Kunst und öffentlicher Frieden – Strafbefreiung durch Grundrechte? [1 ed.] 9783428582303, 9783428182305

Die Arbeit diskutiert am Beispiel des Konfliktes zwischen der Kunstfreiheit und den Strafnormen zum Schutz des öffentlic

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German Pages 350 [349] Year 2021

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Kunst und öffentlicher Frieden – Strafbefreiung durch Grundrechte? [1 ed.]
 9783428582303, 9783428182305

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Schriften zum Strafrecht Band 369

Kunst und öffentlicher Frieden – Strafbefreiung durch Grundrechte?

Von

Philipp Waltke

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIPP WALTKE

Kunst und öffentlicher Frieden – Strafbefreiung durch Grundrechte?

Schriften zum Strafrecht Band 369

Kunst und öffentlicher Frieden – Strafbefreiung durch Grundrechte?

Von

Philipp Waltke

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18230-5 (Print) ISBN 978-3-428-58230-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Im März 2017 öffnete ich ein neues Word-Dokument, aus dem schließlich die vorliegende Dissertation erwachsen sollte. Fiel das Tippen des allerersten Wortes auf dem leeren Papier auch gewiss nicht leicht, hat mir das Verfassen der Arbeit doch ungemein viel Freude bereitet. Gerade auch wegen der praktischen Bezüge zu persönlichen Interessen an Kunst & Kultur verschafften mir Wissbegierde und Schaffensgeist stets frische Schübe intrinsischer Motivation. Gleichwohl kann ein solches Projekt freilich nicht ohne die Unterstützung einer Vielzahl von Menschen gelingen, denen ich hiermit danken möchte. Zunächst gebührt Frau Professor Nina Nestler Dank für die bereitwillige Übernahme der Betreuung dieses interdisziplinären und doch etwas exotischen Themas. Außerdem möchte ich Herrn Professor Brian Valerius für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens danken. Für die Übernahme des Vorsitzes des Kolloquiums und die innovative Gestaltung desselben inmitten einer globalen Pandemie über Zoom danke ich Herrn Professor Carsten Bäcker. Meinen Eltern danke ich von ganzem Herzen für ihre stets bedingungslose und uneingeschränkte Unterstützung, die gerade für einen Akademiker der ersten Generation einen keineswegs selbstverständlichen und umso bedeutsameren Rückhalt darstellt. Auch möchte ich meinen Freunden gleichermaßen für Beistand wie Amüsement danken. Besonderer Dank gilt dabei meinem langjährigen Wegbegleiter und Mitstreiter Dr. Christopher Schletter, LL.M. (Berkeley) – unvergessen bleibt die wunderbare Zeit des gemeinsamen Rumdokterns in Bayreuth, Paris und Frankfurt am Main –, seinem Bruder Lukas Schletter – so haben nicht nur unsere dialektischen Gespräche den Schatten an der Wand so manch dunkler Höhle zu Sinn verholfen, sondern waren auch die gemeinsamen Kunst-Experimente ein stetiger Quell an Inspiration –, sowie außerdem Dr. Helge Alexander Wiechmann für scharfsinnigen Rat und spontane Tat, Ann-Kathrin Mäurer für das sorgfältige Korrekturlesen und Julia Wagner für die moralische Unterstützung. Zu guter Letzt möchte ich meine aufrichtige Dankbarkeit gegenüber Franziska Christine Häffner zum Ausdruck bringen. In Gedenken an Benjamin Johannes Weigel. Hamburg, im Januar 2021

Philipp Waltke

Inhaltsübersicht Einleitung

27

A. „Kunst und Strafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Teil 1 Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst A. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundrechtskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 33 58 61 62

B. Eingriffe in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Rechtfertigung von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schranke des Gemeinschaftsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schrankenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schranke kollidierenden Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 66 67 70 77

D. Zusammenfassung des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Teil 2 Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

80

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafrechtsimmanente Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtsexterne Möglichkeit: Unmittelbare Anwendung der Grundrechte . . . . III. Stellungnahme zur Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein . . . . . . . . . . . . . .

81 81 97 133

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtswidrigkeitsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 138 143

C. Zusammenfassung des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

10

Inhaltsübersicht Teil 3 Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

145

A. Der öffentliche Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der öffentliche Frieden als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der öffentliche Frieden im Wortlaut von Straftatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146 146 163 170

B. § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 175 193 195

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 196 197 204 209

D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 212 218 237 238

E. § 130 StGB – Volksverhetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239 240 244 258 264

F. § 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 266 269 274 275

G. § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275 276 280 281 281

H. § 111 StGB – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282 282 282 284 284

I. § 126 StGB – Androhung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Inhaltsübersicht

11

J. § 140 StGB – Belohnung und Billigung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 K. Zusammenfassung des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick A. Zusammenfassung und Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zu Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288 288 288 290 293

B. Würdigung des Tenors der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Sonstige Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

Inhaltsverzeichnis Einleitung

27

A. „Kunst und Strafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Teil 1 Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

33

A. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Schutzgegenstand: Was ist Kunst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Eigener strafrechtlicher Kunstbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Verbot oder Gebot einer Definition? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Knies’ Definitionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Definition durch den Künstler? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 cc) Definition durch Dritte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 dd) Gebot einer staatlichen Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Einzelne Definitionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Anknüpfungspunkt Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Anknüpfungspunkt Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Anknüpfungspunkt Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 dd) Anknüpfungspunkt Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 ee) Anknüpfungspunkt Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ff) Anknüpfungspunkt Interpretierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Stellungnahme: Topoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Schutzgewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Werkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Wirkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Schutzbereichsausnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

14

Inhaltsverzeichnis II. Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Grundrechtskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

B. Eingriffe in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Rechtfertigung von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Schranke des Gemeinschaftsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Schrankenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Schranken konkurrierender Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Schranke kollidierenden Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 D. Zusammenfassung des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Teil 2 Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

80

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Strafrechtsimmanente Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Materiell-rechtliche Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Direkte Anwendung kodifizierter Ausschlussklauseln . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Rechtswidrigkeitsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Direkte Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (a) Notstandslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (b) Notstandshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (c) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (2) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsverzeichnis

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(3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) § 193 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Direkte Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (2) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Rechtfertigende Pflichtenkollision? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Prozessuale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Strafrechtsexterne Möglichkeit: Unmittelbare Anwendung der Grundrechte . . . . 97 1. Notwendigkeit und Anerkennung einer unmittelbaren Anwendung . . . . . . . . 97 a) Gebot der Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Abhilfe über Art. 100 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Lösung: Gerichtliche Befugnis zum unmittelbaren Grundrechtsdurchgriff 101 d) Anerkennung der unmittelbaren Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Wirkebene einer unmittelbaren Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Rechtswidrigkeitsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Schuldebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Methodischer Unterbau einer unmittelbaren Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Anerkennung der verfassungskonformen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . 112 c) Grenzen der verfassungskonformen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Entkräftung der Bedenken gegen eine unmittelbare Anwendung . . . . . . . . . . 118 a) Problem eines Kompetenzverstoßes gegenüber dem BVerfG? . . . . . . . . . . 118 aa) Geäußerte Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Entkräftung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Problem eines Verstoßes gegen die Kompetenz der Legislative und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Geäußerte Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Entkräftung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Problem eines Verstoßes gegen den Vorrang des Gesetzes? . . . . . . . . . . . . 124 aa) Geäußerte Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Entkräftung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

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Inhaltsverzeichnis cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 d) Problem der Überschreitung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung bzw. der richterlichen Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Geäußerte Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Entkräftung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 e) Problem der Unbestimmtheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Geäußerte Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Entkräftung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 f) Problem der Rechtsunsicherheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Geäußerte Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Entkräftung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 g) Stellungnahme zu den Bedenken gegen eine unmittelbare Anwendung . . . 130 5. Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6. Zusammenfassung zur unmittelbaren Anwendung der Grundrechte . . . . . . . . 133 III. Stellungnahme zur Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein . . . . . . . . . . . . . . 133

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Direkte Anwendung kodifizierter Ausschlussklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Unmittelbare Anwendung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Rechtswidrigkeitsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. § 34 StGB (analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. § 193 StGB (analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Unmittelbare Anwendung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Übertragung obiger Ergebnisse zur unmittelbaren Anwendung der Grundrechte auf die Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 C. Zusammenfassung des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

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Teil 3 Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

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A. Der öffentliche Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Der öffentliche Frieden als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Definition des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Grunddefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Unterdefinitionen im Kontext der verschiedenen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Wandel der Definition durch die Wunsiedel-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 150 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Kritik am öffentlichen Frieden als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Kritik an der subjektiven Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Kritik an der objektiven Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Verfassungsrang des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Wörtliche Verankerung im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Positivierung des Schutzes des öffentlichen Friedens im Grundgesetz . . . . 160 c) Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Der öffentliche Frieden im Wortlaut von Straftatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Systematisierung der hier relevanten Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Gruppe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Gruppe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Gruppe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Klassifizierung als echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal? . . . . . . . . 165 a) Behandlung der Friedensklausel in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Einordnung dieses Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 B. § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Religionsfreiheit des Art. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Öffentlicher Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Problemlose Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Beschimpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Zum Begriff des Beschimpfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

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Inhaltsverzeichnis b) Beispiele nicht beschimpfender Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Beispiele beschimpfender Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Abstellen auf Beeinträchtigung des Vertrauens der Anhänger . . . . . . . . . . . 186 b) Abstellen auf Förderung der Intoleranz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Abstellen auf tatsächliche Reaktion der Anhänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 d) Andere Auslegung aufgrund der Kunstfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. § 193 StGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als eigener Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Entgegenstehende Verfassungsrechtsgüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Störung in grober Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Verübung beschimpfenden Unfugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Beispiele (nicht) tatbestandlicher Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) „Pressure to Perform“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Einschätzung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Bewertung der Einschätzung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 cc) Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) „Pussy-Riot“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) „Femen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Entgegenstehende Verfassungsrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Anwendung auf obige Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Inhaltsverzeichnis

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D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Öffentlicher Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Schutz des Einzelnen vor der Annahme einer aggressiven Einstellung – „Ludovico Technique“ im StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Problemlose Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Schildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4. Pönalisierte Arten der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Verherrlichung (Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 bb) Tatbestandsrestriktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Verharmlosung (Var. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Menschenwürde verletzende Darstellung (Var. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Selbstzweck-Formel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Definition von BVerfG und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 cc) Stellungnahme: Extrem enges Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (1) Besonderheiten des Schutzgutes von Var. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Vorgeschlagene Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (3) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 E. § 130 StGB – Volksverhetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Öffentlicher Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Friedensklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

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Inhaltsverzeichnis 2. Anforderung an die pönalisierte Äußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) § 130 Abs. 1 und 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Angriffsobjekt der Äußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Tatmodalitäten Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 a) und b) . . . . . . . . . . . . 247 cc) Tatmodalitäten Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 1 c) . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 dd) Beispiele aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) § 130 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Billigen, leugnen oder verharmlosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Beispiele aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c) § 130 Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Billigen, verherrlichen oder rechtfertigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) In einer die Würde der Opfer verletzenden Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Beispiele? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Kodifizierte Tatbestandsausschlussklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Bedeutung der Klausel im Rahmen des § 130 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Entgegenstehendes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Verletzung der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) § 130 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

F. § 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Öffentlicher Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Tatbestandseinschränkung bei fehlender Verletzung des Schutzzwecks? . . . . 270 2. Vielmehr: Kodifizierte Ausschlussklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Dienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Abwägung nötig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis

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G. § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Öffentlicher Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Schutz staatlicher Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4. Staatlicher Ehrschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 H. § 111 StGB – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. § 126 StGB – Androhung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 J. § 140 StGB – Belohnung und Billigung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 K. Zusammenfassung des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick

288

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 I. Zu Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Zum Kunstbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Zum Eingriff in die Kunstfreiheit durch das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3. Zur Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Zur verfassungskonformen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Zur unmittelbaren Anwendung von Grundrechten allgemein . . . . . . . . . . . . . 291 3. Zu Möglichkeiten der Strafbefreiung durch die Implikationen der Grundrechte allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Zu Möglichkeiten der Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto . . . 292 III. Zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Zur Rechtsgutsqualität des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Zum Verfassungsrang des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

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Inhaltsverzeichnis 3. Zur (Eignung zur) Störung des öffentlichen Friedens als normativer Wertungsklausel statt eines strafbegründenden Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . 295 4. Zu § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 5. Zu § 167 StGB – Störung der Religionsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 6. Zu § 131 StGB – Gewaltdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 7. Zu § 130 StGB – Volksverhetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 8. Zu § 86a StGB – Verwendung von Kennzeichen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 9. Zu § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 10. Zu §§ 111, 126, 140 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

B. Würdigung des Tenors der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Sonstige Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

Abkürzungsverzeichnis 1. StrRG a. A. a.a.O. Abs. AcP a. E. AEUV a. F. AfD AfP AG Alt. Anm. AnwBl AöR Art. AT Aufl. Az. BAnz. BayObLG BayVBl. Bd. BeckRS BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BPjM BPjS BPS-Report bspw. BT BT-Drs. BtMG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfGK BVerwG

Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts andere Ansicht am angegebenen Ort Absatz/Absätze Archiv für die civilistische Praxis [Zeitschrift] am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Alternative für Deutschland Archiv für Presserecht [Zeitschrift] Amtsgericht Alternative/n Anmerkung Anwaltsblatt [Zeitschrift] Archiv des öffentlichen Rechts [Zeitschrift] Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter [Zeitschrift] Band Beck online Rechtsprechung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Bundesprüfstelle-für-jugendgefährdende-Schriften-Report [Zeitschrift] beispielsweise Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht

24 BVerwGE BvR bzgl. bzw. ca. DB ders. dies. diesbzgl. DÖV DRiZ dt. DuR DVBl Einl. etc. EU f. FamRZ FDJ FeiertagsG ff. Fn. FSK FuR GA GG G.I. GjS GmbH GRUR HJ h. M. HRRS Hrsg. i. d. R. i. E. insb. i. R. d. i. S. d. i. V. m. JA JMS-Report JR Jura JuS JuSchG

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Aktenzeichen einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht bezüglich beziehungsweise circa Der Betrieb [Zeitschrift] derselbe dieselbe/n diesbezüglich Die Öffentliche Verwaltung [Zeitschrift] Deutsche Richterzeitung [Zeitschrift] deutsch/er Demokratie und Recht [Zeitschrift] Deutsches Verwaltungsblatt [Zeitschrift] Einleitung et cetera Europäische Union folgende/r Zeitschrift für das gesamte Familienrecht [Zeitschrift] Freie Deutsche Jugend Gesetz über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz) folgende Fußnote Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH Film und Recht [Zeitschrift] Goltdammer’s Archiv für Strafrecht [Zeitschrift] Grundgesetz Bezeichnung für Soldaten der United States Army Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gewerblicher Rechtschutz und Urheberschutz [Zeitschrift] Hitlerjugend herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht [Zeitschrift] Herausgeber in der Regel im Ergebnis insbesondere im Rahmen der/des im Sinne der/des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter [Zeitschrift] Jugend Medien Schutz-Report – Fachzeitschrift zum Jugendmedienschutz [Zeitschrift] Juristische Rundschau [Zeitschrift] Juristische Ausbildung [Zeitschrift] Juristische Schulung [Zeitschrift] Jugendschutzgesetz

Abkürzungsverzeichnis JZ Kap. KG KGB KJ KritV KuR KUR KZ LG LK MDR MMR MüKo m. w. N. N.F. NJW NJW-RR Nr. NRW NS NSBM NSDAP NStZ NSU NVwZ NWVBl. NY NZWiSt OLG Orig. OVG Pegida Rdnr. RG RGSt RGZ Rn. S. SA Sch/Sch SK sog. SPIO

25

Juristische Zeitung [Zeitschrift] Kapitel Kammergericht Berlin Komitet Gosudarstvennoy Bezopasnosti (dt.: Komitee für Staatssicherheit), ehemaliger sowjetischer Geheimdienst Kritische Justiz [Zeitschrift] Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft [Zeitschrift] Kirche und Recht [Zeitschrift] Kunst und Recht [Zeitschrift] Konzentrationslager Landgericht Leipziger Kommentar Monatsschrift für Deutsches Recht [Zeitschrift] Multimedia und Recht [Zeitschrift] Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neue Folgen Neue Juristische Wochenschrift [Zeitschrift] Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report [Zeitschrift] Nummer/n Nordrhein-Westfalen Nationalsozialismus/Nationalsozialistische National Socialist Black Metal Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zeitschrift für Strafrecht [Zeitschrift] Nationalsozialistischer Untergrund Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht [Zeitschrift] Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter New York Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht [Zeitschrift] Oberlandesgericht Original(titel) Oberverwaltungsgericht Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes Randnummer/n Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer/n Seite/n/Satz Sturmabteilung Schönke/Schröder Systematischer Kommentar sogenannte/r Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Dachverband der Berufsverbände der deutschen Film-, Fernseh- und Videowirtschaft

26 SRP SS StGB StPO StraFo StRR st. Rspr. StV TierSchG u. a. UFITA US USA usw. v. Var. VerwArch VG VGH vgl. Vorb. VStGB VVDStRL VwGO WRV z. B. ZfPW ZIS ZPO ZRP ZStW ZUM ZUM-RD

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Einleitung A. „Kunst und Strafrecht“ 1946, Frankfurt am Main. Spinnenbeinartige Stahlträger ragen aus dem leblosen Betonkörper des ausgebombten Trümmerhauses in die vom Mondlicht erhellte Nacht wie die Rippen eines halbverwesten Skelettes. Das weiße Piano direkt am Abgrund des fünften Stockes ein Fremdkörper; unversehrt, rein, verletzlich. Eine blasse Erinnerung an eine längst vergessene Zivilisation, wie sie vor dem Krieg existiert haben muss. G.I. Al Hansen stößt das weiße Piano in den Abgrund. Es fällt, fällt, fällt … wird vom schwarzen Schlund der Straßenschlucht verschluckt. Aufprall. Reißende Metallsaiten, zersplitterndes Holz, ein rollendes Echo, Stille – Der Klang der Vergänglichkeit.

Handelt es sich bei dem Herunterstoßen des Klavieres um einen Akt der Kunst? Ist das Geräusch des Aufpralls Kunst? Stellen gar meine einleitenden Sätze Kunst dar? In der Tat stellt der beschriebene Vorfall, der später als „Yoko Ono Piano Drop“ tituliert wurde, wohl das erste Happening1 dar und läutete so eine neue Ära innerhalb der Kunst der Moderne ein. Und meine einleitenden Sätze sind eine halb fiktive Erzählung, war ich doch selbst nicht vor Ort in dieser vom Mondlicht erhellten Nacht im Jahre 1946. Ich weiß auch nicht, ob diese Nacht tatsächlich vom Mondlicht erhellt wurde, geschweige denn, ob die Stahlträger des Gebäudes fürwahr an Spinnenbeine erinnerten. Gerade dieses fiktive Element könnte aus den Zeilen statt Wissenschaft, die allein man in einer Dissertation vorzufinden glaubt, Kunst machen. Indem ich meiner Phantasie freien Lauf ließ, habe ich in schöpferischer Gestaltung eigene Eindrücke und Erfahrungen in der Formensprache der literarischen Prosa zur Anschauung gebracht. Damit erfüllen meine Zeilen exakt die in der ersten Entscheidung des BVerfG zur Kunstfreiheit aufgestellte Definition2 dessen, was unter Kunst i. S. d. Grundrechts der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu verstehen sei. Kunst kann sich also in den verschiedensten Lebenssachverhalten zeigen. Aber was hat das alles mit dem Strafrecht zu tun? Nun, um zurück auf den „Yoko Ono Piano Drop“ zu kommen: Das Klavier stand nicht im Eigentum von Al Hansen, war 1

Schäfke/Euler-Schmidt, Al Hansen – An Introspective, S. 11, 251. „Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewußten und unbewußten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.“, BVerfGE 30, 176 (188) (Mephisto), so genannter materialer Kunstbegriff, siehe dazu ausführlich unten S. 47 f. und S. 50 ff. 2

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also eine für ihn fremde Sache. „Sachbeschädigung! § 303 Abs. 1 StGB!“, ruft der geneigte Jurist3 sofort. Plötzlich befinden wir uns also im strafrechtlichen Terrain und es stellen sich neue Fragen: Etwa, ob für den angeklagten Künstler die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG streiten könnte und wenn ja, wie genau dies methodisch funktionierte. Und um in einem anderen Beispiel bereits an dieser Stelle auch den im Titel der vorliegenden Arbeit genannten strafrechtlichen Schutz des öffentlichen Friedens aufzugreifen: Der Künstler Alexander Karle führte für seine Videoinstallation „Pressure to Perform“ 27 Liegestütze auf dem Altar der Basilika St. Johann in Saarbrücken aus. Dafür wurde er am 17. 01. 2017 vom AG Saarbrücken wegen Hausfriedensbruch nach § 123 Abs. 1 StGB und wegen Störung der Religionsausübung nach § 167 Abs. 1 StGB, einem Delikt, das u. a. den besagten öffentlichen Frieden strafrechtlich schützt,4 zu 700 Euro Geldstrafe verurteilt.5 Unter der Veröffentlichung der Performance auf YouTube finden sich Kommentare, die anschaulich zeigen, dass gerade im religiösen Kontext eine Gefährdung des öffentlichen Friedens nicht abwegig scheint, so schnell erhitzen sich die Gemüter. User „john rankin“ bspw. äußerst sich sofort äußerst aggressiv: „Do it in a Mosque you faggot, I hope you get GANG RAPED from some friendly MUSLIMS you FUCKING CUNT!!!!!!!!!!!!!“6 Ein tragischer Vorfall aus dem Jahre 2015 zeigt gar, wie schnell aus bloßen Gefühlswallungen blutige Gewalt werden kann. Nachdem die Pariser Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ die bekannten Mohammed-Karikaturen veröffentlichte, starben zwölf Menschen bei einem Attentat auf die Redaktionsräume der Zeitschrift.7 Aber darf aufgrund der unangemessenen Reaktion Dritter auf ein Kunstwerk wirklich dieses selbst verboten werden? Die Kunstfreiheit genießt historisch bedingt einen hohen Stellenwert im Wertgefüge unserer Republik: Nachdem sich moderne Tendenzen der Kunst im frühen 20. Jahrhundert der obrigkeitsstaatlichen Bekämpfung ausgesetzt sahen, wurde zum Schutze der Kunst deren Freiheit erstmals in Art. 142 S. 1 WRV8 kodifiziert.9

3 Wenn hier und im Folgenden bei Begriffen, die sich auf unbestimmte Personengruppen beziehen, allein die grammatikalisch generisch maskuline Form gewa¨ hlt wurde, geschah dies ausschließlich aus Gru¨ nden der besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit und ist weder geschlechts- noch genderspezifisch gemeint, sondern schließt alle Menschen gleichermaßen ein. 4 Vgl. unten S. 196. 5 AG Saarbrücken v. 17. 01. 2017 – 115 Cs 192/16 (Redaktion beck-aktuell, becklink 2005490). Siehe auch die Entscheidungen der Folgeinstanzen LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783 und OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 ff. mit Anmerkung von Valerius, NJW 2018, S. 3797. Vgl. ausführlich unten S. 198 ff. 6 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=0RpNWhBTYII. 7 Tinnefeld/Knieper, MMR 2016, S. 157; Steinberg, DVBl 2016, S. 1282. Sehr lesenswerte Reaktion auf die Anschläge: Leisner, NVwZ 2015, S. 191 ff. Vgl. ausführlicher zu den Mohammed-Karikaturen unten S. 179 ff. und S. 187 f. 8 „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“ 9 Kitzinger, in: Nipperdey, Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Art. 142, S. 455 ff.; BVerfGE 119, 1 (21) (Esra).

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Gleichwohl begann am 10. 05. 1933 mit der Bücherverbrennung10 an deutschen Hochschulen eine systematische Verfolgung des freien Denkens und der freien Künste. In der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 wurde zeitgenössische Kunst als „kranke“, „jüdische“ und „bolschewistische“ Kunst tituliert – darunter heute so viel beachtete und geehrte Maler wie Franz Marc, August Macke, Max Pechstein, Emil Nolde, Otto Dix, Paul Klee, Marc Chagall und Wassily Kandinsky.11 Insgesamt wurden so zur Zeit des Nationalsozialismus 21.000 Bilder vernichtet oder verschleudert; die Künstler sahen sich Verfemung, Verbannung und Verfolgung ausgesetzt.12 Nach 1945 war es deshalb unstreitig, dass die Kunstfreiheit als selbstständiges Grundrecht Bestandteil des Grundgesetzes werden sollte.13 Seitdem lautet nun Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

B. Eingrenzung Wie verträgt sich nun ein Strafgesetz, das Kunst pönalisiert, mit dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Freiheit? Diese Frage lässt sich schwerlich umfassend beantworten. Kunst durchdringt nahezu jeden Lebensbereich und berührt damit auch das Strafrecht in vielfältiger Art und Weise, sodass der Themenkomplex „Kunst und Strafrecht“ ein weites, schwer überschaubares Feld abdeckt. Der Versuch einer umfassenden Abhandlung würde darum entweder den Rahmen einer Dissertation sprengen oder jegliche Tiefe missen lassen. Deshalb wird im Folgenden eine Eingrenzung des Themas vorgenommen. Kein Bestandteil der vorliegenden Arbeit sind so strafrechtlich relevante Handlungen an Kunstwerken, wie z. B. die Strafbarkeit des Beschädigens oder Zerstörens, des Diebstahls, oder auch des Fälschens eines solchen.14 Ebenso wenig soll die eher in den Bereich der Meinungsfreiheit fallende Tätigkeit der Kunstkritiker beleuchtet werden.15 Vielmehr befasst sich diese Arbeit allein mit strafrechtlich relevanten 10 Sog. Aktion „Wider den undeutschen Geist“, siehe Glaser, das dritte Reich, S. 81. Heinrich Heine sollte also leider Recht behalten mit seiner bereits 1823 in seiner Tragödie „Almansor“, Zeile 243 f. (S. 16), geäußerten Befürchtung: „… dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ 11 Entartete Kunst – Ausstellungsführer; Rave, Kunstdiktatur im Dritten Reich, S. 96 ff., S. 102, insb. S. 104; Glaser, das Dritte Reich, S. 109; Beschlagnahmeinventar „Entartete Kunst“. 12 Glaser, das dritte Reich, S. 106; Beschlagnahmen betrafen auch Gemälde von Egon Schiele und Gustav Klimt, siehe Beschlagnahmeinventar „Entartete Kunst“. 13 BVerfGE 119, 1 (21) (Esra); vgl. Häberle, Entstehungsgeschichte des GG, Bd. 1, S. 89 ff. 14 Vgl. zur Übersicht Schack, Kunst und Recht, Rn. 53 ff., 481 ff. Z. B. auch von Kulczak, Bildende Kunst, S. 271 ff. behandelt. 15 Z. B. von Kulczak, Bildende Kunst, S. 329 ff. behandelt. Vgl. Schack, Kunst und Recht, Rn. 247, 636.

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Handlungen durch Kunstwerke. Da jedoch die Kunst in all ihrer Diversität mit den verschiedensten Tatbeständen des Strafrechts auf unterschiedlichste Art und Weise kollidieren kann, bliebe bei einer umfassenden Behandlung aller relevanten Strafnormen immer noch die Gefahr eines lediglich kursorischen Abrisses der einzelnen Delikte. Somit erscheint eine Beschränkung entweder in tatsächlicher Hinsicht auf einen bestimmten künstlerischen Werktyp16 oder in rechtlicher Hinsicht auf bestimmte Straftatbestände angezeigt. Die vorliegende Arbeit geht dabei letzteren Weg. Sie behandelt allein die Delikte, die dem Schutz des öffentlichen Friedens dienen und im Kontext der Kunst relevant werden können. Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Normen §§ 166, 167, 131 und 130 StGB. Da dem Schutz des öffentlichen Friedens dienend, aber nur selten im Rahmen der Kunst relevant, sollen auch §§ 111, 126 und 140 StGB kursorisch behandelt werden. Als eine Art Annex werden zudem §§ 86a und 90a StGB kurz behandelt, die zwar keine klassischen Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens darstellen, gleichwohl vereinzelt ebenfalls als solche klassifiziert werden. Um den Rahmen nicht zu sprengen, sollen andere als die genannten Delikte aus der Bearbeitung ausgeklammert werden. Hingegen soll eine Beschränkung auf bestimmte Werktypen im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen werden, sondern der Blick offen für sämtliche Kunstformen bleiben. Je nach Tatbestand wird dabei der Fokus auf verschiedenen Formen der Kunst liegen; je nachdem, welche besonders relevant im Kontext des jeweiligen Deliktes sind. Es soll aber insbesondere nicht ausschließlich und explizit auf die Satire eingegangen werden, bei der sich schon auf verfassungsrechtlicher Ebene die Frage stellt, ob überhaupt die Kunstfreiheit oder „nur“ die Meinungsfreiheit17 einschlägig ist. Zuvorderst stehen Werke der Satire in Konflikt mit den in der vorliegenden Arbeit ausgeklammerten Tatbeständen zum Schutz der Ehre, §§ 185 ff. StGB. Da dieses Spannungsfeld schon zum Gegenstand mehrerer Dissertationen18 gemacht wurde, wird es hier nicht erneut aufgerollt. Soweit allerdings satirische Werke Kunst darstellen und zugleich die Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens berühren, sollen sie auch in der vorliegenden Arbeit Erwähnung finden. Neben der Konzentration auf die Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens soll ein weiterer wichtiger Fokus auf der methodischen Frage liegen, wie eine 16

So z. B. für die bildende Kunst: Kulczak, Bildende Kunst. So z. B. für Theater, Film und Fernsehen: Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen. 17 Vgl. BVerfG, NJW 1998, 1386 (1387): „Satire kann Kunst sein; nicht jede Satire ist jedoch Kunst“; Oppermann, Satire, S. 133 ff. und S. 146; Gärtner, Satire, S. 67 ff. A. A. Kassing, Personalsatire, S. 119, die das „satirische Gewand“ stets an der Kunstfreiheit und die „entkleidete Aussage“ an der Meinungsfreiheit messen will. 18 Explizit zu Satire und §§ 185 ff. StGB: Erhardt, Satire; Kassing, Personalsatire und zuletzt 2015 Oppermann, Satire. Explizit zu Satire im gesamten Strafrecht: Gärtner, Satire. Zu Kunst-/Meinungsfreiheit und §§ 185 ff. StGB insgesamt als Dissertation aus der Sicht des öffentlichen Rechts: Bülow, Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Karpf, Schutz der Ehre.

Einleitung

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Strafbefreiung durch Grundrechte im Allgemeinen und durch die Kunstfreiheit im Besonderen konstruiert werden kann. Dieses Thema wird von anderen Arbeiten aus dem Bereich „Kunst und Strafrecht“ oft nur kurz am Rande erwähnt,19 obgleich diese Frage höchst strittig20 ist und als bislang ungeklärt21 gilt. Mithin wird die vorliegende Arbeit herausarbeiten, wie genau sich das Grundrecht der Kunstfreiheit strafbefreiend auf die einzelnen Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens auswirkt.

C. Vorgehen Zur Erreichung dieses Ziels wird zunächst im ersten Teil22 der Arbeit gleichsam als Vorfrage wie Fundament die verfassungsrechtliche Dimension der Kunstfreiheit betrachtet. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Kunstbegriff gelegt, so steht und fällt doch die verfassungsrechtliche Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG mit der Einordnung eines Lebenssachverhalts als „Kunst“ oder „Nicht-Kunst“. Danach wird mit der Behandlung des Umfangs der Schutzgewährleistungen, des geschützten Personenkreises, sowie der Grundrechtskonkurrenzen die Darstellung des Schutzbereiches der Kunstfreiheit abgerundet. Der erste Teil der Arbeit schließt mit der Darlegung der Anforderungen, die das Verfassungsrecht an die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG stellt, denn an genau diesen Voraussetzungen werden sich im späteren Verlauf der Arbeit die einzelnen Strafnormen zum Schutz des öffentlichen Friedens messen lassen müssen. Im zweiten Teil23 der Arbeit erfolgt die Untersuchung, wie die verfassungsrechtlichen Implikationen des ersten Teils in das System des Strafrechts eingeflochten werden können. Da die Dogmatik der Umsetzung einer Strafbefreiung durch Grundrechte im Einzelnen noch nicht abschließend geklärt ist,24 wird auf diesem Teil der Arbeit ein gewisser Fokus liegen. Die Frage wird zunächst allgemein und losgelöst von der Kunstfreiheit betrachtet. Dazu werden mögliche strafrechtsimmanente Lösungen in die verschiedenen Ebenen des Deliktsaufbaus eingeordnet, systematisiert und jeweils auf ihre Tauglichkeit hin getestet. Danach wird dezidiert die strafrechtsexterne Möglichkeit einer unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im 19

Vgl. Fischer, Kunst, nur S. 66 bis 71; Beisel, Kunst, nur S. 163 bis 167. So Rosenau, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, Vor §§ 32 ff., Rn. 29. 21 Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 32 ff., Rn. 65a: „… kann als noch nicht geklärt gelten“; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 138: „bisher weitgehend ungeklärt“; jeweils m. w. N. als kurzer erster Überblick zum Streitstand. Ebenfalls Kühl, Strafrecht AT, § 9, Rn. 92, 112: „weitgehend ungeklärt“, „so wenig diskutiert, dass eine Antwort noch schwerfällt“. 22 Siehe unten S. 33 ff. 23 Siehe unten S. 79 ff. 24 Vgl. erneut Fn. 21. 20

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Strafrecht diskutiert. Es wird die Notwendigkeit dieses Vorgehens aufgezeigt, die richtige Wirkebene im strafrechtlichen Deliktsaufbau gefunden und umfassend der methodische Unterbau konstruiert. Schließlich werden die gegen diesen Ansatz vorgebrachten Bedenken entkräftet. Mit der anschließenden Postulierung der Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht wird eine grundsätzliche und allgemein gültige Lösung des Konflikts von Grundrechten und Strafrecht formuliert. Dieses Ergebnis wird anschließend auf die Wirkung des Grundrechts der Kunstfreiheit im Speziellen übertragen. Die in den ersten beiden Teilen gefundenen Ergebnisse bilden nun die Grundlage, um im dritten Teil25 der Arbeit den konkreten Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und den einzelnen Tatbeständen zum Schutz des öffentlichen Friedens zu beschreiben und einer Lösung zuzuführen. Vor die Klammer gezogen wird dabei zunächst der öffentliche Frieden definiert und auf seine Rechtsgutsqualität hin untersucht. Anknüpfend an das Ergebnis des ersten Teils wird anschließend der für die vorliegende Arbeit kritischen Frage nachgegangen, ob der Schutz des öffentlichen Friedens allein überhaupt einen Eingriff in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu rechtfertigen vermag. Zuletzt ist zu klären, ob die Nennung des öffentlichen Friedens im Wortlaut einiger der hier zu behandelnden Normen ein echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal aus dem öffentlichen Frieden macht, oder ob eine solche Friedensklausel vielleicht ganz anders zu handhaben ist. Nachdem so der öffentliche Frieden zunächst abstrakt untersucht wurde, wird anschließend nun jeder der ausgewählten Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens einzeln und in concreto untersucht. Zunächst werden die hinter der jeweiligen Norm stehenden Rechtsgüter herausgearbeitet und geprüft, ob diese jeweils einen Eingriff in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu rechtfertigen vermögen. Hernach wird jeweils auf Tatbestands- wie Rechtswidrigkeitsebene geprüft, wie die Kunstfreiheit auf das jeweilige Delikt vor allem in Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des ersten Teils und die methodischen Prämissen des zweiten Teils einwirkt. Umgekehrt betrachtet stellt so der dritte Teil auch eine Überprüfung der im zweiten Teil gefundenen Prämissen anhand konkreter Tatbestände dar. Sofern möglich, soll als Ergebnis eine allgemein gültige, für Rechtssicherheit sorgende Vorgehensweise für den jeweiligen Tatbestand gefunden werden. Abgerundet wird die Arbeit im vierten Teil26 durch eine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse sowie einen Ausblick.

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Siehe unten S. 145 ff. Siehe unten S. 288 ff.

Teil 1

Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst „Des Künstlers Gefühl ist sein Gesetz.“1 – Caspar David Friedrich

Ein Künstler lässt sich durch seine Gefühle und nicht durch das Gesetz im Sinne der „Juristerei“ leiten. Gleichwohl ist das Recht nicht gänzlich unbedeutend für ihn. Will er sich nämlich einmal unter den rechtlichen Schutz der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG begeben, so muss zunächst geklärt sein, wie weit dieser reicht. Im folgenden ersten Teil der Arbeit wird deshalb die verfassungsrechtliche Dimension der Kunstfreiheit als Fundament für die weiteren Betrachtungen der nächsten Teile vorangestellt. Dabei orientiert sich der Gang der Untersuchung an der klassischen öffentlich-rechtlichen Unterteilung in Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung. Inhaltlich ist dabei die Eingrenzung vorzunehmen, dass im Folgenden die Kunstfreiheit lediglich in ihrer Funktion des status negativus, also eines Abwehrrechts gegen den Staat, betrachtet wird. Denn für die weitere strafrechtliche Betrachtung der vorliegenden Arbeit ist allein diese Funktion der Kunstfreiheit von Relevanz; nicht hingegen die Bedeutung der Kunstfreiheit als Leistungsrecht.2

A. Schutzbereich Die Betrachtung des Schutzbereiches folgt dabei ebenfalls der klassischen Einteilung, sodass zuerst der sachliche, dann der persönliche Schutzbereich und zuletzt die Grundrechtskonkurrenzen behandelt werden.

I. Sachlicher Schutzbereich Im Rahmen des sachlichen Schutzbereiches wird zunächst zur Bestimmung des Schutzgegenstandes die Entwicklung der verschiedenen Kunstbegriffe aufgezeigt. Daran schließt sich die Betrachtung des Umfangs der Schutzgewährleistungen an.

1 Caspar David Friedrich, Äußerungen bei Betrachtung einer Sammlung von Gemählden von größtentheils noch lebenden und unlängst verstorbenen Künstlern, S. 24. 2 Vgl. ebenso Fischer, Kunst, S. 35 f.; Beisel, Kunst, S. 39; Erhardt, Satire, S. 44.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

1. Schutzgegenstand: Was ist Kunst? „Sie erwarten von mir, daß ich Ihnen sage, daß ich Ihnen definiere: Was ist Kunst? Wenn ich es wüßte, würde ich es für mich behalten.“3 – Pablo Picasso

Im juristischen Kontext ist die Beantwortung der Frage „Was ist Kunst?“ von erheblicher Bedeutung. Ihre Beantwortung stellt schließlich die entscheidende Weiche, ob sich ein Werk auf den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen kann oder nicht. So wichtig diese Einordnung damit auch ist, so schwer lässt sie sich vornehmen. Kunst zu definieren ist wohl selbst schon eine Kunst,4 zieht man sich nicht auf das von extremen Positionen in der Kunsttheorie proklamierte „Ende der Kunst“5 zurück. Schnell erscheinen so die „sonst so selbstsicheren Juristen einmal verlegenhilflos“6. Auch das BVerfG drückt sich gern vor einer eindeutigen Klassifizierung, sobald es eine solche irgendwie umgehen kann.7 Freimütig erkennt es die „Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren“8 an. Der Lebenssachverhalt „Kunst“ ist weitestgehend außerrechtlich determiniert.9 Er ist einer gewissen Eigengesetzlichkeit und Wandlungsfähigkeit hinsichtlich seiner Schöpfung, Empfindung und Phantasie unterworfen, sodass er sich einer absolutierenden und normativ abschließenden Definition entzieht.10 Deshalb lässt sich für die Kunst keine Definition im eigentlichen logischen Sinne einer „Verdeutlichung der Wesensmerkmale eines Begriffes durch Aufzeigung der nächsten Gattung und des Artunterschiedes“11 finden.12 Ziel kann es lediglich sein, eine Definition im weiteren Sinne zu finden: als „beschreibendes Charakterisieren“ dessen, was Kunst im Rahmen des Rechts meint.13 Wie eine solch beschreibende Charakterisierung aber lauten soll, ist überaus umstritten. Im Folgenden wird zunächst auf die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit eines eigenständigen strafrechtlichen Kunstbegriffes eingegangen und die grundsätzliche Frage gestellt, ob den Staat trotz der Definitionsschwierigkeiten überhaupt 3

Picasso, Wort und Bekenntnis, S. 26, zitiert nach Krems, der Fleck auf der Venus, S. 86. So v. Hartlieb, ZUM 1986, S. 37: „Es ist schon eine Kunst, Kunst zu definieren.“ 5 Siehe v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 12; vgl. dazu auch: Ullrich, Was war Kunst, S. 229 ff. 6 Knies, AfP 1978, S. 61; Erhardt, Satire, S. 44. 7 Ob der zugrundeliegende Lebenssachverhalt Kunst ist oder nicht wurde bspw. offengelassen in BVerfGE 35, 202 (244) (Soldatenmord); BVerfG, in: NJW 1998, S. 1386 (S. 1387) (Münzen-Erna); BVerfGE 86, 1 (9) (TITANIC – geb. Mörder). 8 BVerfGE 67, 213 (225) (Anachronistischer Zug); 75, 369 (377) (Kopulierende Schweine); vgl. ferner BVerfGE 119, 1 (20) (Esra); ähnlich auch schon BVerwGE 39, 197 (207) (Stern). 9 Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 189 f.; BVerwGE 39, 197 (207) (Stern); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 182. 10 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 22. 11 „Omnis definitio fit per genus proximum et differentiam specificam“, Fischl, Logik, S. 47. 12 Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 2; ders., DVBl 1969, S. 864. 13 Fischl, Logik, S. 47 f.; Erbel, Kunstfreiheit, S. 3. 4

A. Schutzbereich

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ein Definitionsgebot trifft oder daraus nicht vielmehr ein Definitionsverbot erwächst. Daran anschließend werden die wichtigsten14 der in Rechtsprechung und Literatur im Laufe der Zeit entwickelten Ansätze und Versuche, wie im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG „Kunst“ von „Nicht-Kunst“ unterschieden werden kann, nach gemeinsamen Anknüpfungspunkten systematisiert dargelegt und auf ihre Abgrenzungstauglichkeit hin geprüft. In einer Stellungnahme wird abschließend der für den weiteren Verlauf der Arbeit zugrunde gelegte Kunstbegriff beschrieben. a) Eigener strafrechtlicher Kunstbegriff? Vorab erscheint zunächst die kurze Betrachtung einer auf den ersten Blick bequemen Idee angebracht, die die Auseinandersetzung mit der schier unendlichen verfassungsrechtlichen Diskussion obsolet zu machen scheint. So plädiert Würtenberger für einen eigenen strafrechtlichen Kunstbegriff: Es soll für jedes Teilrechtsgebiet ausgehend von den jeweilig relevanten teleologischen Erwägungen ein spezifischer Kunstbegriff gebildet werden, um der Mehrdimensionalität des Kunstbegriffes und den damit verbundenen Problemen gerecht zu werden.15 Freilich würde dies jedoch das definitorische Dilemma nur auf die Ebene des Strafrechts verschieben. Einer dezidierten inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Frage, was Kunst ist, könnte auch durch einen eigenen strafrechtlichen Kunstbegriff nicht ausgewichen werden. Deshalb brächte ein solcher Begriff keinerlei Mehrwert. Auch dogmatisch gesehen können nicht einfach für jedes Rechtsgebiet unabhängige und komplett eigenständige Kunstbegriffe gebildet werden. Problematisch für den im Kontext der vorliegenden Arbeit relevanten Schutz der Kunst vor dem Strafrecht wäre insbesondere ein strafrechtlicher Kunstbegriff, der sich enger als der verfassungsrechtliche Kunstbegriff verstünde. So würden nämlich verfassungsrechtlich gewährte Freiheitsgarantien auf einfachrechtlicher Ebene beschränkt, was der Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt durch Art. 1 Abs. 3 GG sowie der Normenhierarchie widerspräche.16 Der strafrechtliche Begriff stünde unzulässiger Weise im Widerspruch zum höherrangigen Verfassungsrecht.17 Somit wäre ein eigener strafrechtlicher Kunstbegriff höchstens als Erweiterung zum verfassungsrechtlichen Kunstbegriff denkbar, wenn er letzteren nicht lediglich wiederholen will.18 Eine Auseinandersetzung mit dem Umfang des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffes ist somit unvermeidlich. 14 Eine umfassende Darstellung würde den Rahmen der Arbeit sprengen, vielmehr sei diesbzgl. insb. auf die Ausführungen bei Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 3 ff. verwiesen. Vgl. zu umfassenden Darstellungen des Weiteren Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 141 ff.; sowie Ropertz, Freiheit der Kunst, S. 25 ff. 15 Mit diesem Argument explizit für einen strafrechtlichen Kunstbegriff: Würtenberger, in: Festschrift für Eduard Dreher, S. 80 ff. 16 Erhardt, Satire, S. 40. 17 Kassing, Personalsatire, S. 56. 18 Heinz, in: Mühleisen, Grenzen politischer Kunst, S. 57.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

b) Verbot oder Gebot einer Definition? Auf verfassungsrechtlicher Ebene stellt sich dabei zu allererst eine grundlegende Frage: Ist eine staatliche Definition dessen, was Kunst ist, überhaupt geboten oder verbietet sich eine solche vielmehr. aa) Knies’ Definitionsverbot Allen voran vertritt Knies in seiner Dissertation zu den „Schranken der Kunstfreiheit“ ein ausdrückliches, an den Staat gerichtetes „Definitionsverbot“. Er führt an, dass grundrechtliche Freiheit nur dann wirkliche Freiheit sein könne, wenn dem Staat versagt sei, die inhaltliche Ausfüllung der Freiheit vorzunehmen.19 Einige Stimmen haben sich einem so verstandenen „Definitionsverbot“ angeschlossen.20 Andere haben ein eigenes Definitionsverbot postuliert.21 Überwiegend wurde Knies jedoch für seine Ausführungen kritisiert.22 Bei genauer Lektüre wird allerdings klar, dass Knies gar kein absolutes „Definitionsverbot“ vertritt. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbiete lediglich eine material-qualitative inhaltliche Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffes; der Staat dürfe also keine qualitativen Kriterien festlegen, sondern sei auf eine lediglich technisch-formale Umschreibung des Kunstbegriffes beschränkt.23 Somit vertritt Knies letztlich kein absolutes Definitionsverbot, sondern vielmehr lediglich ein Verbot bezüglich eines Kunstbegriffes, der Qualität als wesentliches Definitionskriterium nutzt. bb) Definition durch den Künstler? Hingegen entspricht ein anderer Vorschlag einem tatsächlichen, echten Verbot staatlicher Definition: Allein der Künstler selbst könne als Grundrechtsträger definieren, ob sein Schaffen als Kunst zu begreifen ist oder nicht.24 Die Kehrseite dieses 19

Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 217 ff. Raue, Literarischer Jugendschutz, S. 85 ff. Knies’ Ergebnis zustimmend auch Hartmann, JuS 1976, S. 651, Fn. 19; Hoffmann, NJW 1985, S. 238 f. 21 Ridder, die soziale Ordnung des Grundgesetzes, S. 141 f.; Oettinger, UFITA 71 (1974), S. 31 f., fordert gar eine ersatzlose Streichung der Kunstfreiheit. 22 Knemeyer/Greiffenhagen, Der Staat 8 (1969), S. 250 f.; Bär, Filmfreiheit, S. 118 f.; Erbel, DVBl 1969, S. 864 ff.; v. Hartlieb, Die Freiheit der Kunst und das Sittengesetz, S. 63 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 25. 23 Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 217 f.; so ähnlich auch Maunz, BayVBl. 1970, S. 355. 24 So Hartmann, JuS 1976, S. 651; Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 128; ders., JZ 1975, S. 297 f.; Ott, Kunst und Staat, S. 115; ders., NJW 1981, S. 2398; ähnlich auch Maunz, BayVBl. 1970, S. 355, der neben formalen Aspekten auf den Anspruch „Kunst sein zu wollen“ abstellt. Im Gegensatz zu diesen rein subjektiven Selbstdefinitionen stellen andere Stimmen in der Literatur auf den objektivierten künstlerischen Gestaltungswillen ab, gestehen 20

A. Schutzbereich

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Vorschlags ist schließlich ein Definitionsverbot an den Staat als Grundrechtsadressaten.25 Eine Definition des Betroffenen selbst bedeutete jedoch, dem Recht jegliche normative Wirkung abzusprechen.26 Ein Chaos subjektiver Grundrechtinterpretationen wäre die ein geordnetes Zusammenleben verhindernde Folge.27 Dem erweiterten Kunstbegriff Joseph Beuys’ nach könnte bspw. jeder Mensch als Künstler angesehen werden, da menschliches Tun generell Gestaltung sei.28 Die KunstStrömung des Fluxus erklärt einen fließenden Übergang bzw. gar eine Einheit von Kunst und Leben: „Das Leben ist ein Kunstwerk, und das Kunstwerk ist Leben.“29 So könnte wirklich jegliches menschliche Verhalten durch den Handelnden eigenständig als „Kunst“ festgelegt und so unter den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gebracht werden. Damit würde der Unterschied zur Allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG komplett nivelliert. Deshalb wird das reine Abstellen auf die Selbstdefinition des Künstlers heutzutage gemeinhin abgelehnt.30 Das bedeutet nun jedoch nicht, dass dem Selbstverständnis des Künstlers keinerlei Bedeutung beizumessen ist. Zwar kann es nicht allein und verbindlich ausschlaggebend sein, ihm kommt jedoch durchaus indizielle Bedeutung zu.31 Zudem kann es eine wichtige Auslegungshilfe darstellen.32 In der Praxis kommt so dem Selbstverständnis des Künstlers vor allem bei avantgardistischer Kunst, Happenings und Performances durchaus eine große Rolle zu, wird sich doch ein Gericht in diesen Fällen oft nur dann mit der Kunstfreiheit beschäftigen, wenn der Beklagte sich auch auf diese berufen hat.33

dem Richter also eine Art Verifizierung des künstlerischen Selbstverständnisses zu: Ropertz, Freiheit der Kunst, S. 101, 103 und Dünnwald, JR 1965, S. 48 gerade unter Absage einer rein subjektiven Selbstdefinition; Stein, JZ 1959, S. 723; ferner Böckenförde/Greiffenhagen, JuS 1966, S. 362; Meyer-Cording, JZ 1976, S. 740 in dreifacher Tautologie (vgl. Erhardt, Satire, S. 72): „Kunst ist, was die Künstler(!) tun, wenn sie ihren künstlerischen(!) Gestaltungswillen in der Formensprache der Kunst(!) äußern wollen.“ 25 Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte, S. 17. 26 Henschel, in: Festschrift für Rudolf Wassermann, S. 353; Erhardt, Satire, S. 78. 27 Bethge, ZUM 1989, S. 494. 28 Vgl. Beuys, Jeder Mensch ein Künstler. Im juristischen Kontext dazu: v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 10; Ullrich, Was war Kunst, S. 209 ff. 29 Emmett Williams, zitiert nach Pahlke/Spankus/Schwichtenberg, Hommage an Emmet Williams, S. 20. Ähnlich: Vostell, Leben = Kunst = Leben, S. 12: „Kunst [ist] Leben und Leben Kunst.“ 30 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 26; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 184; BVerwG, NJW 1966, S. 2374 (S. 2377); OVG Münster, NJW 1997, S. 1180. 31 OVG Münster, JZ 1959, S. 716 (S. 719); Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 91; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 184; Erhardt, Satire, S. 78; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 119; Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 629 f. 32 Erhardt, Satire, S. 78. 33 Vgl. dazu ausführlicher im Rahmen des „Pressure to Perform“-Fall, unten S. 198 ff.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

cc) Definition durch Dritte? Eine andere Möglichkeit, die scheinbar einen Ausweg aus dem definitorischen Dilemma bieten kann, findet sich unter dem Stichwort der „Drittanerkennung“: Wenn „das zu beurteilende Werk dem kompetenten Dritten als Ergebnis einer Bemühung erscheint, die sich als künstlerisch bezeichnen läßt“, so handelt es sich um Kunst i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.34 Auch die Rechtsprechung hat früher in zweifelhaften Fällen Gutachten Dritter zur Beantwortung der Kunstfrage gefordert.35 Es handelt sich dabei gewissermaßen um ein „Anerkenntnis durch Anerkannte“36. Dabei ist jedoch fraglich, wer dieser ominöse anerkannte Dritte sein soll und woher er seine Anerkennung und Kompetenz zur Beurteilung der leidlichen Frage nehmen kann. So wird teilweise nur „der Fachmann, der Kunstkenner, der über jenes Sachwissen und Stilgefühl verfügt, um Verbindliches über die Natur künstlerischen Schaffens auszusagen“37 als befugt angesehen. Jedoch hat jeder „Fachmann“ eigene Maßstäbe und Qualifizierungsprinzipien und greift auf einen ganz eigenen Kanon an Erfahrungen und Präferenzen zurück.38 Der eine Fachmann wird konservativer, der andere avantgardistischer eingestellt sein. So wären von Fall zu Fall komplett divergierende Einordnungen von Lebenssachverhalten als Kunst oder nicht als Kunst die Folge. Dies brächte nicht nur ein großes Maß an Rechtsunsicherheit, sondern auch eine untragbare Willkür mit sich. Außerdem führte es der eigentlichen Frage keine Lösung zu. Es fände lediglich eine Verlagerung der Entscheidung vom Gericht auf einen Sachverständigen statt, der immer noch dieselbe Frage „Was bedeutet Kunst i. S. d. Rechts?“ zu beantworten hätte. Insgesamt erstarkte der private Sachverständige vom bloßen „Gehilfen des Gerichts“39 zur allein und letztverbindlich entscheidenden Instanz, was eine unzulässige Verschiebung der richterlichen Entscheidungsverantwortung auf Dritte bedeutete.40 Das Gericht muss nämlich auch bei Hinzuziehung eines Sachverständigen stets noch eine eigenständige Entscheidung erarbeiten, durchdenken und begründen; der Sachverständige stellt dabei lediglich eines der Beweismittel dar, die allesamt der freien Beweiswürdigung durch das Gericht, § 261 StPO, unterliegen.41 Ebenso wie das vorgenannte Selbstverständnis des Künstlers kann so das Urteil eines Dritten nicht allein und verbindlich ausschlaggebend sein. Abermals kann es 34

Schick, JZ 1970, S. 646. OLG Hamburg, NJW 1964, S. 559 f.; BVerwG, NJW 1967, S. 1483 (S. 1485). 36 Heuer, Besteuerung der Kunst, S. 12. 37 Würtenberger, in: Festschrift für Eduard Dreher, S. 88. 38 Oettinger, JZ 1974, S. 286. 39 So eine gängige Formulierung in der Rechtsprechung, vgl. BGHSt 3, 27 (28); 7, 238 (239); 9, 292 (293); 39, 291 (297); Ott, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 261, Rn. 31; Detter, NStZ 1998, S. 57. 40 Erhardt, Satire, S. 79 f. 41 Ott, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 261, Rn. 31; Trück, in: MüKo, StPO, § 72, Rn. 2; BGHSt 8, 113 (118); 12, 311 (314). 35

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jedoch als Entscheidungshilfe dienen.42 Als kumulativer Aspekt kann ihm so durchaus indizielle Bedeutung zukommen.43 Vor Gericht kann ein Kunstexperte natürlich als Sachverständiger vom Gericht hinzugezogen werden. Dieses muss hernach jedoch gleichwohl eine eigenständige Entscheidung in der Sache treffen.44 dd) Gebot einer staatlichen Definition Somit ist ein Definitionsverbot weder allgemein noch in Form einer Selbst- oder Drittdefinition statthaft. Während Philosophen oder Künstler auf eine Definition gänzlich zu verzichten vermögen, ist Juristen ein solches Ausweichen verwehrt, wollen sie das Recht richtig anwenden.45 Auch darf sich in zweifelhaften Fällen nicht einfach mit einem „in dubio pro arte“46 aus der Affäre gezogen werden.47 Nur, wenn beschreib- und konturierbar ist, was unter den Schutzgegenstand der Kunstfreiheit fällt, kann dieses Verhalten auch rechtlich geschützt werden:48 „Was der Staat nicht definieren kann, das kann er auch nicht schützen.“49 Die staatliche Pflicht zur Justizgewähr kann nur erfüllt werden, wenn den Gerichten eine taugliche Definition zur Abgrenzung zur Verfügung steht.50 Deshalb folgt aus dem in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbrieften verfassungsrechtlichen Auftrag, die Freiheit der Kunst zu schützen, zugleich auch der Auftrag, zu bestimmen, was Kunst im rechtlichen Sinne ist.51 Es ist so von einem an den Staat gerichteten Definitionsgebot auszugehen.52 Damit ist als Zwischenergebnis jedoch nur gesagt, dass Kunst definiert werden muss, noch nicht, wie dies genau zu geschehen hat.

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Erhardt, Satire, S. 80. Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 92; vgl. Bethge, Sachs, GG, Art. 5, Rn. 184; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 427; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 119. 44 Vgl. für das Strafprozessrecht nur BGHSt 8, 113 (118); 12, 311 (314); Ott, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 261, Rn. 31; Trück, in: MüKo, StPO, § 72, Rn. 2; Detter, NStZ 1998, S. 57. 45 Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 2; ders., DVBl 1969, S. 864. 46 So jedoch z. B. Arndt, Hessische Hochschulwoche, 59. Band, S. 152 und Stein, JZ 1959, S. 723. 47 Vgl. Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 190; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 27. 48 Badura, Staatsrecht, C, Rn. 79; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 89. 49 Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte, S. 35; Arndt, NJW 1966, S. 28; Kirchhof, NJW 1985, S. 227. 50 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 7. 51 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 25; vgl. Arndt, NJW 1966, S. 28. 52 BVerfGE 67, 213 (225) (Anachronistischer Zug); 75, 369 (377) (Kopulierendes Schwein); Erbel, DVBl 1969, S. 866; ders., Kunstfreiheit, S. 1 f.; v. Hartlieb, ZUM 1986, S. 37; Bethge, ZUM 1989, S. 494; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 25; Heuer, Besteuerung der Kunst, S. 11. 43

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c) Einzelne Definitionsvorschläge Im Folgenden werden deshalb die wichtigsten53 Definitionsvorschläge überblicksartig dargelegt und nach dem jeweilig zugrundeliegenden Anknüpfungspunkt gruppiert und systematisch geordnet.54 aa) Anknüpfungspunkt Ästhetik Vor allem ältere philosophische Versuche, Kunst zu definieren, greifen den Gedanken der Ästhetik auf. In seinen „Vorlesungen über die Ästhetik“ grenzt Hegel von der „Naturschönheit“ die „Kunstschönheit“ als „die aus dem Geiste geborene und wiedergeborene Schönheit“55 ab. Weiter führt er aus, es werde „das Sinnliche in der Kunst vergeistigt“.56 Schiller forderte, ein Künstler müsse idealisieren und veredeln.57 Bei Kant finden sich Ausführungen von der ästhetischen, schönen Kunst58, sowie das Postulat, das Schöne gefalle ohne alles Interesse59. An all diese Formulierungen erinnert die Definition des Reichsgerichts, dass ein Kunstwerk seinen Gegenstand dergestalt durchgeistigen, veredeln oder verklären müsse, „daß für das natürliche ästhetische Gefühl die sinnliche Empfindung durch die interessenlose Freude am Schönen zurückgedrängt wird“.60 Was nun aber „schön“ oder „ästhetisch“ ist, hängt aufgrund der Vielfalt der Geschmäcker und unterschiedlichsten Schönheitsideale stark vom individuell Befragten ab und ist so zu einer rechtlichen Abgrenzung ungeeignet.61 Weitergehend hat 53 Eine umfassende Darstellung würde den Rahmen der Arbeit sprengen, diesbzgl. sei insb. auf Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 3 ff. verwiesen. Vgl. zu umfassenden Darstellungen des Weiteren Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 141 ff.; sowie Ropertz, Freiheit der Kunst, S. 25 ff. 54 Siehe zum Gedanken einer Systematisierung nach Anknüpfungspunkten insb.: Heinz, in: Mühleisen, Grenzen politischer Kunst, S. 51. 55 Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, S. 50. 56 Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, S. 82. 57 Schiller, Erzählungen – Theoretische Schriften, S. 979. 58 Kant, Kritik der Urteilskraft, § 44, S. 239 f. Er grenzt diese ästhetische Kunst von der mechanischen Kunst des praktischen Könnens ab, für die er beispielhaft einen Uhrmacher anführt, Kant, Kritik der Urteilskraft, § 43, S. 237 f. 59 Kant, Kritik der Urteilskraft, § 59, S. 298. 60 RGSt 24, 365 (367); 56, 175 (176) jedoch ohne jegliche Nennung der vorgenannten Philosophen; vgl. auch RGSt 30, 378 (379); 37, 315 (316); vgl. dazu auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 148 f. Dem RG allgemein zustimmend: Würtenberger, in: Festschrift für Eduard Dreher, S. 91; Leiss, NJW 1962, S. 2325 f. Teilweise werden die Wesensmerkmale der Kunst in der „Phantasie und im Ästhetischen“ gesehen, v. Hartlieb, Die Freiheit der Kunst und das Sittengesetz, S. 24. Andere sahen noch in den 90ern Kunst als Ausdruck einer „sinnlichästhetischen Kommunikation“, Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 37; zustimmend Gounalakis, NJW 1995, S. 812. 61 Vgl. Erhardt, Kunstfreiheit, S. 64. Deshalb wird sie heutzutage zumindest isoliert auch nicht mehr vertreten, vgl. Geiger, in: Festschrift für Leibholz, S. 188.

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die Kunst in ihrer modernen Funktion auch überhaupt nicht mehr zwingend das Ideal der Schönheit. Sie will nicht mehr bloß gefallen und unterhalten. Oft will sie vielmehr eine Botschaft übermitteln, Sozialkritik üben, verstören und aufrütteln; nicht erst seit der Emanzipation der Dissonanz hat sich damit ein rein ästhetischer Maßstab überlebt.62 Viele der allgemein längst anerkannten, aus heutiger Sicht gar schon historischen Kunstströmungen wie Expressionismus, Surrealismus, Kubismus, Dadaismus und Futurismus wären von einem klassisch „das Schöne“ betonenden Kunstbegriff wohl nicht umfasst.63 Vertreter dieser Strömungen lehnen gerade die reine Ästhetisierung der Wirklichkeit ab, wollen diese vielmehr diametral überwinden und spielen thematisch und gestalterisch gerne mit dem Unerwarteten, der Deformation, dem Unästhetischen. Außerdem birgt das Abstellen auf die Ästhetik die historisch nur allzu schmerzlich bekannte Gefahr des ideologischen Missbrauchs eines idealistischen Begriffes.64 So erklärte Joseph Goebbels als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda bei der Eröffnung des Reichskultursenates am 15. 11. 1935: „Die Freiheit des künstlerischen Schaffens muß sich in den Grenzen halten, die ihr durch die politische Idee und nicht durch eine künstlerische Idee gesetzt sind.“65

Diese politische Idee des Nationalsozialismus propagierte als Teil des Blut-undBoden-Kultes die Zielvorgabe einer „völkischen Kunst“, die auf dem Ideal einer „edlen, schönen und wahren Kunst“ und so zumindest per definitionem auf Gesichtspunkten der Ästhetik basierte, wenn sie „das deutsche Volk stets zum Gesunden, Klaren, Wahren, zum Schönen und Erhabenen […] führen“66 sollte.67 Unangenehme Erinnerungen an eine solche „völkische Kunst“ werden indes geweckt, wenn in jüngster Vergangenheit das Wahlprogramm des AfD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt forderte: „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt sollen neben den großen

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v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 10. Erhardt, Kunstfreiheit, S. 64. Der Dadaismus erfährt musikalisch in den letzten Jahren eine recht populäre neue Interpretation, man vgl. nur die Tracks „Opernsänger“ und „Skrrt Skrrt“ des Wiener Rappers Yung Hurn sowie die Tracks „Wer bist du?“ und „Mir geht’s Gut!“ seines Alter Egos K. Ronaldo. Die ausgedehnte und mittlerweile gegenüber den Lyrics weitgehend emanzipierte Nutzung von Adlibs insb. im modernen Trap- und Cloud-Rap wecken durchaus Erinnerungen an die Lautgedichte des Dadaismus: „The ting goes skrrrahh! Pap-papka-ka-ka. Skibiki-pap-pap! And a pu-pu-pudrrrr-boom. Skya! Du-du-ku-ku-dun-dun. Poom, poom!“ lauten z. B. die Lyrics des 2017 viral gegangenen Songs „Man’s Not Hot!“ des britischen Comedian Michael Dapaah in seiner Kunstfigur des Big Shaq. 64 Vgl. Erhardt, Kunstfreiheit, S. 62. 65 Zitiert nach: Haftmann, Skizzenbuch – zur Kultur der Gegenwart, S. 66; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 12 f.; Erhardt, Kunstfreiheit, S. 62. 66 Himstedt, das Programm der NSDAP wird erfüllt, S. 74. 67 Glaser, das Dritte Reich, S. 107, vgl. auch S. 85 ff.; Erhardt, Kunstfreiheit, S. 62. 63

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“68

Eine von der Politik oktroyierte Pflicht, dass Kulturstätten „deutsche Stücke“ in identitätsstiftender Weise zu inszenieren haben, ist genauso abzulehnen wie ein rein ästhetischer Kunstbegriff. bb) Anknüpfungspunkt Ethik „Wie kann man noch etwas als Kunstwerk schützen, das mit den Kennzeichnungen: anrüchig, widerwärtig, anstößig, verderbt, übler Schmarren, ekelhaft, lächerlich, unfaßlich, jenseits der Grenze, belegt ist?“69

So fragte Krauss anlässlich von Willi Forsts Spielfilm „Die Sünderin“, der ob der Thematisierung von Prostitution, Vergewaltigung und Suizid die Bundesrepublik der 50er Jahre zu schockieren wusste.70 Das damit ausgedrückte Kunst-Verständnis zieht die Grenzen „wahrer Kunst“ inhaltlich durch ethische Standards.71 Dahinter schimmert das Bild eines überkommenen Kunstverständnisses auf, das sämtlichen Werken mit unsittlichen, unmoralischen, anstößigen, jugendgefährdenden, kriminellen oder ähnlichen Zügen die Eigenschaft als Kunstwerk abspricht.72 Diese Sichtweise kulminierte in den lange Zeit vertretenen Exklusivitätsthesen: Kunst und Pornographie, Kunst und Religionsbeschimpfung, Kunst und Gewaltverherrlichung etc. schlössen sich jeweils gegenseitig aus.73 Gerade wenn ein Kunstwerk gegen ethische Auffassungen in der Gesellschaft verstößt, kann sich daraus durchaus auch eine Störung des in der vorliegenden Arbeit 68 Landesverband der AfD Sachsen-Anhalt, Wahlprogramm zu Landtagswahl am 13. 03. 2016, Sektion 2.8.2. 69 Krauss, FamRZ 1959, S. 488. Krauss sieht den Staat in der Pflicht zum Schutze einer „geistig-sittlichen Ordnung“, S. 486, also einer Art Ethik-Kontrolle. 70 Vgl. dazu Steinbacher, Wie der Sex nach Deutschland kam, S. 106. 71 So explizit Klein, Verletzung der Persönlichkeit durch Karikaturen, S. 2 unter Heranziehung des kategorischen Imperativs Immanuel Kants. Von einem „hohen ethischen Kunstbegriff unserer abendländischen Kultur“ spricht ausdrücklich: Riedel, NJW 1954, S. 1261. Ähnlich auch Dünnwalds Kunstbegriff in JR 1965, S. 50 sowie GA 1967, S. 40, der als Ausdruck einer ethischen Grundüberzeugung zu beobachten ist, wenn Dünnwald zur Anerkennung als Kunstwerk die Prüfung der sozialen Adäquanz eines Werkes anhand sittlicher Maßstäbe fordert, vgl. Beisel, Kunst, S. 59. Laut Leiss, NJW 1962, S. 2326 gehöre es zu jeder künstlerischen Gestaltung, etwas vom Scheine des christlichen Glaubens sicht- und spürbar werden zu lassen. 72 So Erhardt, Kunstfreiheit, S. 60; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 113 f. 73 So im Prinzip schon RGSt 37, 315, wenn es ausführt, dass „ein ,Kunstwerk‘ in des Wortes höchster Bedeutung […] freilich nicht unzüchtig sein“ wird. Angedeutet, aber nie explizit vertreten von BVerfGE 30, 336 (350). Auch Dünnwald, GA 1967, S. 39: „… immer erforderliche Entscheidung zwischen Kunst und Pornographie“ sowie „Ein verfassungsfeindliches Werk ist nicht Kunst.“; Würtenberger, in: Festschrift für Eduard Dreher, S. 91 ff. „… bedeutsame Unterscheidung zwischen Kunst und Pornographie“. Zum Verhältnis von Kunst und Religionsbeschimpfung sowie Kunst und Gewaltdarstellung vgl. unten S. 171 ff. und S. 210 ff. ausführlich.

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noch ausführlich zu thematisierenden öffentlichen Friedens ergeben. Ein ethischer Kunstbegriff vereinfachte dabei den Umgang mit den Straftatbeständen zum Schutz des öffentlichen Friedens enorm: Erfüllte ein Werk rein strafrechtlich subsumiert den Tatbestand eines dieser Delikte, wäre es einfach nicht als Kunst anzusehen. Es unterfiele damit nicht dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG; die Frage nach einer Auswirkung der Grundrechte im Strafrecht stellte sich gar nicht. Kunst würde damit aber letztlich negativ definiert als all das, was nicht verboten ist. Damit werden Erinnerungen an den berühmten Ausspruch des letzten Deutschen Kaisers, Friedrich Wilhelm II., geweckt: „Eine Kunst, die sich über die von Mir bezeichneten Gesetze und Schranken hinwegsetzt, ist keine Kunst mehr.“74

Verfassungsrechtlich betrachtet entspräche ein so verstandener Kunstbegriff entweder einem einfachen Gesetzesvorbehalt oder der Anwendung der Schranke des Sittengesetzes aus Art. 2 Abs. 1 GG auf die Kunstfreiheit. Damit würden faktisch die Schranken der Kunstfreiheit in die Frage des Kunstbegriffes aufgenommen.75 Ganz gleich, wie man nun zu der umstrittenen Schrankenfrage bei Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG steht,76 ist eine Vorgehensweise, die die Rechtfertigung mit dem Schutzbereich vermengt, als dogmatisch falsch abzulehnen. Ethische Wertungen als negative Schutzbereichsmerkmale zu nutzen, bringt außerdem genau wie der vorgenannte ästhetische Anknüpfungspunkt die Gefahr mit sich, dass die Unbestimmtheit derartiger Begriffe mit subjektiven oder gar ideologischen Wertungen ausgefüllt wird und die Kunstfreiheit so willkürlich begrenzt werden kann.77 Konsequenterweise haben so der BGH78 und daran anknüpfend das BVerfG79 den Exklusivitätsthesen und damit einem ethischen Kunstbegriff eine Absage erteilt und proklamiert, dass sich weder Kunst und Gewaltdarstellung, noch Kunst und Religionsbeschimpfung, noch Kunst und Pornographie ausschließen.80 Zu diesem Ergebnis hätte man bezüglich letzteren Verhältnisses auch anhand klassischer Beispiele expliziter Kunst wie dem Gemälde „L’Origine du monde“

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Wilhelm II., in: Johann, Reden des Kaisers, S. 102. Erhardt, Kunstfreiheit, S. 60. 76 Vgl. dazu unten S. 65 ff. 77 Vgl. dazu auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 114; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 187. 78 BGHSt 37, 55 (57 ff.) (Opus Pistorum). 79 BVerfGE 83, 130 (138 f.) (Josefine Mutzenbacher). Der Roman wurde erst jetzt im November 2017 von der Liste der indizierten Medien gestrichen, vgl. JMS-Report, Newsletter November 2017. 80 Die Literatur stimmt dem heutzutage allgemein zu: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 119; Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 102; vgl. auch Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 44. Siehe unten S. 171 ff. bzgl. Kunst und Religionsbeschimpfung sowie unten S. 210 ff. bzgl. Kunst und Gewaltdarstellung. 75

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

(1866) von Gustave Courbet, den Werken Balthus’81 oder den Akten Egon Schieles82 kommen können. Als Beispiele, bei denen Pornographie und Kunst tatsächlich verschmelzen, seien nur Andy Warhols’ expliziter Film „Blue Movie“ (1969) und die Serie „nudes“83 von Thomas Ruff genannt, in der Screenshots von Internet-Pornographie zur kunstvollen Photographie modifiziert werden. Beispiele aus dem Bereich von Kunst und Gewaltdarstellung, sowie aus dem Bereich von Kunst und Religionsbeschimpfung finden sich unten im dritten Teil.84 cc) Anknüpfungspunkt Qualität Versuche, allein Kunst von einer gewissen Qualität vom Kunstbegriff zu erfassen, finden sich vor allem in der älteren Rechtsprechung.85 So wurde vom BVerwG einst ein „bestimmtes Maß an künstlerischem Niveau“ gefordert.86 Konkreter erdreistete sich das OLG Bamberg in einem Musterfall von Kunstrichtertum einem Theaterstück den Kunststatus abzusprechen, weil es „ganz und gar nicht kunstvoll“ sei, die Gedichte „hölzern, holprig und verkrampft“ wirkten sowie das „Versmaß […] nicht eingehalten“ werde.87

81 Siehe seine berühmtesten Werke wie „Alice dans le miroir“ (1933) und „La lec¸ on de guitare“ (1934), die zudem aufgrund des ersichtlich jungen Alters der halbnackt dargestellten Mädchen polarisieren. Vgl. außerdem zu den umstrittenen Polaroids, die Balthus im hohen Alter von seinem minderjährigen Modell Anna halbnackt in lasziven Posen anfertigte und deren Ausstellung und Versteigerung der Kunst eine Pädophiliedebatte brachte: Rauterberg, Die Bilder des Begehrens. Aktuell zu Debatten, Balthus’ Gemälde „Thérèse rêvant“ (1938) aus dem Metropolitan Museum of Art, NY, zu entfernen: Bellafante, We Need to Talk About Balthus. 82 Als die Stadt Wien anlässlich der für 2018 geplanten Feier des 100. Todesjahres von Schiele mit dessen Aktgemälden auf Plakaten in Deutschland warb, wurden diese Plakate hierzulande ernsthaft zensiert, vgl. Krüger, Wie verklemmt die Deutschen plötzlich sind. 83 Siehe Ruff, Fotografien 1979 – heute, S. 236, 11 ff.; Ruff, Works 1979 – 2011, S. 142 ff. Siehe dazu, dass das „Künstlerische in der bewussten Auswahl des Realitätsausschnitts und der Gestaltung mit fotografischen Mitteln“ liegen kann aktuell BVerfG, NJW 2018, S. 1744. 84 Siehe unten S. 171 ff. bzgl. Kunst und Religionsbeschimpfung sowie unten S. 210 ff. bzgl. Kunst und Gewaltdarstellung. 85 So bereits in BVerwGE 23, 104 (108) (Kunst vor Jugendschutz), vgl. auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 134 f. Ferner auch OVG Münster, NJW 1959, S. 1890 (1893), wenn es die Auffassung, es komme nicht auf den „künstlerischen Rang [des] Schaffensprozesses“ an, ablehnt. 86 BVerwGE 39, 197 (207) (Stern) bzgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS; kritisch: Scholz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 39; ausdrücklich aufgegeben in BVerwGE 77, 75 (82) (Der stählerne Traum). 87 OLG Bamberg, DuR 1975, S. 433 (S. 436). Der BGH als Revisionsgericht schalt diese „wertende Einengung des Kunstbegriffs“ durch die genannten Begriffe der Qualität ausdrücklich in NJW 1975, S. 1882 (S. 1883).

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In der Literatur finden sich Definitionen, nach denen ein Kunstwerk ein „Mindestmaß an gestalterischer Qualität“ aufweisen muss.88 Teilweise wird die Unverzichtbarkeit eines Qualitätsmaßstabs betont.89 Andere Definitionen fordern eine „zur Meisterschaft entwickelte Fähigkeit“ des Künstlers, da „Kunst“ vom Wortstamm „können“ abzuleiten sei.90 Dabei wird bewusst oder unbewusst der alte NS-Kalauer „Kunst kommt von können“ wiederholt.91 Auch die Ausklammerung „minderwertige[r] Werke“92 aus dem Kunstbegriff knüpft an qualitative Kriterien an. Am deutlichsten wird dies bei der Forderung einer unteren Grenze der Kunstfreiheit, wenn einem „durch Dilettantismus und Stümperhaftigkeit gekennzeichneten bloßen ,Machwerk‘ die rechtlich allein bedeutsame Kunstwerkeigenschaft“ versagt wird.93 All diese Versuche, die Anerkennung eines Werkes als Kunst von einer staatlichen Stil-, oder Niveaukontrolle abhängig zu machen, sind mit dem BVerfG abzulehnen; die entsprechenden Gesichtspunkte können höchstens auf der Ebene der Rechtfertigung im Rahmen der Abwägung eine Rolle spielen.94 Eine staatliche Niveaukontrolle im Sinne eines Kunstrichtertums ist unbedingt zu vermeiden.95 Ein solches widerspricht nicht nur der Eigengesetzlichkeit der Kunst.96 Im historischen Kontext sprechen vor allem auch die Erfahrungen einer staatlich gelenkten „Kunst“ zur Zeit des Nationalsozialismus gegen jegliche staatliche Qualitätsurteile, vielmehr ist der Staat zu Neutralität und Toleranz verpflichtet.97

88 v. Hartlieb, Die Freiheit der Kunst und das Sittengesetz, S. 24. Für eine Einengung des Kunstbegriffes „in einem wertenden Sinne“ auch schon ders., UFITA 28 (1959/II), S. 46, 49. 89 Heuer, Besteuerung der Kunst, S. 31 f. 90 Dünnwald, JR 1965, S. 48; auch OLG Bamberg, DuR 1975, S. 433 (S. 436). Wohl in Anlehnung an das berühmte Zitat „Kunst kommt von […] Können“ von Johann Gottfried von Herder, Kalligone, Zweiter Teil, Kapitel 1 „Natur und Kunst“, S. 151. 91 Glaser, das Dritte Reich, S. 108. 92 Krauss, FamRZ 1960, S. 57. 93 Würtenberger, NJW 1982, S. 615. Explizit kritisch gegenüber dem Zitierten: Zechlin, NJW 1984, S. 1092. Auch findet sich der despektierliche Ausdruck eines „Machwerkes“ im Zusammenhang mit der Forderung nach Qualität in der Kunst bei Sendler, der die richterliche Behandlung eines bloßen „Mach- als Kunstwerk“ angesichts dessen „Primitivität und Niveaulosigkeit“ kritisiert, NJW 1993, S. 2158. 94 BVerfGE 83, 130 (139) (Josefine Mutzenbacher) unter Verweis auf BVerfGE 75, 369 (377) (Kopulierendes Schwein) und BVerfGE 81, 278 (291) (Bundesflagge). 95 Vgl. Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 170 ff.; Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 90. 96 Otto, NJW 1986, S. 1209; Oppermann, Satire S. 148. 97 BGH, NJW 1975, S. 1882 (S. 1884); v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 8; Otto, NJW 1986, S. 1209; Oppermann, Satire S. 148.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

dd) Anknüpfungspunkt Form Wenn schon Kunstwerke zumeist anhand ihrer äußeren Form klassifiziert und kategorisiert werden,98 liegt es nahe, dies auch zum Anknüpfungspunkt einer verfassungsrechtlichen Definition zu machen. Die relevante Form wird dabei teilweise sehr eng im Sinne „technisch bestimmbarer Gebiete“99 oder „traditionell anerkannter künstlerischer Formen“100 begrenzt. Teilweise wird sie jedoch äußerst weit gesehen, nämlich als jegliche Formung des wie auch immer gearteten Stoffes, gleich „wie eigenwillig und frei sie gewählt sei“101. Selbst Knies – der schließlich wie angeführt lediglich ein qualitatives Definitionsverbot vertritt –102 will letztlich technisch-wertfrei an „das äußere Erscheinungsbild des Werkes“ anknüpfen.103 Müller entwickelt seinen formalen Kunstbegriff anhand einer sog. Gattungstypik.104 Auch das BVerfG rekurriert unter Verweis auf Müller und Knies teilweise auf formale Aspekte, wenn es ausführt: „Sieht man das Wesentliche eines Kunstwerkes darin, daß bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt sind, legt man also einen eher formalen Kunstbegriff zugrunde, der nur an die Tätigkeit und die Ergebnisse etwa des Malens, Bildhauens, Dichtens anknüpft […], so kann dem ,Anachronistischen Zug‘ die Kunstwerkeigenschaft ebenfalls nicht abgesprochen werden. Das seiner Aufführung zugrunde liegende Gedicht ist ebenso eine der klassischen Formen künstlerischer Äußerung wie die Darbietung in Form des Theaters, die von Schauspielern (mit Masken und Requisiten) aufgrund einer konkreten Regie in Szene gesetzt wurde.“105

Positiv an einem formalen Kunstbegriff ist seine Griffigkeit, durch die seine Handhabung vor allem bei Standardfällen in der Rechtspraxis leichtfällt.106 Außerdem ist ein solcher Begriff grundsätzlich ideologiefrei107, weil gerade nicht auf den Inhalt der Kunst abgestellt werden kann. 98 So bspw. bildende Kunst, darstellende Kunst oder Literatur > Lyrik, Dramatik oder Epik > Kurzgeschichte, Novelle oder Roman > Kriminal-, Gesellschafts- oder Bildungsroman. 99 Maunz, BayVBl. 1970, S. 355. 100 Leisner, UFITA 37 (1962/II), S. 150 f. 101 Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 191. Jedoch zuzüglich Betonung einer schöpferischen Gestaltung. 102 Siehe oben S. 36. 103 Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 220. Siehe diesbzgl. Kritik bei Bär, Filmfreiheit, S. 118 f., der eine versteckte Anknüpfung an Qualitätsmaßstäbe bei Knies sieht, wenn dieser als künstlerische Phänotypen Malen, Roman schreiben und Herstellen von Spielfilmen aufzählt. 104 Müller, Freiheit der Kunst, S. 40 f. 105 BVerfGE 67, 213 (226 f.) (Anachronistischer Zug). Der I. Senat des BVerwG schien bereits in BVerwGE 1, 303 (305) (Die Sünderin) ebenfalls einen rein formalen, wertungsfreien Kunstbegriff zu vertreten, diesem Verständnis widerspricht der Senat jedoch selbst wieder in BVerwGE 23, 104 (106) (Kunst vor Jugendschutz) auf Anfrage des V. Senats. 106 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 19. 107 So auch Henschel, NJW 1990, S. 1939.

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Gefährlich wäre jedoch die pauschale Verneinung der Kunstwerkeigenschaft, nur weil das fragliche Werk keiner hergebrachten Gattung entspricht. In diesem Falle verkäme der formale Kunstbegriff zu einer „Prämie auf das Gestrige“108. Er würde nur das Arrivierte, die museale Kunst schützen und nicht die meist wesentlich schutzbedürftigere Avantgarde, die aufgrund ihrer Neuheit und Ungewöhnlichkeit das eigentliche Konfliktpotential mit den Vorstellungen der Öffentlichkeit birgt;109 gerade auch im hier relevanten Kontext der Straftatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens. Die reale Kunstentwicklung zeigt, dass die Kunst weniger denn je auf altbewährte, bestimmte und klar abgrenzbare Formen festgelegt ist.110 Vielmehr strebt die Avantgarde gerade danach, stets die Grenzen der Kunst auszuweiten.111 Dies geschieht oft gerade dadurch, dass althergebrachte Formen gesprengt werden. Ein formaler Kunstbegriff auf sich allein gestellt wird sich deshalb schwertun, diese spezifische Dynamik der Kunst einzufangen.112 ee) Anknüpfungspunkt Schöpfung Das BVerfG führte in der Mephisto-Entscheidung anlässlich Klaus Manns gleichnamigen Romans wie folgt aus: „Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewußten und unbewußten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.“113

Damit legt es hauptsächlich einen materialen Kunstbegriff114 zugrunde, bei dem die freie schöpferische Gestaltung im Mittelpunkt steht. Auch in der Literatur finden 108

Knemeyer/Greiffenhagen, Der Staat 8 (1969), S. 249. Sievers, Freiheit der Kunst durch Eigentum, S. 140; Henschel, NJW 1990, S. 1939. 110 Erhardt, Kunstfreiheit, S. 59. Man denke nur an die Performance-Kunst, bei der die Grenzen zwischen Künstler und Kunstwerk zerfließen, wie z. B. bei Marina Abramovic´, die im New Yorker Museum of Modern Art unter dem Titel „The Artist Is Present“ über einen Zeitraum von 75 Tagen für insgesamt 721 Stunden regungslos auf einem Stuhl im Atrium saß, vgl. Der Spiegel 23/2010, S. 120 f. Oder man denke an das in der Einleitung thematisierte erste Happening, als Al Hansen 1946 mitten in der Nacht ein Piano aus einem vierstöckigen zerbombten Gebäude stieß, was später oft wiederholt und als „Yoko Ono Piano Drop“ betitelt wurde. 111 BVerfGE 67, 213 (225) (Anachronistischer Zug). 112 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 19; vgl. auch Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 425; Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 35. 113 BVerfGE 30, 173 (188 f.) (Mephisto). 114 So benannt bei: Zöbeley, NJW 1985, S. 255; Karpen/Hofer, JZ 1992, S. 952; Fischer, Kunst, S. 24 ff.; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 158. 109

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sich viele Definitionen, die auf das Schöpferische rekurrieren.115 Positiv ist an dieser Anknüpfung, dass durch die Flexibilität einer so umschreibenden Rahmenbestimmung eine kunstgerechte Beurteilung gerade in Grenzfällen ermöglicht wird.116 Teilweise wird allerdings auch Kritik an der Formel des BVerfG erhoben: Angesichts ihrer vielen Elemente sei sie zu eng.117 Außerdem scheine hinter ihr zu sehr das idealistische Kunstverständnis der Ästhetik des frühen 19. Jahrhunderts hervor, sodass sie nicht den Anforderungen an den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff als neutralen Wertbegriff genüge.118 Zu dieser Einschätzung kann man jedoch nur kommen, wenn man die schöpferische Gestaltung sehr eng versteht. Jedoch wird sich diese je nach Art des Kunstwerkes sehr unterschiedlich ausformen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Künstler sich im Rahmen tradierter Gestaltungsgesetze hält oder komplett neue schafft.119 ff) Anknüpfungspunkt Interpretierbarkeit Die Idee, an die Interpretierbarkeit eines Kunstwerkes anzuknüpfen, geht auf die „zeichentheoretische Betrachtungsweise“120 von Noordens zurück: „Kennzeichnendes Merkmal der künstlerischen Darstellung ist demnach die Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts, die es ermöglicht, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutung zu entnehmen, so daß sich eine praktisch unerschöpfliche vielstufige Informationsvermittlung ergibt, die letztlich darauf beruht, daß die die Darstellung komponierenden Zeichen insgesamt über ihre alltägliche Aussagefunktion hinauswirken.“121

Dementgegen vermitteln Zeichen, die eine nicht-künstlerische Aussage komponieren, lediglich den durch sie originär dargestellten Sachverhalt und enthalten keinerlei über die alltägliche Bedeutung dieser Zeichen hinausgehenden Informationen.122 Zur Bejahung der Kunsteigenschaft ist so gewissermaßen zuzüglich zu dem tatsächlich physisch Dargestellten ein darüberhinausgehender Inhalt des Werkes – oft also eine tiefergehende Bedeutung – zu fordern, die sich zumeist erst durch 115 Wohl erstmals bei Schramm, die schöpferische Leistung, S. 178; auch schon Stein, JZ 1959, S. 722, der Kunst u. a. auch als „Objektivation des schöpferischen menschlichen Geistes“ sieht; Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 191 („schöpferische Gestaltung“); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 29, für den trotz seiner Kritik an der Formel des BVerfG selbst der „schöpferisch-individuale Akt“ relevant ist. 116 Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 89. 117 Denninger, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VI, 1. Auflage, § 146, Rn. 8. 118 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 28; Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte, S. 27. 119 Vgl. Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 629. 120 So von v. Noorden, Freiheit der Kunst, S. 87 selbst benannt; übernommen bspw. von Zöbeley, NJW 1985; S. 255; Karpen/Hofer, JZ 1992, S. 952. 121 v. Noorden, Freiheit der Kunst, S. 88. 122 v. Noorden, Freiheit der Kunst, S. 86.

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die Interpretation des Werkes ergeben wird. Ein Hinauswirken der Zeichen über deren alltägliche Aussagefunktion kann bspw. in der (ironischen) Brechung des tatsächlich Dargestellten oder dem Einfügen eines doppelten Bodens wie z. B. einer Metaebene liegen; ganz im Sinne von Oscar Wilde: „All art is at once surface and symbol.“123 Gerade aufgrund dieser Erfordernisse sieht sich der zeichentheoretische Ansatz teilweise der Kritik ausgesetzt, er sei zu elitär.124 Der Kritik ist in der Tat zuzugestehen, dass wohl bei vielen Werken der Trivialkunst die zur Komposition genutzten Zeichen nicht über deren alltägliche Aussagefunktion hinauswirken. Da diese Werke so keine vielstufige Informationsvermittlung, Metaebenen und fortgesetzte Interpretationsmöglichkeit aufweisen können, sind sie schwer unter den zeichentheoretischen Ansatz zu fassen. Solch eine enge Betrachtungsweise war durchaus von Noordens Intention: so wollte er explizit neben Tageszeitungen und illustrierten Wochenschriften auch triviale Kriminalromane im Gegensatz zu den psychologisch und soziologisch vielschichtigen Romanen Fjodor Dostojewskis nicht von seinem Kunstbegriff umfasst sehen.125 Andererseits zeichnen sich gerade avantgardistische Werke oft durch ihre mannigfaltigen Aussagegehalte aus und wollen Rezipienten zur fortgesetzten Interpretation auf der Suche nach weiterreichender Bedeutung inspirieren. Vor allem in modernen Kunstformen werden gern alltägliche Gegenstände als Zeichen genutzt, um den Betrachter zu einer über deren alltägliche Bedeutung reichenden Interpretation zu animieren. Man denke nur an das handelsübliche, lediglich um 90 Grad gedrehte Urinal, das Marcel Duchamp 1917 zum Kunstwerk „Fountain“ erklärte und damit eines der ersten und berühmtesten ready-mades schaffte. Zudem fallen als bekannteste Beispiele aus dem Bereich der Pop Art wohl Andy Warhols „Campbell’s Soup Cans“ und „Brillo Boxes“ ein. Dass somit im Gegensatz zu einem formalen Kunstbegriff der zeichentheoretische Ansatz gerade die schutzwürdige Avantgarde umfasst, ist diesem überaus positiv anzurechnen. 15 Jahre nach von Noordens Veröffentlichung zitierte ihn das BVerfG und übernahm seinen zeichentheoretischen Ansatz im Wesentlichen wortwörtlich, allerdings unter Auslassung des letzten Halbsatzes, dass die vielstufige Informationsvermittlung „letztlich darauf beruht, daß die die Darstellung komponierenden Zeichen insgesamt über ihre alltägliche Aussagefunktion hinauswirken“.126 Das 123

Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray, S. 4. Erhardt, Satire, S. 81 f.; vgl. Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 425. 125 So explizit v. Noorden, Freiheit der Kunst, S. 89 f., 87. 126 BVerfGE 67, 213 (227) (Anachronistischer Zug): „Auch wenn man das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin sieht, daß es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, so daß sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt […], ist dieses Merkmal beim ,Anachronistischen Zug‘ erfüllt.“ 124

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BVerfG nimmt so gewollt oder ungewollt ein klein wenig des kritisierten Elitarismus aus der Definition, wenn das Erfordernis der über den Alltag hinausreichenden Bedeutung der Zeichen weggelassen wird. Gleichwohl verbleiben auch in der Definition des BVerfG mit dem Erfordernis des mannigfaltigen Aussagegehalts, der fortgesetzten Interpretierbarkeit und der vielstufigen Informationsvermittlung etliche relativ elitäre Elemente. Die Titulierung des Vorgehens des BVerfG als „offener Kunstbegriff“127 ist deshalb zu Recht als etwas missverständlich128 zu bezeichnen. „Offen“ kann dabei nämlich nicht meinen, dass dieser Begriff besonders weit wäre und die gesamte Bandbreite an Kunstwerken einzuschließen vermag. „Offen“ kann vielmehr nur meinen, dass dieser Begriff nicht abschließend, sondern gerade gegenüber neuartigen Kunstformen offen ist, solange diese einer fortgesetzten Interpretation zugänglich sind. d) Stellungnahme: Topoi Von den vorgenannten Anknüpfungspunkten sind einige gänzlich abzulehnen. So hat sich gezeigt, dass ein inhaltliches Abstellen allein auf Ästhetik, Ethik oder Qualität reaktionär und missbrauchsanfällig ist, sowie zum staatlichen Kunstrichtertum animiert. Auch wirkt es gegenüber weiten Teilen der Kunst ausgrenzend. Insbesondere hat eine Auseinandersetzung mit der möglichen strafrechtlichen Relevanz einer künstlerischen Handlung nicht auf der Ebene des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffes stattzufinden. Dementgegen lassen sich in den drei Anknüpfungspunkten der Form, der Schöpfung und der Interpretierbarkeit jeweils überzeugende Aspekte erkennen, auch wenn kein Ansatz isoliert betrachtet zustimmungswürdig erscheint.129 Damit liegt die Lösung auf der Hand: Anstatt stets nur auf eine einzelne, unflexible und eindimensionale Definition zu setzen, ist dem Problem vielmehr vermittelst eines topischen130 Ansatzes beizukommen. Kunst lässt sich nur durch einen Katalog verschiedener Definitionen erklären, die einander ergänzen oder auch substituieren können; bei Nichterfüllung einer einzelnen Teildefinition ist nicht sofort die Kunsteigenschaft zu verneinen.131 Diesen Weg geht grundsätzlich auch das BVerfG. Zwar stellte es zunächst in der Mephisto-Entscheidung hauptsächlich auf den Anknüpfungspunkt der Schöpfung

127

So benannt bei: von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 41; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 11; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 118; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 39; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 160. 128 So Fischer, Kunst, S. 27. 129 So auch Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 629. 130 Den Begriff in diesem Kontext nutzen auch: Zöbeley, NJW 1985, S. 255; Geis, NVwZ 1992, S. 26; Kassing, Personalsatire, S. 61; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 27. 131 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 27.

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ab.132 In der Entscheidung zum Anachronistischen Zug gestand es jedoch die „Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren“ ein und konstruierte in Folge dessen sehr ausführlich einen topischen Ansatz, indem es die Anknüpfungspunkte der Form, der Schöpfung und der Interpretierbarkeit miteinander verknüpfte.133 Dabei sieht das BVerfG diese drei Definitionen auch nicht als kumulierte Anforderungen an, die in jedem Fall zugleich vorliegen müssen, sondern lässt gegebenenfalls das Abstellen auf einzelne genügen.134 In der „Josefine Mutzenbacher“-Entscheidung hat es allerdings in Frage gestellt, ob allein die Bejahung der formalen Definition durch die Bezeichnung eines Buches als Roman genügte, und prüft deshalb mustergültig anhand von Beispielen, welche Elemente freier schöpferischer Gestaltung sich in fraglichem Roman wiederfinden und welche vielstufigen Interpretationsmöglichkeiten denkbar sind.135 Die Literatur,136 der BGH137 und das BVerwG138 haben die Vorgehensweise des BVerfG weitestgehend übernommen. Es wird betont, dass der topische Ansatz trotz etwaig verbleibender Schwächen hinreichende Abgrenzungskriterien für die Einzelfallentscheidung biete.139 Durch die Kombination verschiedener Kunstbegriffe anstelle eines einzelnen übergeordneten Begriffes werde zudem die gebotene Offenheit des Verfassungsrechts für die konzeptionelle Pluralität der künstlerischen Erscheinungsformen gewahrt.140 Meines Erachtens fällt insbesondere positiv auf, dass durch den topischen Ansatz die Schwächen der einzelnen Ansätze gegenseitig aufgehoben werden. Wo der 132 BVerfGE 30, 173 (188 f.) (Mephisto). Dass das Werk außerdem „einer bestimmten Formensprache“ entsprechen muss, könnte allerdings als zusätzliche formale Anknüpfung; dass es „zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“ muss, könnte als zusätzlicher kommunikativer Anknüpfungspunkt gesehen werden, so Fischer, Kunst, S. 24. Vgl. zu einem (u. a.) kommunikativen Kunstbegriff auch: Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 36 ff. 133 BVerfGE 67, 213 (225 ff.) (Anachronistischer Zug). Ebenfalls auf alle drei Definitionen wird rekurriert in BVerfGE 81, 278 (291) (Bundesflagge) und 83, 130 (138) (Josefine Mutzenbacher). 134 So wurde bei BVerfGE 75, 369 (377) (Kopulierende Schweine) lediglich die freie schöpferische Gestaltung betont. Bei BVerfGE 81, 298 (305) (Nationalhymne ’86); BVerfG, NJW 2001, S. 596 (S. 597) (Deutschland muss sterben); BVerfG, NJW 2001, S. 598 (Germania) und BVerfGE 119, 1 (20) (Esra) wurde auf Anknüpfungspunkten der Form und der Schöpfung (letzteres teilweise als „eher inhaltsbezogene Definition“ bezeichnet) rekurriert. 135 BVerfGE 83, 130 (138) (Josefine Mutzenbacher). Der Roman wurde erst jüngst im November 2017 von der Liste der indizierten Medien gestrichen, vgl. JMS-Report, Newsletter November 2017. 136 Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 626; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 118; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 41. 137 BGHSt 37, 55 (58 ff.) (Opus Pistorum). 138 BVerwGE 77, 75 (82) (Der stählerne Traum); 91, 211 (214) (Opus Pistorum). 139 Henschel, NJW 1990, S. 1939; vgl. Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 90. 140 Fuchs, Avantgarde und Erweiterter Kunstbegriff, S. 155 f.; v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 11.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

formale Ansatz stets die Avantgarde zu benachteiligen droht, weil diese noch keine tradierte Form aufweisen kann bzw. eine solche gerade zu überwinden sucht, wird die Avantgarde i. d. R. durch den zeichentheoretischen bzw. materialen Ansatz geschützt sein. Und wo die als zu elitär kritisierten Anknüpfungspunkte der Interpretierbarkeit bzw. Schöpfung möglicherweise Trivialkunst mangels vielstufiger Interpretierbarkeit bzw. mangels Ausdruck der künstlerischen Persönlichkeit nicht umfassen, werden derartige Werke aufgrund ihrer Form in den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einbezogen. Den Gerichten wird die Abgrenzung in der Praxis so relativ unkompliziert gemacht, wenn bereits ein formaler Werktyp erfüllt ist. Dann spricht eine starke Vermutung für das Vorliegen eines Kunstwerkes, die lediglich noch abgesichert werden muss. Bei Werken der Avantgarde oder anderen Grenzfällen helfen dagegen vor allem der schöpferische und zeichentheoretische Ansatz weiter, die genug Merkmale für eine ausführliche Subsumtion des Werkes unter diese Begriffe beinhalten, um der Frage der Kunstwerkeigenschaft dezidiert nachgehen zu können. Mithin kombiniert der topische Ansatz das Beste der einzelnen Definitionen und eliminiert deren Schwächen. e) Zwischenergebnis Zusammengefasst ergibt sich nach dem Vorgenannten also die folgende Definition: Ein Werk ist Kunst, wenn – es bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt und/oder – es eine freie schöpferische Gestaltung darstellt, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse als unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden und/oder – es wegen der Mannigfaltigkeit seines Aussagegehalts möglich ist, seiner Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt, da die die Darstellung komponierenden Zeichen insgesamt über ihre alltägliche Aussagefunktion hinauswirken (also gewissermaßen zuzüglich zu dem tatsächlich Dargestellten ein darüberhinausgehender, interpretierbarer Inhalt des Werkes vorhanden ist).

2. Schutzgewährleistungen Nachdem mit dem Kunstbegriff der Schutzgegenstand des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG herausgearbeitet wurde, stellt sich die Frage, welche Art des Schutzes in welchem Umfang Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einem solchen Werk der Kunst gewährleistet. „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

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Ausgehend von diesem Wortlaut enthält die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zunächst als Grundsatznorm eine objektive verfassungsrechtliche Wertentscheidung für das Verhältnis des Staates zum Lebensbereich der Kunst.141 Als Ausfluss dessen schützt sie zudem grundsätzlich auch den Grundrechtsträger im Verhältnis Privater untereinander, indem sie eine Ausstrahlungswirkung auf das Zivilrecht entfaltet.142 Für die im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorzunehmende Betrachtung der Kollision der Kunstfreiheit mit Strafrechtsnormen ist jedoch eine weitere Funktion des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG wichtiger: Die klassische Funktion eines individuellen, liberalen Freiheitsgrundrechts, das ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliches Handeln bereithält.143 Der Umfang der Schutzgewährleistungen gegen staatliches Handeln umfasst dabei nach der auf Friedrich Müller zurückgehenden Formel den „Werk- und Wirkbereich“144. Das BVerfG griff diesen Ausdruck erstmals in der MephistoEntscheidung auf und nutzt ihn seither in ständiger Rechtsprechung, um die Reichweite des Schutzes von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu beschreiben.145 Auch in der Literatur hat die Formel vom „Werk- und Wirkbereich“ überwiegend Zustimmung gefunden.146 Einzelne Versuche einer andersartigen Differenzierung – wie bspw. in einen „Schaffens-“ und einen „Vermittlungs- oder Verbreitungsbereich“147 – unterscheiden sich lediglich terminologisch, jedoch nicht inhaltlich.148 141

BVerfGE 30, 173 (187 ff.) (Mephisto); 36, 321 (331) (Schallplatte); 67, 213 (224) (Anachronistischer Zug); Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 177 ff., 195 ff.; Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 99 ff. 142 BVerfG, NJW 2006, S. 596 (S. 597) (Künstlervertrag); BVerfGE 119 1, (21) (Esra); Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 93; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 167. 143 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 1, 16; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 189; Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 647; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 167; BVerfGE 30, 173 (187 ff.) (Mephisto); 36, 321 (331) (Schallplatte); 67, 213 (224) (Anachronistischer Zug); 119, 1 (21) (Esra). 144 Müller, Freiheit der Kunst, S. 97 ff. 145 BVerfGE 30, 173 (189) (Mephisto); 36, 321 (331) (Schallplatte); 67, 213 (224) (Anachronistischer Zug); 77, 240 (251) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (292) (Bundesflagge); 81, 298 (305) (Deutschlandlied ’86); BVerfG, NJW 2001, S. 596 (S. 597) (Deutschland muss sterben); BVerfG, NJW 2001, S. 598 (Germania); BVerfG, NJW 2006, S. 596 (S. 597) (Künstlervertrag); BVerfGE 119, 1 (21 f.) (Esra); zuletzt BVerfG, NJW 2018, S. 1744. 146 Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 632; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 429, 432; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 45; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 120; Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 175; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 188; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 41; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 93; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 45; Epping, Grundrechte, Rn. 278; v. Münch/Mager, Staatsrecht II, Rn. 499. 147 So etwa Heuer, Besteuerung der Kunst, S. 68 mit zusätzlicher dritter Kategorie eines „Empfangsbereiches“, von dem seiner Ansicht nach der Rezipient geschützt sein soll, vgl. dazu jedoch unten S. 61.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

a) Werkbereich Der Werkbereich betrifft dabei zunächst einmal das Kunstwerk als Kreation und Schutzgegenstand selbst.149 Unerheblich ist, ob es von vornherein als Kunst konzipiert war oder sich der künstlerischer Charakter erst im Laufe der Zeit ergibt, wie es bei einem Tagebuch der Fall sein kann.150 Der Schutz des Kunstwerkes selbst endet weder dadurch, dass der entsprechende Künstler Deutschland verlässt, noch dass dieser verstirbt.151 Zwar bezeichnet Fechner die Kunstfreiheit als „Grundrecht der lebenden Künstler“ und führt als Argument an, dass selbst der Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts als Ausfluss der Menschwürde mit zunehmender Zeit schwinde, was erst recht für die Kunstfreiheit gelten müsse.152 Dies betrifft jedoch nur die individuelle Kunstfreiheit des ursprünglichen Urhebers. Das Kunstwerk selbst kann jedoch jederzeit in den Schutzbereich der Kunstfreiheit eines neuen Grundrechtsträgers fallen, wenn bspw. Werke längst verstorbener Komponisten von heutigen Orchestern aufgeführt werden. Außerdem vom Werkbereich umfasst ist die künstlerische Betätigung als solche, mit anderen Worten der künstlerische und kreative Schöpfungs- und Gestaltungsprozess der Herstellung und Erschaffung des Kunstwerkes.153 Schließlich käme es einem Verbot des Kunstwerkes gleich, wenn das hypothetische fertige Werk zwar formell erlaubt wäre, dem Künstler jedoch zuvor alle Möglichkeiten der Erschaffung desselben verboten würden.154 Wird bspw. dem Schauspieler das Proben untersagt, muss nachher die Aufführung gar nicht mehr verboten werden.155 Geschützt sind somit grundsätzlich alle in der Schaffenssphäre liegenden Handlungen wie bspw. Sammeln von Impressionen,156 Vorbereitung, Materialerwerb, Unterhaltung einer

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Vgl. ebenso Erhardt, Satire, S. 97. Locher, bildende Kunst, S. 22; Würkner, NJW 1987, S. 1795; ders., NVwZ 1987, S. 844; Schick, Kunstwerkgarantie, S. 10, 52; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 431; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 46; v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 43; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17. 150 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 431. 151 Heckel, Staat Kirche Kunst, S. 77; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 431. 152 Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 176. 153 Würkner, NJW 1987, S. 1795; ders., NVwZ 1987, S. 844; Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 196; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 429; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 46; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 41; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 45; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 120; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17. 154 Kulczak, Bildende Kunst, S. 130. 155 Beispiel bei Heuer, Besteuerung der Kunst, S. 32. 156 Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 46. 149

A. Schutzbereich

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Werkstatt oder eines Studios,157 Üben und Konzeption.158 Außerdem ist vom Schutz des Werkbereiches die freie Themenwahl umfasst.159 b) Wirkbereich Sowohl der Rechtsprechung160 als der Literatur161 nach wird von der Kunstfreiheit über den Werkbereich hinaus auch der Wirkbereich geschützt. Der Wirkbereich betrifft die kommunikative Vermittlung des Werkes.162 Damit sind alle Maßnahmen umfasst, mit denen „der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird“163. Darunter fallen bspw. die Ausstellung, Verbreitung und Darbietung des Werkes, die Werbung für das Werk, sowie die Nutzung der Medien als Kommunikationsmittel, sofern diese eine notwendige Mittlerfunktion zwischen Künstler und Rezipienten haben.164 Mögliche Gefährdungen des in der vorliegenden Arbeit thematisierten öffentlichen Friedens werden vor allem im Wirkbereich zu besorgen sein, da die Öffentlichkeit zumeist erst durch diesen von einem umstrittenen Werk Kenntnis erlangen wird. Die Ausweitung der Schutzgewährleistungen auf den Wirkbereich ist nötig, um der sozialen Funktion der Kunst als einer Form der Kommunikation und damit korrespondierend der Funktion der Kunstfreiheit als echtem Kommunikations157

Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 431. v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 45; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 169. 159 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 430. 160 BVerfGE 30, 173 (189) (Mephisto); 36, 321 (331) (Schallplatte); 67, 213 (224) (Anachronistischer Zug); 77, 240 (251) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (292) (Bundesflagge); 81, 298 (305) (Deutschlandlied ’86); BVerfG, NJW 2001, S. 596 (S. 597) (Deutschland muss sterben); BVerfG, NJW 2001, S. 598 (Germania); BVerfG, NJW 2006, S. 596 (S. 597) (Künstlervertrag); BVerfGE 119, 1 (21 f.) (Esra). 161 Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 632; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 429, 432; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 45; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 120; Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 175; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 188; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 41; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 93; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 45; Epping, Grundrechte, Rn. 278; v. Münch/Mager, Staatsrecht II, Rn. 499. 162 Würkner, JA 1988, 185; ders., NJW 1987, S. 1795; ders., NVwZ 1987, S. 844; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 45. 163 BVerfGE 30, 173 (189) (Mephisto); BVerfGE 67, 213 (224) (Anachronistischer Zug). 164 BVerfGE 30, 173 (189) (Mephisto); BVerfGE 36, 321 (331) (Schallplatte); BVerfGE 77, 240 (251) (Herrnburger Bericht); BVerfG, NJW 2006, S. 596 (S. 597) (Künstlervertrag); BVerwGE 84, 71 (74) (Straßenkunst); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 42; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 432. 158

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

grundrecht gerecht zu werden.165 Denn Kunst ist zumeist darauf angelegt, eine Wirkung auf andere Menschen zu erzielen.166 Jede Schaffung und Verbreitung eines Kunstwerkes stellt eine „interindividuale Vermittlung schöpferischen Sinns und phantasievoller Gestaltung“167 dar. Kunst kann so als Kollektivprozess begriffen werden, der nur durch die vielfältigen und variablen Beziehungen zwischen Künstler und Publikum leben kann, ja gar von ihnen abhängig ist.168 Damit Kunst aber in Form eines solchen „Prozesses geistiger Kommunikation“169 wirken kann, muss nicht nur ihre Schaffung, sondern auch ihre Verbreitung gesichert sein. Wäre hingegen der Wirkbereich nicht in den Schutz der Kunstfreiheit einbezogen, bestünde die Gefahr, dass z. B. Ausstellung und Verbreitung eines Werkes relativ einfach und ohne den hohen Begründungsaufwand, den die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Kunstfreiheit bedürfte, verboten werden könnten. Der Staat könnte so jede Kenntnisnahme des Kunstwerkes durch die Allgemeinheit und somit jegliche kommunikative Wirkung der Kunst effektiv unterbinden. Die verbliebene Freiheit des bloßen Werkbereiches, nämlich ein Kunstwerk herzustellen, aber dieses nicht dem Rezipienten vermitteln zu können, verkäme zur bloßen wertlosen Farce. Auch und gerade die historischen Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus zeigen, dass einer solchen Aushöhlung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG durch Einbeziehung des Wirkbereiches in den Schutz der Kunstfreiheit vorgebeugt werden muss.170 Das Vorgenannte bedeutet nun allerdings nicht, dass der Wirkbereich grenzenlos eine jede Verhaltensweise schützt, die im bloß losen Zusammenhang mit „Kunst“ steht. Grundsätzlich nicht vom Wirkbereich umfasst ist so die rein wirtschaftliche Verwertung des Kunstwerkes, die vielmehr unter den Schutz der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG fällt.171 Etwas anderes gilt nur, wenn Verbote auf dieser Ebene die freie künstlerische Tätigkeit faktisch vollständig verhindern, z. B. weil im Einzelfall wie bei der Straßenkunst Herstellung und Verwertung des Kunstwerkes unauflöslich miteinander verknüpft sind.172 Ebenso wenig ist die Kunstkritik von Art. 5 165

Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 13; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 45; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 188. 166 Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 175. 167 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 13; vgl. Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibnitz, S. 196; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 288 f. 168 Ridder, Freiheit der Kunst, S. 20 f. 169 Graul, Künstlerische Urteile, S. 59 f. 170 So explizit BVerfGE 30, 173 (189) (Mephisto). Allgemein zur Kunstfreiheit als Reaktion auf die Missstände während der Zeit des Nationalsozialismus: Ridder, Freiheit der Kunst, S. 18. 171 BVerfGE 31, 229 (238 f.) (Schulbuchprivileg); 49, 382 (392) (Kirchenmusik); Starck/ Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 436; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 120; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; vgl. differenzierend auch v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 55. 172 BVerfGE 31, 229 (240) (Schulbuchprivileg); BVerfG, NJW 2002, S. 3458 (S. 3460) (Scientology); BVerwGE 84, 71 (74) (Straßenkunst); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5

A. Schutzbereich

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Abs. 3 S. 1 GG geschützt; vielmehr handelt es sich dabei um eine klassischerweise von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung.173 Vereinzelt wird dem zwar mit dem Argument widersprochen, die Kunstfreiheit wäre sonst unvollständig und könnte durch das Verbot der Kunstkritik unterlaufen werden.174 Das ist meines Erachtens jedoch schwer vorstellbar. Zum einen deswegen, weil Meinungen aufgrund von Art. 5 Abs. 1 GG und des Schrankenvorbehalts eines „allgemeinen Gesetzes“ in Art. 5 Abs. 2 GG auch nicht willkürlich unterdrückt werden können. Zum anderen deswegen, weil Kunst nicht der Kunstkritik bedarf, um zu wirken und zu funktionieren. Folgte man bspw. dem Motto des französischen Street-Art-Künstler Thierry Guetta alias „Mr. Brainwash“, so gibt es im Gegenteil gar keine relevante Kunstkritik, denn „art cannot be criticized because every mistake is a new creation“.175 c) Schutzbereichsausnahme? Teilweise werden Ausnahmen vom Schutzbereich der Kunstfreiheit bei – evident – entgegenstehenden Rechten Dritter wie insbesondere der Eigentumsfreiheit und der Menschenwürde diskutiert.176 Selbst das BVerfG nahm in der Einzelfallentscheidung „Sprayer von Zürich“ eine Art Schutzbereichsausnahme an: „[Die] Reichweite [der Kunstfreiheit] erstreckt sich aber von vorneherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung.“177

Diese Fragen sind jedoch keine binären, einfach mit „ja“ oder „nein“ beantwortbaren Fragen nach der Geltung der Kunstfreiheit, sondern vielmehr wertende Fragen nach deren Gewichtung im Verhältnis zu anderen, entgegenstehenden Grundrechten. Deshalb sind sie erst bei der Diskussion der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Kunstfreiheit zu thematisieren, wo die zur Beantwortung nötige Abwägung der verschiedenen einander entgegenstehenden Positionen originär zu verorten ist.178 Abs. 3, Rn. 18; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; Wendt, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 5, Rn. 94; jüngst OVG Münster, Beschluss v. 24. 08. 2017 – 11 B 938/17, Rn. 9. 173 Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 2919; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 20; Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 203. 174 Leisner, UFITA 37 (1962/II), S. 146; i. E. ebenso Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 84 jedoch ohne Argumente. 175 Vgl. Guetta, Art cannot be criticized. 176 Müller, Freiheit der Kunst, S. 100; Hoffmann, NJW 1985, S. 237 (S. 245); Dierksmeier, JZ 2000, S. 887. 177 BVerfG (Vorprüfungsausschuss), NJW 1984, S. 1293 (S. 1294 f.). 178 So auch wieder BVerfGE 119, 1 (23) (Esra) mit ausdrücklicher Distanz zu BVerfG (Vorprüfungsausschuss), NJW 1984, S. 1293 (S. 1294) (Sprayer von Zürich) und aktuell erneut BVerfG, GRUR 2016, S. 690 (S. 693 f., Rn. 90) (Metall auf Metall); vgl. zu letzterer Entscheidung auch Leistner, GRUR 2016, S. 774. Vgl. ferner Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 49; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 121; v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 44; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

d) Zwischenergebnis Sowohl Werk- als auch Wirkbereich sind vom Schutzbereich der Kunstfreiheit erfasst. Im Falle von Straßenkunst oder Aktionskunst wie bspw. bei Happenings fallen gar beide Bereiche regelmäßig zusammen, weil dort der Wirkbereich in Form der Veröffentlichung als Teil des Kunstwerkes selbst konzipiert ist, Kunstschaffung und Kommunikation also zusammenfallen.179 Eine Schutzbereichsausnahme ist nicht vorzunehmen.

II. Persönlicher Schutzbereich Nachdem für die Frage des sachlichen Schutzbereiches geklärt wurde, was Kunst ist und welcher Umfang ihres Schutzes sachlich gewährleistet ist, stellt sich nun die Frage, wer zum geschützten Personenkreis gehört. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG formuliert dabei bekanntlich wie folgt: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Damit bezieht sich grammatikalisch betrachtet das Adjektiv „frei“ auf das Subjekt „Kunst“. Der Wortlaut erscheint also prima facie die „Kunst“ selbst zum Grundrechtsträger zu erheben. Wie bereits oben dargestellt, erschöpft sich nach allgemeiner Ansicht die Kunstfreiheit jedoch nicht in dieser objektive-rechtlichen Dimension, sondern beinhaltet ein subjektives Abwehrrecht für den Künstler.180 Somit kann sich jede natürliche Person ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit auf das Jedermann-Grundrecht der Kunstfreiheit berufen, sobald sie künstlerisch tätig wird.181 Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine originäre eigene schöpferische Leistung handeln oder der Künstler bspw. als Schauspieler oder Musiker interpretatorisch „fremde“ Werke umsetzt.182 Zur Beantwortung der Frage, ob unter den persönlichen Schutzbereich auch Minderjährige fallen, ist auf deren Reifegrad und deren individuelle natürliche Einsichtsfähigkeit im Einzelfall abzustellen.183 Da die Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450; Schmidt, Grundrechte, Rn. 528; allgemein gegen Schutzbereichseinschränkungen: Kahl, Der Staat 43 (2004), S. 192; ders., AöR 131 (2006), S. 610. 179 Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 432; Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 633; BVerfGE 67, 213 ff. (Anachronistischer Zug); BVerfGE 77, 240 (254) (Herrnburger Bericht); BVerwGE 84, 71 (74) (Straßenkunst); vgl. Henschel, NJW 1990, S. 1942; jüngst OVG Münster, Beschluss v. 24. 08. 2017 – 11 B 938/17, Rn. 9. 180 Siehe oben S. 52. 181 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 438; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 50; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 5, Rn. 42. 182 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 47. 183 Stern, Staatsrecht III/1, S. 1069; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 210; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 50.

A. Schutzbereich

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Kunstfreiheit kein höchstpersönliches Grundrecht darstellt, sind zudem inländische juristische Personen i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG von ihrem Schutz umfasst.184 Wegen des Diskriminierungsverbotes des Art. 18 AEUV (i. V. m. Art. 54 AEUV) gilt dies ebenso für juristische Personen aus dem EU-Ausland.185 Etwas schwieriger zu bestimmen ist allerdings, ob und wenn ja welche Dritten den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG genießen, obgleich sie nicht selbst originär künstlerisch tätig werden. Wenn wie oben dargestellt der Wirkbereich zu den Gewährleistungen des sachlichen Schutzbereiches der Kunstfreiheit gehört, so müssen parallel auch die im Wirkbereich tätigen Nicht-Künstler in den persönlichen Schutzbereich einbezogen werden. Dem BVerfG nach sind so alle Personen umfasst, deren Wirken unbedingt nötig ist, um die Beziehung zwischen Künstler und Rezipienten herzustellen, die also eine unverzichtbare Mittlerposition einnehmen: Beispielhaft seien aus der Judikatur des BVerfG hier der Verleger,186 der Schallplattenhersteller,187 der Hersteller von Druckwerken,188 der Filmverleiher,189 sowie alle, die am geschäftsmäßigen Vertrieb des Kunstwerkes beteiligt sind,190 genannt. In der Literatur werden als weitere Beispiele Galeristen, Produzenten, Veranstalter von Konzerten und Festspielen, Intendanten sowie reproduzierende Akteure wie Musiker und Schauspieler aufgezählt.191 Dieser weiten Auslegung des sachlichen Schutzbereiches wird teilweise widersprochen und den Kunstmittlern je nach Sachverhalt lediglich die Freiheit der Presse, des Rundfunks oder des Films aus Art. 5 Abs. 1 GG zugestanden, sofern sie keinerlei eigene künstlerische Leistung erbringen.192 Damit würde aber gerade das Werk nicht mehr lebender Künstler, deren individuelle Kunstfreiheit mit ihrem Tod erloschen ist,193 unter einen geringeren Schutz gestellt, ohne dass es dazu einer durchgreifenden 184 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 191; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 50; a. A. konsequenterweise Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 49, der die Kunstmittler aus dem persönlichen Schutzbereich der Kunstfreiheit ausklammert und so nur die höchstpersönliche Kunstschaffung als kreative menschliche Eigenleistung als vom Schutz umfasst ansieht, vgl. sogleich. 185 BVerfGE 129, 78 (94 f.); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 191. Vgl. allgemein zum Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV (i. V. m. Art. 54 AEUV) Huber, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 19, Rn. 304 ff.; Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rn. 36. 186 BVerfGE 30, 173 (191) (Mephisto); 119, 1 (22) (Esra); BVerfG, NJW 2001, S. 598 (Germania). 187 BVerfGE 36, 321 (331) (Schallplatte). 188 BVerfGE 82, 1 (6) (Hitler-T-Shirts). 189 BVerfGE 87, 209 (233) (Tanz der Teufel). 190 BVerfGE 81, 278 (292) (Bundesflagge). 191 Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47. 192 Hufen, Staatsrecht II, §§ 33, Rn. 13, 22; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 13, 50 nennt beispielshaft Verleger, Rundfunkanstalten und Filmproduzenten als nicht mehr vom sachlichen Schutzbereich umfasst; ebenfalls kritisch gegenüber der weiten Auslegung durch die Rechtsprechung des BVerfG: Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte Art. 5, Rn. 216. 193 Siehe oben S. 54.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

teleologischen Begründung gebe, was auch kaum dem Wille des Verfassungsgebers entsprechen dürfte.194 Vielmehr folgt die Ausdehnung des persönlichen Schutzes auf die Kunstmittler aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Kunstfreiheit.195 Zudem spricht der eingangs erwähnte Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, demnach die „Kunst“ an sich subjektiviert ist, gegen eine derart enge Auslegung der Kunstfreiheit nur auf den eigentlichen Künstler selbst. Wenn also die Kunstfreiheit des ursprünglichen Künstlers verständlicherweise nicht über dessen Tod hinaus wirken soll, muss zum umfassenden und wirksamen Schutz der Kunst – vor allem verstorbener Künstler – konsequenterweise der Kunstmittler in den sachlichen Schutzbereich einbezogen werden. Hinter den kritisierten Bestrebungen, den Kunstmittler von der Berufung auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auszuschließen, steht allerdings der nachvollziehbare Gedanke, dass es Grenzen der personalen Inanspruchnahme der Kunstfreiheit geben muss. Zuzustimmen ist deshalb der Aussage, dass beliebig austauschbare Hilfsfunktionäre wie z. B. Beleuchter oder Tontechnikern nicht mehr unter die Kunstfreiheit fallen.196 Das BVerfG selbst zog zudem die Grenze seiner Rechtsprechung zur Einbeziehung von Kunstmittlern da, wo der Mittler keinerlei künstlerisches Konzept mehr verfolgt, sondern beabsichtigt, rein kommerzielle Absichten gegen den eigentlichen Künstler durchzusetzen.197 Nicht vom persönlichen Schutzbereich umfasst ist der Rezipient, für den als bloßen „Destinatär“198 der objektiv-rechtlichen Wirkung der Kunstfreiheit die Allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG oder die Informationsfreiheit199 des Art. 5 Abs. 1 GG streitet.200 194

Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 413, der als Beispiel das Œuvre von Johann Wolfgang von Goethe nennt, das vorgenannter enger Ansicht nach nur noch von der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt wäre. Fechner scheint dieses Problem seiner engen Ansicht, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 218 zu erkennen und will in Folge dessen zum Schutz des Werkes toter Künstler statt der Kunstfreiheit das „Kulturstaatsprinzip“ heranziehen. Mir erscheint es da jedoch konsequenter, das von Wortlaut, Telos und Historie her sehr weite Grundrecht der Kunstfreiheit direkt anzuwenden, anstatt auf ein sehr umstrittenes und ominöses Kulturstaatsprinzip zu rekurrieren. Fechner will dieses dann ja doch wieder aus u. a. eben der Kunstfreiheit herauslesen, Rn. 71, wählt also im Prinzip nur einen preziösen Umweg, um eine etwas geringere Schutzintensität zu generieren. Dies ist jedoch wesentlich einfacher und dogmatisch sauberer durch die Abwägung i. R. d. Rechtfertigung zu erreichen. Zur Kritik zum Kulturstaatsprinzip als Schutzprinzip vgl. auch Nachweise bei Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 71. 195 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 413; zur objektivrechtlichen Dimension der Kunstfreiheit siehe bereits Fn. 141. 196 Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 219; Hufen, Staatsrecht II, §§ 33, Rn. 22. 197 BVerfG, NJW 2006, S. 596 (S. 597) (Künstlervertrag). 198 Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 671; Denninger, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VI, 1. Auflage, § 146, Rn. 23. 199 So Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5 Rn. 219; Fischer, Kunst, S. 46.

A. Schutzbereich

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III. Grundrechtskonkurrenzen Parallel zur Kunstfreiheit können für den Künstler je nach Einzelfall vor allem die Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, sowie die Wirtschaftsgrundrechte der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, und der Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG, streiten. Eigentumsfragen sowie die rein kommerzielle Verwertung fallen dabei allein unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG.201 Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist wie schon oben dargelegt in diesem Kontext nur betroffen, wenn Verbote auf dieser Ebene die freie künstlerische Tätigkeit faktisch vollständig verhindern.202 Typischerweise laufen damit der Schutz der künstlerischen Betätigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und der Schutz deren wirtschaftlicher Verwertung und des Eigentums am fertigen Kunstwerk über Art. 14 Abs. 1 GG parallel, sodass Idealkonkurrenz anzunehmen ist.203 Bei einem berufsmäßigen Künstler konkurrieren die Kunstfreiheit und die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls ideal.204 Bezüglich des Verhältnisses zur Meinungsfreiheit ist zu differenzieren: Ein bloßes Werturteil ohne jegliche künstlerische Einkleidung bemisst sich als reine Meinungsäußerung natürlich allein am Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Sobald sich der Grundrechtsträger aber dazu entscheidet, seine Aussage in das Gewand der Kunst zu kleiden, ist das gesamte Werk als Kunst zu betrachten, sodass Art. 5 Abs. 1 GG hinter der insoweit spezielleren Kunstfreiheit zurücktritt.205 Für den Sonderfall der Satire postuliert die Rechtsprechung: „Satire kann Kunst sein; nicht jede Satire ist jedoch

200 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 438; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 48; vgl. BVerfG, NJW 1985, S. 263 (S. 263 f.) (Hessenlöwe) zum bloßen Tragen einer Plakette. A. A. z. B. Heuer, Besteuerung der Kunst, S. 68. 201 BVerfGE 31, 229 (238 f.) (Schulbuchprivileg); 49, 382 (392) (Kirchenmusik); Starck/ Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 436; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 120; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; vgl. differenzierend auch v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 55. 202 BVerfGE 31, 229 (240) (Schulbuchprivileg); BVerfG, NJW 2002, S. 3458 (S. 3460) (Scientology); BVerwGE 84, 71 (74) (Straßenkunst); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; Wendt, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 5, Rn. 94; vgl. jüngst OVG Münster, Beschluss v. 24. 08. 2017 – 11 B 938/17, Rn. 9. 203 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 194; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 50. 204 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 194; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 50; a. A. Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 435, die Art. 12 I GG als von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verdrängt ansehen. 205 BVerfGE 30, 173 (200) (Mephisto); vgl. BVerfGE 33, 52 (70 f.) (Der lachende Mann); 36, 321 (333) (Schallplatte); 75, 369 (377) (Kopulierendes Schwein 81, 278 (291) (Bundesflagge); 81, 298 (306) (Deutschlandlied ’86); BVerfG, NJW 2001, S. 598 (Germania); Starck/ Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 433; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 32.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

Kunst.“206 Es gilt das Vorgenannte, dass das gesamte Werk einheitlich entweder an der Meinungs- oder an der spezielleren Kunstfreiheit zu messen ist, je nachdem, ob der Schwerpunkt der Ausgestaltung bei der reinen Meinungsäußerung oder deren künstlerischer Einkleidung liegt.207 Teile der Literatur hingegen versuchen die künstlerischen Einkleidung und den Kern der satirischen Meinungsäußerung zu trennen und auf beide Grundrechte aufzuteilen, weswegen sie in Folge dessen Idealkonkurrenz zwischen der Kunst- und der Meinungsfreiheit annehmen.208 Dem ist jedoch nicht zu folgen, da die Trennung eines einheitlich konzipierten Werkes diesen unteilbaren Lebenssachverhalt unnatürlich aufspaltete und nicht praktikabel ist.209

IV. Zwischenergebnis Der Schutzgegenstand „Kunst“ ist nach einem topischen Kunstbegriff zu bestimmen, der formale, materiale und zeichentheoretische Elemente verbindet, die nicht kumulativ vorliegen müssen, sondern sich gegenseitig substituieren oder verstärken können. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit umfasst in sachlicher Hinsicht Werk- und Wirkbereich und in personaler Hinsicht sowohl den Künstler selbst, als auch den Kunstmittler, nicht jedoch Rezipienten und Kunstkritiker.

B. Eingriffe in den Schutzbereich Jedes staatliche Handeln, das ein vom soeben dargelegten Schutzbereich umfasstes Tun sanktioniert, behindert oder unmöglich macht, stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Kunstfreiheit dar.210 Prägnanter ausgedrückt ist jede staatliche Verkürzung der Schutzgewährleistungen der Kunstfreiheit ein Eingriff.211 Im Kon206

BVerfGE 86, 1 (9) (TITANIC – geb. Mörder); BVerfG, NJW 1998, S. 1386 (S. 1387) (Münzen-Erna); OLG Hamburg, NJW-RR 1994, S. 1373; LG Hamburg, NJW-RR 2017, S. 36 (Schmähkritik). 207 BVerfGE 81, 298 (306) (Deutschlandlied ’86); BayObLG, NJW 1999, S. 1982 (1984); Otto, NJW 1986, S. 1210; Henschel, NJW 1990, S. 1943. 208 Bogler, UFITA 108 (1988), S. 106 ff. Vgl. auch Kassing, Personalsatire, S. 119. 209 Wie soll bspw. im konkreten Einzelfall die Meinungsäußerung (wegen des niedrigeren Schutzstandards des Art. 5 Abs. 1 GG) verboten, das künstlerische Gewand (um dem hohen Schutzstandard des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerecht zu bleiben) erlaubt bleiben? Faktisch würde dadurch doch über den Umweg des Verbotes der Meinungsäußerung das Kunstwerk als solches verboten und damit die Kunstfreiheit unterlaufen. Vgl. dazu Hillgruber/Schemmer, JZ 1992, S. 947; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 57; Oppermann, Satire, S. 161. 210 Vgl. Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 52. 211 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 39; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vor Art. 1, Rn. 26 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 265.

B. Eingriffe in den Schutzbereich

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text der vorliegenden Arbeit kommen dabei verschiedene Arten von Eingriffen in Betracht: Zunächst ist vor allem der klassische Eingriff durch das Strafrecht relevant: Das konkrete Strafurteil gegen einen Künstler, weil dieser durch die Herstellung oder Verbreitung seines Kunstwerkes ein Strafgesetz verletzt hat.212 So wundert es nicht, dass eine Vielzahl der „berühmten“ BVerfG-Entscheidungen zur Kunstfreiheit Verfassungsbeschwerden gegen Strafurteile zur Grundlage hatten.213 Auch das bereits in der Einleitung genannte Beispiel der Videoinstallation „Pressure to Perform“, in deren Rahmen der Künstler Alexander Karle 27 Liegestütze auf dem Altar der Basilika St. Johann in Saarbrücken ausführte, hatte die Verurteilung des Künstlers unter anderem wegen Störung der Religionsausübung nach § 167 Abs. 1 StGB zur Folge.214 Zahlreiche weitere Beispiele für Verurteilungen von Künstlern aufgrund des Verstoßes gegen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens finden sich unten im dritten Teil der vorliegenden Arbeit.215 Aufgrund der allgemein einschüchternden Wirkung kann ein solches Strafurteil auch über den konkreten Eingriff in die persönliche Kunstfreiheit des verurteilten Künstlers hinausgehend einen negativen Einfluss von erheblicher Tragweite auf die generelle Ausübung dieses Grundrechts haben.216 Es besteht die Gefahr, dass die präventive Wirkung über den konkreten Fall hinausreichen und künftig allgemein auch in anderen, nicht verurteilten Künstlern die Bereitschaft zum Gebrauch der Kunstfreiheit mindern können.217 Doch nicht nur eine direkte strafrechtliche Verurteilung eines Künstlers wegen der Verletzung eines Strafgesetzes bedeutet einen Eingriff in die Kunstfreiheit. Darüber hinaus stellen auch Indizierungen von Kunstwerken selbst und damit einhergehende Verbreitungsverbote Verkürzungen der Schutzgewährleistungen dar.218 Im Kontext 212 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 123; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 52; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 175; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 103. 213 BVerfGE 67, 213 (214, 222 f.) (Anachronistischer Zug); 75, 369 (Kopulierendes Schwein); 77, 240 (241 f.) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (279 ff.) (Bundesflagge); 81, 298 (299) (Deutschlandlied ’86); 82, 1 ff. (Hitler-T-Shirts). 214 AG Saarbrücken v. 17. 01. 2017 – 115 Cs 192/16 (Redaktion beck-aktuell, becklink 2005490). Siehe auch die Entscheidungen der Folgeinstanzen LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783 und OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 ff. mit Anmerkung von Valerius, NJW 2018, S. 3797. Vgl. ausführlich unten S. 198 ff. 215 Siehe die dezidierte Behandlung der einzelnen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens ab S. 171. 216 BVerfGE 42, 130 (136) bzgl. der Meinungsfreiheit. 217 BVerfGE 67, 213 (223) (Anachronistischer Zug); 83, 130 (146) (Josefine Mutzenbacher) konkret bzgl. der Kunstfreiheit. 218 Siehe BVerfGE 83, 130 (138 ff.) (Josefine Mutzenbacher). Vgl. zu Verbreitungsverboten als Eingriffen in die Kunstfreiheit (wenngleich bzgl. des Zivilrechts) auch BVerfGE 30, 173 (199 f.) (Mephisto); 35, 202 (204) (Soldatenmord); 119, 1 (2) (Esra) und zuletzt LG Hamburg, NJW-RR 2017, S. 36 (Schmähkritik).

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der vorliegenden Arbeit wird dies besonders im Rahmen des § 131 StGB, der Gewaltdarstellung, deutlich. Wegen eines (befürchteten) Verstoßes gegen diesen Paragraphen werden beinahe jeden Monat von der BPjM219 Filme und Musik auf Liste B der jugendgefährdenden Medien gesetzt und unterliegen damit einem absolutem Verbreitungsverbot, vgl. die Regelung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG.220 Oft werden derartige Kunstwerke nicht allein indiziert, sondern ferner auch beschlagnahmt und eingezogen.221 Ein Eingriff in die Kunstfreiheit ist damit ebenfalls gegeben. Noch weitergehend wird man einen Eingriff schon in der bloßen Existenz eines Strafgesetzes an sich sehen können, ohne dass es einer konkreten Verurteilung, einer konkreten Indizierung oder eines konkreten Verbreitungsverbotes bedürfte. Dies wäre dann der Fall, wenn sich Künstler allein aufgrund der Existenz des jeweiligen Gesetzes und der daraus folgenden Angst vor potentieller Strafe abgehalten sehen, in bestimmter Art und Weise künstlerisch tätig zu werden.222 Dass das Strafrecht eine solche freiheitshemmende Wirkung entfalten kann, ist nicht nur ein bloßer Reflex. Schließt man sich den herrschenden Strafzweck-Theorien an, so sind neben der Spezialprävention als Hauptzweck durchaus auch Erwägungen der Generalprävention als Ziel des Strafrechts anzusehen.223 Infolgedessen muss man die freiheitshemmende Wirkung sogar als beabsichtigten Zweck des Strafrechts ansehen. Die bloße Existenz der im dritten Teil der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelten Tatbestände der §§ 166 f., 130 f., 86a, 90a, 111, 126 und 140 StGB kann somit einen Eingriff in die Kunstfreiheit darstellen. Mithin sind im Bereich des strafrechtlichen Schutzes des öffentlichen Friedens Eingriffe in die Kunstfreiheit in folgender Weise denkbar: durch konkrete strafrechtliche Verurteilungen, durch Indizierungen und damit einhergehende Verbreitungsverbote, Einziehungen und Beschlagnahmen, sowie bereits durch die bloße Existenz der Strafrechtsnormen zum Schutz des öffentlichen Friedens. 219 „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“, vormals BPjS, „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“. 220 Siehe ausführlich zu Kunst und § 131 StGB unten S. 210 ff. mit mannigfaltigen Beispielen von Indizierungen. Siehe bezüglich der Indizierung im Kontext der Volksverhetzung, § 130 StGB, unten S. 239 ff. 221 Siehe zu einer Einziehung nach § 74d Abs. 1 S. 1 StGB: BVerfGE 87, 209 ff. (Tanz der Teufel). Siehe auch unten S. 210 ff. ausführlich zu Beschlagnahmen und Einziehungen im Kontext des § 131 StGB. 222 Ähnliche Gedanken bei Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 363 ff., der im allgemeinen Kontext aufgrund der psychologischen Zwangswirkung des Zusammenspiels von Verhaltensnorm und abstrakter Sanktionsdrohung die Bejahung eines Eingriffs in Grundrechte für möglich hält. Zur freien Themenwahl als Teil der Schutzgewährleistungen erneut Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 430. 223 Joecks, in: MüKo, StGB, Einleitung, Rn. 61 ff.; Radtke, in: MüKo, StGB, Vor § 38, Rn. 35 f. Kritisch zur Generalprävention unter Gesichtspunkten des Art. 1 Abs. 1 GG: Hassemer/Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Vor § 1, Rn. 282, dabei gemäß Rn. 272 in der Tradition Hegels und Kants.

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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C. Rechtfertigung von Eingriffen Die Anforderungen, die an die Rechtfertigung eines Eingriffes in die Kunstfreiheit zu stellen sind, erschließen sich nicht aus der bloßen Lektüre des Grundgesetzes. Schließlich erschöpft sich der Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Credo „Die Kunst ist frei“ und legt somit gar eine schrankenlose Gewährleistung der Kunstfreiheit nahe.224 Der systematische Vergleich zu anderen Grundrechten wie dem Art. 2 Abs. 1 GG mit dessen ausdrücklicher Schrankentrias225 zeigt, dass sich die Kunstfreiheit durchaus von anderen Grundrechten unterscheidet, die explizit kodifizierte Schranken aufweisen. Auch die historischen Erfahrungen während der Zeit des Nationalsozialismus, sprechen für eine vom Verfassungsgeber beabsichtigte starke und möglichst staatsfreie Stellung der Kunst.226 Denn so die Kunst damals unter einer „totalitäre[n] politische[n] Verknechtung“ litt, soll die liberale Kunstfreiheit des Grundgesetzes die abkehrende Reaktion auf diese Missstände darstellen.227 Allerdings kennt das Grundgesetz mehrere dieser grundsätzlich vorbehaltlos gewährten Grundrechte. Neben der Kunstfreiheit sind dies namentlich die Glaubensund Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG228, sowie die Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen des Art. 8 Abs. 1 GG.229 Zudem beginnt der GrundrechteKanon mit der nicht nur vorbehaltlos gewährten, sondern gar unantastbaren Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG.230 Allein diese Aufzählung zeigt, dass es – mit Ausnahme der eben tatsächlich unantastbaren Menschenwürde – kein absolut schrankenloses Grundrecht geben kann. Anderenfalls käme man bei Kollisionen verschiedener vorbehaltloser Grundrechte zu einer unlösbaren und dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung widersprechenden Pattsituation; vielmehr müssen 224

Vgl. Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 53; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450. Zum Teil wurde gar eine absolute Freiheit der Kunst vertreten, so z. B. von Cˇ opic´, JZ 1963, S. 496, Fn. 15; Bauer, JZ 1965, S. 47; Ott, NJW 1963, S. 617 f. Zu beachten ist dabei aber, dass die vorgenannten Vertreter zugleich meist von einem engen Kunstbegriff ausgingen, sodass viele potentielle Konflikte einfach schon durch eine Verkürzung des Schutzbereiches eliminiert wurden, vgl. dazu Beisel, Kunst, S. 130. 225 Lang, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 2, Rn. 24; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 39 ff. 226 Vgl. BVerfGE 30, 173 (192) (Mephisto). 227 Ridder, Freiheit der Kunst, S. 18. 228 Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4, Rn. 129 ff.; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 4, Rn. 7; Germann, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 4, Rn. 47; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 4, Rn. 28; Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 35. 229 Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 164, Rn. 107; MüllerFranken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 8, Rn. 37; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 8, Rn. 21; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 8, Rn. 81 ff. 230 Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 1, Rn. 4, 25 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 73; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1, Rn. 33 f.; Hillgruber, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 1, Rn. 7 ff.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

auch für vorbehaltlose Grundrechte Schranken existieren.231 Das BVerfG beschreibt dies ganz richtig als „logische Folge eines geordneten menschlichen Zusammenlebens“.232 Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist somit zu fragen, woher diese zweifelsohne notwendigen Schranken im Fall des vorbehaltlosen Grundrechts der Kunstfreiheit konkret zu nehmen sind, welche Anforderungen also an eine Beschränkung der Kunstfreiheit zu stellen sind.

I. Schranke des Gemeinschaftsvorbehalts Ein Ansatz in der früheren ständigen Rechtsprechung des BVerwG wollte allgemein allen Grundrechten und damit auch der Kunstfreiheit eine Schranke des sog. Gemeinschaftsvorbehaltes ziehen: „Allerdings gehört es zum Inbegriff aller Grundrechte […], daß sie nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn dadurch die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden. Denn jedes Grundrecht setzt den Bestand der staatlichen Gemeinschaft voraus, durch die es gewährleistet wird.“233

Diese Formel ist jedoch derart vage formuliert, dass sie in ihrer mit beinahe beliebigem Inhalt füllbaren Weite gar Erinnerungen an die polizeirechtliche Definition der öffentlichen Ordnung234 zu wecken vermag. Damit geht eine große Missbrauchsgefahr einher, da beinahe jeglicher Eingriffszweck in die Formel hereingelesen werden könnte.235 In der Tat zählte das BVerwG mit der „Volksgesundheit“236, der „Sicherstellung geordneter Verhältnisse im öffentlichen Verkehr“237 und der „geordneten Rechtspflege“238 äußerst freischwebende Inhalte zu den „notwendigen“ Rechtsgütern.239

231 BVerfGE 77, 240 (253) (Herrnburger Bericht); 93, 1 (21); Lerche, in: Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, S. 515 ff.; 522 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Vorb., Rn. 139. 232 BVerfGE 77, 240 (253) (Herrnburger Bericht). 233 So wortwörtlich in BVerwGE 1, 48 (52); 2, 85 (87); 2, 89 (94). Leicht abgewandelt BVerwGE 1, 92 (94); 1, 269 (270); 2, 295 (300); 2, 345 (346); 3, 21 (24); 4, 95 (96); 4, 167 (171); 6, 13 (17). Für die Kunstfreiheit: BVerwGE 1, 303 (307) (Die Sünderin). Vgl. auch Maunz, BayVBl. 1970, S. 356. 234 „Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln […], deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerläßliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens […] angesehen wird“, vgl. nur BVerfGE 69, 315 (352). 235 Bachof, JZ 1957, S. 337. 236 BVerwGE 1, 48 (52). 237 BVerwGE 1, 92 (95). 238 BVerwGE 2, 85 (88). 239 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 293.

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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Vor allem aber ist der Gemeinschaftsvorbehalt vollkommen aus der Luft gegriffen, ohne dass sich irgendwo im Grundgesetz auch nur ein kleiner verbriefter Ansatzpunkt für ihn findet; er lässt so eine genügende rechtsstaatliche Sicherung komplett missen.240 Zudem ist die Rechtsfolge einer starren Anwendbarkeit oder Nicht-Anwendbarkeit des jeweiligen Grundrechts untauglich, um die diffizilen Einzelfälle angemessen differenziert und nicht mit der brachialen Methode eines „Alles oder nichts“ zu lösen. Deshalb ist die Anwendung einer Gemeinwohlklausel als untauglich und wider die Systematik des Grundgesetzes abzulehnen.

II. Schrankenübertragung Als weiterer Ansatz erscheint eine Übertragung von bereits für andere Grundrechte existierende Schranken auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG für möglich. 1. Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG Eingriffe in die fünf Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG können gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die Schrankentrias der allgemeinen Gesetze, der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre gerechtfertigt werden. Die in der Praxis wichtigste Fallgruppe des „allgemeinen Gesetzes“ bedeutet dabei nicht etwa das bloße Gegenteil eines Einzelfallgesetzes; ein solches wäre schließlich bereits nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG unzulässig.241 Im wegweisenden Lüth-Urteil242 kombinierte das BVerfG mehrere bereits in der Literatur vertretene Theorien wie die „Sonderrechtslehre“243 und die „Abwägungslehre“244, indem es postulierte, dass ein allgemeines Gesetz ein solches ist, dass sich weder gegen die Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG, noch gegen eine Meinung als solche richtet und zugleich dem Schutz eines anderen Rechtsgutes dient.245

240

BVerfGE 30, 173 (193) (Mephisto); 32, 98 (108) (Gesundbeter); Schnapp, JuS 1978, S. 732; Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 612. 241 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 2, Rn. 276. 242 BVerfGE 7, 198 (209 ff.). 243 Jeweils bzgl. der WRV: Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 19 f.; Häntzschel, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts II, S. 659 ff. 244 Bzgl. der WRV: Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 52. 245 Seit BVerfGE 7, 198 (209 ff.) (Lüth) st. Rspr. Vgl. aus der neueren Rechtsprechung nur BVerfGE 111, 147 (155); 113, 63 (78); 117, 244 (260); 124, 300 (332 f.) (Wunsiedel). Vgl. Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 121; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 143; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 70.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

Speziell für den Fall des vorbehaltlosen Grundrechts der Kunstfreiheit wird vereinzelt eine Übertragung dieser Schranken und dabei vor allem gerade der des „allgemeinen Gesetzes“ vertreten.246 Zweifel an diesem Vorgehen weckt jedoch die deutliche Systematik im Aufbau des Art. 5 GG: Den fünf Kommunikationsgrundrechten des Abs. 1 folgt deren Schranke in Abs. 2, erst danach erfolgt in Abs. 3 die Verankerung der Kunstfreiheit als eigenständigem Grundrecht. Sollten sich die Schranken aus Abs. 2 auch auf die Kunstfreiheit des Abs. 3 beziehen, so müssten sie nach statt vor dieser stehen; mithin steht die Systematik des Art. 5 GG mit seiner eindeutigen Trennung der Grundrechte aus Abs. 1 und der Kunstfreiheit in Abs. 3 einer Schrankenübertragung entgegen.247 Weiterhin spricht der Wortlaut des Abs. 2 dagegen, denn wenn es in diesem Absatz heißt dass „[d]iese Grundrechte“ durch die allgemeinen Gesetze beschränkt werden, können grammatikalisch nur die vorgenannten Grundrechte des Abs. 1 gemeint sein.248 Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 5 GG spricht gegen eine Übertragung, denn Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sind erst kurz vor Redaktionsschluss mehr oder weniger zufällig in einem Artikel des Grundgesetzes zusammengelegt worden, nachdem vom parlamentarischen Rat wie schon zuvor in der WRV249 die Kunstfreiheit getrennt von den Grundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG betrachtet und diskutiert wurde.250 Insbesondere die am 05. 10. 1948 in der Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats geäußerte Anmerkung des Abgeordneten von Mangoldt, dass die Kunstfreiheit in unmittelbarer Verbindung mit der Meinungsfreiheit stehe, bezog sich auf eben diese damals noch vorgesehene räumliche Trennung von Kunst- und Meinungsfreiheit und ging so gerade von verbundenen, aber grundsätzlich selbstständigen Gewährleistungen aus.251 Zuletzt ist wieder das historische Argument anzuführen,

246 Vor allem in der älteren Literatur: Bettermann, Grenzen der Grundrechte, S. 27; Geiger, in: Festschrift für Gerhard Leibholz, S. 198 f.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 231 ff./ 257 ff.; Lerche, Werbung und Verfassung, S. 91; ders., BayVBl. 1974, S. 180; Maunz, BayVBl. 1970, S. 356; Oettinger, UFITA 71 (1974), S. 38 f.; Schmidt, GA 1966, S. 104 f. 247 BVerfGE 30, 173 (191) (Mephisto); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 197; i. E. auch Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 53; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 57; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 95; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 176. 248 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 197; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 53; i. E. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 57. 249 Kunstfreiheit in Art. 142 S. 1 WRV („Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“). Die Meinungsfreiheit bspw. in Art. 118 Abs. 1 S. 1 WRV („Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern.“). 250 Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 10, 53; i. E. auch Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 95. 251 BVerfGE 30, 173 (192) (Mephisto); vgl. zu von Mangoldts Äußerung Leibholz/ v. Mangoldt, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N.F. 1, S. 89 ff.

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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dass in bewusster Abkehr von der Praxis während der Zeit des Nationalsozialismus die Kunstfreiheit eigenständig und eigengesetzlich garantiert werden soll.252 Mithin kommt eine Übertragung der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG nicht in Betracht.253 2. Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG Andere ältere Stimmen in der Literatur wollten eine Schrankenübertragung der Schrankentrias der Allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG vornehmen.254 Selbst der BGH nutzte einst in einer Einzelfallentscheidung die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Kunstfreiheit.255 Allerdings wird der „Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung“ seit der ElfesEntscheidung in weiter Auslegung als „verfassungsmäßige Rechtsordnung“, also als die Gesamtheit aller formell und materiell verfassungsgemäßer Rechtsnormen, verstanden.256 Darunter fielen sämtliche Strafnormen. Wendete man diese weite Schranke auf die Kunstfreiheit an, würde Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als eigentlich vorbehaltloses Grundrecht lediglich unter einen sehr geringen Schutz gestellt, was seiner herausragenden Stellung nicht gerecht würde.257 Zudem wird Art. 2 Abs. 1 GG seit der Elfes-Entscheidung des BVerfG allgemein als subsidiäres Auffanggrundrecht verstanden.258 Da sich diese Subsidiarität aber nicht nur auf der Tatbestandsseite erschöpfen darf, sondern auch bezüglich der Schranken gelten muss, widerspricht die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG einer Anwendung seiner Schranken auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.259 Anderenfalls würde die fein austarierte Schrankendogmatik der übrigen Grundrechte unterlaufen.260 252

BVerfGE 30, 173 (192) (Mephisto); vgl. auch Ridder, Freiheit der Kunst, S. 18. I. E. ferner genauso: BVerfGE 33, 52 (71) (Der lachende Mann); 35, 202 (244) (Soldatenmord); 67, 213 (228) (Anachronistischer Zug); 83, 130 (139) (Josefine Mutzenbacher); BVerfG, NJW 2001, S. 596 (Deutschland muss sterben). 254 Schmidt, GA 1966, S. 104 f.; Wehrhahn, AöR 1957, S. 272; Krauss, FamRZ 1959, S. 488; Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte, S. 131; Ropertz, Freiheit der Kunst, S. 130; Leiss, NJW 1962, S. 2323. 255 BGH, GA 1961, S. 239 (S. 240) (Döhl); zustimmend: Buchholz, in: Bauer/Bürger-Prinz/ Giese/Jäger, Sexualität und Verbrechen, S. 333 f. 256 BVerfGE 6, 32 (37 f.) (Elfes); 50, 256 (262); 57, 361 (378); 63, 88 (108 f.); 74, 129 (152); 80, 137 (153) (Reiten im Walde); 90, 145 (171 f.) (Cannabis); 91, 186 (201); 96, 375 (397 f.); 103, 197 (215); 113, 88 (103). 257 Vgl. Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450; vgl. v. Mutius, VerwArch 63 (1972), S. 77. 258 BVerfGE 6, 32 (37) (Elfes); 9, 63 (73); 9, 338 (343); 10, 55 (58); 10, 185 (199); 11, 234 (238); 13, 290 (296); 21, 227 (234); 23, 50 (55 f.); 30, 336 (351); 58, 358 (363); 64, 208 (213); 65, 196 (209); 65, 237 (248); 67, 157 (171); 83, 182 (194); 95, 173 (188); 98, 265 (328); 101, 54 (74). 259 BVerfGE 30, 173 (192) (Mephisto); Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 197. 260 v. Pollern, JuS 1977, S. 646; Fischer, Kunst, S. 48. 253

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

Somit können auch die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG nicht auf die Kunstfreiheit übertragen werden.261 3. Schranken konkurrierender Grundrechte Teilweise sollen für den Fall, dass dem Grundrechtsträger mehrere konkurrierende Grundrechte zur Seite stehen, deren Schranken auch auf die vorbehaltlosen Grundrechte übertragen werden: Wenn also bspw. ein Künstler in einem in seinem Eigentum stehenden Atelier schöpferisch tätig wird und so neben der Kunstfreiheit auch noch die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Anspruch nimmt, sollten deren Schranken auch auf die Kunstfreiheit Anwendung finden.262 Lerche kritisiert dieses summarische Addieren bzw. Subtrahieren von Grundrechten als unfruchtbares Verfahren.263 Ganz richtig führte es auch zu dem absurden Ergebnis, dass eine Rechtfertigung eines Eingriffs umso einfacher wäre, je mehr Grundrechte beeinträchtigt sind, also je stärker ein Grundrechtsträger belastet ist. Mithin ist auch diesem Ansatz nicht zu folgen. 4. Zwischenergebnis Eine Übertragung der Schranken anderer Grundrechte auf die Kunstfreiheit kommt nicht in Betracht.

III. Schranke kollidierenden Verfassungsrechts Nachdem weder der Gemeinschaftsvorbehalt noch die verschiedenen Vorschläge der Schrankenübertragung eine zufriedenstellende Lösung für eine Rechtfertigung von Eingriffen in das vorbehaltlose Grundrecht der Kunstfreiheit bereithalten konnten, kommt als letzte Möglichkeit eine Rechtfertigung durch die verfassungsimmanente Schranke kollidierenden Verfassungsrechts in Betracht. 1. Wirkungsweise Um die Idee einer solchen Rechtfertigung nachzuvollziehen, ist eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Anlass der vorangegangenen Schrankensuche angezeigt: Die widersprüchliche Pattsituation, wenn sich konfligierende, grundsätzlich 261 I. E. ferner genauso: BVerfGE 67, 213 (228) (Anachronistischer Zug); 83, 130 (139) (Josefine Mutzenbacher); BVerfG, NJW 2001, S. 596 (Deutschland muss sterben). 262 v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflage, Art. 5 GG, S. 259; vgl. dazu ferner die Ausführungen bei Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 127 f. Bzgl. Kunst und Meinungsfreiheit auch OVG Münster, NJW 1959, S. 1890 (1892). 263 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 129.

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte gegenüberstehen und jeder Grundrechtsträger die eigene grenzenlose Vorbehaltlosigkeit einzufordern versucht. Die tatsächliche Lösung einer solchen Situation liegt auf der Hand: Es muss ein Kompromiss gefunden werden, indem beide Grundrechtsträger jeweils ein Stück ihrer Position einräumen und einen Ausgleich ihrer widerstreitenden Interessen in der Mitte anstreben. In diesem Sinne führte das BVerfG erstmals 1970 in der KriegsdienstverweigererEntscheidung wie folgt aus: „Nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen. Dabei auftretende Konflikte lassen sich nur lösen, indem ermittelt wird, welche Verfassungsbestimmung für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht hat […]. Die schwächere Norm darf nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muss in jedem Fall respektiert werden.“264

Aus diesem Diktum des BVerfG folgt im Umkehrschluss, dass ein vorbehaltloses Grundrecht stets überwiegen muss, also nie eingeschränkt werden kann, wenn sich ihm ein lediglich einfachrechtliches Gut ohne Verfassungsrang entgegenstellt. Wenn hingegen einem vorbehaltlosen Grundrecht konfligierende Rechte von Verfassungsrang gegenüberstehen, muss ein „schonender Ausgleich“265 der gegenläufig geschützten Interessen im Wege der „praktischen Konkordanz“266 gefunden werden. Dies bedeutet die Optimierung der Beziehung der gegenläufig geschützten Interessen: Keine der konfligierenden Positionen darf allein und maximal die andere überwiegen, sondern beide müssen möglichst weitgehend verwirklicht werden.267 Ob es sich bei den konfligierenden Rechten von Verfassungsrang um (beschränkbare) Grundrechte oder um sonstige Verfassungswerte handelt, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle, da keine „konsequente Rangordnung aller verfassungsrechtlichen Werte“ untereinander existiert und das Prinzip der Verfassungseinheit es verbietet, einseitig andere Rechtswerte von Verfassungsrang zu unterlaufen.268

264

BVerfGE 28, 243 (261). Zum Begriff siehe Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 153, da: „… nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleichs“; übernommen als „schonender Ausgleich“ u. a. von BVerfGE 93, 1 (21). 266 Der Begriff wurde geprägt von Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 III 2. c) bb), mittlerweile bereits in 20. Auflage erhältlich, vgl. Lerche, NJW 1989, S. 281. Übernommen u. a. von BVerfGE 89, 214 (232); 93, 1 (21); 97, 169 (176); 122, 89 (107). 267 BVerfGE 41, 29 (51); 52, 223 (247); 81, 278 (292) (Bundesflagge); 83, 130 (143) (Josefine Mutzenbacher); 93, 1 (21); 97, 169 (176); 122, 89 (107). 268 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 562; Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 697; Schnapp, JuS 1978, S. 733; auch schon BVerfGE 28, 243 (261) (Kriegsdienstverweigerer). 265

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

Technisch gesprochen muss bei einer jeden Rechtfertigung eines Eingriffs in ein vorbehaltloses Grundrecht durch kollidierendes Verfassungsrecht als SchrankenSchranke das Übermaßverbot, also die Verhältnismäßigkeit, beachtet werden.269 In diesem Rahmen kommt mit dem oben genannten als legitimer Eingriffszweck allein das explizit entgegenstehende Verfassungsgut in Betracht.270 Weiterhin darf der Staat nur exakt so stark in das vorbehaltlose Grundrecht eingreifen, wie er unbedingt muss, um dem kollidierenden Verfassungsrecht dessen staatlichen Mindestschutzanspruch zu gewähren; geht die Maßnahme des Staates über diesen Mindestschutz hinaus, greift der Staat also stärker als unbedingt nötig in das vorbehaltlose Grundrecht ein, so ist dieser Eingriff nicht mehr angemessen.271 Das Übermaßverbot bezüglich des Eingriffs in das vorbehaltlose Grundrecht und das Untermaßverbot bezüglich des Schutzes des kollidierenden Verfassungsrechts müssen sich mithin decken.272 Stets ist dabei im Rahmen der Angemessenheit eine genaue, nicht lediglich formelhafte Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.273 Speziell für die Kunstfreiheit spricht das BVerfG dabei von einer Wechselwirkung zwischen der einzuschränkenden Kunstfreiheit und dem kollidierenden Verfassungsrecht, sodass dieses wiederum im Lichte der Bedeutung der Kunstfreiheit auszulegen ist, um vorgenannten schonenden Ausgleich der konfligierenden Interessen finden zu können.274 Dabei ist sogar schon bei der vorgelagerten Frage, ob etwaig entgegenstehende Verfassungsrechte überhaupt tatsächlich beeinträchtigt sind, eine „kunstspezifische Betrachtung“ unter besonderer Berücksichtigung der Wirkweise der Kunst vorzunehmen.275 So kann unter Umständen ein Kunstwerk so 269 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 65; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 454; Dreier, in: Dreier, GG, Vorb., Rn. 145; BVerfGE 30, 173 (199) (Mephisto); 83, 130 (143) (Josefine Mutzenbacher). 270 Michael, JuS 2001, S. 150. 271 Vgl. Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 813 f.; Hain, DVBl 1993, S. 983. 272 Vgl. Starck, JZ 1993, S. 817; Hain, DVBl 1993, S. 983. Zum Begriff des Untermaßverbotes vgl. Canaris, AcP 184 (1984), S. 228; ders., JuS 1989, S. 163; Isensee, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht V, § 111, Rn. 165. Übernommen wurde dieser Begriff vom BVerfG im „zweiten Abtreibungsurteil“: NJW 1993, S. 1751 (S. 1754). Das Untermaßverbot wird oft dahingehend kritisiert, dass es nichts Neues erklären könne, was sich nicht schon aus der konsequenten Umsetzung des Übermaßverbotes ergebe, Hain, DVBl 1993, S. 983; Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 814. Dies mag auch vom materiellen Sinngehalt her stimmen. Allerdings hilft meines Erachtens der Begriff des Untermaßverbotes als Gegenpol zum Übermaßverbot, die Anforderungen an die Gestaltung des „schonenden Ausgleichs“ i. S. d. „praktischen Konkordanz“ zu visualisieren und umschreiben und soll deshalb an dieser Stelle genutzt werden. 273 BVerfGE 77, 240 (253) (Herrnburger Bericht). 274 Vgl. BVerfGE 67, 213 (228) (Anachronistischer Zug); 77, 240 (253) (Herrnburger Bericht); 83, 130 (143) (Josefine Mutzenbacher); 119, 1 (23) (Esra). Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 56. 275 BVerfGE 119, 1 (27 ff., 38 ff., 49 ff.) (Esra); angedeutet bereits bei Sondervotum Stein, BVerfGE 30, 200 (204 f.) (Mephisto); vgl. ferner BGH, NJW 2009, S. 751 (S. 752); OLG München, NJW-RR 2009, S. 477 (S. 478); Lenski, NVwZ 2008, S. 282 f.

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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zu interpretieren sein, dass es im Zweifel die Rechte anderer – insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht – gar nicht berührt.276 Da im Rahmen der Abwägung allen besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist, sind auch etwaig angezeigte Unterschiede in der Schutzwürdigkeit der jeweiligen konkreten Ausübung der Kunstfreiheit in die Abwägung einzustellen; so bspw. in sachlicher Hinsicht, ob der Werk- oder lediglich der Wirkbereich betroffen ist. In der Regel sind dabei erhöhte Anforderungen an eine Beschränkung des Werkbereiches zu stellen, sodass als milderes Mittel eine Beschränkung allein des Wirk- statt des Werkbereiches angezeigt sein kann, während umgekehrt eine Kollision im Wirkbereich von vornherein auch nur zu Beschränkungen des Wirkbereiches führen kann.277 Jedoch ist eine starre Stufenlösung abzulehnen, die die Schranke kollidierenden Verfassungsrechts nur auf den Werkbereich anwendet und den Wirkbereich bereits durch die allgemeine Rechtsordnung einschränken will.278 Diese Aufspaltung in zwei grundsätzlich verschieden geschützte Grundrechte widerspräche der unlösbaren Einheit von Werk- und Wirkbereich.279 Insbesondere sind die Grenzen zwischen beiden Bereichen besonders bei modernen Kunstformen wie Happenings, die aus einem einzigen Akt der Kunstschaffung und gleichzeitigen Kommunikation bestehen, fließend bis nicht existent.280 Zu beachten ist allgemein bei einer jeden Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht, dass eine solche nicht einfach allein durch die vorgenannte Abwägung unter Verzicht auf jegliche gesetzliche Anknüpfung erfolgen darf, sondern

276 Diesbzgl. ist Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 56 etwas kritisch, da er eine schwer widerlegliche Vermutung zugunsten der Kunstfreiheit in der zukünftigen gerichtlichen Praxis vermutet. 277 Vgl. v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 58; BVerfGE 77, 240 (253, 255) (Herrnburger Bericht). 278 So eine Ansicht begründet in Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Auflage, Art. 5 Abs. 3, Rn. 207 f. Daran in 2010 immer noch festhaltend: Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Auflage, Art. 5 Abs. 3, Rn. 330. Mittlerweile in 2018 aufgegeben, siehe Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 451. Ähnlich vertritt Erhardt, Satire, S. 108 ff. ebenfalls eine Differenzierung zwischen Werk- und Wirkbereich, hält dabei aber ersteren für uneinschränkbar und letzteren für beschränkbar durch kollidierendes Verfassungsrecht. Ablehnend: BVerfGE 77, 240 (253 ff.) (Herrnburger Bericht); Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 98, Fn. 682; v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 58; Henschel, NJW 1990, S. 1942; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 198a. Enger als das BVerfG gegen jegliche Abstufungen: Karpen/Hofer, JZ 1992, S. 953 f. 279 Siehe BVerfGE 30, 173 (189) (Mephisto); BVerfGE 77, 240 (254) (Herrnburger Bericht); Henschel, NJW 1990, S. 1942, sowie oben S. 52 ff. 280 BVerfGE 77, 240 (254) (Herrnburger Bericht). Als Beispiel einer Kunstform bei der Werk- und Wirkbereich zusammenfallen siehe das Straßentheater in BVerfGE 67, 213 ff. (Anachronistischer Zug) oder die Straßenkunst in BVerwGE 84, 71 (74) (Straßenkunst); vgl. Henschel, NJW 1990, S. 1942; jüngst OVG Münster, Beschluss v. 24. 08. 2017 – 11 B 938/17, Rn. 9; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 47; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 432; Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 633.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

stets einer gesetzlichen Grundlage bedarf.281 Dies folgt nicht nur aus dem aus Art. 20 GG hervorgehenden Vorbehalt des Gesetzes, sondern auch aus dem ErstRecht-Schluss, dass anderenfalls vorbehaltlose Grundrechte leichter einschränkbar wären als solche mit geschriebenem Schrankenvorbehalt.282 Meist wird nach der sog. Wesentlichkeitstheorie283 sogar der Parlamentsvorbehalt ausgelöst werden.284 Im Ergebnis kann so dasselbe Strafgesetz, bei dessen Vollstreckung oder durch dessen bloße Existenz in die Kunstfreiheit eingegriffen wird,285 zugleich als Schranke der Kunstfreiheit die nötige Rechtfertigung für diesen Eingriff darstellen.286 Als Schranken-Schranke ist jedoch mit dem oben Gesagten wiederum das jeweilige Strafgesetz im Lichte der Kunstfreiheit zu betrachten und muss das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt sein. Die Rechtfertigung von Eingriffen in die vorbehaltlose aber eben nicht schrankenlos garantierte Kunstfreiheit durch kollidierendes Verfassungsrecht ist seit der Mephisto-Entscheidung nicht nur jahrzehntelange ständige Rechtsprechung des BVerfG287, des BVerwG288 und des BGH289, sondern auch in der Literatur290 herrschend. Deshalb könnte man sie als akzeptiertes Verfassungsrichterrecht, wenn nicht gar bereits als Verfassungsgewohnheitsrecht291 bezeichnen.292

281 BVerfGE 107, 104 (120); 108, 282 (297); 122, 89 (107); 128, 1 (41); Dreier, in: Dreier, GG, Vorb., Rn. 141. 282 Vgl. BVerfGE 83, 130 (142 f.) (Josefine Mutzenbacher); Dreier, in: Dreier, GG, Vorb., Rn. 141, Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 45; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1, Rn. 125, Art. 20, Rn. 113 ff. 283 BVerfGE 6, 32 (42) (Elfes); 20, 150 (157 f.); 33, 125 (158); 80, 137 (161); 83, 130 (142) (Josefine Mutzenbacher). Zum Begriff: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 44. 284 Vgl. BVerfGE 83, 130 (142) (Josefine Mutzenbacher). 285 Siehe oben S. 62 ff. 286 Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 54, 63. 287 BVerfGE 30, 173 (193) (Mephisto); 33, 52 (71) (Der lachende Mann); 67, 213 (228) (Anachronistischer Zug); 75, 369 (379) (Kopulierendes Schwein); 77, 240 (253) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (296) (Bundesflagge); 81, 298 (308) (Deutschlandlied ’86); 83, 130 (139) (Josefine Mutzenbacher); BVerfG, NJW 2001, S. 596 (Deutschland muss sterben); BVerfG, NJW 2001, S. 598 (Germania); BVerfGE 119, 1 (23) (Esra). 288 BVerwGE 77, 75 (82) (Der stählerne Traum); 91, 211 (215 ff.) (Opus Pistorum); 91, 223 (224 ff.) (Zärtliche Rituale); BVerwG, JMS Report 1993/1, 9 (10) (Rambo III). 289 BGHSt 37, 55 (62) (Opus Pistorum); BGHZ 84, 237 (238). 290 Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 53; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 96; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 198; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 44; Kempen, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5, Rn. 176; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 128. Grundsätzlich auch Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 57, 64 (erweitert um die Schranke des „Sittengesetzes“, Rn. 61, 64) und Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 450. 291 Zur tiefergehenden Problematik, ob Verfassungsgewohnheitsrecht überhaupt neben der geschriebenen Verfassung Platz finden kann: Stern, Staatsrecht I, S. 109 unten, 110 ff. 292 Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 629.

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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2. Kritik Gleichwohl sieht sich das gesamte Institut der Rechtfertigung vorbehaltloser Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht vereinzelt der Kritik ausgesetzt.293 Angriffspunkt ist dabei vor allem die Frage, wie weit eine Rechtfertigung über entgegenstehende Grundrechte hinaus auch durch sonstiges kollidierendes Verfassungsrecht reichen kann und sollte. Das Problem dabei ist, dass es über argumentative Verschränkungen beinahe immer möglich ist, das jeweilig gewünschte Eingriffsziel auf irgendeinem indirekten Wege in die Verfassung hineinzulesen.294 Vereinzelte Beispiele aus der Rechtsprechung wie das „Interesse der staatlichen Gemeinschaft an einer funktionstüchtigen Rechtspflege“295, „die Krankenversorgung“296 oder nicht näher konkretisierte „verfassungsrechtlich geschützte Gemeinschaftsgüter“297 zeigen, dass die Konstruktion eines irgendwie gearteten Verfassungsranges durchaus abenteuerliche Ausmaße annehmen kann, die rege Erinnerungen an den oben noch einhellig abgelehnten Gemeinschaftsvorbehalt des früheren BVerwG wecken. Weitergehend könnte – wie am Beispiel des öffentlichen Friedens298 noch zu zeigen ist – theoretisch gar die Verletzung eines jeden beliebigen Strafgesetzes und damit eines jeden Rechtsgutes als Problem des Rechtsstaatsprinzips299 betrachtet werden und so eine Art verfassungsrechtliche Verankerung konstruiert werden. Das Ergebnis wäre ein einfacher Gesetzesvorbehalt und damit eine komplette Nivellierung der Anforderungen an die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen.300 Damit würde die Entscheidung des Verfassungsgebers, Grundrechte wie die Kunstfreiheit grundsätzlich als vorbehaltlos auszugestalten, komplett unterminiert.301

293 So z. B. Beisel, Kunst, S. 379 ff., S. 390, der durch das Institut eine faktische Beschränkung der Kunst sieht, die genauso stark sei wie durch eine direkte Anwendung der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG und der sich deshalb in der Konsequenz gar für eine Abschaffung der Kunstfreiheit als eigenständiges Grundrecht ausspricht. Vgl. zur Kritik ferner: Kriele, JA 1984, S. 631; Lerche, BayVBl. 1974, S. 180; Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 44 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 477 ff., 479 f. 294 Kriele, JA 1984, S. 631; Lerche, BayVBl. 1974, S. 180. 295 BVerfGE 33, 23 (32), kritisch dazu jedoch wieder BVerfGE 77, 240 (255) (Herrnburger Bericht). 296 BVerfGE 57, 70 (99). 297 BVerfGE 47, 327 (380 f.). 298 Siehe dazu unten S. 158 ff. 299 In diese Richtung Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 198. 300 Ähnlich Fischer, Kunst, S. 109. 301 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 129.

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

3. Stellungnahme Diese Kritik ist nicht leicht von der Hand zu weisen. Im Gegenteil ist ihr im Grundsatz zuzustimmen. Die relevante Frage ist dabei jedoch, was die Konsequenz dieser dem Grunde nach berechtigten Kritik sein sollte. Keinesfalls muss und sollte allein aufgrund vereinzelt auftretender Mängel im Umgang mit der Rechtfertigung vorbehaltloser Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht sofort das komplette Institut selbst abgeschafft302 werden. Vielmehr ist Mängeln bei der Anwendung des Instituts auch genau auf dieser Ebene zu begegnen: Bei der konkreten Anwendung. Die Rechtfertigung vorbehaltloser Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht sollte also sehr wohl beibehalten, jedoch sorgfältiger gehandhabt werden. Es sollte sich auf die Ursprünge dieses Instituts zurückbesonnen und damit dessen Grenzen wieder enger, strikter und konsequenter gezogen werden: Ein Eingriffsziel, das sich nicht in der Verfassung wiederfinden lässt, darf deshalb einfach keinen Eingriff in ein vorbehaltloses Grundrecht rechtfertigen können. So darf sich nicht auf die formelhafte Nennung allgemeiner Ziele wie den „Schutz der Verfassung“ oder die „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ zurückgezogen werden, sondern muss das konkret entgegenstehende Verfassungsgut dezidiert herausgearbeitet und benannt werden.303 Für jegliche Begrenzungswirkung gegenüber vorbehaltlosen Grundrechten ist so eine „präzise faßbare verfassungsrechtliche Grundlage“ zu verlangen.304 Darüber hinaus muss das konkrete Rechtsgut verfassungsrechtlich positiviert sein, ihm muss also ein besonderer Schutz final zugedacht sein, die bloße reflexhafte Nennung im Wortlaut des Grundgesetzes genügt hingegen nicht.305 Die Nennung im Wortlaut des Grundgesetzes ist damit zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Die offensichtlichste und unstreitige Kategorie potentiell entgegenstehenden Verfassungsrechts stellen die konfligierenden Grundrechte Dritter dar, da diese eindeutig in Art. 1 ff. GG genannt und positiviert sind. Daneben können in Einklang mit dem soeben Genannten grundsätzlich auch sonstige Werte von Verfassungsrang eine Beschränkung der Kunstfreiheit bewirken.306 Um die vorgenannte Kritik zu entkräften, genügt jedoch gerade bei diesen nicht die lediglich formelhafte Nennung eines wie auch immer gearteten Rechtswertes und die anschließende bloße Be302

Wie es eben Beisel, Kunst, S. 380 fordert. So auch BVerfGE 77, 240 (255) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (293) (Bundesflagge); Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 696. 304 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 555. Siehe zum Problem der Schöpfung von ungeschriebenem Verfassungsrecht ausführlich Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, wenngleich im Ergebnis deutlich offener gegenüber der Existenz von insbesondere mitgesetzem und selbstverständlichem Verfassungsrecht, vgl. § 9 C, sowie Verfassungsgewohnheitsrecht, vgl. § 10. 305 Gusy, JZ 1990, S. 641; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, S. 156 f.; Buscher, NVwZ 1997, S. 1064. 306 Siehe soeben S. 70 f. 303

C. Rechtfertigung von Eingriffen

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hauptung eines korrespondierenden Verfassungsranges. Vielmehr kann sonstigen Werten nur dann tatsächlich Verfassungsrang zugesprochen werden, wenn diese Rechtswerte konkret und dezidiert aus der Verfassung herausgearbeitet und auf ihre Positivierung in der Verfassung hin übergeprüft wurden. Wie unter diesen Voraussetzungen der in dieser Arbeit thematisierte öffentliche Frieden zu bewerten ist, wird ausführlich unten im Rahmen der Untersuchung des öffentlichen Friedens geprüft.307 Anschließend darf sich auch auf der Ebene der Abwägung des Einzelfalls bei der Frage der Intensität und des Ausmaßes der Betroffenheit des jeweilig entgegenstehenden Rechts nicht formelhaft auf eine Feststellung der Betroffenheit zurückgezogen werden. Gleich ob es sich um ein Grundrecht oder einen sonstigen Wert von Verfassungsrang handelt, muss auch auf dieser Ebene sorgfältig und genau gearbeitet werden, um vorgenannte Kritik entkräften zu können. Es muss so stets die tatsächliche Intensität und das konkrete Ausmaß der Betroffenheit für jeden Einzelfall exakt festgestellt werden. Wird dieser aufgezeichnete Weg sorgfältig befolgt, kann der unter 2. dargestellten Kritik die Angriffsfläche genommen werden, ohne dass es der kompletten Aufgabe des Instituts der Rechtfertigung von Eingriffen in vorbehaltlose Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht bedürfe oder gar für eine Abschaffung308 der eigenständigen Schutzstellung des vorbehaltlosen Grundrechts der Kunstfreiheit plädiert werden müsse.309 4. Zwischenergebnis Eingriffe in die Kunstfreiheit können durch die verfassungsimmanente Schranke kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigt werden. Dabei ist jedoch die Kritik an einer potentiellen Ausuferung dieses Rechtsinstitut ernst zu nehmen und dieses deshalb sorgfältig und restriktiv anzuwenden. Insbesondere ist so bei jeder Anwendung exakt herauszuarbeiten, welches konkrete Rechtsgut der Kunstfreiheit im Einzelfall entgegensteht und ob dieses tatsächlich von Verfassungsrang ist.

IV. Fazit Für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit ist festzuhalten, dass ein Eingriff in die Kunstfreiheit durch ein Strafgesetz gerechtfertigt werden kann, wenn der Eingriffszweck, also das vom jeweiligen Tatbestand geschützte Rechtsgut, tatsächlich kollidierendes Verfassungsrecht darstellt. Dabei ist besonderes Augenmerk 307

Siehe unten S. 158 ff. So eben Beisel, Kunst, S. 380. 309 Siehe auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 558. So auch v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 57 unten, der die Kritik lediglich „bei fahrlässiger Handhabung der verfassungsimmanenten Schranken“ als berechtigt ansieht. 308

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Teil 1: Verfassungsrechtlicher Schutz der Kunst

darauf zu legen, dass dieses nicht lediglich formelhaft genannt und behauptet wird. Vielmehr muss konkret und dezidiert herausgearbeitet werden, dass es sich tatsächlich um positiviertes Verfassungsrecht handelt. Ferner muss im Rahmen der Angemessenheit das Über- und Untermaßverbot beachtet werden, indem bei einer Abwägung im Einzelfall ein schonender Ausgleich der konfligierenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz gefunden wird. Bei dieser Einzelfallabwägung ist sämtlichen Umständen Rechnung zu tragen, die in wertender Hinsicht auftreten können, so bspw. Unterschiede in der Schutzbedürftigkeit des Werk- und Wirkbereiches der Kunstfreiheit oder die Intensität der konkreten Betroffenheit des entgegenstehenden Verfassungsrechts. Ob nun die Anwendung der Straftatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens den herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Rechtfertigung von Eingriffen in die Kunstfreiheit genügt, wird ausführlich im dritten Teil der vorliegenden Arbeit geprüft. Vor die Klammer gezogen wird dabei untersucht werden, ob der öffentliche Frieden tatsächlich den hier aufgestellten Anforderungen an eine Klassifizierung als Verfassungsrechtsgut genügen kann. Etwaig zusätzlich hinter den Straftatbeständen zum Schutz des öffentlichen Friedens stehende und damit potentiell der Kunstfreiheit entgegenstehende Rechtsgüter werden hernach im Rahmen der Untersuchung dieser einzelnen Tatbestände jeweils auf ihren Verfassungsrang hin überprüft.

D. Zusammenfassung des ersten Teils Um der Dynamik der Kunst gerecht zu werden und eine flexible Bearbeitung von Einzelfällen zu ermöglichen, ist von einem topischen Kunstbegriff auszugehen. Dieser verbindet formale, materiale und zeichentheoretische Elemente, die nicht kumulativ vorliegen müssen, sondern sich gegenseitig substituieren oder verstärken können. In diesem Sinne ist ein Werk Kunst, wenn – es bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt und/oder – es eine freie schöpferische Gestaltung darstellt, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse als unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden und/oder – es wegen der Mannigfaltigkeit seines Aussagegehalts möglich ist, seiner Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt, da die die Darstellung komponierenden Zeichen insgesamt über ihre alltägliche Aussagefunktion hinauswirken (also gewissermaßen zuzüglich zu dem tatsächlich physisch Dargestellten ein darüberhinausgehender interpretierbarer Inhalt des Werkes vorhanden ist).

D. Zusammenfassung des ersten Teils

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Der Schutzbereich der Kunstfreiheit umfasst in sachlicher Hinsicht Werk- und Wirkbereich und in personaler Hinsicht sowohl Künstler als auch Kunstmittler, nicht jedoch Rezipienten oder Kunstkritiker. Für die vorliegende Arbeit relevante Eingriffe in den Schutzbereich der Kunstfreiheit sind vor allem strafrechtliche Verurteilungen, Indizierungen, sowie die bloße Existenz der einzelnen Strafrechtsnormen zum Schutz des öffentlichen Friedens aufgrund der potentiellen Abschreckungswirkung dieser Normen auf Künstler. Gerechtfertigt werden kann ein Eingriff in die Kunstfreiheit durch ein Strafgesetz, wenn der Eingriffszweck, also das vom jeweiligen Tatbestand geschützte Rechtsgut, tatsächlich kollidierendes Verfassungsrecht darstellt. Bei einer Abwägung im Einzelfall ist sodann ein schonender Ausgleich der konfligierenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz zu finden, bei dem sämtlichen Umständen des Einzelfalls in wertender Hinsicht Rechnung zu tragen ist.

Teil 2

Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht Stehen Verfassungsrecht und Strafrecht in Konflikt, so stellt sich die Frage, wie genau die verfassungsrechtlichen Implikationen in das System des Strafrechts eingeflochten werden können. In diesem Sinne werden im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit zunächst allgemein Möglichkeiten der Strafbefreiung durch Grundrechte behandelt. Im Anschluss werden die gefundenen Ergebnisse auf die speziellere Frage der Strafbefreiung durch das Grundrecht der Kunstfreiheit übertragen. Prima facie erklärt sich das Verhältnis von Grundrechten und Strafrecht ganz einfach mithilfe der bekannten Normenhierarchie. Das Grundgesetz steht als Verfassung der Bundesrepublik Deutschland über dem Strafrecht als einfachgesetzlichem Bundesrecht, vgl. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG.1 Höherrangiges Recht bricht dabei im Sinne eines Stufenverhältnisses grundsätzlich rangniederes Recht: Der Verfassung kommt damit Vorrang vor dem einfachen Recht zu.2 Bei näherer Betrachtung stellt sich das Verhältnis jedoch als etwas komplizierter dar. Stellt das rangniedere Recht nämlich zugleich eine Schranke des höherrangigen Grundrechts dar, so ergibt sich eine Wechselwirkung: Das Grundrecht wird vom einfachen Gesetz eingeschränkt, das seinerseits wieder im Lichte des Grundrechts angewendet werden muss.3 Nach dem Vorgenannten verbieten sich von vornherein zwei vermeintlich einfache Lösungen: Sowohl die Lösung, dass die Grundrechte unbedingten Vorrang haben und damit schon bei einem Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts das eingreifende Strafgesetz schlicht nicht anzuwenden ist; als auch die genau entgegengesetzte Lösung, dass das Strafrecht unbedingten Vorrang genießt und einfach jedes tatbestandsmäßige Handeln das jeweilig betroffene Grundrecht 1 Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff.; ders., NVwZ 1984, S. 401 ff.; Eilsberger, JuS 1970, S. 321; Schneider, DÖV 1975, S. 448; Isensee, in: Festschrift für Walter Leisner, S. 360. 2 Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 105; Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 109; Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff.; ders., NVwZ 1984, S. 401 ff.; Schneider, DÖV 1975, S. 448. 3 Das BVerfG proklamierte diese Wechselwirkungslehre zuerst in BVerfGE 7, 198 (208 f.) (Lüth), seitdem st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 61, 1 (10 f.); 86, 1 (10 f.) (TITANIC – geb. Mörder); 93, 266 (292). Vgl. zur Wechselwirkungslehre bei der Kunstfreiheit schon oben S. 70 ff. Vgl. zur Übernahme der Wechselwirkungslehre ins Strafrecht: Radtke, GA 2000, S. 27; Kühl, Strafrecht AT, § 9, Rn. 113; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32, Rn. 28; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 138.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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komplett einschränkt.4 Wenn nämlich das Strafgesetz nicht wie von der Wechselwirkungslehre gefordert im Lichte des jeweiligen Grundrechts, sondern einfach in jedem tatbestandlich passenden Fall gleich angewendet wird, kann dies im Einzelfall zu einem unverhältnismäßigen und damit nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht führen. Eine solche verfassungswidrige Beschränkung des Grundrechts darf in einem Rechtsstaat aber nicht einfach hingenommen werden, vielmehr muss jeder Einzelfall stets einer verfassungsgemäßen Lösung zugeführt werden. Fraglich ist dabei allerdings, wie genau die verfassungsrechtlichen Wertungen der Grundrechte in das Strafrecht eingebaut werden können, auf welchem Wege also das Strafgesetz seinerseits im Lichte des Grundrechts angewandt wird. Letztlich stellt sich im Folgenden so die Frage nach der Reichweite und Methodik einer verfassungskonformen Strafrechtanwendung im Einzelfall.5 Im Folgenden wird dabei vom klassischen dreistufigen Deliktsaufbau in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld ausgegangen.6 Nicht gefolgt wird damit dem zweistufigen Deliktsaufbau, der aus der Lehre von den Rechtfertigungsgründen als negativen Tatbestandsmerkmalen resultiert.7

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein Zunächst soll der allgemeine Diskurs über eine Strafbefreiung durch Grundrechte abstrahiert dargelegt werden, ohne bereits hier den Blick allein auf die Kunstfreiheit zu verengen. Dabei werden im Folgenden strafrechtsimmanente und strafrechtsexterne Lösungen unterschieden.

I. Strafrechtsimmanente Lösungen Strafrechtsimmanente Möglichkeiten sind solche, die die Wertungen der Grundrechte mit den originären Mitteln und Instrumentarien des Strafrechts in dasselbe einzuflechten vermögen. Die folgende Abhandlung soll einen Überblick

4

Vgl. so ähnlich Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 138. Letztere Vorgehensweise entspräche im Übrigen bzgl. der Kunstfreiheit faktisch der oben dargelegten und abgelehnten Bestimmung des Kunstbegriffes nach ethischen Maßstäben, demnach bei Erfüllung eines Straftatbestandes keine Kunst i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vorliege, siehe S. 42 ff. 5 Ähnlich Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 646; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 33. 6 Vgl. zum dreistufigen Deliktsaufbau nur Eisele, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 13 ff., Rn. 15; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 13, Rn. 6; Welzel, Strafrecht, S. 48. 7 Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen wurde begründet von Merkel, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 82; vgl. dazu u. a. Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 10, Rn. 13 ff.; Puppe, in: Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels, S. 187 ff.

82

Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

über die verschiedenen vertretenen Lösungsvorschläge geben und diese jeweils einer Bewertung zuführen. 1. Materiell-rechtliche Lösungen Materiell-rechtliche Lösungen finden sich dabei nun auf verschiedenen Ebenen des Deliktsaufbaus. Im Folgenden sollen die einzelnen Lösungen in diese Ebenen eingeordnet werden. a) Tatbestandsebene Zunächst können Grundrechte natürlich auf den Tatbestand einwirken. Im Wesentlichen ergeben sich dabei zwei verschiedene Lösungsansätze auf dieser Ebene. aa) Direkte Anwendung kodifizierter Ausschlussklauseln Die erste und einfachste Möglichkeit ist dabei die direkte, nicht modifizierende Anwendung von Regelungen des Strafrechts, mit denen explizit der Einfluss der Grundrechte auf Straftatbestände einfachgesetzlich kodifiziert wurde. Einige wenige Tatbestände zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie ausdrückliche Ausschlussklauseln besitzen, die den jeweiligen Tatbestand in bestimmten Situationen für nicht anwendbar erklären. Beispielhaft seien hier die Klauseln § 86 Abs. 3 StGB8, § 91 Abs. 2 StGB9, § 109f Abs. 1 S. 2 StGB10, § 184b Abs. 5 Nr. 3 StGB11 und § 201a Abs. 4 StGB12 genannt. Erfasst die relevante Ausschlussklausel ein grundrechtlich geschütztes Verhalten, so wirkt das Verfassungs8 „Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“ 9 „Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn 1. die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder 2. die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.“ 10 „Ausgenommen ist eine zur Unterrichtung der Öffentlichkeit im Rahmen der üblichen Presse- oder Funkberichterstattung ausgeübte Tätigkeit.“ 11 „Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen: […] 3. dienstliche oder berufliche Pflichten.“ 12 „Absatz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.“

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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recht direkt über diese Klausel auf das Strafrecht ein, indem der betreffende Tatbestand einfach ausgeschlossen wird. Da es sich dabei um eine 1:1-Anwendung des geschriebenen Gesetzes handelt, ist kein erhöhter Begründungs- und Legitimierungsbedarf für eine solche Strafbefreiung erforderlich. Aufgrund der Seltenheit derartiger Klauseln ist dieser Ansatz aber nur fragmentarisch anwendbar und kann keine allgemeingültige Lösung bieten. bb) Verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale Die zweite Möglichkeit, die Grundrechte innerhalb des Tatbestandes zu berücksichtigen, ist die verfassungskonforme Auslegung13 von Tatbestandsmerkmalen: Solange der Wortlaut mehrere Deutungen zulässt, ist stets allein die mit der Verfassung in Einklang Stehende zu wählen.14 So kann das betreffende Grundrecht eine mittelbare Wirkung entfalten, indem die strafrechtliche Norm dergestalt ausgelegt wird, dass den verfassungsrechtlichen Implikationen die nötige Geltung verschafft wird.15 Die Tatbestandmerkmale werden damit bei Bedarf derart restriktiv ausgelegt, dass die fraglichen grundrechtssensiblen Sachverhalte nicht mehr unter die so verstanden engen tatbestandlichen Voraussetzungen subsumiert werden können und folglich Straffreiheit eintritt. Die absolute Grenze der verfassungskonformen Auslegung wird dabei jedoch stets von der Wortlautgrenze gesetzt.16 Somit hält sich auch diese Lösung im Ergebnis noch im Rahmen des Wortlautes einer originär strafrechtlichen Regelung. Geeignet sind aufgrund ihrer Ausfüllungsbedürftigkeit und damit grundsätzlichen Weite und Interpretierbarkeit insbesondere normative Tatbestandsmerkmale.17 Als

13 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass einige Autoren noch eine Kategorie der „grundrechtsorientierten Auslegung“ bzw. „verfassungsorientierten Auslegung“ als Mittelweg zwischen der einfachen und der verfassungskonformen Auslegung gefunden haben wollen, siehe zur Kritik: Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 72. Vgl. zum ganzen auch Kaspar, Grundrechtsschutz und Präventionsstrafrecht, S. 530 f. 14 So die allgemeine Voraussetzung einer verfassungskonformen Auslegung, vgl. BVerfGE 2, 266 (282) unter Verweis auf BayVfGH, DÖV 1952, S. 373; BVerfGE 19, 1 (5); 32, 373 (383 f.); 42, 143 (147); 48, 40 (45); Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31, Rn. 258 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Einführung, Rn. 52 ff. Noch abgelehnt von RGZ 9, 232 (234 f.), vgl. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 172. 15 Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 37; Appel, Verfassung und Strafe, S. 166. 16 BVerfGE 8, 38 (41); 18, 97 (111); 75, 329 (341); 85, 69 (73); 87, 209 (224); 110, 226 (267); Larenz, Methodenlehre, S. 322; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 66 ff. 17 So z. B. Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 37; Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 176. Zu weiteren Beispielen im Rahmen der Kunstfreiheit siehe unten S. 135 ff. Zur konkreten Anwendung im Rahmen der Untersuchung der einzelnen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens im dritten Teil siehe unten ab S. 171.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

eines der wichtigsten Beispiel kann die „Unzumutbarkeit“ in § 323c StGB dienen.18 Sie kann durchaus so ausgelegt werden, dass dem Handelnden ein ihn in seinen Grundrechten beschränkendes Verhalten unzumutbar ist. Zudem wäre die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB zu nennen.19 Durch verfassungskonforme Auslegung des normativen Merkmals der „Verwerflichkeit“ können die Wertungen der Grundrechte derart in dieses Merkmal hineingelesen werden, dass eine Handlung in Ausübung des jeweiligen Grundrechts schlicht nicht verwerflich ist.20 Bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen hingegen wird eine verfassungskonforme Auslegung oft bereits schnell an der Eindeutigkeit des Wortlauts scheitern, dessen äußerste Bedeutung schließlich die Grenze der verfassungskonformen Auslegung bildet. Gleichwohl halten einige Autoren, gerade auch der älteren Literatur, diese Möglichkeit für die vorzugswürdige und teilweise gar einzige Art, Grundrechte auf das Strafrecht einwirken zu lassen; dabei lehnen sie insbesondere Lösungen auf Rechtswidrigkeitsebene grundsätzlich ab.21 Die meisten Stimmen sehen demgegenüber in der verfassungskonformen Auslegung von Tatbestandsmerkmalen einfach eine von mehreren Möglichkeiten, wie Grundrechte auf das Strafrecht einwirken können – nicht mehr und nicht weniger.22 Entgegengesetzt wird vereinzelt – zumindest für manche Grundrechte – eine Lösung auf Tatbestandsebene komplett abgelehnt.23

18 Appel, Verfassung und Strafe, S. 166. Zur verfassungskonformen Auslegung der Unzumutbarkeit in § 323c StGB, bzw. dessen Vorläufer § 330c StGB a. F.: BVerfGE 32, 98 (108 ff.) (Gesundbeter); OLG Hamm, NJW 1968, S. 212 (S. 214), auch wenn da die Berufung auf das Grundrecht fehlschlug. 19 Dabei kann und soll es hier dahinstehen, ob man § 240 Abs. 2 StGB nun als Tatbestandsmerkmal oder eine besondere Feststellung der Rechtswidrigkeit sieht, vgl. dazu nur Fischer, StGB, § 240, Rn. 38 f.; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 240, Rn. 16; Heger, in: Lackner/ Kühl, StGB, § 240, Rn. 25. 20 Appel, Verfassung und Strafe, S. 166; BVerfG, NJW 1991, S. 971 f.; BVerfGE 73, 206 (253 ff.) (Sitzblockaden I); BVerfG, NJW 2011, S. 3020 (S. 3023); Wolter, NStZ 1986, S. 243 f.; Fischer, StGB, § 240, Rn. 41, 46 f. Hingegen kritisch, da nicht am Rechtsgüterschutz orientiert: Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 525. 21 KG Berlin, JR 1980, S. 290 f.; KG Berlin, NStZ 1992, S. 385; Erhardt, Satire, S. 178 ff.; Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 153 ff. 22 Vgl. BGHSt 19, 311 (315); Eilsberger, JuS 1970, S. 322 f.; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 649 f.; Bo¨ se, ZStW 113 (2001), S. 42; Appel, Verfassung und Strafe, S. 166; Hecker, in: Sch/ Sch, StGB, Vor § 1, Rn. 33 f; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 31 f., 38 ff. sowie ders., JZ 1969, S. 719 f. Vgl. auch BVerfGE 73, 206 (250, 253 ff.) (Sitzblockaden I); BVerfG, NJW 2009, S. 908 (S. 909). Vgl. zu einer verfassungskonformen Auslegung von Normen des Prozessrechts: BVerfGE 33, 23 (34) (auch wenn das BVerfG etwas verwirrend von einer „unmittelbare[n] und notfalls korrigierende[n] Wirkung“ spricht); 25, 305 (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als „gesetzlicher Grund“ i. S. d. § 70 StPO). Vgl. auch AG Tiergarten, NStZ 2000, S. 144 f. 23 Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 50; Würtenberger, NJW 1982, S. 612, zumindest bzgl. der Kunstfreiheit.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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Letzterer Auffassung ist insoweit zuzugestehen, dass die verfassungskonforme Auslegung von Tatbestandsmerkmalen in einigen Fällen wirklich keine befriedigende Lösung bieten kann und dies dann auch akzeptiert werden sollte. Anstatt also Grundrechte „krampfhaft“ unbedingt bereits auf Tatbestandsebene einwirken zu lassen, wenn sich insbesondere auf Rechtswidrigkeitsebene andere, besser passende Möglichkeiten24 anbieten, sollten die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung möglichst ernst genommen werden. Solange sich aber eine ungekünstelte Möglichkeit ergibt, die Wirkung der Grundrechte durch eine verfassungskonforme Auslegung auf Tatbestandsebene fließend in das Strafrecht einzuflechten, sollte diese durchaus wahrgenommen werden. Ob und wann dies möglich ist, lässt sich jedoch nicht pauschal sagen. Die Entscheidung muss vielmehr je nach Eigenheit des jeweiligen Tatbestands, der Auslegungsfähigkeit des jeweiligen Tatbestandsmerkmals und der Art des jeweilig entgegenstehenden Grundrechts getroffen werden. Die Möglichkeit, Tatbestandsmerkmale verfassungskonform auszulegen, kann somit durchaus eine geeignete Lösung darstellen, um die Grundrechte im Strafrecht zu beachten. Dies kommt aber jeweils auf die konkrete Ausgestaltung des fraglichen Tatbestandes an. Somit vermag dieser Ansatz keine allgemeingültige Lösung bereitzustellen, sondern kann abermals nur fragmentarischen Charakter haben. cc) Zwischenergebnis Somit finden sich auf Tatbestandseben zwar Ansätze, die für einzelne Delikte durchaus gangbar sind. Allerdings hält die Tatbestandsebene keine allgemeingültige Lösung bereit, vermittelst derer die Grundrechte stets im Strafrecht beachtet werden können. b) Rechtswidrigkeitsebene Möglicherweise erweist sich die Ebene der Rechtswidrigkeit als geeigneter, eine allgemeingültige Lösung bereitzustellen. Schließlich ist sie der Bereich, in dem regelmäßig durch Interessenausgleiche soziale Konfliktlösungen gefunden werden; nicht umsonst ist allen Rechtfertigungsgründen der Grundgedanke der Güter-, Interessen- oder Wertabwägung immanent.25

24

So insb. die unmittelbare Anwendung der Grundrechte, vgl. unten ab S. 97 ff. Merz, strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, S. 56; Geppert, Jura 1985, S. 26; Noll, ZStW 77 (1965), S. 9; Hilgendorf, in: LK, StGB, § 193, Rn. 2; Lenckner, GA 1985, S. 295; Radtke, GA 2000, S. 28. 25

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

aa) § 34 StGB Der erste konkrete Lösungsvorschlag auf Rechtswidrigkeitsebene will den rechtfertigenden Notstand des § 34 StGB so anwenden, dass durch ihn die Wertungen der Grundrechte mittelbar ins Strafrecht übertragen werden.26 (1) Direkte Anwendung Dabei klingt prima facie bereits die direkte, gegebenenfalls verfassungskonforme Anwendung des § 34 StGB vielversprechend. Schließlich liegt § 34 StGB als Rechtfertigungsgrund der Grundsatz der Güterabwägung zugrunde, der faktisch auch dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip immanent ist.27 Fraglich ist, ob diese erste Einschätzung einer dezidierten Prüfung standhält. (a) Notstandslage Zur Bejahung der Notstandslage müsste gemäß § 34 StGB zunächst eine gegenwärtige Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut vorliegen. Aufgrund der offenen Formulierung „ein anderes Rechtsgut“ ist grundsätzlich ein jedes Rechtsgut notstandsfähig.28 Somit kann darunter das der Strafnorm entgegenstehende Grundrecht als Individualrechtsgut subsumiert werden.29 Hingegen wird bezüglich kollektiver Rechtsgüter vereinzelt vertreten, dass insbesondere im Bereich der Staatsnotstandshilfe als Rechtfertigung allein das vorrangige Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG in Betracht kommt.30 Herrschend ist allerdings die Ansicht, dass nichtsdestotrotz auch kollektive Rechtsgüter von § 34 StGB umfasst sind, obgleich unter Anwendung eines strengeren Maßstabs im Rahmen der Erforderlichkeit und der Interessenabwägung, um den Vorrang staatlicher Abhilfemaßnahmen nicht zu unterlaufen.31 Soll mit der Grundrechtsausübung ein Fernziel erreicht werden, wie bspw. in den Fällen des zivilen Ungehorsams, könnten so auch diese Fernziele als notstandsfähige Rechtsgüter unter § 34 StGB subsumiert werden,

26 Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 37; Bo¨ se, ZStW 113 (2001), S. 46 ff. Im Prinzip auch Schüler-Springorum, Strafrechtliche Aspekte zivilen Ungehorsams, S. 87 ff. 27 Vgl. Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 233; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 652. 28 Vgl. allgemein Perron, in: Sch/Sch, StGB, § 34, Rn. 9; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 34, Rn. 4; Erb, in: MüKo, StGB, § 34, Rn. 55; Zieschang, in: LK, StGB, § 34, Rn. 22. 29 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 543; Ku¨ per, JuS 1987, S. 82, Fn. 9; Bergmann, JuS 1989, S. 110; Lenckner, in: Geda¨ chtnisschrift fu¨ r Peter Noll, S. 251; Bo¨ se, ZStW 113 (2001), S. 47; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 652. 30 So Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 34, Rn. 22; siehe äußerst ausführlich Jahn, Strafrecht des Staatsnotstandes, S. 471 ff. 31 Erb, in: MüKo, StGB, § 34, Rn. 59 m. w. N. auch aus der Rechtsprechung; Perron, in: Sch/Sch, StGB, § 34, Rn. 9 ff.; Zieschang, in: LK, StGB, § 34, Rn. 23; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 34, Rn. 4; Fischer, StGB, § 34, Rn. 5.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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wie z. B. der Naturschutz (vgl. Art. 20a GG), gender equality (vgl. Art. 3 Abs. 2, 3 GG) oder ähnliches.32 Zur Bejahung einer Gefahr müsste eine auf festgestellten, tatsächlichen Umständen gegründete Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses für das jeweilige Rechtsgut gegeben sein.33 Als ein solches Ereignis könnte man die Einschränkung der Ausübung des jeweiligen Grundrechts durch die bei Ausübung drohende Bestrafung sehen.34 Liegt der Grundrechtsausübung ein Fernziel zugrunde, kann sich konsequenterweise auch auf die Gefährdung der Fernziele gestützt werden; kritisch wird dann je nach Sachverhalt jedoch bereits die Annahme der Gegenwärtigkeit der Gefahr sein.35 Dazu müsste diese Gefahr nämlich bei natürlicher Weiterentwicklung nach menschlicher Erfahrung alsbald in einen Schaden umzuschlagen drohen, sollten nicht beizeiten Abwehrmaßnahmen getroffen werden.36 Da dies beim Schutz von Fernzielen selten der Fall sein wird, wird oft bereits das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr zu verneinen sein.37 Stellte man jedoch statt auf das Fernziel direkt auf das jeweilige Grundrecht und die bei dessen Ausübung drohende Bestrafung ab, könnte man die Gegenwärtigkeit bei entsprechend großzügiger Subsumtion bejahen. Schon die Notstandslage könnte also nicht in allen Fällen der Grundrechtsausübung bejaht werden. (b) Notstandshandlung Problematisch ist dann spätestens die Subsumtion der fraglichen Tathandlung – also der Grundrechtsausübung – unter die Anforderungen, die an die Notstandshandlung gestellt werden. Um die Voraussetzung der Nicht-Anders-Abwendbarkeit zu erfüllen, müsste die Notstandshandlung zur Rettung des gefährdeten Rechtsguts begangen werden, geeignet und zugleich das relativ mildeste Mittel der Gefahrabwendung sein.38 Dabei ist grundsätzlich ein hoher und strenger Maßstab anzulegen.39 32 Vgl. dazu z. B. Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 229 f.; Schüler-Springorum, Strafrechtliche Aspekte zivilen Ungehorsams, S. 88. 33 BGHSt 18, 271 (272); 26, 176 (179); 48, 255 (258); Momsen/Savic, in: v. HeintschelHeinegg, StGB, § 34, Rn. 4; Bergmann, JuS 1989, S. 110; Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, § 34, Rn. 39; Fischer, StGB, § 34, Rn. 4; Zieschang, in: LK, StGB, § 34, Rn. 22. 34 So Bo¨ se, ZStW 113 (2001), S. 47 f. 35 Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 230 f. 36 BGHSt 5, 371 (373); BGH, NJW 1989, S. 176; Perron, in: Sch/Sch, StGB, § 34, Rn. 17; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 34, Rn. 2; Momsen/Savic, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 34, Rn. 6; Zieschang, in: LK, StGB, § 34, Rn. 36 ff.; Fischer, StGB, § 34, Rn. 7. 37 OLG Köln, NStZ 1985, S. 550 (S. 551). Vgl. Lenckner, JuS 1988, S. 354 und Roxin, in: Festschrift für Schüler-Springorum, S. 445, die je nach Sachverhalt bereits die „Gefahr“ ablehnen. 38 Bergmann, JuS 1989, S. 110; Momsen/Savic, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 34, Rn. 7; Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 34, Rn. 58, 60; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 34, Rn. 3; Erb, in: MüKo, StGB, § 34, Rn. 87; Fischer, StGB; § 34, Rn. 9.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

Soll ein Fernziel erreicht werden, wird die Grundrechtsausübung zwar durchaus zur Rettung des gefährdeten Rechtsguts begangen. Fraglich kann im Einzelfall jedoch sein, ob die Meinungsäußerung, Demonstration oder in Kunst verpackte Kritik wirklich direkt geeignet ist, etwas zur Rettung des jeweiligen Fernzieles wie z. B. dem Naturschutz beizutragen, da die Grundrechtsausübung doch eher AppellCharakter haben wird.40 Auch die Erforderlichkeit des mildesten Mittels wird je nach Einzelfall schwer zu erfüllen sein, kann man Fernziele doch bspw. auch durch die Beschreitung des Rechtswegs oder durch andere, nicht mit Straftatbeständen in Konflikt geratende Grundrechtsausübungen oft in gleich geeigneter Weise erreichen.41 Ein Grundrecht kann jedoch auch ohne Fernziel einfach in freier individueller Selbstbestimmung des Grundrechtsträgers ausgeübt werden, bspw. als l’art pour l’art. Dann ist bereits fraglich, ob die Ausübung des Grundrechts wirklich der Rettung eines Rechtsguts durch Abwendung des schädigenden Ereignisses dient. Zwar könnte man in diesen Fällen wie oben dargelegt das Grundrecht selbst unter den Begriff „anderes Rechtsgut“ subsumieren. Es wäre aber ein Zirkelschluss, dann zu behaupten, dass sich die Ausübung dieses Grundrechts in strafrechtlich relevanter Art und Weise allein gegen die Gefahr, dass genau dieses Grundrecht bei eben dieser Ausübung strafrechtlich eingeschränkt würde, wendet. Vielmehr entsteht ja überhaupt erst durch die Ausübung des Grundrechts die Gefahr, sich strafbar zu machen. Diese Gefahr eines Logikbruchs beim Versuch der Subsumtion der fraglichen Sachverhaltskonstellationen unter § 34 StGB ergibt sich daraus, dass dieser Rechtfertigungsgrund eigentlich für Sachverhalte konzipiert ist, in denen der „Täter“ auf eine vorgefundene Konfliktsituation reagiert und diese zu lösen versucht. Demgegenüber entsteht in den hier zu behandelnden Fällen der Konflikt verschiedener Interessen eben erst durch die eigene Entscheidung des „Täters“, sein Grundrecht auszuüben, indem er bspw. künstlerisch tätig wird, an einer Versammlung teilnimmt oder seine Meinung kundtut. Der „Täter“ selbst verursacht hier also die Notstandslage. Diese Problematik weckt Erinnerungen an die strafrechtlich vieldiskutierten Fallgruppen selbstverschuldeter Notstandslagen. In diesem Kontext wird bei Absichtsprovokation oft die komplette Versagung der Berufung auf § 34 StGB vertreten, während in sonstigen Fällen zumindest die Schutzwürdigkeit im Rahmen

39 Momsen/Savic, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 34, Rn. 7; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 34, Rn. 3; BGH, NJW 1952, S. 111 (S. 113); OLG Hamm, NJW 1976, S. 721 (S. 722); Grebing, GA 1979, S. 85 f.; Schroeder, JuS 1980, S. 340. Siehe bspw. die Ausführungen in BGHSt 3, 7 (9 ff.); OLG Koblenz, MDR 72, S. 885; LG Dortmund, NStZ-RR 1998, S. 139 (S. 140). 40 Vgl. Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 232; Schüler-Springorum, Strafrechtliche Aspekte zivilen Ungehorsams, S. 88 f., der § 34 StGB i. E. jedoch äußerst großzügig auslegt. 41 Vgl. Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 232 f.; Lenckner, JuS 1988, S. 354; Roxin, in: Festschrift für Schüler-Springorum, S. 446; OLG Köln, NStZ 1985, S. 550 (S. 551). Das sieht selbst Böse, ZStW 113 (2001), S. 51 so, obgleich er grundsätzlich für die Anwendung des § 34 StGB zur Implementierung der Wertungen der Grundrechte im Strafrecht plädiert.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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der Abwägung reduziert werden soll.42 Wendete man dies nun auf die Strafbefreiung durch Grundrechte an, führte es zu einem nicht mit der Verfassung in Einklang stehenden Ergebnis. Überdies ist § 34 StGB mit seinem dem ultima-ratio-Gedanken entspringenden Prinzip der Nicht-Anders-Abwendbarkeit eben nur der Anker für einen letzten Ausweg aus einer Konfliktsituation.43 Gerade in den Fällen der fernziellosen Grundrechtsausübung wird die Erfüllung eines strafrechtlichen Tatbestandes aber selten der allerletzte und mildeste Weg einer Grundrechtsausübung sein.44 Das Grundrecht könnte zumeist auch in einer anderen, keinen Straftatbestand verletzenden Art und Weise ausgeübt werden. Die freie aktive Grundrechtsausübung muss jedoch auch gerade in solchen Bereichen geschützt sein, wo sie nicht der letzte Ausweg, sondern schlicht Ausdruck der individuellen und freien Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers ist. Trotz Heranziehung des § 34 StGB käme es in solchen Fällen durch das Prinzip der Nicht-Anders-Abwendbarkeit zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Damit würde in vielen Fällen also immer noch gegen das jeweilige Grundrecht verstoßen. Bereits die Anforderungen an die Notstandshandlung werden somit nur in sehr vereinzelten Fällen der Grundrechtsausübung erfüllt werden können. Insgesamt zeigt sich so im Rahmen der Anforderungen, die an eine Notstandshandlung gestellt werden, die Ungeeignetheit des § 34 StGB zur Lösung des Problems der Einflechtung der grundrechtlichen Wertungen in das Strafrecht. (c) Abwägung Zudem fordert § 34 StGB im Rahmen der Abwägung auch noch ein wesentliches Überwiegen des notstandsfähigen Rechtsguts.45 Dahingegen ist verfassungsrechtlich insbesondere bei vorbehaltlosen Grundrechten gerade kein einseitiges wesentliches Überwiegen des Grundrechts, sondern vielmehr ein schonender Ausgleich der

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Erb, in: MüKo, StGB, § 34, Rn. 140 ff.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 16, Rn. 62; Zieschang, in: LK, StGB, § 34, Rn. 70; Küper, Der „verschuldete“ rechtfertigende Notstand, S. 32 ff., 160 ff.; vgl. BGH, NJW 1976, S. 680, wo der Unterschied zu einer ähnlichen Entscheidung gerade in der Tatsache gesehen wird, dass in diesem kein Vorverhalten des Täters zur Notstandslage geführt hat. 43 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 654; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 57. Vgl. zum ultima-ratio-Gedanken in § 34 allgemein: Küper, JuS 1987, S. 82; Duttge, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, StGB, § 34, Rn. 11 ff. 44 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 57; ders., ZStW 121 (2009), S. 654. Dieses Merkmal wird selbst für die Grundrechtsausübung zur Erreichung eines Fernziels und selbst von grundsätzlichen Befürwortern der Anwendung des § 34 StGB zur Implementierung der Wertungen der Grundrechte im Strafrecht wie Böse, ZStW 113 (2001), S. 51 als kritisch gesehen, vgl. auch erneut Fn. 41. 45 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 34, Rn. 67; Fischer, StGB, § 34, Rn. 12 ff.; Zieschang, in: LK, StGB, § 34, Rn. 53 ff.; Momsen/Savic, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 34, Rn. 18.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

konfligierenden Interessen im Wege praktischer Konkordanz gefordert.46 Eine nach den Vorgaben des § 34 StGB durchgeführte Abwägung würde also hinter dem aus verfassungsrechtlicher Sicht geforderten Maßstab zurückbleiben. (d) Zwischenergebnis Nach dem Vorgenannten würde so eine direkte Anwendung von § 34 StGB in vielen Fällen bereits daran scheitern, dass die Voraussetzungen an die Notstandslage und vor allem -handlung nicht erfüllt werden. Selbst bei Bejahung derselben würde aber sodann die Abwägung im Rahmen des § 34 StGB den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügen. Eine letztere umsetzende verfassungskonforme Auslegung47 von § 34 StGB ist jedoch nicht möglich.48 Ein Absehen vom Erfordernis, dass sich die Tathandlung gegen die Gefahr richten muss, findet keinerlei Stütze im Wortlaut. Auch eine Umdeutung der „nicht anders Abwendbarkeit“ in eine „beliebige Ausübung des Grundrechts“ überschritte die äußerste Grenze des Wortlauts. Ebenso wenig kann das eindeutige „wesentliche Überwiegen“ in die verfassungsrechtlich gebotene „praktische Konkordanz“ umgedeutet werden, die eben gerade ausdrücklich kein Überwiegen, sondern einen schonenden Ausgleich anstrebt. (2) Analoge Anwendung Die letzte strafrechtsimmanente Möglichkeit, § 34 StGB zur Anwendung zu bringen, wäre so die analoge Anwendung über ihren angedachten Anwendungsbereich hinaus. Eine solche Vorgehensweise würde im Gegensatz zu allen bisher vorgestellten Lösungsansätzen das erste Mal die Grenze des Wortlautes überschreiten. Dies wäre zwar per se noch kein Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, da dieses lediglich eine Analogie zulasten des Täters untersagt, während eine Analogie zugunsten des Täters vielmehr auch im Strafrecht grundsätzlich möglich ist.49 Jedoch bedarf die Annahme einer Analogie einer genauen Untersuchung, ob eine vergleichbare Interessenlage und eine plan-

46 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 543; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 653. Vgl. ausführlich zur Bedeutung und Anforderung an einen schonenden Ausgleich der konfligierenden Interessen im Wege praktischer Konkordanz aus verfassungsrechtlicher Perspektive bereits oben S. 70 ff. 47 Genaugenommen würde es sich dann um eine indirekte verfassungskonforme Auslegung handeln, da über den Umweg der Auslegung der Rechtfertigungsnorm die Verfassungsmäßigkeit der Anwendung der Tatbestandsnorm sichergestellt wird, vgl. Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 542; Bung, HRRS 2007, S. 82. 48 Dagegen hält Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 544 eine solche wohl für möglich, favorisiert gleichwohl eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte. 49 BGHSt 9, 310 (311 f.); 28, 53 (55); Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 93; Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, S. 1002 f.; Krey, JZ 1978, S. 362; Schmitz, in: MüKo, StGB, § 1, Rn. 67; Hecker, in: Sch/Sch, StGB, § 1, Rn. 30 ff.; Fischer, StGB, § 1, Rn. 23. Mit praktischen Beispielen: Kett-Straub, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 49, Rn. 23 ff. Vertiefend: Günther, in: Festschrift für Gerald Grünwald, S. 213 ff.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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widrige Regelungslücke vorliegen.50 Bereits das Vorliegen der letzteren könnte man nun mit Kissel verneinen, wenn sich im weiteren Verlauf der Arbeit51 andere Möglichkeiten einer Berücksichtigung der Grundrechte im Strafrecht auffinden lassen.52 Auch ist die vergleichbare Interessenlage zu verneinen. Nach dem Vorgenannten steckt hinter § 34 StGB zum einen der ultima-ratio-Gedanke, wie an der NichtAnders-Abwendbarkeit erkennbar ist. Zum anderen soll nach § 34 StGB nur dann ein Verhalten gerechtfertigt werden, wenn das notstandsfähige Rechtsgut wesentlich überwiegt. Demgegenüber stehen – wie schon gegen die direkte Anwendung vorgebracht – hinter der verfassungsrechtlich geschützten Grundrechtsausübung keine Überlegungen der Nicht-Anders-Abwendbarkeit und des wesentlichen Überwiegens, als vielmehr des schonenden Ausgleichs der konfligierenden Interessen. Eine analoge Anwendung des § 34 StGB würde sich deshalb nicht in einer „normalen“ Analogie i. S. d. Anwendung der Norm auf einen anderen als die ursprünglich vom Gesetzgeber vorgesehenen Sachverhalte beschränken. Es müssten darüber hinaus fast sämtliche Voraussetzungen des § 34 StGB bezüglich der Notstandshandlung sowie der Abwägung geändert werden. Letztlich würde so gar nicht wirklich § 34 StGB analog angewendet, sondern lediglich dessen isolierte Rechtsfolge: allein das Ergebnis der Rechtfertigung tatbestandlichen Verhaltens. Dies wäre gewissermaßen eine doppelte Analogie, bei der die Norm nicht nur über ihren ursprünglichen Anwendungsbereich, sondern auch ohne Erfüllung ihrer übrigen Voraussetzungen angewendet wird. Ein solch gewaltsames Zurechtbiegen des § 34 StGB steuerte keinerlei Mehrwert zur Lösung des vorliegenden Problems bei, da dermaßen abgeändert von § 34 StGB faktisch nur noch eine leere Hülle als einfachgesetzlicher Anknüpfungspunkt verbliebe, die sowieso komplett mit den verfassungsrechtlichen Wertungen des jeweiligen Grundrechts ausgefüllt werden müsste. Jäger und Schünemann haben bereits im anderen Kontext des Erlaubnistatbestandsirrtums bezüglich der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie das illustrative Wort einer „dogmatischen Missgeburt“53 für lediglich 50 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 321 ff.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 133; Beaucamp, AöR 134 (2009), S. 84 ff.; BGHZ 105, 140 (143); 149, 165 (174). Vgl. ausführlich zur Analogie: Würdinger, AcP 206 (2006), S. 946 ff. und Puppe, Schule des juristischen Denkens, S. 171 ff. 51 Siehe unten S. 97 ff. bzgl. der dort i. E. bejahten unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht. 52 So Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 188, 184. Anders wohl Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, wenn dieser auf S. 62 strafrechtsexterne Lösungen erst erwägt, nachdem auch eine Analogie zu strafrechtlichen Normen nicht gelingt. Meiner Meinung nach kann man das Vorhandensein einer Lücke nicht durch die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte verneinen, denn diese Anwendung selbst füllt, wie noch zu zeigen ist, als verfassungskonforme Rechtsfortbildung eine Lücke in der einfachgesetzlichen Regelung, siehe ausführlich unten S. 110 ff. Richtigerweise gibt es also durchaus eine Lücke, sie wird nur bevorzugt durch eine andere Art der Rechtsfortbildung als der Analogie geschlossen. 53 Jäger, Strafrecht AT, Rn. 215 unter Verweis auf Schünemann, GA 1985, S. 350.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

rechtsfolgenverweisende Analogien geprägt. Diese Bezeichnung würde durchaus auch auf eine solche Verstümmelung des § 34 StGB passen. (3) Zwischenergebnis Es kann mithin nicht auf § 34 StGB rekurriert werden. bb) § 193 StGB Fraglich ist, ob stattdessen § 193 StGB eine Lösung bereithält. (1) Direkte Anwendung Im Falle der Tatbestände der §§ 185 ff. StGB und des Grundrechts der Meinungsfreiheit ist eine Rechtfertigung über die Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB direkt möglich.54 § 201 Abs. 2 S. 3 StGB hält eine parallele Vorschrift für die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes bereit. (2) Analoge Anwendung Darüber hinaus wird vereinzelt eine analoge Anwendung des § 193 StGB auf andere Grundrechte und/oder andere Straftatbestände diskutiert.55 An der Eignung des § 193 StGB könnte man jedoch bereits deshalb zweifeln, weil diese Norm unverändert seit 1871 besteht und somit aus einer Zeit stammt, in der die heutige Bedeutung, Wirkung und Ausstrahlung der Grundrechte vollkommen unbekannt und undenkbar war.56 Zwar kann man gleichwohl in § 193 StGB das ebenfalls dem grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip immanente Interessenabwägungsprinzip hineinlesen.57 Allerdings erschöpft sich das grundrechtliche Verhältnismä-

54 BVerfGE 12, 113 (132); 24, 278 (282 f.); 42, 143 (152); BGHSt 12, 287 (293); Fischer, StGB, § 193, Rn. 2, 7. 55 Als einer der Ersten wohl Noll, ZStW 77 (1965), S. 31 ff. beispielhaft für Tatbestände der Gotteslästerung und der Verbreitung unzüchtiger Schriften. Früh auch Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen, S. 67, 40 ff. (allerdings nicht bzgl. jeglicher Tatbestände, sondern beschränkt auf solche, die „besondere gemeinschaftsbezogene Rechtsgüter“ schützen) und Tiedemann, JZ 1969, S. 721. Bzgl. der Kunstfreiheit, aber nur bzgl. der Tatbestände der §§ 185 ff. StGB: OLG Hamburg, JR 1983, S. 508 (S. 510); Geppert, JR 1985, S. 430 f.; Tenckhoff, JuS 1989, S. 200; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 193, Rn. 40. Vgl. auch bzgl. des Einflusses der Kunstfreiheit auf die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ in § 824 Abs. 2 BGB: OLG Stuttgart, NJW 1976, S. 628 (S. 629). 56 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 52; ders., ZStW 121 (2009), S. 652 unter Verweis auf Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 309 f. zum Alter der Norm; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 26 ff. zur Bedeutung der Grundrechte zu dieser Zeit und Lenckner, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, S. 246, der die Norm „veraltet“ nennt. 57 So Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen, S. 31 ff., 44, 58; Tiedemann, JZ 1969, S. 721.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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ßigkeitsprinzip nicht in einer „Wahrnehmung berechtigter Interessen“.58 Auch kodifiziert § 193 StGB keinerlei inhaltliche Prüfungsvorgaben, sondern stellt lediglich einen formalen Aufhänger dar, während die materiell vorzunehmende Abwägung allein verfassungsrechtlicher Art ist.59 § 193 StGB kommt insoweit sowieso nur deklaratorischer Charakter zu.60 Auch in seinem normalen Anwendungsfall der §§ 185 ff. StGB und der Meinungsfreiheit ist § 193 StGB so faktisch nur die Hülle, innerhalb derer Art. 5 Abs. 1 GG für die inhaltliche Ausfüllung verantwortlich zeichnet. Eine Übertragung auf andere Tatbestände und/oder andere Grundrechte änderte daran nichts. Somit brächte eine analoge Anwendung des § 193 StGB gegenüber der noch zu diskutierenden unmittelbaren61 Anwendung der Grundrechte keinerlei Mehrwert, außer der Möglichkeit der Zitierung von „§ 193 StGB analog“. Wenn sich aus der Anwendung von § 193 StGB aber kein Konkretisierungsgewinn im Sinne größerer Bestimmtheit ergibt, ist eine analoge Anwendung nicht sinnvoll.62 Deutlicher geht Würdinger allgemein gar davon aus, dass rein deklaratorische Vorschriften der Analogie überhaupt nicht fähig sind.63 Da nämlich keine inhaltlichen Voraussetzungen oder Vorgaben übertragen werden könnten, liefe auch diese Analogie – genau wie eine analoge Anwendung von § 34 StGB – letztlich auf eine reine Analogie der bloßen Rechtsfolge „… ist gerechtfertigt“ hinaus. Abermals könnte man einer Analogie zudem entgegenhalten, dass bereits die erforderliche Regelungslücke fehle, wenn wie von der vorliegenden Arbeit noch zu bejahen64 eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte möglich ist.65 Mithin ist eine analoge Anwendung des § 193 StGB abzulehnen.66 58 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 651; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 51. 59 Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 34; Lenckner, in: Geda¨ chtnisschrift fu¨ r Peter Noll, S. 254; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 51; ders., ZStW 121 (2009), S. 651. 60 Reichert-Hammer, Politische Fernziele und Unrecht, S. 282; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 553, Fn. 1093; Lenckner, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, S. 254; Eisele/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 193, Rn. 1; Hilgendorf, in: LK, StGB, § 193, Rn. 4. Vgl. auch angedeutet im obiter dictum in BGHSt 12, 287 (293). 61 Vgl. unten ab S. 97 ff. 62 Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 184; vgl. Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 52. 63 Würdinger, AcP 206 (2006), S. 972, 978. 64 Vgl. unten ab S. 97 ff. 65 So Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 184. Zum Vorhandensein der Lücke siehe jedoch bereits Fn. 52. 66 So bereits: RGSt 50, 55 (56); 72, 96 (98). Aus der Rechtsprechung ferner OLG Stuttgart, NStZ 1987, S. 121 (S. 122); OLG Du¨ sseldorf, NJW 2006, S. 630 (S. 631). Aus der Literatur: Kühl, Strafrecht AT, § 9, Rn. 51; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 39; Hilgendorf, in: LK, StGB, § 193, Rn. 11; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 193, Rn. 12; Sinn, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 193, Rn. 6; Eisele/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 193, Rn. 3; Lenckner, JuS 1988, S. 352 f.; Tenckhoff, JuS 1989, S. 198 ff.; Fischer, StGB, § 193, Rn. 4.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

(3) Zwischenergebnis Somit kann § 193 StGB nicht analog auf andere Grundrechte und/oder andere Straftatbestände angewandt werden. § 193 StGB bietet folglich nur eine Lösung in den Fällen der §§ 185 ff. StGB und dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Selbst in diesen Fällen stellt § 193 StGB jedoch nur den formalen Aufhänger für eine originär verfassungsrechtliche Abwägung dar. cc) Rechtfertigende Pflichtenkollision? Vereinzelt geblieben ist eine Entscheidung des AG Balingen, die Grundrechte im Rahmen einer rechtfertigenden Pflichtenkollision berücksichtigt hat.67 An dieser Entscheidung wird überdies kritisiert, dass sogar das Vorliegen der Pflichtenkollision an sich fälschlicherweise angenommen wurde.68 dd) Zwischenergebnis Auch die Ebene der Rechtswidrigkeit erweist sich damit nicht als geeignet, eine allgemeingültige Lösung bereitzustellen. c) Zwischenergebnis Keiner der materiell-rechtlichen Ansätze vermag somit eine überzeugende allgemeine Lösung zu bieten. 2. Prozessuale Lösung Eine weitere Idee, eine Bestrafung des Grundrechtsausübenden zu verhindern, setzt auf prozessualer Ebene an. So führte das BVerfG in seiner Cannabis-Entscheidung an, dass es auch unter Hinblick auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot gleich sei, ob den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Rahmen des materiellen Strafrechts genüge getan, oder lediglich der strafprozessuale Verfolgungszwang begrenzt werde.69 Letzteres könnte durch eine Ermessensreduzierung der Staatsanwaltschaft erreicht werden, sodass diese bei einer durch ein Strafurteil drohenden Grundrechtsverletzung zwingend das Verfahren einstellen muss.70 Faktisch handelte es sich dann um eine Art „partiellen Nichtvollzug einer Strafbe-

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AG Balingen, NJW 1982, S. 1006 f. Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139, Fn. 551. 69 BVerfGE 90, 145 (189 ff., insb. 191) (Cannabis) bzgl. § 29 Abs. 5, 31a BtmG und §§ 153 ff. StPO mit Verweis auf BVerfGE 50, 205 (213 ff.). 70 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 59; ders., ZStW 121 (2009), S. 655; zweifelnd: Weiß, JR 1994, S. 492. 68

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wehrung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“.71 Anknüpfungspunkt ist damit wohl – wenngleich nicht explizit so bezeichnet – eine Art verfassungskonforme Auslegung der §§ 153 ff. StPO. Dieses Vorgehen des BVerfG bezüglich des in der Cannabis-Entscheidung behandelten Einzelfalles wurde von einigen Autoren auf andere Fälle der Strafbefreiung übertragen.72 Im Prinzip hat auch der BGH bezüglich der Wirkung der Grundrechte im Strafrecht ein ähnliches Vorgehen bereits früh anklingen lassen, indem er ein nicht näher benanntes Prozesshindernis anführte, um eine Bestrafung des Grundrechtsausübenden zu vermeiden.73 In einer späteren Entscheidung hat er dieses Vorgehen dann jedoch explizit abgelehnt.74 Der Ablehnung ist zuzustimmen, weil entgegen den Ausführungen des BVerfG gerade keine Gleichwertigkeit zwischen einer materiellen und einer lediglich prozessualen Straffreistellung besteht.75 Eine Straffreistellung auf prozessualer Ebene ist nämlich für den Betroffenen von erheblich geringerem Wert: Zunächst funktioniert eine solche prozessuale Lösung ausweislich des eindeutigen Wortlautes der §§ 153 ff. StPO nur bei Vergehen, nicht bei Verbrechen.76 Weiterhin ist jederzeit bei Vorliegen „sachlich einleuchtender Gründe“ eine Wiederaufnahme des Verfahrens möglich.77 Zudem kann die Einstellungs- oder Fortführungsentscheidung der Staatsanwaltschaft nicht gerichtlich beanstandet werden.78 Der Betroffene ist so von der tatsächlichen Einstellung der Staatsanwaltschaft abhängig, ohne gegen eine dennoch erfolgte Anklageerhebung vorgehen zu können.79 Eine negative Folge dieser prozessualen Lösung wäre damit die Rechtsunsicherheit, ob die Staatsanwaltschaft das Verfahren auch wirklich einstellt.80 Selbst dem Gericht wären schließlich nach Klageerhebung mangels materiell-rechtlicher Möglichkeiten der Strafbefreiung die Hände gebunden, da es gemäß § 153 Abs. 2 StPO bzw. § 153a Abs. 2 StPO nur dann das Verfahren einstellen kann, wenn die Staatsanwaltschaft dem Vorgehen zustimmt. Dies führte nicht nur zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Beschuldigten. Es käme damit auch der Staatsanwaltschaft eine erhebliche, im Rahmen der Gewaltenteilung nicht vorge71 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 655; Appel, Verfassung und Strafe, S. 185 f. benennt dieses Vorgehen treffend als „salvatorische Klausel“. 72 Bzgl. Art. 4 GG nicht ablehnend: Bo¨ se, ZStW 113 (2001), S. 68. Bzgl. des elterlichen Züchtigungsrechts: Roxin, JuS 2004, S. 179; Göbel, Züchtigungsrecht, S. 249 ff., 253. 73 BGHSt 6, 318 (319 ff.), ein Prozesshindernis ausdrücklich auf S. 322 annehmend. 74 BGHSt 19, 311 (315). 75 Ausführlich Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 461 f. Weigend, in: Festschrift für Hans Joachim Hirsch, S. 931. Vgl. ähnlich auch Sondervotum Hassemer, BVerfGE 120, 255 (272 f.); Staechelin, JA 1994, S. 246 f.; Nelles/Velten, NStZ 1994, S. 370. 76 Vgl. zu diesem Gedanken auch Böse, ZStW 113 (2001), S. 68. 77 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 656. 78 Vgl. BVerfG, NStZ 1984, S. 228 (S. 229); BVerfGK 2, 27 (28 f.). 79 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 656. 80 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 62; Keppeler, DRiZ 2003, S. 104; Classen, NStZ 1995, S. 374.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

sehene Entscheidungsmacht zu.81 Somit bestünde auch die Gefahr, dass es eventuell gar durch ministerielle Korruption von der Willkür der Staatsanwaltschaft abhängt, ob der Grundrechtsausübende bestraft wird oder nicht. Damit bliebe gewissermaßen das „Drohpotential“ des Strafgesetzes erhalten.82 Der Bürger hat deshalb vielmehr einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Straffreistellung auf materieller Ebene, den § 153 StPO als prozessrechtliche Norm, die rein prozessökonomischen Überlegungen entstammt und keinerlei materiellrechtliche Wirkung entfaltet, naturgemäß nicht zu erfüllen vermag.83 Mithin bietet die prozessuale Lösung keine hinreichende Möglichkeit, die Grundrechte im Strafrecht zu berücksichtigen. 3. Zusammenfassung Bezüglich der strafrechtsimmanenten Lösungen zur Beachtung der Grundrechte im Strafrecht ergibt sich damit das folgende Bild: Eine Einwirkung der Grundrechte muss bereits auf materiell-rechtlicher Ebene erfolgen, da eine lediglich prozessuale Lösung von vornherein ausscheidet. Die analoge Anwendung von Rechtfertigungsgründen vermag nicht zu überzeugen. Einzelne Ansätze wie die Anwendung vorhandener kodifizierter Ausschlussklauseln, die verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale, sowie die Anwendung von § 193 StGB für den Bereich der §§ 185 ff. StGB und des Art. 5 Abs. 1 GG sind durchaus tauglich. All diese Lösungen funktionieren jedoch jeweils nur bezüglich einzelner Tatbestände, einzelner Grundrechte und einzelner Sachverhalte. Eine große Zahl der Einzelfälle kann hingegen keinem befriedigenden Ergebnis zugeführt werden. Somit konnte weder eine allgemeingültige strafrechtsimmanente Lösung gefunden werden, noch genügen die einzelnen durchaus gangbaren strafrechtsimmanenten Lösungen der Behandlung aller potentieller Sachverhalte.

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Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 62; vgl. in ähnlichem Kontext auch Beulke, in: Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber, S. 36 f. 82 Nelles/Velten, NStZ 1994, S. 370 unter Verweis auf Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 68 ff. allgemein zu Generalprävention und Opportunitätsprinzip. 83 Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, S. 932 f.; Weigend, in: Festschrift für Hans Joachim Hirsch, S. 931; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 655; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 60 f. Vgl. allgemein zur Natur des § 153 StPO als prozessrechtliche Norm, die das Legalitätsprinzip aus Gründen der Entlastung der Strafrechtspflege durchbricht: Peters, in: MüKo, StPO, § 153, Rn. 1 f.; Diemer, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 153, Rn. 1.

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II. Strafrechtsexterne Möglichkeit: Unmittelbare Anwendung der Grundrechte Fraglich ist nach diesem Zwischenergebnis deshalb, ob es eine strafrechtsexterne Möglichkeit einer direkten und unmittelbar strafbefreienden Wirkung der Grundrechte gibt. Dabei wird zuerst klargestellt, warum eine solche unbedingt nötig ist. Dann wird betrachtet, auf welcher Ebene im strafrechtlichen Deliktsaufbau eine unmittelbare Anwendung vorzugsweise Wirkung entfalten sollte. Danach werden die Ausführungen tiefer als die wenigen bisher zu diesem Thema verfassten Abhandlungen gehen und den genauen methodischen Unterbau einer unmittelbaren Anwendung untersuchen. Nachdem in einem nächsten Schritt die vereinzelt gegen eine unmittelbare Anwendung geäußerten Bedenken entkräftet werden, sollen sodann im letzten Punkt unter Beachtung all des Vorstehenden die genauen Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht postuliert werden. 1. Notwendigkeit und Anerkennung einer unmittelbaren Anwendung Wenn alle strafrechtsimmanenten Möglichkeiten, die Grundrechte in einer strafrechtlichen Entscheidung zu beachten, ausscheiden, muss eine andere Lösung gefunden werden. Es verbietet sich zu resignieren und schlicht zu akzeptieren, dass die Grundrechte in den anderen als den vorgenannten Fällen eben keine Wirkung entfalten können. Dies bedeutete einen konkreten Verfassungsverstoß im Einzelfall einfach schulterzuckend hinzunehmen. Die Folge wäre nicht nur ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, wenn sich einzelne Grundrechtsträger in einzelnen strafrechtlichen Fällen auf die vorgenannten, fragmentarisch vorhandenen Strafbefreiungsmöglichkeiten berufen könnten und andere zufälligerweise nicht. a) Gebot der Einheit der Rechtsordnung Es widerspräche vor allem auch dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.84 Keineswegs darf nämlich das Strafrecht als einzelnes und der Verfassung untergeordnetes Rechtsgebiet ein grundrechtlich erlaubtes Verhalten als rechtswidrig behandeln und so die verfassungsrechtliche Erlaubnis auf einfachgesetzlicher Ebene

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So explizit Bopp, Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 138; Son, Bestrafung des Gewissenstäters, S. 77; Höcker, Grundrecht der Gewissensfreiheit und seine ¨ berzeugungsta¨ ter, S. 15, Auswirkungen im Strafrecht, S. 54, 67; Hirsch, Strafrecht und U Fn. 36; Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 225; Hassemer, in: Festschrift für Rudolf Wassermann, S. 332; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 544 f.; vgl. auch Krey, JZ 1978, S. 365; ders., JZ 1978, S. 468. Vgl. nur allgemein zum Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, abgeleitet speziell aus dem objektiven Wertsystem der Grundrechte BVerfGE 7, 198 (205); BGHSt 13, 102 (117).

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konterkarieren.85 Eine einzelne Norm erschöpft sich nie in ihrem Selbstzweck. Sie ist immer auch Teil einer Gesamtrechtsordnung, muss sich in diese einfügen und darf ihr nicht widersprechen.86 Wer also innerhalb der Schranken eines Grundrechts handelt, verhält sich auch strafrechtsmäßig.87 Dabei kann und soll natürlich nicht bestritten werden, dass es primär Aufgabe der Legislative ist, diese Einheit der Rechtsordnung herzustellen. Sie hat ein Gesetz mit tauglichen Klauseln und flexiblen Ausnahmeregelungen für alle vorhersehbaren und antizipierbaren Fallgruppen auszustatten, sodass eine verfassungskonforme Rechtsanwendung im Einzelfall möglich ist.88 Gleichwohl kann dem Gesetzgeber nichts Unmögliches abverlangt werden.89 Er kann nicht für alle möglicherweise auftretenden Sonderfälle eine passende, gleichwohl abstrakt-generelle Regelung antizipieren.90 „Der Traum von der Entscheidung aller Rechtsfragen durch den Gesetzgeber ist ein alter Traum absolutistischer Herrschaft.“91 Solange eine Norm also in den vorhersehbaren Fällen zu verfassungsgemäßen Ergebnissen führt, kann dem Gesetzgeber grundsätzlich auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe ein verfassungswidriges Gesetz erlassen. b) Abhilfe über Art. 100 Abs. 1 GG? Für letzteren Fall würde die Verfassung mit der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG92 gerade ein passendes Verfahren bereitstellen, damit das Gericht

85 Vgl. Hirsch, Strafrecht und Überzeugungstäter, S. 15, Fn. 36; Son, Bestrafung des Gewissenstäters, S. 77; Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 237; Günther, in: Festschrift für Günter Spendel, S. 193 f.; Hassemer, in: Festschrift für Rudolf Wassermann, S. 332. 86 Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 576. 87 Son, Bestrafung des Gewissenstäters, S. 77. 88 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 661 unter Verweis auf Weigend, in: Festschrift für Hans Joachim Hirsch, S. 935 ff. 89 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 250; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 456 f.; Erb, ZStW 108 (1996), S. 290; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 661; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 89; vgl. Hill, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VI, 1. Auflage, § 156, Rdn. 23. 90 Vgl. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 576; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 522; Gentz, NJW 1968, S. 1605; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 121. Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 661 führt zudem BVerfGE 105, 279 (304 f.) an, in der das BVerfG bzgl. der Frage, ob es für die Informationstätigkeit der Regierung einer Rechtsgrundlage bedürfe, ausführt, eine staatliche Normierung sei nicht nötig, wenn sie aufgrund der Vielgestaltigkeit und Veränderlichkeit der betreffenden Sachverhalte keinen inhaltlichen Gewinn bringe; vgl. ebenso Sondervotum Jentsch/Di Fabio/Mellinghoff, BVerfGE 108, 314 (335 f.). 91 Bumke, in: Bumke, Richterrecht, S. 45. 92 „Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zustän-

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nicht gezwungen ist, sehenden Auges eine verfassungswidrige Entscheidung zu treffen. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG bestimmt, dass ein Gericht die Entscheidung des BVerfG einzuholen hat, wenn es eine entscheidungserhebliche Norm für verfassungswidrig hält. Dies gilt für nachkonstitutionelle Normen; diese dürfen im Gegensatz zu vorkonstitutionellen Gesetzen von den Gerichten nicht einfach selbst verworfen werden, weil vielmehr eine richterliche Verwerfungskompetenz für diese Gesetze beim BVerfG monopolisiert ist.93 Zwar ist das StGB erstmalig bereits am 01. 01. 1872 in Kraft getreten, es ist jedoch zwischenzeitlich durch Neubekanntmachungen in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers übernommen worden.94 Somit gilt das StGB als nachkonstitutionelles Gesetz. Art. 100 Abs. 1 GG wäre so grundsätzlich anwendbar. Eine konkrete Normenkontrolle ist aber eben nur dann zulässig, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt ist.95 Das könnte es aber eben nur sein, wenn das Gesetz selbst abstrakt verfassungswidrig wäre. Allerdings ist zwischen zwei verschiedenen Fällen von Konflikten zwischen dem einfachen Recht und der Verfassung zu unterscheiden: Zum einen gibt es den permanenten Konflikt, wenn eine Regelung des einfachen Rechtes generell ungeeignet, nicht erforderlich oder unverhältnismäßig, kurzum generell verfassungswidrig ist.96 Dem Gesetzgeber wird dabei der Vorwurf gemacht, dass die hinter seinem Gesetz stehende Wertentscheidung verfassungswidrig ist.97 Es war also gerade die Intention des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu regeln, bei denen die Anwendung des Gesetzes zu Konflikten mit der Verfassung führt.98 Auflösung kann so nur durch die Nichtigkeitserklärung des jeweiligen Gesetzes erreicht werden. Für genau diesen Fall ist Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG konzipiert. Er soll primär verhindern, dass Fachgerichte abschließende Totalnichtigkeitserklärungen einzelner Gesetze vornehmen können, wodurch der Willen und die Autorität des

digen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.“ 93 BVerfGE 2, 124 (130 f.); 22, 373 (378); 97, 117 (122); 114, 303 (310); 121, 233 (240); Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rn. 10 ff.; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 100, Rn. 2; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 100, Rn. 2. 94 Vgl. nur letzte komplette Neubekanntmachung des StGB am 13. 11. 1998, BGBl. I, S. 3322 ff. Vgl. zur Übernahme in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers durch Neubekanntmachung: BVerfGE 6, 55 (65); 11, 126 (131 f.); 66, 248 (254); 70, 126 (129 f.); Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 100, Rn. 12. 95 BVerfGE 1, 184 (189); Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 100, Rn. 16; Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rn. 128 ff.; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 100, Rn. 13. 96 So bereits Gentz, NJW 1968, S. 1605 in Abgrenzung zur Einzelfall-Betrachtung der Verhältnismäßigkeit des einzelnen Richterspruchs. 97 Vgl. Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 243. 98 Vgl. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 586; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 465.

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Gesetzgebers allzu leicht unterminiert würden.99 Den Fachgerichten soll also keine Verwerfungskompetenz zukommen, sondern nur das BVerfG die Kompetenz haben, verbindlich die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit eines Gesetzes feststellen können.100 Verglichen mit dem Verwaltungsrecht entspricht dies der Überprüfung der Rechtsgrundlage auf deren abstrakte Verfassungsmäßigkeit hin. Zum anderen gibt es den nur „exzeptionellen bzw. punktuellen Konflikt zwischen strafrechtlichem Verbot und Verfassungsrecht“.101 An diese Formulierung Eilsbergers anknüpfend bezeichnet Kissel diese Situation treffend als lediglich „punktuelle Konfliktlage“, wenn bei abstrakter Verfassungsmäßigkeit des Tatbestandes im konkreten Einzelfall einem Grundrecht zu Gunsten des Täters Vorrang eingeräumt werden muss.102 Im Falle einer exzeptionellen bzw. punktuellen Konfliktlage wird so dem Gesetzgeber gerade nicht der Vorwurf einer verfassungswidrigen Wertentscheidung gemacht.103 Die von der Norm ursprünglich beabsichtigten und in der Praxis auch regelmäßig auftretenden Fälle sind vielmehr verfassungsrechtlich unbedenklich. Es wird lediglich das Problem traktiert, dass auch eine grundsätzlich verfassungsgemäße Wertentscheidung in seltenen Einzelfällen verfassungswidrige Auswirkungen haben kann. Verglichen mit dem Verwaltungsrecht entspricht dies der Konstellation, dass trotz rechtmäßiger Rechtsgrundlage der einzelne Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Nur in dieser zweiten Konstellation soll nun eine unmittelbar strafbefreiende Anwendung der Grundrechte überhaupt in Betracht kommen. Keineswegs sollen mit diesem Vorgehen permanent verfassungswidrige Normen korrigiert, geschweige denn für nichtig erklärt werden. Die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Norm im Allgemeinen wird durch die unmittelbare Anwendung der Grundrechte nach dem Vorgenannten vielmehr überhaupt nicht in Frage gestellt. Es geht lediglich um eine Ergebniskorrektur, wenn die ansonsten zu stets verfassungskonformen Ergebnissen führende Norm im konkreten Einzelfall ausnahmsweise kein mit der Verfassung in Einklang stehendes Ergebnis zu produzieren vermag. Dies ist jedoch gerade kein Fall der Erklärung einer gesamten Norm für verfassungswidrig und nichtig. Deutlich wird 99

BVerfGE 1, 184 (197 f.); 2, 124 (129); 22, 373 (378); 97, 117 (122); 114, 303 (310); Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rn. 20; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 100, Rn. 3; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 100, Rn. 2; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 100, Rn. 2. 100 BVerfGE 2, 124 (130 f.); 22, 373 (378); 97, 117 (122); 114, 303 (310); 121, 233 (240); Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rn. 10 ff.; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 100, Rn. 2; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 100, Rn. 2; Wernsmann, Jura 2005, S. 329. 101 Eilsberger, JuS 1970, S. 323. 102 Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 196 f. Im Prinzip erkennt diese Unterscheidung auch das BVerfG z. B. in BVerfGE 33, 23 (32) an, wenn es bzgl. der Verweigerung des Eides aufgrund von Art. 4 Abs. 1 GG i. R. d. § 70 Abs. 1 StPO ausführt, dass „die Freistellung von der gesetzlichen Eidespflicht im Einzelfall […] die generelle Gültigkeit der pflichtbegründenden Norm nicht auf[hebt]“. Auch aufgegriffen von Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 554. Auch bei Herdegen, Normativität des positiven Rechts, S. 286 anklingend. 103 Vgl. Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 243.

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dies insbesondere dann, wenn man sich der Problematik quasi von der anderen Seite her nähert: Die Verwerfung einer Norm ist ihrerseits nur verhältnismäßig, wenn dies auch wirklich nötig ist, um den Vorrang der Verfassung gegenüber dem Gesetz durchzusetzen.104 Andernfalls verstieße man gegen den Grundsatz der Normerhaltung (favor legis).105 Deshalb sind immer zunächst alle Möglichkeiten der Herstellung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auszuschöpfen, bevor als ultima ratio an eine Nichtigerklärung der Norm auch nur zu denken ist. Wollte man also nur wegen dieser in seltenen Einzelfällen nötigen Korrektur direkt das gesamte und sonst immer zu verfassungsgemäßen Ergebnissen führende Gesetz über Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG für nichtig erklären, schösse man nicht nur erheblich über das Ziel hinaus.106 Ein solches Vorgehen wäre schlicht nicht von Erfolg gekrönt: Da das Gesetz für sich genommen eben nicht verfassungswidrig ist und deshalb auch gar nicht als solches angegriffen wird, wäre die konkrete Normkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG überhaupt nicht statthaft und hätte keine Aussicht auf Erfolg.107 c) Lösung: Gerichtliche Befugnis zum unmittelbaren Grundrechtsdurchgriff Wenn nun also Art. 100 Abs. 1 GG in den hier behandelten Fällen nicht einschlägig ist, muss es eine andere Möglichkeit geben, wie Gerichte selbst verfassungskonforme Ergebnisse herbeiführen können. Dies ergibt sich schon allgemein daraus, dass alle Gerichte nach Art. 20 Abs. 3 GG an „Gesetz und Recht“ gebunden, sowie nach Art. 97 Abs. 1 GG „dem Gesetze unterworfen“ sind – und damit auch der Verfassung.108 Spezieller noch sind in den vorliegenden Fällen die Gerichte aufgrund ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet, die Grundrechte bei ihrer Entscheidungsfindung zu beachten.109 Ausfluss der Grund104

Canaris, in: Festschrift für Ernst A. Kramer, S. 152. Vgl. dazu Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 192; Canaris, in: Festschrift für Reiner Schmidt, S. 42; Göldner, Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 44. 106 So die Formulierung bei Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 661. Vgl. auch Eilsberger, JuS 1970, S. 325, der derartige Vorlagen zwar als „nachgerade komisch“, aber möglich beschreibt. 107 Ähnlich Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 555. Damit ist auch trotz sonstiger Zustimmung zu Eilsberger, JuS 1970, S. 321 ff. dessen Aussage auf S. 325 entgegenzutreten, dem Richter käme ein Ermessen zu, ob er vorlegen mag oder nicht. A. A. wohl Roth, NVwZ 1998, S. 566, der die „verfassungskonforme Korrektur“ dennoch als „Nichtanwendung“ der Norm sieht und so zumindest eine abstrakte Normenkontrolle als anwendbar ansieht. 108 Vgl. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 191; BVerfGE 34, 269 (286) (Soraya); Brüggemann, Richterliche Begründungspflicht, S. 134; v. Arnim/Brink, Methodik der Rechtsbildung, S. 212 f.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 71; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 107, 109. 109 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 523; BVerfGE 49, 286 (303) (Transsexuellen-Entscheidung); 52, 203 (207); Hillgruber, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 1, 105

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rechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG muss damit eine fachgerichtliche Befugnis zu einem unmittelbaren Grundrechtsdurchgriff in Ausnahmefällen als einer Art „Härtemilderungskompetenz im Einzelfall“110 sein.111 Hätten die Gerichte eine solche Kompetenz nicht, müssten sie zwangsläufig verfassungswidrige Urteile sprechen, da ihnen nach all dem Vorgenannten weder eine Berücksichtigung der Grundrechte noch eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG möglich wäre. Rechtsmittel wie Berufung und Revision würden dem Bürger gegen ein solches verfassungswidriges Urteil nicht helfen, weil diesen Instanzen ebenfalls die Hände gebunden wären. Selbst wenn der Bürger als letzten Ausweg eine Verfassungsbeschwerde erhöbe, wäre ihm nicht geholfen. Da das BVerfG gerade keine Superrevisionsinstanz112 ist, müsste dieses zwar gar keine einfachgesetzliche Lösung präsentieren, sondern könnte die betreffende Entscheidung einfach wegen Verstoßes gegen das jeweilige Grundrecht aufheben, § 95 Abs. 2 BVerfGG. Daran anschließend müsste es jedoch die Sache zur erneuten Entscheidung wieder zurück an die Fachgerichte verweisen, § 95 Abs. 2 BVerfGG.113 Diese stünden dann wieder vor der gleichen Situation wie eingangs und hätten immer noch keinerlei materiell-rechtliche Möglichkeit, die Grundrechte in ihrer erneuten Entscheidung zu beachten. Dass es somit einer Handlungsmöglichkeit für die Gerichte bedarf, wird umso deutlicher, wenn man sich die Natur der Grundrechte vor Augen führt. Die Grundrechte sind in erster Linie dazu da, den Bürger vor dem Einfluss des Staates zu Rn. 63 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 1, 98; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 110. 110 Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 572, 554; ähnlich Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 469. 111 Ro¨ nnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 91; ders., ZStW 121 (2009), S. 661 f.; BVerfGE 49, 286 (303) (Transsexuellen-Entscheidung); Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 569, 589; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 467. 112 So st. Rspr. vgl. nur BVerfGE 7, 198 (207) (Lüth); 18, 85 (92 f.); Herzog, in: Festschrift für Günter Dürig, S. 435 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 283. 113 Zwar kann das BVerfG in Einzelfällen auch von einer Zurückverweisung absehen und selbst durchentscheiden, wenn den Gerichten kein Entscheidungsspielraum mehr zukommt, bspw. BVerfGE 35, 202 (244 f.); 42, 133 (143); 79, 69 (79); vgl. Zuck, in: Lechner/Zuck, BVerfGG, § 95, Rn. 17; Stark, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, § 95, Rn. 71 ff. Es wäre jedoch bereits fraglich, ob so ein Fall tatsächlich vorläge. Selbst wenn stünde dann das BVerfG selbst vor dem Problem, keine befriedigende Antwort liefern zu können, da schließlich das Gesetz selbst wie eben aufgeführt nicht für verfassungswidrig erklärt werden kann. Äußerst fraglich wäre dann, ob das BVerfG in solch einem Fall einfach selbst einen Freispruch erklären könnte, vgl. Hartmann, in: Pieroth/Silberkuhl, Verfassungsbeschwerde, § 95 BVerfGG, Rn. 13 (keine „eigene Sachentscheidung“); Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 254 (nur „Vernichtung des grundrechtsverletzenden Aktes“), unter Verweis auf BVerfGE 1, 3 (dort aufgeführt, dass BVerfG keine Schadensersatzansprüche zugestehen kann). Deutlich wird jedenfalls, dass dieses Vorgehen keine Lösung bieten kann. Keinesfalls kann eine Rechtspraxis nötig sein, bei der die Fachgerichte dazu gezwungen sind, sehenden Auges verfassungswidrige Urteile zu fällen, die dann regelmäßig vom BVerfG gekippt werden müssten. Ein solches Vorgehen wäre eines Rechtsstaates nicht würdig.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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schützen. Sie sind vordergründig Abwehrrechte gegen den Staat (status negativus).114 Wo aber wenn nicht im Strafrecht ist der Bürger am intensivsten den Eingriffen des Staates ausgesetzt? Das Strafrecht ist die schärfste dem Staat zur Verfügung stehende Waffe.115 Strafrechtliche Eingriffe können bis zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe reichen, § 38 Abs. 1 StGB i. V. m. bspw. § 211 StGB oder § 251 StGB. Wenn nun gerade im Bereich der krassesten Staatseingriffe die Grundrechte nicht wirksam und effektiv angewendet würden, wäre dies ein Armutszeugnis für einen modernen Rechtsstaat, ja die Bezeichnung Rechtsstaat wäre nicht mehr angebracht. Deshalb muss es eine Befugnis der Gerichte geben, die Grundrechte direkt im Strafrecht anzuwenden, um deren Implikationen wirksam in das Strafrecht einzuflechten und damit auch die Wechselwirkungslehre effektiv umzusetzen. d) Anerkennung der unmittelbaren Anwendung Das BVerfG selbst äußert sich weder zustimmend noch ablehnend bezüglich der direkten Anwendung der Grundrechte im Strafrecht.116 Da es schließlich gerade keine Superrevisionsinstanz darstellt, kann es sich vielmehr auf eine äußerst bequeme Position zurückziehen: Lediglich anzumerken, dass die Fachgerichte die Wirkung des jeweiligen Grundrechts verkannt hätten.117 Wie genau diese die Wirkung in das Strafrecht hätten einflechten müssen, wird dabei offen gelassen. In anderen Entscheidungen scheiterte bereits die verfassungsrechtliche Berufung auf das einschlägige Grundrecht, infolgedessen das BVerfG ausführte, dass schon deshalb dieses Grundrecht „als denkbarer Rechtfertigungsgrund“118 entfalle bzw. sich „zur Rechtfertigung nicht auf [das Grundrecht] berufen“119 werden könne. Diese Formulierungen, die eine Rechtfertigung durch Grundrechte nie explizit ablehnen, könnte man durchaus auch als konkludente Zustimmung des BVerfG zur unmittelbar rechtfertigenden Wirkung der Grundrechte im Strafrecht deuten.120 114

BVerfGE 7, 198 (204) (Lüth); 61, 82 (100 f.); 68, 193 (205); Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vor Art. 1, Rn. 17; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 2, Rn. 42 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 13; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1, Rn. 42 ff. 115 BVerfGE 32, 98 (109) (Gesundbeter): „Waffe“. BVerfGE 90, 145 (172); 110, 226 (262): „schärfste dem Staat zur Verfügung stehende Sanktion“. Vgl. auch BVerfGE 6, 389 (433); 88, 203 (258). 116 Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; BVerfGE 32, 98 (109) (Gesundbeter); 73, 206 (250) (Sitzblockaden I). BVerfG 33, 23 (34) spricht zwar davon, dass ein Grundrecht seine „unmittelbare und notfalls korrigierende Wirkung im Bereich des bestehenden Strafprozeßrechts [äußert]“, meint damit aber doch „nur“ eine verfassungskonforme Auslegung und keine wirklich unmittelbare und direkte Anwendung des betreffenden Grundrechts jenseits der Wortlautgrenze. 117 So bei BVerfGE 32, 98 (109) (Gesundbeter). 118 BVerfGE 73, 206 (250) (Sitzblockaden I). 119 BVerfGE 82, 236 (264). 120 So deutet es auch Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 181, Fn. 681.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

Auf fachgerichtlicher Ebene finden sich ebenfalls Entscheidungen, die eine Rechtfertigung durch die Grundrechte nur ablehnen, weil im konkreten Fall die Berufung auf das Grundrecht fehlschlägt.121 Dies könnte wiederum als eine Art konkludente Zustimmung gelesen werden. Der BGH hat sich hingegen deutlicher ausgedrückt. Laut einer Entscheidung vermag das Verfassungsrecht – wenn eine verfassungskonforme Auslegung an Wortlaut, Sinngehalt oder Entstehungsgeschichte scheitert – „kraft unmittelbarer Rechtswirkung einen Rechtfertigungsgrund“ zu schaffen.122 In einer anderen Entscheidung übt sich der BGH in einer dezidierten Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und der §§ 99 ff. StGB.123 Er wirft die Frage auf, „ob [das Grundrecht] lediglich die Preisgabe von Staatsgeheimnissen e r l a u b t, also dem Handeln des Rügenden die Widerrechtlichkeit nimmt, oder ob es sein Handeln als nicht tatbestandsmäßig erscheinen läßt“ und beantwortet die Frage schließlich dahingehend, dass die Rechtswidrigkeit aufgehoben wird.124 Die Situation der Anerkennung der Strafbefreiung in der Literatur ist ein wenig uneindeutig. So bezeichnet zwar bspw. Rönnau die Gegner einer unmittelbaren Anwendung als die herrschende Lehre.125 Gleichwohl finden sich doch eine erhebliche Anzahl an Stimmen in der Literatur, die eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht – ob mit oder ohne tiefergehende Begründung; ob bezüglich einzelner oder aller Grundrechte – ausdrücklich bejahen.126 121

LG Dortmund, NStZ-RR 1998, S. 139 (S. 141); LG Mainz, NJW 2000, S. 2220 (S. 2221) jedoch schon mit einem skeptischeren Unterton, wenn es erklärt, die Auffassung, ein tatbestandsmäßiges Vorgehen könne durch einen unmittelbar aus einem Grundrecht abgeleiteten Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt werden, „teilt die Kammer – zumindest was das vorliegende Verfahren anbelangt – nicht“. OLG Jena, NJW 2006, S. 1892 (S. 1893) jedoch mit einem die unmittelbare Anwendung der Grundrechte grundsätzlich bejahenden Unterton: „Das Verhalten des Angekl. ist auch nicht durch die Wahrnehmung von Grundrechten gerechtfertigt.“ Vgl. ferner auch BGHSt 44, 34 (41). 122 BGHSt 19, 311 (315) bzgl. Art. 21 GG und § 93 StGB. Vgl. diesbzgl. bereits BGHSt 6, 318 (319 ff.), da jedoch noch ein Prozesshindernis annehmend (322). 123 BGHSt 20, 342 (361 ff.). 124 BGHSt 20, 342 (367 f.). 125 Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139. 126 Bopp, Gewissensta¨ ter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 239 f., 135; Dose, DRiZ 1969, S. 75 f.; Eilsberger, JuS 1970, S. 325; Frisch, GA 2006, S. 277; Günther, in: Festschrift für Günter Spendel, S. 193 f.; Hassemer, in: Festschrift für Rudolf Wassermann, S. 332; Hauck, in: AnwaltKommentar StGB, Vor § 32, Rn. 29 f.; Hirsch, Strafrecht und Überzeugungstäter, S. 15 f.; Höcker, Grundrecht der Gewissensfreiheit und seine Auswirkungen im Strafrecht, S. 54, 67; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 544 f.; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 191 ff., 235 ff.; Ku¨ hl, AT, § 9 Rn. 112 ff.; ders., in: Lackner/Ku¨ hl, Vor § 32, Rn. 28; Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 237 f.; Radtke GA 2000, S. 27 f.; Reichert-Hammer, Politische Fernziele und Unrecht, S. 120 ff.; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 60, 138 f.; Rosenau, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, Vor §§ 32 ff., Rn. 29; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 49 ff.; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 91, 145; ders., ZStW 121 (2009), S. 657 ff.; Son, Bestrafung des Gewissenstäters, S. 77; Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 169; ders., JuS 2007, S. 1108.

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e) Zwischenergebnis Nach dem Vorgenannten ist deutlich geworden, dass eine Lösung auch für die Fälle gefunden werden muss, bei denen strafrechtsimmanente Mittel nicht verfügbar sind. Anderenfalls würde man sich vorsätzlich blind stellen und einen Verfassungsverstoß in Kauf nehmen. Wenn sich aber keine der strafrechtsimmanenten Lösungen als verallgemeinerungsfähig erwiesen hat, sollte darauf verzichtet werden, aus ihnen eine gekünstelte Möglichkeit mit Gewalt hinzubiegen, nur um einen mehr oder minder bequemen formellen Aufhänger zu haben, der materiell dann doch nur durch das jeweilige Grundrecht ausgefüllt werden könnte. Der ehrlichere Weg ist da die unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht. 2. Wirkebene einer unmittelbaren Anwendung Die vorrangegangene Argumentation, warum eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte nötig ist, sagt allerdings noch nichts darüber aus, wo sich diese Wirkung entfaltet. Eine Lösung über das Prozessrecht scheidet von vornherein aus und soll hier gar nicht mehr diskutiert werden, da dem Beschuldigten wie oben dargelegt127 ein materiell-rechtlicher Strafbefreiungsanspruch zusteht, dem eine bloße Einstellung des Prozesses nicht genügt. Eine materiell-rechtliche Strafbefreiung durch eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte kann jedoch wiederum auf den verschiedenen Ebenen des strafrechtlichen Deliktsaufbaus seine Wirkung entfalten. Das Verfassungsrecht gibt dabei nicht zwingend vor, welche Ebene konkret zu wählen ist.128 a) Tatbestandsebene Der Tatbestand bildet den ersten Prüfungspunkt der mehrstufigen Untersuchung, ob sich ein Mensch durch sein Verhalten strafbar gemacht hat oder nicht. Deshalb typisiert der Tatbestand leitbildhaft in relativ großer Abstraktheit und Weite generell strafwürdiges Verhalten.129 Umgekehrt betrachtet bedeutet die Verneinung bereits des Tatbestands, dass die in Rede stehenden Verhaltensformen von vorneherein nicht als mögliche Verletzung einer Rechtsnorm in Betracht kommen, überhaupt kein

127 Siehe oben S. 94 ff. Die Ablehnung erfolgte oben eben nicht aus dem Grund, dass die strafrechtsimmanente Methodik keine Lösung liefern konnte, sondern vielmehr deshalb, weil das Ergebnis einer prozessualen Möglichkeit nicht überzeugte. 128 Vgl. ebenso Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 520, 555; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 451, S. 458, Fn. 36. 129 Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 203; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 520.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

strafwürdiges Verhalten darstellen und somit nicht von strafrechtlicher Relevanz sind.130 Dem Tatbestand kommt so vor allem eine Warn- oder Appellfunktion zu.131 Mit der bloßen Erfüllung des Tatbestandes als der ersten Stufe der Strafbarkeit ist jedoch noch keine endgültige Missbilligung im Sinne eines endgültigen Unrechtsurteil abgegeben.132 „Die Feststellung, daß man einen Tatbestand erfüllt habe, belastet für sich allein niemanden. Im Tatbestand liegt kein Werturteil“, führte bereits Beling im Jahre 1906 aus.133 An anderer Stelle formulierte er noch plakativer: „Man mag noch so viel ,getötet‘, ,gemisshandelt‘, ,fremde Sachen beschädigt‘ haben usw., damit allein ist noch kein Verbrechen begangen.“134 Erst die Bejahung der Rechtswidrigkeit fällt schließlich im Zusammenspiel mit dem Tatbestand das endgültige Unrechtsurteil.135 Deutlich strafunwürdiges Verhalten ist so durchaus bereits aus dem Tatbestand auszunehmen, wie dies vor allem durch die strafrechtsimmanente, mittelbare Anwendung der Grundrechte wie bspw. der verfassungskonformen Auslegung von Tatbestandsmerkmalen oder der Anwendung kodifizierter Ausschlussklauseln geschieht.136 Nun handelt es sich aber bei der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte wie soeben aufgezeigt um Einzelfälle, in denen eine mittelbare Einwirkung gerade nicht mehr möglich ist (und so im Ergebnis teilweise gar eine Strafbarkeit des jeweiligen Täters vertreten wird). In diesen umstrittenen Grenzfällen bereits den Tatbestand auszuschließen und damit auszudrücken, dass keinerlei strafrechtliche Relevanz vorliegt, wird wohl eine überzogene Reaktion darstellen. Der Tatbestand erweist sich so nicht als optimale Zurechnungsstufe für eine unmittelbare Strafbefreiung durch Grundrechte.137

130 Hassemer, in: Festschrift für Rudolf Wassermann, S. 333; Danwerth, ZfPW 2017, S. 247. 131 Joecks, in: MüKo, StGB, § 16, Rn. 126; Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 16, Rn. 15; Puppe, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 16, Rn. 128; vgl. auch Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 7, Rn. 61 ff.; § 14, Rn. 66. 132 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 556; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 368, 12.; Höcker, Grundrecht der Gewissensfreiheit und seine Auswirkungen im Strafrecht, S. 46 f.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 10, Rn. 7; Jäger, in: SK-StGB, Vorb. § 1, Rn. 59. 133 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 147. 134 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 112. 135 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 139; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 7, Rn. 7, § 14, Rn. 3; Beulke, in: Festschrift für Ernst-Walter Hanack, S. 549; Werle, JuS 2001, S. L49; Jäger, in: SK-StGB, Vorb. § 1, Rn. 59. 136 Siehe oben S. 82. ff. 137 So i. E. auch Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 50; Geppert, JR 1985, S. 430 f.; Würtenberger, NJW 1982, S. 612. Anders Beisel, Kunst, S. 166 und Erhardt, Satire, S. 180, die zumindest die Kunstfreiheit bereits auf der Tatbestandsebene unmittelbar wirken lassen wollen, und LG Hannover, DRiZ 1969, S. 225 bzgl. Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

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b) Rechtswidrigkeitsebene Besser passt – wie auch in den vorgenannten Gerichtsentscheidungen bereits angeklungen –138 die unmittelbare Anwendung der Grundrechte auf Rechtswidrigkeitsebene. Die Rechtswidrigkeit ist der zweite Prüfungspunkt der mehrstufigen Untersuchung, ob sich ein Mensch durch sein Verhalten strafbar gemacht hat. Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsebene stehen dabei in einem Regel-AusnahmeVerhältnis.139 Der Rechtswidrigkeit kommt als Gegenpart zum grundsätzlich weiten Tatbestand die Aufgabe eines Korrektivs zu. Einzelne Handlungen, die unter den im Einzelfall zu weiten Tatbestand fallen, werden ausnahmsweise aus dem Bereich strafrechtlichen Unrechts wieder ausgeklammert. Während der Tatbestand typisierte Entscheidungen ohne große Abwägungen und weitgehend ohne Betrachtung sozialer und einzelfallspezifischer Besonderheiten trifft,140 wirkt die Rechtswidrigkeitsebene differenzierter. Auf ihr erfolgt der Ausgleich konfligierender Interessen mit dem Ziel einer sozial richtigen Regulierung.141 Es werden all diejenigen besonderen Sachverhalte berücksichtigt, auf die infolge ihrer Atypizität nicht bereits auf Tatbestandsebene eingegangen werden kann.142 So erklärt sich auch, warum wie bereits oben erwähnt allen Rechtfertigungsgründen Prinzipien der Güter-, Interessen- oder Wertabwägung intrinsisch sind.143 Wenn also eine Verneinung des Tatbestandes bedeutet, dass das fragliche Verhalten strafrechtlich komplett irrelevant ist, liegt der Klassifizierung eines Verhaltens als tatbestandsmäßig aber gerechtfertigt eine andere Wertung zugrunde: Trotz durchaus gegebener Beeinträchtigung eines geschützten Rechtsguts liegt durch die besonderen rechtfertigenden Umstände ausnahmsweise kein materielles Unrecht vor und fehlt deshalb die Strafwürdigkeit.144 In diese Typisierung der Rechtswidrigkeitsebene fügt sich perfekt die nur ausnahmsweise Durchsetzung eines Grundrechts gegenüber einem strafrechtlichen Tatbestand ein. Denn in den hier als punktueller oder exzeptioneller Konflikt klassifizierten Fällen verbietet die Abwägung des jeweiligen Grundrechts mit den vom jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsgütern ausnahmsweise die Fällung eines strafrechtlichen Unrechtsurteils, obgleich der tatbestandliche Verbotstypus an sich 138

Siehe soeben S. 103 f. Danwerth, ZfPW 2017, S. 248; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Sch/Sch, StGB, § 15, Rn. 188; Puppe, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 16, Rn. 124. 140 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 139; Erb, ZStW 108 (1996), S. 287. 141 Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 14, Rn. 41; ders., Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 15. 142 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 138; Erb, ZStW 108 (1996), S. 288. 143 Merz, strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, S. 56; Geppert, Jura 1985, S. 26; Noll, ZStW 77 (1965), S. 9; Hilgendorf, in: LK, StGB, § 193, Rn. 2; Lenckner, GA 1985, S. 295; Radtke, GA 2000, S. 28. 144 So auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 250. 139

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

vorliegt.145 Letzteres soll ja auch gar nicht in Frage gestellt werden; an der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit des strafrechtlichen Verbots wird kein Zweifel gehegt.146 Anderenfalls befände man sich doch wieder im permanenten Konflikt von Strafrechtsnorm und Verfassungsrecht, der nur durch Nichtigerklärung des Tatbestandes – bzw. von den einfachen Gerichten nur durch Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG – gelöst werden könnte. Eine Lösung auf Rechtswidrigkeitsebene stellt somit die strafrechtliche Auflösung des punktuellen Konfliktes mit dem Verfassungsrecht dar. Mithin ist die Ebene der Rechtswidrigkeit der richtige Ort, um die unmittelbare Wirkung der Grundrechte im Strafrecht entfalten zu lassen. c) Schuldebene Unterstützt wird diese Annahme, wenn man zur Abrundung und Absicherung des Vorgenannten die Natur der Schuldebene als der dritten Ebene im strafrechtlichen Deliktsaufbau betrachtet. Zwar knüpft die Schuld an die individuellen und persönlichen Umstände des Handelnden an und scheint so vor allem für die sehr persönlichen Grundrechte der Religions- und Gewissensfreiheit perfekt zu passen.147 Schuldbefreiung bedeutet jedoch, dass das fragliche Verhalten nur ausnahmsweise nachgesehen, aber keineswegs von der Rechtsordnung gebilligt wird; es bleibt verboten und unerlaubt, allein aufgrund fehlender persönlicher Vorwerfbarkeit wird von einer Bestrafung abgesehen.148 Bereits mit Bejahung der Rechtswidrigkeit ist schließlich das Unrechtsurteil ausgesprochen; das Verhalten wird rechtlich missbilligt, es ist illegal und vom Bürger ausdrücklich zu unterlassen.149 Diese Wertung passt jedoch nicht auf eine in Einklang mit der Verfassung stehende Grundrechtsausübung. Rechtmäßige Grundrechtsausübung kann nicht nur ausnahmsweise nachgesehen werden. Das oben bereits angeführte Argument der Einheit der Rechtsordnung150 erlaubt nicht, dass die rechtmäßige Grundrechtsausübung das Verdikt strafrechtlichen „Unrechts“ angelastet bekommt, welches nur aus 145

Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 521. Vgl. Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 203. 147 Müller-Dietz, in: Festschrift für Karl Peters, S. 107; Ebert, Überzeugungstäter, S. 50; Bopp, Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 249 ff.; vgl. auch Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 22, Rn. 100 ff. für die sog. Gewissenstat. Siehe zum Ganzen Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 141 f. und insb. S. 181 ff. Zur Kritik der Behandlung auf Schuldebene auch: Kaspar, Grundrechtsschutz und Präventionsstrafrecht, S. 558 ff. 148 Vgl. Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 7, Rn. 8. Nach dem heute herrschenden normativen Schuldbegriff bedeutet Schuld persönliche Vorwerfbarkeit, so BGHSt 2, 194 (200); Fischer, StGB, Vor § 13, Rn. 47; Frister, JuS 2013, S. 1057 ff.; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 167. 149 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 520, 555. Vgl. zum Unrechtsurteil: Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 7, Rn. 28 und ferner auch Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, S. 31 ff. 150 Siehe oben S. 97 f. 146

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Güte entschuldigt und aus Nachsicht nicht bestraft wird.151 Mögen auch einige Grundrechte wie die angesprochene Religions- oder Gewissensfreiheit durchaus sehr subjektiv geprägt sein, so ist selbst ein aufgrund von subjektiven Tatsachen begründeter Grundrechtsschutz ein vollwertiger Grundrechtsschutz. Damit ist das Verhalten von der Rechtsordnung – gar der Verfassung – ausdrücklich gebilligt und muss bereits die Rechtswidrigkeit ausschließen. Gegen eine Wirkung der Grundrechte erst auf Schuldebene sprechen zudem zwei weitere Punkte: Bei einer bloßen Entschuldigung erstreckte sich die strafbefreiende Wirkung zum einen nicht auf Teilnehmer (sog. limitierte Akzessorietät) und zum anderen könnte gegen die Ausübung des Grundrechts immer noch Notwehr verübt werden (sog. Notwehrprobe).152 Eine direkte Anwendung der Grundrechte erst auf Schuldebene kommt somit nicht in Betracht. Umso weniger kann die Annahme eines Strafbefreiungs- oder Strafaufhebungsgrundes erst auf der Ebene der Strafzumessung genügen.153 d) Zwischenergebnis Eine unmittelbar strafbefreiende Wirkung der Grundrechte bereits auf Tatbestandsebene hätte die Wertung inne, dass überhaupt kein entgegenstehendes Rechtsgut durch die Grundrechtsausübung beeinträchtigt wurde. Dies wird den hier in Rede stehenden Fällen, in denen die vom jeweiligen Tatbestand geschützten Rechte Anderer durchaus beeinträchtigt werden, zumeist nicht entsprechen. Eine strafbefreiende Wirkung erst auf Schuldebene ginge dagegen mit dem Verdikt eines Unrechtsurteils einher, was einer verfassungsrechtlich erlaubten Ausübung der Grundrechte nicht angelastet werden darf. Der geeignete Ort für eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht ist damit die Rechtswidrigkeitsebene, deren Wirkmechanismus und grundlegende Wertung genau den Fällen entspricht, in denen nach Abwägung der konfligierenden Interessen trotz der grundsätzlichen 151

Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 556. Dies sind auch die von Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 143 f. vorgebrachten Argumente gegen eine Wirkung der Grundrechte erst als Strafausschließungsgründe. Richtigerweise greifen die Argumente jedoch bereits gegen eine Wirkung der Grundrechte auf Schuldebene, denn Teilnahme und Notwehr setzen jeweils nur eine rechtswidrige, nicht jedoch eine schuldhafte Tat voraus, vgl. nur Erb, in: MüKo, StGB, § 32, Rn. 35 ff.; Momsen/Savic, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 32, Rn. 13, 21; Heine/Weißer, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 25 ff., Rn. 26, § 26, Rn. 29; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 25, Rn. 9. 153 So insb. in Bezug auf den sog. Gewissens- oder Überzeugungstäter: BGHSt 8, 162 (165); Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 415; Hirsch, in: LK, StGB, 11. Auflage, Vor § 32, Rn. 224; Heinitz, ZStW 78 (1966), S. 632 f. Vgl. auch Wolter, NStZ 1993, S. 10 bzgl. der LockspitzelFälle. Ebenfalls ungenügend wäre die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 S. 1 StGB, da diese „Ausweichlösung“ nur in engen Irrtumsfällen, nicht jedoch bei der irrtumslosen Grundrechtsausübung vorliegt; vgl. zuletzt nur BGH 3 StR 394/07 v. 3. 4. 2008, HRRS 2008 Nr. 458, Rn. 33 ff. 152

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

Beeinträchtigung der Rechte Anderer die Ausübung des jeweiligen Grundrechts im Einzelfall überwiegen muss. 3. Methodischer Unterbau einer unmittelbaren Anwendung Damit wurde sowohl behandelt, warum eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte im Strafrecht nötig ist, als auch wo sich diese Wirkung entfalten muss. Ungeklärt bleibt jedoch weiterhin, was die genaue methodische Grundlage einer solchen unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht ist. Abhandlungen, die sich mit dem Thema der Anwendung der Grundrechte im Strafrecht beschäftigen, brechen ihre Ausführungen regelmäßig spätestens an dieser Stelle ab und thematisieren diese Frage überhaupt nicht; teilweise wird sich einfach darauf zurückgezogen, dass es im Strafrecht aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung neben geschriebenen eben auch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe gebe.154 Mit dieser Feststellung ist aber noch nicht gesagt, wie und unter welchen Voraussetzungen diese ungeschriebenen Rechtsfertigungsgründe methodisch gebildet werden. Wenn sie nun nirgendwo explizit kodifiziert sind, können sie nur im Wege der Rechtsfortbildung „entstehen“. Fraglich ist also, ob die unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht die Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung einhält. a) Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung Rechtsfortbildung beginnt da, wo sich das Ergebnis der Rechtsanwendung nicht mehr aus dem Wortlaut einer kodifizierten Norm ableiten lässt.155 Davor steht, gewissermaßen auf der ersten Stufe der Rechtsanwendung, die Anwendung einer Norm im Rahmen ihres Wortlautes durch Auslegung desselben.156 Zur Ausweitung des Anwendungsbereiches der Norm kann der Wortlaut so extensiv und zur Einschränkung des Anwendungsbereiches restriktiv ausgelegt werden.157 Die bereits oben158 behandelte sog. verfassungskonforme Auslegung als Spezialfall der Auslegung kann sich im Prinzip beider Methoden bedienen, je nachdem in welche 154 Vgl. Eilsberger, JuS 1970, S. 323 f.; Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 237 ff.; Dose, DRiZ 1969, S. 75; Hassemer, in: Festschrift für Rudolf Wassermann, S. 332; Reichert-Hammer, Politische Fernziele und Unrecht, S. 120 f.; vgl. auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 165 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, Vor § 32, Rn. 28; Kühl, AT, § 9, Rn. 112 ff.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 49 ff. Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 77 ff. kritisiert daran zu Recht, dass die strafrechtliche Einordnung als Rechtfertigungsgrund nichts über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit aussagt. Eilsberger, JuS 1970, S. 323 hält dagegen eine tiefergehende Diskussion gar für müßig. 155 Larenz, Methodenlehre, S. 322, 366 f.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 83. 156 Larenz, Methodenlehre, S. 366 f. zu diesem Stufenbild eines aufgrund der Wesensgleichheit von Auslegung und Rechtsfortbildung einheitlichen gedanklichen Verfahrens. 157 Vgl. Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 46. 158 Siehe z. B. oben S. 83 ff.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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Richtung die Norm entwickelt werden muss, um Verfassungskonformität herzustellen.159 Die Grenze aber ist, wie bereits oben dargelegt, jeweils der äußerste Wortlaut. Auf der zweiten Stufe überschreitet die Rechtsanwendung die Wortlautgrenze durch Rechtsfortbildung, sodass eine solche gewissermaßen die Fortsetzung der an eben diese Grenze gebundenen Auslegung darstellt.160 Abermals kann die Rechtswirkung ausgeweitet oder eingeschränkt werden; ersteres kann u. a. durch eine Analogiebildung161, letzteres bspw. durch teleologische Reduktion einer Norm geschehen.162 Als eine Sonderform kann man meiner Ansicht nach die verfassungskonforme Rechtsfortbildung bezeichnen, die in terminologischer Kohärenz die Fortsetzung der verfassungskonformen Auslegung ist. Nach dem Vorgenannten stellt dabei die äußerste Bedeutung des Wortlauts die Grenze zwischen beiden methodischen Instituten dar. Wie die verfassungskonforme Auslegung kann so auch die verfassungskonforme Rechtsfortbildung in beide Richtungen wirken, um eine Rechtswirkung in Einklang mit der Verfassung entweder auszuweiten oder einzuschränken. Sie ist dabei „nicht auf Verdrängung des Gesetzes, sondern auf dessen Verschmelzung mit der Verfassung gerichtet“.163 Damit erfüllt sie im Prinzip die Funktion, die oben proklamierte Einheit der Rechtsordnung herzustellen, indem sie vorhandene gesetzliche Regelungen um die dazu nötigen Bestimmungen ergänzt. Sie füllt demzufolge Lücken in 159 Anders ausgedrückt stellt die verfassungskonforme Auslegung gewissermaßen eine Regel dar, bei der Auswahl aus verschiedenen möglichen Auslegungsergebnissen diejenigen zu treffen, die verfassungskonform sind, und diejenigen zu verwerfen, die zu verfassungswidrigen Ergebnissen führten, vgl. Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 184. 160 Larenz, Methodenlehre, S. 366 f.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268. Vgl. auch v. Arnim/Brink, Methodik der Rechtsbildung, S. 213 ff.; Esser, Grundsatz und Norm, S. 259; Jestaedt, in: Bumke, Richterrecht, S. 60 gegen eine solch scharfe Trennung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung, da beide wesensgleich seien. Dies wird jedoch auch durch Anerkennen der Wortlautgrenze nicht bestritten, vgl. explizit die Wesensgleichheit betonend: Larenz, Methodenlehre, S. 366. Die Wortlautgrenze zwischen den beiden Instituten dient dazu, die gesteigerten Anforderungen an eine Rechtsfortbildung im Gegensatz zur Auslegung durchsetzen zu können. 161 Die oben auf S. 90 f. und S. 92 f. vorgestellten und abgelehnten Versuche, die Grundrechte über eine analoge Anwendung von § 34 StGB oder § 193 StGB zu berücksichtigen, stellen somit auch Fälle der Rechtsfortbildung dar, vgl. Danwerth, ZfPW 2017, S. 239 f. und Larenz, Methodenlehre, S. 397, der die Analogiebildung als „gesetzesimmanente Rechtsfortbildung“ bezeichnet, Bezeichnung aufgegriffen u. a. von BGHZ 149, 165 (174). Dies wird nur allzu gern nicht so deutlich gesagt, da dem Wort Rechtsfortbildung zu Unrecht im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch die beinahe negative Konnotation beiwohnt, sich schon im Bereich der unzulässigen Methodik zu befinden. Vgl. zum negativen Klang von Bezeichnungen wie Richterrecht, richterlicher Rechtsfortbildung, Richterstaat, „gouvernement des juges“ und „judicial activism“ auch Jestaedt, in: Bumke, Richterrecht, S. 50 unter der treffenden Überschrift „Zwischen Scylla und Charybdis“. 162 Larenz, Methodenlehre, S. 391; Krey, JZ 1978, S. 366; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 12; Danwerth, ZfPW 2017, S. 239 f., 233 f. 163 Göldner, Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 80 f.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

gegebenen gesetzlichen Regelungen aus.164 Bei einer zu weit reichenden Norm besteht diese „Lücke“ des Regelungssystems im Fehlen einer Ausnahmevorschrift wie z. B. eines passenden Rechtfertigungsgrundes.165 b) Anerkennung der verfassungskonformen Rechtsfortbildung Viele Stimmen in der Literatur erkennen eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung grundsätzlich an.166 Zwar finden sich durchaus auch Auffassungen, die gegenüber einer solchen kritisch eingestellt sind.167 Dahinter scheint jedoch das Bild eines äußerst strengen und überkommenen Verständnisses der Gewaltenteilung auf, bei dem einem Richter lediglich die Rolle eines „Subsumtionsautomaten“168 zukommt; ganz im Sinne Montesquieus, dem zufolge „… les juges de la nation ne sont 164 Göldner, Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 75, 80 ff.; ders., in: Festschrift für Karl Larenz, S. 201; Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 121 f.; Krey, JZ 1978, S. 364; ders., JZ 1978, S. 467; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 84. 165 Krey, JZ 1978, S. 364; Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 122. 166 Göldner, Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 80 ff.; ders., in: Festschrift für Karl Larenz, S. 200 ff.; Canaris, in: Festschrift für Ernst A. Kramer, S. 155 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 161; Brüggemann, JR 1963, S. 166; Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 121 ff.; ders., Methodenlehre, S. 70; Looschelders/Roth, JZ 1995, S. 1044; dies., Juristische Methodik, S. 242 f., insb. auch Fn. 80; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 266 ff.; Roth, NVwZ 1998, S. 566; Krey, JZ 1978, S. 364, 366; ders., JZ 1978, S. 467 jeweils mit unterschiedlich strengen Korrekturgrenzen. Im Bereich von Arbeitsrecht und Art. 9 III GG erkennt zudem Scholz, DB 1972, S. 1779 jenseits der Rechtsfortbildung intra und praeter legem eine über den Wortlaut hinausgehende verfassungskonforme Rechtsfortbildung an. Seetzen, NJW 1976, S. 1999 ff. spricht nur dem BVerfG, nicht jedoch den Fachgerichten eine Kompetenz zur verfassungskonformen Restriktion und Extension über die Wortlautgrenze hinaus zu, da er dieses Vorgehen als Teilnichtigkeitserklärung sieht, die gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nur dem BVerfG zustehe. Laut Langenbucher, Richterrecht, S. 58 kann Rechtsfortbildung legitimiert werden, indem sie der Durchsetzung eines Verfassungswertes gilt. Auch Larenz, Methodenlehre, S. 340 explizit und S. 414, wenn die Gesetzesauslegung und gesetzesimmanente Rechtsfortbildung über Analogien und teleologische Reduktionen nicht mehr ausreicht; ferner entspricht der verfassungskonformen Rechtsfortbildung Larenz’ Fallgruppe der Rechtsfortbildung durch „Güterabwägung“, S. 404 ff., insb. S. 413: „Die ,Güterabwägung im Einzelfall‘ ist eine Methode der Rechtsfortbildung, weil sie dazu dient, Normkollisionen, für die es an einer ausdrücklichen Regel im Gesetz fehlt, zu lösen, die sich überschneidenden Anwendungsbereiche von Normen gegeneinander abzugrenzen …“. Ähnlich erkennt auch Zippelius, Methodenlehre, S. 69 f. einen „Rechtfertigungsgrund der Güterabwägung“ an. 167 Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 178 ff.; Raisch, Juristische Methoden, S. 180; Müller, Richterrecht, S. 119 ff. und Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 103. Obgleich dieser auf S. 94 ff. zunächst noch ein Plädoyer für ein allgemeines richterliches Prüfungsrecht hält, lehnt er eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung auf S. 103 explizit ab. 168 Zum Begriff des „Subsumtionsautomaten“, der wohl auf Bruno Schmidt zurückgeht: Ogorek, Richterkönig oder Subsumtionsautomat, S. 40, insb. Fn. 4. Den Begriff in ähnlichem Kontext wie hier nutzend: Jestaedt, in: Bumke, Richterrecht, S. 50.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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[…] que la bouche qui prononce les paroles de la loi“169. Führt man sich hingegen vor Augen, dass sonst überall in der Rechtswissenschaft teleologische Reduktionen und Analogien wider den Wortlaut benutzt werden – teils gar ohne dezidierte Begründungen, sondern vielmehr mit pauschalen Behauptungen170 – leuchtet eine ablehnende Haltung gerade gegenüber der verfassungskonformen Rechtsfortbildung nicht ein. Sie ist vielmehr zutiefst widersprüchlich. Die „normale“, nicht aus Verfassungsgründen vorgenommene Rechtsfortbildung stützt sich dabei oft unter dem Deckmantel171 teleologischer Betrachtungen auf viel freiere Erwägungen und lässt gar allgemeine Gerechtigkeitserwägungen172, Schutzwürdigkeitserwägungen173 oder Praktikabilität und Sachgemäßheit174 als Legitimation genügen. Gleichwohl sind diese Methoden der Rechtsfindung anerkannt und kommen mehr oder weniger selbstverständlich zum Einsatz. Teilweise wurden im Wege der Rechtsfortbildung anerkannter Weise gar komplett neue Institute aufgrund von Rechtsverkehrsbedürfnissen gebildet. Beispiele dafür sind die Sicherungsübereignung, das Anwartschaftsrecht und die Einziehungsermächtigung.175 Im Bereich des Strafrechts seien nur die mutmaßliche Einwilligung176 oder der übergesetzliche entschuldigende Notstand177 genannt. Erst recht muss so eine Rechtsfortbildung aus dem hehren Motiv der Verfassungskonformität heraus möglich sein.178 169

Montesquieu, De l’Esprit des Lois, Livre XI, Chapitre VI, S. 176. Beispiele insb. für das Strafrecht bei Schmitz, in: MüKo, StGB, § 1, Rn. 75. Beispiele aus dem Zivilrecht bzgl. der pauschalen Ausdehnung von § 421 BGB auf alle ähnlichen Sachverhalte bei Bydlinski, in: MüKo, BGB, § 421, Rn. 63. 171 Die Feststellung des Telos einer Norm lässt schließlich bereits die eigenen Wertungen des Rechtsfortbildenden einfließen. 172 So die Anwendung von § 844 Abs. 2 BGB nicht nur auf eigentlich entgangene Unterhaltsleistungen, sondern auch auf den „Folgeschaden unterbliebener Unterhaltsleistungen“, um eine „nicht gerechtfertigte Benachteiligung“ abzuwenden, BGHZ 32, 246; Larenz, Methodenlehre, S. 397 f. 173 Vgl. nur den klassischen Fall der Anwendung des § 107 BGB statt nur auf rechtlich vorteilhafte Geschäfte auch auf rechtlich neutrale Geschäfte, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 399. 174 So wurde (bis zur Neufassung des § 50 Abs. 2 ZPO ab 30. 09. 2009) die aktive Parteifähigkeit nichtrechtsfähiger Vereine entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 2 ZPO aufgrund dieser Erwägungen anerkannt, BGH, NJW 2008, S. 69 (S. 74); Larenz, Methodenlehre, S. 428. 175 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 414. Bzgl. der Sicherungsübereignung als Rechtsfortbildung: Gaul, AcP 168 (1968), S. 357. Bzgl. des Anwartschaftsrechts als Rechtsfortbildung: Marotzke, Das Anwartschaftsrecht – ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung, S. 13 ff. Bzgl. der Einziehungsermächtigung als Rechtsfortbildung: Rüßmann, JuS 1972, S. 172 f.; Lüke, JuS 1995, S. 93. 176 Tag, ZStW 127/2 (2015), S. 523; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 8 bezeichnet die mutmaßliche Einwilligung als Gewohnheitsrecht. Als solches musste es aber eben auch geschöpft worden sein, bevor es zur Gewohnheit wurde, sodass Gewohnheitsrecht oft die Folge richterlicher Rechtsschöpfung ist, vgl. Krebs/Becker, JuS 2013, S. 97. 177 Bezeichnung des übergesetzlichen Notstands als Rechtsfortbildung: Brüggemann, JR 1963, S. 163. Vgl. allgemein zum übergesetzlichen Notstand nur: Neumann, in: Kindhäuser/ 170

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

Grundsätzlich erkennt so auch das BVerfG eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung an, obgleich es oft ungenauer- bis fälschlicherweise noch von verfassungskonformer Auslegung spricht, während es doch schon längst den Wortlaut überschritten hat.179 So führt es bspw. aus: „Der Richter ist nach dem Grundgesetz nicht darauf verwiesen, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Eine solche Auffassung würde die grundsätzliche Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung voraussetzen, ein Zustand, der als prinzipielles Postulat der Rechtssicherheit vertretbar, aber praktisch unerreichbar ist.“180

Vielmehr sei es auch Aufgabe des Richters, Wertvorstellungen der verfassungsmäßigen Rechtsordnung in seinen Entscheidungen zu realisieren.181 Das BVerfG hat somit längst eine Befugnis der Gerichte zur verfassungskonformen Rechtsfortbildung anerkannt,182 lediglich die umfassende Anerkennung in der Literatur ist noch nicht erfolgt.183 Wegen § 31 Abs. 1 BVerfGG besteht damit konseNeumann/Paeffgen, StGB, § 35, Rn. 54 ff.; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 32 ff., Rn. 115 ff. 178 I. E. ähnlich Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 121, wenn er ausführt: „Es ist kein Grund ersichtlich, warum das allgemein zulässige hermeneutische Instrument der Lückenausfüllung prinzipiell nicht auch […] dazu benützt werden dürfte, einen verfassungskonformen Rechtszustand herbeizuführen.“ Auch Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 60: „Auch ist nicht einzusehen, weshalb die richterliche Rechtsfortbildung praeter legem, die im Grundsatz heute wohl allgemein akzeptiert wird, ausgerechnet dort unzulässig sein sollte, wo sie als verfassungskonforme Rechtsfortbildung zur Erhaltung der Normgeltung unerläßlich ist.“ Ähnlich auch Canaris, in: Festschrift für Ernst A. Kramer, S. 155. 179 Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 122; Looschelders/Roth, JZ 1995, S. 1044, Fn. 112; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 243, 263, Fn. 156. Vgl. bspw. aus der neueren Rechtsprechung BVerfGE 110, 226 (267) (Geldwäsche); Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 52 ff., insb. S. 58 ff.; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 532 ff. 180 BVerfGE 34, 269 (287) (Soraya). 181 BVerfGE 34, 269 (287) (Soraya). Kritisch zu dieser Entscheidung u. a.: Schneider, DÖV 1975, S. 445. Vgl. auch Pieroth/Aubel, JZ 2003, S. 506 f. In Ansätzen bereits BVerfGE 7, 198 (206). 182 Vgl. in Ansätzen – jedoch noch nah an der verfassungskonformen Auslegung im engeren Sinne im Rahmen des Wortlauts – bereits BVerfGE 7, 198 (206), 8, 28 (33 ff.); 33, 52 ff. (70) (Der lachende Mann). Ausdrücklich wider die Wortlautgrenze: BVerfGE 8, 210 (221) („… ohne am Wortlaut des Gesetzes zu haften“); 22, 28 (37) („… über seinen Wortlaut hinaus …“), jedoch nicht im Kontext einer verfassungskonformen, sondern einer sonstigen Rechtsfortbildung. Wider die Wortlautgrenze im Bereich verfassungskonformer Rechtsfortbildung: BVerfGE 35, 263 (278 f.) („… am Wortlaut einer Norm braucht der Richter aber nicht haltzumachen“); erneut 34, 269 (287) (Soraya); 88, 145 (167) („… eine reine Wortinterpretation […] schreibt die Verfassung nicht vor. Eine Rechtsfortbildung ,praeter legem‘ [… ist …] nicht von vornherein ausgeschlossen.“). 183 Göldner, in: Festschrift für Larenz, S. 202, der zu Recht anmerkt, dass die Literatur besser die Grenzen der verfassungskonformen Rechtsfortbildung genauer zu definieren versuchen sollte, als eine solche im Ganzen zu bekriegen.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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quenterweise sogar eine Pflicht des Richters zur Durchführung verfassungskonformer Rechtsfortbildung.184 Auch für den Bereich des Strafrechts ist die Zulässigkeit verfassungskonformer Rechtsfortbildung anerkannt.185 c) Grenzen der verfassungskonformen Rechtsfortbildung Fraglich ist, wo die Grenzen einer solchen verfassungskonformen Rechtsfortbildung liegen. Sie wären jedenfalls dann überschritten, wenn ein Richter komplett neues Recht mit neuen Wertungen „bildet“, welches es so zuvor überhaupt nicht gab. Der Richter darf nicht als Ersatzgesetzgeber tätigt werden und originäre Wertentscheidungen treffen. Wenn er eigene sozial- oder rechtspolitische Vorstellungen wider gesetzgeberische Wertungen umsetzt, wäre die Grenze zur gegen die Gewaltenteilung und den Vorrang des Gesetzes verstoßenden und damit unzulässigen Rechtsfortbildung contra legem überschritten.186 Die Grenze der verfassungskonformen Rechtsfortbildung wird so zumeist im entgegenstehenden Gesetzgeberwillen gesehen.187 Sie muss da enden, wo sie den gesetzgeberischen Regelungszweck ins Gegenteil verkehren würde.188 Das steht im Einklang mit dem oben189 zur Abgrenzung zum Fall des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG Gesagten: Wo die legislative Wertentscheidung direkt angegriffen wird, hat der Richter kein Recht zur eigenständigen Rechtsfortbildung mehr, er muss vielmehr dem BVerfG vorlegen. Weitergehend finden sich allerdings sogar Stimmen, die auch diese Grenze der historischen Regelungsabsicht des Gesetzgebers ablehnen;190 auch die Rechtsprechung verzichtet zum Teil auf diese Konturziehung.191 Speziell für das Strafrecht findet zudem freilich 184 So bereits Brüggemann, JR 1963, S. 166, Fn. 66 bzgl. BVerfGE 7, 198 (205 ff). Heute sogar deutlicher als Folge der vorgenannten Entscheidungen in Fn. 182. 185 Explizit BGHSt 30, 105 (121) (Rechtsfolgenlösung beim Mord); Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 464 ff.; Bopp, Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 134 f.; Krey, JZ 1978, S. 364, 366; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 12 f., 60 f.; vgl. auch BVerfGE 90, 255 (260 ff.); 110, 226 (267) (Geldwäsche). 186 Vgl. Krey, JZ 1978, S. 365; Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 121; Bumke, in: Bumke, Richterrecht, S. 40 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 428. 187 Looschelders/Roth, JZ 1995, S. 1044; Roth, NVwZ 1998, S. 566; vgl. auch Canaris, in: Festschrift für Ernst A. Kramer, S. 158 ff. 188 Krey, JZ 1978, S. 366 f.; Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 121; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267, 270. 189 Siehe oben S. 98 ff. 190 Göldner, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 201. Im Prinzip für weite Grenzen auch Larenz, Methodenlehre, S. 413 427, wenn er als Grenze für seine „gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung“ erst da sieht, „wo eine Antwort im Rahmen der geltenden Rechtsordnung insgesamt mit spezifischen rechtlichen Erwägungen allein nicht gefunden werden kann …“. 191 BVerfGE 8, 28 (34); 33, 52 (70) (Der lachende Mann) jeweils unter Hinweis auf BVerfGE 2, 266 (282): Es muss nur das Maximum der Absicht des Gesetzgebers aufrechterhalten werden, „was nach der Verfassung aufrechterhalten werden konnte“. BVerfGE 35, 263

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

die spezielle Grenze des strafrechtlichen Analogieverbotes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG Anwendung.192 Damit stellt sich die Frage, ob in den hier untersuchten Fällen der direkten Anwendung der Grundrechte im Strafrecht die Grenzen verfassungskonformer Rechtsfortbildung gewahrt werden. Zunächst einmal gilt das strafrechtliche Analogieverbot im vorliegenden Falle einer unmittelbaren Strafbegrenzung zugunsten des Täters gar nicht.193 Weiterhin schafft der Rechtsanwender kein neues Recht mit neuen Wertungen, sondern wendet lediglich ein verfassungswidriges Ergebnis im Einzelfall ab, indem er die originär auf Verfassungsebene bestehenden Wertungen in das Strafrecht überträgt. Damit werden also sogar immer noch die Wertungen eines bestehenden, explizit kodifizierten Gesetzes angewandt, eben die des Grundgesetzes.194 Außerdem wäre sogar die enge Grenze des Gesetzgeberwillens gewahrt, nimmt man nicht an, dass der historische Gesetzgeber ausdrücklich auch von Grundrechten gedeckte Handlungen bestrafen wollte, was man ihm schwer zu unterstellen vermag. Dagegen spricht schon das Vorhandensein all der fragmentarischen Regelungen, bei denen die Wirkung der Grundrechte im Strafrecht bedacht ist.195 In anderem Kontext hat das BVerfG genau diesen Schluss vom Vorhandensein einzelner spezialgesetzlicher Regelungen auf einen der Rechtsfortbildung damit allgemein nicht entgegenstehenden Gesetzgeberwillen gezogen.196 Solange sich also die Legislative nicht explizit dafür ausgesprochen hat, die Strafbarkeit auf eben den fraglichen Sachverhalt erstrecken zu wollen, kann ihr nicht einfach ein entgegenstehender Willen unterstellt werden.197 Der Gesetzgeber wird lediglich nicht bedacht haben, dass es noch in vielen weiteren Konstellationen als den explizit bedachten Sachverhalten, Grundrechten und Tatbeständen zu einem Konflikt zwischen Strafrecht und Grundrechten kommen kann, anstatt dass er einer strafbefreienden Wirkung durch Grundrechte wirklich entgegenstünde. Das wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass viele der klassischen Tatbestandsnormen weit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes formuliert wurden,198 auch wenn sie zwischenzeitlich

(279 f.) stellt gar allein auf den hypothetischen Willen des Gesetzgebers ab. Vgl. Göldner, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 202, Fn. 15. 192 Zum Analogieverbot als Grenze der verfassungskonformen Rechtsfortbildung: Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 121; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 84, 93. Allgemein zum strafrechtlichen Analogieverbot siehe bereits oben S. 90. 193 Siehe bereits oben S. 90. 194 Brüggemann, JR 1963, S. 166. 195 Siehe oben S. 81 ff. 196 BVerfGE 38, 175; vgl. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 269. Ähnlich auch Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 215 in anderem Kontext. 197 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 533, 550. 198 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550. Inkrafttreten des StGB in seiner Ursprungsfassung: 01. 01. 1872. Inkrafttreten des Grundgesetzes: 24. 05. 1949.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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natürlich in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers übernommen199 wurden. Somit sind die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung im Falle der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht grundsätzlich gewahrt. Eine Ausnahme ist mit dem Vorgenannten jedoch zu machen: Es verbietet sich ein Durchgriff der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG im Wege der Rechtsfortbildung.200 Denn dem Gesetzgeber ist natürlich bewusst, dass er mit jeder Strafnorm in jedem möglichen Sachverhalt das Auffanggrundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG beschränkt. Findet man das Ergebnis dieser legislativen Zwecksetzung verfassungsrechtlich bedenklich, befindet man sich so nach der oben201 getroffenen Differenzierung nicht mehr in der punktuellen, sondern nunmehr permanenten Konfliktlage, als dass die abstrakte Verfassungsmäßigkeit der Norm in Frage gestellt wird. Damit bliebe in diesem Fall nur die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG. Anders mag dies nur bei Konstellationen der Fall sein, die derart atypisch sind, dass sie vom Gesetzgeber wirklich nicht mehr bedacht worden sind.202 d) Zwischenergebnis Die unmittelbar strafbefreiende Anwendung der Grundrechte im Strafrecht stellt somit – abgesehen von der Anwendung der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG – grundsätzlich eine zulässige verfassungskonforme Rechtsfortbildung dar.203 Sie kommt dann in Betracht, wenn allein mit einer verfassungskon199

Vgl. letzte komplette Neubekanntmachung des StGB am 13. 11. 1998, BGBl. I, S. 3322 ff. Vgl. zur Übernahme in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers durch Neubekanntmachung: BVerfGE 6, 55 (65); 11, 126 (131 f.); 66, 248 (254); 70, 126 (129 f.); Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 100, Rn. 12. 200 Vgl. ebenso Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 552. 201 Siehe oben S. 98 ff. 202 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 552. 203 Ebenfalls explizite Aussage, dass unmittelbar strafbefreiende Anwendung der Grundrechte eine (verfassungskonforme) Rechtsfortbildung ist: Bopp, Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 134 („verfassungskonformen Ausgestaltung und Fortbildung der strafrechtlichen Unrechts[gründe]“); Tag, ZStW 127/2 (2015), S. 535 („… bestünde aus verfassungsrechtlicher Sicht kein durchgreifender Einwand, im Wege der Rechtsfortbildung eine unbeabsichtigte Lücke im Gesetzmit einem neuen Erlaubnissatz zu schließen“); Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550 („eine Art ,Lückenfüllung‘, die man am ehesten im Wege der Rechtsfortbildung erklären kann.“). Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 89 ff. i. E. ebenso, wenn er auch zuvor in seinen Ausführungen ab S. 73 ff. aufwirft, ob es sich nicht auch um einen Fall der Teilnichtigkeit handeln könnte. Gleichwohl erkennt er auf S. 87 ff. an, dass eine Abgrenzung zwischen verfassungskonformer Rechtsfortbildung und Teilnichtigkeit nicht trennscharf erfolgen kann und vielmehr beide Fälle auch Synonyme sein könnten. Auch Zippelius, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 123 wirft diese Frage auf und lässt sie am Ende unentschieden. Zudem führt dieser an, eine unmittelbare Anwendung von Verfassungsnormen könnte man statt als Lückenfüllung auch als Fall der Normenkonkurrenz sehen, sodass es sich einfach um ein „Zusammenspiel von Normen verschiedener ,Ebenen‘“ handele. Letztlich wäre es aber auch in diesem Fall doch der Rechtsanwender, der die konkrete

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

formen Auslegung aufgrund der Wortlautgrenze kein Ergebnis erlangt werden kann und sich eine Nichtigerklärung der gesamten Norm verbietet, weil abgesehen von der punktuellen Konfliktlage deren Verfassungsmäßigkeit nicht in Frage steht. 4. Entkräftung der Bedenken gegen eine unmittelbare Anwendung Trotz all des Vorgenannten lehnt nach der Einschätzung Rönnaus und Kissels die wohl herrschende Lehre eine direkte Anwendung von Grundrechten im Strafrecht ab.204 Die vorgebrachten Bedenken sollen im Folgenden gebündelt und systematisiert dargestellt werden und einzeln auf ihre Stichhaltigkeit hin geprüft werden. Dabei wurden diese Bedenken zwar oft anlässlich der speziellen Diskussion einer Rechtfertigung „zivilen Ungehorsams“ ausgesprochen, sollen hier jedoch gleichwohl antizipatorisch aufgegriffen werden, wenn sie auch auf die allgemeine Diskussion der Anwendung von Grundrechten als unmittelbare Rechtfertigungsgründe passen. a) Problem eines Kompetenzverstoßes gegenüber dem BVerfG? aa) Geäußerte Bedenken Gegen eine unmittelbar strafbefreiende Wirkung der Grundrechte wird vereinzelt eingewandt, dass eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Gesetzesberichtigung wegen Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG nur durch das BVerfG vorgenommen werden könne.205 Eine selbstständige Berichtigung des Strafgesetzes durch eine unmittelbar strafbefreiende Wirkung der Grundrechte wäre so als Kompetenzverstoß der Fachgerichte gegenüber dem BVerfG zu werten.

Ausgestaltung dieses „Zusammenspiels“ bildete und so eben doch eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung betriebe. Am Ende ist deshalb durch all diese Wort- und Synonymspiele nichts gewonnen. Die konsequenteste Art, das vorliegende Problem zu lösen, ist somit in meinen Augen immer noch die hier vorgenommene Beschreibung der unmittelbar strafbefreienden Anwendung der Grundrechte als Fall verfassungskonformer richterlicher Rechtsfortbildung. Bereits Eilsberger, JuS 1970, S. 323 merkte in diesem Kontext an, dass all die vorgeschlagenen Lösungen „einander völlig gleichwertig“ sind und nur verschiedene Betrachtungsweisen desselben Problems darstellen und empfiehlt deshalb eine „Entkrampfung der diesbezüglichen Diskussion“. Ausdrücklich ablehnend gegen eine Betrachtung als Teilnichtigkeitserklärung z. B. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 268; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 554 f. Vgl. zur Teilnichtigkeit u. a. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen; Seetzen, NJW 1976, S. 1999. 204 Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 181 f. auch unter dem zutreffenden Hinweis in Fn. 682, dass sich in den meisten Lehrbüchern und Kommentaren erst gar keine Ausführungen zu dem Thema finden. 205 Hecker, in: Sch/Sch, StGB, Vor § 1, Rn. 33; vgl. in ähnlichem Kontext BVerfGE 8, 28 (34 f.).

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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bb) Entkräftung der Bedenken Diese Bedenken würden bei einer direkten Anwendung der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durchaus durchgreifen, der deshalb wie bereits oben beschrieben keine direkte strafbefreiende Wirkung im Strafrecht zukommen kann.206 Abgesehen davon vermischen die Bedenken jedoch die zwei oben207 unterschiedenen verschiedenen Arten des Konfliktes von Verfassungsrecht und einfachem Recht: Den permanenten Konflikt durch eine verfassungswidrige Norm, für den Art. 100 Abs. 1 GG konzipiert ist, und den punktuellen Konflikt im Einzelfall trotz grundsätzlicher Verfassungsmäßigkeit der zu Grunde liegenden Norm. Da es sich in den Fällen, in denen eine direkte Anwendung der Grundrechte angedacht wird, um einen punktuellen Konflikt zwischen dem jeweiligen Grundrecht und der jeweiligen Strafrechtsnorm handelt, ist Art. 100 Abs. 1 GG gar nicht einschlägig. Das BVerfG ist mithin gar nicht ausschließlich zuständig zur Auflösung dieses punktuellen Konflikts. Ein Kompetenzverstoß ist so zu verneinen. Geht man wie hier208 von einer rechtfertigenden Wirkung der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte aus, wird dies noch deutlicher.209 Ausgangspunkt der Überlegung ist die grundsätzliche Wirkweise des dreistufigen Deliktsaufbaus, demnach sich die Strafbarkeit oder Nichtstrafbarkeit als relevantes Endergebnis erst aus dem Zusammenspiel von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld ergibt. Eine Norm des Tatbestandes trifft so keine abschließende Feststellung der Strafbarkeit, sondern nur eine erste Wertung unter dem Vorbehalt, dass das Verhalten weiterhin auch rechtswidrig und schuldhaft war. Wenn nun die Grundrechte auf der zweiten Ebene des Deliktsaufbaus rechtfertigend wirken sollen, wird der Tatbestand des jeweiligen Deliktes um kein Jota verändert. Er wird vielmehr exakt genauso wie immer angewendet. Lediglich auf Ebene der Rechtswidrigkeit wird eine neue Art der Rechtfertigung angewendet, um am Ende der dreistufigen Prüfung der Strafbarkeit ein im Einzelfall mit der Verfassung in Einklang stehendes Endergebnis zu erhalten. Der Rechtsanwender spricht damit nicht einmal eine Art Teilverfassungswidrigkeit des Tatbestandes in bestimmten Sachverhaltskonstellationen aus, sondern korrigiert den konkreten Einzelfall erst auf der nächsten Ebene der Rechtswidrigkeit.210 Somit wird keinerlei strafrechtliche Norm direkt angegriffen. Schon gar nicht wird eine solche mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit versehen. Da dies jedoch gerade Voraussetzung von Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG wäre, ist dieser in den betreffenden Konstellationen nicht einschlägig. Eine strafrechtliche Norm selbst würde vielmehr bei einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes angegriffen, wenngleich natürlich ebenfalls nur im Ein206

Vgl. bereits oben S. 117. Vgl. oben S. 98 ff. 208 Vgl. oben S. 107 ff. 209 So auch i. E. Rönnau, in: LK, Vor § 32, Rn. 139. Ähnliche Überlegungen finden sich auch bei Kissel, Aufruf zum Ungehorsam, S. 219. 210 Insofern wider die Idee der Teilnichtigkeit, siehe bereits oben Fn. 203. 207

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

zelfall, wenn die teleologischen Erwägungen es erzwingen. Bei einer teleologischen Reduktion, die in jedem Rechtsgebiet allgemein anerkannt ist, wird jedoch auch nicht der Vorwurf erhoben, ein solches Vorgehen verstoße gegen Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG. cc) Zwischenergebnis Die geäußerten Bedenken eines Verstoßes gegen die Kompetenzen des BVerfG sind somit haltlos. b) Problem eines Verstoßes gegen die Kompetenz der Legislative und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip? aa) Geäußerte Bedenken Die auf Montesquieu211 zurückgehende horizontale Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative ist einer der klassischen Ausflüsse des Rechtsstaatsprinzips.212 Sie findet sich im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG213 verbrieft. Teilweise wird nun vorgebracht, dass eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht einen Verstoß gegen dieses Gewaltenteilungsprinzip darstelle.214 Denn grundsätzlich ist es natürlich Aufgabe der Legislative und nicht der Judikative, die Implikationen der Grundrechte einfachgesetzlich auszugestalten, wobei ihr eine Einschätzungsprärogative zukommt.215 Dies gilt natürlich auch im 211

Montesquieu führt in seinem Hauptwerk De l’Esprit des Lois, Livre XI, Chapitre VI bspw. aus: „Il n’y a point encore de liberté si la puissance de juger n’est pas séparée de la puissance législative et de l’exécutrice.“ 212 Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 167. Vgl. im Allgemeinen nur BVerfGE 3, 225 (247); Möllers, AöR 132 (2007), S. 493 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, V., Rn. 1 f., 28 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 79. 213 „Sie [Anm.: die Staatsgewalt] wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ 214 Böse, ZStW 113 (2001), S. 42 f. Vgl. auch BVerfGE 18, 97 (111), jedoch schien dort eine „organische Gesamtlösung“ nur durch eine umfassende Neuregelung möglich zu sein. Solche Fälle sollen jedoch gar nicht mit der hier vertretenen unmittelbaren Anwendung der Grundrechte gelöst werden, sondern selbstverständlich im alleinigen Kompetenzbereich der Legislative verbleiben. Vgl. in ähnlichem Kontext auch BVerfGE 8, 28 (34). Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 182, 214 teilt die Bedenken nicht selbst, führt sie aber ebenfalls auf. Bedenken werden allgemein bzgl. der Grenzen der Judikative vorgebracht von Hesse, in: Festschrift für Hans Huber, S. 267, 270. 215 Hesse, in: Festschrift für Hans Huber, S. 267; ders., JZ 1995, S. 271; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 42; Böse, ZStW 113 (2001), S. 42; Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 38 f., 260 f. Allgemein zur Einschätzungsprärogative: BVerfGE 50, 290 (332 f.); 88, 203 (262); 94, 115 (151); 95, 267 (314); 111, 333 (356) und vertiefend Bickenbach, Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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Bereich des Strafrechts, sodass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der strafrechtlichen Sanktionen ein Gestaltungsfreiraum hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ zukommt.216 Die in die strafrechtlichen Normen gegossenen gesetzgeberischen Entscheidungen könnten nun durch eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte durch die Gerichte unterlaufen werden. Damit wäre die Gefahr einer Überordnung der Judikative gegenüber der Legislative verbunden.217 bb) Entkräftung der Bedenken Fraglich ist, ob die unmittelbare Anwendung der Grundrechte wirklich sofort einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip darstellt. Schließlich ist es doch gerade auch Aufgabe der Judikative, Gesetze nicht einfach stur und unreflektiert, sondern vor allem verfassungskonform anzuwenden. Das BVerfG selbst schreibt sich dabei auf die Fahnen, ihm sei der Schutz der Grundrechte ohne jegliche Bindung an gesetzgeberische Konkretisierungen übertragen.218 Aber auch die unteren Fachgerichte sind bereits nach Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung allgemein und nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und stets dazu angehalten, bei ihren Entscheidungen letztere umfänglich zu beachten, anstatt eine Norm blind anzuwenden und Grundrechtsverstöße einfach in Kauf zu nehmen.219 Dabei handelt es sich bei den hier relevanten Sachverhalten auch jeweils nur um Einzelfälle und nicht um eine regelmäßige und permanente Missachtung der Entscheidungen der Legislative.220 Es geht damit gewissermaßen lediglich um Randkorrekturen.221 Diese dürften in der Praxis im Regelfall sogar dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.222 Denn freilich kann die Legislative selbst bei sorgfältigster Gesetzgebungsarbeit nicht sämtliche zukünftige Einzelfälle antizipieren und schon im Vorhinein jeweils eine konkrete und perfekt passende Möglichkeit der Strafbe216 Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 41; vgl. Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 50 ff. 217 Diese Gefahr allgemein bei Abwägungsentscheidungen heraufbeschwörend: Leisner, NJW 1997, S. 638; vgl. Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 42. 218 BVerfGE 7, 377 (410) (Apotheken-Urteil); 45, 187 (238) (Lebenslange Freiheitsstrafe); vgl. Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 43. 219 Vgl. Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 216. So erkennt es im Prinzip auch das BVerfG an, wenn es eine Verfassungsbeschwerde als nicht begründet befindet, in der ein Verstoß des BGH gegen das Prinzip der Gewaltenteilung durch Anmaßung legislativer Befugnisse gerügt wurde, weil der BGH die Wertung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 GG i. V. m. Art. 2 GG einfach entgegen dem Wortlaut des § 253 BGB in das Zivilrecht übertragen hatte, BVerfGE 34, 269 ff. 220 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 661; vgl. ebenso Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 221 f. 221 So bzgl. der ebenfalls einzelfallbezogenen verfassungskonformen Auslegung: Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 559. 222 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 243 bzgl. einer „teleologisch erlaubten Gesetzeskorrektur“; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 82.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

freiung bereithalten. Wäre den Gerichten die Befugnis zur verfassungskonformen Lösung der Einzelfälle versagt, müsste der Gesetzgeber bei Aufkommen eines jeden einzelnen, gerade einmal nicht zu 100 % passenden Falls sofort das jeweilige, ansonsten perfekte Gesetz ändern. Der Gesetzgeber wird dies in der Praxis wohl weder können, noch wollen, noch sollen. Ganz im Gegenteil könnte man so die Korrektur im Einzelfall sogar als milderes Mittel sehen, belastet sie doch die Legislative weniger als eine sofortige Nichtigkeitserklärung des kompletten Gesetzes.223 Bezüglich der angeführten Einschätzungsprärogative der Legislative ist zudem anzumerken, dass diese keine absolute feste Größe ist. Sie ist vielmehr abhängig von der konkret zu regelnden Materie und vor allem von der jeweiligen Eingriffsintensität.224 So kommt dem Gesetzgeber zwar etwa im Rahmen der Leistungsverwaltung eine erhebliche Freiheit zu.225 In der grundrechtssensiblen Eingriffsverwaltung und da vor allem in ihrem intensivsten Gebiet, der Strafverfolgung, besteht hingegen ein nur geringer Gestaltungsspielraum der Legislative und damit korrespondierend eine weitreichende gerichtliche Prüfungskompetenz.226 Noch weitergehend kommt der Legislative in den hier relevanten Fällen zumindest hinsichtlich des „Ob“ einer Regelung überhaupt keine Einschätzungsprärogative zu: Wenn als Ergebnis der verfassungsrechtlichen Abwägung hervorgeht, dass die Strafbewehrung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, so darf es im Ergebnis in der Praxis auch zu keiner Bestrafung kommen. Der Gesetzgeber hat hier also keine Einschätzungsprärogative bezüglich des „Ob“ einer Strafbefreiung, sondern ist dazu verpflichtet, genau eine solche als einzig verfassungsgemäße Lösung im Gesetz bereitzustellen.227 223

Vgl. Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 250 allgemein bzgl. einzelfallbezogener „Gesetzeskorrekturen“; vgl. auch Höpfner, Systemkonforme Auslegung, S. 193 bzgl. verfassungskonformen Gesetzeskorrekturen; vgl. Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 82. 224 Wank, JuS 1980, S. 546; Hesse, in: Festschrift für Hans Huber, S. 267. Vgl. auch BVerfGE 50, 290 (332 f.); 82, 236 (259); 88, 203 (262). 225 Schuppert, DVBl 1988, S. 1193; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 44. 226 BVerfGE 43, 130 (136) (Flugblatt); 67, 213 (223) (Anachronistischer Zug); 77, 240, (250 f.) (Herrnburger Bericht); 82, 236 (259); Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 470; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 14; Classen, NStZ 1995, S. 374; vgl. Bickenbach, Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 58 f. 227 Ähnlich auch Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 90 und im Kontext der verfassungskonformen Rechtsfortbildung Krey, JZ 1978, S. 467. Ausdrücklich auch Hillgruber, JZ 1996, S. 122, der ausführt, dass damit lediglich die leere Hülle der „Zuständigkeit“ des Gesetzgebers beeinträchtigt sei, während dieser inhaltlich und materiell keine andere Entscheidung als die Judikative hätte treffen können. Dem liegt bezogen auf die Frage, was nun die verfassungsrechtlich einzig richtige Entscheidung ist, gewissermaßen eine Art Erkenntnismodell des Rechts zugrunde, vgl. dazu Bäcker, Begründen und Entscheiden, S. 25 ff. Diese Konstellation erinnert im Prinzip an die aus dem Verwaltungsrecht bekannte „Ermessensreduzierung auf Null“, bei der auch ausnahmsweise die Judikative endgültige Entscheidungen treffen darf, ohne dass damit ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip in

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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Hat er dies nicht getan, kann somit auch nicht von einer bewussten Nichtregelung als „beredtes Schweigen“228 gesprochen werden, die durch eine unmittelbare Anwendung unterlaufen würde. Bezüglich des „Wie“ der Strafbefreiung ist hingegen zu differenzieren. Hat der Gesetzgeber keinerlei Regelungen getroffen, könnte eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte prima facie durchaus den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verletzten. Schließlich hätte sich dieser entscheiden können, ob er die Grundrechte tatbestandlich oder auf Rechtswidrigkeitsebene einbeziehen will; ob er kodifizierte Ausschlussklauseln oder eigene Rechtfertigungsgründe nutzen will. Allerdings ist diese Unterscheidung mehr oder weniger kosmetischer, formeller Art. Der Gesetzgeber kann eben keine originär strafrechtliche, materielle Wertung treffen, deren genaue Ausgestaltung in seinem Belieben stünde. Gleich welche strafrechtliche Aufhängung genutzt wird, müsste der Gesetzgeber materiell vielmehr stets die genaue Wertung des jeweiligen Grundrechts 1:1 umsetzen. Exakt diese grundgesetzliche Wertung wird nun auch durch die unmittelbare Anwendung der Grundrechte zur Wirkung gebracht. Die Judikative schreibt somit nicht gewaltenteilungswidrig originär neues Recht mit eigenen Wertungen, sondern lässt genau dasselbe Recht zur Anwendung kommen, welches auch die Legislative zur Anwendung kommen lassen müsste. Der Richter handelt so immer noch im Rahmen der positiven Rechtsordnung und wendet lediglich andere legislative Gesetze an, hier eben das Verfassungsgesetz.229 Ein relevanter Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip ist somit nicht gegeben,230 sofern sich keinerlei Regelungen im Strafrecht finden lassen, die eine Einbeziehung der Grundrechte zur Erreichung des verfassungskonformen Ergebnisses im konkreten Einzelfall ermöglichen. Hat der Gesetzgeber hingegen derartige Regelungen getroffen, wie bspw. kodifizierte Ausschlussklauseln oder § 193 StGB, so ist diese Einschätzungsprärogative bezüglich des „Wie“ der Strafbefreiung aber sehr wohl zu respektieren. Wendete man diese Normen zugunsten einer direkten Wirkung der Grundrechte nicht an, stellte sich die Judikative durchaus über die Legislative, was sicherlich als Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip gewertet werden könnte. Deshalb darf der

Form eines Verstoßes gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht verbunden wäre. Vgl. allgemein zur „Ermessensreduzierung auf Null“: Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114, Rn. 27; Voßkuhle, JuS 2008, S. 118; ausführlich Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214. 228 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 355. 229 Brüggemann, JR 1963, S. 166; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 214. 230 Oder anders formuliert: „Unter diesen Voraussetzungen mag das Gewaltenteilungsprinzip, ohnehin ,nirgends rein verwirklicht‘ im Sinne strikter Gewaltentrennung, als Formprinzip zurücktreten.“, Hillgruber, JZ 1996, S. 122. Ebenso Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

Rückgriff auf eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte nur subsidiär erfolgen, wenn sich keine andere explizite Möglichkeit der Einbeziehung findet.231 cc) Zwischenergebnis Ein relevanter Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip läge mithin nur vor, wenn explizit vorhandene gesetzgeberische Wertungen, wie genau Grundrechte im Strafrecht zu wirken haben, umgangen werden. c) Problem eines Verstoßes gegen den Vorrang des Gesetzes? aa) Geäußerte Bedenken Eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte würde de facto das geschriebene einfachgesetzliche Recht unangewendet lassen. Ähnlich den vorgenannten Bedenken bezüglich der Gewaltenteilung könnten sich deshalb die Bedenken eines Verstoßes gegen den aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Vorrang des Gesetzes232 ergeben.233 Einerseits darf so der Richter grundsätzlich nicht gegen das einfache Gesetz entscheiden; hat nämlich die Legislative eine bewusste Entscheidung getroffen, darf diese nicht durch die Judikative und deren eigene rechtspolitische Vorstellung ersetzt werden.234 Andererseits lässt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG aber auch der eingangs erwähnte Vorrang der Verfassung als des höherrangigen Rechts ableiten.235 Dies führt scheinbar zu dem Paradoxon, dass aus Art. 20 Abs. 3 GG zum einen ein Vorrang der Verfassung und zum anderen ein Verbot der Nichtbeachtung einfachen Rechts zu folgern ist. Die dialektische Auflösung dieser widersprüchlichen Situation besteht darin, dass zwar der Verfassung als dem höherrangigen Recht durchaus ein Geltungsvorrang zukommt, bei der konkreten Rechtsanwendung jedoch ein Anwen231 Ebenfalls für eine Subsidiarität eines Grundrechtsdurchgriffs allgemein: Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32, Rn. 28; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 649; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 38; Valerius, JuS 2007, S. 1108; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 210; Merz, Strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, S. 56 ff.; Böse, ZStW 113 (2001), S. 42; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 466. Im Prinzip auch BGHSt 19, 311 (315), wenn da die direkte Rechtfertigung erst thematisiert wird, nachdem die Auslegung scheitert. 232 Vgl. dazu nur: Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 316 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 104 ff.; Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 105 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 112. 233 Vgl. zu den Bedenken Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 37 f.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 284 f. Allgemein zum Konflikt zwischen richterlicher Rechtsfortbildung und Vorrang des Gesetzes, vgl. Krey, JZ 1978, S. 467; Biaggini, Verfassung und Richterrecht, S. 289 ff. 234 Gusy, JuS 1983, S. 191; vgl. BVerfGE 82, 6 (12); 69, 315 (372); Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 236. 235 Vgl. oben S. 79.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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dungsvorrang bezüglich des spezielleren rangniederen Rechts zu beachten ist.236 Dieser Anwendungsvorrang könnte nun durch die unmittelbare Anwendung der Grundrechte unterlaufen werden; durch die damit zum Ausdruck kommende Missachtung des einfachen Rechts würde dieses zu einem lediglich deklaratorischen Recht degradiert.237 Jestaedt spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „Gesetzesdämmerung“238 und weckt mit seiner Terminologie Erinnerungen an Richard Wagners Oper „Götterdämmerung“239, dem vierten Teil der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“.240 bb) Entkräftung der Bedenken Die vorgebrachte Kritik ist nun nicht gänzlich unberechtigt. Allerdings schießt sie in ihrer Pauschalität und Undifferenziertheit über das Ziel hinaus. Stur auf den Vorrang des einfachen Gesetzes zu beharren bedeutete nämlich, dass dieser seinerseits den Vorrang der Verfassung aushebeln würde.241 Die Lösung liegt deshalb meines Erachtens ähnlich wie beim vorangegangenen Kritikpunkt in der Differenzierung: Bezüglich der Tatbestandsnormen als solcher ist zu beachten, dass diese ja gerade nicht übergangen werden, sondern 1:1 zur Anwendung kommen. Abermals ist auf den strafrechtlichen Deliktsaufbau zu verweisen, innerhalb dessen die Tatbestandserfüllung nur die erste grundsätzliche Wertung darstellt, an der nichts geändert wird. Erst auf der nächsten Ebene im Deliktsaufbau, der Ebene der Rechtfertigung, wirken die Grundrechte direkt und unmittelbar. Insoweit ist der Vorrang des Gesetzes also sogar vollumfänglich gewahrt. Selbst wenn man diese Betrachtungsweise für zu preziös halten sollte und sich darauf versteift, dass de facto ja ungeachtet der EbenenSpielerei die Tatbestandsnorm im Ergebnis nicht durchgreift, wäre damit nicht automatisch ein Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes verbunden. Ein solcher läge nämlich nur vor, wenn damit gegen die Zwecksetzung des Gesetzgebers entschieden würde.242 Dass dies außer im Fall der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht der Fall ist, wurde bereits oben243 dargelegt. Somit verstößt die 236

Merz, strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, S. 58; vgl. für den Bereich des Verwaltungsrechts: Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht AT, § 4, Rn. 59. 237 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 284; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 38. 238 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 63. 239 Wagner-Werk-Verzeichnis 86D. Die „Götterdämmerung“ ist ursprünglich eine der Nordischen Mythologie entstammende Sage vom Untergang der Götter, vgl. Meyer, Mythologie der Germanen, S. 53, 98, 382. 240 Wagner-Werk-Verzeichnis 86. 241 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 17, Fn. 45; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 43. 242 Ebenso: Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 60. 243 Siehe oben S. 115 ff.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

unmittelbare Anwendung der Grundrechte insofern nicht gegen den Vorrang des Gesetzes. Anders sieht dies hingegen bei Normen aus, die ausdrücklich eine Berücksichtigung der Grundrechte ermöglichen, wie bspw. kodifizierte Ausschlussklauseln und § 193 StGB. Würden diese zugunsten einer unmittelbaren Wirkung der Grundrechte einfach nicht angewandt, würde sehr wohl der Willen des Gesetzgebers und damit der Vorrang des einfachen Gesetzes missachtet. Ebenso verhält es sich, wenn durch eine verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale eine Lösung des Konfliktes mit dem vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Instrumentarium möglich ist. Wird eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte hingegen auf die Fälle beschränkt, in denen das einfache Gesetz keine Lösungsmöglichkeiten bietet, verstößt sie nicht gegen den Vorrang des einfachen Gesetzes. Dann wird nämlich lediglich eine Regelung in einem Sachverhalt getroffen, den das Gesetz nicht regelt. Ob dies zulässig ist, ist jedoch keine Frage des Vorrangs des Gesetzes mehr, sondern vielmehr des Vorbehalts des Gesetzes.244 Die Lösung heißt also wiederum Subsidiarität der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte.245 cc) Zwischenergebnis Abermals ist festzuhalten, dass eine unmittelbare Strafbefreiung durch Grundrechte möglich ist, wenn sie lediglich subsidiär zur Anwendung kommt und die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG von dieser Wirkung ausgenommen ist. d) Problem der Überschreitung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung bzw. der richterlichen Rechtsfortbildung? aa) Geäußerte Bedenken Wendet man Grundrechte unmittelbar im Strafrecht an, verzichtet man auf jegliche Verankerung im Wortlaut einer Strafnorm. Damit werde die Wortlautgrenze der

244 So auch ausdrücklich Gusy, JuS 1983, S. 191 in allgemeinem Kontext. Das Problem eines Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes mag sich zwar allgemein durchaus bei richterlichen Rechtsfortbildungen stellen, vgl. nur Müller, Richterrecht, S. 96 ff., Bumke, in: Bumke, Richterrecht, S. 44 und Biaggini, Verfassung und Richterrecht, S. 314 ff. Bei der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte handelt es sich jedoch um eine Rechtsfortbildung zugunsten des Bürgers, bei der der Vorbehalt des Gesetzes höchstens eingeschränkt gilt, was im Strafrecht immer plakativ ausgedrückt wird mit dem Satz „das Analogieverbot gilt nicht zugunsten des Täters“ (siehe bereits oben S. 90). Will man den Vorbehalt des Gesetzes in Form der Wesentlichkeitstheorie als Kompetenzzuschreibung an den Gesetzgeber sehen, wäre man wieder bei dem eben diskutierten und entkräfteten Gewaltenteilungsproblem, siehe oben S. 120 ff. 245 So i. E. zur Entkräftung dieser Bedenken auch Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 38.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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verfassungskonformen Auslegung überschritten.246 Aus der Rechtsprechung des BVerfG sei bekannt, dass es eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts darstelle, wenn ein Fachgericht die Grenzen der Auslegung überschreite und unzulässige richterliche Rechtsfortbildung betreibe.247 bb) Entkräftung der Bedenken Diese Bedenken übersehen, dass eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte gar nicht die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung wahren muss, da es sich um ein völlig anderes Rechtsinstitut handelt. Bei der Diskussion der strafrechtsexternen Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte befinden wir uns schließlich gerade nicht mehr im strafrechtsimmanenten Bereich einer „bloßen“ verfassungskonformen Auslegung im Rahmen des Wortlautes. Die unmittelbare Anwendung der Grundrechte auf Rechtswidrigkeitsebene wurde oben248 schon als Fall verfassungskonformer Rechtsfortbildung und damit als die nächste Stufe nach der innerhalb der Wortlautgrenze bleibenden Auslegung klassifiziert. Dass sie dabei die Grenzen dieses Instituts der verfassungskonformen Rechtsfortbildung, welches sie eben tatsächlich darstellt, nicht überschreitet, wurde ebenfalls oben249 bereits dargestellt. cc) Zwischenergebnis Mithin vermögen die geäußerten Bedenken nicht durchzugreifen. e) Problem der Unbestimmtheit? aa) Geäußerte Bedenken Weiterhin werden zum Teil die Bedenken geäußert, dass der Gehalt der Grundrechte zu unbestimmt und deshalb zur strafrechtlichen Rechtfertigung konkreter Einzelfälle ungeeignet sei.250 Grundrechte seien nur Zielvorgaben und so keine 246 Schmidt, ZStW 121 (2009), S. 658; ders., Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 67 ff. wirft diese Bedenken auf, obgleich er i. E. eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht befürwortet. Bedenken im Prinzip auch Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 36 f., wenn er deshalb Grundrechten explizit nur eine mittelbare Einwirkung durch die verfassungskonforme Auslegung, aber keine darüberhinausgehende Rechtfertigungswirkung zuspricht. 247 BVerfGE 34, 269 (280) (Soraya); 49, 304 (314, 318 f.); vgl. dazu auch Pieroth/Aubel, JZ 2003, S. 505 und Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdn. 1195. 248 Vgl. oben S. 110 ff. 249 Vgl. oben S. 115 ff. 250 Bo¨ se, ZStW 113 (2001), 42 f.; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 36 mit dem lapidaren und nicht näher begründeten Nachsatz, Grundrechte wirkten halt nur mittelbar. Vgl. auch Naucke, Strafrecht, § 2, Rn. 101: „… die Verfassung [ist] für strafrechtliche Fragen

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

Normen, unter die unmittelbar subsumiert werden könne.251 Vor dem Hintergrund könnte das für das Strafrecht extra in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgebot einer direkten Anwendung entgegenstehen. bb) Entkräftung der Bedenken Wenn Grundrechte zu unbestimmt für die Lösung konkreter Einzelfälle sein sollten – wie läuft dann eine Verfassungsbeschwerde ab, bei der der jeweilige konkrete Einzelfall stets durch eine Abwägung gelöst wird? Im Prinzip wird bei der direkten Anwendung der Grundrechte im Strafrecht eine genau solche Abwägung getroffen. Wer das als zu ungenau und willkürlich einstuft, der stellt zugleich die Berechtigung der Verfassungsbeschwerde in Frage. Zudem dienen wie bereits gezeigt auch die kodifizierten Ausschlussklauseln und § 193 StGB lediglich als formeller Aufhänger, während sie materiell durch eben die Wertungen der Grundrechte auszufüllen sind. Auch deren Unbestimmtheit müsste konsequenterweise von den Kritikern der unmittelbaren Anwendung moniert werden. Die Grundrechte selbst sind jedoch mittlerweile alles andere als unbestimmt. Der Einwand der Unbestimmtheit hätte vielleicht in den Anfängen der Bundesrepublik angebracht sein können, als die Grundrechte noch nicht wesentlich mehr als unausgefüllte Programmgrundsätze darstellten; mittlerweile sind sie jedoch durch jahrzehntelange Verfassungsrechtsprechung hinreichend konkretisiert worden.252 Damit ist das Rekurrieren auf die Grundrechte sogar bestimmter als es andere Rechtsinstitute sind, die sich von der Anwendung des Wortlautes lösen, wie z. B. die teleologische Reduktion. Bei letzterer wird jedoch nicht deren Unbestimmtheit moniert. Auch wird nicht einmal bei dem weder strafrechtlich noch verfassungsrechtlich kodifizierten Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung die strafbefreiende Wirkung bezweifelt, sondern ist allgemein anerkannt.253 Überdies wirkt eine strafbefreiende Anwendung der Grundrechte immer zugunsten der Freiheit des „Täters“, wenn dieser anderenfalls ohne die direkte Anwendung bestraft nicht inhaltsreich genug“. Allgemein kritisch gegenüber überbordenden verfassungsrechtlichen Überlegungen im Strafrecht u. a. aufgrund der Unbestimmtheit der Verfassung: Kudlich, JZ 2003, S. 128. 251 Merz, strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, S. 58 unter Berufung auf Ignor, Straftatbestand der Beleidigung, S. 120 f., der zwar durchaus sagt, dass der Verfassungstext der Grundrechte nicht unmittelbar subsumtionsfähig ist, allerdings auch hervorhebt, dass Grundrechte durch die Rechtsprechung des BVerfG in subsumtionsfähige Regeln transformiert werden. 252 Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; vgl. Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 224 f.; Kudlich, JZ 2003, S. 128; Ku¨ hl, AT, § 9 Rn. 112; Valerius, JuS 2007, S. 1108; auch Ignor, Straftatbestand der Beleidigung, S. 121 bzgl. der Meinungsfreiheit. 253 Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139; Valerius, JuS 2007, S. 1108; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 553. Zur Anerkennung der mutmaßlichen Einwilligung siehe nur Tiedemann, JuS 1970, S. 108 ff.; Müller-Dietz, JuS 1989, S. 280 ff.; Yoshida, in: Festschrift für Claus Roxin, S. 401 ff.; Jäger, Zurechnung und Rechtfertigung, S. 34 ff.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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würde; das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG kommt bei einer Wirkrichtung zugunsten des Täters sogar nur abgeschwächt zum Einsatz.254 Somit sind die Anforderungen an die Bestimmtheit sogar relativ gering. cc) Zwischenergebnis Der Vorwurf der Unbestimmtheit vermag nicht durchzugreifen. f) Problem der Rechtsunsicherheit? aa) Geäußerte Bedenken Allgemein wird zum Teil kritisiert, dass eine extensive Anwendung der Grundrechte im einfachen Recht zu einer „Degenerierung des Gesetzes“ und einer „Abwägungs-Plage“ mit der Folge erhöhter Rechtsunsicherheit durch divergierende und teilweise gar zufällige Ergebnisse führe.255 Dem einfachen Gesetz werde gar ein „unmittelbarer verfassungsrechtlicher Einzelfallvorbehalt beigefügt“.256 Dadurch werde „das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltungskraft der Gesetze beeinträchtigt“.257 Diese Kritik kann durchaus auch auf den speziellen Fall der unmittelbaren Anwendung des Verfassungsrechts im Strafrecht bezogen werden.258 bb) Entkräftung der Bedenken Mit diesen Bedenken wird jedoch zugleich eine der großen Errungenschaften unseres modernen Rechtsstaates, ja gar der Postmoderne an sich, angezweifelt: Die Errungenschaft, keine erzwungenen Pauschalurteile mehr zu treffen, sondern jenseits fester Kategorisierungen durch Abwägung jeweils Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Die Abwägung ist das juristische Handwerkszeug, um konkrete Kol254 Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 228; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 534, 554; Erb, ZStW 108 (1996), S. 266 ff., insb. S. 290; allgemein: Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 5, Rn. 44. 255 So explizit Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 52 f., 63. Vgl. Leisner, NJW 1997, S. 638. Allgemein kritisch bzgl. des Übermaßverbots und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Ossenbühl, in: Festschrift für Peter Lerche, S. 156 f.; ders., DVBl 1995, S. 908. Allgemein kritisch bzgl. des Verfassungsrechts als „Suprarecht“, das in alle Rechtsgebiete eindringt: Kloepfer, JZ 2003, S. 481. 256 Wahl, NVwZ 1984, S. 407; Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 4. Gerade deswegen allgemein die richterliche Rechtsfortbildung ablehnend: Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 236. 257 Böse, ZStW 113 (2001), S. 62. 258 Vgl. Bo¨ se, ZStW 113 (2001), S. 62; Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 6; auch angedeutet von Herdegen, Normativität des positiven Rechts, S. 286 f. So auch von Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 40 f. aufgeworfen. Allgemein Bedenken der Rechtsunsicherheit durch die Bildung von Rechtfertigungsgründen nach materiellen Erwägungen: Jescheck, Strafrecht AT, 4. Auflage, S. 211.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

lisionen konfligierender Interessen zu lösen. Sie ist in der juristischen Methodenlehre allgemein anerkannt und auch dem Strafrecht nicht fremd, wie man an Normen wie insbesondere § 34 StGB sehen kann.259 Selbst bei Anwendung der kodifizierten Ausschlussklauseln und § 193 StGB ist eine originäre Abwägung zu treffen, sodass abermals die gegen die unmittelbare Anwendung der Grundrechte geäußerte Kritik nicht nur diese allein treffen müsste. Eine Abwägung ist auch nicht rechtsunsicherer als andere Formen der Rechtsfortbildung wie Analogien oder teleologische Reduktionen. Ein Abwägungsdezisionismus im Einzelfall mag durchaus seine Nachteile haben – er ist aber immer noch wesentlich besser als pauschale verfassungswidrige Entscheidungen als Kollateralschäden einfach hinzunehmen. Selbst wenn man die Bedenken bezüglich einer sich immer weiter ausbreitenden Abwägungspraxis teilen sollte, so taugen sie doch nicht, um isoliert gerade dem Institut der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte die Existenzberechtigung abzusprechen. Allerdings ist wie schon oben ausgeführt der von einer jeden Strafnorm berührten Allgemeinen Handlungsfreiheit keine unmittelbare Wirkung im Strafrecht zuzuerkennen, damit sich die Gefahr des befürchteten verfassungsrechtlichen Einzelfallvorbehaltes für ein jedes Strafgesetz in jeder Situation nicht verwirklicht.260 cc) Zwischenergebnis Auch dieser letzte Einwand vermag somit nicht zu überzeugen. g) Stellungnahme zu den Bedenken gegen eine unmittelbare Anwendung Somit greift kein einziger der gegen eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte vorgebrachten Kritikpunkte durch. Auffallend ist, dass viele der angesprochenen Bedenken Phänomene angreifen, die nicht gerade der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht eigen sind, sondern die vielmehr auch bei anderen Rechtsinstituten und anderen Vorgehensweisen auftreten. Insbesondere formulieren die aufgezeigten Bedenken gegen eine direkte Anwendung der Grundrechte im Strafrecht lediglich allgemeine Bedenken gegen jegliche richterliche Rechtsfortbildung um. So könnte man bspw. jeden der Kritikpunkte auch einer

259 Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 815; Schmidt, Verfassungsunmittelbare Strafbefreiungsgründe, S. 41. 260 Vgl. oben S. 117. Ein solcher Einzelfallvorbehalt ist im Übrigen jedoch im Strafprozess mittlerweile weitgehend anerkannt, wenn bei vielen Normen gefordert wird, jeweils als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, vgl. zum Ganzen Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 534 und als Beispiel nur BGHSt 44, 46 (insb. 48 ff.).

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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„normalen“ teleologischen Reduktion261 des Tatbestandes entgegenhalten, obgleich eine solche in jedem Rechtsgebiet anerkannt ist: – Bei einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes wird eine Tatbestandsnorm als solche nicht angewendet, sobald die teleologischen Erwägungen im Einzelfall es für sinnvoll – nicht einmal verfassungsrechtlich zwingend – erscheinen lassen. Gleichwohl wird allgemein nicht der Vorwurf erhoben, dass ein solches Vorgehen gegen Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG verstoße. – Bei einer teleologischen Reduktion ersetzt die Judikative die Wertung der Legislative oft gar durch eigene teleologische Erwägungen. Gleichwohl wird kein Vorwurf des Verstoßes gegen das Gewaltenteilungsprinzip erhoben. – Bei einer teleologischen Reduktion wendet die Judikative ein von der Legislative geschaffenes Gesetz de facto einfach überhaupt nicht an. Gleichwohl wird kein Vorwurf des Verstoßes gegen den Vorrang des Gesetzes erhoben. – Bei einer teleologischen Reduktion wird nicht nur die engst mögliche Bedeutung des Wortlautes angewandt, sondern es wird sich komplett vom Wortlaut gelöst, indem dieser schlicht unangewendet bleibt. Gleichwohl wird nicht die Kritik erhoben, es würde dadurch unzulässige richterliche Rechtsfortbildung betrieben, das Ergebnis wäre zu unbestimmt oder das Vorgehen führte zu Rechtsunsicherheit. Wenn nun aber eine teleologische Reduktion trotz derselben Bedenken weitgehend unzweifelhaft anerkannt ist, wäre die Ablehnung einer unmittelbaren Anwendung der Grundrechte allein aus den vorgenannten Gründen nicht überzeugend, sondern vielmehr zutiefst widersprüchlich. Ebenso widersprüchlich wäre es, die angebliche Unbestimmtheit der Grundrechte oder angebliche Rechtsunsicherheit bei Anwendung derselben als Kritik an einer unmittelbaren Anwendung der Grundrechte anzubringen, da wie aufgezeigt letztlich auch bei der nur „mittelbaren“ Anwendung der Grundrechte über kodifizierte Ausschlussklauseln oder den deklaratorischen § 193 StGB die Grundrechte materiell genauso angewandt werden müssten. Eine relevante Kritik, die explizit auf Eigenheiten der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte zielt und so mit ihren Bedenken auch durchzuschlagen vermag, findet sich somit nicht. Mithin sind die Bedenken gegen eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte gegenstandslos.

261 Teilweise wird explizit betont, dass sich die unmittelbare Anwendung der Grundrechte auf Rechtswidrigkeitsebene und eine teleologische Reduktion des Tatbestandes weitgehend entsprechen: Zippelius, Methodenlehre, S. 69 spricht von „logischer Gleichwertigkeit“; ders., in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, Bd. II, S. 122 führt aus, dass die Begrenzung des Anwendungsbereiches einer Norm gleichermaßen „durch Einführung eines Ausnahmetatbestandes oder einschränkender Tatbestandsmerkmale (,Restriktion‘)“ durchgeführt werden kann. Vgl. auch Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 561 ff. und im Anschluss Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 464 f.; ferner Seetzen, NJW 1976, S. 1999.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

5. Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung Somit wurden Notwendigkeit und auch grundsätzliche Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht bejaht, ihre Wirkebene und methodische Konstruktion festgelegt und alle Bedenken gegen ihre Anwendung entkräftet. Damit ist jedoch noch nichts über die konkreten Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht gesagt. Gleichwohl schienen bereits im Rahmen der obigen Argumentationen des Öfteren Voraussetzungen und Einschränkungen für eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte durch: Zunächst kann eine unmittelbare Anwendung nur subsidiär zur Anwendung kommen, wenn alle einfachgesetzlichen Möglichkeiten der Einflechtung der Wertungen der Grundrechte ausscheiden. Anderenfalls würde der Vorrang des Gesetzes verletzt oder gegen die Kompetenz der Legislative und damit die Gewaltenteilung verstoßen. Zudem muss genau der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des jeweiligen Grundrechts in das Strafrecht übertragen werden. Schließlich verfängt das Hauptargument der Einheit der Rechtsordnung nur dergestalt, dass ein Verhalten dann straffrei sein muss, wenn es sich innerhalb der verfassungsrechtlichen Schranken hält. Ebenso wie bei einer Ausfüllung der kodifizierten Ausschlussklauseln oder des § 193 StGB stammt also der materielle Gehalt der unmittelbaren Rechtfertigung aus dem Verfassungsrecht, genauer gesagt dem jeweiligen Grundrecht. Aus diesem Bild ergeben sich die folgenden Prüfungspunkte262 : Ein tatbestandsmäßiges Handeln ist durch unmittelbare Anwendung des jeweiligen Grundrechts gerechtfertigt, wenn 1. die Subsidiarität der unmittelbaren Anwendung gewahrt ist (d. h. Vorrang einfachgesetzlicher Regelungen), 2. das Verhalten des „Täters“ in den Schutzbereich des Grundrechts fällt und 3. eine strafrechtliche Ahndung nicht den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht stand hielte (d. h. insbesondere Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit einer Abwägung im Einzelfall zwischen den durch den jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsgütern und dem jeweiligen Grundrecht).

262

Ein ähnliches, jedoch zweistufiges Prüfungsprogramm stellen auf: Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 139 a. E.; Laker, Ziviler Ungehorsam, S. 237 f. Hingegen stellt Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 51 ff. für die Kunstfreiheit ein ähnliches dreistufiges Prüfungsprogramm auf und betont aufgrund der Vorbehaltlosigkeit derselben als zweiten Schritt die Ermittlung, ob das entgegenstehende Rechtsgut von Verfassungsrang ist.

A. Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein

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6. Zusammenfassung zur unmittelbaren Anwendung der Grundrechte Nach all dem Vorgenannten ist eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht zulässig und notwendig. Sie ist insbesondere einer gekünstelten und zurechtgebogenen analogen Anwendung vorhandener, aber einfach nicht passender Rechtfertigungsgründe unbedingt vorzuziehen. Methodisch handelt es sich um einen Fall zulässiger verfassungskonformer Rechtsfortbildung. Zu beachten ist, dass die unmittelbare Anwendung der Grundrechte nur subsidiär gegenüber strafrechtsimmanenten Möglichkeiten Anwendung finden kann. Außerdem verbietet sich eine unmittelbare Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG. De lege ferenda könnte man durchaus daran denken, in den Allgemeinen Teil des Strafrechts eine Norm aufzunehmen, die bestimmt, dass Konflikte einzelner Tatbestände mit Grundrechten im Rahmen der Rechtfertigung durch eine Abwägung zu lösen sind. Materiell gewonnen wäre durch eine solche Norm jedoch nichts, da genau diese Abwägung immer noch verfassungsrechtlich determiniert wäre und die strafrechtliche Norm lediglich der formelle Aufhänger wäre.

III. Stellungnahme zur Strafbefreiung durch Grundrechte allgemein Insgesamt ergibt sich bezüglich der allgemeinen Strafbefreiung durch Grundrechte das folgende Bild: Es ist leider nicht möglich, eine pauschale, auf alle Fälle passende Lösung festzulegen, auch wenn dies für den Rechtswender aufgrund der Einfachheit und Eindeutigkeit, sowie für den Betroffenen aufgrund der Rechtssicherheit sicher wünschenswert gewesen wäre. Es ist daher vielmehr wie folgt zu differenzieren zwischen drei verschiedenen Möglichkeiten, wie die Grundrechte im Strafrecht Wirkung entfalten können: 1. Die Anwendung passender expliziter einfachgesetzlicher Regelungen wie kodifizierter Ausschlussklauseln oder § 193 StGB. 2. Die verfassungskonforme Auslegung des einfachgesetzlichen Rechts, insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale. 3. Die unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht auf Rechtswidrigkeitsebene. Nach all dem Vorgenannten ist dabei eine strikte Reihenfolge einzuhalten. Erst wenn die strafrechtsimmanenten Möglichkeiten unter 1. und 2. ausgeschlossen sind, darf auf die unmittelbare Anwendung der Grundrechte zurückgegriffen werden. Diese Reihenfolge ist nun im Rahmen der folgenden Ausführungen stets zu beachten.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto Die vorstehenden allgemeinen Ausführungen ergeben übertragen auf den spezielleren Fall der Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit nun folgendes, nach Ebenen des Deliktsaufbaus gegliedertes Bild:

I. Tatbestandsebene Zunächst kann freilich auch die Kunstfreiheit bereits auf Tatbestandsebene einwirken. 1. Objektiver Tatbestand Wiederum ergeben sich diesbezüglich mehrere Möglichkeiten im Rahmen des objektiven Tatbestandes. a) Direkte Anwendung kodifizierter Ausschlussklauseln Gerade bezüglich der Kunstfreiheit finden sich mehrere kodifizierte Klauseln, die in den entsprechenden Sachverhalten bereits den diesbezüglichen Tatbestand ausschließen. Zu nennen ist in diesem Kontext in erster Linie § 86 Abs. 3 StGB als wichtigste Ausschlussklausel: „Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“

Sowohl in § 86a Abs. 3 StGB als auch § 130 Abs. 7 StGB finden sich ausdrückliche Verweise, die § 86 Abs. 3 StGB für auf die betreffenden Tatbestände entsprechend anwendbar erklären und so den Anwendungsbereich dieser Klausel signifikant erweitern. Unten im dritten Teil wird so im Rahmen des § 86a StGB und des § 130 StGB die kodifizierte Ausschlussklausel des § 86 Abs. 3 StGB noch ausführlich behandelt. Eine diesem Beispiel durchaus sehr ähnliche Klausel findet sich außerdem in § 91 Abs. 2 Nr. 1 StGB: „Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn 1. die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient …“

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto

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Zudem beinhaltet § 201a Abs. 4 StGB die folgende Klausel: „Absatz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.“

Somit finden sich zwar durchaus einzelne explizit formulierte kodifizierte Ausschlussklauseln gerade für die Kunstfreiheit. Abermals können diese Klauseln jedoch keine umfassende und allgemeingültige, sondern lediglich eine fragmentarische Lösung bieten, sind sie doch jeweils nur auf ihre konkreten Tatbestände anwendbar. b) Verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale Alternativ kann natürlich auch bezüglich der Kunstfreiheit eine verfassungskonforme Auslegung von insbesondere normativen Tatbestandsmerkmalen eine im Einzelfall geeignete Lösung darstellen, um die Grundrechte im Strafrecht anzuwenden. Wie schon allgemein bezüglich der Strafbefreiung durch Grundrechte dargelegt, ist diese Lösung solange möglich, wie die Wortlautgrenze eingehalten wird. Darüberhinausgehend handelte es sich nicht mehr um eine verfassungskonforme Auslegung, sondern vielmehr eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung. Inwiefern eine solche Lösung möglich ist, wie weit also das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal ausgelegt werden kann, ohne die Wortlautgrenze zu verletzen, ist jeweils am konkreten Tatbestandsmerkmal festzumachen. So wurde bspw. vom KG Berlin die Kunstfreiheit als „vernünftiger Grund“ i. S. d. § 17 Nr. 1 TierschutzG angeprüft.263 Die genauen Möglichkeiten der verfassungskonformen Auslegung von einzelnen Tatbestandsmerkmalen der Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens sollen hier zunächst dahinstehen. Sie werden stattdessen im dritten Teil im Rahmen der einzelnen Tatbestände dezidiert untersucht und bewertet. Teilweise finden sich genau wie im Allgemeinen auch im Speziellen bezüglich der Kunstfreiheit Stimmen, die eine Einwirkung derselben allein durch eine verfassungskonforme Auslegung von Tatbestandsmerkmalen für möglich halten und andere Wege für nicht gangbar erklären.264 Gegen die zwingende Behandlung der Kunstfreiheit allein durch verfassungskonforme Auslegung bereits auf Tatbe-

263 KG Berlin, NStZ 2010, S. 175 f. Allerdings im konkreten Fall verneint. Auch lässt das Gericht offen, ob es die Kunstfreiheit vorzugsweise auf Tatbestands- oder Rechtswidrigkeitsebene prüft, S. 176. 264 KG Berlin, JR 1980, S. 290 f.; KG Berlin, NStZ 1992, S. 385; Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 153 ff. Vgl. auch Erhardt, Satire, S. 178 ff.

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

standsebene wenden sich zwar zu Recht einige Stimmen.265 Bevor man aber stattdessen stets auf die strafrechtsexterne Möglichkeit einer unmittelbar rechtfertigenden Anwendung der Grundrechte rekurriert, sind aufgrund der Subsidiarität dieser Methode zwingend alle strafrechtsimmanenten Möglichkeiten auszuschöpfen. Anderenfalls verstieße die unmittelbare Anwendung schließlich gegen die Gewaltenteilung und den Vorrang des Gesetzes.266 Deshalb ist die verfassungskonforme Auslegung von Tatbestandsmerkmalen durchaus primär vorzunehmen, solange dies dem Wortlaut nach noch möglich ist. Diese Grenze ist jedoch ernst zu nehmen. Statt also gekünstelte Ergebnisse durch eine unzulässige Überschreitung der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung zu erzwingen, sollte lieber ehrlicherweise auf der nächsten Stufe – der der verfassungskonformen Rechtsfortbildung – eine direkte Anwendung der Kunstfreiheit genutzt werden. c) Unmittelbare Anwendung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG Eine solche wird nun z. B. von Beisel und Erhard grundsätzlich – wenn auch ohne dezidierte Begründung – bereits auf Tatbestandsebene bejaht.267 Oben268 wurde allerdings bereits gezeigt, dass eine unmittelbare Strafbefreiung durch Grundrechte besser auf Ebene der Rechtswidrigkeit anzusiedeln ist. Die von Beisel und Erhard favorisierte Lösung auf Tatbestandsebene zu Ende gedacht bedeutete nämlich, dass es sich in diesen Fällen um keinerlei strafrechtliches Unrecht, ja gar um strafrechtlich irrelevantes Verhalten handeln müsste. Passender wird da in den meisten Fällen jedoch die Betrachtung sein, dass durchaus tatbestandlich gehandelt wurde, die Tat jedoch aufgrund der im Einzelfall überwiegenden Kunstfreiheit ausnahmsweise kein materielles Unrecht darstellt, also gerechtfertigt ist. So bleibt bspw. eine Beleidigung beleidigend, auch wenn sie in einem künstlerischen Rahmen erfolgt; sie ist deshalb lediglich vom Betroffenen eher hinzunehmen.269 Als Beispiel aus jüngerer Zeit betrachte man nur ein paar Zeilen aus dem Gedicht „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann,270 das dieser in seiner Sendung „Neo Magazin Royal“ am 31. 03. 2016 vorgetragen hat:

265 Vgl. Geppert, JR 1985, S. 430 f.; Würtenberger, NJW 1982, S. 612; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 50; OLG Hamburg, JR 1983, S. 508, auch wenn diese Ansichten jeweils verschiedene Lösungen auf Rechtswidrigkeitsebene vertreten. 266 Siehe oben S. 120 ff. 267 Beisel, Kunst, S. 163 ff., insb. 166; Erhardt, Satire, S. 180. Ebenfalls auf Tatbestandsebene für die Beleidigungstatbestände: Hilgendorf, in: LK, StGB, § 193, Rn. 10. Ähnlich auch LG Hannover, DRiZ 1969, S. 225 bzgl. Meinungs- und Versammlungsfreiheit. 268 Siehe oben S. 105 ff. 269 So zu Recht Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 50. 270 Siehe allgemein zur juristischen Behandlung dieses Gedichts: Heinicke/Schmidt, NWVBl. 2016, S. 309 ff.; Brauneck, ZUM 2016, S. 710; Fahl, NStZ 2016, S. 313 ff.; Christoph, JuS 2016, S. 599.

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto

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„Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident. Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner. […] Ja, Erdogan ist voll und ganz, ein Präsident mit kleinem Schwanz. Jeden Türken hört man flöten, die dumme Sau hat Schrumpelklöten …“

Diesen Zeilen wird wohl niemand ihre beleidigende Wirkung absprechen können. Die einzig relevante Frage ist vielmehr die, ob Erdogan sie aufgrund der Kunsteigenschaft des in der Sendung erfolgten Gedichtvortrages als Performance sowie seiner Stellung als Person des öffentlichen Lebens hätte hinnehmen müssen; ob also das Ergebnis nach Abwägung der widerstreitenden Interessen lautet, dass aufgrund des überwiegenden Interesses auf Seiten der Kunstfreiheit der Vortrag des Gedichtes trotz dessen beleidigender Wirkung kein materielles Unrecht darstellt und so gerechtfertigt ist. In den Fällen, in denen man wirklich daran denken könnte, dass die Kunstfreiheit bereits den Tatbestand ausschließt, weil überhaupt kein Unrecht vorliegt, finden sich wie soeben aufgezeigt gerade die kodifizierten Ausschlussklauseln. So z. B. in § 86 Abs. 3 StGB für die Fälle, in denen das jeweilige Propagandamittel eben gar nicht zu Propaganda-Zwecken, sondern im Dienste der Kunst genutzt wird. Eine unmittelbare Anwendung der Kunstfreiheit auf der Tatbestandsebene ist mithin abzulehnen. 2. Subjektiver Tatbestand Vereinzelt finden sich Gedanken, den Vorsatz des Künstlers, insbesondere des Karikaturisten, zu verneinen; er könne vor allem im Bereich der §§ 185 ff. StGB damit rechnen, dass seine Arbeit nicht als Missachtung aufgefasst, sondern als Satire verstanden werde.271 Diese Sichtweise ist jedoch lebensfremd, wenn man sich die Wirkweise von Satirikern anschaut, die teilweise ganz bewusst die Grenzen zur schweren Beleidigung und deutlichen Missachtung überschreiten, um zu schockieren, aufzurütteln oder ihre Inhalte rüberzubringen.272 Man denke nur abermals an eben genanntes Gedicht „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann, dessen Inhalt auch nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel „bewusst verletzend“273 gewesen ist. Davon, dass Böhmermann keinen zumindest bedingten Vorsatz gehabt hätte, Erdogan mit seinen Zeilen zu beleidigen, kann man nicht ausgehen.274 Vor, während und sogar nochmal nach Verlesung des Gedichtes führte er schließlich als Rahmen seiner um das Gedicht herum aufgebauten Kunstperformance selbst noch an, dass dessen Inhalt als „Schmähkritik“ in Deutschland nicht erlaubt sei und man 271

Erhardt, S. 189 f. Ebenfalls ablehnend: Fischer, Kunst, S. 71. 273 Vgl. Der Spiegel 16/2016, S. 17. Später sah sie es als Fehler an, diese Meinung öffentlich kundgetan zu haben, siehe Der Spiegel 19/2016, S. 38. 274 Vorsatzlosigkeit von der GStA Koblenz auch nur als Überdies-Argument bzgl. § 130 StGB angeführt, diesbzgl. eine Strafbarkeit schon an der Nichterfüllung des objektiven Tatbestandes scheitert, vgl. Generalstaatsanwalt Brauer, Anlage zur Presseerklärung Fall Böhmermann, S. 20. 272

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Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

dafür bestraft werden könne. Allgemein genügt zur Bejahung des Vorsatzes, wenn der Täter die tatsächlichen Umstände kennt, die unter die Tatbestandsmerkmale subsumiert werden; er muss weder bestimmte Normen, Tatbestandsmerkmale, noch Auslegungen kennen.275 Regelmäßig wird deshalb insbesondere bei den Äußerungsdelikten nur dann der Vorsatz verneint werden können, wenn der Künstler wirklich einmal die objektive Aussage seines eigenen Werkes total verkannt haben sollte. 3. Zwischenergebnis Somit findet sich auch bezüglich der Kunstfreiheit keine allgemeingültige Lösung auf Tatbestandsebene: Gänzlich abzulehnen ist eine unmittelbar strafbefreiende Wirkung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auf Tatbestandsebene, sowie eine Verneinung des subjektiven Tatbestandes. Hingegen sind kodifizierte Ausschlussklauseln und die verfassungskonforme Auslegung von Tatbestandsmerkmalen grundsätzlich anzuwenden, soweit dies möglich ist.

II. Rechtswidrigkeitsebene Für viele Fälle wird jedoch eine Lösung auf Rechtswidrigkeitsebene vielversprechender sein, da die damit einhergehende Wertung überzeugt, dass grundsätzlich strafrechtlich relevantes Verhalten ausnahmsweise nach einer Abwägung der Kunstfreiheit mit den vom jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsgütern kein materielles Unrecht darstellt und so gerechtfertigt ist. 1. § 34 StGB (analog) Die Möglichkeit der Anwendung von § 34 StGB – ob direkt oder analog – wurde bereits oben276 allgemein verneint. Alle diesbezüglich genannten Argumente gelten genauso auch im Falle der Kunstfreiheit. Teilweise wird die Brisanz der Argumente sogar umso deutlicher: Insbesondere kann das von § 34 StGB geforderte „wesentliche Überwiegen“ kein genügender Maßstab bezüglich der vorbehaltlosen Kunstfreiheit sein, die wie im ersten Teil277 herausgearbeitet nur im Wege praktischer Konkordanz durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden kann. Deshalb ist auch der Aussage Böses entschieden entgegenzutreten, es spreche bei fehlendem Verfassungsrang des entgegenstehenden Rechts „– vorbehaltlich der anderen Abwägungskriterien – viel dafür, ein wesentliches Überwiegen“278 des 275 276 277 278

Joecks, in: MüKo, StGB, § 16, Rn. 8; Vogel, in: LK, StGB, § 15, Rn. 23 ff., § 16, Rn. 18. Siehe oben S. 86 ff. Siehe oben S. 70 ff. Böse, ZStW 113 (2001), S. 55 f.

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto

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vorbehaltlosen Grundrechts anzunehmen. Der fehlende Verfassungsrang des entgegenstehenden Rechts ist nicht lediglich „ein starkes Indiz für ein wesentliches Überwiegen“279 des vorbehaltlosen Grundrechts. Vielmehr muss letzteres in diesem Fall immer und automatisch vollumfänglich überwiegen, kann es doch von einem nicht verfassungsrechtlichen Recht schlicht nicht eingeschränkt werden. Zudem wird gerade Kunst niemals i. S. d. ultima-ratio-Prinzips der letzte Ausweg und unbedingt nötig sein. Im Gegenteil versteht sich ein beträchtlicher Anteil der Kunst als l’art pour l’art. Würde man diese unpassenden Aspekte des § 34 StGB im Wege einer Analogie abwandeln, brächte § 34 StGB kein höheres Maß an Rechtsicherheit oder sonstigen Mehrwert im Vergleich zu einer unmittelbaren Anwendung der Kunstfreiheit. Gerade die Aspekte, die durch § 34 StGB bestimmt und kodifiziert sind, müssten schließlich abgewandelt werden. Man würde wieder wie oben bereits kritisiert durch eine lediglich rechtsfolgenverweisende Analogie den einstigen § 34 StGB in eine „dogmatische Missgeburt“280 verwandeln. Außerdem könnte man prima facie abermals andenken, bereits das Vorliegen einer Regelungslücke zu verneinen, da durch die – wie oben festgestellt sehr wohl mögliche – unmittelbare Anwendung der Grundrechte eben eine Regelung der fraglichen Sachverhalte bestehe.281 Strenggenommen kann dadurch allerdings gerade nicht das Vorhandensein einer Regelungslücke verneint werden. Vielmehr sind sowohl die unmittelbare Anwendung der Grundrechte als auch eine Analogie von Rechtfertigungsgründen jeweils verschiedene Arten der verfassungskonformen Rechtsfortbildung.282 Nach all dem zur allgemeinen Strafbefreiung durch Grundrechte Erörterten stellt die unmittelbare Anwendung der Grundrechte lediglich die besser geeignete Lösung dar, die bestehende Lücke zu schließen. § 34 StGB ist so weder direkt noch analog auf die Kunstfreiheit anwendbar. 2. § 193 StGB (analog) Oben wurde bereits deutlich sowohl eine analoge Anwendung von § 193 StGB auf andere Tatbestände als die §§ 185 ff. StGB als auch allgemein auf andere Grundrechte abgelehnt.283 Speziell für die Kunstfreiheit findet sich jedoch durchaus eine verbreitete Meinung, die aufgrund der Nähe von Meinungs- und Kunstfreiheit § 193 StGB (analog) auf die Kunstfreiheit anwenden will – zumindest im Rahmen

279

Böse, ZStW 113 (2001), S. 55. Siehe zu diesem Begriff erneut Jäger, Strafrecht AT, Rn. 215 unter Verweis auf Schünemann, GA 1985, S. 350 bzgl. der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie im Kontext des Erlaubnistatbestandsirrtums. 281 So Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 184. 282 Vgl. Fn. 161. 283 Siehe S. 92 ff. 280

140

Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

der Beleidigungstatbestände.284 Dabei wird die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ faktisch als „Wahrnehmung des Grundrechtes der Kunstfreiheit“ verstanden.285 Eine räumliche Nähe286 der beiden gleichermaßen in Art. 5 GG kodifizierten Grundrechte besteht zwar durchaus, auch können beide zu den Kommunikationsgrundrechten gezählt werden.287 Damit erschöpfen sich jedoch im Wesentlichen die Gemeinsamkeiten. Auch wenn durchaus vermittelst Kunst Meinung geäußert werden kann (z. B. engagierte Kunst), gibt es schließlich auch l’art pour l’art. Vor allem brächte eine Anwendung des § 193 StGB auf die Kunstfreiheit im Vergleich zur hier bejahten unmittelbar rechtfertigenden Anwendung der Kunstfreiheit keinerlei Vorteile oder Mehrwert. Schließlich käme § 193 StGB ebenso wie bei seiner ursprünglichen Anwendung nur deklaratorischer Charakter zur.288 Er fungierte so nur als leere Hülle und bloßer formeller Aufhänger für die originär vorzunehmende Abwägung der strafrechtlich geschützten Interessen mit der Kunstfreiheit. Man wendete damit lediglich die Rechtsfolge „… ist gerechtfertigt“ an und wäre um die Zitierungsmöglichkeit der Norm „§ 193 StGB“ reicher. Treffenderweise kann man so erneut die Sinnhaftigkeit einer analogen Anwendung lediglich deklaratorischer Vorschriften überhaupt anzweifeln.289 Einige Stimmen lehnen deshalb konsequenterweise die Anwendung von § 193 StGB auf die Kunstfreiheit ab.290 Andere lassen zumindest bezüglich der Delikte der §§ 185 ff. StGB eine Entscheidung zwischen der Anwendung des § 193 StGB und der eigenständigen Rechtfertigung durch die Kunstfreiheit offen, weil die inhaltlichen Probleme in beiden Fällen gleichermaßen aufträten.291 Letzteres stimmt zwar durchaus, da schließlich aufgrund des lediglich deklaratorischen Charakters des § 193 StGB in beiden Fällen letztlich doch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG angewendet wird. Vor allem zeigt dies aber sehr deutlich die Sinnfreiheit des Zurückgreifens auf § 193 StGB auf. Konsequenter und ehrlicher ist es vielmehr nach all dem oben allgemein zur Strafbefreiung durch Grundrechte Formulierten, die 284 OLG Hamburg, JR 1983, S. 508 (S. 510); Geppert, JR 1985, S. 430 f.; Tenckhoff, JuS 1989, S. 200; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 193, Rn. 40. 285 Vgl. Joecks, in: MüKo, StGB, § 193, Rn. 56; Eisele/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 193 Rn. 19, allerdings in Rn. 1 betonend, dass § 193 StGB dabei nur ein deklaratorischer Charakter zukommt. 286 Die allerdings mehr oder weniger nur zufällig besteht, schließlich sollte die Kunstfreiheit zunächst in Art. 10 GG kodifiziert werden und ist nur kurz vor Drucklegung aus redaktionellen Gründen in Art. 5 Abs. 3 GG verankert worden, vgl. Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 10. 287 Siehe bereits oben S. 55 f. und 61 f. 288 Vgl. bereits oben S. 92 f. 289 Vgl. in anderem Kontext und allgemein: Würdinger, AcP 206 (2006), S. 972, 978. 290 Fischer, StGB, §193 Rn. 36; Küpper, JA 1985, S. 461; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 193, Rn. 14 f.; ders., Strafrecht AT, § 9, Rn. 50 f.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 39, 50; vgl. auch Hilgendorf, in: LK, StGB, § 193, Rn. 8 ff.; Lenckner, JuS 1988, S. 353. 291 Joecks, in: MüKo, StGB, § 193, Rn. 56; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 193, Rn. 38.

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto

141

Kunstfreiheit als eigenständigen Rechtfertigungsgrund ausdrücklich anzuwenden, anstatt § 193 StGB gekünstelt aber ohne jeglichen Mehrwert auszudehnen. Bei anderen Delikten als denen der §§ 185 ff. StGB kann § 193 StGB nach der oben292 abgelehnten allgemeinen Analogie über diese Tatbestände hinaus sowieso keine Lösung bieten. Eine Lösung über § 193 StGB ist mithin auch für die Kunstfreiheit abzulehnen. 3. Unmittelbare Anwendung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG Als letzte Möglichkeit ist so genau wie allgemein bei der Strafbefreiung durch andere Grundrechte auch in concreto bei der Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auf eine unmittelbare Anwendung dieses Grundrechts zu rekurrieren. a) Übertragung obiger Ergebnisse zur unmittelbaren Anwendung der Grundrechte auf die Kunstfreiheit Dass eine solche sowohl nötig als auch möglich ist, wurde oben293 bereits ausführlich dargestellt. Als passende Ebene hat sich schon im Allgemeinen die Ebene der Rechtfertigung ergeben.294 Im Falle des speziellen Grundrechts der Kunstfreiheit kann sich an diese Ergebnisse angeschlossen werden. Insbesondere die Notwendigkeit einer unmittelbaren Anwendung mangels hinreichender anderer Lösungen sowie die Richtigkeit der Rechtfertigung als Wirkebene hat sich durch die Untersuchungen der vorstehenden Seiten noch einmal für die Kunstfreiheit im Speziellen gezeigt. Konsequenterweise finden sich so auch einige Stimmen, die – ob mit oder ohne tiefergehende Begründung – explizit eine Rechtfertigung durch eine direkte Anwendung der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Strafrecht für möglich halten.295 Obiges Argument der Einheit der Rechtsordnung passt hier bei der Kunstfreiheit besonders gut. Mit der unmittelbaren Anwendung der Kunstfreiheit im Strafrecht wird nämlich die verfassungsrechtliche Lüth-Rechtsprechung zur Wechselwir-

292

Siehe oben S. 92 f. Siehe oben S. 97 ff. 294 Siehe oben S. 105 ff. 295 Fischer, Kunst, S. 70; Würtenberger, NJW 1982, S. 613; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 51 ff.; Radtke, GA 2000, S. 27 f.; Lenckner, in: Festschrift für Peter Noll, S. 254 ff.; Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 166; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 138; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 197; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550 f.; Radtke, GA 2000, S. 27 f.; Kassing, Personalsatire, S. 122 f.; Oppermann, Satire, S. 164; Noll, ZStW 77 (1965), S. 35, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen. 293

142

Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

kungslehre296 sowie die verfassungsrechtliche Mephisto-Rechtsprechung297 zur Kunstfreiheit exakt in das Strafrecht übertragen.298 Aufgrund der Vorbehaltlosigkeit der Kunstfreiheit ist bei jedem Eingriff in ihren Schutzbereich ein schonender Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu treffen. Bei einem Eingriff durch ein Strafgesetz bzw. eine strafrechtliche Verurteilung kann ein solcher Ausgleich nur durch eine dezidierte Abwägung im Einzelfall zwischen den durch das Strafgesetz geschützten Rechtsgütern von Verfassungsrang und der Kunstfreiheit erfolgen. Genau eine solche wird schließlich bei der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte im Strafrecht vorgenommen. Wenn oben die unmittelbare Anwendung der Grundrechte als ein Fall verfassungskonformer Rechtsfortbildung erklärt wurde, so gilt dies ebenso für die Anwendung der Kunstfreiheit. Die Grenze einer solchen Rechtsfortbildung in Form des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers ist dabei gerade im Bereich der Kunstfreiheit besonders eindeutig gewahrt. Da dieses Grundrechts einen überaus weiten und deliktsunspezifischen Gewährleistungsgehalt aufweist, ist es überaus unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung der einzelnen Strafgesetze jeweils eine abschließende Entscheidung bezüglich möglicher Konflikte mit der Kunstfreiheit getroffen haben sollte.299 Etwas anderes gilt nur bezüglich der Tatbestände, die mit expliziten Ausschlussklauseln versehen sind. Ansonsten steht der Gesetzgeberwille einer Rechtsfortbildung in Form der direkten Anwendung der Kunstfreiheit nicht entgegen. b) Voraussetzungen Die Voraussetzungen der unmittelbaren rechtfertigenden Anwendung der Kunstfreiheit im Strafrecht entsprechen ebenfalls grundsätzlich denen der allgemeinen Strafbefreiung durch Grundrechte. Als Besonderheit ist aufgrund der Vorbehaltlosigkeit der Kunstfreiheit jedoch zusätzlich immer daran zu denken, dass zuzüglich und insbesondere geprüft werden muss, ob die entgegenstehenden Rechtsgüter tatsächlich von Verfassungsrang sind. Sind sie es nicht, muss die Kunstfreiheit immer überwiegen, also das entsprechende Verhalten strafrechtlich immer gerechtfertigt werden. Damit ergibt sich für die unmittelbar rechtfertigende Anwendung der Kunstfreiheit folgendes Prüfungsprotokoll300:

296 Das BVerfG proklamierte diese Wechselwirkungslehre zuerst in BVerfGE 7, 198 (208 f.) (Lüth), seitdem st. Rspr.: BVerfGE 61, 1 (10 f.); 86, 1 (10 f.) (TITANIC – geb. Mörder); 93, 266 (292). 297 BVerfGE 30, 173 (Mephisto). 298 So Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32, Rn. 28; Kühl, Strafrecht AT, § 9, Rn. 113; Radtke, GA 2000, S. 27 f.; Rönnau, in: LK, StGB, Vor § 32, Rn. 138 a. E. 299 Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550. 300 Ähnlich Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 18, Rn. 51 ff., jedoch dreistufig.

B. Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto

143

Ein tatbestandsmäßiges Handeln ist durch unmittelbare Anwendung der Kunstfreiheit gerechtfertigt, wenn 1. die Subsidiarität der unmittelbaren Anwendung gewahrt ist (d. h. Vorrang einfachgesetzlicher Regelungen), 2. das Verhalten des „Täters“ in den Schutzbereich301 der Kunstfreiheit fällt und 3. eine strafrechtliche Ahndung dieses Verhaltens den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Einschränkung der vorbehaltlosen Kunstfreiheit widerspräche, weil entweder a) vom jeweiligen Strafgesetz überhaupt keine Rechtsgüter von Verfassungsrang geschützt sind, die der Kunstfreiheit entgegenstehen könnten, oder b) vom jeweiligen Strafgesetz zwar durchaus Rechtsgüter von Verfassungsrang geschützt sind, jedoch eine Abwägung der Kunstfreiheit mit diesen geschützten Verfassungsgütern im konkreten Einzelfall ergibt, dass eine strafrechtliche Verurteilung keinen schonenden Ausgleich der gegenläufigen Interessen im Wege praktischer Konkordanz darstellte.

4. Zwischenergebnis Eine (analoge) Anwendung von § 34 StGB sowie von § 193 StGB ist auch im Kontext der Kunstfreiheit abzulehnen. Subsidiär kommt jedoch eine unmittelbare Anwendung der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auf Rechtswidrigkeitsebene in Betracht.

III. Fazit Damit ergibt sich bezüglich der Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit ein ähnliches Bild wie allgemein bei der Strafbefreiung durch Grundrechte: Zunächst ist auf kodifizierte Ausschlussklauseln und soweit möglich eine verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale zu rekurrieren. Bei letzterer ist jedoch die Grenze der äußersten Bedeutung des Wortlauts einzuhalten. Subsidiär kann sodann auf eine unmittelbar rechtfertigende Wirkung des Grundrechts der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG rekurriert werden. Eine Tathandlung, die Kunst darstellt, ist so immer dann direkt gerechtfertigt, wenn entweder hinter dem Strafgesetz keinerlei Verfassungsrechtsgüter stehen, die der Kunstfreiheit entgegenstehen könnten, oder – falls dies doch der Fall ist – eine dezidierte Abwägung der Kunstfreiheit mit den hinter dem Strafgesetz stehenden Verfassungsgütern ergibt, dass eine strafrechtliche Verurteilung keinen schonenden Ausgleich der gegenläufigen Interessen im Wege praktischer Konkordanz darstellte. 301

Vgl. zum Schutzbereich der Kunstfreiheit ausführlich oben S. 33 ff.

144

Teil 2: Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Strafrecht

C. Zusammenfassung des zweiten Teils Insgesamt lässt sich somit weder im Allgemeinen bezüglich aller Grundrechte noch im Speziellen bezüglich der Kunstfreiheit eine einzelne, stets gültige Möglichkeit finden, um Grundrechte strafbefreiend im Strafrecht zu berücksichtigen. Vielmehr muss der Rechtsanwender stets aus mehreren möglichen Lösungen auswählen. Eine wichtige Möglichkeit ist dabei die unmittelbare Anwendung der Grundrechte und insbesondere der Kunstfreiheit. Nach dem Vorgenannten ist eine solche sowohl nötig als auch möglich, entfaltet auf Ebene der Rechtswidrigkeit ihre Wirkung und ist methodisch betrachtet eine zulässige Form der verfassungskonformen Rechtsfortbildung. Dies gilt allein nicht für die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, der keine unmittelbare Wirkung im Strafrecht zukommen kann. Neben den doch zahlreichen bejahenden – wenn auch oft eine tiefergehende Begründung missenden – Stimmen findet sich keine überzeugende Kritik an der unmittelbar strafbefreienden Wirkung von Grundrechten im Strafrecht. Folglich sollte eine solche nicht mehr als Exot oder gar obskure Mindermeinung behandelt werden. Vielmehr sollte sie langsam aber sicher als mittlerweile anerkannt gelten. Zu beachten ist dabei jedoch stets, dass die unmittelbare Anwendung der Grundrechte immer nur subsidiär in Betracht kommen kann, wenn keine strafrechtsimmanenten Möglichkeiten vorhanden sind. Andernfalls würde sie gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung sowie den Vorrang des Gesetzes verstoßen. Bezüglich der strafrechtsimmanenten Möglichkeiten ist zwar eine Anwendung des § 34 StGB (analog), sowie eine (analoge) Ausdehnung des ohnehin nur deklaratorischen § 193 StGB über den Bereich der §§ 185 ff. StGB und das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinaus abzulehnen. Grundsätzlich möglich und damit stets vorrangig gegenüber einer unmittelbaren Anwendung von Grundrechten ist jedoch die Anwendung kodifizierter Ausschlussklauseln sowie die verfassungskonforme Auslegung insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale. Ob letztere möglich ist, muss deshalb im Folgenden im dritten Teil je nach Eigenheit des jeweiligen Tatbestands, der Auslegungsfähigkeit des jeweiligen Tatbestandsmerkmals und den Merkmalen des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden.

Teil 3

Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit „Kunst ist eine Polarisation: ihr Funke schlägt über von der sich entfremdenden, in sich hineingehenden Subjektivität auf jenes nicht von der Rationalität Veranstaltete, jenen Block zwischen dem Subjekt und dem, was einmal der Philosophie das An sich hieß.“1 – Theodor W. Adorno

Kunst bewegt und berührt – sie spricht Emotionen an. Sie provoziert und polarisiert – sie birgt gesellschaftliches Eskalationspotential. Schnell kann sich so lautstarke Empörung Bahn brechen, kann wilder Tumult aufkommen – kann gar der öffentliche Frieden gestört werden? Allein ein kurzer Blick auf drei beispielhaft ausgewählte Vorkommnisse auf Theaterbühnen des 20. Jahrhunderts zeigt, dass Aufruhr und Kunst durchaus Hand in Hand gehen können: 1929 mussten die Darsteller von Bertolt Brechts und Paul Hindemiths Werk „Das Badener Lehrstück vom Einverständnis“ von der Bühne flüchten, weil sie vom entrüsteten Publikum mit Gegenständen beworfen wurden, nachdem in einer äußerst brutalen Szene ein Clown unter Nutzung von Unmengen an Kunstblut regelrecht zerlegt wurde.2 1949 endete die Uraufführung des Theaterstückes „Jugend vor den Schranken“ von Helmuth Qualtinger mit einem Polizeiaufgebot zum Schutze der Darsteller vor dem protestierenden Publikum, das anknüpfend an eine die Todesstrafe thematisierende Szene selbige für den Verfasser des Stückes forderte.3 1968 stürmte das Publikum die Freie Volksbühne Berlin anlässlich der Aufführung von Edward Bonds „Gerettet“ in der Inszenierung von Peter Zadek als Reaktion auf eine Szene, in der Darsteller eine ein Baby verkörpernde Puppe mit Steinen bewarfen und schließlich brutal zerstörten.4 Im juristischen Kontext ist dabei natürlich nicht jedweder Aufruhr sofort strafrechtlich relevant. Allerdings finden sich im StGB einige Tatbestände, die ausdrücklich dem Schutz des öffentlichen Friedens dienen und so Kunst, die für Aufruhr sorgt, durchaus betreffen könnten. Um dies besser beurteilen zu können, soll sich im Folgenden zunächst vor die Klammer gezogen mit dem Begriff und der Natur des öffentlichen Friedens befasst werden. Danach folgt eine dezidierte Behandlung der 1 2 3 4

Adorno, Ästhetische Theorie, S. 428. Vgl. Mittenzwei, Das Leben des Bertolt Brecht, Erster Band, S. 315 f. Peter, in: Krenn, Helmut Qualtinger – die Arbeiten für Film und Fernsehen, S. 140. Zadek, My Way, S. 459 f.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

einzelnen Straftatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens, die üblicherweise mit der Kunstfreiheit in Konflikt treten können. Nachdem der zweite Teil der vorliegenden Arbeit gezeigt hat, dass es keine abstrakte und allgemeingültige Lösung des Konfliktes von Strafrecht und Kunstfreiheit gibt, ist im Folgenden bei jedem einzelnen Tatbestand zu prüfen, welche der im zweiten Teil genannten Möglichkeiten einer Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG typischerweise in Betracht kommen. Der Schwerpunkt der Betrachtung soll dabei auf den religionsbezogenen Tatbeständen der §§ 166 f. StGB, der Gewaltdarstellung des § 131 StGB sowie der Volksverhetzung nach § 130 StGB liegen, da diese Tatbestände am Häufigsten mit der Kunstfreiheit kollidieren. Die damit verglichen weniger relevanten Tatbestände der §§ 86a, 90a, 111, 126 und 140 StGB werden abschließend der Vollständigkeit halber und zur Abrundung kursorisch behandelt.

A. Der öffentliche Frieden Der öffentliche Frieden5 wird im Folgenden in zwei verschiedenen Dimensionen untersucht: Zum einen in seiner Funktion als Rechtsgut6 und zum anderen in seiner Funktion in den Fällen, in denen er explizit im Wortlaut eines Straftatbestandes vorkommt. Auf beiden Ebenen wird dabei auf die Wunsiedel-Entscheidung7 des BVerfG einzugehen sein, durch die sich das Verständnis vom öffentlichen Frieden grundlegend verändert hat.

I. Der öffentliche Frieden als Rechtsgut Im Rahmen der Behandlung des öffentlichen Friedens als Rechtsgut sollen zunächst die verschiedenen Definitionsansätze des öffentlichen Friedens aufgezeigt werden. Daran anknüpfend wird als zweites die Kritik herausgearbeitet, der sich der öffentliche Frieden in seiner Funktion als Rechtsgut auf breiter Front ausgesetzt 5 Siehe äußerst ausführlich zu den Grundlagen und der Entwicklung des Rechtsguts öffentlicher Frieden Fischer, Öffentlicher Frieden und Gedankenäußerung und einführend ders., NStZ 1988, S. 159 ff. 6 Im Folgenden soll dabei nicht der dogmatische Streit um den Rechtsgutsbegriff geführt werden, da eine dezidierte Behandlung den Rahmen dieser Arbeit sprengte. Siehe zum Streit um den Rechtsgutsbegriff einführend Rönnau, JuS 2009, S. 209 ff.; Hassemer/Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Vorb. § 1, Rn. 108 – 195; Weigend, in: LK, StGB, Einl., Rn. 7 ff. und ausführlich und im Speziellen bzgl. des öffentlichen Friedens als Rechtsgut Fischer, Öffentlicher Frieden und Gedankenäußerung, S. 533 ff. Im Folgenden wird so unter Rechtsgut grundsätzlich das vom jeweiligen Tatbestand geschützte Interesse, also das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel verstanden, vgl. zu dieser Formulierung Nestler, NZWiSt 2015, S. 88, Fn. 124. 7 BVerfGE 124, 300, im Folgenden wegen der genaueren Zitiermöglichkeiten nach Randnummern zitiert nach BVerfG, NJW 2010, S. 47 ff. (Wunsiedel).

A. Der öffentliche Frieden

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sieht.8 Als letztes wird untersucht werden, ob der öffentliche Frieden überhaupt als Verfassungsrechtsgut klassifiziert werden kann. Diese Frage ist eine entscheidende Weichenstellung für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit: Wenn der öffentliche Frieden kein Rechtsgut von Verfassungsrang wäre, könnte ein Strafgesetz nur dann eine taugliche Schranke der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG darstellen, wenn es nicht allein dem Schutz des öffentlichen Friedens dient, sondern auch dem Schutz eines anderen Rechtsguts, dem seinerseits tatsächlich Verfassungsrang zukommt.9 1. Definition des öffentlichen Friedens Die Definition des öffentlichen Friedens unterlag im Laufe der Zeit zahlreichen Wandlungen, zuletzt besonders durch die schon erwähnte Wunsiedel-Entscheidung des BVerfG. Auch finden sich im Kontext der verschiedenen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens teilweise divergierende (Unter-)Definitionen, die unterschiedliche Teilaspekte zugeschnitten auf den jeweiligen Tatbestand betonen oder abwandeln und so letztlich die Grunddefinition deliktsspezifisch konkretisieren. a) Grunddefinition Die Definition des öffentlichen Friedens in seiner heutigen Form geht auf das Reichsgericht zurück.10 Dieses verstand unter dem Begriff des öffentlichen Friedens zunächst den „Zustande des beruhigenden Bewußtseins der Staatsangehörigen, in ihren durch die Rechtsordnung gewährleisteten berechtigten Interessen geschützt zu sein und zu bleiben“11. Zuzüglich zu dieser rein subjektiven Umschreibung for8 Einführend und zur Übersicht: Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 3. Siehe im Detail: Fischer, NStZ 1988, S. 159 ff.; ders., GA 1989, S. 451 ff.; ders., StGB, § 126, Rn. 3 ff.; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1135; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 512 ff., 593 ff.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 90 ff., insb. S. 107; dies., JZ 2010, S. 312; dies., JZ 2015, S. 295; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 580 ff.; Valerius, ZStW 129 (2017), S. 531 f.; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 105 ff.; Enders/Lange, JZ 2006, S. 108; Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, S. 26 ff., insb. S. 49 f.; Ostendorf, JA 1980, S. 500; Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht, S. 11; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 46 ff.; Gierhake, ZIS 2008, S. 404. Siehe auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S 284 ff., 295 ff.; Paeffgen, in: Festschrift für Ernst-Walter Hanack, S. 599 ff.; Beck, Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung, S. 143 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 775 f. 9 So z. B. bei § 167 StGB die Religionsausübungsfreiheit, Art. 4 Abs. 2 GG, siehe unten S. 196, bei einigen Varianten von § 130 StGB die individuelle Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG, siehe unten S. 241 ff., sowie bei § 130 Abs. 2 Nr. 1c) StGB und § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b), Nr. 2 a) StGB der Jugendschutz, siehe unten S. 243 ff. und S. 214 ff. 10 Das seinerseits bereits an frühere Definitionsfragmente anknüpfte, vgl. Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1126; ausführlich ders., Öffentlicher Frieden und Gedankenäußerung, S. 189 ff., 323 ff. 11 RGSt 15, 116 (117).

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

mulierte es kurz darauf eine zusätzliche objektive Entsprechung, demnach der öffentliche Frieden auch „das befriedete Zusammenleben der Volksgenossen innerhalb derselben rechtlich geschützten staatlichen Ordnung“12 sei.13 Schon das Reichsgericht entwickelte also eine kombiniert objektiv-subjektive Definition des öffentlichen Friedens. Darauf aufbauend greift auch die bundesrepublikanische Rechtsprechung normalerweise auf einen kombiniert objektiv-subjektiven Ansatz zurück: Sie versteht unter dem öffentlichen Frieden sowohl den objektiven Zustand der allgemeinen Rechtssicherheit bzw. des befriedeten Zusammenlebens als auch das subjektive Bewusstsein und Vertrauen der Bevölkerung um diese Sicherheit und den Fortbestand dieses Zustandes.14 Dabei weisen die verschiedenen Entscheidungen durchaus stark wechselnde Akzentuierungen zwischen dem objektiven und dem subjektiven Element auf, wobei oft der subjektive Aspekt der Definition besondere Betonung erfährt.15 Die Literatur hat sich dieser gemischt objektiv-subjektiven Betrachtung im Wesentlichen – freilich ebenfalls mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung zwischen dem objektiven und dem subjektiven Element – angeschlossen.16 b) Unterdefinitionen im Kontext der verschiedenen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur variiert nun die genaue Formulierung der Definition des öffentlichen Friedens von Tatbestand zu Tatbestand, da teilweise deliktspezifische Konkretisierungen der Grunddefinition vorgenommen werden: Bezüglich der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 StGB, finden sich so Definitionen, die konkret auf den Schutz der Allge12

RGSt 18, 314 (316). Zum kombinierten subjektiv-objektiven Ansatz in der Rechtsprechung des RG mit wechselnder Akzentuierung: RGSt 18, 406 (409); 34, 269; 50, 324 (326); 71, 248 (249); vgl. Fischer, NStZ 1988, S. 160. 14 Vgl. nur BGHSt 16, 49 (56); 22, 282 (285); 29, 26 (27 f.); 34, 329 (331 f.); BGH, NJW 1978, S. 58 (S. 59); BGH, NStZ 1994, S. 140, näher mit weiteren Beispielen sogleich. Vgl. näher zur Definition des öffentlichen Friedens in der Rechtsprechung auch Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 1; Fischer, NStZ 1988, S. 160 und äußerst ausführlich ders., Öffentlicher Frieden und Gedankenäußerung, S. 384 – 433. 15 Fischer, NStZ 1988, S. 160; ders., Öffentlicher Frieden und Gedankenäußerung, S. 384 – 433. 16 Vgl. zur Übernahme der Definition in der Literatur Fischer, NStZ 1988, S. 161 f. Siehe im Einzelnen: Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 1; Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 59; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 166, Rn. 12; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 1; ders., in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 2, 22; Hohmann, in: MüKo, StGB, § 140, Rn. 22; SternbergLieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 126, Rn. 1; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 126, Rn. 1; Stein, in: SK-StGB, § 126, Rn. 2; Schramm, NJW 2002, S. 420. 13

A. Der öffentliche Frieden

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meinheit vor Vortäuschung oder Androhung von Straftaten, sowie auf das Verhindern einer darauf bezogenen allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung durch Angst vor potentiellen Straftätern abstellen.17 Meist werden dem öffentlichen Frieden im Kontext des § 126 StGB dabei zwei verschiedene Stoßrichtungen zugeschrieben: Zum einen das der Grunddefinition entsprechende Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit; zum anderen die Abwesenheit eines psychischen Klimas, in dem Taten wie die im Katalog des § 126 StGB Genannten begangen werden können, wodurch dann potentielle Täter aufgehetzt werden könnten.18 Es wird also einmal die Sphäre potentieller „Opfer“ und einmal die Sphäre potentieller „Täter“ beleuchtet. Ähnlich wird auch bei der Definition des öffentlichen Friedens im Kontext der Volksverhetzung nach § 130 StGB entweder auf die Opfer- oder Tätersphäre abgestellt. Bezüglich letzterer soll ein Volksverhetzungsklima verhindert werden, das latente oder gar offene Gewaltpotentiale schaffen könnte und in dem potentielle Täter zu Gewalttaten aufgehetzt werden könnten.19 Dies ist im Rahmen der Volksverhetzung vor allem deshalb besonders wichtig, da die historische Erfahrung gezeigt hat, das ein solchermaßen enthemmtes Klima eine gefährliche Eigendynamik entwickeln kann.20 Bezüglich der Opfersphäre bedeutet öffentlicher Frieden auch im Kontext des § 130 StGB zunächst ein Vertrauen in die (öffentliche) Rechtssicherheit.21 Konkreter ist damit ein Mindestmaß an Toleranz und ein unvergiftetes politisches Klima frei von Unsicherheit, Unruhe, Ausgrenzung, Diffamierung, Angst und Schrecken gemeint.22 Bei der Volksverhetzung nach § 130 StGB findet sich so das Abstellen auf ein besonderes Klima sowohl in Richtung potentieller „Täter“ als auch „Opfer“. Auch bei § 140 StGB finden sich Definitionen, die den öffentlichen Frieden vor allem darin sehen, dass kein psychisches Klima geschaffen wird, in dem ähnliche Straftaten wie die Genannten gedeihen könnten und durch das so andere Täter zur 17 Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 1; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 126, Rn. 7/8. 18 BGHSt 22, 282 (286); 34, 329 (331); BGH, NStZ 2010, S. 570; BGH, NStZ-RR 2011, S. 78 (S. 79); Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 1; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 126, Rn. 16; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 26. 19 Vgl. Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, § 130, Rn. 10; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 12: Die Formulierung der „Verhinderung einer politischen Klimavergiftung“ stammt aus der BT-Drs. 12/8588, S. 8 und wurde von der Rechtsprechung übernommen, siehe ausdrücklich BGHSt 46, 36 (40); 46, 212 (221 f.) (Töben); 47, 278 (280). Vgl. ferner Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 22; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 22. 20 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 12; BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 55), Rn. 95 (Wunsiedel). 21 BGHSt 16, 49 (56); 29, 26; 46, 212 (219 f.) (Töben); BGH, NStZ 2007, S. 216 (S. 217). Vgl. jedoch BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 52 f.), Rn. 77 f. (Wunsiedel) sogleich auf S. 150 f. 22 Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 25; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 22; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 3; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, § 130, Rn. 1a, 10; BGHSt 46, 36 (40); 46, 212 (222) (Töben). Vgl. auch Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 17.

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Nachahmung aufgehetzt werden könnten.23 Auf Opferseite wird bei der Definition des öffentlichen Friedens im Rahmen des § 140 StGB außerdem oft das subjektive Gefühl von Rechtssicherheit in der Bevölkerung betont.24 Eine ähnliche Dichotomie wie bei der Definition zu § 130 StGB findet sich bei der Definition des öffentlichen Friedens im Kontext der Bekenntnisbeschimpfung, § 166 StGB.25 Auf Opferseite soll vom öffentlichen Frieden bereits das Vertrauen der Bekenntnisträger, dass ihre Überzeugungen respektiert und toleriert werden, umfasst sein.26 Andersherum auf Täterseite gehöre es zum öffentlichen Frieden, dass bei Dritten keine Intoleranz gegenüber den Anhängern des jeweilig beschimpften Bekenntnisses geschürt wird und keine potentiellen Neigungen zu Rechtsbrüchen angereizt werden.27 Auffallend ist, dass die meisten dieser Unterdefinitionen die subjektive Dimension des öffentlichen Friedens betonen, indem sie das Vertrauen der Öffentlichkeit näher definieren und immer wieder auf ein „Klima“ abstellen. c) Wandel der Definition durch die Wunsiedel-Entscheidung In jüngerer Zeit wurde jedoch ein Wandel im Verständnis des öffentlichen Friedens eingeläutet. In der Wunsiedel-Entscheidung behandelte das BVerfG eine Kollision der Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, mit dem strafrechtlichen Verbot der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 4 GG.28 In diesem Rahmen engte es den Begriff des öffentlichen Friedens entscheidend ein: Nicht mehr genügend sei der bloße „Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger“, die durch die Konfrontation mit anderen Meinungen, Ideologien und Anschauungen hervorgerufen werden

23 BGHSt 22, 282 (286); 28, 312 (314); BGH, NJW 1978, S. 58 (S. 59); Schmidt, MDR 1981, S. 92; Heuchemer, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 140, Rn. 1; Kühl, in: Lackner/ Kühl, StGB, § 140, Rn. 1; Hohmann, in: MüKo, StGB, § 140, Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Sch/ Sch, StGB, § 140, Rn. 1; Stein, in: SK-StGB, § 140, Rn. 4; Laufhütte, MDR 1976, S. 444. 24 Krauß, in: LK, StGB, § 140, Rn. 1; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 140, Rn. 3; BGHSt 22, 282 (285); BGH, NJW 1978, S. 58 (S. 59); Schmidt, MDR 1981, S. 92; Laufhütte, MDR 1976, S. 444; Stein, in: SK-StGB, § 140, Rn. 4. 25 Siehe ausführlich zum Verständnis des öffentlichen Friedens im Rahmen des § 166 StGB unten S. 185 ff. 26 Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 166, Rn. 12; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/ Sch, StGB, § 166, Rn. 12; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 22 (jedoch kritisch); OLG Köln, NJW 1982, S. 657; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365); OLG Nürnberg, NStZ-RR 1999, S. 238 (S. 240). 27 Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 59; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 12; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 22 (jedoch kritisch); OLG Köln, NJW 1982, S. 657; OLG Celle, NJW 1986, S. 1275 (S. 1276); OLG Köln, NJW 1982, S. 657. 28 BVerfG, NJW 2010, S. 47 ff. (Wunsiedel).

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könnte.29 Auf die oft genannte Floskel von der Klimavergiftung könne ebenso wenig zurückgegriffen werden wie auf das allgemeine Friedensgefühl der Bevölkerung.30 Öffentlicher Frieden sei vielmehr allein die „Gewährleistung von Friedlichkeit“ in Form des Schutzes „vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind, d. h. den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren“.31 In diesem Sinne führt das BVerfG weiter aus, dass nur dann Handlungen den öffentlichen Frieden beeinträchtigen können, wenn sie „bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern“.32 Das BVerfG behält in der Wunsiedel-Entscheidung damit zwar die Dichotomie des Abstellens auf einerseits potentielle „Täter“ und andererseits potentielle „Opfer“ bei. Es bricht aber mit dem Dualismus von subjektiver und objektiver Betrachtung, wenn ein bloßer Klimaschutz oder das bloße Unsicherheitsgefühl potentieller Opfer eben nicht mehr ausreicht, sondern letztere vielmehr konkret eingeschüchtert werden müssen, beziehungsweise Äußerungen potentieller Täter eine derartige Qualität aufweisen müssen, dass sie auf rechtsgutsgefährdende Handlungen abzielen. Im Ergebnis lässt das BVerfG so nur noch eine objektivierte Dimension des Begriffes des öffentlichen Friedens bestehen. Zwar erging diese Entscheidung nur zur Volksverhetzung nach § 130 Abs. 4 GG. Die zitierten Ausführungen betreffen jedoch den öffentlichen Frieden weitgehend losgelöst vom konkreten Tatbestand. Das neue Verständnis vom öffentlichen Frieden ist so allgemein für alle Tatbestände, hinter denen der Schutz des öffentlichen Friedens steht, anzuwenden.33 d) Zwischenergebnis Der öffentliche Frieden wird allgemein sowohl objektiv als Zustand der allgemeinen Rechtssicherheit bzw. des befriedeten Zusammenlebens als auch subjektiv als das Bewusstsein und Vertrauen der Bevölkerung um diese Sicherheit und den Fortbestand dieses Zustandes verstanden. Durch die Wunsiedel-Entscheidung hat sich dieser duale Ansatz jedoch überlebt. Es ist vielmehr konsequenterweise allein auf eine objektivierte Gewährleistung von Friedlichkeit abzustellen, die nur von Tathandlungen beeinträchtigt werden kann, die objektiv Hemmschwellen herabzu29

BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 52 f.), Rn. 77 (Wunsiedel). Siehe zur Besprechung der Entscheidung allgemein auch Volkmann, NJW 2010, S. 417 ff. und Degenhart, JZ 2010, S. 306 ff. 30 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 53), Rn. 77 (Wunsiedel). 31 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 53), Rn. 78 (Wunsiedel). Zur Auswirkung auf die Auslegung des öffentlichen Friedens bspw. im Rahmen des § 166 StGB siehe unten S. 186 f. 32 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 53), Rn. 78 (Wunsiedel). 33 Vgl. bspw. für § 166 StGB: Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 23; Naarmann, Der Schutz von Religionen und Religionsgemeinschaften, S. 111; VGH München, NJW 2011, S. 793 (S. 795).

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setzen, Handlungsbereitschaft auszulösen oder potentielle Opfer unmittelbar einzuschüchtern vermögen. 2. Kritik am öffentlichen Frieden als Rechtsgut Diese Rechtsprechung könnte sich durchaus als verfassungsrichterliche Reaktion auf die schon seit längerem auf breiter Front artikulierte Kritik34 am Rechtsgut des öffentlichen Friedens verstehen lassen.35 a) Kritik an der subjektiven Dimension Besagte Kritik stößt sich nämlich vor allem an der subjektiven Seite der Definition des öffentlichen Friedens. Wenn diese wie soeben aufgezeigt auf das schwer greifbare Vertrauen der Bevölkerung in die Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit abstellt, ergeben sich mannigfaltige Probleme: Nimmt man die Definition wörtlich, so rekurriert sie auf „Vertrauen“. „Vertrauen“ ist als eine subjektive Empfindung ein bloßes „Gefühl“; bloße Gefühle vermögen aber kein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut darzustellen.36 Letztlich 34 Siehe erneut einführend und zur Übersicht: Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 3. Siehe im Detail: Fischer, NStZ 1988, S. 159 ff.; ders., GA 1989, S. 451 ff.; ders., StGB, § 126, Rn. 3 ff.; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1135; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 512 ff., 593 ff.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 90 ff., insb. S. 107; dies., JZ 2010, S. 312; dies., JZ 2015, S. 295; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 580 ff.; Valerius, ZStW 129 (2017), S. 531 f.; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 105 ff.; Enders/Lange, JZ 2006, S. 108; Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, S. 26 ff., insb. S. 49 f.; Ostendorf, JA 1980, S. 500; Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht, S. 11; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 46 ff.; Gierhake, ZIS 2008, S. 404. Siehe auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S 284 ff., 295 ff.; Paeffgen, in: Festschrift für Ernst-Walter Hanack, S. 599 ff.; Beck, Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung, S. 143 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 775 f. 35 Zumindest auf den ersten Blick, denn während zwar das Rechtsgut öffentlicher Frieden enger gefasst wurde, wurde dafür die korrespondierende Friedensklausel, wie sie im Wortlaut einiger Normen zu finden ist (siehe unten S. 162 ff.), ausdrücklich als regelmäßig indiziert und nur ausnahmsweise zu verneinen gesehen, vgl. unten S. 165 ff. 36 Valerius, ZStW 129 (2017), S. 531; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 1 m. w. N.: „es ist aber heute weitgehend anerkannt, dass subjektive Empfindungen kein tauglicher Schutzgegenstand für ein modernes Strafrecht sind“. Vgl. dazu auch Kett-Straub, NStZ 2011, S. 604; Pawlik, in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 420; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 3; Cornils, AfP 2013, S. 207; Isensee, AfP 2013, S. 193 f.; vgl. auch Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 26 ff. Selbst bei prima facie die Gefühle des jeweilig Betroffenen verletzenden Tathandlungen wie z. B. denen der Beleidigungstatbestände nach §§ 185 ff. StGB ist das geschützte Rechtsgut die persönliche Ehre als Ausfluss der Personenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 1 und 2 GG, und nicht das bloße Gefühl des Verletzten, siehe BGHSt 1 288 (289); 11, 67 (71); 16, 58 (62); 36, 145 (148); Regge/Pegel, in: MüKo, StGB, Vorb. § 185, Rn. 7 ff.; Eisele/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, Vorb. § 185, Rn. 1.

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kann aber auf dieses „Vertrauen“ gar nicht wörtlich abgestellt werden und wird dies in der Praxis37 auch gar nicht gemacht. Schließlich kann weder das tatsächliche Vertrauen der Bevölkerung als Personenmasse konkret festgestellt werden, noch lässt sich dieses einfach als Summe der Gefühle der einzelnen Bürger begreifen.38 Die subjektive Definition des öffentlichen Friedens kann so im Ergebnis überhaupt nicht empirisch abbilden, was die Bevölkerung tatsächlich über den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit denkt und fühlt; sie kann höchstens fingieren, was diese denken und fühlen soll.39 Dies wird besonders bei den weiten Definitionsversuchen, die in diesem Kontext auf ein „psychisches oder politisches Klima“ abstellen, deutlich:40 Die Bestimmung eines „Klimas“ entzieht sich jeglicher empirischen Feststellung.41 Somit kann ein Gericht – anders als bei handfesten Rechtsgütern wie etwa der körperlichen Unversehrtheit – überhaupt nicht prüfen, ob das Rechtsgut öffentlicher Frieden in seiner subjektiven Ausprägung wirklich verletzt ist, weil die Bevölkerung tatsächlich das Vertrauen in die allgemeine Rechtssicherheit oder den Fortbestand derselben verloren hat oder sich tatsächlich ein bestimmtes Klima in bestimmten Kreisen eingestellt hat.42 Die subjektive Dimension des öffentlichen Friedens kann so höchstens mit vom jeweilig urteilenden Gericht eigens angestellten Vermutungen, was die Bevölkerung wohl fühlen mag, gefüllt werden. Dabei ist jedoch schnell die Grenze dazu überschritten, dass das Gericht mit den eigenen Vermutungen letztlich ausdrückt, was es persönlich meint, was die Bevölkerung im vorliegenden Fall zu fühlen hat. Letztlich wäre das Gericht somit frei und auch versucht, mehr oder minder willkürlich seine eigenen Überlegungen und Überzeugungen in die subjektive Dimension des öffentlichen Friedens hineinzulesen. Damit erwächst jedoch die Gefahr,

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Siehe soeben S. 147 ff. und unten S. 165 ff. Vgl. ferner Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1129 ff.; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 385 ff. 38 Vgl. Valerius, ZStW 129 (2017), S. 532; Fischer, GA 1989, S. 451 f., 461; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1129. 39 Krauß, in: LK, StGB § 126, Rn. 3. Vgl. die unterschiedlichen Formulierungen bei Fischer: „Öffentlich ist insofern nicht das, was viele denken, sondern das, was ,alle wollen sollen‘.“, Fischer, GA 1989, S. 451; „Der Begriff beschreibt daher nicht, was über die Sicherheit alle tatsächlich denken, sondern was alle denken sollen.“, Fischer, StGB, § 126, Rn. 3a; „Es geht bei der ,Feststellung‘ einer Störung (oder der Eignung hierzu) nicht darum, was alle fühlen (oder wollen), sondern darum, was alle fühlen (oder wollen) sollen.“, Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1136; vgl. auch ders., NStZ 1988, S. 163. Zustimmend auch Enders/Lange, JZ 2006, S. 108. 40 Siehe soeben S. 147 ff. 41 Fischer, StGB, § 140, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1128 f. Unklar, aber im Ergebnis nicht von Relevanz ist, ob das Abstellen auf ein wie auch immer geartetes Klima Teil der objektiven oder subjektiven Definition des öffentlichen Friedens ist: Für objektiv z. B. Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1128; für subjektiv z. B. Stein, in: SK-StGB, § 126, Rn. 2; § 130, Rn. 25. 42 Deshalb dann darauf zurückzugreifen, dass das Vertrauen der Bevölkerung eben dann gestört ist, wenn Taten wie die zum Schutz des öffentlichen Friedens begangen wurden, wäre ein Zirkelschluss, vgl. dazu sogleich S. 154 ff.

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dass unter dem Deckmantel des Strafrechts und des angeblichen Rechtsgüterschutzes plötzlich Moral- und Tabuvorstellungen durchgesetzt werden.43 Doch nicht nur die Ergebnisfindung bezüglich der subjektiven Dimension der Definition des öffentlichen Friedens ist kritisch. Auch ist der genaue Zusammenhang zwischen einer einzelnen Tathandlung und solch allgemeinen subjektiven Stimmungsbildern völlig unklar.44 War es wirklich der konkret in Frage stehende Fall, der das subjektive Stimmungsbild der Bevölkerung kausal verändert hat? Ein solcher Zusammenhang wird kaum feststellbar sein. Erneut ergibt sich so die Gefahr, dass aufgrund der Unmöglichkeit dieser Feststellung ein Zusammenhang zwischen der Tathandlung und dem Vertrauen und Bewusstsein der Bevölkerung einfach behauptet wird. Auch ist die subjektive Seite der Definition des öffentlichen Friedens – als Vertrauen in das Bestehen gerade des öffentlichen Friedens und damit das Bewusstsein der Bevölkerung um den öffentlichen Frieden – nah an einem Zirkelschluss, wie Fischer pointiert bemerkt: „Inhalt des öffentlichen Friedens kann schwerlich das Bewußtsein über den Inhalt selbst sein.“45 Insgesamt erweist sich die subjektive Dimension der Definition des öffentlichen Friedens so als faktisch inhaltsleere und damit nicht nur ausdruckslose, sondern auch missbrauchsanfällige Floskel. b) Kritik an der objektiven Dimension Vor diesem Hintergrund ist die mit der Wunsiedel-Entscheidung vorgenommene Beschränkung der Definition auf die objektive Seite grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sieht sich auch dieser Aspekt des öffentlichen Friedens gleichsam berechtigter Kritik ausgesetzt: Nach einhelliger Auffassung meint öffentlicher Frieden in seiner objektiven Dimension einen Zustand allgemeiner Rechtssicherheit.46 Allgemeine Rechtssicherheit entspricht nun aber im Wesentlichen47 dem polizeirechtlichen Begriff der öffentlichen Sicherheit48 und erschöpft sich damit in der Nichterfüllung der einzelnen 43 Konkret bzgl. des öffentlichen Friedens: Hörnle, JZ 2010, S. 312. Allgemein kritisch dazu: Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 47 ff.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 17 ff., 43 ff. 44 Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 3 unter Verweis auf Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 227, angedeutet bereits auf S. 108. 45 Fischer, NStZ 1988, S. 161. 46 Siehe soeben S. 147 f. 47 Im Umfang in dem dieser Begriff auf Strafgesetze verweist, siehe nächste Fußnote. 48 Vgl. die Definition dieses Begriffes: „Unter der öffentlichen Sicherheit ist die Unverletztlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, wie insbesondere Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit, sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt zu verstehen.

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speziellen Straftatbestände.49 Damit wäre der objektive öffentliche Frieden bereits durch einen Verstoß gegen beliebige Normen des Strafrechts betroffen.50 Eine Verletzung des öffentlichen Friedens wird also mit einer sonstigen Strafrechtsverletzung gleichgesetzt.51 Nun bedeutet die Verletzung eines Straftatbestandes eine Verletzung des jeweilig von diesem geschützten Rechtsgutes. Vor diesem Hintergrund schützt der öffentliche Frieden in seiner objektiven Dimension letztlich allein „die Unbehelligtheit der Gesamtheit einzelner, konkret zuzuordnender Rechtsgüter der Individuen oder des Staats“52. Er schützt also lediglich mittelbar Rechtsgüter, die bereits durch die anderen Strafrechtsnormen konkret geschützt werden.53 Der objektive öffentliche Frieden läuft mithin komplett leer und ist kein eigenständiges Rechtsgut.54 Vielmehr müsste man den öffentlichen Frieden so konsequenterweise Eine Störung der öffentlichen Sicherheit ist insbesondere beim Verstoß gegen Straftatbestimmungen zu bejahen“, Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8, Rn. 154; siehe auch Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D. Polizeiaufgaben, Rn. 16 ff. 49 Fischer, NStZ 1988, S. 163; ders., GA 1989, S. 451; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1127 f.; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 600, 630; ähnlich Stübinger, in: Festschrift für Walter Kargl, S. 580 f.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 92 ff.; vgl. Valerius, ZStW 129 (2017), S. 532; siehe auch Krauß, in: LK, § 126, Rn. 3. Stein, in: SK-StGB, § 126, Rn. 2 sieht ebenfalls die öffentliche Sicherheit als Kernbereich des objektiven öffentlichen Friedens an, beachte jedoch die folgende Fußnote. 50 Fischer, GA 1989, S. 451; ders., NStZ 1988, S. 161. Ein etwas anderes Verständnis hat Stein, in: SK-StGB, § 126, Rn. 2, wenn er zwar die öffentliche Sicherheit als Kernbereich des objektiven öffentlichen Friedens sieht, diese aber nur dann als beeinträchtigt sieht, wenn „der Einzelne Gewalttätigkeiten gegen Individualrechtsgüter […] über das auch in ruhigen Zeiten mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht zu verhindernde Maß hinaus befürchten muss“. 51 Valerius, ZStW 129 (2017), S. 532; Stübinger, in: Festschrift für Walter Kargl, S. 581. 52 Fischer, NStZ 1988, S. 163. 53 Fischer, GA 1989, S. 451; ders., NStZ 1988, S. 163; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 512 f. Vgl. ähnlich Fischer, Kunst, S. 109; Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 164 f.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 47; Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 510; Ostendorf, JA 1980, S. 500; vgl. auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295 f.; Stree, NJW 1976, S. 1177 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751 ff. Siehe dazu auch die ähnliche Argumentation bzgl. des fehlenden Verfassungsranges des öffentlichen Friedens, S. 158 ff. 54 Die Rechtsgutsqualität des öffentlichen Friedens verneinend: Fischer, NStZ 1988, S. 163; ders., GA 1989, S. 451 f.; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1135; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 512 f., 602, 631; Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, S. 26 ff., insb. S. 49 f.; Gierhake, ZIS 2008, S. 404; Stübinger, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 580 ff.; Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht, S. 11; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 105 ff.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 90 ff., insb. 107, vor allem bei einem weiten Verständnis des öffentlichen Friedens, das letztlich dem Schutz moralischer Anschauungen und Tabus dient, so konkretisiert durch dies., JZ 2010, S. 312; deutlicher noch dies., JZ 2015, S. 295. Vgl. ferner kritisch auch Paeffgen, in: Festschrift für Ernst-Walter Hanack, S. 599 ff.; Beck, Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung, S. 143 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295 ff.; Enders/Lange, JZ 2006, S. 108; Ostendorf, JA 1980, S. 500; Valerius, ZStW 129 (2017), S. 531 f.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 46 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 775 f.

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als „Scheinrechtsgut“55 bezeichnen. Er ist sehr wohl angestrebter Idealzustand eines Rechtsstaates und mag durchaus „als Produkt wirksamen Rechtsgu¨ terschutzes […] nicht aber als einzelner Faktor und damit nicht selbst als Rechtsgut“ existieren.56 Diese Kritik wird nun umso deutlicher und brisanter durch die mit der WunsiedelEntscheidung erfolgten Reduktion der Definition des öffentlichen Friedens allein auf die objektive Dimension. So konnte vor dieser Entscheidung noch argumentiert werden, dass die gegenüber dem Zustand allgemeiner Rechtssicherheit eigenständige Bedeutung des öffentlichen Friedens im zusätzlichen subjektiven Element des Bewusstseins der Bevölkerung um diesen und des Vertrauens in die Aufrechterhaltung dieses Zustandes besteht. Nunmehr erschöpft sich die um dieses subjektive Element reduzierte rein objektive Definition aber in eben diesem Zustand allgemeiner Rechtssicherheit, damit in der Nichterfüllung von Strafrechtsnormen und damit in der Unbehelligtheit der hinter diesen Strafrechtsnormen stehenden konkreten Rechtsgüter. Letztlich stellt der öffentliche Frieden in seiner rein objektiven Dimension damit mehr denn je einen überflüssigen „Schutz des Strafrechts durch das Strafrecht“57 dar. Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens sind so als reine „Straftaten gegen das Strafrecht“58 zu begreifen. Vor diesem Hintergrund (und auch seiner Behandlung in der Praxis nach)59 bedeutet der objektive öffentliche Frieden in concreto vor allem die Negierung der den öffentlichen Frieden schützenden Straftatbestände; sind deren Tatbestandsmerkmale erfüllt, wird der öffentliche Frieden regelmäßig als beeinträchtigt angesehen.60 Dies stellt aber wiederum einen Zirkelschluss dar: Der öffentliche Frieden ist beein55 So das Ergebnis von Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 107, nach ausführlicher Behandlung des öffentlichen Friedens ab S. 90 ff. Übernommen von Wohlers, ZStW 118 (2006), S. 768. Vgl. auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295: „… kollektiven Scheinrechtsgüter …“. 56 Gierhake, ZIS 2008, S. 404; ähnlich Stübinger, in: Festschrift für Walter Kargl, S. 580. Ähnlich, wenngleich unter einem anderen Blickwinkel, auch Fischer, Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 602: „Öffentlicher Friede ist nicht ein Rechtsgut, sondern der Maßstab, an welchem sich die Rechtsgutsqualität von Gegenständen prüfen läßt.“ Ähnlich auch Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, S. 25 f., 49. 57 Fischer, GA 1989, S. 451; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 631; ähnlich auch ders., StGB, § 126, Rn. 3a: „strafrechtlichen Schutz des Strafrechts“, jeweils unter Verweis auf Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht. Siehe dort S. 11 f. 58 Fischer, NStZ 1988, S. 162 ebenfalls unter Verweis auf Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht. Siehe dort S. 11 f. 59 Siehe unten S. 165 ff. 60 Fischer, NStZ 1988, S. 160: „Entsprechend der positivistischen Grundhaltung, Tatbestandsmerkmale ,aus dem Gesetz‘ zu entwickeln, erscheint öffentlicher Friede überwiegend als schlichte Negierung der betreffenden Straftatbestände, also als Abwesenheit der Wirkungen einer Androhung (§ 126), von Gewalttätigkeiten zwischen Bevölkerungsklassen (§ 130 a. F.), etc. Anhand der so gefundenen Begriffsbestimmungen wird sodann der jeweilige Tatbestand ausgelegt – eine Methode, die stets zum gewünschten Ergebnis führen muß, daß nämlich der öffentliche Friede durch die untersuchte Handlung in der Tat gefährdet, beeinträchtigt, gestört usw. wird.“

A. Der öffentliche Frieden

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trächtigt, wenn eine Norm zum Schutz des öffentlichen Friedens verletzt ist, die ihrerseits nur deshalb strafrechtliches Unrecht darstellt, weil ihre Verletzung den öffentlichen Frieden beeinträchtigt. Konkret am Beispiel der Bekenntnisbeschimpfung des § 166 StGB wird dies umso deutlicher: Der öffentliche Frieden ist dann gestört, wenn der Tatbestand des § 166 StGB erfüllt ist. Der Tatbestand des § 166 StGB ist dann erfüllt, wenn die in Frage stehende Beschimpfung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.61 c) Fazit Insgesamt ist an beiden Dimensionen der Definition des öffentlichen Friedens deren ungreifbare Abstraktheit und Unbestimmtheit zu kritisieren.62 Der gesamte Versuch, die Inhaltsleere des öffentlichen Friedens irgendwie mit Bedeutung auszufüllen und dabei aber doch wieder auf abstrakte Worthülsen wie „Vertrauen“, „Toleranz“, „Klima“, sowie zirkuläre Verweise zu rekurrieren, erscheint mit Fischer durchaus wie das Verfassen von „Rechtsgutslyrik“63. Unter Berücksichtigung all des Vorgenannten ist zusammenfassend festzuhalten, dass nach überzeugender Ansicht der öffentliche Frieden allein kein belastbares Rechtsgut darstellt.64 Problematisch ist vor diesem Hintergrund vor allem die Existenzberechtigung von Delikten, die allein dem Schutz des öffentlichen Friedens dienen,65 hinter denen also kein anderes tragfähiges Rechtsgut steht. Auch wenn de lege ferenda so grundsätzlich für eine Abschaffung der Tatbestände, die allein dem Schutz des öf61 So auch Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 581 ebenfalls am Beispiel des § 166 StGB: „… da eine solche Unrechtsbegründung durch die Gleichsetzung von Friedens- und Rechtsverletzung lediglich zirkulär wird: der öffentliche Frieden kann nur durch ein tatbestandsmäßiges Beschimpfen eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses gestört werden; die Tatbestandsmäßigkeit einer Beschimpfung ist aber nur dann gegeben, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören; damit wird die Tathandlung als erste tatbestandliche Voraussetzung unter die Prämisse einer weiteren Bedingung (Friedensstörungseignung) gestellt, die wiederum nur unter der ersten Voraussetzung erfüllt sein kann.“ Ebenso Cornils, AfP 2013, S. 203, gleichsam am Beispiel des § 166 StGB: „Danach ist der öffentliche Frieden also gestört, wenn ein Beschimpfen vorliegt. Ein Beschimpfen liegt umgekehrt vor, wenn die Äußerung den öffentlichen Frieden stört.“ Ähnlich Valerius, ZStW 129 (2017), S. 532, ebenso am Beispiel des § 166 StGB: „Die tatbestandliche Beschimpfung ist demnach dann geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, wenn dadurch strafrechtliches Unrecht begangen wird, was aber die festzustellende Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens gerade voraussetzt.“ Siehe auch Fischer, Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 599 ausdrücklich dazu, dass derartige Zirkelkonstruktionen im Lichte der einzelnen Rechtsgutstheorien kein Rechtsgut darstellen können. Siehe ausführlicher zu § 166 StGB unten S. 171 ff. 62 Gierhake, ZIS 2008, S. 404; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 46 ff.; Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1135; Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht, S. 12. 63 Fischer, StGB, § 126, Rn. 3a: „Die Definitionsversuche zeigen ein erhebliches Maß an ,Rechtsgutslyrik‘.“ 64 Vgl. erneut Fn. 54. 65 Siehe z. B. unten S. 172 ff. für § 166 StGB.

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fentlichen Friedens dienen, zu plädieren ist,66 wird für die Untersuchungen im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit der Zustand de lege lata zugrunde gelegt. 3. Verfassungsrang des öffentlichen Friedens Schließlich würde im Kontext der vorliegenden Arbeit im Ergebnis eine Straffreiheit für von der Kunstfreiheit gedeckte Tathandlungen sowieso bereits dann eintreten, wenn dem Schutz des öffentlichen Friedens kein Verfassungsrang zukäme. Dann könnte nämlich nach dem oben zum verfassungsrechtlichen Schutz der Kunstfreiheit Ausgearbeiteten der strafrechtliche Schutz des öffentlichen Friedens isoliert ohne das Hinzutreten von echten Verfassungsrechtsgütern gar keine taugliche Schranke des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG darstellen.67 Ein Eingriff in den Schutzbereich der Kunstfreiheit könnte durch eine dementsprechende Strafrechtsnorm vielmehr nur bei Vorliegen zuzüglich hinter der jeweiligen Norm stehender Rechtsgüter, die tatsächlich von Verfassungsrang sind, gerechtfertigt werden. Bei Tatbeständen, die allein dem Schutz des öffentlichen Friedens und keinen Rechtsgütern von Verfassungsrang dienen, müsste so eine von der Kunstfreiheit gedeckte Tathandlung im Ergebnis immer straffrei sein. Die alles entscheidende Frage für den Kontext der vorliegenden Arbeit ist also, ob dem öffentlichen Frieden, so er als Rechtsgut akzeptiert würde, Verfassungsrang zukäme. Die objektive Seite des öffentlichen Friedens als Zustand der Rechtssicherheit stellt im Prinzip ein Bündel einzelner Verfassungsrechtsgüter wie dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sowie dem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG dar.68 Dies lassen einige Autoren genügen, um dem öffentlichen Frieden anscheinend selbst Verfassungsrang zu verleihen.69 Teilweise findet sich gar die bloße pauschale und unbegründete Behauptung, der öffentliche Frieden sei ein Verfassungsrechtsgut.70 Diese Annahme ist im Folgenden einer kritischen Analyse zu unterziehen. 66

Siehe z. B. unten S. 195 f. für § 166 StGB. Vgl. dass nur kollidierendes Verfassungsrecht die vorbehaltlose Kunstfreiheit einzuschränken vermag oben S. 70 ff. 68 Fischer, Kunst, S. 109. Vgl. zur Bündelung anderer Rechtsgüter durch den öffentlichen Frieden erneut: Fischer, GA 1989, S. 451; ders., NStZ 1988, S. 163; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 512 f.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 47; Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 510; Ostendorf, JA 1980, S. 500; vgl. auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295 f.; Stree, NJW 1976, S. 1177 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751 ff. 69 Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 164; Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 351, 389; ders., JURA 1993, S. 154; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 55; Beisel, Kunst, S. 311. 70 So Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 59. Manchmal dringen Ausführungen gar nicht bis zur Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung des öffentlichen Friedens vor, sondern gehen einfach so von einer möglichen Einschränkung der Kunstfreiheit durch den öffentlichen Frieden aus, vgl. nur Beisel/Heinrich, NJW 1996, S. 496. 67

A. Der öffentliche Frieden

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Im ersten Teil wurde bereits dargelegt, was der Maßstab ist, damit ein Rechtsgut als verfassungsrechtlich geschützt angesehen werden kann. Zudem wurde in diesem Kontext die Gefahr aufgezeigt, dass die vom Verfassungsgeber bezweckte Ausgestaltung der Kunstfreiheit als grundsätzlich vorbehaltslos unterminiert werden könnte, wenn diese Voraussetzungen nicht beachtet werden. Schließlich gelingt es über argumentative Verschränkungen immer, ein beliebiges Rechtsgut auf irgendeine Weise indirekt in die Verfassung hineinzulesen. Deswegen wurde bereits ausgeführt, dass sich auf die Ursprünge des Instituts der Schranke kollidierenden Verfassungsrechts zurückbesonnen werden und dessen Grenzen wieder enger, strikter und sorgfältiger gezogen werden sollten. Einem Rechtsgut kommt somit nur dann Verfassungsrang zu, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum Ersten ist die Nennung des Rechtsgutes im Wortlaut des Grundgesetzes notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Zudem muss der Schutz des fraglichen Rechtsguts in der Verfassung auch positiviert sein.71 Es gilt also zu prüfen, ob der Begriff des öffentlichen Friedens unter diese Vorgaben subsumiert werden kann. a) Wörtliche Verankerung im Grundgesetz Fraglich ist bereits, ob eine wörtliche Verankerung des öffentlichen Friedens im Grundgesetz ausfindig gemacht werden kann. Zwar findet sich nirgendwo im Grundgesetz eine explizite Nennung des „öffentlichen Friedens“. Allerdings wird das Wort „Frieden“ im Wortlaut der Präambel sowie der Art. 1 Abs. 2, 24 Abs. 2, 79 Abs. 1 S. 2 und 115l Abs. 3 GG verwendet. Zudem findet sich das Derivat „friedlich“ im Wortlaut der Art. 8 Abs. 1, 24 Abs. 2, 26 Abs. 1, 73 Abs. 1 Nr. 14, 96 Abs. 5 Nr. 4 GG. Ausdrücklich geht es aber in der Präambel und in Art. 1 Abs. 2 GG um den „Frieden (in) der Welt“.72 In Art. 24 Abs. 2, 26 Abs. 1 und 96 Abs. 5 Nr. 4 GG wird explizit das „friedliche Zusammenleben der Völker“ thematisiert. Art. 115l Abs. 3 GG befindet sich im Abschnitt „Xa. Verteidigungsfall“ und meint den diesen zum Abschluss bringenden Friedensschluss. „Frieden“ in diesen Kontexten meint also stets den äußeren, internationalen Frieden. Bei Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG z. B. ist dies bereits aus dem Kontext völkerrechtlicher Verträge ersichtlich. Im Gegensatz dazu meint der strafrechtlich geschützte öffentliche Frieden jedoch nie den äußeren, sondern lediglich den inneren Frieden i. S. d. befriedeten Zusammenlebens der Bevölkerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.73 Die Nennung des Begriffes „friedlich“ im Wortlaut der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG meint weder den äußeren Frieden, noch den inneren Frieden als 71

Siehe zum gesamten Absatz oben S. 76 ff. Vgl. nur Huber, in: Sachs, GG, Präambel, Rn. 46. 73 Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 16; Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 1. Siehe zur Definition des öffentlichen Friedens erneut oben S. 147 ff. 72

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gesamtgesellschaftliches Abstraktum. Vielmehr ist „friedlich“ auf die konkrete Friedlichkeit der einzelnen, sich versammelnden Individuen bezogen.74 Der Wortlaut des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG – der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes bezüglich der „Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken“ – meint ebenso wenig den inneren Frieden, sondern meint „friedlich“ als Gegensatzbegriff zu „militärisch“.75 Der strafrechtliche öffentliche Frieden ist somit von keiner der Grundgesetzvorschriften gemeint, die „Frieden“ oder ein Derivat des Wortes nennen. Es findet sich daher schon keine Verankerung des öffentlichen Friedens im Wortlaut der Verfassung. b) Positivierung des Schutzes des öffentlichen Friedens im Grundgesetz Überdies könnte sich selbst bei einem Verzicht auf die Voraussetzung der Nennung im Verfassungstext keinerlei Positivierung des öffentlichen Friedens in der Verfassung finden lassen. Dies scheint dadurch zu umgehen versucht werden, dass der verfassungsrechtliche Schutz des öffentlichen Friedens als eine solche Selbstverständlichkeit hingestellt wird, dass weder Nennung noch Positivierung zu erwarten seien.76 In diese Richtung geht z. B. das Argument, die „Friedenssicherungspflicht“ sei „ureigenste Aufgabe von Staatlichkeit und besitzt als solche Verfassungsrang“77. Dem soll natürlich im Sinne einer tatsächlichen Sicherung des Friedens in Abgrenzung zu einem Zustand des (Bürger-)Krieges gar nicht widersprochen werden. Wie aber soeben auch die Suche nach einer Verankerung des öffentlichen Friedens im Wortlaut der Verfassung gezeigt hat, weist der Begriff „Frieden“ als hochabstrakter Gattungsbegriff viele verschiedene, zum Teil extrem divergierende Bedeutungen und Unterbegriffe auf. So entspricht der strafrechtliche Begriff des öffentlichen Friedens einem solchen Begriff der tatsächlichen Friedenssicherung überhaupt nicht. Vielmehr setzt der strafrechtliche Begriff eben bereits erheblich weiter im Vorfeld einer tatsächlichen Friedenssicherung an und reicht dementsprechend auch wesentlich weiter. So umfasst dessen objektive Dimension wie soeben dargelegt gerade den Begriff der öffentlichen Sicherheit, also die Einhaltung der geltenden Gesetze. Daran anknüpfend könnte man auf den Gedanken kommen, eine verfassungsrechtliche Ver74

Vgl. nur Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 8, Rn. 23. Vgl. nur Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 73, Rn. 183. 76 Selbst wenn man selbstverständliches ungeschriebenes Verfassungsrecht grundsätzlich anerkannte, siehe Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, § 9 C 2, so könnte darunter doch nicht der Schutz des öffentlichen Friedens fallen, wie er im Strafrecht in seiner soeben dargelegten abstrakten und zirkulären Weite und letztlich Leere verstanden wird. 77 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 72. 75

A. Der öffentliche Frieden

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ankerung des öffentlichen Friedens im Rechtsstaatsprinzip78 zu sehen. Dagegen spricht jedoch bereits, dass damit genau die oben im ersten Teil79 kritisierte und für untauglich befundene, lediglich mittelbare Verfassungsanknüpfung über argumentative Verschränkungen vorgenommen würde. Zudem führte sich auch eine auf der allgemeinen Einhaltung von geltenden Normen und damit dem Rechtsstaatsprinzip gründende Annahme eines Verfassungsranges gerade des öffentlichen Friedens selbst ad absurdum. Denn diese Argumentation wäre dann eben gar keine Besonderheit des öffentlichen Friedens mehr, sondern würde auf jedes beliebige Rechtsgut passen. So könnte nämlich theoretisch die Verletzung eines jeden beliebigen Strafgesetzes und damit auch eines jeden beliebigen Rechtsgutes als Problem des Rechtsstaatsprinzips betrachtet werden. Es ließe sich so letztlich für jedes Rechtsgut eine verfassungsrechtliche Verankerung konstruieren. Dies zeigt, dass dies kein geeigneter Anknüpfungspunkt zur Begründung eines Verfassungsranges gerade des öffentlichen Friedens sein kann. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive würde eine solche Sichtweise zudem die Ausdifferenzierung der grundrechtlichen Schranken komplett nivellieren, weil die Einschränkbarkeit eines vorbehaltlosen Grundrechtes durch eine beliebige Rechtsnorm schlicht einem einfachen Gesetzesvorbehalt entspräche. Wenn sich mit dem BVerfG nicht auf formelhafte Nennung allgemeiner Ziele wie dem „Schutz der Verfassung“ oder der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ zurückgezogen werden darf,80 muss dies genauso für das ebenso formelhafte wie allgemeine Ziel des öffentlichen Friedens gelten. Es findet sich somit keine Positivierung des Schutzes des öffentlichen Friedens im Grundgesetz. Argumentative Verschränkungen, die gleichwohl einen Verfassungsrang des öffentlichen Friedens zu begründen versuchen, überzeugen nicht. c) Fazit und Stellungnahme Der öffentliche Frieden erfüllt damit nicht die Voraussetzungen, die an ein Verfassungsrechtsgut zu stellen sind. Oben wurde bereits dargelegt, dass nach überzeugender Ansicht dem öffentlichen Frieden sogar eine eigenständige Rechtsgutsqualität abgesprochen werden muss.81 Noch viel weniger kann ihm dann gleich mithilfe abenteuerlicher und weit hergeholter Argumentationen Verfassungsrang zugesprochen werden. Der öffentliche Frieden ist schlicht kein Verfassungsrechtsgut. Natürlich soll mit dieser Feststellung aber nicht abgestritten werden, dass der öffentliche Frieden insbesondere in seiner objektiven Definition allgemeiner Rechtssicherheit natürlich einzelne Rechtsgüter bündelt, die unstrittig selbst Ver78 Explizit im Kontext des öffentlichen Friedens u. a. dieses Prinzip nennend: Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 389. 79 Siehe oben S. 75 ff. 80 BVerfGE 77, 240 (255) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (293) (Bundesflagge). 81 Siehe oben S. 152 ff. und insb. Fn. 54.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

fassungsrechtsgüter darstellen. Diese Bündelung stellt jedoch einen eben nur vorgelagerten Schutz dieser einzelnen Individualrechtsgüter dar, der im Vorfeld einer tatsächlichen Betroffenheit derselben angelegt ist.82 Zur Einschränkung der Kunstfreiheit muss aber stets eine konkrete Abwägung vorgenommen werden, bei der nur relevant ist, welche einzelnen Verfassungsrechtsgüter ihr im Einzelfall auch wirklich konkret entgegenstehen. Auf die gebündelten und vorgelagert geschützten Rechtsgüter kann also nicht abstrakt unter dem Deckmantel des Begriffes öffentlicher Frieden abgestellt werden. Selbstverständlich können zwar die „in ihm begrifflich vereinigten Verfassungsgüter“83 selbst die Kunstfreiheit einschränken; jedoch eben nur, wenn und soweit diese auch wirklich individuell unmittelbar und konkret betroffen sind.84 Ob dies der Fall ist, ist aus der strafrechtlichen Perspektive mehrstufig zu untersuchen: Zunächst muss festgestellt werden, ob durch den jeweiligen Tatbestand auch wirklich dieses hinter dem öffentlichen Frieden stehende Verfassungsrechtsgut selbst abstrakt geschützt wird. Danach muss betrachtet werden, ob und in welchem Ausmaß genau dieses Verfassungsgut auch im konkreten Einzelfall durch die in Frage stehende Tathandlung beeinträchtigt ist, und es muss im Rahmen einer Abwägung des Einzelfalls entschieden werden, ob die Kunstfreiheit oder eben doch dieses geschützte Verfassungsrechtsgut überwiegt. Der pauschale Rückgriff auf den öffentlichen Frieden allein genügt jedoch nicht. 4. Zwischenergebnis Die Definition des öffentlichen Friedens wurde durch die Wunsiedel-Entscheidung des BVerfG weitestgehend auf die objektive Dimension des öffentlichen Friedens als Zustand allgemeiner Rechtssicherheit beschränkt. Dem öffentlichen Frieden kann nach überzeugender Ansicht keine eigene Rechtsgutsqualität zukommen. Umso weniger stellt er ein Verfassungsrechtsgut dar. Somit kann ein 82 Fischer, Kunst, S. 108 f.; Stree, NJW 1976, S. 1177 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751 ff.; vgl. auch erneut Fischer, NStZ 1988, S. 163; ders., GA 1989, S. 451; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 47; vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295 f. 83 Ausdruck bei Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 165. 84 Ähnlich bedürfe es nach Fischer, Kunst, S. 109 eines „unmittelbaren Rückgriffs auf die jeweiligen Rechte selbst“. Die zumeist von Kommentaren zitierten Quellen, um den Verfassungsrang des öffentlichen Friedens zu belegen, könnte man interessanterweise durchaus auch so interpretieren: So führt Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 164 aus, dass den hinter dem öffentlichen Frieden stehenden Rechtswerten Verfassungsrang zukommt und dass „diese Güter demnach den Werten der […] Kunstfreiheit als grundrechtsimmanente Schranke entgegentreten“. Ähnlich auch wenn Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 55 ausführt, zu den die Kunstfreiheit einschränkenden Rechtsgütern, gehören „die unter dem Sammelbegriff des öffentlichen Friedens fassbaren Verfassungswerte“. Auch Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 389 könnte man so verstehen: Die „hinter“ dem öffentlichen Frieden stehenden „Verfassungsgüter können der Kunstfreiheit als grundrechtsimmanente Schranken entgegentreten“. Ebenso ders., Jura 1993, S. 154: „Da diese Rechtsgüter Verfassungsrang haben, können sie auch der Kunstfreiheit als grundrechtsimmanente Schranke entgegentreten.“

A. Der öffentliche Frieden

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Eingriff in den Schutzbereich der Kunstfreiheit durch eine Strafrechtsnorm nur bei Vorliegen zuzüglich hinter der jeweiligen Norm stehender Rechtsgüter, die tatsächlich von Verfassungsrang sind, gerechtfertigt werden. Bei Tatbeständen, die allein dem Schutz des öffentlichen Friedens und keinen Rechtsgütern von Verfassungsrang dienen, muss so eine von der Kunstfreiheit gedeckte Tathandlung im Ergebnis immer straffrei sein. Aus diesem für den Kontext der vorliegenden Arbeit entscheidenden Grund wird im Folgenden vom Zustand de lege lata ausgegangen, auch wenn de lege ferenda grundsätzlich für eine Abschaffung der Tatbestände, die allein dem Schutz des öffentlichen Friedens dienen, zu plädieren ist.85

II. Der öffentliche Frieden im Wortlaut von Straftatbeständen Die vorangegangene Betrachtung hat den öffentlichen Frieden in seiner Rolle als (vermeintliches) Rechtsgut behandelt. Der öffentliche Frieden erschöpft sich jedoch nicht in dieser Rolle. Zugleich wird der Begriff des öffentlichen Friedens auch explizit im Wortlaut der folgenden Straftatbestände benutzt: der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 Abs. 1 und 2 StGB, der Volksverhetzung, § 130 Abs. 1, 3 und 4 StGB, der Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 Nr. 2 StGB, sowie der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, § 166 Abs. 1 und 2 StGB. Der öffentliche Frieden scheint in diesen Fällen damit nicht nur das vom jeweiligen Tatbestand geschützte Interesse, sondern prima facie auch ein echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal zu sein. Auffallend ist bei näherer Betrachtung jedoch, dass die genaue Formulierung, mit der der Begriff des öffentlichen Friedens jeweils in die verschiedenen Delikte eingeflochten wurde, variiert. In diesem Sinne sollen zunächst die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevanten Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens nach der konkreten wörtlichen Ausgestaltung des Merkmals öffentlicher Frieden systematisiert werden. Danach soll kritisch beleuchtet werden, ob es sich in den jeweiligen Fällen der Nennung des öffentlichen Friedens im Tatbestand auch wirklich um echte strafbegründende Tatbestandsmerkmale handelt oder ob diese Klausel nicht vielmehr anders zu klassifizieren ist. 1. Systematisierung der hier relevanten Delikte Systematisiert man die verschiedenen Delikte, die dem Schutze des öffentlichen Friedens dienen, nach der Ausgestaltung des Merkmals öffentlicher Frieden, so lassen sich die folgenden drei Gruppen ausmachen: 85

Siehe z. B. unten S. 195 f. ausführlicher für § 166 StGB.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

a) Gruppe 1 Im ersten Fall wird tatbestandlich explizit eine tatsächliche Störung des öffentlichen Friedens gefordert. Es handelt sich damit zumindest dem Wortlaut nach um ein Erfolgsdelikt86 – Erfolg wäre dabei die tatsächliche Störung des öffentlichen Friedens.87 Darunter fällt im Kontext der vorliegenden Arbeit allein die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 4 StGB. b) Gruppe 2 Die Delikte der zweiten Gruppe haben alle die tatbestandliche Formulierung „… in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören …“ gemeinsam. Konstituierendes Merkmal dieser Gruppe ist die bloße Geeignetheit der jeweiligen Tathandlung, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Intensität ist somit im Vergleich zur ersten Gruppe geringer, die bloße Geeignetheit zur Störung befindet sich schließlich im Vorfeld zu einer tatsächlichen Störung. Die Normen, bei denen die Friedensklausel in dieser Form formuliert sind, sind die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 Abs. 1 und 2 StGB, die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und 3 StGB, die Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 Nr. 2 StGB, sowie die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, § 166 Abs. 1 und 2 StGB. Die Geeignetheit setzt dabei keine konkrete Gefährdung im Sinne eines konkreten Gefährdungsdeliktes voraus; andererseits genügt auch keine rein abstrakte Gefährdung wie bei einem klassischen abstrakten Gefährdungsdelikt.88 Vielmehr ist eine nicht nur abstrakte, sondern konkrete Eignung der Tathandlung zur Störung des öffentlichen Friedens gefordert, weil diese Delikte als abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte, einer Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte, konstruiert sind.89 86

Siehe jedoch zur praktischen Anwendung der „Störung des öffentlichen Friedens“, die einer Einordnung als Erfolgsdelikt widerspricht, unten S. 165 ff. und Fischer, StGB, § 130, Rn. 2a, 40 f. 87 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 22c; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 36; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 8b; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 87; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 9; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 15; BVerfG, NJW 2005, S. 3202 (S. 3203); BTDrs. 15/5051, S. 5. 88 Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1132; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 126, Rn. 4; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 126, Rn. 9; BGHSt 46, 212 (218) (Töben). Ähnlich bereits BGHSt 16, 49 (56). 89 BGHSt 46, 212 (218) (Töben); BGH, NStZ-RR 2011, S. 109; Rackow, in: v. HeintschelHeinegg, StGB, § 126, Rn. 3, 12; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 9; Sternberg-Lieben/ Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 11. Zu anderen abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten: BGHSt 39, 371 (372) (§ 311 Abs. 1 StGB); BGH, NJW 1999, S. 2129 (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG). Eingehend: Schröder, JZ 1967, S. 522 ff., ders., ZStW 81 (1969), S. 18 ff.

A. Der öffentliche Frieden

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c) Gruppe 3 Die dritte Gruppe verzichtet komplett auf eine Nennung des öffentlichen Friedens im Wortlaut des Tatbestandes. Der öffentliche Frieden ist damit lediglich das vom jeweiligen Delikt geschützte Interesse, aber ausweislich des Wortlautes kein Tatbestandsmerkmal. Zu dieser Gruppe zählen im hier behandelten Kontext die Störung der Religionsausu¨ bung, § 167 StGB, die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 StGB, die Gewaltdarstellung, § 131 StGB, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB, die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, § 90a StGB, sowie die Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB.90 2. Klassifizierung als echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal? Fraglich ist jedoch, ob man die Friedensklausel in ihren aufgezeigten verschiedenen Formen wirklich als echte strafbegründende Tatbestandsmerkmale begreifen kann und muss. Im Rahmen obiger Behandlung des öffentlichen Friedens als (vermeintliches) Rechtsgut wurde bereits auf die Kritik an dieser Klausel als zu unbestimmt und zu abstrakt eingegangen. Bei einer Klassifizierung als echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal wäre nunmehr zwingend das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten.91 a) Behandlung der Friedensklausel in der Praxis Die Behandlung der Friedensklausel lässt aber Zweifel daran aufkommen, ob es sich dabei wirklich jeweils um ein solches strafbegründendes Tatbestandsmerkmal handeln kann. So wird die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens seit Zeiten des Reichsgerichts teilweise als durch die Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale indiziert angesehen bzw. eine Regelvermutung ausgesprochen.92 Wo nicht ausdrücklich von Indizierung oder Vermutung gesprochen wird, finden sich vor allem zu § 130 StGB argumentationslose Feststellungen dergestalt, dass die Eignung zur Friedensstörung „keiner weiteren Begründung“93 bedürfe oder „außer Frage“94 90

Siehe zum öffentlichen Frieden als Schutzgut hinter § 167 StGB unten S. 196, hinter dem gesamten § 130 StGB unten S. 241, hinter § 131 StGB unten S. 212 ff., hinter § 86a StGB unten S. 267, hinter § 90a StGB unten S. 276, hinter § 111 StGB unten S. 282. 91 Bedenken melden i. E. auch an: Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1135; BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 54), Rn. 93 (Wunsiedel). 92 Bereits RGSt 26, 349 (350); 34, 269. Siehe BGHSt 47, 278 (280 f.); Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 86; Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 38; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 22. 93 BGHSt 16, 49 (57). Ähnlich BGH, NJW 1963, S. 2034 (Jud Süß), BGHSt 21, 371 (373). 94 BGH, NStZ-RR 2006, S. 305 (S. 306).

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

stehe. Auch bezüglich anderer Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens wird von Urteilen und auch der Kommentarliteratur ein recht reduzierter Prüfungsmaßstab gepflegt. So sei eine konkrete Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens regelmäßig bereits dann anzunehmen, wenn die Tathandlung entweder direkt öffentlich erfolgte oder wenn – bei Tätigung der Tathandlung gegenüber Einzelnen – damit zu rechnen sei, dass das Geschehen der Öffentlichkeit bekannt werde.95 Oft wird so darauf abgestellt, ob es zu öffentlichen Reaktionen verschiedener Kreise – entweder von Journalisten, Betroffenen oder Gleichgesinnten – kam und das bloße Anführen derartiger Reaktionen als hinreichende Belegung der Eignung der jeweiligen Tathandlung zur Störung des öffentlichen Friedens akzeptiert.96 Die Friedensklausel wird also in der Praxis als grundsätzlich indiziert behandelt. Eine Verneinung derselben soll nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.97 So scheiden tatbestandliche Verhaltensweisen aus, die aufgrund ihres Wesens oder ihrer Art „nach dem voraussehbaren wahrscheinlichen Geschehensablauf, nicht zu Friedensstörungen führen können“.98 Mit einer Formulierung des BGH bleibt so der „Gegenbeweis“ möglich, dass im Einzelfall eine Eignung zur Friedensstörung nicht gegeben sei.99 Tatsächlich erschöpfen sich in der gesamten Rechtsprechung des BGH diese „Gegenbeweise“ jedoch im Wesentlichen in einem einzigen und überdies äußerst selten aufgeführten Umstand: Dem der Verneinung der Öffentlichkeit der Tathandlung.100 Diese Vorgehensweise hat das BVerfG im berühmten Wunsiedel-Beschluss nicht nur für die hier unter Gruppe 2 zusammengefasste Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens, sondern sogar für die hier der Gruppe 1 zugeordnete Störung des öffentlichen Friedens in § 130 Abs. 4 StGB angenommen. So sei bei Erfüllung des sonstigen Tatbestandes gar das Vorliegen einer wirklichen Störung grundsätzlich zu vermuten; die Friedensklausel diene „primär der Erfassung untypischer Situationen, 95 BGHSt 29, 26 (27); 34, 329 (331); 46, 36 (39, 42 f.); 47, 278 (282); BVerwGE 131, 216 (234), Rn. 54; BGH, NJW 2002, S. 2115 (zu § 130); BGH, NStZ 2010, S. 570; BGH, NStZ-RR 2011, S. 273 (S. 274); Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 31; Schramm, NJW 2002, S. 420. Vgl. auch BGHSt 46, 212 (219 f.) (Töben) (mit etwas ausführlicherer Argumentation, im Kern jedoch nur das Bekanntwerden einer „breiteren Öffentlichkeit“ betreffend). 96 BGH, NJW 2005, S. 689 (bzgl. § 130 im Rahmen einer Versammlung auf Reaktion einiger anderer Versammlungsteilnehmern sowie auf den Pressebericht eines anwesenden Journalisten abgestellt). Ebenfalls auf Reaktionen der Presse abgestellt: BGHSt 29, 26 (27); 34, 329 (332). Auf Reaktion der Presse und eingegangene Strafanzeigen abgestellt: BGHSt 46, 36 (42). Tatsächliche Beobachtung(!) durch Presse genügt laut BGHSt 47, 278 (282) unter ausdrücklichem Hinweis, dass es einer weitergehenden Verbreitungsgefahr nicht bedürfe. Sogar auf eine rein hypothetische Reaktion abstellend: BGHSt 34, 329, 331 (es genüge, dass eine Anschlagsandrohung i. S. d. § 126 StGB einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden wäre, hätte die Deutsche Bahn mit vorsorglichen Bahnhofsstilllegungen darauf reagiert). 97 RGSt 26, 349 (350); 34, 269. 98 BGHSt 34, 329 (332) unter Zitierung von BT-Drs. 7/4549, S. 8. 99 BGHSt 46, 212 (218) (Töben). 100 Vgl. Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1134.

A. Der öffentliche Frieden

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in denen die Vermutung der Friedensstörung auf Grund besonderer Umstände nicht trägt“101. Als so verstandenes Korrektiv soll sie z. B. erlauben, die Wertungen der Grundrechte im Einzelfall zu beachten.102 Diese Aussage des BVerfG passt zu dem im zweiten Teil Dargelegten, dass Grundrechte im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Wirkung entfalten können. Zu erinnern ist dabei jedoch auch daran, dass dabei wie oben ausgeführt vermieden werden sollte, ein gekünsteltes Ergebnis über die Wortlautgrenze hinaus hinzubiegen. Ob also nicht im Einzelfall eine (Eignung zur) Störung des öffentlichen Friedens nicht sogar gerade deshalb umso mehr anzunehmen ist, weil es sich um Kunst handelt (im Sinne öffentlicher Aufregung nach dem Motto „Und das schimpft sich Kunst?!“), wird jeweils unten im Rahmen der einzelnen Tatbestände erörtert. b) Einordnung dieses Vorgehens Wird nun so wie unter Punkt a) dargelegt ganz ohne Definition und Subsumtion die Verwirklichung eines tatsächlich strafbegründenden Tatbestandsmerkmales – noch dazu eines so schwer greifbaren – geprüft? Lediglich durch die Feststellung, dass etwas anderes hier nicht gelten könne bzw. dass die Öffentlichkeit der Tathandlung gegeben sei? Oder entspricht ein solches Prozedere nicht vielmehr dem Vorgehen, mit dem man eine grundsätzlich indizierte normative Wertungsklausel kurzerhand bestätigt, weil sich eben keine Anhaltspunkte für eine im betreffenden Einzelfall andere Wertung aufgrund eines besonderen Ausnahmefalls ergeben? Konsequenterweise wird so allen voran von Fischer vertreten, dass es sich bei der Friedensklausel nicht um ein echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern vielmehr um eine grundsätzlich indizierte normative Wertungsklausel handelt, mit der im Einzelfall strafunwürdiges Verhalten aus dem Tatbestand ausgeklammert werden kann.103 Diese Ansicht ergibt sich nicht lediglich als Reaktion auf die Prüfungspraxis der Gerichte, sondern auch aus dem Wesen des öffentlichen Friedens selbst. Wie oben durch die Kritik an seiner Funktion als Rechtsgut schon deutlich wurde, ist eine tatsächliche empirische Feststellung des öffentlichen Friedens gleich welcher genauen Definition überhaupt nicht möglich. Zudem wäre auch ein kausaler Zusammenhang der konkreten Tathandlung mit einem solchen Stimmungsbild un101 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 55), Rn. 103 (Wunsiedel). Damit eindeutige Abkehr von BVerfG, NJW 2005, S. 3202 (S. 3203), vgl. Fischer, StGB, § 130, Rn. 14c; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1136 f. 102 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 54), Rn. 94 a. E. (Wunsiedel). 103 Fischer, StGB, § 126, Rn. 3a/3b, § 130, Rn. 14b/14c, § 166, Rn. 14/14a; teilweise unter Verweis auf Fischer, NStZ 1988, S. 163, da zwar ebenfalls gegen Annahme eines strafbegründenden Tatbestandsmerkmals, allerdings in der Konsequenz noch für eine Streichung der Friedensklausel. Siehe auch Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1119 ff. Ausdrücklich zustimmend u. a. Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 8/9. Ähnlich bereits Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 514. Ähnlich auch Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 16; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 585.

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klar. Deshalb kann die Friedensklausel gar nicht als stets konkret zu subsumierendes und strafbegründendes Tatbestandsmerkmal verstanden werden, sondern eben nur als normative Strafwürdigkeitsklausel zum Ausfiltern strafrechtlich irrelevanter Handlungen. Damit entschärft sich auch das Problem mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG; schließlich gilt dieser in seinem strengen Verständnis wie hier schon häufiger ausgeführt nur für strafbegründende Merkmale.104 Prima facie mag es zugegebenermaßen etwas seltsam anmuten,105 als Konsequenz der Kritik, dass die Friedensklausel für ein strafbegründendes und stets zu subsumierendes Tatbestandsmerkmal zu unbestimmt sei, diese nun als grundsätzlich indizierte Wertungsklausel zu betrachten. Mit dieser Klassifizierung wird jedoch weder von Fischer noch hier für eine Ausweitung der bisherigen Strafbarkeit plädiert. Wie bereits aufgezeigt entspricht der Mechanismus der grundsätzlichen Indizierung bzw. Feststellung und nur ausnahmsweisen Ablehnung der gefestigten Rechtsprechung. Bei der Bezeichnung als normative Wertungsklausel handelt es sich somit letztlich nur um eine ehrlichere, konsequentere und systemgerechtere Bezeichnung der geübten richterlichen Praxis, die gleichzeitig auch dem Wesen des Merkmals öffentlicher Frieden gerechter wird. Diente die Friedensklausel nämlich tatsächlich der Begründung der Strafbarkeit wäre dies wie bereits oben angeführt ein Zirkelschluss bzw. eine inhaltliche Leerformel: Der öffentliche Frieden als Rechtsgut wäre immer dann gestört, wenn die Tathandlung den öffentlichen Frieden stört.106 Deshalb muss 104 Vgl. Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 8/9. Das BVerfG versucht sich in der Wunsiedel-Entscheidung in Rn. 95 etwas umständlich aus diesem Problem zu manövrieren. Es betont erneut die grundsätzliche Vermutung des „Tatbestandsmerkmal“ der Störung des öffentlichen Friedens. Da dieses somit nicht positiv begründet werden muss, sondern es eben bereits durch Bejahung der übrigen, ihrerseits bestimmten Tatbestandsmerkmale verwirklicht ist, würde nicht gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen. Dieses komplizierten Ausweichens hätte es letztlich gar nicht bedurft, hat sich das BVerfG doch selbst eine Randnummer zuvor (94) ausdrücklich Fischers Sichtweise der Friedensklausel als normativer Wertungsklausel angeschlossen. Warum das BVerfG trotzdem an der Formulierung „Tatbestandsmerkmal“ festhält, ist deshalb nicht einleuchtend, kritisch bzgl. genau dieses Aspekts Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1138. 105 Kritik z. B. von Liesching, MMR 2010, S. 202 f. 106 Siehe erneut Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 581: „… da eine solche Unrechtsbegründung durch die Gleichsetzung von Friedens- und Rechtsverletzung lediglich zirkulär wird: der öffentliche Frieden kann nur durch ein tatbestandsmäßiges Beschimpfen eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses gestört werden; die Tatbestandsmäßigkeit einer Beschimpfung ist aber nur dann gegeben, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören; damit wird die Tathandlung als erste tatbestandliche Voraussetzung unter die Prämisse einer weiteren Bedingung (Friedensstörungseignung) gestellt, die wiederum nur unter der ersten Voraussetzung erfüllt sein kann.“ Ebenso Cornils, AfP 2013, S. 203: „Danach ist der öffentliche Frieden also gestört, wenn ein Beschimpfen vorliegt. Ein Beschimpfen liegt umgekehrt vor, wenn die Äußerung den öffentlichen Frieden stört.“ Ähnlich Valerius, ZStW 129 (2017), S. 532: „Die tatbestandliche Beschimpfung ist demnach dann geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, wenn dadurch strafrechtliches Unrecht begangen wird, was aber die festzustellende Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens gerade voraussetzt.“

A. Der öffentliche Frieden

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vielmehr bereits bei Erfüllung der eigentlichen Tatbestandsmerkmale eine i. d. R. hinreichende Eignung zur Friedensstörung gegeben sein, die durch eine normative Wertungskorrektur in Gestalt der Friedensklausel ausnahmsweise straffrei gestellt werden kann, wenn im Einzelfall keinerlei konkrete Eignung zur Friedensstörung und damit keinerlei Strafwürdigkeit vorliegt. Das BVerfG hat sich in seinem bereits genannten Wunsiedel-Beschluss ausdrücklich der Sichtweise Fischers angeschlossen: „Bei dem öffentlichen Frieden handelt es sich insoweit nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern um eine ,Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle‘ (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. [2009], § 130 Rdnr. 14b).“107

Es führt weiter aus, dass der tatbestandliche Unrechtsgehalt bereits unter Ausklammerung der Friedensklausel bei Verwirklichung der übrigen Tatbestandsmerkmale erfüllt ist. Dann könne im Kontext der Volksverhetzung des § 130 StGB nämlich vermutet werden, dass sich zum einen die Schwelle der Gewaltbereitschaft absenke und dass zum anderen derartigen Aussagen vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte i. d. R. eine bedrohende Wirkung zukomme. Die Erfüllung des übrigen Tatbestandes stelle damit allein schon eine strafwürdige Störung des öffentlichen Friedens dar. Nur in Ausnahmefällen schließe dann die Friedensklausel strafunwürdige Fälle aus. Ihr komme also lediglich noch die oben bereits beschriebene Korrektivfunktion zu. Eine ähnliche Wirkweise findet sich bei § 315b StGB, wenn die Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs bereits durch die Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale indiziert wird.108 Zwar erging die Entscheidung des BVerfG lediglich zu § 130 Abs. 4 StGB, also der „Störung des öffentlichen Friedens“ als Merkmal der Gruppe 1109. Dasselbe muss jedoch gleichermaßen für die Tatbestände der Gruppe 2 gelten. Wenn nämlich bereits die Störung als ein „Mehr“ vermutet werden kann, muss erst recht auch die bloße Eignung zur Störung als ein „Weniger“ vermutet werden können. Das Problem, dass einer Annahme als strafbegründendes Tatbestandsmerkmal die zu große Unbestimmtheit der Friedensklausel entgegensteht, ist in beiden Fällen das nämliche. Auch Fischer vertritt seine Meinung grundsätzlich für alle110 im Kontext der vor107 Hier und für den gesamten folgenden Absatz BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 54), Rn. 94 f. (Wunsiedel). 108 Fischer nennt dieses Beispiel in Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1139. 109 Insofern ist natürlich kritisch, dass damit die grundsätzliche Ausgestaltung als Erfolgsdelikt konterkariert wird, vgl. Liesching, MMR 2010, S. 202. Mit Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1138 f. ist aber auch diese Nivellierung der Unterschiede zwischen einer Eignung zur Störung und der Störung selbst nicht problematisch, entspricht sie doch zum einen exakt der Praxis der Gerichte, die diesbzgl. nie sauber differenzierten, und ging es doch zum anderen dem Gesetzgeber primär um Schaffung einer Grundlage für die Gefahr-Prognose von § 15 Abs. 1 VersammlG (so kritisch man diesem „Missbrauch“ des Strafrechts für verwaltungsrechtliche Zwecke auch gegenüberstehe, vgl. Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1134 f. und Hörnle, JZ 2010, S. 313). 110 Vgl. nur Fischer, StGB, § 126, Rn. 3a/3b, § 130, Rn. 14b/14c, § 166, Rn. 14/14a.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

liegenden Betrachtung relevanten Friedensklauseln. Ob bei den einzelnen Tatbeständen der Maßstab für die Vermutungswirkung bzw. deren Entkräftung differenziert, wird im weiteren Verlauf der Arbeit zu prüfen sein.111 c) Fazit Die verschiedenen Friedensklauseln sind also keine strafbegründenden Tatbestandsmerkmale, sondern es handelt sich vielmehr um grundsätzlich durch die Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale indizierte normative Wertungsklauseln.112 Somit besteht bei der Anwendung der Tatbestände regelmäßig kein Problem mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG. 3. Zwischenergebnis Damit ergeben sich trotz der systematisch unterschiedlichen Gestaltung der fraglichen Tatbestände keine wesentlichen Unterschiede in ihrer Behandlung. Es kann sich im Rahmen der folgenden Arbeit jeweils auf die Behandlung der sonstigen, echten strafbegründenden Tatbestandsmerkmale konzentriert werden, deren Bejahung die wie auch immer im jeweiligen Tatbestand verankerte Friedensklausel indiziert. Nur in Ausnahmefällen kann anschließend noch der Tatbestand verneint werden.

III. Zusammenfassung Dem öffentlichen Frieden kann nach überzeugender Ansicht keine eigene Rechtsgutsqualität zukommen. Erst recht stellt er mangels verfassungsrechtlicher Verankerung kein Rechtsgut von Verfassungsrang dar. Somit vermag er isoliert die Kunstfreiheit nicht zu beschränken. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Kunstfreiheit durch eine Strafrechtsnorm kann deshalb nur bei Vorliegen anderer hinter der jeweiligen Norm stehender Verfassungsrechtsgüter gerechtfertigt werden. Diese sind somit für jede einzelne der folgenden Strafrechtsnorm zunächst abstrakt herauszuarbeiten. Sodann ist für den konkreten Einzelfall zu prüfen, ob diese Verfassungs-

111

Ähnlich allgemein das BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 54), Rn. 93 (Wunsiedel) i. R. d. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG. 112 Als Folge ließe sich im Übrigen festhalten, dass sich der Vorsatz des Täters nicht auf die (Eignung zur) Störung des öffentlichen Friedens beziehen muss; schließlich braucht der Täter lediglich Vorsatz bzgl. der objektiven strafbegründenden Tatbestandsmerkmale zu haben, nicht bzgl. normativer Wertungsklauseln, vgl. Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1138, 1140. Praktisch wird dies aber keinen großen Unterschied machen, weil auch zur Bejahung des (bedingten) Vorsatzes dem Künstler nur die tatsächlichen Umstände bekannt sein müssten, die zu einer Friedensstörung führen könnten, und keinerlei Absicht vorliegen muss.

B. § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen …

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rechtsgüter auch wirklich durch das jeweilige Werk der Kunst beeinträchtigt werden, und eine Abwägung zur Herstellung praktischer Konkordanz durchzuführen. Findet sich eine Friedensklausel im Wortlaut der jeweiligen Strafnorm, so handelt es sich dabei nicht um ein echtes strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern eine normative Wertungsklausel. Als solche ist sie grundsätzlich indiziert und kann nur im Einzelfall widerlegt werden.

B. § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen … Der Konflikt von Religion und Kunst ist kein neuzeitliches Phänomen. Bereits Masaccios Fresko „Die Vertreibung aus dem Paradies“ (1427) wurde aufgrund seines zur damaligen Zeit ungewohnten Realismus und einer Vermenschlichung des religiösen Sujets als gottlos bezeichnet; Michelangelos Fresko „Das Jüngste Gericht“ (1541) an der Decke der Sixtinischen Kapelle im Vatikan polarisierte aufgrund der „schimpflich entblößten“ Körperdarstellungen; Caravaggios „Der Tod der Jungfrau“ (1606) sah sich dem Vorwurf der Blasphemie ausgesetzt, weil statt einer feierlichen und von Engeln geleiteten Einkehr einer anmutigen Jungfrau ins Paradies eine ärmliche Prostituierte in einer vulgären, weltlichen Sterbeszene abgebildet wurde.113 Der wohl berühmteste strafrechtlich relevante Fall eines Konfliktes von Religion und Kunst ist der § 166 StGB a. F. betreffende Gotteslästerungsprozess gegen George Grosz Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund dessen kriegskritischer Karikatur „Christus mit Gasmaske“, die mit der Unterschrift „Maul halten und weiterdienen“ versehen war.114 Im Folgenden soll die Strafbarkeit ähnlicher aber aktuellerer Fälle nach § 166 StGB in der Fassung seit dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG) vom 25. 06. 1969115 – der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen – beurteilt werden. Dazu muss zunächst vorab die Frage geklärt werden, welche Rechtsgüter § 166 StGB schützt. Denn nur, wenn den hinter § 166 StGB stehenden Schutzgütern Verfassungsrang zukommt, vermag diese Norm die Kunstfreiheit einzuschränken. Anschließend soll unter Zugrundelegung der Ergebnisse des zweiten Teils gezeigt werden, wie genau sich die Kunstfreiheit auf Tatbestand und Rechtswidrigkeit des § 166 StGB auswirkt.

113 Baucheron/Routex, Skandalkunst, S. 12 f. zu Masaccio, S. 18 f. zu Michelangelo, S. 26 f. zu Caravaggio, jeweils mit Abbildung der Werke. 114 RG 64, 121, vgl. dazu nur zuletzt und ausführlich: v. Becker, NJW 2005, S. 559 ff. 115 BGBl. I, S. 645 ff.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

I. Geschützte Rechtsgüter „Dieu se défendra bien lui-même“ – Georges Clemenceau116

Genauso wenig wie also der sich selbst verteidigende „Gott“ Schutzgut des § 166 StGB sein kann, soll durch diese Norm das postmortale Allgemeine Persönlichkeitsrecht der historischen Personen Jesus von Nazareth oder Mohammed geschützt werden.117 Fraglich ist deshalb, welches Schutzgut hinter § 166 StGB steht. 1. Religionsfreiheit des Art. 4 GG Prima facie könnte die Religionsfreiheit des Art. 4 GG in Betracht kommen. Zunächst einmal kann dabei jedoch in einem säkularen Staat der Inhalt eines Bekenntnisses nicht Schutzgut des § 166 StGB sein; die eigentliche Gotteslästerung im Sinne einer „Beleidigung Gottes“ ist vielmehr seit dem 1. StrRG vom 25. 06. 1969 explizit nicht mehr von § 166 StGB geschützt.118 Ebenso wenig kann das bloße verletzte Gefühl eines Gläubigen Schutzgut sein.119 Der säkulare und moderne Staat kann und darf nicht nach Maßgabe subjektiver Glaubensinhalte und Empfindungen strafen.120 Art. 4 GG schützt nicht nur das Haben und Äußern religiöser und weltanschaulicher Bekenntnisse, sog. forum internum, sondern auch wie in Abs. 2 klargestellt die freie Ausübung dieser Überzeugungen, sog. forum externum.121 Unzweifelhaft kann in der Bundesrepublik Deutschland so ein jeder denken, fühlen und glauben, was er will, und ist dabei grundrechtlich geschützt gegen Strömungen insbesondere staatlicher Natur, die dieses freie Denken, Fühlen und Glauben durch Zwang beschränken oder gar verbieten wollen. Eine echte Schutzpflicht des Staates gegenüber Äußerungen privater Dritter kann sich allerdings nur ergeben, wenn Gläubige durch hetzende Aussagen derart beeinträchtigt werden, dass sie sich nicht länger trauen, ihren Glauben öffentlich zu bekennen und zu leben.122 Dies wäre jedoch eher ein Fall 116 Französischer Abgeordneter anlässlich der Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen in Frankreich im Jahre 1881. Zitiert nach de Saint Victor, Blasphème, S. 77; vgl. Steinberg, DVBl 2016, S. 1284. 117 Vgl. Steinberg, DVBl 2016, S. 1284; Isensee, in: Isensee, Religionsbeschimpfung, S. 116; ders., AfP 2013, S. 193; Winter, KuR 2008, S. 62. 118 Vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich Beisel, Kunst, S. 346; Pawlik, in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 416 ff. 119 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 69; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 61 a. E.; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 3; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 582 ff. Ähnlich auch schon BGH, GA 1961, S. 239 (S. 240) (Döhl). 120 Fischer, StGB, § 166, Rn. 2; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 1 m. w. N. 121 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4, Rn. 66; Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 16; v. Campenhausen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 157, Rn. 51, 57, 83. 122 Vgl. v. Arnauld, in: Isensee, Religionsbeschimpfung, S. 79.

B. § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen …

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der Volksverhetzung des § 130 StGB statt des § 166 StGB. Allein durch die von § 166 StGB pönalisierten beschimpfenden Aussagen Dritter wird ein Bekenntnisträger vielmehr weder direkt im Haben und Äußern seiner Ansichten, noch in der Ausübung123 seiner Religion nach Art. 4 Abs. 2 GG gestört.124 Schon angesichts der unzähligen, sich gegenseitig meist widersprechenden Bekenntnisse kann kein Bekenntnisträger für sich Deutungshoheit und Konfrontations- bzw. Kritikfreiheit beanspruchen. Das Grundrecht der individuellen Religionsfreiheit aus Art. 4 GG kommt damit nicht als Schutzgut des § 166 StGB in Betracht. 2. Öffentlicher Frieden Alleiniges Schutzgut des § 166 StGB ist deshalb mit der h. M. der im Wortlaut der Norm verankerte öffentliche Frieden.125 Allerdings kommt diesem wie oben dargelegt kein Verfassungsrang zu. Daran ändert sich auch nichts, wenn man entweder als Konkretisierung126 des öffentlichen Friedens oder wie vereinzelt vorgeschlagen als mehr oder weniger eigenständiges Schutzgut127 auf ein Gebot religiöser und weltanschaulicher Toleranz abstellte. Nach dem hier vertretenen engen Verständnis der möglichen Schranken vorbehaltloser Grundrechte kann einem solchen Toleranzgebot ebenso wenig Verfassungsrang zugesprochen werden wie dem öffentlichen Frieden allein.128 123

Anders je nach Sachverhalt bei § 167 StGB, siehe unten S. 196 ff. Vgl. Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 1; dies., Grob anstößiges Verhalten, S. 355 f.; Isensee, AfP 2013, S. 195; Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Hans-Ullrich Paeffgen, S. 41 f.; VG Hamburg, NJW 2012, S. 2536 (S. 2537) (Gólgota Picnic); Ott, NStZ 1986, S. 366. 125 Vgl. nur Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 7; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 166 ff., Rn. 2; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 166, Rn. 1; v. Arnauld, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 69; Rogall, in: SK-StGB, § 166, Rn. 1; OLG Köln, NJW 1982, S. 657 (S. 658); OLG Celle, NJW 1986, S. 1275 (S. 1276); BVerwG, NJW 1999, S. 304 (Maria-Syndrom); VG Hamburg, NJW 2012, S. 2536 (S. 2537) (Gólgota Picnic). 126 Pawlik, in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 418; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 166 ff., Rn. 2. Letztlich wird schließlich auch schon bei der Definition des öffentlichen Friedens im Bereich des § 166 StGB auf die Förderung der Intoleranz bei Dritten abgestellt, siehe unten S. 186 f. 127 Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 368 ff. Ablehnend: Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Hans-Ullrich Paeffgen, S. 43 f. und Hörnle, ZRP 2015, S. 62 unter Zitierung von BVerfGE 124, 300 (334) (Wunsiedel); Enders, KuR 2007, S. 51; ferner Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 349, 100; OLG Köln, NJW 1982, S. 657 (S. 658). 128 Ein Toleranzgebot ist weder ausdrücklich im Grundgesetz genannt, noch ist es sonst als eigenständiges Rechtsgut in der Verfassung positiviert, erfüllt also damit schon nicht die oben genannten engen Kriterien zur Annahme eines Verfassungsrechtsgutes. Natürlich kommt allgemein der Gedanke gegenseitiger Toleranz im Wertesystem des Grundgesetzes zum Ausdruck. Diese Art der Toleranz zwischen verschiedenen Grundrechtsträgern besteht aber als verfassungsrechtliches Muss nur i. R. d. Reichweite der jeweiligen Grundrechte und ist damit letztlich ein Synonym für den Ausgleich konfligierender Grundrechtsinteressen im Wege praktischer 124

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

3. Fazit und Stellungnahme Es ist schon schwierig, § 166 StGB überhaupt zu legitimieren, wenn ihm allein das äußerst umstrittene (vermeintliche) Rechtsgut des öffentlichen Friedens zugrunde liegt.129 Umso weniger dient er dem Schutz eines Verfassungsrechtsguts. Deshalb vermag § 166 StGB die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG überhaupt nicht einzuschränken. Vielmehr muss diese im Kontext des § 166 StGB immer überwiegen. Dies sollte jedoch kein Grund für die eigene Intuition sein, entrüstet zu exklamieren, es könne doch nicht eine jegliche noch so radikal gegen Religionen gerichtete Handlung einfach unter Berufung auf „Kunst“ straffrei gestellt werden. Das Strafrecht ist kein Moral- oder Geschmacksschutz, vielmehr ist es als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheit des einzelnen Menschen ausgehend vom Schuldprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ultima ratio.130 Deshalb sollte, muss und kann nicht alles sofort bestraft werden, was übertrieben, unmoralisch oder gar abartig etc. ist. Außerdem ist umgekehrt mit der Verneinung einer Strafbarkeit nach § 166 StGB auch kein abschließendes Verdikt über das jeweilige Werk getroffen. Weder wird dieses damit als moralisch, ethisch korrekt oder gesellschaftlich billigenswert etc. bewertet. Noch ist damit eine Strafbarkeit der fraglichen Handlung nach anderen Normen ausgeschlossen, bei denen der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG tatsächlich Verfassungsrechtsgüter entgegenstehen können.131 Werden so bspw. Gläubige wirklich an der Ausübung ihrer Religion gehindert, ist § 167 StGB zu diskutieren.132 Überschreitet die Beschimpfung die Schwelle zur Volksverhetzung, indem gegen Anhänger einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft als Teil der Bevölkerung z. B. zum Hass aufgestachelt oder Konkordanz. Wenn nun aber wie hier für den Fall des § 166 StGB gezeigt gar kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 GG vorliegt, kann dieses Ergebnis nicht dadurch ausgehebelt werden, dass ein weitergehender religiöser Toleranzgedanke konstruiert wird, der über den Schutzbereich des Art. 4 GG hinausgehen soll. Toleranz muss der Künstler nur da walten lassen, wo er durch die Ausübung seiner Kunstfreiheit einen anderen Grundrechtsträger in dessen Grundrechten übermäßig einschränkt. Vorher kann er natürlich aus Toleranz auf die volle Ausschöpfung des ihm grundrechtlich Erlaubten verzichten. Ist eine solche Rücksichtnahme und Toleranz auch durchaus moralisch und gesellschaftlich erwünscht, so ist sie doch weder verfassungsrechtlich zwingend gefordert noch darauf aufbauend verfassungsrechtlich verankert. 129 Meist daran anknüpfend die Kritik bzw. Forderung nach Abschaffung von u. a.: Hörnle, ZRP 2015, S. 62; dies., JZ 2015, S. 297; dies., Grob anstößiges Verhalten, S. 356 f.; Steinke, KJ 2008, S. 451 ff.; Beisel, Kunst, S. 360; Hassemer, in: Dilcher/Staff, Christentum und modernes Recht, S. 248; ähnlich Pawlik, in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 428; Kiewitz, Strafbarkeit der Gotteslästerung, S. 130 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S 297 f. 130 BVerfGE 39, 1 (46 f.); Landau, NStZ 2015, S. 668; Weigend, in: LK, StGB, Einl., Rn. 1. Vgl. in anderen Kontexten aktuelle Appelle an eine Rückbesinnung auf das ultima-ratio-Prinzip des Strafrechts: Hamm/Gerhardt, ZRP 2016, S. 60; Kempf, AnwBl 2017, S. 34 ff. 131 Vgl. i. E. Ott, NStZ 1986, S. 365; Montag/Bosbach, DRiZ 2007, S. 72. 132 Zur Einschränkbarkeit der Kunstfreiheit über § 167 StGB siehe unten S. 196 ff. ausführlich.

B. § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen …

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zur Gewalt aufgerufen wird, greift § 130 StGB ein.133 Kommt es gar zu körperlichen Übergriffen oder Sachbeschädigung, so schränken die §§ 211 f., 223 ff. und 303 StGB als Schutz der Verfassungsrechtsgüter Leib und Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Eigentum aus Art. 14 GG die Kunst ein. Wenn die Beschimpfung ausdrücklich auf konkrete Personen bezogen ist oder sich unter dem Deckmantel der Bekenntnis- oder Religionsbeschimpfung gegen einzelne bestimmte Gläubige richtet (sog. Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung)134 greifen die §§ 185 ff. StGB ein, bei denen die Kunstfreiheit mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgewogen werden muss und insbesondere bei Eingriffen in dessen Kernbereich als Ausfluss der Menschenwürde die Kunstfreiheit zurücktreten muss.135 Trotz Verneinung der Strafbarkeit nach § 166 StGB sind Anhänger eines Bekenntnisses also nicht schutzlos gestellt. Es sind keine Strafbarkeitslücken zu besorgen. Vermag also § 166 StGB die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Ergebnis nicht einzuschränken, so bleibt gleichwohl fraglich, auf welcher Ebene der strafrechtlichen Prüfung des § 166 StGB man dessen Vorliegen verneinen muss, wenn die Tathandlung ein Kunstwerk ist. Dies soll im Folgenden ausführlich dargestellt werden.

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit 1. Problemlose Tatbestandsmerkmale Im hier betrachteten Kontext müssen für die meisten Werke regelmäßig die Tatbestandsalternativen „öffentlich“ oder „durch Verbreiten von Schriften“ bejaht werden. Unter letzterem ist jede Tätigkeit zu verstehen, die die Intention hat, einem größeren, nicht kontrollierbaren Personenkreis Zugang zu der fraglichen Schrift im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB – also auch Abbildungen, Ton- und Bildträgern – zu verschaffen.136 Die stattdessen für alle sonstigen, nichtkörperlichen Kunstwerke einschlägige Alternative „öffentlich“ ist erfüllt, sobald es nicht mehr in der Macht des Verbreiters liegt, sondern vielmehr unbestimmt ist, von wem und wie vielen 133 Zur Einschränkbarkeit der Kunstfreiheit über § 130 StGB siehe unten S. 239 ff. ausführlich. 134 Vgl. zu diesem Begriff nur Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 185, Rn. 8 ff. 135 Vgl. im Einzelnen auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rn. 128; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 98; BVerfGE 67, 213 (228) (Anachronistischer Zug); 75, 369 (380) (Kopulierendes Schwein). Umfassend Bülow, Persönlichkeitsrechtsverletzungen; Karpf, Schutz der Ehre. Beispielhaft sei hierfür nur das polarisierende Cover des (endgültigen) Satiremagazins Titanic genannt, auf dem – als Anspielung auf den „Vatileaks“-Skandal – der Papst unter der Überschrift „die undichte Stelle ist gefunden“ mit befleckter Soutane gezeigt wird, vgl. http://www.sz-online.de/nachrichten/benedikt-xvi-prozessiert-gegen-titanic-1678836. html. 136 Vgl. Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 53; BGHSt 13, 257 (258); 19, 63 (70 f.).

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anderen, nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personen das Werk wahrgenommen werden kann.137 Verneint werden könnten die vorgenannten beiden Merkmale so letztlich nur bezüglich Werken, die ein Künstler – z. B. zu Übungs-/ Probezwecken – (noch) unter Verschluss hält bzw. die nur dem inneren Kreis seiner Freunde und Verwandten bekannt sind und gerade nicht veröffentlicht wurden. Dabei muss jeweils der „Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer“ (Abs. 1) bzw. „eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche“ (Abs. 2) Objekt des im Folgenden behandelten Beschimpfens sein. 2. Beschimpfen Schwieriger ist hingegen die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen Kunstwerke eben dieses zentrale Tatbestandsmerkmal des Beschimpfens erfüllen. a) Zum Begriff des Beschimpfens Allgemein wird darunter jegliche Kundgabe von Missachtung verstanden, die im Sinne eines bösartigen Verhöhnens durch ihre Form oder ihren Inhalt besonders verletzend ist.138 Das besonders Verletzende wird z. B. äußerlich durch die Rohheit des Ausdrucks oder inhaltlich durch den Vorwurf eines schimpflichen Zustandes oder Verhaltens indiziert.139 Ein Bekenntnis kann zudem inhaltlich dadurch „in den Schmutz“ gezogen werden, dass seine zentralen Symbole in entwürdigender Weise benutzt werden.140 Dabei genügt jedoch noch kein einfaches Lustig- oder Lächerlichmachen; zu fordern ist vielmehr ein gehässiges Verächtlichmachen.141 Ebenfalls kein Beschimpfen liegt bei einer zwar harten, aber sachlichen Kritik als Ansatz zu sachlicher Auseinandersetzung vor.142 137 Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 43 unter Verweis auf RGSt 37, 289 (290) und RGSt 40, 262 (263). 138 OLG Celle, NJW 1986, S. 1275; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 364); Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 5; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 17; Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 26. 139 OLG Köln, NJW 1982, S. 657 (S. 658) und LG Frankfurt am Main, NJW 1982, S. 658 (S. 659) jeweils unter Verweis auf BGHSt 7, 110 zu § 96 StGB, da Verweis auf RGSt 57, 185; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 364); Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 26. 140 Vgl. zum christlichen Glauben: OLG Nürnberg, NStZ-RR 1999, S. 238 (S. 239); OLG Köln, NJW 1982, S. 652; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 9; Liesching, ZUM 2006, S. 579. 141 Vgl. Heller/Goldbeck, ZUM 2007, S. 634 unter Verweis auf Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 9. 142 Vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365); LG Düsseldorf, NStZ 1982, S. 290 (S. 291); LG Göttingen, NJW 1985, S. 1652 (S. 1653); LG Bochum, NJW 1989, S. 727 (S. 728).

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Zur Beurteilung, ob ein Beschimpfen vorliegt, ist nicht auf die subjektive Sicht der jeweiligen Bekenntnisträger, sondern auf die objektive Sicht eines neutralen und auf religiöse Toleranz bedachten Betrachters abzustellen.143 Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Position des neutralen Betrachters durchaus dem Wandel der Gesellschaft angepasst werden muss, weil sich durch die fortdauernde Säkularisierung von Staat und Gesellschaft die Maßstäbe ständig verändern.144 Hinzu kommt, dass man nicht an einer einzigen, vielleicht auch offensichtlichen Deutung festhalten darf, die für sich genommen beschimpfend ist. Vielmehr müssen alle möglichen Interpretationen des jeweiligen Werkes herausgearbeitet werden; wenn eine plausible Auslegung dabei kein Beschimpfen im vorgenannten Sinn darstellt, ist das Merkmal des Beschimpfens zu verneinen.145 Zu beachten ist zudem, dass die bloße Ablehnung oder Verneinung eines Glaubens bzw. einer Weltanschauung nicht unter den Tatbestand des § 166 StGB fällt.146 So können sich gegenseitig ausschließende Religionen oder Weltanschauungen nicht schon die Existenz und Ausübung der jeweils anderen Religionen oder Weltanschauungen als beschimpfend ansehen. Einfache okkulte oder satanische Lyrics, wie sie z. B. nicht nur auf Mayhems Meilenstein-Album „De Mysteriis Dom Sathanas“, sondern in der ganzen (insbesondere Black-)Metal-Szene zu finden sind, stellen so trotz der grundsätzlichen Negierung des Christentums natürlich genauso wenig eine Beschimpfung desselben dar wie bspw. Marilyn Mansons Album „Antichrist Superstar“.147

143 OLG Köln, NJW 1982, S. 657 (S. 658); OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 364); LG Bochum, NJW 1989, S. 727 (S. 728); Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 7; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 9. 144 Auch Steinbach, JR 2006, S. 499 führt in anderem Kontext an, dass sich in einer solchen Bewertung „die Entwicklung gesellschaftlicher Wertvorstellungen […] niederschlägt“, sodass früher einmal als Religionsbeschimpfung eingeordnete Sachverhalte „nicht notwendigerweise auch heut noch dieselbe Würdigung erfahren“ müssen. 145 Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 16; Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 376. BVerfGE 82, 43 (52 f.); 94, 1 (9); BVerfG, NJW 2002, S. 3767. Vgl. zu dieser Anforderung die allgemein und losgelöst von bestimmten Tatbeständen zur Satire entwickelten Grundsätze: Bei der rechtlichen Beurteilung eines satirischen Kunstwerkes ist nicht bei der offensichtlichen und expliziten Aussage stehenzubleiben, sondern durch Interpretation der wirkliche Aussagekern zu ermitteln und von der satirischen Einkleidung zu trennen, so BVerfGE 75, 369 (377 f.) (Kopulierendes Schwein) (RGSt 62, 183 (184) aufgreifend); 81, 278 (294) (Bundesflagge); 81, 298 (306 f.) (Deutschlandlied ’86); 86, 1 (12) (TITANIC – geb. Mörder); BVerfG, in: NJW 1998, S. 1386 (S. 1387) (Münzen-Erna); OLG Hamburg, NJW-RR 1994, S. 1373 (S. 1374); LG Hamburg, NJW-RR 2017, S. 36 (Schmähkritik); Würtenberger, NJW 1983, S. 1149. 146 Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 9; vgl. bereits OLG Köln, NJW 1982, S. 657 (S. 658) unter Verweis auf Hardwig, GA 1962, S. 270. 147 Dies scheint zum Teil von fundamental-christlicher Seite gegenüber dem (vermeintlichen) Satanismus übersehen zu werden, wenn pauschal gegen die gesamte Rockmusik – ja sogar die Beatles – wegen deren angeblicher Gefährlichkeit und der Beschmutzung des Christentums gewettert wird, vgl. z.B http://www.aktion-kig.de/artikel/ModerneMusik.htm; http://kath-zdw.ch/maria/schattenmacht/lockm.satans.html.

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Bei Anwendung der vorgenannten allgemeinen Richtlinien werden bereits ohne eine besondere verfassungskonforme Auslegung die meisten Werke der Kunst keine Beschimpfung darstellen. Harte sachliche Kritik an, bzw. Humor zulasten von Religionen und Weltanschauungen – gleich ob im Kunstgewand oder nicht – ist schlicht keine bösartige Kundgabe von Missachtung. Die begriffliche Weite des Merkmals Beschimpfen macht dieses darüber hinaus zur idealen Einbruchstelle für die Wertungen der Kunstfreiheit. Um der Kunstfreiheit zu genügen, bedarf dieser Begriff nach der Rechtsprechung einer sehr restriktiven Auslegung, sodass Kunstwerke nur bei besonders rohen Äußerungen als beschimpfend zu betrachten sind.148 Teilweise wird vertreten, den Konflikt mit der Kunstfreiheit sogar ausschließlich nur darüber zu lösen, dass bei Vorrang der Kunstfreiheit keine Beschimpfung i. S. d. § 166 StGB vorliegen soll.149 Vereinzelt finden sich dagegen ablehnende Stimmen, die das Tatbestandsmerkmal des Beschimpfens nicht als geeignete Einbruchstelle für die Wertungen der Kunstfreiheit ansehen.150 Zum Teil wird schließlich je nach Sichtweise bzw. Sachverhalt entweder auf eine Auslegung des Beschimpfens oder eine Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zurückgegriffen.151 Diese differenzierte Sichtweise ist meiner Meinung nach richtig und angebracht. Denn zweifellos ist zwar grundsätzlich zunächst eine verfassungskonforme Auslegung anzuwenden, bevor aufgrund der Subsidiarität auf eine direkte Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG rekurriert werden kann. Allerdings wird die Auslegung keine allgemeingültige und abschließende Lösung ergeben können. Schließlich wird die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung durch die Wortlautgrenze eingeschränkt, die – wie im zweiten Teil gezeigt wurde – ernst genommen werden sollte.152 Wie im Folgenden zu sehen sein wird, kann nämlich bei einigen Werken einfach nicht mehr nicht von Beschimpfung gesprochen, sondern höchstens der Weg über eine direkte Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gegangen werden.

148 OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 364); LG Bochum, NJW 1989, S. 727 (S. 728); OLG Köln, NJW 1982, S. 657 (S. 658); OVG Koblenz, NJW 1997, 1174 (1175); OVG BerlinBrandenburg, NJW 2012, S. 3116 (S. 3117). Im Prinzip schon BGH, GA 1961, S. 239 (S. 240) (Döhl). 149 Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 20; Valerius, in: Heintschel-Heinegg, StGB, § 166, Rn. 13; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 7. Ähnlich bereits Leiss, NJW 1962, S. 2324; Ott, NJW 1963, S. 618; Krauss, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, S. 215 ff., bei denen man beinahe ein Verständnis ähnlich einer Exklusivitätsthese zwischen „Kunst“ und „Beschimpfung“ hineinlesen kann. 150 Fischer, StGB, § 166, Rn. 16; Fischer, Kunst, S. 142, 147; vgl. ähnlich bereits Schick, Kunstwerkgarantie, S. 127. 151 Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 10; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 166, Rn. 16; Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 40, 107. 152 Siehe oben S. 83 ff. und insb. S. 135 ff.

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b) Beispiele nicht beschimpfender Werke Die folgenden Werke wird man unter Berücksichtigung des Vorgenannten als nicht beschimpfend einzuordnen haben: Zunächst sei als einer der klassischen Filme im Spannungsfeld von Kunst und Religionsbeschimpfung „Monty Python’s Life of Brian“ (1979) genannt, der in Ländern wie Norwegen, Irland und Teilen Großbritanniens zeitweise verboten153 war. Dieser Film macht sich zwar durchaus über den Dogmatismus des Christentums und den oft in der Religion vorkommenden Fehlschluss von Korrelation auf Kausalität lustig, übt dadurch aber eben auch berechtigte Kritik. Selbst wenn am Ende das durch den Film berühmt gewordene Lied „Always Look on the Bright Side of Life“ bei der Kreuzigung gesungen wird, wird für einen neutralen Beobachter keine bösartige Verhöhnung auszumachen sein, sondern höchstens ein Lustigmachen. Zuletzt erfuhr der Film im Jahre 2006 gerichtliche Aufmerksamkeit; allerdings nur, weil er entgegen des FeiertagsG NRW am Karfreitag öffentlich gezeigt wurde.154 Ebenfalls über den Fehlschluss von Korrelation auf Kausalität amüsiert sich – vor allem in der vorletzten Szene – der zweite große Skandalfilm aus dieser Zeit: Herbert Achternbuschs „Das Gespenst“ (1982). Die in schwarz/weiß gehaltene Groteske auf die Wiederauferstehung ließ nicht nur Bundesinnenminister Zimmermann erwägen, die schon bewährte Filmförderung zurückzahlen zu lassen; sie polarisierte sogar innerhalb des Christentums: So wurde der Film von der evangelischen Kirche zum Film des Monats gekürt, während Katholiken ob angeblicher Blasphemie protestierten und Strafanzeigen stellten.155 Dabei stießen sich viele Rezipienten wohl vor allem am ausgeprägten Fäkalhumor und der dümmlichen Darstellung der lebendig gewordenen und vom Kreuz gestiegenen Christusfigur – im späteren Verlauf des Filmes „Ober“ genannt –, die sich in eine Schlange verwandeln kann. Dabei ist die Grenze zur bösartigen Verhöhnung wohl insbesondere in der sich zwanzig Minuten lang wortwörtlich mit „Scheiße“ beschäftigenden Bar-Szene haarscharf gestreift, in der der „Ober“ und damit faktisch Jesus selbst direkt mit „Scheiße“ angeredet wird.156 Letztlich überwiegt in der Gesamtschau aber wohl auch hier das einfache

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Seim/Spiegel, Ab 18, S. 62. OLG Hamm, Beschluss v. 27. 05. 2016 – 2 RBs 59/16. 155 Seim/Spiegel, Ab 18, S. 63 f.; Der Spiegel 19/1983, S. 191. Vom AG München, ZUM 1985, S. 458 (S. 459) wurde das Verfahren dann in einem fragwürdigen Weg eingestellt: Der Film gehöre der „– nicht strafbaren – Kategorie des Läppischen, Albernen und Geschmacklosen [an]. Dem Film fehlt ein – wie auch immer zu bewertendes – Mindestmaß an Format, das erforderlich wäre, um einen objektiven Anhänger der christlichen Religion tiefer als oberflächlich zu berühren.“ Die anschließende sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde vom OLG München, FuR 1984, S. 595 als unbegründet verworfen, weil es jedenfalls an der Eignung zur Friedensstörung fehle. In Österreich hingegen wurde der Film beschlagnahmt und verboten, vgl. Seim/Spiegel, Ab 18, S. 64; Handl, FuR 1984, S. 202 ff. 156 Genau an dieser Szene störte sich auch die Juristenkommision der SPIO, vgl. Kniep, Keine Jugendfreigabe, S. 329. 154

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Lustig- bzw. Lächerlichmachen sowie die tiefergehende Kritik157 an der Institution Kirche, die man sehr wohl deutlich unter der grotesken Hülle und dem Fäkalhumor herauslesen kann. Weniger kritisch, allerdings mit ähnlichem Fäkalhumor und deutlich billigeren Witzen ausgestattet zeigt sich die Zeichentrickserie „Popetown“ (2003) rund um einen infantilen Papst. Das LG München hatte sich mit der Serie zu befassen, entschied jedoch nicht abschließend über das Merkmal des Beschimpfens, auch wenn dieses „sicher nicht pauschal und von vornherein zu verneinen“ sei.158 Nach der a.a.O. angeführten Rechtsauffassung des bischöflichen Ordinariats München/Freising ergebe sich das Beschimpfen insbesondere aus einer angeblichen Verwendung eines christlichen Kreuzes als Springstock. Unter dem Stichwort der Benutzung des zentralen christlichen Symbols in entwürdigender Weise kann dies im Einklang mit den vorgenannten Kriterien durchaus kritisch gesehen werden. Allerdings hat der „Pogo-Stick“ des Papstes aus „Popetown“ nur entfernt Ähnlichkeit mit einem Kreuz bzw. sieht einfach aus wie ein normales Springstock-Spielzeug, sodass sich diese Deutung einem neutralen Beobachter nicht zwingend aufdrängt. Mit ihrer Darstellung des Papstes als infantilen Quälgeist fällt die Serie „Popetown“ durch ihren nicht minder infantilen flachen Humor letztlich unter die Kategorie des sich unbedarft Lustig- und Lächerlichmachens.159 Die nächsten beiden Fälle zeigen die oben dargestellte Notwendigkeit, erst einmal das fragliche Werk umfassend zu interpretieren, bevor man eine abschließende Bewertung des Beschimpfens treffen kann: So sorgte Deborah Sengl im Jahre 2012 mit ihrem Werk „Via Dolorosa“ für Aufruhr, weil sie ein gekreuzigtes Huhn mit der Aufschrift „KFC“ statt „INRI“ darstellte.160 Allerdings zielte sie mit ihrer Arbeit gar nicht auf den christlichen Glauben ab, sondern wollte das Leid der Tiere in der heutigen von Massentierhaltung geprägten Nahrungsmittelproduktion thematisieren; deshalb nutzt sie das gekreuzigte Huhn allegorisch für die Tiere als Märtyrer, die die Menschheit vom Hunger erlösen.161 Bei dieser, wenn vielleicht auch nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Interpretation ist ein Beschimpfen zu verneinen, da zwar ein christliches Symbol benutzt, aber nicht entwürdigend in den Schmutz gezogen wird. Schwieriger ist da hingegen die Bewertung der am 30. 09. 2005 in der dänischen162 Zeitung Jyllands-Posten veröffentlichten Mohammed-Karikaturen und zwar speziell derjenigen, die den Propheten Mohammed mit einer Bombe als Turban zeigt. Ob hier 157

Vgl. dazu auch Schödel, Das neueste Testament, Zeit Nr. 14/1983. LG München, ZUM 2006, S. 578. 159 I. E. ebenso Heller/Goldbeck, ZUM 2007, S. 634; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 19; vgl. auch Montag/Bosbach, DRiZ 2007, S. 72 und Steinbach; JR 2006, S. 496 ff. 160 Wolf, Shitstorm im Namen des Herrn. 161 So die Künstlerin selbst, vgl. Sengl, Via Dolorosa. 162 Vgl. zur strafrechtlichen Beurteilung nach dänischem Recht: Greve, in: Festschrift für Wolfgang Frisch, S. 1033 f. 158

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ein Beschimpfen i. S. d. § 166 StGB vorliegt, wurde in der deutschen juristischen Literatur intensiv diskutiert. Bejaht wurde es oft insbesondere deshalb, weil sich hauptsächlich die pauschalen Deutungen aufdrängten, der Islam und der Terrorismus seien eng miteinander verbunden,163 bzw. alle Muslime sympathisierten mit dem Einsatz von Gewalt.164 Oft wurde eine Beschimpfung hingegen insbesondere deshalb verneint, weil die nicht beschimpfende Interpretation möglich sei, dass fundamentalistische Terroristen den Islam – verkörpert durch den Propheten Mohammed – für ihre radikalen Zwecke missbrauchten.165 Letztere Interpretation legt übrigens auch Kurt Westergaard, der Autor dieser Karikatur, nah.166 Folgt man ihr, dann ist die Mohammed-Karikatur statt einer entwürdigenden Darstellung der islamischen Symbolik noch als sachliche und nicht beschimpfende Kritik zu werten. c) Beispiele beschimpfender Werke Von Gerichten trotz restriktiver Auslegung als beschimpfend angesehen wurden dagegen die folgenden Fälle: Das Kruzifix dargestellt als Mausefalle,167 ein ans Kreuz genageltes Schwein auf einem T-Shirt der Punk-Band WIZO,168 sowie Toilettenpapier, das mit dem Stempelaufdruck „KORAN, DER HEILIGE QUR-AN“ versehen war.169 Insbesondere die beiden letzten Beispiele stehen im Einklang mit dem aufgestellten Kriterium, dass eine entwürdigende Verwendung eines religiösen Symbols das besonders Verletzende indiziert. Das erste Beispiel könnte man dagegen sehr wohl noch als sachliche Kritik an der Institution Kirche sehen. Deutlicher ist dagegen ein anderer Fall aus den 90er Jahren. Laut dem OVG Koblenz ist das „Rock-Comical“ „Das Maria-Syndrom“ von Michael SchmidtSalomon nach seinen Gesamtumständen eine bloße Verächtlichmachung des

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Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntnissen, S. 166; ausführlich Steinbach, JR 2006, S. 498. I. E. die Strafbarkeit ohne Subsumtion der Beleidigung bejaht Winter, KuR 2008, S. 67 f. 164 Heller/Goldbeck, ZUM 2007, S. 634. Vgl. aber auch Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 42, demnach dieser Aspekt Teil der sachlichen Diskussion sei und deshalb kein Beschimpfen vorliege. 165 Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 377. Ähnlich Hörnle, NJW 2012, S. 3416; OVG Berlin-Brandenburg, NJW 2012, S. 3116 (S. 3117). Isensee, in: Isensee, Religionsbeschimpfung, S. 127 f. stellt darauf ab, dass es an der nötigen Rohheit fehle. § 166 StGB ebenfalls (wohl über das Merkmal Beschimpfen) verneint von: Waldhoff, Neue Religionskonflikte und staatliche Neutralität, S. 165. 166 Vgl. das Deutschlandfunk-Interview von Sinram, Keine Chance auf Versöhnung. 167 BayObLG, Urteil v. 08. 09. 1988 – RReg 5 St 96/88, Rn. 20 (= NJW 1989, S. 1744 ff., da allerdings nicht im Volltext). 168 OLG Nürnberg, NStZ-RR 1999, S. 238 (S. 239); zustimmend Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 18. 169 AG Lüdinghausen v. 23. 2. 2006 – 7 Ls 540 Js 1309/05 31/05, Rn. 26 ff.

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christlichen Glaubens.170 Als Beispiele führt das Gericht neben einer Erscheinung Gottes „in Form einer geheimnisvollen illuminierten Toilettenbrille“ u. a. die folgenden Szenen an: „Im 1. Akt der Handlung wird die Jungfrauengeburt in eindeutiger Weise in Verbindung mit einem auf der Toilette onanierenden Mann gebracht: ,John beschloß, seine Zeit mit Sinnvollerem zu nutzen, sich auf der Toilette einzusperren und dort solange zu onanieren, bis daß sein Schwanz im Dunkeln glühen würde. […] Und John onanierte ungestört. Doch ausgerechnet in dem Moment, in dem er kam und seinen Saft auf dem Klobrillenrand verspritzte, klopfte es an der Tür. Draußen stand Johns Kusine Ann-Marie in keuscher Novizinnentracht. Unbefleckt. Unberührt. […] Er packte seinen schmierigen Schwanz ein und ging zur Tür. Dort fiel sein Blick auf die noch mit reichlich Sperma verzierte Klobrille. Was tun? Noch schnell alle Spuren der Lust beseitigen? Oder… John grinste. Der Gedanke, daß sich Ann-Maries keusch-klerikaler Arsch in seinen noch warmen Liebessaft setzen werde, erfüllte ihn mit großem Entzücken. John öffnete die Tür und überließ Ann-Marie ihrem Schicksal …‘“ „Im 3. Akt […] fragte John: ,Ann-Marie, verrat’ mir eins: Wie hat Gott es Dir gemacht? Von hinten? Von vorn? Oder hat seine Allmächtigkeit gewichst und heimlich, in der Stille der Nacht, sein göttliches Sperma zwischen Deine keuschen Beine gespritzt?‘“

Angesichts der Darstellung Gottes als Toilettenbrille ist der oben im Falle des Filmes „Das Gespenst“ schon thematisierte Fäkalhumor auf eine neue Ebene gehoben. In überaus derber und vulgärer Sprache werden die Jungfrau Maria, die Geburt Jesu und der Inhalt des christlichen Glaubens derart explizit sexuell aufgeladen thematisiert, dass sich in der Gesamtschau eine geradezu bösartige und vor allem selbstzweckhafte Verhöhnung des christlichen Glaubens ergibt. Eine etwaig intentionierte Kritik tritt daneben komplett in den Hintergrund. Mithin kann hier wohl kaum noch eine Verneinung des Merkmales Beschimpfen vertreten werden, ohne dass die Wortlautgrenze gesprengt würde. Vielmehr kann dieses Werk erst auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei gestellt werden. Auch wenn – zumindest in Deutschland – gerichtlich nicht behandelt, muss man zudem die im Folgenden kurz dargestellten Werke wohl durchaus als beschimpfend bezeichnen: So zerriss 2007 bei einem Auftritt der polnischen Black- bzw. mittlerweile eher Death-Metal-Band Behemoth deren Sänger Adam „Nergal“ Darski eine Bibel, nannte diese „a deceitful book“, sowie die katholische Kirche „the most murderous

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OVG Koblenz, NJW 1997, S. 1174 (S. 1175 f.). Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vom BVerwG verworfen: BVerwG, NJW 1999, S. 304. Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss v. 20. 04. 1998 – 1 BvR 667/98. Zustimmend noch Lenckner/Bosch, in: Sch/Sch, StGB, 29. Auflage, § 166, Rn. 10 („… § 166 mit Recht bejaht …“); mittlerweile neutral Bosch/Schittenhelm, Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 10. Vgl. zu dem Theaterstück auch Seim/Spiegel, Ab 18, S. 62, sowie die Auszüge aus dem Originaltext des Stückes (hier zitierte Szenentexte daran angepasst) unter http://www.maria-syndrom.de/ frankfurt.htm.

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cult on the planet“171 – wie schon bei vielen Auftritten zuvor.172 Diese bunte Mischung aus besonderer Rohheit im Ausdruck, inhaltlichem Vorwurf eines schimpflichen Zustandes und gar dem Zerstören zentraler religiöser Symbole erfüllt exakt die oben dargestellte Definition des Beschimpfens. Bei einem Auftritt der norwegischen Black-Metal-Band Gorgoroth in Krakow im Jahre 2004 wurden zur Untermalung der mehr oder minder antichristlichen Texte als Bühnenshow vier nackte Menschen an Kreuzen aufgehängt, abgetrennte Schafsköpfe aufgespießt und 100 Liter Schafsblut vergossen.173 Ähnlich müssen einige Happenings der „Wiener Aktionisten“ rund um Künstler wie Otto Muehl angemutet haben. Insbesondere sei hier auf das als „dramaturgisches Abreaktionsmodell” konzipierte „Orgien Mysterien Theater“ von Hermann Nitsch verwiesen.174 Bei diesem werden nicht nur Menschen nackt an Kreuzen aufgehängt und Tiere ausgenommen; die Gekreuzigten werden dann auch noch mit den Innereien der Tiere beschmiert und bekommen die geöffneten Tierkadaver auf den Bauch gebunden, sodass es aussieht, als gehörten die klaffenden Gedärme und herausquellenden Organe zu den Menschen selbst.175 Auch werden die Gekreuzigten mit dem Blut der geschlachteten Tiere getränkt, bis letztlich die gesamte Bühne – untermalt von Orgeltönen und Kirchenglocken – in einer kontrastreichen Ekstase aus weißen Laken, Blut und Tier-Innereien ertrinkt.176 Zumindest äußerlich ist das Geschehen dabei durchaus inspiriert von der Liturgie der Katholischen Messfeier, auch werden zum Teil sakrale Gegenstände für die somit pervertierte christliche Passion benutzt.177 Für Andres Serranos Werk „Immersion (Piss Christ)“ (1987) wurde ein 171 In Deutschland wurde die ähnliche Bezeichnung der Kirche als „einer der größten Verbrecherorganisationen der Welt“ als beschimpfend angesehen, OLG Celle, NJW 1986, S. 1275. 172 Nach einer Anklage kam es zu jahrelangen Prozessen in Polen während derer Adam „Nergal“ Darski teilweise frei- und teilweise schuldig gesprochen wurde, bis es im Jahre 2015 zu einem endgültigen Freispruch kam, vgl. insgesamt: https://www.theguardian.com/world/2 011/aug/18/polish-death-metal-singer-cleared; http://www.blabbermouth.net/news/court-rulesagainst-behe-moth-frontman-in-bible-tearing-case/; https://www.pro-medienmagazin.de/gesell schaft/gesellschaft/2015/03/05/freispruch-fuer-bibel-zerreisser-bestaetigt/. 173 Aufnahmen des Konzertes wurden von der Polizei zunächst beschlagnahmt, später aber wieder freigegeben und als Live-DVD „Black Mass Krakow 2004“ veröffentlicht, vgl. insgesamt http://www.blabbermouth.net/news/gorgoroth-black-mass-in-krakow-dvd-may-get-re leased-after-all/ und https://web.archive.org/web/20090309110157/http://www.aftenposten.no/ english/local/article723414.ece. Das Szenario wurde später im Musikvideo zum Song „Carving a Giant“ (2006) vom Album „Ad Majorem Sathanas Gloriam“ (2006) nachgestellt. 174 Wetzlinger-Grundnig, Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters, S. 62 ff., 64. 175 Vgl. Bilder in Wetzlinger-Grundnig, Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters, S. 185 ff. 176 Vgl. insgesamt Schmied, Blasphemie oder Theodizee, S. 102 ff.; Schödel, Blut und Hoden; Seim/Spiegel, Ab 18, S. 98 f. Nietsch wurde in Österreich mehrfach u. a. wegen Beleidigung einer Religionsgemeinschaft verurteilt, vgl. Schmied, Blasphemie oder Theodizee, S. 109. 177 Schmied, Blasphemie oder Theodizee, S. 111 f.; Schröder, in: Ästhetik der Gewalt – Gewalt der Ästhetik, S. 75 ff.

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Kruzifix zwar nicht in Tierblut, dafür aber im Urin des Künstlers ertränkt und anschließend photographiert.178 Die drei Beispiele dieses Absatzes stellen allesamt eine Benutzung zentraler christlicher Symbole in einer entwürdigenden Weise dar und können so erst auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei gestellt werden. Inhaltlich extremer und expliziter wird es, wenn man sich die Lyrics einiger Metal-Acts anschaut. Wie oben erwähnt genügt natürlich nicht bereits die einfache Negierung des christlichen Glaubens, sondern muss eine rohe oder gehässige Verächtlichmachung dazukommen. Bei dem Song „Godhate“ der schwedischen BlackMetal-Größe Dark Funeral ist allerdings der Titel Programm: „… Still blinded by stupidity, believing you are Christ / Walking down the streets of Jerusalem / Covered in spit, from the people you loved. Guilty or not, you’re full of shit. / Spreading your lies that too many believes. / You are a fake, and I know the truth. / I know your name and your god I do hate. Guilty, guilty! You will die upon your cross, amongst the other thieves …“

Spätestens bei den folgenden Beispielen kann eine durch ausgemachte Rohheit besonders verletzende Wirkung keineswegs mehr abgestritten werden: Im Song „Jesus Christ Sodomized“ der schwedischen Black-Metal-Band Marduk findet sich so nicht nur die Aufforderung „Piss on christ and kill the priest, follow nature – praise the beast.“ Jesus selbst wird vielmehr als „king of perversions and flies“ und „filthy scum“ bezeichnet. Zudem sei Maria eine „stinking whore“, deren „pathetic tries to shit forth a king“ gescheitert seien. Beschimpfung als reiner Selbstzweck wird bspw. auch bei der österreichischen Band Belphegor deutlich. So beschränkt sich der Song „The Cruzifixus – Anus Dei“ nicht nur in der Vulgarisierung des christlichen Jesus-Symbols „Agnus Dei“, sondern enthält auch Zeilen wie „Wipe my ass with the altarcloth“. Im Titel „The Goatchrist“ heißt es „Analjesus – on the wooden cross. […] Profanation – of the bible whore. Fuck christ – where’s your dog god gone.“ Schließlich wird in „Sanctus Perversum“ der Text christlicher liturgischer Gesänge mit allerlei pornographischem Vokabular gespickt: „Gaping cornholes, raining cum. – Kyrie eleison. Dominus. Christe eleison. Sanctus – Ass for an ass, cunt for a cunt. Sacramental, Coitus in Anum. Sacrificial, Bukkake delight.“ Zur Abwechslung mal auf Deutsch konstatiert die Band Satans Elite Kommando bezogen auf die Kreuzigung Jesu unzählige Male „Mehr Nägel für das Schwein“ im Refrain des gleichnamigen Liedes und bezeichnet Jesus zudem noch als „Bastard“ und „König der Würmer“. 2010 wurde die gesamte nach dem Lied betitelte Demo wegen potentiell strafrechtlich relevanten Inhalts auf Liste B des Index gesetzt.179

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Vgl. Baucheron/Routex, Skandalkunst, S. 34. BAnz. Nr. 93 v. 25. 06. 2010, Entscheidung Nr. 5722 v. 10. 06. 2010.

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d) Zwischenergebnis Vor allem bei den letzten Beispielen kann ein Beschimpfen einfach nicht mehr verneint werden. Bei wirklich rohen und verletzenden Aussagen verhindert die Wortlautgrenze eine Strafbefreiung durch verfassungskonforme Auslegung. Vielmehr muss in diesen Fällen das Merkmal des Beschimpfens bejaht und die freilich nötige strafbefreiende Lösung auf Ebene der Rechtfertigung gesucht werden. Für weniger extreme Fälle ist das Merkmal des Beschimpfens jedoch durchaus geeignet, in einer restriktiven verfassungskonformen Auslegung viele Werke der Kunst straffrei zu stellen. 3. Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens In § 166 StGB findet sich weiter die Formulierung, dass die Tathandlung geeignet sein geeignet müsse, den öffentlichen Frieden zu stören. Oben wurde bereits dargestellt, dass nunmehr nicht nur nach einer Literaturansicht, sondern selbst nach Rechtsprechung des BVerfG dieses Merkmal als normative Wertungsklausel zu sehen ist, die grundsätzlich durch den restlichen Tatbestand indiziert ist. Die Friedensklausel muss so nicht zur Strafbegründung bejaht werden, sondern es ist vielmehr umgekehrt zu fragen, wann sie widerlegt ist, weil im Einzelfall eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens verneint werden muss. Im Rahmen des § 166 StGB kommen drei Anknüpfungspunkte in Betracht, bei deren kumulativer Nichterfüllung die Friedensklausel widerlegt wäre. Zum einen wird darauf abgestellt, ob die Befürchtung besteht, dass bei Dritten Intoleranz gegenüber dem jeweiligen Bekenntnis gefördert wird.180 Zum anderen wird auf die Anhänger des jeweilig beschimpften Bekenntnisses abgestellt, wobei sich diesbezüglich sowohl objektive als auch subjektive Anknüpfungen finden. Bei einer objektiven Betrachtungsweise liegt eine Eignung zur Friedensstörung spätestens dann vor, wenn Vertreter der beschimpften Religionsgesellschaft oder Anhänger des beschimpften Bekenntnisses beginnen, sich gegen die Beschimpfung aktiv zur Wehr zu setzen.181 Tun sie dies nicht, muss eine tatsächliche also objektive Einschüchterung gegeben sein.182 Bei einer rein subjektiven Betrachtungsweise hingegen genügte es 180 OLG Köln, NJW 1982, S. 657; OLG Celle, NJW 1986, S. 1275 (S. 1276); OLG Köln, NJW 1982, S. 657; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 12. 181 Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Rn. 15 mit zwei guten weiterführenden Hinweisen: Erstens, dass man dies nicht nach dem Motto „Wo Rauch ist, ist auch Feuer“ umdrehen dürfe und bei Aufruhr der Religionsvertreter automatisch das Tatbestandsmerkmal des Beschimpfens bejaht. Zweitens, dass umgekehrt nicht bereits allein aus dem Mangel an sichtbaren Reaktionen die Eignung verneint werden könne. Vgl. ähnlich auch OLG Köln, NJW 1982, S. 657; OVG Koblenz, NJW 1997, S. 1174 (S. 1176); OLG Nürnberg, NStZRR 1999, S. 240 (S. 241); Fischer, StGB, § 166, Rn. 14a; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 144 f. 182 Vgl. Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 23.

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bereits, wenn eine Beeinträchtigung des Vertrauens der Anhänger in die Respektierung ihrer Überzeugungen zu befürchten ist.183 a) Abstellen auf Beeinträchtigung des Vertrauens der Anhänger Letztgenannte Anknüpfung allein an das Vertrauen der Anhänger entspricht im Wesentlichen der subjektiven Dimension des öffentlichen Friedens als einem Gefühl von Rechtssicherheit. Nunmehr sieht das BVerfG mit dem Wunsiedel-Beschluss diesen Aspekt aber ausdrücklich nicht mehr als zum öffentlichen Frieden gehörend an. Zwar erging diese Entscheidung zu § 130 Abs. 4 StGB und nicht zu § 166 StGB. Da dieser Teil der Ausführungen jedoch den öffentlichen Frieden allgemein und weitgehend losgelöst vom konkreten Tatbestand betrifft, müssen die Implikationen gleichsam für § 166 StGB gelten. Somit ist der rein subjektiv auf das Vertrauen der Betroffenen abstellende Anknüpfungspunkt konsequenterweise ebenfalls aus der Definition des öffentlichen Friedens im Rahmen des § 166 StGB zu streichen.184 Damit genügt die Argumentation „jede intolerante Äußerung = gestörtes Vertrauen“185 nicht mehr zur Bestätigung der indizierten Eignung zur Friedensstörung. Jenseits der rein subjektiven Definition verbleiben jedoch noch die beiden objektiven Anknüpfungen an die tatsächliche Reaktion der Anhänger oder die tatsächliche Förderung der Intoleranz bei Dritten. b) Abstellen auf Förderung der Intoleranz Dritter Letztere entspricht im Sinne einer Förderung der Bereitschaft Dritter zu Gewalttätigkeiten gegenüber den Betroffenen sowie im Sinne einer Herabsetzung von Hemmschwellen bei Dritten der neueren Wunsiedel-Doktrin des BVerfG.186 Sowohl dem oben schon vorgestellten Stück „Das Maria-Syndrom“ als auch den WIZO-TShirts mit aufgedrucktem Schwein am Kreuz wurde u. a. darüber die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens zugesprochen.187 183

Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 12; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 22; OLG Köln, NJW 1982, S. 657; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365); OLG Nürnberg, NStZ-RR 1999, S. 238 (S. 240). 184 So auch Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 23, 2; Naarmann, Der Schutz von Religionen und Religionsgemeinschaften, S. 111. Ebenfalls die Implikationen des WunsiedelBeschlusses auf § 166 StGB übertragend: VGH München, NJW 2011, S. 793 (S. 795). 185 Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 23. 186 Siehe im Urteil: BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 53), Rn. 78 (Wunsiedel). Vgl. zur Übertragung auf § 166 StGB Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 23; Naarmann, Der Schutz von Religionen und Religionsgemeinschaften, S. 111. 187 OVG Koblenz, NJW 1997, S. 1174 (S. 1176) zu „Das Maria-Syndrom“, zudem auf die heutzutage irrelevante subjektive Befürchtung abstellend. OLG Nürnberg, NStZ-RR 1999, S. 238 (S. 240) zum WIZO-T-Shirt, zudem auf die tatsächliche Reaktion der Anhänger abstellend. Ebenso für das Koran-Toilettenpapier: AG Lüdinghausen v. 23. 2. 2006 – 7 Ls 540 Js 1309/05 31/05, Rn. 30 f.

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Darunter sind auch die Veröffentlichungen aus dem Bereich des schon im Rahmen des Tatbestandsmerkmales des Beschimpfens erwähnten Black Metal zu fassen, da sie meist auf ein aufnahmebereites Publikum treffen, deren Intoleranz gefördert werden könnte. In der Hochphase des Black Metal Anfang der 90er Jahre kam es gar zu einigen mehr oder minder durch die Musik inspirierten Kirchenbränden: So wurde bspw. der hinter dem Projekt Burzum stehende Varg Vikernes für mehrere Kirchenbrände verurteilt, nutzte anschließend gleichwohl Bilder einer der brennenden Kirchen als Cover seiner CD „Aske“ (1993) – norwegisch für „Asche“.188 Relativ aktuell wäre hier insbesondere der Film „Innocence Of Muslims“ (2012) zu nennen, der gerade auch hierzulande von der rechtsextremen Kleinpartei „pro Deutschland“ politisiert wurde und bei bereits islamfeindlich eingestellten Menschen sehr wohl weitere Intoleranz schüren kann.189 c) Abstellen auf tatsächliche Reaktion der Anhänger Der Film „Innocence Of Muslims“ kann zudem als Beispiel dafür dienen, dass im Bereich der Beschimpfung von Religionen auch die Anhänger des jeweilig beschimpften Bekenntnisses zu einer Gefährdung des öffentlichen Friedens beitragen können: Als Reaktion auf den Film kam es weltweit zu Ausschreitungen und sogar Toten, u. a. bei der Stürmung von US-Konsulaten in Libyen, Ägypten, Iran, Pakistan und Indonesien.190 In Deutschland wurde infolgedessen eine Debatte losgelöst, ob der Film bzw. dessen öffentliche Aufführung zu verbieten sei.191 Auch die Veröffentlichung des Romans „The Satanic Verses“ von Salman Rushdie zog aufgrund der mit Sex gespickten allegorischen Islambezüge drastische Konsequenzen nach sich.192 Ajatollah Ruhollah Khomeini, iranischer Revolutionsführer und Staatsoberhaupt, erklärte 1989 in einer Fatwa das Buch als Blasphemie und verhängte ein Todesurteil über Rushdie und jeden, der in die Publikation in-

188 Zugleich wurde Varg Vikernes – damals Bassist der oben erwähnten Black-Metal-Band Mayhem – auch für die Tötung seines Bandkollegen und Gitarristen Euronymous verurteilt (zu insgesamt 21 Jahren Gefängnis). Auf Mayhems Album „De Mysteriis Dom Sathanas“ (1994) sind damit die Bass- und Gitarren-Spuren von Mörder und Opfer vereint zu hören, vgl. zu alledem Campion, In the face of death. 189 I. E. auch Hörnle, NJW 2012, S. 3418; Kau, AöR 140 (2015), S. 71 f. Zur Bejahung der Beschimpfung aufgrund des mit dem Islam in Verbindung gebrachten Sadismus und sexuellen Missbrauchs von Kindern siehe ebenfalls Hörnle, NJW 2012, S. 3416 und Kau, AöR 140 (2015), S. 70. 190 Vgl. Arslan, Meinungs- und Kunstfreiheit gegen die Religionsfreiheit, S. 6 m. w. N. 191 Vgl. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-09/pro-deutschland-film-verbot; vgl. auch Hörnle, NJW 2013, S. 3415 ff.; Kau, AöR, 140 (2015), S. 31, insb. S. 68 ff.; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 15. 192 Vgl. dazu nur Der Spiegel 8/1989, S. 144 ff.

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volviert war.193 Das damit verbundene Kopfgeld wurde erst 2016 auf nunmehr vier Millionen Dollar erhöht.194 2004 tötete ein Islamist den niederländischen Regisseur Theo van Gogh in Reaktion auf dessen Kurzfilm „Submission“,195 mit dem van Gogh Kritik an der unter Berufung auf den Koran erfolgenden Unterdrückung von und Gewalt gegen Frauen geübt hatte.196 Bereits das erstmalige Erscheinen der Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ führte zu abgebrannten Botschaften, Toten und Angriffen auf den Zeichner und Mitarbeiter der Zeitung.197 In der deutschen juristischen Literatur wurde in der Folge überwiegend die Eignung der Karikaturen zur Störung des öffentlichen Friedens i. S. d. § 166 StGB bejaht.198 Jahre später – im Januar 2015 – führte neben der Veröffentlichung anderer islamkritischer Karikaturen insbesondere der Nachdruck eben dieser Mohammed-Karikaturen durch die Pariser Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ zu einem blutigen Attentat in den Redaktionsräumen der Zeitschrift, das in zwölf Toten resultierte.199 Die 2006 an der Deutschen Oper Berlin geplante Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Idomeneo“ wurde wegen der Darstellung der abgetrennten Köpfe von u. a. Jesus und Mohammed von gläubigen Christen als religionsfeindlich bezeichnet.200 Sie wurde zunächst prophylaktisch abgesetzt, nachdem Polizei und Intendanz islamistische Terroranschläge befürchteten; letztlich erfolgten neuterminierte Aufführungen dennoch, wenn auch unter großem Polizeischutz.201 193 Der japanische Übersetzer Hitoshi Igarashi wurde 1991 tatsächlich ermordet, auf den italienischen Übersetzer Ettore Capriolo und den norwegischen Verleger William Nygaard wurden Anschläge verübt, vgl. Hieber, Das verfemte Buch. 194 Steinvorth, Vier Millionen für einen Killer. 195 Belz, Wenn Islamkritik zum Tod führt. 196 Gerade dieses Beispiel zeigt, dass – wie allgemein von Stübinger, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 15 angeführt – kein automatischer Schluss von der Friedensklausel auf die Beschimpfung gezogen werden darf, denn der Film selbst ist nicht beschimpfend i. S. d. obigen Definition, sondern stellt lediglich Kritik dar. Übrigens stellt der schon angesprochene Fall des Koran-Toilettenpapiers eine direkte Reaktion auf diese Tötung van Goghs dar, vgl. AG Lüdinghausen v. 23. 2. 2006 – 7 Ls 540 Js 1309/05 31/05, Rn. 17. 197 Greve, in: Festschrift für Wolfgang Frisch, S. 1034. 198 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntnissen, S. 166; Steinbach, JR 2006, S. 498 f. (letztere allerdings mehr auf subjektive Beeinträchtigung des Vertrauens der Bekenntnisträger abstellend). Vorsichtig bejaht auch von Heller/Goldbeck, ZUM 2007, S. 634. 199 Tinnefeld/Knieper, MMR 2016, S. 157; Steinberg, DVBl 2016, S. 1282. Sehr lesenswerte Reaktion auf die Anschläge: Leisner, NVwZ 2015, S. 191 ff. 200 Vgl. dazu https://www.stern.de/kultur/musik/-idomeneo-skandal-vor-der-oper-unter-dendetektor-3320818.html. 201 Höbel, Der Spiegel 52/2006, S. 137. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach daraufhin von einer unnötigen Schere im Kopf und warnte vor Selbstzensur aus Angst vor Gewalt, vgl. Montag/Bosbach, DRiZ 2007, S. 72. Ebenfalls kritisch ob der prophylaktischen Absetzung: Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 13. Auflage, Art. 5, Rn. 44.

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Dies war nicht der einzige Vorfall, bei dem auch in neuerer Zeit noch von christlicher Seite heftig auf Kunstwerke reagiert wurde. In Martin Scorseses Drama „The Last Temptation of Christ“ (1988) porträtiert Willem Dafoe – abweichend von den klassischen Darstellungen – Jesus sehr menschlich als zweifelnden, etwas unsicheren und Versuchungen ausgesetzen Mann, der mit seiner Verantwortung als Messias hadert. Als eine der Versuchungen Satans durchlebt Jesus eine zutiefst weltliche Liebes- und Familienbeziehung mit der ehemaligen Prostituierten Maria Magdalena. Wenngleich diese Szene letztlich nur eine Vision Jesu ist, während dieser gekreuzigt wird, polarisierte sie dennoch ungemein. Der Film führte weltweit zu Protesten, Brandanschlägen in Paris, Boykottaufrufen und Verurteilungen seitens des Vatikans und deutscher Bischöfe, über 1.000 Protestschreiben und langen Unterschriftenlisten an die FSK und die deutsche Filmbewertungsstelle.202 Die Darstellung gekreuzigter Frösche in Martin Kippenbergers Werk „Zuerst die Füße“ führte zu Protesten in Südtirol und einem offenen Brief des Papstes; obgleich das Werk die persönliche Verarbeitung einer Lebensphase des Künstlers darstellen soll, polarisierten Titel einzelner Frösche wie bspw. „Was ist der Unterschied zwischen Casanova und Jesus? – Der Gesichtsausdruck beim Nageln“.203 Gegen das schon oben vorgestellte Werk „Immersion (Piss Christ)“ von Andres Serrano liefen nicht nur konservative Katholiken zu Demonstrationen auf: 1997 wurde das Werk zudem in einer Melbourner Galerie attackiert, 2007 zerstörten Rechtsradikale eine Kopie in Schweden und 2011 wurde das Werk in Avignon mit einem Hammer beschädigt, zudem erhielten Museumsangestellte Morddrohungen.204 Letztlich entspricht eine solche Anknüpfung an die tatsächliche Reaktion der Anhänger des beschimpften Bekenntnisses der ständigen Rechtsprechung des BGH, wenn dieser allgemein und ziemlich pauschal zur Bestätigung der Friedensklausel auf die öffentliche Reaktion auf die Tathandlung abstellt.205 In Einklang mit der Wunsiedel-Rechtsprechung kann jedoch wie oben aufgezeigt die rein subjektive Behauptung eines bloßen Vertrauensverlustes der jeweiligen Anhänger des beschimpften Bekenntnisses noch nicht als Reaktion genügen.206 Vielmehr muss es zu einer tatsächlichen, unmittelbaren, also objektiven Einschüchterung derselben gekommen sein.207 Allerdings wird oft überhaupt nicht auf eine passive Reaktion in 202

Steinberg, DVBl 2016, S. 1282 f.; Kniep, Keine Jugendfreigabe, S. 330. Vgl. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/das-kreuz-mit-der-kunst-frosch-bleibttrotz-papst-protest-a-575239.html; https://www.welt.de/kultur/article2368352/Trotz-Papst-Kri tik-der-Frosch-bleibt.html. 204 Baucheron/Routex, Skandalkunst, S. 34. 205 Dabei geht die Auffassung des BGH teilweise sogar noch weiter, wenn dieser nicht nur auf Betroffene, sondern oft auch auf Reporter oder allgemein die Öffentlichkeit abstellt, vgl. nur BGHSt 29, 26 (27); 34, 329 (332); 46, 36 (42); 47, 278 (282); BGH, NJW 2005, S. 689. Siehe erneut oben S. 165 ff. 206 Siehe soeben S. 186 ff. und allgemein bereits oben S. 150 ff. 207 Explizit für § 166 StGB erneut Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 23. 203

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Form einer solchen objektiven Einschüchterung abgestellt werden müssen. Schließlich liegt bei einer objektiven Betrachtungsweise eine Eignung zur Friedensstörung spätestens immer dann vor, wenn sich Anhänger des beschimpften Bekenntnisses aktiv gegen die Beschimpfung zu Wehr setzen.208 All die vorgenannten Vorkommnisse können als anschauliche Beispiele für eine solche Art der Eignung zur Friedensstörung im Kontext des § 166 StGB dienen. Wenn vereinzelt vertreten wird, dass auf die aktive Reaktion der Angehörigen des beschimpften Bekenntnisses nicht abzustellen ist,209 überzeugt dies nicht.210 Schließlich kann nicht zwischen verschiedenen Richtungen einer Störung des öffentlichen Friedens unterschieden werden. Wie eingangs dargelegt bedeutet der öffentliche Frieden in seiner objektiven Dimension öffentliche Sicherheit.211 Ist aber eine Störung der öffentlichen Sicherheit durch Menschen, die dem beschimpften Bekenntnis feindlich gegenüberstehen, wirklich anders als eine Störung der öffentlichen Sicherheit durch Menschen, die dem beschimpften Bekenntnis angehören? Eine Störung des öffentlichen Friedens im Sinne einer Störung der öffentlichen Sicherheit liegt vielmehr in beiden Fällen vor, egal, von wem sie ausgeht. Es gibt keine richtige und falsche, echte und unechte Friedensstörung. d) Andere Auslegung aufgrund der Kunstfreiheit? Bestätigen die Gerichte auch sonst so schnell und pauschal die Friedensklausel, so nutzten sie in der Vergangenheit doch ab und an genau dieses Merkmal, um ansonsten tatbestandliche Kunst straffrei zu stellen.212 In der jüngeren Zeit fiel dabei besonders eine Entscheidung bezüglich der Werbung und Ausstrahlung der oben schon erwähnten Zeichentrickserie „Popetown“ auf, in der die Friedensklausel verneint 208

Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Rn. 15. Vgl. ähnlich auch OLG Köln, NJW 1982, S. 657; OVG Koblenz, NJW 1997, S. 1174 (S. 1176); OLG Nürnberg, NStZRR 1999, S. 240 (S. 241); Fischer, StGB, § 166, Rn. 14a; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 144 f. 209 Hörnle, NJW 2012, S. 3417; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 12; Steinbach, JR 2006, S. 499 unter Verweis auf Beisel, Kunst, S. 352. 210 I. E. ebenso z. B. OLG Nürnberg, NStZ-RR 1999, S. 238 (S. 241): „Unerheblich ist, ob die tatsächliche Störung des öffentlichen Friedens erst durch die Reaktion der Angegriffenen, hier also der Katholischen Kirche und ihre Gläubigen, verursacht worden ist; denn der Schutzzweck des § 166 StGB ist es ja gerade, solche Reaktionen zu verhindern“ unter Verweis auf die beinahe wortlautidentische Entscheidung OLG Köln, NJW 1982, S. 657. In dem Einwand wird vielmehr die problematische Grundkonstruktion des § 166 StGB deutlich, dass immer der falsche Störer bestraft wird. Praktisch wird so eine „strafrechtliche Haftung für die Aggressionsbereitschaft anderer“ geschaffen, was gegen elementare Zurechnungsgrundsätze verstoße, Cornils, AfP 2013, S. 203; Hörnle, NJW 2012, S. 3417; dies., JZ 2015, S. 294 f. Deshalb ist eher insgesamt für eine Streichung der Norm zu plädieren (siehe unten S. 195 f.), anstatt derartige nicht überzeugende Einschränkungen vorzunehmen. 211 Siehe oben S. 154 ff. 212 OLG München, FuR 1984, S. 595 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365); LG Bochum, NJW 1989, S. 727 (S. 728); LG Frankfurt am Main, NJW 1982, S. 658 (S. 659).

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wurde, obgleich es schon vielfältige Reaktionen auf die Sendung gab.213 Auch in der Literatur wird dieses Vorgehen zum Teil gewählt, um Kunst im Rahmen des § 166 StGB straffrei zu stellen.214 Da dies der „normalen“ Anwendung der Friedensklausel widerspricht, müsste man dieses Vorgehen konsequenterweise genau wie bei dem vorangehenden Merkmal des Beschimpfens als verfassungskonforme Auslegung der Friedensklausel bezeichnen. Prima facie ist die Friedensklausel dafür auch denkbar geeignet, versteht man sie wie Fischer und das BVerfG als gerade normative Wertungsklausel. Dennoch vermag das Vorgehen im Gegensatz zu der verfassungskonformen Auslegung des Beschimpfens nicht zu überzeugen. Der Begriff Beschimpfen knüpft an Inhalt und Form der Äußerung selbst an. Damit kann man ihn durchaus unterschiedlich verstehen, je nachdem was für eine Äußerung zugrunde liegt: Eine „einfache“ Äußerung oder eine „künstlerische“, bei der durch die Einkleidung bzw. Verfremdung der Maßstab an die Bejahung des Beschimpfens höher gelegt werden kann. Anders sieht es aber bei der Friedensklausel aus. Sie knüpft wie gezeigt nicht direkt an die Äußerung selbst als Ursache an, sondern vielmehr an die Reaktion auf die Äußerung, also die Wirkung derselben. Die Wirkung kann jedoch nicht unterschiedlich betrachtet werden, je nachdem ob es sich um ein Kunstwerk oder nicht handelt. Denn die Wirkung unterscheidet sich regelmäßig nicht danach, ob es sich bei der Äußerung tatsächlich um ein Kunstwerk handelt oder nicht. Jedenfalls wird die Wirkung nicht bei Kunstwerken plötzlich harmloser ausfallen.215 Vielmehr kann es bei Kunstwerken im Zweifel gerade zu heftigeren Reaktionen kommen getreu den Vorwürfen „und das soll Kunst sein?!“ oder „unter dem Deckmantel der Kunst …“. Mithin bietet eine andere Auslegung der Friedensklausel aufgrund der Kunstfreiheit keine überzeugende Lösung. Das Vorgehen wirkt oft, als würde es als einfachster bzw. auch letzter Ausweg gewählt. Einfachster Ausweg deshalb, weil oft bereits bezweifelt wird, ob wirklich ein Beschimpfen gegeben sei; anstatt diese Frage zu beantworten, wird sich dann jedoch darauf zurückgezogen, es komme nicht darauf an, da jedenfalls keine Eignung zur Friedensstörung vorliege.216 Letzter Ausweg 213

LG München, ZUM 2006, S. 578. Fahl, StraFo 2013, S. 2 (zur Frage der Strafbarkeit des Auftritts der Punk-Band Pussy Riot in einer Moskauer Kirche nach deutschem Recht); Heller/Goldbeck, ZUM 2007, S. 634. Ähnlich Ott, Literatur und Religionsdelikte, S. 288; allerdings nur für Literatur und Kulczak, Bildende Kunst, S. 186; allerdings nur für bildende Kunst. 215 Ähnlich Kau, AöR 140 (2015), S. 72, der mit dem Argument die „Eignung liegt jedoch auch bei der Förderung der Intoleranz ,als Nebeneffekt‘ vor“ dem Vorschlag von Hörnle, NJW 2012, S. 3416 f. entgegentritt, dass eine Eignung nur dann anzunehmen sei, wenn das Schüren von Intoleranz die Intention und nicht bloßer Nebeneffekt sei. Gleichwohl will Kau i. E. dennoch die Friedensklausel verneinen, allerdings „akzessorisch“ zum verfassungsrechtlichen Vorrang der Kunstfreiheit – konsequenter wäre da wieder die hier vertretene Rechtfertigung durch die Kunstfreiheit. 216 Vorgehen so bei: Fahl, StraFo 2013, S. 2: „… kaum als Beschimpfung zu werten. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, weil das ,Gebet‘ nicht geeignet ist, ,den öffentlichen Frieden zu stören‘“; Liesching, ZUM 2006, S. 579: „Dabei dürfte ein ,Beschimpfen‘ im tat214

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deshalb, weil es oft so erscheint, als ob sich die Autoren bzw. Gerichte des Ergebnisses „keine Strafbarkeit“ sicher seien und als letzte Möglichkeit zur Herbeiführung dieses Resultats nur noch eine Verneinung der Eignung zur Friedensstörung sähen. Dies wird nachvollziehbar, wenn man annimmt, dass diese Autoren wohl nicht die direkt rechtfertigende Wirkung der Kunstfreiheit in ihre Erwägungen eingestellt haben, weil diese eben als noch nicht allgemein anerkannt gelten kann. Nachdem eine solche jedoch von der vorliegenden Arbeit als möglich bejaht wurde, erscheint aus dieser hiesigen Perspektive die gekünstelte Verneinung der Friedensklausel nicht mehr als notwendig und nicht mehr als letzter Ausweg, ja vielmehr gar als befremdlich. Sie widerspräche nämlich nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG in der Wunsiedel-Entscheidung. All die hier genannten Beispiele zeigen auch deutlich, dass Kunst gerade beim Thema Religion sehr wohl tatsächlich das Potential hat, den öffentlichen Frieden zu stören – oft bereits lediglich kritische, umso mehr dann doch wirklich beschimpfende Kunst. Eine andere Auslegung der Friedensklausel im Bereich der Kunst überzeugt so nicht. e) Fazit Die vorgenannten Beispiele bestätigen die besprochene Indizierungswirkung, dass eine öffentliche bzw. durch Schriften verbreitete tatsächliche Beschimpfung i. d. R. geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Nachdem mit der WunsiedelEntscheidung des BVerfG nicht mehr auf das rein subjektive Kriterium der Beeinträchtigung des Vertrauens der Anhänger abgestellt werden kann, bleiben dabei aber nur die beiden objektiven Anknüpfungspunkte übrig. Die grundsätzlich indizierte Friedensklausel ist demnach nur dann widerlegt, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass durch das fragliche Werk die Intoleranz Dritter gefördert oder dass es zu einer tatsächlichen Einschüchterung oder aktiven Reaktion der Bekenntnisanhänger kommen wird. Dies ist bei Werken, die ein Bekenntnis tatsächlich mit der tatbestandlich nötigen Rohheit beschimpfen, selten anzunehmen. Vorgenannte Beispiele haben gar gezeigt, dass oft schon nicht beschimpfende Werke geeignet sind, eine erhebliche Reaktion der Betroffenen herbeizuführen. Die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens wirklich beschimpfender Werke kann so wohl nur dann widerlegt werden, wenn das fragliche Werk unbeachtet von einer größeren (medialen) bestandlichen Sinne sicher nicht pauschal und von vornherein zu verneinen sein […] Im Ergebnis bleibt es aber auch insoweit bei der zutreffenden Bewertung des LG München, dass eine Verwirklichung des § 166 StGB jedenfalls an der fehlenden Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens scheitern muss.“ Vgl. auch Heller/Goldbeck, ZUM 2007, S. 634 bzgl. der Zeichentrickserie „Popetown“, deren beleidigender Charakter zweifelhaft sei, „jedenfalls fehlte es ihr aber unzweifelhaft an einer Friedensstörungseignung“; OLG München, FuR 1984, S. 595 f. (Das Gespenst). Ähnlich (als Überdies-Argument): OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365); LG Frankfurt am Main, NJW 1982, S. 658 (S. 659); LG München, ZUM 2006, S. 578.

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Öffentlichkeit217 geblieben ist. So wurde bspw. in Entscheidungen zum Teil eine Eignung zur Friedensstörung verneint, wenn das fragliche Werk nur einem kleinen Personenkreis von Studierenden zugänglich gemacht worden ist, die es „auf der (rein) intellektuellen Ebene“ verarbeiten können sollten.218 4. Zwischenergebnis Auf Tatbestandsebene findet sich zwar insbesondere mit dem Tatbestandsmerkmal des Beschimpfens eine mögliche Einbruchstelle, über die bereits viele Werke der Kunst aus dem Bereich der Strafbarkeit ausgeschlossen werden können. Bei wirklich extremen und kontroversen Werken ist der Weg über den Ausschluss des Tatbestandes jedoch nicht gangbar und sollte auch nicht künstlich erzwungen werden.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Ein Kunstwerk, das tatsächlich sowohl beschimpfend als auch zur Friedensstörung geeignet ist, kann schließlich auch noch auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei gestellt werden. Denkbar ist dabei entweder der Weg über eine analoge Anwendung des § 193 StGB oder über eine direkte Anwendung der Kunstfreiheit als Rechtfertigungsgrund. 1. § 193 StGB analog So finden sich zwar vor allem im älteren Schrifttum vereinzelt Stimmen, die § 193 StGB analog über die Beleidigungsdelikte der §§ 185 ff. StGB hinaus auch auf § 166 StGB anwenden wollen.219 Dies ist jedoch mit den schon oben220 allgemein ausgeführten Argumenten abzulehnen. Insofern ergibt sich für den Tatbestand des § 166 StGB nichts anderes.

217 Die Öffentlichkeit bzw. Verbreitung selbst muss jedoch zur Erfüllung des Tatbestandes gegeben sein, siehe oben S. 175 ff. Unveröffentlichte Werke scheiden also schon ohne die Friedensklausel aus. 218 LG Bochum, NJW 1989, S. 727 (S. 728). Ähnlich OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365). 219 Vgl. Noll, ZStW 77 (1965), S. 32; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 44, Rn. 53 (aufgegeben in Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, 2. Auflage, § 44, Rn. 53); Pawlik, in: Isensee, Religionsbeschimpfung, S. 59 f.; ders., in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 427 f. zumindest de lege ferenda. 220 Siehe S. 92 ff. und S. 139 ff.

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2. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als eigener Rechtfertigungsgrund Vielmehr ist der Weg einer direkten Anwendung der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als Rechtfertigungsgrund zu gehen.221 Dass eine solche unmittelbar rechtfertigende Wirkung von Grundrechten und insbesondere der Kunstfreiheit grundsätzlich möglich und auch erforderlich ist, wurde bereits oben ausführlich dargestellt.222 Bezüglich § 166 StGB gilt insofern nichts anderes. a) Subsidiarität Insbesondere die Subsidiarität einer solchen Anwendung gilt es dabei jedoch zu beachten. Deshalb sind die hier unter Punkt II. dargestellten Möglichkeiten der Tatbestandslosigkeit eines Kunstwerkes – insbesondere über eine (verfassungskonforme) Auslegung des Merkmals des Beschimpfens vorrangig auszuschöpfen. Für die übrigen Fälle, bei denen ohne Überschreitung der Wortlautgrenze der Tatbestand nicht verneint werden kann, kommt jedoch eine solche Rechtfertigung in Betracht. b) Entgegenstehende Verfassungsrechtsgüter? Eingangs wurde dargestellt, dass die Religionsfreiheit des Art. 4 GG223 kein direktes Schutzgut des § 166 StGB ist und weder dem öffentlichen Frieden noch seinem Unterfall des Toleranzgebotes Verfassungsrang zukommt. So steht konsequenterweise im Bereich des § 166 StGB der Kunstfreiheit kein konfligierendes Verfassungsrechtsgut gegenüber. c) Zwischenergebnis Damit ist keine Abwägung mit entgegenstehenden Verfassungsgütern notwendig. Die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG wirkt bei nach § 166 StGB tatbestandlichen Kunstwerken immer rechtfertigend.

221 I. E. bzgl. des „Ob“ einer direkten Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ebenso: Lenckner, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, S. 254; Dippel, in: LK, StGB, § 166, Rn. 33, 107; Fischer, StGB, § 166, Rn. 16; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 166, Rn. 4; Bosch/ Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 166, Rn. 10; Fischer, Kunst, S. 142 f. 222 Siehe S. 97 ff. 223 Umso verwunderlicher, wenn dann Entscheidungen, die dies eingangs ebenfalls noch verneinen, bei der Abwägung plötzlich auf irgendeinen nicht näher ausgeführten Zusammenhang mit Art. 4 GG verweisen (BVerwG, NJW 1999, S. 304 (Maria-Syndrom)) oder sogar direkt mit Art. 4 GG abwägen, OLG Karlsruhe, NStZ 1986, S. 363 (S. 365).

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3. Zwischenergebnis Alle Fälle, die nicht bereits auf Tatbestandsebene ausgeschieden sind, werden so gerechtfertigt.

IV. Fazit und Ausblick § 166 StGB zeigt sehr schön exemplarisch, was im zweiten Teil festgestellt wurde: Die Subsidiarität einer direkten Rechtfertigung über Grundrechte, hier über die Kunstfreiheit, ist unbedingt zu wahren. Wenn aber die umfassenden Möglichkeiten, Kunst bereits tatbestandlich straffrei zu stellen, nicht mehr weiterhelfen, kann auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG direkt zurückgegriffen werden. Dabei steht der Kunstfreiheit im Rahmen des § 166 StGB kein konfligierendes Verfassungsrechtsgut entgegen. Die Kunst prävaliert damit immer gegenüber § 166 StGB. Dies soll nicht verwundern, wenn bereits allgemein auf breiter Front für eine Streichung des § 166 StGB plädiert wird – vor allem aufgrund der problematischen Frage nach dessen Schutzgut.224 Eine Streichung des § 166 StGB würde dabei auch nicht zu Strafbarkeitslücken führen.225 Sachverhalte von einer solchen Brisanz, dass wirklich eine Schutzpflicht des Staates zugunsten der Gläubigen besteht, sind schließlich bereits nach anderen Normen – insbesondere § 130 StGB, aber auch §§ 185 ff., 167, 211 f., 223 ff., 240, 303 StGB – strafbar. Darüber hinaus ist im modernen, säkularen und liberalen Staat schlicht nicht einleuchtend, warum die weder verhetzende (sonst § 130 StGB), noch die persönliche Ehre verletzende (sonst §§ 185 ff. StGB), sondern vielmehr rein geistige (sonst §§ 211 f., 223 ff., 240, 303, § 167 StGB etc.) Auseinandersetzung mit Religionen und Weltanschauungen unter Strafe gestellt ist. Diese Sachverhalte werden dadurch ungerechtfertigter Weise anders behandelt, als andere nicht strafrechtlich besonders geschützte Auseinandersetzungen etwa „politischer oder sozialer Art“226. Sonstigen gesellschaftlichen Gruppierungen wie z. B. Parteien, Gewerkschaften oder sozialen Vereinigungen kommt schließlich auch kein spezieller strafrechtlicher Schutz ihrer Inhalte zu; nur um Religionen und Glaubensgemeinschaften wird solch ein „Schutzzaun gegen Kritik aber auch künstlerische Ausein224 Explizit u. a.: Hörnle, ZRP 2015, S. 62; dies., JZ 2015, S. 297; dies., Grob anstößiges Verhalten, S. 356 f.; Steinke, KJ 2008, S. 451 ff.; Beisel, Kunst, S. 360; Hassemer, in: Dilcher/ Staff, Christentum und modernes Recht, S. 248; ähnlich auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 297 f.; Pawlik, in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 428; Kiewitz, Strafbarkeit der Gotteslästerung, S. 130 f.; Renzikowsky, NJW 2014, S. 2540; Valerius, ZStW 129 (2017), S. 539. 225 Vgl. Beisel, Kunst, S. 360. Ähnlich Fischer, GA 1989, S. 467; Hörnle, JZ 2015, S. 294 f. 226 Vgl. Steinberg, DVBl 2016, S. 1281; ähnliche Aufzählung, um die „nicht zu rechtfertigende Privilegierung“ deutlich zu machen, bei Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 376. Vgl. auch Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 2; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 582.

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andersetzung gezogen“.227 Eine solche legislative Ungleichbehandlung verbietet eigentlich bereits Art. 3 Abs. 1 GG. Insgesamt stellt § 166 StGB so eine unzeitgemäße Privilegierung der Religionen wider die Aufklärung dar. Ja er schützt gar quasi unter dem Deckmantel, Toleranz für die Religionen einzufordern, letztlich die eigene Intoleranz der Religionen. Schlussendlich zeigt § 166 StGB damit eigentlich die Gefährlichkeit der Religionen als „Opium des Volkes“228 auf, wenn die Öffentlichkeit vor Reaktionen auf eine gewollte oder ungewollte Provokation derselben geschützt werden muss und nicht vor der eigentlichen Aussage. „Die Fanatiker begrenzen durch eigene Rechtsbrüche den legitimen Aktionsradius Andersdenkender, […] Faustrecht verdrängt dann Freiheit. Eine fatale Anreizwirkung!“229 De lege ferenda ist daher für eine Abschaffung des § 166 StGB zu plädieren. Bereits de lege lata ergibt sich bezüglich § 166 StGB jedoch Straffreiheit für von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Werke.

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung Der zweite wichtige Tatbestand, bei dem Kunst und Religion in Konflikt kommen können, ist die Störung der Religionsausübung, wie sie in § 167 StGB verbrieft ist.

I. Geschützte Rechtsgüter Grundsätzlich gilt bezüglich des von § 167 StGB geschützten Rechtsguts das gleiche wie bezüglich § 166 StGB. Primär geschütztes Interesse ist daher ebenfalls – auch wenn er nicht explizit im Tatbestand genannt wird – der öffentliche Frieden.230 Zu beachten ist jedoch, dass hier anders als bei § 166 StGB durch die Tathandlungen zusätzlich die Ausübung von Religionen (forum externum) gestört werden kann. Damit tritt die Religionsausübungsfreiheit bei § 167 StGB als eigenständiges Schutzgut neben den öffentlichen Frieden.231 Als direkt in Art. 4 Abs. 2 GG ver227

Montag/Bosbach, DRiZ 2007, S. 72. Ausdruck bei Karl Marx, Zur Kritik der Hegel’schen Rechts-Philosophie, DeutschFranzösische Jahrbücher 1844, S. 72. 229 Lindner/Buschmann, DRiZ 2015, S. 123. Vgl. ähnlich auch Hörnle, in: MüKo, StGB, § 166, Rn. 2. 230 OLG Celle, NJW 1997, S. 1167; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 167, Rn. 1; Dippel, in: LK, StGB, § 167, Rn. 5; Rogall, in: SK-StGB, § 167, Rn. 1; Schmitz, Straftaten gegen Religion und Weltanschauung, S. 80; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 166 ff., Rn. 2; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 167, Rn. 2. 231 Dippel, in: LK, StGB, § 167, Rn. 5; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 361; dies., in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 1; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 167, Rn. 1; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, Vor §§ 166 ff., Rn. 2; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 167, Rn. 2. 228

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung

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brieftes verfassungsrechtliches Grundrecht vermag die Freiheit der Ausübung von Religionen so die Kunstfreiheit je nach Einzelfall durchaus einzuschränken, wenn sie tatsächlich betroffen ist und eine Abwägung ein Überwiegen derselben gegenüber der Kunstfreiheit ergibt.

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Die neuralgischen Tatbestandsmerkmale im vorliegenden Kontext sind einerseits die Störung in grober Weise nach § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB und andererseits die Verübung beschimpfenden Unfugs nach § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Zu beachten ist ferner, dass sich im Wortlaut des § 167 StGB keine Friedensklausel findet und dieser so ein rein abstraktes Gefährdungsdelikt ist.232 1. Störung in grober Weise Die erste Alternative des § 167 StGB – Abs. 1 Nr. 1 – kann dem Wortlaut nach nur während des Gottesdienstes oder einer gottesdienstlichen Handlung, bzw. über Abs. 2 während einer entsprechenden Feier einer Weltanschauungsvereinigung verwirklicht werden. Gottesdienstliche Handlungen sind dabei Prozessionen, Taufen, Trauungen, Konfirmationen etc.233 Es genügt keine Störung einzelner Teilnehmer, sondern nur der Feierlichkeit als solcher, allerdings müssen auch nicht ausnahmslos alle Teilnehmer gestört sein.234 Die grobe Weise kann sich aus Art, Zeitpunkt und/oder Erfolg der Störung ergeben, sodass nur besonders nachhaltige und empfindliche Beeinträchtigungen erfasst sind.235 2. Verübung beschimpfenden Unfugs Die zweite Alternative – § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB – ist erfüllt, wenn an einem dem Gottesdienst oder über Abs. 2 an einem einer entsprechend weltanschaulichen Feier gewidmeten Ort beschimpfender Unfug verübt wird. Unter beschimpfendem Unfug

232

Rn. 4. 233

Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 167, Rn. 8; Dippel, in: LK, StGB, § 167,

Fischer, StGB, § 167, Rn. 3; Dippel, in: LK, StGB, § 167, Rn. 10. Schon RGSt 17, 316; RG, GA Bd. 39, S. 210 (S. 211 f.); Hilgendorf, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, § 167, Rn. 7; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 167, Rn. 8. 235 Fischer, StGB, § 167, Rn. 4; Dippel, in: LK, StGB, § 167, Rn. 14; vgl. OLG Jena, NJW 2006, S. 1892 (S. 1893) zu Unterbrechung der Predigt durch die Störung; sehr eng Bülte, StV 2016, S. 839 ff. 234

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werden dabei Handlungen verstanden, die grob ungehörig sind, eine rohe Gesinnung aufweisen und durch die eine Missachtung des genannten Ortes ausgedrückt wird.236 3. Beispiele (nicht) tatbestandlicher Werke Bezüglich Nr. 1 sind normale Photo- und Filmaufnahmen nicht tatbestandlich, weil sie genannte Handlungen nicht in grober Weise stören werden. Beschimpfenden Unfug i. S. d. Nr. 2 stellen sie erst recht nicht dar. Als Beispiel für eine Bejahung der Nr. 2 kann jedoch das in strafrechtlichen Kommentaren häufig kursierende Beispiel des Absingens bzw. Abspielens pornographischer Lieder in einer Kirche oder einem ähnlichen Ort genannt werden.237 Ein solches fällt zwar zumindest nach dem formalen Kunstbegriff grundsätzlich unter Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Im Kontext der von § 167 StGB geschützten Orte kann jedoch auch bei einer etwaig verfassungskonformen Auslegung nicht mehr von „nicht beschimpfend“ gesprochen werden. Schwieriger ist wohl die Einordnung von Auftritten oder Aktionen der Performancekunst bzw. von Happenings. Die bekanntesten derartigen Beispiele sind wohl der Auftritt der Band Pussy Riot in der Erlöserkathedrale in Moskau, eine Aktion der Gruppe „Femen“ im Kölner Dom an Weihnachten 2013, sowie vor allem die bereits öfter angeführte Videoinstallation „Pressure to Perform“. a) „Pressure to Perform“ Anfang 2016 führte der Künstler Alexander Karle auf dem Altar der katholischen Basilika St. Johann in Saarbrücken 27 Liegestütze aus, filmte sich selbst dabei und verbreitete die Aufnahme anschließend als Videoinstallation unter dem Namen „Pressure to Perform“.238 Er wollte nach eigenen Angaben mit seiner Aktion aufzeigen, wie sich Menschen unter Druck von außen unnatürlich verhalten, und so Kritik üben an der Leistungsgesellschaft, der nichts mehr heilig sei.239 Nachdem der Pfarrer der Kirchengemeinde St. Johann Anzeige bei der Polizei erstattete, landete der Fall vor Gericht.240

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RGSt 43, 201 (202); BGHSt 9, 140; Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 167, Rn. 13; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 167, Rn. 11; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 167, Rn. 9; Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 11. 237 Fischer, StGB, § 167, Rn. 8; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 167, Rn. 11; Dippel, in: LK, StGB, § 167, Rn. 23; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 167, Rn. 9.1; so auch noch Lenckner/Bosch, in: Sch/Sch, StGB, 29. Auflage, § 167, Rn. 13, jedoch nicht mehr genannt bei Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 167, Rn. 13. 238 Zu sehen auf YouTube unter https://www.youtube.com/watch?v=0RpNWhBTYII. 239 Vgl. OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794. 240 LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783, Rn. 8.

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aa) Einschätzung der Gerichte Insgesamt hatten sich drei Gerichte mit dem Fall zu beschäftigen: Das AG Saarbrücken als Ausgangsinstanz, das LG Saarbrücken als Berufungsinstanz, sowie das OLG Saarbrücken als Revisionsinstanz. Zunächst befand das AG Saarbrücken den Künstler wegen eines Verstoßes gegen § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie § 123 Abs. 1 StGB für strafbar.241 Der Künstler habe beschimpfenden Unfug i. S. d. Nr. 2 verübt, weil er durch sein Verhalten objektiv eine Missachtung des Altars zum Ausdruck gebracht habe; eine etwaige Berufung auf die Kunstfreiheit ändere daran nichts.242 Dementgegen subsumierte das LG Saarbrücken als Berufungsinstanz Karles Aktion durchaus unter die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, da dieser durch die „Anwendung der künstlerischen Mittel der Intuition, Fantasie und des Kunstverstandes“ Kritik an der Leistungsgesellschaft ausdrücke.243 Das Gericht rekurriert hier also auf den materialen Kunstbegriff.244 Es sprach den Künstler vom Vorwurf des § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB frei, da vor allem unter Beachtung der Kunstfreiheit kein beschimpfender Unfug vorliege.245 Allerdings hielt es die Bestrafung nach § 123 Abs. 1 StGB aufrecht, da der Tatbestand des Hausfriedensbruchs wegen des der Kunstfreiheit entgegenstehenden Eigentumsrechts der Gemeinde aus Art. 14 GG nicht gerechtfertigt werden könne.246 Hingegen hat das OLG Saarbrücken auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin den Schuldspruch wieder dahingehend geändert, dass der Künstler nun doch nach § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit § 123 Abs. 1 StGB zu bestrafen sei.247 Zwar unterfalle die Videoinstallation als freie schöpferische Gestaltung in der Formensprache der Videoinstallation grundsätzlich dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.248 Auch das OLG Saarbrücken rekurriert also auf den materialen Kunstbegriff, der den Schöpfungsakt in den Fokus rückt, nutzt es auch einen anderen Teil der Definition als noch das LG Saarbrücken.249 Es führt jedoch weiter aus, dass die 241 AG Saarbrücken v. 17. 01. 2017 – 115 Cs 192/16 (Redaktion beck-aktuell, becklink 2005490). 242 AG Saarbrücken v. 17. 01. 2017 – 115 Cs 192/16 (Redaktion beck-aktuell, becklink 2005490). Zwar wird „auf den Altar steigen“ in Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 8 unter Verweis auf AG Köln v. 03. 12. 2014 – 647 Ds 240/14 als tatbestandlich gesehen – allerdings bzgl. Nr. 1, außerdem kam zum Besteigen des Altars Nacktheit und die Körperaufschrift „I AM GOD“ hinzu, dazu sogleich mehr im „Femen“-Fall. 243 LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783, Rn. 19. 244 Vgl. zum materialen Kunstbegriff oben S. 47 ff. 245 LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783, Rn. 23 ff. 246 LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783, Rn. 16 ff. und insb. Rn. 20. 247 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 ff. 248 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 24. 249 Vgl. zum materialen Kunstbegriff oben S. 47 ff.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Kunstfreiheit erst auf Rechtswidrigkeitsebene Bedeutung erlangen könne; für die Bestimmung des Tatbestandes sei sie schon deshalb ohne Belang, weil das Geschehen in der Basilika aus Sicht eines besonnenen Beobachters nicht als künstlerische Betätigung zu erkennen gewesen sei.250 Insgesamt sei Karles Verhalten als beschimpfender Unfug zu bewerten, da er aus Sicht eines besonnen Beobachters in einer „besonders rohen und drastischen Art und Weise die Missachtung der religio¨ sen Bedeutung des Altars zum Ausdruck gebracht“ habe, indem er den Altar als den „Inbegriff christlicher Glaubensvorstellung […] buchstäblich mit Füßen getreten“ habe.251 Zumindest die Formulierung des OLG Saarbrückens lässt so durchaus eine drastische Art und Weise erkennen. Das Verhalten Karles jedoch nicht zwingend. bb) Bewertung der Einschätzung der Gerichte Vielmehr ist nämlich dem LG Saarbrücken zuzustimmen, dass der Künstler – vor allem unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG – keinen beschimpfenden Unfug verübt hat, da er nicht in besonders roher Weise eine Missachtung der religiösen Bedeutung des Altars zum Ausdruck gebracht hat.252 Schließlich habe sich Karle zurückhaltend verhalten, sei angemessen bekleidet gewesen,253 und habe hernach gar die Decke auf dem Altar glattgestrichen, um den Ort so zu verlassen, wie er ihn vorgefunden hatte. Drastisches Verhalten wie das OLG Saarbrücken meint oder eine besonders rohe Missachtung, die über die bloße Zweckentfremdung des Altars hinausgeht, ist dabei nicht zu erkennen. Stattdessen wollte der Künstler der Symbolkraft des Altars ein weiteres Symbol hinzufügen.254 Gewissermaßen achtete er damit gar den Altar als bedeutsames kulturelles Symbol. Dementgegen wird in der Argumentation des OLG Saarbrückens dem tatsächlichen, durchaus zurückhaltenden Verhalten des Angeklagten explizit und bewusst 250 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 18 f. Allerdings ist vom Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Rahmen des Werkbereiches auch der Schöpfungs- und Gestaltungsprozess der Herstellung der Kunstwerkes erfasst, siehe ausführlich oben S. 54 ff. Dabei muss der Künstler nun aber nicht ständig offen zeigen, dass er gerade als Künstler handelt, damit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG für ihn streitet. Selbst wenn wäre die Betrachtung des OLG Saarbrückens a.a.O. nicht zwingend, dass sich selbst nicht für „einen um Verständnis bemühten Betrachter nach den Gesamtumständen erschlossen hätte, dass es sich bei den Handlungen des Angekl. um eine ku¨ nstlerische Beta¨ tigung handelte“. Immerhin hat Karle seine Aktion offen gefilmt. Normalerweise filmen sich Menschen aber seltenst dabei, wie sie in Alltagskleidung Liegestütze an ungewöhnlichen Orten machen. Dass die gesamte Aktion also im Zusammenhang mit der Erstellung eines künsterischen Videos stehen könnte, hätte sich einem um Verständnis bemühten Betrachter in der Gesamtschau durchaus erschließen können. 251 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3795), Rn. 17. 252 LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783, Rn. 27. 253 Im Unterschied zu AG Köln v. 03. 12. 2014 – 647 Ds 240/14, dazu sogleich im „Femen“Fall. 254 Vgl. Redaktion beck-aktuell, becklink 2005490.

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung

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keinerlei Stellenwert beigemessen.255 Stattdessen wird eine besonders rohe Missachtung des Altars letztlich allein damit begründet, dass es sich bei dem Altar eben um den „Inbegriff christlicher Glaubensvorstellung“ handele.256 Mit dieser Vorgehensweise vermischt das OLG unzulässigerweise die zwei eigenständigen Tatbestandsmerkmale, aus denen § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB zusammengesetzt ist: Erstens das Tatbestandsmerkmal des „Ort[es], der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist“ und zweitens das Tatbestandsmerkmal der Verübung „beschimpfenden Unfug[s]“. § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB unterscheidet also zwischen dem relevanten Ort und der an diesem Ort begangenen Handlung. Eine rohe Missachtung zum Ausdruck zu bringen ist dabei die Anforderung, die an das Verüben beschimpfenden Unfugs, also an die Handlung, zu stellen ist. Die rohe Missachtung muss also gerade durch die Art und Weise der konkreten Handlung zum Ausdruck kommen. Sie kann sich dementgegen aber nicht aus der reinen Bedeutung des Ortes ergeben. Dies anzunehmen bedeutete eine unzulässige Vermischung der beiden Tatbestandsmerkmale und würde dem Tatbestandsmerkmal der Handlung die eigenständige Bedeutung gegenüber dem anderen Tatbestandsmerkmal des Ortes rauben. Mit Valerius ist es in diesem Zusammenhang auch kritisch zu sehen, das bei der Vorgehensweise des OLG Saarbrückens die Annahme des beschimpfenden Charakters und damit die Reichweite des § 167 StGB letztlich allein von der subjektiven Vorstellung der betroffenen Glaubensgemeinschaft über die Bedeutsamkeit ihrer der Religionsausübung gewidmeten Orte abhinge.257 Überdies ist Valerius’ Kritik zuzustimmen, dass die Entscheidung des OLG Saarbrücken exemplarisch zeigt, dass bei dem extrem weitgefassten Merkmal des beschimpfenden Unfugs immer die Gefahr besteht, dass Gerichte an Stelle der Wertungen eines besonnenen Beobachters ihre eigenen Wertungen setzen.258 Das beschriebene Vorgehen des LG Saarbrückens ist insgesamt als verfassungskonforme Auslegung des unbestimmten Merkmals des beschimpfenden Unfugs im Lichte der Kunstfreiheit zu klassifizieren, auch wenn das Gericht sein Vorgehen nicht selbst so betitelt. Dieser Vorgehensweise ist zuzustimmen und auch in dieser Hinsicht dem OLG Saarbrücken zu widersprechen, wenn dieses meint, dass die Kunstfreiheit allein erst auf Rechtswidrigkeitsebene und nicht bereits auf Tatbestandsebene relevant werden kann.259 Wie der zweite Teil der vorliegenden Arbeit gezeigt hat, wird die Kunstfreiheit nicht ausschließlich erst auf Rechtswidrigkeitsebene relevant, sondern wirkt bis zur Wortlautgrenze der Auslegung bereits auf die

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OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3795), Rn. 17. OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3795), Rn. 17. Kritisch dazu auch Valerius, NJW 2018, S. 3798. 257 Valerius, NJW 2018, S. 3798. 258 Valerius, NJW 2018, S. 3798. 259 Siehe OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 19. 256

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Tatbestandsebene ein.260 Erst wenn diese Wortlautgrenze ausgeschöpft ist, kann subsidiär auf eine unmittelbare Rechtfertigung durch die Kunstfreiheit rekurriert werden. Im „Pressure to Perform“-Fall ist eine Verneinung des Tatbestandsmerkmals der Verübung beschimpfenden Unfugs nach all dem Vorgenannten durchaus noch vom Wortlaut gedeckt. Damit ist folglich bereits der Tatbestand des § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfüllt.261 Wie der Fall auf Rechtswidrigkeitsebene zu beurteilen wäre, bejahte man gleichwohl mit dem OLG Saarbrücken den Tatbestand, wird sogleich unten behandelt.262 cc) Appendix Zuzüglich zeigt der „Pressure to Perform“-Fall sehr illustrativ das im ersten Teil behandelte Problem der Abgrenzung von „Kunst“ und „Nichtkunst“ auf. Gerade in den Kommentaren unter dem auf YouTube veröffentlichten Video263 wird diese Diskussion in durchaus unterhaltsamer Art und Weise geführt. So stellt User „MagnusAdvocator“ dazu schlicht fest: „Das ist nicht Kunst. Das ist schlicht und ergreifend Dämlichkeit.“ User „Dirty Werner“ nutzt da schon drastischere Worte, wenn er ausführt: „Das ist doch keine Kunst. Das ist genau so als würde ich zu dir gehen und auf den Teller kacken und sagen würde das ist Kunst.“ In den Ausführungen von User „AKTIVE ARBEITSLOSE“ könnte man dagegen gar den zeichentheoretischen Ansatz sehen, wenn dieser ausführt: „So wie heutzutage manche Priester im Akkord arbeiten und ihre magischen Rituale nur noch so runterspulen – und am Rande des Burnout leben, weil sie rund um die Uhr im Einsatz sein sollen – macht die Aktion durchaus Sinn. Jesus von Nazareth war sicher dagegen, dass in seinem Namen derart protzige und kitschige Kirchen gebaut werden, während die arm gemachten Menschen verhungern. Mit dem Urchristentum ist das, was die Amtskirche da betreibt, völlig unvereinbar.“ Aber nicht nur diese YouTube-User, sondern auch das LG Saarbrücken gehen interessante Wege, um die Frage nach der Kunsteigenschaft zu beantworten. Das Gericht scheint nämlich eher auf die allgemein abgelehnte Selbstdefinition des Künstlers als auf die verfassungsgerichtlichen Kunstdefinitionen rekurriert zu haben, wenn es ausführt: „Kunst ist das, was der Künstler als Kunst bezeichnet […] und es steht uns nicht an, Herrn Karle das abzusprechen.“264 Letztlich ist das aber wohl eher einfach eine ehrliche Formulierung der Auswirkungen des offenen Kunstbegriffes. Am Ende kommt schließlich dem Künstler selbst ein gehöriger, wenn nicht gar der größte Anteil an der Entscheidung zu, ob ein fraglicher Sachverhalt gerichtlich als 260 261 262 263 264

Siehe oben S. 134 ff. Ebenso LG Saarbrücken v. 10. 07. 2017 – 12 Ns 54/17, BeckRS 2017, 147783, Rn. 28. Siehe unten S. 206 ff. Siehe erneut https://www.youtube.com/watch?v=0RpNWhBTYII. Zitiert nach Redaktion beck-aktuell, becklink 2007231.

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung

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Kunst behandelt wird. Wer sich abseits eindeutiger Fälle nicht auf die Kunstfreiheit beruft, wird nicht in ihren Genuss kommen; wer sich hingegen – abseits wiederum eindeutiger Fälle, in denen die Berufung auf Kunst als reine Schutzbehauptung zu erkennen ist – auf die Kunstfreiheit beruft, dem wird sie von den Gerichten schon aus Angst vor einem Fehlurteil durch Verkennung der Grundrechte seltenst explizit abgesprochen werden. b) „Pussy-Riot“ Das zweite Beispiel spielt im Original in Russland. Am 21. 02. 2012 haben drei der Band Pussy Riot angehörende, buntmaskierte Frauen ein kritisches Lied mit dem Titel „Punk-Bittgottesdienst“ in der Erlöserkathedrale in Moskau – außerhalb des Gottesdienstes – gesungen.265 Die drei Frauen wurden daraufhin zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.266 Betrachtet man hypothetisch die Strafbarkeit nach deutschem Recht267 – hier nach § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB – ist abermals zunächst an eine verfassungskonforme Auslegung des normativen Tatbestandsmerkmals „beschimpfend“ zu denken. Der vorliegende Fall sprengte dabei jedoch wohl die Wortlautgrenze. Zwar ist Kritik – wenn auch grell vorgetragen – nicht zwingend beschimpfend. Allerdings beinhalteten die Lyrics des vorgetragenen Songs Zeilen wie „Scheiße, scheiße, Gottesscheiße“, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche wird als „Schweinehund“ bezeichnet, ferner sei der Chef des ehemalischen sowjetischen Geheimdienstes KGB oberster Heiliger der russisch-orthodoxen Kirche.268 In Deutschland würde dieses Geschehen deshalb wohl tatbestandlich unter Nr. 2 fallen, will man die Grenze des

265 Vgl. zum Sachverhalt: Fahl, StraFo 2013, S. 1 ff.; Diez/Mayr/Schepp, Der Spiegel 33/ 2012, S. 62. 266 Eine der drei Frauen wurde später auf Bewährung freigelassen, die beiden anderen fielen später unter eine Massenamnestie, die sie jedoch als pseudo-humanitären Akt und vielmehr PRTrick der Regierung kritisierten. Letztlich wurde die letzte der Aktivistinnen erst Ende Dezember 2013 – also gleichwohl fast zwei Jahre nach dem Vorfall – aus einem sibirischen Arbeitslager entlassen. Vgl. zu alledem http://www.spiegel.de/politik/ausland/letzte-pussy-riotmusikerin-tolokonnikowa-aus-haft-entlassen-a-940651.html. 267 Als Reaktion darauf gab es eine Art Nachahmer-Fall im Kölner Dom, bei dem drei junge Leute mit Transparenten den Gottesdienst stürmten, Parolen skandierten und schließlich vom Kirchenordnungsdienst aus der Kathedrale gebracht wurden, vgl. http://www.focus.de/panora ma/welt/nach-russischem-urteil-pussy-riot-nachahmer-im-koelner-dom-_aid_802717.html. Diese grobe Störung des Gottesdienstes ist bereits nach Nr. 1 tatbestandlich. In diesem Fall liegt wohl auch gar keine Kunst i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vor, da es sich soweit ersichtlich lediglich um eine normale Demonstration und Meinungsäußerung, nicht um eine Kunstperformance handelte. 268 Vgl. zur Übersetzung der Lyrics und schon zum Sachverhalt: Fahl, StraFo 2013, S. 1 und Diez/Mayr/Schepp, Der Spiegel 33/2012, S. 62.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Wortlauts „beschimpfend“ Ernst nehmen.269 Wie dieser Fall hingegen auf Rechtswidrigkeitsebene zu behandeln wäre, wird sogleich untersucht.270 c) „Femen“ Durch eine Aktion der Frauenrechtsgruppe „Femen“ musste 2013 der Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom unterbrochen werden. Mitten in der Weihnachtsmesse sprang eine Frau nur mit einem Slip bekleidet auf den Altar, kritisierte die frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche und deklamierte ein feministisches Glaubensbekenntnis; auf ihren nackten Brüsten trug sie dabei die Aufschrift „I AM GOD“.271 Aufgrund der Verbindung der entweihenden Nutzung des Altars, der blasphemischen Aufschrift und der Nacktheit ist auch hier Nr. 1 zunächst tatbestandlich zu bejahen.272 Eine andere (verfassungskonforme) Auslegung des Begriffes der groben Störung scheitert an der Wortlautgrenze.273 Die Unterbrechung des Gottesdienstes – und zwar des besonders wichtigen Weihnachtsgottesdienstes – ist schließlich die wohl intensivste denkbare Möglichkeit der Störung des Gottesdienstes. Wie grob kann ein Gottesdienst gestört werden, außer durch seine komplette Unterbrechung für mehrere Minuten, einen handgreiflichen Tumult, um die Aktivistin aus der Kirche zu verbringen, und eine danach erforderliche Neuweihung des Altars?274 Die Störung ist deshalb nicht nur wegen ihrer lauten und grellen Art als „grob“ zu bezeichnen, sondern umso mehr, wenn man auf das Ergebnis der Störung abstellt. Mit der Bejahung des Tatbestandes ist jedoch noch kein abschließendes Verdikt getroffen.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Künstlerische Aktionen können schließlich noch auf der Ebene der Rechtswidrigkeit straffrei gestellt werden. Grundsätzlich kommt zwar auch im Rahmen des

269 So auch Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 11; vgl. auch Fahl, StraFo 2013, S. 2 f. A. A. (wohl aber ohne Kenntnis der Lyrics): Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 167, Rn. 13; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 167, Rn. 11. 270 Siehe unten S. 206 ff. 271 AG Köln, Urteil v. 03. 12. 2014 – 647 Ds 240/14. 272 Deshalb vom AG Köln, Urteil v. 03. 12. 2014 – 647 Ds 240/14 verurteilt. Dem Grunde nach bestätigt von LG Köln, StV 2016, S. 810. I. E. auch Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 11. 273 Anders und über eine verfassungskonforme Auslegung i. E. zu einer Straffreiheit kommend: Bülte, StV 2016, S. 839 ff. 274 Nr. 1 wurde schließlich schon bei einer kleinen Unterbrechung von einigen Sekunden bejaht von OLG Jena, NJW 2006, S. 1892. Vgl. zum Tumult und der Neuweihung im hiesigen Fall LG Köln, StV 2016, S. 810 f.

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung

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§ 167 StGB keine analoge Anwendung des § 193 StGB,275 dafür aber erneut eine direkte Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in Betracht.276 1. Voraussetzungen Dabei sind die im zweiten Teil herausgearbeiteten Voraussetzungen einzuhalten. a) Subsidiarität Die Subsidiarität gebietet wie oben erfolgt zunächst eine Beachtung der Kunstfreiheit auf Tatbestandsebene im Rahmen der Auslegung, die z. B. im „Pressure to Perform“-Fall schon zu einer Straffreiheit führt. Erst nach Ausschöpfung der verfassungskonformen Auslegung bis hin zur Wortlautgrenze kann schlussendlich auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG rekurriert werden. b) Entgegenstehende Verfassungsrechtsgüter Im Falle des § 167 StGB kann nun, anders als bei § 166 StGB, der Kunstfreiheit durchaus ein Verfassungsrechtsgut entgegentreten, da wie oben dargelegt hinter § 167 StGB u. a. der Schutz der freien Religionsausübung, der nicht zuletzt verfassungsrechtlich in Art. 4 Abs. 2 GG verbrieft ist, steht. Insofern wirkt nicht bereits die Berufung auf „Kunst“ rechtfertigend, sondern muss eine Abwägung der im Einzelfall konkret widerstreitenden Interessen vorgenommen werden. c) Abwägung Dabei ist das Übermaßverbot bezüglich der Kunstfreiheit mit dem Untermaßverbot bezüglich der Religionsfreiheit in einen schonenden Ausgleich praktischer Konkordanz zu bringen. Der Staat in Gestalt des Gerichtes darf also auch im Einzelfall nur genau so weit in die Kunstfreiheit eingreifen, bis er seine Schutzpflicht bezüglich der Religionsfreiheit erfüllt hat. Da kein abstrakter Wertunterschied zwischen der Kunstfreiheit und der Religionsfreiheit besteht und die konkrete Beeinträchtigung der Kunstfreiheit durch die Strafandrohung bzw. Verurteilung sicher ist, ist vor allem die konkrete Intensität der Störung der Religionsausübung durch die

275 So aber Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 167, Rn. 13 und erneut Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 44, Rn. 53 (aufgegeben in Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, 2. Auflage, § 44, Rn. 53). Abzulehnen abermals mit den allgemeinen Gründen, siehe bereits oben S. 92 f. und S. 139 ff. Explizit bzgl. § 167 StGB ablehnend zuletzt LG Köln, StV 2016, S. 810 (S. 812). 276 Fischer, StGB, § 167, Rn. 5; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 167, Rn. 8; Fahl, StraFo 2013, S. 3; OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 25 ff.; Valerius, NJW 2018, S. 3798. Dagegen Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 13.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

jeweilige Kunstaktion das ausschlaggebende und sorgfältig zu prüfende Abwägungskriterium. Das bedeutet insbesondere, dass bei Nr. 2 die Kunstfreiheit regelmäßig überwiegen wird, weil bei diesen Tathandlungen die Religionsausübung normalerweise gar nicht unmittelbar gestört wird. Etwas anderes könnte sich höchstens dann ergeben, wenn Gläubige durch den beschimpfenden Unfug von einer Religionsausübung außerhalb des Gottesdienst (sonst Nr. 1) abgehalten würden oder wenn der beschimpfende Unfug derartige Ausmaße annimmt, dass eine hernach geplante Religionsausübung nicht mehr durchgeführt werden kann, etwa weil der Altar einer Kirche zerstört wurde. Nur dann kann die verfassungsrechtlich geschützte Religionsausübungsfreiheit des Art. 4 Abs. 2 GG tatsächlich betroffen sein und der Kunstfreiheit entgegenstehen. In der Mehrheit der Fälle hingegen wird hinter Nr. 2 so doch wieder allein der Schutz des öffentlichen Friedens stehen bzw. wird es sich gar noch weitergehend um einen bloßen Pietätsschutz handeln. Umgekehrt spricht jedoch bei Nr. 1 regelmäßig ein starkes Indiz für ein Überwiegen der Religionsfreiheit gegenüber der Kunstfreiheit, weil gerade der Kernbereich der Religionsausübung so unmittelbar und konkret wie nur überhaupt möglich gestört wird. Für die Kunstfreiheit kann bei der Abwägung aber insbesondere sprechen, wenn durch die Kunst Kritik geäußert wird, die nur dann ihre volle Wirkung entfalten kann, wenn sie gerade während einer nach Nr. 1 genannten religiösen Handlung vorgenommen wird. Anders wäre wohl bei Kunst zu entscheiden, die auch außerhalb des Gottesdienstes funktionierte bzw. existieren könnte. Auch bei Kunst, die einfach nur willkürlich provozieren will, wird so im Rahmen der Nr. 2 die Freiheit der Religionsausübung regelmäßig überwiegen. 2. Anwendung auf obige Beispiele Angewendet auf die oben behandelten Beispiele ergibt sich damit das folgende Bild: Die Kunstfreiheit steht auch auf Rechtswidrigkeitsebene beim Absingen pornographischer Lieder während des Gottesdienst (Nr. 1) zurück, dienen diese doch der reinen Belustigung oder Provokation und nicht einer wie auch immer gearteten Kritik und könnten zudem auch außerhalb der in Nr. 1 genannten religiösen Handlungen zum Besten gegeben werden. Der „Pussy Riot“-Fall des Absingens eines durchaus beschimpfenden, wenngleich kritischen Liedes außerhalb einer in Nr. 1 genannten Handlung aber an einem in Nr. 2 genannten Ort wäre hingegen unmittelbar durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerechtfertigt.277 Insbesondere wird dadurch die tatsächliche Ausübung der Religion

277 Ebenso: Fahl, StraFo 2013, S. 3. Für Straffreiheit i. E. auch Bosch/Schittenhelm, in: Sch/ Sch, StGB, § 167, Rn. 13; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 167, Rn. 11.

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung

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gar nicht beeinträchtigt. Eine Beschränkung der Kunstfreiheit aus reinem Pietätsinteresse anstatt Verfassungsrechtsgüterschutz verbietet sich jedoch. Ebenso verhielte es sich mit dem „Pressure to Perform“-Fall, bejahte man entgegen der hier vertretenen Auffassung den Tatbestand. Zwar ist dem OLG Saarbrücken zunächst positiv anzurechnen, dass es die Kunstfreiheit als potentiellen Rechtfertigungsgrund prüft.278 Auch ist es, wie soeben ausgeführt, richtig, dass das von § 167 StGB geschützte Recht der ungestörten Religionsausübung der Kunstfreiheit grundsätzlich entgegenstehen kann. Es geht jedoch fehl, wenn das Gericht ausführt, der Künstler habe mit seiner Aktion in den Kern des Schutzes der Religionsausübung eingegriffen.279 Es stellt in diesem Rahmen explizit auf das „Recht der katholischen Kirchengemeinde St. Johann, ihrer Mitglieder sowie der ihre Kirche besuchenden Gla¨ ubigen auf ungesto¨ rte Religionsausu¨ bung nach Art. 4 I, II GG“ ab.280 Zum Tatzeitpunkt fanden aber weder ein Gottesdienst noch eine sonstige religiöse Feier statt.281 Die wenigen anwesenden Besucher der Kirche nahmen keinen Anstoß am Verhalten des Künstlers.282 Damit wurde tatsächlich überhaupt gar niemand in seiner konkreten Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigt, weder die abstrakte Gemeinschaft der Kirchengemeinde St. Johann, noch deren zum Tatzeitpunkt überhaupt nicht anwesenden Mitglieder, noch die die Kirche besuchenden Gläubigen. Somit steht der Kunstfreiheit im konkreten Einzelfall das Verfassungsgut der ungestörten Religionsausübung nicht tatsächlich entgegen. Selbst wenn man mit dem OLG Saarbrücken also den Tatbestand bejahte, wäre die Handlung des Künstlers spätestens auf Rechtswidrigkeitsebene durch die unmittelbare Wirkung der Kunstfreiheit gerechtfertigt. Mit all dem Vorgenannten ist natürlich kein Urteil verbunden, ob das Verhalten des Künstlers angemessen, anständig oder gar moralisch richtig war. Darüber hat das Strafrecht aber auch nicht zu urteilen. Allein anstößiges Verhalten darf von §167 StGB, insbesondere im Bereich der Kunstfreiheit, nicht pönalisiert werden.283 Etwas schwieriger als in den vorangegangenen Fällen ist hingegen die Beurteilung, wie im Fall der „Femen“-Aktion im Kölner Dom zu entscheiden ist. Sowohl das Ausgangs- als auch das Berufungsgericht haben die Aktivistin verurteilt.284 Auch Hörnle kommt zur Bejahung der Strafbarkeit und führt dabei insbesondere die 278

OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 25 ff. So OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 27. 280 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3796), Rn. 26. 281 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794. 282 OLG Saarbrücken, NJW 2018, S. 3794 (S. 3795). 283 Vgl. so auch Valerius, NJW 2018, S. 3798 im Kontext des „Pressure to Perform“-Falles. 284 AG Köln, Urteil v. 03. 12. 2014 – 647 Ds 240/14. Dem Grunde nach bestätigt von LG Köln, StV 2016, S. 810. Unverständlich, dass gleichzeitig ein Verfahren gegen einen männlichen Gottesdienstbesucher nach § 153a StGB eingestellt wurde (vgl. Bülte, StV 2016, S. 846), der die Aktivistin als Reaktion auf ihre gewaltlose Störung zwei Mal ins Gesicht(!) geschlagen hat … 279

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Verbindung von Nacktheit und Beschimpfung an.285 Bülte plädiert dagegen für eine Strafbefreiung.286 Auf Seiten der Religionsausübungsfreiheit streitet hier, dass wie dargelegt tatsächlich der Gottesdienst unterbrochen werden musste. Auch handelte es sich mit dem Weihnachtsgottesdienst um einen zentralen Gottesdienst. Andererseits ist wohl gerade der Weihnachtsgottesdienst der Gottesdienst mit dem geringsten Anteil an tatsächlich gläubigen Besuchern und mittlerweile eher Kultur- als reine Religionsveranstaltung. Auf der anderen Seite spricht für die Kunstfreiheit287 zunächst, dass der Gottesdienst nach der gerade einmal zweiminütigen Störung einfach fortgesetzt werden konnte, sich die zwar grobe Störung zumindest zeitlich in Grenzen hielt und hernach die Gläubigen wieder ihre Religion ungestört ausüben konnten. Zudem handelte es sich nicht um eine willkürliche Störung, vielmehr bezog sich die Kritik der Aktivistin nicht nur allgemein auf die Frauenfeindlichkeit der Kirche, sondern insbesondere auch gerade des die betreffende Messe leitenden Kölner Erzbischofs. Letztlich spricht für die Kunstfreiheit auch, dass die Kritik der Aktivistin nur durch eine Performance während des Gottesdienstes die volle Wirkung und Aufmerksamkeit erzielen konnte.288 Gerade bei der Performancekunst ist eben 285

Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 11. Bülte, StV 2016, S. 839 ff., allerdings über den Weg der Verneinung des Merkmals „grob“. 287 Vom AG Köln, Urteil v. 03. 12. 2014 – 647 Ds 240/14 wurde die Kunstfreiheit nicht angesprochen, sondern allein auf die Meinungsfreiheit rekurriert; auch von der Beschuldigten wurde die Kunstfreiheit soweit ersichtlich nicht ins Feld geführt. Vom LG Köln, StV 2016, S. 810 (S. 811) wurde das Vorgehen der Beschuldigten zwar als „Performance“ eingeordnet, im Folgenden dennoch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht thematisiert. Für die Einordnung als Kunst spricht zunächst das formale Element, dass es sich eben um eine Performance handelte. Ein materiales Element findet sich darin, dass das umformulierte Glaubensbekenntnis eine schöpferische Gestaltung darstellte, mit der die Aktivistin ihre sexistischen Erfahrungen mit der Kirche zur Anschauung brachte. Vor allem aber ergibt sich die Einordnung als Kunst aus dem zeichentheoretischen Ansatz aufgrund der Mannigfaltigkeit des Aussagegehaltes und der fortgesetzten Interpretierbarkeit der Performance. Die Aktivistin stellte sich als eine Art feministische Neuinterpretation der Märtyrerrolle Jesu dar, indem sie auf dem Altar die Haltung von Jesus am Kreuz nachahmte (zum Sachverhalt: LG Köln, StV 2016, S. 810 (S. 811)) und diesen mit den Worten „I AM GOD“ gewissermaßen „zitierte“ (wird in der Bibel z. B. herausgelesen aus Johannes Kap. 8, Vers 58, Kap. 10, Vers 30; vgl. auch Johannes Kap. 1 Vers 1, 2, 14, Philipper Kap. 2, Vers 6 ff.). Das von der Aktivistin deklamierte feministische Glaubensbekenntnis stellt dabei eine interpretative Umgestaltung des apostolischen Glaubensbekenntnisses dar. Die Nacktheit kann als eine Anspielung auf die Nacktheit von Adam & Eva verstanden werden und damit über das von Evas Rolle beim Sündenfall beeinflusste christliche Frauenbild (vgl. dazu ausführlich Schüngel-Straumann, Eva: Ursache allen Übels) wieder zurück zum angeprangerten Sexismus der Kirche geführt werden. Weiterhin wirkt die Aufschrift „I AM GOD“ über die alltägliche Aussagefunktion der Worte hinaus und kann in quasinietzscheanischer Weise (vgl. Nietzsche, Also sprach Zarathustra; ders., Zur Genealogie der Moral) als Emanzipation der Menschen, und hier insbesondere der Frauen, interpretiert werden, die sich (wortwörtlich) frei machen von den Fesseln des Christentums und sich selbst als „Gott“ erkennen. 288 I. E. auch Bülte, StV 2016, S. 844 (aber über die Meinungsfreiheit). Auf derartige Notwendigkeiten der Orts- und Zeitwahl zur Gehörverschaffung stellt auch schon Fahl, StraFo 2013, S. 3 im „Pussy Riot“-Fall ab. 286

C. § 167 StGB – Störung der Religionsausübung

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keine Trennung von Werk- und Wirkbereich möglich. Es handelte sich um keine Aktion, die die Aktivistin auch bspw. auf einer Vernisage außerhalb des Gottesdienstes hätte abhalten können. Auch verhielt sie sich den Umständen entsprechend rücksichtsvoll. Sie zog sich extra die Stiefel aus, um den Altar nicht zu beschädigen und störte die Messe bewusst zu einem Zeitpunkt, bevor hochreligiöse Handlungen vorgenommen wurden.289 Vor dem Hintergrund hätte man die Kunstfreiheit wohl noch als gegenüber der Religionsausübungsfreiheit überwiegend ansehen können. Die Aktivistin hätte sich nach der hier vertretenen Auffassung auf eine Rechtfertigung aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen können.290

IV. Fazit und Ausblick Das Beispiel des § 167 StGB zeigt exemplarisch abermals das im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit Herausgearbeitete. Eine Lösung auf Rechtswidrigkeitsebene durch unmittelbare Anwendung der Kunstfreiheit ist möglich. Da bei dieser jedoch die Subsidiarität zu wahren ist, ist vorrangig immer zunächst der Tatbestand bis zur genau einzuhaltenden Wortlautgrenze verfassungskonform auszulegen. Anders als bei § 166 StGB prävaliert die Kunstfreiheit aber nicht immer gegenüber dem § 167 StGB. Da letztere Norm Ausdruck der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 4 Abs. 2 GG ist, kommt ihr so auch durchaus eine Existenzberechtigung zu. Somit soll hier nicht unbedingt für ihre Abschaffung plädiert werden. Es wäre jedoch zu prüfen, ob nicht bereits durch § 123 StGB der Schutzpflicht des Staates genüge getan wäre, da Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Störer jederzeit ihrer zur Religionsausübung dienenden Räume verweisen können und Störer sich so bei Verweilen nach § 123 StGB strafbar machen würden. In diesem Falle würde dann wohl auch i. d. R. die Kunstfreiheit hinter dem Verfassungsrechtsgut der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG zurückstehen müssen, wie ebenfalls der „Pressure to Perform“-Fall gezeigt hat. Teilweise wird auch befunden, dass anstelle des strafrechtlichen Verbotes des § 167 StGB aus kriminalpolitischer Sicht bereits eine Verbotsnorm im Ordnungswidrigkeitenrecht genügen würde.291

289

Vgl. dazu Bülte, StV 2016, S. 846. Eine andere Frage wäre wiederum wie bei der oben vorgestellten Videoinstallation „Pressure to Perform“, ob hier zumindest nach der Aufforderung, die Kirche zu verlassen, nicht eine Strafbarkeit nach § 123 StGB gegeben wäre, die dann wegen des Entgegenstehens des Art. 14 GG wohl nicht mehr von der Kunstfreiheit gerechtfertigt werden könnte. 291 Hörnle, in: MüKo, StGB, § 167, Rn. 2 unter Verweis auf Schmitz, Straftaten gegen Religion und Weltanschauung, S. 85 ff., 95; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 363 f.; Stübinger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 167, Rn. 1. 290

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung „Aber Odysseus traf mit dem Pfeil ihn grad in die Gurgel, daß im zarten Genick die Spitze wieder hervordrang. Und er sank zur Seite hinab; der Becher voll Weines stürzte dahin aus der Hand des Erschossenen, und aus der Nase sprang ihm ein Strahl dickströmenden Bluts. Er wälzte sich zuckend, stieß mit dem Fuß an den Tisch, und die Speisen fielen zur Erde; Brot und gebratenes Fleisch ward blutig. […] Jetzo holten sie auch den Ziegenhirten Melantheus; und sie schnitten ihm Nas und Ohren mit grausamem Erze ab, entrissen und warfen die blutige Scham vor die Hunde, hauten dann Händ’ und Füße vom Rumpf mit zürnendem Herzen.“292 – aus dem XXII. Gesang von Homers „Odyssee“ (ca. 8. Jhd. v. Chr.)

„There has always been violence in art.“293 Apokalyptische Visionen, Folterszenen und Kriege werden künstlerisch dargestellt, seit derartige Vorgänge vom jeweiligen Zeitgeist reflektiert werden. Waren die Gewaltdarstellungen dabei zuerst oft heroisierend, bejahend und damit durchaus gewaltverherrlichend, so wurden sie mit der Zeit immer kritischer, jedoch nicht minder grausam und explizit; man denke nur an die bekannten Graphiken „Die Schrecken des Krieges“ (1814) und das Ölgemälde „Saturn verschlingt seinen Sohn“ (1823) von Francisco de Goya oder Otto Dix’ Schlüsselwerk „Der Krieg“ (1932). Ebenso wie Dix verarbeitete Erich Maria Remarque die persönlich erlebten Schrecken des Ersten Weltkrieges in seinem in expliziter und analytischer Sprache verfassten Roman „Im Westen nichts Neues“ (1929). Als Höhepunkt der Darstellung brutaler Gewalt in der Literatur des 20. Jahrhunderts aber sticht neben Anthony Burgess’ Roman „A Clockwork Orange“ (1962) – später verfilmt von Stanley Kubrick (1971) – allen voran Bret Easton Ellis’ „American Psycho“294 (1991) heraus. Der Roman polarisiert nach wie vor durch unglaublich extreme und detailliert beschriebene Folterszenen.295 In Deutschland wurde er zunächst indiziert296, diese 292

Homer, Odyssee, S. 293, 305. So der Ausnahme-Regisseur Stanley Kubrick in einem Interview über seine Verfilmung von „A Clockwork Orange“ (1971) (dazu später mehr), zitiert nach Ciment, Kubrick, S. 163. 294 Wesentlich weniger explizit als das Buch ist die Verfilmung von Mary Harron aus dem Jahre 2000 mit Christian Bale in der Hauptrolle des Patrick Bateman. 295 Nur zwei der vielen Gewaltszenen seien hier aufgeführt, um als Vergleichsmaßstab zu den später noch aufzuführenden Beispielen zu verdeutlichen, welches Ausmaß an Gewaltdarstellung in Deutschland i. E. gerichtlich nicht beanstandet wurde. Auf S. 305 zunächst: „… she sees the lit match I’m holding in my hand […] and I lower it to her eyes, which she instinctively closes, singeing both eyelashes and brows, then I finally use a Bic lighter and hold it up to both sockets, making sure they stay open with my fingers, burning my thumb and pinkie in the process, until the eyeballs burst. While she’s still conscious I roll her over, and spreading her ass cheeks, I nail a dildo that I’ve tied to a board deep into her rectum, using the nail gun. Then, turning her over again, her body weak with fear, I cut all the flesh off around her mouth and using the power drill with a detachable, massive head I widen that hole while she shakes, protesting, and once I’m satisfied with the size of the hole I’ve created, her mouth open as wide as possible, a reddish-black tunnel of twisted tongue and loosened teeth, I force my hand down, deep into her throat, until it disappears up to my wrist – all the while her head shakes uncontrollably, but she can’t bite down since the power drill ripped her teeth out of her gums – and grab at the veins 293

D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung

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Entscheidung jedoch später wieder aufgehoben.297 „American Psycho“ ist damit einer der wenigen Romane, die in der Bundesrepublik wegen ihrer Gewaltdarstellung indiziert werden sollten. Dagegen werden beinahe jeden Monat Filme und teilweise auch Musik wegen eines befürchteten Verstoßes gegen § 131 StGB auf Liste B indiziert und teilweise anschließend auch dementsprechend beschlagnahmt und eingezogen. Die strafrechtliche Diskussion soll deshalb im Folgenden primär auf Spielfilme und sekundär auf Musik konzentriert werden, wenngleich es explizite Gewaltdarstellungen natürlich durchaus auch in anderen Bereichen der Kunst gibt. Gleichwohl wurden im juristischen Kontext ähnlich wie bei der Frage der Abgrenzung von Kunst und Pornographie lange Zeit Thesen vertreten, demnach Kunst und Gewaltdarstellung sich gegenseitig ausschlössen und in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stünden. Echte Kunst könne durch die der Kunst eigene Verfremdung weder Gewaltverherrlichung noch -verharmlosung sein.298 So befand vor allem die Rechtsprechung zu Horror-Filmen der 80er und 90er Jahre einen Film entweder als Kunst oder als „triviale“ Gewaltdarstellung.299 Von dieser Betrachtung lodged there like tubes and I loosen them with my fingers and when I’ve gotten a good grip on them violently yank them out through her open mouth, pulling until the neck caves in, disappears, the skin tightens and splits though there’s little blood. Most of the neck’s innards, including the jugular, hang out of her mouth and her whole body starts twitching, like a roach on its back, shaking spasmodically, her melted eyes running down her face mixing with the tears and Mace, and then quickly, not wanting to waste time, I turn off the lights and in the dark before she dies I rip open her stomach with my bare hands.“ Sowie die berühmt-berüchtigte Nagetier-Szene auf S. 328 f.: „I’m trying to ease one of the hollow plastic tubes from the dismantled Habitrail system up into her vagina […]. I finally have to resort to pouring acid around the outside of the pussy so that the flesh can give way to the greased end of the Habitrail and soon enough it slides in, easily. […] The rat […] moves effortlessly on newfound energy, racing up the tube until half of its body disappears, and then after a minute – its rat body shaking while it feeds – all of it vanishes, except for the tail, and I yank the Habitrail tube out of the girl, trapping the rodent. Soon even the tail disappears. […] after a minute or two of watching the rat move under her lower belly, making sure the girl is still conscious, shaking her head in pain, her eyes wide with terror and confusion, I use a chain saw and in a matter of seconds cut the girl in two with it. The whirring teeth go through skin and muscle and sinew and bone so fast that she stays alive long enough to watch me pull her legs away from her body – her actual thighs, what’s left of her mutilated vagina – and hold them up in front of me, spouting blood, like trophies almost. Her eyes stay open for a minute, desperate and unfocused, then close, and finally, before she dies, I force a knife uselessly up her nose until it slides out of the flesh on her forehead, and then I hack the bone off her chin. She has only half a mouth left and I fuck it once, then twice, three times in all. Not caring whether she’s still breathing or not I gouge her eyes out, finally using my fingers.“ 296 BAnz. Nr. 21 v. 31. 01. 1995, Entscheidung 4454 v. 05. 01. 1995. 297 VG Köln, Urteil v. 28. 04. 1998, Az.: 17 K 1394/95; bestätigt von OVG NRW, Urteil v. 15. 02. 2001, Az.: 20 A 3635/98. Betont wurde u. a. zu Recht, dass die von der BPjS vorgenommene losgelöste Beurteilung der expliziten Szenen ohne den Kontext des gesamten Romans der Kunstfreiheit nicht gerecht wird. 298 So auch ältere Stimmen in der Literatur: Würtenberger, in: Festschrift für Eduard Dreher, S. 94 f.; v. Hartlieb, NJW 1985, S. 834, vgl. Beisel, Kunst, S. 293. 299 Ausführlich Beisel, Kunst, S. 293 ff. mit allen Rechtsprechungs-Nachweisen, vgl. nur LG München, FuR 1984, S. 226 (S. 228) zum noch zu behandelnden Film „Maniac“ (1980).

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

ist mittlerweile nicht nur die Rechtsprechung abgerückt.300 Auch in der Literatur geht man überwiegend „selbstverständlich“ davon aus, dass sich Kunst und Gewaltdarstellung nicht ausschließen.301

I. Geschützte Rechtsgüter Zuerst ist dabei abermals fraglich, welche Rechtsgüter hinter § 131 StGB stehen und ob diese die Kunstfreiheit einzuschränken vermögen. Gerade bei § 131 StGB ist nämlich zu beachten, dass der bloße Klimaschutz oder der Schutz der allgemeinen Moral nicht Aufgabe des Strafrechts sein kann.302 1. Öffentlicher Frieden Nach der h. M. wird der öffentliche Frieden als (Haupt-)Rechtsgut des § 131 StGB gesehen,303 obgleich er nicht bereits im Tatbestand genannt ist. Da so keine konkrete Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens vorausgesetzt wird, handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.304 Der Grund, warum eine solche Eignungsprüfung nicht vorausgesetzt wird, liegt wohl auch darin, dass sich gegenläufige Thesen zur Frage finden, welche Auswirkungen Gewaltdarstellungen haben: Nach der Habitualisierungsthese führt der mediale Konsum von Gewalt zur Gewöhnung und emotionalen Abstumpfung und damit letztlich zu höherer Gewaltbereitschaft. Weitergehend wird der Stimulationsthese zufolge der Rezipient nicht nur enthemmt, sondern gar zur Nachahmung angereizt. Ganz entgegengesetzt dient nach der Katharsisthese das stellvertretende Durchleben sowohl der Ängste auf Opfer- als auch der Macht auf Täterseite als Ventil bzw. Substitut, wodurch Aggressionen abgebaut werden. Nach der Inhibitionsthese wirken Gewaltdarstellungen eher abschreckend

300 Ausdrücklich LG München, BPS-Report 6a/1985, S. 12 (S. 17 f.) (Tanz der Teufel). Seitdem wurde auch bei Horrorfilmen zunehmend selbstverständlich auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG rekurriert: bspw. LG Frankfurt am Main, BPS-Report 5/1988, S. 45 ff. (Freitag der 13. – das letzte Kapitel); AG Tiergarten, JMS-Report 1/1996, S. 6 (S. 7) (Friday the 13th) und AG Augsburg, JMS-Report 6/2012, S. 72 (I Spit on Your Grave). Vgl. auch BVerfGE 83, 130 (147) (Josefine Mutzenbacher). 301 Fischer, StGB, § 131, Rn. 20; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 131, Rn. 16; vgl. Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 17; ausführlich Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 375. 302 Vgl. Fischer, StGB, § 131, Rn. 3; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 407 ff., 52 ff. 303 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB § 131, Rn. 1; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 131, Rn. 5; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn 1; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 1; Stein, in: SK-StGB, § 131, Rn. 6. 304 Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 7; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 8.

D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung

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durch eine Identifizierung mit dem Opfer und daraus resultierender Angst vor Aggression.305 So kann zwar augenscheinlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit von einem kausalen Zusammenhang zwischen Gewaltdarstellung und späteren realen Gewalttätigkeiten ausgegangen werden.306 Allerdings steht insbesondere die KatharsisThese „als eine der best widerlegten Behauptungen in der Medienforschung“ in der Kritik.307 Vielmehr müsse also nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung sehr wohl von der Möglichkeit der Auswirkung von Gewaltdarstellungen auf reale Gewalttätigkeiten zumindest bei einigen Personen und zumindest bei den Gewalt gerade verherrlichenden oder verharmlosenden Darstellungen i. S. d. § 131 StGB ausgegangen werden.308 Damit ist wohl die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bezüglich der Geeignetheit seiner Strafmaßnahme zum Schutz des öffentlichen Friedens im Allgemeinen eingehalten.309

305 Vgl. für den gesamten Absatz: Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 4; Lukesch, in: Heitmeyer/Hagan, Handbuch der Gewaltforschung, S. 650; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, § 131, Rn. 6. Ironischerweise bildet gerade der in Deutschland in der Uncut-Version nach § 131 StGB beschlagnahmte Film „The Human Centipede II (Full Sequence)“ (2011) wenn man so will eine Groteske auf diese Diskussion: Prima facie entspricht nämlich die Handlung exakt der Stimulationsthese. Der Protagonist schaut in der Anfangsszene den ersten Teil der HumanCentipede-Trilogie auf DVD an. Inspiriert vom filmischen Vorbild Dr. Heiter versucht er hernach selbst einen menschlichen Tausendfüßler durch Aneinandernähen bzw. -tackern der Ani und Münder von 12 gefangenen Menschen zu kreieren. Der Film endet allerdings wieder mit der Anfangsszene, in der der Protagonist immer noch die DVD des ersten Teils – nunmehr am Abspann angelangt – anschaut. So ergibt sich bei genauerer Betrachtung eher die der Katharsisthese entsprechende Interpretation, dass sich all diese Grausamkeiten nur im Kopf des Protagonisten beim Betrachten des originalen Filmes abgespielt haben und er durch dieses Substitut bzw. Ventil seine Aggressionen abbauen konnte. Indizierung Liste B: BAnz. AT 30. 12. 2013 B7, Entscheidung Nr. 11255 (V) v. 6. 12. 2013. Beschlagnahmebeschluss: AG Fulda v. 02. 04. 2014, Az.: 27 Gs – 51 UJs 50391/14 und AG Fulda v. 30. 04. 2015, Az.: 27 Gs – 23 UJs 57403/14. 306 So Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 302 f., S. 306, der deshalb § 131 StGB die Geeignetheit abspricht. 307 Lukesch, in: Heitmeyer/Hagan, Handbuch der Gewaltforschung, S. 650; Hörnle, in: Festschrift für Hans-Dieter Schwind, S. 340 f. 308 Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 5; sehr differenziert Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 389 ff., S. 398; dies., in: Festschrift für Hans-Dieter Schwind, S. 338 ff., insb. 342; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 4; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 1; schon BT-Drs. VI/3521, S. 6 und BT-Drs. 10/2546, S. 21. 309 Vgl. Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 1; Beisel, Kunst, S. 314 f. Hörnle, in: Festschrift für Hans-Dieter Schwind, S. 343 führt als vergleichendes Beispiel an, dass natürlich auch nicht jede Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall führt, sondern vielmehr die meisten Fahrten sogar gefährdungsfrei ablaufen, dennoch aber an der Legitimation des abstrakten Gefährdungsdeliktes des § 316 StGB nicht zu zweifeln ist. Anders Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 306 und Köhne, KritV 2005, S. 254.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Kann so der öffentliche Frieden durchaus allgemein als von § 131 StGB geschütztes Interesse gesehen werden, so vermag er doch mangels Verfassungsrang nicht die Kunstfreiheit einzuschränken. 2. Jugendschutz Allerdings steht hinter § 131 StGB zusätzlich auch der Jugendschutz,310 wie insbesondere in den Tathandlungsalternativen § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) und Nr. 2 a) StGB explizit zum Ausdruck kommt. Um die Kunstfreiheit einschränken zu können, müsste der Jugendschutz ein Rechtsgut von Verfassungsrang sein. Zwar findet er sich ausdrücklich erwähnt in Art. 5 Abs. 2 GG; allerdings nur als Schranke, womit allein keine positivierte Schutzposition einhergeht.311 Positiviert ist er jedoch als notwendiger Bestandteil bzw. Ausfluss des elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, worauf das BVerfG neben der Nennung in Art. 5 Abs. 2 GG die verfassungsrechtliche Verankerung des Jugendschutzes stützt.312 Außerdem wird der Jugendschutz als im Recht auf Entfaltung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit bzw. dem „Recht der Kinder und Jugendlichen auf eine ungestörte körperlich-seelische Entwicklung“313 aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert gesehen.314 Zu beachten ist bei diesem Begründungsansatz allerdings, dass man umgekehrt aus Art. 2 Abs. 1 GG auch die eigene Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Jugendlichen berücksichtigen muss.315 Diese erstarkt mit zunehmendem Heranwachsen, sodass parallel auch die Verantwortung für die eigene Konsumentscheidung hinsichtlich kontroverser Kunst zunimmt und der Jugendschutz abnehmen muss.316 Andere sehen den Jugendschutz als Ausfluss der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung in Art. 6 Abs. 1, 2 S. 2 GG.317 Zusammenfassend lassen sich für den Jugendschutz also neben der Erwähnung in Art. 5 Abs. 2 GG konkrete verfassungsrechtliche Verankerungen 310

BT-Drs. VI/3521, S. 6; BT-Drs. 10/2546, S. 21; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 3; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 131, Rn. 5; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 2; vgl. auch Stein, in: SK-StGB, § 131, Rn. 5. 311 Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 307. 312 Bzgl. der Kunstfreiheit entgegenstehenden Jugendschutzes: BVerfGE 83, 130 (139) (Josefine Mutzenbacher); Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 463 ff. Siehe allgemein zum Verfassungsrang des Jugendschutzes: BVerfGE 30, 336 (347 f.); 77, 346 (356); 79, 51 (63 f.). 313 So Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 307. 314 BVerfGE 83, 130 (140) (Josefine Mutzenbacher); Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 463. 315 Vgl. BVerfGE 47, 46 (73 f.). 316 Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 98 f.; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. 3 (Kunst), Rn. 60. 317 Becker, MDR 1968, S. 882; Raue, Literarischer Jugendschutz, S. 62; Scholz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 70.

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in den Bestimmungen Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 6 Abs. 1, 2 S. 2 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG finden. Somit ist dieser je nach Ergebnis der Einzelfallabwägung grundsätzlich tauglich die Kunstfreiheit zu beschränken. Aus der Tatsache, dass der Jugendschutz nicht wie die Kunstfreiheit ein vorbehaltloses Grundrecht ist, kann auch nicht schon ein abstrakter Vorrang der Kunstfreiheit gegenüber dem Jugendschutz angenommen werden.318 Allerdings muss eine konkrete und schwerwiegende Beeinträchtigung des Jugendschutzes und nicht nur die bloße Möglichkeit einer solchen zu besorgen sein, um die Kunstfreiheit einzuschränken.319 Es ist immer auf eine sehr vorsichtige und besonders schonende Beschränkung der Kunstfreiheit zu achten, da im Gegensatz zu anderen kollidierenden Rechten ein wirkungsvoller Jugendschutz zumeist durch Abschottung der Jugend vor dem Zugang und dem Einfluss des Kunstwerkes zu erreichen ist. Deshalb wird es meist nicht nötig und wegen des Erfordernisses des mildesten Mittels auch nicht zulässig sein, auf das Kunstwerk selbst oder dessen allgemeine Verbreitung einzuwirken. Insofern gilt tatsächlich der Satz „Kunstfreiheit vor Jugendschutz“.320 Im Allgemeinen zulässig sind jedoch Einschränkungen der Kunstfreiheit im „Wie“ nicht im „Ob“ des Wirkbereiches, die nicht den Kunstkonsum Erwachsener beeinträchtigen, so z. B. die Indizierungen der Schriften, Bildund Tonträgern, die zur sittlichen Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen geeignet sind, vgl. nur § 15 JuSchG.321 Diese Vorschriften werden deshalb aus Sicht des § 131 StGB zumeist ein dem Jugendschutz genügendes, milderes Mittel sein.322 Entsprechend restriktiv ist § 131 StGB anzuwenden. Insgesamt kann der Jugendschutz der Kunstfreiheit so nur bei den Tathandlungen des § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) und Nr. 2 a) StGB und nur nach einer zugunsten des Jugendschutzes ausgehenden Abwägung entgegentreten. In den anderen Fällen des § 131 StGB wird dem dort nicht direkt, sondern höchstens mittelbar bezweckten Jugendschutz durch das mildere Mittel des JuSchG bereits ausreichend Genüge getan.

318

Vgl. i. E. Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 159; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 70, der von Gleichrangigkeit spricht; allgemein gegen eine abstrakte Wertrangfolge verschiedener Verfassungsgüter: Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/ 2, S. 562; Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 697. 319 So auch Scharrer, Grenzen hauptstrafrechtlicher Sanktionen, S. 159. 320 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 464. Formulierung bei BVerwGE 23, 104 (110), als absolute Aussage aufgegeben in BVerwGE 39, 197 (198). 321 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 70; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 464. 322 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 1; Köhne, KritV 2005, S. 248 f.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

3. Schutz des Einzelnen vor der Annahme einer aggressiven Einstellung – „Ludovico Technique“323 im StGB? Teilweise wird in Anlehnung an die Gesetzesmaterialien zudem angenommen, dass § 131 StGB auch dem Schutz des Einzelnen vor einer Fehlentwicklung hin zu einer aggressiven Einstellung diene.324 Wenn jedoch schon beim Jugendschutz betont wurde, dass der paternalistische Schutz des Jugendlichen abnehmen muss, umso selbstbestimmter dieser wird, so muss dies erst recht für den volljährigen und mündigen Bürger gelten. Diesen vor sich oder um seiner selbst zu schützen ist nicht Aufgabe des Strafrechts.325 Auch kann der volljährige Mensch nicht zu einer aus staatlicher Sicht „richtigen“ weiteren Entwicklung gezwungen werden. Erst recht kann die (vor allem moralisch) korrekte Geisteshaltung des einzelnen Menschen nicht durch die Drohung mit Kriminalstrafe erzwungen werden. Thoughtcrimes wie in George Orwells dystopischem Meisterwerk „Nineteen Eighty-Four“ (1949) sind weder mit einem aufklärerischen Menschenbild noch einem Rechtsstaat zu vereinbaren. Erst wenn die fragliche Geisteshaltung in tatsächliche Gewalt umschlägt, kann das Strafrecht ansetzen. In diesem Kontext schützt es de lege lata jedoch bereits neben den Individualrechtsgütern potentieller Opfer auch den öffentlichen Frieden als bereits bedenklich weit vorgelagerten Schutz. Ein noch viel weiter im Vorfeld ansetzender strafrechtlicher Schutz kann mithin nicht hinter § 131 StGB stehen.326 4. Menschenwürde Fraglich ist, ob auch auf die Menschenwürde als Schutzgut des § 131 StGB rekurriert werden kann. Eine verfassungsrechtliche Verankerung ergäbe sich dabei direkt aus der wichtigsten und zentralen Norm des Grundgesetzes: Art. 1 Abs. 1 GG. Es ist dabei zwischen der konkreten Menschenwürde als Individualgrundrecht und der abstrakten Menschenwürde als überindividuellem obersten Wert und Verfassungsprinzip zu differenzieren. Erstere ist i. d. R. nicht Schutzgut des § 131 StGB. Dies gilt zunächst einmal natürlich für den einzelnen Konsumenten, dessen individuelle Menschenwürde nicht Gegenstand von § 131 StGB ist; er könnte einfach „wegschauen“ und ist gerade

323 Eine von Anthony Burgess in seinem bereits erwähnten Roman „A Clockwork Orange“ (1962) fiktionierte Therapie zur Konditionierung von Verbrechern gegen Gewalt. 324 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 131, Rn. 1; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 2; BTDrs. VI 3521, S. 6; vgl. ähnlich auch BGH, NStZ 2000, S. 307 (S. 308). 325 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 1; ähnlich Hörnle, in: Festschrift für Hans-Dieter Schwind, S. 348. 326 Vgl. i. E.: Fischer, StGB, § 131, Rn. 2; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 399; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 1; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 301; Weigend, in: Festschrift für Günter Herrmann, S. 41 f.; Stein, in: SK-StGB, § 131, Rn. 5.

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nicht zum Konsum derartiger Gewaltdarstellungen gezwungen.327 Die Menschenwürde als Individualrechtsgut kann vielmehr nur dann betroffen sein, wenn ein realer Mensch gegen seinen Willen Opfer einer unmenschlichen oder grausamen Gewalttätigkeit geworden ist und die Verfilmung derselben nun verbreitet wird; dann schützt § 131 StGB ausnahmsweise auch die individuelle Menschenwürde des Opfers, die durch die Perpetuierung der ursprünglichen Menschenwürdeverletzung mit jeder Wiedergabe von neuem verletzt wird.328 Darunter fallen vor allem sog. Snuff-Filme, in denen reale Folterungen und Tötungen aufgezeichnet und vor allem über das Internet verbreitet werden.329 Darüber hinaus kommt die Menschenwürde – anders als in § 130 StGB – allerdings nicht als individuelles und konkretes Grundrecht eines Individualrechtsgutsträgers in Betracht.330 Deshalb kann höchstens der Schutz des abstrakten Wertes der Menschenwürde – der „Würde des Menschen als Gattungswesen“ als oberster Wert und oberstes Verfassungsprinzip – als Rechtsgut hinter § 131 StGB gesehen werden.331 Dieses könnte sodann prima facie auch bei fiktiven Werken der Kunstfreiheit entgegenstehen, was im Laufe der weiteren Ausarbeitung allerdings noch einer kritischen Untersuchung unterzogen werden wird.

327 OLG Koblenz, NStZ 1998, S. 40 (S. 41); zustimmend Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, 29. Auflage, § 131, Rn. 1. Ebenso schon Beisel, Kunst, S. 284; Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 384; Erdemir, ZUM 2000, S. 704; ders., in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 324. Einer Art Konfrontationsschutz ist meist schon durch die Einordnung als FSK 18 und damit auch Nichtaussendung im vorabendlichen Fernsehprogramm oder gar durch den Titel des jeweiligen Filmes genüge getan – was erwartet der Rezipient wohl von einem „Kettensägenmassaker“ (Orig.: „The Texas Chain Saw Massacre“) (1974) oder dem Kannibalen-MondoFilm „Nackt und Zerfleischt“ (Orig.: „Cannibal Holocaust“) (1980) (in Deutschland übrigens beschlagnahmt, vgl. nur JMS-Report 5/2017, S. 58, 61, 63)? Vgl. zum Konfrontationsschutz Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 402 f. 328 Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 131 ff., S. 405 ff.; angedeutet in BVerfGE 102, 347 (365); Hörnle, in: Festschrift für Hans-Dieter Schwind, S. 350 f.; vgl. auch Beisel, Kunst, S. 306, S. 283; Fischer, Kunst, S. 165 f.; ähnlich auch Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 383. Angedeutet auch in BVerfGE 87, 209 (228) (Tanz der Teufel). 329 Vgl. dazu schon Beisel, Kunst, S. 283. 330 Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 33; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 407. Zu § 130 StGB sogleich mehr ab S. 239 ff. Durch eine fiktive Darstellung kann so die individuelle Menschenwürde konkreter realer Menschen betroffen sein, wenn diese ihnen oder einer abgrenzbaren Gruppe, der sie angehören, das Menschsein und die grundsätzliche Lebensberechtigung abspricht, was aber von § 130 StGB und nicht § 131 StGB pönalisiert wird. 331 So Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 407 f.; dies., in: Festschrift für Hans-Dieter Schwind, S. 351; Knauer, ZStW 126 (2014), S. 331; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 131, Rn. 5; Erdemir, ZUM 2000, S. 704; ders., in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 325; BTDrs. 10/2546, S. 23 („Menschenwürde als abstraktes Rechtsgut“). Vgl. auch BVerfGE 87, 209 (228 f.) (Tanz der Teufel); Meirowitz, Jura 1993, S. 154. Ablehnend bspw. Köhne, GA 2004, S. 185 f. Kritisch und ausführlich dazu unten S. 229 ff.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

5. Zwischenergebnis Primär wird von § 131 StGB der öffentliche Frieden geschützt. Dieser allein vermag jedoch auch hier keinen Eingriff in die Kunstfreiheit zu rechtfertigen. Neben dem öffentlichen Frieden kommen jedoch je nach Tathandlung als Rechtsgüter der Jugendschutz und – in unterschiedlichen Ausprägungen, wenngleich äußerst selten – die Menschenwürde in Betracht. Da diesen Gütern Verfassungsrang zukommt, vermögen sie die Kunstfreiheit grundsätzlich einzuschränken.

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Fraglich ist zunächst, wie die Kunstfreiheit auf den Tatbestand des § 131 StGB einwirken kann. Zwar findet sich in § 131 Abs. 2 StGB eine kodifizierte Ausschlussklausel, die ähnlich formuliert ist, wie bereits aus dem zweiten Teil der vorliegenden Arbeit bekannte Klauseln vom Schlage eines § 86 Abs. 3 StGB. In § 131 Abs. 2 StGB ist jedoch die Kunst nicht ausdrücklich genannt, sodass diese Klausel für den Konflikt mit der Kunstfreiheit nicht weiterhilft. Zu thematisieren ist deshalb im Folgenden, über welche Tatbestandsmerkmale die Kunstfreiheit bspw. durch eine verfassungskonforme Auslegung einwirken kann. 1. Problemlose Tatbestandsmerkmale Wie schon bei § 166 StGB müssen die allgemeinen SchriftenverbreitungsTathandlungen „der Öffentlichkeit zugänglich machen“ oder „verbreiten“ im hier betrachteten Kontext i. d. R. bejaht werden. Jedenfalls besteht keine Einbruchsmöglichkeit für die Kunstfreiheit. Ebenso verhält es sich mit der Handlungsalternative „einer Person unter achtzehn Jahren anbieten, überlassen oder zugänglich machen“. Auch die Tathandlung von § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StGB sollen deshalb hier nicht weiter vertieft werden. Dass als Tatgegenstände wegen § 11 Abs. 3 StGB natürlich neben den in § 131 StGB explizit genannten „Schriften“ auch Abbildungen, Ton- und Bildträger in Betracht kommen, wurde ebenfalls schon im Rahmen des § 166 StGB behandelt. Diese müssen nun – wie in § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB kodifiziert – „grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schilder[n], die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt“.

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Mit der Aufnahme der Alternative „menschenähnliche Wesen“ in den Wortlaut des § 131 StGB im Jahre 2004332 ist ein alter Streit333 um die Weite der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Mensch“ gegenstandslos geworden. Nunmehr ist unter „menschenähnliches Wesen“ alles zu subsumieren, was nach objektiven Maßstäben in seiner äußeren Gestalt einem Menschen ähnelt.334 Gerade bei Wesen Cronenberg’schen Couleurs kann sich damit zwar gleichwohl die Frage stellen, ob und bis wann eine Ähnlichkeit in der äußeren Gestalt noch gegeben ist.335 Bejaht werden kann dieses Merkmal aber nun für typische Horrorfilmwesen wie Zombies oder die Besessenen im Klassiker „The Evil Dead“ (dt. Titel: „Tanz der Teufel“) (1981).336 2. Grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten Unter Gewalttätigkeiten sind zunächst alle aktiven, aggressiven und direkt die körperliche Integrität verletzenden Vorgänge oder Handlungen zu verstehen; dagegen scheidet die bloße statische Darstellung der Wirkung von Gewalt – z. B. das bloße Zeigen verletzter oder toter Menschen – aus.337 Dabei ist es an dieser Stelle zunächst irrelevant, ob es sich um eine reale, realitätsnahe, oder erkennbar fiktive Gewalttätigkeit handelt.338 Jedenfalls muss die Gewalttätigkeit – nicht die Schilderung derselben (dazu sogleich) – grausam oder unmenschlich sein. Grausam ist eine Gewalttätigkeit dabei in Anlehnung an § 211 StGB dann, wenn sie dergestalt ausgeführt wird, dass dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher bzw. seelischer Art zugefügt werden, sowie eine unbarmherzige, brutale Haltung des Gewaltverübenden erkennbar ist.339 Unmenschlich ist eine Gewalttätigkeit dann, 332

Durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. 12. 2003, siehe BGBl. I 2003 Nr. 67, S. 3007 ff. 333 Vgl. zur Übersicht nur Beisel, Kunst, S. 271 ff. 334 Fischer, StGB, § 131, Rn. 6 f. Kritisch und pointiert u. a. Erdemir, in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 322. 335 Vgl. zu diesem Grenzbereich z. B. Fischer, StGB, § 131, Rn. 6 ff. 336 Zu diesem Film erging BVerfGE 87, 209, die auf S. 225 zur alten Rechtslage feststellte, dass menschenähnliche Wesen nicht ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG unter Mensch subsumiert werden konnten. 337 Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 15; Fischer, StGB, § 131, Rn. 5. Damit ist das Cover von Mayhams Bootleg „Dawn of the Black Hearts“ – um erneut auf die schon mehrfach behandelten Kuriositäten aus der norwegischen Black-Metal-Szene zurück zu kommen – nicht tatbestandlich, obgleich es durch die echte Photographie des toten Ex-Sängers „Dead“ schockte, wie dieser nach seinem Suizid durch Aufschlitzen der Pulsadern und einen Kopfschuss mit einer Schrotflinte inmitten von Blut und Gehirn auf dem Boden lag. Aufgenommen wurde dieses Bild von seinem Bandkollegen und Gitarristen Euronymous, der Dead tot auffand, vgl. Campion, In the face of death. 338 Fischer, StGB, § 131, Rn. 5; BGH, NStZ 2000, S. 307 (S. 308). 339 BVerfGE 87, 209 (226) (Tanz der Teufel); BT-Drs. 10/2546, S. 22; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 23; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 7.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

wenn mit rücksichtsloser, roher oder menschenverachtender Gesinnung gehandelt wird.340 An diesem Merkmal scheitert so natürlich alle gewaltfreie Kunst wie Kinder- oder klassische Liebes-Filme. Selbst die meisten Mainstream-Filme aus den Genres der Historien-, Thriller-, Krimi-, Gangster-, Western-Filme etc. bilden aber heutzutage Gewalttätigkeiten der genannten Art ab. Das Merkmal der Gewalttätigkeit an sich kann so keine Einbruchstelle zur Straffreistellung von Kunst sein, die tatsächlich Gewalt beinhaltet und thematisiert.

3. Schildern Ebenso wenig ist dazu das isolierte Merkmal „Schildern“ geeignet. Zwar gebietet dieses die Einschränkung, dass gerade vorgenannte Gewalttätigkeit wesentlicher Inhalt und Sinn der Darstellung sein muss.341 Abermals sind also natürlich „familienfreundliche“ Filme nicht erfasst. In Abgrenzung zu vorangegangenem Merkmal fällt also auf dieser Stufe alles aus der Strafbarkeit, was zwar Gewalttätigkeiten beinhaltet, aber diese nur am Rande oder quasi als für die deutlich im Vordergrund stehende Handlung notwendiger Nebenbestandteil vorkommen. In der Kommentar-Literatur werden an dieser Stelle teilweise „Agenten-, Western- und Historienfilme“ als nicht erfasst genannt.342 Mag dies wohl für viele insbesondere ältere Filme gelten, wird doch heutzutage in diesen Genres durchaus auch grausame Gewalt als tragendes Element einzelner Szenen dargestellt. Selbst die einst so harmlosen James Bond-Filme als der Mainstream-Prototyp des angeführten „Agentenfilms“ haben sich über die Zeit radikalisiert. So wurden bspw. in „Casino Royal“ (2006) und „Spectre“ (2015) minutenlange Folterszenen geschildert, als deren wesentlicher Inhalt und Sinn durchaus die Darstellung der Gewalt an sich anzusehen ist. Und auch wenn Sergio Leones operesk-episches Italowestern-Meisterwerk „C’era una volta il West“ (dt. Titel: „Spiel mir das Lied vom Tod“) (1968) die vorhandene Gewalt wirklich relativ unblutig und zurückhaltend darstellt, gilt dies nicht für das gesamte Genre.343 Insbesondere moderne Western wie bspw. Quentin Tarantinos „Django Unchained“ (2012) oder sein Kammerspiel „The Hateful Eight“ (2015) können angesichts der beinah übertrieben geschilderten Gewaltex340

BVerfGE 87, 209 (226 f.) (Tanz der Teufel); BT-Drs. VI/3521, S. 7; Kühl, in: Lackner/ Kühl, StGB, § 131, Rn. 4; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 21. 341 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 8; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 24; BT-Drs. 10/2546, S. 22; vgl. auch Rackow, in: Festschrift für Manfred Maiwald, S. 199 f. 342 Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 26; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131 StGB, Rn. 27. 343 Schon Sergio Leones stilbildende Dollar-Trilogie (1964 – 1966) schildert Gewalt deutlicher und zynischer als seine weichen amerikanischen Vorgänger wie die doch recht idealistischen John-Wayne-Filme à la „Rio Bravo“ (1959); erst recht gilt dies für nihilistischere ItaloWestern wie Sergio Corbuccis explizit-brutalen „Leichen pflastern seinen Weg“ (Orig.: „Il grande silenzio“) (1968).

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zesse ohne Verletzung der Wortlautgrenze nicht bereits an dieser Stelle aus der Strafbarkeit ausgeschlossen werden. Ebenso verhält es sich mit modernen Historienfilmen, die insbesondere seit dem stilprägenden „Saving Private Ryan“ (1998) von Steven Spielberg ungeschönt und äußerst explizit die unfassbaren Grausamkeiten von Kriegen schildern. 4. Pönalisierte Arten der Darstellung An die Schilderung – nicht mehr die Gewalttätigkeit als solche – knüpfen nun die verschiedenen Varianten Verherrlichen, Verharmlosen oder die Darstellung in einer die Menschenwürde verletzenden Weise an. Maßgeblich für die Bewertung ist eine objektive Interpretation, die aus Sicht eines unvoreingenommenen, verständigen Rezipienten vorzunehmen ist.344 Dabei ist bereits auf Tatbestandsebene eine zeitdynamische Betrachtung vorzunehmen, da „sich sowohl der Gegenstand der Bewertung als auch die Bewertungskriterien selbst in einem vielschichtigen kommunikativen Prozess ständig verändern“345. Deutlich wird dies insbesondere bei erneuter Betrachtung klassischer Horrorfilme aus den 70er und 80er Jahren,346 von denen drei absolute Klassiker in jüngster Zeit rehabilitiert wurden. Erst neulich ergingen mehrere Gerichtsentscheidungen, mit denen die seit 1984 währende Beschlagnahme des schon erwähnten „The Evil Dead“ (1981) aufgehoben wurde.347 Der Film erfüllt nämlich nach heutigen Maßstäben nicht nur nicht mehr den Tatbestand des § 131 StGB.348 Er sei laut BPjM nicht einmal mehr jugendgefährdend, weshalb er 2017 von der FSK komplett ungekürzt gar eine Altersfreigabe ab 16 Jahren erhielt.349 „The Texas Chain Saw Massacre“ (1974) – aufgrund seiner filmhistorischen Bedeutung schon lange ins Museum of Modern Art, NY, aufgenommen – war in seiner Uncut-Fassung lange Zeit in Deutschland nach § 131 StGB beschlagnahmt, bis die Beschlagnahme schließlich 2011 aufgehoben wurde und der Film seitdem ungekürzt als FSK 18 veröffentlicht werden darf.350 Auch die Uncut344 BGH, NStZ 2000, S. 307 (S. 308 f.); Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 36; SternbergLieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 10; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 34. 345 So Fischer, StGB, § 131, Rn. 21 für die Rechtswidrigkeitsebene. 346 Über die Klassiker der Horrorfilmgeschichte wurde auch aus strafrechtlicher Sicht bereits viel geschrieben, siehe nur Beisel, Kunst, S. 268 ff.; Meirowitz, Gewaltdarstellungen. 347 Vor allem AG Tiergarten v. 25. 07. 2016 (Az.: (353 Gs) 284 AR 62/16 (3468/16) / Az.: 353 BL 284/75 Js 482/99 (53/16)); andere Aufhebungen auch schon von AG Tiergarten v. 20. 07. 2016 und v. 22. 07. 2016 sowie AG Fulda v. 18. 05. 2016 (Az.: 27 Gs – 24 UJs 53599/15); vgl. insgesamt BPjM-Aktuell 4/2016, S. 10. 348 LG Berlin, ZUM-RD 2017, S. 274 (S. 275). 349 BPjM-Aktuell 4/2016, S. 10; Freigabebescheinigung der FSK v. 11. 01. 2017, Pru¨ f-Nr.: 58515/V. 350 BPjM-Aktuell 1/2012, S. 14 ff.; BPjM, JMS-Report 2/2012, S. 68 ff.; Moldenhauer, Blut, Hasch und Tierkadaver; Freigabebescheinigung der FSK v. 03. 01. 2012/08. 06. 2012 Pru¨ fNr.: 49 490 V.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Version von Wes Cravens „The Last House on the Left“ (1972) war wegen Verstoßes gegen § 131 StGB beschlagnahmt,351 bis der Film erst jüngst im Oktober 2017 freigegeben wurde.352 a) Verherrlichung (Var. 1) Fraglich ist zunächst, wann eine Verherrlichung nach Var. 1 anzunehmen ist. Letztlich könnte man unter den Wortlaut der Verherrlichung bereits eine durch Art, Komposition, sowie musikalische Untermalung der filmischen Darstellung erzeugte Ästhetisierung von Gewalt subsumieren. Eine solche findet sich indes nicht nur in unbekannteren Arthouse-Filmen, sondern auch in millionenfach angeschauten Mainstream-Musikvideos wie aktuell Post Malones „Rockstar“ (2017), sowie gemeinhin akkreditierten Filmen. Selbst David Lynch – dem unangefochtenen Meister surrealistischen Kinos und der Illustration des Unterbewussten – wurde vorgeworfen353, sein Film „Blue Velvet“ (1986) ästhetisiere Gewalt voyeuristisch. In Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ (1979) wird ein ganzes vietnamesisches Dorf zu den Klängen von Richard Wagners „Walkürenritt“ ausgelöscht. Stanley Kubricks Verfilmung von Anthony Burgess’ Roman „A Clockwork Orange“ aus dem Jahre 1971 kombiniert sorgfältig komponierte Gewaltdarstellungen mit Ludwig van Beethovens „9. Symphonie“. Der Film sah sich angesichts realer Nachahmungstaten vielfach dem Vorwurf der Gewaltverherrlichung ausgesetzt; denkbar zu kurz gegriffen angesichts der interpretatorischen Vielschichtigkeit, kritischen Selbstreflexion und intelligenten Ambivalenz der meisterhaften Verfilmung.354 Dass derartige Werke dem Willen des Gesetzgebers nach tatbestandlich von § 131 StGB erfasst sein sollen, ist nicht anzunehmen. So kann nach der historischen, teleologischen – sowie durch Einwirkung der Kunstfreiheit verfassungskonformen – Auslegung eine reine Ästhetisierung der Gewalt dem Begriff der Verherrlichung nicht genügen. Vielmehr ist eine engere Definition zu finden.

351

Vgl. nur JMS-Report 5/2017, S. 59, 62. Vgl. zu diesem Film als Begründer des noch zu behandelnden Subgenres des „Rape-Revenge“-Films: Perrello, in: Hantke, American Horror Film, S. 27. 352 LG Fulda v. 06. 09. 2017, Az.: 2 Qs 82/17; jetzt in Liste A umgetragen, BAnz. AT 30. 10. 2017 B4. 353 Vgl. Volk, Kultfilm „Blue Velvet“. 354 Vgl. dazu ausführlich und äußerst lesenswert Fischer, in: Ästhetik der Gewalt – Gewalt der Ästhetik, S. 125 ff. sowie Höyng, Ambiguities of Violence in Beethoven’s Ninth through the Eyes of Stanley Kubrick’s A Clockwork Orange.

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aa) Definition Eine Verherrlichung von Gewalt liegt so vielmehr nur vor, wenn die Gewalttätigkeit durch die Schilderung in einen positiven Bewertungszusammenhang gebracht wird, indem sie direkt und unverhohlenen glorifiziert wird.355 Das soll vor allem dann der Fall sein, wenn die Gewalttätigkeit als etwas Imponierendes, Heldenhaftes, Abenteuerliches oder Gerechtfertigtes etc. dargestellt wird.356 Gerade letzteres kann wohl in jedem Fall des Horror-Subgenres des „RapeRevenge“-Films357 bejaht werden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Protagonistin nach einer erlittenen Vergewaltigung es ihren Peinigern umso brutaler heimzahlt. So wird im Film „I Spit on Your Grave“ (2010)358 eine Schriftstellerin von mehreren Männern auf brutalste Weise vergewaltigt, woraufhin sie sich rächt, indem sie einem jeden ihrer Peiniger die ihr von diesem jeweils angetane Gewalt spiegelbildlich und in extremisierter Form zurückzahlt. So wurde dieser Film in seiner Uncut-Version dann auch wegen Verstoßes gegen § 131 StGB beschlagnahmt, weil die Rachehandlungen der Protagonistin eben als gerechtfertigt erscheinen.359 Wohl alle „Rape-Revenge“-Filme weisen einen solchen Unterton auf, dass die Rache ausgleichend gerechtfertigt ist. Dieser Nemesis-Gedanke findet sich jedoch auch in ungleich weiter verbreiteten Rachefilmen: neben vielen klassischen Western z. B. auch im südkoreanischen Epos „Oldboy“ (2003) von Chan-wook Park oder vielen Werken Quentin Tarantinos. Neben „Inglourious Basterds“ (2009) und „Django Unchained“ (2012) erzählt vor allem „Kill Bill“ (2003) exaltierte und äußerst blutige Gewaltexzesse als durchaus nachvollziehbare Rache und wirft so die Frage nach der Legitimität von Gewalt und Rache auf. 355 Erdemir, in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 323; ders., ZUM 2000, S. 702 f.; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 28. 356 Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 30; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 28; BT-Drs. VI/3521, S. 7. 357 Vgl. zum Begriff des „Rape-Revenge“-Films: Stiglegger, Terrorkino, insb. S. 44; Perrello, in: Hantke, American Horror Film, S. 27. 358 Ein Remake des gleichnamigen Originals von 1978, das seinerseits indiziert ist, vgl. nur BAnz. Nr. 21 v. 31. 01. 1987, Entscheidung Nr. I 3/87 v. 12. 01. 1987 und auch mehrfach beschlagnahmt wurde, vgl. JMS-Report 5/2017, S. 59, obgleich es deutlich weniger grausame Gewalt zeigt. 359 AG Augsburg, JMS-Report 6/2012, S. 72. Das Gericht stellt allerdings auf Var. 3 ab, wobei die Begründung des Gerichtes eben eher nach Var. 1 klingen, da die Gewalt eben als gerechtfertigt und gerade nicht selbstzweckhaft ohne jeglichen Kontext moniert wird. So wird der jeweilig gequälte Vergewaltiger gerade nicht zum bloßen Objekt degradiert und dabei dessen fundamentaler Wert- und Achtungsanspruch missachtet, denn die durchaus extremen Gewalttätigkeiten werden den Peinigern eben nicht grundlos und lediglich zur Hervorrufung sadistischen Vergnügens des Zuschauers zugefügt, sondern gerade als Reaktion auf die besonderen persönlichen Taten des jeweiligen Vergewaltigers. Gerade diese Spiegelbildlichkeit der Gewaltanwendung wird übrigens gerade in der vollkommen übertrieben brachialen deutschen Schnittfassung verdeckt, der ganze 13 Minuten zum Opfer fielen, vgl. Schnittbericht „I Spit on Your Grave“.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Teilweise findet sich darüber hinaus eine vermeintlich restriktive Einschränkung der Definition, dass durch die Darstellung eine positive Identifikation des Rezipienten mit dem Täter ermöglicht werden muss.360 Dies ist jedoch nur auf den ersten Blick enger als die eingangs dargestellte Definition. Gerade die geforderte Schilderung von Gewalt in einem positiven Bewertungszusammenhang wie eben bspw. bei nemesisartiger Rache erlaubt oft eine gewisse Identifikation. Darüber hinaus kann sich selbst ohne den positiven Bewertungszusammenhang eine gewisse Identifikation mit vor allem charismatischen Protagonisten trotz oder sogar gerade auch über deren Gewalttaten ergeben. Man denke nur allgemein an die ikonische „The Godfather“-Trilogie von Francis Ford Coppola sowie im Speziellen an Johnny Depp im blutigen Splatter-Musical „Sweeney Todd“ (2007), Heath Ledgers Verkörperung von The Joker in „The Dark Knight“ (2008) oder Anthony Hopkins Verkörperung des Dr. Hannibal Lecter in „The Silence of the Lambs“ (1991). Auch abseits des Mainstreams porträtiert bspw. der deutsche Autorenfilm „Nekromantik 2“ (1991) nach der Intention361 des Regisseurs Jörg Buttgereit eine „positiv wirkende weibliche Identifikationsfigur“ als Protagonistin, die einen emotionalen Zwiespalt zwischen der Zuneigung sowohl zu einem Lebenden als auch zu einer Leiche durchlebt, der sich schließlich in einem blutigen und orgastischen Finale entlädt. Nicht um eine Verherrlichung soll es sich dagegen handeln, wenn die Gewaltdarstellung notwendig ist, um zu demonstrieren, welche Rolle Gewalt in der Gesellschaft spielt und zu welchen Grausamkeiten der Mensch fähig ist.362 Damit fallen insbesondere soziale und gesellschaftliche Fallstudien wie die beiden überaus polarisierenden Meisterwerke „Salò, oder die 120 Tage von Sodom“363 (1975) von Pier Paolo Pasolini und „Irréversible“364 (2002) von Gaspar Noé wohl nicht unter Var. 1, obgleich sie überaus voyeuristisch und exzessiv erniedrigende Gewalt porträtieren.

360 Beisel, Kunst, S. 281; vgl. auch LG Berlin, ZUM-RD 2017, S. 274 (S. 275), demnach das Verhalten zudem als nachahmenswert dargestellt werden muss, ablehnend: Fischer, StGB, § 131, Rn. 9. 361 Vgl. Interview mit Jörg Buttgereit, in: Seim/Spiegel, Ab 18, S. 213. „Nekromantik 2“ war der erste deutsche Autorenfilm, der am 23. 4. 1992 wegen § 131 StGB bundesweit vom AG Berlin beschlagnahmt wurde, vgl. a.a.O. 362 Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 30; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 29; SternbergLieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 9. 363 Orig.: „Salò o le 120 giornate di Sodoma“. Vgl. zur Straflosigkeit auch nach § 184 StGB: BGH, UFITA 86 (1980), S. 208. Gleichwohl in Deutschland indiziert, vgl. BAnz. Nr. 114 v. 26. 06. 1987, Entscheidung Nr. 3753 v. 11. 06. 1987. 364 Bei der Premiere in Cannes verließen ca. 250 der über 2000 Zuschauer den Saal, was dem Film den Titel „most walked-out-of movie“ einbrachte, vgl. Runge, Stilmittel der chronologischen Inversion, S. 72. Anlass für die Flucht war eine Szene, in der Monica Belluccis Charakter in einer Fußgänger-Unterführung brutal vergewaltigt wird, während dem Rezipienten gerade nicht die sonst durch häufige Schnitte ermöglichte emotionale Distanzierung vom Filmgeschehen erlaubt wird, da die fast zehnminütige Vergewaltigung in einer einzigen statischen Kameraeinstellung gezeigt wird.

D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung

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Gleichwohl besteht insgesamt die Gefahr, dass unter die Definition des Verherrlichens zu viele Filme subsumiert werden können. bb) Tatbestandsrestriktion? Deshalb wollen einige Stimmen eine Art Tatbestandsrestriktion infolge sozialer Adäquanz vornehmen, solange ein Film die im jeweiligen Genre anerkannten Grenzen einhält.365 Überzeugt sehr wohl das Ergebnis, Spielfilme straffrei zu stellen, so ist doch der Weg zu kritisieren. Zum einen ist einem solchen Vorschlag nämlich entgegenzuhalten, dass diese Abgrenzung nicht pragmatisch ist, da Genregrenzen zu fließend sind und gerade avantgardistische Filme diese fortlaufend zu verschieben, zu überschreiten oder zu verschmelzen versuchen. Zum anderen ist dem Vorschlag in seiner Pauschalität zu widersprechen: So werden viele der „gängigen Western, Krimis und Actionfilme sowie Comic-Strips“ bereits der normalen Definition nach zwar durchaus Gewalt schildern, aber eben nicht verherrlichen und so bereits ohne eine besondere Tatbestandsreduktion dem § 131 StGB nicht unterfallen.366 Insbesondere bei Genres wie den erwähnten „Rape-Revenge“-Filmen liegt hingegen je nach Film eine so deutliche Verherrlichung von Gewalt vor, dass eine andere Auslegung den Wortlaut sprengen würde. Eine über die Wortlautgrenze hinausgehende Tatbestandsreduktion widerspräche jedoch dem im zweiten Teil Postulierten. cc) Zwischenergebnis Insgesamt ist also das Merkmal der Verherrlichung durchaus restriktiv und damit in Bezug auf die Kunstfreiheit verfassungskonform auszulegen. Darüber werden so auch viele der härteren Filme bereits aus der Strafbarkeit ausscheiden. Abermals ist jedoch festzuhalten, dass sich durchaus Filme bzw. gar ganze Genres finden, bei denen die Verneinung einer Gewaltverherrlichung die Grenze des Wortlautes sprengen würde. Bei diesen Werken, die mit ihrer Darstellung tatsächlich Gewalt verherrlichen, indem sie sie in einen positiven Bewertungszusammenhang stellen, ist 365 Ausdrücklich Rackow, in: Festschrift für Manfred Maiwald, S. 211; Sternberg-Lieben/ Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 9 bzgl. der „gängigen Western, Krimis und Actionfilme sowie Comic-Strips“. Grundsätzlich mit gleicher Aufzählung, aber ohne explizite Bezeichnung als „Tatbestandsrestriktion infolge sozialer Adäquanz“: Erdemir, Filmzensur und Filmverbot, S. 84 f.; ders., ZUM 2000, S. 702 f.; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 29; vgl. ähnlich Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 131, Rn. 6. Dagegen ablehnend: OLG Koblenz, NStZ 1998, S. 40 (S. 41). 366 So könnte auch Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 30 verstanden werden. Beispielhaft seien die oben angeführten Italowestern wie Sergio Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“ (Orig.: „Il grande silenzio“) (1968) und Sergio Leones Dollar-Trilogie (1964 – 1966), Agentenfilme wie die James-Bond-Filme „Casino Royal“ (2006) und „Spectre“ (2015), oder der Historienfilm „Saving Private Ryan“ (1998) genannt, die allesamt Gewalt schildern, gleichwohl aber nicht verherrlichen.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

also durchaus der Tatbestand zu bejahen und vielmehr eine Straffreistellung auf Rechtswidrigkeitsebene anzustreben. Dort steht dann schließlich der Kunstfreiheit bei Var. 1 – außer im Falle einer Tathandlung nach § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) und Nr. 2 a) StGB und damit dem Jugendschutz – nur der öffentliche Frieden entgegen, der Eingriffe in die Kunstfreiheit nicht zu rechtfertigen vermag. b) Verharmlosung (Var. 2) Das Merkmal der zweiten Variante – eine Verharmlosung – ist natürlich zunächst nicht erfüllt, sobald die Gewalttätigkeiten wie in der Mehrzahl der Veröffentlichungen als etwas Negatives, ja gar Widerwärtiges oder Abstoßendes dargestellt werden.367 Im Gegensatz zur Verherrlichung, bei der Gewalt positiv überhöht wird, bedeutet Verharmlosung deshalb das Herunterspielen der Gewalt. Prima facie könnte man diese Definition so natürlich bei all den unrealistischen und so durchaus verharmlosenden Darstellungen von Mainstream-Filmen erfüllt sehen, bei denen z. B. Menschen nach einem Schuss einfach umfallen und still daliegen, anstatt authentischer- und abschreckenderweise zu bluten und zu leiden. Allerdings genügt für die Bejahung der Var. 2 nicht, dass die Gewalt lediglich durch bloße Nichtdarstellung heruntergespielt wird, vielmehr muss sie gerade aktiv durch die Darstellung bagatellisiert werden. Var. 2 ist somit erst dann erfüllt, wenn die Gewalt als nicht verwerfliche, sondern vielmehr probate Lösung zwischenmenschlicher Konflikte porträtiert wird.368 Teilweise wird auch darauf rekurriert, ob selbstzweckhafte Gewalt beiläufig oder emotionsneutral als quasinormal geschildert wird.369 Anstatt in einen positiven (Var. 1) oder einen negativen (straflosen) Bewertungszusammenhang wird die Gewalt so bei Var. 2 in einen gleichgültigen Bewertungszusammenhang gesetzt. Als Beispiel aus der Rechtsprechung kann der Slasher-Film „Maniac“ (1980) dienen, in dem brutale Frauenmorde und Skalpierungen nach Auffassung der Gerichte370 durch ihre Darstellung als Lösung eines Mutter-Sohn-Konfliktes verharmlost würden. Auch die schwarzhumorige Mockumentary „Mann beißt Hund“ (Orig.: „C’est arrivé près de chez vous“) (1992) schildert übertriebene Gewalt emotionsneutral und als quasinormal für den Protagonisten und zunehmend auch für das im Film dargestellte Kamerateam der angeblichen Dokumentation. Auch weit verbreitete und akkreditierte Filme könnten der Verharmlosungsdefinition unter367

OLG Koblenz, NStZ 1988, S. 40 (S. 41). BT-Drs. VI/3521, S.7; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 31; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 30; Fischer, StGB, § 131, Rn. 10; OLG Koblenz, NJW 1986, S. 1700 f.; OLG Koblenz, NStZ 1988, S. 40 (S. 41). 369 BT-Drs. 10/2546, S. 22; Geilen, in: Ulsamer, Lexikon des Rechts – Strafrecht, Strafverfahrensrecht, S. 415; Greger, NStZ 1986, S. 10. 370 OLG Koblenz, NJW 1986, S. 1700 (S. 1701); LG München, FuR 1984, S. 226 (S. 228); dabei die Kunsteigenschaft des „trivialen“ Werkes verneinend und die Beschlagnahme durch das AG München bestätigend. Der Film ist immer noch auf Liste B des Index, vgl. nur BAnz. Nr. 32 v. 26. 02. 2010, Entscheidung Nr. I 42/10 v. 09. 02. 2010. 368

D. § 131 StGB – Gewaltdarstellung

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fallen. In Quentin Tarantinos Meisterwerk „Pulp Fiction“ (1994) wird Gewalt so blutig wie nonchalant, gewissermaßen mit einem leicht spöttischen Schulterzucken ebenso lässig und beiläufig wie Gespräche über Fußmassagen und Big Kahuna Burger dargestellt. Auch die Neo-Noir Westernadaption „No Country for Old Men“ (2007) der Coen-Brüder könnte angesichts einer ans Groteske grenzenden Nüchternheit, mit der Tod und Gewalt beiläufig und emotionsneutral dargestellt werden, unter die genannte Definition der Gewaltverharmlosung subsumiert werden. Dass vor allem letztere beiden Werke nicht strafbar sein können und sollen, steht wohl außer Zweifel. Sie zeigen so, dass die herkömmlichen Definitionen äußerst restriktiv angewendet werden müssen, um einer verfassungskonformen Auslegung zu genügen. Stößt diese jedoch wieder an ihre Wortlautgrenze, so ist das entsprechende Werk wie bei Var. 1 i. d. R. auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei zu stellen, sofern nicht eine Variante des Tatbestandes vorliegt, die dem Jugendschutz dient. c) Menschenwürde verletzende Darstellung (Var. 3) Auch bei Var. 3 ist der relevante Anknüpfungspunkt erneut die Art der Schilderung, nicht die Gewalttätigkeit als solche.371 Im Rahmen des Schutzgutes wurde bereits dargestellt, worauf der Begriff der Menschenwürde in § 131 StGB abstellen kann: Nur bei (seltenst dargestellten) realen Geschehnissen kann es auf das Individualrechtsgut der persönlichen Menschenwürde des gefolterten oder getöteten Opfers ankommen. Bei der breiten Masse der fiktiven Darstellungen hingegen kommt höchstens die Menschenwürde als abstrakter Wert in Betracht. Für Var. 3 als Tatbestandsmerkmal gilt prinzipiell dasselbe.372 Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, wann dieses Merkmal erfüllt ist. aa) Selbstzweck-Formel? Teilweise findet sich die Definition, dass eine Darstellung dann die Menschenwürde i. S. d. Var. 3 verletzen würde, wenn der unmenschlichen Gewaltschilderung Selbstzweck zukomme, sie also zur reinen Unterhaltung durch die Gewalt als solche dargestellt würde.373 Das entspricht im Prinzip genau der Charakterisierung des Horror-Subgenres des „Torture-Porn“374. Dieses umfasst Filme, bei denen die explizite Darstellung des 371

Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 33; OLG Koblenz, NStZ 1998, S. 40 (S. 41). Vgl. i. E.: Beisel, Kunst, S. 282 ff.; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 11. 373 v. Hartlieb, ZUM 1986, 114 f.; frühere Rechtsprechung zu Horrorfilmen, vgl. nur AG Tiergarten, JMS-Report 1/1996, S. 6 (S. 7) (Friday the 13th); LG Frankfurt am Main, BPSReport 5/1988, S. 45 ff. (Freitag der 13. – das letzte Kapitel); ähnlich auch Fischer, StGB, § 131, Rn. 12. 374 Vgl. zum Begriff und Wesen des „Torture-Porn“: Stiglegger, Terrorkino, insb. S. 32; Davis/Natale, in: Hantke, American Horror Film, S. 36, 48. 372

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kontextlosen Quälens und Folterns um der extremen Gewaltdarstellung selbst Willen erfolgt – ähnlich der expliziten Darstellung von kontextlosem Sex in der Pornographie, daher der Name. Bekannteste Vertreter sind die „Hostel“- und „Saw“Franchises. Generell werden wohl beinahe alle Filme aus dem Genre des TorturePorn und allgemein auch viele Splatterfilme unter eine solche weite SelbstzweckFormel subsumierbar sein. Sie alle enthalten – je nach Film mal mehr und mal weniger – Szenen, in denen der Gewalt als Sensations-, Schock- oder Ekeleffekt ein reiner Selbstzweck zukommt. Dies soll nun eigentlich nicht verwundern, wenn die Var. 3 ausdrücklich zur Pönalisierung exzessiver und detailvoller Horror-Filme in den Wortlaut des § 131 StGB aufgenommen wurde.375 bb) Definition von BVerfG und Literatur Allerdings wurde einer derart weit verstandenen Selbstzweck-Formel vom BVerfG bereits in dessen „Tanz der Teufel“-Entscheidung eine ausdrückliche Absage erteilt.376 Dort führte das BVerfG aus, dass eine anreißerische, aufdringliche und ohne sozial sinnhafte Motivation selbstzweckhaft geschilderte rohe Gewalttat eben noch nicht zur Bejahung der Var. 3 genüge. Das Merkmal des Menschenwürdeverstoßes müsse restriktiv ausgelegt werden, weil sonst wegen der drohenden Unbestimmtheit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vorläge. Deshalb müsse zuzüglich zur Selbstzweck-Formel „der Betrachter zur bejahenden Anteilnahme an den Schreckensszenen angeregt“ werden. Die Schilderung müsse darauf angelegt sein, „beim Betrachter eine Einstellung zu erzeugen oder zu verstärken, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt“ oder „beim Betrachter ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln“. Erst dann werde durch die Darstellung eines rein fiktiven Vorgangs die Menschenwürde verletzt, weil die Vorstellung vom Menschen als bloßem, nach Belieben verfügbarem Objekt geweckt werde. Auch die Literatur hat sich den Ausführungen des BVerfG im Wesentlichen angeschlossen, wenn sie für die Annahme der Var. 3 das Folgende fordert: Der jeweilige Film müsse ohne Sinnzusammenhang zu anderen Lebensvorgängen die Vorstellung vermitteln, der einzelne Mensch sei als bloßes Gewalt- oder Triebobjekt verfügbar; die Darstellungen müssten dazu so konzipiert sein, dass sie sadistisches Sehvergnügen wecken und befriedigen und damit letztlich beim Rezipienten eine Einstellung erzeugen oder verstärken, die den aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch eines Menschen leugnet.377 Erdemir bezeichnet das zu fordernde Merkmal so treffend als „Sadismusaffirmation“.378 375

BT-Drs. 10/2546, S. 23. Vgl. auch Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 131, vor Rn. 1, der Splatterfilme als Anwendungsbereich der Var. 3 nennt. 376 Hier und für den Rest des Absatzes: BVerfGE 87, 209 (228 ff.) (Tanz der Teufel). 377 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 131, Rn. 11; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 38 f.; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131,

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cc) Stellungnahme: Extrem enges Verständnis In der Tat ist die Var. 3 des § 131 StGB nicht nur im Allgemeinen wegen Art. 103 Abs. 2 GG, sondern vor allem im Kontext des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG extrem eng zu verstehen. Die restriktive Doktrin des BVerfG überzeugt deshalb im Grundsatz, denn mehr noch als bei den vorangegangenen beiden Varianten ist hier problematisch, dass durch die Unbestimmtheit dieses Merkmals eine Art „Geschmackszensur“379 von Kunst Einzug durch die Hintertür halten könnte. (1) Besonderheiten des Schutzgutes von Var. 3 Dass diese Gefahr bei Var. 3 größer als bei den anderen Varianten ist, liegt vor allem an der Besonderheit des hinter dieser Variante stehenden Schutzgutes. Bei Var. 1 und 2 steht schließlich – außer im Falle der Tathandlungen des § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) und Nr. 2 a) StGB und damit des Jugendschutzes – der Kunstfreiheit lediglich der öffentliche Frieden gegenüber. Somit sind derartige Werke i. d. R. selbst bei Bejahung des Tatbestandes sodann auf Rechtswidrigkeitsebene durch eine direkte Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG straffrei zu stellen. Dagegen steht hinter Var. 3 als Schutzgut zusätzlich die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG: Handelt es sich nun ausnahmsweise um reale Aufnahmen (vor allem in Form sog. Snuff-Videos), so ist darunter wie oben380 aufgeführt die individuelle Menschenwürde des konkret dargestellten Folter- bzw. Tötungsopfers zu verstehen. Diese ist als subjektives Abwehrrecht natürlich unantastbar, also wirklich absolut schrankenlos gewährt, sodass ein Eingriff nicht zu rechtfertigen wäre.381 Die Kunstfreiheit muss so immer hinter der individuellen Menschenwürde zurücktreten.382 Deshalb ist der Schutzbereich der Menschenwürde auch stets von der möglichen Verletzung her zu betrachten, hier also vor allem mit Berücksichtigung des Charakters des jeweiligen Werkes zu beantworten.383 Die Grundrechte sind nämlich selbst Konkretisierung des Prinzips der Menschenwürde, sodass nach dem BVerfG deren Ausübung nur bei sorgfältiger Begründung als Verletzung der Menschenwürde gesehen werden Rn. 11; Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 34 ff.; zustimmend auch Beisel/Heinrich, NJW 1996, S. 496. 378 Erdemir, in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 326. 379 So auch Beisel, Kunst, S. 289; Beisel/Heinrich, NJW 1996, S. 496 und Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 332. 380 Siehe oben S. 216 f. 381 Vgl. BVerfGE 30, 173 (193) (Mephisto); Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 1, Rn. 4, 25; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 73; Fischer, Kunst, S. 166. 382 Fischer, Kunst, S. 166. Vgl. allgemein: BVerfGE 75, 369 (380) (Kopulierendes Schwein); Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 454; Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 306; vgl. aus der neueren Literatur zur Ausstellung „Körperwelten“: Thiele, NVwZ 2000, S. 407; Hufen, DÖV 2004, S. 614. 383 Vgl. BVerfGE 83, 130 (146) (Josefine Mutzenbacher); Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 36, 73.

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kann.384 Regelmäßig werden nun aber Snuff-Filme schon keine Kunst darstellen.385 Denn weder ist Snuff ein Kunst-Genre, sodass der formale Kunstbegriff zu bejahen wäre, noch lässt sich bei einem Snuff-Film eine schöpferische Gestaltung als Ausdruck der Künstlerindividualität i. S. d. materialen Kunstbegriffes oder eine über die bloße Darstellung hinausgehende Interpretierbarkeit i. S. d. zeichentheoretischen Ansatzes bejahen. Handelt es sich hingegen um rein gestellte und fiktive Werke, so kann sich die Var. 3 wie oben386 herausgearbeitet höchstens auf die abstrakte Würde des Menschen als Gattungswesen beziehen. Die Konfrontation mit der Kunstfreiheit führte dann zu einem der beiden folgenden Szenarien: Entweder erklärte man die abstrakte Menschenwürde für abwägbar,387 was zur skurrilen Einzelfall-Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und Menschenwürde führte und die obskure Frage aufwürfe, in welchen Fällen es nun einem Künstler erlaubt sei, die abstrakte Menschenwürde zu verletzen. Oder man hielte eisern am Konstrukt der Unabwägbarkeit fest, sodass die Kunstfreiheit stets zurückstehen müsste. In beiden Fällen bedeutete ein Unterliegen der Kunstfreiheit eine Beschränkung derselben durch eine rein abstrakte, extrem unbestimmte und damit willkürliche Moralgrenze388 und nicht durch ein konkret betroffenes Rechtsgut. Nicht nur würde damit durch die Hintertür doch noch ein oben389 allgemein abgelehnter ethischer Kunstbegriff eingeführt. Mehr noch würde – da gerade auch mit dem BVerfG390 die Ausübung der Kunstfreiheit als Ausübung eines Teils der individuellen Menschenwürde des Künstlers zu sehen ist – letztlich des Künstlers individuelle Würde attackiert, wenn dieser vom eigenverantwortlichen, mündigen und freihandelnden Subjekt zum Objekt einer staatlich oktroyierten, paternalistischen Moralvorstellung degradiert wird. Damit wäre das Freiheitsversprechen der Menschenwürde letztlich zu einer staatlichen Eingriffsermächtigung mutiert und so ihr eigentlicher Sinn negiert.391

384

BVerfG, NJW 2008, S. 2907 (S. 2909); BVerfGE 93, 266 (293); 107, 275 (284). So auch Beisel, Kunst, S. 296. Da allerdings auch die Kunsteigenschaft für „Gesichter des Todes“ (Orig.: „Faces of Death“) (1978) abgelehnt, wo zwar ebenfalls teilweise reale Geschehnisse gezeigt werden, jedoch künstlerisch vermischt mit gestellten Szenen in einer Art Collage aufbereitet und mit Mockumentary-artigen Kommentaren versehen, sodass diesbzgl. im Gegensatz zu reinen Snuff-Clips durchaus die Kunstwerkeigenschaft zu bejahen ist. Der Film ist übrigens nur nach Liste A indiziert, vgl. nur BAnz. AT 28. 02. 2017 B6, Entscheidung Nr. I 11/17 v. 09. 02. 2017 m. w. N. 386 Siehe oben S. 216 f. 387 So speziell für den vorliegenden Fall: Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 409, Fischer, Kunst, S. 165 f., der der abstrakten Menschenwürde für sich allein aber die Geeignetheit zur Einschränkung der Kunstfreiheit abspricht. 388 Vgl. i. E. ähnliche Bedenken bei Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 332; Beisel, Kunst, S. 289; Beisel/Heinrich, NJW 1996, S. 496. 389 Siehe oben S. 42 f. 390 BVerfG, NJW 2008, S. 2907 (S. 2909); BVerfGE 93, 266 (293); 107, 275 (284). 391 Vgl. treffend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 150. 385

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Aus diesem Grund muss Var. 3 im Kontext der Kunstfreiheit extremst restriktiv gehandhabt werden. Es lässt sich gar durchaus der Schluss ziehen, die abstrakte Menschenwürde könne gar nicht von fiktiver Kunst betroffen sein – es bestehe gar keine Kollisionslage.392 Insgesamt ist die abenteuerliche Konstruktion einer abstrakten Würde des Menschen als Gattungswesen auch über den Bereich des § 131 StGB hinausgehend äußerst kritisch zu sehen, da damit die gesamte Idee von der Menschenwürde als summum bonum unterminiert wird und dem Menschenwürdeargument letztlich die Schlagkraft genommen wird.393 (2) Vorgeschlagene Definition Vor diesem Hintergrund sind für die Frage, wann ein fiktives Kunstwerk und insbesondere ein gestellter Spielfilm ausnahmsweise einmal gleichwohl unter Var. 3 subsumiert werden könnte, extrem enge Voraussetzungen aufzustellen. Dabei ist grundsätzlich an die oben dargelegte enge Definition des BVerfG anzuknüpfen, diese jedoch vor allem für fiktive und gestellte Werke in einem etwas anderem Kontext bzw. Maßstab anzulegen. Grundsätzlich betrifft die Betrachtung des BVerfG und der Literatur nämlich die einzelne Gewaltdarstellung. Erfüllt also eine einzelne Szene eines Filmes obige Definition, so unterfällt zunächst einmal das gesamte Werk dem § 131 StGB. Folglich drohen Beschlagnahme des Werkes und strafrechtliche Ahndung der Verbreiter, solange nicht genau die neuralgische Szene aus dem Film herausgeschnitten wird. Deshalb werden in der Praxis Filme so lange um kritische Sequenzen gekürzt, bis die FSK den Film zumindest ab 18 Jahren freigibt oder die Juristenkommission der SPIO das Prädikat „strafrechtlich unbedenklich“ verleiht. Extrembeispiele sind der schon erwähnte „The Human Centipede II (Full Sequence)“ (2011) und der Terror-Thriller „A Serbian Film“ (Orig.: „Srpski film“) (2010) – der wohl kontroverseste Spielfilm der jüngeren Filmgeschichte –, die um bis zu 17(!) Minuten geschnitten wurden, um eines dieser Label zu erhalten.394 Die übrig gebliebenen ver392 So Meirowitz, Jura 1993, S. 154; ders., Gewaltdarstellungen, S. 387 f.; Erdemir, in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 328; auch Fischer, Kunst, S. 165 f. 393 Vgl. nur Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Knut Amelung, S. 347 ff. gegen solch ein paternalistisches und moralaufdrängendes Menschenwürde-Konzept und treffend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 150: „Es ist verfehlt, Menschenwürde als ein objektives Wertkonzept zu interpretieren und gegen ihr eigentliches Fundament, nämlich individuelle Autonomie und Selbstbestimmung über das eigene Leben, auszuspielen. Denn dadurch mutiert sie von einem Freiheits- und Gleichheitsversprechen zugunsten aller Menschen zu einer staatlichen Eingriffsermächtigung. Das würde ihren Sinn ins Gegenteil verkehren.“ Insgesamt ablehnend gegen die Menschenwürdevariante des § 131 StGB: Köhne, GA 2004, S. 185. 394 Vgl. Schnittbericht „Human Centipede II“; Schnittbericht „A Serbian Film“. „A Serbian Film“ thematisiert die zunehmend gegen den Willen des Protagonisten erzwungene Produktion eines Snuff-Filmes mit nekro- und pädophilen Elementen und will sich als politischer Kommentar auf die Situation in Serbien verstanden wissen. Dieser Film trifft selbst in der hartgesottenen und sonst gegenüber beinahe allen Filmen offenen Splatterfilm-Gemeinde auf einige harte Stimmen der Ablehnung, wie z. B. User „Kerry“: „jetzt schreibe ich, was ich

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stümmelten Rumpffassungen haben freilich nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Werk zu tun und sind durch extrem grobe Bild-, Ton- und Handlungssprünge unschaubar. Dieses Vorgehen mag auch grundsätzlich zur Einhaltung des Jugendschutzes gerechtfertigt und zur Erlangung niedrigerer Altersfreigaben, dem Erlauben von Filmwerbung oder der Aussendung im Fernsehen durchaus sinnvoll sein. Es ist jedoch mit der Kunstfreiheit nicht vereinbar, diese Werke auch für den Konsum durch volljährige und mündige Rezipienten derart zu verstümmeln und diesen in paternalistischem Ton vorzuschreiben, was sie sich anschauen dürfen und was nicht. Wie schon die Beschränkung des Künstlers durch eine reine abstrakte Moralgrenze widerspricht auch diese Entmündigung des Rezipienten dem Menschenbild des Grundgesetzes als freiem und selbstbestimmtem Individuum. Nebenbei gesagt ist es auch ein hoffnungsloses (und damit nach den Maßstäben der verfassungsrechtlichen Abwägung gar „ungeeignetes“?) Unterfangen. Die ungeschnittenen Filmversionen können schließlich einfach über das Internet im Ausland bezogen werden. Selbst deutsche Synchronisationen sind zumeist in Österreich bestellbar. Anstatt also für die Bestimmung eines Verstoßes gegen Var. 3 die einzelnen Szenen aus dem Kontext gerissen zu betrachten, ist es vielmehr geboten, eine echte Gesamtbetrachtung des jeweiligen Werkes vorzunehmen. Es kann so letztlich zwar durchaus auf eine Art Selbstzweck-Formel rekurriert werden, allerdings konsequent auf das gesamte Werk bezogen. Nicht ausreichend ist, wenn lediglich einzelne Szenen übersteigerte Gewalt um ihrer selbst Willen darstellen. Dies muss i. S. d. künstlerischen Ausdrucksvielfalt als Stilmittel möglich sein. Vielmehr müsste das gesamte Werk einzig den Sinn einer menschenunwürdigen Darstellung haben, damit eine Bejahung der Var. 3 auch bei fiktiven und gestellten Werken in Betracht gezogen werden könnte. Entweder dürften sich also gar keine gewaltlosen Szenen finden. Oder einzelne gewaltlose Sequenzen wie Einleitung, Zwischenhandlungen und Schluss dürften lediglich komplett beliebiges und austauschbares Gerüst bzw. bloßes Vehikel für die exzessive Darstellung menschenunwürdiger Gewalt als dem einzig wirklich relevanten und tragenden Element sein – im Prinzip genau wie bei plumpen Pornofilmen sexlose Einleitungs-„Dialoge“ austauschbares Gerüst für die Darstellung von kontextlosem Sex sind. Umgekehrt ist also zu fragen, ob bei Ausblendung der exzessiven Gewaltdarstellung objektiv betrachtet eine narrative, ästhetische oder ähnliche Substanz bzw. ein wie auch immer gerarteter Sinn des Restfilmes erhalten bleibt. Natürlich darf diese Restsubstanz bzw. dieser Restsinn dann nicht im Sinne einer Niveaukontrolle bewertet werden. Es muss losgelöst von noch zu keinem Film geschrieben habe: dies ist widerwärtiger, kranker, übelkeitserregender Mist“, vgl. Kommentare unter Schnittbericht „A Serbian Film“. Angesichts der besonders heftig kritisierten „Newborn-Porn“-Szene als bislang in Filmen ungesehenem Tabubruch wird sich allerdings eher das hier nicht behandelte Problem eines Verstoßes gegen die §§ 184 ff. StGB stellen. Gleichwohl wurde der Film erst neulich von Liste B auf die strafrechtlich unbedenkliche Liste A umgetragen, vgl. BAnz. AT 30. 04. 2015 B5, und zwar nicht nur in seiner 4 Minuten kürzeren britischen Fassung, sondern auch in einer niederländischen Uncut-Fassung, die wohl fälschlicherweise(?) als inhaltsgleich zur britischen Fassung behandelt wird, vgl. https://www.schnittberichte.com/news.php?ID=8917.

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einer subjektiv gefärbten oder gar inhaltlichen Bewertung gefragt werden, ob überhaupt eine Substanz oder ein Sinn vorliegt, nicht was für eine Substanz oder was für ein Sinn. Nur wenn eine Restsubstanz und ein Restsinn komplett fehlten, könnte in einem ersten Schritt die Selbstzweck-Formel für das gesamte Werk bejaht werden. Kumulativ müsste dann aber noch eine weitere Voraussetzung hinzukommen. Es scheint nämlich, als würde oft eine bedeutsame Aussage der „Tanz der Teufel“Entscheidung des BVerfG bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach Var. 3 mehr oder weniger unter den Tisch fallen gelassen. Das BVerfG selbst hat schließlich wie oben aufgeführt gefordert, dass das Werk neben der qualifizierten Gewaltdarstellung gerade intentional darauf angelegt sein muss, beim Betrachter eine menschenwürdewidrige Einstellung bzw. sadistisches Vergnügen zu erzeugen oder zu bestärken.395 Im Unterschied zu Var. 1 ist dabei zwar nicht zwingend nötig, dass die Gewalt positiv dargestellt wird, wenn sie trotz neutraler oder gar negativer Konnotation eine solche Beeinflussungsintention aufweisen sollte. Mit Köhne396 ist diesbezüglich allerdings zu betonen, dass in kaum einem Fall des § 131 StGB nachzuweisen sein wird, dass der Künstler den Rezipienten wirklich intentional negativ beeinflussen will – ganz im Gegensatz bspw. zu den i. d. R. gerade auf eine Beeinflussung des Rezipienten gerichteten volksverhetzenden Äußerungen im Bereich des sogleich ausführlich zu behandelnden § 130 StGB. Ein fiktives Werk kann so nur dann Var. 3 erfüllen, wenn es ohne eine weitere narrative, ästhetische oder ähnliche Restsubstanz oder einen wie auch immer gearteten Restsinn aufzuweisen insgesamt und nicht lediglich in einzelnen Szenen dem reinen Selbstzweck der Gewaltdarstellung dient, sowie kumulativ eine vom Künstler intendierte Sadismusaffirmation und bewusst angelegte Erzeugung einer menschenwürdewidrigen Einstellung beim Rezipienten aufweist. (3) Beispiele Diese Vorgaben angewendet lassen nun auch die berühmten Torture-PornFranchises „Hostel“ und „Saw“ aus der Var. 3 herausfallen.397 Zunächst dienen diese – ersichtlich angesichts unzähliger Fortsetzungen – primär dazu, Einnahmen zu generieren und sind nicht darauf angelegt, Rezipienten negativ zu beeinflussen und 395

Vgl. erneut BVerfG 87, 209 (228) (Tanz der Teufel). Köhne, GA 2004, S. 186. 397 Vgl. z. B. bei „Saw V“ i. E. wegen Verneinung der Sadismusaffirmation durch VG Köln, JMS-Report 3/2011, S. 63 Indizierung nach Liste B aufgehoben. „Saw VII – Vollendung“ wurde als einziger Teil der Reihe durch das AG Tiergarten, JMS-Report 2/2012, S. 72 beschlagnahmt, allerdings wurde die Beschlagnahme durch LG Berlin, JMS-Report 1/2013, S. 90 wieder aufgehoben (zwar aus formellen Gründen, gleichwohl äußerte das LG Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit des Filmes); deshalb Umtragung in Liste A im Januar 2013, BAnz AT 31. 01. 2013 B4. Auch „Saw III“ wurde von Liste B auf Liste A umgetragen, vgl. BAnz AT 31. 10. 2013 B10, sodass mittlerweile keiner der Teile des Franchises im Verdacht des Verstoßes gegen § 131 StGB mehr steht. Anders sieht es bei „Hostel“ aus, dessen zweiter Teil beschlagnahmt ist, vgl. JMS-Report 5/2017, S. 62. 396

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diesen ein menschenwürdewidriges Menschenbild zu indoktrinieren. Zudem weisen die Filme selbst bei Hinwegdenken der Gewaltdarstellungen immer noch eine thriller-ähnliche Handlung auf. Zudem stellen sie Gewalt in einem übergeordneten Sinnzusammenhang dar. Im Falle von „Saw“ wird so u. a. die Frage aufgeworfen, was dem Individuum sein eigenes Leben wert ist. „Hostel“ kann als Kapitalismuskritik und selbstreflektiver Spiegel für den Rezipienten derartiger Filme verstanden werden, wenn Folter als hedonistisches Freizeitvergnügen in einer übersättigten Wohlstandsgesellschaft darstellt wird. Die plakative Darstellung von unmenschlicher Gewalt als Selbstzweck für einen gesamten Film, in dem faktisch ohne andere Geschehnisse die volle Spielzeit gefoltert wird, findet sich zur Zeit wohl nur in einigen extremen japanischen Torture-Porns wie Teilen der „Guinea Pig“Reihe398 oder „Grotesque“399 (2009).400 Apropos Grotesque: Zu beachten ist natürlich immer, dass eine vollkommen übertriebene Gewaltdarstellung auch eine nicht ernst zu nehmende Groteske sein kann.401 Deshalb kann auch Peter Jacksons „Braindead“ (1992) als absurde, schräghumorige Persiflage auf den Splatterfilm und nicht zuletzt die ödipale MutterSohn-Beziehung von Alfred Hitchcocks „Psycho“ (1960) trotz der ikonischen Rasenmäher-Szene, bei der unfassbare 300 Liter Filmblut pro Minute vergossen wurden,402 nicht als Menschenwürdeverstoß subsumiert werden.403 398 Teile der „Guinea-Pig“-Reihe wurden – u. a. von Charlie Sheen, sowie japanischen und amerikanischen Polizeibehörden – gar als Snuff-Filme missinterpretiert, weil die Gewaltdarstellung so unverfremdet und ohne jegliche Handlung gezeigt wird, vgl. das Interview mit dem Regisseur des zweiten Teils bei Salvador, Flowers of Flesh and Blood. Vgl. zur Beschlagnahme in Deutschland JMS-Report 5/2017, S. 59 und 62 (letzteres unter dem Titel „Devil Doctors Women/Guinea Pig’s Greatest Cuts“). 399 Auf Liste B wegen § 131 StGB indiziert, vgl. BAnz. Nr. 50 v. 31. 03. 2010, Entscheidung Nr. 9143 (V) v. 11. 03. 2010 und erneut BAnz. AT 31. 01. 2017 B3, Entscheidung Nr. I 3/17 v. 4. 01. 2017. 400 Eine abschließende Wertung der Filme als ein Verstoß gegen die Menschenwürdevariante soll mit obigen Satz jedoch nicht verbunden sein, da diese Filme als die einzigen der i. R. d. Arbeit behandelten Beispiele vom Autor nicht in Gänze in der Uncut-Version gesichtet wurden. 401 Vgl. etwa BVerfGE 87, 209 (230) (Tanz der Teufel): das Geschehen könne „nach dem Gesamteindruck […] wegen seiner bizarren Übersteigerung durchaus auch als lächerlich und grotesk …“ erlebt werden; vgl. auch ferner Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 26. 402 Vgl. zur Menge Bang, In diesem Horrorfilm fließt das meiste Blut. Wegen dieser Szene auch der deutsche Titel: „Braindead – Der Zombie-Rasenmähermann“. 403 Der Kultfilm ist seit 1993 indiziert, vgl. BAnz. Nr. 243 v. 28. 12. 1993, Entscheidung Nr. 4578 (V) v. 1. 12. 1993, wird seit AG Tiergarten, Beschlagnahmebeschluss v. 09. 07. 1999, Az.: 350 Gs 2816/99 wiederholt beschlagnahmt, vgl. nur JMS-Report 5/2017, S. 58, 61, 63 und ist unsäglicher Weise auch heute noch auf dem Index Liste B, vgl. nur BAnz. AT 31. 05. 2013 B8, Entscheidung Nr. I 21/13 v. 10. 05. 2013. Nebenbei zeigt gerade ein solcher Film das Paradoxon des Zusammenspiels der Menschenwürdevariante mit der Ausweitung von § 131 StGB auf „menschenähnliche Wesen“ auf: Wenn Gewalt gegen menschenähnliche Zombies dargestellt wird, ist dann auf deren „Zombiewürde“ abzustellen? Kritisch und pointiert Erdemir, in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 322: dann „liefe das Strafrecht Gefahr, sich lächerlich zu

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Auch einige Musik-Beispiele aus dem Bereich von Subgenres wie Brutal Death Metal, Goregrind und Deathgrind etc. könnten sich durchaus als übersteigerte Groteske auf das gesamte Metal-Genre, den Drang nach immer härterer Musik, härteren Lyrics und der Angst vor dem Vorwurf, Mainstream oder sell-outs zu sein, verstehen lassen.404 Im Vergleich zum „normalen“ härteren Metal klingen die Gitarren so noch tiefer, dissonanter und verzerrter; changieren die Drums zwischen noch schnelleren Blastbeats und noch langsameren Breakdowns. Die Lyrics erschöpfen sich dementsprechend auch nicht in der Brechung eines einzelnen Tabuthemas. Vielmehr mixen sie pädo- und nekrophile Tendenzen mit Folter, Vergewaltigung und Kannibalismus zu einer Melange, die die Texte – sofern sie nicht sowieso ironisch und schwarzhumorig gemeint sind – statt bedrohlich eher lächerlich wirken lässt in ihrem juvenilen Versuch, sich an Abartigkeit zu überbieten.405 Ist wohl den Lyrics so nicht das insgesamt Selbstzweckhafte abzusprechen, so sind sie doch in den für sich nicht unnötigen, sondern vielmehr stilbildenden Tragrahmen der je nach Genre spezifischen und teilweise durchaus komplexen Musik eingebunden. Durch die auch für geübte Ohren im Gegensatz zum „normalen“ härteren Metal hier kaum mehr verständlichen gutturalen Vocals in Form von Piq-Squeals und Inhales sind die Gewaltdarstellungen darüber hinaus derart verfremdet, dass die Details anders als bei den behandelten Filmen nicht allein durch Abspielen und Konsumieren des jewei-

machen“, vgl. auch BT-Drs. 15/1642, S. 2. Zur hyperbolischen Ästhetik des Grotesken in „Braindead“: Meteling, in: Köhne/Kuschke/Meteling, Splatter Movies, S. 55 ff. 404 Vgl. nur das Musikvideo der Internetband Infant Annihilator zum Song „Decapitation Fornication“, in dem sich über ernste Metalstereotype in Musikvideos, Gesten, Gesichtsausdrücken etc. lustig gemacht und damit das Groteske und Ironische der Darbietung noch unterstrichen wird. 405 Vgl. nur den Song „Baby Killer“ der Band Devourment: „Splaying inside the womb. Red and wet I tear chunks from the pussy. Red and wet mangled unborn baby. Eat the meat dripping from filthy cum-stained, blood-soaked, rotten cunt. Infant skull exploding in my mouth. […] I fuck the blood. I need meat on my cock. No meat can satisfy me. I must spew my seed. Spunk flows throughout the mangled infant, now I’ll chop it up. Chunks of guts fly as I stand with baby skin all over me. Forcing the blood-soaked gore unmercifully down my throat. Pieces of baby are lodged inside of me. […] I turn to its mother, blood is still flowing strongly from her butchered pussy. I drink from her fountain, stench of menstrual gore. Gagging on chunks of sliced up pussy.“ Zu den wohl bekanntesten und regelmäßig indizierten Vertretern Cannibal Corpse vgl. ausführlich Scheffler, Kunst und Gewaltverherrlichung („Butchered-at-Birth“-Fall). Bei den folgenden, allesamt wegen Verstoßes gegen § 131 StGB von AG Schwerin, v. 05. 03. 2012, Az.: 36 Gs 310/12 sowie v. 13. 03. 2013, Az.: 36 Gs 428/13 beschlagnahmten Beispielen genügen wohl bereits Band- und Plattennamen, um sich ein Bild von den behandelten Themen zu machen: „Human Meat Gluttony“ von Amputated Genitals, „Filled My Stomach with a Pregnant’s Corpse“ von Carnivore Disprosopus, „Persecute to Bloodbath“ von Human Mastication, „Vaginal Saw Entorturement“ von Extirpating the Infected, „Surgival Abnorminations of Disfigurement“ von Vomitous und „Infernal Torture“ von Meathook. Ebenfalls durch die genannten Entscheidungen wurden zwei Beispiele beschlagnahmt, die durchaus zeigen, dass sich Vertreter dieser Genres selbst nicht allzu ernst nehmen können: „Gargling with Infected Semen“ von Amputated in seiner Überspitztheit und „Clit ’Em All“ von Cliteater wohl als Zitat auf den Klassiker „Kill ’Em All“ (1983) von Metallica.

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ligen Mediums, sondern erst durch Zuhilfenahme abgedruckter406 Lyrics zu erkennen sind.407 Derartige Musikstücke sind so – zumal sie im Gegensatz zu den behandelten Filmen sowieso nur einer sehr begrenzten Zuhörerschaft bekannt sind – entgegen der geübten Praxis i. d. R. nicht von § 131 StGB erfasst. (4) Fazit Gerade für die Darstellung fiktiver und gestellter Gewalt ist zur Wahrung des Bestimmtheitsprinzips und angesichts der Bedeutung der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Menschenwürde-Variante des § 131 StGB extrem eng auszulegen. Das Werk muss bei einer Gesamtbetrachtung insgesamt und nicht lediglich in einzelnen Szenen den reinen Selbstzweck der Gewaltdarstellung haben, ohne eine weitere narrative, ästhetische oder ähnliche Restsubstanz oder einen wie auch immer gearteten Restsinn aufzuweisen. Darüber hinaus muss – wie letztlich eigentlich auch vom BVerfG gefordert – eine vom Künstler intendierte Sadismusaffirmation und bewusst angelegte Erzeugung einer menschenwürdewidrigen Einstellung beim Rezipienten bejaht werden können. Erst dann könnte auch ein fiktiver Spielfilm oder ein Musikstück ausnahmsweise Var. 3 erfüllen. Da diese Voraussetzungen bei den üblichen Spielfilmen und Musikstücken jedoch nicht kumulativ vorliegen werden, kommt man hier ausnahmsweise zu einer Art faktischen Exklusivität von § 131 StGB und Kunst. dd) Zwischenergebnis Eine Kollisionslage zwischen einem Werk, das tatsächlich Kunst darstellt, und einem abstrakten Menschenwürdeverstoß ist nach dem Vorgenannten so praktisch undenkbar.408 Anders sieht das bei einem tatsächlich individuellen Menschenwürdeverstoß, wie er insbesondere bei Snuff-Filmen vorkommen kann, aus. Bei einem solchen muss die Kunstfreiheit, so sie denn im Einzelfall überhaupt betroffen ist, zurücktreten. 5. Zusammenfassung Eine allgemeingültige Regel der Art, dass bspw. „genretypische“ Filme dem Tatbestand des § 131 StGB nicht unterfallen, lässt sich nicht finden. Das Gros an Kunst, die grausame oder unmenschliche Gewalt darstellt, wird auch noch unter das 406 Ob dann das bloße Bereitstellen eben dieser Lyrics im Internet strafrechtlich relevant sein könnte, soll hier nicht weiter thematisiert werden. 407 In anderem Kontext dazu, dass bei extremer Verfremdung und dadurch nicht mehr gegebener Erkennbarkeit § 131 StGB nicht erfüllt ist: Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 26. 408 Damit i. E. ähnlich wie Meirowitz, Jura 1993, S. 154; ders., Gewaltdarstellungen, S. 387 f.; Erdemir, in: Festschrift für Werner Frotscher, S. 328; Fischer, Kunst, S. 165 f.; Köhne, GA 2004, S. 185.

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Tatbestandsmerkmal des Schilderns subsumiert werden müssen. Erst bei den Anforderungen an die pönalisierten Arten der Darstellung werden viele Filme ausscheiden. Die Abgrenzung der drei Varianten erfolgt dabei schlagworthaft so: Eine Verherrlichung, Var. 1, ist gegeben, wenn die Gewalt in einem positiven Bewertungszusammenhang dargestellt wird. Eine Verharmlosung, Var. 2, ist gegeben, wenn die Gewalt heruntergespielt wird, indem sie emotionsneutral und beiläufig als quasinormal und als sozialprobates Mittel dargestellt wird. Var. 3 kommt nur dann in Betracht, wenn das gesamte Werk insgesamt und ohne jegliche Restsubstanz oder Restsinn den reinen Selbstzweck unmenschlicher Gewaltdarstellung, sowie kumulativ eine vom Künstler intendierte Sadismusaffirmation und bewusst angelegte Erzeugung einer menschenwürdewidrigen Einstellung beim Rezipienten aufweist. Bei einigen härteren Filmen muss so durchaus Var. 1 oder Var. 2 bejaht werden, nimmt man die Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung war. Diese Werke könnten sodann nur noch auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei gestellt werden. Bei Var. 3 hingegen ergibt sich ein faktisches Exklusivitätsverhältnis von § 131 StGB und Kunst.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Auch im Rahmen des § 131 StGB finden sich einige Stimmen, die eine Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG für durchaus – wenn auch selten – möglich halten; obgleich sie auch zumeist als entgegenstehendes Schutzgut den öffentlichen Frieden genügen lassen.409 Der rechtfertigenden Wirkung der Kunstfreiheit auf § 131 StGB ist im Grundsatz zuzustimmen. Natürlich vermag aber auch hier der öffentliche Frieden mangels Verfassungsranges allein keinen Eingriff in die Kunstfreiheit zu rechtfertigen. Je nach Tathandlung kommen jedoch als konkret entgegenstehende Verfassungsrechtsgüter der Jugendschutz und gegebenenfalls auch die Menschenwürde in Betracht. Letzteres wäre jedoch nur bei Bejahung der Var. 3 der Fall und wurde an dieser Stelle schon abschließend behandelt. Steht der Kunstfreiheit hingegen im Einzelfall der Jugendschutz entgegen, ist durch Abwägung ein schonender Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Insbesondere bei Nr. 1 b) wird so dann die relativ geringe Einschränkung der Kunstfreiheit hintanstehen gegenüber der direkten Gefährdung des Minderjährigen durch unmittelbare Aushändigung des fraglichen Tatgegenstandes. Ähnlich kann es sich bei einer Tathandlung nach Nr. 2 a) verhalten. In sonstigen Fällen – namentlich 409 Krauß, in: LK, StGB, § 131, Rn. 53 ff.; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 131, Rn. 17; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 58 ff.; Ostendorf, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 131, Rn. 16; Meirowitz, Jura 1993, S. 154; ders., Gewaltdarstellungen, S. 389 ff., allerdings grundsätzlich die Kunstfreiheit als überwiegend ansehend. Dementgegen eine mögliche Rechtfertigung pauschal ablehnend: Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 77.

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also bei Erfüllung anderer Tathandlungen des § 131 StGB – genügt den Belangen des höchstens noch latent mitschwingenden Jugendschutzes die Anwendung des JuSchG als milderes Mittel. Damit bleibt die Gewaltverherrlichung bzw. -verharmlosung nach Var. 1 und 2 in einer nicht dem Jugendschutz dienenden Tathandlung übrig. In diesen Fällen steht dann der Kunstfreiheit allein der öffentliche Frieden und kein Verfassungsrechtsgut entgegen. In diesen Fällen muss das jeweilige Kunstwerk im Ergebnis immer prävalieren. Wenn dieses Ergebnis nicht schon über eine restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale eingetreten ist, wirkt die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nun anschließend auf Rechtswidrigkeitsebene direkt rechtfertigend.

IV. Fazit und Ausblick „Verbot zeugt als letztes Mittel immer von der Angst, mit den Gegebenheiten nicht klarzukommen.“410

Sind viele der vorgenannten Beispiele geschmacklos? Sicherlich. Müssen sie allein deshalb strafrechtlich verboten werden? Keineswegs. In einem liberalen Rechtsstaat darf kein verkappter Moralschutz411 ohne die Beeinträchtigung tatsächlicher Rechtsgüter die Kunstfreiheit einschränken. Jugendschutz ist zweifelsohne ein hohes Gut, hinter dem die Kunstfreiheit im Einzelfall auch durchaus zurückstehen kann und muss. Es verbietet sich aber, unter der insofern falschen Flagge des Jugendschutzes ein Totalverbot der originalen Werke auch gegenüber Erwachsenen zu konstruieren. Diese sind doch eigentlich nach der Vorstellung des Grundgesetzes mündige und selbstbestimmte Bürger und müssten demnach auch selbst entscheiden dürfen, welche Filme sie sich anschauen, solange damit keine Rechtsgüter Dritter unmittelbar beeinträchtigt werden. Viele Stimmen sehen den international weitgehend einzigartigen412 § 131 StGB in Hinblick auf seine Verfassungsmäßigkeit kritisch oder wollen ihn abschaffen.413 Auch hier soll es deshalb nicht verwundern, wenn bei einer konsequenten Rechtsgutsbetrachtung – außer bei den Fällen, in denen tatsächlich der Jugendschutz be410

„Nekromantik“-Regisseur Jörg Buttereit, in: Seim/Spiegel, Ab 18, S. 214. So auch schon Beisel/Heinrich, NJW 1996, S. 496; Beisel, Kunst, S. 289; Meirowitz, Gewaltdarstellungen, S. 332. 412 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 131, Rn. 2; Gehrhardt, NJW 1975, S. 375; Erdemir, Filmzensur und Filmverbot, S. 71: Lediglich die Schweiz führte in den 90er Jahren ein ähnliches Gesetz ein. 413 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 306 („… als eine generelle Regelung zum Schutz vor Gewalttätigkeiten unverhältnismäßig.“); ebenso Köhne, KritV 2005, S. 244 ff., insb. S. 254 („Damit ist § 131 StGB auf allen drei Stufen als nicht verhältnismäßig anzusehen. Er ist daher verfassungswidrig und sollte deshalb ersatzlos gestrichen werden.“). Vgl. kritisch auch Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 131, Rn. 5 f.; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 131, Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 131, Rn. 7. 411

E. § 130 StGB – Volksverhetzung

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troffen ist – i. d. R. die Kunstfreiheit prävaliert. Der Straffreistellung (bzw. Abschaffung des Tatbestandes) braucht es auch nicht mit Dammbruchargumenten zu kommen, was denn dann für Filme auf den Markt strömen würden. Die meisten Produktionen stammen sowieso aus den USA, Großbritannien oder Frankreich; Ländern, denen es bei der Herstellung solcher Filme egal sein wird, ob es in Deutschland ein Verbot der Gewaltdarstellung nach § 131 StGB gibt oder nicht, bzw. wie dieser Paragraph im Einzelfall angewendet wird. Gerade der Filmmarkt unterliegt dabei einem krassen Zeitenwandel, wie nicht zuletzt eben am ikonischen „The Evil Dead“ (1981) gesehen werden kann, bei dem ehemals ein Verstoß gegen § 131 StGB angenommen wurde und der heute mit einer FSK-16-Freigabe überall verkauft und gezeigt werden darf. Viele der hier im Rahmen der Arbeit genannten Klassiker werden in den nächsten Jahren wohl rehabilitert werden und von einstigen „131ern“ zu FSK 16 oder 18 avancieren. Wahrscheinlich wird heute „A Serbian Film“ als Grenzüberschreitung empfunden, während man in zwanzig Jahren über diesen Film nicht mehr geschockt sein wird, weil es dann Gewaltdarstellungen in Virtual Reality gibt, so realistisch, wie wir es uns zurzeit wohl nicht vorstellen können. Um den Kreis zur Einleitung dieses Kapitels rund um die Strafbarkeit von Gewaltdarstellungen wieder zu schließen: Kunst ist letztlich Reflexion der Wirklichkeit durch den jeweiligen Zeitgeist. Solange also in unserer Gesellschaft Gewalt im zwischenmenschlichen Bereich leider nach wie vor eine Rolle spielt, wird die Kunst diese auch thematisieren. Treffend sind daher die Worte des „Nekromantik“-Regisseuers Jörg Buttgereit: „Die Gesellschaft kriegt immer die Filme, die sie verdient.“414

E. § 130 StGB – Volksverhetzung „Kunst und Volksverhetzung?“ Die spontane Reaktion auf die Frage nach dem Verhältnis dieser beiden Phänomene ist wohl intuitiv, dass sich da doch wohl keine Überschneidungen ergeben könnten. Gleichwohl sah sich jedoch bspw. Rainer Werner Fassbinders Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ (1975) dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt. Anlass gab die Zeichnung des Antagonisten als einem mit seinem Egoismus die Stadt zerstörenden Bauspekulanten mit dem Namen „Der reiche Jude“, die damit viele von Adolf Hitler selbst in seinem Pamphlet „Mein Kampf“ propagierte „Anlagen/Eigenschaften des Juden“415 als Vor414

Jörg Buttereit, in: Seim/Spiegel, Ab 18, S. 215. Hitler, Mein Kampf, Kapitel „Volk und Rasse“, z. B. „krassester“ bzw. „nackter Egoismus“, „Ausplünderung ihrer Mitmenschen“, S. 331; kulturell „zerstörend“, S. 332; „Parasit“, S. 334; unendlicher Reichtum, der zur Einflussnahme missbraucht wird, S. 338 ff., z. B. „Verleihen von Geld, und zwar wie immer zu Wucherzinsen“, S. 339. 415

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

urteile manifestierte.416 Ebenfalls stereotype schlechte Eigenschaften wurden im nationalsozialistischen Propaganda-Spielfilm „Jud Süß“ (1940) der historischen Figur des Joseph Süß Oppenheimer untergeschoben, weshalb der Film vom BGH explizit als volksverhetzend i. S. d. § 130 StGB eingestuft wurde.417 Seit ungefähr dreißig Jahren ist es aber vor allem der Bereich der Musik, der häufig zum Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und § 130 StGB führt; man denke nur an die ungebrochene Flut rechtsextremer Bands und ihre entsprechenden, oft programmatischen Lieder. Diese können sich als Musik mindestens auf den formalen Kunstbegriff stützen und so grundsätzlich den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG genießen.418 Auf den Bereich volksverhetzender Musik werden sich deshalb die folgenden Ausführungen zur Strafbarkeit nach § 130 StGB hauptsächlich konzentrieren. Als jüngstes Beispiel für den Konflikt von Musik und Volksverhetzung kann – wenngleich auch nicht aus dem rechtsextremen Spektrum stammend – der Skandal um die Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ aus dem Song „0815“ (2017) der beiden Rapper Kollegah und Farid Bang dienen. Trotz öffentlicher Kritik, dem Vorwurf des Antisemitismus und zweier Strafanzeigen wegen Volksverhetzung wurde ihr Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ (2017), das in der Bonusversion besagten Song „0815“ enthält, im April 2018 mit dem Musikpreis Echo ausgezeichnet – woraufhin die Kritik am Song auf eine Kritik am Echo selbst übergriff, infolgedessen dieser sogar abgeschafft wurde.419 Zwar wurde eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung verneint, sodass die Strafverfahren gegen die beiden Interpreten eingestellt wurden; gleichwohl wurde das Album Ende 2018 wegen Jugendgefährdung auf den Index gesetzt.420

I. Geschützte Rechtsgüter Fraglich ist, welche Schutzgüter hinter § 130 StGB stehen.

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Vgl. Emmerich/Würkner, NJW 1986, S. 1195 ff., insb. S. 1202. BGHSt 19, 63 (66); zustimmend: Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 39 (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1). 418 Dies wird in den entsprechenden Urteilen oft nicht einmal erwähnt, anders KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 149 f. Vgl. auch bspw. Beisel, JR 2002, S. 349 f.; Hildebrandt, JuS 1993, S. 581; Soiné, JuS 2004, S. 386. 419 Siehe zu alledem https://www.sueddeutsche.de/kultur/antisemitismus-diskussion-ermitt lungen-wegen-volksverhetzung-gegen-kollegah-und-farid-bang-1.3965611. Im Kontext der sonstigen Lieder der beiden Rapper ist zu bemerken, dass deren Battle-Rap-Stil gerade durch stetige Anspielungen auf ihr Krafttraining und vollkommen überzogene Vergleiche gekennzeichnet ist. Genau in diesen Stil fügt sich auch die kritisierte Zeile ein. Dass die beiden Rapper mit ihr eine rechtsextreme Propaganda zu vertreten versuchen, erscheint in der Gesamtschau nicht überzeugend. 420 Verfügung der Staatsanwaltschaft Du¨ sseldorf v. 11. 06. 2018 (Az.: 80 Js 469/18); BPjMAktuell, 4/2018, S. 12 ff. 417

E. § 130 StGB – Volksverhetzung

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1. Öffentlicher Frieden Auch § 130 StGB schützt den öffentlichen Frieden,421 der in Abs. 1, 3 und 4 zudem im Wortlaut genannt ist. 2. Menschenwürde Darüber hinaus stellt die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG ein unmittelbares (teilweise gar als vorrangig angesehenes) Schutzgut des § 130 StGB dar.422 Anders als bei § 130 StGB ist hier nicht auf den abstrakten Wert der Würde des Menschen als Gattungswesen abzustellen, sondern vielmehr auf die individuelle Menschenwürde der angegriffen Personen als subjektives Abwehrrecht und individuelles Grundrecht.423 Insbesondere Abs. 1 und damit auch der parallel ausgestaltete Abs. 2 dienen so dem Schutz der konkreten Menschenwürde der einzelnen Personen des angegriffenen Bevölkerungsteiles.424 Bei Abs. 1 Nr. 2 findet sich bereits eine Verankerung im Wortlaut. Aber auch bei Abs. 1 Nr. 1 ist die Menschenwürde geschützt, selbst wenn nicht (mehr) wie bei Nr. 2 explizit ein Angriff gefordert ist; vielmehr ist den heftigeren Tathandlungen der Nr. 1 ein Angriff auf die Menschenwürde der adressierten Personen regelmäßig immanent.425 Dabei ist nach einer mehr oder weniger un-

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BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 52), Rn. 76 ff. (Wunsiedel); BGH, NStZ 1994, S. 140; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 4; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 1a; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 10 ff.; Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 7 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 1; Knauer, ZStW 126 (2014), S. 330. 422 Vgl. Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 511; Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 163 ff.; Knauer, ZStW 126 (2014), S. 330; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 286; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 1; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 2, 9, 10, 13; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, GG, § 130, Rn. 4; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 3 ff.; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 10 ff.; Fischer, GA 1989, S. 456; differenzierend Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 6; Fischer, Kunst, S. 108. Nach Frommel, KJ 1995, S. 408 (allerdings als „Universalrechtsgut“) und Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT, § 60, Rn. 57 ff. gar das alleinige Rechtsgut. Offen gelassen von BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 53 ff.), Rn. 79, 102 (Wunsiedel) und OLG Celle, JR 1998, S. 79. Nur mittelbar nach Fischer, StGB, § 130, Rn. 2. 423 Knauer, ZStW 126 (2014), S. 330 f.; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 51, § 131, Rn. 33. 424 Vgl. Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 287; Knauer, ZStW 126 (2014); S. 330 f.; Fischer, GA 1989, S. 456; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 3 f.; Rackow, in: v. HeintschelHeinegg, StGB, § 130, Rn. 10; Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 6. Ähnlich auch Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 4; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 1, Rn. 17. 425 BT-Drs. 12/6853, S. 24; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 3. Vgl. Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 287, 296. Vgl. auch Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 164; Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 67; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 8; Frommel, KJ 1995, S. 409. Vgl. zum Gedanken der Immanenz bereits ähnlich Streng, in: Festschrift für

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

streitigen426 Definition die Menschenwürde i. S. d. § 130 StGB dann verletzt, wenn „der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt wird“.427 Dabei genügt wohlgemerkt bereits die Verneinung des sozialen Lebensrechts, es muss nicht zwingend das biologische Lebensrecht abgesprochen werden.428 Im Speziellen ist dies stets bei einer Identifizierung mit der nationalsozialistischen Rassenideologie429 oder einer diesbezüglich affirmativen Aussage der Fall.430 Wie bereits am Wortlaut deutlich wird, schützt Abs. 4 die individuelle Menschenwürde der von der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Betroffenen, also sowohl der Überlebenden als auch postmortal der Opfer.431 Bei Abs. 3 wird dagegen oft etwas ausweichend auf den persönlichen Achtungsanspruch der Betroffenen und die persönliche Würde rekurriert.432 Das liegt wohl daran, dass zumindest bei den Varianten des „bloßen“ quantitativen Verharmlosens und einfachen Leugnens noch keine Verletzung der Menschenwürde begründet werden kann, weil damit gerade nicht zum Ausdruck gebracht wird, die Opfer hätten ihr Schicksal als minderwertige Lebewesen verdient.433 Spätestens wer allerdings die genannten Taten i. S. d. Var. 1 billigt und sich damit das denen zugrundeliegende Welt- und Menschenbild zu eigen macht, bestreitet mit dieser Aussage selbst die Menschenwürde der Opfer dieser Taten.434 Darüber hinaus käme bei einer Billigung als Karl Lackner, S. 511. Anders (die Menschenwürde nur bei Nr. 2 für einschlägig haltend): Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 6. 426 So die zutreffende Einschätzung von Junge, Schutzgut des § 130, S. 56. 427 Wortlaut: BGHSt 40, 97 (100); BT-Drs. III/1746, S. 3; ähnlich auch BGHSt 16, 49 (56); 21, 371 (373); 36, 83 (90). Zustimmend: Otto, Jura 1995, S. 277; Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 505; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, StGB, § 130, Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 3; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 53. 428 BayObLG, NJW 1995, S. 145 (S. 146); Fischer, StGB, § 130, Rn. 12a; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 289. 429 Vgl. nur Hitler, Mein Kampf, Kapitel „Volk und Rasse“, S. 311 ff. sowie S. 436 ff. 430 BVerfG, NStZ 2001, S. 26 (S. 28); BGHSt 40, 97 (100); BGH, NStZ 1981, S. 258; Fischer, StGB, § 130, Rn. 12a. 431 BT-Drs. 15/5051, S. 5; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 13; BVerwG, JZ 2008, S. 1102 (S. 1103); BVerwG, NJW 2009, S. 98 (S. 99); BVerfG, NJW 2005, S. 3202 (S. 3203); Enders/ Lange, JZ 2006, S. 108; Poscher, NJW 2005, S. 1318; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 1; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 4. 432 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 10; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 11; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 3. 433 Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 322 f.; BGHSt 40, 97 (100 f.) für die einfache, nicht die qualifizierte Auschwitzlüge; Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 177; Borgwardt, in: Ostendorf, Rechtsextremismus, S. 244; vgl. Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 6. Allerdings von BVerfG, NJW 1993, S. 916 im Kontext der §§ 185 ff. StGB ein individueller Menschenwürdeverstoß durch Leugnung für möglich gehalten. 434 Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 177; Stein, in: SK-StGB, § 130, Rn. 6. Grundsätzlich für den gesamten Abs. 3 bejahend: Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 4.

E. § 130 StGB – Volksverhetzung

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affirmativer Aussage hinsichtlich der nationalsozialistischen Rassenideologie in Einklang mit der obigen Definition wohl auch die Menschenwürde der heute lebenden jeweiligen Teile der Bevölkerung als verletztes Schutzgut in Betracht.435 Grundsätzlich steht damit hinter (fast) allen Tathandlungen des § 130 StGB (auch) das Schutzgut der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG. Als Individualrechtsgut ist diese natürlich unantastbar und so wirklich absolut schrankenlos gewährt.436 Sobald die Menschenwürde also wirklich durch das jeweilige Werk verletzt wäre, muss die Kunstfreiheit immer hinter der individuellen Menschenwürde zurücktreten.437 Eine Strafbefreiung allein durch die Berufung auf die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist somit in diesen Fällen nicht mehr möglich. 3. Jugendschutz Ähnlich wie bei § 131 StGB findet sich nur bezüglich der Tathandlung des § 130 Abs. 2 Nr. 1c) StGB der Jugendschutz als unmittelbares Schutzgut438 hinter § 130 StGB und kann so nur in diesem Fall, nicht jedoch bei anderen Tathandlungen der Kunstfreiheit entgegenstehen. 4. Zwischenergebnis Damit stellt sich abseits dieser einen speziellen Tathandlung im Rahmen des § 130 StGB immer die Frage, ob die individuelle Menschenwürde wirklich betroffen ist oder nicht: Ist dies der Fall, dann steht Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zurück und die entsprechende Handlung kann bestraft werden. Ist dies nicht der Fall, dann muss auch hier die Kunstfreiheit überwiegen, weil der öffentliche Frieden diese allein nicht einschränken kann.

435 I. E. auch BVerfG, NStZ 1992, S. 535. Vgl. so auch Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 322. I. E. ebenso, weil Würde des Einzelmenschen für den gesamten § 130 StGB als geschützt angesehen auch Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 1; Knauer, ZStW 126 (2014), S. 330 f. 436 Vgl. BVerfGE 30, 173 (193) (Mephisto); Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 1, Rn. 4, 25; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 73. 437 Vgl. allgemein: BVerfGE 75, 369 (380) (Kopulierendes Schwein); Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 454; Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 5, Rn. 306; vgl. aus der neueren Literatur zur Ausstellung „Körperwelten“: Thiele, NVwZ 2000, S. 407; Hufen, DÖV 2004, S. 614. 438 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 9; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 312; Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 174.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Allgemein ist der Tatbestand der Volksverhetzung vor allem der Kritik als zu unbestimmt und – kritisch in Bezug auf die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG – als Sondergesetz ausgesetzt, wird im Ergebnis dennoch (bei restriktiver Auslegung) als verfassungsgemäß angesehen.439 Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht vertieft werden, sondern vom Zustand de lege lata ausgegangen werden. § 130 StGB stellt treffend formuliert ein „nur schwer durchschaubare[s] Geflecht von sich teils überschneidenden Vorschriften“440 bzw. ein „Labyrinth“441 aus „diffusen Tatbestandsmerkmalen“442 dar. Abs. 1 und Abs. 2 entsprechen sich dabei hinsichtlich der Anforderungen an die relevante Äußerung. Sie unterscheiden sich lediglich darin, dass Abs. 1 bereits die Äußerung an sich pönalisiert, sofern diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, während bei Abs. 2 statt dieser Eignung typische Verbreitungstathandlungen gefordert sind, wie sie näher schon beim insofern ähnlichen § 131 StGB behandelt wurden. Abs. 3 und 4 knüpfen hingegen an die Bewertung der historischen Herrschaft des Nationalsozialismus an. Abs. 1 und 3 sind dabei wie § 166 StGB abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte, da eine konkrete Störung des öffentlichen Friedens nicht nötig ist, allerdings eine nicht nur abstrakte, sondern zumindest konkrete Eignung zur Störung gegeben sein muss.443 Da Abs. 2 von einem solchen Eignungserfordernis absieht, ist er als reines abstraktes Gefährdungsdelikt zu klassifizieren.444 Abs. 4 ist dagegen zumindest dem Wortlaut nach ein Erfolgsdelikt, da er eine konkrete Störung des öffentlichen Friedens als tatbestandlichen Erfolg fordert.445 1. Friedensklausel Allerdings wurde schon oben ausgeführt, dass die Friedensklausel des Abs. 4 nach der Wunsiedel-Entscheidung kein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal darstellt, sondern vielmehr eine grundsätzlich indizierte Wertungsklausel, die nur im 439 Vgl. nur BVerfG, NJW 2010, S. 47 ff. (Wunsiedel); Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 20, 24 m. w. N.; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 8 m. w. N. 440 König/Seitz, NStZ 1995, S. 3. 441 Geilen, NJW 1976, S. 280. 442 Schubert, Verbotene Worte, S. 199. 443 BGHSt 46, 212 (218 ff.) (Töben); Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 15; vgl. schon allgemein oben S. 164. 444 Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 9; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 12; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 15. 445 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 22c; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 36; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 8b; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 87; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 9; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 15; BVerfG, NJW 2005, S. 3202 (S. 3203). BTDrs. 15/5051, S. 5.

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Einzelfall widerlegt werden kann.446 Erst recht muss dies dann für die lediglich als Eignungsklausel formulierten Friedensklauseln von Abs. 1 und 3 gelten.447 Die Klauseln sind damit bei der Erfüllung der sonstigen Tatbestandsmerkmale grundsätzlich indiziert, da derartigen Äußerungen insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte i. d. R. bedrohende Wirkung gegenüber den betroffenen Bevölkerungsteilen zukommt.448 Zudem ist durch derartige Äußerungen mit einem Absenken der Schwelle zur Gewaltbereitschaft zu rechnen.449 Letzteres gilt in aller Deutlichkeit, so lange neonazistische Gewalttaten regelmäßig verübt werden – und eine gegenläufige Tendenz ist derzeit leider nicht zu verzeichnen.450 Die Verhetzung eines aufnahmebereiten Publikums genügt dabei regelmäßig.451 Auch muss die fragliche Äußerung nicht zwingend öffentlich getätigt werden, es muss nur damit zu rechnen sein, dass sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird.452 Die Friedensklauseln können so höchstens im Einzelfall widerlegt werden. Dies wird insbesondere bei Abs. 1, der dem sonstigen Tatbestand nach nicht öffentlich begangen werden muss, bei einer Äußerung im Privatbereich der Fall sein. Für den Bereich der Kunst kann sich auch hier keine andere Beurteilung bzw. Auslegung der Friedensklausel ergeben. Bezüglich des drohenden Absenkens der Gewaltschwelle sei angemerkt, dass Musik und Gewalt in der rechten Szene eng verbunden sind. So verfügt das rechtsradikale Musik-Netzwerk Blood & Honour, das Szene-Bands gezielt zur Ideologieverbreitung koordiniert, auch über einen „bewaffneten Arm“ namens Combat 18 zur Vorbereitung auf „den größten aller Kriege, den Rassenkrieg“.453 Fans der Band Weisse Wölfe gründeten gar eine eigene gewalttätige Fanorganisation namens Weisse Wölfe Terrorcrew, bis diese 2016 von 446

So insb. seit der Entscheidung BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 54 f.), Rn. 95 (Wunsiedel). Siehe erneut und ausführlich oben S. 167 ff. 447 Fischer, StGB, § 130, Rn. 14c; vgl. zur Indizierungswirkung bereits Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 112 und BGHSt 47, 278 (280); Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 303 ff.; BGH, NStZ-RR 2006, S. 305 (S. 306). 448 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 55), Rn. 95 (Wunsiedel). Vgl. zur Annahme ohne jegliche Begründung bereits BGHSt 16, 49 (57), BGH, NJW 1963, S. 2034 (Jud Süß), BGHSt 21, 371 (373); BGH, NStZ-RR 2006, S. 305 (S. 306). 449 BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 55), Rn. 95 (Wunsiedel); Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 12. 450 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 29; Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 185 f. 451 Fischer, StGB, § 130, Rn. 13a; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 65. 452 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 11; BGHSt 29, 26 (27); OLG Celle, NStZ 98, S. 88 (S. 89); KG Berlin, JR 1998, S. 213 (S. 216); vgl. BGH, NJW 2005, S. 689 (S. 691). 453 Trotz eines Verbotes im Jahre 2000 durch Innenminister Otto Schily agierte das Netzwerk wohl aus dem Untergrund weiter und ist in jüngster Zeit wieder vermehrt in das Visier der Ermittler gerückt. Vgl. zum Ganzen Obermaier/Schultz, Verbotene Organisation „Blood & Honour“; Wiegand, Neonazi-Gruppe gesprengt; Pinkert/Strozyk, Neonazis reanimieren Terrorgruppe „Combat 18“.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Innenminister Thomas de Maizière nach Art. 9 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 VereinsG verboten wurde.454 Darüber hinaus seien zwei konkrete Fälle genannt, in denen rechtsradikale Musik und reale, gar tödliche Gewalt eng miteinander verknüpft waren: Bei der Ermordung des Mosambikaners Alberto Adriano im Jahr 2000 in Dessau hatten sich die Täter mit dem „Afrika-Lied“ der Band Landser aufgeputscht.455 Und das NSU-Bekennervideo im Falle des getöteten Enver S¸ims¸ek wurde mit Liedern der Rechtsrock-Band Noie Werte unterlegt.456 2. Anforderung an die pönalisierte Äußerung Im Folgenden soll dargestellt werden, wann eine Äußerung volksverhetzend i. S. d. § 130 StGB ist. Dabei ist zu beachten, dass zunächst die Aussage aus Sicht eines Durchschnittsrezipienten interpretiert werden muss und bei mehreren möglichen Deutungen die grundrechtsfreundlichste zu wählen ist, wobei nicht am offensichtlichen Wortlaut stehen geblieben werden darf, sondern die Begleitumstände zu berücksichtigen sind.457 Schon aufgrund der angesprochenen Unbestimmtheitsproblematik in Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG und vor allem im Kontext der Kunstfreiheit ist dabei auf eine restriktive Auslegung der Merkmale zu achten. a) § 130 Abs. 1 und 2 StGB aa) Angriffsobjekt der Äußerung Äußerungen nach Abs. 1 und 2 müssen sich dabei dem Wortlaut nach „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung“ richten. Die Bejahung dessen ruft in der Praxis schwierige Abgrenzungsprobleme auf, die jedoch nicht kunstspezifisch sind und deshalb an dieser Stelle keine Thematisierung erfahren sollen.458 Aus dem Bereich der Kunst seien deshalb nur zwei aktuelle Vorkommnisse genannt, bei denen eine Strafbarkeit nach § 130 StGB bereits an dieser Stelle ausge454 Bundesministerium des Inneren, Pressemitteilung v. 16. 03. 2016; BAnz. AT 16. 03. 2016 B1; Gensing, Wer ist die „Weisse Wölfe Terrorcrew“. 455 Vgl. Egenberger, Landser (Bundeszentrale für politische Bildung); Dokumentationsfilm „Deutsche Popzustände“ (2015) von Dietmar Post und Lucía Palacios sowie den Beitrag Report Mainz, „Verbotene Nazi-Lieder werden ungehindert verbreitet“. 456 Menke, Ermittler rekonstruieren Totenkopf-Botschaft; Dokumentationsfilm „Deutsche Popzustände“ (2015) von Dietmar Post und Lucía Palacios. Die CD „Kraft für Deutschland“ von Noie Werte wurde mehrfach beschlagnahmt, vgl. JMS-Report 5/2017, S. 66. 457 BVerfG, NJW 2008, S. 2907 (S. 2908); BVerfGE 93, 266 (295); Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 35, 83; BayObLG, NJW 1990, S. 2479 (S. 2480). 458 Vgl. nur Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 26 ff. ausführlich und m. w. N.

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schieden ist, ohne dass es dazu weiterer besonderer Implikationen durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gebraucht hätte: Wegen des gemeinsamen Tracks „Stress ohne Grund“ (2013) wurden die Rapper Shindy und Bushido vor dem AG Tiergarten u. a. wegen § 130 StGB angeklagt. Das Gericht verneinte den Tatbestand aber bereits deshalb, weil sich der Text nicht gegen einen bestimmten Teil der Bevölkerung richte.459 Auch Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ (2016) falle der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz nach bereits deshalb nicht unter § 130 Abs. 1 StGB, weil es sich weder gegen eine bestimmte Gruppe noch den türkischen Präsidenten Erdog˘ an wegen dessen Zugehörigkeit zu einer Gruppe richte.460 bb) Tatmodalitäten Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 a) und b) Die gegen vorgenanntes Zielobjekt gerichtete Äußerung muss nun entweder zum Hass aufstacheln (Alt. 1) oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufrufen (Alt. 2). Unter dem Aufstacheln zum Hass ist dabei ein Verhalten zu verstehen, dass objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, bei Dritten eine „gesteigerte, über die bloße Ablehnung und Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen die betreffenden Bevölkerungsteile zu erzeugen oder zu steigern“.461 Nicht erfasst ist davon eine wahrheitsgemäße Berichterstattung selbst bei tendenziöser Absicht.462 Auch eine „einfache“ Holocaust-Leugnung als bloßes In-Abrede-Stellen der historischen Tatsachen genügt hier im Gegensatz zur „qualifizierten“ Auschwitzlüge, bei der der Holocaust als hinterlistige Erfindung des Judentums zur Knebelung, Ausbeutung oder Erpressung Deutschlands dargestellt wird,463 noch nicht.464 In der Kommentarliteratur findet sich hingegen als eines der seltenen angeführten kunstrelevanten Beispiele die allgemeine Anführung, dass „rassistische Lieder von neonazistischen Skinhead-Rockbands“ unter das Aufstacheln zum Hass zu subsumieren seien.465 Alternativ ist dieser Tatbestand bei einer Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen erfüllt. Auffordern ist dabei wie in § 111 StGB mehr als ein bloßes 459 AG Tiergarten, ZUM 2015, S. 904 f. Bestätigt vom LG Berlin, ZUM 2015, S. 903. Ausführlich zu den Anforderungen an die kontextabhängige und kunstgerechte Interpretation von Rap-Lyrics i. R. d. §§ 185 ff. StGB anhand des Beispiels „Stress ohne Grund“: Oglakcioglu/Rückert, ZUM 2015, S. 876 ff. 460 Generalstaatsanwalt Brauer, Anlage zur Presseerklärung Fall Böhmermann, S. 19. 461 BGHSt 40, 97 (102). Vgl. bereits BGHSt 21, 371 (372). Übernommen u. a. von BGHSt 46, 212 (217) (Töben); Fischer, StGB, § 130, Rn. 8; Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 15; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 40. 462 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 41; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 5a. 463 Vgl. BGHSt 31, 226 (231 f.) insb. auch als Beispiel einer qualifizierten Auschwitzlüge; BGH, NStZ 1994, S. 140; BGHSt 46, 212 (216) (Töben). 464 BGH, NStZ 2012, S. 564; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 4. 465 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 80.

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Befürworten, nämlich ein den Eindruck der Ernstlichkeit erweckendes, konkludentes oder ausdrückliches Einwirken auf Dritte mit dem klaren Ziel, bei diesen Handlungsentschlüsse hervorzurufen.466 Bei Parolen nach dem Muster „Juden/Ausländer/ Türken raus“ müssen die Begleitumstände zeigen, dass diesen Äußerungen wirklich ein appellativer Charakter zukommt und tatsächlich Vertreibungstendenzen angestrebt sind.467 cc) Tatmodalitäten Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 1 c) Zunächst muss ein Beschimpfen, böswillig verächtlich Machen oder Verleumden vorliegen. Beschimpfen ist dabei genau wie in § 166 StGB zu verstehen. Es ist also eine Kundgabe von Missachtung, die entweder inhaltlich oder äußerlich vor allem durch ihre Rohheit besonders verletzend sein muss.468 Verächtlich wird jemand gemacht, wenn er als der Achtung der Mitbürger unwürdig und unwert dargestellt wird.469 Genau wie in § 187 StGB ist Verleumden die bewusst wahrheitswidrige Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, die Geltung und das Ansehen der Betroffenen herabzuwürdigen.470 Dadurch muss die Menschenwürde anderer angegriffen werden. Dies ist nach der oben471 bereits genannten allgemeinen Definition zum einen stets der Fall, wenn sich der Täter mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziert oder affirmative Aussagen diesbezüglich trifft. Zum anderen liegt ein Angriff auf die Menschenwürde allgemein dann vor, wenn der Täter den angegriffenen Menschen deren soziales Lebensrecht als gleichwertiger Teil der Gesellschaft abspricht und sie stattdessen als Wesen minderen Wertes behandelt. Die Klausel dient vor allem dazu, strafunwürdige Angriffe von geringer Intensität auszuklammern.472 Ein Beschimpfen und Verleumden, das seinem Grad nach lediglich eine individuelle Ehr-, nicht jedoch eine Würdeverletzung darstellt, soll richtigerweise nicht nach § 130 StGB bestraft werden, sondern ist bereits genügend nach §§ 185 ff. StGB pönalisiert. Zu beachten ist, dass aufgrund dessen die Menschenwürde keiner Abwägung zugänglich ist, bereits bei der Frage der Bejahung der Menschenwürdeklausel die 466 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 5b; Lohse, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 16; BGHSt 32, 310; OLG Brandenburg, NJW 2002, S. 1440 (S. 1441). 467 Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 16; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 49; Herrmann, StRR 2015, S. 253 ff.; ausführlich auch Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 183 ff. 468 Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 51; BGHSt 46, S. 212 (216). Vgl. BGHSt 7, 110. 469 BGH, NStZ-RR 2006, S. 305 (S. 306); OLG Stuttgart, NStZ 2010, S. 453 (S. 454); Fischer, StGB, § 130, Rn. 11. Vgl. bereits BGHSt 3, 346 (348); BGHSt 7, 110 (111). 470 Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 20; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 53; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 50. 471 Siehe oben S. 241 f. 472 Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 511 f.

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Belange der Kunstfreiheit abschließend berücksichtigt werden müssen. Mit Bejahung von Abs. 1 Nr. 2 steht schließlich eine Menschenwürdeverletzung fest.473 Diese kann dann auch nicht mehr auf Rechtswidrigkeitsebene anders bewertet werden. dd) Beispiele aus der Rechtsprechung Zunächst sei angemerkt, dass im Gegensatz zur „einfachen“ Leugnung des Holocaust die „qualifizierte“ Auschwitzlüge gewöhnlich unter die beiden Alternativen des Abs. 1 Nr. 1 subsumiert werden kann.474 Dies gilt grundsätzlich auch für Kunst, die die qualifizierte Auschwitzlüge perpetuiert. Als bekanntestes Rechtsprechungs-Beispiel aus dem Bereich der Kunst sei hier erneut der eingangs erwähnte NS-Film „Jud Süß“ (1940) genannt, der anders als die meisten anderen Propagandawerke zur Kategorie des Spielfilms gehört und so wohl zumindest den formalen Kunstbegriff für sich beanspruchen kann. Da der Propaganda-Film gerade mit der Intention gedreht wurde, eine feindselige Haltung gegenüber der jüdischen Mitbevölkerung zu erzeugen und dazu auch durchaus geeignet ist, fällt er unter § 130 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB.475 Ebenfalls bekannt und zudem umstritten ist der Fall des Flugblattes mit dem Pamphlet „Herr Asylbetrüger“, das in Form eines klassischen Gedichtes in Reimen verfasst ist und so zumindest nach dem formalen Kunstbegriff grundsätzlich ebenfalls unter Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG fällt.476 Durch das Gedicht werden Asylbewerber u. a. als Betrüger, Rauschgifthändler und Schmarotzer dargestellt. Nach Einschätzung der meisten Gerichte und Besprechungen werden sie so als minderwertige Wesen beschimpft und verächtlich gemacht, denen kein soziales Lebensrecht in der staatlichen Gemeinschaft als gleichwertige Persönlichkeiten zusteht, womit ihre Menschenwürde i. S. d. Abs. 1 Nr. 2 angegriffen wird.477 Zudem fiele das Gedicht 473 BVerfG, NJW 2008, S. 2907 (S. 2909); BVerfG, NJW 2001, S. 61 (S. 62 f.). Zwar spricht der Wortlaut zunächst nur von einem „Angriff“ auf die Menschenwürde, nicht von einer „Verletzung“; dieser sprachlichen Differenzierung misst allerdings allein Streng, in: Festschrift für Karl Lackner, S. 511 ff. Bedeutung zu. Überzeugend ist eine rechtliche Differenzierung allerdings nicht, da schließlich aufgrund der Unabwägbarkeit der Menschenwürde eben jeder taugliche und vollzogene Angriff auf und damit letztlich Eingriff in die Menschenwürde auch eine Verletzung derselben darstellt, da ein solcher eben nicht gerechtfertigt werden kann. 474 BGHSt 46, 212 (216) (Töben); vgl. BGHSt 31, 226 (231 f.) insb. auch als Beispiel einer qualifizierten Auschwitzlüge; BGH, NStZ 1994, S. 140; BGHSt 40, 97 (100). 475 Einordnung von Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 39. Urteil zu finden in: BGHSt 19, 63 ff. 476 BayObLG, NJW 1994, S. 952 (S. 953); Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 173; Otto, JR 1994, S. 474. A. A.: Hufen, JuS 1994, S. 977. 477 BayObLG, NStZ 1994, S. 588; OLG Karlsruhe, MDR 1995, S. 735 f.; KG Berlin, JR 1998, S. 213; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 294 f. Angedeutet: BayObLG, NJW 1994, S. 952 (S. 953). Abgelehnt von OLG Frankfurt am Main, NJW 1995, S. 143, weil dieses entgegen der h. M. eine hier nicht gegebene Absprache des physischen Lebensrechts an sich verlangte. Skeptisch: Otto, JR 1994, S. 473 ff.; ders., Jura 1995, S. 277 ff.

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nach heutiger Rechtslage wohl durchaus auch unter Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, da das Gedicht objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, durch seine Darstellung eine feindselige Haltung gegen Asylbewerber zu erzeugen und so zum Hass aufzustacheln.478 Die meisten Rechtsprechungsfälle kommen jedoch aus dem Bereich des Rechtsrocks: In der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der BGH mehrere Rechtsrocksongs unter § 130 Abs. 1 StGB subsumiert. Auszüge aus dem Lied „Stinkendes Leben“ der Band Patriot 19/8 lauten „Du bist ein Punk, du bist so krank / Bist so abnorm und nie in Form / Benimmst dich wie das letzte Schwein / Gefällt es dir, Abschaum zu sein? […] Die Zeit ist reif für Deutschlands Segen / Die Zukunft liegt in unserer Hand / Wir werden sie von den Straßen fegen / Und frei und sauber sei das Land“. Mit dieser Beschimpfung und böswilligen Verächtlichmachung wird dem BGH nach die Menschenwürde von Punks als Teil der Bevölkerung angegriffen, Abs. 1 Nr. 2.479 Zudem wird insbesondere durch die letzten Zeilen zu Gewaltmaßnahmen aufgerufen, Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, – die Verwendung der Ersten Person Plural ändert nichts am appellativen Charakter der Äußerung, da die eigentliche Intention, auch andere zur Verübung von Gewaltmaßnahmen gegen Punker zu animieren, durchaus erkennbar ist.480 Laut dem LG Dresden kommt auch dem Titel „Raus Nigger“ der Gruppe Blockhaus den Gesamtumständen nach Appellcharakter zu, da das Brüllen der titelgebenden Parole mit einer Rede Adolf Hitlers vermischt wird; das Lied fällt daher unter § 130 Abs. 2 Nr. 1 a) StGB.481 Dagegen mangele es dem BGH nach bei dem Lied „Hurra, Hurra ein Nigger brennt“ der Zillertaler Türkenjäger am appellativen Charakter, weil lediglich Taten des Ku-Klux-Klans gutgeheißen werden, aber nicht zu ebensolchen Taten aufgefordert werde; somit sei nicht Abs. 2 Nr. 1 b), aber gleichwohl Abs. 2 Nr. 1 c) in

478

Vgl. i. E. ebenso Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 173. BGH v. 3. 4. 2008 – 3 StR 394/07, HRRS 2008 Nr. 458, Rn. 44 f.; zustimmend: Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 58. 480 BGH v. 3. 4. 2008 – 3 StR 394/07, HRRS 2008 Nr. 458, Rn. 46; zustimmend: Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 45. Deutlicher wohl in dem Lied „Schlagt sie tot“ der Gruppe Landser, in dem es heißt: „Schlagt sie tot, schlagt sie tot, macht die Kommunisten nieder. Schlagt sie tot, schlagt sie tot, schlagt die Kommunisten tot.“, vgl. KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 140. 481 LG Dresden, Beschluss v. 27. 5. 2008 – 3 Qs 17/08, Rn. 37 ff.; zustimmend Stegbauer, NStZ 2010, S. 133. Dagegen stellt das reine Abspielen eines Liedes mit der Zeile „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ keinen Angriff auf die Menschenwürde dar, solange nicht weitere Umstände hinzutreten; es fällt so nicht unter Abs. 1 Nr. 2, vgl. AG Rathenow, NStZ-RR 2007, S. 341 (S. 343) (Abs. 1 Nr. 2 wurde gar nicht in Erwägung gezogen). 479

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Form des böswilligen Verächtlichmachens durch die Verwendung insbesondere der Bezeichnung „Nigger“ erfüllt.482 Wieder anders verhält es sich mit den folgenden Zeilen: „Aber nicht mehr lange, dann seid Ihr dran. Dann gibt’s auch hier den Ku-Klux-Klan. Wenn in der Nacht die Kreuze brennen, dann ko¨ nnt Ihr stinkenden Kaffer um euer Leben rennen. Nigger, Nigger, raus aus unserem Land.“ Damit werden die Zuhörer direkt zu Gewaltanwendungen ermuntert, sodass der für die Erfüllung des Abs. 1 Nr. 1 nötige appellative Charakter gegeben ist.483 Der Text entstammt dem Lied „Nigger“ der Band Landser. Das sich damit befassende Urteil484 des KG Berlin ist mit über 150 Seiten Umfang wohl eine der ausführlichsten Entscheidungen in diesem Kontext. Mit ihm wurden die Mitglieder der Band Landser nicht nur nach §§ 86a und 130 StGB in mehreren Fällen, sondern auch nach § 129 Abs. 1 StGB wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Als weiteres Beispiel aus diesem Urteil wäre das schon erwähnte „Afrika-Lied“ mit den Zeilen „Afrika für Affen! Europa für Weiße! / Steckt die Affen in ein Klo und spült sie weg wie Scheiße!“ zu nennen. Damit wird nicht nur zum Hass gegen Afrikaner aufgestachelt, sondern auch eindeutig deren Lebensrecht als gleichwertige Teile der Gesellschaft bestritten und diese vielmehr als Wesen minderen Wertes behandelt. Abschließend sei noch das Lied „Blut muss fließen“ von Tonstörung als tatbestandlich nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu nennen.485 Letzteres kann als „Klassiker“ in der Neonazi-Szene gelten und wird bis heute auf vielen Konzerten gecovert bzw. vom Publikum gesungen.486 Das Lied ist eine perverse antisemitische Umdeutung des der badischen Revolution entstammenden „Heckerliedes“487 und hat den folgenden besonders aufhetzenden Text: „Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib. In die Synagoge hängt ein schwarzes Schwein, in die Parlamente schmeißt die Handgranaten rein. Zerrt die Konkubine aus dem Fürstenbett, schmiert die Guillotine mit dem Judenfett. Blut muss fließen, knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik!

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BGH v. 26. 7. 2017 – 3 StR 437/16 = HRRS 2017 Nr. 964, Rn. 2. Die CD „12 Doitsche Stimmungshits“ derselben Gruppe wurde jedoch mehrfach beschlagnahmt, vgl. JMS-Report 5/ 2017, S. 65. 483 KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 140. 484 KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02). Grundsätzlich bestätigt von BGH, NJW 2005, S. 1668 ff. 485 LG Frankfurt am Main, 27. 9. 2016 – 5/27 KLs – 8/16. Dort zudem für das Lied „Nenn mich wie du willst“ von Nordfront bejaht. 486 Vgl. den Dokumentarfilm „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ (2012) von Peter Ohlendorf und Thomas Kuban. 487 Kohlstruck/Scheffler, Das „Heckerlied“ und seine antisemitische Variante, S. 135 ff.

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Blut muss fließen, knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik!“

b) § 130 Abs. 3 StGB aa) Billigen, leugnen oder verharmlosen Bezugsgegenstand muss eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung i. S. d. § 6 Abs. 1 VStGB, also Völkermord, sein. Dieser muss verharmlost, geleugnet oder gebilligt werden. Verharmlosen liegt dabei bereits bei einer quantitativen oder qualitativen Bagatellisierung oder Relativierung des Unwertgehalts vor.488 Darüber hinausgehend ist mit dem Begriff des Leugnens das Bestreiten, In-Abrede-Stellen oder Verneinen der historischen Tatsachen gemeint; damit ist neben der schon erwähnten qualifizierten Auschwitzlüge nun auch die einfache Auschwitzlüge umfasst.489 Nicht genügend ist dabei allerdings das InFrage-Stellen oder Äußern bloßer Zweifel.490 Billigen als intensivste der drei Varianten liegt dagegen erst dann vor, wenn die fragliche Handlung konkludent oder ausdrücklich Gutgeheißen wird.491 bb) Beispiele aus der Rechtsprechung Dass dabei nicht zwingend eindeutige Schlagworte wie Holocaust, Vernichtung, Konzentrationslager etc. genannt werden müssen, sondern der Kontext der Äußerungen relevant ist, zeigen die folgenden Beispiele, in denen eine Strafbarkeit nach § 130 Abs. 3 StGB von den Gerichten bejaht wurde: „Du glaubst an Deutschlands große Schuld und ewige Schande. Du glaubst […] an all die Leichenberge.“ Diese Zeilen des Liedes „Du Glaubst“ der Band Stahlgewitter wurden auf einer der sog. Schulhof-CDs mit dem Glauben „an den Weihnachtsmann und an den Osterhasen“ gleichgesetzt und somit der Holocaust als ebensolche Erfindung dargestellt, weshalb Abs. 3 Var. 2 bejaht wurde.492 Der Titel „Prophezeiung“ einer Gruppe mit dem eindeutigen Namen Endlöser enthält die Zeile „… erzählt nur weiter eure Lügen, doch wir bringen es jetzt ins 488 BGHSt 46, 36 (40); BGH, NJW 2005, S. 689 (S. 691); Lohse, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StGB, § 130, Rn. 36. 489 Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 35; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 106; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 27. Dazu, dass vor Einführung des Abs. 3 die einfache Auschwitzlüge nicht von § 130 StGB a. F. erfasst war: BGHSt 40, 97 (99 ff.). 490 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 106; Fischer, StGB, § 130, Rn. 30. 491 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 18; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 32. 492 OLG Bamberg, Beschluss v. 8. 10. 2008 – 3 Ss 112/08, BeckRS 2008, 24872; zustimmend: Stegbauer, NStZ 2010, S. 134.

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Reine … Endlöser und die werden wir auch bleiben …“. Diese Aussagen lassen keine andere Auslegung zu, als dass die Shoa zugleich geleugnet wie auch gebilligt wird – eine seltsame aber in rechtsextremen Kreisen nicht seltene Ambivalenz aus Abstreitung und gleichzeitiger Befürwortung des Holocaust.493 Die Darbietung des Liedes „Hakenkreuz“ der Gruppe Radikahl wurde vom BGH als Billigung des Völkermordes unter der NS-Herrschaft gesehen, die zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet ist.494 Angesichts der Zeilen „Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um […] hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz […] für mich gilt es auch noch heut: Rasse, Stolz und Hakenkreuz“ und dem aus der plumpen Wiederholung des Wortes „Hakenkreuz“ bestehenden Refrains ist eine andere Deutung in der Tat nicht möglich. „Ich steckte sie [Anm.: das ,Zeckenpack‘] alle gemeinsam in den nächsten Zug nach …wald. Wasch mich mit der Seife ab, genieß den Lampenschirm, der neben meiner 20-Kilo-Hantel das Apartment ziert.“ lauten Zeilen aus dem Song „Die Faust geht zum Kopf“ der Rechts-Rapper MaKss Damage & King Bock. Aus dem Sprechrhythmus heraus ist dabei trotz zwei zensierender Schusslaute auf den ersten beiden Silben „X-X-wald“ erkennbar, dass Buchenwald gemeint ist, was durch die Verweise auf Seife und Lampenschirm – besonders menschenverachtende Produkte aus Konzentrationslagern – unterstützt wird; insgesamt liegt bei Verlinken des Liedes ein Billigen des Einsatzes von Konzentrationslagern als sachgerechte Lösung für den Umgang mit politischen Gegnern vor.495 c) § 130 Abs. 4 StGB aa) Billigen, verherrlichen oder rechtfertigen Der Bezugsgegenstand hier ist weiter als bei Abs. 3 nicht nur der Völkermord. Vielmehr ist es die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft als solche, wobei ein Bezugnehmen auf einzelne charakteristische Menschenrechtsverletzungen und Willkürhandlungen genügt, nicht jedoch auf übliches Regierungshandeln, das Bauen der Autobahn oder etwa die niedrige Arbeitslosigkeit zu dieser Zeit.496 Unter Billigen ist das grundsätzliche Gutheißen der NS-Herrschaft zu verstehen, wobei allerdings eine vorbehaltlose Zustimmung nicht zwingend erforderlich ist.497 Das Merkmal Verherrlichen fordert ähnlich wie in § 131 StGB, dass ein positiver 493 Vgl. LG Dresden, Beschluss v. 27. 05. 2008 – 3 Qs 17/08, Rn. 45 ff. Mehrere CDs der Gruppe wurden beschlagnahmt, vgl. JMS-Report 5/2017, S. 66 f. 494 BGH, NJW 1999, S. 1561 f.; zustimmend: Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 186 ff. 495 AG Bielefeld v. 9. 11. 2015 – 36 Ds-216 Js 160/12 – 257/15. 496 Vgl. insgesamt BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 55), Rn. 100 (Wunsiedel); BGH, NStZ 2006, S. 335 (S. 337); BVerwG, NJW 2009, S. 98 (S. 101); Lohse, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StGB, § 130, Rn. 40; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 115; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 30. 497 BT-Drs. 15/5051, S. 5; Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 31.

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Bewertungszusammenhang gebildet wird, z. B. durch Glorifizierung der nationalsozialistischen Unrechtshandlungen als etwas Großartiges, Heldenhaftes oder Imponierendes.498 Rechtfertigen liegt ähnlich wie das Verharmlosen in Abs. 3 vor, wenn nationalsozialistische Menschenrechtsverletzungen als notwendige, erforderliche, unvermeidliche oder richtige Maßnahmen bezeichnet werden.499 bb) In einer die Würde der Opfer verletzenden Weise Dem Wortlaut des Abs. 4 nach muss der öffentliche Frieden zudem „in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise“ gestört werden. Diese Würdeklausel stellt sich wie die Friedensklausel in Abs. 1, 3 und eben auch 4 als eine grundsätzlich bei Vorliegen der restlichen Tatbestandsmerkmale vermutete Wertungsklausel dar.500 Im Prinzip sammeln sich hier damit zwei Wertungsklauseln, sodass man über die Friedensklausel Äußerungen ausschließt, die zwar öffentlich i. S. d. Tatbestandes, aber von geringer Reichweite sind, während Aussagen von geringer Intensität über die Würdeklausel ausgeschlossen werden können. So wird die Klausel insbesondere zu verneinen sein, wenn eine historische Handlung gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird, die für sich genommen keine Menschenwürdeverletzung dargestellt hat und so auch deren Perpetuierung keine erneute Würdeverletzung darstellen kann.501 cc) Beispiele? Das Abspielen des Liedes „Führer Adolf“ wurde vom LG Koblenz u. a. unter Abs. 4 subsumiert, der BGH hat dagegen allein auf § 130 Abs. 2 Nr. 1 b) StGB rekurriert.502 Dass sich für Abs. 4 sonst keine weiteren Beispiele finden lassen, passt zu der Tatsache, dass die Norm tatsächlich vor allem dem Polizei- und Sicherheitsrecht dient, um Versammlungen aus dem Grund zu beschränken oder aufzulösen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die drohende Verletzung eben dieses Absatzes vorliege.503

498 BT-Drs. 15/5051, S. 5; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 116; Rackow, in: v. HeintschelHeinegg, StGB, § 130, Rn. 39. 499 Fischer, StGB, § 130, Rn. 35; BT-Drs. 15/5051, S. 5. 500 Vgl. BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 55), Rn. 102 (Wunsiedel); Fischer, StGB, § 130, Rn. 39. 501 Vgl. Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 22d; Poscher, NJW 2005, S. 1318. 502 BGH v. 26. 7. 2017 – 3 StR 437/16 = HRRS 2017 Nr. 964, Rn. 2. 503 Kritisch zu diesem „Missbrauch“ des Strafrechts: Fischer, in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1134 f. und Hörnle, JZ 2010, S. 313.

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3. Kodifizierte Tatbestandsausschlussklausel Mit der Verweisung in § 130 Abs. 7 StGB findet sich nun erstmals im dritten Teil dieser Arbeit eine der im zweiten Teil aufgeführten kodifizierten Ausschlussklauseln für Werke der Kunst. Abs. 7 zufolge ist nämlich der Prototyp der Ausschlussklauseln, § 86 Abs. 3 StGB, auch auf die Abs. 2, 3 und 4 von § 130 StGB anwendbar. Kommt die Klausel zur Anwendung, schließt sie nach dem eindeutigen Wortlaut bereits den Tatbestand aus, nicht erst die Rechtswidrigkeit.504 a) Voraussetzungen Damit die Klausel greift, müsste dem Wortlaut von § 86 Abs. 3 StGB nach die „Handlung […] der Kunst […] dienen“. Handlung auf § 130 StGB übertragen meint die fragliche Äußerung oder Schriftenverbreitung. Auch fällt Neonazi-Musik zumindest unter den formalen Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Fraglich ist also allein, ob auch das Merkmal des Dienens erfüllt ist. Ausgehend von der Grunddefinition zu § 86 Abs. 3 StGB liegt ein Dienen nur vor, wenn „ein Propagandamittel im Rahmen eines Kunstwerkes wiedergegeben wird, das Kunstwerk selbst aber nicht Propaganda i. S. des § 86 betreibt“.505 Ob dies der Fall ist, ist durch eine zusammenfassende Wertung unter Einbeziehung von Sinn und verfolgter Zwecksetzung des Werkes im Zusammenhang mit seiner Gesamtkonzeption zu ermitteln.506 Andere stellen auf eine erkennbare Distanz zwischen tatbestandlichem Gedankengut und der Einstellung des Täters ab.507 Wenn also im Rahmen des § 130 StGB die Propagandafunktion der fraglichen Äußerung überwiegt und die Musik lediglich als Vehikel oder Deckmantel für die eigentlich dahinterstehenden verhetzenden Zwecke dient,508 kommt eine Berufung auf die Klausel nicht in Betracht. Dann dient nämlich nicht die Volksverhetzung der Musik, sondern umgekehrt die Musik der Volksverhetzung. Dies wird wohl regelmäßig für derartige rechte Musik zu bejahen sein, die so radikal ist, dass sie wie die oben aufgeführten Beispiel die Tatbestandmerkmale des § 130 StGB erfüllt. Die Ausführungen des KG Berlin zur Band Landser bestätigen dies: 504 BGHSt 46, 36; 47, 278; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 131; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 38; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130, Rn. 11. 505 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 467, Fn. 153. Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86, Rn. 8. 506 Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86, Rn. 39, § 86a, Rn. 28 mit Verweis auf BGH v. 22. 6. 1983 – 3 StR 56/83 (S), BeckRS 1983, 05627. Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86, Rn. 8. Ähnlich Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86, Rn. 40 (faktisch auf überwiegende Förderung des reinen Kunstzwecks statt der Propaganda abstellend). 507 Rahe, Sozialadäquanzklausel, S. 235; zustimmend: Rautenberg, GA 2003, S. 629; vgl. Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86, Rn. 17. 508 Vgl. zumindest bzgl. der Sozialadäquanzklausel i. R. d. § 130 StGB i. E. ähnlich: Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 108; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 130, Rn. 48; BVerfG, NJW 1988, S. 325; Kubiciel, NStZ 2003, S. 59.

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„Ihm [Anm.: Frontmann Michael Regener] schwebte vor, im Sinne seines 1993 verstorbenen Idols Ian Stuart von der Gruppe ,Skrewdriver‘ durch die Band mittels strafbarer und durch diesen Umstand bei Szeneangeho¨ rigen besonders mutig wirkender Texte rechts-radikal-propagandistisch auf die Jugend Deutschlands einzuwirken, um ,Haß und Emotionen zu schu¨ ren‘. Er wollte mit der Band nicht nur zur Erbauung der rechts-radikalen Szene musizieren, sondern aus ihr ein Instrument des politischen Kampfes machen.“509

Landser zeigt dieses Selbstverständnis u. a. mit Zeilen des Liedes „Rock gegen ZOG510“, in dem sie sich selbst als „Terroristen mit E-Gitarren“ bezeichnen und proklamieren: „Kunst ist eine Waffe fu¨ r gewaltbereite Musikanten“. Noch deutlicher drückt es die griechische NSBM511-Band Der Stürmer – benannt nach dem gleichnahmigen NS-Propaganda-Blatt und mit Titeln wie „Sieg Heil Vaterland“ oder „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ auffallend – auf ihrer Homepage aus: „our strife as a band is IDEOLOGICAL and NOT MUSICAL“.512 Extreme rechte Musik dient also in erster Linie der Verbreitung verhetzender Propaganda. Tatbestandliche Musik einschlägiger Bands kann sich so i. d. R. nicht auf die kodifizierte Ausschlussklausel berufen.513

509

KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 21. Anm.: ZOG = „Zionist Occupied Government“, Schlagwort für eine antisemitische Verschwörungstheorie. 511 NSBM = National Socialist Black Metal, eine Spielart des bereits i. R. d. § 166 StGB behandelten Black Metal, bei der thematisch statt der gewöhnlichen antichristlichen/satanistischen/nihilistischen eine offen nationalsozialistische Gesinnung vertreten wird. 512 Vgl. http://www.thepaganfront.com/dersturmer/main.html unter „Biography“. Die Veröffentlichungen der Band landen regelmäßig auf dem Index unter Liste B wegen Verstoßes gegen § 130 StGB, vgl. nur aktuell: BAnz. AT 30. 11. 2016 B3, Entscheidung Nr. 12667 (V) v. 9. 11. 2016 (Split-CD mit Goatmoon) und BAnz. AT 28. 02. 2017 B6, Entscheidung Nr. 12781 (V) v. 7. 02. 2017 (Split-CD mit einer Gruppe mit dem aussagekräftigen Namen Auschwitz Symphony Orchestra). 513 Wichtig ist es, an dieser Stelle klarzustellen, dass es sich bei diesem Ergebnis nur um die Auslegung des einfachen Rechts unter Achtung des Wortlautes des § 86 Abs. 3 StGB handelt. Damit ist aber freilich nichts an der verfassungsrechtlichen Einordnung dieser Musik als Kunst geändert. Insofern gehen Äußerungen deutlich zu weit, die pauschal proklamieren, politischdemonstrative Propaganda liege jenseits der Grenzen der Kunstfreiheit (Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86, Rn. 39; angedeutet: Güntge, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 86, Rn. 20) Damit würde rechter wie konsequenterweise auch demonstrativ linker Musik – man denke nur an Slime, Ton Steine Scherben, Swiss & die Andern oder Heaven Shall Burn – pauschal die verfassungsrechtliche Berufung auf die Kunstfreiheit verwehrt. Richtigerweise können sich all diese Bands, gleich wie propagandistisch sie auch sein mögen, grundsätzlich auf die Kunstfreiheit berufen, eine Niveau- oder Inhaltskontrolle ist, wie im ersten Teil dargelegt, gerade unstatthaft. 510

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b) Bedeutung der Klausel im Rahmen des § 130 StGB Die Klausel wird im Rahmen des § 130 StGB insgesamt als weitgehend bedeutungslos bezeichneten.514 Dies erklärt sich aus der unterschiedlichen Deliktsnatur von §§ 86, 86a StGB und § 130 StGB. Erstere Tatbestände pönalisieren das reine Verwenden bzw. Verbreiten bestimmter Zeichen. Damit kann bei diesen Tatbestandsmerkmalen die Intention des Verwenders erst im Rahmen des Dienens bei Anwendung des § 86 Abs. 3 StGB und nicht schon bei der Auslegung des Tatbestandes beachtet werden. Verwenden ist verwenden, verbreiten ist verbreiten, gleich mit welchem Hintergrund dies erfolgt. Bei § 130 StGB hingegen handelt es sich eben um ein Äußerungsdelikt, bei dem wie eingangs aufgeführt schon zur Bejahung der einzelnen Tatbestandsmerkmale die Aussage auch in Hinblick auf die Intention des Verwenders hin ausgelegt werden muss. Kommt dabei unter Betrachtung von Kontext und Gesamterscheinung eine sich nicht mit dem Wortlaut identifizierende und damit nicht propagandistische, sondern vielmehr satirische oder gar gänzlich neutrale und damit harmlose Aussage in Betracht, ist schon das jeweilige Tatbestandsmerkmal zu verneinen. Dann braucht nicht mehr auf die Ausschlussklausel abgestellt werden. Als Beispiel sei hier zunächst der Song „Ich bin Adolf Hitler“ (2013) von K.I.Z genannt, der prima facie eine Identifizierung mit titelgebendem „Nazigott“ darstellen könnte und mit weiteren eindeutigen Schlagworten wie „entartete Kunst“, „Wolfsschanze“ und „Judenfrage“ auffällt. Allerdings sind K.I.Z ganz im Gegenteil politisch eher dem linken Spektrum zuzuordnen und fallen gerade durch ihren tiefschwarzen Humor und provokante Texte mit teilweise doppelter ironischer Brechung sowie verstreuten, nie ernst gemeinten rechten Andeutungen auf. Besagter Song treibt dies mit Vergleichen zur heutigen Partyszene auf die Spitze, wenn es bspw. heißt: „Ich leg ’ne Hakenkreuz-Line aus purem Speed. Hitler! Ich ziehe was, was du nicht ziehst“, „Wenn ich mit meinem Finger schnipse, stehst du plus 2 auf Schindlers Liste“ und „Nach der Party sieht der Club aus wie Dresden ’45“. Der Track klingt mit einem repetitiven „Tanz den Adolf Hitler!“ als popkulturellem Zitat auf den Provokations-Klassiker „Der Mussolini“ (1981) der Electro-Pioniere DAF aus. Im Video zum Song stellen die Mitglieder von K.I.Z orthodoxe Juden dar, die den vom jüdischen Comedian Oliver Polak dargestellten Hitler verprügeln. Die Betrachtung des Gesamtkonzeptes ergibt so eindeutig, dass überhaupt keine Identifizierung mit der NS-Ideologie vorliegt. Durch diese klare Auslegung ist jedoch schon die Annahme des Tatbestandes verwehrt. Es braucht gar nicht mehr auf § 130 Abs. 7 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB zurückgegriffen werden. Genauso verhält es sich mit der ausdrücklich nicht rechtseingestellten Band Rammstein. Zwar spielt diese durchaus mit NS-Ästhetik in Gestus wie Duktus und zeigt im Video zum Depeche Mode-Cover „Stripped“ (1997) Bilder aus Leni Rie514 Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 132. Vgl. auch Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 108. Bei Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 25 und Fischer, StGB, § 130, Rn. 52 ff. wird gar nicht erst auf die Kunst eingegangen.

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fenstahls NS-Propaganda-Film „Olympia“ (1938). Die Band proklamiert im programmatischen Song „Links, 2, 3, 4“ (2001) aber deutlich: „Sie wollen mein Herz am rechten Fleck, doch seh’ ich dann nach unten weg, da schlägt es links!“ Zuletzt triggerten Rammstein Rezipienten aller politischer Couleur, indem sie im Video zu „Deutschland“ (2019) einen epischen Parforceritt durch die deutsche Geschichte unternehmen, sich selbst als KZ-Insassen am Galgen inszenieren und mit der Zeile „Deutschland, Deutschland über allen“ bewusst provozieren, aber letztlich doch unzweideutig konstatieren: „Deutschland – meine Liebe kann ich dir nicht geben“. Die Gesamtschau ergibt in all diesen Fällen, dass gerade keine Identifizierung mit der NS-Ideologie vorliegt. c) Zwischenergebnis Auch bei gerade nicht rechtsideologischer Kunst kommt der Ausschlussklausel des § 130 Abs. 7 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB so letztlich keine Bedeutung zu, weil durch Auslegung bereits der Tatbestand zu verneinen ist. Die Ausschlussklausel läuft damit im Rahmen des § 130 StGB tatsächlich weitgehend leer.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Abschließend ist erneut die Kunstfreiheit auf Rechtswidrigkeitsebene zu beachten. Eine Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG direkt wird in der Kommentarliteratur nur vereinzelt für Ausnahmefälle in Erwägung gezogen, allerdings wird dabei oft der öffentliche Frieden als der Kunstfreiheit entgegenstehendes Rechtsgut akzeptiert.515 1. Entgegenstehendes Rechtsgut Die Schutzgutbetrachtung ergab, dass grundsätzlich hinter (fast) dem gesamten § 130 StGB der Schutz des öffentlichen Friedens und der individuelle Schutz der Menschenwürde steht, nicht nur in den Tathandlungsvarianten, in denen das jeweilige Gut explizit genannt ist. Einzig bei § 130 Abs. 2 Nr. 1c) StGB ist darüber hinaus eine Abwägung mit dem Jugendschutz nötig, der dann regelmäßig gegenüber dem diesbezüglich relativ geringen Eingriff in die Kunstfreiheit prävalieren wird. Im Falle von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie § 130 Abs. 4 StGB konnte schon der Tatbestand nur bejaht werden, wenn auch die Menschenwürdeklausel erfüllt ist. Diesbezüglich kommt wie schon zuvor ausgeführt eine Rechtfertigung wegen der Unabwägbarkeit der Menschenwürde nicht mehr in Betracht.

515 Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 130, Rn. 26; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 113; vgl. Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 130, Rn. 53.

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Da der öffentliche Frieden auch im Rahmen des § 130 StGB für sich allein keinen Eingriff in die Kunstfreiheit zu rechtfertigen vermag, stellt sich bezüglich der restlichen Tathandlungen eine einzig relevante Frage: Die, ob die jeweilige tatbestandliche Äußerung wirklich von derartiger Intensität ist, dass die Menschenwürde der angegrifenen Personen betroffen ist oder nicht. Wenn ja, muss die Kunstfreiheit zurückstehen. Wenn nicht, ist das jeweilige Werk durch direkte Anwendung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu rechtfertigen. 2. Verletzung der Menschenwürde Ob die Menschenwürde verletzt ist, hängt von der Gesamtbetrachtung der jeweiligen Äußerung ab. Da dabei auch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu beachten ist, sind in diese Betrachtung durchaus auch das jeweilige Werk betreffende Kunstcharakteristika einzustellen.516 Liegt auch bei rechtsextremer Musik grundsätzlich immer noch durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Kunst vor, unterminieren doch einige Bands durch die oben aufgezeigten Aussagen selbst die Schutzwürdigkeit ihrer Kunst, wenn sie den propagandistischen Inhalt als wesentlich und die Musik selbst als zweitrangig ansehen. So werden nämlich der Grad des Kunstbezuges und das Maß künstlerischer Gestaltung bzw. Verfremdung minimiert.517 Vor diesem Hintergrund können die in der Musik getätigten Aussagen auch nicht als satirische Überspitzung oder Groteske betrachtet werden, mit deren reinem Wortsinn sich der Interpret gar nicht identifiziert, wie dies bei obigen Beispielen zu § 131 StGB i. d. R. der Fall sein wird. Vielmehr entsprechen die Texte hier zumeist exakt dem Welt- und Menschenbild der Bandmitglieder, das diese auch im realen Leben haben. Damit geht einher, dass die meiste rechtsextreme Musik gezielt der propagandistischen Beeinflussung, der Strukturbildung und der Sozialisierung vor allem auch der Jugend dient, nicht zuletzt indem das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt wird.518 So hat bereits der erwähnte Ian Stuart Donaldson – Frontmann der britischen Rechtsrock-Pioniere Skrewdriver und der Begründer von Blood & Honour – Musik als das ideale Lockmittel für Jugendliche bezeichnet.519 Mithin werden in den vorliegenden Fällen die Belange der Kunst als solcher nicht derart hoch liegen, dass dadurch der Maßstab für die Annahme eines Menschenwürdeverstoßes wesentlich verschoben würde. Grundsätzlich bleibt es so bei der allgemeinen Definition, dass ein Verstoß gegen die Menschenwürde im Rahmen des § 130 StGB dann gegeben ist, wenn für Teile der 516

Vgl. nur erneut BVerfGE 83, 130 (146) (Josefine Mutzenbacher). Vgl. zu diesen Kriterien i. R. d. Wertung der Kunstfreiheit: BayObLG, NVwZ-RR 1994, S. 65 (S. 66); Henschel, NJW 1990, S. 1942 a. E.; Otto, NJW 1986, S. 1210. 518 Half, in: Ostendorf, Rechtsextremismus, S. 28. Vgl. bereits KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 21 zu Landser und den Dokumentationsfilm „Deutsche Popzustände“ (2015) von Dietmar Post und Lucía Palacios. 519 Vgl. Verfassungsschutz 2007, S. 8; Berliner Verfassungsschutz 2016, S. 8. 517

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Bevölkerung das Menschsein an sich bzw. das Menschsein als gleichwertiger Teil in der Gesellschaft – das sog. soziale Lebensrecht – in Frage gestellt wird. Eine Identifizierung mit der nationalsozialistischen Rassenideologie stellt nicht nur das soziale, sondern gar das physische Lebensrecht in Frage. Es ist damit per se ein Verstoß gegen die individuelle Menschenwürde derjenigen, die mit derartigen Aussagen das Lebensrecht abgesprochen bekommen. a) § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB Ein Menschenwürdeverstoß liegt im Falle des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB regelmäßig vor, da er den beschriebenen Tathandlungen in den meisten Fällen immanent ist.520 Wer gegen Teile der Bevölkerung zu Hass aufstachelt bzw. zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufruft, wird diesen damit i. d. R. das soziale Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit abstreiten. Anders wäre dies nur bei einer geringen Intensität der Äußerung an der Schwelle zur Straflosigkeit oder dann, wenn an der grundsätzlichen Gleichwürdigkeit als Mitmensch keine Zweifel gelassen werden und eher „eine herausgehobene soziale Machtstellung als bedrohlich“521 dargestellt wird. Ein Menschenwürdeverstoß liegt auch dann nicht zwingend vor, wenn lediglich zu Willkürmaßnahmen wirtschaftlicher, nicht jedoch höchstpersönlicher Art aufgerufen wird. Dies wird z. B. bei einem einfachen Wirtschafts-Boykott der Fall sein können, dem nicht zugleich die Bewertung der boykottierten Gruppe als minderwertig mitschwingt.522 Als Beispiele besonders klarer Menschenwürdeverstöße sollen hier zwei Lieder der neonazistischen deutschen Band Macht & Ehre vom Album „Herrenrasse“523 (1997) dienen. Der Song „Kein Mensch“ trägt den Menschenwürdeverstoß bereits deutlich im Titel und subsumiert sich gewissermaßen selbstständig unter den kompletten § 130 Abs. 1 StGB: „Siehst du seine Farbe? Seine Farbe siehst du nicht, nur ist sie schwarz und hässlich, ja dann schlag ihm ins Gesicht.

520

Vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 24; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 130, Rn. 3. Vgl. Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 287, 296; auch Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 164; Junge, Schutzgut des § 130 StGB, S. 67; Krauß, in: LK, StGB, § 130, Rn. 8; Fromme, KJ 1995, S. 409. Vgl. für Kunst und Menschenwürde i. R. d. § 130 StGB auch Ostendorf, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 130, Rn. 38. 521 So ein Beispiel bei Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 297 mit dem Verweis, dass eine so genaue Differenzierung jedoch kaum vorgenommen wird. Darunter könnte z. B. aktuell der vor allem aus AfD- und Pegida-Kreisen verbreitete Hass auf die „Eliten“ fallen, wenn gegen diese als Teil der Bevölkerung zwar zum Hass aufgestachelt wird, den „Eliten“ damit aber nicht zugleich das soziale Lebensrecht abgesprochen wird; sicher ein schmaler Grat. 522 Der Wiederbelebung des historischen „Kauft nicht bei Juden!“ hingegen wäre gerade eine solche Bewertung immanent. 523 Indiziert, BAnz. Nr. 204 v. 31. 10. 1997, Entscheidung Nr. 5163 (V) v. 15. 10. 1997; mehrfach beschlagnahmt, vgl. JMS-Report 5/2017, S. 66.

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Er ist kein Mensch, er ist ein Aff! Drum denk nicht nach, mach einfach ,Paff‘! […] Siehst du seine Nase? Seine Nase siehst du nicht, nur ist sie krumm und hässlich, ja dann schlag ihm ins Gesicht. Er ist kein Mensch, er ist ein Jud! Drum denk nicht nach und schlag ihn tot!“

Ebenso verhält es sich mit dem Titel „Gegrilltes Fleisch“: „Du bist schwarz und hässlich, eklig und grässlich, grausam und gewalttätig, stinkig und dreckig. Du bist ein Auswurf der Menschheit, für dich steht der Galgen bereit […] Du wirst gegrillt wie ein Stück Fleisch, du wirst vernichtet aus unserem Reich. Denn Nigger wollen wir hier nicht, drum treten wir ihnen ins Gesicht. Du wirst nicht mehr existieren, alle werden dann applaudieren […] Nigger mach, dass du wegkommst, Nigger renn’ um dein Leben, Nigger sei schneller als ein Tier, wir töten dich, ich versprech es dir. Nigger, Nigger raus aus unserem Land, Nigger, Nigger du wirst verbrannt! Nigger, Nigger raus aus unserem Land, Nigger, Nigger du wirst verbrannt!“

b) § 130 Abs. 3 StGB Ob bei Abs. 3 die Menschenwürde betroffen ist oder eine Rechtfertigung möglich ist, kommt vor allem auf die tatbestandlich bejahte Variante an. Insbesondere bei einem quantitativen Verharmlosen i. S. d. Var. 3 ist die Menschenwürde der Opfer nicht verletzt, weil ihnen damit gerade nicht das Lebensrecht aberkannt oder die NS-Ideologie gebilligt wird. Bei einer Leugnung i. S. d. Var. 2 kommt es darauf an, ob es sich um ein „einfaches“ Bestreiten des Holocaust handelt, oder die sog. qualifizierte Auschwitzlüge, bei der die Shoa als zionistische Erfindung zur „Knebelung“ Deutschlands dargestellt wird. Ersteres kann als gewissermaßen passive Ignoranz oder juristisch verklausuliert als Unterlassung der Akzeptanz historischer Tatsachen allein nicht die Menschenwürde der Opfer verletzen; zweiteres durch die aktive und perverse Umdeutung von Opfern zu Tätern, die „Greuelpropaganda zum Zwecke finanzieller Erpressung“524 betrieben, hingegen durchaus.525 Bei einer Billigung der Taten der Nationalsozialisten im Sinne von Var. 1 ist i. d. R. die Menschenwürde der Opfer verletzt, da sich damit der Täter mit 524

Vgl. Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 197. Vgl. bzgl. der Frage der Menschenwürdeverletzung i. E. BGHSt 40, 97 (100). Dass gerade daraufhin in Abs. 3 auch die einfache Auschwitzlüge pönalisiert wurde, ändert nichts an der grundsätzlichen Betrachtung, ob die Menschenwürde dadurch verletzt ist, vgl. auch BTDrs. 12/8588, S. 8. Die einfache Auschwitzlüge ist mithin allein zum Schutz des öffentlichen Friedens pönalisiert. I. E. wie hier: Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 322 f.; Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 177; Borgwardt, in: Ostendorf, Rechtsextremismus, S. 245. 525

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der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziert und demnach die Opfer als minderwertige Lebewesen, die den Holocaust verdient hätten, ansieht.526 Selbst wenn man in dem in Fußball-Fan-Kreisen beliebten Lied „Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von [gegnerische Stadt] bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir“ eine Verharmlosung des Holocaust sehen sollte,527 obleich es dafür eigentlich an einer unmittelbar darauf bezogenen Wertung fehlt und Auschwitz vielmehr als übertriebene Metapher genutzt wird, müsste auf Rechtswidrigkeitsebene wohl die Kunstfreiheit durchgreifen. Schließlich ist mit Absingen dieser Zeilen im Fußball-Kontext weder eine Identifizierung mit nationalsozialistischem Gedankengut verbunden, noch wird das soziale Lebensrecht und die Wertigkeit jüdischer Mitmenschen bestritten. Vielmehr soll „lediglich“ die sportliche Dominanz demonstriert werden. Anders sieht es dagegen mit folgenden extremen Zeilen aus. Die Band Kommando Freisler hat sich darauf spezialisiert, allbekannte Melodien umzudichten, um perverse Ohrwürmer zu erschaffen. Das Lied „Das Giftgas“ vom Album „Geheime Reichssache“528 (2004) besteht so aus der schon kennengelernten Ambivalenz einer qualifizierten Auschwitzlüge in der Strophe und einer Verherrlichung des Holocaust im Refrain, gesungen auf die Melodie von Mike Krügers bekanntem Comedy-Song „Der Nippel“ (1980): „Ja man muss zuerst das Giftgas in die Kammer füllen. Und um das Ganze einen schicken Schleier hüllen. Mit ’ner Brause und ’nem Abfluss, wie ’ne Dusche sieht das aus. Und fertig ist der Holocaust.“

Im Song „In Belsen“ verherrlicht Kommando Freisler offen den Holocaust auf die Melodie des Volksliedes „Die Vogelhochzeit“: „In Belsen, in Belsen, da häng’n se an den Hälsen. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala. In Buchenwald, in Buchenwald, da machen wir die Juden kalt. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala. In Majdaneck, in Majdaneck, da machen wir aus Juden Speck. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala.

526 Zum Menschenwürdeverstoß durch diese Identifizierung: BVerfG, NStZ 2001, S. 26 (S. 28); BGHSt 40, 97 (100); BGH, NStZ 1981, S. 258; Fischer, StGB, § 130, Rn. 12a. 527 Dies ist durchaus umstritten: Verneint von OLG Rostock, StraFo 2007, S. 426 (S. 427). Bejaht von OLG Braunschweig, StraFo 2007, S. 212 (nur § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint); LG Cottbus, Beschluss v. 26. 2. 2009 – 24 Qs 411/08; Rackow, ZIS 2010, S. 375 und aktuell OLG Hamm, Beschluss v. 01. 10. 2015 – 1 RVs 66/15, da allerdings statt Einfügung der gegnerischen Stadt in den Text vielmehr mit den Worten „… von Jerusalem bis nach Auschwitz …“, woraus sich eine völlig andere Deutung ergibt. 528 Indiziert auf Liste B: BAnz. Nr. 163 v. 31. 08. 2004, Entscheidung Nr. 6734 (V) v. 03. 08. 2004. Verurteilung der Bandmitglieder 2010 wegen Volksverhetzung vom LG Göttingen, vgl. https:// www.hna.de/lokales/goettingen/gericht-erhoeht-strafen-neonazi-bandmitglieder-9815 55.html.

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Aus Judenhaut, aus Judenhaut, da wird der Lampenschirm gebaut. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala. In Ausschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala. Der Rhabi, dieses alte Schwein, der kommt dann in den Ofen rein. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala. […] In Dachau weiß ein jeder Mann, wie man die Juden töten kann. Fidiralala, fidiralala, fidiralalala.“

Bei einigen Bands, insbesondere aus dem NSBM-Spektrum, lässt bereits der Name eine Verherrlichung des Nationalsozialismus oder gar explizit des Holocaust erahnen: Eugenik, Ziontod, Hakenkreuzzug, Buchenwald Oven, Gestapo SS, Holocaustus oder Kristallnacht seien als Beispiele genannt. Im Titel „Verreckt im Gas“ der NSBM-Band Khronn Mutilatum heißt es explizit: „Die ganze dreckige Ausländerschar erstickt am Zyklon B“. Die Lyrics ihres Songs „Leichenzug der lebenden Toten“ lauten: „Leichenzug / Endstation Buchenwald Leichenzug / Buchenwald 2010 […] Wir treiben die Pest in die Duschen, verriegeln die Türen, füllen den Raum mit tödlichem Gas. Auf dass sie Därme kotzen und qualvoll verrecken.“

c) Zwischenergebnis Bei derart extremen Texten liegt eine Verletzung der Menschenwürde vor. 3. Stellungnahme Sollte jedoch im Einzelfall einmal keine Verletzung der Menschenwürde gegeben sein, was bei weniger extremer, gleichwohl tatbestandlicher Kunst der Fall sein könnte, steht der Kunstfreiheit allein der öffentliche Frieden gegenüber. Weil dieser die Kunstfreiheit genau wie bei den vorgenannten Tatbeständen allein nicht einzuschränken vermag, überwiegt auch hier die Kunstfreiheit, sodass eine strafrechtliche Rechtfertigung des jeweiligen Werkes nicht nur möglich, sondern verfassungsrechtlich auch geboten ist. Eine dogmatisch nicht begründbare andere Handhabung aufgrund der besonders brisanten Thematik des § 130 StGB wäre inkonsequent und sicher rechtspolitisch wünschenswert, aber mit dem hier vertretenen methodischen Ansatz nicht zu vereinbaren. Insbesondere verbietet sich deshalb die vom Ergebnis her gedacht durchaus sehr reizvolle pauschale Idee, den Gegnern der Verfassung einfach die Berufung auf die Verfassung und damit natürlich auch auf die Kunstfreiheit komplett zu ver-

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sagen.529 Dafür sieht das Grundgesetz den eigenen Weg des Art. 18 GG – die Verwirkung von Grundrechten – vor, der bereits ausweislich des klaren Wortlautes nicht für die Kunstfreiheit gilt und überdies sowieso nur vom BVerfG nach §§ 36 ff. BVerfGG für den Einzelfall ausgesprochen werden könnte. Grundsätzlich gewährt unsere Verfassung im Vertrauen auf die Kraft freier öffentlicher Auseinandersetzung die Freiheitsgrundrechte nämlich auch den Feinden der Freiheit.530 Eine solche strafrechtliche Rechtfertigung ändert natürlich nichts an der immer noch gegebenen außerstrafrechtlichen Möglichkeit, gewissermaßen als milderes Mittel Rechtsrock, der nicht gegen § 130 StGB verstößt, wegen zu befürchtender Jugendgefährdung nach Liste A zu indizieren. Wie schon angeführt, zielt diese Musik gerade auf die Jugend ab, die vor allem in den turbulenten Selbstfindungsphasen der Pubertät leichter empfänglich für eine derartige Indoktrinierung ist. Der Paternalismusgedanke des Jugendschutzes wird so i. d. R. gegenüber dem relativ geringen Eingriff in einen Teil des Wirkbereiches der Kunstfreiheit durch die bloße Indizierung überwiegen.

IV. Fazit und Ausblick Wie aufgezeigt, fordert die Bejahung von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 130 Abs. 4 StGB bereits tatbestandlich einen Angriff auf die Menschenwürde, in den restlichen Fällen wird ein solcher regelmäßig gegeben sein, wenn die Tathandlung nicht lediglich eine Verharmlosung oder einfache Leugnung des Holocaust darstellt. Damit werden die wenigsten Fälle, die den Tatbestand des § 130 StGB tatsächlich erfüllen, gerechtfertigt sein, auch wenn sie Kunst darstellen sollten. Insbesondere bei der obigen Bearbeitung des Konfliktes von Kunst und Religion im Kontext des § 166 StGB wurde immer wieder darauf verwiesen, dass die wirklich extremen und strafwürdigen Fälle, insbesondere wenn Mitmenschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit das soziale Lebensrecht aberkannt wird, doch zugleich unter § 130 StGB fallen werden. Dass sich dann bei § 130 StGB anders als noch bei § 166 StGB i. d. R. wirklich keine Straffreiheit mehr allein aufgrund der Berufung auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ergibt, haben vorstehende Ausführungen bestätigt. Es hat sich auch deutlich der Unterschied zu § 131 StGB gezeigt. Dort ist vom Künstler i. d. R. keinerlei negative Beeinflussung des Rezipienten intentioniert. Auch wird nicht gegen reale Menschen oder Menschengruppen gehetzt, sondern abstrakt Gewalt an und für sich als zwischenmenschliches Phänomen lediglich am exemplarischen Beispiel einzelner fiktiv dargestellter Menschen thematisiert. Dementgegen wollen die Urheber der im Rahmen des § 130 StGB relevanten Werke regelmäßig gerade das Welt- und Menschenbild des Rezipienten verändern und in diesem eine gegenüber bestimmten Mitmenschen feindselige und entwürdigende 529 530

So z. B. KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 149 f. BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 51), Rn. 67 (Wunsiedel).

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Haltung auslösen oder bestärken. Dazu sprechen sie oft gezielt bestimmten Mitmenschen deren konkrete Menschenwürde ab – etwas, das sonst in der Kunst nicht vorkommt und im Rahmen des § 130 StGB der strafbefreienden Berufung auf die Kunstfreiheit entgegensteht. Die regelmäßige Bestrafung nach § 130 StGB auch von Kunst ist deshalb auch kein Widerspruch zur ansonsten in dieser Arbeit verfochtenen Liberalität. Jeder soll nach seiner Façon selig werden und frei von staatlicher Bestrafung tun und lassen dürfen, was immer ihm beliebt, solange er nicht in die individuellen Freiheiten eines anderen eingreift. Grundvoraussetzung eines solchen Gesellschaftsvertrages muss jedoch als Minimalkonsens ein Mindestmaß an Immanuel Kants kategorischem Imperativ in dem Sinne sein, dass ein jeder Mensch einen jeden seiner Mitmenschen als grundsätzlich gleichwürdig betrachtet, damit das „suum cuique“ der antiken Philosophie nicht in ein pervertiertes Buchenwald’sches „Jedem das Seine“ umschlägt. Solange es aber selbst im fortschreitenden 21. Jahrhundert im doch eigentlich recht aufgeklärten Deutschland immer noch Menschen gibt, die anderen Mitmenschen deren grundsätzliche Gleichwürdigkeit und grundsätzliche Menschenwürde im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 1 GG absprechen, ist aus rechtspolitischer Sicht an der Strafandrohung des § 130 StGB festzuhalten.

F. § 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen … Der polarisierende Performance-Künstler Jonathan Meese streckt 2012 während eines Interviews531 zu seinem Programm der „Diktatur der Kunst“ zweimal den rechten Arm zum Hitlergruß532 aus; eine Photographie davon veröffentlicht er später auf seiner Internetseite.533 Ist es strafrechtlich anders zu beurteilen, wenn Mitglieder einer rechtsextremen Band im Rahmen ihrer Bühnenshow mit einem Hitlergruß das Publikum salutieren?534 Was ist, wenn eine solche Band ein Hakenkreuz535 auf dem

531 Dazu, dass es sich bei Interviews wie dem Besagten vor allem dem zeichentheoretischen und materialen Ansatz nach aufgrund der vielstufigen Interpretierbarkeit und dem Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers um Performancekunst handeln kann: Decker/Ullrich, KUR 2014, S. 15 ff.; auch von AG Kassel, NJW 2014, S. 801 (S. 802) korrekt erkannt. Zustimmend Muckel, JA 2014, S. 479 f. und Hufen, JuS 2014, S. 855 ff. 532 Zur Entstehung und Bedeutung des Hitlergrußes im Nationalsozialismus, Ahmed, in: Ostendorf, Rechtsextremismus, S. 82 ff. 533 Siehe http://jonathanmeese.com/2012/20120604_Kassel_Spiegel/index.php. Auf der Website finden sich noch weitere Bilder des Künstlers mit dem Hitler- bzw. inzwischen „Meesegruß“, siehe nur Beitrag vom 30. 09. 2017: http://jonathanmeese.com/2017/20170930_ Berlin_Atelier/index1.php. 534 Vgl. zu solchen Szenen nur den Dokumentarfilm „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ (2012) von Peter Ohlendorf und Thomas Kuban.

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Cover536 ihrer Veröffentlichung abbildet? Und ist es dagegen anders zu bewerten, wenn im Drama „American History X“ (1998) auf der Brust von Edward Norton in seiner Rolle eines US-amerikanischen Neonazis ein riesiges Hakenkreuz-Tattoo prangt oder wenn der schon erwähnte Satiriker Jan Böhmermann die Person Adolf Hitlers als pubertären YouTube-Influenzer „@therealfuehrer“ karikiert und dabei sowohl den Hitlergruß macht als auch die Hakenkreuzbinde trägt? Die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG steht immer wieder im Konflikt mit § 86a StGB, der das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen pönalisiert. So monierten zwei der wichtigsten BVerfG-Entscheidungen zur Kunstfreiheit die ungenügende Beachtung bzw. Verkennung der Kunstfreiheit im Rahmen genau dieses Tatbestandes: Die erste Entscheidung hatte satirische Darstellungen auf T-Shirts zum Gegenstand, die das Konterfei Adolf Hitlers abbildeten: einmal vor einer Europakarte mit der Unterschrift „1939 – 1945 European Tour“ und einer Aufstellung der vom Deutschen Reich im zweiten Weltkrieg angegriffenen Länder im Stile eines Tourneekalenders; sowie einmal mit Yo-Yo an der zum Hitlergruß erhobenen Hand als „European Yo-Yo Champion 1939 – 1945“.537 Bei der zweiten Entscheidung ging es um Plakate, die einen jungen Mann in FDJ538-Hemd samt entsprechendem Emblem abbildeten und zur Bewerbung der Westdeutschen Erstaufführung von Bertolt Brechts Theaterstück „Herrnburger Bericht“ verteilt wurden.539 Kann nun die Berufung auf die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in all den genannten Fällen gleichermaßen für eine Strafbefreiung sorgen oder ist wohlmöglich eine Differenzierung der verschiedenen Sachverhalte vorzunehmen?

I. Geschützte Rechtsgüter Um dies zu beantworten, ist wiederum als erstes zu klären, welche Schutzgüter hinter § 86a StGB stehen und ob diese jeweils geeignet sind, die Kunstfreiheit einzuschränken.

535 Zur Geschichte des Hakenkreuzes und seiner vielfältigen Bedeutungen u. a. auch als Glückssymbol im Buddhismus: Stisser, in: Ostendorf, Rechtsextremismus, S. 106 ff. 536 Vgl. nur die CDs „Weisse Wut“ von Weisse Wölfe, „Live in Weimar“ von Kraftschlag, „Wir bleiben Kameraden“ von Reichssturm und „NSDAP“ von Macht & Ehre. 537 BVerfGE 82, 1 (Hitler-T-Shirts); vgl. auch LG Frankfurt am Main, NStZ 1986, S. 167. Ausführlich dazu auch Kulczak, bildende Kunst, S. 220. 538 Zum Verbot der FDJ als verfassungswidrige Organisation: BVerwGE 1, 184 ff. 539 BVerfGE 77, 240 (243 f.) (Herrnburger Bericht); dazu auch Hamdan, Jura 2008, S. 170.

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1. Öffentlicher Frieden § 86a StGB ist kein klassisches Delikt zum Schutze des öffentlichen Friedens i. S. d. bei den vorherigen Tatbeständen genutzten Definition. Nur teilweise wird das Schutzgut explizit als der „öffentliche (politische) Frieden“540 verstanden. Meist wird allein der „politische Frieden“ genannt.541 Deshalb soll § 86a StGB als eine Art Annex nur eine kurze Thematisierung in der vorliegenden Arbeit finden. Die Kunstfreiheit vermag jedenfalls auch ein so verstandener öffentlicher Frieden nicht einzuschränken, da diesem auch in einer solchen Ausgestaltung kein Verfassungsrang zukommen kann. 2. Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung § 86a StGB ist in erster Linie ein sog. Staatsschutzdelikt.542 Er dient der Bewahrung des demokratischen Rechtsstaats543 bzw. dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung.544 Bei einem solchen Schutzgut stellt sich nun die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung letztlich gar nicht; es geht schließlich um die Verfassung und deren Schutz selbst.545 Wenn man so will, sind der Bestand der Bundesrepublik und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung gar die Grundvoraussetzung, dass der verfassungsrechtliche Schutz der Kunstfreiheit an sich überhaupt bestehen und wirken kann.546 Zwar hat dieses Schutzgut somit also grundsätzlich Verfassungsrang i. S. d. Mephisto-Rechtsprechung.547 Allerdings ge-

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Fischer, StGB, § 86a, Rn. 2; Ellbogen, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 86a, Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a, Rn. 1; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 286. Ablehnend: explizit Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 89 f.; nur auf verfassungsgemäße Ordnung abstellend Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86a, Rn. 1. 541 BGHSt 23, 267 (268); 25, 30; 25, 128 (130); 51, 244 (246); BayObLG, NStZ 2003, S. 89; OLG Frankfurt am Main, NStZ 1999, S. 356; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a, Rn. 1; Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 86a, Rn. 2; Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86a, Rn. 1; Zöller, in: SK-StGB, § 86a, Rn. 1. 542 Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86a, Rn. 2. Ergibt sich bereits aus der systematischen Einordnung in das StGB in den 3. Titel „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“. 543 Fischer, StGB, § 86a, Rn. 2; Ellbogen, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 86a, Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a, Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a, Rn. 1. 544 Beisel, Kunst, S. 372 („Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung“); Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86a, Rn. 1; Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86a, Rn. 1; Paeffgen, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 86a, Rn. 2. 545 So z. B. Fischer, Kunst, S. 117. Vgl. auch Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 119, der zwar eine Einschränkung der Kunstfreiheit i. E. ablehnt, aber der verfassungsmäßigen Ordnung natürlich nicht den Verfassungsrang abspricht. 546 Vgl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 574. 547 Vgl. BVerfGE 33, 52 (71) (Der lachende Mann) (da noch unmittelbare Gefährdung gefordert); 81, 278 (292 f.) (Bundesflagge) (da explizite Absage an Forderung einer unmit-

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nügt zur Beschränkung der Kunstfreiheit eben gerade keine lediglich formelhafte Nennung des Verfassungsschutzes, vielmehr ist das genaue Schutzgut eng zu fassen und konkret zu benennen. § 86a StGB ist so im Speziellen Durchsetzung und Abrundung des Vereinigungsbzw. Parteiverbotes nach Art. 9 Abs. 2 GG bzw. Art. 21 Abs. 2 GG.548 Mit einem solchen Verbot wird die Verfassungsfeindlichkeit der jeweiligen Gruppierung verbindlich festgestellt. Daran anknüpfend ist dieses Verbot jedoch nur dann umfassend und kann nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn auch die Symbolik der entsprechenden Gruppierungen verboten ist. Gerade bei öffentlicher Verwendung der Symbolik könnte sonst der Eindruck der Fortexistenz dieser Gruppierungen erweckt werden. Auch soll mit dem Verbot gerade die Propaganda der jeweiligen Organisation unterbunden werden. Die gleichwohl weitergehende Verwendung der Symbolik würde allerdings gerade dies unterlaufen, stellen doch die fraglichen Symbole letztlich verdichtete und verbildlichte Propaganda dar. § 86a StGB soll nun genau diese mittelbare Propaganda und den Eindruck der Fortexistenz dieser Gruppierungen trotz Verbotes unterbinden; letztlich soll die Wiederbelebung der verbotenen Organisationen und ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen verhindert werden.549 Das Schutzgut hinter § 86a StGB lässt sich somit als notwendiger Bestandteil des Gesamtkonzeptes von Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG hinreichend konkret definieren. Dadurch lässt sich nun bereits an dieser Stelle feststellen, dass – abseits der im Bereich der Kunst nicht relevanten Friedensstörung – das hinter § 86a StGB stehende Schutzgut nur dann beeinträchtigt ist, wenn eine tatsächliche, von Dritten wahrnehmbare Identifizierung mit der hinter dem jeweiligen Symbol stehenden Organisation und deren Idealen vorliegt. Erst dann überwiegt der Verfassungsschutz in Form der notwendigen Abrundung von Art. 9 Abs. 2 GG bzw. Art. 21 Abs. 2 GG gegenüber der Kunstfreiheit. Anderenfalls – insbesondere bei bloßer Provokation oder gar gegenteiliger Gesinnung – ist dieses Schutzgut gar nicht betroffen und kann telbaren Gefährdung); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 2001, S. 596 (S. 597) (Deutschland muss sterben); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 64. 548 Vgl. ähnlich BVerfGE 77, 240 (255), zustimmend Gärtner, Satire, S. 261; Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 86 f.; vgl. BGHSt 23, 64 (72 f.); vgl. auch Kulczak, bildende Kunst, S. 220, der zur Abwägung mit der Kunstfreiheit auf diese Bestimmungen abstellt. Bzgl. der nationalsozialistischen Symbolik sei darauf hingewiesen, dass die NSDAP und ihre angeschlossenen Organisationen wie z. B. SS, SA, HJ bereits 1945 durch das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 2 verboten und eine Neubildung für ungesetzlich erklärt wurde. Deshalb musste die NSDAP nicht erst nach Art. 21 Abs. 2 GG vom BVerfG verboten werden. Dieses hat allerdings die SRP (Sozialistische Reichspartei) als Nachfolgeorganisation der NSDAP verboten, vgl. BVerfGE 2, 1 ff. Somit fällt natürlich auch die Nationalsozialistische Symbolik unter das so verstandene Verfassungsschutzgut des § 86a StGB. 549 BGHSt 25, 30 (33); 25, 128 (130); 51, 244 (246); BGH, NStZ 1983, S. 261 (S. 262); Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 86 f.; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a, Rn. 1; Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 86a, Rn. 2; Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86a, Rn. 1; Fischer, StGB, § 86a, Rn. 2; Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86a, Rn. 2.

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so nicht der Kunstfreiheit entgegenstehen. Eine bloße Tabuisierung des jeweiligen Symbols an sich bzw. ein Gefühlsschutz550 kann die Kunstfreiheit nicht einschränken. 3. Zwischenergebnis Je nach Ausrichtung des Kunstwerkes kann ihm also die Bewahrung des demokratischen Rechtsstaates bzw. der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung in ihrem konkreten Ausfluss der Abrundung des Schutzes aus Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG entgegenstehen.

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Tathandlung ist nach Abs. 1 Nr. 1 ähnlich wie bei vielen der vorgenannten Delikte erneut die Verbreitung der Tatgegenstände bzw. deren Verwendung in der Öffentlichkeit, in einer Versammlung oder in verbreiteten Schriften i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB. In Abs. 1 Nr. 2 kommt die Tathandlung des Herstellens, vorrätig Haltens, Einführens oder Ausführens hinzu. Tatgegenstände des § 86a StGB sind Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen, namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen, sowie nach Abs. 2 S. 2 ähnliche Kennzeichen. Erfasst sind so vor allem das Hakenkreuz,551 die Ausführung des Hitlergrußes sowie die Grußformel „Heil Hitler“552, die Parolen „Sieg Heil“553 und „Blut und Ehre“554, die SS-Siegrune „°°“555, sowie das „Horst-Wessel-Lied“556 etc. Welche Symbole im Einzelnen besonders über die Ähnlichkeitsklausel des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB557 erfasst sind, ist höchst umstritten und letztlich eine Einzelfall-Kasuistik.558 Da dies jedoch keine kunstspezifische559 Frage ist, soll sie hier nicht weiter vertieft werden. 550

Vgl. Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 276 ff. BGHSt 23, 64 (78); 23, 267 (269); 29, 73 (83); auch in Verbindung mit anderen staatlichen Symbolen: BGHSt 28, 394 (395 f.); vgl. Fischer, StGB, § 86a, Rn. 5. 552 BVerfG, NJW 2006, S. 3052 f.; BGHSt 25, 30; 27, 1 (2); BayObLG, NStZ 2003, S. 89; BayObLG, NStZ-RR 2003, S. 233; OLG Celle, NStZ 1994, S. 440; OLG Celle, NJW 1970, S. 2257; OLG Oldenburg, NJW 1986, S. 1275. 553 OLG Düsseldorf, MDR 1991, S. 174; vgl. auch BGHSt 25, 30. 554 BGH, NStZ-RR 2009, S. 13 (S. 14). 555 OLG Frankfurt am Main, NStZ 1982, S. 333; bestätigt von BGH, NStZ 1983, S. 261 (S. 262). 556 BGH, MDR 1965, S. 923; BayObLG, NJW 1962, S. 1878. 557 Teilweise kritisiert wegen Unbestimmtheit: vgl. Beisel, Kunst, S. 371; Jahn, Rechtsextremismus, S. 219 ff.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 272. Insgesamt kritisch u. a. wegen der Unbestimmtheit: Kett-Straub, NStZ 2011, S. 602. 558 Vgl. nur Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86a, Rn. 4 ff. m. w. N. und Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda, S. 93 ff. 551

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Problematisch ist freilich, dass eine ausnahmslose Tabuisierung aller Symbole den Schutzzweck des § 86a StGB geradezu umkehren könnte: „Sie begründet die Gefahr, dass eine Dämonisierung von Symbolen des Totalitarismus dessen absurde Überbewertung solcher Zeichen gleichsam spiegelt […]. Dadurch wird eine inhaltliche Auseinandersetzung eher verhindert als erleichtert, da sich tabuisierte Symbole nicht kommunikativ abnutzen; ihre Provokationskraft wird dauerhaft erhalten, indem sie in einen irrationalen Bereich geheimer Rituale abgedrängt wird.“560

Ein Totalverbot entspricht also gerade nicht dem Sinn und Zweck des § 86a StGB. Fraglich ist so, wie Ausnahmen vom Tatbestand zu begründen sind. 1. Tatbestandseinschränkung bei fehlender Verletzung des Schutzzwecks? In der Rechtsprechung des BGH wurde in diesem Kontext eine Tatbestandsbegrenzung auf Fälle entwickelt, die den Eindruck der Identifikation des Handelnden mit der jeweiligen verbotenen Organisation erwecken; tatbestandslos seien so Handlungen, die erkennbar dem Schutzzweck der Norm nicht zuwiderliefen.561 Ist der Grundgedanke der Rechtsprechung des BGH auch durchaus verständlich und allgemein auch sehr zu begrüßen, so verbietet sich nach dem im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit Herausgearbeiteten zumindest eine Anwendung auf die Fälle der Kunstfreiheit. Bei Lichte betrachtet ist das Vorgehen des BGH nämlich eine teleologische Reduktion des Tatbestandes wider den Wortlaut, also eine Form der Rechtsfortbildung. Rechtsfortbildungen wurden aber oben bereits als subsidiär gegenüber der Anwendung kodifizierten Gesetzesrechts eingestuft, da sie anderenfalls gegen den Vorrang des Gesetzes und das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen. Für die Kunstfreiheit gibt § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB eine explizit kodifizierte Lösung vor. Diese würde einfach umgangen, wendete man die Tatbestandsreduktion des BGH auch auf Kunst-Fälle an. Die Rechtsprechung des BGH ist so nur in Fällen anzuwenden, deren Themen nicht in der kodifizierten Klausel ge559 Zu welchen Absurditäten sie aber im Bereich der Kunst führen kann, zeigt sehr schön und ausführlich Scheffler, Kunst und Staatsgefährdung („Kiss“-Fall) auf, insb. mit dem Schwerpunkt der Stilisierung des Buchstaben „S“ oder eines Blitzes ähnlich einer Siegrune „°“ in den Logos diverser natürlich nicht rechtsextremer Bands wie z. B. KI°°, AC°DC oder (auf einigen Albumcovern) Black °abbath und °layer. Andererseits wird die Siegrune natürlich durchaus auch von Bands genutzt, die tatsächlich die nationalsozialistische Ideologie propagieren, vgl. nur die Logos der Bands Reich°°turm und °°-Sturmführer. 560 Fischer, StGB, § 86a, Rn. 2b. 561 BGHSt 25, 30 (33, 34 f.); 25, 133 (136 f.); etwas enger BGHSt 28, 394, (396 f.); 51, 244 (246 ff.); 52, 364 (375); BVerfG, NJW 2006, S. 3052 (S. 3053). Grundsätzlich zustimmend: Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86a, Rn. 15; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a, Rn. 4; kritisch ob der Abgrenzungskriterien: Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 86a, Rn. 14; kritisch ob der Verankerung außerhalb der kodifizierten Ausschlussklausel: Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86a, Rn. 22.

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nannt sind; insbesondere also bei Tathandlungen, die lediglich der Meinungsfreiheit unterfallen. 2. Vielmehr: Kodifizierte Ausschlussklausel In Fällen, in denen die Kunstfreiheit eine Rolle spielt, ist so vielmehr auf die kodifizierte Ausschlussklausel des § 86 Abs. 3 StGB i. V. m. § 86a Abs. 3 StGB zu rekurrieren. Auch im Rahmen des § 86a StGB schließt diese dabei bereits den Tatbestand und nicht erst die Rechtswidrigkeit aus, sollte die fragliche „Handlung […] der Kunst […] dienen“.562 a) Dienen Was unter Dienen zu verstehen ist, wurde bereits bzgl. § 130 StGB erläutert. Das Merkmal liegt auch hier nur vor, wenn das Propagandazeichen im Rahmen einer Kunst verwendet wird, die sich nicht mit der Ideologie der verbotenen Organisation identifiziert, sondern dieser vielmehr kritisch gegenübersteht. Umgekehrt dient das Verwenden eines Propagandazeichens dann nicht der Kunst, wenn die Propagandafunktion überwiegt, weil die Kunst selbst Propaganda betreibt oder nur einen Deckmantel bzw. das Vehikel für diese darstellt – freilich ohne dass diese Einschätzung etwas an der verfassungsrechtlichen Kunsteigenschaft des Werkes ändern würde. Welche der Funktionen dabei überwiegt, muss erneut durch eine Gesamtbetrachtung der jeweiligen Handlung in ihrem Kontext anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung von Sinn und verfolgter Zwecksetzung des Werkes geklärt werden.563 Außerdem kann darauf abgestellt werden, ob eine Distanz zwischen tatbestandlichem Gedankengut und der Einstellung des Täters erkennbar ist.564 Anders als bei § 130 StGB kommt hier der Klausel auch eine eigene Bedeutung zu, da die Tathandlungsmerkmale Verwenden und Verbreiten ihrem Wortsinn nach nicht je nach Intention des Verwenders anders ausgelegt werden können, sondern sowohl bei affirmativer als auch kritischer Benutzung vorliegen. Erneut gilt: Verwenden ist verwenden, verbreiten ist verbreiten, gleich mit welchem Hintergrund dies erfolgt. 562

Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86, Rn. 8; Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86, Rn. 36; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86, Rn. 17; Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86, Rn. 36. 563 Vgl. ähnlich Rahe, Sozialadäquanzklausel, S. 80, 152. Vgl. erneut Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86, Rn. 39, § 86a, Rn. 28 mit Verweis auf BGH v. 22. 6. 1983 – 3 StR 56/83 (S), BeckRS 1983, 05627. Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86, Rn. 8. Ähnlich Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 86, Rn. 40 (faktisch auf überwiegende Förderung des reinen Kunstzwecks statt der Propaganda abstellend). 564 Rahe, Sozialadäquanzklausel, S. 235; zustimmend: Rautenberg, GA 2003, S. 629; vgl. Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86, Rn. 17.

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Außer in Grenzfällen wird sich oft aus dem Kontext ergeben, ob mit der Kunst überwiegend propagandistische Zwecke verfolgt werden oder nicht. Wenn so wie eingangs aufgeführt NS-Symbolik wie Hakenkreuze oder der Hitlergruß auf Covern und bei Konzerten rechtsextremer Bands verwendet wird, sei erneut darauf hingewiesen, dass für viele dieser Bands ausdrücklich die Ideologie und die propagandistische Einwirkung insbesondere auf die Jugend im Vordergrund steht; bei dieser Musik dient die Kunst daher der Propaganda als „Waffe“.565 In den folgenden Fällen hingegen dienen Propaganda-Zeichen einer inhaltlich andersgerichteten Kunst und nicht der Propaganda: Bei Spielfilmen, die wie der eingangs erwähnte „American History X“ (1998) oder auch Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“566 (2009) zur Wahrung der Authentizität des Dargestellten Hakenkreuze abbilden, findet gerade keine Identifizierung mit der Ideologie statt, sondern wird diese vielmehr kritisiert. Die eingangs erwähnten Hitler-T-Shirts verhöhnen und verspotten gar Hitlers Größenwahn und Selbstüberschätzung.567 Genauso verhält es sich mit Böhmermanns „@therealfuehrer“-Satire, die NS-Anspielungen in den notorischen Influenzer-Sprech und -Stil überträgt und so letztlich beide Themen der Lächerlichkeit preisgibt. Deutlich ist die Distanzierung von der Ideologie der verbotenen Organisation auch im eingangs vorgestellten Fall Jonathan Meeses zu verkennen. Dieser verspottet durch seine Benutzung des Hitlergrußes nicht nur das hinter diesem konkreten Symbol stehende Gedankengut, sondern setzt gleich einer jeglichen menschlichen Ideologie die „Diktatur der Kunst“ entgegen.568

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Erneut sei auf das Lied „Rock gegen ZOG“ der Band Landser mit der Zeile „Kunst ist eine Waffe fu¨ r gewaltbereite Musikanten“, auf die Ausführungen in KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 21 zur Zielsetzung des propagandistischen Einwirkens auf andere, sowie auf das Zitat „our strife as a band is IDEOLOGICAL and NOT MUSICAL“. auf http://www.thepaganfront.com/dersturmer/main.html unter „Biography“ hingewiesen. 566 I. E. zur Straflosigkeit dieses Films auch Liesching, MMR 2010, S. 309 ff., auch wenn dieser sich ziert, in diesem Kontext den Kunstvorbehalt des Abs. 3 zu bejahen. Die Kinowerbung zu diesem Film unterwarf sich wegen § 86a StGB übrigens der Selbstzensur und entfernte alle Hakenkreuze von den Plakaten, vgl. https://www.schnittberichte.com/news.php? ID=1383. Nach BVerfGE 77, 240 (Herrnburger Bericht), demzufolge die Werbung für ein Kunstwerk ebenfalls von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützt ist, eigentlich unnötige Vorsicht. 567 Vgl. auch Kulczak, bildende Kunst, S. 227. 568 I. E. wurde Jonathan Meese so auch vom AG Kassel, NJW 2014, S. 801 (S. 802 f.) freigesprochen. Zu kritisieren ist an der Entscheidung lediglich, dass das Gericht auf die ungeschriebene Tatbestandseinschränkung wegen fehlender Verletzung des Schutzzwecks (S. 802) rekurriert und Abs. 3 nur als Argument zur Stützung dieses Ergebnisses verwendet wird (S. 803), anstatt Abs. 3 wie hier aufgezeigt richtigerweise als konstituierend für die Straffreiheit anzuwenden. Die Unklarheit der Entscheidung diesbzgl. wird auch kritisiert von Stegbauer, NStZ 2015, S. 202 f., jedoch mit dem falschen Ansatz, der ungeschriebene Tatbestandsausschluss gehe dem geschriebenen des Abs. 3 vor. Ähnlich wie hier auch Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 86a, Rn. 20, 22.

F. § 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen …

273

b) Abwägung nötig? Wenn die Voraussetzungen der Ausschlussklausel erfüllt sind, bleibt fraglich, was die genaue Rechtsfolge derselben ist. Aufgrund des offenen und gerade nicht allein formalen oder materialen Kunstbegriffes wird zum Teil der Klausel nur dann strafbefreiende Wirkung zugesprochen, wenn nach einer Einzelfall-Abwägung mit den entgegenstehenden Rechtsgütern die Kunstfreiheit überwiegt.569 Allerdings gibt der klare Wortlaut der Klausel vor, dass der Tatbestand bei Erfüllung der Klausel schlicht „nicht gilt“ und nicht lediglich „einer Abwägung ob seiner Geltung im Einzelfall“ zugeführt wird. Gleichwohl eine Abwägung zu fordern, bedeutete damit eine Ausweitung der Strafbarkeit. Deshalb könnte man in dieser Lösung einen Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG sehen; konsequenterweise wollen andere so bei Erfüllung der Klausel den Tatbestand automatisch ohne weitere Abwägung entfallen lassen.570 Nach dem hier vertretenen Verständnis des Schutzgutes von § 86a StGB und des Begriffes des Dienens ist letztere Lösung nur konsequent. Da der politische Frieden nicht die Kunstfreiheit einzuschränken vermag, kann diese allein durch den zweiten Zweck des § 86a StGB, den Verfassungsschutz, beschränkt werden. Der ist in seinem engen Verständnis der Abrundung des Schutzes aus Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG aber nur betroffen, wenn die jeweilige Kunst überwiegend eben die durch das jeweilige Symbol verkörperten verfassungsfeindlichen Interessen verfolgt. Ob dies der Fall ist, wird bereits bei der Auslegung des Merkmals Dienens und der Subsumtion des fraglichen Sachverhaltes unter dieses Merkmal geklärt. Dient die Kunst überwiegend der Propaganda, so ist sie nicht von der Ausschlussklausel erfasst, sondern vielmehr tatbestandlich. Dient sie hingegen nicht der Propaganda, sondern verfolgt überwiegend andere, vor allem genau entgegengesetzt kritisierende Zwecke, so steht ihr auch kein Schutzgut von Verfassungsrang entgegen: Der im Einzelfall vielleicht gleichwohl betroffene politische Frieden vermag die Kunstfreiheit mangels Verfassungsrangs nicht einzuschränken, und der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist nicht konkret betroffen. Eine weitere Abwägung mit entgegenstehenden Rechtsgütern ist so nicht nur nicht nötig, sondern gar nicht mehr möglich. Folglich muss die Kunstfreiheit bei Bejahung des Merkmals des Dienens immer überwiegen.

569 Fischer, StGB, § 86, Rn. 21, § 86a, Rn. 21; Beisel, Kunst, S. 374; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a, Rn. 10 a. E.; Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 86a, Rn. 19. 570 Fischer, Kunst, S. 130 f.; ähnlich Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 550, Fn. 1088; Kulczak, bildende Kunst, S. 218 f. (Abwägung nur auf Rechtswidrigkeitsebene, wenn Klausel gerade nicht erfüllt); Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 485.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

c) Zwischenergebnis Der Tatbestand ist mithin stets nach § 86 Abs. 3 StGB i. V. m. § 86a Abs. 3 StGB ohne weitere Abwägung ausgeschlossen, sobald das jeweilige Zeichen der Kunst dient, also überwiegend andere als die propagandistischen Zwecke verfolgt. 3. Zwischenergebnis Wird mit der Verwendung des jeweiligen Zeichens nicht die hinter diesem stehende Propaganda vertreten, so ergibt sich der Tatbestandsausschluss nicht aus einer ungeschriebenen Tatbestandsreduktion. Vielmehr ist die kodifizierte Ausschlussklausel nach § 86 Abs. 3 StGB i. V. m. § 86a Abs. 3 StGB anzuwenden.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Fraglich ist, ob die Fälle, die nicht unter die Sozialadäquanzklausel fallen, nunmehr auf Rechtswidrigkeitsebene durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerechtfertigt werden. Entgegenstehendes Rechtsgut kann nur die Bewahrung des demokratischen Rechtsstaates bzw. der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung in ihrem konkreten Ausfluss der Abrundung des Schutzes aus Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG sein. Konkret betroffen ist dieses Rechtsgut aber nur bei einer wirklichen Identifizierung mit den hinter den jeweiligen Zeichen stehenden verfassungsfeindlichen Ideologien, nicht bereits bei einem Kokettieren mit denselben. Es ist also eine tatsächliche, kämpferisch-aggressive Verfassungsfeindlichkeit durch eine offene Identifizierung mit der Ideologie der verbotenen Organisation zu fordern. Bei einschlägigen Bands, die eine unverhohlen rechtsextreme Gesinnung leben und propagieren, ist dies der Fall. Dann kann die Kunstfreiheit nicht rechtfertigend wirken. Auf der anderen Seite wurden wie aufgezeigt von der Sozialadäquanzklausel aber nur solche Fälle ausgeschlossen, die erkennbar anderen Zielen als den hinter den Zeichen stehenden Ideologien dienen. Zwischen diesen beiden gegenläufigen Positionen des erkennbaren Identifizierens und der erkennbaren Nichtidentifikation wird es eine Grauzone geben. In dieser Zone ist eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG mangels entgegenstehenden Rechtsguts durchaus möglich und muss konsequenterweise hier auch durchgeführt werden.571 Darunter könnte Kunst fallen, die lediglich mit der verbotenen Symbolik kokettiert und provoziert, ohne die Ideologie wirklich zu teilen, ohne sich aber auch wirklich von dieser zu distanzieren.

571

Vgl. i. E. ähnlich Kulczak, bildende Kunst, S. 219 f.

G. § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates …

275

IV. Fazit und Ausblick Neuralgischer Punkt bei der Betrachtung der Strafbarkeit nach § 86a StGB ist somit immer die (erkennbare) Haltung des Täters zu den verwendeten Kennzeichen. Nur bei einer affirmativen und identifizierenden Verwendung wird das von § 86a StGB geschützte Verfassungsrechtsgut, der Verfassungsschutz in der nach Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG kodifizierten und damit legitimen Form, konkret betroffen. Dass sich in den letzten Jahren insbesondere Satiriker immer öfter trauen, bei Kritik oder Verhöhnung des Nationalsozialismus auch dessen zentrale Kennzeichen zu benutzen, ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich positiv zu bewerten. Dies ist gerade nötig, um nicht aufgrund bitterernster deutscher Humorfeindlichkeit und in vermeintlich guter Absicht gerade zur Mystifizierung vor allem der NS-Symbolik noch beizutragen. Dies bestärkte nämlich nur die Glorifizierung der NS-Kennzeichen in einschlägigen Kreisen, förderte damit deren Zusammengehörigkeitsgefühl durch Verwendung dieser Symbole und erhöbe diese Ideologie so in die einzigartige und insbesondere für unsichere Jugendliche so extrem attraktive Stellung totaler Ernstlichkeit.

G. § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates … Der Titel eines Songs von Swiss & die Andern lautet „Schwarz-rot-braun“ (2014), im dazugehörigen Video brennt eine Deutschlandflagge. Auf dem 2017er Album von Egotronic, die der auch innerhalb der linken Szene umstrittenen antideutschen Strömung nahestehen, lassen sich der Song „Deutschland, Arschloch, fick dich“, sowie im Lied „Scheiße bleibt Scheiße“ – womit Deutschland als solches gemeint ist – die bekannte Parole „Nie wieder Deutschland“ finden. Der politische Kabarettist Max Uthoff schnäuzt im Rahmen seiner Darbietung in der Sendung „Die Anstalt“ vom 20. 10. 2015 in eine kleine Deutschlandfahne. Beispiele aus dem Kunstspektrum, die zumindest auf den ersten Blick eine Verunglimpfung des Staates oder seiner Symbole darstellen könnten, finden sich überall da, wo mithilfe der Kunst scharfe Kritik an Politik, Gesellschaft und Staat geäußert wird. Auch zu § 90a StGB ergingen so zwei der berühmten Kunstfreiheits-Entscheidungen des BVerfG. Die eine hatte eine satirische Umdichtung des „Deutschlandliedes“ zum Gegenstand, die vom Ausgangsgericht nicht gebührend kunstgerecht interpretiert wurde.572 Die andere betraf die Collage aus einem urinierenden Mann und einer dadurch befleckten Deutschlandflagge auf der Rückseite eines Antikriegsbuches; hier wurden die Schranken der Kunstfreiheit vom Ausgangsgericht

572

BVerfGE 81, 298 (308) (Deutschlandlied ’86).

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

falsch gezogen.573 Andere bekannte Gerichtsentscheidungen befassten sich mit der einzelhaftkritischen Collage „Isolationsfolter“574, einer in einen Pferdehaufen gesteckten kleinen Deutschlandfahne,575 der Darstellung eines Zungenkusses von Bundes- und Reichsadler,576 sowie dem Abspielen des Liedes „Deutschland muss sterben“577 der Punkband Slime.578

I. Geschützte Rechtsgüter Zur Beantwortung der Frage, ob Kunst im Ergebnis überhaupt nach § 90a StGB bestraft werden kann, muss zunächst geklärt werden, ob hinter dieser Strafnorm tatsächlich ein Schutzgut steht, das der Kunstfreiheit entgegenstehen kann. 1. Öffentlicher Frieden Insbesondere früher wurde vereinzelt auf eine Art öffentlichen Frieden abgestellt, der bei Nichtansehung der Bundesrepublik gefährdet werden könnte.579 Deshalb soll auch § 90a StGB eine kurze Thematisierung in der vorliegenden Arbeit als Annex erfahren. Abermals vermag aber natürlich auch von einem so verstandenen öffentlichen Frieden die Kunstfreiheit nicht beschränkt zu werden.

573 BVerfGE 81, 278 (297) (Bundesflagge). Vgl. auch BGH, NJW 1986, S. 1271 f. und OLG Frankfurt am Main, NJW 1986, S. 1272. 574 OLG Köln, JR 1979, S. 338 (Bestätigung des Freispruches des LG Köln v. 18. 10. 1977). 575 Von LG Aachen, NJW 1995, S. 894 bereits der Tatbestand verneint, da der Interpretation gefolgt wurde, dass damit im konkreten Fall gegen das Zeigen der Reichskriegsflagge durch Neonazis als der wahren Beschmutzung des Ansehens der Bundesrepublik demonstriert werden sollte. 576 Tatbestandlich nach LG Frankfurt am Main, NJW 1989, S. 598; Entscheidung aufgehoben von OLG Frankfurt am Main, NJW 1991, S. 117 (S. 118); hernach Freispruch von LG Frankfurt am Main v. 04. 04. 1990 – 5/1 Ns 50 Js 14029/87 aufgrund Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. 577 BVerfG, NJW 2001, S. 596 ff. (Deutschland muss sterben) mit der titelgebenden Refrainzeile „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ als Umkehrung eines aus dem Nationalsozialismus stammenden Spruches „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“. 578 Manchmal noch in diesem Kontext genannt wird der Fall eines verfremdeten Hessenlöwen mit blutigem Schlagstock. Vom OLG Frankfurt am Main, NJW 1984, S. 1128 wurde die Strafbarkeit bejaht und dies vom BVerfG, NJW 1985, S. 263 (Hessenlöwe) nicht beanstandet, allerdings wurde von keinem Gericht auf die Kunstfreiheit rekurriert. 579 OLG Frankfurt am Main, NJW 1984, S. 1128 (S. 1130); OLG Frankfurt am Main, NJW 1991, S. 117 (S. 118); Schroeder, JR 1979, S. 90; Fischer, Kunst, S. 116 f. Ähnlich könnte BVerfGE 81, 278 (294) (Bundesflagge) gelesen werden („innerer Frieden“). Explizit dagegen: Last, Staatsverunglimpfungsdelikte, S. 92.

G. § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates …

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2. Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung Ähnlich wie bei § 86a StGB wird als hauptsächliches Schutzgut des § 90a StGB der Bestand der Bundesrepublik, ihrer Länder sowie die verfassungsmäßige Ordnung angeführt, die dabei nach Abs. 1 Nr. 1 sogar jeweils als solches geschützt werden.580 Abermals ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine bloße formelhafte Nennung des Verfassungsschutzes nicht zur Eingrenzung der Kunstfreiheit genügt, sondern auf die jeweils konkret betroffene Dimension dieses Schutzes abzustellen ist. Gerade das „Konstrukt Staat“ besteht nämlich selbst nur innerhalb seiner vom Grundgesetz verfassten Grenzen und damit unter Bindung an die Grundrechte, Art. 1 Abs. 3 GG, weshalb ein in die Kunstfreiheit eingreifender Verfassungsschutz einer konstitutionellen Abstützung bedarf.581 Die bezüglich § 86a StGB genannten Normierungen des Verfassungsschutzes nach Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 21 Abs. 2 GG sind hier allerdings thematisch nicht einschlägig. Die Grundrechteverwirkung nach Art. 18 GG umfasst zudem ausdrücklich nicht die Kunstfreiheit. Die Existenz derartiger Normen entzieht jeder über sie hinausgehenden, pauschalen Einschränkung der Kunstfreiheit aus Verfassungsschutzgründen die Legitimation.582 Diese Vorschriften entfalten vielmehr eine Sperrwirkung, die der Berufung auf eine weitergehende und ungeschriebene Schranke des Verfassungsschutzes entgegensteht.583 Konsequenterweise ist diesem Schutzgut so schon allgemein die Möglichkeit zur Einschränkung der Kunstfreiheit abzusprechen. Selbst wenn man aber einen Verfassungsschutz ohne konkrete Kodifizierung entgegen dem Vorgenannten grundsätzlich genügen ließe, ist nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG eine Verletzung dieses Rechtsguts nur bei einer zumindest mittelbaren Eignung des Kunstwerkes zur Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik anzunehmen.584 In der heutigen Zeit in einem geeinten Deutschland ist es aber nicht ohne weiteres denkbar, dass ein „bloßes“ Kunstwerk wenigstens mittelbar 580 Vgl. BGHSt 6, 324 (325); BGH, NStZ 1998, S. 408; BVerfG, NJW 2001, S. 596 (S. 597) (Deutschland muss sterben); BVerfG, NJW 2012, S. 1273 (1274); OLG Frankfurt am Main, NJW 1984, S. 1128 (S. 1130); Beisel, Kunst, S. 367; Schroeder, JR 1979, S. 90; Würtenberger, JR 1979, S. 311; Last, Staatsverunglimpfungsdelikte, S. 76 f.; Fischer, StGB, § 90a, Rn. 2; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 90a, Rn. 1; Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 90a, Rn. 1, 4 f.; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 90a, Rn. 1. 581 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 574; Stern, Staatsrecht I, S. 197. 582 Vgl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 576 f.; Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte, S. 184 f. nimmt sogar Nichtigkeit der §§ 90 ff. StGB wegen des Verstoßes gegen Art. 18 GG an. 583 So eigentlich auch explizit BVerfGE 111, 147 (158) in anderem Kontext unter Hinweis auf 10, 118 (123); 13, 46 (52); 25, 44 (57 f.) und BVerfGK 2, 1 (5). Vgl. auch bzgl. § 90a StGB: Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 114 f.; Krutzki, KJ 1980, S. 314. 584 BVerfG, NJW 2012, S. 1273; auch BGH, NStZ 2012, S. 564. Schon Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 576 gegen eine Einschränkung der Kunstfreiheit durch einen allein abstrakten Schutz des „Bestandes der Bundesrepublik Deutschland und ihrer freiheitlichen demokratischen Grundordnung“.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

als geeignet erscheinen soll, den Bestand der Bundesrepublik konkret und nicht nur abstrakt zu gefährden.585 Es ist so außerhalb von Krisenzeiten einfach nicht denkbar, dass die Kunstfreiheit hinter diesem Schutz zurücktreten müsste.586 3. Schutz staatlicher Symbole Darüber hinaus pönalisiert § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB Angriffe auf Symbole der Bundesrepublik. Da Symbolschutz letztlich Schutz des Symbolisierten ist,587 stellt dies einen noch weiter ins Vorfeld gerückten Schutz des Bestandes der Bundesrepublik dar. Wenn nun aber schon dieser der Kunstfreiheit nicht entgegengesetzt werden kann, so kann dies erst recht nicht der bloße Vorfeldschutz staatlicher Symbole. Bestätigt wird dies dadurch, dass ein solcher auch gar nicht (hinreichend) verfassungsrechtlich verankert ist: Zwar wird die Bundesflagge in Art. 22 Abs. 2 GG explizit genannt. Allerdings ist diese Beschreibung rein technischer Natur und stellt lediglich die Farben der Flagge fest.588 Sie kann hingegen nicht als positivierte Schutzentscheidung für die Unan585 Vgl. i. E. auch Beisel, Kunst, S. 368; Fischer, Kunst, S. 120. Dass eine solche Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik durch Kunst praktisch nicht vorstellbar ist, hatte einmal das OLG Frankfurt am Main, NJW 1986, S. 1272 (S. 1274) als Argument genommen, dass deswegen ein solch hoher Maßstab für eine Beschränkung der Kunstfreiheit nicht gefordert werden dürfe – ein gefährlicher Zirkelschluss, vgl. Fischer, Kunst, S. 123; Volk, JR 1984, S. 443; Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 547. Sollte sich zeigen, dass die anderweitig bestehenden Einschränkungsmöglichkeiten der Kunstfreiheit nicht ausreichen und wirklich der Bestand des Staates durch Kunst gefährdet sein sollte, könnte jederzeit durch eine Verfassungsänderung nach Art. 79 GG eine zusätzliche Begrenzung der Kunstfreiheit eingeführt werden, vgl. ähnlich Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 543, 577; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 302. So könnte die Kunstfreiheit bspw. in den Katalog des Art. 18 GG aufgenommen werden, sodass sie bei Missbrauch verwirkt werden könnte. Selbst ohne diese Verfassungsänderung würden aber wohl wirklich derart extremen Kunstwerken im Einzelfall andere Tatbestände und Verfassungsgüter wie z. B. § 130 StGB und der Schutz der Menschenwürde entgegenstehen, bspw. wenn die freiheitlich demokratische Grundordnung durch die Propagierung eines totalitären, faschistischen oder rassistischen Staates als Gegenentwurf überwunden werden soll, vgl. zu diesem Grundgedanken in anderem Kontext: Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 114. 586 Vgl. Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 119; Buscher, NVwZ 1997, S. 1064. Vgl. auch v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII, § 167, Rn. 70, der eine Beschränkung der Kunstfreiheit auch nur zur Unterbindung von Exzessen der Verunglimpfung des Staates als möglich ansieht. 587 Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 112; Gusy, JZ 1990, S. 640; letztlich so auch BVerfGE 81, 278 (294) (Bundesflagge), wenn es ausführt, „daß staatliche Symbole nur insoweit verfassungsrechtlichen Schutz genießen, als sie versinnbildlichen, was die Bundesrepublik Deutschland grundlegend prägt.“ Ebenso BVerfG, NJW 2009, 908. Vgl. auch Beisel, Kunst, S. 367: „Ein verfassungsrechtlicher Symbolschutz ist daher abzulehnen.“ 588 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht VII § 167, Rn. 70.

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tastbarkeit der Bundesflagge gesehen werden.589 Dazu bedürfte es vielmehr „einer diesen Schutz umsetzenden Verfassungsnorm, die als Verbot entgegengesetzten Verhaltens der Bürger, als Nichtgeltungsanordnung gegenüber Art. 5 Abs. 3 GG, als Verpflichtung oder bloße Ermächtigung des Staates oder bestimmter Organe zu Schutzvorkehrungen vorstellbar ist“.590 Noch weniger ist die Nationalhymne verfassungsrechtlich, ja nicht einmal einfachgesetzlich, verankert.591 Die Nutzung der dritten Strophe des von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf eine Melodie von Joseph Haydn gedichteten „Deutschlandliedes“ als zu singender Hymne der Bundesrepublik Deutschland geht vielmehr allein auf einen Briefwechsel zwischen dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss zurück.592 Die „Hymne“ ist so lediglich brieflich verankert.593 Ebenso wenig findet sich eine verfassungsrechtliche oder auch nur einfachgesetzliche Verankerung des Bundesadlers als Wappen der Bundesrepublik Deutschland.594 4. Staatlicher Ehrschutz Wenn so i. d. R. weder der Schutz der Symbole an sich, noch des tatsächlich von ihnen Symbolisierten die Kunstfreiheit einzuschränken vermag, käme zuletzt nur ein 589 Gusy, JZ 1990, S. 641 unter Verweis zur Positivierung auf Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, S. 157. 590 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 558. 591 Würkner, Bundesverfassungsgericht und die Freiheit der Kunst, S. 106; Hümmerich/ Beucher, NJW 1987, S. 3227 ff.; zuletzt Klein, ZRP 2016, S. 12 (der allerdings Verfassungsgewohnheitsrecht annimmt). Das BVerfG wurde damit in BVerfGE 81, 298 (308) (Deutschlandlied ’86) seinen eigenen Vorgaben aus BVerfGE 77, 240 (255) (Herrnburger Bericht), Rechtsgüter von Verfassungsrang auf eine konkrete verfassungsrechtliche Norm zurückzuführen, selbst nicht gerecht und spricht verschleiernd von einem nur „eingeschränkten verfassungskräftigen Schutz“ der Hymne, vgl. zur Kritik auch Gusy, JZ 1990, S. 641; Buscher, NVwZ 1997, S. 1064; Beisel, Kunst, S. 140. 592 Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 118; vgl. zum Wortlaut des Briefwechsels Hellenthal, NJW 1988, S. 1297. 593 Allein das könnte schon als Gradmesser dafür genommen werden, wie wichtig einem Staat eine solche Hymne ist, haben doch andere Staaten ihre Nationalhymne verfassungsrechtlich ausdrücklich bedacht, man betrachte nur Art. 6 Abs. 3 der slowenischen Verfassung („Die Nationalhymne Sloweniens ist die Zdravljica.“) oder Art. 11 Abs. 3 der kroatischen Verfassung („Die Hymne der Republik Kroatien ist ,Lijepa nasˇa domovino‘“), vgl. Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch Verfassungsrecht, § 26, Rn. 116. 594 Abermals ist dies nicht typisch. In anderen Verfassungen finden sich durchaus Regelungen über das jeweilige Wappen, man vergleiche nur Art. 8a Abs. 2 der österreichischen Verfassung: „Das Wappen der Republik Österreich (Bundeswappen) besteht aus einem frei schwebenden, einköpfigen, schwarzen, golden gewaffneten und rot bezungten Adler, dessen Brust mit einem roten, von einem silbernen Querbalken durchzogenen Schild belegt ist. Der Adler trägt auf seinem Haupt eine goldene Mauerkrone mit drei sichtbaren Zinnen. Die beiden Fänge umschließt eine gesprengte Eisenkette. Er trägt im rechten Fang eine goldene Sichel mit einwärts gekehrter Schneide, im linken Fang einen goldenen Hammer.“

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Schutz des Ansehens des Staates als der Kunstfreiheit entgegenstehendem Rechtsgut in Betracht. Auch das BVerfG führt aber nunmehr explizit aus, dass „dem Staat kein grundrechtlich gewährleisteter Ehrenschutz zukommt“.595 Staatlicher Ehrschutz kann so überhaupt kein Schutzgut des § 90a StGB sein. 5. Zwischenergebnis Damit steht der Kunstfreiheit im Rahmen des § 90a StGB kein Verfassungsrechtsgut entgegen.596 Anders könnte dies höchstens in dem Fall gesehen werden, wenn durch das Kunstwerk wenigstens mittelbar der Bestand der Bundesrepublik konkret gefährdet ist. Ein solches Szenario ist jedoch – zumindest derzeit – schlicht nicht denkbar. Fraglich ist damit nur, auf welcher Ebene durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Handlungen vom Verdikt des § 90a StGB freizustellen sind.

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Die meisten Tatbestandsmerkmale und dabei insbesondere die Tathandlungen entsprechen denen der vorangegangenen Normen. So sind auch beschimpfen und böswillig verächtlich machen wie in § 130 StGB bzw. § 166 StGB zu verstehen. Noch davor setzt das Verunglimpfen an. Dieses soll ein nach Form, Inhalt oder Beweggrund massiver Ehrangriff sein.597 Wie nun ein solcher aussehen soll, wenn es doch mit dem BVerfG gerade keinen Ehrschutz des Staates gibt, bleibt freilich ein Paradoxon. Deshalb sollte besser auf eine Definition rekurriert werden, die die Verunglimpfung i. S. d. § 90a StGB in einer besonderen Verächtlichmachung oder Missachtungskundgabe sieht.598 Was bezüglich des Einflusses der Kunstfreiheit schon in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt wurde, gilt nun auch bei § 90a StGB: Vorrangig sind bereits auf 595

BVerfG, NJW 2012, S. 1273. Gegen einen Ehrschutz des Staates schon: Roggemann, JZ 1992, S. 938; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 90a, Rn. 1; Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 90a, Rn. 1; Beisel, Kunst, S. 365; vgl. auch Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 90a, Rn. 2; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 90a, Rn. 1; zuletzt: Vormbaum, GA 2016, S. 611. 596 Dieses Ergebnis soll abermals nicht erstaunen, wenn zum Teil gerade aufgrund der Schutzgütersituation zu Recht für eine Abschaffung des § 90a StGB plädiert wird, vgl. nur Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 266; Grünwald, KJ 1979, S. 296 f.; Krutzki, KJ 1980, S. 314; Bemmann, Meinungsfreiheit und Strafe, S. 19; Last, Staatsverunglimpfungsdelikte, S. 237 (bzgl. Abs. 1 Nr. 2); Deiters, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 317 ff. und zuletzt Vormbaum, GA 2016, S. 617 ff. Kritisch auch Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 90a, Rn. 2. 597 Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 90a, Rn. 9; Fischer, StGB, § 90a, Rn. 6, § 90, Rn. 2. 598 So konsequent aufgrund des Schutzgutes Steinmetz, in: MüKo, StGB § 90a, Rn. 14.

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tatbestandlicher Ebene Werke straffrei zu stellen, bei denen durch verfassungskonforme Auslegung599 die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale ohne Verstoß gegen die Wortlautgrenze verneint werden kann. Allerdings kann einem tatsächlichen Verbrennen der Deutschlandflagge wohl eine besondere Missachtungskundgabe i. S. d. § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht abgesprochen werden. Auch eindeutige Worte wie die besagte „Deutschland, Arschloch, fick dich“-Zeile können ohne Verstoß gegen die Wortlautgrenze nicht anders als tatsächlich beschimpfend600 verstanden werden.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Derartige Werke, bei denen eine verfassungskonforme Auslegung der Tatbestandsmerkmale an der Wortlautgrenze scheitert, sind dann durch eine direkte Anwendung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG601 auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei zu stellen. Auch steht ihnen i. d. R. kein anderes Rechtsgut von Verfassungsrang entgegen, das tatsächlich beeinträchtigt wäre. Etwas anderes könnte nur in dem derzeit nicht realistisch denkbaren Szenario gelten, wenn durch ein Kunstwerk doch einmal zumindest mittelbar der Bestand der Bundesrepublik konkret und nicht lediglich abstrakt gefährdet würde.

IV. Fazit und Ausblick Wenn auch de lege ferenda über eine Abschaffung des anachronistischen § 90a StGB nachgedacht werden sollte,602 so stellt sich diese Frage zumindest für künstlerische Handlungen de lege lata nicht ganz so dringend. Schließlich vermag bereits heute bei konsequenter Betrachtung der Schutzgüter des § 90a StGB i. d. R. keines derselben der Kunstfreiheit tatsächlich entgegenstehen. Im Bereich des § 90a StGB prävaliert so die Kunst immer. 599 Für eine hinsichtlich Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verfassungskonforme Auslegung bei § 90a StGB explizit auch: Laufhütte/Kuschel, in: LK, StGB, § 90a, Rn. 28. Anders Roggemann, JZ 1992, S. 941, der den Tatbestand dem Rechtsgedanken von § 86 Abs. 3 StGB nach beschränken will. 600 Vgl. auch Vormbaum, GA 2016, S. 614 zum Verunglimpfen als nicht tauglichem Anknüpfungspunkt zur Einschränkung des § 90a StGB. 601 A. A. Steinmetz, in: MüKo, StGB, § 90a, Rn. 10, der auf § 90, Rn. 9 verweist und so wohl § 193 StGB analog anwenden will. 602 Erneut für eine Abschaffung: Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 266; Grünwald, KJ 1979, S. 296 f.; Krutzki, KJ 1980, S. 314; Bemmann, Meinungsfreiheit und Strafe, S. 19; Last, Staatsverunglimpfungsdelikte, S. 237 (bzgl. Abs. 1 Nr. 2); Deiters, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 317 ff. und zuletzt Vormbaum, GA 2016, S. 617 ff. Kritisch auch Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 90a, Rn. 2.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

H. § 111 StGB – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten Im Vergleich zu den bisher behandelten Normen tritt § 111 StGB wesentlich seltener mit der Kunstfreiheit in Konflikt. Aktuell erfuhr dieser Paragraph mediale Beachtung angesichts der auf Pegida-Demonstrationen mitgeführten und laut Aufschrift für die Bundeskanzlerin Angela „Mutti“ Merkel und den Vizekanzler Sigmar „das Pack“ Gabriel „reservierten“ Holzgalgen sowie deren Souvenir-Nachbauten.603

I. Geschützte Rechtsgüter Von § 111 StGB wird sowohl der „innere Gemeinschaftsfrieden“, als auch das hinter der Straftat, zu der aufgefordert wird, stehende Rechtsgut geschützt.604 Ersterer entspricht im Prinzip dem öffentlichen Frieden605 und kann jedenfalls auch hier mangels Verfassungsrangs nicht der Kunstfreiheit entgegentreten. Das der Straftat, zu der aufgefordert wird, zugrundeliegende Rechtsgut kann hingegen durchaus der Kunstfreiheit entgegentreten, sofern ihm selbst Verfassungsrang zukommt.

II. Tatbestandsmäßigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Zumeist wird bei einem Kunstwerk bereits die Bejahung des Tatbestandsmerkmals Auffordern scheitern. Dieses ist schließlich eine über ein bloßes Befürworten hinausgehende, vielmehr bestimmte Erklärung, die ein konkretes Tun von einem Dritten verlangt und dabei ernstlich gemeint ist oder zumindest als ernstlich erscheint.606 Zwar sah das LG Mainz in der auf der Bühne getätigten Aussage eines Musikers, bei Geldmangel seine CDs einfach aus dem Laden zu stehlen, ein nicht durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerechtfertigtes Auffordern zum Diebstahl.607 Eine etwaige gegen603 Vgl. Steinke, Galgen für Merkel und Gabriel, demnach angeblich von der Staatsanwaltschaft wegen der Kunsteigenschaft straffrei gestellt. Kritik, dass die Staatsanwaltschaft die Galgen keineswegs als Kunst eingestuft habe, sondern in der Einstellungsverfügung davon kein Wort zu lesen ist: Liesching, beck-blog v. 06. 12. 2017. Vgl. dazu auch ausführlich Fischer, Galgenvögel. 604 BGHSt 29, 258 (267); Fischer, StGB, § 111, Rn. 1; Eser, in: Sch/Sch, StGB, § 111, Rn. 1; Bosch, in: MüKo, StGB, § 111, Rn. 1. 605 Vgl. Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 209; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 123 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 286. 606 BGHSt 28, 312 (314 f.); 32, 310; BGH, NJW 2001, S. 2896; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2003, S. 327 (S. 328); Fischer, StGB, § 111, Rn. 2a. 607 LG Mainz, NJW 2000, S. 2220 ff. Unverständlicherweise stellt das LG Mainz auf S. 2221 auch noch im 21. Jahrhundert auf das Sittengesetz als Grenze der Kunstfreiheit ab. Dagegen vermögen die Ausführungen, dass das hinter § 242 StGB stehende Schutzgut Ei-

H. § 111 StGB – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten

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teilige Auffassung wurde unerwartet polemisch und jegliche richterliche Neutralität missend als „Perversion juristischen Denkens“608 bezeichnet. Tatsächlich ist gerade bei provozierenden Aussagen im Rahmen von Konzerten nicht am äußeren Wortlaut hängenzubleiben, sondern die Aussage zu interpretieren.609 So befand das OLG Thüringen die Darbietung des Liedes „Bullenschweine“ der Punk-Band NoRMAhl trotz der Zeile „Haut die Bullen platt wie Stullen, haut ihnen ins Gesicht“ nicht als ernstliche Aufforderung zu Gewalttaten, sondern interpretierte sie zutreffend als überspitzte Auflehnung gegen die gesellschaftliche Ordnung und deren das Gewaltmonopol innehabenden Repräsentanten.610 Dass die Strafbarkeit nicht am äußeren Wortlaut festgemacht werden darf, wird besonders deutlich bei total überspitzten Aussagen im Rahmen von Konzerten. So bspw. wenn der Frontmann von Bring Me The Horizon, Oli Sykes, bei Auftritten der Band als PreBreakdown-Line zum Publikum gerichtet „Kill each other!“ schreit und damit natürlich nicht ernstlich zum Töten, sondern vielmehr zum Moshen auffordert. Nicht nur bei Live-Konzerten, sondern allgemein ist im Bereich der Kunst besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob eine Aussage wirklich ernstlich611 getroffen wird oder vielmehr als überspitztes Stilmittel eingesetzt wird. So ist auch der epische Track „Hunters Will Be Hunted“ der bekannten deutschen Melodic-Death-MetalBand Heaven Shall Burn – wenig verwunderlich entgegen der natürlich extrem empörten Bild-Zeitung612 – trotz seines expliziten Titels und der entsprechenden Lyrics keineswegs als ernstliche Aufforderung zur Selbstjustiz an Jägern, sondern vielmehr als Statement für den Tierschutz und gegen die Jagd als Freizeitvergnügen zu sehen.613 An der Ernstlichkeit kann man hingegen bei einigen Darbietungen aus der rechtsextremen Szene nicht zweifeln, insbesondere wenn Bands wie Landser selbst erklärt haben, gerade durch ihre Musik bei Jugendlichen Hass und Gewaltbereitschaft i. S. d. rechtsradikalen Propaganda schüren zu wollen.614 Konsequenterweise wurden so vom KG Berlin u. a. die Landser-Lieder „Schlagt sie tot“, „Nigger“ und „Volk ans Gewehr“ als strafbar nach § 111 StGB eingeordnet, weil sie zum Ergentum aus Art. 14 GG der Kunstfreiheit entgegenstehen kann, eher zu überzeugen, sind aber nicht zwingend. 608 LG Mainz, NJW 2000, S. 2220 (S. 2221). Kritisch insgesamt auch Kaspar, Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 547 f. 609 Eser, in: Sch/Sch, StGB, § 111, Rn. 6. 610 OLG Thüringen, NStZ 1995, S. 445; zustimmend Barton, in: AnwaltsKommentar, StGB, Vor §§ 110 ff., § 111, Rn. 5. 611 So auch von OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2003, S. 327 (S. 328) verneint beim Abdruck eines nicht näher genannten Textes der Punkband Slime im Rahmen einer Art Collage. 612 Siehe http://www.bild.de/politik/inland/metal/aufruf-zur-gewalt-metal-band-will-jaegertoeten-3005 7126.bild.html. 613 Siehe Stellungnahme der Band: https://www.metal-hammer.de/jaegerjagd-seht-dasneue-heaven-shall-burn-video-hunters-will-be-hunted-370955/. 614 KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 21.

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Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

schlagen von Kommunisten, der Verfolgung von People of Colour im Stile des KuKlux-Klans und zur Tötung der beiden Verantwortlichen für die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung aufriefen.615 Auch das Absingen der schon erwähnten Heckerlied-Umdichtung „Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib. Blut muss fließen, knüppelhageldick …“ könnte je nach Kontext durchaus als ernste und konkrete Aufforderung zur Tötung jüdischer Mitbürger begriffen werden, wenn bspw. eine weitergehende Konkretisierung auf potentielle Opfer erfolgt ist.

III. Rechtswidrigkeit im Lichte der Kunstfreiheit Theoretisch ist auch hier an eine Rechtfertigung aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu denken.616 Allerdings werden bei § 111 StGB bereits durch die sehr gut im Rahmen der Wortlautgrenze mögliche verfassungskonform enge Auslegung des Merkmals Auffordern die meisten Fälle straffrei gestellt. Eine wirklich absolut ernstliche und konkrete Aufforderung zu einer bestimmten Straftat kann hiernach nur noch durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerechtfertigt werden, wenn hinter dieser Straftat kein verfassungsrechtliches Schutzgut steht, das dann mittelbar auch durch § 111 StGB geschützt wird. Gerade in den hier tatbestandlich bejahten Fällen stehen jedoch mit den Schutzgütern der §§ 223 ff. StGB und §§ 211 ff. StGB – Leib und Leben – in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verankerte Verfassungsrechtsgüter der Kunstfreiheit entgegen.

IV. Fazit Bei § 111 StGB siegt so die Kunstfreiheit nicht in jedem Fall auf Rechtswidrigkeitsebene, sondern nur nach einer Abwägung mit den entgegenstehenden Rechtsgütern der Straftaten zu denen öffentlich aufgerufen wird. Schon zuvor und vorrangig ist dem Einfluss der Kunstfreiheit jedoch durch eine enge verfassungskonforme Auslegung des Aufforderns zu genügen.

615 KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 140, 144; die Taten unterfielen jedoch bereits der Verjährung. Die deshalb einzig auf den Titel „Xenophobia“ (S. 148 im Urteil des KG Berlin) gestützte Verurteilung nach § 111 StGB wurde vom BGH, NJW 2005, S. 1668 (S. 1670 f.) aufgehoben, da bei diesem Text nicht deutlich erkennbar sei, in welcher strafrechtlich relevanten Weise konkret vorgegangen werden soll. 616 Dallmeyer, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 111, Rn. 9; Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam, S. 265 ff. Ablehnend Rosenau, in: LK, StGB, § 111, Rn. 68; Bosch, in: MüKo, StGB, § 111, Rn. 30. Skeptisch Fischer, StGB, § 111, Rn. 5a.

J. § 140 StGB – Belohnung und Billigung von Straftaten

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I. § 126 StGB – Androhung von Straftaten Zwar ist § 126 StGB im Gegensatz zu den letzten drei Tatbeständen wieder ein Delikt, das nach einhelliger Ansicht den klassischen öffentlichen Frieden in der eingangs behandelten Definition schützt.617 Allerdings kommt ein Konflikt mit der Kunstfreiheit extrem selten in Betracht. Zum einen pönalisiert § 126 StGB nur das Androhen eines numerus clausus bestimmter Straftaten. Zum anderen wird diese Tat ähnlich wie bei § 111 StGB selten hinreichend konkretisiert sein. Zumeist wird es zudem am Drohcharakter fehlen, wenn nicht tatsächlich der Eindruck der Ernstlichkeit erweckt wird.618 Erneut sei so Heaven Shall Burns „Hunters Will Be Hunted“ genannt, das trotz der expliziten Androhung nicht zuletzt angesichts der pazifistischen Einstellung der Bandmitglieder keineswegs den Eindruck der Ernstlichkeit erwecken kann. Anders kann dies wieder bei offen neonazistischen Bands sein, wenn bspw. die White Aryan Rebels mit Zeilen wie „Die Kugel ist für dich, Mo Asumang“ gezielt einzelnen Menschen wie der genannten Schauspielerin den Tod androhten. Da von § 126 StGB anders als von § 111 StGB allerdings nur der öffentliche Frieden und kein mittelbar betroffenes Individualrechtsgut geschützt werden soll,619 muss konsequenterweise selbst eine solche Zeile im Ergebnis durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerechtfertigt werden. Je nach Einzelfall kann jedoch gerade bei der expliziten Nennung des Namens des potentiellen Opfers eine Bestrafung nach § 241 StGB wegen Bedrohung in Betracht kommen. Bei dieser werden dann Individualrechtsgüter geschützt, die die Kunstfreiheit beschränken können.

J. § 140 StGB – Belohnung und Billigung von Straftaten Auch § 140 StGB schützt bereits seinem Wortlaut nach und ausschließlich den öffentlichen Frieden in dessen klassischer Definition.620 Ein Konflikt mit der Kunstfreiheit kann sich jedoch ebenfalls kaum ergeben. 617 Siehe bereits den Wortlaut der Norm, vgl. nur Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 126, Rn. 1; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 126, Rn. 1; Rackow, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 126, Rn. 5; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 126, Rn. 6; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 1. 618 Zur Definition vgl. Fischer, StGB, § 126, Rn. 5; Krauß, in: LK, StGB, § 126, Rn. 11; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 10 ff.; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 126, Rn. 13. 619 Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 126, Rn. 6; Schäfer, in: MüKo, StGB, § 126, Rn. 1 ff.; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, § 126, Rn. 1. 620 Fischer, StGB, § 140, Rn. 2; Heuchemer, in: v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 140, Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 140, Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 140, Rn. 1; weiteres Verständnis Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 140, Rn. 3.

286

Teil 3: Schutz des öffentlichen Friedens im Lichte der Kunstfreiheit

Allein, dass sich der Künstlername Marilyn Manson aus dem Vornamen Marylin Monroes und dem Nachnamen des Sektenführers und verurteilten Mörders Charles Mansons zusammensetzt, beinhaltet keine Billigung der Taten des letzteren. Ebenso wenig ist dies beim Rapper Machine Gun Kelly und den Taten des namensgebenden echten Gangsters der Fall. Der Rechtsprechung nach könne auch dem alleinigen Abspielen der in einem der NSU-Bekennervideos verwendeten „Pink-Panther“Melodie auf einer rechtsextremen Demonstration eine eindeutige Billigung in der Gesamtschau nicht entnommen werden.621 Anzudenken wären im Kontext des § 140 StGB höchstens explizite Lieder wie bspw. „Morgen brennt Bonn“ von Landser, in dem mit der Zeile „In Rostock und Hoyerswerda und bald im ganzen Land, da kämpfen deutsche Skinheads, den Molli in der Hand, und das Asylheim brennt“ die Brandanschläge in Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 ausdrücklich gebilligt werden622 – im Gegensatz etwa zur im Kontext ganz klar als Kritik gegen rechte Gewalt erkennbaren Zeile „Flüchtlingsheim, Molli rein“ aus dem gesellschaftskritischen Song „Was für eine Zeit“ (2017) von Zugezogen Maskulin. Mangels eines anderen entgegenstehenden Schutzgutes muss gleichwohl jegliche künstlerische Äußerung im Rahmen des § 140 StGB nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gerechtfertigt werden.

K. Zusammenfassung des dritten Teils Am Anfang des dritten Teils hat sich gezeigt, dass der öffentliche Frieden nach überzeugender Ansicht kein belastbares Rechtsgut darstellt. Erst recht kann er unter Zugrundelegung der im ersten Teil herausgearbeiteten engen Voraussetzungen nicht als Rechtsgut von Verfassungsrang verstanden werden. Der öffentliche Frieden allein vermag so nicht die Kunstfreiheit einzuschränken. Findet sich der öffentliche Frieden darüber hinaus im Wortlaut eines Tatbestandes, so kommt ihm nicht die Rolle eines echten strafbegründenden Tatbestandsmerkmals, sondern vielmehr einer grundsätzlich indizierten normativen Wertungsklausel zu, die lediglich im Einzelfall widerlegt werden kann. Die anschließende Behandlung der einzelnen Delikte zum Schutz des öffentlichen Friedens hat gezeigt, dass es nicht eine einzig richtige Möglichkeit gibt, um die Kunstfreiheit im Rahmen des Strafrechts zu beachten. Nötig ist vielmehr eine lebendige Einflechtung der Implikationen der Kunstfreiheit je nach Eigenheit des jeweiligen Tatbestandes. Damit spiegeln die Delikte zum Schutz des öffentlichen

621 So OLG München, Urteil v. 19. 5. 2014 – 4 StRR 65/13 nach Stegbauer, NStZ 2015, S. 206. 622 KG Berlin v. 22. 12. 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), S. 147.

K. Zusammenfassung des dritten Teils

287

Friedens in concreto exakt das wider, was im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit abstrakt festgestellt wurde: Insbesondere bei § 86a StGB ist immer vorrangig die kodifizierte Ausschlussklausel des Abs. 3 anzuwenden. Bei den restlichen hier behandelten Tatbeständen hilft zunächst meist eine verfassungskonforme Auslegung geeigneter Tatbestandsmerkmale, um bereits viele Kunstfälle vom Verdikt der Strafbarkeit zu befreien. Stößt die verfassungskonforme Auslegung jedoch an ihre Wortlautgrenze, etwa weil ein Werk tatsächlich nicht mehr als nichtbeschimpfend i. S. d. § 166 StGB oder nichtverherrlichend i. S. d. § 131 StGB bezeichnet werden kann, ist diese Grenze nicht mit Macht zurechtzubiegen, sondern der Tatbestand eben zu bejahen. Schließlich kann sodann subsidiär auf Rechtswidrigkeitsebene als letzter Ausweg in Ausnahmefällen eine Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG direkt in Betracht kommen. Steht dabei wie bei § 166 StGB hinter einem Tatbestand allein der Schutz des öffentlichen Friedens, so muss die Kunstfreiheit immer überwiegen. Stehen dagegen echte Verfassungsrechtsgüter hinter einem Tatbestand, so kann die Kunstfreiheit je nach Einzelfall und Abwägung eingeschränkt werden. Steht ihr wie bei § 130 StGB gar die individuelle Menschenwürde entgegen, so muss die Kunstfreiheit stets zurücktreten.

Teil 4

Zusammenfassung und Ausblick A. Zusammenfassung und Stellungnahmen Am Schluss der Arbeit angelangt sollen noch einmal die wichtigsten der gefundenen Ergebnisse aus den vorangegangenen drei Teilen zusammengetragen und abschließend zu ihnen Stellung bezogen werden.

I. Zu Teil 1 Im ersten Teil1 wurde die verfassungsrechtliche Dimension der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG betrachtet. Neben der Frage nach den Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in die Kunstfreiheit erwies sich dabei vor allem die Definition dessen, was unter Kunst zu verstehen ist, als neuralgisch. 1. Zum Kunstbegriff 2 Die Nutzung eines eigenständigen strafrechtlichen Kunstbegriffes ist dabei abzulehnen und vielmehr auch für die Behandlung von Kunst im Strafrecht auf das Verständnis des Verfassungsrechts zurückzugreifen. Auf dieser Ebene kommt dem Staat dabei trotz der Schwierigkeiten einer genauen Begriffsbestimmung grundsätzlich ein Gebot zur Definition des Schutzgegenstandes der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu. Etwaige Selbstdefinitionen des Künstlers oder Fremddefinitionen von Sachverständigen in Form von Kunstkritikern etc. können allenfalls eine wichtige Indizwirkung bei der Subsumtion des Einzelfalls unter diese Definition entfalten. Um der Dynamik der Kunst gerecht zu werden und auch Grenzfälle flexibel bearbeiten zu können, ist von einem topischen Kunstbegriff auszugehen, der formale, materiale und zeichentheoretische Elemente verbindet. Diese müssen nun nicht zwingend kumulativ vorliegen, sondern können sich vielmehr gegenseitig substituieren oder verstärken. Somit werden die Stärken der einzelnen Kunstdefinitionen 1 2

Ab S. 33. Siehe insgesamt S. 34 ff., insb. S. 50 ff.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

289

kombiniert und zugleich deren Schwächen eliminiert. Ein Werk ist demnach Kunst, wenn – es bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt und/oder – es eine freie schöpferische Gestaltung darstellt, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse als unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden und/oder – es wegen der Mannigfaltigkeit seines Aussagegehalts möglich ist, seiner Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt, da die die Darstellung komponierenden Zeichen insgesamt über ihre alltägliche Aussagefunktion hinauswirken (also gewissermaßen zuzüglich zu dem tatsächlich Dargestellten ein darüberhinausgehender, interpretierbarer Inhalt des Werkes vorhanden ist).

2. Zum Eingriff in die Kunstfreiheit durch das Strafrecht3 Im Bereich des strafrechtlichen Schutzes des öffentlichen Friedens sind Eingriffe in die Kunstfreiheit in folgender Weise denkbar: durch konkrete strafrechtliche Verurteilungen, durch Indizierungen und damit einhergehende Verbreitungsverbote, Einziehungen und Beschlagnahmen, sowie bereits durch die bloße Existenz der Strafrechtsnormen zum Schutz des öffentlichen Friedens. 3. Zur Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht4 Die Kunstfreiheit ist vom Verfassungsgeber grundsätzlich als vorbehaltloses Grundrecht konzipiert. Gleichwohl kann kein Grundrecht mit Ausnahme der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG komplett schrankenlos wirken. Vielmehr muss auch die Kunstfreiheit beschränkt werden können; allerdings zulässigerweise allein durch kollidierendes Verfassungsrecht. Dabei besteht jedoch eine gewisse Gefahr, dass die legislative Entscheidung zur grundsätzlichen Vorbehaltlosigkeit unterminiert wird, da schließlich jedes beliebige Rechtsgut über argumentative Verschränkungen irgendwie indirekt in die Verfassung hineingelesen werden kann. So könnte insbesondere die Verletzung eines jeden Strafgesetzes und damit des hinter diesem stehenden Rechtsgutes theoretisch als Problem des natürlich verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips betrachtet werden. Damit würden aber die Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in verschiedene Grundrechte komplett nivelliert und letztlich stets ein3 4

Siehe insgesamt S. 62 ff. Siehe insgesamt S. 70 ff.

290

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

fache Gesetzesvorbehalte angewendet. Deswegen müssen die Grenzen des Instituts der Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht äußerst eng, strikt und sorgfältig gezogen werden. Einem Rechtsgut kann mithin nur dann Verfassungsrang zukommen, wenn zwei kumulative Voraussetzungen vorliegen: Zum Ersten ist die Nennung des Rechtsgutes im Wortlaut des Grundgesetzes notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Zudem muss der Schutz des fraglichen Rechtsguts in der Verfassung auch konkret positiviert sein. Nur ein derart verfassungsrechtlich verankertes Rechtsgut genügt sodann im vorliegenden Kontext als Eingriffs- und damit Gesetzeszweck. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, der Angemessenheit, ist zudem das Überund Untermaßverbot zu beachten, indem bei einer Abwägung im Einzelfall ein schonender Ausgleich der konfligierenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz gefunden wird. Bei dieser Einzelfallabwägung ist sämtlichen Unterschieden Rechnung zu tragen, die in wertender Hinsicht im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Kunst auftreten können: etwaig angezeigten Unterschieden hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit auf Seiten der Kunstfreiheit in sachlicher Hinsicht bezüglich des Werk- oder Wirkbereiches und in persönlicher Hinsicht bezüglich des Künstlers selbst oder des Kunstmittlers, sowie auf Seiten des entgegenstehenden Verfassungsrechts bezüglich der konkreten Betroffenheit der entgegenstehenden Grundrechte und sonstigen Verfassungsrechtsgüter.

II. Zu Teil 2 Im zweiten Teil5 der Arbeit wurde dezidiert untersucht, wie die verfassungsrechtlichen Implikationen der Grundrechte und insbesondere die der Kunstfreiheit in das Strafrecht übertragen werden können. 1. Zur verfassungskonformen Rechtsfortbildung6 Zunächst ist in dem Kontext festzuhalten, dass eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung als Fortsetzung einer verfassungskonformen Auslegung über die Wortlautgrenze hinaus anzuerkennen ist. Letztlich ist dies nur die ehrliche Beschreibung dessen, was selbst das BVerfG noch als verfassungskonforme Auslegung – wengleich unter Missachtung der Wortlautgrenze – versteht. Wenn selbst relativ willkürliche Formen der Rechtsfortbildung wie die teleologische Reduktion gemeinhin anerkannt sind, muss dies erst recht für eine Rechtsfortbildung mit dem hehren Ziel der Verfassungskonformität gelten.

5 6

Ab S. 79. Siehe insgesamt S. 110 ff.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

291

2. Zur unmittelbaren Anwendung von Grundrechten allgemein7 Eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht stellt nun methodisch genau solch einen Fall zulässiger verfassungskonformer Rechtsfortbildung dar. Aufgrund des in den fraglichen Fällen lediglich punktuellen, nicht jedoch permanenten Konfliktes von Straf- und Verfassungsrecht ist für die Gerichte eine Abhilfe über Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG nicht möglich. Zur Wahrung der Einheit der Rechtsordnung muss ihnen deshalb die Herstellung verfassungskonformer Entscheidungen über eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte möglich sein, nachdem alle strafrechtsimmanenten Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft wurden. Die unmittelbare Anwendung der Grundrechte ist somit subsidiär gegenüber strafrechtsimmanenten Möglichkeiten, sonst verstieße sie gegen die Kompetenz der Legislative und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip, sowie gegen den Vorrang des Gesetzes. Aus diesen Gründen verbietet sich auch eine unmittelbare Anwendung der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Darüber hinaus greifen die geäußerten Bedenken gegen die unmittelbare Anwendung der Grundrechte aber nicht durch. Als richtige Wirkebene hat sich schließlich die der Rechtswidrigkeit herausgestellt. Ein tatbestandmäßiges Handeln ist mithin durch unmittelbare Anwendung des jeweiligen Grundrechts dann strafrechtlich gerechtfertigt, wenn 1. die Subsidiarität der unmittelbaren Anwendung gewahrt ist (d. h. Vorrang einfachgesetzlicher Regelungen), 2. das Verhalten des „Täters“ in den Schutzbereich eines Grundrechts außer Art. 2 Abs. 1 GG fällt und 3. eine strafrechtliche Ahndung nicht den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht stand hielte (d. h. insbesondere Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit einer Abwägung im Einzelfall zwischen den durch den jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsgütern und dem jeweiligen Grundrecht).

3. Zu Möglichkeiten der Strafbefreiung durch die Implikationen der Grundrechte allgemein8 Es ist leider nicht möglich, eine pauschale, auf alle Fälle passende Lösung, wie die Grundrechte im Strafrecht wirken, festzulegen. Natürlich wäre dies für den Rechtsanwender aufgrund der Einfachheit und Eindeutigkeit sowie für den Betroffenen aufgrund der Rechtssicherheit wünschenswert gewesen, käme jedoch in unauflösbare Friktionen mit der rechtswissenschaftlichen Dogmatik. 7 8

Siehe insgesamt S. 97 ff. Siehe insgesamt S. 81 ff.

292

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

Keine Lösungen vermögen zunächst Analogien zu den Rechtfertigungsgründen des § 34 StGB oder § 193 StGB oder eine lediglich prozessuale Lösung zu bieten. Im Übrigen finden sich drei verschiedene Möglichkeiten, wie die Grundrechte im Strafrecht Wirkung entfalten können: 1. Die Anwendung passender expliziter einfachgesetzlicher Regelungen wie kodifizierter Ausschlussklauseln oder § 193 StGB direkt. 2. Die verfassungskonforme Auslegung des einfachgesetzlichen Rechts, insbesondere normativer Tatbestandsmerkmale. 3. Die vorgenannte unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Strafrecht auf Rechtswidrigkeitsebene. Dabei ist eine strikte Reihenfolge einzuhalten. Erst wenn die strafrechtsimmanenten Möglichkeiten unter 1. und 2. ausgeschlossen sind, darf auf die insoweit subsidiäre unmittelbare Anwendung der Grundrechte zurückgegriffen werden. 4. Zu Möglichkeiten der Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit in concreto9 Übertragen auf den speziellen Fall der Kunstfreiheit ergibt sich damit das folgende Bild: Zunächst sind kodifizierte Ausschlussklauseln wie bspw. die des § 86 Abs. 3 StGB anzuwenden. Da sich solche jedoch nur sehr spärlich im StGB verstreut finden, wird viel häufiger eine verfassungskonforme Auslegung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale die Implikationen der Kunstfreiheit in das Strafrecht einzuflechten vermögen. Sollte eine solche jedoch an der – auch im Kontext der Kunstfreiheit ernst zu nehmenden – Wortlautgrenze scheitern, so kann subsidiär in allen übrigen Fällen auf das Grundrecht der Kunstfreiheit direkt rekurriert werden. Dieses Vorgehen ist dann wie soeben im Allgemeinen festgestellt als zulässiger Fall einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung zu klassifizieren. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG wirkt im Ergebnis immer dann direkt als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht, wenn eine dezidierte Abwägung der Kunstfreiheit mit den hinter der jeweiligen Strafnorm stehenden Verfassungsgütern ein Überwiegen der Ersteren ergibt. Wenn jedoch hinter einem Straftatbestand lediglich einfache und nicht tatsächlich verfassungsrechtlich verankerte Schutzgüter stehen, muss die Kunstfreiheit in Einklang mit dem im ersten Teil Dargelegten stets rechtfertigend wirken. Zusammengefasst ergibt sich so für die unmittelbare Anwendung der Kunstfreiheit im Strafrecht das folgende Prüfungsprotokoll: Ein tatbestandsmäßiges Handeln ist durch unmittelbare Anwendung der Kunstfreiheit gerechtfertigt, wenn 1. die Subsidiarität der unmittelbaren Anwendung gewahrt ist (d. h. Vorrang einfachgesetzlicher Regelungen), 9

Siehe insgesamt S. 134 ff.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

293

2. das Verhalten des „Täters“ in den Schutzbereich10 der Kunstfreiheit fällt und 3. eine strafrechtliche Ahndung dieses Verhaltens den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Einschränkung der vorbehaltlosen Kunstfreiheit widerspräche, weil entweder a) vom jeweiligen Strafgesetz überhaupt keine Rechtsgüter von Verfassungsrang geschützt sind, die der Kunstfreiheit entgegenstehen könnten, oder b) vom jeweiligen Strafgesetz zwar durchaus Rechtsgüter von Verfassungsrang geschützt sind, jedoch eine Abwägung der Kunstfreiheit mit diesen geschützten Verfassungsgütern im konkreten Einzelfall ergibt, dass eine strafrechtliche Verurteilung keinen schonenden Ausgleich der gegenläufigen Interessen im Wege praktischer Konkordanz darstellte.

III. Zu Teil 3 Im dritten Teil11 wurden schließlich die Ergebnisse und Implikationen aus den ersten beiden Teilen auf den strafrechtlichen Schutz des öffentlichen Friedens übertragen. Vor die Klammer gezogen wurde dabei zunächst der öffentliche Frieden als solcher genauer überprüft. Anschließend erfolgte eine dezidierte Untersuchung der einzelnen strafrechtlichen Tatbestände zum Schutz des öffentlichen Friedens. 1. Zur Rechtsgutsqualität des öffentlichen Friedens Allgemein wird unter dem öffentlichen Frieden sowohl der objektive Zustand der allgemeinen Rechtssicherheit als auch das subjektive Bewusstsein der Bevölkerung um diese Sicherheit verstanden.12 In seiner angedachten Funktion als Rechtsgut ist der öffentliche Frieden grundlegend zu kritisieren: So vermag die subjektive Dimension des öffentlichen Friedens empirisch nicht abzubilden, was die Bevölkerung tatsächlich über den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit denkt und fühlt; es kann höchstens fingiert werden, was diese denken und fühlen soll. Daraus erwächst die Gefahr, dass unter dem Deckmantel des Strafrechts und des angeblichen Rechtsgüterschutzes Moral- und Tabuvorstellungen durchgesetzt werden. Darüber hinaus ist die subjektive Dimension zirkulär: „Inhalt des öffentlichen Friedens kann schwerlich das Bewußtsein über den Inhalt selbst sein.“13 Die subjektive Dimension der Definition des öffentlichen Friedens erweist sich so als inhaltsleere und missbrauchsanfällige Floskel.14 10 11 12 13 14

Vgl. zum Schutzbereich der Kunstfreiheit ausführlich oben S. 33 ff. Ab S. 145. Siehe zur Definition S. 147 ff. Fischer, NStZ 1988, S. 161. Siehe zum gesamten Absatz S. 152 ff.

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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

Wenn die objektive Dimension des öffentlichen Friedens einen Zustand allgemeiner Rechtssicherheit bedeutet, entspricht das im Wesentlichen dem polizeirechtlichen Begriff der öffentlichen Sicherheit, womit sich der objektive öffentliche Frieden letztlich in der Nichterfüllung der einzelnen speziellen Straftatbestände erschöpft. So schützt er lediglich mittelbar die Rechtsgüter, die bereits von den einzelnen speziellen Straftatbeständen geschützt werden, ist jedoch selbst kein eigenständiges Rechtsgut – höchstens ein „Scheinrechtsgut“15. Er stellt so einen überflüssigen „Schutz des Strafrechts durch das Strafrecht“16 dar. In concreto bedeutet objektiver öffentlicher Frieden so vor allem das Nichtvorliegen der den öffentlichen Frieden schützenden Straftatbestände; sind deren Tatbestandsmerkmale erfüllt, wird der öffentliche Frieden regelmäßig als beeinträchtigt angesehen. Dies stellt aber wiederum einen Zirkelschluss dar: Der öffentliche Frieden ist beeinträchtigt, wenn eine Norm zum Schutz des öffentlichen Friedens verletzt ist, die ihrerseits nur deshalb Unrecht darstellt, weil ihre Verletzung den öffentlichen Frieden beeinträchtigt.17 Mithin stellt der öffentliche Frieden allein kein belastbares Rechtsgut dar.18 Problematisch ist vor diesem Hintergrund vor allem die Existenzberechtigung von Delikten, die allein dem Schutz des öffentlichen Friedens dienen,19 hinter denen also kein anderes tragfähiges Rechtsgut steht.

15 So das Ergebnis von Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 107, nach ausführlicher Behandlung des öffentlichen Friedens ab S. 90 ff. Übernommen von Wohlers, ZStW 118 (2006), S. 768. Vgl. auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295: „… kollektiven Scheinrechtsgüter …“. 16 Fischer, GA 1989, S. 451; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 631; ähnlich auch ders., StGB, § 126, Rn. 3a: „strafrechtlichen Schutz des Strafrechts“, jeweils unter Verweis auf Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht. Siehe dort S. 11 f. 17 Siehe zum gesamten Absatz S. 154 ff. 18 Ebenfalls die Rechtsgutsqualität des öffentlichen Friedens verneinend: Fischer, NStZ 1988, S. 163; ders., GA 1989, S. 451 f.; ders., in: Festschrift für Ingeborg Puppe, S. 1135; ders., Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 512 f., 602, 631; Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, S. 26 ff., insb. S. 49 f.; Gierhake, ZIS 2008, S. 404; Stübinger, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 166, Rn. 2; ders., in: Festschrift für Walter Kargl, S. 580 ff.; Schroeder, Straftaten gegen das Strafrecht, S. 11; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 105 ff.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 90 ff., insb. 107, vor allem bei einem weiten Verständnis des öffentlichen Friedens, das letztlich dem Schutz moralischer Anschauungen und Tabus dient, so konkretisiert durch dies., JZ 2010, S. 312; deutlicher noch dies., JZ 2015, S. 295. Vgl. ferner kritisch auch Paeffgen, in: Festschrift für Ernst-Walter Hanack, S. 599 ff.; Beck, Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung, S. 143 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 295 ff.; Enders/Lange, JZ 2006, S. 108; Ostendorf, JA 1980, S. 500; Valerius, ZStW 129 (2017), S. 531 f.; Roxin, Strafrecht AT Bd. I, § 2, Rn. 46 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 775 f. 19 Siehe z. B. oben S. 172 ff. für § 166 StGB.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

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2. Zum Verfassungsrang des öffentlichen Friedens20 Erst recht kommt dem öffentlichen Frieden kein Verfassungsrang zu. Sein Schutz ist weder verfassungsrechtlich positiviert, noch ist der öffentliche Frieden in der Verfassung auch nur genannt. Wenn das BVerfG festlegt, dass eine lediglich formelhafte Nennung allgemeiner Ziele gerade nicht genügt, um den Verfassungsrang eines Rechtsgutes zu bejahen, sondern „anhand einzelner Grundgesetzbestimmungen die konkret verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter festzustellen“21 sind, so muss dies konsequenterweise auch und gerade für den verfassungsrechtlich überhaupt nicht kodifizierten und so allgemeinen wie formelhaften öffentlichen Frieden gelten. Der öffentliche Frieden stellt lediglich ein Bündel anderer Rechtsgüter dar. Diese können zwar ihrerseits natürlich von Verfassungsrang sein. Auch dann können aber nur diese einzelnen Verfassungsrechtsgüter allein das vorbehaltlose Grundrecht der Kunstfreiheit einschränken, wenn sie wirklich von dem entsprechenden strafrechtlichen Tatbestand geschützt werden und im Einzelfall auch tatsächlich unmittelbar und konkret betroffen sind. Hingegen genügt es nicht, diese dezidierte Betrachtung einfach bequem zu umgehen, indem sich unter dem Deckmantel des öffentlichen Friedens auf einen lediglich vorgelagerten, gerade jedoch nicht konkreten, unmittelbaren und tatsächlichen Schutz dieser Rechtsgüter zurückgezogen wird. Der Schutz des öffentlichen Friedens allein vermag so mangels Verfassungsranges keinerlei Eingriffe in die Kunstfreiheit zu rechtfertigen. Es kommt damit immer entscheidend darauf an, welche anderen Interessen vom jeweiligen Tatbestand zusätzlich geschützt sind und ob diese dann tatsächlich als Verfassungsrechtsgüter qualifiziert werden können, sodass sie einen Eingriff in die Kunstfreiheit zu rechtfertigen vermögen. 3. Zur (Eignung zur) Störung des öffentlichen Friedens als normativer Wertungsklausel statt eines strafbegründenden Tatbestandsmerkmals22 Der öffentliche Frieden lässt sich auch im Wortlaut einzelner Strafrechtsnormen wiederfinden, wenn dort entweder von der Eignung der Tathandlung zur Störung des öffentlichen Friedens oder gar von der tatsächlichen Störung desselben die Rede ist. Diese verschieden formulierten Friedensklauseln sind dabei jedoch allesamt keine strafbegründenden Tatbestandsmerkmale, sondern vielmehr normative Wertungsklauseln. Als solche sind sie grundsätzlich indiziert, wenn die spezifischen Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Deliktes erfüllt sind. Die Friedensklauseln können 20

Siehe insgesamt S. 158 ff. Vgl. erneut BVerfGE 77, 240 (255) (Herrnburger Bericht); vgl. ähnlich auch 81, 278 (293) (Bundesflagge). 22 Siehe insgesamt S. 162 ff. 21

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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

dann nur noch im Einzelfall widerlegt werden, wenn die Tathandlung wirklich einmal keine konkrete (Eignung zur) Störung des öffentlichen Friedens aufweist. Sie dienen also dazu, strafunwürdiges Verhalten aus dem Tatbestand auszuklammern. Mit einer solchen Einordnung als normative Wertungsklausel entschärft sich auch das Problem mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG; schließlich gilt dieser in seinem strengen Verständnis nur für echte strafbegründende Tatbestandsmerkmale. Diese Einordnung ergibt sich bereits aus dem Wesen des öffentlichen Friedens. Es ist nicht nur eine tatsächliche empirische Feststellung desselben unmöglich; auch ein kausaler Zusammenhang mit der konkreten Tathandlung wäre unklar. Den öffentlichen Frieden tatsächlich als Begründung der Strafbarkeit anzuführen, wäre zudem ein Zirkelschluss bzw. eine inhaltlich erkenntnislose Leerformel: Der öffentliche Frieden als Rechtsgut wäre dann gestört, wenn die Tathandlung den öffentlichen Frieden stört. Deshalb muss vielmehr bereits bei Erfüllung der eigentlichen Tatbestandsmerkmale eine i. d. R. hinreichende Eignung zur Friedensstörung gegeben sein, die ausnahmsweise durch eine normative Wertungskorrektur in Gestalt der Friedensklausel straffrei gestellt werden kann, wenn im Einzelfall einmal überhaupt keine konkrete Eignung zur Friedensstörung vorliegt. Nebenbei entspricht diese Einordnung auch der Prüfpraxis der Gerichte, die zumeist die Friedensklauseln lapidar bejahen, bestätigen oder gar als indiziert ansehen und höchstens einmal auf die Öffentlichkeit der jeweiligen Tathandlung verweisen, aber seltenst konkret zu subsumieren versuchen, ob tatsächlich eine konkrete (Eignung zur) Störung des öffentlichen Friedens vorliegt.23 Die Bezeichnung als normative Wertungsklausel ist somit letztlich einfach die ehrlichere, konsequentere und systemgerechtere Bezeichnung der geübten richterlichen Praxis. Auch das BVerfG sieht in Anlehnung an Fischer24 mittlerweile die Friedensklauseln nicht mehr als strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern als „Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle“25 an. 4. Zu § 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen … Die Untersuchung von § 166 StGB hat bestätigt, dass hinter diesem Tatbestand als Schutzgut allein der öffentliche Frieden steht, insbesondere jedoch nicht die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Deshalb muss die Kunstfreiheit gegenüber diesem Delikt immer prävalieren, weil ihr nie ein Verfassungsrechtsgut entgegenstehen kann.26 23

Vgl. nur erneut RGSt 26, 349 (350); 34, 269; BGHSt 16, 49 (57); BGH, NJW 1963, S. 2034 (Jud Süß); BGHSt 29, 26 (27); 34, 329 (331 f.); 46, 36 (39, 42 f.); 47, 278 (280 f.); BVerwGE 131, 216 (234), Rn. 54; BGH, NJW 2002, S. 2115. 24 Vgl. erneut Fischer, StGB, § 126, Rn. 3a/3b, § 130, Rn. 14b/14c. 25 Vgl. erneut BVerfG, NJW 2010, S. 47 (S. 54), Rn. 94 f. (Wunsiedel). 26 Siehe zum gesamten Absatz S. 172 ff.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

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Die Friedensklausel im Rahmen des § 166 StGB stellte sich dabei allerdings nicht als geeignete Einbruchstelle für die Kunstfreiheit heraus. Zwar können sich natürlich durchaus einzelne Werke finden lassen, bei denen die grundsätzlich indizierte Wertungsklausel einmal widerlegt werden kann. In vielen Fällen wird aber sogar nicht beschimpfende Kunst im Kontext der Religionen zu heftigen Reaktionen insbesondere der Anhänger des beschimpften Bekenntnisses führen, die aufgrund der Kunsteigenschaft sogar noch heftiger ausfallen können.27 Hingegen können über das Tatbestandsmerkmal des Beschimpfens eine Vielzahl der Kunstwerke aus der Strafbarkeit ausgeschlossen werden, teilweise durchaus auch durch eine besonders enge verfassungskonforme Auslegung. Allerdings haben die dargelegten Beispiele auch gezeigt, dass sich sehr wohl einige Werke finden lassen, bei denen eine Verneinung des Beschimpfens die Wortlautgrenze sprengen würde.28 In genau diesen Fällen – und damit unter Wahrung der Subsidiarität – können jedoch die tatbestandlichen Kunstwerke restlos auf Rechtswidrigkeitsebene über eine direkte Anwendung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG straffrei gestellt werden; schließlich steht ihnen dann kein Verfassungsrechtsgut entgegen.29 Die Kunst prävaliert mithin immer gegenüber § 166 StGB. Dies soll nicht verwundern, wenn vor allem aufgrund der problematischen Frage nach dessen Schutzgut viele Stimmen allgemein für eine Streichung dieses Tatbestandes plädieren.30 Weder die bloße Straffreistellung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG noch eine Streichung des § 166 StGB führten dabei zu Strafbarkeitslücken. Sachverhalte von solcher Brisanz, dass tatsächlich eine Schutzpflicht des Staates zugunsten der Gläubigen ausgelöst würde, werden schließlich bereits von anderen Normen wie §§ 130, 167, 185 ff., 211 f., 223 ff., 240 und 303 StGB hinreichend pönalisiert. Darüber hinaus ist es im modernen, säkularen und liberalen Staat nicht angebracht, die Auseinandersetzung mit Religionen und Weltanschauungen ungerechtfertigter Weise anders zu behandeln, als andere nicht strafrechtlich besonders geschützte Auseinandersetzungen politischer, sozialer oder ökologischer31 Couleur. § 166 StGB stellt somit eine unzeitgemäße Privilegierung der Religionen wider die Aufklärung dar und schützt quasi unter dem Deckmantel, Toleranz für die Religionen einzufordern, letztlich gar die eigene Intoleranz der Religionen.32 27

Siehe zum gesamten Absatz S. 185 ff., insb. S. 190 ff. Siehe zum gesamten Absatz S. 176 ff. 29 Siehe S. 194 ff. 30 Vgl. erneut explizit u. a.: Hörnle, ZRP 2015, S. 62; dies., JZ 2015, S. 297; dies., Grob anstößiges Verhalten, S. 356 f.; Steinke, KJ 2008, S. 451 ff.; Beisel, Kunst, S. 360; Hassemer, in: Dilcher/Staff, Christentum und modernes Recht, S. 248; ähnlich auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 297 f.; Pawlik, in: Festschrift für Wilfried Küper, S. 428; Kiewitz, Strafbarkeit der Gotteslästerung, S. 130 f. 31 Vgl. erneut von Valerius, Kultur und Strafrecht, S. 376 gebrauchte ähnliche Aufzählung, um die „nicht zu rechtfertigende Privilegierung“ durch § 166 StGB deutlich zu machen; vgl. auch erneut Steinberg, DVBl 2016, S. 1281. 32 Siehe zum gesamten Absatz S. 195 f. 28

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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

De lege ferenda ist daher für eine Abschaffung des § 166 StGB zu plädieren. Bezüglich § 166 StGB ergibt sich jedoch bereits de lege lata Straffreiheit für sämtliche Kunstwerke. 5. Zu § 167 StGB – Störung der Religionsausübung33 Auch bei § 167 StGB sind geeignete Werke zunächst durch eine enge verfassungskonforme Auslegung der Tatbestandsmerkmale Störung in grober Weise nach § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB und Verübung beschimpfenden Unfugs nach § 167 Abs. 1 Nr. 2 StGB von der Strafbarkeit auszuschließen. Subsidiär kann erneut auf eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG direkt rekurriert werden. Bei § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB tritt der Kunstfreiheit aber je nach Sachverhalt wohlmöglich das individuelle Verfassungsrechtsgut der Religionsausübung (forum externum) aus Art. 4 Abs. 2 GG entgegen. Dann ist in einer konkreten, einzelfallbezogenen Abwägung dieser konfligierenden Interessen praktische Konkordanz herzustellen. Ergibt sich dabei, dass die Kunstfreiheit im konkreten Einzelfall hinter der Freiheit der Religionsausübung zurücktreten muss, so vermag auch die Berufung auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Tathandlung nicht mehr zu rechtfertigen. 6. Zu § 131 StGB – Gewaltdarstellung Auch hinter § 131 StGB steht nun nicht allein der Schutz des öffentlichen Friedens. Zwar kann das Strafrecht keinesfalls für einen oktroyierten und paternalistischen Schutz des Einzelnen vor der Annahme einer aggressiven Einstellung missbraucht werden. Allerdings kommen je nach Tathandlung bzw. -variante der Jugendschutz oder gar eine Art Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG als Schutzgut hinter § 131 StGB in Betracht.34 Liegt somit im konkreten Einzelfall eine der Tathandlungen nach § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) oder Nr. 2 a) StGB vor, könnte der Kunstfreiheit der Jugendschutz entgegentreten. Für diesen lassen sich dabei je nach Begründungsansatz neben der Erwähnung in Art. 5 Abs. 2 GG konkrete verfassungsrechtliche Verankerungen in den Bestimmungen der Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 6 Abs. 1, 2 S. 2 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG finden. Als Verfassungsrechtsgut macht er so eine Abwägung mit der Kunstfreiheit erforderlich, bei der letztere im Einzelfall durchaus einmal zurückstehen muss. In den anderen Tathandlungen des § 131 StGB hingegen wird dem dort nicht direkt, sondern höchstens mittelbar bezweckten Jugendschutz durch das mildere Mittel des JuSchG i. d. R. Genüge getan. Deshalb darf

33 34

Siehe S. 196 ff. Siehe S. 212 ff.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

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unter einer insofern falschen Flagge des Jugendschutzes kein Totalverbot der originalen Werke auch gegenüber Erwachsenen konstruiert werden.35 Im Falle der Var. 3, also einer die Menschenwürde verletzenden Darstellung, ist bezüglich des der Kunstfreiheit entgegenstehenden Schutzgutes zu differenzieren. Die Menschenwürde kommt nämlich nur dann als konkretes Individualrechtsgut und Grundrecht in Betracht, wenn – wie bspw. bei Snuff-Videos – die Verfilmung einer realen und gegen den Willen des Opfers verübten Gewalttätigkeit verbreitet wird. Dann wird die individuelle Menschenwürde des Opfers durch die Perpetuierung der usprünglichen Menschenwürdeverletzung mit jeder Wiedergabe von neuem verletzt. Die Kunstfreiheit muss hinter einem solchen Eingriff in die Menschenwürde als Individualrechtsgut immer zurückstehen.36 In anderen Fällen – also insbesondere bei gestellten Verfilmungen und fiktiven Texten – könnte hinter § 131 StGB höchstens eine abstrakt verstandene Menschenwürde als überindividueller oberster Wert und Verfassungsprinzip in Form der Würde des Menschen als Gattungswesen stehen. Versuchte man nun aber über dieses Konstrukt die Kunstfreiheit einzuschränken, so würde eine letztlich rein moralische Grenze das Individualgrundrecht der Kunstfreiheit zurückdrängen, dessen Ausübung doch eigentlich seinerseits Konkretisierung und Teil der tatsächlichen individuellen Menschenwürde des Künstlers ist. Letztlich könnte man deshalb des Künstlers individuelle Würde als attackiert betrachten, indem dieser vom eigenverantwortlichen und mündigen Subjekt zum Objekt einer staatlich oktroyierten, paternalistischen Moralvorstellung gemacht wird. Damit wäre das Freiheitsversprechen der Menschenwürde letztlich zu einer staatlichen Eingriffsermächtigung mutiert und so ihr eigentlicher Sinn negiert.37 Zudem wäre durch die Hintertür doch noch ein allgemein abgelehnter ethischer Kunstbegriff eingeführt. Deshalb ist vor allem bei gestellten und fiktiven Werken auf eine besonders enge Definition der Var. 3 zu rekurrieren. Kunstwerke könnten so nur dann Var. 3 erfüllen, wenn sie insgesamt – und nicht lediglich einzelne Szenen – den reinen Selbstzweck der Gewaltdarstellung haben, ohne eine weitere narrative, ästhetische oder ähnliche Restsubstanz oder einen wie auch immer gearteten Restsinn aufzuweisen. Zuzüglich muss eine vom Künstler intendierte Sadismusaffirmation und bewusst angelegte Erzeugung einer menschenwürdewidrigen Einstellung beim Rezipienten bejaht werden können. Da diese Voraussetzungen bei den üblichen Spielfilmen und Musikstücken jedoch nicht kumulativ vorliegen werden, kommt man hier ausnahmsweise zu einer Art faktischen Exklusivität von Kunst und Var. 3.38 Damit bleibt die Gewaltverherrlichung bzw. -verharmlosung nach Var. 1 und 2 in einer nicht dem Jugendschutz dienenden Tathandlung übrig. In diesen Fällen steht dann der Kunstfreiheit allein der öffentliche Frieden entgegen, sodass das jeweilige 35 36 37 38

Siehe zum gesamten Absatz S. 214 ff. Siehe zum gesamten Absatz S. 216 f. und S. 229 f. Vgl. treffend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 150. Siehe zum gesamten Absatz S. 216 f. und S. 227 ff., insb. S. 236.

300

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

Kunstwerk im Ergebnis immer prävalieren muss. Dies wird in vielen Fällen nun schon über eine restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Fall sein. Allerdings ist dabei eine vermeintlich allgemein gültige tatbestandliche Restriktion bei Einhaltung typischer Genregrenzen mangels Praktikabilität und wegen des Verstoßes gegen das im zweiten Teil Postulierte abzulehnen. Vielmehr sind fragliche Werke, die ohne Verstoß gegen die Wortlautgrenze nicht mehr als nicht verherrlichend oder nicht verharmlosend subsumiert werden können, auf Rechtswidrigkeitsebene straffrei zu stellen, wo der Kunstfreiheit dann eben kein Verfassungsrechtsgut entgegensteht.39 7. Zu § 130 StGB – Volksverhetzung In § 130 Abs. 7 StGB findet sich zum ersten Mal in der vorliegenden Arbeit eine der im zweiten Teil exemplarisch genannten kodifizierten Ausschlussklauseln, wenn § 86 Abs. 3 StGB als auf § 130 Abs. 2, 3, 4 StGB anwendbar erklärt wird. Allerdings läuft diese Klausel im Kontext des § 130 StGB weitgehend leer: Bei fehlender Identifizierung mit der volksverhetzenden Ideologie verbietet schon die nötige Interpretation der jeweiligen Aussage in ihrem Gesamtkontext eine Bejahung der Tatbestandsmerkmale des § 131 StGB; bei tatsächlicher Identifizierung mit der volksverhetzenden Aussage ist hingegen die Ausschlussklausel gar nicht erfüllt, weil es am Merkmal des Dienens fehlt.40 Die Friedensklausel, die sich in unterschiedlicher konkreter Ausgestaltung in Abs. 1, 3 und 4 findet, ist bei einer ansonsten tatbestandlichen Äußerung indiziert, da eine solche regelmäßig auf ein aufnahmebereites Publikum trifft und so mit einem Absenken der Schwelle zur Gewaltbereitschaft zu rechnen ist; weiterhin und gerade auch im Unterschied zu § 131 StGB ist es zumeist gar die Intention des Volksverhetzers, beeinflussend auf den Rezipienten einzuwirken.41 Allgemein steht hinter § 130 StGB wiederum vor allem der öffentliche Frieden, sowie allein in der speziellen Tathandlung des § 130 Abs. 2 Nr. 1c) StGB der Jugendschutz. Hinzu kommt die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG, die aber von § 130 StGB anders als zumeist bei § 131 StGB nicht lediglich als abstrakter Rechtswert, sondern vielmehr als tatsächlich individuelles Grundrecht geschützt wird. In Abs. 1 und 2 geht es dabei um die individuelle Würde der Menschen, die konkret herabgewürdigt werden oder gegen die zu Hass, Gewalt- und Willkürmaßnahmen aufgerufen wird; in Abs. 3 und 4 ist vor allem die individuelle (teilweise postmortale) Menschenwürde der Opfer des Nationalsozialismus bzw. die der heute lebenden entsprechenden Teile der Bevölkerung geschützt.42 39 40 41 42

Siehe zum gesamten Absatz S. 221 ff. Siehe zum gesamten Absatz S. 255 ff. Siehe S. 244 ff. Siehe zum gesamten Absatz S. 240 ff.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

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Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 können dabei bereits tatbestandlich nur bejaht werden, wenn die Äußerung die Menschenwürde verletzt; dann kann die Kunstfreiheit auch auf Rechtswidrigkeitsebene nicht mehr für Straffreiheit sorgen.43 In den anderen Tatmodalitäten des § 130 StGB ist im Rahmen einer potentiellen Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu klären, ob die jeweilige Äußerung wirklich von derartiger Intensität ist, dass damit zugleich die Menschenwürde der Angegriffenen verletzt wird. Wenn ja, wie es regelmäßig aufgrund der bereits relativ hohen tatbestandlichen Voraussetzungen der Fall sein wird, tritt die Kunstfreiheit hinter der individuellen Menschenwürde zurück. Wenn nein, steht der Kunstfreiheit nur der öffentliche Frieden entgegen, sodass diese im Ergebnis überwiegen muss. Dies kann bspw. bei einer Aufforderung zu rein wirtschaftlichen Willkürmaßnahmen oder einer „bloßen“ Verharmlosung oder einfachen Leugnung des Holocaust der Fall sein, weil so gerade nicht das Lebensrecht der Opfer aberkannt oder die NS-Ideologie gebilligt wird. Ein sicher rechtspolitisch wünschenswertes strengeres Ergebnis im Rahmen des § 130 StGB unter Außerachtlassung der vorgenommenen Rechtsgüterbetrachtung wäre inkonsequent und mit dem hier vertretenen methodischen Ansatz nicht zu vereinbaren.44 8. Zu § 86a StGB – Verwendung von Kennzeichen … Auch wenn hinter § 86a StGB der Schutz des politischen Friedens gesehen wird, vermag eine so formulierte Variante des öffentlichen Friedens mangels Verfassungsranges die Kunstfreiheit nicht einzuschränken. Weiteres Schutzgut dieses Tatbestandes ist zwar der Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung. Jedoch genügt zur Einschränkung der Kunstfreiheit gerade kein formelhaftes Zurückziehen auf einen abstrakten „Verfassungsschutz“. § 86a StGB ist allerdings im Speziellen Durchsetzung und Abrundung des Vereinigungs- bzw. Parteiverbotes nach Art. 9 Abs. 2 GG bzw. Art. 21 Abs. 2 GG. Denn nur wenn auch die Verbreitung der identitätsstiftenden und propagandistischen Symbolik der jeweiligen Gruppierung pönalisiert ist, kann das Verbotskonzept seine volle Wirkung entfalten; anderenfalls könnte der Eindruck der Fortexistenz dieser Gruppierungen erweckt werden oder gar deren Wiederbelebung begünstigt werden.45 Laut § 86a Abs. 3 StGB gilt die kodifizierte Ausschlussklausel des § 86 Abs. 3 StGB auch hier. Ein Dienen liegt dabei vor, wenn das Propagandazeichen im Rahmen einer ideologisch anders gerichteten Kunst genutzt wird, hingegen nicht, wenn die Kunst selbst diese Propaganda betreibt oder einen Deckmantel für diese darstellt. Zu entscheiden ist dies nach einer Gesamtbetrachtung der jeweiligen Handlung in ihrem Kontext anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung von Sinn und verfolgter Zwecksetzung des Werkes, wobei eine er43 44 45

Siehe S. 248 f., S. 254, S. 258. Siehe zum gesamten Absatz S. 259 ff. Siehe zum gesamten Absatz S. 266 ff.

302

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

kennbare Distanz der Einstellung des Täters zum tatbestandlichen Gedankengut ein wichtiges Indiz für die Bejahung des Dienens ist. Anders als bei § 130 StGB kommt der Klausel dabei hier auch eine eigenständige Bedeutung zu, da das Tathandlungsmerkmal Verwenden seinem Wortsinn nach nicht je nach Intention anders ausgelegt werden kann, sondern sowohl bei affirmativer als auch kritischer Benutzung vorliegt.46 Liegt sodann ein Dienen vor, ist der Tatbestand immer ohne weitere Abwägung ausgeschlossen, da in diesem Falle der Kunstfreiheit kein Verfassungsrechtsgut entgegensteht. Das Schutzgut des Bestandes der Bundesrepublik und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung ist schließlich in seiner verfassungsrechtlich verankerten Dimension der notwendigen Abrundung von Art. 9 Abs. 2 GG bzw. Art. 21 Abs. 2 GG nur dann beeinträchtigt, wenn eine tatsächliche Identifizierung mit der hinter dem jeweiligen Symbol stehenden Ideologie vorliegt. Ein Abwägen im Kontext der Kunst zu verlangen wäre somit nicht nur ein Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, da die Klausel eindeutig von der Rechtsfolge „gilt nicht“ spricht, sondern auch müßig, da es eben gar kein konkret entgegenstehendes Verfassungsrechtsgut gibt, gegen das die Kunstfreiheit abgewogen werden könnte.47 Da somit eine Möglichkeit der Berücksichtigung der Kunstfreiheit im Rahmen des § 86a StGB vom Gesetzgeber explizit kodifiziert wurde, verbietet sich – zumindest im Kontext der Kunstfreiheit – die vom BGH entwickelte Tatbestandseinschränkung bei fehlender Verletzung des Schutzzwecks. Schließlich stellt diese als teleologische Reduktion des Tatbestands eine Form der Rechtsfortbildung dar, die nach dem im zweiten Teil Postulierten streng subsidiär gegenüber einer kodifizierten Klausel ist, da ansonsten ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung und den Vorrang des Gesetzes vorliegt.48 Auf Rechtswidrigkeitsebene kommt deshalb auch eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nur noch subsidiär in Betracht, wenn die kodifizierte Ausschlussklausel einmal nicht einschlägig ist, weil das Dienen mangels erkennbarer Distanz zur Ideologie nicht bejaht werden kann. Aber nur, wenn gleichzeitig auch keine eindeutige Identifikation mit der Ideologie vorliegt, kann die Kunstfreiheit im Ergebnis prävalieren. In letzterem Fall stünde schließlich das Verfassungsrechtsgut des Bestandes der Bundesrepublik und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung im konkreten Ausfluss der Abrundung des Schutzes aus Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG der Kunstfreiheit entgegen. Eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG kommt mithin nur noch in äußerst seltenen Fällen in Betracht, bei denen mit der Symbolik lediglich kokettiert wird, ohne dabei die jeweilige Ideologie zu vertreten, aber auch ohne sich erkennbar von dieser zu distanzieren.49 46 47 48 49

Siehe zum gesamten Absatz S. 271 f. Siehe zum gesamten Absatz S. 273 f. und S. 267 f. Siehe zum gesamten Absatz S. 270. Siehe zum gesamten Absatz S. 274.

A. Zusammenfassung und Stellungnahmen

303

9. Zu § 90a StGB – Verunglimpfung des Staates … Auch im Kontext des § 90a StGB kann ein wenngleich etwas anders formulierter öffentlicher Frieden mangels Verfassungsranges desselben einen Eingriff in die Kunstfreiheit nicht rechtfertigen. Ebenso wenig vermag dies der Rekurs auf den Schutz des Bestandes der Bundesrepublik und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung. Schließlich genügt gerade auch nach der Diktion des BVerfG eine formelhafte Nennung allgemeiner Ziele wie dem „Schutz der Verfassung“ nicht zur Einschränkung der Kunstfreiheit, vielmehr kommt es auf die konkrete Grundgesetzbestimmung an.50 Für den thematischen Kontext des § 90a StGB findet sich aber keinerlei konkrete verfassungsrechtliche Normierung – anders als noch die Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 21 Abs. 2 GG im Rahmen des § 86a StGB. Auch Art. 18 GG ist nicht anwendbar. Die Existenz dieser konkreten Verfassungsschutznormen entfaltet nun eine Sperrwirkung für ein darüberhinausgehendes Abstellen auf dieses Rechtsgut. Selbst wenn man dennoch eine Beschränkung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG durch den Verweis auf den Schutz des Bestandes der Bundesrepublik und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung grundsätzlich genügen ließe, ist in der heutigen Zeit nicht denkbar, dass ein „bloßes“ Kunstwerk die nach neuerer Rechtsprechung51 geforderte mittelbare Eignung zur Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik darstellt.52 Noch weiter ins Vorfeld gerückt genügt auch nicht der Schutz staatlicher Symbole zur Einschränkung der Kunstfreiheit. Die Nationalhymne und das Wappen der Bundesrepublik sind nicht einmal einfachgesetzlich kodifiziert. Die Erwähnung der Farben der Bundesflagge in Art. 22 Abs. 2 GG ist rein technischer Natur und keine positivierte Schutzentscheidung für die Unantastbarkeit der Bundesflagge. Ein um noch eine weitere Stufe vorgerückter allgemeiner Ehrschutz des Staates kommt überdies erst recht nicht in Betracht.53 Damit steht der Kunstfreiheit im Rahmen des § 90a StGB nie ein Verfassungsrechtsgut entgegen, das diese einzuschränken vermag. Die Kunst muss gegenüber diesem anachronistischen Paragraphen, der de lege ferenda abgeschafft54 werden sollte, immer prävalieren.

50

Vgl. erneut BVerfGE 77, 240 (255) (Herrnburger Bericht); 81, 278 (293) (Bundesflagge). Vgl. erneut BVerfG, NJW 2012, S. 1273 und BGH, NStZ 2012, S. 564. 52 Siehe zum gesamten Absatz S. 277 ff. 53 Siehe zum gesamten Absatz S. 278 f. 54 Vgl. erneut ebenfalls für eine Abschaffung: Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 266; Grünwald, KJ 1979, S. 296 f.; Krutzki, KJ 1980, S. 314; Bemmann, Meinungsfreiheit und Strafe, S. 19; Last, Staatsverunglimpfungsdelikte, S. 237 (bzgl. Abs. 1 Nr. 2); Deiters, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 317 ff. und zuletzt Vormbaum, GA 2016, S. 617 ff. Kritisch auch Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 90a, Rn. 2. 51

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10. Zu §§ 111, 126, 140 StGB55 Die restlichen Tatbestände sind im Rahmen der Kunst nicht relevant. Sollte sich dennoch einmal ein Konflikt ergeben, so ist genau wie im zweiten Teil postuliert und anhand der vorgenannten Tatbestände aufgezeigt vorzugehen: Zunächst erfüllen viele Werke schon bei einer engen (verfassungskonformen) Auslegung nicht den jeweiligen Tatbestand, insbesondere weil sie durch Interpretation unter Berücksichtigung ihres Kontextes als nicht im geäußerten Wortsinn ernstlich gemeint aufzufassen sind. Subsidiär ist hernach auch hier auf eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG direkt zu rekurrieren. Dabei ist besonders Acht zu geben, ob hinter dem jeweiligen Tatbestand wirklich ein Rechtsgut von Verfassungsrang steht, das der Kunstfreiheit im Einzelfall konkret entgegenstehen kann. Wenn ja, ist zwischen diesen Positionen praktische Konkordanz herzustellen, sodass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG je nach Einzelfall unmittelbar rechtfertigend wirken kann oder nicht. Wenn nicht, muss die Kunstfreiheit immer prävalieren.

B. Würdigung des Tenors der Arbeit Wie weit reicht nun die Freiheit eines Künstlers? Was darf er? Wo sind seinem künstlerischen Schaffen Grenzen gesetzt? Nach der Lektüre dieser Arbeit scheint es wohl so, als sei ihm wirklich extrem viel, im Kontext einiger Tatbestände gar ohne jegliche Einschränkungen schlicht alles erlaubt. Dieser ein wenig verzerrte Eindruck entsteht jedoch vor allem aufgrund der Auswahl der hier behandelten Tatbestände. Wenn hinter diesen eben oft nur fragliche und unbestimmte Kollektiv- oder gar Scheinrechtsgüter in Gestalt formelhafter Phrasen stehen, darf ein Überwiegen der vorbehaltlosen Kunstfreiheit nicht verwundern. So steht schließlich die grundlegende Legitimation einiger dieser Tatbestände gerade deshalb in Frage, weil sich kaum ein belastbares Schutzgut findet. Wie gezeigt schützen diese Tatbestände dann natürlich erst recht kein valides Rechtsgut von tatsächlichem Verfassungsrang, durch das Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich zulässigerweise eingeschränkt werden könnte. Dieser Blickwinkel sollte den bezüglich § 166 StGB oder § 90a StGB getroffenenen Aussagen kompletter Strafbefreiung von Kunst den Beiklang der Ungeheuerlichkeit nehmen. Schließlich könnten diese Tatbestände genauso gut nicht existent sein, ohne dass dadurch das Strafrecht eine Lücke aufwiese. Die Strafbefreiung durch die Kunstfreiheit führt also nur zurück zum Urzustand bevor dem so strittigen wie schwerwiegenden staatlichen Eingriff, der aufgrund der Schärfe des Schwertes „strafrechtliche Ahndung“ doch eigentlich möglichst spärlich eingesetzte und sorgfältigst begründete ultima ratio sein sollte. 55

Siehe insgesamt S. 282 ff.

B. Würdigung des Tenors der Arbeit

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Ganz anders sieht das natürlich bei einer Vielzahl anderer, von der vorliegenden Arbeit nicht behandelter Kerntatbestände des StGB aus: Bei einer Beleidigung nach §§ 185 ff. StGB, einer Nötigung nach § 240 StGB oder gar einer Körperverletzung nach §§ 223 ff. StGB stünden der Kunstfreiheit natürlich unstreitig echte und im Einzelfall konkret betroffene Individualrechtsgüter von Verfassungsrang entgegen, hinter denen Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG dann je nach Einzelfall natürlich zurückstehen muss. Gezeigt hat dies im Kontext dieser Arbeit bspw. § 130 StGB, wenn hinter diesem die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG als konkretes Individualrechtsgut derjenigen, denen das Lebensrecht abgesprochen wird, steht. Dadurch erfährt die Kunst im Kontext dieser Tatbestände weitaus öfter Beschränkungen, als es bei den anderen hier behandelten Tatbeständen wie insbesondere auch § 131 StGB der Fall ist, hinter dem die Menschenwürde eben nicht als konkretes Individualrechtsgut, sondern als lediglich abstrakte, moraloktroyierende Wertewolke schwebt. Insgesamt ist insofern auch mit Blick auf das gesamte StGB nicht zu befürchten, dass die mit dieser Arbeit verfochtene Liberalität in Libertinage56 umschlagen könnte. Gleichwohl wirkt es so, also trauten sich gerade aufgrund einer solchen Befürchtung viele Stimmen nicht, im Kontext der Kunstfreiheit eine konkrete tatbestandsspezifische Betrachtung vorzunehmen und sich hernach auf ein daraus resultierendes verbindliches Ergebnis festzulegen. Stattdessen wird die MephistoRechtsprechung57 teilweise mehr oder weniger unreflektiert heruntergebetet und am Ende festgestellt, dass demnach zumindest im Falle der entgegenstehenden Menschenwürde die Kunstfreiheit immer zurücktreten müsse; selbst bei Tatbeständen, die nichts mit dem tatsächlichen Schutz der Menschenwürde zu tun haben. Damit wird letztlich die konsequente Prüfung des konkreten Tatbestandes und seiner jeweiligen Schutzgüter umgangen. Statt sich auf ein konkretes Ergebnis festzulegen, wird scheinbar salomonisch, jedoch dogmatisch fragwürdig die Hintertür offengelassen, etwaig unliebsame Einzelfälle irgendwie doch noch unter Verweis auf die Menschenwürde pönalisieren zu können. Zudem wird oft der angebliche Verfassungsrang des öffentlichen Friedens ohne tiefere Ausführungen und Begründungen behauptet und so eine Einschränkbarkeit der Kunstfreiheit für grundsätzlich immer möglich gehalten. Dementgegen hat die hier vertretene Lösung aus der vorgenommenen Untersuchung der konkreten Rechtsgüter und deren Verfassungsranges auch strikt die Konsequenzen gezogen: Dass die Kunstfreiheit eben gegenüber bestimmten Tatbeständen oder Varianten immer prävalieren muss, wenn hinter diesen schlicht kein Verfassungsrechtsgut steht, das durch sie beeinträchtigt sein könnte. Abstrakt betrachtet zeigt sich am bearbeiteten Thema genau an den Stellen, die zu Friktionen führen können, das Grunddilemma der Rechtswissenschaften: So bildet bspw. die losgelöst von gesellschaftlichen Implikationen existierende Mathematik ein geschlossenes, in sich konsistentes System, sodass Ergebnisse nach ihrer logi56 So allgemein die Befürchtungen bei Beisel, Kunst, S. 8 bzgl. der Weite der Kunstfreiheit in Anlehnung an Sendler, NJW 1993, S. 2158. 57 Vgl. erneut: BVerfGE 30, 173 (193 f.) (Mephisto).

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schen Kohärenz als richtig oder falsch gewertet werden können. Antithetisch dazu beruht die Kunst gänzlich frei vom Verdikt „richtig oder falsch“ auf dem offenen und inkonsistenten System der Emotionen und lebt von der Interdependenz zur Gesellschaft und dem rezipierenden Individuum. Quasi in der undankbaren und für die Ergebnisfindung und -begründung komplizierten Mitte steht nun die Rechtswissenschaft. Sie versucht sich auf einem konsistenten und geschlossenen System der Dogmatik logisch kohärent aufzubauen, darf dies aber gerade nicht zum Selbstzweck erheben, sondern muss sich gleichzeitig den Implikationen der Gesellschaft stellen. Streng dogmatischen, logisch konsistenten Lösungen kann so der Vorwurf der Lebensfremdheit entgegengesetzt werden; von der gesellschaftlichen Realität geprägte Lösungen können dagegen den Vorwurf des dogmatischen Systembruchs zu hören bekommen. An welcher Stelle man sich für welchen Weg entscheidet, ist eine schwierige Frage. Sie ist letztlich der Grund dafür, dass in der Rechtswissenschaft kaum etwas unstrittig ist und wohl stets der Satz gelten wird: „Es kommt darauf an.“

C. Ausblick Zwar mag es durchaus möglich sein, dass in Zukunft eine Entwicklung aufkommt, aufgrund derer ein weiter Kunstbegriff bei gleichzeitiger Vorbehaltlosigkeit der Kunstfreiheit nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Zurzeit findet sich dazu allerdings kein Anlass. Gleichwohl wird sich der Konfliktbereich „Kunst und Strafrecht“ nicht einfach auflösen. § 130 StGB ist aktueller denn je – nicht zuletzt durch Internet-Phänomene wie Hatespeech in Gestalt volksverhetzender „Memes“, bei denen eine Einordnung als moderne Kunstform durchaus angedacht werden könnte. Neben § 130 StGB wird § 166 StGB ein Problem bleiben, solange sich im Bereich der Religionen nicht ein aufgeklärteres Selbst- wie auch toleranteres Fremdverständnis einstellt. Bezüglich § 131 StGB ist nicht anzunehmen, dass plötzlich keine mit diesem konfligierende Spielfilme mehr produziert werden. Vielmehr finden sich immer wieder Fälle wie behandelter „A Serbian Film“ oder auch Pascal Laugiers „Martyrs“ (2008), die bewusst die Grenzen des Zeigbaren ausloten. Interessant bleibt zudem, wie sich die Zukunft des Bereiches Kunst und Gewalt im Kontext von Virtual Reality entwickeln wird. Am Ende möchte ich mich der zeitlosen Inschrift auf der Fassade des Gebäudes der Wiener Secession rund um Gustav Klimt anschließen: „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.“

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Stichwortverzeichnis Allgemeine Handlungsfreiheit 37, 60, 65, 69 f., 117, 119, 125 f., 130, 133, 144, 214, 291 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 54, 73, 175 Analogie – allgemein 90, 96, 111, 113, 130, 139, 141, 292 siehe auch Rechtsfortbildung – analoge Anwendung strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe 90 ff., 96, 133, 138 ff., 141, 143 f., 193 f., 292 – strafrechtliches Analogieverbot 90, 116, 126, 273 Auschwitz-Lüge 247, 249, 252, 261, 262 Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 StGB 149 f., 163 f., 286, 304 Berufsfreiheit 61 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, § 166 StGB 42 ff., 150, 157, 163 f., 171 ff., 287, 296 ff. Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung 267 ff., 277 f., 301, 303 Eigentumsfreiheit 56 f., 61, 70, 158, 175, 199, 209 Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens siehe Öffentlicher Frieden Eingriff siehe Kunstfreiheit Gebot der Einheit der Rechtsordnung 65, 71, 97 f., 108, 110, 111, 132, 141, 291 Gemeinschaftsvorbehalt 66 f., 70, 75 Gewaltdarstellung, § 131 StGB 42 ff., 165, 210 ff., 287, 298 ff. Gewaltenteilungsprinzip 95, 112, 115, 120 ff., 131 f., 144, 270, 291, 302 Grundrechtskonkurrenz 61 f.

Informationsfreiheit

60

Jugendschutz 214 f., 218, 226 f., 229, 232, 236 ff., 243, 258, 264, 298 f. Kodifizierte Ausschlussklauseln – allgemein 82 f., 96, 106, 123, 126, 128, 130 ff., 134 f., 137 f., 144, 218, 292, 300 ff. – in § 86 Abs. 3 StGB 82, 134 f., 137, 255 f., 270 ff., 287, 292, 300 ff. Konkrete Normenkontrolle 98 ff., 108, 117 ff. Kunstbegriff – ästhetischer Kunstbegriff 40 ff. – Definitionsgebot 39 – Definitionsverbot 36 ff. – ethischer Kunstbegriff 42 ff., 174, 230, 299 – formaler Kunstbegriff 46 f., 49, 51 f., 62, 78, 198, 208, 230, 240, 249, 255, 273, 288 f. – materialer Kunstbegriff 47, 52, 62, 78, 199, 208, 230, 273, 288 f. – qualitativer Kunstbegriff 44 f. – strafrechtlicher Kunstbegriff 35 – zeichentheoretischer Kunstbegriff 48 ff., 52, 62, 78, 230, 208, 288 f. Kunstfreiheit – Eingriff 62 ff., 289 – Kunstbegriff siehe dort – persönlicher Schutzbereich 58 ff., 79 – Rechtfertigung 65 ff., 289 f., 306 – Schutzbereich 33 ff., 58 ff., 79, 142, 143, 158, 163, 170, 293 – Schutzbereichsausnahme 57 f. – Schutzgewährleistungen 52 ff., 79 Meinungsfreiheit 29 f., 57, 61 f., 67 f., 93 f., 96, 104, 144, 150, 208, 244, 271

Stichwortverzeichnis Menschenwürde – als Individualgrundrecht 54, 57, 65, 175, 216 ff., 227, 229, 241 ff., 248 ff., 254, 258 ff., 287, 289, 299, 300 f., 305 – die abstrakte Würde des Menschen als Gattungswesen 217 f., 221, 227 f., 230 f., 241 f., 243, 298 f., 305 Normative Wertungsklausel siehe öffentlicher Frieden Notstand 86 ff., 93, 130, 138 f., 143 f., 292 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB 165, 282 ff., 304 Öffentlicher Frieden – als normative Wertungsklausel 167 ff., 185, 191, 244 ff., 287, 295 f. – als Schutzgut von § 86a 267, 301 – als Schutzgut von § 90a 276, 303 – als Schutzgut von § 111 282 – als Schutzgut von § 126 285 – als Schutzgut von § 130 241, 300 – als Schutzgut von § 131 212 f., 298 – als Schutzgut von § 140 286 – als Schutzgut von § 166 173, 296 – als Schutzgut von § 167 196 – Definition 147 ff., 185 ff. – Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens 164, 185 ff., 192 f., 244, 253, 295 – Rechtsgutqualität 152, 293 f. – Störung des öffentlichen Friedens 164, 244 ff., 295 – Verfassungsrang 147, 158 ff., 170, 173, 194, 214, 218, 237, 267, 273, 282, 286, 295, 303 Presse-/Rundfunk-/Filmfreiheit

59 f.

Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 153, 158, 175, 284 Rechtfertigende Pflichtenkollision 94 Rechtfertigung – Gemeinschaftsvorbehalt siehe dort – Notstand siehe dort – Rechtfertigende Pflichtenkollision siehe dort

347

– Schranke kollidierenden Verfassungsrechts siehe dort – Schrankenübertragung siehe dort – unmittelbare Anwendung der Grundrechte siehe dort – von Eingriffen in die Kunstfreiheit siehe Kunstfreiheit – von strafrechtlich tatbestandlichem Verhalten 85 ff., 103 f., 107 ff., 119, 123, 125, 127 f., 132 f., 140 f., 178, 194 f., 202, 205 ff., 229, 258 ff., 264, 274, 284, 287, 292, 298, 301 f., 306 – Wahrnehmung berechtigter Interessen siehe dort Rechtsfortbildung – Abgrenzung zur Auslegung 110 ff., 127, 290 – allgemein 110 f., 113, 130 f., 270, 290 – Analogie siehe dort – Teleologische Reduktion siehe dort – Verfassungskonforme Rechtsfortbildung siehe dort Rechtsgutqualität siehe öffentlicher Frieden Rechtsstaatsprinzip 75, 161, 289 Religionsfreiheit 65, 172 f., 194, 196, 205 ff., 296, 298 Schranke kollidierendes Verfassungsrecht 70 ff., 142 f., 159, 289 f., 306 Schrankenübertragung 67 ff. Schutz staatlicher Symbole 278 f., 303 Schutzbereich – allgemein 80, 132, 291 – der Kunstfreiheit siehe Kunstfreiheit Staatlicher Ehrschutz 279 f., 303 Störung der Religionsausübung, § 167 StGB 28, 63, 165, 196 ff., 298 Störung des öffentlichen Friedens siehe öffentlicher Frieden Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 StGB 148 f., 163 f., 285, 304 Subsidiarität siehe unmittelbare Anwendung der Grundrechte Teleologische Reduktion 111 ff., 119 f., 130 ff., 225, 270, 290, 302

348

Stichwortverzeichnis

Unmittelbare Anwendung der Grundrechte – allgemein 97 ff., 107, 132 f., 291 – als verfassungskonforme Rechtsfortbildung siehe Rechtsfortbildung – Anerkennung 103 – im Rahmen von § 86a 274 – im Rahmen von § 90a 281 – im Rahmen von § 111 284 – im Rahmen von § 126 285 – im Rahmen von § 130 258 ff. – im Rahmen von § 131 237 f. – im Rahmen von § 140 286 – im Rahmen von § 166 194 – im Rahmen von § 167 205 ff. – Notwendigkeit 97 ff. – Rechtswidrigkeitsebene 107, 141, 291 – Schuldebene 108 – Subsidiarität 123 f., 126, 132, 142, 194, 205, 287, 291 f., 297 f., 302, 304 – Tatbestandsebene 105, 136 – Voraussetzungen 132, 142, 291 ff. Verfassungskonforme Auslegung – Abgrenzung zur Rechtsfortbildung 110 f., 127, 290 – allgemein 83, 126, 135, 178, 287, 292, 297, 298, 304 – im Rahmen von § 86a 273 – im Rahmen von § 90a 281 – im Rahmen von § 111 284, 304 – im Rahmen von § 126 304 – im Rahmen von § 130 245 f., 257 f. – im Rahmen von § 131 218, 222, 225, 227, 237 – im Rahmen von § 140 304 – im Rahmen von § 166 178, 185, 191, 297 – im Rahmen von § 167 191, 201, 203 f., 209, 298 – Wortlautgrenze siehe dort Verfassungskonforme Rechtsfortbildung 111 ff., 126 f., 133, 135 f., 139, 142, 287, 290 siehe auch Rechtsfortbildung

Verfassungsrang – allgemein 70 ff., 138 f., 142 f., 147, 158 ff., 171, 281, 293 – des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsgemäßen Ordnung 267 f., 303 – des Jugendschutzes 214 f., 218 – des öffentlichen Friedens siehe dort – des Schutzes staatlicher Symbole 278 f., 303 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 72, 74, 81, 86, 92, 95, 99, 101, 132, 174, 290 f. Versammlungsfreiheit 65 Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, 90a StGB 165, 275 ff., 303 Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, § 86a StGB 134, 165, 251, 257, 265 ff., 277, 287, 301 f. Volksverhetzung, § 130 StGB 134, 149 ff., 163 ff., 169, 173, 175, 195, 217, 233, 239 ff., 287, 300 f. Vorbehalt des Gesetzes 74, 126 Vorrang des Gesetzes 115, 124 ff., 131, 136, 144, 270, 291, 302 Wahrnehmung berechtigter Interessen 92 ff., 96, 123, 126, 128, 130 ff., 139 ff., 143 f., 193, 205, 292 Wechselwirkungslehre 72, 80, 103, 141 f. Wesentlichkeitstheorie 74, 126 Wortlautgrenze – allgemein 83, 111, 118, 126 f., 135, 167, 287, 290, 292, 300 – bei der Auslegung von § 90a 281 – bei der Auslegung von § 111 284 – bei der Auslegung von § 131 221, 225, 227, 237, 300 – bei der Auslegung von § 166 178, 182, 185, 194, 297 – bei der Auslegung von § 167 201 ff., 209