüber hinaus sind angesichts der gebotenen engen Auslegung der Schranke auch quantitative Grenzen der Nutzung zu beachten. aa) Inhaltlicher Zusammenhang Die Herausgabe eines Verzeichnisses muss zunächst in »inhaltlichem Zusammenhang« mit der jeweiligen Ausstellung erfolgen. Mit der früheren BGHRechtsprechung setzt dies in enger Tatbestandsauslegung voraus, dass die Werknutzung dem Veranstaltungszweck inhaltlich untergeordnet ist: Im Vordergrund stehen muss die Wiedergabe des Werkes »als Bestandteil der Ausstellung« mit dem Zweck ihrer Erschließung und nicht die Vermittlung des Kunstgenusses.835 Der inhaltliche Zusammenhang verlangt mithin, dass ausschließlich ausgestellte bzw. zur Ausstellung bestimmte Werke in das Ver831 S. unten S. 225. 832 S. unten S. 235 f. 833 BGH GRUR 1993, 822, 823, 824 – Katalogbild; BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; näher dazu oben S. 104 ff. 834 Vgl. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 18; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 21: »Ein inhaltlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einer Ausstellung setzt voraus, dass die Verzeichnisse zur Durchführung der Veranstaltung erforderlich sind«. 835 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog.
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Die Rechtslage in Deutschland
zeichnis aufgenommen werden (dazu unten (1)).836 Obwohl ein wörtliches Verständnis des »inhaltlichen Zusammenhangs« dies nahe legt, sind Wiedergaben von Werken, die lediglich einen inhaltlichen Bezug zur Ausstellung aufweisen, aber nicht selbst ausgestellt sind, auch nach neuem Recht nicht privilegiert.837 Dies gilt auch für die in Ausstellungskatalogen üblichen Vergleichsabbildungen. Ihre Wiedergabe kann jedoch nach Maßgabe von § 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG als Bildzitat zulässig sein.838 Ferner muss das Verzeichnis der Erschließung der Ausstellung dienen und darf nicht in erster Linie einen ästhetischen Genuss vermitteln (unten (2)). (1) Ausgestellte oder zur Ausstellung bestimmte Werke Wie für Nutzungen nach § 58 Abs. 1 gilt auch für § 58 Abs. 2 Alt. 1 UrhG, dass nur solche Werke in ein Ausstellungsverzeichnis aufgenommen werden dürfen, die in der betreffenden Ausstellung gezeigt werden (sollen).839 Die Werke müssen daher entweder öffentlich ausgestellt oder zur öffentlichen Ausstellung bestimmt sein.840 Die bloße Bestimmung von eingelagerten Werken (oder von Leihgaben) zur Ausstellung muss auch für die Freistellung nach Absatz 2 genügen, weil mit der Herstellung der später herausgegebenen Verzeichnisse, d. h. mit der Anfertigung von Vervielfältigungsstücken, schon im Vorfeld der Ausstellung begonnen werden muss. Bei der Beurteilung spezieller Fragestellungen, die bei der Nutzung von »zur Ausstellung bestimmten Werken« auftreten können (unvorhersehbare Nichtausstellung, Werke in Wanderausstellungen), ist im Rahmen der Katalogbildfreiheit nach § 58 Abs. 2 UrhG allerdings ein großzügigerer Maßstab anzulegen als bei der Nutzung zu Werbezwecken nach Abs. 1.841 So sollte es mit der heute wie früher überwiegenden Auffassung ausnahmsweise unschädlich sein, wenn einzelne Werke, die zur Ausstellung bestimmt waren und bereits in den fertiggestellten Katalog aufgenommen wurden, wider Erwarten nicht ausgestellt werden können.842 Denn die privilegierten Einrichtungen sollen 836 Kirchmaier, in: Ebling/Schulze, 5. Teil, Rn. 182. 837 A. A. Prengel, S. 173 f., 176. Gleiches gilt für Kunstbildbände, Werkverzeichnisse von Künstlern oder sonstige Publikationen, die lediglich anlässlich einer Ausstellung von einer Einrichtung oder von Dritten herausgegeben werden; vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 5 m. w. N. 838 Vgl. Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 13. Ausführlich zu den Voraussetzungen des Bildzitats von Kunstwerken Prengel, S. 118 ff., 138 ff. 839 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 18; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 12; Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 11; Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 5; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 25. 840 Dreier/Schulze, § 58 Rn. 12. Näher zu diesen Voraussetzungen oben S. 129 ff. 841 Vgl. oben S. 137 f. 842 S. statt vieler Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 18. A. A. Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7, die fordert, dass Kataloge nicht mehr verbreitet werden dürfen, wenn feststeht, dass ein darin enthaltenes Werk nicht mehr gezeigt wird.
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nicht alle Katalogexemplare vernichten und ein neues Verzeichnis erstellen müssen, falls einzelne Werke kurzfristig nicht zur Ausstellung gelangen.843 Allerdings ist anzunehmen, dass die Einrichtungen die Verfügbarkeit der Exponate schon im eigenen Interesse sorgfältig prüfen und absichern, bevor ihre Aufnahme in den Katalog erfolgt. Wird wiederum für eine Wanderausstellung nur ein einziger Katalog herausgegeben, sollte es aus Praktikabilitäts- und Kostengründen ebenfalls zulässig sein, darin auch solche Werke zu erfassen, die nicht an allen Stationen gezeigt werden und das Verzeichnis auch an diesen Stationen zu verbreiten.844 Insoweit muss es für die Aufnahme in den Katalog genügen, dass die betreffenden Werke zur Ausstellung an einer der Etappen bestimmt sind. (2) Erschließung der Ausstellung vor Vermittlung des Werkgenusses (a) Im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu § 58 UrhG a. F. erfordert der inhaltliche Zusammenhang zwischen Verzeichnis und Ausstellung darüber hinaus, dass das Verzeichnis inhaltlich dazu dient, die Ausstellung als Veranstaltung mit eigener Zielsetzung für Interessenten, insbesondere für Besucher, zu erschließen.845 Denn der Zweck öffentlicher Ausstellungen, dem die Nutzung stets untergeordnet bleiben muss, liegt – wie der BGH hervorhob – regelmäßig darin, Zusammenhänge und Entwicklungen zu verdeutlichen sowie Vergleiche zu ermöglichen. Soweit in einem Ausstellungsverzeichnis urheberrechtlich geschützte Werke abgebildet werden, muss somit ihre Wiedergabe als Bestandteil der Ausstellung im Vordergrund stehen, nicht die Vermittlung des Werkgenusses.846 Ausstellungsverzeichnisse müssen daher nähere Informationen und Erläuterungen zu den Themen der Ausstellung und den ausgestellten Werken enthalten. Wie die inhaltliche Erschließung der Ausstellung im Einzelnen redaktionell umgesetzt wird, liegt grundsätzlich im Ermessen des Herausgebers. Die notwendige Verbindung von Ausstellungsinformation und Werknutzung ist etwa bei der Einbettung eines Katalogbildes in einen erläuternden, auf das Werk Bezug nehmenden Text gewahrt. Aber auch eine getrennte Wiedergabe von Werken und Begleittext auf unterschiedlichen bzw. aufeinanderfolgenden Katalogseiten erscheint unschädlich, sofern hinreichende Querverweise zwischen 843 Vgl. Kirchmaier, in: Ebling/Schulze, 5. Teil, Rn. 177. 844 So die allgemeine Auffassung zu § 58 Abs. 2 UrhG und § 58 UrhG a. F.: LG München I, Schulze LGZ 162, 6; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 21; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 389; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 18; ders., KUR 2005, 56, 58; Dreyer/Kotthoff/ Meckel, § 58 Rn. 7; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 4; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 12; Mercker, S. 137. 845 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog. 846 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 18; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 141 f.; vgl. auch Mercker, S. 154.
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Die Rechtslage in Deutschland
den Erläuterungen und den Abbildungen angebracht werden. Eine vollständige Trennung von Text- und Bildteil (wie im Fall des vom BGH847 der Sache nach als Kunstbildband eingeschätzten Museumskatalogs) ist dagegen problematisch, weil dem Leser das Verständnis inhaltlich zusammengehöriger Text- und Bildinformationen erschwert wird. (b) Wie im Bereich von Werbenutzungen kann die Grenzziehung zwischen noch zulässiger Illustration der Ausstellungsinhalte und im Vordergrund stehender Vermittlung des Werkgenusses schwerfallen, zumal jede vollständige Wiedergabe eines Kunstwerkes in gewissem Umfang auch einen ästhetischen Genuss ermöglicht.848 Zudem haben insbesondere Museen als institutionelle Bewahrer und Vermittler von Kunstwerken ein legitimes Interesse daran, hochwertige und ansprechende Reproduktionen in ihren Publikationen zu verwenden.849 Die Übergänge von aufwändig gestalteten Museumskatalogen zu Kunstbildbänden sind entsprechend fließend.850 Ob der (zu vermeidende) Werkgenuss insofern ein praxisgerechtes und -taugliches Kriterium zur Begrenzung der Nutzung darstellt, ist zweifelhaft. Letztlich bedarf es einer Bewertung des Einzelfalls, ob Katalogabbildungen aufgrund ihrer Größe und Qualität unter Berücksichtigung des Katalogformats bereits die Qualität eines Kunstbildbandes besitzen oder die Unterordnung der einzelnen Wiedergabe unter den Informationszweck des Katalogs noch gewahrt ist. Insoweit ist – ähnlich wie bei Bildzitaten nach § 51 S. 2 Nr. 1 UrhG – auch der oben angesprochene innere (gedankliche) und äußere (redaktionelle) Bezug zwischen Katalogbild und Textteil zu berücksichtigen.851 Angesichts der regelmäßig hohen Anzahl an Werken in Sonderausstellungen dürfen dabei jedoch an den Umfang der Erläuterungen zum einzelnen Exponat keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Nach der Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. zulässig ist – trotz der dabei überwiegenden Schmuck- und Werbefunktion (für den Katalogkauf) – die übliche exponierte Abbildung eines Exponats auf der Titelseite des Katalogs, die sich mit Blick auf dessen Informationszweck noch im Rahmen der Privilegierung bewegt.852 (c) Die inhaltliche Unterordnung der Werkwiedergabe unter den Ausstellungszweck ist auch bei der Gestaltung digitaler Ausstellungsverzeichnisse, 847 BGH GRUR 1994, 800 – Museumskatalog; s. oben S. 105 f.; Pfennig, Digitale Bildverarbeitung und UrhR, S. 91 f. 848 Vgl. Desbois, Rn. 244; RGZ 130, 196, 207 – Codex aureaus; BGH GRUR 1968, 607, 608 – Kandinsky I. 849 Vgl. Graf, Kunstchronik 2005, 457, 458. 850 Schack, UrhR, Rn. 569; ders., KuR, Rn. 692. Kritisch auch Katzenberger, UFITA 68 (1973), 71, 93 f.; Loewenheim/Götting, § 31 Rn. 236. 851 Vgl. BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; BGH GRUR 1968, 607, 609 f. – Kandinsky I; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 51 Rn. 37 f. 852 BGH GRUR 1993, 822, 824 – Katalogbild; s. oben S. 104 f.
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namentlich auf CD-ROM, zu beachten. Auch digitale Wiedergaben dürfen nicht primär einen Werkgenuss vermitteln, sondern müssen der inhaltlichen Erschließung der Ausstellung dienen, d. h. im oben genannten Sinne mit Textinformationen kombiniert werden. Großformatige, hochaufgelöste Wiedergaben, die separat kopiert und für kommerzielle Zwecke nutzbar gemacht werden könnten, sind daher auch im Katalogbereich unzulässig.853 Berücksichtigt man, dass Medien wie CD-ROM zur interaktiven Betrachtung bzw. Information auf dem Bildschirm vorgesehen sind, ist auf Speicher- und Ausdruckfunktionen im Interesse der Urheber richtigerweise ganz zu verzichten. bb) Zeitlicher Zusammenhang Die Herausgabe von Ausstellungsverzeichnissen ist ferner nur in zeitlichem Zusammenhang mit der betreffenden Ausstellung zulässig. Die zeitliche Einschränkung rechtfertigt sich – ebenso wie die inhaltliche – dadurch, dass das wesentliche, die Verzeichnisfreiheit rechtfertigende Privilegierungsinteresse im Informationsbedürfnis des Ausstellungspublikums zu sehen ist. Eine vom Ausstellungsbesuch losgelöste Herausgabe ist nicht privilegiert. Wie der »zeitliche Zusammenhang«, d. h. der zulässige Nutzungszeitraum, konkret zu bemessen ist, ist in der Literatur weiterhin umstritten.854 Die Formulierung scheint grundsätzlich Raum für gewisse Nutzungen vor und nach der Veranstaltung zu lassen. Unproblematisch ist zunächst die Herausgabe, d. h. die Verbreitung der Ausstellungsverzeichnisse bzw. Katalogbilder während des Veranstaltungszeitraums. Zulässig muss ferner sein, die für die Katalogherstellung erforderlichen Vervielfältigungen im Vorfeld des Ausstellungsbeginns vorzunehmen, um die Kataloge zum Ausstellungsstart verbreiten zu können. (1) Unterschiedlich beurteilt wird hingegen, ob und inwieweit auch ein Vertrieb der Kataloge im Vorfeld der Ausstellung in Betracht kommt. Nach überwiegender Auffassung gestattet der »zeitliche Zusammenhang« mit einer Ausstellung auch den Vertrieb der Verzeichnisse in einem gewissen Zeitraum vor der Veranstaltung.855 Das ist jedoch verfehlt,856 da kein Grund besteht, Ausstellungskataloge, die keine Werbemittel sind,857 bereits im Vorfeld der Veranstaltung zu vertreiben.858 Eine Herausgabe der Verzeichnisse zum bzw. kurz vor Ausstellungsbeginn reicht im Hinblick auf ihren Hauptzweck aus, dem Besucher 853 Vgl. oben S. 181 f., 184 f.; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 138. 854 Zum Meinungsstand unter der Geltung von § 58 UrhG a. F. vgl. oben S. 107. 855 Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 12; Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 5; so offenbar auch Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 21, 27. 856 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 19; ders., KUR 2005, 56, 59; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 142 f. 857 S. oben S. 159 ff. 858 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 19.
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eine vertiefende Nachbereitung der Veranstaltung zu ermöglichen oder ihn durch die Veranstaltung zu begleiten. (2) Der Abverkauf von Restexemplaren an Katalogen wiederum wird überwiegend für unzulässig gehalten.859 Allerdings wird sich die Anzahl der voraussichtlich nachgefragten Ausstellungsverzeichnisse im Vorfeld nicht exakt bestimmen lassen, so dass häufig mit überzähligen Exemplaren zu rechnen ist.860 Ferner kann damit gerechnet werden, dass einige Ausstellungsbesucher im Nachhinein noch einen Katalog erwerben möchten. Kirchmaier macht in diesem Zusammenhang weiter geltend, dass der Abverkauf der Restbestände in der Praxis – in der Regel wenige Einzelexemplare pro Monat – mengenmäßig zu vernachlässigen sei und den Urhebern daher keine nennenswerten Einnahmen verloren gingen. Ebenso wenig bestehe ein Anreiz für die Veranstalter, vom Abverkauf zu hoher Katalogauflagen nach Ausstellungsende profitieren zu wollen. Daher sei es wenig überzeugend, den Urheber aus guten Gründen eine Teilhabe am Erfolg des Katalogs während der Ausstellung zu verweigern, seine Position aber für den bedeutungslosen Abverkauf aufzuwerten.861 Diese durchaus beachtlichen Argumente können hingegen nichts daran ändern, dass die von § 58 Abs. 2 Alt. 1 UrhG bezweckte Information des Ausstellungspublikums bei einem Abverkauf nach der Veranstaltung nicht mehr erreicht werden kann. Mit Blick auf den Privilegierungszweck erscheint es allenfalls vertretbar, den »zeitlichen Zusammenhang« mit der Ausstellung auf maximal zwei Wochen nach Veranstaltungsende auszudehnen, insbesondere um Besuchern, die sich nicht gleich zum Kauf des Katalogs entschließen konnten, einen nachträglichen Erwerb zu ermöglichen. Ein darüber hinausgehender freier Verkauf ist zustimmungs- und vergütungspflichtig, kann jedoch durch eine entsprechende Vereinbarung mit der VG Bild-Kunst legitimiert werden.862
859 Wandtke/Bullinger/Lüft, § 58 Rn. 11; Mercker, S. 156; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 12; Dreyer/ Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 7, 21; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 21, 27; Schack, KuR Rn. 692; Lehment, S. 93; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 143; vgl. auch Jacobs, FS Tilmann, S. 49, 60; a. A. Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 19 (für einen Abverkauf in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren); ders., KUR 2005, 56, 59; Rehbinder, Rn. 484 (für eine zeitlich unbegrenzte Verbreitung). Für die Zulässigkeit eines Abverkaufs nach altem Recht bereits Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 394; Gerstenberg, Anm. zu LG München I, Schulze LGZ 162, 10, 12 (für den Vertrieb geringer Restbestände). 860 Vgl. Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 394. 861 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 19. 862 Vgl. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 143. Die VG Bild-Kunst kommt den Museen in diesem Punkt stark entgegen, indem ihr Standardvertrag den Vertrieb der Restauflage ohne zeitliche Beschränkung im Museum gestattet (Nr. 3.a).
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cc) Räumlicher Zusammenhang Seinem Wortlaut nach verlangt § 58 Abs. 2 UrhG keinen räumlichen Zusammenhang zwischen der Herausgabe der Verzeichnisse und der Ausstellung. Nach den Wertungen der BGH-Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F.,863 die insoweit Fortgeltung beanspruchen, muss der Vertrieb der Ausstellungsverzeichnisse jedoch auch einen räumlichen Bezug zur Ausstellung aufweisen. Denn der Zweck, die Ausstellung für Besucher zu erschließen, erfordert eine Verfügbarkeit der Verzeichnisse lediglich im Bereich des Ausstellungsorts, d. h. in den Räumlichkeiten der privilegierten Einrichtung, etwa an der Museumskasse. Werden die Verzeichnisse hingegen außerhalb der Einrichtung an anderen Orten, z. B. im normalen Buchhandel, an beliebige Personen vertrieben, wird ihr unmittelbarer Bezug zur Ausstellung und der Anwendungsbereich der Schranke verlassen.864 Der Vertrieb der Verzeichnisse ist daher grundsätzlich auf die Räumlichkeiten der jeweiligen Einrichtungen zu beschränken, wo sie vom Publikum der Einrichtung, insbesondere von Ausstellungsbesuchern, erworben werden können. Vertretbar erscheint daneben ein von Museen teilweise angebotener Versand von Katalogexemplaren, soweit er an den Erwerb einer Eintrittskarte geknüpft ist und nicht unabhängig vom Ausstellungsbesuch erfolgt.865 Ein Versand von Ausstellungskatalogen zu Werbezwecken ist dagegen von § 58 Abs. 2 UrhG nicht gedeckt.866 Punktuelle Abgaben zu Informations- oder Belegzwecken, etwa an Leihgeber,867 sind jedoch unschädlich. Kein Aspekt des räumlichen Bezugs zur Ausstellung, sondern des mit dem Vertrieb der Verzeichnisse ggf. verbundenen Erwerbszwecks ist die Frage, durch welche Einrichtungen oder Unternehmen der Verkauf der Verzeichnisse erfolgen darf (s. dazu unten 6.b). dd) Quantitative Grenzen Aus dem vom § 58 Abs. 2 UrhG vorausgesetzten inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Ausstellung ergibt sich keine konkrete zahlenmäßige Begrenzung der Nutzung. Grundsätzlich dürfen die Ausstellungsverzeichnisse in einer Auflage hergestellt und verbreitet werden, die der erwarteten Nachfrage entspricht, wobei häufig Restexemplare verbleiben.868 Da die Verzeichnisse nach 863 S. oben S. 104 ff. 864 So die ganz überwiegende Auffassung: Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7; Schricker/Loewenheim/ Vogel, § 58 Rn. 20; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 19; Mercker, S. 156, 146. Entsprechend bereits zu § 58 UrhG a. F. v. Gamm, § 58 Rn. 4; Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 36; Jacobs, FS Vieregge, S. 393. 865 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 20. 866 Vgl. oben S. 159 ff. A. A. Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 20. Für die grundsätzliche Zulässigkeit des Versands offenbar v. Gamm, § 58 Rn. 4 (zu § 58 UrhG a. F.). 867 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 20; vgl. auch Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 36, zu § 58 UrhG a. F. 868 Vgl. oben S. 224.
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hier vertretener Auffassung nur bis zu zwei Wochen nach dem Ende der Veranstaltung zustimmungsfrei angeboten werden dürfen, liegt es allerdings schon im Interesse der Einrichtungen, die Auflagenhöhe möglichst eng an den erwarteten Besucherzahlen und dem entsprechenden Katalogabsatz auszurichten. d) Arten von Ausstellungsverzeichnissen Im Ausstellungsbereich erfasst die neue Katalogbildfreiheit – wie bereits § 58 UrhG a. F.869 – neben klassischen Ausstellungskatalogen auch Ausstellungsführer im engeren Sinn, die wie Museumsführer der Orientierung und Information während des Ausstellungsrundgangs dienen. Zwar werden kompakte Kurzverzeichnisse, in denen die Exponate regelmäßig in kleinem Bildformat wiedergegeben werden, seltener für zeitlich begrenzte Sonderausstellungen hergestellt, so dass die praktische Relevanz von § 58 Abs. 2 UrhG insoweit geringer ist als für umfangreiche Ausstellungskataloge. Sofern Ausstellungsführer dem Publikum angeboten werden, erfüllen sie jedoch ebenfalls einen wichtigen Informationszweck, indem sie dem Besucher bebilderte Informationen zu den einzelnen Exponaten buchstäblich an die Hand geben und damit in zeitlicher, räumlicher und inhaltlicher Weise unmittelbar dem Ausstellungszweck dienen. Angesichts der hierfür in der Regel verwendeten kleineren Bildformate besteht, anders als bei Ausstellungskatalogen, zudem ein geringeres Risiko, dass bei der Wiedergabe die Vermittlung des Werkgenusses dominiert. 5.
Herausgabe von Verzeichnissen zur Dokumentation von Beständen (2. Alt.)
Der zweite Privilegierungszweck des § 58 Abs. 2 UrhG besteht in der Herausgabe von Verzeichnissen zur Dokumentation von Beständen. Der Begriff der Herausgabe wurde bereits erörtert (s. oben 4.b). Im Folgenden wird untersucht, was unter einem Bestandsverzeichnis zu Dokumentationszwecken zu verstehen ist, welche qualitativen und quantitativen Grenzen bei der Verwertung zu beachten sind und welche Arten von Bestandsverzeichnissen in Betracht kommen. a) Bestandsverzeichnisse Unter einem Verzeichnis ist im Allgemeinen eine in der Regel vollständig Auflistung von Gegenständen bzw. Informationen zu einem bestimmten Thema zu verstehen (s. oben 4.a). Da Verzeichnisse i. S. v. § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG speziell der Bestandsdokumentation dienen müssen, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Nutzung aus dieser Zwecksetzung im Einzelnen abzuleiten sind. 869 S. oben S. 105 f.
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aa) Begriff des Bestands (1) § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG gestattet den privilegierten Einrichtungen (im Rahmen des Dokumentationszwecks) die bildliche Erfassung ihres Bestands an Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken, unabhängig davon, ob die einzelnen Kunstgegenstände aus dem jeweiligen Bestand bzw. der Sammlung zugleich ausgestellt sind.870 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Freistellung nach § 58 UrhG a. F., die voraussetzte, dass alle genutzten Werke zumindest in absehbarer Zeit zur Ausstellung bestimmt waren.871 Berücksichtigt man, dass sich etwa 90 % der Sammlungsbestände öffentlicher Museen im Depot befinden sollen872 und Dauerausstellungen nur in größeren zeitlichen Abständen neu geordnet und bestückt werden, hat die Neufassung von § 58 UrhG somit zu einer massiven quantitativen Ausweitung der Nutzungsbefugnis geführt, die sowohl im Hinblick auf den restriktiven Charakter der Schrankenvorgabe in Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL873 als auch angesichts des fallengelassenen Bezugs zu einer künftigen öffentlichen Ausstellung bedenklich ist. Die bloße Bestandszugehörigkeit legitimiert bereits die Nutzung, obgleich bei eingelagerten Werken kein mit dem Interesse an Ausstellungsverzeichnissen vergleichbares Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht. (2) Nach überwiegender Auffassung kann dem Wortlaut eine Beschränkung auf »eigene« Bestände nicht entnommen werden, so dass auch Werke genutzt werden können, die nicht im Eigentum einer Institution stehen, sondern ihr nicht nur kurzzeitig als Leihgaben überlassen sind.874 Dem ist zuzustimmen, da jedenfalls Dauerleihgaben, d. h. Werke, deren Leihzeit auf einen längeren Zeitraum angelegt ist und die – ohne Bindung an ein temporäres Ausstellungsprojekt – in die Sammlung des Leihgebers integriert werden sollen,875 als zu einem Bestand gehörig angesehen werden können. Zudem ist der Rückgriff auf Dauerleihgaben zur Erweiterung und Ergänzung ihres Bestands gerade für Museen in öffentlicher Trägerschaft angesichts schrumpfender Etats für Ankäufe von großer Bedeutung.876 Dies gilt insbesondere für Gegenwartskunst, die 870 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 25. 871 S. oben S. 102 f., 105. 872 Bei privaten Museen liegt die Quote »nur« bei 50 %; Pommerehne/Frey, S. 78 f., unter Bezugnahme auf eine repräsentative Umfrage unter englischen Museen. 873 S. oben S. 73 ff. 874 Dreier/Schulze, § 58 Rn. 13. Ebenso Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 25; Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 20; ders., KUR 2005, 56, 59; Mercker, S. 152; v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 143; a. A. offenbar Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 22, die nur den »eigenen aktuellen Bestand« für privilegiert hält. 875 Kirchmaier, Museum heute, Heft 31, S. 37, 38 f. Die insoweit erforderliche Beständigkeit des – nur außerordentlich kündbaren – Leihverhältnisses dürfte bereits bei einer Überlassung von wenigen Jahren gewährleistet sein; Kirchmaier, a. a. O., S. 38 Fn. 20. 876 Vgl. Kirchmaier, a. a. O., S. 37, 38.
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mittlerweile in Preiskategorien gehandelt wird, die für die öffentliche Hand häufig jenseits aller Möglichkeiten liegen.877 Auch vor diesem Hintergrund sollten Dauerleihgaben, die (zumindest aus Sicht des Leihgebers) auf eine öffentlichkeitswirksame Präsentation angelegt sind, in ein Bestandsverzeichnis integriert werden dürfen.878 bb) Begriff der Dokumentation (1) Die Verzeichnisse müssen der »Dokumentation« von Beständen dienen. Welchem Zweck die Dokumentation ihrerseits dienen soll, geht aus dem Gesetzeswortlaut selbst nicht hervor. Unter einer Dokumentation wird im Allgemeinen das systematische Sammeln von Informationen unter Auswahl, Bewertung, inhaltlicher und formaler Erschließung und Aufbereitung sowie Speicherung der erfassten Daten verstanden.879 Der technisch anmutende Begriff legt damit zunächst interne bildliche Erfassungen von Werken, etwa zu wissenschaftlichen oder konservatorischen Zwecken, nahe. Mit der zweiten Nutzungsalternative in § 58 Abs. 2 UrhG wollte der deutsche Gesetzgeber jedoch offensichtlich (auch) die Möglichkeit der Herausgabe von Katalogen für Dauerausstellungen bzw. ständige Sammlungen sichern,880 die nach herrschender Meinung bereits von § 58 UrhG a. F. privilegiert war.881 Dementsprechend ist auch die Bestandsdokumentation in Verzeichnissen nach dem gesetzgeberischen Willen auf eine Herausgabe, d. h. Veröffentlichung des Verzeichnisses gegenüber dem Einrichtungs- bzw. Fachpublikum, angelegt,882 die nicht allein der bildlichen Dokumentation, sondern auch der inhaltlichen Erläuterung des Sammlungsbestands dient.883 (2) Ob daneben auch Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen zu rein internen Dokumentationszwecken bzw. für nichtöffentliche Nutzungen privilegiert sein sollen, ist zweifelhaft. Hiergegen spricht die vom deutschen Gesetzgeber bewusst privilegierte »Herausgabe« der Verzeichnisse.884 Zudem können archivarische Bildnutzungen zu eigenen konservatorischen Zwecken im Rah877 Vgl. P. Raue, in: Schack/Schmidt, S. 3, 4. 878 Ebenso Kucsko, FS 50 Jahre UrhG, S. 191, 192 zu § 54 Nr. 1 öUrhG 1936. Auch der Standardvertrag der VG Bild-Kunst zählt in Nr. 3.b) Werke zum Bestand, die »dem Museum aufgrund langfristiger Leihverträge (mindestens zwei Jahre) zur Verfügung stehen«. 879 Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Stichwort: Dokumentation. 880 Vgl. die Gesetzesbegründungen zu § 58 UrhG a. F. (s. oben S. 102) und § 58 Abs. 2 UrhG (s. oben S. 113 f.); Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 15, 17. 881 BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; Schricker/Vogel2, § 58 Rn. 10; Möhring/ Nicolini/Gass, § 58 Rn. 26; Jacobs, FS Vieregge, S. 381, 389; a. A. Fromm/Nordemann9, § 58 Rn. 2. 882 Vgl. oben S. 217 f. 883 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 20. 884 Vgl. oben S. 218.
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men von § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 UrhG vorgenommen werden.885 Auf der anderen Seite scheint Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, auf den § 58 Abs. 2 UrhG gestützt wird, gerade die Ermöglichung einrichtungsinterner Nutzungen zu bezwecken.886 In letzterem Sinne zählt Dreier zur Dokumentation zunächst all diejenigen Handlungen, die den Bestand dokumentieren, um für den Fall einer Beschädigung, Zerstörung oder des Abhandenkommens einen möglichst genauen Beleg des Werkes zu bewahren.887 Erst in zweiter Linie hält er auch die Zugänglichmachung von Vervielfältigungsstücken der Dokumentation (Bestandskataloge) gegenüber der Öffentlichkeit für zulässig, weil das Gesetz »darüber hinaus« von einer Herausgabe der Bestandsdokumentation spreche.888 Bei einer Privilegierung interner wie externer Nutzungen der Verzeichnisse entsteht jedoch das Problem, dass je nach Dokumentationszweck unterschiedliche Anforderungen an die Art und Weise der Vervielfältigung und Verbreitung zu stellen sind: So muss eine Vervielfältigung, die zu Erhaltungszwecken, d. h. für eine ggf. erforderliche Restaurierung des Werkstücks vorgenommen wird, in der Regel eine sehr viel höhere Qualität und ein größeres Format aufweisen als eine Abbildung in einem Verzeichnis, das »nur« der illustrierten Erläuterung der Sammlungsgegenstände für Besucher der Einrichtung dient. Die Wiedergabe von Werken in solchen Publikumskatalogen darf hingegen – auch angesichts der weitaus höheren Auflage an Exemplaren, die (anders als für interne Dokumentationen zu Erhaltungs- oder Forschungszwecken) hergestellt werden müssen – nicht dazu dienen, dem Betrachter einen Kunstgenuss zu vermitteln. Insoweit gelten die gleichen inhaltlichen Beschränkungen wie für Ausstellungsverzeichnisse.889 Die Verwendung derselben Vervielfältigungen für interne wie für Publikumsnutzungen erscheint daher weder praktikabel noch zulässig.890 Ferner erfordert der Informationszweck eines Bestandskatalogs, der in erster Linie für das Einrichtungs- bzw. Fachpublikum bestimmt ist, dass die Werkabbildungen mit weitergehenden Informationen zum Werk verbunden werden, während etwa bei Reproduktionen zu rein konservatorischen Zwecken die originalgetreue Wiedergabe sowie Angaben zum Zustand des Werkstücks im Vordergrund stehen. Zweifelhaft ist schließlich, ob es den praktischen Bedürf885 Vgl. Pfennig, Museum und UrhR, S. 129; Poeppel, S. 303 – 305, 401 Fn. 1033. 886 S. oben S. 73 ff. 887 Dreier/Schulze, § 58 Rn. 13. Ähnlich Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 25, der Nutzbarmachungen aus konservatorischen Gründen und zu Forschungszwecken für privilegiert hält; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 25, die zu den Anwendungsfällen die Überlassung von Bestandsverzeichnissen an eine Versicherung im Schadensfall oder an andere Museen zu Zwecken des Verleihs zählt. Zust. Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 5. 888 Dreier/Schulze, § 58 Rn. 13. 889 Dazu sogleich unten S. 230 f. 890 Vgl. Lehment, S. 93, demzufolge großformatige Reproduktionen zu Erhaltungszwecken in gebundener Form Kunstbildbänden gleichkämen.
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nissen einer Einrichtung entspricht, Vervielfältigungen zu internen Dokumentationszwecken in einem physisch eine Einheit bildenden, (theoretisch) publizierbaren Verzeichnis zusammenzufassen. Wären zur internen wie externen Verwendung vorgesehene Dokumentationen gleichermaßen privilegiert, so müsste ein und dieselbe Einrichtung folglich – abhängig vom jeweiligen Dokumentationszweck – berechtigt sein, verschiedene Arten von Verzeichnissen herzustellen, etwa eines zu Zwecken der Bestandserhaltung und ein anderes zur Erläuterung des Bestands für das Publikum.891 Dies erlaubte wiederum eine Mehrfachnutzung der einzelnen Sammlungsgegenstände, was auch im Hinblick darauf, dass Art. 5 Abs. 2 lit. c und Abs. 5 HRL Beschränkungen der Verwertungsrechte nur für »bestimmte« Sonderfälle erlauben, bedenklich wäre. Richtigerweise ist daher, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung und der Privilegierung der »Herausgabe«, nur die Herstellung von zur Publikation bestimmten Bestandsverzeichnissen zu Informationszwecken von § 58 Abs. 2 UrhG erfasst.892 cc) Dokumentation von Teilbeständen Wie bereits erwähnt, sollten die Einrichtungen über den Begriff des Verzeichnisses nicht gezwungen sein, darin sämtliche Werke eines Bestands oder einer Ausstellung wiedergeben zu müssen. Anders als bei Ausstellungsverzeichnissen impliziert der Nutzungszweck der Dokumentation des Bestands allerdings, dass es gerade auf die bildliche Dokumentation der Gegenstände in dem Verzeichnis ankommt und eine (teilweise) Beschreibung der Werke hier nicht genügt. Wo eine Wiedergabe aller Werke angesichts des Umfangs einer Sammlung nicht möglich oder nicht sinnvoll ist, muss jedoch auch die Dokumentation von Teilbeständen, z. B. der grafischen Sammlung eines Museums, zulässig sein.893 Diese Möglichkeit scheint auch bereits im Wortlaut von § 58 Abs. 2 UrhG angelegt, der den Einrichtungen die Dokumentation von Beständen erlaubt. b) Qualitative, quantitative und räumliche Grenzen der Nutzung Bei der Herausgabe von Bestandskatalogen, die bei Museen auch Werke in Dauerausstellungen umfassen und dem Einrichtungspublikum angeboten werden, sind – ebenso wie für (Sonder-)Ausstellungsverzeichnisse – die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. weiterhin zu beachten.894 Dement891 Vgl. Dreyer/Kothoff/Meckel, § 58 Rn. 22, die fordert, dass nicht nur die Herstellung, sondern auch der Vertrieb der Druckwerke oder Datenträger durch den Dokumentationszweck gerechtfertigt sein muss. 892 Ebenso Lehment, S. 94. 893 In diesem Sinne auch Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 25. Ebenso Kucsko, FS 50 Jahre UrhG, S. 191, 193, zu Sammlungsverzeichnissen i. S. v. § 54 Nr. 1 öUrhG 1936. 894 S. oben S. 104 ff.
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sprechend ist eine zustimmungs- und vergütungsfreie Nutzung der Katalogbilder nur dann zulässig, wenn die Wiedergabe den Zweck der (erläuternden) Dokumentation der Werke in der Dauerausstellung und im sonstigen Bestand für das Publikum inhaltlich und räumlich unmittelbar fördert; der ebenfalls geforderte zeitliche Bezug entfällt hingegen für Bestandsverzeichnisse, es sei denn, das Verzeichnis erfasst speziell den ausgestellten (Teil-)Bestand der Einrichtung in Gestalt eines Dauerausstellungskatalogs, der bei einem Wechsel der Dauerausstellung zu aktualisieren ist. aa) Zur inhaltlichen und räumlichen Unterordnung unter den Ausstellungsbzw. Dokumentationszweck gelten die Ausführungen zu Ausstellungsverzeichnissen entsprechend.895 Das heißt, der Bestands- bzw. Sammlungskatalog muss unmittelbar dazu dienen, dem Einrichtungspublikum die Sammlungsgegenstände bzw. den jeweiligen Sammlungsbereich inhaltlich zu erschließen. Dies erfordert erläuternde Informationen zu den einzelnen Werken, die vom Leser – gedanklich und redaktionell – im Zusammenhang mit dem Katalogbild wahrgenommen werden können. Dabei darf die Vermittlung des Werkgenusses nicht im Vordergrund stehen; die Abbildungen dürfen nicht qualitativ an Kunstbildbände heranreichen896. Dies gilt auch für Wiedergaben in digitalen OfflineMedien wie CD-ROM.897 bb) Wie für Ausstellungsverzeichnisse gilt weiter, dass der Vertrieb für das Publikum konzipierter Bestandsverzeichnisse grundsätzlich nur in den Räumen der Einrichtung erfolgen darf. Zwar entfällt für diejenigen der abgebildeten Exponate, die langfristig eingelagert sind, die – von § 58 UrhG a. F. prinzipiell vorausgesetzte – Möglichkeit der körperlichen Wahrnehmung durch Einrichtungsbesucher ohnehin. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die Einrichtungen ihre Bestandsverzeichnisse deshalb überall, etwa im normalen Buchhandel, verbreiten dürfen. Vielmehr lässt sich auch § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG nur durch das vom Gesetzgeber betonte Bedürfnis des Publikums an Informationen über die dort verwahrten, zum Teil ausgestellten und für das Publikum erschlossenen Werke rechtfertigen. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schranke898 dürfen die Bestandsverzeichnisse daher auch nur in der Einrichtung verkauft oder allenfalls zusammen mit Eintrittskarten an künftige Besucher versandt werden. cc) Auch quantitativ ist die Nutzung nicht unbeschränkt zulässig. Die Anzahl der hergestellten Verzeichnisse darf sich allerdings – wie bei Ausstellungsver895 S. oben S. 221 – 223, 225. 896 Poeppel, S. 400. 897 Vgl. oben S. 222 f. Graf weist allerdings darauf hin, dass ein Bestandskatalog auf CD-ROM schon aus wissenschaftlichen Gründen eine hohe Bildqualität bieten müsse; Kunstchronik 2005, 457, 458. 898 Vgl. oben S. 88 ff.
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zeichnissen – am tatsächlichen bzw. erwarteten Bedarf der Einrichtung orientieren. Der Standardvertrag der VG Bild-Kunst erlaubt den Museen in der Praxis die Herstellung einer Auflage von bis zu 2.000 Exemplaren ohne Zahlung einer Vergütung.899 Bei einer höheren Auflage, die grundsätzlich gebührenpflichtig ist,900 wird unterstellt, dass ein Bestandsverzeichnis Erwerbszwecke verfolgt.901 c) Arten von Bestandsverzeichnissen Als Bestandsverzeichnisse, die – wie von § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG intendiert – für das Publikum herausgegeben werden, kommen neben dem bereits erwähnten klassischen Bestandskatalog eines Museums, d. h. einem umfangreicheren kommentierten gedruckten oder digitalen (Offline-)Verzeichnis von Gesamtund Teilbeständen, auch kompaktere Museumsführer in Betracht, die dem Besucher kurzfristig wesentliche Informationen zu Werken in einer Dauerausstellung vermitteln sollen und schon gemäß § 58 UrhG a. F. privilegiert waren.902 Die zulässige Dokumentation von Teilbeständen dürfte solche Verzeichnisse von dauerhaft ausgestellten Exponaten begrifflich noch erfassen. Ihre Privilegierung rechtfertigt sich, wie bereits im Kontext von Ausstellungsführern dargelegt, durch das Informationsbedürfnis des Publikums. Die Nutzung von in der Regel kleinformatigen, von Text begleiteten Wiedergaben in Museumsführern birgt überdies in geringerem Maße die Gefahr einer Beeinträchtigung der normalen Werkauswertung durch den Urheber als großformatigere Abbildungen in Bestandskatalogen. Anders als bei Bestandskatalogen wird eine Herausgabe von Museumsführern in digitalen (Offline-)Verzeichnissen nicht in Betracht kommen, da Museumsführer auf den praktischen Gebrauch während der Ausstellung angelegt sind.903 Als eine weitere Variante von Bestandsverzeichnissen kommen Kataloge von Bibliotheken in Betracht, die Nutzern zum Zweck der Ausleihe der darin dokumentierten Originalkunstwerke in den Räumen der Einrichtung zur Verfü899 Nr. 3.b) des Standardvertrags. 900 Für die weitere Auflage wird jedoch ein Nachlass auf den Tarif von 50 % gewährt. Liegt der Herstellungspreis nicht mehr als 25 % über den Herstellungskosten, bleiben auch Auflagen über 2.000 Exemplaren gebührenfrei; Nr. 3.b) des Standardvertrags. 901 S. die Ausführungen auf der Internetseite der VG Bild-Kunst zur Frage »Was ist die Katalogbildfreiheit und welche Nutzungen sind möglich«, www.bildkunst.de/vg-bild-kunst/rechte-imueberblick/ausnahmen-und-schrankenregelungen-im-urheberrecht.html (20. 10.2013). Zur Unzulässigkeit der Verfolgung eines eigenständigen Erwerbszweckes mit den Verzeichnissen vgl. unten S. 233 ff. 902 Vgl. BGH GRUR 1994, 800, 802 – Museumskatalog; OLG Frankfurt GRUR 1994, 116, 118 – Städel (Vorinstanz); Mercker, S. 154. 903 Da § 58 Abs. 2 UrhG die öffentliche Zugänglichmachung von Werken nicht gestattet, darf die Einrichtung ihrem Publikum zu diesem Zweck auch keine digitalen Bestandsverzeichnisse in Form einer Smartphone-App zugänglich machen.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
233
gung gestellt werden.904 Das Verzeichnis erfüllt in diesen Fällen die Funktion des Katalogs einer Artothek. Schließlich können auch sonstige Bestände von Kunstwerken in Bildungseinrichtungen und Bibliotheken zur Information des Publikums dokumentiert werden. Die Ausführungen zur inhaltlichen und räumlichen Unterordnung der Wiedergabe unter den Dokumentationszweck (oben b) gelten hierfür entsprechend.
6.
Keine Verfolgung eines eigenständigen Erwerbszwecks
§ 58 Abs. 2 UrhG gibt vor, dass mit den herausgegebenen Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen »kein eigenständiger Erwerbszweck« verfolgt werden darf. Wie bereits dargelegt, entstammt dieses Ausschlusskriterium Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL, der jedoch weitergehend »jeden unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck« der Nutzung für unzulässig erklärt. Aus den Wertungen der Richtlinie einschließlich des Verbots mittelbarer kommerzieller Zwecksetzungen folgt zugleich, dass auch die Einrichtungen selbst nichtkommerziellen Charakter aufweisen müssen; anderenfalls ginge der Anwendungsbereich von § 58 Abs. 2 UrhG über den von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL gesetzten Rahmen hinaus.905 Fraglich ist, wie der im deutschen Recht für die Herausgabe der Bestandsverzeichnisse geltende Ausschluss »eigenständiger Erwerbszwecke« vor diesem Hintergrund zu verstehen ist. a) Bedeutung des Kriteriums aa) Zur Auslegung des Begriffes des »eigenständigen« Erwerbszwecks der Verzeichnisse werden in der Literatur verschiedene, wenn auch nicht stark voneinander abweichende Auffassungen vertreten. Nach Ansicht von Pfennig ist die Nutzung genehmigungs- und gebührenfrei, wenn Kataloge im Museum oder Ausstellungsinstitut verkauft werden und in der üblichen Form ohne besonderen dekorativen oder repräsentativen Charakter hergestellt worden sind, um eine Ausstellung oder Gesamt- bzw. Teilbestände des Hauses zu dokumentieren. Bei Bestandskatalogen setze die Vergütungspflicht spätestens dann ein, wenn das Museum die »Schwarze Null« erwirtschafte, also nach Deckung der Herstellungskosten Überschüsse aus dem weiteren Vertrieb im Hause erziele.906 Die überwiegende, u. a. von Vogel vertretene Ansicht stellt allgemeiner darauf ab, dass die Einrichtungen die Verzeichnisse nicht mit Gewinnerzielungsabsicht herausgeben dürfen. Der zumindest im Museumsbereich übliche Verkauf von Ausstellungs- und Bestandskatalogen bzw. Museumsführern darf danach nicht 904 Vgl. oben S. 208. In diesem Sinne auch Dreyer/Kothoff/Meckel, § 58 Rn. 25. 905 S. oben S. 205 f. 906 Pfennig, Museen und UrhR, S. 91.
234
Die Rechtslage in Deutschland
der Generierung von Gewinnen dienen; die Verzeichnisse dürfen also allenfalls zum Selbstkostenpreis angeboten werden.907 Nach der etwas weniger strengen Ansicht von Kirchmaier soll ein Verkauf zu einem Preis zulässig sein, der »nicht wesentlich über dem Gestehungspreis liegt« und dadurch auch sonstige Kosten des Herausgebers, insbesondere eigene Personalkosten, abdeckt.908 bb) Richtigerweise ist der Ausschluss eines »eigenständigen Erwerbszweckes« mit der überwiegenden Auffassung so zu verstehen, dass der Vertrieb von Ausstellungs- wie von Bestandsverzeichnissen nicht auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet sein darf, sei es durch die jeweilige Einrichtung selbst oder einen Dritten (dazu unten b). Diese Auslegung entspricht dem Merkmal der unzulässigen »Eigenständigkeit« des Erwerbszwecks und der § 58 Abs. 2 UrhG zugrunde liegenden Interessenbewertung, mit der eine Gewinnerzielung mit den Verzeichnissen, d. h. eine (über die Vergütungsfreiheit hinausgehende) »Subventionierung« der Einrichtungen durch die Urheber, nicht vereinbar ist, selbst wenn hiervon nichtkommerzielle Institutionen profitieren. Die Abgabe der Verzeichnisse durch die Einrichtung darf daher gemäß § 58 Abs. 2 UrhG maximal zum Selbstkostenpreis erfolgen, in den allerdings nach der zuletzt dargelegten Auffassung auch Gemeinkosten (etwa Personalkosten) einbezogen werden dürfen, soweit diese auf die Katalogproduktion entfallen. In der Praxis kann statt der Beschränkung auf den Selbstkostenpreis pro Exemplar alternativ, Pfennig folgend, eine Verbreitung bis zu dem Punkt erfolgen, an dem mit dem Verkauf der Verzeichnisse nach Deckung der Herstellungskosten Überschüsse erzielt werden.909 Entscheidend ist, dass die jeweilige Publikation nicht der Erwirtschaftung von Gewinnen dient, die auch gemeinnützige Einrichtungen zur Finanzierung ihrer Tätigkeit legitimerweise anstreben.
907 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 26; Dreier/Schulze, § 58 Rn. 7, 14; Wandtke/Bulllinger/Lüft, § 58 Rn. 11; Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 58 Rn. 25; Schmid/Wirth/Seifert, § 58 Rn. 4; Mercker, S. 157; Dix, S. 145. Für eine nach dem Vorbild von § 54 Abs. 1 Nr. 2 öUrhG (s. oben S. 100 Fn. 225) unentgeltliche oder zu einem die Herstellungskosten deckenden Preis erfolgende Verbreitung auch Schack, UrhR, Rn. 569 Fn. 165. Vgl. auch v. Gamm, § 58 Rn. 4, zu § 58 UrhG a. F. (»Vertrieb im allgemeinen nur zu Preisen, die im wesentlichen die Kosten decken«). 908 Mestmäcker/Schulze/Kirchmaier, § 58 Rn. 21; zust. v. Westerholt, in: Handbuch KuR, S. 125, 144; ähnlich Fromm/Nordemann/W. Nordemann, § 58 Rn. 6, der die Deckung eines angemessenen Gewinnkostenanteils – gemeint ist vermutlich Gemeinkostenanteil – für zulässig hält. Weitergehend Möhring/Nicolini/Gass, § 58 Rn. 26 zu § 58 UrhG a. F., der nur eine Verbreitung der Kataloge ausschloss, die nicht in erster Linie bzw. überwiegend kommerziellen Zwecken diente. 909 Die VG Bild-Kunst kommt den Museen bei der Herausgabe von Bestandskatalogen insoweit entgegen und beansprucht erst dann Gebühren, wenn der Verkaufspreis der Kataloge mehr als 25 % über den Herstellungskosten liegt; s. oben S. 232 Fn. 900.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
235
b) Kooperation des Herausgebers mit Dritten Der Ausschluss eines eigenständigen Erwerbszweckes wirft die Frage auf, ob und inwieweit Dritte an den Verzeichnissen verdienen dürfen. aa) Wie bereits im Zusammenhang mit dem Begriff des Herausgebens erwähnt, ist es zunächst unschädlich, wenn sich die Einrichtungen bei der Herstellung der Verzeichnisse der Unterstützung einer Druckerei oder eines Verlags bedienen, solange sie selbst Herausgeber bleiben. Gleiches gilt für weitere Dritte, etwa freie Fotografen, Grafiker oder Bildagenturen, die gewerbsmäßig an der Herstellung der Verzeichnisse beteiligt sind, weil die privilegierten Einrichtungen häufig nicht über Personal und Ausstattung verfügen, um die Verzeichnisse selbst zu produzieren.910 Würde sich der Ausschluss eines Erwerbszwecks auch auf derartige Dienstleister beziehen, wäre es vielen Einrichtungen unmöglich, Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnisse herauszugeben. Darüber hinaus verlangt § 58 Abs. 2 UrhG nur, dass mit den (fertigen) Verzeichnissen kein Erwerbszweck verfolgt wird. bb) Problematisch ist es hingegen, wenn auch der Vertrieb durch gewerbsmäßig handelnde Dritte erfolgt, z. B. durch einen in den Räumlichkeiten des Museums ansässigen Museumsshop, der nicht vom Träger der Einrichtung, sondern von einem privaten Unternehmen unterhalten wird.911 Denn in diesen Fällen partizipiert ein gewerbsmäßig handelnder Dritter unmittelbar am Verkauf der Kataloge, die insofern einen eigenständigen Erwerbszweck erfüllen.912 Der Vertrieb der Verzeichnisse über einen Museumsshop kommt daher nach richtiger Auffassung nur dann in Betracht, wenn dieser vom Museum bzw. seinem Träger oder von einem Förderverein oder Freundeskreis unterhalten wird, der am Katalogvertrieb nicht eigens profitiert. Hat das Museum bzw. sein Träger kommerzielle Aktivitäten auf eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft ausgelagert, die den Museumsshop betreibt, ist der dortige Vertrieb der Verzeichnisse nur dann zustimmungs- und vergütungsfrei, wenn das Unternehmen daran nicht zusätzlich verdient. Eine Verbreitung über organisatorisch 910 Vgl. oben S. 169 für den Bereich der Nutzung zu Werbezwecken. 911 Laut einer 2004 vom Institut für Museumsforschung veröffentlichten Studie gaben 159, d. h. 72 % der 219 teilnehmenden Kunstmuseen mit Museumsshops an, dass der Shop im Eigenbetrieb, d. h. als Abteilung des Museums geführt werde. In 21 Museen (9,6 %) wurde der Shop durch einen Förderverein/Freundeskreis betrieben, 7 Museen (3,2 %) hatten eine trägereigene GmbH damit betraut. Lediglich 17 Museen (7,8 %) hatten den Shop an externe Pächter/Betreiber ausgelagert; Hütter/Schulenburg, Museumsshops, IfM, Heft 28, S. 69. 912 Vor diesem Hintergrund können die Kosten für den Vertrieb der Verzeichnisse durch externe Dritte auch nicht etwa in die (Selbst-)Kosten des Veranstalters für Katalogherstellung und -verbreitung eingerechnet werden. Bei an Dritte verpachteten Museumsshops kommt hinzu, dass das Museum je nach Vertragsgestaltung auch an den Einnahmen des Pächters partizipiert; vgl. Kirchmaier, KUR 2004, 177, 184. Ein auf Gewinnerzielung angelegter Vertrieb der Kataloge durch den Pächter trägt in diesem Fall zumindest mittelbar auch zu Einkünften des Museums bei.
236
Die Rechtslage in Deutschland
selbständige Museumsshops Dritter oder Buchhandlungen, die regelmäßig mit Gewinnerzielungsabsicht handeln, ist hingegen von § 58 Abs. 2 UrhG nicht mehr privilegiert.913 Gleiches gilt für einen sonstigen gewerblichen Vertrieb durch Dritte, etwa über den eingeschalteten Verlag, abgesehen davon, dass ein Verkauf außerhalb der privilegierten Einrichtung von § 58 Abs. 2 UrhG grundsätzlich nicht mehr gedeckt ist.914 cc) Ein weiteres Problem liegt in der Zusammenarbeit der Einrichtung mit Sponsoren, die bereits im Kontext von § 58 Abs. 1 UrhG erörtert wurde.915 So ist es heute üblich, dass private Sponsoren, die eine Museumsausstellung finanziell unterstützen, auch in Ausstellungskatalogen erwähnt werden. Mit ihrer Nennung im Verzeichnis erfüllt die Publikation für das betreffende Unternehmen zwar keinen »eigenständigen« Erwerbszweck; auch wird der Sponsor üblicherweise auf den ersten Katalogseiten mit einleitenden Texten und (anders als in der Werbung) nicht direkt neben der Abbildung von Exponaten bzw. Sammlungsgegenständen angegeben. Seine Aufführung im Verzeichnis hat jedoch mittelbar einen werbenden, d. h. kommerziellen Effekt, der nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ausgeschlossen scheint. Dennoch ist fraglich, ob tatsächlich jede indirekte kommerzielle Auswirkung als »mittelbarer wirtschaftlicher oder kommerzieller Zweck« der Nutzung i. S. d. Richtlinie anzusehen ist.916 Zwar widerspricht es den Wertungen der Richtlinie, dass kommerzielle bzw. gewerbsmäßig tätige Einrichtungen selbst zustimmungs- und vergütungsfreie Nutzungen vornehmen dürfen917; denn die Werkverwertung, die unter die operative Tätigkeit der Einrichtung fällt, verfolgt in diesen Fällen stets ein Erwerbsinteresse. Wollte man jedoch darüber hinaus jedweden wirtschaftlichen Vorteil ausschließen, der mit den Verzeichnissen verbunden ist, wird ihre von § 58 Abs. 2 UrhG freigestellte Herausgabe in der Praxis erheblich erschwert. So kann auch ein Verlag, der die Herstellung eines Katalogs übernimmt, vom Abdruck seines Namens auf dem Katalogcover profitieren und dadurch andere Aufträge generieren. Ein entsprechend mittelbarer kommerzi913 Schricker/Loewenheim/Vogel, § 58 Rn. 20; Mercker, S. 146; a. A. Fromm/Nordemann/ W. Nordemann, § 58 Rn. 6, der den Vertrieb über einen Händler für alle privilegierten Einrichtungen für zulässig hält, weil Bibliotheken und Bildungseinrichtungen über Verkaufsstellen wie Museumsshops im Regelfall nicht verfügen. 914 S. oben S. 225, 231. 915 S. oben S. 156 f. 916 In diesem Sinne bejahte der öst. OGH ein erwerbsmäßiges Handeln für den Fall, dass eine Ausstellung ihrem Sponsor mittelbare wirtschaftliche Vorteile in Form der Imagepflege vermittelt; OGH KUR 2000, 109, 113 f. zur Auslegung des Merkmals »zu Erwerbszwecken« im mittlerweile aufgehobenen § 16b öUrhG, der eine Ausstellungsvergütung vorsah. Geht man davon aus, dass § 58 Abs. 2 UrhG bei richtlinienkonformer Auslegung nicht nur einen eigenständigen, sondern jedweden Erwerbszweck der Nutzung verbietet, wären Sponsorenangaben in Verzeichnissen nach dieser weitgehenden Interpretation stets unzulässig. 917 S. oben S. 205 f.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
237
eller »Zweck« der Katalogherausgabe, der auch mit der Nennung von Sponsoren auf den ersten Katalogseiten verbunden ist, sollte daher unschädlich sein. 7.
Schranken der Freistellung
Mit Blick auf die weiteren Schranken der Freistellung kann auf die Ausführungen zu § 58 Abs. 1 UrhG verwiesen werden. Bei der Verwertung sind wiederum die Urheberpersönlichkeitsrechte der Schöpfer der genutzten Werke zu wahren. § 58 Abs. 2 UrhG bezieht sich zunächst, wie Abs. 1, nur auf veröffentlichte Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke.918 Ihre Wiedergabe in Ausstellungsund Bestandsverzeichnissen ist stets mit den erforderlichen Quellenangaben (Urheberbezeichnung, Titel, Schöpfungsjahr, Ausstellungsort) zu versehen (§ 63 Abs. 1 UrhG), die aufgrund des Deutlichkeitsgebots grundsätzlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werkabbildung angesiedelt werden sollten.919 Die Quellenangabe ist aber auch dann noch hinreichend deutlich, wenn sie etwa auf der gegenüberliegenden Seite neben dem erläuternden Text zum Werk erfolgt oder wenn die Werkabbildungen mit Nummern versehen sind, denen auf einer vorhergehenden oder folgenden Seite die Quellenangaben zugeordnet sind. Daneben ist gemäß §§ 14, 62 Abs. 1 UrhG bei der Wiedergabe in gedruckten oder digitalen Katalogen die Integrität der Werke zu wahren.920 Gemäß § 62 Abs. 3 UrhG hat der Urheber allerdings Größenänderungen, insbesondere Verkleinerungen, und gewisse durch das Vervielfältigungsverfahren bedingte Abweichungen vom Original (Dimensionswechsel, geringfügige Farbabweichungen, Vergröberungen beim Druck) hinzunehmen; entsprechende Änderungen sind jedoch möglichst zu vermeiden.921 Die Nutzung von Werkausschnitten ist auch in Verzeichnissen, die nach § 58 Abs. 2 UrhG umfangreich verbreitet werden dürfen, grundsätzlich unzulässig, da sie mit einem vom Urheber nicht hinzunehmenden Eingriff in die Werksubstanz und -aussage verbunden ist.922 Schließlich sind auch bei der Werknutzung in Verzeichnissen die Verwertungs- und Urheberpersönlichkeitsrechte der Reproduktionsfotografen zu wahren. Neben der Einholung der Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an den Werkablichtungen ist daher auch der Name des jeweiligen Fotografen in den Verzeichnissen anzuführen.923 918 919 920 921 922 923
S. oben S. 187. S. oben S. 188 ff. S. oben S. 191 ff. S. oben S. 193 ff. S. oben S. 196 f. S. oben S. 197.
238 8.
Die Rechtslage in Deutschland
Bewertung der aktuellen Katalogbildfreiheit und ihrer Richtlinienkonformität
Wie oben (unter A.IV.3) festgestellt, scheint bei einer generellen Abwägung der von § 58 Abs. 2 UrhG betroffenen Interessen die Einführung eines Vergütungsanspruchs für Katalognutzungen bereits de lege lata geboten. Dieses Ergebnis bestätigt sich nach der Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale, die zusätzliche Zweifel an der Richtlinienkonformität der Schranke aufkommen lässt. a) Da Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL nur »bestimmte Vervielfältigungshandlungen« privilegiert wissen will und auch die Entstehungsgeschichte der Norm einen engen Anwendungsbereich nahe legt,924 stellt sich bereits die Frage, ob die von § 58 Abs. 2 UrhG zustimmungsfrei gestatteten – quantitativ wie qualitativ weitgehenden – Nutzungen tatbestandlich noch von der Richtlinie gedeckt sind. In jedem Fall dürfte die Vergütungsfreiheit der Nutzung den Wertungen der Richtlinie in ihrer aktuellen Gestalt widersprechen.925 b) Hinzu kommt, dass die § 58 UrhG a. F. zugrunde liegende Interessenabwägung insbesondere bei der Freistellung nach § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG nicht mehr gewahrt ist. Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL erlaubt Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archiven bestimmte Nutzungshandlungen, die ihrer im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeit zugute kommen. Die ersten drei Einrichtungen, die öffentlich zugänglich sind, zeichnen sich (neben der Sammlung und Bewahrung von Werken) durch ihren Bildungsauftrag aus, der anhand der Ausstellung bzw. anderweitigen Zugänglichmachung der Sammlungsgegenstände verwirklicht werden soll. Unter diesem Aspekt erkannte der Gesetzgeber von 1965 ein Bedürfnis für eine Freistellung von Ausstellungskatalogen in § 58 UrhG a. F. an, mit denen Ausstellungsbesuchern der Inhalt der Veranstaltung vertiefend erschlossen werden sollte. Eine von einer Ausstellung losgelöste Publikation der Werke war von der Schranke nicht gedeckt, wenngleich auch »zur Ausstellung bestimmte« Werke genutzt werden durften. Mit der Privilegierung ganzer Bestände einschließlich langfristig eingelagerter Werke wurde der früher vorausgesetzte unmittelbare Bezug zwischen Ausstellung und Ausstellungsverzeichnis, der § 58 UrhG a. F. als legitime »Verlängerung« der in § 44 Abs. 2 UrhG anerkannten Ausstellungsfreiheit erscheinen ließ,926 hingegen fallengelassen. Zwar entspricht auch die Kunstvermittlung anhand von Beständen dem Forschungs- und Bildungsauftrag von Museen, die aus Platzmangel nicht ausstellbare Werke dem Publikum vollständig präsentieren möchten. Mit der Dokumentation eingelagerter Werke, die ihren Kommunikationswert für 924 S. oben S. 73 ff. 925 S. oben S. 78, 93 f. 926 Berger, ZUM 2002, 21, 23; vgl. auch oben S. 56.
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längere Zeit eingebüßt haben, entspricht das Museum jedoch nüchtern betrachtet nur noch einem Archiv,927 das die verwahrten Gegenstände erläutert. Verzeichnisse von Archiven sind indessen nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers ebenso wenig privilegiert928 wie Kataloge privater, nicht-öffentlicher Kunstsammlungen. Der Gesetzgeber prämiert damit im Ergebnis die kulturpolitische Aufgabe und Funktion, die insbesondere Museen als institutionalisierte Aussteller erfüllen.929 Die Balance zwischen den Interessen der Allgemeinheit, der Museen und der Urheber, die bereits unter der Geltung von § 58 UrhG a. F. in Frage gestellt wurde, ist dabei jedoch nicht mehr gewahrt. c) Das Anliegen des Gesetzgebers, die Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandskatalogen umfassend zu ermöglichen, stößt aber auch mit Blick auf den Tatbestand und die Zweckrichtung von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL auf Schwierigkeiten. So scheint die Richtlinie vorauszusetzen, dass die privilegierten »Gedächtnisinstitutionen« über Sammlungsbestände verfügen, die es zu erhalten und zu vermitteln gilt.930 Die Privilegierung der reinen Ausstellungstätigkeit klingt in der Richtlinie nicht an.931 Die kulturpolitisch ebenso wünschenswerte Herausgabe der Kataloge von Ausstellungshäusern ist damit von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL und § 58 Abs. 2 UrhG nicht gedeckt. Es bedürfte insoweit einer Neufassung von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL oder der Einführung einer eigens auf die Tätigkeit der Museen und Ausstellungshäuser zugeschnittenen Schranke, um eine allgemeine Privilegierung von Ausstellungskatalogen zu legitimieren. Dass § 58 Abs. 2 UrhG weniger der Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL als der Aufrechterhaltung und Ausdehnung von § 58 UrhG a. F. dient, zeigt sich auch daran, dass – trotz der Privilegierung von Bibliotheken und Bildungseinrichtungen – lediglich Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke genutzt werden dürfen. d) Damit bleibt festzuhalten, dass für die von § 58 Abs. 2 UrhG gestatteten Nutzungen ein gesetzlicher Vergütungsanspruch einzuführen ist. Angesichts der Vielzahl von Rechtsinhabern ist der Anspruch über eine Verwertungsgesellschaft geltend zu machen, die im Einvernehmen mit den Künstlern die besondere Rolle von Museumsnutzungen bei der Frage nach der Vergütungshöhe berücksichtigen kann.932 Die Gewährung einer angemessenen Vergütung ent927 928 929 930 931
S. Schack, in: Schack/Schmidt, S. 13, 14. S. oben S. 213 f. Poeppel, S. 401. S. oben S. 206 f. Auch die Museen wurden erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens im letzten Richtlinienentwurf ausdrücklich in den Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL mit einbezogen; s. oben S. 77 f. 932 Die französische Verwertungsgesellschaft ADAGP (www.adagp.fr) etwa gewährt bei Wiedergaben in Ausstellungskatalogen Nachlässe von bis zu 50 % auf den normalen Nutzungstarif; s. unten S. 306 f.
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Die Rechtslage in Deutschland
schärft zugleich das Problem, dass die Kataloge bei enger Auslegung der Schranke in ihrer aktuellen Form keinen Werkgenuss vermitteln dürfen, was sich praktisch kaum verwirklichen lässt933 und de facto weder im Interesse der Museen noch des Publikums liegt. Aus Sicht der Urheber mag ein Vergütungsanspruch auch dem in der Praxis schwerlich vermeidbaren Umstand Rechnung tragen, dass neben den Museen auch die in den Katalogen erwähnten Sponsoren mittelbar von der Werknutzung profitieren.934
9.
Zusammenfassung
§ 58 Abs. 2 UrhG privilegiert jeweils öffentlich zugängliche und gemeinnützige Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen mit eigenen Sammlungen,935 die Werke der bildenden Kunst (im weiteren Sinne936) und Lichtbildwerke in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen vervielfältigen und verbreiten, d. h. herausgeben dürfen. Obgleich die Schranke die Herstellung von Ausstellungsverzeichnissen gestattet, werden Einrichtungen ohne eigene Sammlungsbestände (Ausstellungshäuser) bei richtlinienkonformer Auslegung nicht erfasst.937 Auch Archiven, die der Öffentlichkeit nicht per se zugänglich sind und die sich nicht durch einen öffentlichen Bildungsauftrag im engeren Sinne auszeichnen, bleibt die vergütungsfreie Herausgabe von Katalogen zwangsläufig verschlossen.938 Für den erforderlichen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Ausstellung sind weiterhin die unter § 58 UrhG a. F. vom BGH aufgestellten Grundsätze maßgeblich. Das Ausstellungsverzeichnis muss insbesondere inhaltlich, räumlich und zeitlich unmittelbar dem Ausstellungszweck dienen, d. h. dem Publikum die Veranstaltung erschließen wollen.939 Die von der Neuregelung daneben gestattete Dokumentation von Beständen ist nach dem gesetzgeberischen Willen und dem Wortlaut der Norm auf Verzeichnisse zu beschränken, die Bestände bzw. Teilbestände für das Einrichtungspublikum dokumentieren und erläutern. Hierunter fallen u. a. Dauerausstellungskataloge und Museumsführer, aber auch Bestandsverzeichnisse von Bibliotheken, die Kunstwerke im Sinne einer Artothek verleihen. Die Herstellung von Bestandsverzeichnissen zu rein internen Zwecken ist richtigerweise nicht privilegiert und angesichts der Möglichkeit der Einrichtungen, Werke zu eigenen Zwecken gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 UrhG zu vervielfältigen, auch nicht erforder933 934 935 936 937 938 939
Vgl. oben S. 222. Vgl. oben S. 236 f. S. oben S. 202 ff. S. oben S. 200. S. oben S. 206 f., 212. S. oben S. 213 f. S. oben S. 219 ff.
Die freie Nutzung von Kunstwerken zur Werbung und in Verzeichnissen
241
lich.940 Beide Arten von Verzeichnissen dürfen nicht dazu dienen, dem Betrachter primär den Kunstgenuss zu vermitteln. Die Wiedergabe der Werke muss vielmehr stets dem Ausstellungs- bzw. Dokumentations-, d. h. dem Informationszweck untergeordnet bleiben.941 Zudem darf mit dem Vertrieb der Verzeichnisse kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt werden; eine auf Gewinnerzielung durch den Veranstalter (oder Dritte) angelegte Verbreitung ist unzulässig.942 Bei der Verwertung sind wiederum die Urheberpersönlichkeitsrechte der Urheber sowie die Rechte der Fotografen zu wahren, deren Vervielfältigungen genutzt werden.943 Für die von § 58 Abs. 2 UrhG freigestellten Nutzungen ist den Urhebern nach Abwägung der betroffenen Interessen sowie nach den Wertungen von Art. 5 Abs. 2 lit. c und Abs. 5 HRL de lege lata eine angemessene gesetzliche Vergütung zu gewähren.944
940 941 942 943 944
S. oben S. 226 ff. S. oben S. 221 ff., 230 f. S. oben S. 233 ff. S. oben S. 237. S. oben S. 88 ff. und S. 238 – 240.
Kapitel 3 Die Rechtslage in Frankreich
In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob auch das französische droit d’auteur Schrankenregelungen i. S. v. § 58 UrhG kennt, die freie Bildnutzungen von Kunstwerken zu Werbezwecken oder zur Katalogherstellung gestatten.
A.
Gesetzliche Grundlagen des französischen droit d’auteur
I.
Die Revolutionsgesetze von 1791/1793
Die Wurzeln des französischen Urheberrechts liegen, wie in Deutschland, im Privilegienwesen.1 Der rechtliche Schutz gegen die Nachahmung von (Druck-) Erzeugnissen, den Verleger seit Beginn des 16. Jahrhunderts durch die vom König erteilten Privilegien erhielten, wurde bis zum Vorabend der französischen Revolution sukzessive auch den Urhebern selbst gewährt.2 Die politischen Umwälzungen führten in der Folge zur Abschaffung des Privilegienwesens und bereiteten den Weg für die Anerkennung individueller Urheberrechte in Frankreich:3 Die Revolutionsgesetze von 1791 und 17934 gewährten Schriftstellern, Komponisten, Malern und Zeichnern5 erstmals Ausschließlichkeitsrechte an ihren Werken in Gestalt des Rechts der öffentlichen Darbietung und des Vervielfältigungsrechts. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde der rein vermögensrechtliche Schutz der Revolutionsgesetze um ideelle Rechte am Werk erweitert. Zwischen 1804 und 1860 entwickelte die Rechtsprechung die Grundzüge des Urheberpersönlichkeitsrechts, das von der Lehre als juristisches 1 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, Frankreich/I, S. 5; Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 14. 2 Vgl. Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 14; zur Entwicklung des Privilegienwesens im Ancien R¦gime vgl. Bertrand, Rn. 101.11 – 101.15, S. 5 – 7. 3 Vgl. Zech, S. 11. 4 Abgedruckt u. a. bei Davies, Appendix 3. 5 Auch Werke von Bildhauern sollten, obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, Urheberschutz erfahren; Schack, Gedächtnisschrift Eckert, S. 723, 733.
244
Die Rechtslage in Frankreich
Konzept aufgegriffen wurde und seit 1872 als »droit moral« bezeichnet wird.6 Die Revolutionsgesetze blieben in ihren Grundzügen bis zur Neukodifikation im Jahr 1957 in Kraft. Das Gesetz vom 11. März 1902 erstreckte den urheberrechtlichen Schutz auf alle Schöpfungen »ungeachtet ihres künstlerischen Wertes oder ihrer Zweckbestimmung«.7 Seitdem sind auch Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt.8 Mit dem Gesetz vom 20. Mai 1920 wurde das für bildende Künstler bedeutsame Folgerecht (droit de suite) eingeführt. Es fand ursprünglich nur auf Werke Anwendung, die im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung (vente publique) veräußert wurden.9
II.
Das Urheberrechtsgesetz vom 11. März 1957
Das Urheberrechtsgesetz von 195710 fasste die bestehenden Gesetze sowie die ergangene Rechtsprechung zusammen und passte sie an die veränderten wirtschaftlichen und technischen Umstände an.11 Erstmals erwähnt wurden Fotografien, die allerdings nur unter der Voraussetzung für schutzfähig erklärt wurden, dass sie künstlerischen oder dokumentarischen Charakter aufwiesen (Art. 3).12 In Art. 42 wurde das Folgerecht angesiedelt, das nunmehr auch Verkäufe durch den Kunsthandel erfasste.13 Mit Art. 41 wurde erstmals auch ein Katalog von Schrankenregelungen eingeführt, die in Frankreich traditionell als »Ausnahmen« (exceptions) bezeichnet und verstanden werden.14 Kodifiziert wurden sechs Kategorien von Freistellungen, die auf gewohnheitsrechtlich an6 Bertrand, Rn. 101.23 f., S. 10 – 13; Schmidt-Szalewski, GRUR Int. 1993, 187, 188. 7 Der Gesetzgeber griff damit die von EugÀne Pouillet entwickelte Theorie der l’unit¦ de l’art auf, die für einen einheitlichen Kunstbegriff eintrat; Bertrand, Rn. 101.29 f., S. 16 f. 8 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 15. 9 Bertrand, Rn. 101.32, S. 17. Näher zum Folgerecht unten S. 251. 10 Loi n. 57-298 du 11 mars 1957 sur la propri¦t¦ litt¦raire et artistique; abgedruckt u. a. in RIDA 19 (1957), S. 485 ff. (in deutscher Übersetzung ab S. 521 ff.). Artikel ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf das Gesetz von 1957. 11 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, Frankreich/I, S. 5; Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 15; Bertrand, Rn. 101.33, S. 18. 12 Zur Einfügung dieser Beschränkung im Gesetzgebungsverfahren durch das Parlament Duchemin, RIDA 19 (1958), S. 322, 326 ff.; allgemein zur Entwicklung des Fotografieschutzes in Frankreich Heitland, S. 130 ff. 13 Praktisch blieb es jedoch bei der Anwendung des Folgerechts auf Versteigerungen. Denn da die in Art. 42 vorgesehenen Ausführungsbestimmungen zur Geltendmachung der Ansprüche nie erlassen wurden, galten weiterhin die Vorschriften zum Gesetz von 1920, die lediglich Versteigerungen betrafen. Erst im Zuge der Umsetzung der Folgerechts-RL im Jahr 2007 wurden Verfahrensregeln erlassen, die auch den Kunsthandel erfassen; Duret-Robert, Rn. 215.21, S. 683; Vivant/BruguiÀre, Rn. 538. 14 Lucas/Lucas, Rn. 336. In der folgenden Darstellung wird gleichwohl auch der Begriff der Schranke synonym verwendet.
Gesetzliche Grundlagen des französischen droit d’auteur
245
erkannte bzw. von der Rechtsprechung für zulässig erklärte Ausnahmen15 sowie auf die in der RBÜ in der Brüsseler Fassung von 1948 enthaltenen Schranken16 zurückgingen. Hierzu zählten u. a. die Anfertigung von Kopien für den privaten, nicht-gemeinschaftlichen Gebrauch (Art. 41 Nr. 2) und die Werknutzung für sog. Analysen und kurze Zitate (Art. 41 Nr. 3 Abs. 1).
III.
Die Urheberrechtsnovelle von 1985
Die schnell fortschreitende technische Entwicklung veranlasste den französischen Gesetzgeber 1985 zu einer Novelle17, die u. a. wichtige Ergänzungen wie die Leistungsschutzrechte und das Recht der Verwertungsgesellschaften selbständig kodifizierte.18 Der um verschiedene neue Schutzgegenstände erweiterte Art. 3 erfasste fortan »fotografische und mit ähnlichen Mitteln hergestellte Werke«. Mit dem Wegfall des Erfordernisses des künstlerischen oder dokumentarischen Charakters war die Fotografie als Geisteswerk endgültig anerkannt.19 Der Schrankenkatalog des Art. 41 blieb von der Novelle praktisch unangetastet.20
IV.
Der Code de la propriété intellectuelle von 1992
Mit dem Gesetz vom 1. Juli 199221 wurden das Urheberrechtsgesetz, die daneben bestehenden Regelungen der Novelle von 1985 sowie weitere immaterialgüterrechtliche Vorschriften im Code de la propri¦t¦ intellectuelle22 (CPI) zusammengefasst. Die Kodifizierung erfolgte » droit constant«, d. h. ohne inhaltliche Änderungen.23 Das Urheberrecht ist in den Büchern I und III des ersten Teils des CPI (»Propri¦t¦ litt¦raire et artistique«) normiert; der zweite Teil enthält die Bestimmungen zum gewerblichen Rechtsschutz (»Propri¦t¦ industrielle«). 15 Tournier, RIDA 19 (1957), S. 72, 94; R. Plaisant, Rn. 67 f.; Linant de Bellefonds, Rn. 512 Fn. 2; vgl. auch Davies, Rn. 6 – 017. 16 Bertrand, Rn. 111.11, S. 326. 17 Loi n. 85-660 du 3 juillet 1985. Eine deutsche Übersetzung ist abgedruckt in GRUR Int. 1986, 36 – 42. 18 Schmidt-Szalewski, GRUR Int. 1993, 187, 188; Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, Frankreich/I, S. 5. 19 Vgl. Schmidt-Szalewski, GRUR Int. 1993, 187, 189. 20 Zum Ausgleich für die Herstellung privater Kopien von Ton- und Bildträgern führte der Gesetzgeber allerdings eine vom Hersteller, Importeur bzw. innergemeinschaftlichen Erwerber abzuführende Leermedienabgabe ein; vgl. Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 24. Die Details der Vergütungspflicht wurden in Titel III des Gesetzes vom 3. 7. 1985 (Art. 31 ff.) geregelt. 21 Loi n. 92-597 du 1 juillet 1992 relative au code de la propri¦t¦ intellectuelle (Partie l¦gislative). 22 Originalfassung und deutsche Übersetzung des Textes in Dreier/Kraßer, S. 90 ff. 23 Bertrand, Rn. 101.37, S. 21; Pollaud-Dulian, GRUR Int. 1995, 361, 362.
246
Die Rechtslage in Frankreich
Diese durch ein Parlamentsgesetz erlassenen Regelungskomplexe des CPI werden als »Partie l¦gislative« bezeichnet. Ihnen wurden 1995 die dazugehörigen, vom Staatsrat (Conseil d’Etat) verabschiedeten Ausführungsvorschriften (»Partie r¦glementaire«) angegliedert.24 Seitdem erfuhr der CPI zahlreiche weitere Änderungen und Ergänzungen, die zum großen Teil der Umsetzung europäischer Richtlinien dienten.25 Während die Rechte der Urheber und Werkverwerter seit 1985 kontinuierlich ausgedehnt wurden, blieb der eng gefasste Schrankenkatalog von 1957, der 1992 wortgetreu in Art. L. 122-5 CPI überführt worden war, lange Zeit nahezu unverändert. Bis zum Jahr 2006 erfolgten nur einige wenige Erweiterungen, von denen eine für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung ist: Im März 1997 führte der französische Gesetzgeber erstmals eine neue Schranke ein, die der Katalogbildfreiheit des § 58 UrhG a. F. für Versteigerungskataloge ähnelte. Art. L. 122-5 Nr. 3 CPI wurde ein Buchstabe c) angefügt, der die Vervielfältigung von Werken der bildenden Kunst in Versteigerungskatalogen gestattete (Loi n. 97-283 du 27 mars 1997). Im Zuge der Reform des französischen Auktionsrechts im Jahr 2000 wurde der Anwendungsbereich der Schranke jedoch auf Abbildungen in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen beschränkt (Loi n. 2000-642 du 10 juillet 2000). Die Motive für die Einführung der Schrankenregelung und ihre Änderung im Jahr 2000 sowie die aktuelle Reichweite der Norm werden in Abschnitt C. dargestellt. Die Umsetzung der Harmonisierungs-RL, die Frankreich mit Gesetz vom 1. August 200626 als letzter Mitgliedstaat der EU vollzog, führte schließlich zu einer vergleichsweise massiven Erweiterung von Art. L. 122-5 CPI um fünf neue Ausnahmen.27 Neu geschaffen wurden u. a. eine Ausnahme zu Gunsten von Unterricht und Forschung (Nr. 3 e)), öffentlich zugänglicher Bibliotheken, Museen und Archivdienste (Nr. 8) und für Nutzungen zu Informationszwecken (Nr. 9).
24 D¦cret n. 95 du 14 avril 1995. S. dazu den Überblick in GRUR Int. 1995, 617, Aktuelle Informationen, Frankreich – Verordnungsteil zum Code de la propri¦t¦ intellectuelle erlassen. 25 Vgl. Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, Frankreich/I, S. 6; Bertrand, Rn. 101.38 – 101.41, S. 22 – 27. 26 Loi n. 2006-961 du 1er aot 2006 relative au droit d’auteur et aux droits voisins dans la soci¦t¦ de l’information; deutsche Übersetzung der geänderten Vorschriften bei Dietz, GRUR Int. 2007, 692 ff. Ausführlich zu den Änderungen Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658; Geiger, IIC 2007, 401. 27 Eine sechste neue Schranke, die die Konsultation von pflichthinterlegten Werken im sog. d¦pot l¦gal betrifft, wurde in Art. 132-4 Code du patrimoine integriert; vgl. Lucas Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 661.
Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur
B.
Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur
I.
Geschützte Werke und Rechtsinhaberschaft
247
Das französische Urheberrecht schützt nach der Generalklausel des Art. L. 112-1 CPI alle Geisteswerke unabhängig von ihrer Art, ihrer Ausdrucksform, ihrem Wert oder ihrer Bestimmung. Ästhetische Qualitäten und das künstlerische Niveau sind für die Schutzfähigkeit ohne Belang, doch muss das Werk Ausdruck der Persönlichkeit seines Schöpfers sein.28 Die Feststellung dieser ungeschriebenen Schutzvoraussetzung der Originalität (originalit¦) obliegt den Instanzgerichten.29 Art. L. 112-2 CPI enthält sodann eine nicht abschließende Aufzählung geschützter Werkarten. Hierzu zählen audiovisuelle Werke (Art. L. 112-2 Nr. 6 CPI), Werke der Zeichenkunst, Malerei, Architektur, Bildhauerei, Druckgrafik und Lithografie (Nr. 7), grafische und typografische Werke (Nr. 8), fotografische Werke (Nr. 9) und Werke der angewandten Kunst (Nr. 10). Nach Art. L. 112-3 Abs. 1 S. 1 CPI sind auch die Urheber von Übersetzungen, Adaptionen, Übertragungen und sonstigen Bearbeitungen geschützt.30 Gleiches gilt für die Urheber von Sammelwerken. Der Schutz entsteht mit der Schöpfung des Werkes (Art. L. 111-1 Abs. 1 CPI). Inhaber des Urheberrechts ist grundsätzlich der Schöpfer des Werkes, d. h. eine natürliche Person (Art. L. 111-1 CPI).31
II.
Verwertungsrechte
Der Code de la propri¦t¦ intellectuelle benennt in Art. L. 122-1 nur zwei Verwertungsrechte (droits patrimoniaux): das Recht der Darbietung (droit de repr¦sentation) und das Recht der Vervielfältigung (droit de reproduction). Nach der in Frankreich vorherrschenden »synthetischen Auffassung«32 der Verwertungsrechte wird beiden Nutzungsrechten jedoch ein umfassender Sinn beigemessen.33 So beinhaltet das Darbietungsrecht die öffentliche Zugänglichmachung von Werken sowie – nach aktueller Rechtsprechung und Lehre – deren Ausstellung. Aus dem Vervielfältigungsrecht wiederum wird ein sog. Bestim28 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 17. Vgl. Art. L. 111-1 Abs. 1 CPI: »L’auteur d’une œuvre de l’esprit jouit sur cette œuvre, du seul fait de sa cr¦ation, d’un droit de propri¦t¦ incorporelle exclusif et opposable tous«. 29 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 17. 30 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, Frankreich/I, S. 8. 31 Dazu sowie zu den Ausnahmefällen Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 18 ff. 32 Pollaud-Dulian, GRUR Int. 1989, 811, 813; Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 659. 33 Pollaud-Dulian, GRUR Int. 1989, 811, 813.
248
Die Rechtslage in Frankreich
mungsrecht (droit de destination) abgeleitet, das zugleich den Aspekt der Verbreitung erfasst. Den Verwertungsrechten zuzurechnen ist zudem das in Art. L. 122-8 CPI normierte Folgerecht (droit de suite).
1.
Darbietungsrecht
a) Allgemeines Unter Darbietung (repr¦sentation) versteht das Gesetz jede Mitteilung des Werkes an die Öffentlichkeit durch ein beliebiges Verfahren (Art. L. 122-2 Abs. 1 CPI). Die nach dieser Definition folgende beispielhafte Aufzählung nennt u. a. den öffentlichen Vortrag, die musikalische Aufführung, die öffentliche (Film-) Vorführung und die Übertragung des gesendeten Werkes an einen öffentlichen Ort (Art. L. 122-2 Abs. 1 Nr. 1 CPI). Als Darbietung eines Werkes gilt ferner dessen Sendung (t¦l¦diffusion), Art. L. 122-2 Abs. 1 Nr. 2 CPI, d. h. die Verbreitung von Tönen, Bildern, Dokumenten, Daten und Nachrichten aller Art mittels beliebiger Verfahren der Telekommunikation, und die Sendung über Satellit (Art. L. 122-2 Abs. 3 CPI). Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt, fällt nach herrschender Meinung auch die digitale Übertragung (transmission num¦rique) von Werken einschließlich ihrer Verfügbarmachung im Internet unter das weit gefasste Darbietungsrecht.34 Der französische Gesetzgeber sah daher keinen Anlass, für das in Art. 3 HRL vorgesehene Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eine gesonderte Bestimmung in den CPI aufzunehmen.35 b) Ausstellungsrecht Nach der jüngeren Rechtsprechung der Cour de cassation beinhaltet das Darbietungsrecht auch ein Ausstellungsrecht.36 In der Sache Association Paris bibliothÀques c/ Dudognon stellte die Cour de cassation fest, dass das Darbietungsrecht an einem Werk der Fotografie das Recht umfasst, das Werk der Öffentlichkeit zu präsentieren.37 Damit folgte der Kassationshof der allgemeinen Auffassung in der Literatur, die seit der Novelle von 1985 eine Anwendung des 34 Vivant/BruguiÀre, Rn. 527; Lucas/Lucas, Rn. 306 f., jeweils m. w. N. 35 Vivant/BruguiÀre, Rn. 527; Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 659. 36 In einem Urteil vom 18. 7. 2000 (Bull. civ. I, Nr. 225 = D. 2001, 541, mit Anm. E. Dreyer) deutete der Kassationshof diese Auffassung bereits an; dazu E. Dreyer, D. 2001, 541, 543, 544; Duret-Robert, Rn. 212.32, S. 667; Vivant/BruguiÀre, Rn. 525. 37 Cass. civ., 6. 11. 2002, Az. 00-21.868, Le Doctrinal Plus, A6721 A3C: »[…] le droit de repr¦sentation de l’œuvre photographique dont jouit son auteur inclut celui de l’exposer la vue du public«. Ähnlich heißt es in der Parallelentscheidung Association Paris bibliothÀques c/ Leloir, Cass. civ., 6. 11. 2002, L¦gipresse, März 2003, III, S. 66: »[…] l’exposition au public d’une oeuvre photographique en constitue une communication au sens de l’article [L. 122-2 CPI] et requiert, en cons¦quence, l’accord pr¦alable de son auteur«.
Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur
249
Darbietungsrechts auf öffentliche Ausstellungen von Kunstwerken befürwortet hatte38 und sich dabei auf die gesetzgeberischen Vorarbeiten39 zur Reform stützte. Während die Existenz eines droit de l’exposition somit grundsätzlich anerkannt ist, herrscht noch Uneinigkeit über seine Reichweite, insbesondere nach einer Veräußerung des Werkoriginals.40 Gegen eine vereinzelt befürwortete stillschweigende Abtretung des Ausstellungsrechts an den Erwerber des Originals,41 die der Wertung von § 44 Abs. 2 UrhG nahe käme, spricht de lege lata die in Art. L. 111-3 CPI verankerte Unterscheidung zwischen dem Eigentum am Werkstück und den daran bestehenden Urheberrechten.42 Auch die Urteile des Kassationshofes vom 6. November 2002 sprechen gegen eine solche Zession. Denn das Gericht nahm ein droit de l’exposition ungeachtet dessen an, dass die streitgegenständlichen Fotografien den Veranstaltern teilweise von Sammlern zur Verfügung gestellt worden waren. Fraglich ist zudem, ob das Ausstellungsrecht uneingeschränkt auch im Bereich des Kunsthandels gilt, denn die Urteile des Kassationshofes betrafen nur Werke in nichtkommerziellen Sonderausstellungen. In diesem Zusammenhang wird zum Teil vertreten, der Begriff der »öffentlichen Ausstellung« solle von vornherein nur auf Ausstellungen im musealen Sinne angewandt werden, während Präsentationen zu Verkaufszwecken freigestellt sein müssten.43 Es bleibt abzuwarten, ob sich der Gesetzgeber dieser von der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen annehmen wird.44
38 Gautier, Rn. 316 f.; Lucas/Lucas, Rn. 305; Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 724; Vivant/BruguiÀre, Rn. 525; Bertrand, Rn. 106.69, S. 250 f.; Duchemin, RIDA 156 (1993), 15, 36 – 46; vgl. auch FranÅon, RTD com., 2001, 436, 437; Duret-Robert, Rn. 212.32, S. 667 ; Duchemin, RIDA 156 (1993), 15, 36 – 46. 39 Zu den Debatten in Nationalversammlung und Senat s. Duchemin, RIDA 156 (1993), 15, 36 – 46. 40 Vgl. Lucas/Lucas, Rn. 305; Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 727 m. w. N. 41 In diesem Sinne Sirinelli: Das Ausstellungsrecht sei bei zur öffentlichen Ausstellung bestimmten Werken ein »attribut du droit de propri¦t¦ corporelle«; Sirinelli, Le droit moral de l’auteur et le droit commun des contrats, thÀse Paris II, 1985, S. 443, zitiert u. a. von Cornu/ Mallet-Poujol, Rn. 727 Fn. 19. Zust. offenbar Vivant/BruguiÀre, Rn. 410. 42 FranÅon, RTD com. 2001, 436, 438; Lucas/Lucas, Rn. 305. 43 In diesem Sinne Duchemin, RIDA 156 (1993), 15, 83; Gautier, Rn. 317; Gaudrat, RTD com. 2008, 94, 98, 99, jeweils unter Hinweis auf das dem Urheber beim Verkauf zugute kommende Folgerecht. Für die Nichtanwendung des Ausstellungsrechts auf Verkaufsausstellungen auch Duret-Robert, 212.32, S. 667. A. A. FranÅon, RTD com. 2001, 436, 438, der eine Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen öffentlichen Ausstellungen ablehnt. 44 Vgl. Duret-Robert, Rn. 212.32, S. 667.
250 2.
Die Rechtslage in Frankreich
Vervielfältigungsrecht
a) Allgemeines Unter einer Vervielfältigung versteht das Gesetz jede körperliche Festlegung des Werkes durch alle Verfahren, die es erlauben, das Werk auf indirekte Weise der Öffentlichkeit mitzuteilen, Art. L. 122-3 CPI. Beispielhaft aufgezählt werden Vervielfältigungen durch Druck, Zeichnung, Druckgrafik (Stich), Fotografie, Abguss sowie jedes Verfahren der grafischen und plastischen Künste und die mechanische, filmische und magnetische Aufnahme. Als Vervielfältigung gilt ferner die Ausführung von Werken der Baukunst nach einem Plan oder Modell. Dementsprechend kann das Vervielfältigungsstück auch in einem anderen Medium oder in einer anderen Dimension verwirklicht sein.45 Geschützt sind auch Verkörperungen, die mittelbar die Wahrnehmung des Werkes ermöglichen, wie z. B. die Speicherung digitalisierter Werke auf einem Internetserver.46
b) Bestimmungsrecht Das Vervielfältigungsrecht umfasst das sog. Bestimmungsrecht (droit de destination). Diese von der Rechtsprechung und Lehre entwickelte Befugnis47 erlaubt dem Urheber, bei der Einräumung von Nutzungsrechten zugleich über den Umfang des Gebrauchs zu bestimmen, den der Erwerber von den Werkexemplaren machen darf.48 Der Urheber kann auf diese Weise die Modalitäten der Vermarktung von Exemplaren seines Werkes, zu denen auch der Teilaspekt der Verbreitung zählt, weitgehend kontrollieren.49 Frei sind jedoch Verwendungen, die als eine normale Fortsetzung der vertraglich zugestandenen Verwertung anzusehen sind; hierzu zählt nicht zuletzt der einfache Weiterverkauf eines Werkexemplars.50 Da das Bestimmungsrecht dogmatisch als unselbständiger Aspekt des Vervielfältigungsrechts aufgefasst wird, wurde es weder im UrhG 1957 noch im CPI definiert. Auch bei der Umsetzung der Harmonisierungs-RL nahm der französische Gesetzgeber lediglich eine Bestimmung zur innergemeinschaftlichen Erschöpfung des Verbreitungsrechts in den CPI auf.51 45 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 23. 46 Vgl. Lucas/Lucas, Rn. 260 m. w. N. 47 Zur Entwicklung des Bestimmungsrechts in Frankreich und Belgien Pollaud-Dulian, GRUR Int. 1989, 811, 813 ff. 48 Zech, S. 91. 49 Das Bestimmungsrecht ist damit umfassender als das Verbreitungsrecht und nicht der Erschöpfung unterworfen; Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 660. 50 Pollaud-Dulian, GRUR Int. 1989, 811, 815. 51 Art. L. 122-3-1 CPI. Damit wurde der Erschöpfungsgrundsatz kodifiziert, während das Verbreitungsrecht selbst nicht gesetzlich geregelt ist; s. Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 660; Vivant/BruguiÀre, Rn. 510.
Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur
3.
251
Folgerecht
Die Grundsätze des Folgerechts sind in Art. L. 122-8 CPI normiert, der im Zuge der Umsetzung der Folgerechts-RL durch das Gesetz vom 1. August 2006 neu gefasst wurde. Wichtige Vorgaben der Richtlinie, wie z. B. die Begriffsdefinitionen in Art. 2 oder die Vergütungssätze in Art. 4, wurden allerdings erst im Jahr 2007 in den Ausführungsbestimmungen der Art. R. 122-2 bis Art. R. 122-12 CPI niedergelegt.52 Art. L. 122-8 Abs. 1 CPI gewährt dem Urheber »grafischer und plastischer Originalwerke« das unveräußerliche Recht auf Beteiligung am Erlös eines jeden Verkaufs eines Werkes nach seiner ersten Veräußerung durch den Urheber oder seine Rechtsnachfolger, wenn der Verkauf unter Beteiligung eines professionell auf dem Kunstmarkt Tätigen als Verkäufer, Käufer oder Vermittler erfolgt. Art. L. 122-8 Abs. 2 CPI beschreibt Originale als vom Künstler selbst geschaffene Werke sowie Werkstücke, die in begrenzter Auflage vom Künstler oder unter seiner Leitung angefertigt worden sind. Eine genauere Definition des grafischen und plastischen Originalkunstwerks enthält Art. R. 122-3 Abs. 1 CPI.53 Für Werkarten, die üblicherweise in mehreren Exemplaren geschaffen werden, bestimmt Art. R. 122-3 Abs. 2 CPI, unter welchen Voraussetzungen, insbesondere in welcher Auflagenhöhe, diese Werke als Originale anzusehen sind.54 Nicht beansprucht werden kann das Folgerecht, wenn der Verkäufer das Werk weniger als drei Jahre vor dem betreffenden Verkauf unmittelbar vom Urheber erworben hat und der Verkaufspreis 10.000 EUR nicht übersteigt.55 Entsprechend der Richtlinie gibt Art. R. 122-6 CPI degressiv gestaffelte Vergütungssätze vor, die mit dem Höchstsatz von 4 % für Verkaufspreise bis 50.000 EUR beginnen, und legt die Maximalvergütung auf 12.500 EUR fest.56 4.
Schutzdauer der Verwertungsrechte
Die Schutzdauer der Vermögensrechte ist in Art. L. 123-1 bis 123-12 CPI geregelt. Nach Umsetzung der Schutzdauer-RL57 im Jahr 1997 beträgt die Schutzfrist auch in Frankreich 70 Jahre post mortem auctoris.58 52 D¦cret n. 2007-756 du 9 mai 2007. 53 Näher dazu unten S. 285 f. 54 Die Regelungen greifen zum Teil die frühere Rechtsprechung zum Originalbegriff auf; dazu Duret-Robert, Rn. 215.81 ff. (S. 690 ff.), 215.85 (S. 692). 55 Vgl. Art. 1 Abs. 3 Folgerechts-RL. 56 Die französische Verwertungsgesellschaft ADAGP zog gemäß einer Stellungnahme gegenüber der U.S. Copyright Office vom 29. 11. 2012 im Jahr 2011 Folgerechtsgebühren im Gesamtumfang von über 10 Mio. EUR ein; www.copyright.gov/docs/resaleroyalty/comments/77fr58175/Socie te_des_Auteurs_dans_les_Arts_Graphiques_et_Plastiques.pdf (22. 10. 2013). 57 Vgl. oben S. 71.
252 III.
Die Rechtslage in Frankreich
Urheberpersönlichkeitsrechte
Art. L. 121-1 bis 121-9 CPI enthalten die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des Urhebers. Zentrale Norm des Urheberpersönlichkeitsrechts ist Art. L. 121-1 CPI. Er bestimmt, dass das Recht auf Namensnennung und Werkintegrität an die Person des Urhebers gebunden ist; Verträge, die die künstlerische Freiheit des Urhebers einschränken, sind unwirksam.59 Gemäß Art. L. 121-1 Abs. 3 CPI ist das Urheberpersönlichkeitsrecht als »ewiges Recht« ausgestaltet. Es besteht auch dann fort, wenn die Schutzfrist der Vermögensrechte abgelaufen ist.60 Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist unveräußerlich, unverjährbar und auch unpfändbar.61 Vergleichbar mit §§ 12 bis 14 UrhG sieht der Code de la propri¦t¦ intellectuelle im Einzelnen ein Recht auf Veröffentlichung (droit de divulgation)62, auf Anerkennung der Urheberschaft (droit la paternit¦)63 und auf Werkintegrität (droit au respect de l’œuvre)64 vor. Des Weiteren gewährt er dem Urheber ein ausdrückliches Rückrufrecht (droit de repentir ou de retrait)65 sowie die Befugnis, allein über die Aufnahme seiner Artikel und Reden in eine Sammlung zu entscheiden66.
IV.
Die gesetzlichen Schranken der Verwertungsrechte
1.
Der Grundsatz der engen Auslegung der Ausnahmen
Nach herrschender Meinung sind die Ausnahmebestimmungen des CPI abschließender Natur und eng auszulegen.67 Die Lehre stützt diese Ansicht auf den Wortlaut einzelner Schranken, die durch Formulierungen wie »reproductions […] strictement r¦serv¦es l’usage priv¦e«68 eine strenge Anwendung der 58 Zu den Besonderheiten, die u. a. für die Rechte an gemeinschaftlichen Werken und für den Übergang des Folgerechts gelten, s. Art. L. 123-2 ff. CPI. 59 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 20. 60 Zu der in Frankreich herrschenden dualistischen Auffassung der Urheberrechte und der unterschiedlichen Erbfolge der droits moraux und der droits patrimonaux s. Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 20. 61 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 20; Lucas/Lucas, Rn. 508 ff. 62 Art. L. 121-2, 121-3, 121-7 und 121-9 CPI. 63 Art. L. 121-1 CPI. 64 Art. L. 121-1 CPI. 65 Art. L. 121-4 CPI. 66 Art. L. 121-8 CPI. Näher zu den einzelnen Elementen des droit moral Lucas/Lucas, Rn. 512 ff. 67 Vgl. Cass. civ., 3. 3. 1992, RIDA 159 (1994), 313 = D. 1993 Jur. 358, m. Anm. Edelman; Lucas/ Lucas, Rn. 346; Linant de Bellefonds, Rn. 520; Gautier, Rn. 333. Kritisch zum Dogma der engen Auslegung, das jede Weiterentwicklung verhindere, Vivant/BruguiÀre, Rn. 579; Geiger, IIC 2005, 842, 844. 68 Art. L. 122-5 Nr. 2 CPI.
Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur
253
Freistellungen implizieren sollen.69 Ihre Erweiterung im Wege der Analogie wird daher traditionell ebenso abgelehnt wie die Vorstellung, die Ausnahmen konstituierten einforderbare »Rechte« der Nutzer.70 Allerdings mehren sich in den letzten Jahren auch in Frankreich Stimmen, die eine flexiblere Handhabung der Schrankenregelungen befürworten.71 Auch in der Rechtsprechung hat der Grundsatz der engen Schrankenauslegung bisweilen Durchbrechungen erfahren. So zog die Cour de cassation den Rahmen des in Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI verankerten Analyse- und Zitatrechts in der Sache Microfor ungewöhnlich weit.72 Darüber hinaus erkennen Rechtsprechung und Lehre bestimmte ungeschriebene Ausnahmen an. Erlaubnisfrei ist u. a. die Abbildung von Werken der bildenden Kunst, die sich an öffentlichen Plätzen befinden, sofern das Werk nicht Hauptgegenstand der Darbietung oder Reproduktion ist.73 2.
Der Schrankenkatalog des Art. L. 122-5 CPI und der besondere Schutz von Kunstwerken
Die Schranken des Darbietungs- und des Vervielfältigungsrechts sind in Art. L. 122-5 CPI kodifiziert, dessen Katalog 2006 im Zuge der Umsetzung der Harmonisierungs-RL von ehemals acht auf 13 Ausnahmetatbestände erweitert wurde.74 Im Folgenden wird ein Überblick über den Schrankenkatalog unter Hervorhebung derjenigen Schranken gegeben, die speziell die Nutzung von Werken der bildenden Kunst betreffen und den besonderen Schutz dieser Werkart im Bereich der gesetzlichen Freistellungen in Frankreich verdeutlichen. a) Kopien zum Privatgebrauch Art. L. 122-5 Nr. 2 CPI75 gestattet die Anfertigung von Kopien zum privaten, nicht-gemeinschaftlichen Gebrauch. Ausgenommen von der Freistellung sind u. a. Kopien von Kunstwerken (œuvres d’art), deren Verwendungszweck mit 69 70 71 72
Lucas/Lucas, Rn. 346 Fn. 724. Vgl. Vivant/BruguiÀre, Rn. 579; Lucas/Lucas, Rn. 347. Vgl. Geiger, in: Hilty/Peukert, S. 335 f. m. w. N. Cass. civ., 9. 11. 1983, JCP 1984 II 20189, mit Anm. FranÅon, und nach erneuter Revision Cass. pl¦n., 30. 10. 1987, D. 1988 Jur. 21, mit Bericht Cabannes. In dem Bestreben, Datenbanken Urheberschutz angedeihen zu lassen, befand die Cour de cassation, dass ein digitalisierter Index der französischen Presse, der Verweise auf Artikel der Zeitung Le Monde enthielt, den Charakter eines »Informationswerkes« aufweise; dazu Schmidt-Szalewski, GRUR Int. 1993, 187, 190. 73 Dazu unten S. 260. 74 Vgl. oben S. 246. 75 Art. L. 122-5 Nr. 2 CPI: »Lorsque l’œuvre a ¦t¦ divulgu¦e, l’auteur ne peut interdire: […] Les copies ou reproductions strictement r¦serv¦es l’usage priv¦ du copiste et non destin¦es une utilisation collective, l’exception des copies des œuvres d’art destin¦es Þtre utilis¦es pour des fins identiques celles pour lesquelles l’œuvre originale a ¦t¦ cr¦¦e […]«.
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dem des Originalwerkes identisch ist. Gaubiac zufolge wollte der Gesetzgeber durch die Einschränkung im Bereich der Kunst76 den einzigartigen Charakter von Kunstwerken bewahren.77 Anders als bei literarischen Werken sei die materielle Verwirklichung des Werkes für künstlerische Schöpfungen essentiell und charakteristisch.78 Sie sind folglich in stärkerem Maße vor Konkurrenz durch Reproduktionen zu schützen. In diesem Sinne soll der Zusatz in Art. L. 122-5 Nr. 2 CPI nach gängiger, von Desbois begründeter Auffassung verhindern, dass etwa Kunstliebhaber Vervielfältigungen von Werken für ihre Privatsammlung erstellen, um sich daran in gleicher Weise zu erfreuen wie bei der Betrachtung des in einem Museum befindlichen Originals.79 Desbois hielt daher auch fotografische Reproduktionen von Werken einschließlich Schwarzweiß-Aufnahmen für unzulässig.80 Darüber hinaus stellte er fest, dass Kopien von Kunstwerken, welcher Natur sie auch seien, letztlich immer einer ästhetischen Befriedigung dienten. Unter diesem Gesichtspunkt lasse die Bestimmung, was die Nutzung von Kunstwerken betreffe, allenfalls Raum für Vervielfältigungen, die von Kunststudenten zu Übungszwecken angefertigt würden.81 Dieses enge Verständnis der Privatkopie im Bereich der Kunst wurde von der übrigen Lehre weitgehend übernommen82 und in jüngerer Zeit lediglich für Kopien gelockert, die aus Sicherheitsgründen anstelle des Originals präsentiert werden sollen.83 Rechtsprechung ist zu dieser Frage bislang, soweit ersichtlich, nicht ergangen.84
76 Die Einschränkung geht offenbar auf ein Urteil des Tribunal de la Seine vom 12. 6. 1879 zurück, zitiert von Claro, Anm. zu CA Paris, 26. 1. 1918, D.P. 1918 2. 49 (Fn. c): »[…] le d¦lit consiste dans la reproduction du tableau avec l’intention de tirer profit de cette reproduction, au pr¦judice du propri¦taire de l’œuvre contrefaite, pr¦judice pouvant r¦sulter de ce que la reproduction tiendrait lieu de l’original pour un certain nombre de personnes en leur rappelant la pens¦e du peintre et en leur procurant une impression semblable celle que l’artiste a voulu produire«. 77 Gaubiac, RIDA 122 (1984), 23, 81. 78 Gaubiac, RIDA 122 (1984), 23, 79 ff., 81: »L’existence d’un exemplaire suppl¦mentaire d’une peinture est probablement plus pr¦judiciable pour un artiste que celle d’un exemplaire suppl¦mentaire d’une po¦sie, surtout que dans le premier cas, la r¦alisation mat¦rielle est essentielle et caract¦rise l’œuvre«. 79 Desbois, Rn. 244; Lucas/Lucas, Rn. 390; Vivant/BrugiÀre, Rn. 595. 80 Desbois, Rn. 244. A. A. Gaubiac, der fotografische Vervielfältigungen für zulässig hält, solange sie nicht in Konkurrenz zum Originalwerk treten; RIDA 122 (1984), 23, 79. 81 Desbois, Rn. 244. Einen weitreichenden Ausschluss privater Kopien von Kunstwerken nahm auch R. Plaisant, Rn. 71, an. 82 Lucas/Lucas, Rn. 390; Bertrand, Rn. 111.19, S. 332; Gautier, Rn. 338 Fn. 4; Vivant/BrugiÀre, Rn. 595. 83 Gautier, Rn. 338 Fn. 4; Lucas/Lucas, Rn. 390; Lucas, J.-Cl., Fasc. 1248, Rn. 41; Vivant/BrugiÀre, Rn. 595. 84 Sirinelli/Durrande/Latreille, Art. L. 122-5, S. 153; Bertrand, Rn. 111.19, S. 332.
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b) Analysen und kurze Zitate aa) Gemäß Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI85 (früher Art. 41 Nr. 3 Abs. 2) darf der Urheber Analysen86 und kurze Zitate87 nicht verbieten, sofern sie durch den kritischen, polemischen, pädagogischen, wissenschaftlichen oder informatorischen Zweck des Werkes, in das sie eingegliedert sind, gerechtfertigt sind. Die Schranke setzt demnach die Existenz eines zweiten Werkes voraus, dessen Aussage durch das analysierte oder zitierte Werk bestätigt bzw. illustriert werden soll.88 Kunstwerke nehmen auch im Anwendungsbereich dieser Schranke eine Sonderstellung ein. Denn obwohl die Vorschrift nicht zwischen einzelnen Werkarten differenziert, ist ein »kurzes« Zitat von Kunstwerken nach der Rechtsprechung und der (wohl noch) herrschenden Meinung89 nicht möglich.90 Diese restriktive Position entwickelte sich erst nach der Kodifizierung der Schranken durch das UrhG 1957 und verdrängte die früher vorherrschende Auffassung von der Zitierfähigkeit künstlerischer Werke,91 die von einem Urteil der Cour de cassation92 aus dem Jahr 1926 geprägt worden war. Der Kassationshof hatte entschieden, dass drei kleinformatige Reproduktionen von Skulpturen des Bildhauers Rodin in einem illustrierten Werk über die Geschichte Frankreichs, welches auch die französische Kunst behandelte, durch das Zitatrecht gedeckt seien. Die »nahezu mikroskopischen Reproduktionen« bildeten mit dem Text, in den sie eingefügt waren, eine Einheit und seien außerhalb dieses Werkes unverwendbar und ohne jeden Wert.93 Nach diesen Erwägungen konnte auch die vollständige Wiedergabe eines Kunstwerkes zulässiges Zitat sein, sofern sie durch den Zweck des zitierenden Werkes gerechtfertigt war und eine hiervon losgelöste, mit den ökonomischen Interessen des Urhebers konkurrierende Verwertung durch die Art und Weise der Reproduk85 Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI: »Lorsque l’œuvre a ¦t¦ divulgu¦e, l’auteur ne peut interdire: […] 38 Sous r¦serve que soient indiqu¦s clairement le nom de l’auteur et la source: Les analyses et courtes citations justifi¦es par le caractÀre critique, pol¦mique, p¦dagogique, scientifique ou d’information de l’œuvre laquelle elles sont incorpor¦es […]«. 86 Unter dem gesetzlich nicht definierten Begriff der »Analyse« versteht man eine Entlehnung zum Zweck der Erfassung der wesentlichen Elemente eines Werkes bzw. zu dessen Zusammenfassung; vgl. Lucas, J.-Cl., Fasc. 1248, Rn. 56 m. w. N. 87 Das Erfordernis der »Kürze« des Zitats geht auf den Wortlaut von Art. 10. Abs. 1 RBÜ in der Brüsseler Fassung von 1948 zurück; dazu Bertrand, Rn. 111.11, S. 326; Rn. 111.24, S. 334. 88 Vgl. Lucas/Lucas, Rn. 425; Tafforeau, Rn. 161. 89 Geiger, Anm. zu TGI Paris, 23. 2. 1999, GRUR Int. 2001, 252, 254 m.w. N. 90 Cass. civ., 22. 1. 1991, GRUR Int. 1992, 135, mit Anm. Dreier ; Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, Bull. civ. AP, Nr. 15; Cass. civ., 10. 2. 1998, Bull. civ. I, Nr. 51; Desbois, Rn. 249; Colombet, Rn. 230; FranÅon, Anm. zu Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, RTD com. 1994, 50 – 52; vgl. auch Pollaud-Dulian, GRUR Int. 1995, 361, 366; Lucas/Lucas, Rn. 428. 91 S. Pouillet, Rn. 578 ter. 92 Cass. crim., 19. 3. 1926, D.P. 1927 1. 25, mit Anm. Nast. 93 Cass. crim., 19. 3. 1926, D.P. 1927 1. 25, 26.
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tion – insbesondere durch starke Verkleinerung – und ihre Eingliederung in den Text ausschlossen schien. Nast merkte zu der Entscheidung an, dass die Reproduktion künstlerischer Werke im Rahmen der Kunstkritik oder in Geschichts- und Lehrbüchern nicht nur im Interesse der Allgemeinheit und der Kunststudenten, sondern auch der Künstler selbst liege. Ihre Bekanntmachung werde bestimmte Leser veranlassen, die Ateliers oder Museen aufzusuchen und vielleicht ihre Werke oder Reproduktionen zu erwerben. Vervielfältigungen, die den Platz des Originals einzunehmen vermögen, seien jedoch unzulässig.94 bb) Mit der Kodifizierung des Zitatrechts im Jahr 1957 verengte sich der Blick auf den Anwendungsbereich der Schranke jedoch.95 Indem er nur »kurze« Zitate gestattete, schien Art. 41 Nr. 3 Abs. 2 auf literarische Werke zugeschnitten zu sein, die sich auszugsweise zitieren lassen. Werke der bildenden Kunst müssen demgegenüber in der Regel vollständig reproduziert werden,96 so dass nach der wiederum maßgeblich von Desbois beeinflussten Lehre ein Dilemma zwischen der »kurzen« Wiedergabe eines Kunstwerkes und dem droit moral des Künstlers besteht: Wird das Werk im Ganzen wiedergegeben, liegt – selbst bei starken Verkleinerungen – eine integrale Vervielfältigung vor, die den Bereich des Kurzzitats verlässt.97 Werden hingegen nur Teile des Werkes vervielfältigt, verletzt dies die Integrität des Werkes und damit das Urheberpersönlichkeitsrecht.98 Ein »kurzes« Zitieren von Kunstwerken erweist sich danach als unmöglich.99 cc) Die Rechtsprechung befasste sich erst Ende der 1980er Jahre nachhaltig mit der Frage des kurzen Zitats von künstlerischen Werken. Die Cour de cassation entschied in der Sache Tardy c/ Larousse100, die vollständige Vervielfälti94 Nast, Anm. zu Cass. crim., 19. 3. 1926, D.P. 1927 1. 25, 27 f. unter Hinweis auf Trib. civ. Seine, 12. 6. 1879 (oben Fn. 76). 95 Zu dieser Entwicklung Bochurberg, Anm. zu Cass. civ., 22. 1. 1991, JCP 1991 II 21680, S. 191, 193; Edelman, Anm. zu CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 404; Geiger, Anm. zu TGI Paris, 23. 2. 1999, GRUR Int. 2001, 252, 253 f. 96 Vgl. Trib. civ. Seine, 30. 11. 1900, Ann. propr. ind. 1901, 244; Pouillet, Rn. 578 ter (S. 612); R. Plaisant, Rn. 72. 97 Desbois, Rn. 249; FranÅon, Anm. zu Cass. civ., 13. 4. 1988, RTD com. 1989, 238, 240, und zu Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, RTD com. 1994, 50 ff.; Colombet, Rn. 230; ders., Anm. zu CA Paris, 3. 7. 1989, D. 1990 Somm. 51; Edelman, Anm. zu CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1991 Jur. 404 ff.; vgl. auch Lucas/Lucas, Rn. 428; Foyard, Anm. zu Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, D. 1994 Jur. 482; a. A. Vivant, JCP 1989 I 3372; Geiger, Anm. zu Cass. civ., 13. 11. 2004, IIC 2004, 717 ff. 98 Desbois, Rn. 249. 99 Kritisch Edelman, Anm. zu CAVersailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 404 f.: »Le faux dilemme pos¦ par Desbois, qui rend impossible toute citation artistique, mÀne tout droit une impasse«. 100 Cass. civ., 13. 4. 1988, JCP 1989 I 3372, Annexe. Die Vorinstanz (CA Paris, 13. 5. 1986, JCP 1987 I 3312, Chron. Edelman, Annexe 4) hatte die Wiedergabe von 16 Zeichnungen des Uhrenexperten Henri Lengell¦, genannt Tardy, in einem Sammelwerk über Antiquitäten dagegen noch für zulässig gehalten. Die Werke waren einem mehrere tausend Zeichnungen
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gung urheberrechtlich geschützter Zeichnungen könne nicht als kurzes Zitat angesehen werden.101 Ihre restriktive Position bestätigte die Cour de cassation in den 1990er Jahren in den Utrillo-Verfahren, die die Abbildung von Werken des Malers Maurice Utrillo in Versteigerungskatalogen betrafen. In ihren Urteilen, mit denen sich Abschnitt C.I.1 näher befasst, bekräftigte die Cour de cassation ihre Auffassung, dass die integrale Vervielfältigung eines (Kunst-)Werkes kein Zitat sein könne, »unabhängig von der Größe und der Art der Reproduktion sowie der Art der Werkes, in dem sie enthalten« sei.102 Diesen Grundsatz erstreckte der Kassationshof in der Folge auch auf die öffentliche Wiedergabe von Kunstwerken in der Fernsehberichterstattung.103 dd) Von ihrer strikten Interpretation des Zitatrechts ist die Cour de cassation bislang trotz zunehmender Kritik104 nicht abgerückt.105 Der Gesetzgeber sah sich daher veranlasst, die Nutzung von Kunstwerken zu bestimmten für privilegie-
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umfassenden Buch entnommen worden. Nach Auffassung der Cour d’appel wurde nur eine »sehr kleine Anzahl« von (Einzel-)Werken genutzt, die das Werk von Tardy damit kurz »zitierten«. In diesem Sinne bereits TGI Paris, 30. 9. 1983, D. 1983 IR 289, 290, unter Hinweis darauf, dass den bildenden Künstlern durch eine Freistellung der Nutzung ihrer Werke zu Illustrationszwecken eine erhebliche Einnahmequelle vorenthalten würde. Cass. civ., 22. 1. 1991, GRUR Int. 1992, 135, mit Anm. Dreier ; Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, Bull. civ. AP, Nr. 15; Cass. civ., 10. 2. 1998, Bull. civ. I, Nr. 51. Entsprechend entschied die Cour de cassation mit Blick auf die Reproduktion einer Fotografie, die einer für eine Werbekampagne erstellten Serie von Lichtbildwerken entlehnt worden war ; Cass. civ., 17. 12. 1991, Bull. civ. I, Nr. 360. Cass. civ., 4. 7. 1995, JCP 1995 II 22486, mit Anm. Galloux, zur Wiedergabe von Wandbildern von Êdouard Vuillard in einem Pariser Theater ; vgl. erstinstanzlich TGI Paris, 15. 5. 1991, D. 1992 Jur. 146, mit Anm. Debbasch = JCP 1992 II 21868, mit Anm. Tricoire. Ebenso Cass. civ., 13. 11. 2003, D. 2004, 200, mit Anm. Bouche = IIC 2004, 716, mit Anm. Geiger, zur Unzulässigkeit der öffentlichen Wiedergabe von 12 Gemälden des Malers Utrillo in einem Fernsehbericht über die Eröffnung einer Ausstellung mit 120 Werken des Künstlers im Mus¦e de LodÀve. Angesichts der restriktiven Haltung des Kassationshofs hatte das TGI Paris die Rechtmäßigkeit der Nutzung auf das in Art. 10 Abs. 1 EMRK enthaltene Recht auf Information zu stützen versucht; TGI Paris, 23. 2. 1999, D. 1999 Jur. 580, mit Anm. Kamina = GRUR Int. 2001, 252, mit Anm. Geiger, aufgehoben durch CA Paris, 30. 5. 2001, D. 2001, 2504, bestätigt durch Cass. civ, 13. 11. 2003, D. 2004, 200. Vgl. Bochurberg, Anm. zu Cass. civ., 22. 1. 1991, JCP 1991 II 21680, S. 191; Gautier5, Rn. 200; Geiger, IIC 2005, 716, 719 ff.; Bertrand, Rn. 111.11, S. 326 f., Rn. 111.25, S. 337 f. Vgl. Cass. civ, 7. 11. 2006, Bull. civ. I, Nr. 463 = JCP 2007 II 10026, mit Anm. Manara, zur Unzulässigkeit der vollständigen Reproduktion einer Fotografie; dazu auch BruguiÀre, PI 2007, 91 – 93. Die Vorinstanz hatte die kleinformatige Wiedergabe als »kurzes Zitat« gewertet; CA Paris, 2. 2. 2005, CCE 2005, 35, mit Anm. Caron. Nach Zurückverweisung an die Cour d’appel de Paris entschied diese erneut zu Gunsten der Nutzung und berief sich auf Art. 5 Abs. 3 lit. c HRL; CA Paris, 12. 10. 2007, CCE 2007, 35, mit Anm. Caron; vgl. auch die Besprechungen von Lucas, PI 2008, 219 – 221, und Pollaud-Dulian, RTD com. 2008, 79 – 82. Der Kassationshof hob die Entscheidung mit der Begründung auf, dass die zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht umgesetzte, lediglich fakultative Schranke der Richtlinie keinen Einfluss auf die Anwendung des bestehenden Zitatrechts haben konnte; Cass. civ., 22. 1. 2009, Bull. civ. I, Nr. 8.
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rungswürdig gehaltenen Zwecken durch neue Ausnahmen zu legalisieren. Für die umstrittene Nutzung in Versteigerungskatalogen wurde 1997 eine Freistellung in Art. L. 122-5 Nr. 3 c) CPI eingeführt, die im Jahr 2000 auf Wiedergaben in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen beschränkt wurde (dazu sogleich unter c). Die Wiedergabe grafischer, plastischer und architektonischer Werke zu Informationszwecken gestattet seit 2006 Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI.106 Im Anwendungsbereich von Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI bleiben Großzitate von Kunstwerken, z. B. in Ausstellungskatalogen,107 jedoch weiter unzulässig. Die jüngere Literatur zieht daher – abweichend von Desbois – in Erwägung, jedenfalls die teilweise Wiedergabe von Kunstwerken unter das Zitatrecht fallen zu lassen; die Werkintegrität werde dadurch nicht zwangsläufig verletzt.108 c)
Grafische und plastische Kunstwerke in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen Nachdem die Cour de cassation der zustimmungsfreien Vervielfältigung von Kunstwerken als »Kurzzitat« in Versteigerungskatalogen wiederholt eine Absage erteilt hatte, führte der Gesetzgeber 1997 mit Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI eine Schranke ein, die diese spezielle Nutzung freistellte. In seiner aktuellen Fassung vom 11. Juli 2000 erlaubt Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI nur noch die vollständige oder teilweise Vervielfältigung von »grafischen oder plastischen Kunstwerken«, die dazu bestimmt sind, im Katalog einer in Frankreich durchgeführten gerichtlichen Versteigerung zu erscheinen. Der Begriff des Versteigerungskatalogs wird in Art. R. 122-1 CPI näher definiert. Eine ausführliche Darstellung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erfolgt unter C.II. d)
Erhaltung und Konsultation von Werken in Bibliotheken, Museen und Archiven Durch das Gesetz vom 1. August 2006 wurde mit Art. L. 122-5 Nr. 8 CPI eine Schranke zu Gunsten von Museen, Archiven und öffentlich zugänglichen Bibliotheken eingeführt, die auf Art. 5 Abs. 2 lit. c und Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL basiert. Den Einrichtungen ist zum einen die Vervielfältigung und Darbietung von Werken zu konservatorischen Zwecken gestattet.109 Die erste Nutzungsal106 S. dazu unten S. 259 f. 107 Vgl. Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 1050 ff.; Tapissier-Gicquel, Rn. 565 ff., 567, 575, 583; Treppoz, D. 2005, 1237, 1239. 108 Vgl. Tapissier-Gicquel, Rn. 573 f.; Edelman, Anm. zu CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 402, 408; Bochurberg, Anm. zu Cass. civ., 22. 1. 1991, JCP 1991 II 21680, S. 194; Caron, Rn. 371; Linant de Bellefonds, Rn. 541 ; a. A. Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 1056. 109 Art. L. 122-5 Nr. 8 CPI lautet aktuell: »Lorsque l’œuvre a ¦t¦ divulgu¦e, l’auteur ne peut interdire: […] 88 La reproduction d’une œuvre et sa repr¦sentation effectu¦es des fins de conservation ou destin¦es pr¦server les conditions de sa consultation des fins de recherche ou d’¦tudes priv¦es par des particuliers, dans les locaux de l’¦tablissement et sur
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ternative entspricht damit dem von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL ursprünglich intendierten engen Anwendungsbereich.110 Die zugleich freigestellte Darbietung, die auch die öffentliche Zugänglichmachung umfasst, ist von der Richtlinie allerdings nicht gedeckt. Zum anderen gestattet die Schranke eine Vervielfältigung und Darbietung von Werken, die dazu dient, »die Bedingungen ihrer Konsultation« zu Forschungszwecken oder zu privaten Studien in den Räumlichkeiten der Einrichtung sowie an Computerterminals »zu erhalten«, die von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Museen oder Archivdiensten eingerichtet sind. Ermöglicht wird damit entsprechend Art. 5 Abs. 3 lit. n HRL u. a. die Wiedergabe von Kunstwerken an speziellen Terminals in den Räumlichkeiten von Museen. Die Einrichtungen dürfen keinerlei ökonomischen oder kommerziellen Zweck verfolgen. Weitere Freistellungen zu Gunsten von Museen, insbesondere zur Nutzung von Exponaten bzw. Sammlungsgegenständen in Ausstellungs- oder Bestandskatalogen, kennt das französische Urheberrecht bislang nicht.111 e)
Information über grafische, plastische oder architektonische Werke durch die Presse Das Gesetz vom 1. August 2006 schuf mit Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI112 auch eine Schranke zu Gunsten der Presseberichterstattung. Die Regelung beruht – ebenso wie Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI – auf der restriktiven Rechtsprechung der Cour de cassation zum Zitatrecht, die einer Wiedergabe von Kunstwerken auch in den Medien entgegenstand.113 Anstatt eine allgemeine Schranke für Nutzungen zu Informationszwecken einzuführen, stellte der Gesetzgeber allerdings nur die Wiedergabe von »grafischen, plastischen oder architektonischen Werken« frei. Diese dürfen durch die gedruckte, audiovisuelle oder Online-Presse zum ausschließlichen Zweck der unmittelbaren Information und in direkter Verbindung mit letzterer vervielfältigt oder dargeboten werden, sofern der Name des Urhebers deutlich angegeben wird. Gestattet ist nunmehr z. B. die Wiedergabe
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des terminaux d¦di¦s par des bibliothÀques accessibles au public, par des mus¦es ou par des services d’archives, sous r¦serve que ceux-ci ne recherchent aucun avantage ¦conomique ou commercial«. Der in seiner ursprünglichen Fassung als zu unklar kritisierte Wortlaut war 2009 präzisiert und erweitert worden; vgl. Geiger, IIC 2007, 401, 411 f.; Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 662. Vgl. oben S. 73 ff. Vgl. Henaff, CCE 2007, 14, 16; Tapissier-Gicquel, Rn. 565 ff., 575, 583; Gautier, RIDA 144 (1990), 13, 22. Art. L. 122-5 Nr. 9 Abs. 1 CPI lautet: »Lorsque l’œuvre a ¦t¦ divulgu¦e, l’auteur ne peut interdire: […] 98 La reproduction ou la repr¦sentation, int¦grale ou partielle, d’une œuvre d’art graphique, plastique ou architecturale, par voie de presse ¦crite, audiovisuelle ou en ligne, dans un but exclusif d’information imm¦diate et en relation directe avec cette derniÀre, sous r¦serve d’indiquer clairement le nom de l’auteur«. Vgl. oben S. 256 ff. Zur Gesetzgebungsgeschichte s. Lucas/Lucas3, Rn. 414.
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einzelner Kunstwerke anlässlich einer Ausstellungseröffnung in einem Zeitungsartikel, im Fernsehen oder Internet. Unzulässig ist hingegen die Nutzung von Werken – namentlich fotografischer oder illustrierender Art –, die eigens den Zweck verfolgen, über den jeweiligen Informationsgegenstand zu berichten.114 Wiedergaben, die nicht streng der unmittelbaren Information dienen oder nicht direkt mit dieser verbunden sind, lösen gemäß Art. L. 122-5 Nr. 9 Abs. 3 CPI einen Vergütungsanspruch auf Basis der für die betreffenden Branchen geltenden Vereinbarungen oder Tarife aus.115 f) Kunstwerke an öffentlich zugänglichen Orten Wie bereits erwähnt, lässt die Rechtsprechung als ungeschriebene Schranke traditionell auch die Reproduktion oder Darbietung von Kunstwerken zu, die sich an allgemein zugänglichen Orten befinden, sofern das Werk nicht den Hauptgegenstand der Abbildung darstellt.116 Desbois billigte eine solch beiläufige Nutzung, bei der die charakteristischen Merkmale des Werkes aufgrund der Perspektive der Aufnahme in den Hintergrund treten, so dass niemand auf die Idee käme, die Reproduktion eigens wegen der Werkabbildung zu erwerben.117 Auf eine Kodifizierung der Schranke nach dem Vorbild von Art. 5 Abs. 3 lit. h HRL konnte sich das Parlament bei der Umsetzung der Richtlinie nicht einigen.118 g) Sonstige Schranken Art. L. 122-5 CPI enthält darüber hinaus eine Freistellung für Darbietungen, die privat und unentgeltlich ausschließlich im Familienkreis stattfinden (Art. L. 122-5 Nr. 1 CPI), für Presserundschauen (Art. L. 122-5 Nr. 3 b) CPI), Parodien, stilistische Imitationen (pastiche) und Karikaturen (Art. L. 122-5 Nr. 4 CPI), für den Zugang zum Inhalt einer elektronischen Datenbank (Art. L. 122-5 Nr. 5 CPI) und für die Verbreitung von auf Versammlungen, Kundgebungen oder staatlichen Feierlichkeiten an die Öffentlichkeit gerichteten Ansprachen (Art. 114 Der Ausschlusstatbestand in Art. L. 122-5 Nr. 9 Abs. 2 CPI bezweckt ausweislich der Gesetzesmaterialien den Schutz des Fotojournalismus sowie der Qualität und Vielfalt an Informationen; Lucas, J.-Cl., Fasc. 1248, Rn. 80. Nach der Rechtsprechung fallen Lichtbildwerke jedoch generell nicht in den Anwendungsbereich der Schranke; dazu unten S. 284 f. 115 Die Bedeutung dieser Bestimmung wirft Fragen auf, da Nutzungen, die nicht den Voraussetzungen von Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI entsprechen, per se unzulässig sein müssten; vgl. Geiger, IIC 2007, 401, 416 f.; Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 664. 116 Cass. civ., 4. 7. 1995, D. 1996 Jur. 4, mit Anm. Edelman; Cass. civ., 15. 3. 2005, CCE 2005, 34, mit Anm. Caron; IIC 2005, 869 (engl. Übersetzung); dazu Geiger, IIC 2005, 842 – 850; Linant de Bellefonds, Rn. 514 – 516, jeweils m. w. N.; Desbois, Rn. 255; Trib. de paix Narbonne, 4. 3. 1905, D. 1905 2. 389. 117 Desbois, Rn. 255. 118 Vgl. Lucas/Lucas3, Rn. 414.
Schutzinhalt und Schranken des droit d’auteur
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L. 122-5 Nr. 3 c) CPI). Ferner stellt Art. L. 122-5 Nr. 6 CPI entsprechend Art. 5 Abs. 1 HRL vorübergehende Vervielfältigungen frei. Nutzungen zu pädagogischen Zwecken wurden nach Maßgabe von Art. L. 122-5 Nr. 3 e) CPI erlaubt. Zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Forschung dürfen allerdings nur »Auszüge« von Werken verwendet werden; die Wiedergabe muss sich zudem an ein überwiegend aus Schülern, Studenten, Lehrern oder Wissenschaftlern bestehendes Publikum richten.119 Die Freistellung bleibt somit hinter den Möglichkeiten von Art. 5 Abs. 3 lit. a HRL zurück. Mit Art. L. 122-5 Nr. 7 CPI erhielt der Schrankenkatalog ferner eine Privilegierung zu Gunsten behinderter Personen. Als weitere ungeschriebene Schranke ist schließlich die Nutzung amtlicher Werke anerkannt.120 3.
Der Dreistufentest in Art. L. 122-5 CPI als Schranken-Schranke
Anders als der deutsche hat der französische Gesetzgeber auch den Dreistufentest aus Art. 5 Abs. 5 HRL in das nationale Recht übernommen.121 Der vorletzte Absatz von Art. L. 122-5 CPI sieht vor, dass die geregelten Ausnahmen weder die normale Verwertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Urhebers ungebührlich verletzen dürfen. Die erste Stufe des Tests, die Beschränkung der Ausnahmen auf »bestimmte Sonderfälle«, soll sich bereits aus dem Zusammenhang mit den Ausnahmen in Art. L. 122-5 CPI ergeben und wird daher nicht aufgeführt. Insofern hat Frankreich streng genommen nur einen »Zweistufentest« kodifiziert.122 4.
Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte
Bei der gesetzlich freigestellten Nutzung von Werken sind die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des Urhebers zu wahren. Art. L. 122-5 S. 1 CPI bestimmt zunächst ausdrücklich, dass nur bereits veröffentliche Werke genutzt werden dürfen (»Lorsque l’œuvre a ¦t¦ divulgu¦e, l’auteur ne peut interdire: […] »).123 Für die in Art. L. 122-5 Nr. 3 CPI geregelten Schranken wird zudem die Nennung 119 Vgl. Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 663. 120 Dreier, in: Dreier/Kraßer, S. 24 f.; Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, Frankreich/I, S. 17. 121 Dazu Geiger, IIC 2007, 401, 418; Lucas-Schloetter, GRUR Int. 2007, 658, 664 f. Zum direkten Rückgriff auf den Dreistufentest durch den Kassationshof vor Kodifizierung des Tests s. Cass. civ., 28. 2. 2006 (»Mulholland Drive«), JCP 2006 II 10084. 122 Geiger, IIC 2007, 410, 418 Fn. 74. Die Sinnhaftigkeit des vom nationalen Richter zu beachtenden, insbesondere ökonomische Erwägungen erfordernden Tests ist umstritten. Befürchtet wird, dass eine gesetzlich gestattete Nutzung im Einzelfall durch den Richter nachträglich für unzulässig erklärt werde, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für die Nutzer führen könne; Geiger, a. a. O., S. 419. 123 Linant de Bellefonds, Rn. 525.
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des Urhebers und der Quelle ausdrücklich vorgeschrieben (»Sous r¦serve que soient indiqu¦s clairement le nom de l’auteur et la source: […]«);124 daneben ist das Recht auf Werkintegrität zu wahren.125 Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI, der die vollständige oder teilweise Wiedergabe von grafischen, plastischen und architektonischen Werken in der Presse gestattet, verlangt zumindest die – von den französischen Gerichten strikt eingeforderte126 – Nennung des Urhebers. Gesonderte, für alle Schranken geltende Regelungen, wie sie das deutsche Urheberrecht in §§ 62 und 63 UrhG vorsieht, enthält der CPI nicht. 5.
Zusammenfassung
Das französische droit d’auteur besitzt mit Art. L. 122-5 CPI einen vergleichsweise eng gefassten Katalog von Schranken, welche traditionell restriktiv ausgelegt werden. Kunstwerke erfahren darüber hinaus im Anwendungsbereich einiger Schranken, verglichen mit anderen Werkarten, besonderen Schutz. So ist die Herstellung mit dem Original »konkurrierender« Kopien vom Bereich der Privatkopie ausgenommen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass Kunstwerke, deren Aussage vollständig im Werkstück verkörpert bzw. visualisiert ist, in stärkerem Maße vor Konkurrenz durch Reproduktionen geschützt werden müssen als andere Werke. Im Bereich des Zitatrechts ist die vollständige Wiedergabe von Kunstwerken nach der Rechtsprechung der Cour de cassation gänzlich ausgeschlossen. Die (auch integrale) Wiedergabe von Kunstwerken im öffentlichen Raum wiederum ist zwar zulässig, setzt jedoch voraus, dass das Werk nicht Hauptgegenstand des Motivs ist. Die strikte Haltung des Kassationshofes in der Frage des Zitatrechts war Anlass für die Einführung einer »Katalogbildfreiheit« in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI und die Freistellung in Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI zu Informationszwecken. Sonstige Bildnutzungen von Kunstwerken zu den in Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI genannten Zwecken, z. B. im Rahmen kritischer oder (kunst-)wissenschaftlicher Abhandlungen, bleiben angesichts des kategorischen Ausschlusses von Großzitaten unzulässig.127 Damit sind auch Wiedergaben in Ausstellungskatalogen oder in sonstigen – informierenden oder gar werbenden – Museumspublika124 Zur Angabe des Urhebers und der Quelle bei Zitaten s. Bertrand, Rn. 106.36, S. 229 – 231. Fehlende Urheberangaben in Auktionskatalogen waren u. a. Gegenstand der Entscheidung TGI Paris, 21. 3. 2003, CCE 2003, 23, bestätigt durch CA Paris, 20. 10. 2004, Az. 03-08136, besprochen von Lucas, PI 2005, 59 f.; vgl. dazu unten S. 302 f. 125 Tafforeau, Rn. 161 Fn. 130. 126 Linant de Bellefonds, Rn. 526 m. w. N. 127 Vgl. Dreier, Anm. zu Cass. civ., 22. 1. 1991, GRUR Int. 1992, 135, 136; s. auch Bertrand, Rn. 111.15, S. 337 m. w. N. zur jüngeren Rechtsprechung, die Zitate der Zeichnungen aus den Tintin-Comics von Herg¦ in Werken untersagte, die sich mit dem Œuvre des Künstlers auseinandersetzten.
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tionen, anders als im deutschen Recht, zustimmungs- und vergütungspflichtig.128 Speziell für den Museumsbereich gilt lediglich die Ausnahme in Art. L. 122-5 Nr. 8 CPI, der Reproduktionen und Darbietungen eines Werkes zu konservatorischen Zwecken gestattet und Nutzungen an Terminals in den Räumlichkeiten der Einrichtung ermöglicht. In Anbetracht der starren Handhabung des Zitatrechts, die der vollständigen Wiedergabe von Kunstwerken selbst zu wissenschaftlichen, nichtkommerziellen Zwecken entgegensteht, erweist sich das singuläre Zugeständnis des französischen Gesetzgebers an das Auktionswesen als ungewöhnlich weitgehend. Die Hintergründe hierfür werden im folgenden Kapitel dargestellt.
C.
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Wie gesehen, kannte das französische Urheberrecht bis zum Jahr 1997 keine Schranke, die auf die praktischen Bedürfnisse des Kunsthandels zugeschnitten war. Die zustimmungsfreie Abbildung künstlerischer Werke konnte allenfalls auf das Zitatrecht gestützt werden, dessen Anwendung auf Kunstwerke jedoch seit seiner Kodifizierung im Jahr 1957 umstritten war. Selbst unter Zugrundelegung der liberalen Rechtsprechung der Cour de cassation von 1926 hätten zudem nur einzelne Werke zu Zitatzwecken in stark verkleinertem Format reproduziert werden dürfen.129 Dennoch entsprach es im Auktionshandel bis zum Ende der 1980er Jahre gängiger Praxis, zur Versteigerung vorgesehene Werke in Verkaufskatalogen abzubilden, ohne die Zustimmung der Urheber einzuholen.130 Die staatlich vereidigten Versteigerer (commissaires-priseurs), die bis zur Öffnung des französischen Auktionsmarktes im Jahr 2000 das Monopol für die Durchführung öffentlicher Versteigerungen hatten,131 lehnten es ab, die Rechte für die Reproduktion der Werke in ihren Katalogen zu erwerben. Dieser Position schlossen sich die großen angelsächsischen Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s an, die damals zwar noch keine Auktionen in Frankreich abhalten durften, aber auch dort die Kataloge für ihre im Ausland stattfindenden Versteigerungen verbreiteten.132 Zwei im Jahr 1986 angestrengte Klagen erzwangen 128 Vgl. oben S. 258 f. Derartige Nutzungen fallen auch nicht unter die Schranke zu Gunsten pädagogischer Zwecke (Art. L. 122-5 Nr. 3 e) CPI), die nur die Wiedergabe von Werkauszügen gestattet, um einem (Fach-)Publikum von Schülern, Studenten, Lehrkräften oder Wissenschaftlern Bildungs- bzw. Forschungsinhalte zu veranschaulichen. 129 S. oben S. 255 f. 130 Vgl. CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 3; CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 402, 404; Duret-Robert, Rn. 214.11, S. 678. 131 S. oben S. 43. Zu den Reformen des Auktionswesens von 2000 und 2011 s. auch unten S. 274 f. und S. 278 Fn. 210. 132 Duret-Robert, Rn. 214.11, S. 678.
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schließlich eine gerichtliche Klärung der Problematik durch die Cour de cassation, die die erlaubnisfreie Wiedergabe an der mangelnden »Kürze« des (Bild-) Zitats scheitern ließ.133 Als Reaktion hierauf führte Frankreich 1997 mit Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erstmals eine Privilegierung für Versteigerungskataloge ein. Der folgende Abschnitt befasst sich zunächst mit der sog. Utrillo-Rechtsprechung und der Gesetzgebungsgeschichte von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI sowie den in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumenten für und gegen eine Freistellung von Katalogbildern. Im Anschluss wird der aktuelle Umfang der französischen »Katalogbildfreiheit« und deren Richtlinienkonformität untersucht.
I.
Historische Entwicklung
1.
Die »Utrillo-Rechtsprechung« zu Reproduktionen in Auktionskatalogen
a) Sachverhalt und Instanzenzug Der Pariser Auktionator Guy Loudmer gab im Jahr 1986 einen Katalog für eine Versteigerung heraus, der die vollständige Vervielfältigung einer Bleistiftzeichnung sowie zweier Ölgemälde von Maurice Utrillo enthielt, die bei der Veranstaltung zum Aufruf kommen sollten. Jean-Roger Fabris, Mitinhaber der Vervielfältigungsrechte an Utrillos Werken, ließ den Katalog beschlagnahmen und beantragte beim Tribunal de grande instance de Paris die Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme. In gleicher Weise ging Fabris gegen die Wiedergabe von sechs Gemälden in zwei Katalogen von Christie’s France und Sotheby’s France vor, die im Vorfeld einer in New York stattfindenden Versteigerung in Frankreich verbreitet worden waren. In Fabris c/ Loudmer hielten das TGI Paris134 sowie die erste Kammer der Cour d’appel de Paris in der Berufungsentscheidung135 die Katalogbilder für durch das Zitatrecht nach Art. 41 Nr. 3 Abs. 2 UrhG 1957 bzw. Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI gedeckt und erklärten die Beschlagnahme für unzulässig. Im Parallelverfahren Fabris und SPADEM136 c/ Sotheby’s France und Christie’s France sprach sich die vierte Kammer der Cour d’appel de Paris jedoch gegen die Anwendung des Zitatrechts auf Auktionskataloge aus.137 Die in der Berufung jeweils unterlegenen Parteien legten Revision bei der Cour de cassation ein. Diese befand in der gemeinsamen Entscheidung 133 134 135 136
S. oben S. 255 ff., 257. TGI Paris, 8. 4. 1987, n.v.; vgl. dazu CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 3. CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 3. Die Verwertungsgesellschaft SPADEM war dem Rechtsstreit als Mitinhaberin der Verwertungsrechte an den Werken von Utrillo in der Berufungsinstanz beigetreten. 137 CA Paris, 3. 7. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 4.
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der Verfahren am 22. Januar 1991138, dass die vollständige Wiedergabe eines Kunstwerkes kein kurzes Zitat sein könne, und bestätigte damit das Urteil der vierten Kammer der CA Paris in Sotheby’s France und Christie’s France, während sie das Urteil der ersten Kammer in Fabris c/ Loudmer aufhob und zur erneuten Entscheidung an die Cour d’appel de Versailles zurückverwies. Das Versailler Berufungsgericht schloss sich jedoch dem Standpunkt der ersten Kammer der CA Paris an.139 Nach erneuter Rechtsmitteleinlegung durch Fabris gelangte die Sache Loudmer vor die Assembl¦e pl¦niÀre der Cour de cassation, die das Urteil aus Versailles aufhob und das Verfahren an die Cour d’appel d’Orl¦ans zurückverwies.140 Diese pflichtete in ihrer Entscheidung141 der Auffassung der Cour de cassation bei. Nach erneuter Revisionseinlegung von Seiten der Auktionatoren lag die endgültige Entscheidung bei der Cour de cassation. Mit deren Urteil vom 10. Februar 1998142, das die Unzulässigkeit der Nutzung ein drittes Mal höchstrichterlich feststellte, fand das Verfahren Loudmer schließlich seinen Abschluss. b)
Die teleologische Auslegung des Zitatrechts durch die erste Kammer der Cour d’appel de Paris und die Cour d’appel de Versailles In Fabris c/ Loudmer hatte das TGI Paris die in einem Auktionskatalog enthaltene Reproduktion des Werkes von Utrillo als »kurzes Zitat« i. S. v. Art. 41 Nr. 3 UrhG 1957 für zulässig befunden und darauf verwiesen, dass die Reproduktion allein dem Zweck der Information möglicher Erwerber des Werkes diene und in einer Aufmachung erfolge, die jede andere Nutzung ausschließe.143 Die CA Paris hob ergänzend hervor, dass der im Streit stehende Katalog, der gemäß den Gepflogenheiten des Berufsstandes eine Versteigerung ankündigen solle, ein Verzeichnis aller Werke unter Angabe ihrer Urheber und ihrer Titel, der verwendeten Maltechnik und ihrer Dimensionen enthalte und dass die schwarzweißen oder farbigen Wiedergaben der Werke in verkleinertem Format erfolgt seien. Der Katalog sei zudem nicht in der gesamten Öffentlichkeit verbreitet, wie es bei Kunstzeitschriften oder -büchern der Fall sei, sondern nur auf Anfrage an Personen verkauft worden, die sich für den Erwerb eines des abgebildeten Werke interessierten. Ein in dieser Weise von einem Auktionator herausgegebener Katalog, der den Zweck verfolge, potentielle Käufer über die Anzahl und Art der angebotenen Werke in Kenntnis zu setzen, stelle selbst ein »Werk mit infor138 Cass. civ., 22. 1. 1991 (deux arrÞts), JCP 1991 II 21680, mit Anm. Bochurberg = RIDA 148 (1991), 119 = GRUR Int. 1992, 135, mit Anm. Dreier. 139 CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 402, mit Anm. Edelman. 140 Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, Bull. civ. AP, Nr. 15 = D. 1994 Jur. 481, mit Anm. Foyard. 141 CA Orl¦ans, 22. 6. 1995, D. 1995 IR 213. 142 Cass. civ., 10. 2. 1998, Bull. civ. I, Nr. 54. 143 Vgl. CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 3.
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matorischem Charakter« dar. Die darin eingefügten Reproduktionen der Gemälde von Utrillo seien durch diesen Informationscharakter des Katalogs offensichtlich gerechtfertigt, denn sie dienten dazu, dessen Informationen zu vervollständigen und dem Käufer dadurch die Identifikation der Werke zu ermöglichen. Da eine entsprechende Illustration ferner zwangsläufig in Form einer integralen Vervielfältigung geschehen müsse, um das Werk nicht zu verfälschen, seien die Reproduktionen als »kurze Zitate« anzusehen.144 Entsprechend verwarf die CAVersailles den Einwand des Klägers, der Katalog sei in keiner Weise Ausdruck einer schöpferischen Persönlichkeit und weise daher keinen Werkcharakter auf, mit der Feststellung, bereits die Anordnung der Informationen und sein Layout machten den Katalog zu einer intellektuellen, Originalität aufweisenden Leistung. Mit Blick auf die erforderliche Kürze des Zitats betonte die Cour d’appel de Versailles, dass die Werke in einem solch reduzierten Format wiedergegeben seien, dass es sich nurmehr um »schlichte Andeutungen« des Originals handele. Dessen Bedeutung, Tragweite oder ästhetischer Wert würden unter diesen Umständen in keiner Weise Konkurrenz erfahren.145 Beide Cours d’appel stellten somit den Werkcharakter und Informationszweck des Katalogs in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Die Kürze des Zitats wurde nach ihrer Ansicht durch das reduzierte Bildformat gewahrt, das mit den Originalwerken nicht konkurriere. c)
Die enge Auslegung des Zitatrechts durch die vierte Kammer der Cour d’appel de Paris und die Cour d’appel d’Orléans In Fabris und SPADEM c/ Sotheby’s France und Christie’s France hielt die vierte Kammer der CA Paris dagegen am Grundsatz der engen Schrankenauslegung fest. In ihrem Urteil vom 3. Juli 1989146 hob sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Cour de cassation in Tardy c/ Larousse147 hervor, dass grundsätzlich jede vollständige oder partielle Vervielfältigung ohne Zustimmung des Urhebers unzulässig sei. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Werke verkleinert wiedergegeben würden, wie es bei Reproduktionen in einem Buch oder Katalog fast immer der Fall sei. Denn das Gesetz knüpfe die Unzulässigkeit einer Reproduktion nicht daran, dass diese an die Stelle des Originals zu treten vermag oder mit diesem konkurriere. Zur Natur des Auktionskatalogs stellte das Gericht fest, dieser enthalte nur einige »unentbehrliche Angaben« zum Werk, die unterhalb von halb- oder sogar ganzseitigen farbigen Reproduktionen in »exzel144 145 146 147
CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 3. CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 402, 403. CA Paris, 3. 7. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 4. Cass. civ., 13. 4. 1988, JCP 1989 I 3372, Annexe; dazu oben S. 256 f.
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lenter Qualität« platziert seien.148 Auktionskataloge würden zudem öffentlich verbreitet und verkauft. Die Rechtsinhaber beriefen sich daher zu Recht auf die Verletzung ihrer Verwertungsrechte.149 Im Hinblick auf die Höhe des Schadensersatzanspruches würdigte das Gericht jedoch zu Gunsten der Auktionshäuser, dass die »seltene Qualität« der Reproduktionen in den luxuriösen, weit verbreiteten Katalogen150 potentiellen Käufern ermögliche, sich ein getreues Bild von der Beschaffenheit der Werke zu machen und dadurch in nicht zu vernachlässigender Weise zur Werbung für das Gesamtwerk des Künstlers beitrage. Dieser Umstand sei auch für den Rechtsinhaber von Interesse, insbesondere mit Blick auf die Ausübung des Folgerechts. Statt der beanspruchten 30.000 FF gewährte die Cour d’appel dem Kläger daher lediglich einen Schadensersatz in Höhe von 10.000 FF. In Fabris c/ Loudmer bestätigte auch die CA Orl¦ans, nach der zweiten Kassation allerdings an die Rechtsauffassung der Cour de cassation gebunden, die Unzulässigkeit der Reproduktionen: Ein Auktionator könne sich nicht auf das Interesse des Urhebers berufen, um integrale Wiedergaben von Werken in Verkaufskatalogen zu rechtfertigen und sich damit gesetzlichen Bestimmungen zu entziehen.151 d) Die restriktive Auffassung der Cour de cassation Die im Fall Fabris c/ Loudmer insgesamt drei Mal angerufene Cour de cassation hielt jeweils an dem in Tardy c/ Larousse ausgesprochenen Grundsatz fest, dass die vollständige Wiedergabe eines literarischen oder künstlerischen Werkes, unabhängig von ihrer Natur sowie der Art des Werkes, in dem sie enthalten sei, kein Zitat i. S. v. Art. 41 Nr. 3 UrhG 1957 sein könne.152 Mit den näheren von den 148 Vgl. auch die Entscheidung TGI Paris, 15. 1. 1997, RIDA 173 (1997), 359, 364, in der das TGI zu Auktionkatalogen von Christie’s feststellte, dass diese zwar hauptsächlich der Information potentieller Käufer dienten, zugleich aber einen ästhetischen Charakter besäßen: Sie seien prachtvoll aufgemacht, enthielten oft großformatige und hochwertige Vervielfältigungen und könnten aus schlichtem Interesse an den abgebildeten Kunstwerken oder Sammlungen erworben und aufbewahrt werden. 149 Auf entsprechenden Einwand der Beklagten merkt das Gericht allerdings an, dass eine Verweigerung der Zustimmung zur Reproduktion seitens der Rechtsinhaber, die der Verbreitung des Werkes eines Künstlers abträglich wäre, rechtsmissbräuchlich und gerichtlich sanktionierbar sei; CA Paris, 3. 7. 1989, JCP 1990 I 3433, Annexe 4. 150 Denkbar ist, dass die im Rechtsstreit Fabris und SPADEM c/ Sotheby’s France und Christie’s France zu beurteilenden Kataloge der angelsächsischen Auktionshäuser größere und hochwertigere Abbildungen enthielten als das Verzeichnis des Auktionators Loudmer im Parallelverfahren Fabris c/ Loudmer. Hierin liegt möglicherweise eine Ursache für die unterschiedliche Bewertung der Katalogbilder durch die Instanzgerichte. 151 CA Orl¦ans, 22. 6. 1995, D. 1995 IR 213. 152 Cass. civ., 22. 1. 1991, JCP 1991 II 21680, mit Anm. Bochurberg = RIDA 148 (1991), 119 = GRUR Int. 1992, 135, mit Anm. Dreier ; 5. 11. 1993, Bull. 1993, AP, Nr. 15 = D. 1994 Jur. 481, mit Anm. Foyard; 10. 2. 1998, Bull. civ. I, Nr. 54.
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Cours d’appel gewürdigten Umständen der Wiedergabe, namentlich dem Informationszweck und Werkcharakter des Katalogs, der Art und Weise der Reproduktion und den etwaigen Folgen der Nutzung für die Verwertung des Originals, setzte sich der Kassationshof nicht auseinander. Ihre strikte Position hat sie bislang beibehalten.153 e) Die Auffassungen im Schrifttum Die französische Literatur hielt die extensive Auslegung des Zitatrechts durch die erste Kammer der CA Paris und die CA Versailles überwiegend für zu weitgehend. Auch wenn die rigide Rechtsprechung der Cour de cassation zum Zitatrecht teilweise als zu unflexibel kritisiert wurde, pflichtete man ihr im Fall der streitigen Auktionskataloge doch im Ergebnis bei.154 Foyard zufolge kann die Kürze des Zitats bei Kunstwerken nicht mit einer Reduzierung des Formats gleichgesetzt werden, da die »Essenz« des Werkes bei einer integralen Reproduktion dennoch erhalten bleibe.155 In diesem Sinne bewertete auch Bochurberg die Argumentation der CAVersailles, die den Begriff der Reproduktion vermeide und stattdessen von einer »Andeutung« des Werkes spreche, als missbräuchlich. Auktionskataloge dienten nicht nur der Information der Öffentlichkeit, sondern seien auch wegen ihres ästhetischen Wertes begehrt. Daher stelle sich die Frage, ob die »Illustrationen« nicht doch mit dem Werken selbst konkurrierten.156 Nach Auffassung von Edelman weist die Frage, ob die streitigen Reproduktionen mit der Verwertung der Originale konkurrieren, hingegen keinerlei Bezug zur juristischen Rechtfertigung des Zitatrechts auf.157 Auch K¦r¦ver hatte den Eindruck, die von der CAVersailles erörterten ökonomischen Gesichtspunkte seien direkt dem US-amerikanischen Copyright Act 1976 entlehnt, und fragte sich, ob man von den Ausnahmen des Privatgebrauchs und des Zitatrechts zum Prinzip des »fair use« hinübergleite.158 Gautier wiederum hob hervor, dass Verkäufer und Auktionshäuser eine gewinnbringende Tätigkeit ausübten.159 Die reproduzierten Objekte seien zur Versteigerung bestimmt und die Kataloge würden zum Teil, wenn auch nur zum Selbstkostenpreis, verkauft. Eine Freistellung der Nutzung widerspreche daher dem Geist der Ausnahmen in Art. L. 122-5 Nr. 3 153 Vgl. oben S. 157 f. 154 Vgl. Edelman, Anm. zu CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Rn. 12; FranÅon, Anm. zu Cass. civ., 21. 1. 1991, RTD com. 1991, 217, 222 f.; ders., Anm. zu Cass. pl¦n, 5. 11. 1993, RTD com. 1994, 50 ff.; Foyard, Anm. zu Cass. civ., 5. 11. 1993, D. 1994 Jur. 482, 483; Colombet, Anm. zu CA Paris, 3. 7. 1989, D. 1990 Somm. 51. 155 Foyard, Anm. zu Cass. civ., 5. 11. 1993, D. 1994 Jur. 482, 483. 156 Bochurberg, S. 140 f. 157 Edelman, Anm. zu CA Versailles, 20. 11. 1991, D. 1992 Jur. 404, 408. 158 K¦r¦ver, Anm. zu CA Versailles, 20. 11. 1991, RIDA 153 (1992), 152. 159 Ebenso Caron, Rn. 371.
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CPI.160 Auch FranÅon lehnte die Einführung einer Katalogbildfreiheit ab, da man die Urheber künstlerischer Werke dadurch einer der seltenen Gelegenheiten beraube, ihr Vervielfältigungsrecht auszuüben.161 Er wies auf die begrenzte Reichweite des Folgerechts hin, das (bis zur Umsetzung der Folgerechts-RL im Jahr 2007) faktisch nur bei Veräußerungen im Rahmen von Versteigerungen zum Tragen kam162. Auch von ihrem Darbietungsrecht profitierten die Künstler angesichts der noch »fragilen« Anerkennung des Ausstellungsrechts nur wenig.163 Die Gefahr, dass die Künstler die Aktivitäten der Auktionatoren durch die Einforderung exzessiver Vergütungen behinderten, hielt er für überbewertet. Da Versteigerungen für die Urheber eine Gelegenheit darstellten, ihr Folgerecht auszuüben, sei nicht ersichtlich, welches Interesse ein Künstler daran haben sollte, durch die Beanspruchung hoher Lizenzgebühren zu verhindern, dass die Versteigerung unter optimalen Bedingungen – d. h. mit einem Katalog, der seine Werke enthalte – ablaufe.164 Dreier hingegen äußerte Verständnis für die extensive Auslegung des Zitatrechts durch die erste Kammer der CA Paris. Er wies auf das – in der amtlichen Begründung des deutschen Urheberrechts165 hervorgehobene – Bedürfnis nach Ausstellungs- und Versteigerungskatalogen hin, die auch für den Urheber von Nutzen seien, da sie das Bekanntwerden und den Absatz seiner Werke förderten. Im Gegensatz zu FranÅon sah Dreier gerade in dem für bildende Künstler vorteilhaften Zusammenhang zwischen Folgerecht und Katalogbildfreiheit ein zentrales Argument für eine Freistellung.166 Eine Harmonisierung des Folgerechts vorausgesetzt, erscheine es bei zum Verkauf oder zur Versteigerung bestimmten Werken kaum sachgerecht, am Ausschließlichkeitsrecht festzuhalten.167 Denn dessen Geltendmachung kollidiere, sofern der Eigentümer des Kunstwerks nicht zugleich Inhaber der Verwertungsrechte sei, mit dem Eigentumsrecht des Einlieferers; die Versagung der Abbildungsgenehmigung könne den Verkauf zumindest erheblich erschweren, da nicht nur die Identifikation des Werkes während der Versteigerung beeinträchtigt werde, sondern auch leicht der Eindruck entstehen könne, das betreffende Kunstwerk sei mit einem 160 Gautier5, Rn. 200; s. auch Gautier, Rn. 360. 161 FranÅon, Anm. zu Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, RTD com. 1994, 50, 51; ders., Anm. zu Cass. civ., 13. 4. 1988, RTD com. 1989, 238, 240; zust. Colombet, Anm. zu CA Paris, 3. 7. 1989, D. 1990 Somm. 51. 162 S. oben S. 244 Fn. 13. 163 FranÅon, Anm. zu Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, RTD com. 1994, 50, 51; ders., Anm. zu Cass. civ., 13. 4. 1988, RTD com. 1989, 238, 240. 164 FranÅon, Anm. zu Cass. pl¦n., 5. 11. 1993, RTD com. 1994, 50, 51. 165 S. oben S. 102. 166 Dreier, Anm. zu Cass. civ., 22. 1. 1991, GRUR Int. 1992, 135, 136. 167 Zum Ausgleich der betroffenen Interessen schlägt Dreier die Einführung eines verwertungsgesellschaftenpflichtigen Vergütungsanspruchs vor; Dreier, a. a. O., S. 136.
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rechtlichen Makel behaftet.168 Nach Ansicht von Bertrand hat sich die Cour de cassation mit der Verurteilung der Nutzungspraxis der Auktionatoren, die schlicht ihren Beruf ausübten, gar lächerlich gemacht. Die Nutzung sei im Licht von Art. 10 Abs. 1 RBÜ, der Zitate »entsprechend den anständigen Gepflogenheiten« erlaube, absolut zulässig.169 f) Zusammenfassung Selten wurde die Zulässigkeit einer urheberrechtlich relevanten Nutzung in Frankreich so kontrovers beurteilt wie die Wiedergabe von Kunstwerken in Auktionskatalogen. In dem Bestreben, die zur Information der Käufer für sinnvoll erachteten Katalogabbildungen zu rechtfertigen, sprachen die erste Kammer der CA Paris und die CA Versailles den Verzeichnissen in Fabris c/ Loudmer den Charakter eines Informationswerkes zu, dessen Aussagen durch die stark verkleinerten und damit »kurz« zitierten Werkwiedergaben illustriert werden sollten. Zudem fand Berücksichtigung, dass die Abbildungen nicht mit den Originalwerken konkurrierten und die Kataloge nur auf Anfrage an Interessenten abgegeben wurden. Die vierte Kammer der CA Paris und die CA Orl¦ans hielten demgegenüber in Fabris und SPADEM c/ Sotheby’s France und Christie’s France an der engen Schrankenauslegung der Cour de cassation fest. Die vierte Kammer der CA Paris verneinte bereits den Werkcharakter der Auktionskataloge. Gegen die freie Nutzung sprachen ihres Erachtens auch die exzellente Qualität der halb- oder ganzseitigen Reproduktionen sowie der öffentliche Vertriebe der Kataloge. Dennoch räumte das Gericht ein, dass die Katalogabbildungen zur Werbung für das Œuvre des Künstlers beitrügen und für diese auch mit Blick auf die Ausübung des Folgerechts von Interesse seien. Die Literatur befürwortete überwiegend die Position der Cour de cassation. Gegen die Ausweitung des Zitatrechts auf Auktionskataloge wurde u. a. geltend gemacht, dass die Privilegierung einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit dem Geist der Ausnahmeregelungen in Art. L. 122-5 Nr. 3 CPI widerspreche. Die streng genommen vorgreifliche Frage, ob ein Auktionskatalog tatsächlich als ein (diverse Kunstwerke »zitierendes«) Informationswerk angesehen werden 168 Dreier, GRUR Int. 1992, 135, 136. Geiger wiederum gab anlässlich des Urteils der Cour de cassation zur Wiedergabe von Kunstwerken in der Fernsehberichterstattung zu bedenken, dass der durch eine Freistellung zu Informationszwecken entstehende Verlust für den Urheber größtenteils durch den ökonomischen Vorteil kompensiert werde, der aus der Information über ein Werk resultiere und oft nichts anderes als eine Art von Werbung darstelle; Geiger, Anm. zu Cass. civ., 13. 11. 2003, IIC 2004, 717, 721 f. Für Vervielfältigungen in Ausstellungskatalogen sei dies in Rechtsprechung und Lehre klar anerkannt; Geiger, a. a. O., Fn. 28, unter Bezugnahme auf Colombet, Grands principes, S. 65, und CA Paris, 3. 7. 1989, D. 1990 Somm. 51, mit Anm. Colombet. 169 Bertrand, Rn. 111.11, S. 326.
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kann,170 trat in der Diskussion um die Kürze des Zitats in den Hintergrund. Als Argument für eine Freistellung wurde demgegenüber auch in der Literatur auf die wirtschaftlichen Vorteile hingewiesen, die Künstlern in Form des Folgerechts durch eine – durch Bildzitate in Katalogen geförderte – erfolgreiche Versteigerung ihrer Werke zuteil würden. Die langjährige Debatte erstreckte sich damit über Fragen der Tatbestandsauslegung hinaus auf rechtspolitische und ökonomische Gesichtspunkte, namentlich ob und inwieweit Kunstwerke durch Katalogbilder Konkurrenz erfahren und ob die wirtschaftlichen Vorteile, die mit der Freistellung für die Urheber verbunden sein können, das ökonomische Interesse an der Geltendmachung des Reproduktionsrechts nicht überwiegen. Die Kontroverse um die Zulässigkeit von Katalogbildern setzte sich im Gesetzgebungsverfahren zu Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI fort. 2.
Erste Kodifizierung der Katalogbildfreiheit für Versteigerungen in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (1997)
Nachdem die Rechtsprechung der Cour de cassation der gängigen Nutzung von Kunstwerken durch die commissaires-priseurs Anfang der 1990er Jahre ein Ende bereitet hatte, führte der Gesetzgeber 1997 mit Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI eine eigene allgemeine Schranke für Auktionskataloge ein. a) Gesetzgebungsverfahren aa) Die Kodifizierung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erfolgte zusammen mit der Umsetzung der Satelliten- und der Schutzdauer-RL durch das Gesetz Nr. 97-283 vom 27. März 1997. Die Regierung brachte bei dieser Gelegenheit den Entwurf für eine Schranke zu Gunsten der französischen Versteigerer in das Gesetzgebungsverfahren mit ein, den der Senat in erster Lesung billigte:171 »Art. 16 (nouveau) Il est ins¦r¦, aprÀs le septiÀme alin¦a (c du 38) de l’article L. 122 – 5 du code de la propri¦t¦ intellectuelle, deux alin¦as ainsi r¦dig¦s: d) Les reproductions int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques et plastiques destin¦es figurer en format r¦duit dans un systÀme ¦lectronique visant la commercialisation d’œuvres d’art ou dans le catalogue d’une vente aux enchÀres publiques effectu¦es en France par un officier public ou minist¦riel pour les exemplaires qu’il met la disposition du public avant la vente dans le but d’illustrer de maniÀre scientifique la description de l’objet mis en vente publique. 170 Ablehnend Edelman, Anm. zu CA Paris, 20. 3. 1989, JCP 1990 I 3433, Rn. 12; kritisch auch Bochurberg, Anm. zu Cass. civ., 22. 1. 1991, JCP 1991 II 21680. 171 Vgl. Art. 16 des in der öffentlichen Sitzung vom 5.3.1996 angenommenen Gesetzesentwurfs, Texte n. 85 (1995– 1996), abrufbar im Dossier l¦gislatif des Senats unter www.senat.fr/dossierleg/ s94950264.html (20. 10. 2013).
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Un d¦cret en Conseil d’Êtat fixe les caract¦ristiques des documents et les conditions de leur distribution.«172
Nach dem Entwurf sollte die Wiedergabe grafischer und plastischer Werke nicht nur in Auktionskatalogen, sondern auch in »elektronischen Systemen zur Vermarktung von Kunstwerken« freigestellt sein. Gemeint war offenbar der Vertrieb von Kunstwerken u. a. über das Internet173 ohne eine Beschränkung auf Versteigerungen. bb) Kultusminister Douste-Blazy begründete das Gesetzesvorhaben, das von den Vertretern der Urheber gebilligt werde, gegenüber der Nationalversammlung mit der Sorge um die internationale Konkurrenzfähigkeit des französischen Kunstmarktes, insbesondere der französischen Versteigerer.174 Ein Änderungsantrag175 des Gesetzesausschusses der Nationalversammlung sah dagegen eine Beschränkung der Privilegierung auf herkömmliche Versteigerungskataloge vor, die zudem unentgeltlich abgegeben werden sollten. Letztere Forderung wurde indes im Laufe der Plenardiskussion auf Betreiben der Regierung fallengelassen.176 Nach Auffassung des Kultusministers bringe eine solche Einschränkung die Gefahr der Aushöhlung der Schranke mit sich. Denn die Kataloge würden, insbesondere wenn sie illustriert seien, verkauft, wenn auch nur zu einem bescheidenen Preis. Es sei daher nicht wünschenswert, den Begriff der Unentgeltlichkeit in das Gesetz einzuführen. Die Versteigerer dürften jedoch mit der Verbreitung der Kataloge keine Gewinne erzielen.177 Die Nationalversammlung nahm daraufhin den Vorschlag des Gesetzesausschusses ohne die Voraussetzung der Unentgeltlichkeit an.178 Die Freistellung umfasste danach: »d) Les reproductions int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques et plastiques destin¦es figurer dans le catalogue d’une vente aux enchÀres publiques effectu¦es en 172 Projet de loi adopt¦ par le S¦nat le 5 mars 1996, Texte n. 85 (1995 – 1996), Art. 16, www.senat.fr/leg/tas95-085.html (20. 10. 2013). 173 Vgl. die Stellungnahme von Senator Laffitte in der Sitzung vom 19. 12. 1996, S. 12, www.senat.fr/seances/s199612/s19961219/st19961219000.html (20. 10. 2013). 174 »[Art.16] a pour objet de soutenir l’activit¦ du march¦ de l’art, et plus pr¦cis¦ment, les ventes publiques d’œuvres d’art en France, fortement concurrenc¦es, comme vous le savez, sur le plan international. L’extension d’une d¦rogation au droit de reproduction r¦pond une souci d’¦quilibre. […] Elle est approuv¦e par les repr¦sentants des auteurs«; AN, Sitzung vom 10. 10. 1996, S. 10, http://archives.assemblee-nationale.fr/10/cri/1996-1997ordinaire1/009.pdf (20. 10. 2013). 175 Ebd. S. 29, s. Änderungsantrag des Gesetzesausschusses Nr. 29: »d) Les reproductions int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques et plastiques destin¦es figurer dans le catalogue d’une vente aux enchÀres publiques effectu¦es en France par un officier public ou minist¦riel pour les exemplaires qu’il met gratuitement la disposition du public avant la vente dans le seul but de d¦crire les œuvres d’art mis en vente«. 176 Ebd. S. 29 f. 177 Ebd. S. 30. 178 Ebd. S. 30.
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France par un officier public ou minist¦riel pour les exemplaires qu’il met la disposition du public avant la vente dans le seul but de d¦crire les œuvres d’art mis en vente.«179
cc) Der Senat stimmte der von der Nationalversammlung beschlossenen Fassung in zweiter Lesung zu. Der Senatsausschuss für kulturelle Angelegenheiten betonte allerdings, der Verzicht auf die unentgeltliche Abgabe der Kataloge könne nur dann gebilligt werden, wenn sich aus den Gesetzesmaterialien ausdrücklich ergebe, dass der Katalogverkauf auf keinen Fall zu einer Gewinnerzielung führen dürfe.180 In der öffentlichen Sitzung des Senats wurde sodann über einen Änderungsantrag des Senators Blaizot debattiert, der eine Erweiterung der Schranke auf Kataloge von Kunsthändlern und -galerien vorsah.181 Der Kultusminister wandte dagegen mit Blick auf den besonderen Status der staatlichen Versteigerer ein, die vorgeschlagene Erweiterung stelle eine »möglicherweise verfassungswidrige Diskriminierung zu Gunsten des Kunstmarktes« dar. Zudem müsse eine solche Regelung konsequenterweise auf Verlage sowie auf alle Handelsgesellschaften ausgedehnt werden, was einer Abschaffung des Vervielfältigungsrechts gleichkäme.182 Der Senat nahm Art. 16 daraufhin in der von der Nationalversammlung beschlossenen Fassung183 an, die nach einer redaktionellen Änderung als Art. 17 des Gesetzes vom 27. März 1997 verabschiedet wurde. dd) Caron und andere Autoren bezeichneten das Gesetz als das Ergebnis eines 179 S. den entsprechend geänderten und dem Senat zur zweiten Lesung unterbreiteten Gesetzesentwurf der Regierung vom 15. 10. 1996 (Texte n. 28 (1996 – 1997)), Art. 16, S. 10, www.senat.fr/leg/pjl96-028.pdf (20. 10. 2013). 180 Bericht von Senator Laffitte im Namen des Senatsausschusses für kulturelle Angelegenheiten vom 12. 12. 1996 (Senatsbericht Nr. 146), S. 18 f., www.senat.fr/rap/l96-146/l961461.pdf (20. 10. 2013). 181 »d) Les reproductions, int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques ou plastiques destin¦es figurer soit dans le catalogue d’une vente aux enchÀres publiques effectu¦e en France par un officier public ou minist¦riel pour les exemplaires qu’il met la disposition du public avant la vente, soit dans le catalogue de vente des marchands et galeries sp¦cialis¦s, dans le seul but de d¦crire les œuvres d’art propos¦es la vente«; S¦nat, Sitzung vom 19. 12. 1996, S. 12, www.senat.fr/seances/s199612/s19961219/st19961219000.html (20. 10. 2013). 182 »[L]’amendement introduit une discrimination probablement contraire la Constitution au profit du march¦ de l’art. Les commissaires-priseurs exerÅant dans le cadre d’un office avec un statut d’officier minist¦riel ne sont pas dans la mÞme situation juridique que les galeries d’art ou les antiquaires. Donc, se pose l un premier problÀme d’ordre constitutionnel. En revanche, si […] on ¦tendait l’exception au droit de reproduction ces derniers, il faudrait alors l’¦tendre aussi aux maisons d’¦dition ainsi qu’ toutes les soci¦t¦s commerciales. Cela reviendrait supprimer purement et simplement le droit de reproduction. Le Gouvernement n’a pas voulu s’engager dans cette voie; il veut uniquement r¦tablir une situation qui parat d¦s¦quilibr¦e par une jurisprudence contraire«; ebd. S. 12. Senator Blaizot zog seinen Antrag angesichts dieser Bedenken zurück. 183 S. oben S. 272 f.
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gelungenen Lobbying.184 Geiger hingegen befürwortete die eingeführte Katalogbildfreiheit unter dem Aspekt des Rechts der Öffentlichkeit auf Information. Allerdings hätte eine finanzielle Entschädigung der Urheber in Form einer gesetzlichen Lizenz erwogen werden können, zumal die Kataloge zum überwiegenden Teil verkauft würden.185 b) Erlass der Ausführungsbestimmung in Art. R. 122-12 CPI Ende des Jahres 1997 erließ der Conseil d’Êtat die in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) Absatz 2 CPI vorgesehene Ausführungsbestimmung.186 Die Definition des Versteigerungskatalogs in Art. R. 122-12 enthält die vom Senat geforderte Klarstellung, dass nur Kataloge privilegiert sind, die kostenlos oder zum Selbstkostenpreis abgegeben werden: »Pour l’application des dispositions du d du 38 de l’article L. 122-5, le catalogue d’une vente d’œuvres d’art graphiques ou plastiques s’entend des exemplaires d’une liste illustr¦e ou non, diffus¦e avant une vente aux enchÀres publiques, d¦crivant, en vue d’informer les acheteurs potentiels, les œuvres qui seront dispers¦es au cours de la vente, ainsi que les conditions de celle-ci, et mis gratuitement ou prix cotant la disposition de toute personne qui en fait la demande l’officier public ou minist¦riel proc¦dant la vente.«
3.
Neuregelung der Katalogbildfreiheit für gerichtliche Versteigerungen in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (2000)
Mit dem Gesetz vom 10. Juli 2000187 öffnete Frankreich seinen Auktionsmarkt auf Druck der Europäischen Kommission für ausländische Auktionshäuser. Kernstück dieser ersten Reform war die Einführung einer Differenzierung zwischen freiwilligen und gerichtlichen Versteigerungen, den ventes volontaires aux enchÀres publiques und den ventes judiciaires. Freiwillige, kommerzielle Auktionen beweglicher Sachen durften nunmehr von privaten Handelsgesellschaften, den soci¦t¦s de ventes volontaires de meubles aux enchÀres publiques (SVV) durchgeführt werden.188 Den commissaires-priseurs, die seit 1945 den 184 Caron, Anm. zu TGI Paris, 21. 3. 2003, CCE 2003, 24; ders., Rn. 386 ; entsprechend Vivant/ BruguiÀre, Rn. 607; vgl. auch FranÅon, RTD com. 1997, 252 ff., 266; Pollaud-Dulian, Rn. 814. 185 Geiger, Rn. 257. 186 D¦cret n. 97-1316 du 23 d¦cembre 1997. 187 Loi n. 2000-642 du 10 juillet 2000 portant r¦glementation des ventes volontaires de meubles aux enchÀres publiques. Ausführlich zu dem Gesetz Honlet/de Baecque, D. 2001, 141 – 148; Vigneron, Rn. 73 – 77. Die Neuregelung des Versteigerungsrechts wurde in Art. 320-1 ff. CCom kodifiziert. 188 S. auch oben S. 43 Fn. 48.
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Status eines officier minist¦riel inne hatten,189 verblieb ihr Monopol zur Durchführung von Auktionen lediglich für die sog. ventes judiciaires, d. h. für gerichtliche Versteigerungen.190 Im Zuge der Reform geriet auch die drei Jahre zuvor eingeführte Schranke des Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erneut in den Fokus des Gesetzgebers. Denn indem die Vorschrift nur Kataloge von Versteigerungen erfasste, die von einem officier public oder officier minist¦riel durchgeführt werden, schloss sie die neu geschaffenen Handelsgesellschaften per definitionem von der Privilegierung aus. a) Gesetzgebungsverfahren aa) Obgleich die Öffnung des Auktionsmarktes Anlass für eine Ausdehnung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI auf die soci¦t¦s de ventes volontaires gegeben hätte, enthielt der in erster Lesung im Senat diskutierte Gesetzesentwurf keinen entsprechenden Änderungsvorschlag. Senator Gaillard kritisierte in seinem Bericht zur Situation des französischen Kunstmarkts191, man lasse damit eine Belastung für den gesamten Kunstmarkt fortbestehen. Er verwies auch darauf, dass die Verwertungsgesellschaft ADAGP nach einer Mitgliederbefragung zu dem Schluss gekommen sei, dass die Geltendmachung des Vervielfältigungsrechts für Abbildungen in Auktionskatalogen den Interessen aller Beteiligten abträglich sei. Da Versteigerungen in Frankreich dem Folgerecht unterlägen, hätten die Urheber nicht die Absicht, ihre Rechte zusätzlich mit Blick auf die Kataloge auszuüben, die eine Information über die Auktionen gewährleisteten.192 bb) Eine Erweiterung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI wurde zwar sodann im Rahmen der ersten Lesung des Gesetzes in der Nationalversammlung vom Gesetzesausschuss vorgeschlagen,193 konnte sich aber im Plenum nicht durchset-
189 Duret-Robert, Rn. 42.11, S. 183; Maurice, S. 13 f. 190 Den commissaires-priseurs – fortan als commissaires-priseurs judiciaires (CPJ) bezeichnet – wurde gleichwohl auch die Durchführung freiwilliger Auktionen gestattet; s. Art. 29 des Gesetzes vom 10.7 2000 i. d. F. vom 11. 7. 2000. Von dieser Option machte ein Großteil der commissaires-priseurs Gebrauch; s. Bericht der Senatorin des Esgaulx im Namen des Gesetzesausschusses vom 8. 7. 2009 (Senatsbericht Nr. 533), S. 19 f., www.senat.fr/rap/l08533/l08-5331.pdf (20. 10. 2013). 191 Gaillard, March¦ de l’Art: les chances de la France, Informationsbericht des Senats Nr. 330 vom 29. 4. 1999, www.senat.fr/rap/r98-330/r98-330.html (20. 10. 2013). 192 Gaillard, a. a. O., s. dort Abschnitt II.C.1.d) sowie die Zusammenfassung des Gesprächs vom 28. 1. 1999 mit dem damaligen Geschäftsführer der ADAGP, Jean-Marc Gutton, am Ende des Dokuments. 193 »Le huitiÀme alin¦a (d) de l’article L. 122-5 du code de la propri¦t¦ intellectuelle est ainsi r¦dige: d) Les reproductions int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques et plastiques destin¦es figurer dans des catalogues mis la disposition du public afin de promouvoir les œuvres expos¦es ou mis en vente«; AN, Bericht der Abgeordneten Feidt im Namen des
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zen.194 In der zweiten Lesung des Gesetzes im Senat machte Senator Gaillard geltend, die gesetzliche Differenzierung zwischen freiwilligen und gerichtlichen Versteigerungen sei aus Sicht der Künstler nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Verwertungsgesellschaft ADAGP angekündigt habe, das Folgerecht und das Vervielfältigungsrecht der Urheber nicht kumulativ geltend zu machen, handele es sich um eine Frage des Prinzips. Er schlug daher vor, Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI allgemein auf Werkwiedergaben in Verkaufskatalogen zu erstrecken195 und damit in nicht-diskriminierender Weise auf Galerien und Auktionshäuser anzuwenden.196 Gaillards Vorschlag wurde zunächst gegen den Widerstand von Justizministerin Guigou vom Senat angenommen,197 jedoch in der Folge vom Gesetzesausschuss der Nationalversammlung abgelehnt198 und von letzterer in zweiter Lesung verworfen.199 Die Nationalversammlung stimmte stattdessen folgendem Änderungsvorschlag der Regierung zu, der Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI auf Kataloge für gerichtliche Versteigerungen beschränkte: »d) Les reproductions, int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques ou plastiques destin¦es figurer dans le catalogue d’une vente judiciaire effectu¦e en France pour les exemplaires mis la disposition du public avant la vente dans le seul but de d¦crire les œuvres d’art mises en vente.«200
Zur Begründung führte Kultusministerin Tasca, aus, die Vorschrift in der Fassung von 27. März 1997 stelle eine Ausnahme vom Reproduktionsrecht zu Gunsten der officiers publics ou minist¦riels dar, die Versteigerungen durchführten. Da diese ihr Monopol im Bereich der freiwilligen Versteigerungen
194 195
196 197 198 199 200
Gesetzesausschusses vom 15. 12. 1999 (Doc. Nr. 2026), S. 139 f., 193, www.assemblee-na tionale.fr/11/pdf/rapports/r2026.pdf (20. 10. 2013). Vgl. AN, Sitzung vom 22. 12. 1999, JOAN, Compte rendu int¦gral, 22. 12. 1999, S. 11402 ff., www.assemblee-nationale.fr/11/cri/pdf/20000104%20%202e%20S%C3%89ANCE%20 DU%25%202022%20D%C3%89CEMBRE%201999.pdf (20. 10. 2013). »Le huitiÀme alin¦a (d du 38) de l’article L. 122-5 du code de la propri¦t¦ intellectuelle est r¦dige comme suit: d) Les reproductions int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques et plastiques offertes la vente, pour les exemplaires du catalogue mis la disposition du public sur les lieux ou l’occasion de la vente«; Stellungnahme von Senator Gaillard im Namen des Finanzausschusses vom 22. 2. 2000 (Avis n. 227), S. 32, www.senat.fr/rap/a99227/a99-2271.pdf (20. 10. 2013). Ebd. S. 30. S. Protokoll der Plenardebatte vom 23. 2. 2000, S. 42, www.senat.fr/seances/s200002/ s20000223/st20000223000.html (12. 7. 2012) sowie den vom Senat am 23. 2. 2000 mit Änderungen angenommenen Text Nr. 92, www.senat.fr/leg/tas99-092.html (20. 10. 2013). AN, Bericht Nr. 2301 der Abgeordneten Feidt im Namen des Gesetzesausschusses vom 29. 3. 2000, S. 29 f., www.assemblee-nationale.fr/11/pdf/rapports/r2301.pdf (20. 10. 2013). AN, Sitzung vom 4. 4. 2000, JOAN, Compte rendu int¦gral, 4. 4. 2000, S. 3074 f. , www.assemblee-nationale.fr/11/cri/pdf/20000174%20%203e%20S%C3%89ANCE%20 DU%204%20AVRIL%202000.pdf (20. 10. 2013). S. die von der AN angenommenen Änderungen im Gesetzestext Nr. 484, Art. 44a, www.assemblee-nationale.fr/legislatures/11/pdf/ta/ta0484.pdf (20. 10. 2013).
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verlören und ihnen nur noch gerichtliche Versteigerungen vorbehalten seien, müsse auch die Reichweite von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI beschränkt werden. Es sei wünschenswert, die Ausnahme für gerichtliche Versteigerungen wegen des Grundsatzes der Unentgeltlichkeit der Justiz und des speziellen Charakters solcher Versteigerungen aufrechtzuerhalten.201 dd) Im paritätisch besetzten Ausschuss kritisierte Senator Gaillard, mit der Begrenzung der Freistellung auf gerichtliche Versteigerungen werde eine »ungerechtfertigte Verzerrung« zwischen freiwilligen und gerichtlichen Auktionen eingeführt. Der Abgeordnete Lambert sah durch die Aufrechterhaltung des Ausschließlichkeitsrechts die Existenz von Auktionskatalogen gefährdet. Senator Larch¦ warf zudem die Frage auf, wie Werkwiedergaben in Veröffentlichungen wie »la Gazette de l’Hútel Drouot« zu behandeln seien.202 Die Abgeordnete Feidt verwies dagegen auf die Notwendigkeit, die Rechte der Künstler zu schützen.203 Schließlich nahmen der Ausschuss sowie im Anschluss Senat und Nationalversammlung den Regierungsentwurf an, der (weiterhin) ausschließlich die Berufsgruppe der commissaires-priseurs (judiciaires) begünstigte und damit den sachlichen Anwendungsbereich der Schranke, die zuvor Kataloge für alle Formen von Versteigerungen erfasst hatte, erheblich einschränkte. ee) Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 11. Juli 2000 erhielt Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI gemäß Art. 47 des Gesetzes folgenden neuen Wortlaut: »d) Les reproductions, int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques ou plastiques destin¦es figurer dans le catalogue d’une vente judiciaire effectu¦e en France pour les exemplaires mis la disposition du public avant la vente dans le seul but de d¦crire les œuvres d’art mises en vente. Un d¦cret en Conseil d’Etat fixe les caract¦ristiques des documents et les conditions de leur distribution.«
Das »endlose Ringen im Kampf um Vervielfältigungen von Werken in Auktionskatalogen«204 fand damit seinen Abschluss. Die Literatur reagierte auf die Gesetzesänderung mehrheitlich kritisch. Honlet/de Baecque hielten die Motive des Gesetzgebers für nicht überzeugend.205 Bertrand bezeichnete die Ausnahme in ihrer aktuellen Beschränkung als »absurd«.206 201 AN, Sitzung vom 4. 4. 2000, JOAN, Compte rendu int¦gral, 4. 4. 2000, S. 3075, www.assemblee-nationale.fr/11/cri/pdf/20000174%20%203e%20S%C3%89ANCE%20 DU%25%20204%20AVRIL%202000.pdf (20. 10. 2013). Vgl. insoweit § 40 Nr. 1 des Akadamie-E von 1939, oben S. 98. 202 Bericht der Abgeordneten Feidt und des Senators Dejoie im Namen des paritätisch besetzten Ausschusses vom 17. 5. 2000 (Senatsbericht Nr. 344), S. 9, www.senat.fr/rap/ l99-344/l99-3441.pdf (20. 10. 2013). 203 Ebd. S. 9 f. 204 Galloux, in: Hilty/Geiger, S. 321, 325. 205 Honlet/de Baecque, D. 2001, 141, 148. Kritisch auch Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 1045, und
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ff) Bei der Umsetzung der Harmonisierungs-RL durch das Gesetz vom 1. August 2006207 blieb Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI unangetastet. Zwar erörterte die Nationalversammlung in erster Lesung einen an Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL angelehnten Änderungsantrag, der jedoch nicht angenommen wurde.208 Kultusminister Donnedieu de Vabres rechtfertigte die bestehende, auf gerichtliche Versteigerungen beschränkte Ausnahme mit dem besonderen Charakter dieser Art von Versteigerungen und der Amtsträgereigenschaft der Versteigerer. Gegen eine Erweiterung der Freistellung auf Werbung für Ausstellungen wandte er ein, diese seien auf Gewinnerzielung ausgerichtet und stellten die legitimen Interessen der Urheber in Frage, die weiterhin selbst über die Art und Weise der Werbung für ihre Schöpfungen bestimmen müssten. Mit Blick auf den zunehmenden Verkauf von Kunstwerken über das Internet machte der Minister geltend, dieser begründete erhebliche Gefahren einer unbefugten (Bild-)Nutzung. Die erforderlichen Zustimmungen könnten bei Künstlern und Verwertungsgesellschaften zu Tarifen eingeholt werden, die der Sorge der Künstler um die Förderung des Verkaufs und der Verbreitung ihres Œuvre Rechnung trügen.209 Bei der zweiten Reform des Auktionsrechts im Jahr 2011210 wurde die Frage der Freistellung von Katalogbildern, soweit ersichtlich, nicht mehr aufgegriffen.211
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Caron, CCE 2003, 24: »Force est de constater que cette exception est ill¦gitime par rapport aux finalit¦s classiques des exceptions […]. En effet, cette exception ne vise qu’ all¦ger les charges d’un acteur ¦conomique dans le cadre d’une op¦ration commerciale destin¦e l’enrichir et qui a pour objet principal des œuvres de l’esprit«. Henaff, CCE 2007, 14, 15 f., befürwortete die Ausnahme hingegen, da sie u. a. den Eigentümern der (zwangs-)versteigerten Werke zugute komme; vgl. unten S. 299 f. Bertrand, Rn. 111.11, S. 326; Rn. 111.40, 345 f. Loi n. 2006-961 du 1er aot 2006 relative au droit d’auteur et aux droits voisins dans la soci¦t¦ de l’information. Das Dossier l¦gislatif des Senats ist abrufbar unter www.senat.fr/ dossier-legislatif/pjl05-269.html (20. 10. 2013). Zu den Auswirkungen des Gesetzes auf den Kunstmarkt Henaff, CCE 2007, 14 – 18. Lucas/Lucas, Rn. 411. AN, öffentliche Sitzung vom 21. 12. 2005, JOAN, Compte rendu int¦gral, 21. 12. 2005, S. 8636, www.assemblee-nationale.fr/12/pdf/cri/2005-2006/20060109.pdf (20. 10. 2013). Mit dem Gesetz vom 20. 7. 2011 (Loi n8 2011-850 du 20 juillet 2011 de lib¦ralisation des ventes volontaires des meubles aux enchÀres) wurde die Durchführung von Versteigerungen den »op¦rateurs de ventes volontaires de meubles aux enchÀres publiques« (OVV) zugewiesen. Als OVV können sowohl Einzelpersonen (»commissaires-priseurs de ventes volontaires«), als auch juristische Personen tätig sein, die nach den Gesetzen eines Mitgliedstaats der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums errichtet sind und Sitz oder Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben (Art. 324-4 CCom). Auch die commissaires-priseurs judiciaires dürfen (im Rahmen einer als OVV tätigen Gesellschaft) weiterhin freiwillige Versteigerungen abhalten; s. Art. 29 des Gesetzes vom 10. 7. 2000 (2011), Art. 321-2 Abs. 2 CCom. Zu der Reform Lauvergnat, Proc¦dures 2011, ¦tude 10. Zum Gesetzgebungsverfahren s. das Dossier l¦gislatif des Senats unter www.senat.fr/dossierlegislatif/ppl07-210.html (20. 10. 2013).
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b) Beibehaltung der Ausführungsbestimmung (Art. R. 122-1 CPI n. F.) Die Ausführungsbestimmung zu Art. L. 122-5 Nr. 3 d) in Art. R. 122-12 CPI blieb bei der Novellierung der Schranke unverändert; eine Anpassung des Wortlauts an den speziellen Anlass der gerichtlichen Versteigerung fand nicht statt. Die Verordnung vom 19. Dezember 2008 gliederte die Ausführungsbestimmungen zu den Verwertungsrechten lediglich neu.212 Art. R. 122-12 CPI wurde dabei den Regelungen zum Folgerecht (früher Art. R. 122-1 bis 122-11 CPI) als neuer Art. R. 122-1 CPI vorangestellt. 4.
Zusammenfassung
Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI verfolgte in seiner ursprünglichen Fassung von 1997 den Zweck, die – durch die Cour de cassation für unzulässig erklärte – Praxis der Werknutzung in Auktionskatalogen der staatlichen Versteigerer zu legitimieren. Die Regierung sah darin vor allem ein Instrument zur Stärkung des international ins Hintertreffen geratenen französischen Auktionshandels. Vorschläge von Seiten des Senats und der Nationalversammlung, den Kunsthandel allgemein von einer Freistellung profitieren zu lassen, lehnte die Regierung unter Verweis auf den besonderen rechtlichen Status der commissaires-priseurs und die Wahrung der Rechte der Urheber als zu weitgehend ab. Zugleich setzte sie durch, dass die Forderung nach einer unentgeltlichen Abgabe der Kataloge keinen Eingang in das Gesetz fand. Während der Gesetzgebungsarbeiten für eine Öffnung des französischen Auktionsmarktes wurde die Frage nach der Reichweite der Katalogbildfreiheit erneut aktuell. Anstatt die Freistellung mit Blick auf das – für die commissairespriseurs bereits anerkannte – Bedürfnis der Illustration von Versteigerungskatalogen nunmehr auch den soci¦t¦s de ventes volontaires oder dem gesamten Kunsthandel zuzugestehen, privilegiert das Gesetz vom 10. Juli 2000 – parallel zur Beschränkung des Monopols der commissaires-priseurs auf die ventes judiciaires – nur noch Reproduktionen in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen. Die Vertreter der Regierung rechtfertigten ihren Entwurf wiederum mit dem besonderen öffentlich-rechtlichen Status der Versteigerer bzw. dem Prinzip der »Unentgeltlichkeit der Justiz«. Dementsprechend stellte bereits Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (1997) weniger das Resultat einer gesetzgeberischen Interessenabwägung zwischen den Belangen der Urheber und denjenigen des Kunsthandels, sondern die einseitige Begünstigung einer in Frankreich traditionell privilegierten Berufsgruppe dar. Die im Jahr 2000 anlässlich der Reform des Auktionsrechts vorgenommene Beschränkung der Ausnahme auf Kataloge von gerichtlichen Versteigerungen erfolgte 212 D¦cret n. 2008-1391 du 19 d¦cembre 2008.
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schließlich ohne jeden sachlichen Bezug zu urheberrechtlich relevanten Gesichtspunkten. Angesichts der im Vergleich zu freiwilligen Versteigerungen geringeren Anzahl gerichtlicher Versteigerungen, die noch dazu in geringerem Umfang Kunstwerke betreffen und in der Regel ohne Herausgabe eines Printkataloges stattfinden, besitzt die Regelung überdies kaum praktische Relevanz.213 Die Beschränkung der Ausnahme verwundert auch deshalb, weil eine allgemeine Privilegierung von Auktionskatalogen sowohl von Seiten der Urheber, die ihre vermögensrechtlichen Interessen durch die Einnahmen aus dem Folgerecht kompensiert sahen,214 als auch von Seiten der commissaires-priseurs gebilligt worden war,215 die nach der Reform des Auktionsrechts als Inhaber eigener soci¦t¦s de ventes volontaires weiterhin maßgeblich von einer Freistellung profitiert hätten.216 Veranstalter freiwilliger Auktionen von Kunstwerken, d. h. privatrechtlich organisierte Auktionshäuser, müssen daher in Frankreich, ebenso wie der sonstige französische Kunsthandel, für Werkabbildungen in Katalogen und sonstigen Werbemedien die entsprechenden Nutzungsrechte einholen. Nach Auskunft der Verwertungsgesellschaft ADAGP werden jedoch – wie gegenüber Senator Gaillard angekündigt217 – für Wiedergaben zu Verkaufszwecken mit Blick auf das Folgerecht keine Lizenzgebühren beansprucht, es sei denn, der betreffende Urheber oder seine Rechtsnachfolger wünschen eine Vergütung.218
II.
Der Umfang der Katalogbildfreiheit gemäß Art. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F.
Gemäß Art. L 122-5 Nr. 3 d) CPI in der heute geltenden Fassung von 2000 dürfen »grafische und plastische Werke«, die dazu bestimmt sind, im Katalog einer in Frankreich durchgeführten gerichtlichen Versteigerung zu erscheinen, vollständig oder teilweise in den (Katalog-)Exemplaren vervielfältigt werden, die der 213 Vgl. Pollaud-Dulian, Rn. 814; Caron, CCE 2003, 24. So auch der frühere anwaltliche Vertreter der Chambre Nationale des Commissaires-Priseurs judiciaires, Herr Rechtsanwalt Geoffroy Gaultier, in einem Schreiben an die Verfasserin vom 2. 3. 2010: Die commissairespriseurs judiciaires könnten, außer in Ausnahmefällen, von der Freistellung faktisch keinen Gebrauch machen. 214 Vgl. oben S. 275. 215 So Gaillard, March¦ de l’Art: les chances de la France, Informationsbericht des Senats Nr. 330 vom 29. 4. 1999, s. die Zusammenfassung des Gespräches mit dem Präsidenten der Chambre nationale des Commissaires-priseurs, G¦rard Champin, vom 4. 2. 1999, www.senat.fr/rap/r98-330/r98-330.html (20. 10. 2013). 216 Vgl. oben Fn. 190. 217 Vgl. oben S. 275. 218 Informationen von Claire Miguet und Marion Colas im Namen der ADAGP in E-Mails an die Verfasserin vom 6./29. 11. 2013.
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Öffentlichkeit vor der Versteigerung zur Verfügung gestellt werden und den ausschließlichen Zweck verfolgen, die angebotenen Werke zu beschreiben. »Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI: »Lorsque l’œuvre a ¦t¦ divulgu¦e, l’auteur ne peut interdire: […] 38 Sous r¦serve que soient indiqu¦s clairement le nom de l’auteur et la source: […] d) Les reproductions, int¦grales ou partielles d’œuvres d’art graphiques ou plastiques destin¦es figurer dans le catalogue d’une vente judiciaire effectu¦e en France pour les exemplaires mis la disposition du public avant la vente dans le seul but de d¦crire les œuvres d’art mises en vente.«
1.
Privilegierte Werkarten
Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI privilegiert »œuvres d’art graphiques et plastiques«, d. h. »grafische und plastische Kunstwerke«, die im Katalog einer »gerichtlichen Versteigerung« erscheinen sollen. Fraglich ist, welche Arten von Kunstwerken unter diesem Begriff konkret zu verstehen sind, insbesondere, ob er – wie § 58 UrhG219 – auch Werke der angewandten Kunst und Lichtbildwerke umfasst. Eine Definition enthält Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI nicht. Auch die Gesetzesmaterialien schweigen zu diesem Begriff. Im Werkkatalog des Art. L. 112-2 CPI finden die »œuvres graphiques et plastiques« als feststehender Begriff ebenfalls keine ausdrückliche Erwähnung: Nr. 7 führt »œuvres de dessin, de peinture, d’architecture, de sculpture, de gravure, de lithographie« auf, während Nr. 8 als weitere Schutzgegenstände »œuvres graphiques et typographiques«, Nr. 9 »œuvres photographiques« und Nr. 10 »oeuvres des arts appliqu¦s« benennen. Unterstellt wird die Existenz der »grafischen und plastischen Künste« indes in Art. L. 122-3 Abs. 2 CPI, der beispielhaft einige Vervielfältigungsverfahren aufzählt (»[…] par imprimerie, dessin, gravure, photographie, moulage et tout proc¦d¦ des arts graphiques et plastiques, […]«). Auch Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI sowie das in Art. L. 122-8 CPI normierte Folgerecht beziehen sich auf »grafische und plastische Kunstwerke«. Im Folgenden soll daher untersucht werden, wie der Begriff in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI auszulegen ist.220 a) »Œuvres d’art graphiques et plastiques« im allgemeinen Sprachgebrauch aa) Im Französischen wird der Ausdruck »œuvres graphiques et plastiques« üblicherweise synonym für Werke der bildenden bzw. figurativen Kunst verwendet.221 Im Einzelnen werden unter grafischer Kunst (arts graphiques) auf zeichnerischer Formgebung basierende, zweidimensionale Kunstwerke verstanden. Hierunter sollen neben künstlerischen Zeichnungen und druckgrafi219 Vgl. oben S. 118 ff., 123 f. 220 Zur Gesetzesauslegung in Frankreich s. Henninger, S. 113 ff. 221 Vgl. Duchemin, RIDA 19 (1958), 323, 345; Katzenberger, S. 40.
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schen Werken auch Werke der Malerei und sogar Mosaike fallen.222 Plastische Kunst (arts plastiques) im engeren Sinne bezeichnet demgegenüber die Kunst, körperlichen Stoffen eine (dreidimensionale) Form zu geben.223 Daneben steht der Begriff der plastischen Künste im französischen Sprachgebrauch allgemein für bildende Kunst im weiteren Sinne, die auch Lichtbildwerke und Architektur mit einschließt.224 Grafische, zeichnerische Werke sind insoweit eine Unterkategorie der plastischen, (visuelle Formen heraus-)bildenden Kunst. Die beschriebenen Begrifflichkeiten werden auch in der juristischen Literatur verwendet. Dort wird sowohl der Begriff œuvres graphiques et plastiques für den Bereich der bildenden, schönen Künste benutzt225 als auch der Ausdruck arts plastiques als Oberbegriff für zwei- oder dreidimensionale bildnerische Formgebungen im weiteren Sinne,226 der neben den »œuvres graphiques et plastiques traditionelles«227 auch Lichtbildwerke umfasst.228 Danach kann zunächst festgehalten werden, dass mit der Formulierung œuvres graphiques et plastiques 222 Le Grand Robert de la Langue FranÅaise, 2. Aufl., Stichwort »Graphique« – (Nr. 1) Arts graphiques: arts plastiques fond¦s sur le dessin. Dessin, peinture, gravure, mosaque, vitrail; Bertrand, Rn. 209.12, S. 819 ff. Die französische Auffassung von »grafischen Werken« ist daher weiter als das deutsche Verständnis von »Graphik«, welche Handzeichnungen und die verschiedenen druckgrafischen Techniken umfasst; Olbrich, Lexikon der Kunst, Stichwort »Graphik«, S. 835 f. 223 Vgl. Le Grand Robert de la Langue FranÅaise, 2. Aufl., Stichwort »Plastique« – (Nr. 2) Relatif l’art de donner une forme diverses substances solides. Arts plastiques: Modelage, Sculpture. Im Deutschen meint der Begriff der Plastik im engeren Sinne die Herstellungstechnik eines Bildwerks oder ein solches selbst, dessen Form durch »Antragen« von weichem Material entsteht. Hierzu zählt auch das Gießen von Formen mittels schmelzender oder aushärtender Stoffe wie z. B. der Bronzeguss. Die Plastik unterscheidet sich dadurch von der Skulptur, die durch das »Abtragen« harten Materials (z. B. Stein oder Holz) von außen nach innen herausgearbeitet wird; Olbrich, Lexikon der Kunst, Stichwort »Plastik«, S. 634. 224 Le Grand Robert de la Langue FranÅaise, 2. Aufl., Stichwort »Art« – (Nr. 3) Arts plastiques ou Arts de l’espace: Architecture, peinture, sculpture; dessin, gravure; photographie; Stichwort: »Plastique« – (Nr. 3) Par ext. Relatif aux arts dont le but est l’¦laboration de formes visible. Arts plastiques (sculpture, architecture, dessin, peinture; arts d¦coratifs, chor¦ographie). 225 Vgl. Bernault, J.-Cl., Fasc. 1135, Rn. 90, 93; Bertrand, Rn. 209.05, S. 819; vgl. auch R. Plaisant, Rn. 295. 226 Vivant/BruguiÀre, Rn. 172 ff.; Gautier, Rn. 94 ff.; Lucas/Lucas3, Rn. 118, 120; vgl. auch Pollaud-Dulian, Rn. 898, und Desbois, Rn. 303, zum Begriff œuvres plastiques im Kontext des Folgerechts; Recht, RIDA 17 (1957), 85. 227 Bernault, J.-Cl., Fasc. 1135, Rn. 90, 93; Lucas/Lucas3, Rn. 118. 228 Daneben sind als Oberbegriffe für künstlerische Werke auch die Ausdrücke œuvres artistiques (vgl. Caron, Rn. 145; Tafforeau, S. 70), œuvres des arts figuratifs (vgl. Linant de Bellefonds, Rn. 213) oder schlicht œuvres d’art (Colombet, Rn. 83) gebräuchlich. Die Darstellungen der arts plastiques (en g¦n¦ral) oder œuvres artistiques etc. unterscheiden sodann zum Teil zwischen reiner Kunst, angewandter Kunst (einschließlich Architektur) und Lichtbildwerken; vgl. Gautier, Rn. 94 ff.; Vivant/BruguiÀre, Rn. 173 ff.; Linant de Bellefonds, Rn. 213 ff.
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herkömmlicherweise die bildenden Künste wie Malerei, Grafik und Bildhauerei (Plastik) gemeint sind, deren klassische Erscheinungsformen einschließlich grafischer Werke Art. L. 112-2 Nr. 7 CPI beispielhaft aufführt.229 Zugleich stehen die arts plastiques für zwei- und dreidimensionale figurative Kunst im weiteren Sinne. bb) Damit verbleibt indes die Frage, ob der Ausnahmeregelung des Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI ein traditionelles oder weites Begriffsverständnis der œuvres graphiques et plastiques zugrunde liegt. Die Verwendung des Begriffspaares »graphiques et plastiques« könnte auf ein engeres, kunsthistorisches Verständnis hindeuten, das auch in Art. L. 122-3 Abs. 2 CPI anklingt (»tout proc¦d¦ des arts graphiques et plastiques«) und insbesondere fotografische Kunst auszuschließen scheint. Für ein weites Begriffsverständnis spricht dagegen die allgemeinere Formulierung »[…] de d¦crire les œuvres d’art mises en vente« am Ende von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI. Die Literatur hat sich zu dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht geäußert. Die Rechtsprechung wiederum hat – ohne nähere Erörterung der Werkarten – Entscheidungen zu Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI gefällt, die neben Werken der Malerei230, Druckgrafik231 und (Comic-)Zeichnungen232 auch ein zur Versteigerung bestimmtes Schmuckstück233 betrafen. Danach fallen auch Werke der angewandten Kunst unter Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI, während seine Anwendung auf Fotografien fraglich bleibt. b)
Gesetzessystematik
aa) Der Werkkatalog des Art. L. 112-2 CPI Der Aufzählung der Werkarten im Werkkatalog des Art. L. 112-2 CPI könnte dafür sprechen, dass zwischen den beispielhaft erwähnten traditionellen Formen der œuvres d’art graphiques et plastiques in Art. L. 112-2 Nr. 7 CPI und den in Nr. 9 und Nr. 10 genannten œuvres photographiques und oeuvres des arts 229 Tatsächlich beruht die gesonderte Nennung grafischer Werke in Art. L. 112-2 Nr. 9 CPI auch nicht auf dem vormals fehlenden Schutz solcher Arbeiten, sondern darauf, dass der Gesetzgeber von 1985 auch »originale« Schöpfungen von Grafikern (graphistes), d. h. Werke des Grafikdesign, ausdrücklich geschützt wissen wollte; Baucks, S. 26 f.; Richard, Bericht des Verfassungsrechtsausschusses der Nationalversammlung vom 15. 5. 1985 zum Entwurf der Urheberrechtsnovelle, RIDA 127 (1986), 252, 254. 230 S. die Rechtsprechung zu Werken des Malers Utrillo oben S. 264 ff. 231 CA Paris, 7. 2. 2007, Az. 06/00465, besprochen von Lucas, PI 2008, 111, zu Lithografien des Pantomimen Marcel Marceau. 232 TGI Paris, 21. 3. 2003, CCE 2003, 23, mit Anm. Caron; CA Paris, 20. 10. 2004, Az. 03/08136, besprochen von Lucas, PI 2005, 59, zu Zeichnungen des Schöpfers der »Tim und Struppi«Comics, Herg¦. Vgl. auch CA Paris, 14. 3. 2007, Az. 06/03307, besprochen von Lucas, PI 2007, 318. 233 TGI Paris, 24. 6. 2010, Prop. Ind. 2010, 27, mit Anm. Greffe, zu einem vom Pariser Juweliergeschäft Mauboussin entworfenen Ring.
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appliqu¦s unterschieden werden muss. Wie soeben dargestellt, handelt es sich bei den œuvres d’art (graphiques et) plastiques jedoch um einen Oberbegriff für zwei- und dreidimensionale figurative Kunst, zu der im weiteren Sinne auch Lichtbildwerke (Nr. 9), angewandte Kunst (Nr. 10) sowie die in Nr. 7 genannte Architektur und zu Gebrauchszwecken erstellte Illustrationen, Karten, technische oder wissenschaftliche Pläne und Modelle (Nr. 11, 12) gezählt werden.234 Der Werkkatalog bringt daher keinen Aufschluss über die exakte Bedeutung und Reichweite des Begriffs der œuvres d’art graphiques et plastiques. bb)
»Œuvre d’art graphique, plastique ou architectural« i. S. v. Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI Als einzige weitere Vorschrift des Schrankenkatalogs bezieht sich Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI explizit auf grafische und plastische Werke.235 Er gestattet die Reproduktion und Darbietung von œuvres d’art graphiques, plastiques ou architecturale zu Informationszwecken durch die Print- und Onlinemedien. Die gesonderte Nennung architektonischer Werke236 deutet darauf hin, dass Bauwerke nach Vorstellung des Gesetzgebers von 2006 nicht (ohne Weiteres) von den œuvres d’art graphiques et plastiques umfasst sind.237 Absatz 2 schließt sodann solche Werke vom Anwendungsbereich der Norm aus, die über den Gegenstand der Information berichten sollen, namentlich fotografische und illustrative Werke. Dieser zum Schutz des Fotojournalismus eingefügte Zusatz238 spricht wiederum für ein weites Verständnis der œuvres d’art graphiques et plastiques, das jedenfalls Lichtbildwerke grundsätzlich mit einschließt; anderenfalls wäre der Ausschluss bestimmter Arten von Fotografien in Absatz 2 unnötig. Die Rechtsprechung hingegen hat aus der limitierten Aufzählung der œuvres d’art graphiques, plastiques ou architecturales und dem Ausschlusstatbestand in Absatz 2 in der Tradition der engen Schrankenauslegung gefolgert, dass die Ausnahme auf Fotografien generell nicht anwendbar sei239 und nur die in Art. 234 Vgl. Gautier, Rn. 100, 107; Vivant/BruguiÀre, Rn. 188 f.; Linant de Bellefonds, Rn. 219 ff. 235 Die Regelung der Privatkopie in Art. L. 122-5 Nr. 2 CPI enthält den allgemeineren Begriff der œuvres d’art; vgl. oben S. 253 f. 236 Die Erwähnung architektonischer Werke beruht darauf, dass die Vorschrift ursprünglich in kombinierter Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 lit. c und lit. h HRL auch die Vervielfältigung von Werken an öffentlichen Plätzen ausdrücklich privilegieren sollte; s. Lucas/Lucas3, Rn. 414 m. w. N. 237 Vgl. jedoch erneut Lucas/Lucas3, Rn. 414: »[La transposition] n’int¦ressait […] que les œuvres graphiques et plastiques (dont les œuvres architecturales)«. 238 Vgl. oben S. 260 Fn. 114. 239 Die Nichtanwendbarkeit von Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI auf Fotografien aus dem Wortlaut von Abs. 2 zu folgern, überzeugt jedoch auch deshalb nicht, weil die dort ebenfalls erwähnten »illustrierenden« Werke, z. B. Zeichnungen, eindeutig in die Kategorie der œuvres graphiques et plastiques fallen.
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L. 112-2 Nr. 7 und 8 CPI genannten Werkarten betreffe.240 Auch auf Modeschöpfungen, die in Art. 112-2 Nr. 14 CPI gesondert erwähnt werden, soll die Vorschrift keine Anwendung finden.241 Die bisherigen Entscheidungen zu Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI legen ein entsprechend enges Verständnis der œuvres d’art graphiques et plastiques auch für Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI nahe. cc)
»Œuvres d’art graphiques et plastiques« i. S. v. Art. L. 122-8 und Art. R. 122-3 CPI Inhaltlich weist die Ausnahme des Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI einen engen Bezug zu dem in Art. L. 122-8 CPI geregelten Folgerecht auf, das bei Verkäufen von »œuvres d’art originales graphiques et plastiques« auf dem Sekundärmarkt zum Tragen kommt. In Ermangelung einer Legaldefinition der »œuvres graphiques et plastiques« war allerdings auch die »Folgerechts-Fähigkeit« bestimmter Werke bis zur Umsetzung der Folgerechts-RL durch das Gesetz vom 1. August 2006242 ungeklärt. Thematisiert wurde insoweit, ob darunter auch Manuskripte von Schriftstellern und Komponisten243, Werke der angewandten Kunst244 und Fotografien245 zu verstehen seien.246 Nach einem Urteil der Cour de cassation gilt das Folgerecht für (Design-)Möbel und Objekte der dekorativen Kunst, sofern diese als Werkoriginale anzusehen sind, d. h. von der Hand des Künstlers stammen oder derart unter seiner Aufsicht und Anleitung hergestellt wurden, dass das Werkstück den Stempel der Persönlichkeit seines Schöpfers trägt und 240 TGI Paris, 6. 6. 2008, D. 2009, 542, mit Anm. Geiger ; CA Paris, 26. 3. 2010, CCE 2010, 25, mit Anm. Caron, der die Beschränkung der Norm auf lediglich drei Werkarten (les cr¦ations graphiques, plastiques et architecturales) darauf zurückführt, dass sie als Reaktion auf die Rechtsprechung des Kassationshofs konzipiert wurde (S. 25 f.). Einen Ausschluss von Fotografien nimmt auch Manara an, JCP 2007 II 10026. A. A. Geiger, a. a. O., S. 543 f., der darauf hinweist, dass gerade nicht alle Arten von Fotografien ausgeschlossen sein sollen. Gautier, Rn. 358, wiederum fragt sich, »[d]evraient Þtre incluses toutes les œuvres plastiques, photos comprises, mÞme si elles ne sont curieusement pas mentionn¦es (mais l’interpr¦tation stricte?)«. 241 Cass. crim., 5. 2. 2008, D. 2008, 611; besprochen von Pollaud-Dulian, RTD com. 2008, 320 – 322, der sich fragt, ob damit auch die angewandte Kunst vom Anwendungsbereich der Ausnahme ausgeschlossen sei. Kritisch Lucas/Lucas, Rn. 459, mit Blick auf das weite Begriffsverständnis der arts plastiques. 242 Vgl. oben S. 251. 243 Desbois (Rn. 303) und Pollaud-Dulian (Rn. 898) warfen angesichts dessen, dass die »œuvres plastiques« graphische Werke bereits umfassten, die Frage auf, ob unter »œuvres graphiques« Schriftwerke wie Manuskripte zu verstehen seien. Die Folgerechts-RL überlässt es nunmehr den Mitgliedstaaten, ob Originalhandschriften dem Folgerecht unterworfen werden; s. ErwGr. 19. 244 Vgl. Katzenberger, S. 40 f.; Zech, S. 40 f. 245 Schon nach altem Recht bejahend Pollaud-Dulian, Rn. 898; a. A. Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 327, 335. 246 Vgl. Cornu/Mallet-Poujol, Rn. 325 ff.
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sich dadurch von einer schlichten Vervielfältigung unterscheidet.247 Mit dieser Entscheidung ordnete der Kassationshof Werke der angewandten Kunst stillschweigend in die Kategorie der arts plastiques ein.248 In der Literatur wurde die konkrete Reichweite der œuvres graphiques et plastiques kaum erörtert;249 die Diskussion konzentrierte sich auf das Folgeproblem der Originalbegriffs,250 was darauf hindeutet, dass man auch seriell geschaffene Kunstwerke sowie künstlerische Gebrauchsgegenstände grundsätzlich als folgerechtsfähig ansah.251 Nach der Umsetzung der Folgerechts-RL beschreibt nunmehr Art. R. 122-3 CPI beispielhaft, welche Werke als œuvres d’art originales graphiques et plastiques gelten. Entsprechend Art. 2 Abs. 1 Folgerechts-RL, der den Oberbegriff der »Originale von Kunstwerken« (œuvres d’art originales) definiert, fallen darunter »les œuvres originales graphiques et plastiques telles que les tableaux, les collages, les peintures, les dessins, les gravures, les estampes, les lithographies, les sculptures, les tapisseries, les c¦ramiques, les verreries, les photographies et les cr¦ations plastiques sur support audiovisuel ou num¦rique«, sofern sie als Werkoriginal anzusehen sind (vgl. Art. L. 122-8 Abs. 2, Art. R. 122-3 Abs. 2 CPI). Im Kontext des harmonisierten Folgerechts wird den œuvres graphiques et plastiques somit ein relativ weiter Sinn zugemessen, der angesichts der aus der Richtlinie übernommenen Definition in Art. R. 122-3 CPI auch Werke umfasst, die üblicherweise als angewandte Kunst angesehen werden.252 Daneben fallen nunmehr auch Lichtbildwerke ausdrücklich unter den Begriff. Entscheidendes Kriterium der Folgerechtsfähigkeit ist nicht, ob das Werk eher der reinen oder angewandten Kunst zuzuordnen ist, sondern sein Originalstatus.253 Architektonische Werke sind demgegenüber nicht folgerechtsfähig.254 c) Historische und teleologische Auslegung Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI i. d. F. von 1997 lag die Intention der damaligen französischen Regierung zugrunde, den commissaires-priseurs die Möglichkeit 247 Cass. civ., 13. 10. 1993, Bull. civ. I, Nr. 285 = D. 1994 Jur. 138, mit Anm. Edelman. Näher zu diesem Rechtsstreit, der eine Versteigerung von Art D¦co-Möbeln des Künstlers Jean Dunand aus dem Nachlass der Modeschöpferin Madeleine Vionnet betraf, Duret-Robert, Rn. 215.82, S. 690; s. auch die Vorinstanz CA Paris, 28. 1. 1991, RIDA 150 (1991), 141. 248 Vgl. Edelman, Anm. zu Cass. civ., 13. 10. 1993, D. 1994 Jur. 138. 249 Vgl. Zech, S. 93; Katzenberger, S. 40 f.; Edelman, D. 1994 Jur. 138, 141. 250 Zech, S. 93; Katzenberger, S. 40 f. 251 Zech, S. 93. 252 Vgl. Walter, in: Walter/v. Lewinski, Resale Right Directive, Rn. 10.2.3, 10.2.11. 253 Vgl. Katzenberger, GRUR Int. 2004, 20, 23 f.; Dreier/Schulze, Rn. 34; s. jedoch den Ausschluss von Werken der angewandten Kunst in § 26 Abs. 8 UrhG. 254 Vgl. Katzenberger, GRUR Int. 2004, 20, 23; Walter, in: Walter/v. Lewinski, Resale Right Directive, Rn. 10.2.12.
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wiederzueröffnen, Werke in Versteigerungskatalogen zustimmungsfrei abbilden zu können, und damit zugleich den französischen Auktionsmarkt gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu stärken.255 Dieses gesetzgeberische Anliegen sowie der Zweck der ursprünglichen Freistellung sprechen für eine weite Auslegung des Begriffs œuvres graphiques et plastiques, die auch – auf dem Kunstmarkt ebenfalls gehandelte – Fotografien und angewandte Kunst umfasst. Bei der Beschränkung der Ausnahme auf gerichtliche Versteigerungen im Jahr 2000 zu Gunsten der commissaires-priseurs judiciaires blieben die privilegierten Werkarten unberührt. Die überstimmten Verfechter einer Ausweitung der Schranke auf den gesamten Kunsthandel betonten allerdings wiederholt den für Künstler vorteilhaften Zusammenhang zwischen dem durch Katalogbilder geförderten Verkauf von Kunstwerken und dem Folgerecht.256 Dies deutet darauf hin, dass zur Versteigerung gelangende Kunstwerke nach der Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig auch unter das Folgerecht fallen,257 d. h. mit den œuvres graphiques et plastiques im Sinne von Art. L. 122-8 CPI weitgehend identisch sind. Bezogen auf die aktuelle Reichweite des Folgerechts wären damit – nach einer den veränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen Rechnung tragenden Auslegung258 – sowohl Werke der Gebrauchskunst, z. B. Keramiken oder einzeln gefertigte Möbelstücke, als auch auch Lichtbildwerke von der Freistellung in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI umfasst, die wie Werke der reinen Kunst gehandelt werden. Ein entsprechend weites Verständnis erscheint auch deshalb sinnvoll, weil im Bereich der privilegierten gerichtlichen Versteigerungen259 bei Weitem nicht nur Werke der reinen Kunst, sondern – neben diversen anderen Vermögensgegenständen – auch Werke der angewandten Kunst verwertet werden. d) Stellungnahme und Ergebnis Der allgemeine Sprachgebrauch erlaubt es, den Begriff der œuvres d’art graphiques et plastiques in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI als Synonym für bildende, figurative Kunst sowohl im traditionellen engeren als auch im weiteren Sinne zu verstehen. Der Werkkatalog in Art. L. 112-2 CPI, der den Begriff nicht benutzt, bietet keine eindeutigen Anhaltspunkte für die eine oder andere Auffassung. Nach dem Grundsatz der engen Schrankenauslegung wäre die Ausnahme jedoch auf zwei- und dreidimensionale Werke der bildenden, reinen Kunst zu be255 S. oben S. 272. 256 S. oben S. 275 f. 257 Vgl. Henaff, CCE 2007, 14, 15: Der Gesetzgeber unterstelle angesichts der Einführung des Folgerechts, dass der Urheber eines œuvre plastique oft größeren Gewinn aus dem Verkauf des Werkstücks ziehe als aus dessen Reproduktion. 258 Vgl. Henninger, S. 135 – 137. 259 Zu dem Begriff s. unten S. 289 ff.
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schränken, die beispielhaft in Art. L. 112-2 Nr. 7 CPI aufgeführt sind. In dieser Weise hat die Rechtsprechung den Begriff der œuvres graphiques et plastiques in Art. L. 122-5 Nr. 9 Abs. 1 CPI ausgelegt und festgestellt, dass weder die im Werkkatalog des Art. L. 112-2 CPI unter Nr. 9 verzeichneten Lichtbildwerke noch die in Nr. 14 genannten Modeschöpfungen unter die Ausnahme fallen. Die Gesetzgebungsgeschichte von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI und der ursprüngliche Zweck der Katalogbildfreiheit sprechen hingegen eher dafür, den Begriff der œuvres graphiques et plastiques im Sinne des Folgerechts aufzufassen und auch künstlerische Gebrauchsgegenstände und Fotografien darunter zu fassen, die seit Langem ebenfalls auf dem Kunstmarkt gehandelt werden. Dementsprechend hat die Rechtsprechung die Schranke auch ohne nähere Begründung auf ein zur Versteigerung bestimmtes Schmuckstück angewandt. Auch mit Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, der in der französischen Fassung »oeuvres artistiques« privilegiert, wäre ein weites Verständnis des Begriffs im Sinne »künstlerischer Werke« ohne Weiteres vereinbar. Der Ausdruck oeuvres artistiques erscheint sogar weitergehend als der der oeuvres d’art, den die Folgerechts-RL verwendet, so dass im Sinne der arts plastiques (en g¦n¦ral) selbst Bauwerke von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI privilegiert sein könnten. Hiergegen lässt sich allerdings die ausdrückliche Erwähnung von architektonischen Werken in Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI anführen. Unter systematischen Aspekten spricht auch der Umstand, dass Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F. auf Abbildungen in Katalogen von »gerichtlichen Versteigerungen« beschränkt ist, welche wiederum nach der Legaldefinition in Art. 29 des Gesetzes vom 10. Juli 2000 nur bewegliche Sachen betreffen,260 gegen eine Ausweitung des Begriffs auf Bauwerke (z. B. in der Immobiliarzwangsvollstreckung). Unter Zugrundelegung dieser Definition wird die Ausnahmeregelung zumindest faktisch nur auf »bewegliche« Kunstwerke Anwendung finden können. Die Tatsache, dass es, soweit ersichtlich, keine Urteile zur Ausnahmeregelung gibt, bei denen die Art der genutzten Werke im Streit stand, mag darauf hindeuten, dass auch auf Seiten der Rechtsinhaber eine weite Auffassung des Begriffs vorherrscht. Dennoch kann angesichts der jüngeren Entscheidungen zu Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Rechtsprechung auch zum Begriff der œuvres graphiques et plastiques in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI konkret wird äußern müssen und sich auch insoweit auf den Grundsatz der engen Schrankenauslegung besinnt.
260 Dazu sogleich unten S. 289.
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2.
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Bestimmung zum Erscheinen im Katalog einer gerichtlichen Versteigerung
Die grafischen und plastischen Werke müssen dazu bestimmt sein, im Katalog einer vente judiciaire, d. h. einer »gerichtlichen« Versteigerung, aufgeführt zu werden.261 Werknutzungen außerhalb eines solchen Katalogs, z. B. in Zeitungsanzeigen oder sonstigen Werbematerialien, sind unzulässig. a) Der Begriff »vente judiciaire« Wie bereits dargelegt, ging die Beschränkung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (2000) auf Werke in Katalogen für gerichtliche Versteigerungen mit der Beschränkung des Monopols der commissaires-priseurs auf diese Versteigerungsform einher.262 Für die Begriffsbestimmung der vente judiciaire ist daher ebenfalls auf das Reformgesetz vom 10. Juli 2000 zurückzugreifen; der CPI enthält diesbezüglich keine Definition. aa)
Die Definition des Gesetzes vom 10. Juli 2000 und ihre Auslegung in Rechtsprechung und Literatur Art. 29 des Gesetzes vom 10. Juli 2000 bestimmt, »sont judiciaires au sens de la pr¦sente loi les ventes des meubles aux enchÀres publiques, prescrites par la loi ou par d¦cision de justice, ainsi que les pris¦es correspondantes«. Als »gerichtlich« werden somit Versteigerungen beweglicher Sachen betrachtet, die »gesetzlich oder durch eine Entscheidung der Justiz vorgeschrieben« sind. Gleiches gilt für die damit zusammenhängenden Schätzungen des Versteigerungsguts. (1) Die Reichweite dieser neu geschaffenen Definition ist umstritten. Nach den Gesetzesmaterialien sollte damit schlicht das bisherige »r¦gime juridique« der den commissaires-priseurs (und anderen officiers publics ou minist¦riels) zugewiesenen ventes judiciaires aufrechterhalten werden.263 Vor Inkrafttreten des Gesetzes waren die officiers publics ou minist¦riels allerdings für sämtliche Formen gesetzlich vorgesehener Versteigerungen zuständig. Begrifflich wurde dabei in erster Linie zwischen freiwilligen Versteigerungen (ventes volontaires), 261 Die Nichtanwendbarkeit von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI auf freiwillige Versteigerungen hat auch die Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt; CA Paris, 14. 3. 2007, Az. 06/03307, besprochen von Lucas, PI 2007, 318; TGI Paris, 24. 6. 2010, Propr. Ind. 2010, 27, mit Anm. Greffe. 262 S. oben S. 274 ff. 263 Vgl. Bericht von Senator Dejoie im Namen der Gesetzeskommission vom 19. 5. 1999 (Senatsbericht Nr. 366), Chapitre III, Art. 26, www.senat.fr/rap/l98-366/l98-3669.html (20. 10. 2013); AN, Bericht der Abgeordneten Feidt im Namen der Gesetzeskommission vom 15. 12. 1999 (Dokument Nr. 2026), S. 83 f., www.assemblee-nationale.fr/11/pdf/rapports/r2026.pdf (20. 10. 2013).
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bei denen der Eigentümer der betreffenden Güter frei über deren Veräußerung entscheidet, und Zwangsversteigerungen (ventes forc¦es) differenziert, die ohne Einverständnis des Eigentümers auf Betreiben eines Gläubigers durchgeführt werden.264 Die gesetzlich nicht definierten ventes judiciaires wiederum, d. h. »gerichtliche« Versteigerungen, konnten nach Ansicht der Literatur sowohl Elemente der Zwangs- als auch der freiwilligen Versteigerung aufweisen. In diese Kategorie fielen neben den gesetzlich vorgeschriebenen (Zwangs-)Versteigerungen (ventes judiciaires forc¦es) auch Versteigerungen, die auf Betreiben des Eigentümers (oder eines Treuhänders) stattfinden, aber der richterlichen Zulassung bedürfen bzw. aufgrund gesetzlicher oder richterlicher Anordnung in Form der Versteigerung oder durch einen vereidigten Amtsträger durchzuführen sind (ventes judiciares volontaires). Der Literatur zufolge ließen sich die ventes judiciaires somit in die Kategorien der ventes judiciaires forc¦es und der ventes judiciares volontaires unterteilen.265 Für die Rechtsprechung hingegen bot sich angesichts der geringen praktischen Relevanz einer solchen Differenzierung – schließlich waren sämtliche Versteigerungen den officiers publics ou minist¦riels zugewiesen – kaum Gelegenheit, sich zu diesen Begrifflichkeiten zu äußern. Beachtung fand daher im Nachhinein ein 1993 ergangenes Urteil der Cour de cassation266, die eine durch einen commissaire-priseur durchgeführte Versteigerung, mit der ein Unternehmer anlässlich der Geschäftsaufgabe seinen (Neu-)Warenbestand hatte verkaufen lassen, als »freiwillige« Auktion einordnete, obwohl diese der gerichtlichen Autorisierung bedurft hatte. (2) Da sich die im Jahr 2000 eingeführte Legaldefinition der vente judiciaire ausdrücklich auf gesetzlich oder durch richterliche Entscheidung »vorgeschriebene« (prescrites) Versteigerungen bezieht, vertritt nunmehr ein Teil der Literatur, das Gesetz wolle ausschließlich Versteigerungen erfassen, die sich ohne Einverständnis des Eigentümers (oder Treuhänders) vollziehen. Nach dieser engen Auslegung, die sich auch auf das oben genannte Urteil der Cour de cassation stützt, beschränken sich die ventes judiciaires auf – gesetzlich oder richterlich angeordnete – Zwangsversteigerungen, während von Eigentümerseite selbst initiierte Veräußerungen, die durch die Justiz lediglich genehmigt (oder den officers publics ou minist¦riels gesetzlich zugewiesen) werden, in den Bereich der freiwilligen Versteigerungen fallen sollen.267 Nach der Gegenauffassung, die nicht zuletzt von den commissaires-priseurs judiciaires selbst
264 Vgl. Dictionnaire de Droit, Bd. II, Stichwort: Vente publique de meubles, Rn. 3, 4 und 6; Guide Juridique Dalloz, Band V, Stichwort: Ventes publiques, S. 536-1. 265 Mauger-Vielpeau, Anm. zu CA Paris, 8. 3. 2005, D. 2005, 1405, 1406; vgl. auch Duret-Robert, Rn. 41.11 ff., S. 176 m. w. N. 266 Cass. com., 27. 4. 1993, Bull. 1993 IV, Nr. 157. 267 Sermier, LPA, 17. 3. 2003, Nr. 54, S. 13, 15; so wohl auch Vray, Gaz. Pal. 2005, 2262.
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vertreten wird,268 gilt nach wie vor das oben beschriebene weite Verständnis der ventes judiciaires, das auch vom Eigentümer (oder Treuhänder) veranlasste Versteigerungen erfasst, die einer (bloßen) Zulassung durch die Justiz bedürfen.269 Auch die CA Paris hat 2005 in einem Streit um die Versteigerung von Werken aus dem Nachlass der Witwe von Alberto Giacometti im Sinne der weiten Interpretation der vente judiciaire entschieden. Um Nachlassverbindlichkeiten tilgen zu können, hatte die Nachlassverwalterin das TGI Paris um die gerichtliche Autorisierung des Verkaufs ersucht. Der Gerichtspräsident gestattete ihr, » faire proc¦der par tel commissaire-priseur de son choix la vente aux enchÀres publiques d’œuvres«. In der Annahme, es handele sich dabei um eine freiwillige Versteigerung, erteilte die Nachlassverwalterin daraufhin einer soci¦t¦ de ventes volontaires, Christie’s France, das Mandat für deren Durchführung.270 Hiergegen machten die Chambre nationale des commissaires-priseurs judiciaires und die Chambre de discipline de la Compagnie des commissairespriseurs judiciaires de Paris geltend, es handele sich um eine – ihrem Aufgabenmonopol unterliegende – gerichtliche Versteigerung. Die CA Paris gab ihnen in zweiter Instanz Recht:271 Obwohl es sich bei der Versteigerung um keine Zwangsversteigerung (vente forc¦e) handele, stehe fest, dass der Verkauf in Form der Versteigerung durch eine Entscheidung der Justiz »vorgeschrieben« sei.272 Damit bestätigte die Cour d’appel den gerichtlichen Charakter der Auktion i. S. v. Art. 29 des Gesetzes vom 10. Juli 2000.273 Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur fallen damit sowohl Zwangsversteigerungen (ventes judiciaires forc¦es) als auch »freiwillig« initiierte, aber gesetzlich vorgesehene oder richterlich autorisierte Versteigerungen (ventes judiciaires volontaires) unter den Begriff der ventes judiciaires. 268 Vgl. Duret-Robert, Rn. 41.31 ff., S. 177 f. 269 Mauger-Vielpeau, Anm. zu CA Paris, 8. 3. 2005, D. 2005, 1405, 1407; in diesem Sinne auch Armand, Gaz. Pal. 2003, 20, 21 f., der das vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 10. 7. 2000 ergangene Urteil des Kassationshofs vom 27. 4. 1993 für die Auslegung von Art. 29 für unbeachtlich hält. 270 S. Mauger-Vielpeau, Anm. zu CA Paris, 8. 3. 2005, D. 2005, 1405; Duret-Robert, Rn. 41.41, S. 178. 271 CA Paris, 8. 3. 2005, D. 2005, 1404, mit Anm. Mauger-Vielpeau; Gaz. Pal. 2005, 2261, mit Anm. Vray. Die Vorinstanz, TGI Paris, 25. 9. 2002, n.v., hatte die Verfügung vom 21. 2. 2002 mit der einfachen Begründung aufgehoben, Christie’s France besitze nicht den Status eines commissaire-priseur ; Duret-Robert, Rn. 41.42, S. 178 f. 272 Darüber hinaus handelte es sich nach Ansicht der CA Paris bei Giacomettis Nachlass, der in eine Stiftung überführt werden sollte, um besonders schützenswertes Kulturgut. Dessen Veräußerung müsse besonderen Garantien (wie gesetzlich festgelegten Versteigerungsgebühren) unterliegen, die nur gerichtliche Versteigerungen gewährleisteten; CA Paris, 8. 3. 2005, D. 2005, 1404 f.; vgl. auch Mauger-Vielpeau, D. 2005, 1405, 1407 f. 273 Kritisch Vray, Gaz. Pal. 2005, 2262, der sich fragt, ob die CA Paris den Rahmen der den commissaires-priseurs zugewiesenen gerichtlichen Versteigerungen nicht durch eine zu weite Auslegung ausdehnen wollte.
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bb) Erfasste Versteigerungen Zu den ventes judiciaires im soeben geschilderten Sinne zählen insbesondere die folgenden Arten von Versteigerungen: (1) Zwangsversteigerungen (ventes judiciaires forcées) Zum Bereich der Zwangsversteigerungen bzw. der gesetzlich vorgeschriebenen Veräußerungen, die sich in Form der Versteigerung vollziehen können, gehört zunächst die auf Veranlassung des Gläubigers durchgeführte Versteigerung gepfändeter beweglicher Sachen im Rahmen der Zwangsvollstreckung.274 Sie richtet sich nach den Vorschriften über die Durchführung des Pfandverkaufs (saisie-vente), die früher in Art. 50 bis 55 des Gesetzes vom 9. Juli 1991275 geregelt waren und nunmehr in Art. L. 221-1 ff. des am 1. Juni 2012 in Kraft getretenen Code des proc¦dures civiles d’ex¦cution276 niedergelegt sind. Im Wege der Zwangsversteigerung werden ferner Pfandsachen verwertet. Gegenstände, an denen ein zivilrechtliches Pfandrecht (gage civil) besteht, kann der Pfandgläubiger gemäß Art. 2346 CCiv nach Einholung einer richterlichen Anordnung versteigern lassen. Wurde an einer Sache ein handelsrechtliches Pfandrecht (gage commercial) begründet, richtet sich die Versteigerung nach Art. L. 521-3 CCom. Der Zwangsversteigerung unterliegen auch Objekte aus Pfandleihhäusern; ihre Durchführung ist gemäß Art. 5 der Verordnung vom 26. Juni 1816, die durch das Gesetz vom 10. Juli 2000 an die Reform des Auktionswesens angepasst wurde, ausdrücklich den commissaires-priseurs judiciaires zugewiesen.277 Versteigert werden auch bestimmte herrenlose oder verlorene Gegenstände. So sieht das Gesetz vom 31. März 1896278 die Versteigerung von Objekten vor, die Reisende zurückgelassen oder als Pfand hinterlegt haben. Das gleiche Schicksal widerfährt Objekten, die gewissen Berufsgruppen u. a. zur Reparatur oder Reinigung anvertraut wurden und nicht binnen Jahresfrist abgeholt wurden.279 Diese Gesetze ermöglichen nicht nur die Versteigerung als solche, sondern sehen zugleich deren Durchführung durch einen officier public vor. Zu den ventes judiciaires forc¦es zählen darüber hinaus Versteigerungen, die im Zuge der gerichtlichen Liquidation des Vermögens eines insolventen Unternehmens (liquidation judiciaire) stattfinden (Art. L. 640-1 ff. CCom). Der 274 Vgl. Armand, Gaz. Pal. 2003, 20. 275 Loi n. 91-650 du 9 juillet 1991 portant r¦forme des proc¦dures civiles d’ex¦cution. 276 S. Ordonnance n. 2011-1895 du 19 d¦cembre 2011 relative la partie l¦gislative du code des proc¦dures civiles d’ex¦cution. 277 Vgl. Sermier, LPA, 17. 3. 2003, Nr. 54, 13, 17. 278 Loi du 31 mars 1896 relative la vente des objets abandonn¦s ou laiss¦s en gage par les voyageurs aux aubergistes ou húteliers. 279 Loi du 31 d¦cembre 1903 relative la vente de certains objets abandonn¦s.
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juge-commissaire, ein vom Insolvenzgericht zur Verfahrensabwicklung eingesetzter Richter, kann gemäß Art. L. 642-19 Abs. 1 S. 1 CCom (Art. L. 622-18 CCom a. F.) die Versteigerung von Gütern des Schuldners anordnen oder ihren freihändigen Verkauf genehmigen. Das Wahlrecht des juge-commissaire ändert nichts daran, dass es sich um eine Zwangsversteigerung handelt, da der Eigentümer des insolventen Unternehmens auf die Entscheidung keinerlei Einfluss hat.280 (2) »Freiwillige« gerichtliche Versteigerungen (ventes judiciaires volontaires) »Freiwillige« gerichtliche Versteigerungen, die auf Betreiben des Eigentümer oder eines Treuhänders erfolgen, sieht insbesondere das Erbrecht für verschiedene Fälle vor, in denen ein Gegenstand aus der Erbmasse veräußert werden soll. So kann der Pfleger einer ruhenden Erbschaft (succession vacante) unter den Voraussetzungen von Art. 810-1 bis 810-3 CCiv die Versteigerung von Nachlassgegenständen durch einen commissaire-priseur judiciaire, huissier oder notaire veranlassen. Der Nachlassverwalter kann wiederum mit richterlicher Genehmigung Gegenstände (u. a. im Wege der Versteigerung) veräußern lassen, sofern dies der ordentlichen Verwaltung des Nachlasses entspricht (Art. 814 CCiv). Weiterhin kann eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Miterben gemäß Art. 815-5-1 CCiv beim zuständigen Tribunal de grande instance die Veräußerung eines Gegenstands aus dem noch ungeteilten Nachlass im Wege der Versteigerung (licitation281) beantragen. Kommt eine Einigung über die Nachlassteilung nicht zustande, kann das Nachlassgericht eine Teilungsversteigerung anordnen, Art. 841 CCiv. Bei mangelnder Liquidität darf auch der Testamentsvollstrecker gemäß Art. 1029 CCiv bewegliche Güter aus dem Nachlass versteigern lassen, um dringende Verbindlichkeiten zu begleichen. Auch im Vormundschafts- und Betreuungsrecht sind Veräußerungen von Gütern des unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen bzw. eines betreuten Volljährigen in Gestalt der ventes judiciaires möglich.282 In Betracht kommen namentlich Veräußerungen von Mobiliar eines betreuten Volljährigen (vgl. Art. 426 Abs. 3 CCiv)283 oder sonstige Verfügungen über Vermögensge-
280 Sermier, LPA, 17. 3. 2003, Nr. 54, 13, 17 zu Art. L. 622-18 CCom a. F. 281 Der Begriff der (enchÀre bzw. vente sur) »licitation« ist für Versteigerungen gebräuchlich, die der Auflösung einer ungeteilten Rechtsgemeinschaft dienen. 282 Vgl. zum früheren Recht Art. 457, 468 Abs. 1, 490-2 Abs. 3 CCiv in der bis zum 1. 1. 2009 geltenden Fassung, auf die Duret-Robert, Rn. 41.33, S. 177 f., und Armand, Gaz. Pal. 2003, 20, 21, Bezug nehmen. 283 Vgl. Armand, Gaz. Pal. 2003, 20, 21; Duret-Robert, Rn. 41.33, S. 178, jeweils zu Art. 490-2 CCiv a. F.
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genstände des Minderjährigen oder Betreuten (vgl. Art. 505 CCiv)284, sofern sie im Einzelfall durch den Richter in Form der Versteigerung genehmigt werden.285 Weitere gesetzlich vorgeschriebene bzw. den officiers public oder minist¦riel zugewiesene Versteigerungen beweglicher Sachen werden in Art. L. 322-1 ff. CCom aufgeführt. Unter der Überschrift »Des autres ventes aux enchÀres« nennt dieser Abschnitt verschiedene Versteigerungsarten, die nicht den – im Jahr 2011 nochmals reformierten – Regelungen der ventes volontaires de meubles aux enchÀres publiques in Art. L. 321-1 ff. CCom unterliegen, so u. a. Versteigerungen nach Geschäftsaufgaben (Art. L. 322-3 CCom). cc) Zusammenfassung Der Begriff der ventes judiciaires ist weit zu verstehen und erfasst neben Zwangsversteigerungen auch solche Versteigerungen, die sich auf Betreiben der Eigentümerseite mit richterlicher Genehmigung vollziehen. Allerdings zeigen die unter bb) genannten Beispiele, dass die praktische Relevanz von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI im Bereich gerichtlicher Versteigerungen wesentlich geringer sein dürfte als im Bereich der – hauptsächlich auf den Handel mit Kunst spezialisierten – ventes volontaires. Zwar können sich insbesondere unter Nachlassgegenständen urheberrechtlich geschützte Kunstwerke einschließlich Werken der angewandten Kunst befinden. Gerichtliche Versteigerungen von Werken aus einem Nachlass, für die eigens ein bebilderter Katalog erstellt wird, dürften dennoch die Ausnahme darstellen. Gleiches ist für Versteigerungen von (Kunst-) Gegenständen anzunehmen, die im Wege der Zwangsvollstreckung, im Zuge eines Insolvenzverfahrens oder nach Geschäftsaufgaben verwertet werden sollen. b) Katalog einer gerichtlichen Versteigerung Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI und Art. R. 122-1 CPI geben bestimmte Voraussetzungen vor, die ein Versteigerungskatalog erfüllen muss, um in den Genuss der Schranke zu kommen. Privilegiert sind nur solche Kataloge bzw. Katalogexemplare, die der Öffentlichkeit vor der Versteigerung mit dem alleinigen Ziel zur Verfügung gestellt werden, die angebotenen Werke zu beschreiben. Darüber hinaus enthält Art. R. 122-1 CPI folgende Definition: »Pour l’application des dispositions du d du 38 de l’article L. 122-5, le catalogue d’une vente d’ œuvres d’art graphiques ou plastiques s’entend des exemplaires d’une liste 284 Vgl. Armand, Gaz. Pal. 2003, 20, 21; Duret-Robert, Rn. 41.33, S. 178, jeweils zu zu Art. 468 CCiv a. F. 285 Wird die Versteigerung hingegen nicht durch den Richter, sondern durch den Familienrat autorisiert, liegt keine vente judiciaire vor; Armand, Gaz. Pal. 2003, 20, 21 zu Art. 457, 468 CCiv a. F.
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illustr¦e ou non, diffus¦e avant une vente aux enchÀres publiques, d¦crivant, en vue d’informer les acheteurs potentiels, les œuvres qui seront dispers¦es au cours de la vente, ainsi que les conditions de celle-ci, et mis gratuitement ou prix cotant la disposition de toute personne qui en fait la demande l’officier public ou minist¦riel proc¦dant la vente.«
Aus dem Wortlaut von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI und der Definition in Art. R. 122-1 CPI ergeben sich folgende Anforderungen an einen Katalog: aa) Beschränkung auf Kataloge von reinen Kunstauktionen? Dass Art. R. 122-1 CPI den Katalog einer »Versteigerung grafischer und plastischer Kunstwerke« definiert, während Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI Kataloge »gerichtlicher Versteigerungen« privilegiert, beruht darauf, dass die als Ausführungsbestimmung zu Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (1997) erlassene Regelung bei der Gesetzesänderung im Jahr 2000 unangetastet blieb.286 Die sprachliche Diskrepanz zwischen beiden Vorschriften wirft gleichwohl die Frage auf, ob Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI bei wortlautgetreuer Anwendung von Art. R. 122-1 CPI auch Kataloge von (Zwangs- oder Teilungs-)Versteigerungen erfasst, die nur vereinzelt Kunstwerke betreffen und nicht mehr als Kunstauktionskatalog bezeichnet werden können. Nachdem Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F. erklärtermaßen die Tätigkeit der commissaires-priseurs judiciaires erleichtern soll, müssten jedoch auch »gemischte« Versteigerungen bzw. Verzeichnisse von Kunstwerken und anderem beweglichen Versteigerungsgut in den Anwendungsbereich der Ausnahme fallen. Die Praxis dürfte eine Beantwortung dieser Frage letztlich entbehrlich machen, da der Aufwand eines bebilderten Katalogs ausschließlich für gerichtliche Versteigerungen einer größeren Anzahl von Kunstgegenständen (einschließlich Werken der angewandten Kunst) mit gewissem Wert betrieben werden dürfte.287 bb) Form, Inhalt und Zweckbestimmung des Katalogs Inhaltlich definiert Art. R. 122-1 CPI den Katalog als ein – bebildertes oder nicht bebildertes – Verzeichnis, das zum Zweck der Information der potentiellen Käufer die bei der Versteigerung zum Aufruf kommenden Werke sowie die Versteigerungsbedingungen beschreibt. Die Beschreibung der Werke ist gemäß 286 S. oben S. 279. 287 Ein Sonderfall einer »gemischten« Auktion, für die ein (Gesamt-)Katalog erstellt werden könnte, ist die Versteigerung von Immobilien bzw. Bauwerken und ihrem ggf. urheberrechtlich geschützten Mobiliar; vgl. TGI Paris, 17. 12. 2002, D. 2003, 2089. Für die im Katalog wiedergegebenen beweglichen Kunstgegenstände, deren Versteigerung gemäß Art. 29 des Gesetzes vom 10. 7. 2000 gesetzlichen Regeln für gerichtliche Verkäufe beweglicher Güter unterliegt, erscheint eine Anwendung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F. dem Gesetzeszweck nach gerechtfertigt.
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Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI der einzig zulässige Zweck der Nutzung bzw. Katalogverbreitung. Qualitative Vorgaben dazu, wie die Beschreibung anhand der Vervielfältigung zu erfolgen hat, enthält Art. R. 122-1 CPI nicht. Möglicherweise vor dem Hintergrund der langjährigen Kontroverse um die Anwendung des Zitatrechts auf Kunstwerke288 stellte der Gesetzgeber in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI jedoch klar, dass nicht nur vollständige, sondern auch partielle Reproduktionen der Werke erlaubt sind. Da Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI lediglich die Vervielfältigung (reproduction), nicht aber die Darbietung (repr¦sentation) von Werken gestattet, können Online-Kataloge von der Freistellung nicht profitieren. Die Beschränkung auf Printkataloge folgt zudem daraus, dass Art. R. 122-1 CPI von »Exemplaren« spricht, die vom die Versteigerung durchführenden Amtsträger auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.289 cc) Art und Weise der Abgabe Mit Blick auf die Art und Weise des Katalogvertriebs gibt Art. R. 122-1 CPI in zeitlicher Hinsicht vor, dass die Verzeichnisse entsprechend ihrer Werbefunktion vor der Versteigerung verbreitet werden. Dies dürfte allerdings nicht ausschließen, dass Kaufinteressenten auch während der Veranstaltung noch einen Katalog erwerben. Mit dem Ende der Auktion wird die Verbreitung der Kataloge jedoch unzulässig. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern bei enger teleologischer Auslegung auch aus dem mit dem Zuschlag des letzten Lots erfüllten Informationszweck der Verzeichnisse. Zudem widerspräche es dem gesetzgeberischen Willen, wenn die commissaires-priseurs judiciaires vom Katalogverkauf wirtschaftlich profitierten.290 Unter diesem Gesichtspunkt ist ein späterer Abverkauf der Restexemplare, z. B. an Kunstbuchhandlungen oder Sammler, unzulässig. Die Abgabe der Kataloge erfolgt gemäß Art. R. 122-1 CPI »an alle Personen, die ein Exemplar bei dem die Versteigerung durchführenden öffentlichen bzw. vereidigten Amtsträger anfragen«. Streng genommen dürfen die Kataloge danach nur auf aktive Nachfrage eines Interessenten hin verbreitet werden. Ihr unaufgeforderter Versand an potentielle Kunden oder ein Auslegen an öffentlichen Orten sind damit ausgeschlossen. Das Merkmal der An- bzw. Nachfrage beim zuständigen Amtsträger wird allerdings nicht zu wörtlich auszulegen sein und – neben dem persönlichen Erwerb eines Katalogs am (Amts-)Sitz eines Versteigerers – auch Bestellungen erfassen, die an einen commissaire-priseur judiciaire und seine Mitarbeiter herangetragen werden, sei es telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder über ein Bestellformular auf einer Internetseite. 288 Vgl. oben S. 264 ff. 289 So auch Tafforeau, Rn. 160 Fn. 118. 290 S. oben S. 272 – 274.
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Auch der Bezug von Katalogen im Rahmen eines Abonnements wird das Kriterium der Anfrage erfüllen, wenngleich ein serieller Katalogvertrieb bei gerichtlichen Versteigerungen, anders als bei freiwilligen Auktionen, kaum praktiziert werden dürfte. Schließlich setzt Art. R. 122-1 CPI voraus, dass die Kataloge unentgeltlich oder (allenfalls) zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt werden. Diese Einschränkung trägt der Sorge des französischen Parlaments Rechnung, der Katalogverkauf könnte als zusätzliche Einnahmequelle missbraucht werden.291 c) Bestimmung der Werke zum Erscheinen im Katalog Die grafischen oder plastischen Kunstwerke müssen gemäß Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI dazu »bestimmt« sein, im Katalog der gerichtlichen Versteigerung zu erscheinen bzw. aufgeführt zu werden. Anders als § 58 Abs. 1 UrhG knüpft die Schranke somit nicht an die Bestimmung der Werke zum Verkauf, sondern zur Aufnahme in das Verkaufsverzeichnis an. Praktische Unterschiede ergeben sich dadurch indessen nicht, da in den Katalogen nur solche Werke abgebildet werden, die an den zugehörigen Versteigerungen teilnehmen sollen. Wie das deutsche schweigt sich auch das französische Recht darüber aus, wer die »Bestimmung« der Werke zum Verkauf bzw. zur Abbildung im Werbemedium Katalog vornehmen darf. Diesbezüglich dürfte es wiederum auf die Entscheidung des Eigentümers oder eines vom ihm autorisierten Dritten ankommen (vgl. oben S. 143). 3.
Privilegierter Personenkreis
Gemäß Art. 29 Abs. 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2000 sind die commissairespriseurs judiciaires gemeinsam mit den sonstigen officiers publics ou minist¦riels gesetzlich befugt, gerichtliche Versteigerungen abzuhalten.292 Nur diese Personen dürfen in Ausübung ihrer Amtstätigkeit die ihnen als Versteigerungsgut anvertrauten grafischen und plastischen Werke in Katalogen abbilden, d. h. entsprechende Reproduktionen und deren Verbreitung in Gestalt der Kataloge veranlassen.
291 S. erneut oben S. 273 f. 292 Vgl. oben S. 289 und die in Art. 322-1 ff. CCom genannten Formen der (nicht freiwilligen) Versteigerung.
298 4.
Die Rechtslage in Frankreich
Umfang der Nutzung
a) Privilegierte Verwertungsarten Indem Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI »Vervielfältigungen« grafischer und plastischer Werke zur Illustration von Versteigerungskatalogen gestattet, schränkt er das droit de reproduction ein. Da die Katalogexemplare »der Öffentlichkeit« zwangsläufig »zur Verfügung gestellt« werden müssen, beschränkt die Vorschrift darüber hinaus das sog. Bestimmungsrecht der Urheber, das droit de destination.293 Dementsprechend erlaubt Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI die Verbreitung der Katalogbilder in der (unter 2.b)cc) beschriebenen Weise sowie in einem dem Informationszweck bzw. der Nachfrage entsprechenden zahlenmäßigen Umfang. Die Darbietung der zur Versteigerung bestimmten Werke stellt Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI hingegen nicht frei, so dass die öffentliche Zugänglichmachung in Online-Katalogen unzulässig ist.294 b) Qualitatives und quantitatives Ausmaß der Nutzung Art. L. 122-5 Nr. 3 d) und Art. R. 122-1 CPI enthalten für die Vervielfältigung der Werke keine quantitativen oder qualitativen Beschränkungen. Das Gesetz gestattet vollständige wie partielle Reproduktionen. Somit können auch Ausschnitte oder Details eines Werkes wiedergegeben werden. Im Übrigen haben, soweit ersichtlich, weder Rechtsprechung noch Lehre bislang besondere Modalitäten der Werkwiedergabe gefordert.295 Was die Verbreitung bzw. »Destination« der Werkstücke betrifft, gelten die (oben unter 2.b)cc) geschilderten, in Art. R. 122-1 CPI enthaltenen Vorgaben zum Zeitraum des Vertriebs, zur erforderlichen Anfrage seitens der Interes293 Dazu oben S. 250. 294 Vgl. CA Paris, 20. 10. 2004, Az. 03/08136, besprochen von Lucas, PI 2005, 59. Das Gericht erklärte, wenngleich nur auf das Reproduktionsrecht Bezug nehmend, eine nach dem 11. 7. 2000 erfolgte Wiedergabe von Werken in Online-Katalogen für rechtswidrig. Die Nutzung war gemäß Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI n. F. allerdings schon deshalb unzulässig, weil sie im Kontext einer freiwilligen Auktion erfolgte. Mit Blick auf ebenfalls im Streit stehende Online-Nutzungen vor dem 11. 7. 2000 hatte die Klägerseite – möglicherweise in der Annahme, Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI a. F. habe die öffentliche Zugänglichmachung erlaubt – nur die Verletzung des droit moral gerügt (dazu unten S. 302 f.). Vgl. auch TGI Paris, 17. 12. 2002, D. 2003, 2089, mit Anm. Edelman, zur Internetwerbung für die Versteigerung eines Pariser hútel particulier nebst Einrichtung und Mobiliar, welches zum Teil vom Kläger entworfen worden war. Das TGI stellte fest, die Wiedergabe der Werke des Klägers auf einer Internetseite von Sotheby’s vor und nach dem Verkauf des Objekts Ende 2000 habe das Darbietungsrecht verletzt. Auf Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI, der auf freiwillige Auktionen zu diesem Zeitpunkt keine Anwendung mehr fand, ging das Gericht nicht ein. 295 Größe und Qualität von Katalogbildern waren jedoch in den Entscheidungen der Instanzgerichte zum Zitatrecht in positiver wie negativer Hinsicht thematisiert worden; s. oben S. 265 – 267.
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senten und zum Preis der Kataloge. Die Anzahl der hergestellten Kataloge wird sich an der tatsächlichen bzw. erfahrungsgemäßen Nachfrage orientieren dürfen, zumal durch die Beschränkung der Preisgestaltung auf die Selbstkosten und die Unzulässigkeit eines Nachverkaufs keine Anreize für eine übermäßige Katalogproduktion bestehen. 5.
Schranken der Nutzung
a) Der Dreistufentest in Art. L. 122-5 CPI Französische Gerichte müssen bei der Anwendung der Schrankenregelungen auch den in Art. L. 122-5 CPI verankerten Drei- bzw. Zweistufentest beachten:296 Die betreffende Ausnahme bzw. ihre Anwendung im Einzelfall darf weder die normale Verwertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzen.297 aa) Keine Beeinträchtigung der normalen Werkverwertung Henaff zufolge erfüllt Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI grundsätzlich beide Voraussetzungen des Tests. Zunächst erscheine die normale Verwertung eines grafischen oder plastischen Werkes a priori durch die Vervielfältigung in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen nicht ungewöhnlich beeinträchtigt. Henaff hält die Nutzung unter ökonomischen Aspekten im Verhältnis zu den Gewinnen, die der Urheber – auch in Gestalt des Folgerechts – über den Verkauf des Werkstücks und durch die gängigen Formen von Reproduktionen realisiere, für eher unbedeutend; eine effiziente Rechteverwertung werde dadurch nicht verhindert.298 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Da anzunehmen ist, dass gerichtliche Versteigerungen nur in seltenen Fällen eine größere Anzahl von Kunstwerken betreffen und mit einem Katalog beworben werden, dürften die ökonomischen Einbußen durch in diesem Kontext vorgenommene Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen für den einzelnen Urheber gering sein; die normale Verwertung des Werkes, d. h. die Möglichkeit der Lizenzierung von Reproduktionen, wird dadurch nicht beeinträchtigt. bb) Keine ungebührliche Verletzung berechtigter Urheberinteressen Fraglich ist jedoch, ob die Ausnahme auch die dritte Teststufe erfüllt, d. h. die berechtigten Interessen der Urheber nicht ungebührlich verletzt. Die letzte Stufe erfordert eine Interessenabwägung zwischen den legitimen, insbesondere ökonomischen Interessen der Urheber und den jeweils von der Freistellung privi296 S. oben S. 261. 297 Zur Systematik und Prüfung der drei Teststufen s. oben S. 80 ff. 298 Henaff, CCE 2007, 14, 15 f.
300
Die Rechtslage in Frankreich
legierten Zwecken, wobei Umfang, Inhalt und Zweck der jeweiligen Schranke zu berücksichtigen sind.299 (1) Nach Ansicht von Henaff liegt keine ungebührliche Verletzung der Urheberinteressen vor. Zwar führe die Freistellung ohne Zweifel zu einem, wenn auch geringen, wirtschaftlichen Schaden für die Urheber. Auch diene sie, wie von einem Teil der Lehre kritisiert, den Partikularinteressen der commissairespriseurs;300 das Interesse einer einzelnen Berufsgruppe könne den vom Urheber hinzunehmenden Nachteil nur schwer rechtfertigen. Die Ausnahme komme jedoch Personen zugute, deren Güter gerichtlich versteigert werden und die sich häufig in einer schwachen Lage befänden. Der Wegfall der Lizenzgebühren für die Katalogbilder erhöhe ihre Chancen, ihre Schulden zu tilgen und komme somit auch den Gläubigern zugute. Daher sei es nicht ungerechtfertigt, die Interessen der Urheber in diesem speziellen Fall zurücktreten zu lassen. Schließlich erleichtere der Katalog auch den Verkauf des Kunstwerks und eröffne den Urhebern die Aussicht auf eine Folgerechtsvergütung, die den Eingriff in das Reproduktionsrecht ausgleiche.301 (2) Richtig ist zunächst, dass Partikularinteressen wie diejenigen der commissaires-priseurs judiciaires einen – wenngleich geringfügigen – Eingriff in die Verwertungsrechte grundsätzlich nicht legitimieren können.302 Ob aber stattdessen der – in den gesetzgeberischen Motiven nicht zum Ausdruck kommende303 – Gedanke des »Schuldnerschutzes« eine singuläre Einschränkung des Reproduktionsrechts bildender Künstler rechtfertigt, erscheint ebenso zweifelhaft. Ein solcher Privilegierungsgrund ist weder im Schrankenkatalog von Art. 5 HRL vorgesehen noch mit den traditionellen, auf Allgemeininteressen gestützten Rechtfertigungen urheberrechtlicher Schranken vergleichbar.304 Auch der im 299 S. oben S. 82. 300 Vgl. oben S. 277 Fn. 205. 301 Henaff, CCE 2007, 14, 16. Die Anwendung des Folgerechts auf gerichtliche Versteigerungen erscheint auf den ersten Blick fraglich, weil die commissaires-priseurs judiciaires, notaires oder huissiers de justice dazu als »professionell auf dem Kunstmarkt tätige Verkäufer oder Vermittler« i. S. v. Art. L. 122-8 Abs. 1 CPI angesehen werden müssten, selbst wenn sie von der Option, neben gerichtlichen auch freiwillige (Kunst-)Auktionen abzuhalten, keinen Gebrauch machen (vgl. Art. 321-2 Abs. 2, Art. 321-17 CCom; Art. 29 des Gesetzes vom 10. 7. 2000 (2011)). Für die commissaires-priseurs judiciaires stellt Art. R. 122-9 Abs. 1 CPI jedoch klar, dass auch sie als »professionnel du march¦ de l’art« gelten und damit, soweit sie im Rahmen ihrer Amtstätigkeit Kunstwerke versteigern, zur Zahlung der Folgerechtsabgabe verpflichtet sind. Der Wortlaut von Art. R. 122-9 Abs. 1 CPI, der den Begrifflichkeiten des neuen Auktionsrechts (vgl. oben S. 278 Fn. 210) bislang nicht angepasst wurde, sollte dies auch mit Blick auf Notare und Gerichtsvollzieher klarstellen. 302 S. oben S. 65. 303 Vgl. oben S. 271 ff. 304 Vgl. oben S. 64 f. Überdies erfasst Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI nicht nur Zwangsversteigerungen, sondern auch freiwillig veranlasste ventes judiciaires volontaires, wie Teilungs-
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301
Gesetzgebungsverfahren angeführte besondere Charakter gerichtlicher Versteigerungen305 und die mutmaßlich größere Rechtssicherheit für die Betroffenen306 sind Aspekte, die keinen sachlichen Bezug zur Freistellung des Reproduktionsrechts in Katalogen aufweisen. Die Beschränkung der Verwertungsrechte lässt sich daher weder mit den Interessen der commissaires-priseurs judiciaires noch mit den Interessen der von der Schranke konkret begünstigten Werkeigentümer überzeugend begründen. (3) Ebenso wenig überzeugen kann das gesetzgeberische Motiv der »Unentgeltlichkeit der Justiz«307. Art. L. 122-5 CPI kennt keine andere Freistellung, die auf eine solche Erwägung gestützt wäre. Gleiches gilt für den Schrankenkatalog der Harmonisierungs-RL. Zwar sieht Art. 5 Abs. 3 lit. e HRL eine Ausnahme zu Gunsten der öffentlichen Sicherheit und Rechtspflege vor. Diese will aber u. a. den ordnungsgemäßen Ablauf von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und nicht etwa günstige Leistungen der Justiz oder unentgeltliche Zugriffe des Fiskus auf geschützte Werke gewährleisten. Eine pauschale Bevorzugung des Staates stieß im Übrigen schon Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Protest der Urheber. Eine Regelung, wonach dem Staat beim Ankauf eines Werkes, namentlich durch seine Museen, stets die Reproduktionsrechte zu übertragen waren, wurde 1913 auf Druck der Künstler auf Nutzungen zu Unterrichts- und Studienzwecken begrenzt.308 Staatliche Nutzungen als solche bzw. fiskalische Interessen können den Einschnitt in die Reproduktionsrechte daher nicht rechtfertigen.309 (4) In Betracht kommt danach allenfalls, in der Katalogbildfreiheit des Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI eine – von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL als privilegierungswürdig anerkannte – Maßnahme zur Förderung des öffentlichen Verkaufs von künstlerischen Werken und der Warenverkehrsfreiheit zu sehen.310 Problematisch daran ist, dass die Beschränkung der Norm auf Werke in gerichtlichen Versteigerungen im Licht von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL, der den gesamten Kunsthandel privilegiert, willkürlich erscheint. Den von der Richtlinie intendierten Zweck, die Bekanntmachung und damit den Erfolg öffentlicher Verkäufe von Kunstwerken zu fördern311, vermag Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI – wenn überhaupt – nur in sehr begrenztem Umfang zu erfüllen. Hält man eine selektive Umsetzung von Schranken für zulässig,312 dürfte der im Jahr 2006 aufrechter-
305 306 307 308 309 310 311 312
versteigerungen eines Nachlasses (s. oben S. 293). Die davon profitierenden Eigentümer sind nicht zwangsläufig (schutz-)bedürftig. S. oben S. 276 f. Vgl. Mauger-Vielpeau, D. 2005, 1405, 1407 f. S. oben S. 277. Näher dazu Tapissier-Gicquel, Rn. 53 ff. Vgl. oben S. 65. Vgl. oben S. 85. Vgl. oben S. 78 ff. Vgl. oben S. 72 f.; in diesem Sinne auch Lucas/Lucas, Rn. 349; Lucas, PI 2007, 318, 319 (str.).
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Die Rechtslage in Frankreich
haltene Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI jedoch noch von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL gedeckt sein. Berücksichtigt man außerdem die geringe praktische Relevanz der Freistellung im Vergleich zu den von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL vergütungsfrei gestatteten Verwertungen sowie die mit der Nutzung verbundene Aussicht auf eine Folgerechtsvergütung, erscheint das berechtigte Interesse der Rechtsinhaber durch die Schranke nicht ungebührlich verletzt. Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erweist sich nach alledem als dreistufentestkonform. b) Urheberpersönlichkeitsrecht Bei der Kataloggestaltung sind die Urheberpersönlichkeitsrechte des Künstlers zu wahren.313 Dies gilt zunächst für das in Art. L. 122-5 CPI ausdrücklich angesprochene Veröffentlichungsrecht sowie das Recht auf Urheber- und Quellenbezeichnung. Die CA Paris hat dies in ihrem Urteil vom 20. Oktober 2004314 bestätigt, welches die Wiedergabe von zum Teil unveröffentlichten Werken des »Tim und Struppi«-Schöpfers Herg¦ in On- und Offline-Katalogen für vier (freiwillige) Auktionen betraf, die zwischen Dezember 1999 und April 2001 stattfanden und damit in den zeitlichen Anwendungsbereich sowohl der ursprünglichen als auch der am 11. Juli 2000 in Kraft getretenen Neufassung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI fielen. Für Werke in Printkatalogen, deren Nutzung sich nach Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI a. F. beurteilte und somit auch im Kontext freiwilliger Auktionen grundsätzlich noch erlaubt war, sah das Gericht das Veröffentlichungsrecht zum Teil als verletzt an. Angesichts fehlender Angaben zum Künstler auf Titel- und Umschlagabbildungen sowie zahlreichen Abbildungen im Kataloginneren stellte es ferner Verletzungen des Rechts auf Urheberund Quellenbezeichnung fest, das für jedes der reproduzierten Werke zu beachten sei.315 Querverweise von anderen Seiten oder eine bereits aus dem Auktions- oder Katalogtitel316 oder anderen Zusammenhängen zu folgernde Urheberschaft genügen insoweit nach dieser Entscheidung nicht. Vielmehr ist bei jeder Werkwiedergabe der Name des Urhebers anzugeben.317 Erstinstanzlich hatten die Rechtsinhaber zudem geltend gemacht, das droit moral des Künstlers werde auch durch die schlechte Qualität der »Reproduktionen« der Werke auf der Internetseite des beklagten Auktionshauses verletzt; 313 S. oben S. 252, 261 f. 314 CA Paris, 20. 10. 2004, Az. 03/08136, besprochen von Lucas, PI 2005, 59; zum Sachverhalt s. auch das erstinstanzliche Urteil des TGI Paris, 21. 3. 2003, Az. 01/08714, teilweise abgedruckt in CCE 2003, 23, mit Anm. Caron. 315 CA Paris, 20. 10. 2004, Az. 03/08136, n.v. 316 Vgl. Lucas, PI 2005, 59, 60, der anmerkt, die Beklagten hätten vorbringen können, der Name des Urhebers ergebe sich bereits aus dem Katalogtitel »Vente Tintin«. 317 Gemäß Lucas/Lucas, Rn. 537, ist der Name des Urhebers so nah wie möglich am Werk anzubringen.
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303
die Wiedergaben erlaubten eine »unendliche Vervielfältigung« der Werke in mangelhafter Beschaffenheit.318 Dieser Vorwurf fand in den Entscheidungsgründen des Urteils des TGI allerdings keine Erörterung und wurde zweitinstanzlich offenbar nicht weiterverfolgt. Das Werk entstellende Katalogwiedergaben, beispielsweise starke Farbabweichungen, sind gleichwohl unzulässig.319 Ausdrücklich gesetzlich gestattet sind hingegen partielle Vervielfältigungen; die darin regelmäßig liegende Beeinträchtigung der Werkintegrität führt somit nicht per se zur Rechtswidrigkeit der Nutzung. c) Rechte Dritter Bei der Werknutzung sind außerdem die Rechte Dritter zu wahren, namentlich solche der Fotografen, die die Vervielfältigungen für die Kataloge herstellen. Inwieweit Reproduktionsfotografien, deren Ziel die originalgetreue Wiedergabe der Werke ist, Urheberschutz unter dem Code de la propri¦t¦ intellectuelle genießen, ist allerdings umstritten. Ein Leistungsschutzrecht i. S. v. § 72 UrhG existiert in Frankreich nicht. Fotografien müssen daher das Erfordernis der Originalität erfüllen.320 In Frage gestellt wird die Originalität von der Literatur vor allem für Reproduktionen zweidimensionaler Kunstwerke bzw. Gegenstände, bei denen der Fotograf, anders als bei der Aufnahme dreidimensionaler Arbeiten, nahezu keinen gestalterischen Spielraum hat.321 Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist uneinheitlich. So hat die CA Paris 2001 entschieden, dass Fotografien zweidimensionaler Werke von Pablo Picasso, die aus vorbestehenden Katalogen bzw. Werkverzeichnissen abgescannt und für die Erstellung zweier neuer Bücher über das Œuvre von Picasso genutzt worden waren, selbst Werkcharakter aufwiesen.322 Jüngere Entscheidungen verneinten jedoch die Werkqualität bei originalgetreuen Reproduktionen von Gemälden,323 so dass die Schutzfähigkeit von Reproduktionsfotografien – insbesondere im Bereich der Wiedergabe zweidimensionaler Werke – noch unsicher ist. 318 TGI Paris, 21. 3. 2003, Az. 01/08714, teilweise abgedruckt in CCE 2003, 23, mit Anm. Caron. 319 Allgemein zur Verletzung der Werkintegrität von grafischen und plastischen Werken Lucas/ Lucas, Rn. 548, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 320 Vgl. oben S. 247. 321 Vgl. Vivant/BruguiÀre, Rn. 187; Caron, Rn. 157; ders., CCE 2005, 26; Latreille, D. 2002, 299, 305 f.; Sirinelli, PI 2002, 46, 47 f. 322 Das Gericht begründete dies mit der Auswahl, die der Fotograf bei der Suche nach der Quintessenz des Werkes bzgl. der Belichtung, des Objektivs, der Filter, des Ausschnitts oder des Blickwinkels treffe und in der sich seine eigene Personalität ausdrücke; CA Paris, 26. 9. 2001, D. 2001, 3279; dazu Sirinelli, PI 2002, 46; ähnlich bereits CA Dijon, 7. 5. 1996, D. 1998 Somm. 189, mit Anm. Colombet. 323 Vgl. TGI Paris, 7. 1. 2003, besprochen von Sirinelli, PI 2004, 633; CA Paris, 24. 6. 2005, besprochen von Caron, CCE 2005, 26; vgl. auch Vivant/BruguiÀre, Rn. 187 m. w. N. aus der Rechtsprechung. Zur Beurteilung der Reproduktionsfotografie in Deutschland vgl. oben S. 197 Fn. 711.
304 III.
Die Rechtslage in Frankreich
Richtlinienkonformität
Was die Konformität mit den Vorgaben der Harmonisierungs-RL betrifft, könnte man Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI als – wenngleich sehr selektive – Umsetzung bzw. als Beibehaltung einer nationalen Ausnahme i. S. v. Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL betrachten. Daneben stellt die Ausnahme eine Altregelung i. S. v. Art. 5 Abs. 3 lit. o HRL von geringer wirtschaftlicher Bedeutung dar, die nur analoge Nutzungen betrifft und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr angesichts der Beschränkung auf den Bereich »gerichtlicher« Versteigerungen nicht berührt. Sie ist somit vom Schrankenkatalog von Art. 5 Abs. 3 HRL grundsätzlich gedeckt. Die Regelung müsste zudem mit dem Dreistufentest gemäß Art. 5 Abs. 4 HRL vereinbar sein (hierzu oben S. 299 ff.). Nachdem der geregelte Sonderfall die normale Werkverwertung nicht beeinträchtigt, verbleibt die bereits erörterte Frage, ob die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber ungebührlich verletzt werden, weil die Beschränkung des Reproduktionsrechts in erster Linie Partikularinteressen dient. Betrachtet man Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI jedoch als eine von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL erfasste, d. h. von der Richtlinie unter dem Aspekt der Verkaufswerbung anerkannte Ausnahmeregelung, dürfte – schon angesichts ihrer geringen ökonomischen Relevanz, aber auch mit Blick auf eine ggf. anfallende Folgerechtsvergütung – keine unzumutbare Verletzung der Urheberinteressen vorliegen, die einen »gerechten Ausgleich« i. S. d. Richtlinie erfordert.
IV.
Zusammenfassung
Mit der Einführung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI reagierte der französische Gesetzgeber auf die strenge Rechtsprechung der Cour de cassation zur Unzulässigkeit vollständiger Bildzitate von Kunstwerken in Versteigerungskatalogen.324 Die 1997 geschaffene gesetzliche Privilegierung, die den für die Durchführung von Versteigerungen traditionell zuständigen commissaires-priseurs zugute kam und von der Literatur als Ergebnis effizienten Lobbyings kritisiert wurde, sollte nicht zuletzt den Pariser Auktionsmarkt stärken.325 Nach der ersten Reform der Auktionsrechts im Jahr 2000, die zu einer Öffnung des Marktes für ausländische Auktionshäuser führte, verblieb den commissaires-priseurs lediglich das Monopol für die Abhaltung gerichtlicher Versteigerungen. Unter Bezugnahme auf ihren besonderen Status entschied sich der französische Gesetzgeber dafür, auch die Ausnahme in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI ausschließlich 324 S. oben S. 264 ff.. 325 S. oben S. 271 ff.
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305
für Kataloge »gerichtlicher Versteigerungen« aufrechtzuerhalten, anstatt die Freistellung – wie von einigen Parlamentariern und den commissaires-priseurs selbst befürwortet – der ursprünglichen ratio legis entsprechend auf den gesamten Kunsthandel auszudehnen. Die Schranke besitzt daher kaum praktische Relevanz.326 Bei der Umsetzung der Harmonisierungs-RL 2006 und der zweiten Reform des Auktionsrechts im Sommer 2011 ließ der Gesetzgeber die Ausnahme inhaltlich unangetastet.327 Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI privilegiert die (auch teilweise) Vervielfältigung von grafischen und plastischen Kunstwerken sowie ihre Verbreitung in Katalogen gerichtlicher Versteigerungen. Eine Bildnutzung außerhalb von Printkatalogen ist unzulässig. Unter dem gesetzlich nicht definierten Begriff der »grafischen und plastischen Kunstwerke« sind im Sinne des Folgerechts Werke der bildenden Kunst im weiteren Sinne zu verstehen, zu denen auch Werke der angewandten Kunst und Lichtbildwerke zählen.328 Die Kategorie der »gerichtlichen Versteigerung«, deren Reichweite in der Literatur trotz der Legaldefinition in Art. 29 des Gesetzes vom 10. Juli 2000 umstritten ist, erfasst neben Zwangsversteigerungen auch sonstige gesetzlich vorgesehene sowie gerichtlich angeordnete bzw. autorisierte Versteigerungen.329 Kataloge für grafische und plastische Werke in derartigen Auktionen sind nach Maßgabe von Art. R. 122-1 CPI privilegiert; die Exemplare dürfen nur auf Anfrage und maximal zum Selbstkostenpreis an Interessenten abgegeben werden.330 Bei der Nutzung sind das droit moral des Künstlers sowie ggf. bestehende Rechte der Reproduktionsfotografen zu wahren.331 Angesichts dessen, dass Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI sachlich noch von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL gedeckt ist und einen stark begrenzten Anwendungsbereich hat, der die normale Werkverwertung unberührt lässt und die berechtigten Interessen der Urheber nicht beeinträchtigt, erweist sich die Schranke im Ergebnis als richtlinienkonform.332
326 327 328 329 330 331 332
S. oben S. 274 ff., 280. S. oben S. 278. S. oben S. 281 ff. S. oben S. 289 ff. S. oben S. 294 ff. S. oben S. 302 f. S. oben S. 299 ff., 304.
306
D.
Die Rechtslage in Frankreich
Die Nutzung von Kunstwerken durch Museen und Ausstellungshäuser
Der Schrankenkatalog des Art. L. 122-5 CPI enthält keine Regelung, die, vergleichbar mit § 58 Abs. 2 UrhG, Nutzungen von Kunstwerken durch Museen zur Erstellung von Ausstellungs- und Bestandskatalogen oder zur Ausstellungswerbung i. S. v. § 58 Abs. 1 UrhG freistellt. Der französische Gesetzgeber hat zwar die Versteigerungskataloge der commissaires-priseurs judiciaires, nicht aber Publikationen der zahlreichen staatlichen Museen privilegiert.333 Museen wird lediglich in Art. L. 122-5 Nr. 8 CPI erlaubt, Werke zu Zwecken der Erhaltung sowie zu ihrer Konsultation in den Räumlichkeiten der Einrichtung zu vervielfältigen und darzubieten.334 Wie oben dargelegt, können sich Museen und andere Ausstellungshäuser auch nicht auf das Zitatrecht nach Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI stützen, das integrale Wiedergaben von Kunstwerken nach ständiger Rechtsprechung der Cour de cassation nicht gestattet. Vollständige Bildzitate in Ausstellungs- und Bestandskatalogen oder anderen wissenschaftlichen Publikationen bedürfen daher ebenso der Zustimmung der Urheber wie Nutzungen zu Werbezwecken.335 Ob das Zitatrecht, wie von der jüngeren Literatur vertreten, zumindest eine teilweise Wiedergabe von Kunstwerken erlaubt, bleibt mit Blick auf die gebotene Wahrung der Werkintegrität und mangels einschlägiger Rechtsprechung fraglich.336 Nach alledem müssen französische Museen und Ausstellungshäuser für Wiedergaben von Kunstwerken in Werbemitteln und Katalogen die jeweiligen Nutzungsrechte einholen.337 Die Verwertungsgesellschaft ADAGP berechnet die Vergütung hierfür wie üblich abhängig vom Wiedergabeformat und der Auflagenhöhe. Für Katalogbilder werden allerdings Tarifnachlässe gewährt, wenn es sich um monographische Kataloge handelt oder wenn die Lizenzierung zu normalen Tarifen angesichts der Vielzahl der Reproduktionen im Einzelfall die Wirtschaftlichkeit der Publikation gefährdete. Die meisten Museen haben mit der ADAGP einen Rahmenvertrag geschlossen, der – ähnlich wie der Standardvertrag der VG Bild-Kunst338 – verschiedene Arten von Bildnutzungen regelt 333 Für eine ebensolche Freistellung von Abbildungen in Ausstellungskatalogen TapissierGicquel, Rn. 583. 334 S. oben S. 258 f. 335 S. oben S. 255 ff., 262 f.; Tapissier-Gicquel, Rn. 44, 66 f. 336 Vgl. oben S. 258. 337 Beim Erwerb eines Werkes vom Künstler lassen sich die Museen die Rechte für museumsspezifische Nutzungen zu wissenschaftlichen und dokumentatorischen Zwecken und ggf. auch für Wiedergaben im Internet üblicherweise direkt einräumen; Tapissier-Gicquel, Rn. 66 f., unter Bezugnahme auf Angaben von Michel Richard, Leiter der MultimediaAbteilung der R¦union des mus¦es nationaux (RMN). 338 Vgl. oben S. 57 Fn. 132.
Die Nutzung von Kunstwerken durch Museen und Ausstellungshäuser
307
und weitergehende Vergünstigungen gewährt. So verlangt die ADAGP darin für Nutzungen zu Werbezwecken (Flyer, Einladungen, Broschüren etc.) von den Museen keine Lizenzgebühren. Für Abbildungen in Printkatalogen, die in direktem Zusammenhang mit einer Ausstellung herausgegeben werden, reduzieren sich die Gebühren um 50 %.339 Auch für Kataloge von Dauerausstellungen kommt ein Tarifnachlass in Betracht.340
339 Die Vergütungspflichtigkeit der Katalogbilder scheint sich gleichwohl in den Katalogpreisen niederzuschlagen, die tendenziell über den Preisen für deutsche Museumsausgaben liegen; vgl. Bullinger/Mercker/Mues, Wie hält man’s mit dem Künstler, FAZ vom 19. 4. 2003, S. 48 f. So kosten Kataloge zu Ausstellungen mit noch geschützten Werken, insbesondere von zeitgenössischen Künstlern, aktuell häufig über 40 EUR; dies entspricht den hiesigen Buchhandelspreisen (vgl. oben S. 57 Fn. 131). 340 Informationen von Claire Miguet und Marion Colas im Namen der ADAGP in E-Mails an die Verfasserin vom 6./29. 11. 2013.
Kapitel 4 Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Dieses Kapitel untersucht, ob und inwieweit das US-amerikanische Urheberrecht die von § 58 UrhG gestatteten Nutzungen von Kunstwerken erlaubt. Maßgeblich für diese Prüfung ist die in § 107 des Copyright Act kodifizierte »fair use doctrine«. Nach einem Überblick über die gesetzlichen Grundlagen, Schutzinhalt und Schranken des US-amerikanischen copyright folgt eine nähere Darstellung des fair use-Privilegs und der fair use-Rechtsprechung zur Nutzung von Kunstwerken (unten C). Darauf basierend wird geprüft, ob Verwertungen zur Werbung für Kunstverkäufe (unten D) und für öffentliche Ausstellungen (unten E) sowie zur Herausgabe von Ausstellungs- und Bestandskatalogen (unten F) als faire, erlaubnisfreie Nutzungen gelten können.
A.
Gesetzliche Grundlagen des US-amerikanischen Urheberrechts
I.
Vom Statute of Anne zum Copyright Act 1790
1. Die Wurzeln des US-amerikanischen copyright liegen im englischen Recht. Nach Erlangung der Unabhängigkeit gaben sich 12 der 13 Gründungsstaaten der USA in den Jahren 1783 bis 1786 eigene Urheberrechtsgesetze, die erkennbar dem englischen Statute of Anne1 von 1710 nachempfunden waren.2 Dieses Gesetz, das bis zur Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776 auch in den ehemaligen englischen Kolonien an der Ostküste galt,3 gewährte Buchautoren 1 Statute of Anne, Ch. XIX, abgedruckt u. a. bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [A]. Zur Entstehungsgeschichte des Statute of Anne und seinen rechtspolitischen Zielsetzungen s. Ellins, S. 36 ff. 2 Schack, UFITA 136 (1998), 219; Davies, Rn. 5-001. 3 Schack, UFITA 136 (1998), 219.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
erstmals ein auf 14 Jahre befristetes4 »copyright« an ihren Werken.5 Es trug den programmatischen Titel »An Act for the encouragement of learning, by vesting the copies of printed books in the authors or purchasers of such copies, during the times therein mentioned« und bezweckte, durch die Gewährung eines zeitlich befristeten copyright Raubkopien zu unterbinden und damit die Schaffung neuer (Schrift-)Werke anzuregen. An dem vom Statute of Anne begründeten Schutzkonzept orientierten sich auch die neuen US-Bundesstaaten beim Erlass ihrer Urhebergesetze.6 Die unterschiedliche Ausgestaltung der Gesetze und das in ihnen häufig vorgesehene Erfordernis der Gegenseitigkeit7 offenbarten allerdings innerhalb kurzer Zeit das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung.8 Im September 1787 einigte sich der Verfassungskonvent einstimmig auf die Aufnahme einer copyright clause in die US-Bundesverfassung, die dem Kongress die Kompetenz für die Regelung des Urheberrechts zuweist: »The Congress shall have Power […] [t]o promote the Progress of Science and useful Arts, by securing for limited Times to Authors and Inventors the exclusive Right to their respective Writings and Discoveries«9. Diese in Art. I sec. 8 cl. 8 niedergelegte Befugnis ist nicht nur die Quelle der urheberrechtlichen Gesetzgebung in den USA, sie legt zugleich das gesetzgeberische Motiv für die Gewährung des copyright offen: Wie das Statute of Anne führt sie den utilitaristischen Gedanken der »Förderung des Fortschritts der Wissenschaft und der nützlichen Künste« als Grund für die zeitlich befristete Zuerkennung eines Ausschließlichkeitsrechts an. Durch die prominente Betonung der Anreizfunktion und des Gemeinwohlaspekts auf Verfassungsebene prägte die Klausel das US-amerikanische Konzept des copyright in entscheidender Weise.10 Ihre Aussage wird noch heute uneingeschränkt als Maßstab für die Gewährung des copyright-Schutzes, aber auch für seine Grenzen herangezogen.11 Dies kommt nicht zuletzt in der fair use-Doktrin, der wichtigsten Schrankenbestimmung des US-copyright, zum Ausdruck (s. unten C). 4 Die ab dem Tag der Veröffentlichung berechnete Schutzfrist verlängerte sich, sofern der Autor bei ihrem Ablauf noch lebte, einmalig um weitere 14 Jahre; s. Statute of Anne, Sec. XI. 5 Ellins, S. 44. Voraussetzung des Urheberschutzes war eine gebührenpflichtige Eintragung des Buchtitels in ein bei der Buchdruckergilde geführtes Register. 6 Ausführlich dazu Schack, UFITA 136 (1998), 219 ff.; vgl. auch Patry, S. 14 (Bd. 1). Die Gesetze sind abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [C][1]-[12]. 7 Dazu Schack, UFITA 136 (1998), 219, 230 f. 8 Förster, S. 11. 9 Der Begriff »science«, der im 18. Jh. im Sinne von »learning and knowledge« verstanden wurde, bezog sich auf den urheberrechtlichen Schutz der »authors« und ihrer »writings«, während die Förderung der »useful arts« auf den patentrechtlichen Schutz der Erfinder (»inventors«) und ihrer Entdeckungen (»discoveries«) abzielte; Förster, S. 11 f. m. w. N.; näher zu den Begrifflichkeiten der Verfassungsklausel Patry, S. 123 ff. (Bd. 1). 10 S. Davies, Rn. 1-002. 11 Dietz, GRUR Int. 2006, 1 f.
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2. Am 31. Mai 1790 verabschiedete der US-Kongress den ersten bundeseinheitlichen Copyright Act12 (C.A. 1790). Wie das Statute of Anne sah der C.A. 1790 eine 14-jährige Schutzdauer vor, die allerdings erst ab der Registrierung des Werkes beim zuständigen District Court berechnet wurde und sich zu Lebzeiten des Autors einmalig um weitere 14 Jahre verlängern konnte. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der C.A. 1790 mehrfach überarbeitet und ergänzt.13 Das Ergänzungsgesetz von 1802 verschärfte die formellen Voraussetzungen des copyright-Schutzes, indem ein Urheberrechtsvermerk (copyright notice) auf allen öffentlich verbreiteten Werkexemplaren anzubringen war.14 Wurde dies versäumt, konnte das Werk seinen Urheberschutz verlieren und gemeinfrei werden.15 Die erste größere Neugestaltung des Gesetzes erfolgte im Jahr 183116 und brachte u. a. eine Verdoppelung der originären Schutzfrist auf 28 Jahre mit sich. 3. Auch die Schutzgegenstände wurden im Laufe der Jahrzehnte sukzessive erweitert. Bereits 180217 hatte der Gesetzgeber das copyright auf »historical and other prints« erstreckt18 und damit erstmals auch künstlerische Werke vor unautorisierter Nachahmung geschützt. Aus heutiger Sicht bemerkenswert erscheint, dass Fotografien einige Jahre früher als Schutzgegenstand aufgeführt wurden als Gemälde, Zeichnungen oder skulpturale Werke: Während die Anerkennung von »photographs and the negatives thereof« bereits im Ergänzungsgesetz vom 3. März 186519 erfolgte, wurden »paintings, drawings, chromos20, statues, statuaries and models or designs intended to be perfected as works of fine art« erst im Zuge der zweiten größeren Überarbeitung des Copyright Act im Jahr 1870 für schutzfähig erklärt.21 Die frühe Anerkennung der 12 »An Act for the encouragement of learning, by securing the copies of maps, charts and books, to the authors and proprietors of such copies, during the times therein mentioned«; 1 Stat. 124, abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [D][1]. 13 Ausführlich zu den Änderungen Patry, S. 36 – 55 (Bd. 1). 14 Act of April 29, 1802 (2 Stat. 171), abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [D][2]. 15 Näher dazu Patry, S. 36 f. (Bd. 1) m. w. N. 16 Act of February 3, 1831 (4 Stat. 36), abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [D][4]. 17 Act of April 29, 1802 (2 Stat. 171), abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [D][2]. Ausweislich seines Titels bezweckte das Gesetz, die Vorteile des 1790 Act auf »the arts of designing, engraving, and etching historical and other prints« auszudehnen. 18 Patry, S. 243 f. (Bd. 1). 19 13 Stat. 540, abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [D][11]. 20 Bei der sog. Chromolithographie handelt es sich um ein Anfang des 19. Jh. entwickeltes Verfahren zur Farbreproduktion von Kunstwerken, das Elemente der Fotografie und Druckgrafik vereinte; dazu Hess, in: Blübaum/Brakensiek, S. 146. 21 Act of July 8, 1870 (16 Stat. 212), Sec. 90, abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 7 [D][13], S. 7 – 64; vgl. Patry, S. 43 – 45 (Bd. 1); Schack, Gedächtnisschrift Eckert, S. 723, 732. Im Gegensatz zur Ausweitung des Urheberschutzes auf Fotografien, die vom Kongress in extrem kurzer Zeit beschlossen wurde, war das copyright an Werken der Malerei sogar heftig umstritten. Ein erster Versuch, Gemälde zu schützen, scheiterte im Jahr 1824 am Widerstand des
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Fotografie als »copyrightable«22 lässt sich durch die rasche Verbreitung des Mediums in den USA und das Aufkommen der Dokumentar- und Landschaftsfotografie erklären, die den Amerikanern eindrucksvoll die Weite und Schönheit ihres Kontinents, aber auch die Schrecken des amerikanischen Bürgerkriegs vermittelte.23 Hinzu kommt, dass das erst nach der Staatsgründung erfundene Medium als eine nicht aus Europa »importierte« Technik gilt und daher als typisch amerikanische Kunstform verstanden wird.24
II.
Der Copyright Act 1909
1. Die erste umfassende Revision des Urheberrechts brachte der Copyright Act 190925 (C.A. 1909). Neben der Verdoppelung der zweiten Schutzfrist des copyright auf 28 Jahre26 änderte der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Erlangung des copyright-Schutzes: Der Beginn des Urheberschutzes knüpfte nicht mehr an die Registrierung des Werktitels, sondern an die Veröffentlichung des Werkes an; dieses musste jedoch im Zeitpunkt der Veröffentlichung eine ordnungsgemäße copyright notice aufweisen.27 Eine Definition der Veröffentlichung enthielt der C.A. 1909 erstaunlicherweise nicht. Er definierte lediglich das »Datum der Veröffentlichung« als den frühesten Zeitpunkt, an dem Werkstücke aus einer ersten autorisierten Auflage durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Genehmigung zum Verkauf angeboten, verkauft oder öffentlich verbreitet wurden.28 Nach der Rechtsprechung ließ allerdings nur eine »general publication« das common law-Urheberrecht erlöschen, während eine beschränkte Veröffentlichung (limited publication)29 gegenüber einem begrenzten Personenkreis unschädlich war.30 1947 wurden die Bestimmungen des C.A. 1909 in
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30
Senats. Damals wandte Senator Mills gegen den Gesetzesentwurf ein, der Schutz von Gemälden würde den Fortschritt im Bereich der Malkunst hemmen, weil damit das Recht entfiele, bestehende Werke nachzuahmen und den Versuch zu unternehmen, sie zu übertreffen; Patry, S. 45 (Bd. 1) Fn. 140. Zur Entwicklung des Fotografieschutzes in Deutschland und Frankreich Heitland, S. 14 ff., 130 ff. Vgl. Heitland, S. 201; Patry, S. 244, 248 (Bd. 1); Boll, S. 152. Boll, S. 152. Act of March 4, 1909 (35 Stat. 1075), abgedruckt bei Nimmer, Bd 8, Appendix 6. Patry, S. 58 f. (Bd. 1). Patry, S. 413 f. (Bd. 1). § 62 (ab 1947: § 26) C.A. 1909; Patry, S. 415 (Bd. 1). American Tobacco Co. v. Werckmeister, 207 U.S. 284, 285, 289, 300 (1907). Nach der Definition in White v. Kimmel, 193 F.2d 744, 746 f. (9th Cir. 1952), cert. denied 343 U.S. 957 (1952), liegt eine limited publication vor, wenn das Werk (1) nur einer ausgewählten Gruppe von Personen (2) zu einem beschränkten Zweck zugänglich gemacht wird und (3) den Adressaten kein Recht auf Weiterverbreitung, Reproduktion oder Verkauf zusteht. Eine mit Zustimmung des Urhebers in Tageszeitungen oder Zeitschriften erscheinende
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313
Titel 17 des United State Codes (U.S.C.) kodifiziert.31 Unveröffentlichte Werke erfasste der C.A. 1909 nicht. Diese fielen unter das – daneben bestehende – common law-Urheberrecht der Bundesstaaten, welches literarische und künstlerische Werke vom Zeitpunkt ihrer Schöpfung bis zur Veröffentlichung schützte.32 Das dualistische Schutzsystem von Bundes- und Einzelstaatenrecht existierte bis zum Inkrafttreten des Copyright Act 1976. 2. Insbesondere bei Werken der bildenden Kunst, die selten mit Urheberrechtsvermerken versehen wurden, konnte die Anknüpfung des copyrightSchutzes an den Veröffentlichungszeitpunkt unter dem 1909 Act leicht zum Verlust jeglichen Urheberschutzes führen. Diese Gefahr war vor allem mit der Ausstellung eines unveröffentlichten Werkes verbunden, das nur als Unikat existierte. Insoweit kam es nach der Rechtsprechung darauf an, ob die Ausstellung als limited oder general publication des Werkes zu bewerten war. War es dem Publikum untersagt, Fotografien oder sonstige Kopien des Werkes anzufertigen, oder wurde das Werk lediglich einer ausgewählten Gruppe von Personen gezeigt, so lag allenfalls eine limited publication vor, die das an dem Werk bestehende common law-copyright unberührt ließ.33 Wurde das Werk der Öffentlichkeit hingegen in einer Art und Weise zugänglich gemacht, die es gewissermaßen jedermann erlaubte, es zu kopieren, trat eine general publication ein,34 die das common law-Urheberrecht erlöschen und das Werk, falls es keine copyright notice trug, in die public domain fallen ließ.35 3. Darüber hinaus liefen die Urheber unveröffentlichter Kunstwerke unter der Geltung des C.A. 1909 Gefahr, ihr common law copyright durch den Verkauf zu verlieren. Denn obwohl § 27 C.A. 1909 die Unabhängigkeit des copyright vom
31 32 33
34 35
Werkabbildung ohne copyright-Vermerk führte daher zum Verlust des Urheberschutzes; vgl. Letter Edged in Black Press, Inc. v. Public Bldg. Com’n of Chicago, 320 F.Supp. 1303, 1312 (N.D. Ill. 1970) m. w. N. Act of July 30, 1947 (61 Stat. 652), codifying the Act of March 4, 1909, 35 Stat. 1075. Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 4. Vgl. American Tobacco Co. v. Werckmeister, 207 U.S. 284, 300 (1907); Letter Edged in Black Press, Inc. v. Public Bldg. Com’n of Chicago, 320 F.Supp. 1303, 1309 – 1312 (N.D. Ill. 1970); Brewer v. Hustler Magazine, Inc, 749 F.2d 527, 528 f. (9th Cir. 1984); Academy of Motion Picture Arts and Sciences v. Creative House Promotions, Inc., 944 F.2d 1446, 1451 – 1454 (9th Cir. 1991). American Tobacco Co. v. Werckmeister, 207 U.S. 284, 285, 289, 300 (1907). Vgl. auch Patry, S. 417 (Bd. 1); Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 270; Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 428 – 430, jeweils m. w. N. Schwierig bleibt auch die Feststellung, ob unter dem 1909 Act bereits das kommerzielle Anbieten eines Werkunikats und sein Verkauf, z. B. durch eine Galerie, zu einer Veröffentlichung führte. Aus den Gesetzesmaterialien zum C.A. 1976 folgt zunächst, dass der bloße Verkauf eines Werkunikats durch den Kunsthandel (entgegen § 62 C.A. 1909) nicht mit einer Veröffentlichung einhergehen sollte. Differenziert man im Übrigen nach den Kriterien der Rechtsprechung, trat eine general publication nur bei einem Angebot bzw. Verkauf des Werkes in einer allgemein zugänglichen Verkaufsausstellung ein; in diesem Sinne Berkowitz/ Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 269 f. m. w. N.
314
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Eigentum an einem Werkstück vorsah, verfestigte sich in der Rechtsprechung der 1930er und 1940er Jahre die Auffassung, dass mit der Veräußerung eines unveröffentlichten Unikates auch die common law-Urheberrechte in ihrer Gesamtheit auf den Erwerber übergingen, sofern der Urheber sich diese Rechte nicht ausdrücklich schriftlich vorbehalten hatte oder ein solcher Vorbehalt in anderer Weise belegt war.36 Diese als »Pushman presumption« bezeichnete Vermutung37 führte mithin zum Verlust des common law copyright, wenn ein Künstler ein Werkunikat verkaufte, ohne dabei nachweislich Bestimmungen über sein Urheberrecht zu treffen. Der neue Eigentümer hatte wiederum dafür Sorge zu tragen, dass das Werk bei seiner Veröffentlichung mit einem Urheberrechtsvermerk versehen war, damit Urheberschutz unter dem C.A. 1909 eintrat. 4. Der Copyright Act 1976 (dazu sogleich unter III) bereitete der geschilderten Rechtsprechung ein Ende, indem er zum einen die bloße Ausstellung eines Werkes von der Definition der Veröffentlichung in § 101 ausnahm38 und zum anderen in § 202 bestimmte, dass die Übertragung des Eigentums an einem Werkstück keinen Übergang von daran bestehenden Urheberrechten bewirkt. In § 204(a) führte der Gesetzgeber zudem ein Schriftformerfordernis für die Übertragung von Urheberrechten ein.39 Da der 1976 Act jedoch keinen rückwirkenden Urheberschutz verleiht, blieben Werke, die bereits vor seinem Inkrafttreten gemeinfrei geworden waren, dauerhaft ungeschützt. Bei Kunstwerken, die nur als Unikat existieren und vor dem 1. Januar 1978 an Galerien, Museen oder andere Personen verkauft und/oder öffentlich ausgestellt wurden, bedarf es somit heute noch einer Prüfung der genauen Umstände des Verkaufs bzw. der Ausstellung, um festzustellen, ob Urheberschutz noch besteht und wer ggf. Rechtsinhaber ist.40
36 Yardley v. Houghton Mifflin Co., Inc., 108 F.2d 28, 30 f. (2nd Cir. 1939), cert. denied, 309 U.S. 686 (1940); Pushman v. New York Graphic Society, Inc., 39 N.E.2d 249, 251 (N.Y. 1942); Chamberlain v. Feldman, 89 N.E.2d 863 (N.Y. 1949). 37 Pushman v. New York Graphic Society, Inc., 39 N.E.2d 249 (N.Y. 1942). 38 Patry, S. 435 (Bd. 1). 39 So bereits die 1966 im Staat New York eingeführten Regelungen §§ 223-24 N.Y. Gen. Bus. Law, 1983 überführt in das N.Y. Arts & Cult. Aff. Law (s. § 14.01); Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 320 f. 40 Neben den Bedingungen einer (Verkaufs-)Ausstellung ist ferner zu berücksichtigen, ob das Werk in Publikationen wie Ausstellungskatalogen, Magazinen oder auf Werbematerialien wie Einladungskarten abgebildet wurde und dabei eine copyright notice trug bzw. am Werk erkennen ließ. Diese Veröffentlichungen sind oft auch die einzige Quelle, um die (rechtzeitige) Anbringung eines Urhebervermerks nachträglich verifizieren zu können; vgl. Kaufman, Museum News, Sept./Oct. 2004.
Gesetzliche Grundlagen des US-amerikanischen Urheberrechts
III.
315
Der geltende Copyright Act 1976
Die letzte umfassende Gesetzesrevision erfolgte durch den Copyright Act von 197641 (C.A. 1976), der am 1. Januar 1978 in Kraft trat. 1.
Grundlegende Reformen des copyright-Systems
Der Copyright Act 1976 brachte einige zentrale Änderungen mit sich. Hierzu zählt zunächst die Vorverlegung des Beginns des Urheberschutzes auf den Moment, in dem ein Werk erstmals in körperlicher Form festgehalten wird (§ 102(a)). Zugleich wurde dem zweistufigen Schutzsystem von state law and federal law ein Ende bereitet: § 301 des Gesetzes schließt einen einzelstaatlichen Schutz von Rechten, die den nach dem C.A. 1976 gewährten Urheberrechten an Werken entsprechen, aus. Daraus folgt, dass sich die urheberrechtliche Zuständigkeit der Bundesstaaten heute nur noch auf Werke erstreckt, die nicht in körperlicher Form fixiert sind.42 Mit § 102(a) führte der Gesetzgeber einen breit angelegten Beispielskatalog von geschützten Werkkategorien ein. Sechs der bereits unter dem C.A. 1909 geschützten Werkkategorien43, die überwiegend, aber nicht ausschließlich der bildenden und angewandten Kunst zugeordnet werden können, fasste er unter der Formulierung »pictural, graphic and sculptural works« zusammen.44 In § 107 wurden erstmals die Grundsätze des von der Rechtsprechung entwickelten fair use-Privilegs45 kodifiziert, während die §§ 108 ff. Schranken für besondere Nutzungen regeln. Das Reformgesetz verlängerte zudem die Schutzdauer auf 50 Jahre p.m.a. Die formellen Anforderungen – Urheberrechtsvermerk, Registrierung und Hinterlegung – behielten unter dem C.A. 1976 zunächst im Wesentlichen ihre Bedeutung.46 Dies galt nicht zuletzt für das Erfordernis, Werkstücke bei ihrer Veröffentlichung mit einer copyright notice auszustatten, damit das Werk nicht in die public domain fiel.
41 Act of October 19, 1976 (90 Stat. 2541). Paragraphen in Kapitel 4 ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf den in Titel 17 U.S.C. inkorporierten C.A. 1976 in seiner aktuellen Fassung. 42 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 4. 43 Maps, works of art, models or designs for works of art, reproductions of a work of art, drawings or plastic works of a scientific or technical character, photographs, prints and pictural illustrations including prints or labels used for articles of merchandise, vgl. § 5 (f)(k) C.A. 1909. 44 Patry, S. 245 f. (Bd. 1). 45 Näher dazu unten S. 325 ff. 46 Vgl. Spindler, GRUR Int. 1977, 421, 423 f.
316 2.
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Berne Convention Implementation Act (1988)
Mit dem Berne Convention Implementation Act47 (BCIA), der am 1. März 1989 in Kraft trat, setzten die USA die Berner Konvention um. Wichtigste Konsequenz der Umsetzung war der Verzicht auf jegliches Formerfordernis für das Entstehen (und Fortbestehen) des Urheberschutzes.48 Die copyright notice ist seither nicht mehr Schutzvoraussetzung. Allerdings sichern die Anbringung des Urheberrechtsvermerks und die Registrierung des Werkes dem Urheber bestimmte beweisrechtliche und monetäre Vorteile, die eine Erfüllung dieser Förmlichkeiten nach wie vor nahe legen.49 Von Bedeutung konnte die (nachträgliche) Registrierung insbesondere für Werke sein, die zwischen dem 1. Januar 1978 und dem 1. März 1989 geschaffen und ohne copyright notice veröffentlicht worden waren. Denn der Urheberschutz von Werken, die vor Inkrafttreten des BCIA entstanden, beurteilt sich weiter anhand der pre-BCIA-Standards.50
3.
Weitere wichtige Gesetzesänderungen
Mit dem Visual Artists Rights Act51 (VARA) gewährte der Bundesgesetzgeber den Urhebern von »Werken visueller Kunst« (works of visual art) im Jahr 1990 erstmals gewisse Urheberpersönlichkeitsrechte.52 Der Audio Home Recording Act53 (AHRA) von 1992 gab vor, dass in die USA importierte oder dort produzierte oder verkaufte digitale Audioaufnahmegeräte über Kopierschutzmechanismen verfügen müssen, und führte in Bezug auf die private Vervielfältigung von Tonträgern eine gesetzliche Lizenz ein.54 1998 setzte der Kongress mit dem 47 Act of October 31, 1988 (102 Stat. 2853). 48 Zur Bedeutung des Beitritts der USA zur RBÜ Baumgarten/Meyer, GRUR Int. 1989, 620. 49 Baumgarten/Meyer, GRUR Int. 1989, 620, 623 f.; vgl. §§ 401(d), 405(2), 504(c)(2), 410(c), 411 (a), 412. 50 Das Versäumnis, eine copyright notice auf Vervielfältigungsstücken anzubringen, kann unter den Voraussetzungen von § 405 geheilt werden, so z. B. wenn der Urheberrechtsvermerk nur bei einer »relativ kleinen Anzahl von Werkstücken oder Tonträgern« fehlt (§ 405 (a)(1)) oder das Werk binnen fünf Jahren nach der Veröffentlichung beim Copyright Office registriert wurde und angemessene Anstrengungen unternommen wurden, alle nach Entdeckung des Versäumnisses in den USA verbreiteten Werkstücke mit einem copyrightVermerk auszustatten (§ 405(a)(2)); näher dazu Patry, S. 448 – 450 (Bd. 1) m. w. N. aus der Judikatur. Insbesondere Kunstwerke, die als Unikat oder in geringer Auflage geschaffen und zwischen dem 1. Januar 1978 und 1. März 1989 ohne copyright notice veröffentlicht wurden, dürften von der Regelung des § 405(a)(1) profitieren; vgl. Williams v. Arndt, 626 F.Supp. 571, 578 (D. Mass. 1985): 11 von 15 Werkstücken als »relatively small number«; vgl. auch Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10, 421, 428 f. (1985 – 1986). 51 104 Stat. 5089, Text abgedruckt bei Patry, S. 1713 – 1718 (Bd. 3). 52 Näher dazu unten S. 321 f. 53 106 Stat. 4237. 54 Ullrich, GRUR Int. 2009, 283, 290.
Schutzinhalt und Schranken des copyright
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Digital Millenium Copyright Act55 (DCMA) die Vorschriften des WIPO-Urheberrechtsvertrages und des WIPO-Vertrages über Darbietungen und Tonträger um, die die Umgehung technischer (Schutz-)Maßnahmen betreffen. 1998 wurde zudem die urheberrechtliche Schutzdauer von 50 auf 70 Jahre p.m.a. verlängert.56
B.
Schutzinhalt und Schranken des copyright
I.
Geschützte Werke und Rechtsinhaberschaft
Gemäß § 102(a) gilt der copyright-Schutz des Bundesrechts für »original works of authorship fixed in any tangible medium of expression, now known or later developed, from which they can be perceived, reproduced, or otherwise communicated, either directly or with the aid of a machine or device«. Zentrale Voraussetzung ist neben der körperlichen Festlegung57 die »Originalität« eines Werkes. Der im C.A. 1976 nicht definierte Begriff der Originalität implizierte nach der Vorstellung des Gesetzgebers lediglich, dass ein Werk die eigenständige Schöpfung seines Urhebers ist und nicht aus anderer Quelle übernommen, d. h. kopiert wurde.58 In der Entscheidung Feist Publications, Inc. v. Rural Telephone Service Co.59 leitete der U.S. Supreme Court jedoch aus dem früheren case law ab, dass ein Werk einen minimalen Grad an Kreativität, einen »creative spark«, aufweisen müsse, und führte damit das Erfordernis einer, wenn auch sehr geringen, schöpferischen Leistung ein.60 § 102(a) nennt beispielhaft acht urheberschutzfähige Werkkategorien, die sich teilweise überschneiden. Hierzu zählen die bereits erwähnten bildlichen, grafischen und skulpturalen Werke (§ 102(a)(5)), Filme und andere audiovisuelle Werke (§ 102(a)(6)) sowie architektonische Werke (§ 102(a)(8)). Die Kategorie der »pictorial, graphic and sculptural works« ist weit zu verstehen und schließt über die Bereiche der bildenden und angewandten Kunst hinaus auch zu Werbe- und Verkaufszwecken geschaffene Gestaltungen und Illustrationen mit
55 Digital Millennium Copyright Act (112 Stat. 2860); s. Kap. 12 des 17. Titels des U.S.C. 56 Copyright Term Extension Act (112 Stat. 2827), auch »Sonny Bono Act« genannt. 57 § 102(b) wiederholt die seit Langem geltende Regel, dass das Urheberrecht nur Ausdrucksformen, nicht aber Ideen schützt (idea-expression dichotomy); Möhring/Schulze/ Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 7. 58 Patry, S. 147 (Bd. 1). 59 499 U.S. 350 (1991); s. die deutsche Zusammenfassung der Entscheidung in GRUR Int. 1991, 933. 60 S. Patry, S. 147 – 149 (Bd. 1).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
ein.61 Die in § 101 enthaltene Definition erfasst namentlich zwei- und dreidimensionale Werke der bildenden, grafischen und angewandten Kunst, Fotografien62, Drucke und Kunstreproduktionen, Karten, Globen, Tabellen, Diagramme, Modelle und technische Zeichnungen, einschließlich architektonischer Pläne. Das Urheberrecht entsteht in der Person des Urhebers (author).63
II.
Die Urheberrechte
1.
Verwertungsrechte
§ 106 beschreibt fünf Ausschließlichkeitsrechte, die gemeinsam alle wirtschaftlich relevanten Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke erfassen:64 das Recht der Vervielfältigung, der Herstellung von Bearbeitungen, der öffentlichen Verbreitung sowie die Rechte der öffentlichen Aufführung und Zurschaustellung. Ein Folgerecht sieht der Copyright Act des Bundes nicht vor. Bisher gewähren lediglich die Gesetze einiger weniger Bundesstaaten, darunter vor allem Kalifornien,65 bildenden Künstlern ein Folgerecht.66 Auf Bundesebene scheiterte bislang jeder Versuch, ein droit de suite nach europäischem Vorbild einzuführen.67 Auch der im Dezember 2011 eingebrachte Entwurf eines »Equity for Visual Artists Act«68 konnte sich im Kongress nicht durchsetzen. 61 S. Patry, S. 245 f. (Bd. 1). Zu dem Begriff der »works of visual art« i. S. d. VARA vgl. unten S. 322. 62 Ausführlich zum Urheberschutz von Fotografien Ets-Hokin v. Skyy Spirits, Inc., 225 F.3d 1068, 1073 ff. (9th Cir. 2000). 63 Eine Ausnahme stellen »works made for hire« dar, deren copyright gemäß § 201(b) in der Person des Arbeitgebers bzw. des Auftraggebers des Werks entsteht. 64 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 10. 65 1976 erließ Kalifornien als erster US-Bundesstaat den California Resale Royalties Act (CRRA). § 986 California Civil Code (2000) gewährt auf den Weiterverkauf eines Werkes der bildenden Kunst (work of fine art), in § 989 definiert als »an original painting, sculpture, or drawing, or an original work of art in glass«, eine Vergütung in Höhe von 5 % des Verkaufspreises, sofern der Verkäufer seinen Wohnsitz in Kalifornien hat oder der Verkauf dort stattfindet. Auf Verkäufe für unter 1.000 US-Dollar findet das resale right keine Anwendung. Der Kunsthandel ignoriert das Gesetz jedoch weitgehend. Eine jüngst gegen Sotheby’s und Christie’s erhobene Klage einer Gruppe von Künstlern, mit der die Auktionshäuser zur Mitteilung folgerechtsrelevanter Verkäufe und Zahlung der Vergütung verpflichtet werden sollten, scheiterte erstinstanzlich. Der District Court für den Central District of California entschied, der CRRA reguliere in verfassungswidriger Weise den Handel mit Kunst außerhalb von Kalifornien; Estate of Robert Graham et al. v. Sotheby’s Inc.; 860 F.Supp.2d 1117 (C.D. Cal. 2012). Das Berufungsverfahren vor dem Ninth Circuit ist derzeit noch anhängig. 66 Vgl. Reddy, Loy. L.A. Ent. L. J. 15 (1994 – 1995), 509, 521, 524. 67 Bereits 1977 hatte ein Kongressabgeordneter den Entwurf für einen »Visual Arts Act« auf Bundesebene erarbeitet, dem jedoch kein Erfolg beschieden war; Rie, UFITA 83 (1978), 1, 11 Fn. 15. Ein 1987 vorgelegter Gesetzesentwurf nach kalifornischem Muster scheiterte auch im
Schutzinhalt und Schranken des copyright
319
a) Vervielfältigungsrecht Gemäß § 106(1) hat der Urheber das Recht, sein Werk in Form von Werkstücken (copies) zu vervielfältigen bzw. die Vervielfältigung durch Dritte zu genehmigen. § 101 definiert Werkstücke als körperliche Gegenstände, in denen ein Werk auf irgendeine heute bekannte oder später entwickelte Weise festgehalten ist und von denen das Werk entweder direkt oder mit Hilfe einer Maschine oder eines Gerätes wahrgenommen, wiedergegeben oder in sonstiger Weise übertragen werden kann. b) Bearbeitungsrecht § 106(2) verleiht dem Urheber das Recht, Bearbeitungen seiner Werke (derivative works) herzustellen oder zu autorisieren. Unter einer Bearbeitung versteht das Gesetz ein Werk, das auf einem oder mehreren vorbestehenden Werken beruht. Die Definition in § 101 nennt als Beispiele u. a. Übersetzungen, Verfilmungen, Tonaufnahmen, Reproduktionen von Kunstwerken »oder jede andere Form, in der sich ein Werk neufassen, umgestalten oder bearbeiten lässt«. Da Bearbeitungen selbst Werkcharakter haben, müssen auch die ausdrücklich erwähnten Reproduktionen von Kunstwerken ein Mindestmaß an Originalität aufweisen. Die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung ist allerdings uneinheitlich.69 Dies gilt auch für die Beurteilung der Schutzfähigkeit fotografischer Wiedergaben eines Werkes.70 c) Verbreitungsrecht Der Urheber hat weiterhin das Recht, Werkstücke öffentlich durch Verkauf oder andere Formen der Eigentumsübertragung oder durch Vermietung, Verpachtung oder Leihe zu verbreiten, § 106(3).71 Das Verbreitungsrecht schließt auch
68 69 70
71
Bundesstaat New York; Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 314 Fn. 149. Vgl. ferner die widerstreitenden Beiträge von Goetzl und Edelson im Rahmen eines Symposiums zum VARA, dessen Originalentwurf aus dem Jahr 1987 ebenfalls eine Folgerechtsabgabe vorsah; Cardozo Arts & Ent. L J. 7 (1988 – 1989), 249 – 267. Die umstrittene Bestimmung wurde in einem Änderungsentwurf fallengelassen; s. DuBoff, Cardozo Arts & Ent. L. J. 7 (1988 – 1989), 227, 229, 231. H.R. 3688 IH – Equity for Visual Artists Act 2011; www.opencongress.org/bill/112-h3688/ show (13. 4. 2012). Ausführlich Nimmer, Bd. 1, § 2.08 [C][1]-[3] und § 3.03 [B], [C]. Verneinend für die fotografische Reproduktion eines Gemäldes Bridgeman Art Library, Ltd. v. Corel Corp., 36 F.Supp.2d 191, 195 ff. (S.D. N.Y. 1999); vgl. auch Berkowitz/Leaffer, Col.VLA J.L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 263 – 267 und Fn. 72 zu von Museen angefertigten Reproduktionen als »derivative works«. Das bloße öffentliche Anbieten von Werkexemplaren stellt damit, anders als im deutschen Recht (§ 17 UrhG), noch keine Verbreitung, aber unter Umständen eine Veröffentlichung dar ; vgl. § 101; Patry, S. 840 (Bd. 2).
320
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
die Erstveröffentlichung (publication) des Werkes mit ein,72 die mit Blick auf die Erfüllung der urheberrechtlichen Formvorschriften nach wie vor von Bedeutung ist.73 Eine wichtige Einschränkung erfährt das Verbreitungsrecht durch den in § 109 verankerten und als »first sale doctrine« bezeichneten Erschöpfungsgrundsatz. Der Eigentümer eines nach dem C.A. 1976 rechtmäßig hergestellten einzelnen Werkexemplars oder jede andere von ihm ermächtigte Person darf über dieses Werkexemplar ohne Erlaubnis des Urhebers weiter verfügen (§ 109 (a)). d) Recht der öffentlichen Aufführung Im Falle von literarischen, musikalischen, dramatischen und choreografischen Werken, Pantomimen und Spielfilmen sowie anderen audiovisuellen Werken gewährt § 106(4) dem Urheber das Recht, das Werk öffentlich aufzuführen bzw. aufführen zu lassen. e) Recht der öffentlichen Zurschaustellung § 106(5) verleiht u. a. den Urhebern von bildlichen, grafischen und skulpturalen Werken (einschließlich Einzelbildern aus Spielfilmen und audiovisuellen Werken) das Recht, diese Werke öffentlich zur Schau zu stellen.74 Ein Werk »zur Schau zu stellen« bedeutet gemäß § 101, ein Werkexemplar direkt oder mittels eines Films, Dias, Fernsehbildes oder eines anderes Gerätes oder Verfahrens zu zeigen.75 Die Zurschaustellung eines Werkes ist »öffentlich«, wenn sie an einem Ort stattfindet, der der Öffentlichkeit zugänglich ist oder an dem sich eine erhebliche Anzahl von Personen einfindet, die über den Kreis einer Familie und ihrer gesellschaftlichen Kontakte hinausgeht. Das Öffentlichkeitskriterium ist aber auch dann erfüllt, wenn die Zurschaustellung des Werkes an einen der vorgenannten Orte oder – durch ein beliebiges Gerät oder Verfahren – an die Öffentlichkeit gesendet oder in anderer Weise kommuniziert wird (§ 101). Hierunter fällt auch die Ermöglichung des Abrufs von Werken aus dem Internet.76 72 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 11; H.R. Rep. Nr. 94-1476, 94th Cong., 2d Sess. 62 (1976), abgedruckt bei Nimmer, Bd 8, Appendix 4, S. 30. 73 S. oben S. 316. 74 Das mit dem C.A. 1976 neu eingeführte Recht der Zurschaustellung war ursprünglich als reines Ausstellungsrecht (right to exhibit) für pictorial, graphic, and sculptural works konzipiert. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde es jedoch auf weitere Werkarten ausgedehnt und mit dem allgemeineren Begriff des »right to display« betitelt; ausführlich Patry, S. 1001 – 1007 (Bd. 2). 75 Bei Film- und anderen audiovisuellen Werken gilt nur das Zeigen nicht aufeinander folgender (Einzel-)Bilder als Zurschaustellung. 76 Vgl. Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1160 (9th Cir. 2007).
Schutzinhalt und Schranken des copyright
321
Für ausstellungsfähige Werke wird das Recht auf Zurschaustellung durch § 109(c) stark eingeschränkt. Die Vorschrift berechtigt den Eigentümer eines rechtmäßig erworbenen Werkexemplars und von ihm autorisierte Personen, das Werkstück ohne Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich zur Schau zu stellen. Das Werk darf Betrachtern gezeigt werden, die am Ort, an dem sich das Werkstück befindet, anwesend sind. Neben der direkten Präsentation ist auch die (wiederum an den Standort des Werkes gebundene) Projektion des Werkes erlaubt, sofern stets nur ein einzelnes Bild übertragen wird. Das Recht des Urhebers auf Zurschaustellung seines Werkes im Sinne einer ortsgebundenen Ausstellung wird damit faktisch hinfällig.77 f) Schutzdauer der Verwertungsrechte Gemäß § 302(a) in der Fassung von 1998 beträgt die Schutzdauer für Werke, die ab dem 1. Januar 1978 geschaffen wurden, 70 Jahre p.m.a. Für Werke, die vor diesem Datum geschaffen wurden und für die die originäre 28-jährige Schutzfrist des C.A. 1909 oder die Erneuerungsfrist (renewal) noch nicht abgelaufen war, enthält § 304 detaillierte Regelungen zur maßgeblichen Schutzdauer unter dem C.A. 1976. 2.
Urheberpersönlichkeitsrechte
Das US-amerikanische Recht gewährt die beiden fundamentalen Urheberpersönlichkeitsrechte – das Recht auf Anerkennung und auf Werkintegrität – nicht systematisch, sondern nähert sich diesen Positionen durch eine Kombination von bundes- und einzelstaatlichen Gesetzen einschließlich des Rechts des unlauteren Wettbewerbs, der Ehrverletzung, des Persönlichkeitsrechts und der vom Urheberrecht abgeleiteten Rechte.78 Für Werke der bildenden Kunst ist insbesondere § 106A des aktuellen Copyright Act von Bedeutung. a) Der Visual Artists Rights Act (VARA) Mit dem Visual Artists Rights Act des Jahres 1990 führte der US-Bundesgesetzgeber erstmals Regelungen zum Schutz von Urheberpersönlichkeitsrechten ein.79 Die in § 106A niedergelegten »Rights of certain authors to attribution and integrity« gewähren bestimmten Urhebern u. a. das Recht, auf Anerkennung der Urheberschaft zu klagen80 und jede absichtliche Verstümmelung, Entstellung 77 Vgl. § 44 Abs. 2 UrhG, der dem Werkeigentümer allerdings nur die Ausstellung von Originalen von Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken gestattet und keine bildhafte Projektion erlaubt. 78 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 20. 79 Ausführlich zum droit moral in den USA Peifer, ZUM 1993, 325 ff. 80 § 106A(a)(1)(A).
322
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
oder sonstige Veränderung des Werkes zu verhindern, die seinem Ansehen oder Ruf abträglich wäre.81 Diese Rechte sind jedoch verglichen mit dem deutschen und französischen droit moral von sehr begrenzter Tragweite. Sie werden zunächst nur Urhebern von »Werken visueller Kunst« (works of visual art) zuteil. Während »visuelle Kunst« im Allgemeinen mit bildender Kunst gleichgesetzt wird,82 beschränkt die in § 101 enthaltene Definition den Begriff »work of visual art« auf Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Skulpturen83, die entweder als Unikat oder aber in signierter bzw. gekennzeichneter sowie fortlaufend nummerierter Auflage von maximal 200 Exemplaren hergestellt worden sind. Zu den Werken visueller Kunst zählen ferner in entsprechend limitierter Auflage angefertigte Fotografien, sofern sie zu »Ausstellungszwecken« produziert,84 d. h. von ihrem Urheber originär als »Kunst« geschaffen wurden. Um diese Intention zu verdeutlichen, ist auch das einzelne fotografische Werkstück, d. h. der ausstellbare Abzug oder Ausdruck, zu signieren und zu nummerieren.85 Zugleich schließt die Definition eine ganze Reihe von Werken, so u. a. Werke der angewandten Kunst und Filmwerke, vom persönlichkeitsrechtlichen Schutz aus. Die Urheberpersönlichkeitsrechte sind im Übrigen verzichtbar und auf die Lebzeiten des Urhebers begrenzt.86 b) Veröffentlichungsrecht und weitere urheberpersönlichkeitsrechtliche Aspekte Über § 106A hinaus werden einzelne urheberpersönlichkeitsrechtliche Aspekte von den bereits dargestellten Verwertungsrechten mit abgedeckt. So ist z. B. das Veröffentlichungsrecht im Verbreitungsrecht nach § 106(3) enthalten.87 Das Bearbeitungsrecht (§ 106(2)) umfasst wiederum das Recht, nicht genehmigte Änderungen oder Adaptionen des Werkes zu verbieten.88
81 § 106A(a)(3)(A). 82 Vgl. Peifer, ZUM 1993, 325, 348; Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 20. 83 Die Begriffe Gemälde, Zeichnung, Druck und Skulptur sind dabei nicht zu eng auszulegen, sondern sinngemäß auf alle Werke anzuwenden, die nach in Künstlerkreisen allgemein akzeptierten Standards unter diese Gattungen eingeordnet werden; vgl. H.R. Rep. 514, 101st Cong., 2d Sess. 11. 84 Nicht zu Ausstellungszwecken angefertigte Fotografien genießen daher keinen copyrightSchutz, selbst wenn sie später in einer Ausstellung gezeigt werden sollten; vgl. Patry, S. 1031 f. (Bd. 2). 85 Vgl. H.R. Rep. 514, 101st Cong., 2d Sess. 13. 86 S. § 106A(d), (e). 87 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 21; vgl. auch § 405(a). 88 Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert, USA/I, S. 21.
Schutzinhalt und Schranken des copyright
III.
Die gesetzlichen Schranken in §§ 107 ff. C.A. 1976
1.
Überblick
323
Den in § 106 niedergelegten Verwertungsrechten sowie zum Teil auch den in § 106A aufgeführten Urheberpersönlichkeitsrechten ziehen §§ 107 – 122 C.A. 1976 Schranken. Spezielle Freistellungen für Nutzungen durch Museen oder Ausstellungshäuser bzw. durch den Kunsthandel existieren nicht. Die zentrale Schrankenbestimmung des US-amerikanischen Urheberrechts ist das als offene Generalklausel ausgestaltete fair use-Privileg in § 107, das auch für die Beurteilung von Nutzungen zur Ausstellungs- und Verkaufswerbung oder zur Herstellung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen maßgeblich ist. Seine Voraussetzungen werden in Abschnitt C dargestellt. Neben der fair use-Schranke in § 107 enthalten §§ 108 – 122 C.A. 1976 einen umfangreichen Komplex von besonderen Schrankenregelungen, die für einzelne Werkkategorien bzw. Verwertungsrechte oder für gewisse Nutzungshandlungen und -zwecke gelten.89 Diese statutory exceptions zeichnen sich im Gegensatz zur Generalklausel des § 107 durch einen äußert detaillierten Regelungsinhalt aus, der für die US-amerikanische Gesetzgebungstechnik charakteristisch ist.90 § 108 enthält eine Schrankenregelung, die Archiven und Bibliotheken bestimmte Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen gestattet (näher dazu unten 2). § 109 gibt gewisse Schranken der Verwertungsrechte vor, die infolge der Übertragung des Eigentums an einem Werkstück oder einem Tonträger entstehen. Hierzu gehören der bereits erwähnte Erschöpfungsgrundsatz (§ 109(a))91 und das Recht des Eigentümers eines Werkstücks zu dessen Zurschaustellung (§ 109(c)).92 § 110 sieht Freistellungen des Rechts der öffentlichen Aufführung und der öffentlichen Zurschaustellung u. a. für Unterrichtszwecke vor. § 113 enthält Regelungen bzw. Klarstellungen zum Umfang des copyright an bildlichen, grafischen und skulpturalen Werken. Soweit diese rechtmäßig auf »nützlichen Artikeln« reproduziert werden, welche zum Verkauf angeboten oder auf andere Weise in der Öffentlichkeit verbreitet worden sind, hat der Urheber nicht das Recht, die Herstellung, Verbreitung oder die fotografische Wiedergabe des Gegenstandes im Zusammenhang mit Werbeanzeigen oder Erläuterungen 89 Zu den statutory exceptions allgemein s. Spindler, GRUR Int. 1977, 421, 427 ff.; WesterholtWeissthanner, UFITA 82 (1978) 5, 15 ff; Davies, Rn. 5035-37. 90 Da die durch die common law-Tradition geprägten US-amerikanischen Gerichte gesetzliche Regelungen (statutory law) häufig noch als Fremdkörper gegenüber dem Richterrecht betrachten und stark am Wortlaut orientiert anwenden, versucht der Gesetzgeber, Missverständnissen durch möglichst genaue gesetzliche Vorgaben entgegenzuwirken; Förster, S. 13 f. m. w. N. 91 S. oben S. 319 f. 92 S. oben S. 321.
324
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
zu verbieten, die der Verbreitung oder Zurschaustellung solcher Artikel dienen oder in Verbindung mit der Nachrichtenberichterstattung erfolgen (§ 113(c)). § 113(d) wiederum schränkt die in § 106A gewährten Urheberpersönlichkeitsrechte an »Werken visueller Kunst« ein,93 die in ein Gebäude integriert oder Teil eines Gebäudes sind. Dessen Eigentümer wird unter gewissen Voraussetzungen gestattet, das Werk vom Gebäude zu entfernen, ohne dass darin eine Verletzung der Werkintegrität gesehen wird. § 120 regelt Schranken für architektonische Werke. Sie dürfen u. a., wenn sie in ein Gebäude integriert sind, das sich an einem öffentlichen Platz befindet oder von einem solchen aus sichtbar ist, in bildhafter Weise wiedergegeben werden. Die übrigen Schranken sind vorwiegend auf die Bedürfnisse bestimmter Verwertungszweige wie z. B. der Tonträgerindustrie zugeschnitten. Trotz ihrer Fülle bleiben die in §§ 108 bis 122 kodifizierten Schranken in ihrer praktischen Bedeutung weit hinter der fair use-Doktrin zurück.94 Für das Verhältnis zwischen fair use-Doktrin und den besonderen Schranken gilt, dass letztere die Anwendung der Generalklausel trotz inhaltlicher Überschneidungen keinesfalls einengen oder ausschließen;95 §§ 108 ff. stellen vielmehr nur »konkrete Mindestschranken des Urheberrechts« dar.96 2.
Reproduktionen von Bibliotheken und Archiven (§ 108)
§ 108 erlaubt Bibliotheken und Archiven unter bestimmten, eng definierten Voraussetzungen – u. a. zu Zwecken der Erhaltung oder des Ersatzes von Werkstücken – einzelne Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen. Trotz vergleichbarer Interessenlage fallen Museen nicht unter § 108. Sie können von der Freistellung allenfalls profitieren, wenn sie über ein eigenes Archiv oder eine Bibliothek verfügen oder Teil einer solchen Einrichtung sind, die der Öffentlichkeit oder Einzelpersonen zu Forschungszwecken zugänglich sein muss.97 93 94 95 96 97
Vgl. oben S. 321 f. Förster, S. 20 m.w. N. Vgl. § 108(f)(4). Spindler, GRUR Int. 1977, 421, 427. Vgl. § 108(a); The Section 108 Study Group Report (March 2008), S. 31, abrufbar unter www.section108.gov/docs/Sec108StudyGroupReport.pdf (9. 11. 2013); Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 288 f. Als Grund für die Nichtberücksichtigung von Museen in § 108 wird der Umstand genannt, dass Fragen des Urheberschutzes zum Zeitpunkt der Kodifizierung des C.A. 1976 kein Hauptanliegen von Museen waren. Zum einen wurden viele Kunstwerke unter dem 1909 Act durch eine Veröffentlichung ohne copyright notice gemeinfrei (vgl. oben S. 313). Zum anderen waren die Vervielfältigungstechniken in den 1960er und 1970er Jahren noch nicht so ausgereift wie heute. Museen hatten daher kaum ein Interesse daran, Werke aus ihrem Bestand selbst zu vervielfältigen. Bei Anfragen nach fotografischen Reproduktionen verwiesen sie in der Regel auf bereits existierendes Bildmaterial; The Section 108 Study Group Report, S. 31 f.
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
325
Überdies sind Kunstwerke vom Anwendungsbereich der Schranke weitgehend ausgenommen. § 108(i) bestimmt für bildnerische, grafische und skulpturale Werke, dass diese nur unter den Voraussetzungen von § 108(b), (c) und (h) genutzt werden dürfen. Hierzu zählt die Anfertigung von bis zu drei Kopien von veröffentlichten Werken mit dem Zweck, Werkexemplare zu ersetzen, die beschädigt sind, verloren oder gestohlen wurden oder deren (Speicher-)Format bzw. Medium veraltet ist (vgl. § 108(c)). Ferner dürfen bildnerische und grafische Werke, die lediglich als Illustration, Schaubild oder vergleichbare visuelle Ergänzung eines anderen (Sprach-)Werkes veröffentlicht wurden, unter den Voraussetzungen von § 108(d) und (e) akzessorisch (mit) verwertet werden. Eine ganzseitige Vervielfältigung und Verbreitung eines Kunstwerkes, z. B. in einem Katalog, ist damit ausgeschlossen,98 zumal die Schrankenregelung systematische oder planmäßige Vervielfältigungen nicht erlaubt.99 Nutzungen durch Museen, wie etwa Vervielfältigungen zu Dokumentationszwecken in Verzeichnissen, lassen sich daher nicht auf § 108 stützen.
C.
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
I.
Entwicklung der fair use-Doktrin
1. Die fair use-Doktrin hat ihren Ursprung im englischen Recht.100 Bereits zwischen 1740 und 1839 erging in England eine Reihe von Gerichtsentscheidungen, in denen die Nutzung geschützter Werke durch einen anderen Autor oder einen Kritiker unter bestimmten Umständen als »fair« beurteilt wurde.101 In den Vereinigten Staaten gilt das im Jahr 1841 in der Sache Folsom v. Marsh102 erlassene Urteil des Circuit Court for the Central District of Massachusetts als die erste fair use-Entscheidung. Darin fasste Justice Joseph Story die Grundsätze der englischen Rechtsprechungspraxis so prägnant zusammen, dass seine Ausfüh98 Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 289 Fn. 176; Whalen, SP035 ALI-ABA 523, S. 3. 99 § 108(g); Billings, GRUR Int. 1986, 614, 615. 100 Ausführlich Patry, Fair Use, § 1:3 – 1:19, S. 7 – 51. 101 Vgl. Patry, Fair Use, § 1:3, S. 7 f.; Schumann, GRUR Int. 1969, 125. Diesen Verfahren lagen regelmäßig Klagen wegen gekürzter bzw. auszugsweise wiedergegebener Schriftwerke zugrunde; vgl. Leval, Harv. L. R. 103 (1990), 1105, 1112; Gyles v. Wilcox, 26 Eng. Rep. 489, 490 (Ch. 1740). Die Gerichte bezeichneten eine für zulässig befundene Entlehnung daher häufig als »fair abridgment«; manche Urteile enthalten auch den Ausdruck »fair quotation« oder »fair criticism« oder die Feststellung, das geschützte Werk »was used fairly«; Schumann, GRUR Int. 1969, 125 m. w. N. 102 Folsom v. Marsh, 9 F. Cas. 342, 348 (C.C.D. Mass. 1841).
326
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
rungen bis heute die Grundlage der fair use doctrine103 in den USA darstellen: »In short, we must often, in deciding questions of this sort, look to the nature and objects of the selections made, the quantity and value of the materials used, and the degree in which the use may prejudice the sale, or diminish the profits or supersede the objects, of the original work«.104 Die von Justice Story hervorgehobenen Bewertungsmaßstäbe wurden in der Folge von den US-amerikanischen Gerichten weiterentwickelt105 und fanden schließlich Eingang in § 107 des Copyright Act 1976.106 Er lautet in seiner heutigen Fassung: »Notwithstanding the provisions of sections 106 and 106A, the fair use of a copyrighted work, including such use by reproduction in copies or phonorecords or by any other means specified by that section, for purposes such as criticism, comment, news reporting, teaching (including multiple copies for classroom use), scholarship, or research, is not an infringement of copyright. In determining whether the use made of a work in any particular case is a fair use the factors to be considered shall include – (1) the purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes; (2) the nature of the copyrighted work; (3) the amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole; and (4) the effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work. The fact that a work is unpublished shall not itself bar a finding of fair use if such finding is made upon consideration of all the above factors.«
Mit seiner generalklauselartigen Formulierung knüpft der Text von § 107 an die – erkennbar auf Folsom v. Marsh zurückgehenden – Grundsätze des Richterrechts an, die nach dem Willen des Parlaments durch die gesetzliche Niederlegung weder inhaltlich noch in der Art ihrer Anwendung eine Änderung erfahren sollten.107 Vielmehr gestattete der Gesetzgeber den Gerichten durch die offene Fassung der Norm, das common law in diesem Punkt weiter zu entwickeln.108
103 Als Terminus technicus wurde der Begriff »fair use« zum ersten Mal im englischen Fall Lewis v. Fullarton (48 Eng. Rep. 1080, 1081 (Rolls Ct. 1839)) verwendet. In den USA erschien der Ausdruck erstmals 1869 in Lawrence v. Dana, 15 F.Cas. 26, 61 (C.C.D. Mass. 1869); Schumann, GRUR Int. 1969, 125. 104 Folsom v. Marsh, 9 F. Cas. 342, 348 (C.C.D. Mass. 1841). 105 Zur Rechtslage vor der Kodifizierung der Doktrin Schumann, GRUR Int. 1969, 125, 126 ff. 106 Dazu Deutsch, Am. U. L.Rev. 34 (1984 – 1985), 1327, 1330 f. 107 H.R. Rep. Nr. 94-1476, 94th Cong., 2d Sess. 66 (1976), abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 4, S. 36; Davies, Rn. 5-029; Förster, S. 19. 108 Patry/Perlmutter, Cardozo Arts & Ent. L. J. 11 (1992), 667, 774 m. w. N. Vor diesem Hin-
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
327
2. Dogmatisch hat der Gesetzgeber die fair use-Klausel als echte Urheberrechtsschranke109 ausgestaltet. Sie setzt einen Eingriff in ein durch § 106 oder durch § 106A110 geschütztes Ausschließlichkeitsrecht voraus, der jedoch durch die Bewertung der Nutzung als »fair« gerechtfertigt ist.111 Prozessual stellt fair use nach herrschender Auffassung eine Einrede (»affirmative defense«) des mutmaßlichen Verletzers dar, dem mithin auch die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer fairen Nutzung obliegt.112 Die Einrede wird jedoch erst dann relevant, wenn ein Verletzungstatbestand prima facie dargetan ist.113 Der fair use-Einwand kann nur dazu führen, dass die streitige Nutzung vollständig für zulässig befunden oder aber als Verletzung des copyright angesehen wird. Alternative Rechtsfolgen, wie z. B. die zustimmungsfreie Verwertung bei Entrichtung einer Entschädigung, sind vom Gesetz nicht vorgesehen und finden sich, soweit ersichtlich, auch nicht in der Rechtsprechung.114 Auch wenn die Schrankengeneralklausel des fair use auf den ersten Blick eine potentiell größere Bandbreite an Nutzungen zu legitimieren scheint als die abschließend formulierten Schrankentatbestände des Konventionsrechts115 und der kontinentaleuropäischen Urheberrechte, erweist sie sich somit auf der Rechtsfolgenseite als unflexibler. Verwertungen, die kontinentaleuropäische Urheberrechte bei gleichzeitiger Gewährung einer Vergütung erlauben könnten,116 sind nach dem »Alles-oder-Nichts«-Prinzip117 der fair use-Doktrin ggf. als unzulässig einzustufen. 3. Die offene Anlegung des fair use-Tatbestands, seine stark einzelfallbezogene Prüfung sowie die prozessuale Behandlung als affirmative defense bedingen zudem, dass sich die Zulässigkeit einer Nutzung nur schwer vorhersehen lässt. Endgültige Gewissheit bringt erst die richterliche Beurteilung des Sachverhaltes im Verletzungsprozess. Um diese für potentielle »fair user« oft ab-
109 110
111 112 113 114 115 116 117
tergrund kann die kodifizierte fair use-Doktrin als ein »hybrides Rechtsinstitut zwischen common law und statutory law« bezeichnet werden; Förster, S. 20. Vgl. die Überschrift von § 107: »Limitations on exclusive rights: fair use«. Auch ein Eingriff in Urheberpersönlichkeitsrechte, insbesondere in die Werkintegrität, kann demnach als fair use zulässig sein. Der Gesetzgeber hatte dabei offenbar Fälle der Parodie oder Satire vor Augen, bei denen das Originalwerk zwangsläufig Veränderungen erfährt; Patry, S. 1049 (Bd. 2). Förster, S. 23 m. w. N.; so bereits Ball, S. 260: »Fair use is technically an infringement of copyright, but is allowed by law on the ground that the appropriation is reasonable and customary«. Patry, Fair Use, § 2:3, S. 65 – 69 m. w. N. Patry, S. 725 f. (Bd. 1). Förster, S. 34 f. Vgl. Burk/Cohen, Harv. J. L. Techn. 15 (2001 – 2002), 41, 74. Vgl. oben S. 66, 72 f. und 82. S. Förster, S. 34.
328
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
schreckende Rechtsunsicherheit118 abzumildern, haben verschiedene Interessengruppen in den vergangenen Jahrzehnten sog. Fair Use Guidelines erarbeitet, in denen einvernehmlich (Mindest-)Standards für bestimmte Nutzungen definiert wurden.119 Diese Richtlinien sind, obgleich zum Teil im House Report aufgeführt,120 nicht Teil des Copyright Act. Auch die Gerichte betonen die fehlende Bindungswirkung der Richtlinien, selbst wenn inhaltlich mitunter auf sie Bezug genommen wird. Dennoch können die Guidelines Aufschluss darüber geben, welche Nutzungshandlungen in den betroffenen Kreisen als weitgehend akzeptiert und daher wahrscheinlich auch als fair gelten.121 Guidelines, die sich speziell mit der Nutzung von Kunstwerken befassen – beispielsweise mit Blick auf Reproduktionen zu edukativen Zwecken durch non-profit-Einrichtungen wie Museen – existieren nicht. Entsprechende Verwertungen beurteilen sich daher unmittelbar anhand der fair use-Doktrin.122
II.
Ökonomisch-utilitaristische Begründungsmodelle
Da die zentrale Rechtfertigung des US-amerikanischen copyright in seiner ökonomischen Anreizfunktion gesehen wird, die – über den »Umweg« der Remuneration der Urheber – eine ausreichende Versorgung der Allgemeinheit mit neuen Werken sichern soll,123 verwundert es nicht, dass auch die fair useDoktrin mit ökonomisch-utilitaristischen Erwägungen begründet wird. Hierbei lassen sich im Wesentlichen zwei miteinander verwandte Begründungsansätze unterscheiden: die Notwendigkeit einer freien Benutzung von Werken zur Förderung der Künste und der Wissenschaft sowie die Korrektur eines Marktversagens. Der erste Ansatz, auf den sich die US-amerikanische Rechtsprechung und Lehre häufig beziehen,124 stützt die fair use-Schranke direkt auf die copy118 Zu diesem Problem Carroll, N.C. L.Rev. 85 (2006 – 2007), 1087, 1092 ff.; Beldiman, in: Hilty/ Peukert, S. 194. 119 Die erste dieser Vereinbarungen, das sog. Gentlemen’s Agreement, legte bereits 1935 bestimmte Standards für fotografische Reproduktionen von Büchern und periodisch erscheinenden Werken durch Bibliotheken, Archive und Museen fest. Ausführlich zu dieser Vereinbarung Hirtle, J. Cop. Soc. USA 53 (2006), 545. Zu weiteren Fair Use Guidelines s. Förster, S. 29 f. 120 Dies gilt u. a. für die sog. Classroom Guidelines, die die Voraussetzungen für Vervielfältigungen geschützter Inhalte aus Büchern und Zeitschriften zu Unterrichtszwecken regeln; dazu unten S. 426. 121 Förster, S. 30 f. 122 Vgl. Whalen, SP035 ALI-ABA 523, S. 3. 123 Vgl. dazu oben S. 309 f. 124 Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 575 (1994); Loren, J. Intell. Prop. L. 5 (1997), 1, 24; eingehend dazu Förster, S. 142 – 145 m. w. N.; vgl. auch Schumann, GRUR Int. 1969, 125, 132 f.
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right clause der US-Verfassung und ihren utilitaristischen Kernauftrag, die Schaffung neuer Werke anzuregen. Da es hierfür in der Regel eines Rückgriffs auf vorbestehendes Wissen und bereits existierende Werke bedarf, würde ein unbegrenzter Urheberschutz künstlerisches und wissenschaftliches Schaffen letztlich hemmen. Vor diesem Hintergrund sind gewisse Ausnahmen vom Ausschließlichkeitsschutz zuzulassen, um die angestrebte Förderung der Wissenschaft und Künste zu gewährleisten.125 Neben dieser allgemeinen Begründung haben Vertreter der ökonomischen Analyse weitere Modelle entwickelt, um die fair use-Doktrin zu erklären bzw. zu optimieren. Der vorherrschende, maßgeblich auf Wendy J. Gordon zurückgehende Erklärungsansatz betrachtet fair use als Ergebnis bzw. Korrektiv eines Marktversagens,126 d. h. einer Marktsituation, in der eine effiziente, sozial wünschenswerte Nutzung aufgrund zu hoher Transaktionskosten unterbleiben würde. Als klassisches Beispiel werden traditionell als fair betrachtete Buchrezensionen in Zeitungen genannt, die das besprochene Werk auszugsweise wiedergeben und nützliche Informationen für den Verbraucher darstellen. Aufgrund des geringen Umfangs der Entlehnung, die nicht mit dem Original konkurriert, wird dessen Verwertung regelmäßig nicht beeinträchtigt und der Anreiz zur Schaffung neuer Werke nicht geschwächt. Wäre die Wiedergabe der Textauszüge dagegen lizenzierungspflichtig, würde der mit der Einholung der Rechte verbundene hohe Kosten- und Zeitaufwand voraussichtlich dazu führen, dass die Nutzung unterbleibt.127 Zudem kommen Zeitungsrezensionen dem Urheber regelmäßig als – glaubhafte – Werbung zugute, die die Nachfrage für das Werk erhöhen können. Wären derartige Werkbesprechungen zustimmungspflichtig, unterminierte dies ihren objektiven Status und schadete im Ergebnis auch den Urhebern.128 Unter der Prämisse, dass Buchrezensionen, ebenso wie z. B. Zeitungs- oder Fernsehberichte über Kunstausstellungen, die einige Exponate zeigen,129 eine kostenlose und regelmäßig vorteilhafte Werbung für den Urheber darstellen, nehmen Landes und Posner bei derartigen Nutzungen sogar eine stillschweigende Zustimmung der Rechtsinhaber an.130 Eine dritte Erklärungsvariante für fair use – neben den Fallgruppen zu hoher Transaktionskosten und stillschweigenden Konsenses – bieten Landes und Posner für »transfor125 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 575 (1994): »From the infancy of copyright protection, some opportunity for fair use of copyrighted materials has been thought necessary to fulfil copyright’s very purpose, to promote the Progress of Science and useful Arts’«; s. auch S. 579 der Entscheidung. 126 Gordon, Colum. L. Rev. 82 (1982), 1600 – 1657. 127 Vgl. Förster, S. 139 m. w. N.; Posner, Economic Analysis, S. 54. 128 Posner, Economic Analysis, S. 54. 129 Landes, Geo. Mason L. Rev. 9 (2000 – 2001), 1, 10. 130 Landes/Posner, Economic Structure, S. 117 f. (»The negative harm, implied consent case«); Landes, Geo. Mason L. Rev. 9 (2000 – 2001), 1, 10.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
mative« bzw. »produktive« Werknutzungen131 an. In diesen Fällen überwiegen nach ihrer Ansicht die gesamtgesellschaftlichen Vorteile einer neuen, nützlichen und mit dem Original in der Regel nicht konkurrierenden Verwertung den auf Seiten des Urhebers entstehenden Schaden.132
III.
Methodik der fair use-Prüfung
Die fair use-Klausel des § 107 besteht inhaltlich aus zwei Komplexen. Satz 1, der oft als »Präambel« bezeichnet wird, erklärt zunächst unter beispielhafter Nennung133 bestimmter Vervielfältigungsmethoden134 und Nutzungszwecke135, dass die faire Nutzung eines geschützten Werkes keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Satz 2 der Norm führt sodann – in ebenfalls nicht abschließender Weise – unter (1) bis (4) vier Faktoren auf, die im Zentrum der fair use-Analyse stehen.136 Diese vollzieht sich in zwei Schritten. Zunächst untersuchen und bewerten die Gerichte die Einzelfaktoren. Die Einzelbewertungen müssen nicht eindeutig zu Gunsten oder zu Ungunsten von fair use ausfallen. Nicht selten wird ein Faktor als »neutral« bewertet, weil sich positive oder negative Gesichtspunkte die Waage halten, oder festgestellt, der Faktor spreche »nicht gegen fair use«, weil ein an sich negativer Nutzungsaspekt, wie z. B. die vollständige Werkwiedergabe,137 im Einzelfall gerechtfertigt erscheint. Bei der anschließenden Gesamtabwägung, der eigentlichen fair use-Analyse,138 folgen die Gerichte keinen festen methodischen Vorgaben. Insbesondere kann vom Ergebnis der Einzelabwägungen weder »rechnerisch«, d. h. anhand der Anzahl der für oder gegen fair use sprechenden Faktoren, noch inhaltlich ohne Weiteres auf das Ergebnis der Gesamtabwägung geschlossen werden.139 Letztere basiert auf einer wertenden Zusammenschau aller Faktoren, die sich wiederum gegenseitig abschwächen oder gar aufheben können.140 Der Supreme Court unterstrich in Campbell zuletzt die gleichberechtigte Bedeutung aller vier Faktoren.141 Gleichwohl scheinen bei der Gesamtbewertung häufig der erste Faktor, insbe131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141
Dazu unten S. 331 ff. Landes/Posner, Economic Structure, S. 122 f. (»The positive harm, productive use case«). Vgl. Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 561 (1985). »including such use by reproduction in copies or phonorecords«. »for purposes such as criticism, comment, news reporting, teaching (including multiple copies for classroom use), scholarship, or research«. Förster, S. 25. Vgl. unten S. 343 ff. S. Patry, Fair Use, § 7:2, S. 476 f. Patry, Fair Use, § 7:2, S. 477; Förster, S. 25, jeweils m. w. N. Vgl. Patry, Fair Use, § 7:2, S. 477. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 578, 590 (1994).
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sondere die etwaige Transformativität142 der Nutzung, und der vierte Faktor, die Auswirkungen auf den potentiellen Markt für das Werk,143 eine entscheidende Rolle zu spielen.144 Insgesamt zeichnet sich die Gesamtabwägung jedoch durch eine starke Einzelfallbezogenheit aus,145 die für die – auf Präjudizien basierende – Rechtsfindung im US-amerikanischen Recht charakteristisch ist.146
IV.
Die vier fair use-Faktoren
1.
»Purpose and character of the use«
Die Bewertungskriterien, die § 107 S. 2 als ersten fair use-Faktor vorgibt, sind »the purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes«. Der erste Prüfungspunkt betrifft mithin den Zweck und den Charakter der Nutzung. Dabei wird traditionell untersucht, ob die im Streit stehende Nutzung ggf. unter einen der beispielhaft aufgezählten Nutzungszwecke fällt. Von größerer Relevanz ist allerdings die Frage, ob die jeweilige Nutzung »transformativen« Charakter hat (dazu unten a). Ein weiteres, stets behandeltes Kriterium ist die – im Gesetz genannte – Kommerzialität der Nutzungshandlung (dazu unten b). Schließlich können weitere Aspekte wie das Verhalten des Nutzers in die Bewertung des ersten Faktors einfließen (dazu unten c).147 a)
Transformativität der Nutzung
aa) Bedeutung des Kriteriums Seit dem Urteil in Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc.148, das neben Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc.149 und Harper & Row, Publishers, Inc. v. 142 143 144 145 146
Dazu sogleich unter IV.1.a). Dazu unten S. 346 ff. Vgl. die Fallbeispiele aus der Rechtsprechung unten S. 354 ff. Förster, S. 25. Vgl. Förster, S. 31. Kritisch zur Bewertung und Abwägung der vier Faktoren D. Nimmer, Law & Contemp. Probs. 66 (2003), 263, 281. 147 Förster, S. 43. 148 510 U.S. 569 (1994). 149 464 U.S. 417 (1984). Die erste große fair use-Entscheidung des Supreme Court betraf die Aufzeichnung von Fernsehsendungen zum privaten Gebrauch mittels des von Sony auf den Markt gebrachten »Betamax«-Magnetbandsystems. Der Supreme Court beurteilte die von Sony ermöglichten Nutzunghandlungen im Ergebnis als fair. Insbesondere der erste Faktor, d. h. der nichtkommerzielle Zweck und Charakter der Nutzung, sowie der vierte Faktor, die (nicht festzustellenden) Auswirkungen auf den Markt für die genutzten Werke, sprachen dabei für die erlaubnisfreie Nutzung.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Nation Enterprises150 eine der drei Leitentscheidungen des Supreme Court zur kodifizierten fair use-Doktrin darstellt, ist das (in § 107 nicht erwähnte) Kriterium der Transformativität eine feste Größe bei der fair use-Prüfung.151 Es steht für Nutzungen, die ein Werk einem neuen schöpferischen oder nützlichen Zweck zuführen.152 Wenngleich eine transformative Nutzung keine zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Doktrin sei, so der Supreme Court, werde das Ziel des copyright durch die Schaffung solcher Werke im Allgemeinen gefördert. Mit zunehmender Transformativität des neuen Werkes sinke zugleich die Relevanz anderer Faktoren wie der Kommerzialität der Nutzung, die gegen die Zulässigkeit der Verwertung sprechen können.153 Diese Aussage basiert auf der Annahme, dass transformative Nutzungen keinen »Marktersatz« für das Originalwerk darstellen und sich daher positiv auf die Bewertung des vierten fair use-Faktors auswirken.154 Die Prüfung der Transformativität ist somit ein wichtiges, wenn nicht gar entscheidendes Element des ersten Faktors wie auch der gesamten fair use-Analyse.155
150 471 U.S. 539 (1985). In Harper & Row hatte der Supreme Court über die unautorisierte Wiedergabe von Auszügen aus den unveröffentlichten Memoiren des früheren US-Präsidenten Ford im Magazin The Nation zu entscheiden. Bevor das Time Magazine, das von Harper & Row eine Lizenz zum Vorabdruck erworben hatte, Auszüge veröffentlichen konnte, erschienen in The Nation einige der interessantesten Passagen der Biografie. Nachdem das Magazin ein unveröffentlichtes Werk, an dessen Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse bestand, zu kommerziellen Zwecken verwertet und dabei zentrale Inhalte vorweggenommen hatte (»essentially the heart of the book«), stufte das Gericht die Nutzung als unfair ein. 151 Im Streit stand eine Rap-Version des 1964 von Roy Orbison interpretierten Songs »Oh, Pretty Woman«. Die parodistische Nachahmung stellte aus Sicht des Gerichts eine privilegierungswürdige Ausdrucksform der Kommentierung oder Kritik dar, die traditionell als fair use angesehen werde und transformativ sei; 510 U.S. 569, 581 – 583 (1994). Der Rechtsstreit wurde zwar zur Nachholung von Feststellungen zum vierten Faktor an den zuständigen District Court zurückverwiesen; es wurde jedoch deutlich, dass der Supreme Court die Nutzung aufgrund ihres transformativen Charakters tendenziell für fair hielt. 152 Der Supreme Court bezog sich bei der Verwendung des Begriffs auf den einflussreichen Aufsatz von Leval, »Toward a Fair Use Standard«, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105. 153 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 579 (1994). 154 Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 591 (1994). 155 Förster, S. 47; Infinity Broadcast Corp. v. Kirkwood, 150 F.3d 104, 108 (2nd Cir. 1998): »Campbell instructs that transformativeness is the critical inquiry under this factor«. Vgl. auch die Auswertung der fair use-Rechtsprechung im Zeitraum 1978 – 2005 von Beebe, die den großen Einfluss der Transformativität auf das Ergebnis der Gesamtanalyse bestätigt; U. Pa. L. Rev. 156 (2007 – 2008), 549, 606.
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bb) Bestimmung der Transformativität (1) Transformative Nutzungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem bestehenden Werk eine neue, schöpferische Komponente hinzufügen.156 Das Erstwerk wird als »Rohmaterial« betrachtet, das zur Schaffung neuer Informationen, neuer ästhetischer Aspekte oder neuer Erkenntnisse und Einsichten verwendet und dadurch umgeformt wird.157 Auf diese Weise fügt eine transformative Nutzung dem vorbestehenden Werk im besten Fall einen »Mehrwert« hinzu, von dem die Gesellschaft im Sinne der Anreizfunktion des copyright, Wissenschaft und Künste zu fördern, profitiert.158 Als typische Beispiele für transformative Nutzungen nennt Leval die kritische Auseinandersetzung mit einem Werk und die Parodie. Im Gegensatz hierzu stehen Nutzungen, die ein Werk lediglich »in neuer Verpackung« bzw. mit der – bereits von Justice Story missbilligten – Zielsetzung wiedergeben, das Original funktionell zu ersetzen.159 Dementsprechend führen die Gerichte seit Campbell bei der Untersuchung des ersten Faktors regelmäßig die Unterscheidung zwischen transformative uses und (das Erstwerk verdrängenden) superseding uses als Prüfungsmaßstab an. Die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen, die bereits die Kommerzialität der Nutzung mit einbeziehen können, werden häufig bei der Prüfung des vierten Faktors wieder aufgegriffen.160 (2) Patry unterscheidet in Ansehung der Rechtsprechung im Wesentlichen drei Arten der »Transformation«: Sie kann zunächst mit einer inhaltlich-ästhetischen Veränderung des Erstwerkes einhergehen, durch die es einen neuen Charakter erhält. Das Erstwerk kann aber auch unverändert zu einem neuartigen, nützlichen Zweck eingesetzt werden. Eine dritte Variante besteht darin, dass die Wiedergabe in einem Kontext erfolgt, der – wie die von Leval erwähnte Kritik – dazu dient, neue Informationen bzw. Erkenntnisse über das Werk zu gewinnen.161 In welchem Ausmaß ein Werk verändert werden muss oder unter welchen Umständen ein neuer, für transformative use ausreichender Zweck oder Bedeutungszusammenhang vorliegt, lässt sich der Rechtsprechung nach Campbell 156 Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 579 (1994); Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1111. 157 Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1111. 158 Vgl. Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1111, 1116; Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 579 (1994). 159 Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1111, unter Hinweis auf Folsom v. Marsh, 9 F.Cas. 342, 344 f., 348 (C.C.D. Mass. 1841); Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 579 (1994): »The central purpose is to see, in Justice Story’s words, whether the new work merely ›supersede[s] the objects‹ of the original creation […] or instead adds something new, with a further purpose or different character, altering the first with new expression, meaning or message; it asks, in other words, whether and to what extent the new work is transformative«. 160 Vgl. z. B. Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1164 ff., 1168 (9th Cir. 2007). 161 Patry, Fair Use, § 3:9, S. 114 m. w. N.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
v. Acuff-Rose indes nicht allgemein entnehmen.162 Grundsätzlich ist eine Nutzung nicht schon deshalb transformativ, weil das Werk bei der Wiedergabe gewisse Veränderungen erfährt, z. B. in eine andere Größe oder Dimension163 oder in ein anderes technisches Medium164 übertragen wird oder – durch die Umstände der fotografischen Wiedergabe bedingt – einen abweichenden ästhetischen Eindruck165 vermittelt. Wichtiger als der Grad der Verfremdung ist, ob dem Werk – ggf. mit Hilfe der Verfremdung – neue, weiterführende Nutzungs- oder Bedeutungsaspekte abgewonnen werden können.166 Ein Beispiel hierfür ist die stark verkleinerte Wiedergabe von Werken in Internetsuchmaschinen (thumbnails), die aufgrund ihres praktischen Wertes für Internetnutzer als transformativ eingestuft wurde.167 Demgegenüber wird eine gänzlich unkommentierte Wiedergabe, die den gleichen Zweck wie das Original verfolgt, grundsätzlich nicht als transformativ anerkannt.168 (3) Als schwierig und zum Teil widersprüchlich erweist sich insoweit die Beurteilung von Sachverhalten, in denen ein Kunstwerk unverändert als Element eines neuen Werkes, z. B. eines illustrierten Buches169 oder eines Films170, wie-
162 Vgl. Förster, S. 46 f. m. w. N. 163 Dazu Patry, Fair Use, § 3:9, S. 121 f. m.w. N.; vgl. auch Rogers v. Koons, 960 F.2d 301 (2nd Cir. 1992); Gaylord v. United States, 595 F.3d 1364, 1372 ff. (Fed. Cir. 2010). 164 Infinity Broadcast Corp. v. Kirkwood, 150 F.3d 104, 108 (2nd Cir. 1998); UMG Recordings, Inc. v. MP3.com, Inc., 92 F.Supp.2d 349, 351 (S.D. N.Y. 2000); Los Angeles News Service v. Reuters Television International Ltd., 149 F.3d 987, 993 (9th Cir. 1998). 165 Vgl. Gaylord v. United States, 595 F.3d 1364, 1373 f. (Fed. Cir. 2010) zur Nutzung einer Skulptur (»The Column«) in Form einer stimmungsvollen Fotografie des eingeschneiten Werkes: »Capturing The Column on a cold morning after a snowstorm – rather than on a warm sunny day – does not transform its character, meaning, or message. Nature’s decision to snow cannot deprive [Plaintiff] of an otherwise valid right to exclude«. 166 Das Konzept der transformativen Nutzung ist daher nicht direkt mit der freien Benutzung i. S. v. § 24 UrhG vergleichbar, bei der die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes angesichts der Eigenart des neuen Werkes »verblassen« müssen; vgl. BGH GRUR 1994, 191, 193 – Asterix-Persiflagen m. w. N.; Schack, UrhR, Rn. 268 f. Näher zum Verhältnis zwischen transformative use und § 24 UrhG Förster, S. 47 f. 167 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 818 f. (9th Cir. 2003); Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1165 (9th Cir. 2007): »[W]e determined in Kelly that even making an exact copy of a work may be transformative as long as the copy serves a different function than the original work«. 168 Vgl. Patry, Fair Use, § 3:9, S. 121 f. m.w. N.; Viacom Intern. Inc. v. Fanzine Intern., Inc., 2000 U.S. Dist. Lexis 19960, *16 (S.D. N.Y. 2000) zur Wiedergabe von TV-Cartoon-Figuren in Fan-Heften für Kinder ohne begleitenden Text: »In light of the exact reproduction of the slides, the absence of accompanying text or commentary, and the failure to incorporate any images other than plaintiff ’s artwork into the portions of the publications reproducing plaintiff ’s characters, it is difficult to imagine a use more devoid of the ›transformative‹ nature that characterizes fair use«. 169 Vgl. Twin Peaks Productions, Inc. v. Publications International, Ltd., 996 F.2d 1366 (2nd Cir. 1993); Castle Rock Entertainment v. Carol Publishing Group, Inc., 150 F.3d 132, 142 f.
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dergegeben wird. Hier stellt sich die Frage, ob die bloße Einbettung in das andersartige Medium dem Original tatsächlich neuen Ausdruck bzw. neue Bedeutung verleiht oder aber das Original (auch) funktionell ersetzt. Denn gerade unveränderte Wiedergaben eines Werkes, d. h. Vervielfältigungen oder ggf. Bearbeitungen, können, wenn sie kommerzieller Natur sind, auch mit der (potentiellen) Verwertung des Erstwerkes konkurrieren. Transformative uses und superseding uses schließen einander, anders als die Rechtsprechung es in Anlehnung an Leval standardmäßig formuliert, also nicht kategorisch aus.171 Angesichts dieser Schwäche des transformative use-Konzepts befinden sich die Gerichte nicht selten in der Situation, bei der Prüfung ersten Faktors zwischen den Vorteilen einer für transformativ befundenen Nutzung und dem Umstand abwägen zu müssen, dass zugleich eine kommerzielle Zweitverwertung des Werkes betroffen ist.172 Fallgruppen transformativer Nutzungen hat die Rechtsprechung aufgrund des Einzelfallcharakters der fair use-Analyse bislang nicht gebildet.173 Die Problematik der Einordnung vollständiger Werknutzungen als transformativ oder superseding, die auch für die Beurteilung von Verwertungen durch den Kunsthandel und Museen eine Rolle spielt, wird in Abschnitt V anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung näher erläutert. b)
Kommerzialität der Nutzung
aa) Bedeutung des Kriteriums § 107 S. 2 wirft im Hinblick auf den Zweck und Charakter der Nutzung die Frage auf, »whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes«. Der Begriff der Kommerzialität und sein Stellenwert innerhalb der fair use-Analyse waren mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung des Supreme Court. Nachdem seine Ausführungen in Sony Corp. of Am. v. Universal City
170
171
172 173
(2nd Cir. 1994); Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 521 (7th Cir. 2002); Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 609 ff. (2nd Cir. 2006). Vgl. Sandoval v. New Line Cinema Corp., 973 F.Supp. 409, 413 (S.D. N.Y. 1997), mit anderer Begründung vom Second Circuit bestätigt (147 F.3d 215); Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 78 (2nd Cir. 1997) zur Nutzung von Kunstwerken bzw. Fotografien als Teil einer Filmausstattung. Relativierend auch Leval selbst, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1111 f. Zu diesem Abgrenzungsproblem Weinreb, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1137, 1143, der die Aussagekraft des transformative use-Kriteriums für begrenzt hält, und Kudon, Boston U. L. Rev. 80 (2000), 579, 592 f., 595 ff. Vgl. Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1164 – 1167 (9th Cir. 2007). S. jedoch die Fall-Analysen bei Patry, Fair Use, §§ 3:11 – 3:137. Angesichts der scheinbaren Beliebigkeit, mit der Nutzungen bisweilen als transformativ bezeichnet werden, beklagt Madison: »As a beacon of fair use, the transformative use standard has become all things to people«; Wm. & Mary L. Rev. 45 (2004), 1525, 1670.
336
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Studios, Inc. dahingehend aufgefasst wurden, dass jede kommerzielle Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials mutmaßlich unfair sei,174 stellte der Supreme Court zehn Jahre später in Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc. klar, dass die Kommerzialität lediglich ein Element bei der Untersuchung des Nutzungszweckes sei.175 Auch wenn der kommerzielle Charakter einer Verwertung tendenziell gegen die Feststellung von fair use spreche, sei selbst eine solche Tendenz, abhängig vom jeweiligen Nutzungskontext, mehr oder weniger stark ausgeprägt.176 Seither misst die Rechtsprechung der Frage der Kommerzialität kein entscheidendes Gewicht mehr bei, insbesondere, wenn die streitige Nutzung als transformativ eingeschätzt wird.177 bb) Bestimmung der Kommerzialität Nicht abschließend geklärt ist, wann eine Verwertungshandlung als »kommerziell« gilt bzw. ab welchem Grad ihre Kommerzialität dem fair use-Einwand abträglich ist.178 In Sony schien der Supreme Court »Kommerzialität« mit »Gewinnerzielungsabsicht« (profitmaking purpose) gleichzusetzen.179 In Harper & Row hielt das Gericht hingegen für maßgeblich, ob der Nutzer ein geschütztes Werk ausbeuten wolle, »ohne den dafür üblichen Preis zu zahlen«.180 Den Gedanken der »kommerziellen Ausbeutung« aufgreifend, entschied das Berufungsgericht für den Second Circuit, dass eine kommerzielle Nutzung jedenfalls dann gegen fair use spreche, wenn der Nutzer unmittelbar durch die Verwertung des geschützten Materials deutliche finanzielle Gewinne erziele.181 In diesem Sinne hat die Rechtsprechung bei der Wiedergabe visueller Werke in Zeitungen oder Büchern wiederholt darauf abgestellt, ob das Werk in besonderer Weise genutzt wird, um den Absatz der Publikation zu steigern (z. B. als Titelbild) oder ob die Abbildung eher beiläufig im Inneren des Druckwerkes erfolgt.182 Aller174 175 176 177 178 179 180
Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc., 464 U.S. 417, 451 (1984). Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 584 (1994). Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 585 (1994). Patry, Fair Use, § 3:4, S. 96 f. m. w. N. Förster, S. 50. Fisher, Harv. L.Rev. 101 (1988), 1659, 1673, unter Bezugnahme auf 464 U.S. 417, 449 (1984). Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 562 (1985): »The crux of the profit/nonprofit distinction is not whether the sole motive of the use is monetary gain, but if the user stands to profit from exploitation of the copyrighted material without paying the customary price«. 181 American Geophysical Union v. Texaco Inc., 60 F.3d 913, 922 (2nd Cir. 1994); Blanch v. Koons, 467 F.3d 244, 253 (2nd Cir. 2006): »[C]ourts will not sustain a claimed defense of fair use when the secondary use can fairly be characterized as a form of commercial exploitation, i. e., when the copier directly and exclusively acquires conspicuous financial rewards from its use of the copyrighted material. Conversely, courts are more willing to find a secondary use fair when it produces a value that benefits the broader public interest«. 182 Vgl. Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 210 f. (D. Mass. 1986); NfflÇez v.
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dings kann selbst eine nach diesen Maßstäben stark kommerzielle Nutzung bei der Gesamtbewertung des Faktors durch ihren ggf. transformativen Charakter ausgeglichen werden.183 Die seit Campbell vorherrschende, großzügige Haltung zur Kommerzialität illustriert die Feststellung des First Circuit, »[f]or a commercial use to weigh heavily against a finding of fair use, it must involve more than simply publication in a profit-making venture«.184 cc) Behandlung nichtkommerzieller Nutzungen Ebenso wenig wie die Kommerzialität einer Nutzung zwangsläufig zur Verneinung von fair use führt, wirkt sich ihre Nichtkommerzialität bzw. eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht stets positiv im Sinne eines fair use aus. Zwar ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Begriffe commercial nature und nonprofit educational purposes in § 107 (1), dass Nutzungen zu gemeinnützigen, edukativen Zwecken grundsätzlich als privilegierungswürdiger angesehen werden als kommerzielle Nutzungen.185 Der Kongress hob jedoch im Gesetzgebungsverfahren anlässlich der Forderung nach einer weitergehenden Freistellung von not-for-profit uses hervor, dass solche Nutzungen nicht automatisch als fair gelten.186 Statt das fair use-Privileg stärker zu Gunsten nichtkommerzieller Bildungszwecke auszugestalten, wurde der erste Faktor daher nur um den beispielhaften Hinweis auf »nonprofit educational purposes« ergänzt.187 Deren unverbindlichen Charakter unterstrich auch der Supreme Court in Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc.: Der bloße Umstand, dass eine Nutzung zu Bildungszwecken und ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolge, schließe die Feststellung einer Urheberrechtsverletzung ebenso wenig aus wie die kommerzielle Natur
183 184 185 186 187
Caribbean International News Corp., 235 F.3d 18, 22 (1st Cir. 2000); Calkins v. Playboy Enterprises International, Inc., 561 F.Supp.2d 1136, 1141 (E.D. Cal. 2008); Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 710 (N.D. Ill. 2004); Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 612 (2nd Cir. 2006). Vgl. NfflÇez v. Caribbean International News Corp.235 F.3d 18, 23 (1st Cir. 2000); Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1166 f. (9th Cir. 2007). NfflÇez v. Caribbean International News Corp., 235 F.3d 18 (1st Cir. 2000). Vgl. Twin Peaks Productions, Inc. v. Publications Intern., Ltd., 996 F.2d 1366, 1374 (2d Cir. 1993). Vgl. Patry, Fair Use, § 3:6, S. 105, unter Hinweis auf H.R. Rep. Nr. 2237, 89th Cong., 2d Sess. 66. Vgl. Patry, Fair Use, § 3:6, S. 105; H.R. Rep. Nr. 94-1476, 94th Cong., 2d Sess. 66 (1976), abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 4, S. 35. Der House Report geht im Zusammenhang mit dem Recht auf öffentliche Aufführung und Zurschaustellung näher auf die problematische Abgrenzung zwischen kommerziellen und nonprofit-Organisationen ein. Letztere würden oft in hohem Maße subventioniert und seien in der Lage, Lizenzgebühren zu entrichten. Zudem werde die öffentliche Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke durch nichtkommerzielle Organisationen in Zukunft vermutlich noch zunehmen. Die Einführung einer weiten not-for-profit-Schranke schade daher den Urhebern und ihrer Motivation, neue Werke zu schaffen; H.R. Rep. Nr. 94-1476, 94th Cong., 2d Sess. 62 f. (1976), abgedruckt bei Nimmer, a. a. O., S. 30.
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einer Nutzung den fair use-Einwand.188 Auch nonprofit-Nutzungen fallen damit nicht ohne Weiteres unter das fair use-Privileg. c) Weitere Charakteristika der Nutzung In die Bewertung des ersten Faktors können schließlich weitere Aspekte der Nutzung einfließen. Hierzu zählen zunächst die in der Präambel erwähnten, tendenziell als fair betrachteten Nutzungszwecke, die häufig schon bei der Prüfung der Transformativität erörtert werden.189 aa) Unterrichts-, Bildungs- und Forschungszwecke So zeigt die Aufzählung von »teaching«, »scholarship« und »research« in Zusammenschau mit dem soeben unter b)cc) erörterten Hinweis auf »nonprofit educational purposes«, dass Nutzungen zu Unterrichts- und Forschungszwecken tendenziell für fair use sprechen können.190 Dennoch unterzieht die Rechtsprechung insbesondere Verwertungshandlungen, die ebenso wie das Erstwerk beim Endnutzer Bildungs- bzw. Forschungszwecke erfüllen, einer genauen Prüfung. So wurde beispielsweise die systematische Vervielfältigung von Lehrbuchinhalten, die mit Gewinnerzielungsabsicht an Studenten verbreitet wurden, klar als unfair beurteilt.191 In dem bekannten Urteil American Geophysical Union v. Texaco Inc.192 stufte der Second Circuit ferner die – lediglich interne – Anfertigung und Archivierung von Werkkopien durch ein for-profit-Unternehmen als unfair ein. Die Nutzung von Artikeln aus Fachzeitschriften durch angestellte Wissenschaftler gewährte dem Unternehmen nach Auffassung des Gerichts einen mittelbaren ökonomischen Vorteil im Sinne eines »Produktionsfaktors«.193
188 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 584 (1994). Auch lässt der Status des Nutzers keine Rückschlüsse auf den Charakter der Verwertungshandlung zu. So kann die Werknutzung einer auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gesellschaft durchaus nichtkommerziell sein, während eine nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Organisation kommerziell handeln kann; Patry, Fair Use, § 3:7, S. 106 f. Vgl. dazu auch oben S. 205 f. 189 Förster, S. 52; vgl. Mattel, Inc. v. Walking Mountains Productions, 353 F.3d 792, 803 (9th Cir. 2003). 190 Förster, S. 51. 191 Basic Books, Inc. v. Kinko’s Graphics Corp., 758 F.Supp. 1522 (S.D. N.Y. 1991). 192 60 F.3d 913, 921 – 925, 931 f. (2nd Cir. 1994). Vgl. auch Marcus v. Rowley, 695 F.2d 1171 (9th Cir. 1983), in dem umfangreiche Entlehnungen vom Erstwerk als unfair angesehen wurden, obwohl eine nichtkommerzielle Nutzung zu Unterrichtszwecken vorlag und kein negativer Effekt auf den Markt für das Erstwerk festgestellt werden konnte. 193 American Geophysical Union v. Texaco Inc., 60 F.3d 913, 922 (2nd Cir. 1994). Zur Rechtsunsicherheit bei der Einstufung von Nutzungen zu edukativen Zwecken als fair use Carroll, N.C. L. Rev. 85 (2006 – 2007), 1087, 1114 – 1117 m.w. N.
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
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bb) Nachrichtenberichterstattung, Kommentierung und Kritik Nutzungen zu den gesetzlich erwähnten Zwecken der Nachrichtenberichterstattung, Kommentierung und Kritik können ebenfalls für fair use sprechen. Den Zweck der Kritik eines Werkes führt Leval als Paradebeispiel für transformative use an. Keine Rolle spielen dabei die inhaltliche Qualität des Kommentars oder der Kritik oder die künstlerische Bedeutung des kommentierten Werkes.194 Daher werden mitunter selbst vergleichsweise oberflächliche Anmerkungen noch als Kommentar oder Kritik anerkannt und positiv gewürdigt.195 cc) Sonstige Kriterien Neben den in der Präambel genannten Tätigkeiten ziehen die Gerichte nicht selten das Verhalten des Nutzers bei der Verwertung des Werkes heran.196 Dabei kann beispielsweise Berücksichtigung finden, ob der Nutzer die Herkunft des Werkes offengelegt oder verschleiert hat,197 rechtmäßig erworbene Werkstücke als Vorlage benutzt hat,198 gut- oder bösgläubig war199 oder das Interesse des Urhebers an der Nichtveröffentlichung des Werkes200 verletzt hat.201 Wenngleich die Einbeziehung moralischer Kriterien in der Literatur als systemfremd kritisiert wird,202 vermögen derartige Aspekte die Gesamtabwägung durchaus nachhaltig zu beeinflussen.203 Ein weiterer Aspekt, der bisweilen (im Rahmen des ersten oder zweiten Faktors oder als separater Prüfungspunkt) zur Begründung von fair use angeführt wird, ist das öffentliche Interesse an einem Werk oder an seinem (visuell dargestellten oder beschriebenen) Gegenstand.204 194 Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 209 f. (D. Mass. 1986); Twin Peaks Productions, Inc. v. Publications International, Ltd., 996 F.2d 1366, 1374 (2nd Cir. 1993). 195 Diese Aspekte können indes bei der Gesamtbewertung des ersten Faktors durch negative Nutzungsumstände »neutralisiert« werden (s. Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 210 (D. Mass. 1986)) oder hinter diesen zurücktreten (s. Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 710 f. (N.D. Ill. 2004)). 196 Solche »Begleitumstände« werden in der Regel bei der Analyse des ersten Faktors diskutiert oder, seltener, als eigenständiger fair use-Faktor behandelt; Förster, S. 52. 197 Vgl. Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986). 198 Vgl. wiederum Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986); NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 23 (1st Cir. 2000). 199 Vgl. z. B. Marcus v. Rowley, 695 F.2d 1171, 1175 (9th Cir. 1983). 200 Vgl. Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 564 (1985). 201 Näher zu den in der Rechtsprechung erörterten Faktoren Patry, Fair Use, § 7:1, S. 473 ff.; Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [A][1][d], S. 180.1 – 185, jeweils m. w. N. 202 Vgl. Leval, Harv. L.Rev. 103 (1990), 1105, 1126 ff. 203 Vgl. Patry, Fair Use, § 7:1, S. 475: »These factors can be given whatever weight the court wishes«. 204 Vgl. Time Inc. v. Bernard Geis Associates, 293 F.Supp. 130, 146 (S.D. N.Y. 1968); Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 723 F.2d 195, 208 (2nd Cir. 1983), aufgehoben durch 471 U.S. 539 (1985); Consumers Union of the United States, Inc. v. General Signal Corp. 724 F.2d 1044, 1050 (2nd Cir. 1983); Wojnarowicz v. American Family Association, 745 F.Supp. 130, 146 (S.D. N.Y. 1990).
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In Harper & Row missbilligte der Supreme Court die Berücksichtigung solcher Umstände jedoch ausdrücklich, weil dies zu einem schwächeren Schutz für besonders bedeutende Werke führe.205 Seit dieser Entscheidung wird das öffentliche Interesse an einem Werk nicht mehr (ausdrücklich) zur Begründung von fair use herangezogen. 2.
»Nature of the copyrighted work«
Der zweite fair use-Faktor hält die Gerichte zu einer Betrachtung der »Natur« des entlehnten Werkes an. Traditionell richtet sich das Augenmerk der Prüfung darauf, ob der Charakter des Werkes eher »kreativ« oder »faktisch« ist. Daneben kann Bedeutung erlangen, ob es sich um ein noch unveröffentlichtes Werk handelt.206 a) Differenzierung zwischen kreativen und faktischen Werken Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nutzung als fair eingestuft wird, ist bei faktischen, d. h. überwiegend auf Tatsachen basierenden Werken (factual oder informational works) höher als bei kreativen bzw. fiktionalen Werken (non-factual, creative oder entertainment works).207 Die Relevanz dieser Unterscheidung ist auf die im US-amerikanischen Urheberrecht traditionell betonte idea/expression-Dichotomie208 zurückzuführen: Um die freie Verbreitung von Erkenntnissen und Informationen im Interesse des wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritts nicht einzuschränken, schützt das Urheberrecht allein die Ausdrucksform, nicht aber die dem Werk zugrunde liegenden Ideen oder Tatsachen (vgl. § 102(b)). Dieser Gedanke setzt sich bei der fair use-Prüfung fort, so dass es sich tendenziell positiv auswirkt, wenn das benutzte Werk schwerpunktmäßig faktische Elemente enthält, während ein überwiegend kreatives Werk tendenziell höheren Schutz erfährt.209 Die künstlerische Qualität 205 »It is fundamentally at odds with the scheme of copyright to accord lesser rights in those works that are of greatest importance to the public. Such a notion ignores the major premise of copyright and injures author and public alike«; Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 555 ff., 559 (1985). 206 Des Weiteren kann eine Rolle spielen, ob ein Werk vergriffen ist. Vgl. dazu den Senate Report on the Copyright Act of 1976, wonach dieser Umstand eine Vervielfältigung eher rechtfertigen könne (abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 4 A, S. 114), wohingegen die Rechtsprechung Nutzungen vergriffener Werke in einigen Entscheidungen kritisch bewertete; dazu Patry, Fair Use, § 4:3, S. 426 ff.; Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [A][2][b][i], S. 189 – 191. 207 Vgl. New Era Publications Int’l ApS v. Carol Publishing Group, 904 F.2d 152, 157 (2d Cir. 1990): »[T]he scope of fair use is greater with respect to factual than non-factual works«. 208 Vgl. Baker v. Selden, 101 U.S. 99, 103 (1879). 209 Förster, S. 54 m. w. N.
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des Werkes hat dabei außer Betracht zu bleiben.210 Lässt sich nicht feststellen, ob die Natur des Werkes überwiegend faktisch oder kreativ ist, negieren sich beide Komponenten mit der Folge, dass der zweite Faktor weder für noch gegen fair use streitet.211 b) Unveröffentlichte Werke Bei der Untersuchung des zweiten Faktors ist ferner von Bedeutung, ob das genutzte Werk noch unveröffentlicht ist. Zwar sah man bei der Kodifikation der fair use-Doktrin im C.A. 1976 von einer Differenzierung zwischen veröffentlichten und unveröffentlichten Werken ab.212 Der Senate Report betonte jedoch, dass dem Erstveröffentlichungsrecht des Urhebers großes Gewicht beizumessen sei und eine Anwendung der Doktrin auf unveröffentlichte Werke nur in engen Grenzen in Betracht komme.213 Nachdem sich der Supreme Court dieser Wertung 1985 in Harper & Row angeschlossen hatte,214 ergingen in der Folge einige Entscheidungen des Second Circuit, die die bisherige Nichtveröffentlichung eines Werkes tendenziell als Ausschlusskriterium für fair use behandelten.215 Angesichts der daran geübten Kritik von Historikern, Autoren und Buchverlagen, die in der neuen Urteilspraxis ein Hindernis für die historische Forschung und die Herausgabe nichtautorisierter Biografien sahen, ergänzte der Gesetzgeber § 107 im Jahr 1992 um einen dritten Satz.216 Danach genügt die Tatsache, dass ein Werk unveröffentlicht ist, für sich genommen nicht, um den fair useEinwand auszuschließen; maßgeblich ist vielmehr die Einzelfallprüfung aller vier Faktoren.217 Der Veröffentlichungsstatus eines Werkes bleibt damit ein relevanter Gesichtspunkt. Die bisherige Nichtveröffentlichung spricht weiterhin 210 Vgl. Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 209 f. (D. Mass. 1986). 211 Förster, S. 54; vgl. auch Marcus v. Rowley, 695 F.2d 1171, 1176 (9th Cir. 1983). 212 Die Bedeutung des Veröffentlichungsstatus’ geht auf den vor Inkrafttreten des C.A. 1976 geltenden Dualismus von einzelstaatlichem common law-Urheberrecht und dem vom C.A. 1909 gewährten statutory copyright zurück. Eine faire Nutzung kam nach damaligem Verständnis nur für veröffentlichte Werke in Betracht, die dem statutory copyright unterlagen, während dem common-law copyright, das eine unautorisierte Nutzung noch unveröffentlichter Werke streng untersagte, das Konzept des fair use fremd war. Im Zuge der Urheberrechtssreform des Jahres 1976 (vgl. oben S. 315) stellte sich daher die Frage, ob das fair use-Privileg fortan auch für unveröffentlichte Werke gelten sollte; vgl. Förster, S. 56 m. w. N. 213 Senate Report zum C.A. 1976, S. 64, abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 4 A, S. 114; Förster, S. 56 f. 214 Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 553 ff., 563 f. (1985). 215 Vgl. Salinger v. Random House, 811 F.2d 90, 95 ff. (2nd Cir. 1987); New Era Publications International v. Henry Holt & Co., 873 F.2d 576, 583 (2nd Cir. 1989). 216 Näher dazu Nimmer, § 13.05 [A][2][b][iii], S. 195 – 197; Förster, S. 58 f., jeweils m. w. N.; LeFevre, Law & Contemp. Probs. 55 (1992), 153, 170 f. 217 § 107 S. 3: »The fact that a work is unpublished shall not itself bar a finding of fair use if such finding is made upon consideration of all the above factors«.
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tendenziell gegen fair use; sie darf jedoch nicht per se zu Lasten des Nutzers gewertet werden.218 3.
»Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole«
a) Quantitativer und qualitativer Maßstab aa) Als dritten Faktor haben die Gerichte »the amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole« zu berücksichtigen. Zu prüfen sind danach sowohl das quantitative Ausmaß der Nutzung (»amount«) als auch die Qualität (»substantiality«) des entlehnten Materials im Verhältnis zum Gesamtwerk. Die Analyse des Faktors erschöpft sich jedoch nicht in der isolierten Bestimmung der Quantität und Qualität des Entlehnten. Vielmehr wird das festgestellte Ausmaß der Nutzung in Relation insbesondere zum ersten Faktor, dem Zweck und der Art der Nutzung, sowie zum vierten Faktor, den Auswirkungen auf den Markt für das Erstwerk, gesetzt und bewertet.219 Die Herstellung entsprechender Bezüge beruht zum einen auf der Annahme, dass Nutzungen, die quantitativ oder qualitativ wesentliche Teile eines Werkes unverändert übernehmen, eher geeignet sind, das Original zu ersetzen und damit dem (potentiellen) Markt für das Erstwerk zu schaden.220 Zum anderen ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nutzung den gewünschten transformativen Charakter hat, bei weitgehender Übernahme vom Original tendenziell geringer.221 Mit zunehmendem Umfang der Entlehnung oder zunehmender Bedeutung222 des entlehnten Materials sinkt daher grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nutzung als fair angesehen wird.223 bb) Ob der dritte Faktor im konkreten Fall für oder gegen fair use streitet, hängt nach der Rechtsprechung des Supreme Court maßgeblich davon ab, ob der festgestellte Nutzungsumfang mit Blick auf den Zweck der Nutzung gerechtfertigt erscheint.224 In diesem Sinne nehmen die Gerichte bei der Analyse des
218 Förster, S. 59 m. w. N. Die Gerichte würdigen allerdings nicht nur, ob ein Werk unveröffentlicht, d. h. ggf. besonders schutzwürdig ist. Mitunter wird umgekehrt die Veröffentlichung oder ein nicht ersichtliches Interesse an seiner Geheimhaltung hervorgehoben und positiv in die Abwägung mit einbezogen; vgl. Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 820 (9th Cir. 2003); NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 24 (1st Cir. 2000). 219 Vgl. Patry, Fair Use, § 5:1, S. 433. 220 Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 587 f., 591 (1994). 221 Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 587 (1994); Leval, 103 Harv. L. Rev. 1105, 1123 (1990). Zur Bedeutung der Transformativität s. oben S. 331 f. 222 Vgl. Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 564 – 566 (1985). 223 Leval, Harv. L.Rev. 103 (1990), 1105, 1122. 224 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 586 (1994): »The third factor asks whether
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dritten Faktors üblicherweise eine an den ersten Faktor angelehnte Erforderlichkeits- bzw. Angemessenheitsprüfung vor. Der Nutzer darf nur so viel vom Original entlehnen, wie für die vorgesehene Nutzung notwendig erscheint.225 Eine wichtige Rolle spielt daher, welcher Nutzungszweck im Rahmen des ersten Faktors als maßgeblich identifiziert wird und ob dieser Zweck als transformativ und damit als privilegierungswürdig einzustufen ist. Fallen bereits die Betrachtungen zur Transformativität positiv aus, bewerten die Gerichte selbst eine weitgehende Wiedergabe des Werkes, die dem Nutzungszweck dient, eher als unschädlich.226 Relativ großzügig verfährt die Rechtsprechung in der Regel bei Wiedergaben zum Zwecke der Parodie227, der Kritik und Kommentierung228 sowie zum Zweck der Nachrichtenberichterstattung bzw. Information229. b) Vollständige und teilweise Wiedergabe von visuellen Werken aa) Wie in der französischen Rechtsprechung230 werden Nutzungen, bei denen ein Werk in seiner Gesamtheit kopiert bzw. zitiert wird, in den USA traditionell kritisch gewürdigt. So vertraten verschiedene US-Gerichte in der Vergangenheit die Auffassung, die fair use-Doktrin sei auf entsprechende Fälle von vornherein nicht anwendbar.231 Eine flexiblere Sichtweise äußerte 1973 erstmals der Court of Claims. In Williams & Wilkins v. United States betonte das Gericht, es gebe keine starre Regel, die ein vollständig kopiertes Werk vom Anwendungsbereich des
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›the amount and the substantiability of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole,‹ § 107(3) […] are reasonable in relation to the purpose of the copying«. Vgl. Rogers v. Koons, 960 F.2d 301, 311 (2nd Cir. 1992) unter Verweis auf Salinger v. Random House, Inc., 811 F.2d 90, 98 (2nd Cir. 1987): »It is not fair use when more of the original is copied than necessary«; Chicago Board of Education v. Substance, Inc., 354 F.3d 624, 629 (7th Cir. 2003): »[T]he general standard […] is clear enough: the fair use copier must copy no more than is reasonably necessary […] to enable him to pursue an aim that the law recognizes as proper, in this case the aim of critizing the copyrighted work effectively«; Kelly v. Arriba Soft Corporation, 336 F.3d 811, 820 f. (9th Cir. 2003): »If the secondary user only copies as much as is necessary for his or her intended use, then this factor will not weigh against him or her«. Vgl. Mattel, Inc. v. Walking Mountains Productions, 353 F.3d 792, 803 f. (9th Cir. 2003). Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 578 ff. (1994). Vgl. Belmore v. City Pages, Inc., 880 F.Supp. 673, 679 f. (D. Minn. 1995); Mattel, Inc. v. Walking Mountain Productions, 353 F.3d 792, 803 ff. (9th Cir. 2003); s. jedoch Twin Peaks Productions, Inc. v. Publications International, Ltd., 996 F.2d 1366, 1376 f. (2nd Cir. 1993), und Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., F.Supp.2d 705 (N.D. Ill. 2004) als Beispiele für zu weitgehende, nicht-transformative Entlehnungen. NfflÇez v. Caribbean International News Corp., 235 F.3d 18, 24 (1st Cir. 2000); Calkins v. Playboy Enterprises International, Inc., 561 F.Supp.2d 1136, 1142 f. (E.D. Cal. 2008). Vgl oben S. 255 ff. Patry, Fair Use, § 5:3, S. 437; Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [D][1], S. 230.12 ff., jeweils m. w. N.; vgl. Marcus v. Rowley, 695 F.2d 1171, 117 (9th Cir. 1983): »[T]his court has long maintained the view that wholesale copying of copyrighted material precludes application of the fair use doctrine«.
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fair use ausschließe.232 In Sony hielt schließlich sogar der Supreme Court die vollständige Nutzung von Werken ausnahmsweise für fair.233 Seitdem entspricht es der herrschenden Meinung, dass die Übernahme des kompletten Werkes zwar grundsätzlich gegen fair use spricht, im Einzelfall jedoch unter besonderen Umständen zulässig sein kann.234 bb) Solche speziellen Umstände können Patry zufolge vor allem bei der Nutzung visueller Werke vorliegen und deren vollständige Wiedergabe erfordern.235 Anders als es das soeben dargelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis vermuten lässt, findet sich daher eine ganze Reihe von Entscheidungen, die die vollständige Nutzung eines visuellen Werkes im Ergebnis gestatten.236 Die Rechtsprechung rechtfertigte die Entlehnung im Einzelfall damit, sie sei erforderlich, um den jeweiligen Zweck der Information237, der Kommentierung oder Kritik238 sinnvoll zu erfüllen. Sie betonte in diesem Zusammenhang u. a. die – in der Regel – reduzierte Größe der Wiedergabe im Verhältnis zum Format des Originalwerks. Daneben wurde die Qualität der Wiedergabe betrachtet und z. B. erörtert, ob ein farbiges Werk lediglich in schwarzweiß abgebildet wurde. Der Umstand, dass das Werk durch bestimmte Veränderungen einen Teil der ursprünglichen Bildqualität und seines künstlerischen Ausdruckes einbüßt, 232 Williams & Wilkins v. United States, 478 F.2d 1345, 1353 (Ct. Cl. 1973). 233 Sony Corp. of America v. Universal City Studios, Inc., 464 U.S. 417, 449 f. (1984): »[T]he fact that the entire work is reproduced […] does not have its ordinary effect of militating against a finding of fair use«. 234 American Geophysical Union v. Texaco Inc., 60 F.3d 913, 926 (2nd Cir. 1994): »[W]e conclude […] that Texaco has copied entire works. Though this conclusion does not preclude a finding of fair use, it militates against such a finding«; Belmore v. City Pages, Inc., 880 F.Supp. 673, 679 (D. Minn. 1995): »[A]lthough wholesale copying militates against a finding of fair use, this factor does not have significant weight when applied to the unique facts presented in this case«; Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 521 (7th Cir. 2002): »[T]he cases are clear that a complete copy is not per se an unfair use«; Chicago Board of Education v. Substance, Inc., 354 F.3d 624, 629 (7th Cir. 2003): »[T]here is no per se rule against copying in the name of fair use an entire copyrighted work if necessary«; Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [D][1], S. 230.13. 235 Patry, Fair Use, § 5:3, S. 440, unter Bezugnahme auf Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512 (7th Cir. 2002); vgl. dazu unten S. 362 ff. 236 Unabhängig von der genutzten Werkart hielten die Gerichte in den Jahren 1978 – 2005 immerhin in 27,3 % aller Fälle, in denen ein Werk vollständig wiedergegeben worden war, die Verwertung insgesamt für fair; Beebe, U. Pa. L. Rev. 156 (2007 – 2008), 549, 616. 237 Vgl. NfflÇez v. Caribbean International News Corp., 235 F.3d 18, 24 (1st Cir. 2000); Calkins v. Playboy Enterprises International, Inc., 561 F.Supp.2d 1136, 1142 f. (E.D. Cal. 2008); Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 821 (9th Cir. 2003); Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 613 (2nd Cir. 2006). 238 Vgl. Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 212 (D. Mass. 1986); Baraban v. Time Warner, Inc., 2000 U.S. Dist. LEXIS 4447, *12, 13 (S.D. N.Y. 2000); Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 521 f. (7th Cir. 2002); vgl. jedoch die Kritik am Nutzungsumfang in Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705 (N.D. Ill. 2004).
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konnte dabei im Einzelfall positiv bewertet werden, weil es zeigte, dass die Wiedergabe dem Zweck der Nutzung angepasst bzw. untergeordnet wurde.239 Zugleich kann eine geringere Wiedergabequalität bewirken, dass die Nutzung (zumindest) für das hochwertigere Original keine direkte Konkurrenz darstellt.240 Eine – tendenziell unfaire – vollständige Entlehnung kann somit im Einzelfall durch den Nutzungszweck und eine ggf. reduzierte Wiedergabequalität gerechtfertigt sein. So heißt es beispielsweise in Haberman v. Hustler Magazine, Inc.241 zur vollständigen Wiedergabe künstlerischer Fotografien im Hustler Magazine: »Hustler reproduced Haberman’s photographs substantially in full, although ›Cracking Eggs‹ was slightly cropped. The copies were reduced in size. In the particular circumstances of the case, however, this does not itself tend to weigh against a finding of fair use. The works in question are graphic and unusual. For the purpose of criticism and commentary, they could not be adequately described by words. […] [I]t has long been recognized that a commentator may fairly reproduce as much of the original, copyrighted work as is necessary to his proper purpose. Folsom, 9 F.Cas. 344 – 45. Thus, to the extent that Hustler’s purpose was to comment on Haberman’s works, full reproduction of them was appropriate«.242 Aufgrund ihrer starken Verkleinerung und der geringeren Qualität konkurrierte die Wiedergabe nach Auffassung des Gerichts auch nicht mit den Originalfotografien.243 cc) Nach alledem kommt dem dritten Faktor auch bei der Nutzung visueller Werke keine gesteigerte Bedeutung zu. Die Beurteilung des Nutzungsumfangs hängt auch hier in starkem Maße von der Bewertung des Nutzungszwecks ab. Der District Court von Massachussetts vertrat sogar die Auffassung, der dritte Faktor habe bei der Benutzung eines visuellen Werkes in Gestalt einer Fotografie geringeren Einfluss auf das Ergebnis der fair use-Analyse: »This factor weighs less when considering a photograph – where all or most of the work must be used to preserve any meaning at all – than a work such as a text or musical composition, where bits and pieces can be excerpted without losing all value«.244 Diese 239 Vgl. Baraban v. Time Warner, Inc., 2000 U.S. Dist. LEXIS 4447, *12, 13 (S.D. N.Y. 2000): »The photograph at issue here was reproduced […] with some modification. It has been shrunk to less than one quarter of its original size and is in black and white whereas the original was in color. The reproduction in the book is just large enough to give the reader a sense of the wholesome, sunny image of [plaintiff] and her companion. The photo is essential to [defendant’s] commentary […] and the book does not reproduce the image in the same fullcolor large-size glory as the orginal. The defendants have not used any more of the photo than was necessary to comment on it«. 240 Vgl. wiederum Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 821 (9th Cir. 2003). 241 626 F.Supp. 201 (D. Mass. 1986). 242 Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 212 (D. Mass. 1986). 243 Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986). 244 Fitzgerald v. CBS Broadcasting, Inc., 491 F.Supp.2d 177, 188 (D. Mass. 2007).
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Feststellung übersieht freilich, dass, anders als bei Werken der Literatur oder Musik, gerade die ggf. erforderliche Entlehnung der vollständigen Bildaussage die Gefahr begründet, dass Zweitverwertungen des Urhebers unmittelbar »ersetzt« werden. Die Alternative, eine teilweise Wiedergabe, verletzt jedoch bei visuellen Werken wiederum das Recht des Urhebers auf Werkintegrität245, wenngleich die fair use-Schranke, wie der Verweis auf § 106A in der Präambel zeigt, auch derartige Eingriffe rechtfertigen kann.246 Soweit ersichtlich, lässt die Rechtsprechung diese bei der Nutzung visueller Werke bestehende Problematik indes unberücksichtigt. Den Aspekt der Werkverfälschung siedeln die Gerichte, wenn überhaupt, bei der Prüfung des ersten fair use-Faktors an, insbesondere beim Verhalten des Nutzers,247 während bei der Prüfung des dritten Faktors allein das faktische Ausmaß der Nutzung betrachtet wird. So hielt der District Court for the Southern District of New York den Vorwurf eines Klägers, eine auszugsweise Wiedergabe entstelle seine Fotografien und sei unter qualitativen Gesichtspunkten (zu) weitgehend, im Kontext des dritten Faktors für unbeachtlich.248
4.
»Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work«
Der letzte fair use-Faktor hält die Gerichte dazu an, die Auswirkungen der Nutzung auf den »potentiellen Markt« für das geschützte Werk oder auf dessen Wert zu prüfen. Die Untersuchung des »market effect« ist ein wichtiges Element der fair use-Analyse, das unmittelbaren Bezug zur ökonomisch-utilitaristischen Rechtfertigung des US-amerikanischen copyright aufweist: Nutzungen, die die Verwertung des Originals beeinträchtigen, schwächen die Motivation zur Schaffung neuer Werke, die mit der Gewährung des Urheberrechtsschutzes gefördert werden soll. Die Gerichte haben daher abzuwägen, ob die Vorteile, die der Allgemeinheit aus der streitigen Nutzung entstehen, die nachteiligen Auswirkungen auf den Marktwert des Originals überwiegen.249 Der Supreme Court 245 Vgl. § 106A(a)(3); zu den von § 106A gewährten moral rights s. oben S. 321 f. 246 S. oben S. 327 Fn. 110. 247 Vgl. Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 820 (9th Cir. 2003) zum »minimalen Verlust« an Werkintegrität durch thumbnail-Wiedergaben von Lichtbildwerken in Internetsuchmaschinen; Wojnarowicz v. American Family Association, 745 F.Supp. 130, 145 (S.D. N.Y. 1990): »[G]ood faith and misrepresentation may be considered by a court in its analysis of the first factor – the purpose of the copying«. 248 Wojnarowicz v. American Family Association, 745 F.Supp. 130, 145 (S.D. N.Y. 1990): »Where a plaintiff effectively concedes that it would have been fair use to have copied one of his works in its entirety, he can scarcely base a claim of infringement on the copying of fragments«. 249 Vgl. MCA, Inc. v. Wilson, 677 F.2d 180, 183 (2nd Cir. 1981).
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bezeichnete den Faktor in Harper & Row als »undoubtedly the single most important element of fair use«250, und in der Tat scheint das Ergebnis vieler fair use-Entscheidungen von den Feststellungen zum »market effect« geprägt. In Campbell unterstrich der Supreme Court allerdings, dass »alle vier Faktoren zu untersuchen« und »im Lichte der Zielsetzung des copyright miteinander abzuwägen« seien.251 Der Second Circuit und Teile der Literatur252 fassen diese Ausführungen als Abkehr von der starken Gewichtung des vierten Faktors auf.253 Verschiedene andere Gerichte zitieren demgegenüber weiter Harper & Row254, so dass sich die Rechtsprechung auch insoweit als uneinheitlich erweist. a) Aktuelle Marktschäden Der Rechtsinhaber kann zunächst geltend machen, dass die streitgegenständliche Nutzung bereits die aktuelle Verwertung des Werkes255 negativ beeinflusst.256 Insoweit genügt es, dem Gericht die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Schadens prima facie darzutun; vollen Beweis für einen eingetretenen (oder potentiell drohenden) Marktschaden muss der Rechtsinhaber nicht erbringen.257 Vielmehr obliegt es dem mutmaßlichen Verletzer, den die Beweislast 250 471 U.S. 539, 566 (1985), unter Bezugnahme auf Nimmer, § 13:05 [A][4], S. 76 (1984). Die Bedeutung des vierten Faktors bekräftigte der Supreme Court erneut in Stewart v. Abend, 495 U.S. 207, 238 (1990). 251 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 578 (1994); vgl. auch S. 590: »This factor, no less than the other three, may be addressed only through a ›sensitive balancing of interests‹. […] Market harm is a matter of degree, and the importance of this factor will vary, not only with the amount of harm, but also with the relative strength of the showing on the other factors«. 252 Vgl. American Geophysical Union v. Texaco Inc., 60 F.3d 913, 926 (2nd Cir. 1994); Castle Rock Entertainment v. Carol Publishing Group, Inc., 150 F.3d 132, 145 (2nd Cir. 1994); Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 77 Fn. 8 (2nd Cir. 1997); Patry, Fair Use, § 6:5, S. 450 ff., 455; vgl. auch Leval, U.C.L.A. L. Rev. 44 (1996 – 1997), 1449, 1459 f., 1464 ff. 253 Vgl. auch Gaylord v. United States, 595 F.3d 1364, 1375 f. (Fed. Cir. 2010). Obwohl der vierte Faktor nach Ansicht des Gerichts für fair use sprach, bewertete es die nicht-transformative Werknutzung im Ergebnis als unfair : »Weighing the factors, we conclude that the government’s use of [the work] in the stamp was not a fair use. Even though the stamp did not harm the market for derivative works, allowing the government to commercially exploit a creative and expressive work will not advance the purpose of copyright in this case«. 254 Vgl. Sundeman v. Seajay Society, Inc., 142 F.3d 194, 206 (4th Cir. 1998); Elvis Presley Enterprises, Inc. v. Passport Video, 349 F.2d. 622, 630 (9th Cir. 2003); Fitzgerald v. CBS Broadcasting, Inc., 491 F.Supp.2d 177, 189 (D. Mass. 2007); s. auch Patry, Fair Use, § 6:5, S. 456 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 255 Gegenstand der Betrachtung sind ausschließlich die urheberrechtlich geschützten Werkteile; die wirtschaftlichen Folgen der Nutzung für nicht geschütztes (Tatsachen-)Material bleiben unberücksichtigt; Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [A][4], S. 198.2; Förster, S. 65 f., jeweils m. w. N. 256 Vgl. Patry, Fair Use, § 6:7, S. 460 m. w. N. 257 Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 567 (1985): »[O]nce a
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dafür trifft, dass die Voraussetzungen der fair use-Einrede insgesamt erfüllt sind,258 die tatsächliche Abwesenheit eines Schadens unter Beweis zu stellen.259 aa) Beschränkung auf Schäden durch »market substitution« Anerkennungsfähig sind stets nur Schäden, die durch »market substitution«, d. h. durch eine mit dem Original oder Bearbeitungen konkurrierende Nutzung entstehen (können).260 Der Eintritt eines Schadens liegt etwa auf der Hand, wenn Erst- und Zweitwerk auf einem etablierten Markt miteinander konkurrieren, so dass das Zweitwerk die Nachfrage für das Original oder für dessen Bearbeitungen261 unmittelbar erfüllt.262 Ein messbarer Schaden kann jedoch auch vorliegen, ohne dass Erst- und Zweitwerk (bereits) im direkten Wettbewerb miteinander stehen.263 So ließ die unautorisierte Veröffentlichung wesentlicher Teile der Ford-Biografie im Fall Harper & Row264 den vom Rechtsinhaber lizenzierten Vorabdruck hinfällig werden und die Lizenznehmerin die Zahlung der noch ausstehenden Lizenzgebühren verweigern.265 Die Nutzung hinderte den
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copyright holder establishes with reasonable probability the existence of a causal connection between the infringement and the loss of revenue, the burden properly shifts to the infringer to show that this damage would have occured had there been to taking of copyright expressioned«; vgl. auch Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc., 464 U.S. 417, 451 (1984): »Actual present harm need not be shown […]. Nor is it necessary to show with certainty that future harm will result. What is necessary is a showing by a preponderance of the evidence that some meaningful likelihood of future harm exists«. Die dem Nutzer obliegende Beweislast unterstrich der Supreme Court in Campbell v. AcuffRose Music, Inc., 510 U.S. 569, 590 (1994): »Since fair use is an affirmative defense, its proponent would have difficulty carrying the burden of demonstrating fair use without favorable evidence about relevant markets«. Die Rechtsprechung differenziert allerdings nicht immer ausdrücklich zwischen der Beweislast des Nutzers und des Rechtsinhabers. Allein aus der Beweislastverteilung können sich somit hohe Hürden für die Geltendmachung von fair use ergeben; vgl. Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [A][4], S. 198.7 ff. m.w. N. Allerdings erlauben mitunter schon die unstreitigen Tatsachen oder Einlassungen des Klägers Rückschlüsse auf die Unschädlichkeit einer Nutzung und machen einen Beweisantritt des Nutzers entbehrlich; vgl. Leibovitz v. Paramount Pictures Corp., 137 F.3d 109, 116 f. (2nd Cir. 1998); Blanch v. Koons, 567 F.3d 244, 258 (2nd Cir. 2006); Religious Technology Ctr. v. F.A.C.T.NET, Inc., 901 F.Supp. 1519, 1525 (D. Colo. 1995). Keine Berücksichtigung finden Schäden, die daraus resultieren, dass die streitgegenständliche Nutzung das Werk in ein unvorteilhaftes Licht rückt, etwa durch eine ungünstige Kritik; Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 591 – 593 (1994); Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [A][4], S. 198.2; Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1125. Vgl. Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 568 (1985): »This inquiry must take account not only of harm to the original but also of harm to the market for derivative works«; Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 590 (1994). Förster, S. 66 m. w. N. Förster, S. 66. 471 U.S. 539 (1985). Förster, S. 66.
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Rechtsinhaber bereits daran, den sensiblen, nur einmal bedienbaren Markt für Vorabveröffentlichungen selbst zu erschließen.266 bb) Betrachtung der relevanten Märkte für Original und Bearbeitungen Ob ein aktueller (oder potentieller) Marktschaden festgestellt wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie ein Gericht auf der Basis des Parteivortrags die in Betracht kommenden Märkte für die Erst- und Zweitnutzung des Werkes beurteilt und das Verhalten der jeweiligen Zielgruppen einschätzt. Hierbei scheint die Rechtsprechung einem eher verwenderorientierten Marktkonzept zuzuneigen. Nicht erforderlich ist danach, dass Rechtsinhaber und Nutzer erklärtermaßen die gleichen Märkte bedienen.267 Maßgeblich ist vielmehr, ob das Zweitwerk rein funktionell als Ersatz für das Originalwerk oder dessen Bearbeitungen dienen kann.268 So wurde beispielsweise in Haberman v. Hustler Magazine und Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc. erörtert, ob die verkleinerten Reproduktionen visueller Werke in Printmedien mit den Originalkunstwerken konkurrierten. Der District Court in Haberman war der Ansicht, die im Hustler Magazine abgebildeten künstlerischen Fotografien seien aufgrund ihrer geringen Größe und Qualität nicht geeignet, Kunstsammlern als Ersatz für die Originalfotografien bzw. die (als Reproduktionsvorlage genutzten) Postkarten zu dienen. Er verneinte daher schon im Rahmen des ersten Faktors direkt konkurrierende Nutzungen.269 Demgegenüber hielt es der District Court in Update Art für wahrscheinlich, dass ein ganzseitig in einer Zeitung abgebildetes Postermotiv die Nachfrage für das Erstwerk schmälere, weil eine im Besitz der Abbildung befindliche Person vermutlich davon absähe, das Original zu erwerben.270 b) Potentielle Marktschäden Des Weiteren kann der »potentielle Markt« für ein Werk durch eine nichtautorisierte Nutzung Schaden nehmen. Der im Gesetz verwendete Begriff des po266 Behauptet der Rechtsinhaber dagegen, sein Schaden bestehe allein darin, dass ihm eine Lizenzgebühr für die Gestattung der konkreten nichtautorisierten Nutzung entgangen ist, stellt sich die Frage, ob die Nutzung tatsächlich in einen schutzwürdigen potentiellen Markt des Urhebers eingreift; dazu sogleich unten S. 350 f. 267 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986), aufrechterhalten durch 843 F.2d 67 (2nd Cir. 1988). 268 In diesem Sinne fragt auch der sog. functional test, den Nimmer zur Bestimmung des market effect vorschlägt, nicht nach dem Medium der Wiedergabe oder der Werkkategorie, sondern danach, ob Erst- und Zweitnutzung die gleiche (Markt-)Funktion erfüllen; Nimmer, Bd. 4, § 13.05 [B][1], S. 211 ff. 269 Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986); s. auch unten S. 357. 270 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986), aufrechterhalten durch 843 F.2d 67 (2nd Cir. 1988); s. auch unten S. 359 f.
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tentiellen Marktes ist allerdings nicht im strengen Wortsinn auf Märkte oder Marktnichen begrenzt, auf denen der Rechtsinhaber mit seinen Werken noch nicht präsent ist. Er umfasst vielmehr im Sinne künftiger Verwertungsmöglichkeiten sowohl die weiteren Absatzchancen für das Original bzw. für Werkstücke auf bereits erschlossenen Märkten als auch die (existierenden oder noch nicht betretenen) Märkte für mögliche Bearbeitungen des Werkes.271 Gerade die – ggf. lizenzierte – Anfertigung und Verwertung von Bearbeitungen kann für den Urheber eine wichtige Einnahmequelle darstellen. Auf den urheberrechtlichen Schutz dieser »derivative markets« ist auch die Rechtsprechung seit Mitte der 1980er Jahre zunehmend bedacht.272 Bei der Untersuchung »potentieller« Marktschäden nehmen die Gerichte im Übrigen nicht nur die gerügte Nutzungshandlung in den Blick, die für sich genommen möglicherweise noch keine schädlichen Auswirkungen entfaltet. Seit dem Urteil des Supreme Court in Sony wird auch berücksichtigt, welche wirtschaftlichen Folgen zu erwarten sind, wenn sich gleichartige Nutzungen häufen bzw. weiter verbreiten.273 aa) Beschränkung auf »traditionelle und voraussichtlich erschließbare Märkte« Nicht selten hat der Rechtsinhaber im Zeitpunkt der Klage keinen greifbaren Schaden erlitten, weil die beanstandete Nutzung den Markt für das Originalwerk nicht berührt und der Rechtsinhaber entsprechende Zweitnutzungen seinerseits (noch) nicht vermarktet oder lizenziert hat. Der einzige Schaden, den er in diesem Fall geltend machen kann, ist der Verlust von Lizenzeinnahmen für die gerügte Nutzung sowie für entsprechende Nutzungen in der Zukunft.274 Würde man die entgangenen Lizenzgebühren ohne Weiteres als Schaden ansehen und damit einen potentiellen Markt für das Werk anerkennen, läge jedoch in jedem fair use-Verfahren ein Marktschaden vor. Denn auch jede faire Nutzung setzt per definitionem einen Verlust von Lizenzeinnahmen voraus, weil der Nutzer – mit Recht – keine Lizenz eingeholt hat.275 Ein berücksichtigungsfähiger Schaden entsteht gleichwohl nur, wenn die Nutzung nach Prüfung aller vier Faktoren als unfair zu bewerten ist. Um einen Zirkelschluss zu vermeiden, kann folglich nicht für jede denkbare Werknutzung ein potentieller, schützenswerter Markt unterstellt werden. Die Rechtsprechung erkennt daher nur solche Märkte als »po271 In diesem Sinne verwendet die Rechtsprechung die Begriffe »potential (market) harm« und »harm to potential markets« mitunter synonym; vgl. Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc., 464 U.S. 417, 450, 452 (1984). 272 Patry, Fair Use, § 6:7, S. 461. 273 Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc., 464 U.S. 417, 451 (1984); Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 590 (1994). 274 Vgl. Leibovitz v. Paramount Pictures Corp., 137 F.3d 109, 116 f. (2nd Cir. 1998). 275 Vgl. Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1125; so bereits Fisher, Harv. L. Rev. 101 (1988), 1659, 1671.
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tential markets« im Sinne des vierten Faktors an, die ein Rechtsinhaber selbst traditionell bedient, vernünftigerweise betreten oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit wird erschließen können.276 Dabei kann es sich um den Markt für die konkrete streitgegenständliche Nutzung277 oder aber um einen Markt für vergleichbare Nutzungen handeln, mit denen die im Streit stehende Verwertung unmittelbar konkurriert.278 Dass der Rechtsinhaber nachweist, entsprechende Verwertungsmöglichkeiten auch tatsächlich ergreifen zu wollen, ist nicht erforderlich.279 Es genügt darzutun, dass ein Markt im oben genannten Sinne besteht, der durch die streitige Nutzung oder entsprechende Folgenutzungen wahrscheinlich Schaden nehmen wird.280 Die geschilderten (Kontroll-)Überlegungen zur Art des Zweitmarktes stellen die Gerichte selbst in solchen Fällen an, in denen der Urheber bereits Verwertungen lizenziert hat, die der Zweitnutzung entsprechen.281 bb)
Behandlung von Kritik, Kommentierung und »gemischten« Nutzungszwecken Nicht zu den potentiellen, dem Urheber vorbehaltenen Märkten zählen naheliegenderweise Nutzungen zum Zweck der Kritik, Kommentierung oder Parodie des Erstwerkes. Der Supreme Court begründet dies mit der geringen Wahrscheinlichkeit, dass Urheber kritische Besprechungen oder gar Schmähschriften ihrer eigenen Werke lizenzieren.282 Die »normalen« Märkte für Originale oder Bearbeitungen des Werkes werden mithin nicht beeinträchtigt.283 Als proble276 Grundlegend Am. Geophysical Union v. Texaco Inc., 60 F.3d 913, 929 f. (2nd Cir. 1994), unter Hinweis u. a. auf Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 592 (1994) und Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 568 (1985); vgl. ferner Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997). 277 Vgl. Rogers v. Koons, 960 F.2d 301, 312 (2nd Cir. 1992) (Zweitmarkt für Nutzungen durch andere Künstler bejaht); Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997) (Zweitmarkt für Nutzungen zur Dekoration von Filmsets offengelassen); NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 25 (1st Cir. 2000) (Zweitmarkt für Wiedergaben von kontrovers beurteilten Fotografien aus einem Fotomodell-Portfolio in Zeitungen verneint). 278 Vgl. die erstinstanzliche Entscheidung Update Art., Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986); s. unten S. 359 f. 279 Vgl. Castle Rock Entertainment v. Carol Publishing Group, Inc., 150 F.3d 132, 145 f. (2nd Cir. 1994): »It would […] not serve the ends of the Copyright Act – i.e., to advance the arts – if artists were denied their monopoly over derivative versions of their creative works merely because they made the artistic decision not to saturate those markets with variations of the original«; Salinger v. Random House, Inc., 811 F.2d 90, 99 (2nd Cir. 1987). 280 Vgl. Castle Rock Entertainment v. Carol Publishing Group, Inc., 150 F.3d 132, 145 (2nd Cir. 1994); Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997). 281 Vgl. Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997). 282 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 592 (1994). 283 Zugleich werden Nutzungen zu Zwecken der Kritik oder Kommentierung, die wiederum
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matisch kann sich in diesem Zusammenhang die Bewertung von Nutzungen erweisen, die neben der Kritik oder Kommentierung eines Werkes, z. B. in Form einer Buchbesprechung, zugleich vermarktungsfähige Vervielfältigungen oder Bearbeitungen enthalten.284 Der Supreme Court hielt in Campbell fest, dass im Fall sich überschneidender Nutzungsaspekte die weiteren, über die Kritik hinausgehenden Elemente der Zweitnutzung zu betrachten seien, um den maßgeblichen (Zweit-)Markt zu bestimmen.285 Es bedarf daher einer differenzierten Beurteilung, welche Elemente die Nutzung im Ergebnis prägen und ob ein daraus abzuleitender Markt traditionell oder wahrscheinlich vom Rechtsinhaber selbst bedient wird. c) Behandlung positiver Marktauswirkungen aa) Nutzer machen gelegentlich geltend, die streitgegenständliche Verwertung habe nicht nur keinen Schaden zur Folge, sondern im Gegenteil positiven Einfluss auf die Vermarktung des Erstwerkes. Fraglich ist, ob derartige Umstände bei der Analyse des vierten Faktors beachtlich sind. Relevant kann ihre Einbeziehung werden, wenn die streitige Nutzung negative Aspekte aufweist, die durch positive Effekte aufgewogen werden könnten.286 Ist ein Schaden für potentielle Märkte hingegen nicht ersichtlich, fällt es nicht ins Gewicht, ob der vierte Faktor bereits aus diesem Grund oder aufgrund positiver Markteffekte zu Gunsten des Nutzers gewertet wird. Allerdings kann es auch Fallgestaltungen geben, in denen der vierte Faktor z. B. aufgrund geringer Auswirkungen auf den potentiellen Markt eher als neutral beurteilt und bei der Gesamtabwägung eine untergeordnete Rolle spielen würde; die Berücksichtigung positiver Markteffekte setzte in diesen Fällen einen stärkeren Akzent zu Gunsten von fair use.287 bb) Der neutrale Wortlaut von § 107(4) bietet zunächst keinen Anhaltspunkt dafür, dass positive Marktauswirkungen kategorisch von der Analyse ausgeschlossen wären. Auch die Äußerungen des Supreme Court in Campbell könnten dafür sprechen, dass positive Markteffekte im Prinzip berücksichtigungsfähig sind. Das oberste Gericht merkte zum Stellenwert des Markteffektes unter Be-
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Ausdruck der verfassungsrechtlich geschützten freien Meinungsäußerung sind, als wünschenswert und förderungswürdig betrachtet. Derartige Tätigkeiten soll der Urheber nicht zum Nachteil der Allgemeinheit unter Berufung auf sein copyright unterbinden können; vgl. Mattel, Inc. v. Walking Mountains Productions, 353 F.3d 792, 806 (9th Cir. 2003); Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 209 (D. Mass. 1986). Vgl. dazu die unterschiedlichen Entscheidungen in Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512 (7th Cir. 2002) und F.Supp.2d 705 (N.D. Ill. 2004), unten S. 362 ff. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 592 f. (1994): »[Defendant’s] song comprises not only parody but also rap music, and the derivative market for rap music is a proper focus of enquiry […]«. Vgl. Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 192 F.Supp.2d 321, 342 f. (D. N.J. 2002), bestätigt durch 342 F.3d 191 (3rd Cir. 2003). Vgl. Amsinck v. Columbia Pictures Industries, Inc., 862 F.Supp. 1044, 1049 (S.D. N.Y. 1994).
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zugnahme auf ein Fallbeispiel von Leval an, dass sogar der Nachweis günstiger Auswirkungen für sich genommen noch nicht die Fairness einer Nutzung garantiere.288 Patry sieht daher kein Hindernis, derartige Einflüsse im Einzelfall zu Gunsten des Nutzers zu würdigen, insbesondere wenn die Nutzung transformativ ist.289 cc) Die Gerichte, die mit dem Argument des positiven Markteffekts konkret befasst waren, haben diesen Aspekt auf unterschiedliche Weise behandelt. Einige wiesen auf die positiven Auswirkungen der Nutzung hin, ohne sie in besonderem Maße zu Gunsten des Nutzers in die Bewertung einfließen zu lassen.290 In anderen Entscheidungen wiederum scheint der angenommene Marktzuwachs als ein eigenständiger und wesentlicher Abwägungsfaktor herangezogen worden zu sein.291 Der Second Circuit hingegen will vermutete Umsatzsteigerungen infolge einer unautorisierten Nutzung grundsätzlich nicht berücksichtigen. Denn der Urheberschutz umfasse auch das Recht, die Nutzung des geschützten Materials gegen eine Gebühr zu lizenzieren. Der Urheber selbst sei am besten in der Lage, die zu erwartenden Gewinne aus möglichen Absatzsteigerungen mit solchen aus Lizenzeinnahmen abzuwägen.292 dd) Richtigerweise sollten positive Markteffekte bei der Prüfung des – auf die Feststellung negativer Effekte zugeschnittenen – vierten Faktors in der Tat unberücksichtigt bleiben. Urheber sollen vor Schäden durch konkurrierende Nutzungen bewahrt werden, damit die Anreize zur Schaffung neuer Werke nicht 288 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 590, Fn. 21 (1994), unter Bezugnahme auf Leval, Harv. L. Rev. 103 (1990), 1105, 1124 Fn. 84; vgl. auch Leval, U.C.L.A. L. Rev. 44 (1996 – 1997), 1449, 1459. 289 Patry, Fair Use, § 6:11, S. 369 f. 290 Mura v. Columbia Broadcasting System, Inc., 245 F.Supp. 587, 590 (S.D. N.Y. 1965); Time Inc. v. Bernard Geis Associates, 293 F.Supp. 130, 146 (S.D. N.Y. 1968); Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 214 (D. Mass. 1986); NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 22, 25 (1st Cir. 2000); Fitzgerald v. CBS Broadcasting, Inc., 491 F.Supp.2d 177, 189 (D. Mass. 2007); Calkins v. Playboy Enterprises International, Inc., 561 F.Supp.2d 1136, 1144. (E.D. Cal. 2008); Gaylord v. United States, 595 F.3d 1364, 1375 (Fed. Cir. 2010). 291 Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 192 F.Supp.2d 321, 342 f. (D. N.J. 2002), bestätigt durch 342 F.3d 191 (3rd Cir. 2003). Der District Court bewertete den vierten Faktor in dieser Sache als neutral, da sich vermutete Marktgewinne und -verluste gegenseitig aufhöben. Das Berufungsgericht, das die Entscheidung im Ergebnis aufrechterhielt, bewertete den vierten Faktor hingegen klar zu Gunsten der Rechtsinhaberin. Es beanstandete dabei allerdings nicht die erstinstanzliche Berücksichtigung positiver Markteffekte, sondern dass der District Court die schädlichen Auswirkungen auf den potentiellen Markt zu Unrecht nicht gewürdigt habe. Vgl. auch Amsinck v. Columbia Pictures Industries, Inc., 862 F.Supp. 1044, 1049 (S.D. N.Y. 1994). 292 DC Comics Inc. v. Reel Fantasy, Inc., 696 F.2d 24, 28 (2nd Cir. 1982); vgl. auch Update Art, Inc., v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F. Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986), mit anderer Begründung aufrechterhalten durch 843 F.2d 67 (2nd Cir. 1988); Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997); vgl. auch Italian Book Corp. v. American Broadcasting Companies, Inc., 458 F.Supp. 65, 70 (S.D. N.Y. 1978).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
geschwächt werden. Sind keine wesentlichen Marktschäden festzustellen und erweist sich die Nutzung insgesamt als fair, darf das urheberrechtliche Verwertungsmonopol ausnahmsweise aufgehoben werden. Kernfrage der Analyse ist somit nicht, ob eine Nutzung den Markt für ein Werk fördern kann, sondern ob etwaige Marktschäden so gering sind, dass die Verwertung im Interesse der Allgemeinheit zuzulassen ist. Die eigenständige Berücksichtigung positiver Effekte erscheint daher als systemwidriger Ansatz, der die Bewertung des vierten Faktors und auch die Gesamtabwägung zu stark zu Gunsten einer – ansonsten unfairen – Nutzung beeinflusst. Dem Second Circuit ist daher im Ergebnis zuzustimmen.
V.
Beispiele aus der Rechtsprechung für faire und unfaire Nutzungen von visuellen Werken
Im Folgenden wird die fair use-Analyse in einigen häufiger zitierten Entscheidungen betrachtet, die die Wiedergabe von Werken der bildenden Kunst und anderer visueller Werke betreffen. Im Hinblick auf die spätere rechtliche Einordnung von Nutzungen zum Zweck der Verkaufs- und Ausstellungswerbung sowie der Ausstellungs- und Bestandsdokumentation konzentriert sich die Darstellung auf Urteile, die eine vollständige Werkwiedergabe zu nicht-künstlerischen Zwecken in Büchern und Printmedien, Filmen sowie im Internet zum Gegenstand hatten. 1.
Basquiat v. Baghoomian (1991)
a) In Basquiat v. Baghoomian hätte grundlegend über die Zulässigkeit von Werkabbildungen in kommerziellen Ausstellungskatalogen entschieden werden können. Hierzu kam es jedoch aufgrund des besonderen Prozessverlaufs nicht mehr. Kläger in diesem Verfahren war Gerard Basquiat, der Vater und Nachlassverwalter des 1988 verstorbenen Künstlers Jean-Michel Basquiat. Der Kläger nahm Vrej Baghoomian, den letzten Galeristen seines Sohnes, wegen Verletzung der Urheberrechte an 69 Werken in Anspruch.293 Baghoomian hatte zu Ehren des verstorbenen Künstlers eine Ausstellung mit dessen Werken organisiert und dazu einen 154-seitigen, gebundenen Katalog herausgegeben, der fotografische Abbildungen aller ausgestellten Gemälde, Zeichnungen und Drucke sowie zwei eigens für das Buch verfasste Essays enthielt. Baghoomian berief sich darauf, die Herstellung des Ausstellungskataloges sei als fair use gerechtfertigt. Zur bisherigen Vermarktung des Katalogs gab er an, das »Basquiat book« sei in einer 293 Basquiat v. Baghoomian, 1991 WL 253334, *1 (S.D. N.Y. 1991).
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Auflage von 4.000 Exemplaren veröffentlicht worden. Die Herstellungskosten hätten sich auf 116.000 US-Dollar belaufen, während aus Verkäufen lediglich 58.812 US-Dollar eingenommen worden seien.294 G. Basquiat stellte einen Antrag auf partial summary judgment295, der sich ausschließlich auf die behauptete Urheberrechtsverletzung durch die Herausgabe des Katalogs bezog. Der District Court wies den Antrag aufgrund der unzureichenden Beweislage, insbesondere im Hinblick auf den fair use-Einwand, zurück. Zu den insoweit relevanten Fragen äußerte sich das Gericht daher nur sehr oberflächlich: b) Zum ersten Faktor führte der District Court lediglich aus, Baghoomian habe das »Buch« unstreitig zu kommerziellen Zwecken erstellt. Den von Baghoomian hervorgehobenen Zweck, die Gedenkausstellung für Jean-Michel Basquiat zu dokumentieren, würdigte das Gericht ebenso wenig wie den Umstand, dass der Katalog zwei Essays über den Künstler und sein Werk enthielt. Unklar blieb in diesem Zusammenhang auch, ob der Katalog zugleich eine Werbung für den Absatz der ausgestellten Originalwerke darstellte; die Entscheidungsgründe lassen lediglich erkennen, dass Baghoomian weiter mit Werken von Jean-Michel Basquiat handelte. Das Gericht stellte weiter fest, das Buch umfasse unstreitig vollständige Reproduktionen aller 69 Werke.296 c) Während somit jedenfalls der erste und dritte Faktor gegen fair use zu sprechen schienen, sah der District Court weiteren Aufklärungs- bzw. Beweisbedarf bezüglich des vierten Faktors, den er in Anlehnung an Harper & Row als den wichtigsten Einzelfaktor297 bezeichnete. Die Auswirkungen auf den potentiellen Markt für die Werke von Jean-Michel Basquiat und auf deren Wert seien umstritten. Zwar scheine Baghoomian vom Verkauf des Buches finanziell nicht profitiert zu haben. Sein etwaiger Verlust sei jedoch irrelevant gegenüber den Auswirkungen, die die bloße Existenz des Buches auf die Herstellung eines vergleichbaren Werkes durch die Rechtsnachfolger haben könne. Darüber hinaus gebe es zwar keine Beweise dafür, dass der Wert der Werke oder der potentielle Markt für ein weiteres Buch über Jean-Michel Basquiat durch die streitgegenständliche Publikation beeinträchtigt würde. G. Basquiat habe jedoch ausgesagt, Pläne zur Herausgabe eines eigenen Buches über Jean-Michels Werk aufgegeben zu haben, als er vom »Basquiat book« erfahren habe.298 d) Insgesamt sah sich der District Court außer Stande, die Nutzung im summarischen Verfahren als fair einzuordnen. Zugleich vermochte er jedoch keine Urheberrechtsverletzung festzustellen, »bevor die fair use-Frage heraus294 Basquiat v. Baghoomian, 1991 WL 253334, *1 (S.D. N.Y. 1991). 295 Zu dieser pretrial motion und zum Gang des US-amerikanischen Zivilprozesess Schack, US-am. Zivilprozessrecht, Rn. 88 ff., 171 ff. 296 Basquiat v. Baghoomian, 1991 WL 253334, *2 (S.D. N.Y. 1991). 297 Vgl. oben S. 346 f. 298 Basquiat v. Baghoomian, 1991 WL 253334, *2 (S.D. N.Y. 1991).
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gearbeitet und geklärt« sei. Er wies den Antrag von G. Basquiat auf partial summary judgment deshalb zurück.299 Im weiteren Prozessverlauf tauchte der Beklagte unter und kommunizierte nicht mehr mit seinem Prozessbevollmächtigten. Unter diesen Umständen wurde auch der fair use-Einwand nicht mehr weiterverfolgt. Es erging ein Urteil zu Gunsten der Rechtsinhaber, das sich nur noch mit der Höhe des Schadensersatzes auseinandersetzte.300 e) Angesichts der vorzeitigen Prozessbeendigung enthält das Urteil keine angemessene Würdigung des Katalogzwecks und der weiteren fair use-Faktoren. Es erging zudem vor der Leitentscheidung des Supreme Court in Campbell, so dass sich der District Court im Kontext des ersten Faktors noch nicht mit der Transformativität301 der Nutzung auseinanderzusetzen hatte und lediglich deren Kommerzialität ansprach. Die rudimentären Feststellungen des Gerichts lassen sich somit zur Beurteilung vergleichbarer Nutzungen nur bedingt heranziehen. Allerdings ist anzunehmen, dass der fair use-Einwand im damaligen Rechtsstreit letztlich an der seinerzeit starken Gewichtung des vierten Faktors302 gescheitert wäre. Denn die Werkwiedergabe im »Basquiat book« bzw. die Gestattung vergleichbarer Nutzungen wäre aller Wahrscheinlichkeit nach geeignet gewesen, den potentiellen Markt für entsprechende Publikationen der Rechtsinhaber zu beeinträchtigen. 2.
Haberman v. Hustler Magazine, Inc. (1986) und Brewer v. Hustler Magazine, Inc. (1984)
a) Gegenstand des erstgenannten Urteils war die Wiedergabe von zwei Werken des Fotografen James D. Haberman in zwei Ausgaben des Hustler Magazine. Als Vorlage hatte das Magazin jeweils von Haberman selbst vertriebene Postkarten genutzt. Die surrealistisch anmutenden Fotografien waren verkleinert und mit kurzen Kommentaren in der Rubrik »Bits and Pieces« wiedergegeben worden; Habermans Name und Kontaktadresse wurden jeweils genannt. Haberman machte geltend, Wiedergaben in einer Publikation wie dem Hustler Magazine schadeten dem Wert seiner Werke. Der District Court betonte zu Beginn seiner ausführlichen fair use-Prüfung, dass er weder den künstlerischen Wert von Habermans Arbeiten noch die Qualität des Hustler Magazines und seiner – von Haberman als oberflächlich gerügten – Kommentare berücksichtigen werde.303 aa) Zum ersten Faktor stellte das Gericht fest, das Magazin habe die Fotografien zu Unterhaltungszwecken abgebildet, aber auch kommentieren wollen. 299 300 301 302 303
Basquiat v. Baghoomian, 1991 WL 253334, *3 (S.D. N.Y. 1991). Basquiat v. Baghoomian, 1992 U.S. Dist. LEXIS 7622 (S.D. N.Y. 1991). S. oben S. 331 ff. S. oben S. 346 f. Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 209 f. (D. Mass. 1986).
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Diese – einerseits negativ, andererseits positiv zu würdigenden – Nutzungszwecke hoben sich in der Bewertung gegenseitig auf.304 Den Umstand, dass das Hustler Magazine zu Verkaufszwecken hergestellt und vertrieben wird, genügte nach Ansicht des Gerichts nicht, um die Reproduktionen als kommerziell einzustufen. In Anlehnung an Harper & Row stellte das Gericht darauf ab, ob Hustler die Werke habe »ausbeuten wollen, ohne den dafür üblichen Preis zu zahlen«. Dies verneinte es mit dem Argument, die Fotos seien im Inneren des Heftes erschienen und nicht etwa als Coverbild oder auf andere Weise direkt zur Werbung für die Ausgabe genutzt worden.305 Darüber hinaus ging das Gericht der Frage nach, ob die Wiedergabe der Werke im Hustler Magazine mit den von Haberman vertriebenen Orginalen konkurrierte. Die Nutzungen standen jedoch seines Erachtens nicht in direktem Wettbewerb zueinander : »Misappropriation for a directly competing use would likely be incompatible with fair use. […] This case, however, does not involve directly competing uses. Haberman markets his works as fine arts photographs and postcards. The Hustler reproductions were not of comparable size or quality. They would not serve as suitable substitutes for someone who wished to collect the art, in either photographic or postcard form, or share it with another by sending the postcard«.306 Das Verhalten von Hustler würdigte der District Court überwiegend positiv, da das Magazin nicht nur die Vorlagen rechtmäßig erworben, sondern Haberman auch als Urheber der Fotografien mitsamt einer Bezugsadresse genannt habe.307 Eine Gesamtbewertung des ersten Faktors nahm das Gericht nicht vor. Der erste Faktor sprach angesichts der neutralen bzw. positiven Teilergebnisse der Prüfung jedoch nicht gegen fair use. bb) Den zweiten Faktor bewertete der District Court zu Gunsten des Urhebers. Bei den Werken handele es sich unstreitig um künstlerische Fotografien. Diese seien »creative, imaginative and original. […] The pronounced creativity and investment of time involved in the works in this case weigh against a finding of fair use«.308 Etwas abgeschwächt wurde die negative Beurteilung durch den Umstand, dass Haberman die Fotografien zuvor veröffentlicht hatte.309 cc) Zum dritten Faktor bemerkte das Gericht zunächst, dass die Fotografien vollständig, wenn auch verkleinert abgebildet worden seien. Soweit Hustler die Werke habe kommentieren wollen, sei ihre Wiedergabe jedoch angemessen gewesen, denn die ungewöhnlichen Arbeiten hätten mit Worten nicht ange304 305 306 307 308 309
Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 210 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 211 f. (D. Mass. 1986).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
messen beschrieben werden können.310 Der Faktor wurde daher nicht zu Lasten von Hustler bewertet. dd) Der vierte Faktor sprach nach Ansicht des Gerichts für fair use. Haberman hatte keinen gegenwärtigen Marktschaden behauptet, jedoch vorgetragen, die Wiedergaben im Hustler Magazine schadeten sowohl dem Markt für die Originale, d. h. dem Absatz von Fotografien und Postkarten, als auch dem Markt für die Lizenzierung von Reproduktionen sowie für Museums- und Galerieausstellungen. Gegen vergleichbare Nutzungen in »seriöseren« Medien brachte er keine Einwände vor, so dass lediglich im Streit stand, ob der Wert seiner Werke durch die Veröffentlichung im Hustler Magazine beeinträchtigt worden war. Der District Court hielt es angesichts der durchgeführten Beweisaufnahme für erwiesen, dass keiner dieser Märkte Schaden genommen hatte bzw. nehmen würde.311 Mit Blick auf die nicht gerügte Wiedergabe in Zeitschriften oder Tageszeitungen merkte das Gericht ergänzend an: »The court believes that even superficial commentary on the fully reproduced works in most journals would enhance rather than diminish their value«.312 Insgesamt stellte sich die Nutzung nach Auffassung des Gerichts damit als fair dar.313 b) In dem vergleichbar gelagerten Fall Brewer v. Hustler Magazine, Inc.314 verneinte der Ninth Circuit hingegen eine faire Nutzung. Der dortige Kläger hatte unter Verwendung von Spezialeffekten eine Fotografie erstellt, die simuliert, wie er sich selbst durch den Kopf schießt, und das Motiv u. a. auf Visitenkarten genutzt. Das Hustler Magazine hatte sein Foto mit gewissen Anschnitten ebenfalls in der Rubrik »Bits and Pieces« wiedergegeben. Den ersten fair use-Faktor bewertete das Gericht tendenziell negativ, weil die Wiedergabe des Fotomotivs weniger einen gesellschaftlichen Kommentar, sondern einen humorvollen Beitrag darstelle, der die Leserzahlen erhöhen solle. Auch der zweite Faktor wurde negativ beurteilt, da Hustler ein kreatives Werk genutzt hatte. Gleiches galt für den dritten Faktor, denn die Fotografie war nahezu vollständig wiedergegeben worden. Unter Hinweis auf Sony315 vermutete der Ninth Circuit ferner, dass Brewer durch die auf Gewinnerzielung angelegte Nutzung ein Marktschaden entstanden war, und stufte die Nutzung deshalb insgesamt als unfair ein.316 c) Die Urteile gegen das Hustler Magazine verdeutlichen, wie unterschiedlich die Gerichte Wiedergaben in Printmedien beurteilen können. Dabei ist die 310 311 312 313 314 315 316
Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 212 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 212 – 214 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 212 – 214 (D. Mass. 1986). Haberman v. Hustler Magazine, Inc., 626 F.Supp. 201, 214 (D. Mass. 1986). 749 F.2d 527 (9th Cir. 1984). Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc., 464 U.S. 417, 451 (1984). Brewer v. Hustler Magazine, Inc., 749 F.2d 527, 529 (9th Cir. 1984).
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kritischere Bewertung des Nutzungszweckes des Ninth Circuit in Brewer zu begrüßen. Allerdings wird nach Campbell ein Marktschaden bei kommerziellen Nutzungen nicht mehr vermutet;317 die heutige Rechtsprechung müsste sich daher eingehender mit dem Markteffekt solcher Nutzungen auseinandersetzen und käme dabei möglicherweise eher zu dem vom District Court vertretenen Ergebnis.
3.
Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc. (1986)
a) In Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc.318 hatte der District Court die Wiedergabe einer satirischen Fotomontage in einer Tageszeitung zu beurteilen. Das Werk mit dem Titel »Ronbo« zeigte den muskulösen Körper einer Person, die ein Maschinengewehr hält und an die Filmfigur »Rambo« erinnert, jedoch den Kopf des damaligen U.S. Präsidenten Ronald Reagan trägt. Die Fotomontage erschien ganzseitig in einer Ausgabe des Maariv Israel Newspaper neben einem Artikel, der sich kritisch mit dem amerikanischen Kino der Reagan-Ära auseinandersetzte und feststellte, dass in vielen Spielfilmen pro-amerikanische und anti-russische Themen mit militärischem Bezug dominierten. b) Nach Ansicht des District Court ließ sich das Werk »Ronbo« als eine Versinnbildlichung des zentralen Arguments in dem Artikel begreifen. Den Zweck der Nutzung sah das Gericht in der Kommentierung oder Nachrichtenberichterstattung. Daher sprach der erste Faktor für den fair use-Einwand.319 Den zweiten Faktor bewertete das Gericht dagegen zu Ungunsten der Nutzung, da das abgebildete Werk zweifellos kreativ sei.320 Auch der dritte Faktor sprach angesichts der vollständigen Wiedergabe stark gegen fair use.321 Schließlich hielt das Gericht es für wahrscheinlich, dass die Käufer der Zeitung angesichts der Größe der Werkabbildung davon absehen würden, das Originalposter zu erwerben. Zwar seien die Klägerin, die grafische Kunst vertreibe, und die Beklagte als Zeitungsherausgeberin in unterschiedlichen Geschäftsbereichen tätig. Dennoch konkurrierten die ganzseitige Werkwiedergabe und das Original direkt 317 Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 583 ff. (1994); s. oben S. 335 f. 318 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 231 (S.D. N.Y. 1986), aufrechterhalten durch 843 F.2d 67 (2nd Cir. 1988). 319 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 231 (S.D. N.Y. 1986). 320 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 231 (S.D. N.Y. 1986). 321 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986). Heutzutage würde ein Gericht voraussichtlich darauf abstellen, dass die Fotomontage zwar den Inhalt des kritischen Zeitungsartikels versinnbildlichte, jedoch nicht selbst Gegenstand des Kommentars war. Ihre Wiedergabe war damit nicht im Sinne der Campbell-Rechtsprechung zum dritten Faktor erforderlich, um eine Kritik oder Kommentierung (bezogen auf das genutzte Werk) für den Leser verständlich zu machen; vgl. oben S. 342 f.
360
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
miteinander als Poster.322 Den nicht näher belegten Einwand der Beklagten, die Nutzung führe sogar zu einer erhöhten Nachfrage für das Werk, ließ das Gericht nicht gelten.323 Der vierte Faktor sprach damit ebenfalls gegen fair use. Entsprechend fiel die Gesamtabwägung des Gerichts aus. 4.
Núñez v. Caribbean Intern. News Corp. (2000)
In NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp.324 hatte das Berufungsgericht über die mehrfache Wiedergabe von Werken des Fotografen NfflÇez in einer Tageszeitung zu urteilen. Die Bilder stammten aus dem Portfolio eines von NfflÇez fotografierten Fotomodells. Die zum Teil freizügigen Aufnahmen hatten Aufsehen erregt, nachdem das Fotomodell zur Miss Puerto Rico Universe gewählt worden war. a) Das Gericht ordnete die Nutzung der Fotografien bei der Analyse des ersten Faktors als transformativ ein, weil die Bilder zum Gegenstand der Medienberichterstattung gemacht und damit einem neuen Zweck zugeführt worden seien. Das Gericht betonte unter Hinweis auf Harper & Row325, dass nicht der Nachrichtenwert der Fotografien als solcher für eine positive Bewertung im Rahmen des ersten Faktors spreche, sondern der Umstand, dass die Werke durch ihre Präsentation in Verbindung mit mehreren Artikeln und Interviews zur Nachricht erhoben und mit einer neuen Bedeutung versehen worden seien.326 Es wäre weitaus schwieriger gewesen, die Leser über die entstandene Kontroverse zu informieren, ohne die Fotografien selbst zu zeigen.327 Negativ beurteilte das Gericht hingegen die Tatsache, dass die Zeitung die Bilder teilweise auf der Titelseite wiedergegeben hatte und auf diese Weise ihren Absatz und Gewinn steigern wollte. Die daraus folgende Kommerzialität der Nutzung sprach gegen fair use.328 Zu Gunsten der Beklagten bewertete der First Circuit wiederum deren »gutgläubiges« Verhalten. Sie habe die Fotografien rechtmäßig erworben, deren Urheber genannt und nicht beabsichtigt, durch die Wiedergabe mit den Originalen des Urhebers zu konkurrieren oder dessen Recht auf Erstveröffentlichung
322 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986). 323 Update Art, Inc. v. Maariv Israel Newspaper, Inc., 635 F.Supp. 228, 232 (S.D. N.Y. 1986) und Fn. 7, unter Hinweis auf DC Comics Inc. v. Reel Fantasy, Inc., 696 F.2d 24 (2nd Cir. 1982). 324 235 F.3d 18 (1st Cir. 2000); vgl. auch den ähnlich gelagerten Fall Calkins v. Playboy Enterprises International, Inc., 561 F.Supp.2d 1136 (E.D. Cal. 2008). 325 Vgl oben S. 339 f. 326 NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 22 f. (1st Cir. 2000). 327 NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 22 (1st Cir. 2000): »[A]s the district court pointed out, ›the pictures were the story‹«. 328 NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 22 (1st Cir. 2000).
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
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zu unterlaufen.329 Nach Abwägung dieser drei Gesichtspunkte stufte das Gericht den ersten Faktor insgesamt als neutral oder für fair use sprechend ein. b) Beim zweiten Faktor tat sich der First Circuit schwer, die Portraitfotografien eindeutig als kreativ einzuordnen und bewertete den Einfluss der Kreativität auf die Analyse daher als neutral.330 Positiv würdigte es, dass NfflÇez’ Recht auf Erstveröffentlichung durch die »halb-öffentliche« Verbreitung der Fotos innerhalb der Fotomodell-Szene nicht tangiert worden sei. Bei den auch im Fernsehen gezeigten Bildern habe es sich nicht um geheim zu haltende Werke gehandelt. Angesichts dieser nutzerfreundlichen Beurteilung sprach der zweite Faktor insgesamt für fair use.331 c) Dem dritten Faktor maß der First Circuit wenig Einfluss auf die fair useAnalyse bei. Seines Erachtens war die vollständige Abbildung der Werke notwendig, um den Lesern den Gegenstand der Kontroverse zu erläutern.332 d) Im Kontext des vierten Faktors prüfte das Gericht wie üblich, ob NfflÇez bereits ein Marktschaden entstanden war oder bei weiterer Verbreitung vergleichbarer Nutzungen Schäden für potentielle Märkte zu erwarten waren. Beides verneinte das Gericht. Den aktuellen Markt für die Portraits, die üblicherweise nicht verkauft, sondern als Teil des Modelportfolios kostenlos an mögliche Auftraggeber weitergegeben werden, sah es durch die qualitativ geringwertigen Reproduktionen in der Zeitung nicht beeinträchtigt. Die Nachfrage für das Portfolio werde im Zweifel eher steigen. Auch die abstrakte Betrachtung potentieller Märkte fiel zu Gunsten der Nutzung aus. Das Gericht betrachtete zunächst den künftigen Markt für die Originale und befand, dass selbst eine sich häufende Verwendung als Titelbilder keinen wahrnehmbaren Effekt auf die Nachfrage der Fotografien hätte, weil derartige Wiedergaben nicht mit den großformatigen Hochglanz-Originalen konkurrieren könnten.333 Darüber hinaus existiere aktuell kein Zweitmarkt für Fotografien, die Kontroversen um ihr jeweiliges Motiv illustrierten; die Entwicklung eines solchen Marktes sei zudem unwahrscheinlich, so dass das Gericht den vierten Faktor zu Gunsten von fair use bewertete.334 e) Bei der Gesamtabwägung der Faktoren kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass alle Faktoren bis auf den – im dortigen Kontext weniger relevanten – dritten Faktor für eine faire Nutzung sprachen. Es betonte allerdings, dass die unautorisierte Reproduktion von zu professionellen Zwecken hergestellten Foto329 330 331 332
NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 23 (1st Cir. 2000). NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 23 (1st Cir. 2000). NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 24 (1st Cir. 2000). »[T]o copy any less than that would have made the picture useless to the story«; NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 24 (1st Cir. 2000). 333 NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 24 f. (1st Cir. 2000). 334 NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 25 (1st Cir. 2000).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
grafien durch Zeitungen in der Regel eine Urheberrechtsverletzung darstelle. Die gebotene Einzelfallprüfung habe gleichwohl ergeben, dass die besonderen Umstände des Sachverhaltes die Feststellung von fair use rechtfertigten.335 5.
Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd. (2002/2004)
In Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd. hatten die Gerichte336 zu beurteilen, ob von Ty hergestellte Spielzeugpuppen der Marke »Beanie Babies« in Handbüchern für Fans und Sammler abgebildet werden durften. Die von Publications International Ltd. (PIL) in unterschiedlichen Versionen herausgegebenen Bücher enthielten ganzseitige farbige Fotografien der einzelnen Puppenmodelle, deren Eigenschaften im Begleittext beschrieben waren. Während die Buchversionen mit dem Titel »For the Love of Beanie Babies« eher auf kindliche Fans zugeschnitten waren, richtete sich der »Beanie Babies Collector’s Guide« an erwachsene Sammler.337 Für die Herstellung vergleichbarer illustrierter Kataloge hatte Ty in der Vergangenheit bereits Lizenzen an andere Verlage vergeben.338 Der District Court hatte dem Antrag des Spielzeugherstellers auf summary judgment stattgeben und eine Urheberrechtsverletzung festgestellt.339 Dagegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung. a) Entscheidung des Seventh Circuit (2002) aa) In der von ökonomischen Erwägungen geprägten Entscheidung betonte Judge Posner zunächst den Unterschied zwischen wünschenswerten transformativen Nutzungen wie Buchrezensionen oder Parodien, die er als »komplementäre« Werke bezeichnete (»complementary copying«), und solchen Nutzungen, die das Original oder Bearbeitungen schlicht ersetzten (»substitutional copying«).340 Die streitgegenständliche Nutzung ließ sich jedoch nicht ohne Weiteres einer dieser Kategorien zuordnen. Ihre Besonderheit bestand nach Auffassung des Gerichts darin, dass die Werkwiedergaben – vergleichbar mit einer Buchkritik, die das Original zitiert – jeweils mit erläuterndem Text versehen waren. Die Bücher selbst seien als eine »komplementäre« Nutzung der Puppen einzustufen; auch seien die Fotografien nicht geeignet, das jeweilige Original(-Spielzeug) zu ersetzen. Auf der anderen Seite handele es sich bei ihrer fotografischen Wiedergabe jedoch unstreitig um dem Urheber vorbehaltene 335 NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp., 235 F.3d 18, 25 (1st Cir. 2000). 336 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 710 ff. (N.D. Ill. 2004) und 292 F.3d 512 (7th Cir. 2002). 337 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 517 f. (7th Cir. 2002). 338 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 709 (N.D. Ill. 2004). 339 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 81 F.Supp.2d 899 (N.D. Ill. 2000). 340 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 517 f. (7th Cir. 2002).
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
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Bearbeitungen, für die eine gesonderte Nachfrage bestehen könne. Hätte die Beklagte daher allein die Fotografien vermarktet, läge eine Urheberrechtsverletzung vor.341 bb) Das Gericht differenzierte sodann zwischen der Art der streitgegenständlichen Bücher. Die Buchversionen mit dem Titel »For the Love of Beanie Babies« betrachtete es eher als eine Sammlung von Fotografien der Beanie Babies, bei der die Kommentierung in kindlicher Sprache eine deutlich untergeordnete Rolle spiele. Ein solches »Bilderbuch« setzte sich nach Ansicht des Gerichts schwerpunktmäßig aus fotografischen (lizenzierungspflichtigen) Bearbeitungen der Werke zusammen.342 Demgegenüber enthielt der »Beanie Babies Collector’s Guide« detaillierte und teilweise auch kritische Informationen zu den Puppenmodellen sowie zu deren Marktwert. Das Buch richte sich an erwachsene Sammler, die die Puppen auf dem Sekundärmarkt kauften, der mit dem sekundären Kunstmarkt vergleichbar sei. Der Collector’s Guide und vergleichbare Ratgeber seien daher im Ergebnis wie Buchrezensionen zu behandeln, die als solche aufgrund ihrer Textanteile keine Werkbearbeitung darstellten, sondern kritischen, bewertenden und informatorischen Charakter hätten.343 Soweit sich der Collector’s Guide in dieser Weise mit den einzelnen Puppen auseinandersetzte, bewertete das Gericht die Nutzung als »komplementär«. Entsprechend nützliche, der Allgemeinheit dienende Ratgeber dürften unter Berufung auf das Urheberrecht nicht unterbunden bzw. monopolisiert werden.344 Nachdem jedenfalls der Collector’s Guide aus Sicht des Gerichts keine lizenzierungspflichtige Werkbearbeitung darstellte, sah es die streitentscheidende Frage darin, ob PIL »mehr kopiert« hatte, als zur Herstellung eines vermarktungsfähigen guide erforderlich war, d. h. ob alle Modelle der Beanie Babies vollständig hätten abgebildet werden dürfen. Die Feststellung von Judge Posner, Ty selbst habe collectors’ guides lizenziert, die Fotografien aller Puppen enthielten und mit denen PIL konkurrieren müsse, deutet darauf hin, dass er die Wiedergabe aller Werke durch PIL für legitim hielt.345 cc) Die anschließende eigentliche Analyse der vier fair use-Faktoren endete ohne eindeutiges Ergebnis. Judge Posner konstatierte, der erste und zweite 341 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 518 f. (7th Cir. 2002). Vgl. dazu die Kritik des Second Circuit an der Unterscheidung zwischen complementary und substitutional copying: »A derivative use can certainly be complementary to, or fulfill a different function from, the original«; Blanch v. Koons, 467 F.3d 244, 252 (2nd Cir. 2006). 342 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 519, 523 (7th Cir. 2002). 343 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 519 – 521 (7th Cir. 2002). 344 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 521 (7th Cir. 2002). 345 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 521 (7th Cir. 2002). Vgl. hingegen den Fall Twin Peaks Productions, Inc. v. Publications International, Ltd., 996 F.2d 1366 (2nd Cir. 1993), in dem der Second Circuit einen Guide zur Serie Twin Peaks als nicht-transformative, exzessive Wiedergabe geschützter Materialien ansah.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Faktor seien im vorliegenden Fall nicht aussagekräftig. Der dritte Faktor sei auf die Beanie Babies »nicht anwendbar«, da eine teilweise Wiedergabe der Puppen in den Büchern nicht in Betracht komme (»no one, we imagine, wants a photograph of part of a Beanie Baby«). Das Gericht verwies den nicht entscheidungsreifen Rechtsstreit daher an den District Court zurück.346 b) Entscheidung des District Court for the Northern District of Illinois (2004) aa) Der District Court verneinte hingegen die Transformativität aller Buchversionen mit der Begründung, die Fotografien verfolgten den gleichen ästhetischen, dekorativen Zweck wie die abgebildeten Originale und deren Bearbeitungen in – den von Ty lizenzierten – Büchern und Magazinen.347 Die eindeutig zu kommerziellen Zwecken herausgebrachten Bücher ermöglichten Liebhabern der Spielzeugserie, sich an den abgebildeten Puppen als Werken der visuellen Kunst zu erfreuen. Sie dienten nicht vorrangig breiteren öffentlichen Interessen wie Kritik, Kommentar oder Wissenschaft, denn ihr Hauptzweck bestehe ersichtlich nicht darin, Beanie Babies-Spielzeug zu kritisieren oder zu kommentieren.348 Das Gericht hob hervor, dass PIL die hochwertigen Farbfotografien nicht nur zur Beschreibung der einzelnen Modelle verwende, sondern auch als Titel- und rückseitige Coverbilder zur Werbung für die Bücher und als dekorative Seitenfüller einsetze.349 bb) Der zweite Faktor sprach ebenfalls für die Rechtsinhaberin, da es sich bei den Beanie Babies um kreative und erfundene visuelle Werke handele.350 Äußerst kritisch würdigte das Gericht sodann das aus seiner Sicht überbordende Ausmaß der Nutzung im Kontext des dritten Faktors. So sei es mit Blick auf den von Ty behaupteten Zweck der Kommentierung oder Kritik weder erforderlich gewesen, Farbfotografien von Puppen auf dem Titelbild und auf der Rückseite der Collector’s Guides zu verwenden, noch unkommentierte Abbildungen beispielsweise an der Stelle des Inhaltsverzeichnisses einzufügen. Zudem seien einzelne Puppenmodelle mehrfach wiedergegeben worden. Auch die kommentierten Wiedergaben der individuellen Modelle gingen nach Auffassung des Gerichts über das notwendige Ausmaß hinaus. Um einen collectors’ guide 346 Eine teilweise Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung nur für die (wiederum verschieden ausgestalteten) Buchversionen mit Titel »For the Love of Beanie Babies« kam aus prozessualen Gründen nicht in Betracht; vgl. Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 292 F.3d 512, 524 (7th Cir. 2002). 347 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 710 ff. (N.D. Ill. 2004). An die differenzierenden Ausführungen des Seventh Circuit sah sich der District Court nicht gebunden, nachdem das Berufungsgericht von einer klassischen fair use-Prüfung bzw. einer abschließenden Beurteilung der vier Faktoren abgesehen hatte; vgl. ebd. 715. 348 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 710 (N.D. Ill. 2004). 349 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 707 f., 710 (N.D. Ill. 2004). 350 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 713 (N.D. Ill. 2004).
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
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herzustellen oder das Spielzeug zu kommentieren, hätte PIL die einzelnen Puppen anhand ihres Namens oder ihrer Modellnummer kennzeichnen können. Alternativ hätte PIL kleine Schwarzweiß-Fotografien zur Identifizerung benutzen können. Eine weitere Möglichkeit hätte nach Ansicht des Gerichts darin bestanden, (Farb-)Fotos nur zur Demonstration voneinander abweichender Ausstattungsmerkmale bestimmter Puppenmodelle einzusetzen. In keinem Fall hätte es übergroßer, hochglänzender Farbfotos jedes einzelnen Modelles bedurft, um das Spielzeug zu identifizieren.351 cc) Schließlich sprach auch der vierte Faktor gegen fair use. Das Gericht stellte dabei darauf ab, dass Ty bereits mehrere Bücher gewinnbringend lizenziert habe, die mit den guides von PIL vergleichbar seien und sich an dasselbe Publikum richteten. Ein Lizenznehmer von Ty habe sich bereits mehrfach über den Wettbewerbsnachteil beschwert, den er durch die Zahlung der Lizenzgebühren gegenüber PIL erleide. Das Gericht erkannte den durch die Konkurrenz von PIL beeinträchtigten Markt damit ohne Weiteres als legitimen Zweitmarkt an.352 dd) Nachdem alle vier Faktoren deutlich gegen fair use sprachen, bewertete der District Court die Nutzung insgesamt als unfair.353 Die unterschiedliche Bewertung des Sachverhalts in den Instanzen illustriert die Schwierigkeit der Gerichte, Verwertungen visueller Werke, die gewisse neue Nutzungsaspekte beinhalten, aber zugleich den vom Original angestrebten Werkgenuss vermitteln, als transformative oder superseding uses einzuordnen. 6.
Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd. (2006)
a) Die gleiche Problematik offenbart sich in dem Rechtsstreit Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd.354 Er betraf die Wiedergabe von sechs Konzertpostern und eines Konzerttickets in einem von Dorling Kindersley Ltd. (DK) herausgegebenen Buch über die Geschichte der Rockgruppe Grateful Dead (»Grateful Dead: The Illustrated Trip«). Die stark verkleinerten Poster und das Konzertticket waren zusammen mit weiterem Text- und Bildmaterial im Stil einer Collage entlang einer Zeitleiste in das Buch eingefügt. Im Gegensatz zum Collector’s Guide in Ty informierte The Illustrated Trip den Leser allerdings nicht über die gezeigten Werke als solche. Die Bilder illustrierten, wie der Buchtitel nahelegt, lediglich die im Begleittext erwähnten und entlang der Zeitachse aufgeführten Konzerte der Band. DK hatte Bill Graham Archives 351 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 714 (N.D. Ill. 2004). 352 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 715 (N.D. Ill. 2004). 353 Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd., 333 F.Supp.2d 705, 719 (N.D. Ill. 2004). Die Parteien verglichen sich schließlich; Patry, Fair Use; § 3:58, S. 256. 354 448 F.3d 605 (2nd Cir. 2006).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
(BGA) im Vorfeld um die Lizenzierung der Bildnutzung in Illustrated Trip gebeten; die Parteien konnten sich jedoch nicht über die Höhe der Lizenzgebühren einigen.355 b) Der Second Circuit hielt die Nutzung für transformativ, da die Werkabbildungen – anders als die Originale – nicht (mehr) der Ankündigung der Konzerte mit künstlerischen Mitteln dienten, sondern als »historische Artefakte« dargestellt wurden. Ihre »in kreativer Weise arrangierte« Wiedergabe erleichtere dem Leser das Verständnis der biografischen Informationen und bereicherte die Präsentation der kulturellen Geschichte der Band.356 Die Transformativität der Nutzung erstreckte sich nach Auffassung des Gerichts sogar auf diejenigen Werkabbildungen, die nicht im Text erwähnt waren, da die Poster wichtige Konzerte »bildlich« repräsentierten. Zum Erfordernis der Kommentierung heißt es: »In sum, because DK’s use of the disputed images is transformative both when accompanied by referencing commentary and when standing alone, we agree with the district court that DK was not required to discuss the artistic merits of the images to satisfy this first factor of fair use analysis«.357 Auch die starke Verkleinerung und collage-artige Anordnung der Werke, deren künstlerischer Ausdruck dadurch auf ein Minimum reduziert worden sei, sprach dem Gericht zufolge für die Transformativität der Nutzung. Die Reproduktionen erlaubten es dem Betrachter soeben noch, die historische Bedeutung der Poster zu erkennen.358 Zu Gunsten der Beklagten berücksichtigte das Gericht weiter, dass die genutzten sieben Werke zahlenmäßig wie angesichts ihrer starken Verkleinerung nur einen unbedeutenden Anteil des 480 Seiten umfassenden Buches ausmachten.359 Schließlich maß das Gericht selbst der kommerziellen Zielrichtung von Illustrated Trip keine große Bedeutung bei. DK habe die Bilder nicht zur Gewinnerzielung ausbeuten wollen, insbesondere seien sie nicht zur Werbung genutzt worden. Man habe sie nur zur Beschreibung des Lebens der Grateful Dead verwendet, und zwar auf eine Weise, die im Verhältnis
355 356 357 358
Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 607 (2nd Cir. 2006). Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 609 f. (2nd Cir. 2006). Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 610 f. (2nd Cir. 2006). »In short, DK used the minimal image size necessary to accomplish its transformative purpose«; ebd. 611. 359 Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 611 (2nd Cir. 2006). Bei der Betrachtung des quantitativen Anteils der Werke im Verhältnis zum streitgegenständlichen Buch stützte sich das Gericht auf die Rechtsprechung zur Wiedergabe biografischen Materials, wie Harper & Row (471 U.S. 539, 565) und Salinger v. Random House, Inc., 811 F.2d 90, 99 (2nd Cir. 1987). Diese Urteile bezogen sich allerdings nicht auf die vollständige Entlehnung visueller Werke, sondern auf die Übernahme von Textpassagen, deren Umfang ins Verhältnis zum Umfang des Originalwerkes und des Zweitwerkes gesetzt wurde.
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
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zum kommerziellen biografischen Wert des gesamten Buches eher nebensächlich sei.360 c) Bei der Prüfung des zweiten Faktors erkannte das Gericht an, dass DK kreative Kunstwerke genutzt habe. Die daraus grundsätzlich folgende negative Bewertung werde jedoch durch die Transformativität der Nutzung abgeschwächt.361 DK habe nicht den künstlerischen, sondern den historischen Wert der Werke hervorheben wollen.362 d) Auch der dritte Faktor sprach, trotz vollständiger Werkwiedergabe, nicht gegen fair use. Das Gericht betonte erneut die Reduzierung des künstlerischen Ausdrucks durch die Verkleinerung. Die Wiedergabe sei darauf zugeschnitten, den transformativen Nutzungsweck zu fördern, indem die minimale Größe und Qualität beibehalten worden seien, die notwendig seien, um dem Leser die Bedeutung der Poster als historische Artefakte vor Augen zu führen.363 e) Bei der Prüfung des vierten Faktors untersuchte der Second Circuit, ob der potentielle Markt für die Lizenzierung von Posterabbildungen beeinträchtigt wurde. Schäden für den Primärmarkt, d. h. für den Absatz der Originalposter, waren unstreitig nicht eingetreten. BGA hatte jedoch geltend gemacht, es existiere ein etablierter Zweitmarkt für Reproduktionen in Büchern. Zudem habe DK anderen Rechtsinhabern Lizenzgebühren für die Wiedergabe ihrer Werke in The Illustrated Trip gezahlt. Diese Argumente wies der Second Circuit mit der Behauptung zurück, die streitgegenständliche Nutzung berühre keinen traditionellen Markt für lizenzierbare Nutzungen, sondern falle in einen »transformativen Markt«. Ein Schaden in Form entgangener Lizenzgebühren sei daher nicht feststellbar.364 f) Insgesamt stützte das Gericht die Bewertung aller vier Faktoren, die in der Gesamtabwägung wenig überraschend fair use ergaben,365 maßgeblich auf die Transformativität der Nutzung. Patry kritisiert das Urteil als Fehlentscheidung: Die unkommentierten Wiedergaben der Poster beinhalteten keinerlei Mehrwert. Das Gericht habe den Begriff »transformativ« in Verkennung der transformative use-Theorie schlicht mit »different« gleichgesetzt.366
360 Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 612 (2nd Cir. 2006). 361 »We recognize, however, that the second factor may be of limited usefulness where the creative work of art is being used for a transformative purpose«; ebd. 612 f. 362 Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 612 f. (2nd Cir. 2006). 363 Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 613 (2nd Cir. 2006). 364 Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 614 f. (2nd Cir. 2006). 365 Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd., 448 F.3d 605, 615 (2nd Cir. 2006). 366 Das Gericht unterliege zudem einer neuen Form des Zirkelschlusses: Weil es die Nutzung für fair halte, bewerte es den vierten Faktor zu Lasten des Rechtsinhabers, um fair use feststellen zu können; Patry, Fair Use, § 3:9, S. 117 f., § 6:8, S. 467 Fn. 5.
368 7.
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc. (1997)
a) Über die öffentliche Wiedergabe eines Kunstwerkes in einer Fernsehserie hatte der Second Circuit 1997 in Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc.367 zu entscheiden. Die Reproduktion des Werkes »Church Picnic«, ein »painted story quilt« der Künstlerin Faith Ringgold, war in Gestalt eines Posters zur Dekoration des Filmsets verwendet und mehrfach eingeblendet worden. Der auf dem Poster aufgebrachte copyright-Vermerk der Künstlerin war für den Fernsehzuschauer nicht erkennbar. Das Original, offenbar ein Unikat, befindet sich im Eigentum des High Museum of Art in Atlanta, das zeitweise über eine Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von Postern verfügte. Vermutlich wurde eines der Poster für die Filmaufnahmen genutzt. Der District Court stufte die Einblendungen des Werkes als fair ein. Da das im Hintergrund eingeblendete Werk nicht speziell zu dem Zweck eingesetzt worden sei, Zuschauer für die Episode zu gewinnen, hielt das Gericht die Kommerzialität der Nutzung für unschädlich. Zudem stellten die beiläufigen, flüchtigen Wiedergaben keinen Ersatz für das Original dar und konkurrierten nicht mit diesem.368 b) Der Second Circuit hob das Urteil auf und verneinte die Voraussetzungen einer fairen Nutzung. Bei der Analyse des ersten Faktors nahm das Gericht ausführlich dazu Stellung, ob die Wiedergabe des Kunstwerkes im Rahmen eines Filmwerkes transformativ sei und das Original ersetze. Es stellte fest, dass die Nutzung des Werkes als Teil des Filmsets nicht ansatzweise unter einen der in der Präambel genannten Zwecke falle und in keiner Hinsicht transformativ sei.369 Die Beklagten hätten Ringgolds Werk vielmehr zu einem Zweck verwendet, zu dem es hauptsächlich geschaffen worden sei, nämlich zum Zweck der Dekoration. Die Nutzung habe dem Werk auch nichts Neues hinzugefügt; in gleicher Weise wie der Käufer eines Posters seine Wohnung schmücken wolle, hätten die Beklagten es eingesetzt, um das Filmset für Fernsehzuschauer ansprechender zu gestalten.370 Darüber hinaus warnte der Second Circuit davor, bei der Prüfung, ob ein Kunstwerk durch den Gebrauch in filmischen Werken funktionell »ersetzt« werde, zu enge Vergleiche mit der Nutzung von Schriftwerken zu ziehen. 367 126 F.3d 70 (2nd Cir. 1997). 368 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 1996 U.S. Dist. LEXIS 13778, *10 (S.D. N.Y. 1996). Unter diesem Gesichtspunkt hatte der District Court den fair use-Einwand auch im Fall Amsinck v. RCA/Columbia Pictures Industries, Inc., 862 F.Supp. 1044, 1048 f. (S.D. N.Y. 1994), für berechtigt gehalten. 369 Vgl. hingegen Sandoval v. New Line Cinema Corp., 973 F.Supp. 409, 413 (S.D. N.Y. 1997): Hier hielt das Gericht die Verwendung von Fotografien als Teil eines Filmsets für transformativ, weil die Werke zur Förderung einer dem Film eigenen speziellen Ästhetik und Stimmung eingesetzt worden seien. In der zweiten Instanz verneinte der Second Circuit aufgrund der fehlenden Identifizierbarkeit der Fotografien bereits eine Urheberrechtsverletzung; Sandoval v. New Line Cinema Corp., 147 F.3d 215, 217 f. (2nd Cir. 1998). 370 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 79 (2nd Cir. 1997).
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
369
Bücher und andere Schriftwerke würden in der Regel nur einmal gelesen. Eine weitgehende und unkommentierte Wiedergabe eines Textes in einem anderen Werk, die nur dazu diene, den Originaltext für Leser verfügbar zu machen, könne das Erstwerk daher am Markt verdrängen. Im Gegensatz dazu würden visuelle Werke üblicherweise für eine wiederholte Betrachtung geschaffen, verkauft und lizenziert. Die streitgegenständliche Serien-Episode verringere daher nicht den Wunsch eines Zuschauers, das Poster oder das Original immer wieder aufs Neue anzusehen, und stelle auch keinen geeigneten Ersatz für das Werk selbst dar. Dieser Umstand führe jedoch nicht dazu, dass Art und Zweck der streitigen Nutzung für fair use sprächen. Zwar verstärke die unautorisierte Präsentation eines visuellen Werkes oftmals den Wunsch des Betrachters, das Werk erneut zu sehen. Trotzdem habe die streitgegenständliche Nutzung den gleichen dekorativen Zweck verfolgt wie der Verkauf des Posters und damit die »Zwecke« des Originals ersetzt.371 Sodann führte das Gericht Beispiele für die Wiedergabe eines visuellen Werkes in einer Fernsehsendung an, die in hohem Maße für eine faire Nutzung sprechen könnten: »If a TV news program produced a feature on Faith Ringgold and included camera shots of her story quilts, the case for a fair use defense would be very strong. The same would be true of a news feature on the High Museum that included a shot of ›Church Picnic‹«.372 Der Second Circuit hielt somit die Wiedergabe eines Kunstwerkes im Rahmen der Berichterstattung über einen Künstler oder ein Museum tendenziell für fair, ohne diese Auffassung ausdrücklich mit dem informativen oder edukativen Charakter der Nutzung zu begründen. Er betonte jedoch zugleich, dass Nutzungen zu den genannten Zwecken nicht zwingend fair seien: Gegen fair use spreche beispielsweise eine vollständige frontale Einblendung des Werkes in einer Fernsehsendung, die es dem Zuschauer erlaube, die Sendung aufzuzeichnen und mit Hilfe digitaler Fototechnik eine Kopie des Werkes in Postergröße zu erstellen.373 c) Der zweite Faktor sprach ebenfalls gegen die Nutzung, da die Filmproduzenten ein eindeutig kreatives Werk genutzt hatten.374 Den dritten Faktor bewertete der Second Circuit mit dem District Court grundsätzlich zu Gunsten der Beklagten, weil das Werk lediglich in kurzen Intervallen und zum Teil nur in Ausschnitten eingeblendet worden war.375 Er gab aber zu bedenken, dass der 371 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 79 (2nd Cir. 1997). Vgl. dazu Elvis Presley Enterprises, Inc. v. Passport Video, 349 F.2d. 622, 629 (9th Cir. 2003), zur Nutzung geschützten Videomaterials in einer Filmbiografie über Elvis. 372 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 79 (2nd Cir. 1997). 373 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 79 (2nd Cir. 1997). 374 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 80 (2nd Cir. 1997). 375 Zu der – der fair use-Prüfung vorangegangenen – »de minimis«-Prüfung des Gerichts s. Riecken, S. 24.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Umstand, dass ein visuelles Werk bei der Wiedergabe als Teil eines anderen visuellen Werkes nur geringfügig genutzt werde, nicht ohne Weiteres zu Gunsten von fair use spreche. Dies gelte vor allem dann, wenn die konkrete Verwendung nicht den typischen fair use-Zwecken diene und den Markt für lizenzierte Zweitnutzungen beeinträchtige.376 d) Im Mittelpunkt der Prüfung des vierten Faktors stand die Frage, ob ein anerkennenswerter Zweitmarkt für die Nutzung von Ringgolds Werken in Filmen existierte. Ringgold hatte vorgetragen, allein im Jahr 1995 31.500 US-Dollar an Lizenzgebühren eingenommen zu haben und regelmäßig Anfragen für die Verwendung ihrer Werke in Film- und Fernsehproduktionen zu erhalten. Ein konkretes Angebot für die Nutzung von »Church Picnic« in einer anderen Fernsehserie habe sie aufgrund unakzeptabler Konditionen abgelehnt.377 Der Second Circuit warnte insoweit vor einem Zirkelschluss bei vorschneller Annahme eines Zweitmarktes; der vierte Faktor spreche nur dann zu Gunsten der Künstlerin, wenn derartige Nutzungen einen »traditional, reasonable, or likely to develop market« darstellten.378 Für eine diesbezügliche Beweisaufnahme verwies er den Rechtsstreit an den District Court zurück.379
8.
Kelly v. Arriba Soft Corp. (2003) und Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc. (2007)
a) Im Jahr 2003 hatte der Ninth Circuit in Kelly v. Arriba Soft Corp.380 über die Zulässigkeit der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken in Internetsuchmaschinen zu entscheiden. Der Fotograf Leslie A. Kelly unterhielt eine Webseite, auf der seine Werke frei einsehbar waren. Arriba verkleinerte die Werke auf thumbnail-Größe und speicherte sie in ihrer Datenbank, um sie im Rahmen einer Bildersuche eines Internetnutzers wiederzugeben. aa) Zum ersten Faktor konstatierte das Gericht zunächst, dass die von Arriba betriebene Webseite und Suchmaschine unstreitig kommerzielle Zwecke verfolge. Die Art der Nutzung sei jedoch beiläufiger und weniger »ausbeuterisch« als bei traditionelleren Arten kommerzieller Verwertungen. Arriba habe Kellys Fotografien weder direkt zur Werbung für die Webseite benutzt noch versucht, 376 377 378 379
Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 80 (2nd Cir. 1997). Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997). Vgl. oben S. 350 f. Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 81 (2nd Cir. 1997). Es erstaunt, dass sich das Gericht bei dieser Sachlage außer Stande sah zu beurteilen, ob ein entsprechender Zweitmarkt der Klägerin anzuerkennen war, zumal es zuvor mit gewisser Vehemenz festgestellt hatte, dass eine nicht-transformative Nutzung eines Kunstwerkes zu rein dekorativen Zwecken mit Substitionswirkung vorlag. 380 336 F.3d 811 (9th Cir. 2003).
Fair use in § 107 C.A. 1976 als zentrale Schrankenregelung
371
die Werke zu verkaufen. Stattdessen hätten sich die Fotografien unter tausenden anderer Bilder in der Datenbank der Suchmaschine befunden.381 Die kommerzielle Natur der Nutzung sprach daher nur leicht gegen fair use.382 Das Gericht stufte die Nutzung ferner als transformativ ein, weil sie einem vollkommen neuen Zweck diene. Während die künstlerischen Fotografien ursprünglich geschaffen worden seien, um dem Betrachter Informationen und ästhetische Erfahrungen zu vermitteln, verfolge die Wiedergabe in Verbindung mit der Suchmaschinenfunktion keinerlei ästhetische Ziele. Die Werke würden vielmehr genutzt, um den Zugang zu Bildern im Internet zu verbessern; sie dienten in diesem neuen Kontext primär als Informationsquelle.383 Da die Fotografien stark verkleinert und in geringer Auflösung wiedergegeben wurden, hielt das Gericht es ferner für unwahrscheinlich, dass Internetnutzer die thumbnails vergrößerten und für illustrative oder ästhetische Zwecke einsetzten und die ursprüngliche Nutzung dadurch verdrängt werde.384 Es stützte seine Feststellungen zur Transformativität wesentlich auf die Entscheidung in NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp.385 Insgesamt bewertete es den ersten Faktor angesichts des Nutzens der Suchmaschine für die Öffentlichkeit und des minimalen Verlusts an (Werk-) Integrität für Kellys Bilder als fair.386 bb) Der zweite Faktor sprach nur leicht gegen die Nutzung, da Arriba zwar kreative Werke verwertet hatte, diese jedoch zuvor auf Kellys Webseite veröffentlicht worden waren.387 Den dritten Faktor betrachtete das Gericht als neutral, da es das Ausmaß der Nutzung im Verhältnis zum Nutzungszweck für gerechtfertigt hielt. Die vollständige Wiedergabe sei erforderlich gewesen, um die Erkennbarkeit der Bilder zu gewährleisten; eine lediglich teilweise Wiedergabe hätte den funktionellen Nutzen der Suchmaschine verringert.388 cc) Beim vierten Faktor diskutierte das Gericht, ob die Wiedergabe von Kellys Werken im thumbnail-Format dem potentiellen Markt für die Originalfotografien oder für lizenzierte Nutzungen der Werke schade. Dabei wies es unter Bezugnahme auf Campbell darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit eines 381 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 818 (9th Cir. 2003). 382 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 818 (9th Cir. 2003). 383 Kritisch dazu Patry, § 3:9, S. 121 f. Fn. 39: Die unkommentierte Wiedergabe in Suchmaschinen ermögliche letztlich die Nutzung des Originals und diene damit dessen ursprünglichem Zweck. So auch die erste, später teilweise aufgehobene Entscheidung des Ninth Circuit, Kelly v. Arriba Soft Corp., 280 F.3d 934, 947 f. (9th Cir. 2002); zur Teilaufhebung des Urteils s. Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3 811 (9th Cir. 2003) = 2003 U.S. App. LEXIS 13557; Pessach, J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 272 Fn. 72. 384 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 818 f. (9th Cir. 2003). 385 Vgl. oben S. 360. 386 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 820 (9th Cir. 2003). 387 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 820 (9th Cir. 2003). 388 Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 820 f. (9th Cir. 2003).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Marktschadens für das Original bei transformativen Werken geringer sei als bei Werken, die das geschützte Erstwerk schlicht ersetzten.389 Einen potentiellen Marktschaden verneinte das Gericht zunächst mit Blick auf die Originalfotografien auf Kellys Internetseite. Die thumbnails stellten aufgrund ihrer geringen Größe und Qualität keinen Ersatz für die Fotografien dar. Um eine hochwertige Version eines Bildes anzusehen oder herunterzuladen, müsse ein Nutzer stets Kellys Internetseite besuchen, auf die ihn die Bildersuche führe. An dieser Feststellung ändere sich auch nichts, wenn thumbnail-Nutzungen sich weiter verbreiteten und in anderen Suchmaschinen verwendet würden. In einer Fußnote stellte das Gericht vorsorglich klar, dass eine mutmaßliche Urheberrechtsverletzung nicht durch die schlechte Qualität der Reproduktion entschuldigt werden könne. Im vorliegenden Fall sei es jedoch extrem unwahrscheinlich, dass Internetnutzer die thumbnails zum Zwecke der Betrachtung herunterladen würden, da die erstklassigen Originale in voller Größe auf Kellys Website zugänglich seien. Zusätzlich merkte das Gericht an: »[W]e note that in the unique context of photographic images, the quality of the reproduction may matter more than in other fields of creative endeavor. The appearance of photographic images accounts for virtually their entire aesthetic value«.390 dd) Auch der potentielle Markt für den Verkauf und die Lizenzierung der Fotografien nahm nach Auffassung des Gerichts keinen Schaden. Die thumbnails könnten aufgrund ihrer geringen Auflösung nicht ohne erheblichen Qualitätsverlust auf das Originalformat vergrößert werden. Niemand, der die Bilder heruntergeladen habe, sei in der Lage, mit den Originalen konkurrierende, klare Bilder herzustellen und zu verkaufen. Nachdem das Gericht keinen Marktschaden zu erkennen vermochte, bewertete es den vierten Faktor positiv.391 Da der erste und vierte Faktor für fair use sprachen, der dritte Faktor neutral und der zweite leicht negativ beurteilt wurde, fiel die Gesamtabwägung zu Gunsten von fair use aus.392 b) Seine in Kelly vertretene Auffassung bekräftigte der Ninth Circuit einige Jahre später in Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc.393 Im Unterschied zu Kelly ging es hier um erotische Fotografien, die von der Klägerin gegen Bezahlung zugänglich gemacht wurden, d. h. nicht frei abrufbar waren. Einige WebseitenBetreiber stellten Bilder, die von Perfect 10 stammten, später ohne Erlaubnis frei ins Internet. Dort erst wurden sie von Googles Suchmaschine erfasst und im thumbnail-Format wiedergegeben. Zudem hatte die Klägerin den Verkauf und Vertrieb der Fotografien in verkleinerter Form zum Gebrauch auf Mobiltelefo389 390 391 392 393
Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 821 (9th Cir. 2003). Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 821 (9th Cir. 2003). Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 821 f. (9th Cir. 2003). Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811, 822 (9th Cir. 2003). 508 F.3d 1146 (9th Cir. 2007).
Nutzung von Kunstwerken zur Verkaufswerbung
373
nen lizenziert. Die von der Beklagten zum Zweck der Bildersuche hergestellten thumbnails konkurrierten potentiell mit dieser Zweitnutzung, so dass die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin durch die unautorisierte Verwertung, anders als in Kelly, deutlich betroffen waren. Der District Court for the Central District of California hatte die Nutzung daher erstinstanzlich als überwiegend superseding eingestuft.394 Trotzdem hielt der Ninth Circuit die Zugänglichmachung der thumbnails auch in diesem Fall für fair und stützte dies erneut auf den hochgradig transformativen Charakter der Nutzung. Zwar räumte er zum vierten Faktor ein, dass der Markt für den Vertrieb verkleinerter Fotografien beeinträchtigt werden könne. Ein Schaden für den Zweitmarkt könne allerdings nicht ohne Weiteres vermutet werden, weil die Nutzung transformativ sei. Da erstinstanzlich nicht festgestellt worden sei, dass die bei der Google-Bildersuche erscheinenden thumbnail-Bilder tatsächlich für die Nutzung in Mobiltelefonen kopiert worden seien, bleibe eine potentielle Beeinträchtigung »hypothetisch«.395 Das Gericht entschied daher, dass der vierte Faktor weder die eine noch die andere Partei begünstige, und beurteilte die Nutzung insgesamt als fair.396
D.
Nutzung von Kunstwerken durch den Kunsthandel zur Verkaufswerbung
In diesem Kapitel soll untersucht werden, ob die von § 58 Abs. 1 UrhG freigestellte Nutzung von Kunstwerken zur Verkaufswerbung auch nach US-amerikanischem Recht zulässig ist. Da keine Schrankenregelungen existieren, die vergleichbare Nutzungen explizit gestatten,397 beurteilt sich die Zulässigkeit von Werkwiedergaben zu Werbezwecken nach den allgemeinen Grundsätzen des fair use. Soweit ersichtlich, sind – mit Ausnahme von Basquiat v. Baghoomian398 – noch keine fair use-Urteile ergangen, die sich speziell mit Bildnutzungen von Werken durch den Kunsthandel auseinandersetzen. Bei der Prüfung werden daher die in Abschnitt C.V dargestellten Urteile zur Nutzung von visuellen Werken herangezogen, auf die ein US-amerikanisches Gericht seine fair use394 416 F.Supp.2d 828, 849 (C.D. Cal. 2006); vgl. Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1165 f. (9th Cir. 2007). Zum erstinstanzlichen Urteil in dieser Sache s. auch Ott, ZUM 2007, 119, 122 ff. 395 Streng genommen hätte das Gericht den Beweis eines Schadenseintritts jedoch nicht fordern dürfen, sondern lediglich prüfen müssen, ob der District Court zutreffend die Wahrscheinlichkeit eines Schadens für den Zweitmarkt angenommen hatte und ob diese durch geeignete Beweise der insoweit beweisbelasteten Beklagten widerlegt werden konnten; vgl. oben S. 347 f. 396 Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1168 (9th Cir. 2007). 397 S. oben S. 323 f. 398 S. oben S. 354 ff.
374
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Analyse maßgeblich stützen könnte. Der folgende Abschnitt befasst sich zunächst mit der Werknutzung zur Werbung für Auktionen. Im Anschluss wird auf Werbenutzungen durch den sonstigen Kunsthandel eingegangen (unten II). Da die fair use-Analyse stark einzelfallbezogen ist, können dabei nur vergleichweise allgemeine Betrachtungen für einige ausgewählte, typische Nutzungen angestellt werden.
I.
Nutzung zur Werbung für Auktionen
1.
Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte
a) Die folgende Untersuchung beschränkt sich in Anlehnung an § 58 UrhG auf die Verwertung von Werken der bildenden und angewandten Kunst sowie von Lichtbildwerken. Die Prüfung konzentriert sich exemplarisch auf vier gängige Formen der Verkaufswerbung399 : den Printkatalog, das Schalten von Anzeigen in Printmedien, die Präsentation von Werken auf der Internetseite des Auktionshauses und den Versand von Newslettern per E-Mail mit einer kleinen Auswahl von zur Versteigerung bestimmten Werken.400 Bei der Untersuchung dieser Nutzungen wird unterstellt, dass ein Auktionshaus für die Wiedergabe in Katalogen, Anzeigen und im Internet jeweils eine fotografische Abbildung des vollständigen Werkes verwendet, die das Werk farbig und in guter Bildauflösung wiedergibt. Weiter wird unterstellt, dass Print- und Online-Kataloge – neben Los- und Auktionsnummer und Angabe des Schätzpreises – wie üblich gewisse Informationen zum jeweiligen Werk enthalten.401 Kunstvermittelnde Ausführungen fehlen dagegen in aller Regel. b) Werkwiedergaben in Printkatalogen und -anzeigen und der Vertrieb dieser Werbemittel betreffen das Vervielfältigungs-402 und ggf. das Bearbeitungsrecht403 sowie das Verbreitungsrecht404 des Rechtsinhabers. Auch der Versand von digitalisierten Werkabbildungen per E-Mail sowie die Speicherung entsprechender Bilddaten auf einem Internetserver sind mit Vervielfältigungen verbun399 Dabei wird das gleiche enge Begriffsverständnis zugrunde gelegt wie für § 58 Abs. 1 UrhG (s. oben S. 157 ff.). Nicht zur Verkaufswerbung im engeren Sinne zählen daher von Auktionshäusern herausgegebene Magazine oder Publikationen, die die jährlichen Auktionsergebnisse zusammenfassen und in erster Linie der Eigenwerbung dienen. 400 Die – ebenfalls werbende – Zurschaustellung der Originale im Rahmen einer vom Eigentümer des Werkstücks gestatteten Vorbesichtigung ist durch § 109(c) C.A. 1976 gedeckt; vgl. oben S. 321. 401 Vgl. oben S. 44 f. 402 S. oben S. 319. 403 S. oben S. 319. 404 S. oben S. 319 f.
Nutzung von Kunstwerken zur Verkaufswerbung
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den.405 Durch die Ermöglichung des Aufrufs von Werken auf einer Internetseite wird zudem das Recht zur öffentlichen Zurschaustellung berührt.406 2.
Fair use-Prüfung
a) »Purpose and character of the use« Auktionskataloge dienen, wie elektronische Newsletter oder Anzeigen, der kommerziellen Werbung für künftige Versteigerungen. Während Newsletter und Anzeigen die Veranstaltung einem potentiellen Publikum ankündigen sollen, liegt der weitergehende Zweck von Auktionskatalogen darin, einen bereits interessierten Käuferkreis über das Auktionsangebot, d. h. über alle angebotenen Werke und deren Eigenschaften zu informieren.407 Die Werkabbildungen im Katalog sind damit weniger ein Mittel zur Bekanntmachung der Veranstaltung als solcher ; sie werben vielmehr mit den notwendigen Informationen für die einzelnen Lose und stellen damit zugleich eine praktisch unerlässliche Vorbereitungshandlung für den öffentlichen Verkauf der Werkexemplare dar. Die Werbung für den Verkauf von Kunstgegenständen im Rahmen einer Versteigerung fällt zunächst unter keinen der in der Präambel genannten Nutzungszwecke, die tendenziell als fair gelten. Zwar sind die Werkabbildungen insbesondere im Print- oder e-Katalog mit Daten versehen, die das Werk näher kennzeichnen und deren Zusammenstellung kunsthistorische Kenntnisse und Recherchen voraussetzen mag. Die üblichen Kataloginformationen genügen jedoch selbst bei wohlwollender Betrachtung nicht, um die Nutzung den Kategorien »scholarship«, »research«, »comment« oder »criticism« zuzuordnen. Sie verfolgen insbesondere nicht den Zweck, den Leser kunstwissenschaftlich zu bilden,408 die Werke zu erläutern oder (gar im negativen Sinne) zu kommentieren.409 Werkabbildungen und nebenstehende Angaben dienen lediglich der Information potentieller Käufer über die wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Objekts, d. h. seinen physischen Zustand sowie sonstige wertbildende Faktoren. Die Kataloge kommen damit ausschließlich den an der Auktion beteiligten Parteien zugute und dienen keinem breiteren öffentlichen Interesse.410 405 Die elektronische Übertragung eines Werkes von einem Computer auf einen anderen per Email wird auch im US-amerik. Urheberrecht als Anfertigung einer Kopie verstanden; vgl. Lowry’s Reports, Inc. v. Legg Mason, Inc., 271 F.Supp.2d 737, 745 (D. Md. 2003). 406 S. oben S. 320. Zur Verletzung des Rechts auf öffentliche Zurschaustellung durch die Wiedergabe eines Werkes im Internet s. Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc., 508 F.3d 1146, 1159 f. (9th Cir. 2007). 407 Zu dieser »Doppelfunktion« der Verkaufswerbung mit Kunstwerken vgl. oben S. 153 f. 408 Vgl. Prengel, S. 142. 409 Vgl. Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 312. 410 Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 312.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Die werbende Ankündigung einer Auktion, die Wochen und Monate im Voraus erfolgt, fällt auch nicht etwa unter die Kategorie des »news reporting« im Sinne der Tagesberichterstattung. aa) Transformativität Wie oben dargelegt, prüfen die Gerichte jedoch nicht nur, ob die Verwertung einem der gesetzlich erwähnten Nutzungszwecke dient, sondern auch, ob die Nutzung als transformative oder superseding anzusehen ist.411 Hierfür genügt es nicht, dass ein Werk in ein anderes Format oder eine andere Dimension übertragen wird, wie es bei der fotografischen Wiedergabe von zwei- und dreidimensionalen Kunstwerken stets der Fall ist; vielmehr muss das Erstwerk mit neuem Ausdruck, neuer Bedeutung oder Botschaft versehen werden.412 Nachdem die unveränderte Werkwiedergabe in Katalogen und anderem Werbematerial keinen »kreativen« Mehrwert aufweist, fragt sich, ob ihr Werbe- und/oder Informationszweck als transformativ beurteilt werden können. (1) Kommerzielle Werbung für das Werkoriginal (a) Soweit ersichtlich, hat sich die Rechtsprechung noch nicht näher mit der Frage beschäftigt, ob die Wiedergabe eines Kunstwerkes zur Werbung für seinen Verkauf transformativ bzw. fair sein kann. Die ältere Entscheidung Basquiat v. Baghoomian413, in der keine abschließenden Feststellungen zur fair use-Problematik getroffen wurden, bewertete Abbildungen in einem kommerziell vertriebenen Galeriekatalog zu einer Ausstellung tendenziell negativ. Die übrige Rechtsprechung zur Nutzung von künstlerischen bzw. visuellen Werken zu Werbezwecken lässt sich auf die besondere Situation des Kunsthandels nicht unmittelbar übertragen. Sie befasst sich überwiegend mit dem Fall, dass ein geschütztes Werk wiedergegeben wird, um für ein anderes, in der Regel kunstfernes Produkt zu werben.414 Derartige Verwertungen sprechen aufgrund ihrer stark kommerziellen Zielrichtung tendenziell gegen fair use.415 411 412 413 414
S. oben S. 331 ff. S. oben S. 333 ff. S. oben S. 354 ff. Vgl. die Übersicht bei Patry, Fair Use, §§ 3:17 – 3:24, S. 135 – 149; s. etwa Gregerson v. Vilana Financial, Inc., 446 F.Supp.2d 1053 (D. Minn. 2006). 415 Vgl. Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S. 569, 585 (1994); Meeropol v. Nizer, 560 F.2d 1061, 1071 (2nd Cir. 1977). Die Rechtsprechung hat derartige Nutzungen gleichwohl unter dem Aspekt der vergleichenden Werbung oder der Parodie des Erstwerkes im Einzelfall für zulässig gehalten; vgl. Patry, Fair Use, § 3:19, S. 138 – 142; §§ 3:20 – 3:24, S. 142 – 149 m.w. N. Im Bereich der Appropriation Art gibt es wiederum Fälle, in denen ein Kunstwerk zur Schaffung eines neuen Werkes genutzt wurde, welches wiederum durch eine Galerie vermarktet wurde. Der Aspekt, dass das vervielfältigte bzw. bearbeitete Erstwerk (in Gestalt des Zweitwerkes) zur kommerziellen Werbung eingesetzt wurde, erfuhr dabei eine
Nutzung von Kunstwerken zur Verkaufswerbung
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(b) Daneben hatten die Gerichte vereinzelt über Sachverhalte zu entscheiden, in denen mit einem geschützten Werk bzw. Produkt für den Absatz von Vervielfältigungsstücken geworben wurde; die Werbung wurde jedoch nicht durch den Eigentümer bzw. Hersteller der Werkexemplare, sondern jeweils durch ein anderes Unternehmen vorgenommen.416 Daher lagen konkurrierende Werbenutzungen vor. In einem Verfahren der letzten Kategorie, Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., befasste sich der Third Circuit mit dem werbenden und informativen Charakter einer Nutzung. Video Pipeline hatte aus Ausschnitten von Spielfilmen »clip previews« hergestellt und in eine OnlineDatenbank eingespeist. Die Kunden von Video Pipeline, Vertreiber von Videofilmen, profitierten davon, dass die Werbe-Clips von Besuchern ihrer eigenen Webseiten aufgerufen und als Stream angesehen werden konnten. Die Inhaberin der Filmrechte, die selber ähnliche Werbe-Trailer erstellte und nutzte, klagte wegen der Verletzung ihres copyright an den Filmwerken. Video Pipeline argumentierte, die Filmvorschauen dienten, anders als die Originale, nicht ästhetischen und unterhaltenden Zwecken, sondern nur der Information über die Filme sowie der Werbung für die Internetseiten ihrer Kunden.417 Der Third Circuit hingegen war skeptisch, ob eine nicht-kreative Nutzung zur Werbung für das Original zu denjenigen Tätigkeiten zähle, die von der fair use-Doktrin anerkannt werden sollten.418 Diese Frage ließ er im Ergebnis offen, weil die clip previews direkt mit den Filmtrailern der Rechteinhaber konkurrierten und daher jedenfalls eine Form von superseding use darstellten.419 Da die Filmwerke auch nicht, wie z. B. in einer Rezension, kommentiert und kritisiert wurden, verneinte der Third Circuit die Transformativität der Nutzung und stellte fest, der erste Faktor spreche stark gegen fair use.420
416 417 418
419 420
negative Bewertung; vgl. Cariou v. Prince, 2011 U.S. Dist. LEXIS 29070 *26 (S.D. N.Y.); Ferrata v. Rivera Castro, 888 F.Supp. 33 (S.D. N.Y. 1995). Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 342 F.3d 191 (3rd Cir. 2003); S& L Vitamins, Inc. v. Australian Gold, Inc., 521 F.Supp.2d 188 (E.D. N.Y. 2007); vgl. auch DC Comics Inc. v. Reel Fantasy, Inc., 696 F.2d 24 (2nd Cir. 1982). Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 342 F.3d 191, 198 (3rd Cir. 2003). »[I]t is not clear to us that the use of a copy – not accompanied by any creative expression on the part of the copier – as an advertisement for the original would qualify as a type of use intended to be recognized by the fair use doctrine«; Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 342 F.3d 191, 198 Fn. 5 (3rd Cir. 2003). »Whatever informational or promotional character and purpose the trailers possess, so do the clip previews«; Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 342 F.3d 191, 199 (3rd Cir. 2003). Video Pipeline, Inc. v. Buena Vista Home Entertainment, Inc., 342 F.3d 191, 200 (3rd Cir. 2003).
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
(c) Nachdem sich der Third Circuit einer abschließenden Bewertung des Werbezwecks enthalten hat, bleibt zweifelhaft, ob Nutzungen zur Werbung für das Werkoriginal transformativ sein können. Zu Gunsten von Werbemaßnahmen von Auktionshäusern ließe sich anführen, dass sie, anders als im Fall Video Pipeline, exklusiv dem Absatz eines einzelnen Werkstückes dienen; sie stellen in der Regel auch keine eigenständige Quelle der Gewinnerzielung dar. Berücksichtigt man jedoch, dass die Werke weder kreativ verändert noch kommentiert werden, müsste die Transformativität von Nutzungen zur reinen Werbung ebenfalls verneint werden. Ein anderes Ergebnis ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn man mit jüngeren fair use-Urteilen wie Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd.421 den Aspekt der visuellen Information in den Vordergrund stellt. (2) Informationswert versus Substitutionspotential Fraglich ist, ob die Werknutzung im Licht der jüngeren fair use-Rechtsprechung unter dem Aspekt der Information von Kaufinteressenten als transformativ betrachtet werden kann. (a) Print- und Online-Kataloge (aa) Auktionshäuser könnten, ähnlich wie Video Pipeline, argumentieren, die abgebildeten Werke dienten – eingebettet in einen Print- oder e-Katalog – primär als »Informationsträger« und würden auf diese Weise einem neuen, nützlichen Zweck zugeführt, von dem jedenfalls die an der Auktion interessierten Kreise der Öffentlichkeit profitierten. Denkbar ist, dass sich die Unternehmen insoweit auf die Entscheidungen Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd.422 und Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd.423 berufen. Vergleichbar mit dem »Collector’s Guide« in Ty, der sich an Sammler von Beanie Babies-Puppen richtete, stellen Auktionskataloge für potentielle Käufer eine zentrale Informationsquelle und Orientierungshilfe bei der Kaufentscheidung dar. Den fotografischen Reproduktionen, die Aufschluss über die visuellen Eigenschaften der häufig hochpreisigen Kunstwerke geben sollen, kommt große praktische Bedeutung zu. Den informativen, illustrativen Charakter der Werkabbildungen würdigte auch der Second Circuit in Bill Graham Archives, obgleich die dort verwerteten Konzertposter nicht einmal mit erläuterndem Text versehen waren. Ferner könnten Auktionshäuser die Argumentation des Ninth Circuit in Kelly v. Arriba Soft Corp.424 und Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc.425 bemühen. Das 421 422 423 424 425
448 F.3d 605 (2nd Cir. 2006); s. oben S. 365 ff. 292 F.3d 512 (7th Cir. 2002); s. oben S. 362 ff. 448 F.3d 605 (2nd Cir. 2006); s. oben S. 365 ff. 336 F.3d 811 (9th Cir. 2003); s. oben S. 370 ff. 508 F.3d 1146 (9th Cir. 2007); s. oben S. 372 f.
Nutzung von Kunstwerken zur Verkaufswerbung
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Gericht hatte darin die Nützlichkeit der Wiedergaben stark verkleinerter (visueller) Werke in Internetsuchmaschinen betont und die Nutzung als transformativ eingestuft. Dabei berief es sich u. a. auf das Urteil NfflÇez v. Caribbean Intern. News Corp.426, in dem der First Circuit die Abbildung einer (Portrait-) Fotografie in einer Zeitung damit gerechtfertigt hatte, sie sei dadurch zu einer »Nachricht« erhoben und mit neuer Bedeutung versehen worden. Entsprechend könnten Auktionshäuser vorbringen, die Kunstwerke würden im Katalog nicht zu ihrem ursprünglichen Zweck – der Vermittlung einer künstlerischen Position und des ästhetischen Werkgenusses – , sondern allein als »Ware« abgebildet, die zum Zweck des Verkaufs so genau wie möglich beschrieben werden müsse. (bb) Allerdings unterscheidet sich die Werkwiedergabe in Auktionskatalogen in wichtigen Punkten von den Sachverhalten in den soeben genannten Verfahren. So wurden in Kelly, NfflÇez und Bill Graham Archives zum Teil stark verkleinerte und qualitativ geringwertige Vervielfältigungen genutzt. Der Second Circuit hob in Kelly hervor, dass die thumbnail-großen Reproduktionen aufgrund ihres Formates und ihrer geringen Auflösung nicht mit den Originalen konkurrierten.427 Ähnlich argumentierte der First Circuit in NfflÇez.428 In Bill Graham Archives stellte auch der Seventh Circuit zur Begründung der Transformativität auf die Größenreduzierung ab, die den künstlerischen Ausdruck der Konzertposter minimiere und ihren Charakter als »historische Artefakte« unterstreiche.429 Im Gegensatz dazu werden Kunstwerke in Auktionskatalogen zwar zwangsläufig verkleinert, aber in einer Größe und Qualität abgebildet, die die optischen Eigenschaften der Originale gut erkennen lassen. Darüber hinaus werden Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke, anders als Konzertposter, Spielzeugpuppen oder Portraitaufnahmen für ein Portfolio, typischerweise einer Zweitverwertung durch Reproduktionen zugeführt, die den gleichen Zweck wie die Originale – den Werkgenuss – ermöglichen sollen. Abhängig von Format und Bildauflösung können auch die gängigen Katalogbilder Darstellungen in Kunstbüchern entsprechen. Dies gilt vor allem für größere ganzseitige Wiedergaben eines Werkes, während bei Abbildungen von mehreren stärker verkleinerten Werken auf einer Katalogseite der Kunstgenuss deutlicher zurücktritt. Da bei der fair use-Prüfung jedoch die Eigenschaften der konkreten Wiedergabe und weniger das Wiedergabemedium und dessen Zielgruppe in den
426 235 F.3d 18 (1st Cir. 2000); s. oben S. 360 ff. 427 S. oben S. 371 f.; vgl. auch Baraban v. Time Warner, Inc., 2000 U.S. Dist. LEXIS 4447, *12, 13 (S.D. N.Y. 2000); dazu oben Fn. 239. 428 S. oben S. 361. 429 S. oben S. 366 f. Umgekehrt beurteilte zumindest der District Court in Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd. die Katalogbilder der Spielzeugpuppen aufgrund ihrer hohen kommerziellen Qualität als nicht-transformativ ; s. oben S. 364.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Blick genommen werden,430 könnte ein Gericht auch weniger exponierte, aber qualitativ ansprechende Werkdarstellungen in Bildpostkartengröße in einem Katalog missbilligen, weil ein Katalogbesitzer vom Erwerb vergleichbarer Reproduktionen absehen könnte. Auch in Internetkataloge werden Vervielfältigungen in ansprechender Qualität und Größe eingestellt. Diese – häufig durch Anklicken einer kleineren Bildversion abrufbaren – Katalogbilder können zum einen von jedermann online betrachtet werden. Der Umstand, dass damit eine (zunächst nur) flüchtige Nutzungsmöglichkeit eröffnet wird, die keine dauerhafte Speicherung des Werkstücks erfordert und keinen Ersatz für das Original darstellt, spricht dabei nicht unbedingt zu Gunsten der Verwertung. Wie der Second Circuit in Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc. hervorhob, sind Kunstwerke zwar für den wiederholten Werkgenuss bestimmt, der sich durch eine einmalige Wiedergabe nicht »erschöpft«; dennoch bewertete das Gericht Nutzungen, die den gleichen (»dekorativen«) Zweck wie das Originalkunstwerk verfolgen, kritisch.431 Zum anderen können Werke in Online-Katalogen auch vollständig heruntergeladen und gedruckt werden. Selbst wenn die Qualität solcher Ausdrucke begrenzt sein mag oder ein Downlaod bzw. Druck nur im »Katalog«-Layout, d. h. wie eine Katalogseite mit nebenstehendem Text möglich ist, wird so die Herstellung multipler Kopien ermöglicht. Wiedergaben, die die Anfertigung dekorativer Werkstücke zum Privatgebrauch gestatten, missbilligte der Second Circuit in Ringgold jedoch selbst für den Fall, dass sie der Information über den Künstler dienen.432 Zudem können heute auch kleinere und schwächer aufgelöste digitale Werkkopien auf elektronischen Medien wie Smartphones oder auf dem Computerbildschirm betrachtet werden.433 Die Gefahr, dass Werkwiedergaben in 430 S. oben S. 349. 431 Ringgold v. Black Entertainment Television, Inc., 126 F.3d 70, 79 (2nd Cir. 1997); s. oben S. 368 f. 432 S. oben S. 369. Anders als im deutschen Recht (vgl. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG) dürfte eine Privatkopie, sofern sie den Erwerb des Originals oder einer Vervielfältigung ersetzt, d. h. Substitutionswirkung hat, nach der fair use-Doktrin grundsätzlich unzulässig sein; vgl. Liepe, S. 213 – 215, zur privaten Vervielfältigung von Audio-CDs; Ullrich, GRUR Int. 2009, 283, 289 f.; a. A. Allan, U. Pa. L. Rev. 155 (2006 – 2007), 961, 986, für private Nutzungen von digitalen Werkabbildungen von Museumsobjekten, z. B. auf einer eigenen Webseite. 433 Der Markt für digitale Nutzungen von Kunstwerken wurde in den USA sehr viel früher erschlossen als in Europa; vgl. oben S. 49. So hatte etwa die Beklagte in Bridgeman Art Library, Ltd. v. Corel Corp., 25 F.Supp.2d 421 (S.D. N.Y. 1998), bestätigt durch 36 F.Supp.2d 191 (S.D. N.Y. 1999), CD-ROMs mit hunderten digitalen Abbildungen von Kunstwerken vertrieben. Diese waren zwar nur schwach aufgelöst, besaßen jedoch eine Qualität, die den Kunden von Corel elektronische Nutzungen am eigenen Computer ermöglichte; s. Tuchman, Col.-VLA J. L. & Arts 24 (2000 – 2001), 287, 306. Für grafischen Content allgemein betrug der Umsatz in den USA im Jahr 2004 rund 150 Mio. US-Dollar. Für das Jahr 2008 prognostizierte eine Studie des Marktforschungsinstituts IDC ein Marktvolumen für Handy-Logos, Bildschirmschoner und andere grafische Elemente von 1,1 Mrd. US-Dollar ;
Nutzung von Kunstwerken zur Verkaufswerbung
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Print- und Internetkatalogen mit derartigen Zweitnutzungen konkurrieren und diese im Sinne eines »superseding use« ersetzen, ist daher ungleich größer als bei den in Ty und Bill Graham Archives streitgegenständlichen Werkarten. (cc) Anders als in Ty liegt auch keine kommentierte Wiedergabe von Produkten »Dritter« vor, die der Orientierung von Sammlern dient; Auktionshäuser agieren bei der Erstellung der Kataloge im eigenen Interesse und desjenigen des Einlieferers. Der von Judge Posner unterstrichene öffentliche Nutzen durch eine kritische, unabhängige Bewertung434 entfällt somit. Im Gegensatz zu Bill Graham Archives illustrieren die Werkabbildungen auch nicht bestimmte kunstferne Ereignisse wie ein Konzert; sie repräsentieren schlicht das Original und ersetzen ortsabwesenden Kaufinteressenten ggf. dessen Vorbesichtigung. (dd) Richtigerweise wird man daher jedenfalls für Katalog- und Internetwiedergaben von höherer Qualität und ansprechender Größe zu dem Ergebnis kommen müssen, dass es sich – trotz (und gerade) aufgrund ihres visuellen Informationswertes für potentielle Käufer – weniger um transformative uses als vielmehr um superseding uses handelt, bei denen die in den o.g. Urteilen zur Begründung der Transformativität herangezogene starke Abschwächung des künstlerischen Ausdrucks durch die geringe Bildgröße und -qualität nicht gewährleistet ist.435 Eine transformative Nutzung kann allenfalls dann angenommen werden, wenn man den Informationswert der Wiedergabe, ähnlich wie in NfflÇez, Kelly oder Perfect 10, sowie die praktische Erleichterung des Verkaufs als besonders förderungswürdige »neue« Aspekte der Nutzung anerkennt436 und das verwendete Bildmaterial den Werkgenuss zusätzlich erheblich einschränkt. Stark größen- und qualitätsreduzierte Katalogbilder, z. B. stark verkleinerte, schwarzweiße Wiedergaben, sind jedoch in Printkatalogen eher die Ausnahme. Die im Internet, z. B. insbesondere in Werkübersichten von Online-Katalogen, verwendeten kleineren Bildversionen dienen zwar wiederum der Orientierung und Informationen der Kaufinteressenten, ermöglichen und bezwecken jedoch zugleich den Aufruf größerer Bildformate auf der Homepage des Auktionshauses. Auch hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Nutzungen in Kelly, NfflÇez und Bill Graham Archives. Insgesamt ist es somit eher unwahrwww.zdnet.de/39128275/usa-handy-logos-werden-milliarden-markt/ (21. 10. 2013). Vgl. auch Gütt, S. 11, zu Smartphone-Apps mit Bildergalerien bekannter Kunstwerke. 434 S. oben S. 362 f. 435 Vgl. Pessach, J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 273 f., 276, der angesichts der Urteile Kelly und Bill Graham Archives skeptisch ist, dass Nutzungen hochwertiger und vollständiger digitaler Vervielfältigungen durch Museen, z. B. für Online-Ausstellungen oder in einem CD-ROM-Katalog, als fair use anerkannt würden. 436 Vgl. dazu unten S. 384. Werknutzungen ohne informativen Bezug zu einer künftigen Auktion werden in keinem Fall als transformativ angesehen werden können. Hierzu zählen z. B. Publikationen oder Anzeigen mit lediglich »schmückenden« Werkdarstellungen, die die Auktionsergebnisse für diese Werke zum Zwecke der Eigenwerbung illustrieren.
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scheinlich, dass ein Gericht Werknutzungen in kommerziellen Print- und Onlinekatalogen als transformativ einstufen würde. (b) Printanzeigen und E-Mail-Newsletter Im Gegensatz zu Katalogdarstellungen, die der gezielten, vom Kaufinteressenten aktiv einseh- und abrufbaren Information über die einzelnen Lose dienen, sollen Werkabbildungen in Zeitungsanzeigen oder in E-Mail-Newslettern in erster Linie auf die Veranstaltung selbst aufmerksam machen. Zur Werbung ausgewählte repräsentative Werke sollen einen Anreiz geben, sich näher mit dem Auktionsangebot auseinanderzusetzen. Die weniger zur Information über ein Los als zur Veranstaltungswerbung eingesetzte Bildnutzung fügt dem Werk allerdings keinerlei »Mehrwert« im Sinne des transformative use hinzu. Inwieweit Wiedergaben eines Werkes in Printanzeigen geeignet sind, zu bestimmten Zweitnutzungen (z. B. Kunstpostkartenformaten) in Konkurrenz zu treten, hängt von ihrer Wiedergabegröße und -qualität ab und muss einer Einzelfallbetrachtung vorbehalten bleiben. Tendenziell werden Anzeigen in Tageszeitungen oder Kunstmagazinen aufgrund der geringeren Druck- und Papierqualität lizenzierte Zweitverwertungen nicht ersetzen können. Gleiches gilt für kleine digitale Werkabbildungen, die in elektronischen Newslettern versandt werden. (c) Teilergebnis Die Nutzung von Kunstwerken in Print- und Online-Katalogen von Auktionshäusern ist – trotz des praktischen Informationswertes für Kaufinteressenten – im Ergebnis als nicht-transformativ zu bewerten. Die in der Regel hochwertigen, visuell ansprechenden Bildvorlagen vermitteln dem Betrachter zugleich einen gewissen Werkgenuss und können mit möglichen Zweitnutzungen konkurrieren. Aber auch für stärker größen- und qualitätsreduzierte Werkabbildungen, z. B. thumbnail-große Darstellungen in einer Katalogübersicht, ist fraglich, ob sie als transformativ angesehen werden können. Denn sie dienen neben der ersten Orientierung des Internetnutzers in der Regel als Link zu größeren Bildversionen. Bei Printanzeigen und Newslettern wiederum ist die Transformativität der Wiedergabe – trotz der möglicherweise reduzierten Bildqualität – klar zu verneinen, weil die exponierte Werknutzung in erster Linie der Veranstaltungswerbung dient. Inwieweit auch sehr kleinformatige analoge oder digitale Wiedergaben geeignet sind, bestimmte Zweitverwertungen zu ersetzen, muss einer Einzelfallprüfung vorbehalten bleiben. bb) Kommerzialität Die Wiedergabe von Kunstwerken in Auktionskatalogen und anderen Werbeträgern verfolgt ausschließlich kommerzielle Zwecke. Sie soll den Absatz der
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Werke fördern und dient damit der Gewinnerzielung.437 Auktionshäuser profitieren beim Verkauf von den mit dem Käufer und dem Einlieferer vereinbarten Provisionen. Wie der Supreme Court klarstellte438 und auch die Urteile in Bill Graham Archives, NfflÇez oder Kelly439 zeigen, spricht die Kommerzialität einer Nutzung oder der for-profit-Status des Nutzers jedoch nicht zwingend gegen fair use. Vielmehr ist danach zu fragen, ob der Nutzer ein geschütztes Werk »ausbeuten will, ohne den dafür üblichen Preis zu zahlen«440, insbesondere indem er unmittelbar durch die Verwertung des geschützten Materials deutliche finanzielle Gewinne erzielt.441 Im vorliegenden Kontext ist zunächst zu berücksichtigen, dass Auktionskataloge und andere Werbematerialien mit Werkabbildungen nicht der eigentliche Gegenstand der Vermarktung sind.442 Hierin unterscheiden sie sich von forprofit-Publikationen, wie z. B. in Bill Graham Archives, NfflÇez, oder Haberman443, deren informativer, ästhetischer und unterhaltender Wert durch geschützte visuelle Werke angereichert werden sollte. Auch liegt keine »Ausbeutung« der geschützten Werke in dem Sinne vor, dass – wie in NfflÇez oder Video Pipeline444 – bereits unmittelbar durch die Verwertungshandlung finanzielle Gewinne erzielt werden. Anders als Zeitschriften oder im Buchhandel vertriebene Publikationen wie The Illustrated Trip in Bill Graham Archives richten sich Auktionskataloge und sonstige Werbematerialien zudem an einen begrenzten Kreis der Öffentlichkeit. Gleichwohl ist auch die lediglich mittelbar der Gewinnerzielung dienende werbende Nutzung der Auktionshäuser als stark kommerziell zu bewerten. Dies gilt zum einen für die exponierte Wiedergabe einzelner Werke als »Zugpferde« der Veranstaltung in Newslettern und Anzeigen sowie auf Katalogcovern- und -rückseiten.445 Die Herstellung von Print- und Online-Katalogen erfordert zum anderen die systematische Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung einer Vielzahl von Werken. Auch wenn das einzelne geschützte Werk nur einen Bruchteil aller Abbildungen eines
437 438 439 440 441 442
Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 313. S. oben S. 335 f. S. oben S. 365 ff.; S. 360 ff.; S. 370 ff. Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 562 (1985). S. oben S. 336. Die Printkataloge werden üblicherweise gegen eine Gebühr abgegeben, die Herstellungsund Versandkosten jedoch nach Angaben der Auktionshäuser nicht zu decken vermag; vgl. auch BGH GRUR 1993, 822, 824 – Katalogbild. Dies bestätigen auch die großen angloamerikanischen Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s; vgl. Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 318 Fn. 168. 443 S. oben S. 356 ff. 444 S. oben S. 377. 445 Vgl. oben S. 336.
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Kataloges ausmacht,446 setzt sich dieser notwendigerweise aus vielen gleichartigen Nutzungen zusammen. Printkataloge kommen dadurch einem Sammelband von zahlreichen geschützten Kunstwerken gleich.447 Internetwiedergaben ermöglichen darüber hinaus den Aufruf und Download jedes einzelnen Loses in vergleichsweise hoher Qualität. Diese intensive Nutzung zu rein kommerziellen Zwecken spricht deutlich gegen fair use. cc) Erleichterung der Veräußerung des Werkstücks Wie bereits bei der Prüfung der Transformativität erwähnt, könnte als weiterer Nutzungsaspekt das praktische Bedürfnis hervorgehoben werden, dem Werkeigentümer die (urheberrechtlich gestattete) Veräußerung des Werkstücks zu erleichtern.448 Ob der Förderung des freien Warenverkehrs mit urheberrechtlich geschützten Waren von der US-Rechtsprechung großes Gewicht beigemessen würde, lässt sich allerdings schwer voraussagen. Hierfür sprechen könnte die bereits erwähnte Schrankenregelung in § 113 für »nützliche Artikel« mit lizenzierten Reproduktionen bildlicher, grafischer und skulpturaler Werke.449 Dürfen entsprechende Objekte einschließlich der Werkdarstellungen zu Werbezwecken reproduziert werden, könnte dies auch mit Blick auf die (Weiter-) Verbreitung von Originalen herangezogen werden. Andererseits entspricht eine Verwertung zur Bildwerbung nicht den typischen, in § 107 genannten und tendenziell privilegierungswürdigen Nutzungszwecken. So wurde auch in Basquiat v. Baghoomian450 die mit dem Ausstellungskatalog ggf. bezweckte Werbung für den Absatz der Originale nicht erwähnt. Wie unter aa)(1) dargelegt, zeichnet auch die sonstige Rechtsprechung zu Werbenutzungen kein klares Bild. Mangels Präzedenzfällen kann der Aspekt der Warenverkehrsfreiheit daher nicht eindeutig zu Gunsten von fair use herangezogen werden. dd) Verhalten des Nutzers Obwohl von der Literatur zu Recht kritisiert, würdigen US-amerikanische Gerichte bei der Prüfung des ersten fair use-Faktors mitunter auch das Verhalten des Nutzers.451 Da Auktionshäuser professionell mit Werken der bildenden und angewandten Kunst sowie mit Fotografien handeln, sind sie sich der daran im Einzelfall bestehenden Urheberrechte bewusst. Die großen internationalen Auktionshäuser besitzen eigene Rechtsabteilungen, die auch urheberrechtliche 446 So die Argumentation der Gerichte in Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd. (oben S. 366) und Kelly v. Arriba Soft Corp. (oben S. 370 f.). 447 Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 313. 448 Vgl. oben S. 85; Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 315. 449 S. oben S. 323 f. 450 S. oben S. 354 ff. 451 S. oben S. 339.
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Fragen prüfen. Sie können sich daher bei der unautorisierten Wiedergabe eines geschützten Werkes nicht darauf berufen, über den Urheberschutz im Unklaren gewesen zu sein.452 Allerdings könnten sie einwenden, die Nutzung sei aufgrund ihres informatorischen Charakters transformativ bzw. müsse zur Gewährleistung der freien Weiterverbreitung eines Werkstücks gestattet sein. Je nachdem, wie ein Gericht den Sachverhalt insgesamt beurteilt, würde somit vermutlich auch das Verhalten der Unternehmen als fair oder unfair eingeordnet werden. Als unfair könnte jedoch die unautorisierte Nutzung von Werkausschnitten bewertet werden.453 Dies gilt jedenfalls für Fälle, in denen der damit verbundene Eingriff in die Werkintegrität nicht zur gebotenen Information des Publikums, etwa über ein wichtiges Werkdetail oder eine Signatur, sondern zur Steigerung des Werbeeffekts, z. B. zur Herstellung eines attraktiven Katalogcovers, vorgenommen wird. ee) Ergebnis Die im Rahmen des ersten Faktors zu berücksichtigenden Nutzungsaspekte sprechen in der Zusammenschau eher gegen fair use. Die Nutzung von Werken in oft hochwertigen Werbematerialien und in Auktionskatalogen dient zwar der Warenverkehrsfreiheit; ob die Rechtsprechung diesem – mit den typischen fairen Nutzungszwecken nicht vergleichbaren – Aspekt Gewicht beimessen würde, ist jedoch ungewiss. Wahrscheinlich ist demgegenüber, dass die Nutzung als nicht-transformativ eingestuft würde. Sie ist zudem stark kommerziell. Die beiden letzteren Gesichtspunkte führen insgesamt zu einer negativen Bewertung des ersten Faktors. b) »Nature of the copyrighted work« Bei auktionierten Werken der bildenden Kunst im weiteren Sinne und der Fotografie handelt es sich durchgängig um kreative Schöpfungen, die grundsätzlich einen höheren Schutz erfahren als Werke mit überwiegend faktischem Inhalt.454 Dieser Aspekt spricht gegen eine faire Nutzung. Auch der Umstand, dass ein Werk noch unveröffentlicht ist, wird tendenziell zu Ungunsten der Nutzung gewertet.455 Unter den zahlreichen Kunstwerken, die für eine bestimmte Auktion eingeliefert werden, können sich auch unveröffentlichte Werke befinden. Denkbar ist dies vor allem bei aus Privatbesitz stammenden Objekten, die in der 452 Auch der Umstand, dass die Wiedergabe in Katalogen und anderen Werbemitteln unter Nennung des Urhebers und der wesentlichen Werkdaten erfolgt, kann Auktionshäusern selbstredend nicht zugute gehalten werden, da die Zuschreibung der Werke und ihre Beschreibung ein zwingendes Erfordernis für den Verkauf darstellt. 453 Vgl. oben S. 345 f. 454 S. oben S. 340 f. 455 S. oben S. 341 f.
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Vergangenheit nicht öffentlich ausgestellt oder in Kunstbüchern, Katalogen oder anderen Publikationen abgebildet worden sind.456 Die potentielle Nutzung auch unveröffentlichter Werke zur Werbung führt zu einer weiteren negativen TeilBewertung des zweiten Faktors, der damit insgesamt gegen die Zulässigkeit der Nutzung spricht. c)
»Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole« Bei der Prüfung des dritten Faktors wird das quantitative und qualitative Ausmaß der Nutzung betrachtet und untersucht, ob der festgestellte Umfang der Entlehnung durch ihren Zweck gerechtfertigt ist.457 Wie eingangs dargelegt, werden Kunstwerke bei der Nutzung in Werbematerialien vollständig wiedergegeben. Für die Wiedergabe in Druck- oder Online-Medien werden zudem qualitativ hochwertige und farbgetreue fotografische Vervielfältigungen erstellt und genutzt, deren Format, abhängig vom Wiedergabemedium, variiert. Die Nutzung stellt sich daher unter quantitativen wie qualitativen Aspekten als sehr weitgehend dar.458 Ob dies eine negative Bewertung des dritten Faktors zur Folge hat, richtet sich nach der Beurteilung des Nutzungszweckes. Dabei ist wiederum zwischen der Werknutzung in Print- und Online-Katalogen einerseits und einzelnen Abbildungen in sonstigen Werbemedien, wie Anzeigen oder elektronischen Newslettern, andererseits zu unterscheiden. aa) Print- und e-Kataloge Bei Werkwiedergaben in Print- und Online-Katalogen steht der Zweck im Vordergrund, die Kaufinteressenten über alle angebotenen Werke zu informieren und damit für diese zu werben. Hierzu bedarf es der Abbildung des einzelnen Werkes in seiner Gesamtheit und in möglichst guter fotografischer Qualität. Da der Zweck und Charakter solcher Nutzungen aber als nicht-transformativ und unfair bewertet wurden, spricht die vollständige Entlehnung gleichwohl gegen fair use. Selbst wenn man Katalogbilder im Einzelfall für transformativ hielte – in Betracht kämen allenfalls kleinformatige, schwächer aufgelöste Abbildungen – könnte der dritte Faktor angesichts der vollständigen Werknutzung bestenfalls neutral bewertet werden.
456 Zur Bestimmung des Veröffentlichungsstatus’ für vor dem 1. Januar 1978 geschaffene Kunstwerke, insbesondere zu den Folgen der Ausstellung oder des Verkaufs eines Werkunikates, vgl. oben S. 313 f. 457 S. oben S. 342 ff. 458 Vgl. Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 314.
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bb) Printanzeigen und E-Mail-Newsletter Wiedergaben in Printanzeigen, Newslettern und vergleichbaren Medien dienen in erster Linie dazu, ein potentielles Publikum auf eine bestimmte Auktion aufmerksam zu machen. Die Nutzung einzelner Werke zu diesem Zwecke ist als erfolgversprechend und angemessen anzusehen. Hierzu werden üblicherweise besonders attraktive Werke, d. h. »Auktionshighlights«, verwendet, die das hochwertige Angebot der Veranstaltung repräsentieren sollen. Wie bereits dargelegt, ist eine entsprechend exponierte Nutzung zur Veranstaltungswerbung jedoch nicht als transformativ einzuschätzen. Derartige Wiedergaben besitzen zudem deutlich kommerziellen Charakter, so dass die vollständige Werknutzung auch in diesem Kontext gegen fair use spricht. cc) Ergebnis Der dritte Faktor ist insbesondere für (Einzel-)Nutzungen in Werbemedien wie Anzeigen und Newslettern, aber auch für Katalogwiedergaben als unfair einzustufen. d)
»Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work« Der wichtige vierte fair use-Faktor hält die Gerichte zur Prüfung der Auswirkungen der Nutzung auf den aktuellen oder potentiellen Markt für das Werk oder auf dessen Wert an. Nicht erforderlich ist, dass die Nutzung bereits einen konkreten Marktschaden verursacht hat. Es genügt, dass eine aktuelle oder spätere Beeinträchtigung des Marktes als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden muss. Dabei wird auch untersucht, wie sich die Gestattung vergleichbarer Nutzungen auf die Verwertung des Erstwerkes allgemein auswirken würde.459 aa) Beeinträchtigung des Markts für die Originale Der Markt für das angebotene Werk oder ggf. ein identisches Werkstück wird durch die Nutzung in Auktionskatalogen oder sonstigen Werbematerialien nicht negativ beeinträchtigt. Wenngleich vor allem im Bereich der Fotografie hochwertige fotografische Vervielfältigungen den Originalabzügen qualitativ nahe kommen können, sind derartige Wiedergaben nicht geeignet, Kunstliebhabern und -sammlern oder anderen Beteiligten des Kunstmarktes das vom Künstler selbst geschaffene Original bzw. einen (vom Künstler oder seinen Rechtsnachfolgern autorisierten) Originalabzug zu ersetzen.460 Der Markt für die Originale erfährt somit keinerlei Konkurrenz. 459 S. oben S. 349 f. 460 Vgl. Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 316.
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bb) Beeinträchtigung von Zweitmärkten für Reproduktionen Beeinträchtigt werden kann jedoch der Markt für Zweitverwertungen des Originals. Neben den Einkünften, die bildende Künstler und Fotografen aus der Veräußerung eines Werkstücks erzielen, stellt die Lizenzierung von Reproduktionen ihre wichtigste Einnahmequelle dar. (1) Zweitmarkt für Werbenutzungen durch den Kunsthandel? Fraglich ist, ob die Rechtsprechung einen direkt betroffenen Zweitmarkt für Nutzungen zu Werbezwecken durch Auktionshäuser anerkennen würde. Wie oben dargelegt, werden zur Vermeidung eines Zirkelschlusses nur solche Märkte als »potential markets« betrachtet, die ein Rechtsinhaber selbst traditionell bedient, vernünftigerweise betreten wird oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit wird erschließen können.461 Ob die Lizenzierung von Werknutzungen für Nutzungen durch Auktionshäuser einen solchen »Markt« darstellt, ist zweifelhaft. Einerseits besteht ein wiederkehrendes, wenn auch nur punktuelles praktisches Bedürfnis für derartige Nutzungen. Andererseits entsteht die »Nachfrage« erst nach Einlieferung eines Werkexemplars des jeweiligen Künstlers durch den aktuellen Eigentümer bei einem konkreten Auktionshaus. Ein typischer »Markt« für Bildnutzungen, der aktiv vom Rechtsinhaber als Einnahmequelle bedient bzw. erschlossen werden könnte, ist darin nicht zu sehen. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht prognostizieren, ob die US-Rechtsprechung das Vorliegen eines »potentielles Marktes« für Nutzungen des Kunsthandels zu Werbezwecken bejahen würde. (2) Kunstreproduktionen im engeren Sinne Zu den typischen lizenzierten Zweitnutzungen zählen indes hochwertige fotografische Reproduktionen von zwei- oder dreidimensionalen Kunstwerken und Lichtbildwerken, z. B. in Form großformatiger Posterdrucke, die einen erschwinglichen Ersatz für das Original zum eigenen Kunstgenuss darstellen. Hochauflösende digitale Werkabbildungen jeder Größe werden auch im Internet, z. B. über eigene Seiten der Künstler oder über Bildagenturen, vermarktet. Der Markt für solche Reproduktionen im engeren Sinne dürfte allerdings durch Katalogbilder und andere werbende Wiedergaben nicht beeinträchtigt werden. Auch die üblicherweise auf den Internetseiten eingestellten Bilddateien ermöglichen zwar eine ansprechende Bildschirmwiedergabe und halb- oder ganzseitige Ausdrucke auf DIN A4-Seiten. Zur Anfertigung größerer Ausdrucke in professioneller Qualität sind die Dateien, deren Auflösung auch mit Blick auf die notwendige rasche Abrufbarkeit begrenzt werden muss, jedoch in der Regel nicht geeignet. 461 S. oben S. 350 f.
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(3) Zweitmarkt für sonstige kommerzielle Reproduktionen Darüber hinaus umfasst der Markt für Kunstwerke Wiedergaben in Kunstbüchern jeder Art, auf Kunstpostkarten sowie auf Merchandising-Produkten wie Kalendern oder Notizbüchern. Diese Nutzungen sind heutzutage als traditionelle Zweitmärkte für künstlerische Werke anzusehen. Ein bildender Künstler oder Fotograf kann daher – selbst wenn er nicht beabsichtigt, diese Märkte zu betreten – bei Vorliegen vergleichbarer unautorisierter Nutzungen einen potentiellen Marktschaden geltend machen.462 Wie bereits dargelegt, können Werkwiedergaben in gedruckten Auktionskatalogen bei entsprechender Größe und Qualität zum Teil mit Abbildungen in Kunstbüchern konkurrieren. Sie können qualitativ auch der Wiedergabe auf Kunstpostkarten, in Kalendern oder ähnlichen Produkten entsprechen463 und sind für Kunstliebhaber auch als Sammelobjekte interessant. Insofern ist unter Zugrundelegung der fair use-Rechtsprechung zur Nutzung visueller Werke zumindest denkbar, dass der Besitzer eines Kataloges davon absehen würde, eine qualitativ gleichwertige Reproduktion der darin abgebildeten Werke separat zu Zwecken des Werkgenusses zu erwerben. Da es nicht darauf ankommt, ob der Rechtsinhaber den betreffenden Markt bereits erschlossen hat oder dies beabsichtigt, lässt sich speziell im Fall von Auktionen auch nicht geltend machen, dass häufig Objekte aus Privatbesitz versteigert werden, die bislang (noch) keiner Zweitverwertung zugeführt wurden. Printanzeigen werden demgegenüber weniger geeignet sein, den Markt für bestimmte Zweitnutzungen zu beeinträchtigen. Kleinere bebilderte Anzeigen, beispielsweise in Tageszeitungen, sind schon aufgrund der geringeren Druckund Papierqualität nicht geeignet, mit kommerziellen Bildverwertungen zu konkurrieren. Im Einzelfall sind jedoch auch Beeinträchtigungen von Zweitmärkten (z. B. Postkartenformate) denkbar, sofern die Werke in hinreichender Größe und Qualität, z. B. als ganz- oder halbseitige Hochglanzanzeige oder Werbebeilage in einem Kunstmagazin, wiedergeben werden. Eine Konkurrenz für kommerzielle Zweitnutzungen können auch OnlineAbbildungen in einem Internet-Katalog darstellen, wenn sie in ansprechender Größe und höherer Auflösung als Katalogauszug oder separat gespeichert und ausgedruckt werden können. Zwar müssen Bilddateien auf Internetseiten, die sich zur Bildschirmbetrachtung vom Nutzer schnell öffnen lassen sollen, wie bereits erwähnt, auf eine bestimmte Datenmenge bzw. Auflösung begrenzt werden, die in der Regel keine hochwertigen Ausdrucke erlaubt. Frei kopierbare Bilddateien können jedoch für andere Formen der Bildschirmnutzung im Internet (z. B. Online-Bilddatenbanken wie artprice.com), für Computeranwen462 S. oben S. 350 f. 463 Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 315.
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dungen wie Bildschirmschoner oder z. B. auf Smartphones verwendet werden und dadurch mit vom Urheber potentiell lizenzierbaren Nutzungen konkurrieren.464. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Wiedergaben von Werken in gedruckten Auktionskatalogen nach den Wertungen der fair use-Rechtsprechung tendenziell geeignet sind, mit Zweitnutzungen, wie dem Abdruck in Kunstbüchern oder auf Postkarten, zu konkurrieren. Das Gleiche gilt – eine entsprechende Größe und Qualität bzw. Auflösung vorausgesetzt – für Wiedergaben in OnlineKatalogen. Bei Werknutzungen in der Printwerbung und bei stark größenreduzierten, schwächer aufgelösten digitalen Wiedergaben zu Werbezwecken, etwa als Bestandteil eines Newsletters, besteht diese Gefahr in weitaus geringerem Maß. Es bedarf jedoch jeweils einer Betrachtung des Einzelfalls.
cc) Positive Effekte auf den Marktwert des Werkes Bei der Prüfung des vierten Faktors berücksichtigen die Gerichte mitunter auch einen etwaigen positiven Effekt der Nutzung auf den (potentiellen) Markt für das Werk oder dessen Wert.465 Tatsächlich ist eine mit einer Werkwiedergabe verbundene Werbung geeignet, die Nachfrage für ein bestimmtes Werkoriginal anzuregen und dessen Marktwert zu steigern. Eine Wertsteigerung, die sich bei der Auktion in einem hohen Zuschlagspreis äußert, kommt dem Künstler, der sein Werk üblicherweise nicht selbst einliefert, jedoch nicht unmittelbar zugute,466 es sei denn, er hat das Werk in höherer Auflage geschaffen. Auch existiert in den USA zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein bundeseinheitliches Folgerecht für Sekundärverkäufe. Die Werbung für ein Werk und seine Versteigerung vermag daher allenfalls die allgemeine Bekanntheit des Künstlers zu steigern und sich positiv auf die Nachfrage nach anderen seiner Werke auszuwirken.467 Diese Wechselwirkungen sind jedoch im Rahmen des vierten fair use-Faktors, der auf den Markteffekt für das jeweils genutzte Werk abstellt, streng genommen außer Acht zu lassen. Denkbar ist indessen, dass infolge einer erfolgreichen, öffentlichkeitswirksamen Auktion auch die Nachfrage nach kommerziellen Reproduktionen des verkauften Werkes steigt. Entsprechend ungewisse Vorteile der Nutzung für den Künstler, die neben dem erfolgreichen Verkauf auch von weiteren Umständen, wie etwa der bisherigen Bekanntheit von Künstler und Werk, abhängen, treten jedoch hinter die im Raum stehenden negativen Marktauswirkungen insbesondere der Katalogbilder zurück. 464 465 466 467
Vgl. oben Fn. 433. S. oben S. 352 f. Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 314. Zu diesem auch zur Begründung von § 58 UrhG a. F. herangezogenen Argument vgl. oben S. 53 ff.
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dd) Ergebnis Insgesamt spricht der vierte Faktor zumindest für analoge und digitale Katalognutzungen, die qualitativ geeignet sind, kommerzielle Reproduktionen zu »ersetzen«, tendenziell gegen die erlaubnisfreie Verwertung. Als eher unschädlich sind kleinformatigere Wiedergaben in Printanzeigen und in E-MailNewslettern einzustufen. Die vagen positiven Auswirkungen der Werbung auf den Marktwert des genutzten Werkes, von denen der Künstler profitieren könnte, können die voraussichtlichen negativen Markteffekte der Katalognutzungen nicht ausgleichen. e) Gewichtung der Einzelfaktoren und Gesamtergebnis Die fair use-Analyse fällt in der Gesamtschau zu Ungunsten der Verwertung aus.468 Alle vier Faktoren sprechen mehr oder weniger deutlich gegen fair use. Der Nutzungszweck ist kommerziell und dürfte von der Rechtsprechung voraussichtlich für eine Vielzahl der gängigen Bildnutzungen in ansprechender Bildqualität und -größe als nicht-transformativ eingestuft werden. Verwertet werden zudem kreative Werke, die möglicherweise noch unveröffentlicht sind. Die vollständige Wiedergabe der Werke in hoher Qualität ist, obwohl mit Blick auf den Nutzungszweck erforderlich, angesichts der mangelnden Transformativität der Nutzung und ihrer Kommerzialität ebenfalls negativ zu bewerten. Schließlich sind – zumindest für größere, qualitativ ansprechende analoge und digitale Katalognutzungen – Beeinträchtigungen klassischer Zweitmärkte für Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke denkbar, die durch positive Werbeeffekte nicht aufgewogen werden können. Eine allgemeine Freistellung von Werknutzungen zu Werbezwecken wäre somit von der fair use-Doktrin nicht gedeckt.
II.
Nutzung zur Werbung durch den sonstigen Kunsthandel
Für die Werbung durch Kunsthandlungen bzw. Galerien, die (auch) auf dem Sekundärmarkt tätig sind und die Bedingungen für die Werknutzung nicht direkt mit dem Urheber vereinbaren,469 ergibt sich eine identische Bewertung. Auch Kunsthandlungen und Galerien bilden die Werke in ihrem Angebot in eigenen Print-Katalogen oder in Katalogen von Kunstmessen ab und stellen digitale Werkabbildungen auf ihre Internetseiten ein. Auch eine Werbung in Print- und Internetanzeigen und Newslettern kommt in Betracht. Der Nutzungsweck ist auch hier kommerziell und nicht-transformativ und führt damit 468 So auch Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 311 – 317, 324. 469 Vgl. oben S. 40 f.
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zu einer negativen Bewertung des ersten Faktors. Genutzt werden kreative, zum Teil auch unveröffentlichte Werke, so dass auch der zweite fair use-Faktor gegen die Verwertung spricht. Der dritte Faktor muss ebenfalls negativ bewertet werden, da eine vollständige und in der Regel qualitativ hochwertige Nutzung der Werke erfolgt. Schließlich können Werknutzungen in Werbemedien des Kunsthandels, insbesondere in Print- und Online-Katalogen, mit kommerziellen Zweitverwertungen in Kunstbüchern, auf Merchandising-Produkten oder für digitale Anwendungen konkurrieren. So wurde in Basquiat v. Baghoomian470 die mögliche Konkurrenz zwischen dem »Basquiat Book« und von den Rechtsinhabern geplanten Publikationen negativ bewertet. Auch der vierte Faktor spricht somit gegen fair use, so dass die Nutzung insgesamt als unfair zu beurteilen ist.
E.
Nutzung von Kunstwerken durch Museen zur Ausstellungswerbung
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, ob und inwieweit das fair usePrivileg Nutzungen von Kunstwerken zur Werbung im Sinne von § 58 Abs. 1 UrhG durch Museen und Ausstellungshäuser gestattet. Wie oben dargelegt, existiert für den Ausstellungs- bzw. Museumsbereich keine Rechtsprechung, die Gewissheit bezüglich der Zulässigkeit entsprechender Nutzungen brächte.471 In der Literatur finden sich nur vereinzelt Aussagen zu voraussichtlich fairen Nutzungen im Museumsbereich. Hierzu sollen Reproduktionen zur (internen) Dokumentation von Werken472, kleine Abbildungen in Museumsführern473 und Darstellungen in kunsthistorischen Abhandlungen474 470 S. oben S. 354 ff. 471 In der Praxis versuchen die Museen, die bestehende Rechtsunsicherheit u. a. durch Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern zu minimieren; vgl. Wolff, C723 ALI-ABA 133: »As, to date, there have been few cases involving works of art, it is difficult to formulate absolute guidelines as to those uses which would constitute fair use and each use must be examined separately. To avoid this and other issues, many museums ask artists to give them a nonexclusive licence to reproduce works coming into their collections […], and with regard to loans for exhibitions, seek to obtain a similar permission to reproduce works, for all uses related to the exhibition, if the material is protected by copyright«. Vgl. auch Weber-Karlitz, Cardozo Arts & Ent. L. J. 2 (1983), 121, 125 f.; Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 315; Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 427. Zur aktuellen Lizenzierungspraxis der Verwertungsgesellschaft ARS s. unten S. 429 f. 472 Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 315; skeptisch jedoch für die Digitalisierung von Werken zu Erhaltungszwecken Pessach, J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 268 – 276. 473 Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 315. 474 Weber-Karlitz, Cardozo Arts & Ent. L. J. 2 (1983), 121, 125.
Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungswerbung
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gehören.475 Zugleich wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Nutzung des gesamten Werkes der Feststellung von fair use abträglich sei476 und ein systematisches Kopieren in größerem Umfang, selbst im nonprofit-Bereich, üblicherweise als unfair gelte.477 Unsicherheit herrscht nicht zuletzt mit Blick auf digitale Wiedergaben auf den Homepages von Museen.478 Im Folgenden werden zunächst die zu prüfenden Werbenutzungen näher eingegrenzt und die davon betroffenen Verwertungsrechte dargestellt. Danach erfolgt die fair use-Analyse.
I.
Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte
1. Nach hier vertretener Auffassung gestattet § 58 Abs. 1 UrhG die Nutzung von Kunstwerken lediglich zur Werbung für (zeitlich begrenzte) Sonderausstellungen.479 Zu Zwecken des Rechtsvergleichs soll gleichwohl auch der Frage nachgegangen werden, ob das US-amerikanische Urheberrecht die Werbung für Dauerausstellungen erlaubt. Daher werden – wiederum anhand einiger typischer Erscheinungsformen – Nutzungen von Exponaten aus Sonder- und Dauerausstellungen von Museen480 geprüft. Inhaltlich wird zum einen die Wiedergabe der Werke in gedruckten Werbemitteln wie Einladungen, Ausstellungsprospekten und -programmen und Printanzeigen sowie im Rahmen der Außenwerbung (z. B. auf Plakaten) betrachtet. Zum anderen werden digitale Nutzungen in Form der Internetwerbung auf der Homepage eines Museums oder als Element eines E-Mail-Newsletters untersucht. Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse in Printform, mit denen sich Abschnitt F befasst, stellen hingegen nach hier vertretener Ansicht keine Mittel der Ausstellungswerbung im engeren Sinne dar,481 zumal sie typischerweise erst nach dem Museumsbesuch erworben werden.482 Gleiches gilt für Online-Verzeichnisse von Museumsbeständen, die die einzelnen Sammlungs475 Als weitere Beispiele für die faire Nutzung von Kunstwerken i. S. v. § 107 C.A. 1976 führen Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 314 f., die fotografische Wiedergabe eines Gemäldes in der Besprechung einer Ausstellung, Bildzitate zu wissenschaftlichen Zwecken, Rezensionen und Zeitungsartikel sowie die beiläufige Wiedergabe in Nachrichtensendungen auf. 476 Weber-Karlitz, Cardozo Arts & Ent. L. J. 2 (1983), 121, 125. 477 Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 315 Fn. 293. 478 Vgl. Bartle, Museum News, March/April 2004. 479 S. oben S. 131 ff. 480 Die Ausführungen zur Sonderausstellungswerbung gelten gleichermaßen für reine Ausstellungshäuser. 481 S. oben S. 159 ff. 482 S. oben S. 160.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
gegenstände unabhängig von einer Ausstellung beschreiben. Auch rein »schmückende« Werkabbildungen, z. B. auf Eintrittskarten und auf im Museumsshop angebotenen Merchandising-Artikeln wie Postern, T-Shirts und Kalendern zählen nicht mehr zur Werbung im engeren Sinne.483 Werke werden in der Werbung häufig vollständig wiedergegeben; aber auch die Nutzung effektvoller Werkausschnitte, beispielsweise auf Plakaten und Flyern oder in Prospekten, ist üblich. Museen haben aufgrund ihres Status’ als institutionelle Bewahrer und Vermittler von Kunstwerken grundsätzlich ein vitales Interesse daran, qualitativ hochwertige Vervielfältigungen zu erstellen und zu nutzen, die die Werke möglichst originalgetreu wiedergeben.484 Hochaufgelöste farbige Reproduktionsvorlagen wie Dias sind in erster Linie für die Wiedergabe der Werke in Printmaterialien erforderlich; für digitale Nutzungen genügen auch schwächer aufgelöste Vervielfältigungen.485 Bei digitalen OnlineNutzungen können Bildgröße bzw. -auflösung der zugänglich gemachten Abbildungen dennoch stark varieren. In Betracht kommen sowohl größere, auffällige Wiedergaben, die z. B. anlässlich einer Sonderausstellung auf der Homepage eines Museums platziert werden, als auch (ggf. vergrößerbare) kleine Formate, die z. B. einige Highlights aus der ständigen Sammlung zeigen. 2. Werkwiedergaben in gedruckten Werbematerialien wie Einladungen, Prospekten oder in Printanzeigen und deren Vertrieb greifen in das Vervielfältigungs- und ggf. das Bearbeitungsrecht sowie in das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers ein.486 Die Herstellung digitalisierter Werkversionen bzw. Bilddateien, ihre Speicherung auf einem Internetserver oder die elektronische Übermittlung an ein Endgerät, z. B. einen Computer oder ein Smartphone, auf dem eine Museums-App installiert ist, gehen ebenfalls mit mehrfachen Vervielfältigungen einher. Durch die Ermöglichung des Aufrufs von Werken auf einer Internetseite wird wiederum das Recht zur öffentlichen Zurschaustellung berührt.487 483 Derartige Werknutzungen dienen, auch wenn sie Teil der Marketingstrategie eines Museums sind, in erster Linie der Generierung von Einkünften. Sie verfolgen keinen edukativen Zweck und konkurrieren mit lizenzierbaren Zweitnutzungen der Urheber. Der wichtige erste und vierte Faktor sprechen daher in besonderem Maße gegen fair use. In der Literatur werden kommerzielle Verwertungen für Postkarten oder Poster allerdings als »teilweise edukativ« angesehen, weil sie »für ein Museum, eine Ausstellung oder Sammlung« werben; Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 435. Auch das US-amerikanische Steuerrecht erkennt bei Artikeln wie Postkarten, die mit geringfügigen Werkinformationen versehen sind, einen Bezug zur Bildungsaufgabe der Museen an und lässt Befreiungen von der Unternehmenssteuer zu; dazu Roady, SK061 ALI-ABA 529. 484 Vgl. Pessach, J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 273; Allan, U. Pa. L. Rev. 155 (2006 – 2007), 961, 982 f. 485 Tuchman, Col.-VLA J. L. & Arts 24 (2000 – 2001), 287, 314. 486 S. oben S. 319 f. 487 S. oben S. 320.
Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungswerbung
II.
Fair use-Prüfung
1.
»Purpose and character of the use«
395
Der Zweck der Werbenutzung liegt darin, ein potentielles Publikum durch bebilderte Informationen zum Besuch einer Ausstellung anzuregen. Werbung mit repräsentativen und interessanten Werkabbildungen bzw. -ausschnitten erzielt einen weitaus größeren Effekt als eine reine Textinformation und ist für eine erfolgreiche Ausstellungswerbung ein wichtiger Faktor. Indem sie bezweckt, möglichst viele Besucher für eine Ausstellung zu gewinnen, fördert die Werbung mittelbar den Bildungsauftrag der Museen. Allerdings sind Museen und Ausstellungshäuser in den USA aufgrund der geringen staatlichen Unterstützung in hohem Maße auf eigene Einnahmen angewiesen.488 Insbesondere Museen in großen Städten mit hohem Touristenaufkommen erwirtschaften diese zum Teil durch Eintrittsgelder.489 Unter diesem Aspekt hat die Werknutzung zur Werbung, obgleich durch nonprofit-Einrichtungen vorgenommen, auch eine gewisse kommerzielle Komponente. Fraglich ist daher, wie Zweck und Charakter der Nutzung unter fair use-Gesichtspunkten im Einzelnen zu bewerten sind.
a) Werbung zur Erfüllung des Bildungsauftrags der Museen Die Bildverwertung zu Werbezwecken will ein breites Publikum für eine Sonderoder Dauerausstellung gewinnen. Sie dient damit – zumindest mittelbar – dem öffentlichen Bildungsauftrag von Museen und fördert edukative Zwecke,490 die tendenziell als fair betrachtet werden.491 Speziell zum gesellschaftlichen Wert von Kunstausstellungen merkte der Second Circuit in Blanch v. Koons an: »Notwithstanding the fact that artists are sometimes paid and museums sometimes earn money, the public exhibition of art is widely and we think properly 488 Vgl. oben S. 49. 489 Etwa die Hälfte aller Kunstmuseen in den USA erhebt Eintrittsgelder für Erwachsene. Der Gewinn aus Eintrittsgeldern macht bei diesen Museen durchschnittlich 5 bis 15 % des Gesamtbudgets aus; McFelter, Museum News, Jan./Feb. 2007. Das New Yorker Museum of Modern Art vermochte mit Einnahmen aus Eintrittsgeldern im Jahr 2010 gar 19,5 % seines Jahresbudgets in Höhe von 100,5 Mio. US-Dollar zu decken. Museen in ländlicheren Gegenden, die auf wiederkehrende Besucher angewiesen sind, verzichten hingegen eher auf die Erhebung von Eintrittsgeldern und setzen auf finanzielle Unterstützung durch Mitgliedschaften; Stoilas/Burns, To charge or what to charge, The Art Newspaper, Onlineausgabe vom 26. 09. 2011. 490 Vgl. die Muster-Lizenzvereinbarung der US-Verwertungsgesellschaft VAGA, die mit Blick auf die »scholastic and educational purposes« eines Museums die Gestattung von Reproduktionen für »standard museum purposes« vorsieht, zu denen »handouts, brochures, didactic labels, magazines, journals, newspapers, and the like« gezählt werden; abgedruckt bei Weber-Karlitz, Cardozo Arts & Ent. L. J. 2 (1983), 121, 143 f., Appendix C. 491 S. oben S. 338.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
considered ›to have value that benefits the broader public interest‹«.492 Neben dem rein visuellen Werbeeffekt, beispielsweise einer Plakatwerbung, enthalten Werbematerialien, wie etwa Prospekte zu Sonderausstellungen, zudem schriftliche Informationen zur beworbenen Veranstaltung. Allerdings bezwecken solche Materialien eher eine inhaltliche Vorschau auf die Ausstellung als die konkrete Vermittlung von Wissen über einzelne Exponate bzw. ihre künstlerische Bedeutung. Die Werkabbildungen werden allenfalls kurz erläutert; häufig »illustrieren« sie auch nur einen einführenden Text zu Inhalt und Anliegen der Ausstellung. Der Bildungsauftrag der Museen soll letztlich vor Ort im Angesicht der Originale verwirklicht werden. Nutzungen zu Werbezwecken zeichnen sich daher weniger durch einen eigenen »edukativen« Gehalt aus, sondern sie sollen den Adressaten dazu bewegen, die Bildungseinrichtung aufzusuchen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu klassischen fair use-Verwertungen zu Bildungszwecken, z. B. in kunstwissenschaftlichen Werken, die unmittelbar der Wissensvermittlung dienen. Der mittelbaren edukativen Zielsetzung der Nutzung sollte daher kein zu starkes Gewicht beigemessen werden. b) Transformativität Fraglich ist, ob Werknutzungen für Werbemaßnahmen von Museen und Ausstellungshäusern als transformativ493 anzusehen sind. Dabei sind wiederum sowohl Werbemittel zu betrachten, die – wie z. B. Printanzeigen und Plakate – allein mit einem Exponat werben, als auch Materialien, die Bild- und Textinformationen zu einer Ausstellung enthalten. aa) Reine Bildwerbung Die reine Bildwerbung soll zunächst, wie bei Nutzungen des Kunsthandels, visuelle Informationen über ein ausgestelltes Werk transportieren. Sie soll den Wunsch des Betrachters wecken, das Original und weitere gezeigte Werke im Museum zu erleben. Die Nutzung ist insofern auf den ästhetischen Genuss des Originals ausgerichtet, für den das Abbild wirbt; sie verfolgt (anders als bei Auktionskatalogen) keinen darüber hinausgehenden praktischen Informationszweck.494 Dem unverändert wiedergegebenen Werk wird weder ein neuer Ausdruck noch eine neue Bedeutung verliehen. »Unkommentierte« Wiedergaben (z. B. auf Plakaten oder Flyern) vermitteln dem Adressaten auch keine neuen 492 Blanch v. Koons, 467 F.3d 244, 254 (2nd Cir. 2006). 493 Zur Transformativität s. oben S. 331 ff. 494 Auch ein Vergleich mit der für nützlich und transformativ befundenen »Vorschau- und Auswahlfunktion« von thumbnail-Bildern in Suchmaschinen kommt nicht in Betracht. Denn die ursprüngliche ästhetische Funktion der Werke bleibt bei Nutzungen zur Ausstellungswerbung in weitaus stärkerem Maße erhalten als bei thumbnail-großen Vorschaubildern; vgl. Kelly v. Arriba Soft Corp., 336 F.3d 811 (9th Cir. 2003), oben S. 371.
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Erkenntnisse über das jeweilige Werk. Die Transformativität solcher Nutzungen ist daher für vollständige wie für ausschnittsweise495 Wiedergaben zu verneinen. bb) Werbung mit Bild- und Textbeiträgen Eine differenziertere Beurteilung erfordern ganze oder teilweise Wiedergaben, z. B. in Printbroschüren, auf der Museumshomepage oder in E-Mail-Newslettern, die mit näheren Informationen über eine Ausstellung kombiniert sind. Wie bereits unter a) angesprochen, kommentiert der begleitende Text nicht unbedingt die abgebildeten Exponate. Regelmäßig soll ein erster Überblick über das Anliegen und die Inhalte der jeweiligen Schau gegeben werden. Ob derartige Informationen bezogen auf das verwendete Werk bereits kunstvermittelnden Charakter haben und seiner Nutzung – vergleichbar mit Bildzitaten zu Zwecken der Kritik496 oder Kommentierung497 – unter diesem Aspekt eine transformative Komponente verleihen, muss einer Einzelfallbetrachtung vorbehalten bleiben. Die – kritisch zu bewertende – Entscheidung in der Sache Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd.498 zeigt indes, dass selbst unkommentierte Werkwiedergaben, die lediglich der Illustration bestimmter Inhalte in einer Publikation dienen, als transformativ angesehen werden können, sofern der Werkgenuss dabei in den Hintergrund tritt.499 Ein Gericht könnte daher zu der Auffassung gelangen, dass zumindest stark verkleinerte Abbildungen eines Exponates in Printmaterialien oder auf der Homepage eines Museums, die Textbeiträge zum Inhalt einer Ausstellung illustrieren, transformativen Charakter haben,500 selbst wenn sie keine spezifischen Informationen zum genutzten Werk enthalten. cc) Superseding use Daneben stellt sich wiederum die Frage, ob Werbenutzungen das Potential haben, lizenzierbare Reproduktionen im Sinne eines superseding use501 zu ersetzen. Im Printbereich besteht diese Gefahr im Allgemeinen weniger bei stark verkleinerten und mit Text versehenen Wiedergaben, wie z. B. in Ausstellungs495 Bei teilweisen Wiedergaben kann als weiterer negativer Nutzungsaspekt hinzukommen, dass die Werkaussage verfälscht wird; s. unten S. 400 f. 496 Vgl. oben S. 333. 497 Vgl. oben S. 356 f., 362 f. 498 S. oben S. 365 f. 499 Vgl. Pessach, J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 272. 500 In diesem Sinne vertritt die Association of Art Museum Directors (AAMD) in Anlehnung an die Entscheidungen Kelly und Perfect 10 (vgl. oben S. 370 ff.), dass die Nutzung von thumbnail-Bildern in elektronisch versandten Werbematerialien zur Identifikation von Sammlungsbeständen als fair use anzusehen sei; vgl. die AAMD Policy on the Use of ›Thumbnail‹ Digital Images in Museum Online Initiatives, Association of Art Museum Directors, SS024 ALI-ABA 131. 501 Vgl. oben S. 333.
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faltblättern oder Programmheften. Denkbar ist hingegen, dass vollständige Werkabbildungen auf Einladungskarten, Flyern oder in Printanzeigen, abhängig von Format, Bild- und Papierqualität, im Einzelfall einen Werkgenuss vermitteln, der bestimmten Zweitverwertungen (z. B. Kunstpostkartenformaten) entspricht. Auch digitale Werkwiedergaben im Internet vermögen unter Umständen, sofern sie separat kopiert und gespeichert werden können, digitale Zweitverwertungen zu ersetzen. Es bedarf jedoch auch hier einer Betrachtung des Einzelfalles. Lassen sich beispielsweise durch Anklicken kleinformatiger Darstellungen größere Versionen von Bilddateien öffnen, die vom Internetnutzer gespeichert und weiterverwertet werden können, z. B. als Bildschirmschoner oder in digitalen Bilderrahmen, besteht nach den in Rechtsprechung und Literatur maßgeblichen Grundsätzen die Gefahr eines superseding use.502 Werkwiedergaben im Rahmen der Außenwerbung, z. B. auf Plakaten und Bussen, die vom Betrachter »im Vorübergehen« wahrgenommen werden, haben demgegenüber keine Substitutionswirkung. Sie ersetzen weder den Erwerb des Originals noch einer Reproduktion. dd) Teilergebnis Die Nutzung von Werken zur Werbung für Ausstellungen ist, sofern es sich um reine Bildwerbung handelt, als nicht-transformativ zu bewerten. Abbildungen auf entsprechenden Werbematerialien, z. B. in Form von größeren Flyern oder Einladungskarten, die dem potentiellen Publikum körperlich zur Verfügung gestellt werden, oder Wiedergaben im Internet können im Einzelfall zudem mit Zweitnutzungen des Werkes konkurrieren. Bezogen auf die Bewertungskriterien transformative/superseding use sind solche Bildnutzungen tendenziell als unfair zu beurteilen. Werkwiedergaben, die mit Begleittext versehen sind oder diesen »illustrieren«, dürften von der Rechtsprechung dagegen eher als transformativ eingeschätzt werden. Aufgrund ihrer geringeren Größe und der Einbettung in Textabschnitte besitzen zumindest Wiedergaben in Printmaterialien wie Museumsbroschüren oder Programmheften auch ein geringeres Potential, typische Zweitnutzungen zu ersetzen. Derartige Nutzungen können unter dem Aspekt der Transformativität tendenziell fair sein oder zumindest als neutral einge502 Auch schwächer aufgelöste Bildversionen können diverse elektronische Nutzungen ermöglichen, wenngleich die Auflösung für einen qualitativ ansprechenden Ausdruck zu schlecht sein mag; vgl. oben Fn. 433. Fraglich ist zudem, ob die fair use-Doktrin digitale Privatkopien von Kunstwerken erlaubt; vgl. oben Fn. 432. Kritisch zur Gestattung des Downloads von Werken »zum persönlichen Gebrauch« von einer Museumswebseite auch Tuchman: »Presumably personal use can be just about everything that commercial use is, save the commerce«; Col.-VLA J. L. & Arts 24 (2000 – 2001), 287, 314 Fn. 140.
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ordnet werden. Bei digitalen Wiedergaben im Internet oder als Element eines E-Mail-Newsletters, die mit Text kombiniert sind, bedarf es der Prüfung der Größe und Qualität der jeweiligen Bildversion und etwaiger separater Kopiermöglichkeiten, um festzustellen, ob das Transformations- oder das Substitutionspotential überwiegt. c) Kommerzialität: Commercial nature oder nonprofit educational purpose? Fraglich ist ferner, ob eine kommerzielle Nutzung vorliegt oder ob die Verwertung vielmehr den im Gesetz (beispielhaft erwähnten) »nonprofit educational purposes« dient. Bei Museen und Ausstellungshäusern handelt es sich in der Regel um nonprofit-Institutionen, die ihre (etwaigen) Nettoerträge nicht ausschütten, sondern vollständig zur Verfolgung ihrer satzungsmäßigen Zwecke verwenden. Der Status des Nutzers lässt indes noch keine verbindlichen Rückschlüsse auf die Kommerzialität der Nutzungshandlung zu, auf die es im Kontext des ersten fair use-Faktors ankommt.503 Auch nonprofit-Einrichtungen wie Museen können for-profit-Nutzungen vornehmen, die als unfair einzustufen sind;504 entscheidend ist wiederum die Einzelfallbetrachtung. Die Bildwerbung für Sonder- oder Dauerausstellungen dient der öffentlichen Bekanntmachung der Ausstellung und verfolgt damit mittelbar edukative Zwecke (s. oben 1.a). Der Nutzung liegt auch keine direkte Gewinnerzielungsabsicht zugrunde;505 Herstellung und (in aller Regel unentgeltlicher) Vertrieb von Werbematerialien sind vielmehr mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Vor diesem Hintergrund können Nutzungen zur Werbung grundsätzlich als »nonprofit« und (mittelbar) »educational« bezeichnet werden. Allerdings kann die Werbung auch kommerzielle Aspekte aufweisen. Ein Beispiel hierfür sind Museums-Apps, die dem Nutzer (auch) bebilderte Informationen z. B. über künftige Sonderausstellungen vermitteln506 und teilweise nur entgeltlich zum Download angeboten werden. In letzteren Fällen erhält auch die Internetplattform, die die App anbietet, einen Anteil vom Umsatz.507 Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien fällt die Kommerzialität einer Nutzung allerdings nur bei einer »Ausbeutung« des Werkes ins Gewicht, die vorliegt, wenn unmittelbar durch die Verwertung deutliche finanzielle Gewinne erzielt werden.508 Inwieweit mit Museums-Apps nach Deckung von Entwicklungs- und Unterhaltungskosten tatsächlich nennenswerte Gewinne erzielt 503 S. oben S. 337 f. Fn. 188. 504 Vgl. Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 427; Berkowitz/Leaffer, Col.-VLA J. L. & Arts 8 (1983 – 1984), 249, 315 Fn. 293. 505 Vgl. Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 427, 431 f. 506 Vgl. oben S. 155, 162 f. 507 Vgl. Gütt, S. 11, 27, 32. 508 S. oben S. 336.
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werden können und inwieweit die verwerteten Kunstwerke unmittelbar dazu beitragen, muss einer Einzelfallprüfung vorbehalten bleiben. Negativ dürfte es sich in jedem Fall auswirken, wenn ein Kunstwerk bereits zur Werbung für die App als sog. Screenshot im iTtunes-Store gezeigt wird; unschädlicher dürfte es sein, wenn z. B. einige Exponate unter der Rubrik »Ausstellungshighlights« mit Kommentierungen im Rahmen der App-Nutzung aufgerufen werden können. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass Museums-Apps gerade wegen ihres Bildmaterials für Nutzer attraktiv sind. Ist eine Ausstellung nur gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich, besitzt die Werbung auch insoweit eine kommerzielle Komponente. Ein solch mittelbarer kommerzieller Effekt dürfte jedoch nicht in besonderem Maße gegen fair use sprechen. Zwar erfahren Kunstwerke in der Werbung, z. B. in Gestalt großformatiger Plakatwiedergaben, eine exponierte, intensive Nutzung, die mit der Abbildung auf dem Titelblatt einer Zeitung vergleichbar ist.509 Da die Nutzungshandlung indes nicht unmittelbar der Erzielung von Einnahmen, sondern der Förderung der edukativen Zwecke einer nonprofit-Einrichtung dient, liegt keine »kommerzielle Ausbeutung« der Werke im Sinne der Rechtsprechung vor, die eine deutlich negative Bewertung nach sich zöge. d) Verhalten des Nutzers Wie Auktionshäuser haben sich auch die US-Museen in den letzten Jahrzehnten zunehmend mit urheberrechtlichen Fragen beschäftigt, die die Nutzung ihrer Sammlungsgegenstände betreffen und die Anwendbarkeit der fair use-Doktrin auf verschiedene Verwertungsformen mit einschließen.510 Copyright clearance ist heute ein fester Bestandteil der musealen Verwaltungspraxis.511 Inwieweit 509 Vgl. oben S. 336, 360 und 364. 510 Vgl. den ALI-ABA Course of Study zu »Legal Issues in Museum Administration« (früher : »Legal Problems of Museum Administration«). Die in dieser Reihe erschienenen Beiträge sind abrufbar über HeinOnline. 511 Bis in die 1980er Jahre hinein vertraten US-Museen jedoch häufig die Auffassung, mit dem Kauf eines Werkunikates gemäß der Pushman Doctrine (s. oben S. 313 f.) auch die daran (ggf. noch) bestehenden Urheberrechte erworben zu haben; vgl. Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 422, 430 f. Nachdem der C.A. 1976 klargestellt hatte, dass die Übertragung von Urheberrechten der Schriftform bedarf, ging man dazu über, sich bei Ankäufen vom Künstler weitgehende Nutzungsrechte einräumen oder das copyright gar vollständig abtreten zu lassen; vgl. die Umfrage von Weber-Karlitz, Cardozo Arts & Ent. L. J. 2 (1983), 121; Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 423 – 426. Während sich die Künstler ihrer Rechte unter dem C.A. 1976 bewusster wurden und diese über Verwertungsgesellschaften geltend machten, setzte in den letzten Jahrzehnten auch in den Museen ein Umdenken ein. Nach Aussagen aus Museumskreisen wird die Klärung und Einholung der Urheberrechte heute – auch für vor 1978 geschaffene Werke – routinemäßig vorgenommen; vgl. Bartle, Museum News, March/April 2004; Kaufman, Museum News, Sept./ Oct. 2004; Hoffman, Museum News, Jan./Feb. 2005.
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sich die professionelle Befassung mit Urheberrechten indes im Verletzungsprozess zu Lasten eines Museums auswirkt, hängt vom Einzelfall und von der Vorhersehbarkeit einer nicht entschuldigten Rechtsverletzung ab, so dass sich keine allgemeinen Aussagen treffen lassen. Negativ kann sich allerdings auch hier eine teilweise Werkwiedergabe zu Werbezwecken auswirken, die unter Umständen entstellenden Charakter aufweist und das »visuellen Künstlern« in den engen Grenzen von § 106A gewährte Recht auf Werkintegrität verletzen kann.512 e) Werbung mit Werken aus Sonder- und Dauerausstellungen Schließlich stellt sich die Frage, ob es im Kontext des ersten Faktors einen Unterschied macht, ob mit den jeweiligen Exponaten für zeitlich begrenzte Sonderausstellungen oder aber für Dauerausstellungen geworben wird. Dies ist, bezogen auf den Zweck der einzelnen Verwertungshandlung, zunächst zu verneinen. Beide Formen der Kunstausstellung dienen dem öffentlichen Bildungsauftrag der Museen, der durch Werbemaßnahmen mittelbar gefördert wird. Allerdings besteht insbesondere bei »prominenten« Werken, die der ständigen Sammlung angehören, eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie wiederholt genutzt oder als »Sammlungshighlight« länger auf der Internetseite belassen werden als nur zeitweise präsentierte Werke aus Sonderausstellungen. Der Charakter der Nutzung kann daher für Werke aus der ständigen Sammlung bzw. für Dauerleihgaben weitaus intensiver sein. f) Ergebnis Der erste fair use-Faktor spricht weder deutlich für noch gegen eine Nutzung von Kunstwerken zur Werbezwecken. Die Nutzung ist zunächst, indem sie Besucher für Sonder- oder Dauerausstellungen gewinnen will, auf einen edukativen, im Allgemeininteresse liegenden und damit privilegierungswürdigen Zweck ausgerichtet. Sie weist allerdings nicht unbedingt eigene »edukative« Inhalte auf und entspricht damit nicht den typischen fair use-Nutzungen im Bildungsbereich. Das edukative (Fern-)Ziel der Bildnutzung besitzt daher kein großes Gewicht. Verwertungen zu Werbezwecken sind – abgesehen von Ausnahmen wie kostenpflichtigen Smartphone-Apps – in aller Regel nichtkommerziell. Sofern über Eintrittsgelder Einnahmen erwirtschaftet werden, steht diese mittelbar kommerzielle Komponente nicht im Vordergrund. Zur möglichen Bewertung des Verhaltens von Museen im etwaigen Verletzungsprozess lassen sich keine allgemeine Aussagen treffen. Allerdings muss die Transformativität als wichtiges fair use-Kriterium bei einer reinen Bildwerbung verneint 512 S. oben S. 345 f.
402
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
werden. Derartige Nutzungen sind somit im Kontext des ersten Faktors eher neutral bis negativ zu bewerten. Eine günstigere Beurteilung können Nutzungen in Werbematerialien mit begleitendem Text erfahren, die die Rechtsprechung aufgrund ihrer kunstvermittelnden oder auch nur illustrativen Funktion als transformativ einstufen könnte. Insbesondere für digitale Wiedergaben bedarf es jedoch einer Einzelfallprüfung, ob Größe und Qualität mit Zweitnutzungen konkurrieren und damit eher eine Form von superseding use vorliegt. Bei kommentierten oder auch nur rein »illustrierenden« Nutzungen in kleinem Format in Printmaterialien besteht diese Gefahr in weitaus geringerem Maße als bei größeren isolierten Wiedergaben, etwa auf Einladungskarten, so dass diese Nutzungsvariante tendenziell positiv bewertet werden kann. Maßgeblich für die Bewertung des ersten Faktors ist somit die Art und Weise der Werkwiedergabe einschließlich ihrer Kombination mit einem erläuternden Text. Eine intensive, langfristige Nutzung von Werken aus einer Dauerausstellung kann sich wiederum, auch in Zusammenschau mit hohen Eintrittspreisen, als negativer Aspekt in der Bewertung niederschlagen.
2.
»Nature of the copyrighted work«
Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke sind kreative Schöpfungen, die als schutzwürdiger angesehen werden als überwiegend auf Fakten beruhende Werke.513 Die daraus folgende negative Bewertung des zweiten Faktors kann etwas dadurch abgeschwächt werden, dass es sich bei den genutzten Exponaten häufig um bereits veröffentlichte Werke handeln wird.514 Das gilt sowohl für zur Sonderausstellung bestimmte Werke, die aus dem eigenen Bestand stammen oder Leihgaben aus anderen Museen sind, als auch für Exponate aus der Dauerausstellung. Lediglich in Ausnahmefällen dürfte ein zur Werbung genutztes Werk, beispielsweise ein »atelierfrischer« Ankauf vom Künstler, noch unveröffentlicht sein.
3.
»Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole«
Beim dritten fair use-Faktor ist der quantitative und qualitative Umfang der Nutzung zu untersuchen. Eine weitgehende oder gar vollständige Übernahme führt tendenziell zu einer negativen Beurteilung, sofern jene nicht durch einen 513 S. oben S. 340 f. 514 S. oben S. 341 f. und Fn. 218.
Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungswerbung
403
positiv eingeschätzten, insbesondere transformativen Zweck gerechtfertigt erscheint.515 a) Reine Bildwerbung Die Nutzung von Exponaten erscheint zur Verwirklichung des Werbezwecks, der Gewinnung von Ausstellungsbesuchern, grundsätzlich gerechtfertigt. Sofern Werke ohne erläuternden Text vollständig wiedergegeben werden, im Extremfall auf großen Plakaten oder in ganzseitigen Hochglanzanzeigen, spricht die intensive, unkommentierte Nutzung aufgrund ihrer fehlenden Transformativität516 dennoch gegen fair use. Aber auch die Verwendung von Werkausschnitten bzw. Detailwiedergaben führt nicht unbedingt zu einer günstigeren Bewertung. In diesen Fällen wird zwar nicht das gesamte Werk, aber meist ein qualitativ herausragender oder auffälliger Teil genutzt. Eine entsprechend exponierte Nutzung wäre daher ebenfalls negativ, bestenfalls neutral zu bewerten. b) Werbung mit Bild- und Textbeiträgen Bei kommentierten oder »illustrierenden« Abbildungen wiederum kann eine vollständige oder teilweise Wiedergabe angesichts der Transformativität, die die Rechtsprechung ihr beimessen könnte, positiver beurteilt werden. Dies gilt insbesondere für stark verkleinerte Bildversionen, z. B. in Programmheften und Ausstellungsfaltblättern, oder für schwach aufgelöste und mit Text kombinierte Online-Darstellungen. Derartige Nutzungen könnten im Kontext des dritten Faktors als neutral bzw. unschädlich angesehen werden. Sofern digitale Werkabbildungen hingegen eine ansprechende Größe und Qualität aufweisen und separat kopiert und weiterverwendet werden können, sind sie eher als superseding use und damit auch bezogen auf den dritten Faktor als unfair einzustufen. 4.
»Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work«
a) Beeinträchtigung des Markts für die Originale Werknutzungen zum Zweck der Ausstellungswerbung stellen keine Konkurrenz für die ausgestellten Werkoriginale oder – falls vorhanden – für identische Werkstücke dar, die den Markt für diese Originale negativ beeinträchtigen könnten.
515 S. oben S. 342 ff., 345. 516 Vgl. oben S. 333 f.
404 b)
Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Beeinträchtigung von Zweitmärkten für Reproduktionen
aa) Zweitmarkt für Werbenutzungen durch Museen? Fraglich ist, ob die Rechtsprechung die Nutzung von Exponaten zur Ausstellungswerbung als Zweitmarkt anerkennen würde. Künstler könnten in diesem Fall bereits die entgangenen Lizenzgebühren als Marktschaden geltend machen. Wie oben dargelegt, werden zur Vermeidung eines Zirkelschlusses nur solche Märkte als »potential markets« anerkannt, die der Rechtsinhaber traditionell bedient, vernünftigerweise betreten oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit wird erschließen können.517 Trotz dieser Definition bleibt die Feststellung, ob ein solcher Markt existiert oder erschlossen werden kann, oft schwierig. Wie im Kontext der Verkaufswerbung ließe sich auch im Ausstellungsbereich auf das praktische Bedürfnis der Museen nach geeigneten Werbemotiven abstellen, das eine punktuelle Nachfrage für Bildnutzungen begründet. Hält man eine faktisch wiederkehrende Nachfrage nach einer bestimmten Art von Verwertung für ausreichend, wäre ein Zweitmarkt zu bejahen. Die Nachfrage setzt jedoch voraus, dass ein Werk Teil einer Sonderausstellung oder Sammlung geworden ist. Der insofern auf einen einzigen Nachfrager und Anbieter begrenzte »Markt« kann vom Künstler nicht gezielt erschlossen werden; er verspricht auch keine nachhaltigen Einkünfte. Ob die Rechtsprechung Werbenutzungen durch Museen als traditionellen bzw. potentiellen Markt anerkennen würde, ist daher ebenso zweifelhaft wie im Bereich der Verkaufswerbung.518 bb) Zweitmarkt für kommerzielle Reproduktionen Der Markt für vom Urheber lizenzierte Kunstreproduktionen im engeren Sinne, z. B. hochwertige Posterdrucke, wird durch zur Werbung eingesetzte fotografische Vervielfältigungen, sei es in bebilderten Ausstellungsprospekten, in der Außenwerbung oder im Internet, in der Regel nicht beeinträchtigt. Ob Werknutzungen in Werbematerialien geeignet sind, sonstige Zweitverwertungen des Werkes zu ersetzen, muss einer Betrachtung der konkreten Werbemaßnahme vorbehalten bleiben. Im Bereich analoger Nutzungen ist etwa denkbar, dass unkommentierte, vollständige, großformatigere und hochwertige Printwiedergaben, z. B. auf Einladungskarten, im Einzelfall mit etablierten kommerziellen Zweitnutzungen (z. B. Kunstpostkarten oder Kalendern) konkurrieren können.519 Kleinere vollständige oder ausschnittsweise Wiedergaben in Ausstellungsprospekten oder Museumsbroschüren mit Textbeiträgen stellen hingegen keine Konkurrenz für Zweitverwertungen dar. Gleiches gilt für Werknutzungen 517 S. oben S. 350 f. 518 Vgl. oben S. 388. 519 Vgl. Nelson, Col.-VLA J. L. & Arts 18 (1993 – 1994), 291, 315 zu (Auktions-)Katalogbildern.
Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungswerbung
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im Rahmen der Außenwerbung, z. B. auf Plakatwänden, Litfaßsäulen und Bussen, bei der den Adressaten kein eigenes Vervielfältigungsstück an die Hand gegeben wird. Wenn digitale Abbildungen in das Internet eingestellt und frei kopiert werden können, besteht die Gefahr, dass die Vervielfältigungsstücke elektronische Nutzungen des Kunstwerkes, z. B. als Bildschirmschoner oder in elektronischen Bildergalerien für Smartphones, ersetzen, die heute zur kommerziellen Bildverwertung gehören.520 Wiedergaben in höherer Bildauflösung ermöglichen dem Nutzer sogar den Ausdruck ansprechender Werkkopien. Kleine Wiedergaben in geringerer Auflösung, die noch dazu mit Textinformationen versehen werden, sind demgegenüber eher unschädlich. Da Museen bei der Wiedergabe der Originale allerdings im eigenen Interesse eine gewisse Bildqualität gewährleisten müssen, ist die Verwendung von thumbnail-Bildern im Wortsinne, bei denen die ästhetische Funktion und Wirkung des Werkes – wie bei extrem verkleinerten Vorschaubildern in Suchmaschinen – deutlich in den Hintergrund tritt, eher nicht die Regel.521 Im Allgemeinen dürften Beeinträchtigungen von Zweitverwertungen der Exponate im Bereich analoger Werbenutzungen durch Museen seltener eintreten als bei Nutzungen durch den Kunsthandel. Bei digitalen Nutzungen ist diese Gefahr eher gegeben. Bei Werken, die in einer Dauerausstellung gezeigt werden, kommt hinzu, dass das Museum, wenn die Nutzung als fair beurteilt wird, entsprechend langfristig mit diesen Werken werben und dabei ggf. auch potentielle Zweitmärkte stärker beeinträchtigen könnte. c) Positive Effekte auf den Marktwert des Werkes aa) Ein Argument, das im Zusammenhang mit Werknutzungen durch Museen auch in den USA angeführt wird, ist der »kostenlose Werbeeffekt«, der Künstlern infolge der Nutzung zugute kommen soll.522 Das Argument der positiven Werbung soll daher, obgleich es im Kontext der fair use-Prüfung verfehlt erscheint,523 auch für Museumsnutzungen genauer betrachtet werden. Richtig ist zunächst, 520 Vgl. oben Fn. 433. 521 Die Association of Art Museum Directors (AAMD) beschreibt ein thumbnail image als kleine Version eines digitalen Bildes in geringer Auflösung und »geringerer als kommerzieller Qualität (weniger als 250 mal 300 Pixel)«, die typischerweise in der Bilddatenbank einer Sammlung, auf einer Internetseite oder in einer Online-Publikation genutzt wird, um ein Bild zu repräsentieren oder einen Link zu anderen Inhalten zu gewährleisten, z. B. zu einer größeren Bildversion; AAMD, SS024 ALI-ABA 131. Damit scheint der Begriff im Museumskontext sehr weit ausgelegt zu werden, denn Bilder auf Museums-Webseiten müssen eine weit bessere Qualität als die Ergebnisse einer Bildersuche aufweisen und sind häufig größer als »daumennagelgroß«. 522 Vgl. Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 432, 435. 523 S. oben S. 353 f.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
dass der Erwerb eines Werkes durch ein Museum und seine Präsentation in der Dauerausstellung oder seine Einbeziehung in eine Sonderausstellung den Marktwert für das Exponat sowie das Ansehen des Künstlers erheblich steigern können.524 Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Nutzung des betreffenden Exponats zu Werbezwecken. Ob die Werbung mit dem Werk bzw. der dadurch geförderte Erfolg der Ausstellung, gemessen an Besucherzahlen, zusätzlich zu einer Wertsteigerung des Werkes beitragen, ist fraglich. Da es sich bei dem Exponat in vielen Fällen um ein Unikat im Eigentum des Museums oder eines Sammlers handelt, hat der Künstler auch keine Möglichkeit, von der Steigerung des Marktwerts dieses Unikats zu profitieren, selbst wenn es eines Tages vom Eigentümer veräußert werden sollte.525 Die Steigerung seiner Bekanntheit und etwaige positive Auswirkungen auf den Verkauf weiterer Werke sind wiederum Nebeneffekte, die sich nicht konkret auf den Markt für das genutzte Original auswirken und daher streng genommen im Rahmen des vierten Faktors unbeachtlich sind. bb) Berücksichtigungsfähig ist hingegen, dass eine erfolgreich mit Werkabbildungen beworbene und vielfach besuchte Ausstellung auch die Nachfrage für lizenzierbare Zweitverwertungen der genutzten Exponate, etwa in Form von professionellen Reproduktionen oder Merchandising-Artikeln wie Ausstellungsplakaten, Postern, Postkarten oder Kalendern, erhöhen kann. Ob entsprechend positive Effekte von Werbenutzungen die damit ggf. verbundenen Beeinträchtigungen von Zweitmärkten aufwiegen, kann letztlich nur im Einzelfall festgestellt werden, indem die mit einer konkreten Werbenutzung (Plakatwerbung, Printanzeigen, Internetwiedergaben etc.) verbundenen negativen wie positiven Effekte einander gegenübergestellt werden. d) Ergebnis Der vierte Faktor spricht weder deutlich für noch gegen eine allgemeine Nutzung zu Werbezwecken. Maßgeblich ist wiederum die Prüfung der einzelnen Werbemaßnahme. Beeinträchtigungen des Marktes für Originale und Reproduktionen im engeren Sinne sind zunächst nicht zu befürchten. Ungewiss bleibt, ob die Rechtsprechung einen »potentiellen Markt« für Werbenutzungen durch Museen anerkennen würde. Eine Beeinträchtigung von traditionellen Zweitmärkten für Reproduktionen ist nur im Einzelfall bei der reinen Bildwerbung in hochwertigen Printmaterialien denkbar sowie allgemein bei größeren, speicherbaren digitalen Wiedergaben in höherer Auflösung, sofern sie zur Werbung auf Museumshomepages eingestellt werden. Bei kleinformatigeren und mit Text kombinierten Wiedergaben, insbesondere im Printbereich, ist die Gefahr einer 524 Vgl. oben S. 45 f., 53 f. 525 Zum in den USA nur in einzelnen Bundesstaaten eingeführten Folgerecht vgl. oben S. 318.
Nutzung von Kunstwerken zur Ausstellungswerbung
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Substitution von Zweitnutzungen grundsätzlich geringer. Als positiver Markteffekt könnte berücksichtigt werden, dass eine erfolgreiche Ausstellungswerbung zu einer erhöhten Nachfrage nach vom Künstler lizenzierten Reproduktionen eines Exponats führen kann. Diese Vorteile einer Werbenutzung erscheinen allerdings nur dann berücksichtigungsfähig, wenn im Einzelfall keine wesentlichen Beeinträchtigungen eines Zweitmarkts festzustellen sind. Allgemein lässt sich daher festhalten, dass der vierte Faktor für Nutzungen hochwertiger, alleinstehender Wiedergaben in Printform sowie für digitale Nutzungen in ansprechender Qualität tendenziell negativ bewertet würde, wohingegen kommentierte oder illustrierende Printwiedergaben, Nutzungen in der Außenwerbung und stark verkleinerte digitale Bildversionen aufgrund ihres geringeren Substitutionspotentials neutral bis positiv beurteilt würden. 5.
Gewichtung der Einzelfaktoren und Gesamtergebnis
Die Analyse der vier fair use-Faktoren führt bei der Ausstellungswerbung zu einer unterschiedlichen Bewertung für Nutzungen zur reinen Bildwerbung und für Nutzungen, die mit Textinformationen kombiniert werden. a) Im Kontext des ersten Faktors ist die reine Bildwerbung mit Kunstwerken trotz ihres (mittelbaren) edukativen Zweckes und der allenfalls geringen Kommerzialität aufgrund der fehlenden Transformativität neutral bis negativ zu bewerten. Auch der zweite und dritte Faktor sprechen eher gegen die Nutzung. Die Bewertung des vierten Faktors hängt nicht zuletzt vom Werbemedium ab; hochwertige Printwiedergaben oder die Zurschaustellung qualitativ ansprechender digitaler Bildversionen im Internet werden aufgrund ihrer möglichen Substitutionswirkung tendenziell eine negativere Beurteilung erfahren als kleinformatige Printwiedergaben oder Nutzungen in der Außenwerbung. Da die ersten drei Faktoren gegen die Nutzung sprechen, wird man die reine Bildnutzung jedoch in allen Varianten insgesamt eher als unfair einschätzen müssen. b) Kommentierte oder eine Ausstellung illustrierende Wiedergaben könnten von der Rechtsprechung als transformativ eingeschätzt werden, sofern Bildgröße und -qualität nicht die Einordnung als superseding use nahe legen. Ist dies nicht der Fall, kann der erste Faktor aufgrund der Transformativität und des mittelbaren Bildungszwecks der Nutzung positiv bewertet werden. Der zweite Faktor spricht gegen die Nutzung, während die Beurteilung des dritten Faktors wiederum vom Ausmaß der Transformativität der jeweiligen Nutzung abhängt. Gleiches gilt im Ergebnis für den vierten Faktor : Abhängig von der Substitutionswirkung der einzelnen Nutzung kann er negativ, neutral oder gar positiv eingestuft werden. Im Allgemeinen werden kleinere Wiedergaben in Printmaterialien und stark größenreduzierte digitale Bildversionen im Kontext des ersten, dritten und vierten Faktors günstig bewertet werden können. Die Ge-
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samtanalyse fällt daher für derartige Nutzungen tendenziell zu Gunsten von fair use aus, während größere, höher aufgelöste Wiedergaben, insbesondere separat speicherbare digitale Bildversionen, aufgrund ihrer möglichen Substitutionswirkung eine ungünstige Bewertung aller vier Faktoren und der Gesamtanalyse erfahren. c) Eine allgemeine Einstufung von Nutzungen zu Werbezwecken als fair ist danach ausgeschlossen. Lediglich Werkwiedergaben, die mit Informationen zu einer Ausstellung bzw. dem Einzelwerk verbunden sind und aufgrund ihrer Größe und Qualität den Markt für kommerzielle Zweitverwertungen nicht beeinträchtigen, könnten von der Rechtsprechung als fair angesehen werden. Dies umfasst ggf. auch die Nutzung von Werkausschnitten, solange das Werk dadurch nicht im Sinne von § 106A(a)(3)(A) entstellt wird und eine negative Bewertung des ersten Faktors droht. Aufgrund der Möglichkeit der langfristigen Verwertung, z. B. auf einer Homepage, ist die Nutzung von Kunstwerken aus Dauerausstellungen grundsätzlich kritischer zu bewerten als die Nutzung von Exponaten aus Sonderausstellungen.
F.
Nutzung von Kunstwerken in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen von Museen
In Anlehnung an die von § 58 Abs. 2 UrhG gestatteten Nutzungen wird im Folgenden die Verwertung von Kunstwerken zur Herstellung von Verzeichnissen untersucht, die von Museen526 zur Dokumentation und Erläuterung einer Ausstellung sowie ihrer (ausgestellten oder eingelagerten) Bestände herausgegeben werden.
I.
Prüfungsgegenstand und betroffene Verwertungsrechte
1. § 58 Abs. 2 UrhG privilegiert de lege lata gedruckte Sonderausstellungskataloge, (Teil-)Bestandskataloge, Museumsführer und digitale Offline-Verzeichnisse (z. B. auf CD-ROM).527 Zusätzlich soll zu Vergleichszwecken untersucht werden, ob das fair use-Privileg die – in der Praxis zunehmende – OnlinePräsentation von Sammlungsbeständen umfassen könnte, die § 58 Abs. 2 UrhG nicht erlaubt. Bei der fair use-Prüfung wird davon ausgegangen, dass gedruckte Ausstellungs- und Bestandskataloge in der Regel hochwertige, farbige und vollständige 526 Die Prüfungsergebnisse gelten gleichermaßen für reine Ausstellungshäuser. 527 S. oben S. 226, 232.
Nutzung von Kunstwerken in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
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Werkabbildungen enthalten, die mit gewissen Erläuterungen zum jeweiligen Werk bzw. auch zur Ausstellung versehen sind. Teilweise werden auch Detailansichten der Werke abgebildet. Hier sind die Übergänge zwischen einer der Ausstellungs- bzw. Kunstvermittlung »untergeordneten« Wiedergabe und der Vermittlung eines Kunstgenusses in Bildbandqualität fließend.528 Museumsbzw. Sammlungsführer, die ein handlicheres Format als Kataloge aufweisen, enthalten demgegenüber weitaus kleinere Darstellungen. Digitale Werkabbildungen auf Internetseiten von Museen können in Größe und Qualität stark variieren. Auf den Homepages größerer US-amerikanischer Museen befinden sich aktuell häufig Übersichten von Ausstellungs-»Highlights« oder Sammlungsbeständen in unterschiedlichem Umfang.529 Auf den Seiten mit Übersichtsdarstellungen werden eher kleinformatige Wiedergaben verwendet, die sich jedoch durch Anklicken regelmäßig vergrößern und häufig auch speichern lassen. Daneben werden auch Abbildungen in größerem Format mit und ohne Vergrößerungsmöglichkeit oder Zoom-Funktion zugänglich gemacht. Ausstellungs- bzw. Sammlungs-»Highlights« sowie ganze Online-Sammlungen gehören mittlerweile auch zu den Elementen von Museums-Apps530 und können auf Smartphone-Bildschirmen in ansprechender Qualität wiedergegeben werden. 2. Werkwiedergaben in Printkatalogen und Museumsführern greifen in das Vervielfältigungsrecht und ggf. das Bearbeitungsrecht des Rechtsinhabers ein.531 Auch die Herstellung digitalisierter Werkversionen bzw. Bilddateien und ihre Speicherung auf einem Internetserver oder auf einer CD-ROM oder die Übermittlung der Bilddaten per E-Mail gehen mit Vervielfältigungen einher. Der Vertrieb der Vervielfältigungsstücke in Printform oder auf CD-ROM verletzt das Verbreitungsrecht.532 Durch die Ermöglichung des Abrufs von Werken auf einer Internetseite wird zudem das Recht auf öffentliche Zurschaustellung berührt.533
528 Vgl. oben S. 222. 529 Vgl. z. B. die Homepages des Metropolitan Museum of Art (www.metmuseum.org), des Museum of Modern Art (www.moma.org), des Philadelphia Museum of Art (www.philamuseum.org), des Museum of Fine Arts Boston (www.mfa.org), der National Gallery of Art (www.nga.gov) und des J. Paul Getty Museum (www.getty.edu). Während einige Museen große Teile des (auch nicht ausgestellten) Bestands zugänglich machen, beschränken sich andere auf eine thematische Selektion bestimmter Werke. 530 Vgl. Gütt, S. 17, 19. 531 S. oben S. 319. 532 S. oben S. 319 f. 533 S. oben S. 320.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
II.
Fair Use-Prüfung
1.
»Purpose and character of the use«
a)
Bildungsfunktion von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
aa) Ausstellungskataloge (Sonder-)Ausstellungskataloge, die Wiedergaben der Exponate enthalten, dienen der Verwirklichung des Bildungsauftrags von Museen. Sie sollen Besuchern das Konzept und Anliegen einer Ausstellung anhand von Werkwiedergaben und Textbeiträgen erläutern, ihnen die gezeigten künstlerischen Positionen vermitteln und die Ausstellung als zeitlich begrenztes Ereignis dokumentieren. Dies geschieht, da sich die Museumsbesucher in der Regel erst nach dem Besuch zum Katalogkauf entschließen, meist im Rahmen einer Nachbereitung.534 Nicht zuletzt unter diesem Aspekt sind Wiedergaben der Exponate im Katalog zu Verständniszwecken erforderlich. Zugleich dienen Ausstellungskataloge der wissenschaftlichen Dokumentation der Veranstaltung für ein Fachpublikum. Mit der Herausgabe ausstellungsbegleitender und -dokumentierender Publikationen erfüllt das Museum mithin einen edukativen und wissenschaftlichen Zweck, der – vergleichbar mit den in der Präambel von § 107 genannten Tätigkeiten (»teaching«, »scholarship«, »research«) – im Allgemeininteresse liegt. Insoweit kann auf die Feststellung des Second Circuit verwiesen werden, Kunstausstellungen komme ein im breiten öffentlichen Interesse liegender Wert zu.535 Um dem Bildungsanliegen gerecht zu werden, muss die Katalogwiedergabe mit Informationen zum jeweiligen Exponat und zu seinem Bezug zur Ausstellung versehen sein; die Abbildung eines Werkes unter bloßer Nennung von Urheber und Werkdaten erfüllt diese Aufgabe nicht. In Ausstellungskatalogen wird allerdings nicht jedes ausgestellte Werk durchgängig in einem separaten, nebenstehenden Begleittext erörtert. Zum Teil enthält lediglich ein vor- oder nachangestellter Textbeitrag Erläuterungen zu einem Werk unter Hinweis auf die jeweilige Werkabbildung. Berücksichtigt man jedoch, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung des ersten fair use-Faktors selbst relativ oberflächliche Kommentare von visuellen Werken positiv würdigt,536 dürften an den Umfang der kunstvermittelnden Informationen und an ihre redaktionelle Platzierung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Entscheidend ist, dass Bildund Textbeiträge dem Publikum nähere Erkenntnisse über das genutzte Werk im Kontext der Ausstellung vermitteln. 534 S. oben S. 160. 535 Blanch v. Koons, 467 F.3d 244, 254 (2nd Cir. 2006). 536 Vgl. oben S. 339 sowie die Fallbeispiele oben S. 356 ff., 360 ff.
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bb) Bestandskataloge Von Museen herausgegebene Bestandskataloge enthalten in der Regel Erläuterungen zu jedem Werk einer Sammlung. Besucher können sie während des Museumsrundgangs oder für eine spätere vertiefte Lektüre nutzen. Da Bestandsverzeichnisse auch Werke umfassen, die zeitweise oder dauerhaft nicht ausgestellt sind, entfällt insoweit zwar der unmittelbare Bezug zwischen einem zu besichtigenden Exponat und der mit Informationen versehenen Katalogabbildung. Die Verzeichnisse dienen jedoch – neben der Information des kunstinteressierten Publikums – auch der wissenschaftlichen Erschließung und Dokumentation des Bestands. Angesichts ihres edukativen wie wissenschaftlichen Zweckes würden US-amerikanische Gerichte daher voraussichtlich auch kommentierte Wiedergaben von nicht ausgestellten Werken in Bestandskatalogen positiv bewerten. cc) Museumsführer Museumsführer dienen in erster Linie der Instruktion des Publikums während des Besuchs der (Dauer-)Ausstellung. Sie enthalten aufgrund ihres handlichen Formats entsprechend verkleinerte Werkwiedergaben, die mit den wesentlichen Informationen zu den Exponaten versehen sind. Die Abbildungen sind für die Nutzung des Museumsführers während des Ausstellungsbesuchs streng genommen nicht erforderlich, da eine Zuordnung der Informationen zu einem Exponat auch anhand seiner Nummerierung oder der Angabe des Ausstellungsortes erfolgen kann. Gleichwohl erleichtert eine Abbildung die rasche Identifikation des Werkes und ermöglicht zudem, wie bei Ausstellungs- und Bestandskatalogen, das Verständnis bei der Lektüre zu einem späteren Zeitpunkt. Unter diesen Gesichtspunkten verfolgen auch kommentierte Werkabbildungen in Museumsführern unmittelbar edukative Zwecke. dd) Digitale Offline-Kataloge Digitale Offline-Kataloge (z. B. auf CD-ROM) werden insbesondere zur Dokumentation und Vermittlung von Sonderausstellungen erstellt und im Museum vertrieben. Sie erfüllen daher die gleiche Bildungsfunktion wie Printkataloge, wenn sie erläuternde Informationen zu den jeweiligen Werkwiedergaben enthalten. Gleiches gilt für Wiedergaben in CD-ROM-Verzeichnissen, die Werke aus dem Museumsbestand zeigen. ee) Online-Ausstellungen und Online-Sammlungsverzeichnisse Auch Online-Wiedergaben von Werken eines Museumsbestands oder einer Sonderausstellung besitzen schließlich edukativen Charakter, wenn sie mit Informationen zu den jeweiligen Kunstwerken versehen sind. Bei auf Museumshomepages gezeigten Werken fehlt allerdings nicht nur der direkte Bezug zu
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
einem Exponat, sondern auch der räumliche Bezug zur jeweiligen Einrichtung selbst. Während gedruckte oder digitale Ausstellungs- und Bestandskataloge in der Regel anlässlich eines Museumsbesuches erworben werden, kann sich der Internetnutzer alle Werke eines Online-Bestands von jedem beliebigen Ort aus ansehen. Möglicherweise entfällt im Zuge dessen sogar das Interesse, die Originale zu besichtigen, obwohl Online-Sammlungen aus Sicht der Museen eigentlich einen Anreiz zum Besuch geben sollen. Dieser Umstand rührt an die grundsätzliche Frage, ob der Bildungsauftrag der Museen eine derart intensive, d. h. hinsichtlich ihrer Dauer, Verbreitung und Darstellungsqualität weitgehende Bildnutzung rechtfertigt, die unabhängig vom Aufsuchen der Sammlung bzw. dem Erlebnis des Werkoriginals jedermann zur Verfügung gestellt wird. Betrachtet man Online-Verzeichnisse von Museen (auch) als ein taugliches Instrument der Kunstvermittlung und -dokumentation, das gedruckten Bestandskatalogen inhaltlich gleichkommen kann, spricht der Bildungsaspekt jedoch auch hier noch für die Nutzung. Werkwiedergaben, denen – über Quellenangaben wie Urheber, Werktitel und Schöpfungsjahr hinaus – keinerlei Zusatzinformationen zur Seite gestellt werden, d. h. die nur der reinen Bilddokumentation einer Sammlung dienen, sind demgegenüber negativ zu bewerten. ff ) Teilergebnis Der edukative und wissenschaftliche Zweck, den Wiedergaben in Museumsverzeichnissen verfolgen, spricht im Kontext des ersten fair use-Faktors deutlich für die erlaubnisfreie Nutzung. Das gilt für Ausstellungs- und Bestandskataloge wie für Museumsführer und für digitale Off- und Onlineverzeichnisse, sofern sie Erläuterungen zu den gezeigten Werken enthalten. Aufgrund ihres unmittelbaren Bezugs zu einer Sonder- oder Dauerausstellung, deren Exponate dem Besucher mit Hilfe der Publikation erläutert werden sollen, ist das edukative Anliegen von Ausstellungskatalogen und Museumsführern, die dem Informationsbedürfnis des Museumspublikums entsprechen wollen, allerdings höher zu gewichten als die Informationen, die unabhängig von einer Ausstellung in Bestands- und Online-Katalogen vermittelt werden. Bei Bestandskatalogen steht eher das wissenschaftliche Interesse an der Dokumentation der Kunstobjekte für die Fachwelt im Vordergrund. Bloße, nicht kommentierte Bildverzeichnisse erfüllen demgegenüber keinen privilegierungswürdigen Zweck. b) Transformative oder superseding use? aa) Fraglich ist, ob Werknutzungen in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen und Museumsführern auch transformativen Charakter haben oder ob sie das Werkoriginal bzw. Zweitnutzungen eher ersetzen.537 Die unverändert und 537 S. oben S. 333 – 335.
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möglichst originalgetreu wiedergegebenen Werke erhalten durch die Nutzung zunächst keine neue Bedeutung oder Aussage. Vergleichbar mit einem Zitat zum Zweck der Kritik, die Leval als transformative Nutzung bezeichnet,538 wird dem Katalogbild allerdings durch kunstwissenschaftliche Informationen, die dem Leser nähere Erkenntnisse über das Werk verschaffen, ein »Mehrwert« hinzugefügt, der im gesellschaftlichen Interesse liegt. Die kommentierte Werkabbildung verfolgt unter diesem Aspekt einen anderen bzw. weitergehenden Zweck als das ausgestellte oder im Bestand befindliche Original. Dies gilt auch dann, wenn sich der erläuternde Text im Einzelfall nicht unmittelbar neben der Werkabbildung befindet. bb) Problematisch ist wiederum, dass Katalogbilder dem Betrachter – ebenso wie das Original – stets auch einen gewissen Werkgenuss ermöglichen und mit etablierten Zweitnutzungen, z. B. mit Wiedergaben in Kunstbildbänden, konkurrieren können.539 Die bereits im Kontext der Auktionswerbung angesprochene Schwierigkeit, den »Doppelcharakter« kommentierter Bildverwertungen eindeutig als transformative oder aber superseding use zu bewerten,540 zeigt sich in Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd541: Während der Seventh Circuit den Zweck der mit Informationen für Sammler versehenen, qualitativ hochwertigen Katalogbilder von Puppenmodellen tendenziell positiv beurteilte, hielt der District Court die Bildnutzung für nicht transformativ und rein kommerziell. In Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd.542 begründete der Second Circuit die Transformativität der als »historische Artefakte« verwerteten Konzertposter damit, dass ihr künstlerischer Ausdruck durch die starke Verkleinerung auf ein Minimum reduziert worden sei. Auch das Urteil in Kelly v. Arriba Soft Corp.543 stützt die Transformativität der Bildnutzung in Internetsuchmaschinen auf die starke Größenreduzierung und die geringe Auflösung der streitgegenständlichen Fotografien, die aus Sicht des Ninth Circuit verdeutlichte, dass die Verwertung weder dieselben ästhetischen Ziele wie das Original verfolgte noch geeignet war, die ursprüngliche künstlerische Nutzung zu verdrängen. Die Bewertung von Katalogbildern als transformative oder superseding hängt danach maßgeblich von der Größe und Qualität der Wiedergabe, der Art der Kombination mit begleitendem Text oder anderen Materialien und dem daraus insgesamt folgenden Potential ab, Erst- oder Zweitnutzungen des Originals zu er538 S. oben S. 333. 539 Vgl. die Entscheidung Basquiat v. Baghoomian (oben S. 354 ff.), in der das Gericht die Essays zum Werkschaffen des Künstlers in einem kommerziell vertriebenen Ausstellungskatalog ungewürdigt ließ. 540 Vgl. oben S. 378 ff. 541 S. oben S. 362 ff. 542 S. oben S. 365 ff. 543 S. oben S. 370 ff.
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setzen. Hierzu bedarf es stets der Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalles, so dass an dieser Stelle nur allgemeine Überlegungen angestellt werden können. cc) Größere, qualitativ hochwertige Farbdrucke in Printkatalogen dürften, bezogen auf die mögliche Substitution von lizenzierbaren Zweitnutzungen (z. B. in Kunstbüchern), nach den Wertungen der Rechtsprechung als superseding use anzusehen sein. Gleiches gilt für digitale Wiedergaben in höherer Auflösung und ansprechendem Format in Offline-Verzeichnissen oder auf der Internetseite eines Museums.544 Bei derartigen Verwertungen kommt hinzu, dass der Nutzer möglicherweise multiple digitale Kopien der Werke erstellen kann, die separate Betrachtungs- und Verwertungsmöglichkeiten eröffnen. Demgegenüber werden kleinformatige Darstellungen, die in einen Begleittext eingebettet sind, eher als transformativ einzustufen sein. Allgemein kann damit festgehalten werden, dass der transformative Zweck der Katalogwiedergabe umso mehr in den Hintergrund tritt, desto hochwertiger und »kommerzieller« die Bildqualität ist und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der Konsument des Katalogs bzw. der Katalogbilder vom Erwerb vergleichbarer Reproduktionen absieht. Hochwertig aufgemachte Ausstellungs- und Bestandskataloge mit größeren ganzseitigen Werkabbildungen sind daher tendenziell weniger transformativ als kleinere, in Text eingebettete Darstellungen in Katalogen oder Museumsführern. Zwischen beiden Extremen liegen Nutzungsformen, die weniger deutlich als transformativ oder substitutiv einzustufen sind, so dass sich beide Elemente bei der Prüfung ggf. »neutralisieren« können. Die gleichen Wertungskriterien gelten für Wiedergaben im Internet. Hat der Internetnutzer Gelegenheit, ästhetisch ansprechende Werkkopien zu erstellen, die weitere digitale Verwertungsmöglichkeiten eröffnen, ist dies ein Aspekt, der zusätzlich für das Vorliegen eines superseding use spricht. c) Kommerzialität: Commercial nature oder nonprofit educational purpose? Bei der Prüfung des ersten fair use-Faktors wird weiter danach gefragt, ob eine kommerzielle Nutzung vorliegt oder die Verwertung ggf. »nonprofit educational purposes« verfolgt, welche das Gesetz beispielhaft als tendenziell privilegierungswürdige Nutzungszwecke erwähnt.545 Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse werden zwar von Museen, d. h. von nonprofit-Institutionen, zu einem edukativen Zweck herausgegeben, aber in aller Regel verkauft. Sofern die Ka544 Pessach ist in Ansehung der jüngeren Rechtsprechung, u. a. in Kelly v. Arriba Soft Corp., tendenziell skeptisch, dass digitale Nutzungen wie Online-Archive oder -Ausstellungen unter das fair use-Privileg fallen, da Museen zur Wahrung der Werkintegrität vollständige, hochauflösende und qualitativ hochwertige Abbildungen nutzen müssten; J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 268 ff., 273 f., 276. 545 S. oben S. 335 – 338.
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taloge mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben werden, liegt eine kommerzielle Nutzung vor, die – mehr oder weniger stark – gegen fair use sprechen kann (dazu unten aa). Werden die Verzeichnisse hingegen zum Selbstkostenpreis oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt, ist der Frage nachzugehen, inwieweit die Nichtkommerzialität der Nutzung in diesem Fall positiv zu bewerten ist (dazu unten bb). aa) Katalogvertrieb mit Gewinnerzielungsabsicht Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien fällt die Kommerzialität einer Nutzung nur dann ins Gewicht, wenn eine »Ausbeutung« des geschützten Werkes in dem Sinne vorliegt, dass unmittelbar durch die Verwertung deutliche finanzielle Gewinne erzielt werden.546 Zu untersuchen ist daher die kommerzielle Bedeutung der einzelnen Nutzung. (1) Ausstellungs-, Bestandskataloge und digitale Offline-Verzeichnisse Die umfangreichen Bildnutzungen in Ausstellungs- und Bestandskatalogen sind mit den Sachverhalten in Basquiat v. Baghoomian547 und Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd.548 vergleichbar. In der älteren Entscheidung Basquiat v. Baghoomian sprach der Charakter eines kommerziell vertriebenen Ausstellungskatalogs tendenziell gegen die Nutzung.549 Auch in Ty beurteilte der District Court den kommerziellen Charakter der qualitativ hochwertigen Abbildungen von Spielzeugpuppen in Katalogen für Sammler stark negativ ; allerdings verneinte das Gericht, anders als der Second Circuit in Bill Graham Archives,550 auch die Transformativität der Nutzung. Einnahmen aus Katalogverkäufen resultieren ebenfalls unmittelbar aus einer systematischen, gleichartigen Verwertung zahlreicher Kunstwerke in hoher Wiedergabequalität. Die Werke werden sowohl auf dem Titel abgebildet als auch durchgängig im Inneren des Katalogs in meist ansprechender Größe wiedergegeben und veranlassen den Museumsbesucher entscheidend zum Kauf der Publikation.551 Das in Bill Graham Archives und anderen Verfahren552 vorgebrachte Argument, das jeweils genutzte Werk sei für den kommerziellen Erfolg einer Publikation nebensächlich, verfängt daher bei Ausstellungs- und Bestandskatalogen nicht; diese werden im Gegenteil in der Erwartung erworben, 546 547 548 549 550 551 552
S. oben S. 336. S. oben S. 354. S. oben S. 362 ff, 364 f. S. oben S. 354 f. S. oben S. 365 ff. Vgl. oben S. 160 Fn. 533. Vgl. Haberman v. Hustler Magazine, Inc. (oben S. 356 f.); Calkins v. Playboy Enterprises International, Inc., 561 F.Supp.2d 1136, 1141 (E.D. Cal. 2008).
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dass die besichtigten Exponate abgebildet sind. Ein kommerzieller Charakter der einzelnen Verwertungshandlung ist daher, trotz ihrer edukativen Zielsetzung, deutlich negativ zu bewerten. Gleiches gilt für digitale Offline-Kataloge mit hochwertigen Abbildungen, sofern sie vom Museum mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben werden. Wie oben festgestellt, tritt bei größeren, qualitativ hochwertigen Wiedergaben zugleich der transformative Bildungszweck in den Hintergrund. Werden Ausstellungs- und Bestandskataloge nicht an der Museumskasse, sondern über kommerzielle Vertriebswege, etwa in einem nicht vom Museumsträger unterhaltenen Museumsshop oder in Buchhandlungen angeboten, die ebenfalls am Verkauf profitieren, spricht der kommerzielle Charakter in noch stärkerem Maß gegen fair use.553 (2) Museumsführer Eine weniger prominente Rolle spielen kleinformatige, eher als transformativ einzuschätzende Abbildungen in Museumsführern für deren Absatz. Bei diesen Publikationen steht die praktische Funktion als Ausstellungsbegleiter, der vor Beginn des Museumsrundgangs an der Kasse erworben wird, im Vordergrund. Dennoch muss die Kommerzialität der systematischen Bildverwertungen bei einem gewinnbringenden Verkauf der Verzeichnisse tendenziell negativ bewertet werden. bb)
Nichtkommerzielle Katalognutzung
(1) Katalogvertrieb zum Selbstkostenpreis Fraglich ist, wie gedruckte Verzeichnisse oder digitale Offline-Kataloge zu bewerten sind, die unentgeltlich oder lediglich zum Selbstkostenpreis vertrieben werden. Fehlt die Gewinnerzielungsabsicht, bewegt man sich im Bereich der Nutzungen zu »nonprofit educational purposes«, die tendenziell als privilegierungswürdig angesehen werden. Auch nonprofit-Nutzungen sind jedoch nicht per se fair ; so werden insbesondere systematische Vervielfältigungen auch im wissenschaftlichen oder Bildungsbereich kritisch gewürdigt, wenn sie dem gleichen Zweck wie das geschützte Originalmaterial dienen.554 Wie der House Report hervorhob, können zudem auch nonprofit-Organisationen infolge von Subventionierungen in der Lage sein, Lizenzgebühren zu entrichten.555 Dass ein Museum aus dem Katalogvertrieb keine Einnahmen erwirtschaftet, ist daher zwar ein Faktor, der im Kontext des zweiten Faktors grundsätzlich für die Nutzung spricht. Berücksichtigt man jedoch, dass sich die Katalogherstellung 553 Vgl. Martin, Col.-VLA J. L. & Arts 10 (1985 – 1986), 421, 435. 554 S. oben S. 338; Marcus v. Rowley, 696 F.2d 1171, 1175 (9th Cir. 1983). 555 S. oben S. 337 Fn. 187. Vgl. auch die Wertungen der Classroom Guidelines, unten S. 426.
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auf eine Vielzahl gleichartiger Verwertungshandlungen stützt, die – abhängig von Größe und Qualität der Darstellung – den ästhetischen Genuss des Originals vermitteln und vom Urheber lizenzierbare Zweitnutzungen ersetzen können, kommt der Nichtkommerzialität der Bildverwertung kein entscheidendes Gewicht zu. Sie ist bei der Abwägung allenfalls leicht positiv zu bewerten. (2) Öffentlich zugänglich gemachte Online-Verzeichnisse Sofern Exponate einer Ausstellung oder ganze Sammlungsbestände ohne Zugangsbeschränkung auf die Internetseite eines Museums eingestellt und mit kunstwissenschaftlichen Erläuterungen versehen werden, liegt ebenfalls ein nichtkommerzieller edukativer Nutzungszweck vor. Wie soeben unter (1) dargelegt, spricht dieser bei einer systematischen Vewertung einer Vielzahl von Kunstwerken jedoch nicht in besonderem Maße für fair use. Auch bei solchen Nutzungen sinkt zudem mit zunehmender Größe und Qualität der Wiedergabe die Transformativität, und die mögliche Konkurrenz zu lizenzierbaren OnlineNutzungen nimmt zu. Die Nichtkommerzialität einer systematischen öffentlichen Zugänglichmachung von Werken auf einer Museumswebseite ist allenfalls dann deutlich positiv zu bewerten, wenn lediglich sehr kleine (»thumbnails«) und nicht vergrößerbare Vervielfältigungen von nichtkommerzieller Qualität gezeigt werden. cc) Teilergebnis Werden gedruckte oder digitale Ausstellungs- und Bestandskataloge von Museen mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben, spricht dies aufgrund der systematischen Verwertung von in der Regel hochwertigen Abbildungen in ansprechender Größe deutlich gegen fair use. Bei Verzeichnissen wie Museumsführern, die wesentlich kleinere Bildformate mit Begleittext enthalten, fällt der kommerzielle Charakter der Nutzung hingegen weniger stark ins Gewicht. Aber auch eine nichtkommerzielle Bildnutzung in zum Selbstkostenpreis angebotenen Print- und Offline-Katalogen oder in frei zugänglichen Online-Verzeichnissen ist angesichts einer systematischen, umfangreichen Bildverwertung allenfalls leicht positiv zu bewerten. d) Verhalten des Nutzers Was das Verhalten des Nutzers betrifft, das mitunter in die Bewertung des ersten fair use-Faktors einfließt, kann auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Werbung für Ausstellungen verwiesen werden (oben E.II.1.d). Eine allgemeine Aussage über die Bewertung des Verhaltens von Museen ist auch angesichts der möglichen Bandbreite von Katalognutzungen nicht möglich.
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e) Verzeichnisse von Sonderausstellungen und Bestandsverzeichnisse Schließlich ist auch bei der Bewertung von Katalogbildern fraglich, ob und inwieweit es sich – über die bereits geprüften Nutzungsaspekte hinaus – auf den Charakter der Nutzung auswirkt, ob Werke aus einer Sonderausstellung oder aber aus einer Dauerausstellung oder dem sonstigen (vorübergehend oder dauerhaft eingelagerten) Bestand verwertet werden. Wie oben festgestellt, ist der Bildungszweck kommentierter Werkverzeichnisse für alle drei Alternativen zu bejahen; das Ausmaß der Transformativität und der Kommerzialität der Nutzung hängt indes vom Einzelfall ab. Generell kann es jedoch bei Werken aus der Dauerausstellung oder dem Depot zu wiederholten und langfristigeren Nutzungen kommen als bei Werken, die anlässlich einer Sonderausstellung publiziert werden. Dies gilt nicht nur für Abbildungen in Museumsführern und Bestandskatalogen, die nach Bedarf neu aufgelegt werden, sondern auch für die Online-Wiedergabe von Sammlungsbeständen auf einer Museumswebseite. Die Nutzung ist daher bei Werken, die der Dauerausstellung bzw. dem sonstigen Bestand angehören, unter quantitativen und zeitlichen Aspekten intensiver. Dieser Umstand ist insbesondere dann kritisch zu würdigen, wenn – z. B. für Bestandskataloge – Vervielfältigungen in hoher kommerzieller Qualität erstellt und vertrieben werden. f) Ergebnis aa) Die Gesamtbewertung des ersten fair use-Faktors hängt maßgeblich von der Art und Weise der Wiedergabe im jeweiligen Katalog und dem Ausmaß ihrer Kommerzialität ab. Die edukative und wissenschaftliche Zielsetzung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen, die der Werkvermittlung und Ausstellungsdokumentation dienen, spricht zunächst für die freie Werknutzung, wobei dem besonderen Informationswert von Ausstellungskatalogen und Museumsführern größeres Gewicht beizumessen ist als der Dokumentation von (eingelagerten) Bestandsobjekten in gedruckten oder Online-Verzeichnissen. Sodann gilt es jedoch näher zu differenzieren. bb) Großformatige, qualitativ hochwertige und vollständige Werkabbildungen in gedruckten Ausstellungs- und Bestandskatalogen sind aufgrund ihres Potentials, mit kommerziellen Bildnutzungen zu konkurrieren, eher als superseding denn als transformative use anzusehen. Dies gilt für Printkataloge wie für digitale Offline-Verzeichnisse. Werden diese mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben, so sprechen die kommerzielle Bildqualität und die kommerzielle Verwertung – insbesondere unter Beteiligung des Buchhandels – in der Gesamtschau deutlich gegen fair use. So würde beispielsweise eine ganzseitige Katalogabbildung ohne Begleittext auf derselben Seite von der Rechtsprechung aufgrund der geringeren Transformativität und ihres kommerziellen Charakters voraussichtlich negativer bewertet als eine halb- oder viertelseitige, mit Text
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versehene Wiedergabe. Stärker verkleinerte, in Begleittext eingebettete Werkabbildungen, z. B. in Museumsführern, dürften aufgrund des Bildungszweckes, der anzunehmenden Transformativität und ihres weniger kommerziellen Charakters eine etwas positivere Bewertung erfahren. Der erste Faktor kann für solche Nutzungen, trotz ihres systematischen Charakters, neutral bis positiv bewertet werden. cc) Bei Verzeichnissen, die der Öffentlichkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht angeboten bzw. zugänglich gemacht werden, spricht neben dem Bildungszweck auch die Nichtkommerzialität grundsätzlich für die Werknutzung. Bei hochwertigen, großformatigeren Bildverwertungen führen die geringe Transformativität der systematischen Nutzung und das Potential, kommerzielle Zweitnutzungen zu ersetzen, dennoch zu einer insgesamt neutralen bis negativen Bewertung des ersten Faktors. Kleinere, tendenziell transformative und nichtkommerzielle Wiedergaben in Museumsführern können hingegen im Kontext des ersten Faktors positiv bewertet werden. dd) Die gleiche Differenzierung ist bei unentgeltlich abrufbaren OnlineWiedergaben vorzunehmen. Kleinere, nicht vergrößerbare Wiedergaben in nichtkommerzieller Qualität können tendenziell positiv eingestuft werden, während hochaufgelöste digitale Wiedergaben insbesondere aufgrund der geringen Transformativität bestenfalls neutral zu bewerten sind. Lassen sich derartige digitale Vervielfältigungsstücke speichern und für private oder kommerzielle Zwecke (weiter-)verwenden, ist die Nutzung in noch stärkerem Maße als superseding anzusehen. Handelt es sich dabei um Werke aus dem Bestand, die (als Teil einer Online-Sammlung) dauerhaft zugänglich gemacht werden, fällt auch dieser Aspekt beim ersten Faktor zusätzlich negativ ins Gewicht. 2.
»Nature of the copyrighted work«
Kunstwerke in Museumsausstellungen bzw. -beständen haben kreativen Charakter, was sich auf die Analyse des zweiten fair use-Faktors negativ auswirkt. Etwas abgeschwächt würde diese Bewertung im Rahmen eines Rechtsstreits möglicherweise durch den Umstand, dass die genutzten Werke in aller Regel bereits veröffentlicht sind.556 3.
»Amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole«
Kunstwerke in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen werden in der Regel vollständig wiedergegeben; mitunter werden zusätzlich besondere Werkdetails 556 Vgl. oben S. 340 – 342.
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abgebildet. Für die Wiedergabe in Print- oder digitalen Off- und Online-Katalogen werden zudem hochwertige und farbgetreue fotografische Vervielfältigungen erstellt und genutzt, deren Größe im Einzelfall variiert. In Ausstellungsund Bestandskatalogen können zum Teil großformatige Wiedergaben erfolgen, während in Museumsführern eher kleinere Wiedergaben genutzt werden. Angesichts der vollständigen sowie qualitativ guten und möglichst originalgetreuen Wiedergabe handelt es sich bei Katalogbildern jedoch in der Regel um quantitativ und qualitativ weitgehende Nutzungen. Inwieweit dies eine negative Bewertung des dritten Faktors zur Folge hat, richtet sich maßgeblich nach der Beurteilung des Nutzungszwecks, insbesondere seiner Transformativität.557 a) Ausstellungskataloge Ausstellungskataloge sind weniger auf eine begleitende Information des Publikums während des Aufenthalts im Museum als auf kunstwissenschaftliche Dokumentation und Vermittlung der Veranstaltung ausgerichtet. Sie enthalten Textbeiträge, die sich in der Regel ausführlich mit den ausgestellten Künstlern bzw. Kunstrichtungen beschäftigen, wobei nicht unbedingt jedes abgebildete Exponat eingehend erörtert wird. Der Katalog ermöglicht auf diese Weise eine vertiefte inhaltliche Nachbereitung der Ausstellung. Für die Kataloge werden qualitativ hochwertige, vollständige Vervielfältigungen genutzt, deren Größe variiert. Sofern mit großformatigen Wiedergaben gearbeitet wird, die dem Käufer einen mit einem kommerziellen Kunstbuch vergleichbaren Werkgenuss vermitteln, ist festzuhalten, dass eine entsprechend hochwertige Wiedergabe zur Veranschaulichung eines Exponats streng genommen nicht erforderlich ist. Die Nutzung ist aufgrund ihres Substitutionspotentials zudem weniger transformativ als eine kleinere Abbildung, die z. B. auf derselben Katalogseite mit einem Begleittext versehen ist. Mit zunehmender Größe und Qualität und abnehmender Transformativität der Werknutzung fällt daher tendenziell auch die Gewichtung des dritten Faktors zunehmend negativ aus.558 Entsprechendes gilt für Vervielfältigungen in digitalen Ausstellungskatalogen auf CD-ROM.559 b) Bestandskataloge Die gleichen Maßstäbe sind auf Wiedergaben in Bestandskatalogen anzuwenden, die die im Eigentum des Museums stehenden oder diesem ggf. als Dauerleihgaben überlassenen Kunstwerke dokumentieren und erläutern sollen. Vollständige, großformatige Wiedergaben in kommerzieller Qualität, die eher als 557 S. oben S. 342 f. 558 Vgl. die Urteilserwägungen in Bill Graham Archives v. Dorling Kindersley Ltd. (oben S. 367), Haberman v. Hustler Magazin, Inc. (oben S. 357 f.), Ty, Inc. v. Publications Intern. Ltd. (oben S. 364 f.) und Kelly v. Arriba Soft Corp. (oben S. 371). 559 Vgl. Pessach, J. Int’l Media & Ent. L. 1 (2006 – 2007), 253, 271 ff., 276.
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superseding und weniger als transformative use einzustufen sind, sprechen im Kontext des dritten Faktors stärker gegen fair use als kleinere Abbildungen. c) Museumsführer Stark verkleinerte, mit Begleittext versehene Werkabbildungen in Museumsführern können tendenziell als transformativ angesehen werden.560 Wenngleich die Abbildungen zum Verständnis der Erläuterungen während des Ausstellungsbesuches nicht zwingend erforderlich sind – zur Identifikation des Exponates genügen schriftliche Angaben –, ermöglichen sie dem Leser ein rasches Erkennen des Werkes. Darüber hinaus dienen sie dem Verständnis der Ausführungen bei späterer Lektüre. Bezogen auf den Zweck der Werkvermittlung sind Wiedergaben in Museumsführern daher als eine noch angemessene Nutzung anzusehen. Der dritte Faktor spricht für diese Nutzungen nicht in besonderem Maße gegen fair use. d) Online-Verzeichnisse Bei auf der Museumshomepage präsentierten Ausstellungen oder Sammlungsbeständen können, wie bei Ausstellungs- und Bestandskatalogen, Größe und Qualität der Wiedergabe und damit das Ausmaß der Transformativität variieren. Kleinere kommentierte Wiedergaben, die eher als transformativ gelten können, werden nur leicht negativ zu bewerten sein, während größere, höher aufgelöste Wiedergaben mit Substitutionspotential beim dritten Faktor stark gegen fair use sprechen. 4.
»Effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work«
Im Kontext des vierten fair use-Faktors fragen US-amerikanische Gerichte danach, ob ein traditioneller, vom Künstler vernünftigerweise betretener oder wahrscheinlich erschließbarer Markt für das Werk von der Nutzung betroffen ist.561 a) Beeinträchtigung des Marktes für die Originale Werknutzungen in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen haben zunächst keinen negativen Einfluss auf den Markt für die ausgestellten oder im Bestand befindlichen Originale bzw. den Markt für identische Werkstücke.
560 S. oben S. 414. 561 S. oben S. 346 ff., 350 f.
422 b)
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Beeinträchtigung von Zweitmärkten für Reproduktionen
aa) Zweitmarkt für Katalognutzungen durch Museen? Fraglich ist, ob ein ggf. beeinträchtigter Markt speziell für Katalogbilder in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen besteht. Wie bei Nutzungen zu Werbezwecken besteht für derartige Nutzungen durch Museen kein Markt im klassischen Sinne, weil es jeweils nur einen Anbieter und Nachfrager gibt: den Künstler, dessen Werk sich in einer Ausstellung bzw. dem Museumsbestand befindet, und das Museum, welches dieses Werk in das jeweilige Verzeichnis aufnehmen möchte. Der Künstler kann sich diesen begrenzten »Zweitmarkt« daher nicht losgelöst von der Zugehörigkeit des Werkexemplars zu einer Ausstellung oder Sammlung »erschließen«. Befindet sich das Werk erst einmal im Besitz bzw. Bestand der Einrichtung, ist der Urheber jedoch gleichsam in der Rolle des Monopolisten für die gewünschte und benötigte Verwertung. Vor diesem Hintergrund ist auch in diesem Kontext kaum einzuschätzen, ob ein USamerikanisches Gericht für Katalogbilder im engeren Sinne einen »traditionellen, vom Künstler vernünftigerweise betretenen oder wahrscheinlich erschließbaren Markt« annehmen würde. bb) Zweitmarkt für kommerzielle Reproduktionen Ein Katalogbild, das in gedruckten oder in digitalen On- oder Offline-Verzeichnissen erscheint, stellt zunächst in der Regel keine Konkurrenz für Kunstreproduktionen im engeren Sinne, z. B. hochwertige Posterdrucke, dar.562 Inwieweit Zweitmärkte für sonstige Reproduktionen betroffen sind, muss grundsätzlich einer Prüfung der einzelnen Nutzung vorbehalten bleiben. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass Abbildungen in Ausstellungs- und Bestandskatalogen bei entsprechender Größe und Qualität – insbesondere alleinstehende Wiedergaben, die eine ganze Seite oder eine Doppelseite einnehmen – mit kommerziellen Bildverwertungen in Kunstbildbänden oder Künstlermonografien konkurrieren können. Wiedergaben in Online-Verzeichnissen können bei hinreichender Auflösung und Qualität ebenfalls lizenzierbare digitale Nutzungen ersetzen und zudem die Gefahr bergen, dass ein Internetnutzer ansprechende Kopien erstellt und zu privaten oder kommerziellen Zwecken verwendet. Ein potentieller Marktschaden für den Urheber ist daher möglich. Für kleinformatige Wiedergaben, insbesondere in Gestalt der Abbildungen in Museumsführern, die mit Begleittext versehen sind, ist ein kommerzieller Zweitmarkt außerhalb der Museumsnutzung nicht anzunehmen. Etwas anderes mag für kleinformatige Internetwiedergaben gelten; hier es bedarf einer genauen Untersuchung der einzelnen Nutzung, um festzustellen, ob für ver562 Vgl. oben S. 388.
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gleichbare Darstellungen trotz geringerer Auflösung ein Markt existiert, etwa für Nutzungen auf Smartphones, als Bildschirmhintergrund oder für ähnliche Verwendungen.
c) Positive Effekte auf den Marktwert des Werkes aa) Wie bereits im Zusammenhang mit der Nutzung von Werken zur Ausstellungswerbung dargelegt, wirken sich die Teilnahme an einer Sonderausstellung und die Aufnahme in den Museumsbestand in aller Regel günstig auf den Ruf des Urhebers und den Marktwert des Werkes aus.563 Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse erläutern dem Museumsbesucher insofern nicht nur das Werk, sondern dokumentieren auch seinen künstlerischen Rang für Fachwelt und Sammler.564 Die ideelle Bedeutung einer Werkwiedergabe in Museumsverzeichnissen ist für den Künstler daher ungleich höher als die Nutzung des Werkes in Werbematerialien. Auch in diesem Kontext gilt allerdings, dass der Künstler wirtschaftlich an dem positiven Effekt auf den Marktwert des – im Eigentum des Museums oder eines Sammlers stehenden – Werkoriginals meist nicht partizipieren kann, es sei denn, es handelt sich um eines von mehreren Originalen multipler Kunst. bb) Die Zugehörigkeit eines Werkes zum Ausstellungs- oder Sammlungsbestand und sein Erscheinen in entsprechenden Dokumentationen können sich jedoch wiederum positiv auf den Absatz von lizenzierten Reproduktionen auswirken. Ob dieser Werbeeffekt indes bei ausgestellten Werken auf die (spätere) Lektüre des Kataloges oder eher unmittelbar auf die Besichtigung des Originals zurückgeht, die den Besucher zum anschließenden Kauf von Reproduktionen wie Postkarten oder Kalendern im Museumsshop veranlasst, lässt sich letztlich nur anhand von empirischen Untersuchungen, d. h. repräsentativen Befragungen des Publikums von Kunstmuseen feststellen. Während eine ansprechende Katalogabbildung den Besitzer eines Katalogs davon abhalten könnte, zusätzlich eine Kunstpostkarte zur eigenen Betrachtung des Werkes zu erwerben, mag ein anderer Katalogerwerber dadurch zum späteren Kauf eines Posters animiert werden. Der positive Effekt, den Werknutzungen in Ausstellungsverzeichnissen speziell auf den Zweitmarkt für ein Werk haben, lässt sich daher nicht pauschal einschätzen. Häufig dürfte die Nachfrage nach Reproduktionen, die zum Teil auch Souvenircharakter haben, eher auf die vorangegangene Betrachtung des Originals zurückgehen.565 Entfällt diese Möglichkeit bei eingelagerten Werken 563 Vgl. oben S. 45 f., 53 f. 564 Dem Kunsthandel dienen Ausstellungskataloge nicht zuletzt als Nachweis für die Teilnahme eines Werkes an einer Schau in einem renommierten Museum, die als wertbildender Faktor in Auktionskatalogen angegeben wird. 565 Vgl. oben S. 54.
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aus dem Bestand, vermag ggf. auch eine Abbildung in einem Bestands- oder Online-Verzeichnis ein Interesse an Werk und Künstler zu wecken. d) Ergebnis Der vierte Faktor spricht in der Zusammenschau weder deutlich für noch gegen fair use für die Bildnutzung in Museumsverzeichnissen. Beeinträchtigungen des Marktes für Originale und Kunstreproduktionen im engeren Sinne sind nicht zu befürchten. Ungewiss bleibt auch hier, ob die Rechtsprechung einen potentiellen Markt speziell für Katalognutzungen durch Museen anerkennen würde. Eine Beeinträchtigung von traditionellen kommerziellen Zweitmärkten für Reproduktionen ist wiederum bei größeren, insbesondere alleinstehenden, qualitativ hochwertigen Werkwiedergaben in Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen in Print- und digitaler Form denkbar, während diese Gefahr bei kleinformatigen Abbildungen in gedruckten Museumsführern weniger gegeben ist. OnlineWiedergaben bedürfen hinsichtlich ihres Substitutionspotentials einer Einzelfallbewertung, die von der Größe und Auflösung und der separaten Kopiermöglichkeit der Bilddaten abhängt. Die unmittelbaren positiven Auswirkungen einer Nutzung in Museumsverzeichnissen auf den Absatz von kommerziellen Zweitverwertungen des Werkes lassen sich nur schwer einschätzen; im Allgemeinen ist anzunehmen, dass der größte Werbeeffekt für ein einzelnes Werk von seiner Ausstellung selbst und weniger von seiner Aufnahme in einem im Anschluss an den Museumsbesuch erworbenen Katalog ausgeht. Auch beim vierten Faktor ist daher nach der Art der Darstellung im Einzelfall zu unterscheiden: Für großformative Darstellungen in hoher Wiedergabequalität, die sich im Falle digitaler Vervielfältigungen ggf. auch vom Betrachter speichern lassen, erfährt der vierte Faktor eine deutlich negative Bewertung. Kleinere, analoge Darstellungen, insbesondere von Text begleitete Abbildungen in Museumsführern, sind demgegenüber mit Blick auf ihre Auswirkungen auf Zweitmärkte als unschädlich anzusehen. Zwischen diesen Extremen liegt eine Bandbreite von Nutzungen, die mehr oder weniger stark gegen fair use sprechen können. 5.
Gewichtung der Einzelfaktoren und Gesamtergebnis
Auch das Ergebnis der abschließenden fair use-Analyse hängt entsprechend stark vom Ausmaß der Nutzung, d. h. der Größe und Qualität und der mit der Wiedergabe verbundenen Verwertungsmöglichkeiten für den Adressaten des Verzeichnisses ab. aa) Für Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse von Museen streitet im Kontext des ersten fair use-Faktors zunächst klar ihr Bildungszweck. Dieser ist für Ausstellungskataloge und Museumsführer, die dem Informationsbedürfnis
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des Ausstellungspublikums Rechnung tragen, als gewichtiger einzuschätzen als bei Verzeichnissen, die ausstellungsunabhängig den Bestand erschließen und dokumentieren sollen. Gegen die erlaubnisfreie Nutzung spricht es, wenn die Verzeichnisse mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben werden; bei kostenloser Abgabe oder einem Vertrieb zum Selbstkostenpreis fließt dieser Umstand angesichts der systematischen Verwertung einer Vielzahl von Werken nur leicht positiv in die Wertung ein. Ob der erste Faktor insgesamt eher für oder gegen fair use spricht, hängt maßgeblich von der Art und Weise der Wiedergabe ab: Mit zunehmender Größe und Qualität der Katalogbilder steigt das Substitutionspotential der Vervielfältigung, während die Transformativität der Nutzung abnimmt. Für hochwertig aufgemachte Printkataloge oder digitale Online- oder Offline-Kataloge, die der Sache nach Darstellungen in Kunstbildbänden entsprechen und einen vergleichbaren Kunstgenuss vermitteln, ist der erste Faktor daher – trotz des edukativen, wissenschaftlichen Zweckes der Nutzung – negativ oder (bei nichtkommerziell vertriebenen Verzeichnissen) bestenfalls neutral zu bewerten. Kleinere Wiedergaben in Museums- und Ausstellungsführern, die in Begleittexte eingebettet sind, können demgegenüber eher als transformativ angesehen werden. Für solche Darstellungen spricht der erste Faktor, insbesondere bei einem nicht mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgenden Vertrieb, tendenziell für fair use. bb) Während der zweite Faktor in allen Fällen zu einer Bewertung der Nutzung als unfair führt, korrespondiert die Bewertung des dritten und vierten Faktors tendenziell mit der Einschätzung der Nutzung als eher transformativ oder superseding. Dementsprechend fällt auch die Gesamtbewertung aus: Mit zunehmender Größe und Qualität der Katalogbilder, die im Extremfall ganzoder doppelseitig wiedergegeben sind und lediglich kurz in einem gesondert platzierten Begleittext erwähnt werden, ist die Nutzung aufgrund ihrer in den Hintergrund tretenden Transformativität und ihres Substitutionspotentials tendenziell als unfair einzustufen. Handelt es sich um reine Bestandskataloge, die mit Gewinnerzielungsabsicht vertrieben werden oder um Online-Verzeichnisse bzw. -Sammlungen, bei denen die eingestellten Werke in höherer Auflösung kopiert und gespeichert werden können, fällt die Bewertung noch deutlicher negativ aus. Als fair use können demgegenüber Verzeichnisse von Museen eingeordnet werden, die ohne Gewinnerzielungsabsicht abgegeben werden und kommentierte Werkabbildungen enthalten, die aufgrund ihrer geringeren Größe und ihrer Einbindung in erläuternde Texte weniger geeignet sind, kommerzielle Zweitverwertungen des Urhebers zu beeinträchtigen, und denen die Gerichte Transformativität bescheinigen könnten. Letztere Voraussetzungen sind für analoge Museumsführer im Handtaschenformat gewahrt, die noch dazu der
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Erläuterung von ausgestellten Werken dienen, sowie ggf. für analoge oder digitale Ausstellungs- und Bestandskataloge mit stark verkleinerten Abbildungen. 6.
Vergleich mit den Wertungen der Classroom Guidelines
Vergleicht man das Ergebnis mit den Wertungen der Classroom Guidelines566, die für nichtkommerzielle Nutzungen im schulischen Bereich maßgeblich sind, erweist sich eine (teilweise) Einstufung von Museumsverzeichnissen als fair als äußerst großzügig. So darf für Unterrichtszwecke, die sich in besonderem Maße durch ihren im öffentlichen Interesse liegenden Bildungscharakter auszeichnen, von einem Bild aus einem Buch nur maximal eine Kopie pro Schüler angefertigt werden. Die Entlehnung muss bestimmten Anforderungen an ihre Kürze (»brevity«) – bei Illustrationen darf aus einem (Schrift-)Werk nur ein Bild genutzt werden – und Spontanität (»spontaneity«) entsprechen, d. h. es muss sich um eine eher kurzfristige Einbindung des Werkes in den Unterricht durch den Lehrer handeln. Überdies definieren die Guidelines enge quantitative Grenzen für die kumulative Nutzung u. a. von Werken desselben Autors oder aus demselben Sammelwerk, die pro »class term« nicht überschritten werden dürfen. Schließlich dürfen die genutzten Werke nicht derart gemeinsam kopiert werden, dass sie Anthologien oder Sammlungen oder den Erwerb von Büchern und anderer Werke für den Unterricht ersetzen.567 Ähnlich strenge Maßstäbe gibt auch die bereits angesprochene Schranke für Reproduktionen durch Bibliotheken und Archive vor (oben B.III.2). Nachdem nichtkommerzielle Verwertungen durch Lehrer, Bibliotheken und Archive trotz der jeweils als fair einzustufenden Nutzungszwecke zum Schutz der Urheber nur in quantitativ stark begrenztem Umfang gestattet sind, vermag auch der allgemeine Bildungsauftrag von Museen systematische Reproduktionen von Werken keineswegs per se zu rechtfertigen. Lediglich Nutzungen, die dem Einrichtungspublikum tatsächlich vertiefte Informationen über Ausstellungsinhalte und (insbesondere ausgestellte) Werke im Bestand des Museums vermitteln, können danach unter edukativen Gesichtspunkten als fair und privilegierungswürdig angesehen werden.
566 Allgemein zu den Fair Use Guidelines oben S. 327 f. 567 H.R. Rep. Nr. 94-1476, 94th Cong., 2d Sess. 68 – 70 (1976), abgedruckt bei Nimmer, Bd. 8, Appendix 4, S. 37 – 41.
Zusammenfassung der Ergebnisse der fair use-Prüfungen
G.
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Zusammenfassung der Ergebnisse der fair use-Prüfungen
I. Für den Kunsthandel ergab die fair use-Prüfung, dass Verwertungen zu Werbezwecken angesichts des kommerziellen Charakters der Nutzung, ihrer fehlenden Transformativität und des mit der vollständigen Wiedergabe der Werke in guter Bildqualität verbundenen Substitutionspotentials von der Rechtsprechung voraussichtlich als unfair eingestuft würden. II. Für Verwertungen, die der Werbung für Kunstausstellungen dienen, ist eine Differenzierung nach der Art und Weise der Wiedergabe und des jeweiligen Werbemittels erforderlich. Die mittelbare edukative Zweckrichtung der in der Regel nichtkommerziellen Nutzung spielt beim ersten fair use-Faktor zunächst eine eher untergeordnete Rolle. Kleinformatige und von Informationen zu einer Ausstellung und den gezeigten Werken begleitete Wiedergaben könnten jedoch von der jüngeren Rechtsprechung als transformativ eingeschätzt werden. Sofern die einzelne Nutzung darüber hinaus nicht geeignet ist, mit Zweitverwertungen des Urhebers zu konkurrieren, kann die fair use-Prüfung daher aufgrund der positiven Bewertung des ersten und vierten Faktors – trotz vollständiger Nutzung eines kreativen Werkes – zu Gunsten der Verwertung ausfallen. Reine Bildwerbung hingegen ist aufgrund ihrer mangelnden Transformativität und des zum Teil höheren Potentials, Zweitverwertungen zu ersetzen, tendenziell als unfair einzuschätzen. Grundsätzlich erfahren Nutzungen von Werken aus Dauerausstellungen zur Werbung eine etwas negativere Bewertung als Werbenutzungen für Sonderausstellungen, da bei einer Beurteilung als fair langfristigere und intensivere Verwertungen möglich wären, die sich somit ungünstig auf den Charakter der Nutzung auswirken und eventuell schädliche Markteffekte verstärken könnten. III. Auch bei Nutzungen, die der Erstellung und dem Vertrieb von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen dienen, bedarf es einer Betrachtung der einzelnen Nutzung bzw. des einzelnen Verzeichnisses, um zu einer Bewertung als fair oder unfair zu gelangen. Hier ist der Bildungszweck, den insbesondere Ausstellungskataloge und Museumsführer erfüllen, weitaus positiver zu bewerten als bei den zuvor geprüften Werbenutzungen. Aufgrund ihrer erläuternden Funktion könnte Wiedergaben in analogen wie digitalen Ausstellungswie Bestandsverzeichnissen von der Rechtsprechung auch ein transformativer Charakter bescheinigt werden, der jedoch mit zunehmender Bildgröße und -qualität und zunehmender Trennung von Bild- und Textmaterial abnimmt und das Risiko eines superseding use birgt. Wird das betreffende Verzeichnis mit Gewinnerzielungsabsicht verbreitet, kommt ein weiterer negativer Nutzungsaspekt hinzu, während umgekehrt eine nichtkommerzielle Verbreitung aufgrund der systematischen Bildnutzung, die die Verzeichnisse auszeichnet, die Analyse nicht in besonderem Maße positiv beeinflussen dürfte. Ob der erste fair
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use-Faktor daher insgesamt für oder gegen die Nutzung spricht, hängt vom Substitutionspotential und der Kommerzialität der Wiedergabe ab, die auch die Bewertung des dritten und vierten Faktors maßgeblich beeinflussen. Die positiven Auswirkungen, die Abbildungen in Museumskatalogen auf das Ansehen des Künstlers und den Primärmarkt für ihr Œuvre haben können, lassen sich im Rahmen des vierten fair use-Faktors nicht geltend machen, da dieser auf den Markteffekt für das konkret genutzte – nicht im Eigentum des Künstlers stehende – Werk abstellt. Ähnlich wie der Dreistufentest (auf zweiter Stufe)568 vermag der vierte Faktor bei Kunstwerken nur Effekte auf Zweitverwertungen zu erfassen. Allgemein werden daher – trotz des edukativen, wissenschaftlichen Charakters solcher Verzeichnisse – auch Werknutzungen in analogen oder digitalen Ausstellungs- und Bestandskatalogen nur dann als fair eingestuft werden können, wenn kleinere Bildformate genutzt werden, die möglichst direkt mit erläuterndem Text verknüpft sind und keine Konkurrenz zu kommerziellen Zweitverwertungen darstellen. Ohne Weiteres erfüllt sind diese Voraussetzungen allenfalls für nichtkommerziell vertriebene Museumsführer in kleinem Format und die darin typischerweise enthaltenen, mit Begleittext versehenen, stark verkleinerten Werkabbildungen. Die Nutzung von Werken aus dem Bestand, die nicht ausgestellt sind, ist aufgrund des fehlenden Bezugs zu einer dem Publikum zu vermittelnden Ausstellung tendenziell kritischer zu beurteilen als die Aufnahme von Exponaten in einen Sonderausstellungskatalog. Gleiches gilt, wenn Werke aus Dauerausstellungen genutzt werden, etwa in Museumsführern, weil damit eine intensivere, längerfristige Nutzung verbunden sein kann.
H.
Werbe- und Katalognutzungen in der Lizenzierungspraxis der Artists Rights Society
Der Rechtsunsicherheit, die eine Schrankengeneralklausel mit sich bringt, kann letztlich nur durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Nutzern und Urhebern bzw. den sie vertretenden Verwertungsgesellschaften begegnet werden. Die größte der US-amerikanischen Verwertungsgesellschaften, die Artists Rights Society (ARS)569, bietet Auktionshäusern und Museen den Abschluss von Rahmenvereinbarungen an,570 die die oben geprüften Nutzungen im Wesentlichen 568 Vgl. oben S. 89 f. 569 www.arsny.com. Die Artists Rights Society verwaltet die Urheberrechte von über 50.000 bildenden Künstlern, Fotografen, Architekten und anderen visuellen Künstlern. 570 Die folgenden Informationen zur Lizenzierungspraxis basieren auf Angaben des Präsi-
Werbe- und Katalognutzungen in der Lizenzierungspraxis der ARS
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regeln und die fair use-Grundsätze zum Teil reflektieren. In der Praxis wird damit die grundsätzliche Zustimmungspflichtigkeit der Nutzungen unterstellt; jedoch sind nicht alle Nutzungen vergütungspflichtig. I. Auktionshäusern wird die Abbildung von Kunstwerken im Inneren von Auktionskatalogen gebührenfrei gestattet. Diese Handhabung basiert nach Auskunft der ARS darauf, dass man die bildliche Ankündigung des Verkaufs im weitesten Sinne als eine Art »news reporting« gemäß § 107 Abs. 1 C.A. 1976 ansehen könnte, und setzt voraus, dass die Wiedergabe als reines Verkaufsinstrument dient. Auch Internetwiedergaben werden unter dieser Voraussetzung vergütungsfrei erlaubt. Der Rahmenvertrag begrenzt dabei die Nutzungsdauer, die Auflösung und die Möglichkeit des Downloads der Bilddateien für Dritte. Anderweitige Bildnutzungen sind grundsätzlich gebührenpflichtig. Dies gilt für Abbildungen auf Katalogcovern wie für Wiedergaben zu Vergleichszwecken im Kataloginneren. Auch Werbenutzungen in Zeitungen, Magazinen oder anderen Medien, die die Auktion als solche ankündigen, sind vergütungspflichtig. Gegenstand normaler Lizenzgebühren sind schließlich auch Werkabbildungen in anderen Publikationen der Auktionshäuser, die allein der Imagepflege dienen. Berücksichtigt man, dass gerade qualitativ ansprechende Werkwiedergaben in Print- und Online-Katalogen von der Rechtsprechung voraussichtlich als unfair betrachtet würden, kommt die Verwertungsgesellschaft ARS dem Kunsthandel somit stark entgegen, um die Verkäufe zu erleichtern. Werbenutzungen von Galerien und Kunsthandlungen, mit denen üblicherweise keine Rahmenvereinbarung geschlossen wird, behandelt die ARS entsprechend. II. Die Rahmenvereinbarung der Artists Rights Society mit den Museen erfasst wiederum eine Reihe typischer Museumsnutzungen. Katalogbilder sind grundsätzlich zu vergüten, wobei jedoch für Kataloge von Einzelausstellungen eines Künstlers Pauschalgebühren angesetzt werden. Für Gruppenausstellungskataloge werden die Lizenzgebühren in der Regel pro Bild berechnet. Werbenutzungen von Kunstwerken in Sonder- und Dauerausstellungen werden grundsätzlich gebührenfrei erlaubt. Dies gilt auch für Online-Nutzungen von Werken während der Dauer einer Sonderausstellung. Für die Internetwiedergabe von Werken aus der ständigen Sammlung wird üblicherweise eine sehr geringe jährliche Lizenzgebühr beansprucht. Werden Ausstellungen jedoch durch Unternehmen gefördert, die als Sponsor in der Werbung genannt werden, erhält die Werkwiedergabe eine kommerzielle Komponente, die eine Vergütungspflicht nach sich zieht. Wie bei Online-Nutzungen von Auktionshäusern enthält auch die Rahmenvereinbarung der ARS mit den Museen konkrete Bedenten der Artists Rights Society, Dr. Theodore Feder, in einem Telefonat mit der Verfasserin am 7. 11. 2013 und in einer E-Mail vom 17. 11. 2013 sowie auf Auskünften von Janet Hicks, Director of Permissions der ARS, in einer E-Mail vom 2. 12. 2013.
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Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
schränkungen hinsichtlich der Auflösung und der Möglichkeit des Downloads der Bilddateien. Mit Ausstellungshäusern werden normalerweise keine Rahmenvereinbarungen geschlossen. Die Lizenzierung von Bildnutzungen erfolgt von Fall zu Fall. Ob und inwieweit für die angefragten Nutzungen Gebühren beansprucht werden, hängt stark von den Wünschen der betroffenen Rechtsinhaber ab.
Kapitel 5 Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
A.
Urheberrechtliche Privilegierung der Verkaufswerbung
I.
Gegenüberstellung der Ergebnisse
1.
Deutschland: Abbildungsfreiheit für Kunstwerke in öffentlichen Verkaufsveranstaltungen
In Deutschland privilegiert § 58 Abs. 1 UrhG in enger Anlehnung an die Richtlinienvorgabe in Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL1 Werbemaßnahmen für öffentliche Verkäufe von Kunstwerken. Zustimmungs- und vergütungsfrei zulässig sind Bildnutzungen von Werken der bildenden Kunst und von Lichtbildwerken, soweit jene zur Förderung der jeweiligen Veranstaltung erforderlich sind. a) Rechtfertigen lässt sich die Schrankenregelung dadurch, dass sie den Werkeigentümern die freie Verfügung über ihr Eigentum an den geschützten Kunstgegenständen erleichtert und somit als »Verlängerung« des urheberrechtlichen Erschöpfungsprinzips angesehen werden kann. Die Freistellung der Bildnutzung korrespondiert zugleich mit dem Informationsinteresse der Kaufinteressenten.2 Sie dient damit insgesamt der Warenverkehrsfreiheit, von der auch die Urheber der Werkstücke in Gestalt der Folgerechtsvergütung gemäß § 26 UrhG wirtschaftlich profitieren. Angesichts der Beteiligung am Erlös aus der Weiterveräußerung greift die vergütungsfreie Nutzung zu Werbezwecken nicht unzumutbar in ihre Verwertungsinteressen ein. Als dennoch vergleichsweise weitgehende Einschränkung, die auch die öffentliche Zugänglichmachung der Werke erlaubt, ist die Schranke eng auszulegen.3 Dem dient auch die ausdrückliche Beschränkung der Nutzung auf das zur Förderung der Veranstaltung erforderliche Ausmaß.
1 S. oben S. 78 ff. 2 S. oben S. 58 – 60; S. 85. 3 S. oben S. 85 – 87.
432
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
b) Da Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL lediglich »künstlerische Werke« privilegiert, ist der Anwendungsbereich von § 58 Abs. 1 UrhG auf Werke der bildenden Kunst im weiteren Sinne und Lichtbildwerke beschränkt.4 c) Privilegiert sind ausschließlich öffentliche Verkäufe im Rahmen zeitlich begrenzter Verkaufsveranstaltungen;5 hierzu dürften auch »Internetversteigerungen« zählen.6 Ein sonstiger öffentlicher Verkauf, etwa in den Räumlichkeiten einer Kunsthandlung, die keine Ausstellungen durchführt, ist nach dem klaren Wortlaut der Richtlinie nicht erfasst. Diese Unterscheidung ist zwar mit Blick auf die angestrebte Erleichterung des freien Verkehrs von Kunstgegenständen nicht sachgerecht. Vielmehr müsste sich die Freistellung der Bildnutzung primär auf den Verkauf des einzelnen Werkexemplars beziehen, zumal auch das Folgerecht auf Einzelverkäufe (zumindest) des Kunsthandels Anwendung findet und den Urhebern damit für den Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht einen wirtschaftlichen Ausgleich bietet.7 De lege lata ist das Veranstaltungserfordernis gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL dennoch beizubehalten. d) Der Begriff der Werbung ist eng auszulegen. Erfasst sind nur Werbemaßnahmen im engeren Sinne, die insbesondere zeitlich geeignet sind, Teilnehmer für eine Verkaufsveranstaltung zu gewinnen und den Absatz der Werke zu fördern. Um dieses Werbeziel zu erfüllen, bedarf es der Werbung für die Veranstaltung als solche und auch für die im Einzelnen angebotenen Werke.8 Nutzungen, die darüber hinaus kommerzielle Zwecke verfolgen, sind gemäß Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL ausgeschlossen; mit den Werbemitteln darf daher kein Gewinn erzielt werden.9 Zudem muss die Werbung streng veranstaltungsbezogen erfolgen; Bildnutzungen, die primär der Imagewerbung für den Verkäufer dienen, sind unzulässig.10 e) In welchem Rahmen Werbemaßnahmen zur Förderung einer Veranstaltung erforderlich sind, lässt sich nur im Einzelfall feststellen. Dabei sollte im Interesse des zu fördernden Verkaufs kein zu restriktiver Maßstab angelegt werden; die Interessen der Urheber dürfen jedoch durch Werbenutzungen, die zur Bekanntmachung einer Veranstaltung und der Beschreibung der Werke sachlich nicht mehr geboten sind, nicht beeinträchtigt werden.11 Zu den Kriterien, die bei der Beurteilung der Erforderlichkeit zu beachten sind, gehören der Zeitraum der Nutzung, ihre räumliche Reichweite, die Anzahl der genutzten 4 5 6 7 8 9 10 11
S. oben S. 116 ff. S. oben S. 140 f. S. oben S. 141 f. S. oben S. 86 f. S. oben S. 59; S. 151 ff., 153 f. S. oben S. 154 ff. S. oben S. 164 ff. S. oben S. 169 ff.
Urheberrechtliche Privilegierung der Verkaufswerbung
433
Werke und die Auflagenhöhe.12 Besonderes Augenmerk ist (nach fortgeltender BGH-Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F.) ferner auf die Größe und Qualität der Werkabbildungen zu richten, die zwar zur Beschreibung der Werke geeignet sein müssen, andererseits aber keinen mit kommerziellen Verwertungen vergleichbaren Kunstgenuss vermitteln dürfen.13 Werden die angebotenen Werke öffentlich zugänglich gemacht, ist im Interesse der Urheber zu gewährleisten, dass keine isolierten Kopien der Bilddateien in hoher Qualität erstellt werden können.14
2.
Frankreich: Katalogbildfreiheit für Werke in gerichtlichen Versteigerungen
Das französische Urheberrecht gestattet Nutzungen zu Werbezwecken nur in eng begrenztem Umfang. Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erlaubt die vollständige und partielle Vervielfältigung und Verbreitung »grafischer und plastischer Werke« in Katalogen, die der Beschreibung von Werken in gerichtlichen Versteigerungen dienen. a) Frankreich führte die Schrankenregelung 1997 ein, nachdem die Cour de cassation die gängige Praxis der Bildnutzung in Auktionskatalogen als »kurzes Zitat« für unzulässig erklärt hatte.15 In dieser Rechtsprechung spiegelt sich zugleich der besondere Schutz, den Werke der bildenden Kunst in Frankreich im Rahmen der gesetzlichen Schranken erfahren, die von den Gerichten tendenziell restriktiv ausgelegt werden.16 Die Tatsacheninstanzen hatten die Katalogbilder hingegen aufgrund ihres Informationszwecks zum Teil für zulässig gehalten.17 Die Literatur diskutierte das Für und Wider einer Freistellung daraufhin eingehend, wobei auch der Schutz der Urheber vor konkurrierenden Bildnutzungen und die Rolle der bei einem Verkauf anfallenden Folgerechtsvergütung thematisiert wurden.18 Mit der Einführung von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI (1997) wollte der Gesetzgeber vor allem die Wettbewerbsfähigkeit des französischen Kunstmarkts, namentlich des Auktionshandels, fördern, der traditionell der Berufsgruppe der commissaires-priseurs vorbehalten war. Die Regelung privilegierte ursprünglich alle Formen von Versteigerungskatalogen.19 Mit der Öffnung des französischen Auktionsmarktes für ausländische Auktionshäuser im Jahr 2000 wurde 12 13 14 15 16 17 18 19
S. oben S. 172 ff. S. oben S. 178 ff. S. oben S. 184 ff. S. oben S. 264 ff. S. oben S. 252 ff. S. oben S. 265 ff. S. oben S. 268 ff. S. oben S. 271 ff.
434
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
die Ausnahme jedoch auf gerichtliche Versteigerungen wie Zwangs- oder Teilungsversteigerungen20 beschränkt. Maßgeblicher Hintergrund hierfür war die Privilegierung der commissaires-priseurs (judiciaires), denen das Monopol zur Durchführung dieser Versteigerungsformen verblieben ist.21 Die praktische Relevanz von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI wurde damit zu Gunsten von Partikularinteressen erheblich eingeschränkt. Sie ist gleichwohl tatbestandlich von Art. 5 Abs. 3 lit. c HRL gedeckt und mit dem Dreistufentest vereinbar.22 b) Ungeklärt ist die Reichweite des im Gesetz nicht definierten Begriffs der »grafischen und plastischen Werke« in Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI. Fraglich ist insbesondere, ob der Begriff neben Werken der angewandten Kunst, die begrifflich als plastische bildende Kunst gelten können, auch fotografische Werke erfasst. Für die Ausnahmeregelung in Art. L. 122-5 Nr. 9 CPI, die »grafische, plastische und architektonische Werke« in der Tagesberichterstattung privilegiert, verneinte die Rechtsprechung eine Anwendung auf Fotografien.23 Wegen des systematischen Zusammenhangs der Katalogbildfreiheit für Kunstwerke mit dem Folgerecht, das gemäß Art. L. 122-8 CPI auch für fotografische Werke gilt, ist jedoch anzunehmen, dass auch derartige Werke von Art. L. 122-5 Nr. 3 d) CPI erfasst sind.24 c) Bildende Künstler und Fotografen können damit in Frankreich die Nutzung ihrer Werke in Katalogen für kommerzielle, nicht gerichtliche Versteigerungen verbieten bzw. von der Zahlung einer Vergütung abhängig machen.25 Da sie bei einem erfolgreichen (Weiter-)Verkauf des Werkstücks allerdings ihr Folgerecht geltend machen können,26 erweist sich die Versagung einer Ausnahmeregelung zu Zwecken der Verkaufswerbung durch den französischen Gesetzgeber als recht streng. Die von der Verwertungsgesellschaft ADAGP vertretenen Urheber bzw. Rechtsinhaber sehen in der Praxis mit Blick auf das Folgerecht auch überwiegend davon ab, für Nutzungen zur Verkaufswerbung Lizenzgebühren zu beanspruchen.27 Die Stellung bildender Künstler und Fotografen wird in Frankreich ferner durch eine Entscheidung der Cour de cassation aus dem Jahr 2002 gestärkt, in der klargestellt worden ist, dass das Darbietungsrecht auch ein Ausstellungsrecht für Kunstwerke umfasst.28 Allerdings ist
20 21 22 23 24 25 26 27 28
S. oben S. 289 ff. S. oben S. 274 ff. S. oben S. 299 ff., 304. S. oben S. 284 f. S. oben S. 285 ff. S. oben S. 279 f. S. oben S. 251. S. oben S. 280. S. oben S. 248 f.
Urheberrechtliche Privilegierung der Verkaufswerbung
435
bislang noch ungewiss, ob das Ausstellungsrecht auch für Verkaufsausstellungen gilt.29 3.
USA: Werbung für den Handel mit Kunstwerken als vermutlich »unfaire« Nutzung
In den USA müssen sich Werbenutzungen durch den Kunsthandel an der Generalklausel des fair use in § 107 C.A. 1976 und den dort genannten vier Faktoren messen lassen. Kriterien sind der Zweck und Charakter einer Nutzung, die Eigenart des genutzten Werkes, das Ausmaß seiner Nutzung sowie der Effekt der Nutzung auf den potentiellen Markt für das Werk.30 a) Als besonders problematisch erweist sich dabei, dass Werbenutzungen, die schlicht dem Verkauf des Werkstücks dienen und dieses unverändert und unkommentiert wiedergeben, nicht als »transformativ« im Sinne der herrschenden Rechtsprechung und Lehre angesehen werden können. Sie gewinnen dem Werk keine neue inhaltliche bzw. ästhetische Bedeutung oder neue Nutzungsaspekte ab.31 Genutzt werden zudem kreative, d. h. besonders schützenswerte Werke, die überdies vollständig abgebildet werden müssen.32 Schließlich erfolgt die Verwertung zu kommerziellen Zwecken und besitzt für manche Wiedergaben, etwa in hochwertig aufgemachten Auktionskatalogen oder im Internet, das Potential, mit lizenzierten bzw. lizenzierbaren Zweitnutzungen des Werkes zu konkurrieren.33 Die Rechtsprechung stellt in diesem Zusammenhang allein auf die Eigenart und das damit verbundene allgemeine »Substitutionspotential« der jeweiligen Wiedergabe ab. Ob der einzelne Urheber entsprechende Zweitmärkte bereits erschlossen hat oder entsprechende Pläne hegt, ist unerheblich.34 Die bloß mittelbaren positiven Auswirkungen eines erfolgreichen Verkaufs auf den »Marktwert« des Künstlers oder anderer Werkstücke dürften dagegen nicht berücksichtigungsfähig sein.35 b) Nach alledem wird man den »fairen« Charakter von Werbenutzungen durch den Kunsthandel eher verneinen müssen.36 Dies gilt sowohl für bildliche Beschreibungen der Einzelwerke in Verkaufskatalogen als auch für exponiertere Nutzungen zur reinen Veranstaltungswerbung. Ein solches Ergebnis erscheint insofern gerechtfertigt, als ein Folgerechtsanspruch nach europäischem Vorbild 29 30 31 32 33 34 35 36
S. oben S. 249. S. oben S. 325 f.; S. 331 ff. S. oben S. 375 ff. S. oben S. 385 ff. S. oben S. 379 ff., 382 ff.; S. 387 ff. S. oben S. 351. S. oben S. 390. S. oben S. 391 f.
436
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
auf US-Bundesebene bislang nicht eingeführt wurde und bildende Künstler wie Fotografen wirtschaftlich nicht an den Erlösen der Verkäufe beteiligt sind.37 Auch ihr Ausstellungsrecht ist nach den Beschränkungen in § 109(c) C.A. 1976 zu Gunsten des Werkeigentümers schwach ausgestaltet.38 Sollte in den USA allerdings eines Tages eine bundeseinheitliche Folgerechtsregelung kodifiziert werden, könnte begleitend auch eine explizite Freistellung der Bildnutzung zur Verkaufswerbung erwogen werden. Inhaltliche Anknüpfungspunkte bestünden bereits mit der Schrankenregelung in § 113 C.A. 1976.39 Bei der Einführung einer Schranke zu Gunsten der Verkaufswerbung sollte jedoch – entsprechend Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL – klargestellt werden, dass die jeweilige Nutzung ausschließlich dem Absatz der angebotenen Werkexemplare unter Ausschluss sonstiger kommerzieller Zwecke dienen darf. c) In diesem Sinne gestattet die Verwertungsgesellschaft ARS Auktionshäusern, die eine entsprechende Rahmenvereinbarung mit ihr geschlossen haben, bereits heute Werkwiedergaben zu reinen Verkaufszwecken, insbesondere im Inneren von Versteigerungskatalogen, ohne Zahlung einer Vergütung.40 Angesichts des Fehlens eines bundeseinheitlichen Folgerechts handelt es sich dabei um ein weitgehendes Zugeständnis an den Auktionshandel. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL und § 58 Abs. 1 UrhG erstreckt sich diese Praxislösung jedoch nicht auf – stark kommerzielle41 – Nutzungen zur Bewerbung der Veranstaltung als solcher, sondern orientiert sich streng am Verkaufszweck der einzelnen Werkwiedergabe. Abbildungen auf dem Titel eines Auktionskatalogs oder in Werbeanzeigen für die Versteigerung sind daher vergütungspflichtig.42
II.
Regelungsvorschlag für die Privilegierung von Verkaufswerbung
Wie gesehen, wäre eine Freistellung von Werbenutzungen auch für öffentliche Einzelverkäufe ohne Veranstaltungscharakter sachgerecht.43 Einer Ausdehnung von § 58 Abs. 1 UrhG auf Werbung für den öffentlichen (Einzel-)Verkauf von Kunstwerken steht jedoch de lege lata der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 lit. c HRL entgegen. Bei einer gesetzlichen Neufassung sollte dennoch stärker betont werden, dass das eigentliche Ziel der Werbung – insofern von der Förderung der Veranstaltung umfasst – die Förderung des Verkaufs der einzelnen Werkstücke 37 38 39 40 41 42 43
S. oben S. 318. S. oben S. 320 f. S. oben S. 323 f. S. oben S. 428 f. S. oben S. 383. S. oben S. 429. S. oben S. 432. Vgl. insoweit den Regelungsvorschlag von Poeppel, S. 416.
Urheberrechtliche Privilegierung der Ausstellungswerbung
437
ist. Im Sinne der Richtlinie ist ferner klarzustellen, dass die Werbemaßnahmen keinem sonstigen kommerziellen Zweck dienen dürfen. Eine Neufassung – die eigenständig kodifiziert werden sollte – könnte daher wie folgt lauten: »§ 58 UrhG Werbung für Werke in öffentlichen Verkaufsveranstaltungen Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken zur Werbung für ihren Verkauf in einer öffentlichen Verkaufsveranstaltung, soweit dies zur Förderung des Verkaufs erforderlich ist und keinen weiteren kommerziellen Zwecken dient.«
B.
Urheberrechtliche Privilegierung der Ausstellungswerbung
I.
Deutschland: Abbildungsfreiheit für Werke in öffentlichen Ausstellungen
§ 58 Abs. 1 UrhG gestattet neben der Verkaufswerbung auch die Werbung mit Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken für öffentliche Ausstellungen. Privilegiert sind Werke der bildenden Kunst im weiteren Sinne sowie Lichtbildwerke, die zur öffentlichen Ausstellung i. S. v. § 18 UrhG bestimmt oder bereits ausgestellt sind.44 Die Nutzung ist – wie die Verkaufswerbung – auf Werbemaßnahmen in dem zur Förderung der jeweiligen Veranstaltung erforderlichen Ausmaß beschränkt. a) Die in Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 lit. j HRL erfolgte Ausdehnung von § 58 UrhG auf die Ausstellungswerbung ist angesichts der Rechtsprechung des BVerfG zur Verhältnismäßigkeit urheberrechtlicher Schranken45 bedenklich. Anders als bei Ausstellungskatalogen, die eine Vielzahl von Werken dokumentieren sollen, ist bereits kein besonderes Gemeinwohlinteresse erkennbar, das die Zustimmungsfreiheit von Werbemaßnahmen rechtfertigen könnte. Für die Veranstaltungswerbung werden in der Regel nur wenige Werke benötigt. Diese werden in Printmaterialien oder auf Plakaten häufig ausschnittsweise wiedergegeben oder auch mit Überschriftungen versehen; aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in das Urheberpersönlichkeitsrecht46 ist in diesen Fällen ohnehin eine Abstimmung der Nutzung mit dem Rechtsinhaber bzw. einer Verwertungsgesellschaft erforderlich. Zudem kommen Werbemaßnahmen den Ausstellungsveranstaltern auch in Form von Einnahmen durch Eintrittsgelder zugute, während die Urheber am Erfolg einer Ausstellung wirtschaftlich nicht beteiligt sind. Die Privilegierung sollte daher de lege ferenda abgeschafft und die Nutzung wieder – entsprechend der Rechtslage in Frankreich und den USA 44 S. oben S. 116 ff., 129 ff. 45 Vgl. oben S. 63 ff. 46 S. oben S. 195 ff.
438
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
(dazu unten II und III) – dem Verbotsrecht des Urhebers unterworfen werden. De lege lata ist die Schranke besonders streng auszulegen.47 b) Auch für die Privilegierung öffentlicher Ausstellungen gilt daher, dass der Begriff der Werbung restriktiv zu verstehen ist. Erfasst sind, anders als im Bereich des Kunsthandels, nur Maßnahmen, die auf die Bekanntmachung der Veranstaltung abzielen. Hierfür bedarf es nicht der Verwertung einer Vielzahl von Werken, die überdies den Charakter eines Katalogs i. S. v. § 58 Abs. 2 UrhG annähme, sondern lediglich der Nutzung einiger Exponate.48 Die Werbemittel dürfen bei enger Auslegung des Werbebegriffs und bei richtlinienkonformer Anwendung der Norm keinen sonstigen kommerziellen Zweck verfolgen.49 Herstellung und Vertrieb von Merchandising-Produkten, denen allenfalls sekundäre Werbeeffekte zukommen, sind folglich nicht privilegiert. c) Der Begriff der Ausstellung ist auf zeitlich begrenzte Sonderausstellungen beschränkt. Dies folgt zwingend aus dem auch auf Richtlinienebene vorausgesetzten Veranstaltungscharakter der Ausstellung. Überdies wäre eine Freistellung einer (dauerhaften) Werbung für ständige Ausstellungen mit Blick auf den Dreistufentest problematisch und nicht – wie mit dem Erforderlichkeitskriterium bezweckt – sinnvoll eingrenzbar.50 d) Welche Maßnahmen zur Förderung von Sonderausstellungen erforderlich sind, muss wiederum einer Einzelfallbetrachtung vorbehalten bleiben. Auch bei der Ausstellungswerbung sind stets der Zeitraum und die räumliche Reichweite der Nutzung, die Anzahl der verwendeten Werke und die Auflagenhöhe der Werbemittel zu beachten.51 Generell sind sowohl in quantitativer Hinsicht als auch mit Blick auf die Qualität der Wiedergabe, etwa im Internet, weitergehende Einschränkungen notwendig als bei der – den Verkauf der Einzelwerke bezweckenden – Verkaufswerbung.52
II.
Frankreich: Ausstellungswerbung unterliegt dem Ausschließlichkeitsrecht
In Frankreich konnte sich ein Gesetzesantrag zur Einführung einer Privilegierung von Ausstellungswerbung im Jahr 2006 im Parlament nicht durchsetzen. Die Regierung lehnte den Vorstoß u. a. deshalb ab, weil Ausstellungen kommerzielle Zwecke verfolgten und Nutzungen zu exponierten Werbezwecken stets 47 48 49 50 51 52
S. oben S. 87 f. S. oben S. 151 ff; S. 172 ff., 175 f. S. oben S. 154 ff., 168 f. S. oben S. 131 ff. S. oben S. 172 ff. S. oben S. 175 ff.
Urheberrechtliche Privilegierung der Ausstellungswerbung
439
der Zustimmung der Urheber vorbehalten bleiben sollten.53 Der Gesetzgeber gab damit den persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Interessen der Urheber klar Vorrang vor dem Interesse der Ausstellungsveranstalter an Werbenutzungen. Auch Bildnutzungen zur Ausstellungswerbung sind daher in Frankreich nur mit Zustimmung der Urheber zulässig.54 Die ADAGP gestattet denjenigen Museen, die mit ihr eine entsprechende Rahmenvereinbarung abgeschlossen haben, Wiedergaben zur Ausstellungswerbung allerdings grundsätzlich vergütungsfrei.
III.
USA: Kommentierte kleinformatige Abbildungen in der Ausstellungswerbung als fair use
In den USA richtet sich die Zulässigkeit von Ausstellungswerbung wiederum nach der fair use-Doktrin. Reine Bildwerbung, z. B. auf Plakaten oder Einladungskarten, die keinen »transformativen« Mehrwert enthält,55 wird dabei – trotz ihres mittelbar edukativen Zwecks56 – eher als unfair einzuordnen sein.57 Demgegenüber könnte die Rechtsprechung kleinformatige und kommentierte Bildnutzungen, etwa in Ausstellungsbroschüren oder im Internet, aufgrund ihres Informationsgehalts als transformativ einstufen und auch aufgrund ihres geringeren Potentials, Zweitverwertungen der Werke zu beeinträchtigen, insgesamt als fair ansehen.58 Eine generelle Freistellung von Werbung als fair use kommt indes nicht in Betracht.59 Damit versagt auch das US-amerikanische copyright, das den wirtschaftlichen Schutz der Urheber vor konkurrierenden Verwertungen in den Vordergrund stellt, Werbenutzungen für Ausstellungen in dem von § 58 Abs. 1 UrhG gestatteten, weiten Umfang. Im Rahmen der Lizenzierungspraxis der Artists Rights Society werden den Museen bestimmte Verwertungen zur (Sonder-)Ausstellungswerbung vergütungsfrei erlaubt, es sei denn, sie sind – was häufig der Fall sein dürfte – mit der Nennung kommerzieller Sponsoren verbunden. Für Internetnutzungen gelten spezielle Beschränkungen hinsichtlich der Nutzungsdauer, der Auflösung und der Kopiermöglichkeiten der Bilddateien.60
53 54 55 56 57 58 59 60
S. oben S. 278. S. oben S. 306 f. S. oben S. 396 f. S. oben S. 395 f. S. oben S. 407. S. oben S. 397 f., 407 f. S. oben S. 407 f. S. oben S. 429 f.
440
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
C.
Urheberrechtliche Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
I.
Gegenüberstellung der Ergebnisse
1.
Deutschland: Katalogbildfreiheit für Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse von Museen
Die frühere Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG a. F. wurde 2003 gleich in mehrfacher Weise ausgedehnt. Die Neufassung privilegiert in § 58 Abs. 2 UrhG neben Museen nunmehr auch Bildungseinrichtungen und Bibliotheken, die Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke nicht nur in Ausstellungs-, sondern auch in (analogen oder digitalen) Bestandsverzeichnissen abbilden und letztere herausgeben dürfen. Die öffentliche Zugänglichmachung von Werken in Verzeichnissen ist dagegen nicht erlaubnisfrei zulässig. Mit den Verzeichnissen darf kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt werden. a) Der deutsche Gesetzgeber stützte die Regelung auf Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL61, der allerdings nur die Freistellung »bestimmter Vervielfältigungshandlungen« erlaubt und systematische Vervielfältigungen von Werken und ihre Verbreitung in Katalogen auch mit Blick auf die Gesetzeshistorie und -systematik nicht mehr vergütungsfrei gestatten dürfte.62 b) Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist die Freistellung von Ausstellungs- und Bestandskatalogen ebenfalls problematisch. Zwar lässt sich insbesondere die Privilegierung von Ausstellungskatalogen auf das Informationsund Bildungsbedürfnis des Publikums stützen; die Museen können sich ihrerseits auf ihren öffentlichen Bildungsauftrag berufen, der auch mit der Herausgabe ausstellungsbegleitender Verzeichnisse verwirklicht werden soll.63 Größere Probleme bereitet jedoch die Rechtfertigung der Nutzung in Bestandskatalogen, die nicht mehr unmittelbar der Erläuterung ausgestellter Exponate, sondern primär der wissenschaftlichen Dokumentation einer Sammlung dienen. Selbst wenn man auch hierin ein hinreichendes Allgemeininteresse sieht, das angesichts des Umfang der Bestände die Zustimmungsfreiheit der Nutzung rechtfertigt, verbleibt die Frage, ob den Urhebern für die Bildnutzung in Katalogen eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. Dies scheint bei Abwägung der betroffenen Interessen – auch im Vergleich zu den Schrankentatbeständen in § 46 und § 52b UrhG, die wie § 58 Abs. 2 UrhG die kulturelle Bildung der Öffentlichkeit fördern sollen, aber eine Vergütung vorsehen – de lege lata geboten. 61 S. oben S. 73. 62 S. oben S. 74 ff. 63 S. oben S. 88.
Urheberrechtliche Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
441
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass den Museen bereits die »Ausstellungsfreiheit« veröffentlichter Werke zugute kommt (vgl. § 18 UrhG), von der sie über die Erhebung von Eintrittsgeldern auch wirtschaftlich profitieren können. Anders als bei der Verkaufswerbung können die Urheber an der Popularität einer Ausstellung dagegen nicht wirtschaftlich partizipieren. Die Katalogbilder wiederum tragen – im Vergleich zur Ausstellung des Originals – nur mittelbar zur Steigerung des Ansehens des Werkstücks bei, indem sie dessen Aufnahme in eine Sammlung oder dessen Teilnahme an einer Ausstellung für die Fachwelt dokumentieren. Eine vergütungsfreie Nutzung greift nach alledem ungebührlich in die Verwertungsinteressen der Urheber ein und ist damit weder verfassungsnoch dreistufentestkonform.64 c) Bei richtlinienkonformer Tatbestandsauslegung sind nur öffentlich zugängliche und nichtkommerzielle Museen, Bildungseinrichtungen und Bibliotheken mit eigener Sammlung privilegiert.65 § 58 Abs. 2 UrhG lässt sich daher weder auf Ausstellungshäuser noch auf Archive analog anwenden. Ausstellungshäuser, die als Veranstalter von Ausstellungen nach früherer Rechtslage ohne Weiteres privilegiert waren, können sich somit nicht auf die Schrankenregelung berufen, obwohl die von ihnen herausgegebenen Ausstellungskataloge der Kunstvermittlung in gleicher Weise dienen wie entsprechende Publikationen der Museen.66 Ihre Privilegierung bedarf nunmehr der Einführung einer entsprechenden Schrankenoption in Art. 5 HRL. d) Für die Abbildung von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken in Ausstellungskatalogen gelten die von der BGH-Rechtsprechung zu § 58 UrhG a. F. aufgestellten Grundsätze fort. Die Katalogbilder müssen dem Ausstellungszweck inhaltlich, zeitlich und räumlich untergeordnet sein. Sie müssen das Ziel verfolgen, dem Publikum die Ausstellung inhaltlich zu erschließen, ohne dass dabei die Vermittlung des Werkgenusses im Vordergrund stehen darf.67 Zulässig ist grundsätzlich nur eine Abgabe der Verzeichnisse im Museum.68 e) Der Zweck der darüber hinaus gestatteten Bestandsdokumentation ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Nach den gesetzgeberischen Motiven und dem Gesetzeswortlaut sind die Bestandsverzeichnisse insbesondere von Museen zur Herausgabe mit dem Ziel bestimmt, dem (privaten und Fach-)Publikum die Kunstgegenstände im Bestand zu erläutern. Nutzungen zu einrichtungsinternen Dokumentationen, etwa Vervielfältigungen zu Erhaltungszwecken, sind von § 58 Abs. 2 UrhG nicht privilegiert.69 64 65 66 67 68 69
S. oben S. 89 ff. S. oben S. 202 ff. S. oben S. 212. S. oben S. 219 ff. S. oben S. 225. S. oben S. 228 ff.
442
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
f) Schließlich darf mit den Verzeichnissen kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt werden; eine Gewinnerzielung mit ihrem Vertrieb ist daher weder den privilegierten Einrichtungen noch Dritten gestattet. Die Verzeichnisse dürfen deshalb von den Museen allenfalls zum Selbstkostenpreis vertrieben werden.70 2.
Frankreich: Keine Privilegierung von Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnissen
In Frankreich existiert keine Ausnahmeregelung, die Wiedergaben von Kunstwerken in Ausstellungs- oder Bestandsverzeichnissen zuließe. Das Zitatrecht (Art. L. 122-5 Nr. 3 a) CPI), das lediglich »kurze Zitate« im Rahmen eines anderen Werkes erlaubt, gilt nach ständiger Rechtsprechung der Cour de cassation nicht für vollständige Wiedergaben von Kunstwerken.71 Museen werden lediglich durch die Ausnahme in Art. L. 122-5 Nr. 8 CPI begünstigt, denen in Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 lit. n HRL Reproduktionen und Darbietungen eines Werkes zu konservatorischen Zwecken gestattet und »on the spot«-Wiedergaben in den Räumlichkeiten der Einrichtung ermöglicht werden.72 Französische Museen müssen daher für Katalognutzungen, ebenso wie für Wiedergaben zu Werbezwecken, die betreffenden Bildrechte einholen. Speziell auf Wiedergaben in Ausstellungskatalogen gewährt die ADAGP gemäß ihrer Rahmenvereinbarung mit Museen allerdings gewisse Tarifnachlässe73 und trägt damit der besonderen Bedeutung der Kunstvermittlung durch ausstellungsbegleitende Publikationen Rechnung. 3.
USA: Ausstellungs- und Bestandsverzeichnisse als im Einzelfall faire Nutzung
a) Ob Abbildungen von Kunstwerken in Ausstellungs- oder Bestandskatalogen von Museen und Ausstellungshäusern in den USA als fair use anzusehen sind, richtet sich nach der Eigenart des jeweiligen Kataloges. Generell spricht insbesondere für Verzeichnisse, die dem Publikum einzelne Exponate erläutern, der edukative Zweck der Nutzung im Rahmen des ersten fair use-Faktors für eine Freistellung.74 Zugleich könnte die Rechtsprechung den kommentierten Wiedergaben auch transformativen Charakter bescheinigen, der jedoch mit zunehmender Bildgröße und -qualität abnimmt, während das Risiko steigt, dass eine hochwertige Wiedergabe (auch) als »superseding use« angesehen wird, weil 70 71 72 73 74
S. oben S. 233 ff. S. oben S. 255 ff. S. oben S. 258 f. S. oben S. 306 f. S. oben S. 410 ff.
Urheberrechtliche Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
443
sie mit kommerziellen Reproduktionen konkurrieren kann.75 Ein weiterer negativer Nutzungsaspekt kommt hinzu, wenn ein Verzeichnis, das sich aus einer Vielzahl systematisch reproduzierter Werke zusammensetzt, mit Gewinnerzielungsabsicht verbreitet wird.76 Je nachdem, wie der erste fair use-Faktor im Ergebnis eingeschätzt wird, dürfte tendenziell auch die Bewertung des dritten und des wichtigen vierten Faktors – des potentiellen Markteffektes – ausfallen.77 b) Allgemein werden – trotz der edukativen, wissenschaftlichen Zielsetzung solcher Verzeichnisse – auch Werknutzungen in analogen oder digitalen Ausstellungs- und Bestandskatalogen nur dann als fair eingestuft werden können, wenn kleinere Bildformate verwendet werden, die möglichst direkt mit einem erläuternden Text verknüpft sind und angesichts ihrer reduzierten Größe und Qualität keine potentielle Konkurrenz zu bereits etablierten oder wahrscheinlich erschließbaren Arten kommerzieller Zweitverwertungen darstellen.78 Ohne Weiteres erfüllt sind diese Voraussetzungen allenfalls für nicht mit Gewinnerzielungsabsicht vertriebene Museumsführer in kleinem Format und die darin typischerweise enthaltenen, mit Begleittext versehenen, stark verkleinerten Werkabbildungen. Ausstellungs- und Bestandskataloge mit größeren, hochwertigen Abbildungen werden demgegenüber eher als unzulässig einzustufen sein. Anders als die Harmonisierungs-RL und u. a. das deutsche Urheberrecht, sieht das fair use-Privileg auch nicht die Möglichkeit einer gesetzlichen Vergütung vor, die im Rahmen der Abwägung der betroffenen Belange für ansonsten »unfaire« Nutzungen berücksichtigt werden könnte.79 c) Die Nutzung von nicht ausgestellten Werken aus dem Bestand dürfte aufgrund des fehlenden Bezugs zu einer Ausstellung tendenziell kritischer beurteilt werden als die Aufnahme von Exponaten in einen Sonderausstellungskatalog oder einen (Dauer-)Ausstellungsführer.80 d) Entsprechende Wertungen gelten für digitale Online-Nutzungen, etwa in einem Online-Bestandskatalog. Aufgrund ihres Potentials, mit digitalen Zweitverwertungen zu konkurrieren, ist vor allem die Wiedergabe separat kopierbarer Bilddateien im Internet besonders kritisch zu prüfen.81 e) Wie in Frankreich82, sind Abbildungen von Werken in Museumskatalogen auch nach der Lizenzierungspraxis der Artists Rights Society stets vergü-
75 76 77 78 79 80 81 82
S. oben S. 412 ff. S. oben S. 414 ff. S. oben S. 419 ff. S. oben S. 424 ff. Vgl. oben S. 327. S. oben S. 418, 425 und 428. S. oben S. 412 ff., 422 f. Vgl. oben S. 442.
444
Rechtsvergleich und Vorschläge für eine Neuregelung der Schranken
tungspflichtig. Bei monographischen Katalogen kommen Tarifnachlässe in Betracht.83
II.
Regelungsvorschlag für eine Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
Da § 58 Abs. 2 UrhG in seiner aktuellen Reichweite den verfassungs- und europarechtlichen Maßgaben nicht genügt, ist für die privilegierten Werkwiedergaben in Museumskatalogen auch in Deutschland eine Vergütungspflicht einzuführen. Das gilt trotz des privilegierungswürdigen Allgemeininteresses an der Information über Ausstellungen aufgrund der Wertungen von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL auch für Ausstellungskataloge von Museen. Die Gewährung einer angemessenen Vergütung entschärft zugleich das Problem, feststellen zu müssen, ob ein Katalogbild noch dem Ausstellungs- bzw. Dokumentationszweck »untergeordnet« ist oder einen (bisher unzulässigen) Kunstgenuss ermöglicht. Im Interesse des Publikums und der Museen sollte der vom Katalogbild (faktisch ohnehin häufig) vermittelte Werkgenuss nicht länger ein Ausschlusskriterium für die – zu vergütende – Bildnutzung sein. Kataloge reiner Ausstellungshäuser oder sonstiger Veranstalter können, wie gesehen, in Ermangelung einer Schrankenvorgabe auf europäischer Ebene de lege lata nicht privilegiert werden, obwohl dies mit Blick auf die geleistete Kunstvermittlung gerechtfertigt und wünschenswert wäre. Insoweit wäre es zu begrüßen, wenn sich der europäische Gesetzgeber der Fragen, die sich speziell im Hinblick auf edukative Nutzungen im Ausstellungskontext stellen, in der Zukunft nochmals gesondert annähme. Dabei sind auch die Möglichkeiten der digitalen Nutzung und Zugänglichmachung von Werkbeständen, auf die Museen zunehmend zurückgreifen, zu berücksichtigen und neu zu bewerten.84 Dies gilt insbesondere für die neuen Formen der inhaltlichen Vermittlung der kulturellen Objekte. So ist z. B. zu erwarten, dass Museen und Ausstellungshäuser ihre Informationsangebote zu Ausstellungen oder ständigen Sammlungen künftig noch stärker auf Online-Übermittlungen auf die Smartphones oder andere geeignete Geräte von Besuchern ausdehnen werden.85 Derartige Anwendungen, deren Inhalte dem Besucher vor Ort im Museum zur Verfügung gestellt werden können, entsprechen der Sache nach einer Kombination aus herkömmlichem Museumsführer und Audioguide, die einer unmittelbaren Erschließung der 83 S. oben S. 429. 84 Vgl. die Forderung von Dreier/Euler/Fischer/van Raay, ZUM 2012, 273, 278 ff., nach einer Erweiterung von Art. 5 HRL um Schrankentatbestände, die den Gedächtnisinstitutionen auch digitale Nutzungen ermöglichen. 85 Vgl. Gütt, S. 36 ff.
Urheberrechtliche Privilegierung von Ausstellungs- und Bestandsverzeichnissen
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Ausstellungsinhalte dient.86 Sofern die Bildinhalte dem Publikum in diesem Sinne lediglich online während des Besuchs vermittelt würden, läge auch kein ungebührlicher Eingriff in die Verwertungsinteressen der Urheber vor. Entsprechende Nutzungen, die nicht mehr von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL gedeckt sind, geben Anlass für eine umfassende, sorgfältige Neubewertung der Schranken zu Gunsten kunstvermittelnder Institutionen auf europäischer Ebene, die neben Museen auch (gemeinnützige)87 Ausstellungshäuser berücksichtigen sollte. Bei Einführung einer angemessenen Vergütung für Katalogbilder erscheint es zugleich vertretbar, die gegenwärtig aus Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL folgende Beschränkung des Katalogpreises auf den Selbstkostenpreis jedenfalls für Ausstellungskataloge fallen zu lassen und den nichtkommerziellen Einrichtungen die – in der Praxis ohnehin seltene – Erzielung gewisser Überschüsse aus dem Verkauf zu erlauben. § 58 Abs. 2 UrhG, der sich de lege lata an den von Art. 5 Abs. 2 lit. c HRL gesetzten Rahmen zu halten hat, ist derweil zunächst mit einem Vergütungsanspruch auszustatten. Ferner sollte klargestellt werden, dass die Dokumentation i. S. v. § 58 Abs. 2 Alt. 2 UrhG die Erläuterung der Sammlungsgegenstände bezwecken muss und der Vertrieb der Verzeichnisse nicht der Gewinnerzielung dienen darf. Eine Neufassung der Katalogbildfreiheit könnte lauten: »§ 58a Werke in öffentlichen Ausstellungen und in öffentlich zugänglichen Museen Zulässig ist die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken, die öffentlich ausgestellt oder zur öffentlichen Ausstellung bestimmt sind, in Verzeichnissen, die von Museen in inhaltlichem, zeitlichem und räumlichen Zusammenhang mit einer Sonderausstellung oder zur Dokumentation und Erläuterung eigener Sammlungsbestände herausgegeben werden. Die Verzeichnisse dürfen nur unentgeltlich oder zu einem ihre Herstellungskosten nicht übersteigenden Preis verbreitet werden. Für die Nutzung ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.«
86 Einige Museen bieten Besuchern bereits auf ihrer Internetseite Audiodateien zum Download auf MP3-Player und iPod an; vgl. Braun, Klick zur Kunst, art 3/2011, S. 38. 87 Vgl. oben S. 205 f.
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