Korpsgeist und Staatsbewußtsein: Beamte im deutschen Südwesten 1928–1972 [Reprint 2014 ed.] 9783486829969, 9783486561975

Die Kollektivbiographie analysiert Voraussetzungen und Spielräume des Verhaltens der Juristen in den Innenverwaltungen B

229 59 12MB

German Pages 407 [408] Year 1996

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
I. Zwischen monarchischem Obrigkeitsstaat und demokratischer Republik. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930
II. Wiederherstellung oder Erosion des Berufsbeamtentums? Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat
III. Die Innenverwaltung im Herrschaftsgefüge der südwestdeutschen Provinz zwischen Kollaboration und korporativer Resistenz
IV. "Renazifizierung" oder Demokratisierung der Bürokratie? Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit
Resümee
Abkürzungen
Abbildungen
Tabellen
Quellen
Literatur
Orts-, Regionen- und Länderregister
Personenregister
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Korpsgeist und Staatsbewußtsein: Beamte im deutschen Südwesten 1928–1972 [Reprint 2014 ed.]
 9783486829969, 9783486561975

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Ruck · Korpsgeist und Staatsbewußtsein

Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland Herausgegeben von Dieter Langewiesche und Klaus Schönhoven

Band 4

R. Oldenbourg Verlag München 1996

Michael Ruck

Korpsgeist und Staatsbewußtsein Beamte im deutschen Südwesten 1928 bis 1972

R. Oldenbourg Verlag München 1996

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ruck, Michael : Korpsgeist und Staatsbewußtsein: Beamte im deutschen Südwesten 1928-1972 / Michael Ruck. - München : Oldenbourg, 1996 (Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland; Bd. 4) Zugl.: Mannheim, Univ., Habil.-Schr., 1995 ISBN 3-486-56197-9 NE: GT

© 1996 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Druck: WB-Druck, Rieden ISBN 3-486-56197-9

Inhalt

Vorwort

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Einleitung

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I. Zwischen monarchischem Obrigkeitsstaat und demokratischer Republik. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930 Schwäbischer Etatismus Ehrbare Leute "Unersetzlich" Ultramontaner Nepotismus? Stabilität im Wandel Alte Herren Rechtskonservative "Neutralität" Klubs und Stammtische Preußische Schwaben Badische Räte und Geheimräte Weimarer Verhältnisse in Karlsruhe Liberalitas badensiae Badens Verwaltungselite im Volksstaat Verschlissene Netzwerke Bilanz der Republikanisierung

27 30 34 36 37 39 49 54 58 59 63 65 66 70 75

II. Wiederherstellung oder Erosion des Berufsbeamtentums? Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat Machtübergabe in Stuttgart Württembergs Verwaltungselite auf dem Marsch ins "Dritte Reich" Widerstrebende und Zurückgestoßene NS-Revolutionäre versus NS-Etatisten Von den Sozialisten lernen? Oder: Wer verwaltet die Nationale Revolution im Schwabenland? Ein alter Kamerad kehrt zurück

85 86 90 93 99 105

6 Alte Kämpfer Zwei Kirchenleute "Machteroberung" in Baden Die "demokratische Beamtenschaft" Badens im Staat der Nationalen Revolution "Das große Reinemachen kann beginnen." Jagdszenen im Badischen Südwestdeutsche Landrätekorps Personalunionen Bahn frei den Jungen Nachwuchs Personeller Wandel - strukturelle Beharrung Unverwüstlich?

107 119 123 125 132 144 155 157 166 177 182 185

III. Die Innenverwaltung im Herrschaftsgefiige der südwestdeutschen Provinz zwischen Kollaboration und korporativer Resistenz Recht - Gesetz - Maßnahme Standesbewußte Leute Die alte Garde Die Etablierten Die Nutznießer Die junge Frontgeneration Kriegsjugendliche Die Krisengeneration

187 191 196 203 211 216 222 227

IV. Renazifizierung oder Demokratisierung der Bürokratie? Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit Rückkehr der Demokraten Nachnationalsozialistische Solidargemeinschaft Die Ehemaligen im Südweststaat

231 234 241

Resümee

257

7 Abkürzungen

267

Abbildungen

273

Tabellen

276

Quellen

315

Literatur

321

Orts-, Regionen- und Länderregister

398

Personenregister

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Vorwort

Es ist eine allfällige Erfahrung, daß auf ambitionierte Fragestellungen in kleinerer Münze ausgezahlt werden muß, als dies zu wünschen wäre. So auch bei diesem Versuch. Die Arbeit im Weinberg der wissenschaftlichen Erkenntnis ist eben ein hochgradig arbeitsteiliger Prozeß, und die Kapazitäten des Einzelnen sind - mehr oder minder - limitiert. Vor allem während der Schlußphase der Niederschrift habe ich das immer öfter zur Kenntnis nehmen müssen. Trotzdem ist es mir hoffentlich gelungen, zumindest in Umrissen ein plastisches Bild von der Rolle zu zeichnen, welche die südwestdeutsche Innenverwaltung als Institution und ihre einzelnen Angehörigen im Vorfeld, unter der Ägide und nach dem Zusammenbruch der NSHerrschaft gespielt haben. Möglich geworden ist mir dies durch die Hilfe und Unterstützung einer Vielzahl von Personen und Institutionen. Nur einigen wenigen kann hier stellvertretend gedankt werden. Professor Klaus Schönhoven hat seinem Mitarbeiter über Jahre hinweg alle nur denkbaren Freiheiten gelassen. Herr Peter Spear M.A. hat mir unermüdlich bei der Literaturbeschaffung geholfen. Die Damen und Herren der Universitätsbibliothek Mannheim, insbesondere der Fernleihestelle, haben alle meine Anliegen mit stets freundlicher Geduld erledigt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der baden-württembergischen Staatsarchive, des früheren Berlin Document Center sowie vieler Dutzend anderer Archive und Bibliotheken haben meine Anfragen durchweg umfassend beantwortet und meine Wünsche auch vor Ort in großzügigster Weise erfüllt. In einer Reihe von Fällen wurde mir sogar Einsicht in einschlägiges Registraturgut gewährt. Gerne erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an manch intensives Gespräch mit Herrn Dr. Roland Müller, seinerzeit Benutzungsreferent des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. In seinem Hause wie im Generallandesarchiv Karlsruhe habe ich jeweils über Monate hinweg Tag für Tag besonders große Mengen - häufig schwer zu ermittelnder - Archivalien durchgearbeitet. Ohne die große Aufgeschlossenheit und die wohltuend unbürokratische Kooperationsbereitschaft aller dort tätigen Damen und Herren wäre das ganz unmöglich gewesen. Gleiches gilt für die finanzielle Unterstützung, welche mir im Rahmen des Forschungsprojekts "Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südwestdeutschland 1933-1945" der Volkswagenstiftung für Archivreisen, Hilfskräfte und ein lehrfreies Semester zuteil geworden ist.1 Die Universitätsverwaltung

Das Projekt erforschte von 1989 bis 1994 unter der Leitung der Professoren Dieter Langewiesche, Klaus Schönhoven und Hermann Weber am Historischen Seminar der Universität Tübingen und an der Lehreinheit für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte der Mannheimer Fakultät für Sozialwissenschaften das Verhalten der Beamtenschaft (Mannheim) und der mittelständischen Unternehmer (Tübingen) während der NS-Zeit in

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Vorwort

Mannheim hat durch die Bereitstellung sachlicher Ressourcen ebenfalls wesentlich zum Gelingen meines Vorhabens beigetragen. Frau Marlene Alle und Herrn Dr. Christian Mehlbeck von der EDV-Abteilung des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialwissenschaften (MZES) haben mir mancherlei unverzichtbare Hilfestellung geleistet. Die technische Erstellung der Satzvorlage dieses Buches wurde mir durch eine Zuwendung der Mannheimer Hermann-Weber-Stiftung erleichtert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Drucklegung mit einem namhaften Zuschuß gefördert. Der Oldenbourg Verlag und sein Lektor Christian Kreuzer haben das Publikationsvorhaben - wie gewohnt - professionell betreut. Im Frühjahr 1991 habe ich mit den Materialrecherchen für dieses Projekt begonnen, im Juli 1994 wurde das - im Herbst 1995 ergänzte und nun nochmals durchgesehene - Manuskript abgeschlossen. Im Wintersemester 1994/95 haben es die Vereinigten Konvente der Fakultäten für Sozialwissenschaften und für Geschichte und Geographie der Universität Mannheim als Habilitationsschrift angenommen. Parallel dazu konnte ich unter anderem mein wissenschaftliches Steckenpferd, eine umfassende NS-Bibliographie, voranbringen und in den Druck geben.2 Ermöglicht hat mir dies alles trotz eigener beruflicher Belastungen meine Frau, Dr. Barbara Langlet-Ruck - nicht zuletzt auch dadurch, daß sie Mal um Mal den berechtigten Unmut unserer Töchter Inga und Svenja zu dämpfen wußte.

Maxdorf (Pfalz), im Juni 1996

Michael Ruck

Baden, Württemberg und den Hohenzollernscben Landen; vgl. als Zwischenbilanz RauhKühne/Ruck 1993. Bibliographie zum Nationalsozialismus, Köln (Bund-Verlag) 199S.

Einleitung

"Ich habe noch unter der Monarchie meine Ausbildung gehabt, dann unter der Weimarer Republik mein Amt geführt, und 1933 kam ich in das 3. Reich, einfach als Berufsbeamter. " "Der Korpsgeist hat alles überstanden. "1

"Die deutsche Frage ist die Frage nach den Hemmnissen der liberalen Demokratie in Deutschland." Ralf Dahrendorfs Wort hat nach drei Jahrzehnten ebensowenig an Aktualität eingebüßt wie seine Fragen: "Warum hat das Prinzip der liberalen Demokratie in Deutschland so wenig Freunde gefunden?" - "Unter welchen sozialen Voraussetzungen kann sich das liberale Prinzip in einem Lande durchsetzen."2 Seine Antwort 1965: Die deutschen Macht- und Funktionseliten hätten ihren Schliff überwiegend an juristischen Fakultäten erhalten - und "Untersuchungen der Sozialbiographie deutscher Juristen" ergäben nun einmal "regelmäßig ein Profil des Konservatismus und Traditionalismus, das die Ansprüche ihrer Rollen weit überschreitet [...]: eine relativ enge und unpolitische Auffassung der eigenen Rolle in der Gesellschaft [...] und eine Sicht der Politik, die geprägt ist von impliziten elitären Vorstellungen, von der Betonung legaler Korrektheit und verwaltungsmäßiger Ordnung und vom Rest eines Glaubens an objektiv 'richtige' politische Lösungen."3 Diese Mentalität halte die "gefährliche Möglichkeit illiberaler Strukturen" virulent, und (auch) in dieser Hinsicht ziehe sich ein augenfälliger Kontinuitätsstrang vom wilhelminischen Kaiserreich bis in die frühe Bundes-

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Erstes Zitat·. Helmuth Maier (1892-1976), bis 1945 württembergischer LR in Nürtingen, am 7.4.1948 vor der Spruchkammer Nürtingen (STAL, EL 902/17, Az. 34/1/8828, Bl. 54-58). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines württ. Oberamtmanns, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Normanni», siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.105); ferner die Kurzbiogr. von Christoph Drüppel, in: Amtsvorsteher 1996. Zweites Zitat: Dr. Helmut Hillengaß (Heidelberg) in einem Schreiben an den Verfasser v. 17.2.1993. Zur Person siehe Kap. I, mit Anm. 223 u. Kap. Π, mit Anm. 240. Dahrendorf 1965, 39, 17, 39. Dahrendorf 1965, 271. In diesem Sinne hatte der vormalige badische Ministerialrat Ernst Walz, 1946-1953 Vorsitzender des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofs, bereits Ende 1950 die Reformvorschläge Arnold Brechts (vgl. unten, Anm. 20) zustimmend kommentiert: "Der eigentliche Kern der Vorwürfe gegen die Juristen, gegen das Juristenprivileg oder das Juristenmonopol ist doch der, daß eine derart juristenbeherrschte Verwaltung, die zu einer entsprechenden Herausstellung der Juristen auch bei den anderen Faktoren des öffentlichen Lebens führt, fast unvermeidlich eine Denkweise, einen Verwaltungsstil zur Folge hat, der sich vorzugsweise am Gesetzesvollzug ausrichtet und andere, staatspolitisch gleich wichtige Faktorei, die Menschenbehandlung, den initiativ«] Einfall, die schöpferische Gestaltung leicht zu kurz kommen läßt." (Neues Beamtentum 1951, lOlf.; zur Person siehe unten, Kap. IV, mit Anm. 3)

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Einleitung

republik.4 Dahrendorfs Fazit: "Das wichtigste Reservoir der deutschen Elite (ist) nach Herkunft, Ausbildung, Stellung und Verhalten für die Verfassung der Freiheit nicht vorbereitet."5 Diese regionale Fallstudie zur personellen Entwicklung und zum Verhalten einer wichtigen Beamtengruppe über zwei gravierende politische Systembrüche hinweg versucht erstens einen - zwangsläufig eng begrenzten - empirischen Beitrag zu jener Debatte über die sozialen Voraussetzungen einer lebensfähigen parlamentarischen Demokratie zu liefern, welche mit Blick auf die vielfältigen Anfechtungen der pluralistischen Gesellschaft immer wieder neu zu führen ist. Zweitens hoffe ich eine Teilantwort auf die zentrale sozialgeschichtliche Frage geben zu können, ob die säkularen Prozesse des gesellschaftlichen Strukturwandels durch Interventionen der politischen Machteliten forciert, retardiert oder überhaupt tangiert werden.6 Drittens schließlich soll diese Studie beispielhaft die Verhaltensdispositionen, die Verhaltensmöglichkeiten und das tatsächliche Verhalten einer zentralen Funktionselite7 beim Übergang von einem - zumindest formal noch demokratisch verfaßten zu einem - tendenziell - totalitären Regime und unter seiner Herrschaft ausleuchten.8 Mein Untersuchungsgebiet umfaßt das Territorium des heutigen Landes BadenWürttemberg: die ehemaligen Länder Baden und Württemberg sowie den preußischen Regierungsbezirk Hohenzollern-Sigmaringen. Als Untersuchungsgruppe habe ich die höhere Beamtenschaft der Allgemeinen und Inneren Verwaltung ausgewählt - soweit es sich um Juristen oder um (einige wenige) Aufsteiger des gehobenen mittleren Dienstes gehandelt hat. Das Sample umfaßt mithin das gesamte leitende Personal der Innenministerien in Karlsruhe und Stuttgart, der Landratsämter und des Regierungspräsidiums Sigmaringen mit Ausnahme weniger Fachbeamter mit medizinisch-technischer Vorbildung, sofern es zwischen der 4 5 6 7

8

Dahrendorf 1965, 259f. Dahrendorf 1965, 276; zur Elitenkontinuität siehe ebd., 245-260. Vgl. etwa Dahrendorf 1962, 31. Zur Funktionselite werden hier alle diejenigen Inhaber von Positionen gezählt, welche nicht direkt politische und gesellschaftliche Herrschaft oder Macht (im Sinne Max Webers) auf oberster Entscheidungsebene ausüben, sondern in ihrem regionalen und funktionalen Wirkungsbereich mehr oder minder eigenständig und gar nicht immer bewuflt daran mitwirken, ihr praktische Geltung und Dauerhaftigkeit zu verleihen; vgl. in diesem Sinne Schumann 1980, 203-218, hier 210, 213f.; Lüdtke 1991, 574f., 582. Zapf untersucht zwar Eliten verschiedener Funktionsbereiche, grenzt sie jedoch auf 'Positionsinhaber mit gesamtgesellschaftlicher Entscheidungsmöglichkeit" ein; siehe Zapf 1966, 36 (Zitat), 70-74. Zum Elitenbegriff vgl. allgemein Endruweit 1979; Herzog 1982; Hoffmann-Lange 1992, 1984. Wenn im folgenden gelegentlich der Begriff "Bürokratie" anstelle von "administrative Funktionseliten" oder "Beamtenschaft" verwendet wird, so geschieh das nicht von vornherein in pejorativer Absicht, wie das vielfach üblich ist, sondern rein beschreibend i.S. Max Webers; vgl. zu letzterem Mayntz 1968; Ellwein/Zoll 1973, 49-58; Wunder 1987b; ferner zum Bürokratiebegriff allgemein Albrow 1970; Treiber 1986. Zur "tendenziell" totalitären Qualität der NS-Herrschaft siehe Buchheim 1962, 91; vgl. ebenso Karl D. Bracher, Referat, in: Totalitarisme und Faschismus 1980, 10-17, hier 13; vgl. ferner Echteihölter 1970, 15, der den monokratischen Totalitätsanspruch als "Leitbild" der NSHerrschaft bezeichnet.

Einleitung

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Jahreswende 1927/28 und der alliierten Besetzung des deutschen Südwestens im Frühjahr 19459 zu irgendeinem Zeitpunkt in deren Dienst gestanden hat. 10 Exakt handelt es sich um 336 badische, 442 württembergische und 25 preußische Verwaltungsleute. Für diese 803 Personen wurden - neben der qualitativen Auswertung der schriftlichen Zeugnisse - anhand eines standardisierten Erhebungsrasters aus den verschiedensten Quellen detaillierte Informationen über deren Geburtsjahr, regionale und soziale Herkunft, Konfessionszugehörigkeit, Organisationsmitgliedschaften und politische Orientierungen sowie ihren Ausbildungs- und Karriereverlauf erhoben. Dieser Datensatz diente als Grundlage einer quantifizierenden Längsschnittanalyse zentraler Strukturmerkmale der südwestdeutschen Innenverwaltung, der Feststellung politischer Affinitäten und der Rekonstruktion informeller Netzwerke innerhalb der höheren Beamtenschaft (Tab. 1-37). 11 Ich hoffe, damit meinen Aussagen zur tatsächlichen Persistenz und zur möglichen Resistenz der von mir paradigmatisch untersuchten Teilgruppe der administrativen Funktionseliten eine empirisch hinreichend abgesicherte Basis verschafft zu haben. Denn "solche Untersuchungen haben ja ihren Sinn nicht in sich selbst, sondern in den Schlüssen auf das Verhalten der Betroffenen, die sie erlauben. Dem Sozialprofil entspricht ein bestimmtes Gesellschaftsbild" - beides konstitutive Grundlagen der "kameradschaftlichen Bürokratie": "jene(r) spezifische(n) Ausprägung informeller Organisation [...], wie sie sich in der öffentlichen Verwaltung als Folge ähnlicher sozialer Herkunft und Vor-Sozialisation, gemeinsam absolvierter Ausbildung, eines gewissen Corpsgeistes und einer vom 'schmoozing', d.h. der Gleichzeitigkeit privater und dienstbezogener Kommunikation, in einer auffallend solidarischen Organisationskultur im allgemeinen herausbildet".12

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Zu deren regionalem und zeitlichem Ablauf siehe Blumenstock 19S7; Ehmer 1976 u. 1980; Schnabel 1994a. Namentlich ermittelt wurde dieser Personenkreis in einem ersten Arbeitsgang für Baden mithilfe einer systematischen Auswertung des BGK 1928-1942 und der Personalnachrichten im MiBlBiV 1935-1945; bei der anschließenden Durchsicht der Stellenakten im GLAK und bei der späteren Lektüre der einzelnen PA hat sich eine Reihe von Ergänzungen ergeben. Für Württemberg wurde der in Frage kommende Beamtenkreis anhand des StHb Württemberg 1928 und aus den Personalnachrichten im Amtsblatt Mdl Württemberg 1927-1947 ermittelt und mithilfe der umfangreichen Stellenakten im HSTAS und STAS komplettiert. Das leitende Personal des preuB. Regierungsbezirks Hohenzollern-Sigmaringen konnte durch die Auswertung des HbPrSt 1928-1939 sowie der Zusammenstellungen von Hubatsch 1983, 220f., 240, 244 und Mühlebach 1974/1977 festgestellt werden. Die Einstufungen lassen sich sinnvollerweise nicht nur über formale Kriterien wie Mitgliedschaften und Dienstränge durchführen. Ich habe sie aus meiner intensiven Beschäftigung mit den Verhältnissen in der südwestdeutschen Innenverwaltung einzelfallbezogen aufgrund formaler und qualitativer Gesichtspunkte vorgenommen. Ihnen haftet mithin ein impressionistisches Moment an. Gleichwohl glaube ich überzeugt sein zu dürfen, daß die aggregierten Daten im Tabellenanhang zumindest in der Tendenz ein realitätsnahes Bild zeichnen. Erstes Zitat: Dahrendorf 1965, 271. Zweites Zitat·. Bosetzky 1994, 108 (Hervorhebungen von mir).

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Einleitung

Die regionale wie die personelle Abgrenzung der Untersuchungsgruppe ist nicht nur forschungspragmatisch erforderlich,13 sondern auch von der Sache her begründet. Der heuristische Nutzen regionalhistorischer Ansätze auch und gerade auf dem Feld der Sozialgeschichte ist oftmals unterstrichen worden;14 daß sie in Form einer komparativen Analyse erst wirklich fruchtbar werden, liegt auf der Hand. Allerdings ist ein Vergleich, der rigiden sozialwissenschaftlichen Validitätskriterien genügt, zwischen Baden und Württemberg grundsätzlich gar nicht möglich. Denn erstens wären dafür bekanntlich mindestens drei Vergleichsregionen vonnöten, und zweitens waren sich die beiden Länder in der Südwestecke des Deutschen Reiches trotz mancherlei Unterschieden doch zu ähnlich, als daß ihre Gegenüberstellung allzuviele Aussagen von nationaler Reichweite zu liefern verspräche.15 Die ersatzweise Sekundäranalyse einschlägiger Regionalstudien zur Verwaltungsgeschichte der NS-Zeit in vergleichender Absicht war kaum möglich. Zum einen liegen überhaupt nur ganz wenige verwertbare Arbeiten vor; und zum anderen bieten diese von ihrem Ansatz und ihrer Quellengrundlage her kaum Anknüpfungspunkte für systematische, methodisch saubere Vergleiche, welche über die Kontrastierung von Einzelbeobachtungen hinausgehen. Gruppenbiographisches Datenmaterial, das sich - mit Einschränkungen - für einen empirisch anspruchsvolleren Vergleich eignen würde, haben bislang nur Thomas Klein für die preußische Provinz Hessen-Nassau und Horst Romeyk für die Rheinprovinz publiziert.16 Ich habe mich daher im wesentlichen darauf beschränken müssen, mithilfe 13

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Wie sich sowohl bei den Quellenrecherchen als auch bei der Auswertung ihres Ertrags immer wieder gezeigt hat, ist eigentlich bereits die ausgewählte Personengruppe viel zu umfangreich, um sie als Einzelner einer Struktur- und Verhaltensanalyse unterziehen zu können, welche die daran billigerweise zu stellenden Ansprüche rundum befriedigt. Eckhardt Treichel hat das Dilemma derartiger Studien vor einiger Zeit in seiner Rezension von Merz 198S treffend auf den Punkt gebracht: "Die Auswirkungen der staatlichen Personalpolitik lassen sich z.B. nur unter Einbeziehung umfangreicher prosopographischer Studien wirklich abschätzen. Unzureichend bleibt aber auch die bloße Feststellung der politischen Haltungen und Präferenzen der Beamtenschaft, wenn nicht zugleich erforscht wird, wie sie sich konkret im Verwaltungshandeln niedergeschlagen haben. Dies alles einzulösen, übersteigt jedoch unzweifelhaft die Möglichkeiten des einzelnen Forschers.* (NPL 31, 1986, 496f.; Hervorheb. von mir) Aus der umfangreichen theoretisch-methodologischen Literatur vgl. etwa Zang 1978; Steinbach 1979 u. 1981; Hanisch 1979/80; Arbeitsgruppe Regionale Sozialgeschichte 1981; Walter 1981, bes. 10-19; Dann 1983; Schorn-Schütte 1984; Keim 1985; Rohe 1991; Flügel 1992; Mai 1995. Zu den methodischen Problemen regional- und lokalgeschichtlicher Untersuchungen zur NS-Zeit siehe etwa Düwell 1979, 1983 u. 1990, Steinbach 1983, Thamer 1990, J. Paul 1992 u. Hehl 1993 sowie den Sammelband von Möller u.a. 1996, insbes. Wirsching 1996 u. Blessing 1996. Im ReichsmaBstab betrachtet, insbesondere im Vergleich zu Preußen, relativiert sich jene Verschiedenartigkeit der beiden südwestdeutschen Staaten, die Schnabel ein wenig übeipointiert hat: "Auffällig ist die äußerst unterschiedliche Entwicklung in den beiden benachbarten Ländern. Ob es sich um die Regierungskoalition oder um Regierungspolitik handelt, ob es um den Aufstieg der NSDAP und ihr Verhalten im Landtag geht oder ob man sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung beschäftigt: In Baden war fast alles anders als in Württemberg." (1982a, 11; Hervorheb. von mir). Vgl. dazu knapp Wehling 1991. Klein 1988; Romeyk 1994. Die Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchivare beim Landkreistag Baden-Württemberg wird im Herbst 1996 das unter meiner Beteiligung entstandene Werk "Die

Einleitung

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der in der einschlägigen Literatur und der in den Taschenbüchern für Verwaltungsbeamte enthaltenen Informationen 17 meine regionalbezogenen Erkenntnisse wo irgend möglich zu relativieren und ansonsten diese Studie methodisch so anzulegen, daß spätere Untersuchungen über andere Regionen des Deutschen Reiches Ansatzpunkte für eine komparative Analyse vorfinden, die nicht bloß impressionistisch bleiben muß. Was die besondere Relevanz der Untersuchungsgruppe in personeller Hinsicht anbelangt: Zum ersten war das Jurastudium an deutschen Universitäten seit langem (und ist es im Grunde noch immer) von seiner ganzen Anlage her als "Ausbildung einer Elite" konzipiert, die vielseitig einsetzbare "Experten für das Allgemeine" liefert und (in allerdings begrenzter Stückzahl) "Eintrittskarte(n) zu den Führungspositionen der Gesellschaft" verheißt. 18 Das Juristenmonopol und die es legimierende "Generalistenideologie" 19 gehören denn auch zu den charakteristischen Konstanten der neueren deutschen Verwaltungsgeschichte. Noch 1962 nahmen sogenannte "Volljuristen" 85 v.H. der Positionen des höheren Dienstes der bundesdeutschen Innenministerien ein 2 0 . Zum zweiten ist die Rolle der administrativen Funktionseliten als wesentliche "Träger der gesellschaftlichen Kontinuität" über die politischen Umbrüche von 1933 und 1945 hinweg im Grundsatz unbestritten und im Ansatz auch schon empirisch belegt worden. 2 1 Zum

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Amtsvorsteher der Oberimter, Bezirksämter und Landratsämter in Baden-Württemberg von 1810 bis 1972" (Amtsvorsteher 1996) veröffentlichen. Die bis 1943 erschienenen Taschenbücher für Verwaltungsbeamte (TB Verwaltungsbeamte) enthalten neben detaillierten Personalverzeichnissen sämtlicher Innenverwaltungen des Reiches auch nach Diensträngen getrennte Listel, aus denen sich die Daten der Großen juristischen Staatsprüfung und der letzten Beförderung des jeweiligen Beamten entnehmen lassai. Sie erlauben damit nicht nur die ungefähre Abschätzung des Lebensalters, sondern auch die Identifizierung von nichtjuristisch vorgebildeten "Außenseitern". Dahrendorf 1965, 264-70, hier 264f. Auf den ausgesprochenen "Elitecharakter der juristischen Fakultäten" und ihre Funktion als wichtigstes (bürgerliches) "Arsenal der Herrschaft" - nicht nur, aber vor allem auch - in Deutschland hat schon Michels hingewiesen (1934, 68f.). Mayntz 1985, 179. Dahrendorf 1965, 31, 263. Vergeblich hatte sich vor allem Arnold Brecht während der ersten Nachkriegsjahre als Berater der US-Militärregierung dafür eingesetzt, die höheren Verwaltungslaufbahnen in begrenztem Umfang für Nicht-Juristen zu öffnen; siehe Brecht 1951, 7.ff., 21f., 88f., 94-96; Brecht 1953, 280f.; femer seine kontroverse Korrespondenz mit Dipl. rer. pol. ORegR Artur Hesse, DBB-Landesvors. in Niedersachsen u. Vors. des CDUBeamtenrechtsausschusses, Bad Harzburg, von November 1949 bis April 1952 (BÄK, Ν 1089, Nr. 17). Zum deutschen Juristenmonopol allgemein siehe für vieles ebd., 260-276; Armstrong 1973, 202-207; Nicholls 1981; Wunder 1986, 78f. Zapf 1965, 77; vgl. deis. 1962, 21, 27f. u. ders. 1966, 195; Eschenburg 1974, 73, 77, 81; ders. 1976, 69f.; Morsey 1977a; zuletzt Ellwein 1994, 33-38. Grotkopp 1992 hält empirisch nicht, was der ambitionierte Titel verspricht. Eine Vollerhebung aller höheren Beamten der baden-württ. Innenverwaltung, wie ich sie für den Zeitraum von 1928 bis 1945 durchgeführt habe, kam für die Nachkriegszeit nicht in Betracht. Erstens hätte der damit verbundene Aufwand den Rahmen dieser Untersuchung gesprengt; zweitens stehen einem solchen Unterfangen bis auf weiteres noch quellenmäßige und datenschutzrechtliche Hindernisse entgegen. Die Analyse der Nachkriegskarrieren von Angehörigen meiner Untersuchungsgruppe (Kap. IV) kann sich deshalb nicht auf relative, sondern lediglich auf absolute Zahlenangaben (Tab. 37) beziehen und diese durch Hinweise auf markante Einzelfälle illustrieren.

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Einleitung

dritten genossen die Innenressorts bis an die Gegenwart heran den Nimbus, das Herzstück der zusehends ausdifferenzierten Staatsverwaltung in Deutschland zu sein. 22 In Südwestdeutschland bildete das Stuttgarter Innenministerium bis in die frühen sechziger Jahre hinein den strategischen Kern der Landesverwaltung mit unmittelbarer Fühlung zu den politischen Machteliten. Von der Öffentlichkeit wurde das "Polizeiministerium" noch zu Weimarer Zeiten als der "Staat schlechthin" wahrgenommen.23 Und länger als anderwärts vermochte das Innenressort BadenWürttembergs ein breites Spektrum von Kompetenzen erfolgreich zu verteidigen, bis auch hier der allgemeine Zug zur Ausgliederung selbständiger Fachministerien zum Durchbruch gelangte.24 Neben den klassischen Aufgabenfeldern der Polizeiund Ordnungsverwaltung und der Kommunalaufsicht waren die Sozialverwaltung, Bau- und Verkehrsverwaltung, Gesundheits- und Veterinärverwaltung, zeitweise auch die Landwirtschaftsverwaltung Schwerpunkte seines Wirkens. Und in der Fläche wurde der noch überwiegend kleinstädtisch-ländlich strukturierte Südwesten bis zur Jahrhundertmitte mit Ausnahme weniger Stadtkreise von den Landräten "regiert". Als Staatsbeamte setzten sie die Direktiven ihres Ministeriums, teilweise auch anderer Ober- und Mittelbehörden unmittelbar oder über die Bürgermeister ihres Bezirks in alltägliches Verwaltungshandeln um. 25 Erst mit ihrer Kommunalisierung während des ersten Nachkriegsjahrzehnts und mit der Errichtung der vier baden-württembergischen Regierungspräsidien 1952 wandelten sich Funktion und Rollenverständnis der Landräte grundlegend.26 22

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Vgl. Zapf 1965, 80: "Mit guten Gründen kann man die Beamten der Innenministerien stellvertretend für die höhere Beamtenschaft der Bundesrepublik betrachten." Allerdings nur eingedenk der Tatsache, daB es die Verwaltung spätestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nicht (mehr) gegeben hat; vgl. Henning 1984, 55-58; Süle 1988, 25-34, 197-204; Ellwein 1994, 37. Knappe Überblicke über die Innenverwaltung seit 1918 siehe Huber 1981, 475-486; Groeben 1985, 156-168. Besson 1959, 48; vgl. Boelcke 1989, 192f. Zur strukturellen Entwicklung der baden-württembergischen Landesregierung während der ersten beiden Jahrzehnte nach der Gründung des Südweststaates siehe Katz 1975, 92, 134 et passim. Belege für das strikt gouvernementale Rollenverständnis der südwestdeutschen Landräte ließen sich zuhauf beibringen; siehe für vieles LR Popp, Ettlingen an Vors. der Landrätevereinigung, LR Schaible, 17.1.1925: "Ein Landrat [...] ist sozusagen Repräsentant der Regierung draußen und (hat) heute eine der verantwortlichsten Stellen zu versehen" (GLAK, 69, VHVB, Nr. 4). Oder GehRegR LR Frech, Waldkirch, 7.11.1924: "Jede Unzufriedenheit im politischen oder wirtschaftlichen Leben wirkt sich auch heute noch an den Landräten, als Vertretern der Regierung, aus" (ebd.; Hervoiheb. von mir). Zur Herausbildung dieses etatistischen Selbstverständnisses der leitenden Beziriesbeamten in Baden während des 19. Jahrhunderts siehe eingehend Eibach 1994. Siehe dazu im einzelnen Grube 1975, 71ff.; Neckenauer 1987, 27-59; Gerhardt 1987, 60-74. Allgemein siehe für Baden das Standardwerk Stiefel 1979 und für Württemberg sein gleichrangiges Pendant Dehlinger 1951/1953; vgl. für Baden Ott 1985, 580f. und für Württemberg Mann/Nüske 1985, 573-575. Einen Überblick über die Struktur der bad. Innenverwaltung vermitteln die Dienststellenverzeichnisse von 1928, 1930 und 1932 (GLAK, 236, Nr. 29.160); für ihr württ. Pendant sind noch detailliertere Geschäftsverteilungspläne etc. überliefert (HSTAS, E 151/01, Bü. 284/285 u. 754); vgl. Aufbau Behörden Württemberg 1936, 4, 46-93. Für Baden-Württemberg siehe Kübler 1959 u. 1963.

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Die zentrale Stellung und Kompetenzenfülle der Innenverwaltung, ihr hohes Renommee und ihr ausgeprägtes Selbstbewußtsein sowie ihre Funktion als Rekrutierungsreservoir für das leitende Personal der Fachressorts (mit Ausnahme der Justiz- und Finanzverwaltung) und der größeren Städte27 erlauben es, mit Blick auf deren höhere Beamtenschaft Aussagen zu Struktur und Verhalten "der" administrativen Funktionseliten in der südwestdeutschen Provinz zu formulieren. Sie gewinnen zusätzlich an Gewicht durch jene verhaltensprägende Vorbildfunktion, welche der höheren Beamtenschaft im allgemeinen und dem landrätlichen Personal im besonderen aufgrund ihrer exponierten Stellung wie ihres hohen Sozialprestiges weit über ihr engeres Milieu hinaus zukam und ihr damit - zumindest in ihrem regionalen Kontext - die gesellschaftliche Funktion einer "strategischen Elite"28 verlieh. Zunächst gilt es zu klären, mit welcher Intensität der Nationalsozialismus den staatlichen Verwaltungsapparat auf regionaler Ebene durchdringen konnte, welche Möglichkeiten nichtangepaßten, dem Totalitätsanspruch des NS-Regimes zuwiderlaufenden Verhaltens der Beamtenschaft individuell wie kollektiv offenstanden und wie diese Chancen in der Verwaltungspraxis genutzt wurden. Des weiteren wird der Frage nachgegangen, wie die Rollenzuweisung, Handlungsorientierungen und Verhaltensmuster dieser herausgehobenen Beamtengruppe sich im Laufe der zwölfjährigen NS-Herrschaft unter dem Einfluß politischer Vorgaben veränderten, in welchem Maße es in Südwestdeutschland zwischen ihren Angehörigen und den Repräsentanten der nationalsozialistischen Machtelite zu Konflikten kam, welche Ursachen und Anlässe gegebenenfalls dazu führten, wie diese Kontroversen ausgetragen wurden, und ob es Fälle gab, in denen sich daraus Dissens oder oppositionelles Verhalten entwickelte. Schließlich wird analysiert, inwieweit die personelle Entwicklung und das gesellschaftliche Gewicht der regionalen Verwaltungseliten von der späten Weimarer Republik bis in die frühe Bundesrepublik durch Momente der Kontinuität oder der Diskontinuität geprägt wurden. Denn erstens ist der Grad ihrer personellen Stabilität ein wichtiger Indikator für die "Resistenzfähigkeit"29 der Innenverwaltung gegenüber den Ansprüchen und Zumutungen der 27

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Wirtschaftsmin. an StMin, 5.1.1938: "Die Beamten des höheren Verwaltungsdienstes werden für die gesamte Wirtschaftsverwaltung seit jeher aus dem Kreise der Beamten des höheren Dienstes der Innenverwaltung entnommen." (HSTAS, E 130b, Bü 644, Qu. 68a); dass, an LVA Württ., 4.12.1934: "Es ist dringend erwünscht, daß die bei Sonderbehörden zur Verwendung kommenden Beamten ihre grundlegende Ausbildung im Dienst der allgemeinen Verwaltung erhalten haben oder wenigstens eine möglichst vielseitige Tätigkeit in der Innenund Wirtschaftsverwaltung aufweisen können." (HSTAS, E 383a, Bü 69, Qu. S); Mdl an RStH, 25.8.1935: "Ich muB bei meiner Personalpolitik [...] auch für Anwärter auf leitende Stellen im Kommunaldienst sorgen." (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.459, Qu. 11). Die Schlüsselstellung der Innenministerien bei der Nachwuchsrekrutierung für den höheren Dienst der Allgemeinen Länderverwaltung hat sich bis in die jüngste Gegenwart erhalten; siehe Mayntz 1985, 155f. Vgl. Keller 1963, 20: "[...] only certain leadership groups have a general and sustained social impact. [...]- those whose judgements, decisions, and actions have important and determinable consequences for many members of society. We refer to these groups as strategic elites, distinguishing them from segmental elites" (Hervorheb. im Original). Mommsen 1981b, 43-72, hier 56.

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totalitären Staatspartei und ihrer Repräsentanten vor Ort. Zweitens kommt der Frage nach den gesellschaftlichen Kontinuitätslinien über die politische Zäsur von 1945 hinweg im Kontext einer wohlverstandenen Historisierung des Nationalsozialismus erhöhte Bedeutung zu.30 Und drittens sollen Aufschlüsse darüber vermittelt werden, ob und inwieweit regionale Verwaltungstraditionen institutioneller, personeller, normativer, mentaler und kultureller Provenienz als Barrieren gegen die totalitären Penetrations- und Zentralisierungsversuche des NS-Regimes wirkten. Die dem polykratischen NS-Herrschaftsgefüge selbst immanenten zentrifugalen Tendenzen sind dabei jederzeit in Rechnung zu stellen.31 Im Anschluß daran wird auf der Skala "aktive Kollaboration - loyale Kooperation - passive Resistenz" eine empirisch fundierte Verhaltenstypologie der höheren Beamtenschaft im Dritten Reich skizziert. Der theoretische Gegenpol "(partieller) Widerstand" hat im vorliegenden Fall keine praktische Bedeutung gewonnen. Daher steht die Frage im Mittelpunkt, in welchem Umfang und auf welche Weise sich die staatliche Innenverwaltung als hemmender Faktor bei der Durchsetzung der nationalsozialistischen Machtansprüche und Politik erwies - ob also ihr leitendes Personal "Resistenz" als Extremform systemwidrigen Verhaltens der Beamtenschaft geübt hat. Dieser Begriff verspricht unter heuristischen Gesichtspunkten manchen Erkenntnisgewinn. Ich halte deshalb trotz der erst jüngst erneuerten Kritik daran fest - zumal die als Alternative vorgeschlagene Kategorie "loyale Widerwilligkeit" allzu sehr an den habitualisierten Topos "Anpassung und/oder Widerstand" erinnert, auf den hier bewußt verzichtet wird.32 Gerade auch im Hinblick auf ihre wirkungsgeschichtliche Akzentuierung ist die Kategorie "Resistenz" besonders geeignet, das Phänomen einer zumeist nur partiellen, meist gar nicht bewußten Obstruktion von Beamten im Dritten Reich zu fassen.33 Ralf Dahrendorf hat sie bereits vor Augen gehabt, als er ein Jahrzehnt vor der Wiederentdeckung des Begriffs im Rahmen des Münchener "Bayern-Projekts" von einer "ungeplanten Resistenz gegen die sozialen Begleiter der totalitären Machtergreifung" sprach.34 30

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Durch die Vermengung der "Historisienings"-Debatte mit dem sogenannten "Historikerstreit" ist dieses wichtige Anliegen Martin Broszats bisweilen in den Hintergrund gedrängt worden; siehe ders. 1987, bes. 172; vgl. allgemein Kershaw 1994; Langewiesche 1989; Donat/Wieland 1991 (mit umfassender Bibliographie). Vgl. dazu eingehend Rebentisch 1989a. Barbara Vogel hat dazu das Notwendige bemerkt: "Die Formel 'Anpassung und Widerstand' hat tendenziell apologetischen Charakter, weil sie den Eindruck hervorruft, dafi zwei annähernd gleichgewichtige Faktoren einander der Waage halten." (1991, 5). Zur "loyalen Widerwilligkeit" siehe Anm. 34. Arnold Brecht führte 1937 (48) den Begriff "bureaucratic sabotage" ein "for unintentional counter acts [...] to the intentions of political leaders" (Hervorheb. von nur). Dahrendorf 1965, 441f.; vgl. mit Blick auf Württemberg Stephenson 1994. Die im Kontext des Projekts "Bayern in der NS-Zeit" kontrovers diskutierte Kategorie ist von Martin Broszat mehrfach eingehend erläutert und mit guten Argumenten verteidigt worden; siehe etwa Broszat 1986b; Broszat/Fröhlich 1987, Einleitung. Zu kritischen Hinweisen auf die Gefahr, "resistentes" Verhalten in "Volkswiderstand" umzudeuten, siehe für vieles Langewiesche 1983; Marflolek u.a. 1984, 33-35; Kershaw 1986; Garbe 1993, 502-508. Zuletzt haben Mallmann/Paul 1993 nochmals die grundsätzlichen Vorbehalte gegen dieses Paradigma - mit

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Der Gebrauch des "Resistenz"-Begriffs ist allerdings nur solange statthaft, wie dies nicht in exkulpatorischer Absicht geschieht. Denn bloßes Selbstbehauptungsverhalten von Eliten, die ihren traditionellen sozialen Rang durch nichtakademische "Emporkömmlinge" und "Usurpatoren" bedroht sahen, hatte grundsätzlich mit Widerstand gegen die politischen Ziele und Herrschaftspraktiken der neuen Machthaber noch nichts zu tun. Es konnte indessen dazu beitragen, die angestrebte "Gleichschaltung" der Gesellschaft und ihrer Institutionen durch ein tendenziell totalitäres Regime in ihrer Tiefenwirkung zu hemmen und begrenzen - eine zwar nicht hinreichende, doch notwendige Bedingung für nonkonforme oder oppositionelle Aktivitäten innerhalb und außerhalb des staatlichen Herrschaftsapparats.35 Zugleich markierte es die Grenzen jenes weitreichenden Konsenses zwischen Regime, Funktionseliten und der Gesamtbevölkerung, der zutreffend als Normalzustand der NS-Herrschaft bezeichnet worden ist.36 In der Tat hat sich nicht nur in der wissenschaftlichen Forschung, sondern ermutigenderweise - auch in der deutschen Öffentlichkeit37 die Erkenntnis durchgesetzt, daß diktatorische Unrechtsregime wie der NS-Staat (zumindest in entwickelten Industriegesellschaften) nicht von verbrecherischen Cliquen allein etabliert und am Leben erhalten werden können, sondern eines Mindestmaßes an (wie immer im einzelnen erzeugter) Zustimmung der Bevölkerung als Ganzes,38 vor allem aber vielfältiger "Formen der Kollaboration" der "mittleren Gruppen spezialisierter Fachleute" innerhalb und außerhalb der staatlichen Institutionen bedürfen. 39 Bezeichnenderweise hat ja das überaus heterogene, "polykratische" Macht-

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diversen Verweisen auf die einschlägige Literatur - formuliert. Ihr Altematiworschlag ist offenbar durch Aufsatztitel von Wilhelm Deist "Überlegungen zur 'widerwilligen Loyalität' der Deutschen bei Kriegsbeginn" (1989) und Wolfgang Benz "Freude am Krieg oder loyale Widerwilligkeit" (1990) inspiriert worden, die wiederum auf eine Begriffsbildung Helmut Krausnicks (1965, 482) zurückgegriffen haben; dort indessen wird er lediglich zur Illustration einer temporären Stimmungslage im Herbst 1939 verwendet, nicht etwa im Sinne einer systematischen Verhaltenskategorie mit Geltung für die historische Epoche 1933-1945. Vgl. (mit Blick auf Bayern) Broszat 1986a, S. 198f. Vogel 1991, 3-6. So haben im Mai 1994 82 v.H. der in Ostdeutschland und 74 v.H. der in Westdeutschland vom Dortmunder FORSA-Institut repräsentativ Befragten der Formulierung zugestimmt: "Die Nazi-Verbrechen waren nur möglich, weil viele Bereiche der Bürokratie und der Verwaltung eingebunden waren. " Nur 14 bzw. 15 v.H. der Interviewten erkannte darin "das Werk einer kleinen Clique"; und immerhin 47 bzw 48 v.H. billigten die Formulierung: "Die Deutschen haben die Nazis freiwillig unterstützt" (Juhnke/Wiedemann 1994). Als frühe Beispiele dieser Forschungsperspektive siehe Schoenbaum 1980 (1966); Broszat 1970; vgl. neuerdings Eitner 1991; Mallmann/Paul 1991; Paul 1993b; Stöver 1993. Auch in der umfangreichen neueren Literatur zur Haltung der Arbeiterschaft 1933-1945 ist die Konsensthese mittlerweile zur "herrschenden Lehre" geworden; siehe die Literaturberichte von Frese 1987 und Herbert 1989; ferner Ruck 1990b; Zollitsch 1990; Frese 1991; Morsch 1993; Carsten 1995. Erstes Zitat: Rebentisch 1989a, 543; vgl. schon H. Mommsen 1966, 121, 123. Zweites Zitat: Lüdtke 1991, 574. Zur Kollaboration namenloser "Experten" mit dem NS-Regime in den verschiedensten Funktionsbereichen von Staat und Gesellschaft siehe zusammenfassend Lüdtke 1991; vgl. ders. 1987 u. 1993; siehe ferner H. Mommsen 1991; Jarausch 1990.

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gebilde "Drittes Reich" bis zu seiner militärischen Niederwerfung durchgehalten, ohne zuvor an der Dynamik seiner inneren Widersprüche zerborsten zu sein.40 Der Staat Hitlers war eben "nicht ein von der NSDAP besetztes Land, dessen Bevölkerung im Widerstand lebte oder sich partiell in unterschiedlichem Ausmaß und aus unterschiedlichen Motiven vorübergehend anpaßte", hat Barbara Vogel dazu treffend bemerkt.41 Und im Anschluß an diese mittlerweile vielfach empirisch belegte Feststellung hat sie in ihren Überlegungen zum politischen Verhalten der Hamburger Hochschullehrer 1919 bis 1945 forschungspraktische Konsequenzen skizziert, die allgemein Beachtung verdienen: "Um das Funktionieren der nationalsozialistischen Herrschaft zu erklären, [...] ist zu prüfen, worauf sich 1933 bis 1945 ein innergesellschaftlicher Konsens erstreckte, wo seine Grenzen lagen und warum nicht oder nicht mehr vorhandener Konsens gleichwohl noch keinen Wandel des Systems herbeiführte. [...] Gemäß dem Konsensmodell ist zu untersuchen, auf welche Weise die Hochschulen ["und andere staatstragende Berufsgruppen, insbesondere Bürokratie, Richterschaft und Offizierskorps"] das 'Dritte Reich' mittrugen, sich mit seinen Herrschaftsträgern arrangierten und an welchen Punkten sie sich distanzierten oder opponierten." Dieses Anliegen verfolge ich mit meiner Fallstudie. Im Mittelpunkt der Analyse stehen dabei etwaige generationelle Struktur- und Verhaltensdifferenzierungen. Unter Generationen werden hier nicht schematisch gebildete Alterskohorten verstanden, sondern jahrgangsmäßig einigermaßen präzise voneinander abgrenzbare Untergruppen der südwestdeutschen Verwaltungsjuristen, die während der politisch prägenden Phasen des zweiten und dritten Lebensjahrzehnts jeweils spezifischen Sozialisationsszenarios ausgesetzt waren und dabei - mehr oder minder ähnliche Mentalitäten internalisierten. Das Erkenntnispotential der (historischen) Kohortenanalyse ist des öfteren theoretisch belegt und praktisch erprobt worden.42 Dabei sind auch die methodischen Grenzen dieses Ansatzes deutlich hervorgetreten. Vor allem droht eine Hypostasierung der ausgemachten Generationen zu Kollektivsubjekten des historischen Prozesses den Blick auf dessen Komplexität wie auf alternative Handlungs- und Entwicklungsoptionen zu verstellen. Im übrigen wird die generationenbezogene Analyse hier nicht als Selbstzweck betrieben. Analytisch fruchtbar werden kann sie erst in Verbindung mit der eigentlich relevanten Frage: ob und wie die vergleichsweise homogenen Verhaltensdispositionen einer bestimmten Beamtengeneration unter dem Druck einer totalitären Indienstnahme der staatlichen Verwaltung durch das NS-Regime zu differierenden 40

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Ein vorläufiges Resümee der Polykratie-Diskussion ziehen Funke 1989; Ruck 1993b u. 1996; Kershaw 1994. Vogel 1991, 3. Zum Stand der auf Karl Mannheims klassischen Aufsatz (1928/29) zurückgehenden theoretisch-methodischen Diskussion siehe aus sozialhistoriographischer Perspektive: Spitzer 1973; Jaeger 1977; Schröder 1977 u. 1985; Bügner/Wagner 1991; aus sozialwissenschaftlicher Sicht; Kohli 1978; Mayer 1980a; Fogt 1982; Renn 1987; Gluchowski/Mnich 1993. Anregende, wenngleich teilweise umstrittene Beispiele für die Implementation des Generationenkonzepts bieten Wohl 1980; Käsler 1984; Neugebauer-Wölk 1987; Bude 1987 u. 1995; Jaide 1988; Herbert 1991; Brunner 1992; Fichter 1993; mißlungen hingegen White 1992.

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Verhaltensweisen transformiert wurden und welches die Gründe dafür gewesen sein könnten.

Vor mehr als einem Jahrzehnt hat Peter-Christian Witt auf die "offensichtlichen Defizite bei der Erforschung der bürokratischen Apparate" hingewiesen: "Weder sind die personelle Zusammensetzung und die damit zusammenhängenden Fragen nach Herkunft, Ausbildung, sozialen Beziehungen und politischer Orientierung sowie Karriereverlauf noch ihr Anteil an der Formulierung und Handhabung politischer Entscheidungen hinreichend untersucht."43 Und Hartmut Kaelble hat sich einige Jahre zuvor weitere Aufschlüsse über die Rekrutierungsmechanismen im höheren Verwaltungsdienst nur von "gründliche(n) quantitativen Auswertungen von Personalakten und Biographien" versprochen.44 Neben einer Reihe wichtiger Einzelstudien legt nicht zuletzt die mehrbändige "Deutsche Verwaltungsgeschichte" Zeugnis von den inzwischen erzielten Erkenntnisfortschritten auf dem Gebiet der Bürokratieforschung für das 19. und 20. Jahrhundert ab.45 Gleichwohl mußte Bernd Wunder noch zu Beginn der neunziger Jahre konstatieren, daß Verwaltung und Beamtenschaft im Rahmen der Forschungen zur Geschichte des "Dritten Reichs" nach wie vor keine angemessene Beachtung gefunden haben.46 Für die obere Ebene kann diese Lücke mittlerweile zu einem guten Teil als geschlossen gelten: 1988 hat Jane Caplan eine materialreiche Zusammenfassung ihrer langjährigen Forschungen auf diesem Gebiet vorgelegt, und in seiner 1989 veröffentlichten Habilitationsschrift hat Dieter Rebentisch die komplexen Strukturen der Reichsverwaltung im Krieg auf breitester Quellengrundlage akribisch ausgeleuchtet. 47 Für die vorangegangenen Jahre steht zudem die weiterhin unentbehrliche Dokumentation Hans Mommsens von 1966 zur Verfügung. Über die mittleren und unteren Verwaltungsebenen hingegen ist nur wenig Konkretes bekannt. Während die Kommunalverwaltung der NS-Zeit mittlerweile als recht gut erforscht gelten darf,48 ist insbesondere der von Dieter Rebentisch 43 44 45 46 47

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Witt 1983, 232; vgl. Morsey 1977a, 191f. Kaelble 1978, 270 u. 1983, 81; vgl. in diesem Sinne Lüdtke 1991, 576f. Deutsche Verwaltungsgeschichte II-V 1983-1987. Wunder 1991, 274. Caplan 1988 u. die anderen im Literaturverzeichnis aufgeführten Studien der Autorin; Rebentisch 1989a; vgl. die Einzelstudien in Rebentisch/Teppe 1986 sowie die materialreichen Ausstellungskataloge von Eggestein/Schirmer 1987 und Lessmann/Taubert 1987; vgl. ferner Longerich 1992; Neliba 1992. Weiterhin grundlegend Matzerath 1970; siehe neuerdings auch Low 1991. Aus der beträchtlichen Anzahl seither veröffentlichter Fallstudien seien hier genannt: Stokes 1979; Hanko 1981; Schönhoven 1983 , 552-75; ders. 1984; Eckhardt 1984; H. Müller 1988; Hilpert 1989; Bauerkämper u.a. 1992; Metzger u.a. 1992; Sarhage 1992; Halter 1994. Für Südwestdeutschland siehe etwa Sauer 1980, 482-502 (Tamm/Württ.); Scheurich 1983 (Wertheim/Baden); Ebert 1984 (Bretten/Baden); Bott 1986 (Markdorf/Baden); Hettinger 1988 (Adelsheim/Baden); R. Müller 1988 (Stuttgart) u. 1991 (Remlingen u. Malmsheim/Württ.); Schönhagen 1991 (Tübingen); Roser 1991 (Neckargemünd/Baden).

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1985 beklagte Mangel an "exemplarische(n) Einzelstudien [...] der laufenden Verwaltung in verschiedenen Landratsämtern", auf deren Grundlage die immer wieder postulierte "Konfliktstruktur des Verhältnisses von Kreisleiter und Landrat" empirisch befriedigend auf ihre generelle Gültigkeit hin überprüft werden könnte, bislang nicht einmal ansatzweise behoben.49 Auf der regionalen Ebene sind immerhin einige Studien zu nennen, die aufschlußreiche Einblicke in die Verwaltungsverhältnisse in Bayern50 und verschiedenen preußischen Provinzen51 eröffnen; doch im ganzen gesehen bietet sich auch hier noch ein recht lückenhaftes Bild.52 Über den engeren Erkenntnisgegenstand hinaus vermag die Analyse von regionalen Verwaltungseliten unter den skizzierten Gesichtspunkten weiterführende Einsichten in die Struktur und Funktionsweise des nationalsozialistischen Herrschaftsgefüges insgesamt zu vermitteln.53 Wenn dieser Bereich bislang im Rahmen der Forschungen zur Geschichte der NS-Zeit gleichwohl zu kurz gekommen ist, so hat dieses Defizit auch mit der lange Zeit äußerst disparaten Quellenlage zu tun. Die Durchsicht der schon länger zugänglichen Sachakten erbringt nämlich kaum direkte Aufschlüsse über das Spektrum der Möglichkeiten, das alltägliche Verwaltungshandeln 1933 bis 1945 mehr oder minder regimekonform zu gestalten. Nur ganz selten einmal lassen sich daraus Fälle zutage fördern, in denen so etwas wie "passive Resistenz" höherer Beamter gegen Weisungen aus der Sphäre des nationalsozialistischen Maßnahmenstaates papierenen Niederschlag gefunden hat und wenn, dann zumeist nur mittelbar in Form einer Beschwerde von NSRepräsentanten, die zumeist auch in den personenbezogenen Akten enthalten ist. 54 Welcher Verwaltungsjurist wäre wohl auch so verwegen oder unvorsichtig gewesen, derartige Absichten schriftlich zu fixieren? Generationenlang erprobte Obstruktionstechniken wie die hartnäckige Herbeiziehung abseitigster Rechtsvorschriften, die Verzögerung durch wiederholte Anfragen bei den vorgesetzten Behörden oder die - zu allen Zeiten gerne praktizierte - "Erledigung durch Liegenlassen" aber sind im Nachhinein kaum einmal mit Bestimmtheit als solche nachzuweisen. Meine Quellenrecherchen haben sich deshalb auf das personenbezogene Material konzentrieren müssen. Die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes im all49

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Rebentisch 1985b, 632; vgl. Caplan 1981, 178; Düwell 1996, 167. In Mannheim hat Hubert Roser (1996) im Rahmen einer Komplementär™tersuchung zu dieser Studie anhand von vier ausgewählten Landkreisen (Buchen, Heidelberg; Rottweil, Waiblingen) die personelle Besetzung der Kommunalverwaltungen und Landratsämter sowie das Verhalten der dort Beschäftigten über die nationalsozialistische 'Machtergreifung" hinweg bis zum Ende der dreißiger Jahre erforscht. Diehl-Thiele 1969; Klenner 1974; Schönhoven 1983, 618-634; Fenske 1993; Heinz 1994. Pehle 1976; Teppe 1977; Jürgensen 1983; Romeyk 1985, 1986 u. 1989; Klein 1988. Das gilt auch für den Südwesten. Immerhin liefern die Skizzen von Sauer 1975, 42-123, Merz 1985, 262-333, Schnabel 1986, 324-351 und Ruck 1993a einige weiterführende Hinweise; in mancherlei Hinsicht unbefriedigend hingegen Hasel 1985 u. Tellenbach 1986 (vgl. zu letzterem Kap. IV, mit Anm. 18). Vgl. Ruck 1993b. Vgl. Romeyk 1989, 151.

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gemeinen und die leitenden Beamten im besonderen waren ja einer intensiven, kontinuierlichen Überwachung durch diverse staatliche und NS-Stellen unterworfen. Im Zuge dessen wurden schriftliche Unterlagen in großem Umfang produziert, und ein beträchlicher Teil davon ist für den südwestdeutschen Raum erhalten geblieben. An erster Stelle zu nennen sind die staatlichen Personal-, Stellen- und Versorgungsakten. Sie sind in den baden-württembergischen Staatsarchiven sowohl für den badischen als auch für den württembergischen Teil der Untersuchungsgruppe reichhaltig überliefert und mir dort aufgrund der geltenden Ausnahmebestimmungen auch in jenen Fällen zugänglich gemacht worden, in welchen die regulären Sperrfristen des Landesarchivgesetzes zum Zeitpunkt meiner Recherchen noch nicht abgelaufen waren.55 Nicht zur Verfügung standen lediglich einige Personalakten älterer Beamter, die schon Anfang der dreißiger Jahre in Pension gegangen waren und deren Unterlagen deshalb bei den Teilauslagerungen der Ministerialregistraturen gegen Kriegsende nicht vor den Bombardements der Landeshauptstädte in Sicherheit gebracht wurden. Die benötigten Personaldaten ließen sich aber in diesen Fällen zumeist aus den Versorgungsakten der Betreffenden entnehmen. Möglicherweise noch in Moskauer und Prager Archiven auftauchen werden die Personalakten derjenigen Mitglieder meiner Untersuchungsgruppe, die bei Kriegsende im Reichsdienst gestanden oder bei den Verwaltungen des sogenannten "Reichsprotektorats Böhmen und Mähren" beziehungsweise des deutschen "Generalgouvernements" auf polnischen Boden planmäßig angestellt gewesen sind.56 Die Personalakten enthalten vielfältige biographische Informationen, auch zu Mitgliedschaften und politischen Affinitäten, teilweise recht aussagekräftige dienstliche Beurteilungen und Korrespondenzen über Konflikte mit NS-Instanzen. Letztere wurden allerdings von den Personalabteilungen in Karlsruhe und Stuttgart nicht selten getrennt aufbewahrt, um bei Emennungen und Beförderungen qualifizierter Beamter keine Einsprüche aus dem Berliner Reichsinnenministerium oder aus dem Braunen Haus in München zu provozieren, das sich seit Mitte der dreißiger Jahre ein politisches Vetorecht gesichert hatte.57 Diese gesondert 55

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Zu den bemerkensweit liberalen Schutzfristen- und Freigaberegelungen des Landesarchivgesetzes v. 27.7.1987 (Fassung v. 12.3.1990) siehe den Materialienband Archivrecht BadenWürttemberg 1990; vgl. Bannasch 1991. Zu den damit verbundenen Problemen der Benutzung (noch gesperrten) personenbezogenen Archivgutes siehe eingehend den Konferenzband von Bannasch 199S; vgl. aus der Sicht eines engagierten Archivars R. Müller 1993a. Im russischen Zentralen Staatsarchiv Moskau ("Sonderarchiv") befinden sich über 11.000 PA von Beamten des RIM aus der Zeit 1873-1945; siehe dazu das provisorische Bestandsverzeichnis von Aly/Heim 1992, 18f. Siehe z.B. den Bleistiftvermerk v. 13.6.1942 auf einer Mappe mit Unterlagen über die politische Beanstandung eines bad. Beamten durch eine NSDAP-Kreisleitung im Sommer 1933: "Auf Anordnung v. Herrn R[eg].R. Domes im Bogen aufzubewahren." Die PA sollten mit einem Beförderungsantrag nach Berlin versandt werden. Bei dieser "doppelten Buchführung" handelte es sich im übrigen um einen lange erprobten bürokratischen Kunstgriff; so findet sich auf einem Faszikel, der persönlich kompromittierende Vorgänge über einen prominenten bad. Beamten enthält, ein Vermerk des bad. Mdl v. 3.6.1926, die Akte sei, "im Hinblick auf die

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verwahrten Unterlagen sind offenbar zum größten Teil vernichtet worden oder sonst verloren gegangen. Die Lektüre der Personalakten zeichnet mithin häufig ein "geglättetes" Bild vom (politischen) Werdegang des jeweiligen Beamten. Gerade auch unter dem Kontinuitätsaspekt ist diese Quelle gleichwohl von zentraler Bedeutung, weil nur sie zumeist jahrzehntelange Beamtenkarrieren unter wechselnden politischen Rahmenbedingungen in der Zusammenschau abbildet. Als zweite große Quellengruppe wurde das Aktenmaterial nationalsozialistischer Provenienz ausgewertet. Für die große Mehrzahl der Beamten finden sich im früheren Berlin Document Center (jetzt Bundesarchiv) nur dürre Angaben über NSMitgliedschaften; aussagekräftiger sind gegebenenfalls die SS-Personalakten, gelegentlich auch die Personalakten des Obersten Parteigerichts. Das badische Generallandesarchiv Karlsruhe hingegen birgt sehr umfangreiches und vielfältiges NS-Schriftgut: häuptsächlich personenbezogene Unterlagen der Gauleitung BadenElsaß, insbesondere Dossiers des Gaupersonalamtes, Gestapo-Leumundsanfragen und Mitgliederakten des BNSDJ/NSRB, die jeweils eine Fülle von politischen Beurteilungen und Personalangaben enthalten; ferner von US-Besatzungsbehörden beschlagnahmte Registraturreste der NSDAP-Kreisleitungen, deren Erschließungszustand allerdings eine systematische Auswertung noch kaum zuläßt. Dossiers des Gaupersonalamtes und des Gauamtes für Beamte sind in großer Zahl auch in die Spruchkammerakten für das französisch besetzte Südbaden inkorporiert worden; sie werden neuerdings im Staatsarchiv Freiburg verwahrt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit befinden sich weitere umfangreiche NS-Unterlagen in den Archives de l'occupation Française en Allemagne et en Autriche (Colmar), den Archives du Bas-Rhin (Straßburg) und den Archives Nationales (Paris).58 Auf Recherchen in diesen Archiven habe ich jedoch verzichtet, weil dies von französischer Seite nach wie vor nicht offiziell bestätigt wird und weil die günstige Überlieferungssituation für Baden ohnehin kaum Wünsche offengelassen hat. Diese Feststellung gilt leider nicht für den ehemaligen NSDAP-Gau Württemberg-Hohenzollern, dessen NS-Schriftgut bis auf einige Überlieferungssplitter als verloren gelten muß. Was an verstreuten Materialien der Kreisleitungen erhalten geblieben ist, wird derzeit im Staatsarchiv Ludwigsburg neu verzeichnet und ist deshalb nur sehr eingeschränkt benutzbar. Für den von mir untersuchten Personenkreis dürften diese Quellenbestände ohnehin wenig einschlägig sein. Wesentlich aufschlußreicher sind in einer Reihe von Fällen die personenbezogenen

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gebührende vertrauliche Behandlung der Angelegenheit, von den Personalakten des Landrats [...] getrennt geßhrt" worden (GLAK, 233, Nr. 24.452; Hervorheb. von mir). Zum wachsenden EinfluB des Stellvertreters des Führers bzw. der Parteikanzlei auf die staatliche Personalpolitik siehe eingehend H. Mommsen 1966, 62-123; Caplan 1988, 159-174; Neliba 1992, 265-278; Longerich 1992, 40-73. In StraBburg werden u.a. die Bestände 'Reichsstatthalter Baden-ElsaB (1940-44)" (AL 125 u. 142) und "Reichsstatthalter in Baden, Chef der Zivilverwaltung (1940-45)" (W 1071) verwahrt. In Paris birgt der Teilbestand "National Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP Gau Baden-ElsaB" (in: AJ 40) umfangreiches Aktenmaterial; eine Findbuchkopie steht im GLAK zur Verfügung (Fremdrepertorium Nr. 1.363). Dazu und zur Überlieferung von NSProvenienzen in Südwestdeutschland allgemein siehe Roser 1995.

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"Handakten" des Staatssekretärs Waldmann, der als Vertrauter des Reichsstatthalters und Gauleiters Murr und als ehemaliger gehobener Beamter mit besten Kontakten zur Verwaltung eine personalpolitische Schlüsselstellung innehatte. Den dritten großen Quellenkomplex bilden die Entnazifizierungs- und Wiedergutmachungsakten. Nach Durchsicht der staatlichen Personalakten, gegebenenfalls der Dossiers des ehemaligen Berlin Document Center und etwa überlieferter NS-Unterlagen regionaler Provenienz förderte die Lektüre der Spruchkammerakten in den allermeisten Fällen kaum noch substantiell Neues zutage. Vor allem im amerikanisch besetzten Württemberg-Baden handelt es sich im wesentlichen um "Persilschein"-Sammlungen, und selbst die Spruchbegründungen geben nicht viel Verläßliches her. In Württemberg-Hohenzollern bergen die Akten der Säuberungsausschüsse und Spruchkammern noch weniger relevantes Material. Lediglich im Falle des ebenfalls französischen verwalteten Süd-Badens ist der Quellenwert der Entnazifizierungsakten teilweise hoch, weil darin - wie gesagt - in großer Menge NS-Dokumente im Original oder als Abschriften überliefert sind. Trotz dieser Einschränkungen sind die Entnazifizierungs- und Wiedergutmachungsakten als subsidiärer Quellenfundus unverzichtbar, weil sie durchweg Auskunft über die retrospektive Sicht der Dinge durch die Betroffenen vermitteln freilich mit Blick auf die Entlastungstatbestände des "Befreiungsgesetzes" von 1946 hochgradig verzerrt und standardisiert.59 Ebenfalls in mehr oder minder apologetischer Absicht hat eine Reihe führender Beamter teilweise recht umfangreiche Selbstzeugnisse verfaßt. Darunter befinden sich zum Beispiel aufschlußreiche Manuskripte des ehemaligen Ministerialdirektors im Karlsruher Innenministerium Müller-Trefzer und des Staatskommissars für die nationalsozialistische "Gleichschaltung" der Bezirks- und Körperschaftsverwaltung in Württemberg Battenberg, der sich als einziger Landrat im Südwestdeutschland bereits vor 1933 anonym für die NSDAP stark gemacht hatte. Punktuell ergänzt werden diese Erinnerungs- und Rechtfertigungsschriftsätze, die - wie im Falle Müller-Trefzers und auch des badischen Landrats und nachmaligen Rechnungshofpräsidenten Teilenbach60 - zumeist auf Manuskripte aus den Entnazifizierungsverfahren zurückgehen, durch wenige schriftliche und mündliche Auskünfte von Überlebenden meiner Untersuchungsgruppe. Die betreffenden Personen standen jedoch durchweg an der Schwelle der zehnten Lebensdekade, und dementsprechend begrenzt war der Erkenntnisgewinn, den ich aus ihren Mitteilungen habe ziehen können. Eine größere Anzahl verbliebener Lücken auf meinen Erhebungsbögen konnte ich in den Universitätsarchiven Freiburg, Heidelberg und Tübingen schließen. Die dortigen Matrikelverzeichnisse, Studenten- und Promotionsakten sowie - im Fall

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Dieser Umstand wird eindringlich herausgearbeitet in der Fallstudie von Gleber 1992. Der Autor wird demnächst einen zusammenfassenden Aufsatz publizieren. Tellenbach 1986.

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Tübingen - die Meldelisten der studentischen Korporationen haben sich als Fundgrube für sozialstatistische Nachrecherchen erwiesen.61 Von den gedruckten Quellen haben mir neben dem großherzoglich badischen Verzeichnis der Hof- und Staatsbeamten62 und einer Vielzahl von Jubiläumsartikeln und Nekrologen63 vor allem die - teils biographischen - Mitgliederverzeichnisse der akademischen Verbindungen besonders wertvolle Aufschlüsse geliefert.64 Unter dem Strich standen für den größten Teil meiner Probanden sowohl Informationen aus zwei oder mehr unabhängigen Fremdquellen als auch Selbsteinschätzungen ihres Tuns und Lassens während der NS-Zeit zur Verfügung. Was die prosopographischen Zeugnisse angeht, genügt die Materialbasis mithin jenen Ansprüchen, die daran seit Ranke aus quellenkritischer Perspektive zu stellen sind. Und doch hat es sich in manchem Einzelfall als äußerst schwierig erwiesen, das individuelle Verhalten und erst recht dessen Motive zu rekonstruieren - zu widersprüchlich sind in der Regel die Aussagen der Betroffenen vor und nach 1945 über ihren Werdegang während der NS-Zeit, zu sehr von den jeweiligen Interessen und vom überwölbenden Korpsgeist diktiert auch die Auskünfte der Innenministerien gegenüber dem Reichsressort und der NSDAP, später den amerikanischen und französischen Besatzungsbehörden und den deutschen Spruchkammern. Hinzu kommt, daß sich aus den erwähnten Gründen meine urspüngliche Absicht nicht hat verwirklichen lassen, aus der breitangelegten Durchsicht der ebenfalls reichlich überlieferten Sachakten der Innenministerien und der Landratsämter unmittelbare Aufschlüsse über das Spektrum der Möglichkeiten zu gewinnen, das alltägliche Verwaltungshandeln mehr oder minder regimekonform zu gestalten. Ich habe mich darauf beschränken müssen, stichprobenartig diejenigen Vorgänge auszuwerten, in denen es um personalpolitische Entscheidungen ging,65 insbesondere Unterlagen zur personellen Gleichschaltung der Bezirks- und Kommunalverwaltungen 1933 sowie Disziplinarakten unterer und mittlerer Beamter.

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In vielen Fällen geben schon die den Dissertationen der betreffenden Beamten beigefügten Lebensläufe entsprechende Auskunft. Zudem sind deren Themen für Einschätzung des fachlichen Interessenprofils und seiner möglichen Verschiebungen zwischen den Studentengenerationen nicht völlig unerheblich. Ich habe sie deshalb in Abschnitt 5 des Literaturverzeichnisses gesondert aufgeführt. Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912. Siehe Abschnitt 4 des Literaturverzeichnisses. Siehe Abschnitt 5 des Literaturverzeichnisses. Diese Beschränkung läßt sich sachlich immerhin auch durch den zeitlos gültigen Erfahrungssatz rechtfertigen: "Eine gute Personalpolitik (gehört) zu den Fundamenten einer guten Verwaltung"; siehe die "Erklärung" des vormaligen MinRs Hermann Reihling für das Spnichkammerverfahren des früheren Stuttgarter Kanzleidirektors Gustav Himmel v. 9.5.1947 (STAL, EL 902/20, Az. 37/5/11.672). Vgl. (für die preufl. Rheinprovinz) Romeyk 1989, 151.

I. Zwischen monarchischem Obrigkeitsstaat und demokratischer Republik. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930 "Die liberalisierenden und schöngeistigen Neigungen des Gerichtsassessors Dr. W. S. werden wohl bei seinem Wissen, seinem Charakter und seinem sympathischen Wesen ungefährlich sein.

Schwäbischer Etatismus Seit jeher wurde die Innenverwaltung von der Bevölkerung Württembergs als Inkarnation des Staates wahrgenommen, und dieses Bild entsprach auch zu Beginn der 1930er Jahre noch ihrem eigenen Selbstverständnis.2 Eugen Bolz (1881-1945), zehn Jahre lang Chef des Ressorts, war durchaus ein politischer Kopf, kein Beamtenminister traditioneller Prägung. Die alles dominierende "Sorge für den Staat" indessen teilte er mit seinen höheren Beamten uneingeschränkt.3 Doch welchen Staat betrachtete die württembergische Verwaltungselite als Kernstück ihrer Identität? Fühlten sich ihre Mitglieder dem parlamentarisch-pluralistisch verfaßten, "sozialen Volksstaat" Weimarer Provenienz mehr als äußerlich verbunden, oder waren ihre tiefergehenden Loyalitäten nach wie vor auf den monarchischen Obrigkeits- und Verwaltungsstaat der republikanischen Epoche ausgerichtet? Schon wenige Jahre nach dem Sturz des Königs hatte sich in Württemberg wieder eine "Beamtenregierung" "rechts oberhalb" der Mitte-Rechts-Koalitionsparteien etabliert.4 Bei den Stuttgarter Verfassungsberatungen hatte nicht zuletzt die linksliberale DDP darauf insistiert, "die Notwendigkeit eines rein fachlich und sachlich ausgewählten und vorgebildeten Berufsbeamtentums" konstitutionell zu verankern.5 Und während der folgenden Jahre wurde das heimische 1 2

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Siehe unten, mit Anm. 96. Zu den Ursprüngen dieser Selbststilisierung der Bürokratie zur Trägerin des nachnapoleonischen Württemberg und des "gouvemementalen Liberalismus" siehe Langewiesche 1991. Besson 1959, 47f.; vgl. ebd., 71. Zur Person siehe Miller 1951; Köhler 1982; Morsey 1982; Krämer 1988a; Sailer 1994. Mann/Nüske 1985, 569; Fenske 1972, 125f.; Matz 1989, 84f. Überblick über die württ. Kabinette 1918-1933 mit Kurzbiogr. aller Ressortchefs siehe Sauer 1983. Fischer 1990, 95. Der Autor war 1913-19 und 1929-33 DDP-MdL. Zum Mangel an Verständnis für die "Notwendigkeit einer Demokratisierung" im dominierenden Mitte-RechtsSpektrom Württembergs nach der Revolution siehe Fenske 1973, 124.

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I. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930

Fachbeamtenprinzip in ausdrücklicher Distanz zu dessen angeblicher Demontage durch die Berliner Ministerien nachgerade zum identitätsstiftenden Essential württembergischer Eigenstaatlichkeit verklärt.6 Das galt erst recht, nachdem die Sozialdemokraten 1923 endgültig das Stuttgarter Kabinett verlassen hatten und bei dieser Gelegenheit mit dem Arbeitsministerium ein vielbeargwöhnter Pfahl aus dem Fleisch der traditionellen Landesbürokratie entfernt worden war.7 Hatten doch an dessen Spitze Gewerkschafts- und Parteiführer wie Theodor Leipart, Alexander Schlicke und Wilhelm Keil gestanden - von denen sich nicht einmal sagen ließ, was ein maßgeblicher Exponent der überkommenen Ministerialbürokratie im Nachhinein über ihren Genossen Wilhelm Bios, den ersten Staatspräsidenten der Republik Württemberg, mit wohlwollender Herablassung formuliert hat: immerhin "ein wissenschaftlich gebildeter, vielerfahrener Mann".8 Bezeichnenderweise war die Koalitionskrise Mitte 1923 durch das Verlangen der Sozialdemokratie ausgelöst worden, das Innenministerium unter ihre Kontrolle zu bekommen, um von dort aus eine härtere Gangart gegenüber der NSDAP nach preußischem und badischem Vorbild durchzusetzen. Aus gegebenem Anlaß: "Die Gefahr der Nationalsozialisten in Württemberg dürfte weniger in der zahlenmäßigen Stärke dieser Bewegung, als vielmehr in der Tatsache liegen, daß der württembergische Beamtenapparat nicht unwesentlich mit dieser Gesellschaft durchsetzt ist", hatte etwa ein freigewerkschaftlicher Gewährsmann zu berichten gewußt.9 Doch dieser Vorstoß in Richtung einer Republikanisierung der Verwaltung konnte von den Protagonisten der traditionellen Machtverhältnisse ohne Mühe abgewehrt werden, und am Ende des Jahrzehnts monierte das Sprachrohr der sozialdemokratischen Opposition in Stuttgart zum wiederholten Mal: "Es ist ja ein unausgesprochener Ehrgeiz der württembergischen Regierung, nur Leute mit dem vorgeschriebenen juristischen Bildungsgang in Ministerstellen zu lassen und auf diese Weise so zu tun, als ob sie die Fortsetzung des alten Regimes wäre."10 6

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Das "unpolitische" Selbstbild der württ. Bürokratie wird teilweise noch heute kolportiert; vgl. etwa Eschenburg 1995, 146f. Die besonders ausgeprägte Dominanz des Beamtentums im öffentlichen Dienst Württembergs stach auch im ReichsmaBstab hervor; vgl. Personalstand und Personalausgaben 1933, 29. Zur (unterschiedlich) akzentuierten Distanz der süd(west)deutschen Länder gegenüber Berlin vgl. allgemein Benz 1970; für Baden vgl. etwa die Entscheidung der Kammer III des polit. Untersuchungsausschusses der Stadt Freiburg v. 4.3.1948 im Verfahren des ehemaligen Amtsvorstands Ernst Werber: "Der Betroffene selbst hat offenbar nicht den geringsten Wert darauf gelegt, als Landrat im preußischen Sinne zu erscheinen; er war ein süddeutscher Beamter, der gern mit der ganzen Bevölkerung in Berührung kam." (STAF, D 180/2, Nr. 23.212) Siehe dazu den knappen Bericht des ausgeschiedenen Emährungs- u. Wirtschaftsmin. : Keil 1948, 267ff.; vgl. Dehlinger I 1951, 177; Grube 1957, 563. Dehlinger I 1951, 174. Bezeichnend auch die leicht irritierte Charakterisierung der "eigenartige(n) Persönlichkeit in seiner Partei" durch den langjährigen Referenten im Staatsministerium, MinR Karl Ströle (geb. 1887, Pfarrersohn, Burschenschaft NormanniaTübingen): "studierter Heidelberger Corpsstudent" (Ströle 1967, 5). ADGB-BezirksausschuB für Württemberg, Hohenzollem, Baden u. die Pfalz (Stuttgart) an ADGB-Bundesvorstand, 29.3.1923; abgedr. in: Ruck 1988, 191f. Die Regierungskrise. Sie ist trotz aller Ableugnungen da (Schwäbische Tagwacht, Nr. 274, 21.11.1929). Bissiger Zusatz: "DaB keiner von den Herren im alten Staat Minister geworden

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Diese Klage galt nicht nur für die Ressortchefs, sondern erst recht für ihr leitendes Personal. Im höheren Dienst der württembergischen Innenverwaltung vermochte bis 1933 - abgesehen von nur zwei Aufsteigern aus dem gehobenen Dienst - lediglich ein einziger Beamter ohne abgeschlossenes Hochschulstudium unterzukommen: Regierungsrat Oskar Pliksburg (1891-1964), der nach seiner Verabschiedung als Berufsoffizier von Minister Bolz aufgrund politischer und wohl auch verwandtschaftlicher Beziehungen bei der Gebäudebrandversicherung untergebracht worden war.11 Doch hier handelte es sich nicht etwa um die gezielte Besetzung einer administrativen Schlüsselposition mit einem politischen Vertrauensmann, sondern um die Lösung eines speziellen Versorgungsfalles in einem marginalen Verwaltungsbereich ohne grundsätzliche Konsequenzen - ein klarer Fall von nepotistischer "WohltMgkeitspa.ùonzgs", nicht aber von politischer "//e/rsdiü/ttpatronage".12 Die Institution des "politischen Beamten" preußischer Prägung war und blieb in Württemberg unbekannt, wiewohl parteitaktische Gesichtspunkte bei der Besetzung der administrativen Spitzenpositionen - selbstverständlich - eine wichtige Rolle spielten.13 Unter ausdrücklichem Hinweis auf die württembergischen Verhältnisse ist das "Vordringen bürokratischer Tendenzen auf allen Ebenen als das entscheidende Signum" der späten Weimarer Republik bezeichnet worden.14 Die Ursachen dieser "Bürokratisierung der Politik" gerade auch im Südwesten des Reiches liegen zum einen in der mangelnden Fähigkeit und Bereitschaft der dortigen Machteliten, ihr politisches Denken und Handeln konsequent an den Maximen der Parteiendemokratie auszurichten; auf der anderen Seite bedurfte es dazu aber auch einer Trägerschicht, welche aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position, ihres professionellen Renommees und ihrer korporativen Identität in der Lage war, der tendenziell vorparlamentarischen Verwaltungsideologie württembergischer Provenienz unter gewandelten konstitutionellen Vorzeichen ein normatives Gewicht zu verleihen, dem sich selbst politisch denkende Exponenten des bürgerlichen Parteienlagers wie Bolz nicht zu entziehen vermochten.

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wäre, stört sie in dieser selbstgefälligen Einschätzung ihrer eigenen Tüchtigkeit und in ihrem Bewufltsein der 'Legitimität' wenig." Vgl. Besson 1959, 51. Zur strukturell bedingten Schwäche der württ. SPD in den zwanziger Jahren vgl. die knappen Hinweise bei Greiffenhagen 1979, 183-186. Die PA des - wie Bolz - aus Rottenburg gebürtigen Apothekersohnes sind nicht überliefert; vgl. aber den Mdl-EA v. 28.8.1925 (HSTAS, E 151/01, Bü. 865, Qu. 67). Weitere Angaben verdanke ich dem Diözesanarchiv Rottenburg (Sehr. v. 22.9.1993) und dem Stadtarchiv Rottenburg (Sehr. v. 4.11.1993). Siehe dazu allgemein Ellwein 1994, 117f. in Anlehnung an Eschenburg 1961 (Hervorheb. von mir). Vgl. Besson 1959, 51f.; Fenske 1972, 125f. Zu den parteipolitischen Einflüssen auf die Besetzung leitender Beamtenstellen vgl. für vieles den oben (Anm. 10) zit. Artikel der Schwäbischen Tagwacht v. 21.11.1929. Zur Beamten(personal)politik im Reich und in PreuBen siehe Behrend 1956 u. 1957; Pikart 1958; Runge 1965; Fenske 1985, 32-35; Wunder 1986, 121-124; Grotkopp 1992, 5-83. H. Mommsen 1976c, 85 im Anschlufl an Besson 1959, 205ff.; vgl. ebd., 241 et passim.

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I. Das Profil der südwestdeutschen Innenvenvaltung um 1930

Ehrbare Leute Das Beamtenkorps der württembergischen Innenverwaltung erfüllte diese Bedingungen. Auch um 1930 herum präsentierte es sich noch ausgesprochen homogen. In seinem Kern entstammte es nach wie vor der (alt)württembergischen "Ehrbarkeit" oder ihrem unmittelbaren Umfeld. Dabei handelte es sich um eine fast durchweg bürgerliche, hochgradig vernetzte Dienstklasse, aus der sich über Jahrhunderte hinweg das Gros der Beamten, Pastoren, Lehrer, Ärzte und Selbständigen des Herzogtums rekrutiert hatte.15 Nach dem Erwerb der überwiegend katholischen Gebiete Neu-Württembergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts16 hatte die protestantische Oberschicht allerdings ihren faktischen Monopolanspruch auf die Besetzung der nichtmilitärischen Führungspositionen eingebüßt, weil die katholische Minderheit seither wenn schon nicht paritätisch, so doch in gewissem Umfang daran teilhatte. Überdies erzwang das rasante personelle Wachstum des öffentlichen Dienstes seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine begrenzte Erweiterung seiner Rekrutierungsbasis.17 Die höheren Ränge der Innenverwaltung selbst vermehrten sich zwar kaum, doch verschärften insbesondere die Konkurrenz der stark expandierenden Leistungsverwaltungen (Sozialwesen, Bahn, Post) wie der steigende Personalbedarf des Reichs phasenweise die Konkurrenz um den qualifizierten juristischen Nachwuchs.18 Unbeschadet solcher Desintegrationsmomente vermochte die regionale Dienstklasse der württembergischen Ehrbarkeit ihre traditionelle Dominanz in den höheren Rängen der Staatsverwaltung bis tief ins 20. Jahrhundert hinein weitgehend zu behaupten.19 Die generationenbezogene Analyse der sozialen und regionalen Herkunft sowie der Konfessions- und Korporationszugehörigkeit jener höheren Beamten, die Anfang 1928 und Anfang 1933 15

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Vgl. Borst 1977, 99f. Zur Entwicklung und Kontinuität der altwürtt. Ehrbarkeit siehe allgemein Decker-Hauff 1946; zur Rolle der Beamtenschaft als integraler Teil der Ehrbarkeit siehe Bernhardt 1972; zur Zugehörigkeit der protestant. Geistlichkeit zur württ. Oberschicht siehe Trautwein 1972, 9-12; zur tendenziellen Abschwächung ihrer Exklusivität bei Wahrung ihres bürgerlichen Charakters unter dem EinfluB des Pietismus und der königlichen Beamtenpolitik im Verlauf des 19. Jahrhunderts siehe ebd., 46ff. sowie Treichel 1996, 71 u. 78. Für die empirische Analyse der *Ehrbarkeits"-Netzwerke böte das monumentale "Württembergische Dienerbuch" (Pfeilsticker 1957-1974) reichhaltiges Material. Wertvolle Hinweise zu diesem Komplex verdanke ich dem Leiter des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Wolfgang Schmierer. Zur Territorial- und Verwaltungsgeschichte des Königreichs Württemberg von 1803 bis 1918 siehe Dehlinger 1951/1953; Mann/Nüske 1984a; dies. 1984b. Zur Entwicklung auf der Oberamtsebene vgl. Grube 1975; Holzmann 1979. Siehe dazu eingehend Sturm 1981; vgl. Cullity 1967; Wunder 1986, 72-75. Gestützt vor allem auf bayerische und württ. Statistiken hat Michels bereits vor Jahrzehnten (1934, 58-72) darauf hingewiesen, dafi sich die Reknitierungsbasis der Studenten im Kaiserreich deutlich in Richtung Kleinbürger- und Kleinbauerntum verschoben habe. Vgl. Kaelble 1978, 63 u. 78f.; femer Ellwein/Zoll 1973, lOlff.; Wunder 1986, 72-75; Caplan 1988, 326f. Auch Besson (1959, 30) hebt die "starke protestantische Traditon in Bürgertum und Bürokratie" hervor.

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im Dienst der württembergischen Innenverwaltung gestanden haben, wird dies belegen. 20 Die landsmannschaftliche Herkunft der württembergischen Verwaltungselite (Tab. 17/18) ergibt ein unzweideutiges Bild: der höhere Dienst war vor dem Ersten Weltkrieg eine Domäne der Landeskinder gewesen, und an diesem Bild änderte sich im Verlauf der zwanziger Jahre nichts: "Der letztgenannte Bewerber [aus Preußen; M.R.] dürfte ohne weiteres ausscheiden, da zwei einheimische Bewerber vorhanden sind." Dieser lapidare Hinweis in einem Ernennungsantrag der Kanzleidirektion vom Juli 1930 brachte deren Präferenzen ohne Umschweife auf den Punkt. 21 Schließlich hatte die exklusive Rekrutierung der Beamtenschaft aus dem einheimischen Nachwuchs eine jahrhundertelange Tradition, und sie prägte seit jeher die bodenständige - um nicht zu sagen: provinzielle - Mentalität der württembergischen Verwaltungselite in nachhaltiger Weise. 22 Nur in unabweisbaren Einzelfällen wurden auswärtige Beamte übernommen - so etwa 1919/20 aus den untergegangenen Verwaltungen der deutschen Kolonien und ElsaßLothringens. Das Stigma des Außenseiters haftete ihnen allerdings dauerhaft an: "Mit Rücksicht darauf, daß er nicht geborener Württemberger ist und seine Verwendung auf dem Lande deshalb manchen Schwierigkeiten begegnen könnte [...]", hieß es beispielsweise noch Ende 1931 über einen ehemaligen Notar aus dem Elsaß, "(sollte) seine Verwendung in Stuttgart erfolgen." 23 Die Karriereaussichten solcher Beamten bedürfen keiner weiteren Erörterung. Nach außen stellte die württembergische Staatsverwaltung mithin allemal eine geschlossene Gesellschaft dar. Deren interner Vernetzungsgrad ließe sich exakt nur mittels einer systematischen Rekonstruktion der unmittelbaren und indirekten Konnubialverbindungen ermitteln. Darauf muß hier verzichtet werden, doch ließe sich eine ganze Anzahl von Belegen für die Illustration der These beibringen, daß solchen Verwandtschaftsbeziehungen gleichsam die Funktion eines subsidiären Kooptationskriteriums zukam. Vor allem bei der Einstellung konnte ein entsprechender Wink darüber entscheiden, welcher der konkurrierenden Bewerber letzten 2

" Bei den methodischen Vorüberlegungen für diesen Untersuchungsabschnitt habe ich insbesondere von der Lektüre nachstehender Studien profitiert: Wegmann 1969; Schröder 1984; Walter 1987, 194-228, 247-346; Weber 1984, 59-93; Bernhardt 1990, 117-133; Best 1990, 47-117; Jansen 1992b. 21 HSTAS, E 151/01, Bü. 1.422, Qu. 439 (19.7.1930). Es ging um die Wiederbesetzung einer ausgeschriebenen RegR-Stelle an einem OA. Auch öffentlich machte der Kanzleidirektor des Mdl aus dieser grundsätzlichen Maxime keinen Hehl (Scholl 1928, 66). 22 Besson 1959, 51f.; vgl. Eschenburg 1995, 147f. Robert von Mohl hat im Rückblick auf sein Jurastudium und sein Professorat in Tübingen (verfaßt 1849 bis 1874) die Konsequenzen der württ. Elitemekrutierung aus der "ganz verkommenen Juristenfakultät in Tübingen" in unübertroffener - seinerzeit als skandalös empfundener Schärfe - gegeißelt: "Welche Menschenund Weltkenntnis konnte ein junger Mann erwerben, welcher die Schule einer Landstadt besucht, in Tübingen seine ganze Studienzeit zugebracht hatte, von der Universität aus sogleich in irgend eine Schreibstube eines kleinen Amtsortes untergekrochen war? War es ein Wunder, wenn unter solchen Umständen das beschränkteste Philistertum und der absurdeste Hochmut der Unwissenheit in der Welt der Beamten, Geistlichen und so weiter in unschuldigster Naivität herrschte." (1902 , 145 u. 85f.; Hervoiheb. von mir). 23 HSTAS, E 151/21, Bü. 491, Qu. 60 (14.12.1931; Hervorheb. von mir).

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Endes den Zuschlag erhielt: "Er ist ein Sohn des Oberamtsvorstands von Ludwigsburg", "Er ist ein Verwandter des Ministerialrats K.", "Seine Frau sei eine Nichte des Ministerialrats Dr. M." 24 - solche Wendungen gehörten zum festen Repertoire des Kanzleidirektors im Innenministerium, dessen wichtigste Aufgabe die Vorauswahl des höheren Beamtennachwuchses und der Beförderungsaspiranten war. Und die Personalakten eines Spitzenbeamten, der vor, während und nach der NS-Zeit eine außerordentliche Karriere in der Innen- und Wirtschaftsverwaltung absolvierte, durchzieht wie ein roter Faden der Hinweis darauf, daß es sich bei ihm um den Schwiegersohn jenes Staatsrats Bosler handele, der bis 1933 als württembergischer Gesandter in Berlin amtierte.25 Bekanntlich kommt der primären Sozialisation im engeren Familien- und Verwandtschaftskreis hervorragende Bedeutung bei der Herausbildung und Internalisierung langfristig stabiler Rollenzuweisungen und Verhaltensdispositonen zu. 26 Die vor allem in Preußen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein - regional unterschiedlich - bedeutsame aristokratische Herkunft spielte dabei in Württemberg auch in den älteren Generationen keine Rolle: insgesamt waren von 1928 bis 1945 nur fünf adlige Beamte zeitweise in der dortigen Innenverwaltung tätig. 27 Der Blick hat sich mithin auf das soziale Herkommen der durchweg bürgerlichen Beamten zu konzentrieren. Der Vaterberuf ist dafür anerkanntermaßen das wichtigste Kriterium. Dieses Merkmal konnte für jene 230 bzw. 207 Beamten der Untersuchungsgruppe, die Anfang 1928 bzw. Anfang 1933 im aktiven Dienst standen, nahezu lückenlos erhoben werden. Ein erster Blick auf die Zusammenstellung der Ergebnisse (Tab. 7/8) ergibt vier markante Rekrutierungsschwerpunkte: den höheren Verwaltungsdienst (10,4/12,6 V.H.), die protestantische Geistlichkeit (8,7/9,2 v.H.), die nichtakademische Beamten- und Lehrerschaft (27,0/24,7 v.H.) und den Alten Mittelstand (22,2/24,6 v.H.) mit dem Schwergewicht auf selbständigen Kaufleuten und Gastronomen (11,3/12,6 v.H.). Zusammengenommen gehörte gut die Hälfte der Beamtenväter (52,2/50,7 v.H.) selbst schon dem Öffentlichen Dienst als Beamte an; ein reichli24

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HSTAS, E 151/21, Bü. 181, Qu. 2 (4.6.1928); ebd., Bü. 712, Qu. 6 (19.11.1926); HSTAS, EA 2/150, Bü. 449, Qu. 2 (12.1.1922). Noch am 10.8.1937 stellte der personalpolitische Koordinator des RStH u. GauL, StS Waldmann, gegenüber dem frischgebackenen MdlKanzleidirektor Stümpfig fest: Württembergs "Verwaltung ist abgesehen von gelegentlicher Vetterleswirtschaft (es kennt jeder jeden) und gelegentlicher Kleinlichkeit [...] sicher die straffste und wohl auch beste in Deutschland." (HSTAS, E 140, Bü. 1; Hervorheb. von mir). PA Dr. Wilhelm Schefold (HSTAS, EA 7/150, Heft I, Anhang, ohne Bü.-Nr.) Zu dessen Werdegang siehe Kap. IV, mit Anm. 51. Siehe dazu für vieles Walter 1981, 6-10 (mit weiteren Hinweisen). Es handelte sich dabei um vier württ. Adelssprößlinge der Jahrgänge 1887, 1889, 1903 und 1911 sowie einen 1939/40 kurzfristig beschäftigten Österreicher. Zur marginalen Bedeutung adliger Beamter in der Bezirksverwaltung Württembergs und Badens siehe Hoyningen-Huene 1992, 240. Zu der auch zu Weimarer Zeitrai noch vergleichsweise beachtlichen, wenngleich abnehmenden Präsenz des Adels in der landrätlichen Verwaltung Preußens siehe Runge 1965, 180-182; zur regionalen u. zeitlichen Differenzierung vgl. Behrend 1956, 117-119; ders. 1957, 200f.; Wegmann 1969, 33f., llOf., 157-161; Muncy 1970; Bemdt 1981, 127-133; Klein 1988, 41-45; Süle 1988, 193-195; Hoyningen-Huene 1992, 236-241.

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ches Drittel (37,8/38,6 v.H.) verfügte über eine abgeschlossene akademische Vorbildung; immerhin jeder siebente war Jurist (14,8/16,9 v.H.). Diese Zahlen stehen im Einklang mit dem, was bislang an empirisch fundierten Erkenntnissen über die soziale Rekrutierung der höheren Beamtenschaft im späten 19. Jahrhundert und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts formuliert worden ist. Zusammenfassend ist daraus gefolgert worden, daß während des 20. Jahrhunderts "rund die Hälfte der höheren Beamten wiederum aus Beamtenfamilien" stamme, wobei im Zeitverlauf "möglicherweise [...] die Herkunft aus höheren Beamtenfamilien etwas seltener, aus mittleren Beamtenfamilien etwas häufiger" vorgekommen sei.28 Dieser globale Befund deckt sich mit den hier vorgelegten Zahlen. Das gilt ebenso für die Beobachtung, daß den Unterschichten im allgemeinen und Arbeiterkindern im besonderen der höhere Staatsdienst de facto verschlossen blieb, während die Zugangschancen für Abkömmlinge der unteren Mittelschichten in den süddeutschen Staaten Bayern und Württemberg offenbar signifikant besser gewesen sind als in Preußen, wo Nobilitätskriterien eine zusätzliche, wenngleich brökkelnde Barriere für soziale Aufsteiger bildeten.29 Die generationenweise Betrachtung der württembergischen Erhebungsresultate läßt ferner eine gegenläufige Tendenz bei den Handwerkern, Kaufleuten und Gastronomen einerseits sowie den unteren und mittleren Beamten andererseits zutage treten.30 Während jene ihren Nachwuchs mit leicht sinkender Tendenz im höheren Verwaltungsdienst piazieren konnten, vermochten diese ihren Anteil im selben Zeitraum deutlich zu steigern. Zum einen ist diese Entwicklung Folge jener quantitativen Verschiebungen zwischen privatem und öffentlichem Sektor, welche sich während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insonderheit zu Lasten des Alten Mittelstandes vollzogen hatten; zum anderen drückten sich darin aber auch Verschiebungen der Berufspräferenzen in Richtung technischer Ausbildungen im gewerblich-industriellen Sektor aus, der in Teilen Württembergs überdurchschnittlich prosperierte. Für die Subalternbeamtenschaft hingegen entwickelte sich der akademische Verwaltungsdienst nach der Konsolidierung ihrer materiellen Lebensumstände und der partiellen Öffnung des höheren Bildungswesens im späten Kaiserreich je länger desto mehr zum Königsweg der intergenerationellen Aufstiegsmobilität.31 28

Kaelble 1978, 262 mit Tab. 7, 264; ders. 1983, 75 mit Tab. 2.2.3, 76. Kaelble 1978, 262 u. 1983, 78 unter Berufung auf Fenske 1972, 123f.; vgl. Henning 1984, 58-62 mit Abb. 8b, 54; Wunder 1986, 80. 3 " Allerdings dürfen die Relationen angesichts der recht geringen Fallzahlen je Generation nur behutsam interpretiert werden. 31 Der Anteil von Söhnen mittlerer Beamter an den Absolventen der ersten höheren Justizdienstprüfung in Württemberg blieb denn auch nach dem Krieg bemerkenswert stabil, obwohl sich die Ein- und Aufstiegschancen in der Landesverwaltung während der zwanziger Jahre zusehends verdüsterten (Scholl 1928, 72f.); vgl. zur Situation des Tübinger Juristennachwuchses Pfizer 1979, 106. Zum Vorstehenden vgl. allgemein Kaelble 1978, 267 u. 1983, 79f.; Windolf 1990, S. 57-59, 70-73; ferner Kater 1975, 56-73; Titze 1981, 209f.; Henning 1984, 62f.; Jarausch 1980; ders. 1984, 71-80; Wunder 1986, 75-81. Zur Entwicklung des gewerblich-industriellen Sektors in Württemberg siehe eingehend Megerle 1982; vgl. etwa Boelcke 1989, 229 et passim. 29

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Ein Blick auf die Sparte "Geistliche" belegt im übrigen den hohen Grad der personellen Vernetzung zwischen zwei wichtigen Untergruppen der protestantischen "Ehrbarkeit". Hervorhebenswert ist ferner der Umstand, daß nur wenige Landwirtsöhne in der Innenverwaltung dieses Landes reüssieren konnten, dessen Wirtschaftsstruktur in weiten Regionen noch überwiegend agrarisch geprägt war. Doch auch der Neue Mittelstand war dort um 1930 nur schwach repräsentiert, und für Söhne des gewerblichen Unternehmertums stellte der höhere Staatsdienst offenkundig keine attraktive Karrierealternative dar. Letzteres galt auch für die Sprößlinge von Akademikern, die in der Justiz tätig waren. Rangierte doch diese Sparte des Öffentlichen Dienstes in der internen Prestigehierarchie vor der Allgemeinen Staatsverwaltung.32

"Unersetzlich" Über alle diese Einzelbefunde hinaus ist von besonderem Belang, daß sich die Rekrutierungsbasis der administrativen Funktionseliten nur allmählich, graduell von Generation zu Generation veränderte. Der politische Systembruch von 1918/19 hat in Württemberg zu keiner meßbaren Zäsur in der sozialen Zusammensetzung des regionalen Verwaltungskorps geführt. Wie hätte er auch sollen? "Die alte Beamtenschaft stellte sich der neuen Regierung geschlossen und pflichtgetreu zur Verfügung und tat ihre Pflicht gewissenhaft weiter; sonst wäre alles drunter und drüber gegangen", brachte einer der Beteiligten die Situation des ersten Nachkriegswinters lakonisch auf den Punkt.33 Und die Provisorische Revolutionsregierung aus Mehrheitssozialdemokraten, Unabhängigen und Freien Gewerkschaftern wußte sich angesichts der drängenden Tagesprobleme und mangels personeller Alternativen nicht anders zu helfen, als das obrigkeitsstaatliche Verwaltungskorps unversehrt zu übernehmen. Zudem engte die - im Vergleich zu Preußen - geringe Zahl leitender Beamter in Württemberg und erst recht in Baden den Spielraum für ein umfassendes Personalrevirement von vornherein stark ein. 34 So konnte selbst der königliche Innenminister Dr. Ludwig von Köhler seinem Nachfolger Arthur Crispien von der USPD noch sechs (personal)politisch entscheidende Wochen als Unterstaatssekretär zur Hand gehen35 - zum Nutzen seiner ehemaligen Kollegen und Beamten, doch sehr zum Mißfallen der äußersten Linken: "Es ist geradezu lächerlich, wenn man sieht, wie der frühere Minister v. Köhler oder wie Oberbürgermeister Lautenschlager [Stuttgart; M.R.] bei jedem 32 33 34 35

Vgl. Eschenburg 1995, 146. Dehlingerl 1951, 174. Fenske 1972, 126 (Hervorheb. von mir). Köhler 1930. Zur Person Köhlers, der seine Karriere typischerweise 1894 in der Stuttgarter Innenverwaltung begonnen hatte, siehe die biogr. Notiz in: Kolb/Schönhoven 1976, 52. Zu den Parallelen dieses Vorgangs auf Reichsebene vgl. Elben 1965, 45-69; Winkler 1984, 68, 72-75.

Ultramontaner Nepotismus?

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einzelnen Beamten, gegen den man was einzuwenden hat, sofort mit der Antwort kommt: 'Dieser Beamte ist unersetzlich; er ist ein so tadelloser Kopf, daß wir ohne ihn gar nicht weiterarbeiten können!"', ereiferte sich 14 Tage nach der Revolution das spartaMstische Mitglied des Stuttgarter Vollzugsausschusses des Arbeiter- und Soldatenräte, Crispiens früherer Kampfgenosse und nachmaliger Vorsitzender der württembergischen KPD Edwin Hoernle, "[...] Von diesen Herren dürfen wir uns doch nichts vormachen lassen! Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Auch das Proletariat hat Intelligenzen. [...] Wir können uns auch einarbeiten in die heiklen Aufgaben, wenn wir bisher auch nur den beschränkten Untertanenverstand hatten." 36 Auch dieser Vorstoß verpuffte, zumal die leitenden Beamten vor Ort flexibel reagierten und alsbald mit den Exponenten der gemäßigten Linken zusammenarbeiteten, um die Lage rasch wieder unter Kontrolle zu bekommen.37 Die Lektüre der Personalakten älterer Beamter aus dieser Zeit läßt denn auch kaum einmal ahnen, welche grundstürzenden Veränderungen sich auf der politischen Bühne vollzogen hatten. Ernennungsanträge des Innenministeriums, die noch "An den König" gerichtet worden waren, wurden ohne Anstände von den neuen Machthabern vollzogen; und auch die neuformulierten Schriftsätze lassen nach Form und Inhalt nicht erkennen, daß sie nunmehr an ein Gremium sozialistischer Volksbeauftragter adressiert waren. Politische Einwirkungen vermochten die Zusammensetzung der administrativen Eliten kurz- und mittelfristig in der Substanz nicht zu verändern. Das Beispiel des (nach)revolutionären Württembergs unterstreicht diese Erkenntnis nur einmal mehr. In der Tat sind es wohl zuvörderst die begrenzten Auflockerungen der Zugangsbarrieren des höheren Bildungswesens vor 1914 gewesen, welche in den zwanziger Jahren mit entsprechender zeitlicher Verzögerung zu moderaten Verschiebungen im Sozialprofil des Verwaltungskorps geführt haben. 38 Nach den Entscheidungen gegen grundlegende Strukturveränderungen des öffentlichen Dienstes von 1918/19 konnte das auch gar nicht anders sein, zumal eine professionell geschulte Gegenelite tatsächlich nicht zur Verfügung stand.

Ultramontaner Nepotismus? Unter diesen Umständen sind Effekte politischer Interventionen auf dem Feld der Personalrekrutierung noch am ehesten auf der Merkmalsdimension Konfession zu erwarten. Hatte doch die katholische Honoratiorenschaft Württembergs seit der Jahrhundertwende immer wieder ebenso vehement wie vergeblich ihre volle 36

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Auf der Vollversammlung des Arbeiter-Rates Groß-Stuttgart am 25.11.1918; zit. nach: Kolb/Schönhoven 1976, 52 (Hervoiheb. von mir). Vgl. Kolb/Schönhoven 1976, XVI et passim. Kaelble 1979, 269f., 273f. u. 1983, 79-81, 84; vgl. Windolf 1990, 52-81.

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I. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930

paritätische Berücksichtigung gefordert. Nachdem der Zentrumspartei 1919 eine Schlüsselposition im Landeskabinett zugefallen war, schien sich die Möglichkeit zu eröffnen, ihren "echten politischen Nachholbedarf'39 endlich zu befriedigen. Doch die Klagen aus dem katholischen Lager verstummten nicht. Vor allem die Kultus- und die Finanzverwaltung wurden von den Erben der altwürttembergischen Ehrbarkeit mit Erfolg als rein protestantische Domänen verteidigt. Auch im höheren Dienst der Justizverwaltung waren ihre katholischen Glaubensbrüder noch Mitte der zwanziger Jahre mit einem Anteil von 16 v.H. gegenüber knapp 32 v.H. in der Gesamtbevölkerung deutlich unterrepräsentiert, obwohl dieses Ressort seit 1919 von den Zentrumsministern Bolz und Beyerle geführt wurde.40 Gemessen daran konnte die staatliche Innenverwaltung geradezu als relative Hochburg der katholischen Verwaltungselite gelten. Schließlich war sowohl 1928 als auch 1933 gut jeder fünfte Angehörige des höheren Dienstes ein Katholik (Tab 17/18). Dies entsprach in etwa dem Anteil katholischer Absolventen der ersten höheren Justizdienstprüfung in Württemberg.41 Hinweise auf systematische Einflußnahmen im Sinne eines "katholischen Nepotismus"42 allerdings gibt die Statistik wiederum nicht her. Schon bei den während 1860er bis 1880er Jahre geborenen Beamten, die noch vor dem Krieg in die Verwaltung eingetreten waren, bewegte sich der Katholikenanteil um diesen Wert; und eine bevorzugte Einstellung katholischer Nachwuchsleute aus den Geburtsjahrgängen der 1890er Jahre und des ersten Jahrzehnts nach der Jahrhundertwende hat augenscheinlich nicht stattgefunden. Angesichts der hohen kriegsbedingten Ausfälle innerhalb dieser Alterskohorten wären derartigen Bestrebungen durch den Nachwuchsmangel der frühen zwanziger Jahre und den Wechsel einiger Württemberger in die katholisch dominierte Reichsarbeitsverwaltung43 von vornherein enge Grenzen gesetzt gewesen. Hinzu kam, daß sich die Zentrumsminister von Beginn an davor hüten mußten, den heftigen Attacken aus dem Lager der protestantischen Bevölkerungsmehrheit auf ihre angeblich einseitige Personalpolitik Nahrung zu geben. Im übrigen waren Proporzerwägungen seit jeher im Innenressort noch am ehesten akzeptiert worden. Mit Blick auf die dauerhafte Integration der neuwürttembergischen Landesteile galt es auch der protestantischen Seite seit langem als opportun, die dort massierten katholischen Oberämter bevorzugt mit Katholiken zu besetzen. In 15 der 61 Bezirke erreichte der Katholikenanteil in den 39 40 41

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Besson 1959, 30. Zum Vorstehenden siehe Hagen 1960, 73-77, 579-581; vgl. Besson 1959, 30. Wie der Kanzleidirektor des Mdl detailliert nachwies, lag der Anteil von Katholiken an den Absolventen des Zeitraumes 1918-1928 bei 23 v.H. gegenüber 31 v.H. an der Gesamtbevölkerung (Scholl 1928, 67-69). Eschenburg 1974, 76. So gab die württ. Innenverwaltung im Frühjahr 1929 neun höhere Beamte als Arbeitsamtsvorsitzende an die im Bezirk Südwestdeutschland von Josef Kälin (Zentrum) geleitete Reichsarbeitsverwaltung ab. Darunter befanden sich vier Katholiken; Sehr. v. 13.4.1929 (HSTAS, E 151/01, Bü 1227). Drei von ihnen gehörten wie Kälin einer Tübinger CV-Verbindung an, einer war KV-Korporierter.

Stabilität im Wandel

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frühen dreißiger Jahren die 75 v.H.-Marke und überstieg sie dort zumeist sehr deutlich.44 Der katholischen Interessensphäre hinzugerechnet wurde ferner das Oberamt Rottenburg (58 v.H.), dessen Amtsstadt die Diözesanverwaltung beherbergte: "Was die Nachfolge des Landrats [...] als Vorstand des Oberamts Rottenburg betrifft, so dürfte davon auszugehen sein, daß derselbe mit Rücksicht auf das Bischöfliche Ordinariat wenn möglich katholischer Konfession sein sollte. " 45 In einzelnen Fällen gaben andere Gesichtspunkte den Ausschlag für protestantische Bewerber um ein katholisch geprägtes Oberamt, doch in der Regel wurde dem Konfessionsproporz bis 1933 strikt Genüge getan: Anfang 1928 amtierten in Württemberg 15 katholische Landräte, fünf Jahre später waren es 14 (Tab. 23).

Stabilität im Wandel Zusammengenommen vermittelt die Betrachtung der sozialen und konfessionellen Zusammensetzung des württembergischen Verwaltungskorps den Eindruck großer Stabilität im allmählichen Wandel der Rekrutierungsbasis. Gleichwohl präsentierte es sich in dieser Hinsicht nicht als "partikulare Herrschaftskaste", die "hermetisch" gegen soziale Aufsteiger abgeschottet gewesen wäre:46 die Quote unmittelbarer Selbstrekrutierung war zwar nennenswert, aber doch mit gut einem Zehntel bei weitem nicht hoch genug, um eine solche Qualifizierung zu rechtfertigen.47 Allerdings sorgte allein schon der beachtliche Anteil von Subalternbeamtenkindern dafür, daß viele Nachwuchsleute aus nichtakademischen Elternhäusern bereits mental prädisponiert dafür waren, sich friktionslos in die Normen- und Verhaltenswelt der Verwaltungselite einzufügen. Denn gerade in Württemberg orientierte sich der gehobene mittlere Verwaltungsdienst seit langem an durchaus vergleichbaren Wertmustern, was die strikt etatistische Fixierung und das 44

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Es waren dies: Biberach, Ehingen, Ellwangen, Schwab. Gmünd, Horb, Laupheim, Leutkirch, Neresheim, Ravensburg, Riedlingen, Saulgau, Spaichingen, Tettnang, Waldsee, Wangen. Uberwiegend katholische Wohnbevölkerung wiesen ferner auf: Aalen, Neckarsulm, Oberndorf, Rottenburg, Rottweil (Württemberg in Wort u. Zahl, 1937, 24 mit Tab. 1, 164-167). Vgl. unten, Abb. 2. Nicht ausgefertigter Antragsentwurf vom Juli 1930 (HSTAS, E 151/01, Bü. 150). Erstes Zitat·. Süle 1988, 197. Zweites Zitat·. Wunder 1986, 81; vgl. ebenso Henning 1984, 65. Besson 1959, 51f. hat bereits vor geraumer Zeit beiläufig die vielfach "kleinbürgerliche Herkunft" der württ. Beamten erwähnt und deren Auswirkungen auf ihre Verhaltensdispositionen angesprochen. Im preuB. Ministerium für Handel u. Gewerbe etwa entstammte ein knappes Drittel des Personals der höheren Beamtenschaft (Berndt 1981, 124). Zum "drastische(n)" Rückgang der Selbstrekrutiening der höheren Beamtenschaft im Kaiserreich siehe Henning 1984, 52-65, Zitat 53. Vgl. aber die - hier im wesentlichen bestätigten Schlußfolgerungen Zapfs (1965, 86f.) für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts: 1. "Die Berufsvererbung (ist) nahezu gleich geblieben"; 2. "Der Weg der unteren Schichten in Positionen der Verwaltungselite führt also fast immer durch die Institution des Beamtentums selbst und dauert zwei Generationen. "

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I. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930

Fachbeamtenprinzip anbelangte.48 Die Rolle des höheren Beamten war das beherrschende Leitbild dieser Gruppe, und demzufolge bildete es den erziehungsleitenden Fluchtpunkt der eigenen, zumeist unerfüllbaren Aufstiegshoffungen, die auf den Nachwuchs projiziert wurden. Derart vorgeprägt fiel es den Abkömmlingen öffentlich Bediensteter der nichtakademischen Ränge in der Regel nicht schwer, sich rechtzeitig den Usancen der gesellschaftlichen Eliten anzupassen.49 Dafür sorgten ansonsten die drei wichtigsten Instanzen der sekundären Sozialisation: erst Schule und Universität, sodann das Militär, schließlich die Ausbildungsstationen des Referendariats und Assessorati. Mancherlei seit Generationen erprobte Initiationsriten der Ruling classes sorgten auf diesen Stationen dafür, daß auch die Aufstiegsaspiranten aus den kleinbürgerlichen Rekrutierungsreservoirs außerhalb des Öffentlichen Dienstes bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr jenen Komment internalisiert hatten, der sie für den Rest ihres (Berufs-)Lebens mit großer Zuverlässigkeit dagegen immunisierte, aus der Rolle des dienstlich wie gesellschaftlich jederzeit loyalen Staatsdieners zu fallen. Die Geburtsgenerationen der 1860er bis 1880er lahre - sie stellen immerhin eine knappe Hälfte der Untersuchungsgruppe - haben in Württemberg wie in Baden mit ganz wenigen Ausnahmen als "Einjährige" den begehrten Status des Reserveoffiziers erworben. Die herausragende Bedeutung dieser Institution im Rahmen der obrigkeitsstaatlichen Elitenerziehung des Wilhelminismus ist hinreichend bekannt.50 Durch die obligatorische Mitgliedschaft in Regimentsvereinen und Offiziersbünden wurde ihre einstellungs- und verhaltensprägende Wirkung über die aktive Zeit hinaus verlängert und verstärkt. Auch diese Mitgliedschaften 48

Vgl. Festschrift württ. gehob. Verwaltungsdienst 1962; Wehling 1985, 37f. ® Grotkopp gelangt demgegenüber, nach kursorischer Erörterung auf dürftiger empirischer Basis, zu dem Fazit: 'Die Folge dieser Veränderungen [der sozialen Rekrutierung der höheren Beamtenschaft; M.R.] bestand nun nicht allein in einer gesteigerten Berücksichtigung bisher unterrepräsentierter Teile der Bevölkerung bei der Stellenvergabe. Die verstärkte geseUschaftliche Durchmischung führte weitergehend zu einer Zerstörung der sozialen Homogenität der Beamtenschaft, die sich über Generationen hinweg als Kaste hatte fühlen können." Dieser Befund ist (nicht nur mit Blick auf Württemberg) ebenso wenig plausibel belegt wie der (gleich in mehrfacher Hinsicht) abwegige Schluß: "Damit aber wurden die Staatsdiener einer wesentlichen Grundlage ihres gesellschaftlichen Selbstverständnisses beraubt. In diesem Verlust an sozialer Identität kann letztlich wohl der tiefere Grund für die reservierte Haltung der Beamten gegenüber der Republik erblickt werden. Auf lange Sicht bereitete der einzig unbestreitbare Erfolg der Regierenden bei der Anpassung an die verfassungsrechtlichen und politischen Verhältnisse schneller und nachhaltiger den Weg zur endgültigen Niederlage der Republik, als dies der wahrhaft gute Wille zur Demokratisierung erahnen ließ. " (ders. 1992, 77-83, hier 83; Hervorheb. von mir). 50 Grundlegend dazu John 1981. Wie Mertens (1986, S. 60) - unter Berufung auf Friedrich Meinecke - unterstreicht auch Eschenburg (1974, 72) die "maßgeblich(e)" Bedeutung der Zugehörigkeit zum Reserveoffizierskorps für die Kooptationsentscheidungen der Verwaltungselite; demgegenüber vermiBt Henning (1984, 83-85) die empirische Evidenz solcher Aussagen. Meine Eindrücke bestätigen diese Skepsis nicht. Übrigens verzichteten bekennende katholische Akademiker, wie etwa der spätere württ. Mdl Bolz, vielfach auf dieses Eintrittsbillet in die "höhere Gesellschaft", weil der Duellzwang für Reserveoffiziere mit den kirchlichen Vorschriften nicht vereinbar war (Miller 1951, 55f.).

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Alte Herren

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brauchen hier im einzelnen nicht analysiert werden, weil sich für die in Frage kommenden Alterskohorten ein höchst uniformes Bild ergeben würde.

Alte Herren In ihrer Prägekraft mindestens ebenbürtig war die Mitgliedschaft in einer studentischen Korporation und deren Altherrenschaft. Nicht umsonst ist der "Corpsstudent als Idealbild der Wilhelminischen Ära" porträtiert worden.51 Es fehlt auch nicht an Hinweisen auf den ausgeprägten "Korporationsnepotismus" im Rekrutierungsprozeß der (preußischen) Beamtenschaft.52 Überdies verstanden und verstehen sich die Verbindungen als "Lebensbünde",53 und die Lektüre der einschlägigen Selbstzeugnisse legt den Eindruck nahe, daß sie nicht zuletzt auch als Umschlagplatz für den Aufbau konnubialer Vernetzungen der Funktionseliten gedient haben. Auf der Suche nach deren entscheidenden Sozialisations- und Kooptationsinstanzen müssen sie mithin einer näheren Betrachtung unterworfen werden.54 Die württembergische Landesuniversität Tübingen zählte zu den frühen Hochburgen des deutschen Korporationswesens. Diesen Nimbus büßte sie auch während der Weimarer Republik nicht ein.55 Dort wie anderswo wurde die juristische Fakultät in besonders hohem Umfang von Söhnen der staatsnahen Funktionseliten frequentiert.56 Kein Wunder also, daß Anfang 1928 drei von vier höheren Beamten der württembergischen Innenverwaltung Verbindungsbrüder waren; Anfang 1933 stellten letztere gar vier von fünf Beamten (Tab. 17/18). Verschwindend gering war darunter der Anteil derjenigen, die sich einer auswärtigen Korporation angeschlossen hatten. Denn fast alle Angehörigen der Innenverwaltung hatten ihr Studium als Landeskinder hauptsächlich in Tübingen absolviert, und es galt als ungeschriebenes Muß, dort zumindest seine Erste juristische Staatsprüfung 51 52

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So der Titel von Studier 1990. Eschenburg 1974, 73; ders. 1961, 20; vgl. ders. 1974, 75. Als Mitglied der in Württemberg mit tonangebenden Burschenschaft Germania mufi der Autor gewufit haben, wovon er schrieb. Vgl. etwaBehrend 1956, 119f„ 145f.; ders. 1957, 201f.; Runge 1965, 186f.; Studier 1990; zurückhaltender hingegen Henning 1984, 82f. Vgl. jetzt Gehler 1994. Das ist ein überaus mühseliges Geschäft. Denn nur mit einer präzisen auswendigen Kenntnis sämtlicher Beamtennamen war es überhaupt möglich, aus den disparaten gedruckten Materialien der Verbindungen, den im Untersuchungsgebiet nur im Tübinger Universitätsarchiv vorhandenen Meldelisten der Korporationen und sonstigen personenbezogenen Archivalien die in Tab. 24/25 aggregierten Mitgliedschaftsdaten hinreichend vollständig zu ermitteln. Ich bin den Herrn Ministerialrat Dr. Jürg Arnold (Stuttgardia-Tübingen) und dem Leiter des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Wolfgang Schmierer (Lichtenstein-Tübingen), für unentbehrliche einführende Hinweise in eine mir bislang eher fremde Sphäre des Universitätslebens zu Dank verpflichtet. Auch Herr Eberhard Kugler (Ghibellinia-Tübingen) hat mit einige wertvolle Auskünfte erteilt. Einen knappen Oberblick aus Sicht der heutigen Verbindungen vermittelt Kratsch 1978. Titze 1981, 192, 197f.; Jarausch 1984, 78f.

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abzulegen. Schließlich wohnte den Prüfungen regelmäßig auch ein Vertreter der Kanzleidirektion des Innenressorts bei, um sich ein erstes Bild von den möglichen Bewerbern des neuen Examensjahrgangs zu machen. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Aspiranten auf eine Karriere in der Innenverwaltung ohnehin fest an Tübingen gebunden gewesen. Denn die hatte ihren Nachwuchs durchweg aus dem Kreis deqenigen Juristen rekrutiert, welche dort die Erste höhere Verwaltungsdienstprüfung abgelegt hatten.57 Der darauf vorbereitende staatswissenschaftliche Studiengang war so stark auf die spezifischen Rechts- und Verwaltungsverhältnisse des Landes zugeschnitten gewesen, daß auswärtige Konkurrenten von vornherein keinerlei realistische Zugangschancen besaßen. Eine generationelle Differenzierung der Mitgliederquoten ist aus den Zahlenreihen kaum abzulesen. Der deutlich kleinere Anteil der Korporationsmitglieder unter den 1928 noch im Dienst befindlichen Beamten der 1860er Jahrgänge (Gl) wird in seiner Validität durch die geringe Fallzahl relativiert. Immerhin mag es sein, daß sie auch zu Zeiten ihrer zahlenmäßigen Dominanz etwas schwächer in der Verwaltung repräsentiert gewesen sind. War doch das deutsche Verbindungswesen erst zur vollen Entfaltung gelangt, nachdem sie Mitte der 1880er Jahre die Universität verlassen hatten. Auf dem Höhepunkt dieser Konjunktur hatten die Geburtsjahrgänge der 1890er Jahre kurz vor dem Krieg ihr Studium aufgenommen.58 Nicht nur deshalb war der Korporiertenanteil unter dieser Altersgruppe besonders hoch. Ein Verstärkungseffekt dürfte auch von dem Umstand ausgegangen sein, daß die personalpolitischen Schaltstellen der Innenverwaltung sich mittlerweile fest in der Hand von "Alten Herren" befanden. Die Existenz und die Struktur der nunmehr fest geknüpften "Seilschaften" von der juristischen Fakultät zur Innenverwaltung dürften in den interessierten Tübinger Studentenkreisen ein offenes Geheimnis gewesen sein. Angesichts der düsteren Zukunftsaussichten, die den akademischen Nachwuchs während der Demobilisierungs- und Inflationskrise der ersten Nachkriegsjahre in seinen Karriereambitionen verunsicherten, lag der Versuch nahe, sich dort beizeiten einzuklinken. Überdies besaßen die Korporationen gerade angesichts der relativen Verarmung mancher (klein)bürgerlicher Haushalte durch die Bereitstellung günstiger Wohn-, Beköstigungs- und Freizeitmöglichkeiten eine erhebliche soziale Anziehungskraft.59 Und schließlich bescherte der völkisch-nationalistische Zeitgeist, von 57

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Vgl. etwa Pfizer 1979, 76. Zum Ablauf der seit 1903 für alle Anwärter des höheren Justizund Verwaltungsdienstes gleichermaßen obligatorischen ersten höheren Justizdienstprüfung und zu den informellen Auslesemodalitäten vgl. die Schilderung des Mdl-Kanzleidirektors Reinhold Scholl (1928, 62-64). Zur Expansion des Koiporationswesens im Kaiserreich und deren Implikationen für die ideologische Ausrichtung des akademischen Nachwuchses siehe eingehend Jarausch 1982; vgl. ders. 1984, 59-70, 82-93; siehe feiner Kampe 1988; Heither 1992. Zur mentalitätsgeschichtlichen Einstimmung nach wie vor unverzichtbar: das Porträt des "Neuteutonen" Doktor Diederich Heßling alias "Der Untertan" - von Heinrich Mann just zu jener Zeit publiziert, als der Wilhelminismus sich aus der politischen Geschichte, keineswegs jedoch aus den Köpfen der Eliten verabschiedete. Die Darstellung dieser Aktivitäten nimmt in den Selbstzeugnissen der Korporationen durchweg breiten Raum ein; siehe die in Abschnitt S des Literaturverzeichnisses. Zur sozialen Lage der

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dem die Generationen der "Kriegsfreiwilligen" und der "Kriegsjugendlichen" seit 1918/19 auf breiter Front erfaßt wurden, den Korporationen auch im Volksstaat von Weimar einen ungebrochenen, wenn nicht sogar wachsenden Zulauf. 60 So lag denn auch der Anteil von ehemaligen Verbindungsstudenten voll im Trend der vorangegangenen Generationen, als die Geburtsjahrgänge der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts Mitte der dreißiger Jahre das Gros der höheren Verwaltungsleute stellten (Tab. 19/20). Über die Beamtengenerationen hinweg wurde die württembergische Innenverwaltung mithin von Korporationsmitgliedern dominiert. Bleibt die Frage nach der Zusammensetzung dieser Personengruppe. Denn bei aller Grundübereinstimmung in Fragen der nationalen Orientierung und des gesellschaftlichen Komments - das deutsche Verbindungsstudententum war doch vielfältig fraktioniert in schlagende und nichtschlagende, farbentragende und "schwarze" sowie konfessionell orientierte und stärker politisierte Korporationen, die sich zudem in häufig verändernden Konstellationen zu lockeren Gemeinschaften und zu weiter ausgreifenden Dachverbänden zusammenschlossen, um sich untereinander umso heftiger zu befehden. An der Traditionsuniversität Tübingen war dieser Mikrokosmos voll ausgebildet, und das Bild wurde noch unübersichtlicher dadurch, daß selbst einander sonst nahestehende Verbindungen Semester für Semester heftig um den Nachwuchs buhlten. Gleichwohl lassen sich einige Differenzierungen vornehmen, die mit Blick auf die spezifische Prägung der korporierten Beamten einiges Interesse beanspruchen dürfen. Die Burschenschaften stellten reichsweit das größte Kontingent der Verbindungsstudenten.61 Auch in Tübingen waren sie stark vertreten. Ein knappes Viertel der Korporationsmitglieder in der württembergischen Innenverwaltung rekrutierte sich aus ihren Reihen (Tab. 25). Ihre Verteilung auf die einzelnen Burschenschaften offenbart jedoch schon zwei für diese Gruppe charakteristische Merkmale. Zunächst einmal springt der Umstand ins Auge, daß die beiden nichtschlagenden Burschenschaften Normannia und Königsgesellschaft Roigel weit überproportional vertreten waren.62 Dieses Faktum mag auf eine Tendenz zu moderateren Einstellungen und Umgangsformen unter den Aspiranten für den Staatsdienst hindeuten - die große Resonanz der vornehmen Königsgesellschaft unterstreicht diesen Eindruck noch. Des weiteren bleibt festzuhalten, daß die betreffenden Beamten mit einer einzigen Ausnahme aus nahezu rein württembergischen

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Studentenschaft siehe allgemein Kater 1975, 43-56; Jarausch 1984, 141-144; vgl. etwa die GieBener Fallstudie von Chroust 1994 I, 121-124. Zorn 1965, 252. Zur generationellen Differenzierung der ersten Studentenjahrgänge nach dem Krieg in "Kriegsfreiwillige" ("junge Frontgeneration" der Mitte der 1890er Jahre Geborenen) und "Kriegsjugendliche" (nach 1900 geboren) und deren (politischen) Mentalitäten siehe Herbert 1991, 115-119 et passim; ders. 1996, 42ff.; vgl. schon Fogt 1982, 129-131. Mitgliederzahlen (Aktive u. Alte Herren) der deutschen Korporationsverbände 1929 siehe Heither/Lemling 1992, 120f. Die Normannia war nur zeitweise formelles Mitglied der deutschen Burschenschaft. Zur "besonders exklusiven) Rolle", welche die Angehörigen der Königsgesellschaft Roigel - ehemals "Feuerreiter", dann "Königsstiftler" genannt - seit dem frühen 19. Jahrhundert in Tübingen spielten, siehe Schwäbischer Olymp 1986, 82.

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Burschenschaften stammten. Bei dem einzigen Ausnahmefall handelte es sich um den Sohn eines zugezogenen Universitätsprofessors, der sich aus traditionalen Motiven der preußisch dominierten Derendengia angeschlossen hatte. Das wurde in der württembergischen Staatsverwaltung ansonsten nicht goutiert, wie die verschwindend kleine Zahl von Angehörigen eines Kösener Korps in ihren Reihen belegt. In Preußen stellten die überwiegend vom Adel dominierten, ausnahmslos schlagenden Korps auch zu Weimarer Zeiten noch den bei weitem größten Anteil der Verbindungsstudenten unter den höheren Fachbeamten.63 Das galt übrigens auch für dessen südwestdeutsche Exklave: Von den 25 höheren Beamten der hohenzollerischen Untersuchungsgruppe gehörten zwölf nachweislich einer Korporation an (48 v.H.) - die eine Hälfte einem Kösener Korps, die andere katholischen CV- oder KV-Verbindungen (4/2). 64 Die marginale Position der Korps innerhalb der württembergischen Bürokratie ist ein unverkennbares Zeichen jener identitätsstiftenden Distanz, welche die süd(west)deutschen Länder gegenüber "Berlin" kultivierten, und darüber hinaus unterstreicht sie nochmals ihren ausgeprägt bürgerlichen Habitus. 65 Auf der internen Prestigeskala der Korporationen rangierten die - durchweg schlagenden - Landsmannschaften und Turnerschaften allem Anschein nach wegen ihres rustikaleren Ambientes nicht so weit oben wie die aristokratischen Korps und die nichtschlagenden Burschenschaften. In der württembergischen Innenverwaltung standen sie denn auch weniger hoch im Kurs als die letzteren: Nicht einmal jeder fünfte Beamte kam insgesamt aus ihrer Mitte, und dabei lag der Schwerpunkt auf den Geburtsjahrgängen der 1860er und 1870er Jahre. Von diesen älteren Beamten hatten sich jedoch nur zwei Mitglieder der kleinen Landmannschaft Schottland in Schlüsselpositionen emporarbeiten können: Dr. Robert Held (1875-1938), Ministerialdirektor von 1927 bis 1933, und Rudolf Scholl (1873-1950), zweiter Ministerialdirektor und Stellvertreter des Innenministers von 1929 bis 1934.66 Personalpolitisch indessen vermochten beide während der relativ kurzen Phase ihres Wirkens wenig im Sinne ihrer jüngeren Bundesbrüder zu bewegen. Held gehörte als Katholik nicht einer katholischen Verbindung an, was seinen Rückhalt bei Minister Bolz, einem engagierten CV-Mann, zumindest in dieser Hinsicht schwerlich gefördert hat; und als Scholl sein Amt eben angetreten hatte, wurde in der württembergischen Verwaltung aus fiskalischen Gründen faktisch eine Einstellungssperre verhängt. Zudem war die einflußreiche Kanzleidirektion fest in anderen Händen: 1919 bis 1925 sortierte dort das Lichtensteiner Gespann Hugo 63 64

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Behrend 1956, 119f., 145f.; ders. 1957, 201f.; vgl. Runge 1965, 186f. Fünf dieser Beamten waren übrigens Mitglied einer Freiburger Verbindung, je einer war in Heidelberg und Tübingen aktiv gewesen. Suevia galt als das "Traditionscorps des württembergischen Adels' (Klatsch 1977, 60). Zum Werdegang des Heilbronner Finanzratsohnes Held siehe seine PA (HSTAS, E 130c, Bü. 45) u. VA (STAL, EL 20/5, Nr. 2372); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Die PA des Fabrikantensohnes Scholl sind im Krieg verbrannt; zum Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 4.4.1929 (HSTAS, E 151/01, Bü. 121, Qu. 50), die VA (STAL, EL 20/5, Nr. 5.395) u. die umfangreichen SprKA (STAL, EL 902/20, Αζ. 37/6/3.148 - Β 1.161/47); femer Führerlexikon 1934/35, 434 sowie meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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Neuffer (1872-1947) und Gustav Himmel (1882-1969) den Nachwuchs vor, 1925 bis 1930 amtierte Igel-Mitglied Reinhold Scholl (1878-1966) als Vorgesetzter Himmels, und 1931 bis 1933 führten der Nicht-Korporierte Friedrich Kiefer (1879-1952) sowie Bolz' Parteifreund und Bundesbruder Wilhelm Kley (18771962) mit der Schaltstelle des Innenressorts "eine der wichtigsten Beamtenstellungen im Staate".67 Doch nicht nur der Mangel an beruflichen "Anschluß"-Chancen ließ das Kontingent der Landsmannschafter und Turnerschafter in den jüngeren Beamtenjahrgängen deutlich schrumpfen. Unter den dafür empfänglichen Teilen der Studentenschaft liefen ihnen die Burschenschaften als Schrittmacher einer dezidiert völkisch-nationalistischen, stramm antisemitischen Gangart in der (hochschul)politischen Arena auch zahlenmäßig zusehends den Rang ab.68 In der Innenverwaltung stellen sie immerhinein gutes Drittel der Verbindungsmitglieder aus den Geburtsjahrgängen 1900-1909; die "traditionell rechtsextremen" Vereine deutscher Studenten (Kyffhäuser-Veiband) hingegen vermochten dort keinen Fuß zu fassen, obwohl sie den Burschenschaften politisch am nächsten standen69 - wohl nicht zuletzt deshalb, weil es ihnen am unerläßlichen württembergischen "Stallgeruch" mangelte. Im Gegensatz zu Bayern, wo sich "dank einer konstanten Rechtsregierung seit 1920 eine gouvernementale Beamtenschaft" gehalten habe, sei in Württemberg "schon früher eine liberale Politik mit Orientierung an den schwäbischen Studentenkorporationen in Tübingen getrieben" und nach der Revolution fortgesetzt 67

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MinR Ströle, Staatsministerium WB, an Sicherheitsprüfungs-Ausschuß Stuttgart, 20.3.1946 (HSTAS, E 151/21, Bü. 394, Qu. 33). Ströle, 1933-1945 kaltgestellt, war einer der besten Kenner der württ. Staatsverwaltung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; vgl. Ströle 1967. Die PA des Oberamtsarztsohnes Neuffer sind nicht überliefert; siehe aber zum Werdegang den Mdl-EA v. 14.8.1925 (HSTAS, E 151/01, BS. 121, Qu. 44) u. Mdl-Entlassungsantrag v. з.4.1929 (ebd., Qu. 48); vgl. Hugo Neuffer 1951; femer Württ. Sparkassen- u. Giroverband 1985, 23lf. sowie meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Mit Sehr. v. 27.9.1993 hat mir dieser Verband verschiedene Unterlagen über seinen ehemaligen Präs. (1929-1937) zur Verfügung gestellt, darunter ein Lebensbild von Dr. Max Rehm (3 Ms.-S.). Zu Reinhold Scholl siehe unten Anm. 89 u. 110. Zum Werdegang des protestant. Konditorensohnes Himmel siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 394); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 und demnächst in den BWB. Zum Weidegang des protestant. Sohnes eines Holzhändlers и. Fuhrunternehmers Kiefer siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 861) u. VA (STAL, EL 20/5, Bü. 2.955). Zum Werdegang des Postinspektorsohns Kley siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 899). Zur Schrittmacherfunktion der Deutschen Burschenschaften und des von ihnen geführten "Deutschen Hochschulrings" siehe Herbert 1991, 131-133; ders. 1996, 52ff. Zu ihrem Vordringen auch an der Tübinger Universität vgl. kurz Pñzer 1979, 77, 93. Zur politischen Rechtsentwicklung der Studentenschaft in Weimarer Republik allgemein siehe eingehend Leisen 1964; Zorn 1965; Bleuel/Klinnert 1967; Kater 1975. Zum Antisemitismus und den besonders ausgeprägten NS-Affinitäten der Burschenschaften siehe vor allem Ströle-Bühler 1991; Heither/Schäfer 1994, 86-88. Zur Nachkriegsideologie der Korporationen insgesamt siehe Faust 1973 I, 128-52; vgl. Heither/Lemling 1992, 109-115. Herbert 1991, 121 u. ders. 1996, 53; vgl. Herbert 1991, 132; Zorn 1965, 235, 253, 283. Der VDSt "(konnte) auf eine entsprechende Vorkriegstradition als Hauptträger des alldeutschen und antisemitischen Gedankenguts in der Studentenschaft zurückblicken" (Faust I 1973, 124); vgl. die politisch aufschlußreichen Beiträge in: Vereine Deutscher Studenten 1931.

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worden. 70 Diese Behauptung eines prominenten Zeitzeugen wird durch die historische Analyse nicht gestützt. Wirft es doch ein bezeichnendes Licht auf die politischen Verhältnisse im "liberalen Südwesten"71, daß einzig die Staatsregierungen Bayerns und Württembergs seit Ende 1926 der im "Deutschen Hochschulring" zusammengeschlossenen völkisch-nationalen Majorität in der "Deutschen Studentenschaft" im "Verfassungskonflikt" mit der vom preußischen Kultusminister Becker (SPD) und seinem badischen Kollegen Adam Remmele (SPD) unterstützten prorepublikanischen Minderheit den Rücken stärkten.72 Angesichts ihrer Zusammensetzung nimmt das nicht wunder; schließlich hatten auf den Ministersesseln 1924 vier Tübinger Juristen und Korporierte Platz genommen: der kompromißlos deutschnationale Staatspräsident und Kultusminister Wilhelm Bazille (18741934) war Mitglied der schwarzen Verbindung Virtembergia;73 der ebenso konservative Fiskalist Dr. Alfred Dehlinger (1874-1959), zweiter Repräsentant der "Bürgerpartei", kam aus der führenden Burschenschaft Roigel; Innenminister Eugen Bolz war prominenter Bundesbruder der Tübinger Guestfalia (CV); 74 und sein Zentrumskollege Dr. Josef Beyerle (1881-1963) im Justizministerium gehörte der KV-Verbindung Alamannia an. Die katholischen Korporationsverbände mochten sich zwar nicht vorbehaltlos dem "Deutschen Hochschulring" - in Tübingen und anderenorts "Hochschulring deutscher Art" genannt - anschließen; es gab jedoch mancherlei Anknüpfungspunkte auf ideologischer und organisatorischer Ebene. Insonderheit galt das für die Jungen. Ihre Öffnung nach rechts außen ging so weit, daß der "Hochschulring" schon in den frühen zwanziger Jahren de facto "die geistig-politische Führung der katholischen Studentenbewegung" an sich zu reißen vermochte.75 Der militante Antisemitismus war darin eingeschlossen: so mußten CVer bereits 1920 einen deutschen "Ahnennachweis" vorlegen.76 Zwar führte dieser Rechtsschwenk zu Querelen nicht nur mit den konkurrierenden KV- und Unitas-Verbindungen, dem Reichsverband der Zentrumsstudenten und Teilen der eigenen Altherrenschaft;77 70

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Eschenburg 1974, 77. Diese erstaunliche Formulierung läßt sich nur als Teil der persönlichen Vergangenheitsbewältigung des Autors erklären. Als Mitglied der tonangebenden Burschenschaft Germania führte Eschenburg 1924/25 den Vorsitz des Tübinger "Hochschulringes Deutscher Art", 1926 betätigte er sich als Organisator gemeinsamer KleinkaliberSchießübungen der örtlichen Korporationen (Stuttgardia-TÜ 1994, 110). Zu seinem Wirken als Tübinger Germane siehe eingehend Eschenburgs Autobiographie (1995, 143f., 163-170). Fenske 1981. Zorn 1965, 296, 298, 301. Zum "Verfassungskonflikt" zwischen der von Becker und Remmele unterstützten prorepublikanischen Minderheit und der im "Deutschen Hochschulring" zusammengeschlossenen völkisch-nationalen Majorität unter Führung der Burschenschaften siehe ebd., 282ff.; vgl. Jarausch 1984, 145-149; Heiber 1991, 42-45. Zur Organisationsgeschichte des Deutschen Hochschulrings siehe Lexikon zur Parteiengeschichte II 1984, 116-127. Bazille war aus der württ. Innenverwaltung hervorgegangen; dazu u. zu seiner Verbindungsmitgliedschaft siehe Krämer 1988c, 85f. Bolz war Senior der Aktivitas seiner Verbindung und stand als Alter Herr in engstem Kontakt mit der Guestfidia (Miller 1951, 47-54). Zorn 1965, 255; vgl. Herbert 1991, 135; ders. 1996, 66. Skiorz 1980, 44-49; Herbert 1991, 132; vgl. Bleuel/Klinnert 1967, 153. Zorn 1965, 295; Skiorz 1980, 41.

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doch auch unter den Opponenten einer zu starken Annäherung an die VölkischenNationalen stieß deren Ideologie durchaus auf Sympathie. Trennend wirkte im Grunde nur die "Distanz zwischen katholisch-völkischem Volkskonservativismus und antiklerikalem Nationalismus", der Zusehens eine "antikatholische Tendenz" erhielt.78 Auch die Absetzung vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB), der seit Mitte der zwanziger Jahre rasch an Boden unter der Studentenschaft und in vielen Korporationen gewann, bezog sich zuvörderst auf einige weltanschauliche Streitpunkte und vor allem dessen antikatholische Ausfälle; "praktisch-politische Konquenz(en)" in Form einer scharfen Abgrenzung von den Nationalsozialisten indessen erwuchsen daraus zu keinem Zeitpunkt.79 Die katholischen Verbindungen konnten ihre Herkunft aus der Zeit des Kulturkampfes nicht verhehlen. Insbesondere auch über den Katholischen Akademikerverband in der Katholischen Aktion bildeten sie einen integralen Bestandteil jenes "sozialmoralischen Milieus", welches die katholische Minderheit im Wilhelminischen Reich engmaschig organisatorisch ausgebaut hatte - wohlgemerkt in defensiver Absicht.80 Dieser Umstand ist vor allem auch im Hinblick auf das Resistenzpotential in Rechnung zu stellen, welches die katholische Beamtenschaft im Vorfeld und nach der NS-Machtergreifung verkörperte. Innerlich unüberwindliche Gräben zwischen sich und dem Nationalsozialismus taten sich für Angehörige des katholischen Organisationswesens in der Regel immer erst dann auf, wenn der Kernbereich ihrer religiösen Überzeugungen und der kulturellen Autonomie des Katholizismus in seiner Substanz auf dem Spiel zu stehen schien. Für katholische Aspiranten auf einen der wenigen für sie erreichbaren Plätze in den höheren Rängen der Staatsverwaltung war es nahezu selbstverständlich, sich zu Beginn ihres Tübinger Jurastudiums einer konfessionellen Korporation anzuschließen. War doch in deren Altherrenschaft die Creme der katholischen Honoratiorenschaft des Landes versammelt. Die CV-Verbindung Guestfalia rangierte dabei an erster Stelle. Insgesamt stellte sie immerhin 18 der 1928 bis 1945 in Württemberg tätigen höheren Beamten - darunter zwei Ministerialräte, einen Kanzleidirektor, einen Personalberichterstatter der württembergischen Polizeidirektion in Stuttgart, mehrere Landräte und einen Polizeidirektor. Auch der hohenzollerische Landrat Schraermeyer (Hechingen) stand in der Reihen dieser renommierten Verbindung, deren prominentester Alter Herr nach 1918 Innenminister und Staatspräsident Eugen Bolz gewesen ist. Hinzu kamen neben vier Mitgliedern 78 79

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Skiorz 1980, 41. Skiorz 1980, 56f.; vgl. Faust I 1973, 124f. Zum Vordringen des NSDStB an den deutschen Hochschulen seit Ende der zwanziger Jahre siehe allgemein Dibner 1969; Faust 1973; Jarausch 1984, 152-163; vgl. ders. 1990, Tab. A.14, 251; Giles 1985, 14-100. Zur Situation an den drei südwestdeutschen Universitäten siehe Kreutzberger 1972, 104-114 (FR); Giovannini 1990, 140-176 (HD); Adam 1977, 4-45 (TÜ). Zum Engagement der Koiporationen im Kathol. Akademikerverband siehe Gögler 1930 (ORegR in der Innenverwaltung, Mitglied der Tübinger CV-Verbindung Guestfalia); vgl. Hagen 1960, 245-247; Alamannia-TÜ 1962, 132, 138f. Zur Stabilität und zur Erosion des katholischen Mileus nach 1918 siehe etwa die Fallstudien von Rauh-Kühne 1991 (Ettlingen/Baden) u. Paul/Mallmann 1995, 29-152 (Saarland); vgl. allgemein Rauh-Kühne 1996. Zum Milieubegriff siehe Lepsius 1973, 67ff.; vgl. ders. 1966.

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auswärtiger CV-Verbindungen sieben Beamte aus der zweiten, später gegründeten Tübinger CV-Verbindung Cheruskia, die über ihr Mitglied Dr. Joannes Bapüsta Sproll, Bischof von Rottenburg, über engste Beziehungen zum katholischen Klerus des Landes verfügte. Die jüngeren, republikloyalen Unitas-Verbindungen hingegen hatten in Tübingen nichts zu bestellen. Der ebenfalls nicht ganz so prononciert rechtskatholische KV war in der Innenverwaltung zwar mit insgesamt 14 Mitgliedern der Alamannia vertreten;81 die Verbindung vermochte davon jedoch keines auf herausgehobenen Ministerialposten zu piazieren, obwohl sie mit Justizminister Beyerle zehn Jahre lang im Landeskabinett präsent war. Die große Zeit der Alamannia, die Bischof Sproll übrigens ebenfalls zu den ihren zählen konnte, sollte erst nach dem Zweiten Weltkrieg anbrechen.82 Im politischen Raum hatte das Zentrum seit 1919 ein gewichtiges Wort in Stuttgart mitzusprechen. Auf gesellschaftlicher Ebene hingegen hielten die protestantischen Eliten Altwürttembergs die katholische Minderheit bis weit in die Republik hinein auf Distanz: "Seit 1927 galt Alamannia auch beim Offizierskorps als 'honorig' und war bei dessen Bier- und Heimatabenden zu Gast." Solche vermeintlichen Einbrüche in das traditionelle Establishment galten bezeichnenderweise noch Jahrzehnte später als hervorhebenswertes Ereignis.83 Vor diesem Hintergrund mußte es nachgerade als Verrat an der korporativen Selbstbehauptung der katholischen Minorität und als bedenkliches Symptom individueller Assimilationsbestrebungen gelten, wenn sich ein angehender Beamter nicht einer ihrer Verbindungen anschloß. Es wird denn wohl auch vorgekommen sein, daß solche "Abtrünnigen" auf Veranlassung von Innenminister Bolz und seiner Vertrauensleute bei Beförderungen übergangen wurden; anderseits vermochte der erwähnte Ministerialdirektor Held als Mitglied der Landsmannschaft Schottland zu reüssieren, und dem Waldseer Landrat Dr. Erwin Gerhardt wurden als einem der nächsten Vertrauten des Ministers allerbeste Karriereaussichten nachgesagt, obwohl er sich als Student der protestantischen Virtembergia angeschlossen hatte. Bolz' Personalpolitik wurde eben durch eine ganze Palette von Erwägungen bestimmt, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden konnten. Gerhardt zum Beispiel galt als absolut loyaler Zentrumsmann, und sein Vater zählte als Vorstand des Stuttgarter Staatsrentamtes wie als Mitglied der Andechser Stammtischrunde des

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So schloB sich 1929 nur Guestfalia dem vom Korps Borussia inspirierten Tübinger Wehrkartell an; Alamanni« und die übrigen katholischen Verbindungen hingegen gründeten mit den nichtschlagenden Korporationen ein Gegenkartell (Alamannia-TÜ 1962, 132). 82 Dr. Josef Beyerle bekleidete nochmals 1946-1951 das Amt des Justizmin. von Württ.HohenzoUern. Als StPräs amtierten dort bis 1952 seine Bundesbrüder Dr. Lorenz Bock und Dr. Gebhard Müller. Mit dem späteren Bundesverfassungsgerichtspräs. Müller und dessen Nachfolger Kurt Georg Kiesinger stellte die Alamannia 1953-1966 die MPris des neuen Landes Baden-Württ. Die Alamannen Dr. Max Koch und Anton Schmid übten 1945-1947 bzw. 1947-1951 als Kanzleidirektoren erheblichen EinfluB auf die personelle Rekonstruktion der württ.-bad. Innenverwaltung aus. S3 Alamannia-TÜ 1962, 144.

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Innenministers zur gehobenen katholischen Honoratiorenschaft der Landeshauptstadt. 84 Das protestantische Pendant zu den CV- und KV-Korporationen bildeten die Tübinger Stiftsverbindungen. Das Evangelische Stift und sein Umfeld hatten sich dem 15. Jahrhundert zu der "Kaderschmiede" der württembergischen Ehrbarkeit entwickelt.85 Die einflußreichsten Korporationen der Landesuniversität waren denn auch "als prägende Eigenentwicklungen des Tübinger Verbindungswesens und lokales Charakteristikum"86 aus dem Stift hervorgegangen und standen zumeist noch in unterschiedlich intensiver Verbindung mit ihm. Das galt übrigens auch für die beiden nichtschlagenden Burschenschaften Normannia und Roigel, doch zum eigentlichen Kreis der Stiftsverbindungen zählten sie nicht. Diesen Charakter bis in die 1920er Jahre hinein weitgehend bewahrt hatten in erster Linie die Verbindung Luginsland, die Akademische Gesellschaft Rothenburg und die Akademische Musikverbindung Stochdorphia. Der Anteil von Nicht-Theologen unter ihren Mitgliedern war gering, und dementsprechend schwach waren sie in der Innenverwaltung vertreten. Als Scharnier zwischen zwei wichtigen Säulen der württembergischen Ehrbarkeit, protestantischer Geistlichkeit und Beamtenschaft, kam ihnen gleichwohl eine gewisse Bedeutung zu. Das galt besonders für Luginsland, die Verbindung des Landesbischofs Theophil Wurm. Deren Repräsentanten kamen allerdings mehrheitlich aus den 1880er Jahrgängen; für jüngere Anwärter auf eine Beamtenkarriere hatte Luginsland augenscheinlich seine Attraktivität verloren. Die Stochdorphia ist hier in zweierlei Hinsicht von Interesse: erstens, weil aus ihren Reihen der Leonberger Rechtsanwalt und NS-Innenminister Dr. Jonathan Schmid (1888-1945) stammte;87 und zum anderen, weil sie 1857 nicht nur als "erste nichtschlagende und nichtfarbentragende deutsche Studentenverbindung", sondern ausdrücklich auch als "Verbindung schwäbisch-protestantischen Charakters" gegründet worden war. 88 Dieses bodenständige Profil war charakteristisch für alle (ehemaligen) Stiftsverbindungen. Das galt auch für den Bund Lichtenstein, der längst nicht mehr nur von Theologen, wohl aber fast ausschließlich von Landeskindem beherrscht wurde. Unter der Ägide des Ministerialdirektors Neuffer und des Personalberichterstatters der Kanzleidirektion Himmel hatte die ehemalige Stiftsverbindung in den zwanziger Jahren überproportional viele ihrer Nachwuchs84

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Siehe unten, Anm. 122. Zum Werdegang Gerhardts siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 247); ferner Erwin Gerhardt 1964, 1969, 1974a u. 1974b sowie meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1995 u. demnächst in den BWB. Krämer 1988b, 72: "für den Pfarrer- und Lehrerstand, für zahlreiche Dichter und Naturwissenschaftler wie auch für Staatsbeamte und Politiker"; vgl. Borst 1977, bes. 99-101; Weiler/Weiler 1972, 185-187. Zur Geschichte des Tübinger Stifts siehe Schwäbischer Olymp 1986. Kratsch 1978, Vorwort, 5f.; vgl. ebd., 10f.; ferner Schwäbischer Olymp 1986, 82f. Schmid hat seine PA im Frühjahr 1945 zusammen mit MinDir Dill und Kanzleidirektor Stümpfig verschwinden lassen; siehe Kap. Π, Anm. 57. Zum Werdegang siehe aber den MdlEA zum MinDir v. 28.3.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 120, Qu. 142), diverse Unterlagen des BABZ u. einen schmalen Faszikel zur Versorgung seiner Witwe (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.199); ferner Degeners Wer ist's 1935, 1.400; Wilhelm 1989, 269f. Kratsch 1978, 58.

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juristen in der Innenverwaltung piazieren können, doch auch unter den älteren Beamtenjahrgängen war sie bereits gut vertreten gewesen. Lichtenstein besaß mithin als Kontakt- und Austauschstelle zwischen den regionalen Funktionseliten Geistlichkeit, Lehrerschaft und Beamtenkorps eine deutlich größere Bedeutung als die reinen Stiftsverbindungen oder die christlich-protestantische Nicaria und deren überregional organisiertes Pendant Wingolfsbund. In dieser Hinsicht mindestens ebenbürtig waren dem Lichtenstein die drei "schwarzen" Verbindungen Virtembergia, Stuttgardia und Igel. Virtembergia war 1873 als Abspaltung von der pietistischen Stiftsverbindung Luginsland entstanden und hatte ihren Rekrutierungsschwerpunkt schon bald in die Juristische und die Medizinische Fakultät verlagert. Ihr Anspruch darauf, als die württembergische Landesverbindung schlechthin zu gelten, erschöpfte sich nicht nur in der Namenswahl; er wurde zu einem guten Teil in der Praxis eingelöst: nach Roigel stellte Virtembergia über die Generationen hinweg das größte Kontingent an Korporierten in der Innenverwaltung der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre. Daß sich darunter ein besonders hoher Anteil profilierter Landräte befand, fügt sich in ihr dezidiert bodenständiges Profil. Igel hingegen, sonst Virtembergia eng verbunden, führte einen großen Anteil Auswärtiger in ihren Mitgliederlisten - darunter bekannte Namen wie Pfarrer Dietrich Bonhoeffer oder Cuno Graf Westaip, zeitweilig Vorsitzender der DNVP. Die 1871 gegründete Verbindung hatte auffällig viele Beamte und Professoren unter ihren Alten Herren, und trotz ihres - für Tübinger Verhältnisse - beinahe schon polyglott-intellektuellen Profils war sie auch unter den administrativen Eliten des Landes gut vertreten. Unter den 14 "Igeln" in der Innenverwaltung befand sich neben mehreren Landräten mit dem mehqährigen Kanzleidirektor Reinhold Scholl auch ein Spitzenbeamter, der 1929 beinahe zum Ministerialdirektor im Staatsministerium ernannt worden wäre, dann aber als DVP-Mann der Koalitionsarithmetik zum Opfer gefallen war und mit dem Präsidentenposten beim Stuttgarter Oberversicherungsamt hatte fürliebnehmen müssen.89 An seiner Stelle führte ein Bundesbruder, der ehemalige Landrat Reinhard Köstlin, als Ministerialrat die Verwaltungsgeschäfte des Staatsministeriums.90 Zur Creme der Tübinger Korporationen zählte nicht zuletzt auch die Akademische Gesellschaft Stuttgardia. Wie bei Virtembergia war der Name Programm. Die elitäre Verbindung konzentrierte ihre Rekrutierungsanstrengungen vornehmlich auf Stuttgarter Abiturienten aus gehobenen Elternhäusern und fungierte als ein wichtiges Bindeglied zwischen dem protestantischen Honoratiorentum der Landeshauptstadt und den oberen Etagen der Staatsbehörden. Aus der Stuttgardia kamen einige besonders qualifizierte Verwaltungsjuristen der zwanziger und dreißiger Jahre wie 89

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Siehe den oben (Anm. 10) zit. Artikel der Schwab. Tagwacht v. 21.11.1929. Zum Werdegang des protestant. Domänenassessorsohnes siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.S38; ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB; vgl. unten, Anm. 110. Mit Dr. Amulf Klett (Stuttgart) und Theodor Pfizer (Ulm) stellte Igel übrigens die beiden profiliertesten Nachkriegs-OBgm in (Baden-)Württemberg. Vgl. Pfizers Rückblick auf seine Tübinger Studentenzeit 1923-1927 (1979, 76ff., 84ff.).

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der Präsident der Ministerialabteilung für das Hochbauwesen und der Gebäudebrandversicherungsanstalt Dr. Alfred Neuschier (1874-1975)91 oder der Ministerialdirektor und spätere Präsident des Reichsaufsichtsamts für das Versicherungswesen Rudolf Widmann. Sie standen in einer langen Reihe prominenter Exponenten des öffentlichen Lebens, die mit dem langjährigen königlichen Minister und Ministerpräsidenten Dr. Karl Freiherr von Weizsäcker und dessen Kultusminister Dr. Hermann Habermaas begann und sich beispielsweise fortsetzte über den jahrzehntelangen Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Lautenschlager, den Stuttgarter DDP-Vorsitzenden und Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Maier und den Stuttgarter Verleger Dr. Walter Kohlhammer bis in die zweite Nachkriegszeit, als die Stuttgardia nochmals mehrere Ministerpräsidenten, Minister, Staatssekretäre und Botschafter hervorbrachte.92 Das Mitgliederverzeichnis dieser Verbindung illustriert eindrucksvoll jenes hohe Maß an Kontinuität der (administrativen) Eliten vom Kaiserreich bis weit in die zweite deutsche Republik hinein, das in Deutschland seinesgleichen suchen dürfte.

Rechtskonservative "Neutralität" Die Analyse der Korporationsmitgliedschaften unterstreicht die herausragende Bedeutung der Tübinger Universität als Sozialisations- und Kooptationsinstanz für die württembergischen Funktionseliten auch noch während der 1920er Jahre. Neben den verwandtschaftlichen Querbeziehungen und der protestantisch-pietistischen Erziehung sorgte vor allem diese Bildungsinstitution dafür, daß die Nachfahren der "Ehrbarkeit" bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ihre traditionelle politisch-gesellschaftliche Dominanz zu bewahren vermochten. Auch die politischen Affiliationen der württembergischen Beamtenschaft wurden hierdurch ungleich stärker geprägt als durch die Parteien. Dennoch bliebe das Profil des württembergischen Beamtenkorps fragmentarisch, würden seine (parteipolitischen Präferenzen nicht aufgehellt. Das ist nicht einfach. Denn es gehörte bis 1918 zum ungeschriebenen Verhaltenskodex der höheren Beamtenschaft, sich politisch nach außen nicht zu exponieren, um die Fiktion des über den Parteien stehenden, nur dem König und dem (selbst definierten) Gemeinwohl verpflichteten Fachbeamtentums nicht zu

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Zum Werdegang Neuschlers siehe Kap. ΠΙ, mit Anm 37. Neben MinPräs Maier MdB (FDP) z.B.: württ.-hohenz. Wirtschaftsmin. u. Bundeswohnungsbaumin. Eberhard Wildermuth MdB (FDP), dessen Tübinger Stellvertreter Staatsrat Walter Mosthaf (Mitglied meiner Untersuchungsgnippe), Botschafter Dr. Karl Pfleiderer MdB (FDP), Chef des Bundespräsidalamts, StS u. Botschafter Dr. Manfred Klaiber, Maiers Intimus Staatsrat Konrad Wittwer, baden-württ. Justizmin. Dr. Wolfgang Haußmann MdL (FDP), württ.-hohenz. Landesdir. u. StS Dr. Paul Binder MdL (CDU), Präs. des Bundesumweltamtes Freiherr Heinrich L. von Lersner, baden-württ. Justiz-, Innen- u. Finanzmin. Dr. Guntram Palm MdL (CDU).

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beschädigen. Diese traditionelle Zurückhaltung legten die älteren Beamtengenerationen in aller Regel auch unter republikanischen Auspizien nicht ab: "Wie es schon alle Vorkriegs-Oberamtsvorstände gehalten haben, und wie es auch mein Vater als alter Praktiker mir einst geraten hatte, habe ich mich bisher aus naheliegenden Gründen gescheut, parteipolitisch nach außen irgendwie in Erscheinung zu treten", rechtfertigte ein 1892 geborener Landrat diese Passivität im Frühjahr 1933 gegenüber der Kanzleidirektion. "Gerade als Bezirksbeamter, der das Vertrauen aller seiner Bezirkseinwohner haben und sich erhalten sollte, glaubte auch ich mich völlig unparteiisch verhalten zu müssen, ganz unbeschadet der privaten, sehr bestimmten politischen Einstellung."93 "Was im früheren Staat als Vorzug galt", setzte der politisch weit rechtsstehende Burschenschaftler sichtlich irritiert hinzu, "ist aber heute ganz offenkundig von entgegengesetzter Wirkung." In der Tat waren in den voraufgegangenen Jahren von der politischen Führung des Landes im allgemeinen wie von Ressortchef Bolz im besonderen keinerlei Anstalten unternommen worden, die Beamtenschaft zu einem parteipolitischen oder gar republikanischen Bekenntnis zu veranlassen. Bei den Jüngeren ist es aus anderen Gründen schwierig, eindeutige parteipolitische Affinitäten auszumachen. Standen doch die um und nach 1900 geborenen Nachwuchsbeamten der parlamentarischen Parteiendemokratie innerlich mindestens so fern wie ihre Väter und Großväter: "Die politische Welt, in die diese 'Kriegsjugendgeneration' bürgerlicher Söhne in den frühen 20er Jahren hineinwuchs, war mehr als von den politischen Parteien durch völkische Bünde und nationalistische Zirkel bestimmt - kein festgefügtes Lager, sondern eher ein Milieu; [...] und oftmals handelte es sich weniger um politisch definierbare Organisationen als um Anhängerschaften einer lokalen Führergröße. " 94 Schon vor dem Ausscheiden des letzten Sozialdemokraten aus dem Stuttgarter Staatskabinett im Juni 1923 war die politische und personalpolitische Vorherrschaft der bürgerlichen Mitte-Rechts-Parteien praktisch unangefochten geblieben. Die Revolution von 1918/19 und die Parlamentarisierung der Landespolitik blieben daher weitestgehend folgenlos für die Zusammensetzung der höheren Beamtenschaft und für ihre politischen Verhaltensdispositionen. Um 1930 fanden sich ganze vier SPD-Sympathisanten unter dem höheren Personal der wüttembergischen Innenverwaltung; und selbst bei ihnen muß offenbleiben, ob sie nicht bloß durch Anflüge nonkonformen Verhaltens den Argwohn ihrer Kollegen und Vorgesetzten erweckt hatten. So tat sich das Innenministerium 1928 außerordentlich schwer mit der Übernahme des Müllersohnes Dr. Walter Schmid aus Sulz, obwohl dessen 93

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LR Helmut Maier, Spaichingen an MinR Himmel, Mdl, 4.5.1933 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.105, Qu. 128); Hervorheb. von mir. Vgl. mit gleichem Tenor das Sehr, des Zentiumsmitglieds LR Dr. Karl Walser an Himmel v. 29.4.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 145); ferner die Bemerkung des Lahrer LRs Paul Strack (1879-1963) auf seinem französischen Entnazifizierungs-Fragebogen v. 12.6.1945, Ani. II: "Es war in Baden vor 1933 im allgemeinen nicht üblich, daß Landräte einer politischen Partei angehörten. " Zur Person des bedeutenden Genealogen siehe unten, Anm. 110. Herbert 1991, 119; vgl. ders. 1996, 51; ferner Nipperdey 1961, 33ff., bes. 34.

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Bewerbung in einer "Zeit der größten Personalnot"95 eingekommen war. Der höchstqualifizierte Tübinger Jurist entsprach gleich in mehrfacher Hinsicht nicht dem Normalprofil des württembergischen Nachwuchsbeamten. Zunächst löste Befremden aus, daß es der junge Mann gewagt hatte, der evangelischen Landeskirche den Rücken zu kehren. Erschwerend hinzu trat der Umstand, daß es sich bei ihm auch noch um einen "Finken" handelte, wie die Nicht-Korporierten abschätzig genannt wurden. Das veranlaßte den Personalberichterstatter Himmel erst recht, bei allen möglichen Gewährsleuten persönliche Informationen über den suspekten Einstellungskandidaten einzuziehen. Vater Schmidt und seine drei Söhne hätten "einen Stich ins Ästhetische und Freigeistige", kam dabei heraus, die ganze Familie gelte als "politisch linksgerichtet"; insonderheit gelte das für den Schriftsteller Richard Schmid, "der vor einigen Jahren ein bekannter eigenartiger Mitarbeiter des Simplizissimus" gewesen sei.96 Ein vertraulich befragter Kommilitone gab allerdings zu Protokoll, daß die Brüder Schmid wohl "eine gewisse Freiheit der Lebensauffassung und eine liberale Einstellung" pflegten, im übrigen jedoch "vornehme Charaktere" besäßen und keineswegs "politisch interessiert oder orientiert" seien. Himmel zeigte sich fürs erste beruhigt: "Die liberalisierenden und schöngeistigen Neigungen des Gerichtsassessors Dr. Walter Schmid werden wohl bei seinem Wissen, seinem Charakter und seinem sympathischen Wesen ungefährlich sein." Doch unterschwellig war die Skepsis des deutschnationalen Oberregierungsrats mitnichten ausgeräumt, wie seine Schlußbemerkung dokumentiert: "Wenn er sich für die staatliche Innenverwaltung nicht ganz eignen sollte, wird er dies wohl in Bälde selbst merken, und es ist anzunehmen, daß er dann rechtzeitig von selbst sich nach einer anderen Tätigkeit umsieht."97 An der Behandlung des "Falles" Schmid wird deutlich, daß die Mechanismen der "negative(n) parteipolitischen Ämterpatronage"98 aus der Ära des monarchisch-bürokratischen Obrigkeitsstaats in Württemberg auch ein Jahrzehnt nach der Staatsumwälzung noch kaum abgeschwächt funktionierten. Daß 1930 der ehemalige Vorsitzende des Republikanischen Studentenbundes Tübingen als Assessor eingestellt wurde, scheint dem zu widersprechen. Doch Reichsbannermitglied Otto 95

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Mdl an Reichsverkehrsmin., 21.3.1928 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.747, Qu. 33). An weiteren Hinweisen auf den "außerordentlichen Personalmangel an höheren Verwaltungsbeamten" in dieser Phase mangelt es nicht; siehe Mdl, Hinstellungsantrag Viktor Engel, Vorbemerkung der Kanzleidirektion, 15.12.1928 (HSTAS, E 151/21, Bü. 182). Erstes Zitat: Mdl an Schmid, 11.2.1928, Vorbemerkung ORegR Himmel (HSTAS, E 151/21, BS. 1.207, Qu. 5). Zweites Zitat: Randbemerkung Himmels auf dem Bewerbungsschr. v. 17.1.1928 (ebd., Qu. 2). Mdl an Schmid, 11.2.1928, Vorbemerkung ORegR Himmel (oben, Anm. 96; Hervorheb. von mir). Eschenburg 1974, 73. Empirische Belege für die Behauptung von Fenske 1972, 125 u. 133, Württemberg habe "vor der Revolution von allen Bundesstaaten die liberalste Personalpolitik gesehen" und sei deshalb "eigentlich" 1918/19 vom "Problem der Demokratisierung der Verwaltung" gar nicht berührt worden, habe ich nicht gefunden. Offenbar wird hier ein Mythos kolportiert, der im übrigen auch im Widerspruch zu der notorisch "konservative^) Grundhaltung der schwäbischen Beamtenschaft" (Besson 1959, 52) steht.

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Gerne kam aus dem Haus: 1922 hatte er die württembergische mittlere Verwaltungsdienstprüfung als Jahrgangsbester abgeschlossen und war dann bei einem Oberamt und im Ministerium als Obersekretär tätig gewesen, bevor er 1925 sein Jurastudium aufnahm. Offenbar wurde der hochqualifizierte Baunternehmersohn aus Heilbronn angesichts dieser besonderen Umstände ebenfalls als "ungefährlich" eingestuft. Das hatte auch für Dr. Hans Hartenstein (1897-1944) gegolten. Der Sohn des liberalen Oberbürgermeisters von Ludwigsburg war als eingeschriebenes SPD-Mitglied bekannt. Angesichts des familiären Hintergrundes und mit Blick auf seine überragenden Prüfungsleistungen wurde der ehemalige Kriegsfreiwillige gleichwohl Mitte 1926 in die württembergische Innenverwaltung übernommen. Dies wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil der juristische Überflieger bereits zum deutschen Delegierten beim Deutsch-Englischen Schiedsgerichtshof in Berlin abgeordnet worden war. Von dort wechselte Hartenstein im darauffolgenden Jahr direkt ins Reichswirtschaftsministerium, und bereits im Sommer 1929 verließ der politische Außenseiter wieder den Staatsdienst seines Heimatlandes." Im übrigen wurde der höhere Verwaltungsdienst von bekennenden Republikanern sorgsam freigehalten. So bildete das halbe Dutzend versprengter DDP-Anhänger den linken Flügel der Innenverwaltung. Zwei von ihnen, Alfred Kercher (1901-1973) und Dr. Otto Gönnenwein (1896-1963), wechselten bezeichnenderweise schon bald als Bürgermeister in den Kommunaldienst.100 Nur einer von ihnen konnte im Ministerium reüssieren: 1925 übernahm der brilliante Verwaltungsjurist Dr. Friedrich Kiefer (1879-1952) als Ministerialrat die Leitung der Rechtsabteilung, 1931 erhielt er - wahrscheinlich aufgrund einer Absprache mit dem neuen Koalitionspartner DDP - die Schlüsselposition des Kanzleidirektors übertragen, zugleich allerdings den engen Bolz-Vertrauten Wilhelm Kley als Personalberichterstatter an die Seite gestellt. Das bisherige volksparteilich99

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Zum Werdegang des späteren Regierungsvizepräs, in Tübingen Gerne siehe die PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 464; STAS, Wü 40, Bd. 60, Nr. 28); zur seinen studentischen Aktivitäten siehe seine Erklärung v. 28.1.1948 (STAL, EL 902/20, Αζ. 37/6/3.148). Zum Werdegang des Protestanten Hartenstein, der 1933 das "Haavara-Abkommen" über die Auswanderung deutscher Juden nach Palästina entwarf und 1937 wegen seiner politischen Vergangenheit vom Reichswirtschafismin. in der Vorstand der Berliner Schering-Werke wechseln muBte, siehe Pfizer 1979, 123-125; siehe ferner die spärlichen Angaben in einer Bewerberliste vom Frühjahr 1927, im EA v. 11.5.1927 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.402, Qu. 24f.) u. im Entlassungsantrag v. 31.7.1929 (ebd., Bü. 447, Qu. 3) sowie seine Tübinger Studenten- u. Promotionsakten (UAT, 258, Nr. 6.652; 189, Nr. 570). Die Verdienste des "unvergeflliche(n) Regierungsrat(s)" Hartenstein um die jüdischen Emigranten werden gewürdigt von Feilchenfeld u.a. 1972, 10 et passim. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Stuttgarter Obervermessungsrats Kercher, 19331945 und 1954-1962 (0)Bgm der Stadt Komwestheim sowie 1942-1944 kommissarischer OBgm Tübingens, siehe die Komwestheimer PA (STKW, 021.43) u. Tübinger Stellenakten (STATÜ, A 150/408 u. 411) sowie die SprKA (STAL, EL 902/14, Az. 29/la/VIII/2.475); femer Die Einsetzung Bürgermeister Keichers (Stuttgarter NS-Kurier, Nr. 357, 29.11.1933, 7); Schönhagen 1991, 323, 347, 363, 371, 420. Zum Werdegang des protestant. Oberlehrersohnes Gönnenwein, 1930-1949 OBgm von Schwenningen, dann Juraprofessor an der Universität Heidelberg, siehe seine staatlichen PA (STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 29) u. das Personaldoss. des StS Waldmann (HSTAS, E 140, Bü. 99); ferner den Handbuchartikel von Adolf Laufs, in: BWB I 1994, 120f.; vgl. Weik 1988, 157 et passim.

Rechtskonservative "Neutralität"

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deutschnationale Gespann in der Kanzleidirektion wurde abgeschoben - Reinhold Scholl ehrenvoll auf einen Präsidentenposten, Gustav Himmel unter Umständen, die einer Degradierung gleichkamen. Unter seiner Ägide hatte die Tübinger Verbindung Lichtenstein in der Innenverwaltung stark an Boden gewonnen. Nun gedachte Minister Bolz persönlich das katholische Element in den oberen Etagen seines Hauses zu stärken. Himmel stand ihm dabei offenbar im Wege. Der Ressortchef stellte ihn deshalb vor die Alternative, entweder für einige Zeit ein Oberamt zu übernehmen oder seine weiteren Karriereambitionen zu begraben. Himmel weigerte sich, obwohl er genau wußte, daß nur ehemalige Oberamtsvorstände als Ministerialräte in Frage kamen. Er wurde daraufhin im November 1931 in die Kommunalabteilung abgeschoben.101 Vor dem Hintergrund der bisherigen Verhältnisse mutete dieses moderate Personalrevirement beinahe schon wie ein Akt jener politischen Herrschaftspatronage an, die in Stuttgart als Zerfallserscheinung des preußischen Berufsbeamtentums verpönt war. Möglicherweise hätten Kiefer und Kley tatsächlich andere personalpolitische Akzente in Richtung Republikanisierung gesetzt, wäre ihnen mehr Zeit geblieben. Immerhin galt Kley bei den deutschnationalen Traditionalisten innerhalb der Verwaltung als "zwar rechtlich denkende(r) und im ganzen rechts gerichtete(r), aber doch ausgesprochene^) Zentrumsmann", der für einen rechtsautoritären Kurs á la Papen nicht zu haben sei. 102 Und es hätten sich dafür wohl auch personelle Anknüpfungspunkte geboten. Zwar stützte sich die DDP hauptsächlich auf den gewerblichen Mittelstand Württembergs, doch auch innerhalb der höheren Beamtenschaft fand sie eine gewisse Resonanz.103 Selbst in der Innenverwaltung gab es jüngere Beamte, die bei gezielter Förderung möglicherweise aus ihrer Reserve hätten gelockt werden können. Dieses grundsätzlich demokratisierbare Potential hatte der "Alte Kämpfer" Dr. Ludwig Battenberg im Blick, als er nach der Machtergreifung über ein früheres Gespräch mit Regierungsrat Dr. Kurt Göbel (1898-1982) berichtete: "Wir sprachen von der Arbeitslosigkeit, und ich betonte, daß es so, wie die Regierung des früheren Systems es versuchte, jedenfalls nicht gehe. Darüber hinaus vertrat ich den Gedanken, daß die Zertrümmerung des Parlamentarismus das Allerwichtigste und Allererste sei, ehe man sich über Weiteres [...] den Kopf zu zerbrechen brauche. Diese Zertrümmerung sei aber nur vom Nationalsozialismus zu erhoffen. Göbel verhielt sich dem gegenüber kritisch ablehnend. Sein ganzes Denken bewegte sich, wie damals das der meisten 'Gebildeten' und insbesondere das der meisten Kollegen, in 'Programmpunkten'": ein Vertreter der "politische(n) Einstellung [...] des Durchschnittsakademikers in den letzten Jahren" eben, "die am

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Siehe dazu Himmels PA (Anm. 67). Zur Funktion des Landratspostens als obligatorische Zwischenetappe einer württembergischen Ministerialkarriere vgl. Eschenburg 1995, 147. PolPtäs Dr. Rudolf Klaiber an MinR Himmel, Mdl, 20.8.1933 (HSTAS, E 140, Bü. 123, Doss. Ernst Lauer, hier Bl. 6). Gayer 1988b, 78; vgl. allgemein Besson 1959, 32-34; Rommel 1979, 155f.

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I. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930

Nationalsozialismus vieles ehrlich anerkannte, aber zu einem Mitgehen sich nicht entschließen konnte wegen allerhand Bedenken".104 Als Sohn des Oberbürgermeisters der DDP-Hochburg Heilbronn war Göbel allerdings nicht repräsentativ für die jüngeren, um die Jahrhundertwende geborenen Kollegen Battenbergs.105 Die wenigen unter ihnen, deren parteipolitische Affinitäten überhaupt erkennbar wurden, tendierten fast ausnahmslos in Richtung DVP, während ihre älteren Kollegen der 1870er und 1880er Jahrgänge - in deutlich größerer Zahl - zur deutschnationalen "Bürgerpartei" oder dem mit ihr eng liierten Bauern- und Weingärtnerbund neigten.106 Mit Ausnahme von zwei, drei Außenseitern läßt sich die gesamte württembergische Innenverwaltung der späten 20er Jahre in in ihrer Mehrheit der DNVP und in ihrer Minderheit der DVP zuordnen soweit es sich um Protestanten handelte.107 Die Katholiken waren in wesentlich höherem Maße parteipolitisch gebunden: mit Ausnahme von drei DNVP-Anhängern standen sie im Lager des Zentrums.108 Diese Partei wurde in Württemberg vom rechtskatholisch-agrarischen Flügel beherrscht, und so erfuhr das streng konservative Profil der württembergischen Innenverwaltung auch von dieser Seite keine spürbare Auflockerung.109

Klubs und Stammtische Wesentlich verbreiteter als das offene parteipolitische Bekenntnis war unter den höheren Beamten die Mitgliedschaft in allerlei (lokalen) Gesellschaften logenartigen Charakters und informellen Zirkeln. Diese dienten der ständigen Aktualisierung des Zusammenhalts der Ruling classes und ihrer Selbstvergewisserung; öffentlich traten sie nur ausnahmsweise hervor. Ihre Existenz läßt sich deshalb auch nur ganz selten einmal anhand der schriftlichen Überlieferung belegen. So war ein Spitzenmann der Innenverwaltung wie der Ministerialdirektor und nach104

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LVA-Präs. Dr. Battenberg an Mdl, Kanzleidirektion, 7.9.1933 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 261, Qu. 1X0; Hervorheb. von mir). Zur Person Battenbergs siehe Kap. II, mit Anm. 88. Zur starken Stellung der DDP in Heilbronn siehe Schnabel 1986, 51. Zur Person Göbels siehe Kap. III, mit Anm. II. Insgesamt habe ich nur zwölf DVP-Anhänger ausmachen können; davon entstammten sieben den Geburtsjahrgängen 1896-1910. Als deutschnationale Parteigänger lassen sich immerhin 31 Beamte identifizieren; 22 davon waren 1890 oder früher geboren. Zur fragilen Position der Landes-DVP, die sich nicht zuletzt auf Beamte stützen konnte, siehe Besson 1959, 32; zu der im LT nur schwach vertretenen Bürgerpartei sowie dem doppelt so starken Bauern- u. Weingärtnerbund siehe ebd., 29f. Tabellarische Übersicht der Wahlergebnisse bei Schnabel 1982a, 310-314. Ein solches politisches Profil ist unlängst auch einer tonangebenden Tübinger Verbindung nachgesagt worden (Stuttgardia-Tü 1994, S. 111). Die 21 feststellbaren Zentrumsmitglieder und -Sympathisanten waren recht gleichmäßig über die in Frage kommenden Altersgruppen verteilt. Zum (landes)politischen Rechtsprofil des württ. Zentrums siehe Besson 1959, 30f.; Hagen 1960, 73-77.

Klubs und Stammtische

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malige Präsident der Ministerialabteilung für das Hochbauwesen und der Württembergischen Gebäudebrandversicherungsanstalt, Dr. Alfred Neuschier, neben seiner Mitgliedschaft in der Verbindung Lichtenstein auch im Stuttgarter Rotary-Club aktiv. Auch scheint das unter den höheren Beamten weit verbreitete Engagement auf dem Feld der vereinsmäßig organisierten Ahnenforschung und im Rahmen des Schwäbischen Heimatbundes als ein Instrument der Identitätsstiftung der regionalen Eliten eine beachtliche Rolle gespielt zu haben. 1 1 0 Das gilt erst recht für die ehrenamtliche Mitarbeit in Gremien und Vertretungskörperschaften der Evangelischen Landeskirche. Einen der wenigen Belege für die Existenz von locker organisierten Netzwerken unterhalb der Ebene von Korporationen und Parteien bietet auf protestantischer Seite der "St.-Georgs-Orden". Dabei handelte es sich um eine landesweit aktive Geheimgesellschaft völkisch-nationalistischer Provenienz, die von nationalsozialistischer Seite zunächst als Loge klassifiziert, 1934 jedoch vom Obersten Parteigericht als "getarnte Selbstschutzorganisation" anerkannt wurde. 1 1 1 Ihr gehörten unter anderen der Freudenstadter Landrat Karl Knapp (1870-1955), sein zweiter Beamter und späterer Herrenberger Landrat Karl Zeller (1898-1974), der Mergentheimer Landrat Fritz Geißler (1889-1971) und der Göppinger Polizeidirektor Dr. Wilhelm Schäfer (1903-1979) an. 1 1 2 Der letztere war Alter Herr des 110

Bei den Quellenrecherchen bin ich des öfteren auf derartige Aktivitäten gestoßen, ohne dem systematisch nachzugehen. Nur vier heiausragende Beispiele seien hier angeführt: Der Kanzleidir. des Mdl und nachmalige Präs. des Württ. Oberversicherungsamts, Reinhold Scholl, darf als Nestor der (südwest)deutschen Genealogie im 20. Jahrhundert gelten. Seit dessen Gründung 1920 führte er über Jahrzehnte hinweg den Vorsitz des weitverzweigten Vereins für Familien- u. Wappenkunde in Württemberg u. Baden; siehe Reinhold Scholl 1958; Greß 1958; Ruepprecht 1966/67. Der LR von Spaichingen und Nürtingen, Helmuth Maier, zählte ebenfalls zu den bedeutendsten Genealogen Südwestdeutschlands; siehe Ruepprecht 1972; Sommer 1976-78; zur Person siehe Einleitung, Anm. 1. Ein weiterer Spitzenbeamter der Innenverwaltung, der erwähnte Präs. der Ministerialabtlg. für das Hochbauwesen u. der Gebäudebrandversicherungsanstalt, Alfred Neuschier, leitete seit 1949 den einflußreichen Schwäbischen Heimatbund; siehe Rühle 1954; zur Person siehe Kap. III, mit Anm. 37. Sein Pendant in Baden war der Freiburger LKom Paul Schwörer, zur Person siehe Kap. III, Anm. 54. Und Paul Strack (1879-1963), LR in Sinsheim und Lahr, gehörte auf bad. Seite zu den profiliertesten Genealogen des Südwestens; siehe für viele Publikationen Strack 1914; Bad. Geschlechterbuch 1955. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Gymnasialprofessors, Mitglied des Kyffhäuserverbands der Vereine Deutscher Studenten in Heidelberg und vor 1933 Sympathisant der DDP, dann der DVP, siehe seine Haupt-PA (STAF, F 20/9, P. 167, Nr. 1.864), weitere PA (GLAK, 466, Zug. 1979/2, Nr. 7.360) u. VA (STAF, RegPräs, Zug. 1973/34, in P. 20), die Doss. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, Nr. 54) u. des Gaupersonalamts in den EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 341) u. die NSDAP-KK (BABZ); siehe ferner Vereine Deutscher Studenten 1935, 314, Nr. 1.898; Paul Strack 1954, 1959/60 u. 1979; Beuttenmüller 1993 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB.

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OPG-Vors. (gez. Walter Buch) an Reichsschatzmeister der NSDAP, 25.10.1934 (BABZ, Parteikorrespondenz, Doss. Karl Knapp). Zum Werdegang des protestant. Gutsbesitzersohnes Knapp siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 910); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang von Karl August Zeller, protestant. Sohn eines ORegR in der Landesfinanzverwaltung, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.932); ferner Germania-TÜ 1989, 142, Nr. 1.852 u. meine Kurzbiogr., in:

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I. Das Profil der südwestdeutschen Innenverwaltung um 1930

Tübinger Bundes Lichtenstein, bei den übrigen handelte es sich um Mitglieder der Burschenschaften Normannia und Germania (Zeller). Deren Schlüsselfunktion innerhalb des Geflechts regionaler Eliten-Netzwerke wird dadurch einmal mehr unterstrichen. Der St.-Georgs-Orden habe sich zwar nach außen bedeckt gehalten, dabei indessen keinerlei "freimauerische" Bestrebungen verfolgt, beteuerten Knapp und Schäfer nach der NS-Machtergreifung. Vielmehr habe man sich die "Pflege deutschen Geistes und deutscher Art sowie die nationale Erneuerung des Volkes" auf das Panier geschrieben und ausnahmslos eine "scharf antimarxistisch(e)", "antijüdisch(e) und antizentrümlich(e)" Linie verfolgt.113 Tatsächlich hatten der Organisation, deren Ortsgruppe in Freudenstadt etwa 20 Personen gezählt haben soll, ausschließlich Mitglieder und Sympathisanten von DNVP, Stahlhelm und NSDAP angehört - gewissermaßen eine regionale Ausgabe der "Harzburger Front", in der sich unter den angeblichen "Argusaugen" des Ministers auch exponierte Bezirksbeamte betätigen konnten, ohne dafür mit Sanktionen bedroht zu werden. Verborgen geblieben sein können dem Ministerium derlei Aktivitäten nicht. Landrat Knapp hatte sich immerhin schon 1929 - gemeinsam mit einer Handvoll weiterer Landräte - in die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren gegen den Young-Plan eingetragen; und über seine eklatant pronationalsozialistische Amtsführung berichtete das Organ der Landes-SPD im November 1931 ausführlich. 114 Doch Bolz' Koalitionspartner von der Bürgerpartei wie vom Bauern- und Weingärtnerbund hätten es schwerlich hingenommen, wenn gegen Beamte aus ihrem eigenen deutschnational-protestantischen Milieu von dem Zentrumspolitiker disziplinarische Maßnahmen eingeleitet worden wären.115 Im übrigen waren ja auch Bolz nationalautoritäre Anwandlungen keineswegs fremd;116 und selbst der Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Maier von der liberalen DDP wollte und

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Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des protestant. Kaufmannsohnes Geißler siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 449; STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 28); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des Protestanten Schäfer, Sohn eines Oberamtspflegers (Finanzbeamter des gehobenen Dienstes), siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.105); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Erstes Zitat·. PolDir Schäfer, Göppingen an RegR Hacker, Mdl, 23.8.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.105, Qu. 51). Zweites Zitat: LR Knapp an Major a.D. (sie!) Walter Buch, München [Vors. des OPG], 15.7.1934 (BABZ, Parteikorrespondenz: Karl Knapp). Der Landrat von Freudenstadt (Schwab. Tagwacht, Nr. 269, 17.11.1931; Ausschnitt in: HSTAS, EA 2/150, Bü. 910, Qu. 120). Zum Youngplan-Volksbegehren und zu Bolz siehe Knapps Sehr. v. 15.7.1934 (oben, Anm. 113). Auch die beiden DNVP-Minister Bazille und Dehlinger unterstützten das Volksbegehren; das württ. Zentrum wandte sich zwar scharf dagegen, als StPräs weigerte Bolz sich jedoch, einen entsprechenden Aufruf der Reichsregierang mitzuzeichnen, und als Mdl lehnte er die von Berlin angedrohten Maßregelungen von Beamten ab, die sich gegen den Young-Plan engagierten; siehe Besson 1959, 65-75; Schnabel 1986, 57-62; vgl. allgemein Caplan 1988, 123f. Matz 1989, 84 unter Berufung auf Miller 1951, 368 u. Besson 1959, 135. Als ein Beamter der Innenverwaltung Mitte 1933 dafür entschädigt zu werden wünschte, daß er unter Bolz wegen seiner Nähe zur nationalsozialistischen Bewegung benachteiligt worden sei, wies Kanzleidirektor Himmel, der es wissen mufite, das entschieden zurück (HSTAS, E 140, Bü. 89, Doss. J. E.). Zur toleranten Haltung der württ. Staatsverwaltung gegenüber Nationalsozialisten in ihren Reihen vgl. oben (mit Am. 9).

Klubs und Stammtische

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brauchte sich 1933 nicht vorwerfen lassen, "jemals einem nationalsozialistischen Beamten Schwierigkeiten" bereitet zu haben.117 Knapps selbstverständliches Insistieren auf der "antizentriimlichen" Zielrichtung des St.-Georgs-Bundes ist im übrigen nicht der einzige Hinweis darauf, wie tief die über Generationen hinweg habitualisierte konfessionelle Segregation auch nach einem Jahrzehnt gemeinsamen Regierens noch im Bewußtsein der protestantischen Eliten des Landes eingegraben war.118 Einen rabiaten Ausbruch der sonst eher unterschwellig weitergepflegten Ressentiments hatte es zum Beispiel Mitte 1930 gegeben, als alkoholisierte Turnerschafter der Tübinger Armina auf offener Szene eine Fronleichnamsprozession karikierten. Obwohl dieser Eklat auf katholischer Seite als "Herausforderung sondergleichen" empfunden wurde, blieben ihre gerichtlichen Schritte im wesentlichen erfolglos.119 Nicht zuletzt derartige Erfahrungen bestärkten die katholische Honoratiorenschaft darin, die Netzwerke aus der Zeit der "negativen Integration"120 ihres Milieus vor dem Krieg aller politischen Partizipation zum Trotz aufrechtzuerhalten. Neben den Tübinger CV- und KVVerbindungen121 sind in diesem Zusammenhang jene informellen Gesprächskreise zu nennen, welche die katholischen Politiker und Beamten in der Stuttgarter Diaspora unterhielten. So fand sich im "Andechser Klosterbräu" eine "Stammtischgesellschaft" zum wöchentlichen jour fixe zusammen, der regelmäßig auch Innenminister Bolz beiwohnte. Und sein Kanzleidirektor Kley präsidierte einer ähnlichen "Tafelrunde", die ebenfalls allwöchtlich im Café "Talmon-Gros" Kontakte pflegte und Informationen austauschte.122

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Maier an Mdl Schmid, 20.9.1933; abgedr. in: Maier 1989, 35-38, hier 37f. Zu der von Rücksichten auf die bürgerliche Wählerklientel geleiteten dilatorischen Haltung Maiers gegenüber der NSDAP vgl. Matz 1989, UOf. 118 Yg] Besson 1959, 30: "Man sah das Aufrücken von Katholiken in der Stuttgarter 'Gesellschaft' nicht gern, vor allem nicht in den Kreisen der höheren Beamten, in denen vor 1918 ein Katholik eine Seltenheit war." 119 Alamannia-TÜ 1962, 145. 120 Der von Groh 1974, 36-79 auf die Vorkriegssozialdemokratie gemünzte Begiff läßt sich mutatis mutandis auch auf subkulturelle sozialmoralische Milieu des Katholizismus - nicht nur der Kulturkampfzeit - beziehen; vgl. Lepsius 1973, 76f. 121 Vgl. PolPräs Dr. Rudolf Klaiber an MinR Himmel, Mdl, 20.8.1933 (HSTAS, E 140, Bü. 123, Doss. Ernst Lauer): "Die Alten Herrn Guestfaliae [um StPräs Bolz; M.R.] (pflegten) sonst sehr freundschaftlich miteinander zu verkehren." Klaiber kannte sich als prominentes Mitglied der Burschenschaft Germania bestens im Tübinger Verbindungsmilieu aus. 122 Aktennotiz "Zum Fall des Landrats Dr. Gerhardt" (gez. Oberrechnungsrat Großhans), 10.1.1934 (HSTAS, E 140, Bü. 98). Die Meldung des Vorsitzenden der NS-"Prüfimgsstelle beim Staatsministerium" zur politischen Begutachtung der württ. Beamtenschaft war durchaus denunziatorisch gemeint; was diese Angaben anbelangt, ist sie jedoch offensichtlich glaubhaft.

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Preußische Schwaben Alles in allem ähnelte der typische württembergische Verwaltungsangehörige gegen Ende der Weimarer Republik zum Verwechseln seinem Kollegen nördlich der Mainlinie, wie er mit Blick auf die Vorkriegszeit porträtiert worden ist: "Der preußische höhere Beamte, insbesondere der Verwaltungsbeamte im engeren Sinn, war männlich, Akademiker, in aller Regel konservativ, überwiegend protestantisch, meist ehemaliger Corpsstudent, natürlich Reserveoffizier und normalerweise ein formbewußter Gesellschafter. Damit repräsentierte er einen Typ, der wichtige Leitwerte der wilhelminischen Gesellschaft, und das heißt auch wichtige Leitwerte der tonangebenden Schichten der Gesellschaft in sich vereinigte, wenn nicht zum erheblichen Teil selber prägte, was die Verflechtung wechselseitig förderte. [...] Auch der höhere Beamte, der von Haus aus nicht zu diesen Kreisen [der staatsexternen Oberschichten; M.R.] gehörte, hatte durch seinen amtlichen Umgang oft eine reele Chance, sich in sie einzugliedern. Die grundsätzliche Gesellschaftsfähigkeit [...] besaß er ja von Anfang an." 123 Die soziale Kooptationskraft der württembergischen Ehrbarkeit war stark genug, um die "ständische Geschlossenheit"124 der heimatlichen Verwaltung allen Veränderungen im politischen System zum Trotz aufrecht zu erhalten. In ihrer regionalen, sozialen und mentalen Homogenität könnte die württembergische Bürokratie - auch noch die der späten 1920er Jahre - als Schulbeispiel für den modernen Topos "Verwaltung als selbstreferentielles System"125 dienen. Der oftbeschworene Korpsgeist der württembergischen Verwaltung war keineswegs bloße Ideologie - er blieb eine gesellschaftliche Tatsache, welche das (Selbst-)Bewußtsein und die Verhaltensdispositionen der administrativen Elite ungeachtet der allfalligen Rivalitäten untereinander nachhaltig prägte.126

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Süle 1988, 196; vgl. die prägnante Charakteristik des preußisch-deutschen Vorkriegsbeamtentums bei Nipperdey 1992, 128-140 u. Wehler 1995, 857-864. 124 Süle 1988, 198; vgl. etwa Eschenburg 1974, 72: "Das Beamtentum [des Kaiserreichs; M.R.] war in seiner politischen und gesellschaftlichen Homogenität wie in seinem großen Sozialprestige und seinen elitären Ansprüchen ein sich vom übrigen Volkskörper abhebender Stand", der aus seiner "herausgehobene(n) Stellung" einen "im Korpsgeist ausgeprägten Stolz" abgeleitete (Hervorheb. von mir). Vgl. so schon Cohen 1931/32, 336f. Bezogen auf die öffentlichen Verwaltungen insgesamt hebt Süle 1988, 197-204 demgegenüber zu recht die Vielzahl jener Differenzierungstendenzen hervor, welche die "ständische Geschlossenheit" der (preuß.) Bürokratie bereits vor dem Ersten Weltkrieg zusehends in Frage gestellt haben. Hier richtet sich der Blick aber auf eine strategische Kerngruppe innerhalb der höheren Beamtenschaft mit verhaltensnormierender Ausstrahlungskraft weit in die übrigen Verwaltungen hinein. 125 Grunow 1994, 34 et passim. 126 vgl. allgemein Keller 1965, 191: "Members of strategic elites, drawn from a wide variety of environments, may nevertheless develop strong esprit de corps and a sense of common social mission. " (Hervorheb. im Original).

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Badische Räte und Geheimräte Während also die württembergische Innenverwaltung ein gutes Jahrzehnt nach Ausrufung der Republik in mancherlei Hinsicht noch sehr an den Staatsapparat der vordemokratischen Ära erinnerte, muteten die Verhältnisse in Baden wesentlich "moderner" an. Die überaus komplizierte Territorial(vor)geschichte des Großherzogtums war der Herausbildung einer homogenen Dienstklasse nach Art der württembergischen "Ehrbarkeit" wenig förderlich gewesen.127 Das Selbstbewußtsein ihrer Angehörigen speiste sich weniger aus generationenlanger Zugehörigkeit ihrer Familien zu den Ruling classes der oft gebeutelten Südwestecke des Reiches; mehr Gewicht besaß das gemeinsame Bewußtsein, in vorderster Reihe die fragile Eigenstaatlichkeit der "künstlichsten aller napoleonischen Staatsschöpfungen"128 zu garantieren: "Die höheren Beamten und Kammerabgeordneten, Liberale wie Demokraten, gehörten alle dem Bildungsbürgertum an, der schmalen Schicht der Akademiker, die oberhalb der lokalen Honoratioren und unterhalb des frondierenden Adels die Einheit des Landes verkörperten. Diese Schicht bildete trotz ihres Zerfalls in einander befehdende Gruppen noch eine Einheit, die auf gemeinsamer Erziehung und Tätigkeit beruhte. Zu den prägenden Gemeinsamkeiten gehörte die Staatsnähe dieser Schicht."129 Auch aus diesem etatistischen Rollenverständnis hatte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein ausgeprägter Korpsgeist entwickelt, doch war dieser weniger traditional denn professionell fundiert und trotz der nationalliberalen Ämterpatronage in der "Beamtenrepublik mit einem Großherzog an der Spitze" politisch tendenziell offener. 130 Anders als in Württemberg galten die Sozialdemokraten im 127

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Zur territorialstaatlichen Entwicklung im bad. Raum bis zum Ende des Alten Reichs siehe den Überblick bei Stiefel I 1979, 17-76. So ein Diktum des Historikers Willy Andreas von 1913; zit. nach Brandt/Rürup 1980, Einleitung, XVII. Wunder 1987, 289 (Hervorheb. von mir); vgl. Baden-Denkschrift 1949, 3, 5. Zur Rolle der Verwaltung als Trägerin des "bürokratischen Reformabsolutismus" und der "administrativen Integration" der heterogenen Herrschaftsgebilde im Südwesten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts siehe Langewiesche 1991, 31-35; vgl. Gall 1968, 14-22, 184-188; Wolf 1990, 392f. Zur Herausbildung des "Interessenbündnis(es) zwischen Bürokratie und Monarchie" in Süd(west)deutschland während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts vgl. Treichel 1996, 77. Zur Verwaltungsgeschichte des neugebildeten Grofiherzogtums Baden siehe Ott 1983 u. 1984 (mit weiteren Hinweisen); Stiefel I 1979, 169-315; vgl. Schaible 1928. Zur Formierung eines bürokratisch-zentralistisch disziplinierten Amtmännerkorps in Baden während der Jahrzehnte um die Mitte des 19. Jahrhunderts siehe eingehend Eibach 1994. Becker 1964, 21*; vgl. Köhler 1964, 21-23; Remmele 1925, 175f.; siehe dazu eingehender Merz 1985, bes. 90-92, 257-262. Fenske 1972, 124f„ 126 (Zitat) relativiert den Topos des "liberalen Beamtenregiments* bad. Provenienz durch einen Hinweis auf die "durchaus konservativ-nationale Grundhaltung" der nationalliberalen Verwaltungselite vor dem Ersten Weltkrieg; vgl. Wolf 1990, 181f. u. 161, 173, 417. Aufschlußreiche Einblicke in deren Gedankenwelt und Praxis vermitteln die Memoiren des LKom u. MinR Max Föhrenbach (1911), Vater des 1930 pensionierten LKom u. MinDir Friedrich Föhrenbach. Vgl. auch die umfangreichen (handschriftl.) Erinnerungen des MinDir Dr. Hennann Fecht von 1945 (GLAK, 69, Nr. 11.887) und die (maschinenschriftl.) Erinnerungen des MinDir Friedrich

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Großherzogtum schon lange vor 1914/18 nicht mehr pauschal als Reichs- und Staatsfeinde,131 wiewohl ihnen namentlich der höhere Staatsdienst konsequent verschlossen geblieben war. Während der Revolution 1918/19 hatten die administrativen Eliten in Baden daher noch weniger Probleme als anderwärts damit, sich der gemäßigten Sozialdemokratie zur Verfügung zu stellen, um gemeinsam eine baldige Beruhigung der Verhältnisse herbeizuführen. Schließlich war die "Bereitschaft, jeder Regierung zu dienen, die sich bürokratischer Formen bedient",132 seit jeher integraler Bestandteil ihres professionellen Selbstverständnisses, und angesichts der obwaltenden Umstände wurden nun auch sozialdemokratische Politiker in den Kreis der legitimen Autoritäten mit einbezogen. Gefördert wurde diese pragmatische Haltung durch die mit Loyalitätsappellen verknüpften Bekundungen der neuen Machthaber: "Die Beamten bleiben in ihren Stellungen und haben in treuer Weise ihre Pflicht zu erfüllen", verkündeten Soldatenrat und Wohlfahrtsausschuß der Landeshauptstadt Karlsruhe schon am 10. November 1918; tags darauf forderten Volksregierung und Arbeiter- und Soldatenräte Badens, "daß alle Zivilbehörden bis zum letzten Mann einwandfrei weiter arbeiten", um "die öffentliche Sicherheit und Ruhe aufrecht (zu) erhalten". 133 Und am 16. November folgte die Zusicherung der Revolutionsregierung, daß die bürokratischen Strukturen unangetastet bleiben und die hergebrachten Standesrechte der öffentlich Bediensteten auch künftig respektiert würden.134 Um solchen Bekundungen Nachdruck zu verleihen, wurde überdies am 10. November ein promovierter Jurist, der Linksliberale Ludwig Haas, zum Innenminister berufen. 135 "Wir brauchen die Beamtenschaft," erläuterte der neue Justizminister Ludwig Marum (SPD) den erstmals versammelten Arbeiter- und Soldatenräten diese demonstrative Geste, "und deshalb mußten wir auch ihre Vertreter in die Regierung nehmen."136 Auch in Baden glitt der bürgerlichen Elite des Landes die Kontrolle über die Personalpolitik des Schlüsselressorts während der entscheidenden Phase der Revolution nicht aus den Händen.

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Müller-Trefzer v. 1953 (GLAK, 65, Nr. 11.746; BÄK, Kl., Erwerb. 148) sowie den Lebenslauf des ORegR Wilhelm Pfisterer, Sohn des protestant. LKom u. MinDir Philipp Alexander Pfisterer, v. 1946 (GLAK, 76, Nr. 12.988; 10 S.). Die PA des Angehörigen der Heidelberger Verbindung Rupertia u. DVP-Mitglieds siehe auch die übrigen Faszikel seines Nachlasses (ebd., Nr. 12.883-12.885, 12.988) sowie die Doss. des BNSDJ/NSRB (GLAX, 465c, Nr. 720) u. des Gaupersonalamtes in den EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 28.202). Vgl. Brandt/Rürup 1991, 48-56. Wunder 1987, 289. Brandt/Rürup 1980, Dok. 62, 423f.; ebd., Dok. 63, 425; vgl. Kaller 1966; Merz 1985, 104f. Zur Haltung der Sozialdemokratie 1918/19 siehe Stehling 1976, 88-105; Stehling-Höfling 1979, 136-139; vgl. aus der Sicht des nachmaligen SPD-Mdl Remmele 1925 u. 1931. Karlsruher Ztg., Nr. 272, 21.11.1918 (Ausschnitt: GLAK, 233, Nr. 24.063); vgl. Merz 1985, 95. Vgl. Brandt/RSrup 1991, 83. Der Rechtsanwalt und Exponent der Freiheitlichen Volkspartei amtierte von November 1918 bis April 1919 als bad. Mdl, anschließend bis 1920 als Staatsrat; 1928-1930 führte er die RT-Fraktion der DDP. Kurzbiogr. siehe Brandt/Rürup 1991, 159. Brandt/Rürup 1980, Dok. 1, 10 (21.11.1918); Kurzbiogr. des Karlsruher Rechtsanwalts u. späteren MdR siehe ebd., 8f., Anm. 12; Brandt/Rürup 1991, 165.

Badische Räte und Geheimräte

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Wie in Württemberg, so häuften sich in Baden schon bald die Klagen darüber, daß der überkommene Verwaltungsapparat personell gänzlich unangetastet weiterarbeiten konnte: "Bereits aber treten die alten bürokratischen Einrichtungen wieder in Erscheinung, langsam tauchen die alten Gewalten wieder a u f , warnte der badische USPD-Führer Hermann Remmele sechs Wochen nach dem Umsturz.137 Zwei Monate später zog ein Sprecher auf der 4. Landesversammlung der badischen A.u. S.-Räte resignierend Zwischenbilanz: "In den Verwaltungsorganen sitzen noch die alten bürgerlichen Vertreter mit ihrem reaktionären Geiste."138 Und im Sommer 1919 stellte ein USPD-Mitglied des "Elfer-Ausschusses" der längst in die Bedeutungslosigkeit abgedrängten Räte nüchtern fest: "Die Bürokratie wurde von der Revolution in keiner Weise angetastet, es ist deshalb eine Illusion anzunehmen, sie würde nun von der Dienerin der herrschenden Macht, die sie bisher war, eine Dienerin des Volkes werden."139 Das behaupteten auch die Mehrheitssozialisten nicht, doch sie setzten ihre Hoffnungen auf die normative Kraft des Faktischen: "Viele Behörden, die jetzt noch passive Resistenz leisten," entgegnete der Vorsitzende des Lörracher Volksrats und spätere SPD-Landtagsabgeordnete Adolf Kieslich auf entsprechende Klagen oberbadischer Delegierter Ende November 1918, "werden sich nach und nach den Α.- u. S.-Räten anpassen, schon wegen ihrer Existenz."140 Und sein Parteifreund Emil Maier räumte im Mai 1919 freimütig ein: "Vielfach findet man [...] noch Widerstände; der alte bürokratische Apparat ist noch so festgefahren, daß ein Arbeiten manchmal noch schwierig war." Doch zugleich mahnte der spätere Innenminister zur Geduld: "Ein altgefügtes System läßt sich eben nicht von heute auf morgen umwandeln."141 "Wenn erklärt werde, man sei auf die technisch geschulten Verwaltungsbeamten angewiesen, so sei das keine Beleidigung des Volkes, sondern nur eine Konstatierung der Tatsachen. Um einen Verwaltungsposten richtig auszufüllen, sei etwas mehr nötig, als gute sozialdemokratische Gesinnnung", riet Marum zu mehr Bescheidenheit. "Die Revolution sei für die Sozialdemokratie zu früh gekommen, als sie noch nicht so viele Leute hatte, um sämtliche Verwaltungsstellen zu besetzen; und sie habe sie heute noch nicht. Die Arbeiter müßten erst geschult und in die Lage versetzt werden, solche Posten zu versehen."142 In diesem Sinne hatte der Justizminister bereits nach den ersten Wochen der Revolution an die 137

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Brandt/Rürup 1980, Dok. 2, 32 (27.12.1918). Kurzbiogr. des späteren prominenten KPDPolitikers siehe ebd., 14, Anm. 36; Brandt/Rünip 1991, 168 u. Bildtafel 80. Hermann war der Bruder des nachmaligen Mdl Adam Remmele (SPD). Brandt/Rürup 1980, Dok. 67, 67 (1.3.1919); vgl. ebd., Dok. 6, 97, 99f. (18.8.1919); ebd., Dok. 18, 246 (24.1.1919); femer Brandt/Rürup 1991, 122f. Brandt/Rürup 1980, Dok. 6, 104, Anm. 40 (18.8.1919). Brandt/Rürup 1980, Dok. 21, 268 (29.11.1918); Hervorheb. von mir. Zur Person siehe ebd., 13, Anm. 34. Brandt/Rürup 1980, Dok. 5, 81 (3.5.1919). KurzbiogT. des Heidelberger SPD-Politikers, der 1925/26 und 1928-1931 als Staatsrat sowie 1931/32 als Mdl der bad. Staatsregierung angehörte, siehe ebd., 16, Anm. 46; Brandt/Rürup 1991, 165 u. Bildtafel 73; siehe ferner Emil Maier 1994. Brandt/Rürup 1980, Dok. 6, 99 (18.8.1919).

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Rätedelegierten appelliert: "Bei den Beschwerden und Anklagen müssen die Genossen und Kameraden berücksichtigen, daß bis jetzt nur die Spitze des Staates, die Regierung revolutioniert worden ist, daß aber doch die Beamten noch dieselben sind wie früher. [...] Die Regierung hat sich bemüht, durch Erlasse und mündliche Belehrungen dahin zu wirken, daß die Beamten im Sinne der gegenwärtigen Regierung arbeiten."143 In solchen Wendungen kamen nicht bloß der ausgeprägte Etatismus und die notorische "Fachmann-Ideologie" der deutschen Arbeiterbewegung zum Vorschein,144 ihnen lag offenkundig auch ein dezidiert instrumentelles Bürokratieverständnis zugrunde, das durch (vulgär)marxistische "Überbau"-Theoreme145 inspiriert wurde und zugleich auf Vorstellungen basierte, wie sie Max Weber im Anschluß an die Selbststilisierung der preußisch-deutschen Bürokratie gerade in theoretische Kategorien gegossen hatte: "Macht, das heißt: Anteil an der Verwaltung und also: am Einfluß auf die Ämterbesetzung"; und deshalb "(ist) stets die Frage: wer beherrscht den bestehenden bureaukratischen Apparat", der "für die zur Gewalt gelangte Revolution [...] normalerweise einfach weiter (funktioniert) wie für die bisher legale Regierung".146 Damit aber dieses Kalkül in der nachrevolutionären Praxis aufging, mußten zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein. Auf der einen Seite bedurfte es politischer Machteliten mit dem Willen und der Fähigkeit, die Verwaltung konsequent in den Dienst der demokratischen Republik zu stellen; auf der anderen Seite administrativer Funktionseliten, an deren korporativer Geschlossenheit und Selbstbehauptungskraft solche Bestrebungen nicht einfach abprallten. In beiderlei Hinsicht standen die Chancen in Baden ungleich günstiger als in Württemberg.

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Brandt/Rürup 1980, Dok. 2, 36 (27.12.1918; Hervorheb. von mir). Zur etatistisch akzentuierten "Fachmann-Ideologie" der Sozialdemokratie, die Marum in nachgerade klassischen Wendungen zum Ausdruck brachte, siehe Feldman 1975, 241.; vgl. für vieles Ruck 1990a, S4-S6. Vgl. mit Blick auf die Akzeptanz der traditionellen Verwaltung auch auf der Linken Fenske 1973, 125f.; H. Mommsen 1976c, 81-83; vgl. schon Cohen 1931/32, bes. 338f. 145 vgl. den knappen Hinweis bei Eisenstadt/Beyme 1966, Sp. 9SS. Wesentlich differenzierter aus sozialistischer Perspektive hingegen Nölting 1929, 227: "Das Verhältnis von zielsetzender Gesetzgebung und ausführender Verwaltung ist nicht derart, daß die Exekutive gehorcht und einschwenkt, jenachdem die Legislative auf den Knopf drückt. Die Verwaltung ist ein Medium, das den einfallenden Lichtstrahl des an der Spitze gebildeten Gesetzes- und Befehlswillens in einem spezifischen Winkel bricht. [...] Der soziologische Träger dieses staatlich-bürokratischen Eigenwillens ist das Beamtentum, eine von Traditionen überwucherte, von besonderem Standesgefühl und Berufsidealen erfüllte, in das überlieferte Klassenschema nur schwierig einzuordnende Schicht. " (Hervorheb. von mir). 146 Erstes Zitat: Weber 1958, 329 (Hervorhebungen im Original). Zweites Zitat·. Weber 1976, 128.; vgl. Weber 1958, 339f. Zu Webers Bürokratietheorie siehe etwa Mayntz 1968; Kocka 1981b; vgl. mit Blick auf den NS-Staat die kritischen Anmerkungen von Burin 1952.

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63 Weimarer Verhältnisse in Karlsruhe Von 1919 bis 1926 wurde die badische Regierung von einer Weimarer Koalition aus SPD, DDP und Zentrum regiert; anschließend trugen SPD und Zentrum bis zum November 1932 die Regierung, 1927 bis 1929 unter informeller Beteiligung der Demokraten, 147 seit 1930 mit der DVP als Drittem im Bunde. An der Spitze des Innenministeriums stand ein Jahrzehnt die dominierende Persönlichkeit der badischen Sozialdemokratie, der gelernte Müller und spätere Arbeitsamtsleiter, Gewerkschaftsfunktionär und Redakteur Adam Remmele; ihm folgten 1929 bis 1930 der Jurist Joseph Wittemann (Zentrum), 1931/32 der Buchdrucker, Redakteur und Direktor eines Heidelberger Kommunalbetriebes Emil Maier (SPD), und im Herbst 1932 leitete der Staatsrat Leopold Rückert (SPD), ehemals Schlosser und Verkehrsminister, für wenige Wochen kommissarisch das Ressort. 1 4 8 Nachdem die SPD auf dem Höhepunkt des badischen Konkordatsstreits Ende 1932 aus der Dreier-Koalition ausgestiegen war, gelangte schließlich am Vorabend der NS-Machtergreifung mit Dr. Erwin Umhauer (DVP) nochmals für zwei Monate ein Jurist an die Spitze des Innenministeriums.149 Dessen Geschäftsbereich war im Oktober 1924 auf Betreiben des Finanzministers Heinrich Köhler (Zentrum) das Arbeitsministerium wieder zugeschlagen worden - vorgeblich aus Geldmangel, tatsächlich aber, um mit dem nach der Revolution errichteten Ressort eine Bastion der SPD zu schleifen. 150 Die politische Leitung der badischen Landesverwaltung kontrastierte mithin grundlegend zu ihrem Nachkriegspendant in Württemberg. Nicht nur die starke Präsenz der SPD als eigentlicher Verfassungspartei der ersten deutschen Republik verlieh ihr ein prononciert republikanisches Profil; an dem Bekenntnis der DDP zur parlamentarischen Demokratie konnte ebenfalls kein ernsthafter Zweifel aufkommen, und auch das Zentrum als stärkste politische Kraft des Freistaats stand zumindest bis zum Beginn der dreißiger Jahre - der republikanischen Mitte des Parteienspektrums ungleich näher als in Württemberg. Die soziale Zusammensetzung der Kabinette unterstreicht den offeneren Charakter der badischen 147

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Von 1926 bis 1929 gehörte der vormalige MinDir im Mdl, Otto Leers (DDP), dem Kabinett als Minister für Kultus u. Unterricht an. Zur Person siehe unten, Anm. 195. Zur Person Remmeles siehe das Lebensbild von Gerhard Kaller in: BB II 1987, 225-228; ferner Brandt/Rünip 1991, 167f. u. Bildtafel 79. Zur Person des ehemaligen MinR im StMin u. Präs. des Rechnungshofes, LT-Präs. Wittemann, siehe Brandt/Rürup 1991, 174; ferner den Handbuchartikel von Clemens Siebler (ungedr. Manuskript; erscheint in BB IV). Überblick über die bad. Kabinette 1918-1933 mit Kurzbiogr. aller Ressortchefs siehe Kaller 1983; siehe auch die tabellar. Übersicht bei Stiefel I 1979, 412-424; vgl. sehr knapp Zier 1987. Zum Konkordatsstreit siehe Rehberger 1966, 40-45; vgl. zur Haltung der SPD Stehling 1976, 305-328. Der spätere Reichsfinanzmin. räumt dies in seinen Memoiren freimütig ein; siehe Köhler 1964, 125f. Der ehemalige Verwaltungsmann Stiefel (I 1979, 339) läßt das ungeliebte, 1919-1924 von dem gelernten Zimmermann Friedrich Wilhelm Engler (SPD) geleitete Ressort in seiner Aufzählung der Ministerien) bezeichnenderweise unerwähnt. Kurzbiogr. Englers siehe Brandt/Rürup 1991, 157 u. Bildtafel 53.

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Verhältnisse. Nur die gute Hälfte aller 27 Minister und Staatsräte hatte ein Hochschulstudium absolviert, und davon konnten lediglich acht den im Nachbarland unabdingbaren Status eines Volljuristen vorweisen. Überdies zählten gerade die politisch gewichtigsten Minister und Staatspräsidenten nicht zur Gruppe der Akademiker. Das galt für den Innen-, Kultus- und Justizminister Remmele ebenso wie für den langjährigen Staatsrat und Finanzminister Köhler vom Zentrum, der aus dem gehobenen Finanzverwaltungsdienst stammte.151 Allerdings gewannen die Juristen seit Mitte der zwanziger Jahre unverkennbar an Gewicht, und die freudige Entgegennahme von medizinischen Ehrendoktorwürden der Landesuniversitäten Freiburg und Heidelberg durch Remmele, Köhler und andere Minister läßt ahnen, welche Prägekraft die Normenwelt des Bildungsbürgertums auf nichtakademische Angehörige der regionalen politischen Elite nach wie vor ausübte.152 Auch politisch zeichnete sich zu Beginn der dreißiger Jahre in ersten Ansätzen ein Roll back in Richtung der Vorkriegsverhältnisse an. An Stelle der geschwächten Demokraten rückte die post-Stresemannsche DVP ausgerechnet zu einem Zeitpunkt in die Regierung ein, als sie sich deutlich nach rechts bewegte.153 Und die härtere Gangart des Zentrums gegenüber dem sozialdemokratischen Koalitionspartner wie mancherlei Gerüchte über mögliche Koalitionsofferten an die NSDAP ließen ebenfalls erkennen, daß sich die Partei Brünings nicht nur in Berlin, sondern auch in Karlsruhe allmählich von den Geschäftsgrundlagen der Weimarer Republik zu verabschieden begann.154 Unbeschadet dessen gehörte Baden zum Kreis deijenigen Länder, die sich der beginnenden Unterwanderung des Staatsapparates durch die NSDAP energisch entgegenzustellen versuchten. Im Einklang mit den Regierungen Preußens, Hessens und Hamburgs unternahm das badische Kabinett auf maßgebliche Initiative Adam Remmeles seit Juli 1930 immer neue Anläufe, exponierte Nationalsozialisten aus dem Öffentlichen Dienst zu entfernen.155 Auf Druck des 151

Kurzbiogr. Heinrich Köhlers siehe Brandt/Rünip 1991, 162 u. Bildtafel 65. Trotz seiner - bei der Reichsbesoldungsreform 1927 tatkräftig unter Beweis gestellten - Identifikation mit den Belangen des Öffentlichen Dienstes legte Köhler als Nichtakademiker besonderen Wert darauf, der bad. Verwaltungselite praktisch vor Augen zu führen, dafi "die 'alten Zeiten' der liberalen Beamtenherrschaft" vorbei seien; siehe Köhler 1964, 131; vgl. ebd., 7f., 20-22; zur Besoldungsreform siehe ebd., 251-264. Die Ressentiments, mit denen "Emporkömmlinge" wie Köhler seitens ihrer juristisch vorgebildeten Kollegen mehr oder minder unterschwellig konfrontiert wurden, scheinen etwa durch bei Maier 1964, 196. 152 vgl. Kaller 1983, 161. Ganz deutlich wird das bei der Lektüre der Memoiren Köhlers; siehe ders. 1964, 119-121. Remmele wurde nach seiner Ehrenpromotion in Freiburg 1926 von der NSDAP bei jeder sich bietenden Gelegenheit als "Dr. honoris causa", "Dr. med. h.c." usf. verhöhnt; siehe für vieles Führer, Nr. 39, 29.9.1928, 1; ebd., Nr. 58, 10.3.1931, 5. 153 Vgl. Fritz 1984. 154 Zum Rechtsschwenk des Zentrums seit 1928/30 siehe allgemein Morsey 1977c, 13-33; Hurten 1992, 160-177. 155 Zu Remmeles Forderung, "ausdrücklich für Beamte die Mitgliedschaft oder Beteiligung an Vereinigungen" zu verbieten, "deren Ziel der gewaltsame Umsturz der heutigen Staatsordnung ist", siehe seine Sehr, an das StMin v. 2.1.1930 (als Kultusmin.) u. 10.1.1930 (als Justizmin. seinen eigenen Vorstoß billigend) sowie die dilatorische Antwort des Finan7,min, u. StPräs

Liberalitas Badensiae

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Papenschen Notverordnungsregimes mußte dieses Vorhaben im Herbst 1932 endgültig abgeblasen werden, doch schon zuvor hatten die bürgerlichen Koalitionspartner angesichts der ablehnenden Haltung Reichskanzler Brünings und wohl auch schon aus taktischer Rücksichtnahme auf die erstarkende NSDAP die Vorstöße ihres Koalitionspartners nur mit halbem Herzen unterstützt.156 Immerhin bleibt festzuhalten, daß Baden den Feinden der Republik bis fast zuletzt und nicht völlig erfolglos die Stirn bot, 157 während Württemberg längst in engem Schulterschluß mit Brüning den autoritären Obrigkeitsstaat jenseits von Weimar ansteuerte.

Liberalitas badensiae Nicht nur die politische Landschaft, auch die (Innen)verwaltung Badens bot um 1930 ein wesentlich heterogeneres Bild als diejenige des Nachbarlandes. Für die fast durchweg bürgerliche Abstammung158 und die regionale Herkunft ihres Personals gilt diese Aussage noch am wenigsten: sowohl im Januar 1928 als auch ein Jahrfünft später waren nahezu neun von zehn höheren Beamten Landeskinder (Tab. 12/13). Allerdings belegt die generationenbezogene Analyse, daß in Baden schon länger eine eng begrenzte Fremdrekrutierung üblich gewesen ist. Da die betreffenden Beamten jedoch überwiegend aus dem benachbarten Elsaß-Lothringen und der Pfalz stammten, tat das ihrem südwestdeutschen Habitus keinen Abbruch. Auch in konfessioneller Hinsicht will die liberalitas badensiae nicht recht ins Auge fallen - im Gegenteil: selbst im Vergleich zu Württemberg sah sich die katholische Bevölkerungsmehrheit um 1930 unter der administrativen Elite noch eklatant unterrepräsentiert: nur ein gutes Drittel der Beamten war katholischer Konfession, jedoch knapp 60 v.H. Protestanten (Tab. 12/13) - eine präzise Umkehrung der Konfessionsverteilung unter der Gesamtbevölkerung.159 Unter der zehnjährigen Ägide des SPD-Ressortchefs Adam Remmele änderte sich daran nur

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Schmitt (Zentrum) (GLAK, 233, Nr. 23.923). Remmele stand auch an der Spitze der publizistischen Auseinandersetzung mit der NSDAP und ihren deutschnationalen Helfershelfern; siehe ders. 1931b u. 1931c. Siehe dazu eingehend Brendel 1976; Merz 1985, 227-256; ferner Fenske 1976, 121-129, bes. 125f.; Morsey 1977b; Caplan 1988, 123-128; Pyta 1989, 291f., 319-328. "Leider ist durch die unselige Personalpolitik der vergangenen Jahre der Kreis der nationalsozialistischen Verwaltungsbeamten sehr gering", berichtete RegR Dr. Karl Fees, der schon 1930 von der SPD zur NSDAP gewechselt war, dem Gaufùhrer des BNSDJ am 11.4.1933 (GLAK, 465c, Nr. 896, Doss. Fees). Zur Person Fees' siehe unten, mit Anm. 232. Im Untersuchungszeitraum waren in der bad. Innenverwaltung insgesamt sieben Adlige der Jahrginge 1866, 1870, 1881, 1885, 1900, 1909 u. 1911 (zeitweise) tätig. Bei der Volkszählung von 1925 wurden in Baden 58,4 v.H. Katholiken und 38,7 v.H. Protestanten festgestellt; 1933 waren es 58,4/38,2 v.H.; siehe Religionszugehörigkeit Baden 1927, 218f. (mit Rückblick auf 1825/1875/1900); Wohnbevölkerung Baden 1933, 38.

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langsam etwas.160 Zwar lag der Katholikenanteil unter den 1890er Jahrgängen, die in den ersten Jahren der Republik eingestellt worden waren, signifikant über dem Durchschnitt (1933: 52,2 v.H.). Dem harschen Diktum des Heidelberger Ordinarius Max Weber von 1918 indessen, die Zentrumspartei sei de facto "in zunehmendem Maße eine Patronageversicherung für katholische Amtsanwärter und andere katholische Interessenten" geworden,161 mangelte es offensichtlich ausgerechnet in seinem Gastland an genereller Gültigkeit.162 Auch in den frühen zwanziger Jahren machten Innenminister Remmele und sein Ministerialdirektor Otto Leers (DDP) keine erkennbaren Anstalten, die Folgen der antikatholischen Großblockpolitik durch eine gezielte Personalselektion rasch zu kompensieren. Daß die Unterrepräsentation der katholischen Bevölkerungsmehrheit nicht bloß eine strukturelle Konsequenz ihrer geringeren Teilhabe an der universitären Ausbildung des Juristennachwuchses war, sondern auch politische Hintergründe hatte, belegt die Konfessionszugehörigkeit der Landräte. In zwölf der 40 badischen Bezirksämter wohnten um 1930 mindestens 90 v.H. Katholiken, in weiteren neun betrug ihr Anteil mindestens 75 v.H. (Abb. 2). Anders als in Württemberg wurden selbst solche konfessionell homogenen Bezirke nicht durchweg von katholischen Amtsvorständen verwaltet: sowohl Anfang 1928 als auch zu Beginn des Jahres 1933 waren nur 16 Landräte katholischer Konfession (Tab. 23).163

Badens Verwaltungselite im Volksstaat Haben die durchaus verschiedenen Konstellationen auf der politischen Leitungsebene vor und nach 1918 zu substantiellen Unterschieden zwischen den beiden südwestdeutschen Ländern auf der Merkmalsdimension "soziale Selektivität"164 der Nachwuchsrekrutierung im Zeitablauf geführt? Die kumulierte Verteilung des Personals auf die wichtigen Großgruppen deutet zunächst nicht darauf hin. Wie in Württemberg, so stammten 1928/1933 auch in Baden (knapp) vier von zehn höheren Beamten aus akademischen Elternhäusern, nicht ganz jeder siebente hatte einen Juristen zum Vater. Die Selbstrekrutierungsquote des Öffentlichen Dienstes 160

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Vgl. Remmele 1925, 175f. Zur Diskriminierung der Katholiken im höheren Staatsdienst des Großherzogtums vgl. Köhler 1964, 20-22. Weber 1958, 354. Zur andauernden Kritik an der "vermeintlich schwarzen Personalpolitik" der bad. Regierung siehe Remmele 1925, 175-177; vgl. Fenske 1972, 126. Im Schulbereich war die Dominanz von Katholiken und Zentrumsanhängern allerdings augenfällig (Merz 1985, Anhang, Tab. 4 u. 5, 346f.). Auch im Justizbereich waren sie kaum unterrepräsentiert; vgl. für den Gerichtsbezirk Karlsruhe KiBener 1995. Diese Unterrepräsentation hatte ihren Ursprung in den frühen 1860er Jahren, als das liberale Karlsruher Ministerium im Zuge seines Personalrevirements die zuvor mehrheitlich kathol. Amtmänner überwiegend durch protest. Kollegen abgelöst hatte; vgl. Eibach 1994, 115. Mayntz 1985, 156.

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insgesamt bewegte sich in beiden Fällen um 50 v.H., und beinahe jeder vierte Beamte entstammte dem Alten Mittelstand (Tab. 2/3) Die generationenbezogene Analyse der Globaldaten führt bereits zu einer Differenzierung dieser Homologie des ersten Augenscheins. Während nämlich in Württemberg ein Anstieg der Akademikerquote von den älteren zu den jüngeren Alterskohorten festzustellen ist, deutete der Trend in Baden sowohl bei den Universitätsabsolventen insgesamt als auch bei den Juristen in die entgegengesetzte Richtung. Umgekehrt präsentiert sich das Bild für den Öffentlichen Dienst als Ganzes: Bei dem Anfang 1933 amtierenden Personal lag der Anteil von Beamtenkindern bis einschließlich Generation 4 (1890er Jahre) in Württemberg um einige Punkte unter den badischen Werten; erst bei der jüngsten Generation 5 (seit 1900 geboren) kehrte sich diese Relation deutlich um. Mehr als sechs von zehn der Mitte/Ende der zwanziger Jahre eingestellten Nachwuchsleute kamen nun in Baden aus einem Beamtenhaushalt, für Württemberg ist demgegenüber ein leichter Rückgang ihres Anteils auf gut die Hälfte zu konstatieren. Dort büßte im übrigen auch der Alte Mittelstand gegenüber Baden an Terrain ein, sofern nur die jüngste Alterskohorte betrachtet wird. Bei näherer Betrachtung einzelner Berufsgruppen treten einige Unterschiede zutage, welche die Profile der beiden Innenverwaltungen in manchen Nuancen weiter kontrastieren. Die Selbstrekrutierungsquote des höheren Verwaltungsdienstes, der - gemessen an der quantitativen Bedeutung dieser Berufsgruppe recht niedrige Anteil von Studienratskindern, die auffällige Unterrepräsentation der Landwirtschaft und die Abwesenheit von Arbeiterkindern gleichen einander in beiden Ländern ebenso wie die marginale Bedeutung der Justiz und der Rechtsanwaltschaft als Nachwuchsreservoir der administrativen Elite. Bei den Akademikerkindern war dies eindeutig eine Folge gruppenspezifischer Karrierepräferenzen. Die Quote von Sprößlingen höherer Verwaltungsbeamter und von Gymnasiallehrern an den Promovenden der Freiburger juristischen Fakultät war nahezu identisch mit ihrem Stellenanteil; aus der großen Zahl der promovierten Kinder von Richtern, Staatsanwälten und Freiberuflern hingegen fand kaum eines den Weg in die Innenverwaltung.165 Ins Auge fallt hingegen, daß Abkömmlinge der Geistlichkeit unter den badischen Akademikerkindern kaum eine Rolle spielten, während der Nachwuchs von Medizinern und Hochschulabsolventen technisch-mathematisch-naturwissenschaftlicher Disziplinen gegenüber Württemberg wesentlich stärker im Staatsdienst vertreten war. In diesen Zahlen spiegelt sich offensichtlich eine andere, tendenziell "modernere" Zusammensetzung der badischen Ruling classes.166 Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Beobachtung, daß die Kinder gewerblicher Unternehmer 165

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Siehe die Analyse der Väterberufe juristischer Doktoren aus Freiburg (1880-1969) bei Merkel 1976, 164-168; vgl. die Aufgliederung der sozialen Herkunft der bad. Justizreferendare 18981921 bei Kaelble 1978, Tab. 7, 264 u. Kaelble 1983, Tab. 2.2.3, 76. Die begrenzte soziale Öffnung der bad. Innenverwaltung hatte mit dem großangelegten Personalrevirement des liberalen Ministeriums zu Beginn der 1860er Jahre eingesetzt; vgl. dazu Eibach 1994, 114-116; zur Situation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. ebd., 35-38.

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anders als in Württemberg einen zwar sinkenden, aber doch nennenswerten Anteil der höheren Beamtenschaft stellten, während die Nachkommen von selbständigen Handwerkern und Kleingewerbetreibenden in Baden noch schwächer repräsentiert waren. Auch der Umstand, daß die Kinder nichtakademischer Beamtenhaushalte ihre Position Anfang der dreißiger Jahre dem hohen württembergischen Niveau zumindest annähern konnten, darf als Indiz einer voranschreitenden Modernisierung der Verwaltung gewertet werden. Zum einen, weil das Wachstum dieser Berufsgruppe eng mit der Herausbildung des Interventionsstaates seit dem späten 19. Jahrhundert verknüpft war; 167 zum anderen, weil hier ein Einfallstor für die intergenerationelle Aufstiegsmobilität weiter geöffnet wurde. In entgegengesetzte Richtung weist allerdings die verschwindend geringe Zahl von Angestelltenkindern unter den badischen Beamten. Sowohl absolut als auch im Vergleich zu Württemberg, dem Baden bis zur Jahrhundertwende in der Entwicklung großbetrieblicher Produktionsstätten voraus gewesen war, spielte diese aufsteigende Schicht "am Rande des Bürgertums"168 hier keine Rolle. Gegen Ende der Weimarer Republik wiesen die badische und die württembergische Innenverwaltung hinsichtlich ihrer sozialen Zusammensetzung zwar einige markante Unterschiede im Detail auf; unter dem Strich jedoch überwogen bei weitem die Gemeinsamkeiten. Auch in Baden wurde die Rekrutierung des leitenden Personals eben nicht zuletzt durch das Angebot an Nachwuchsleuten aus dem höheren Bildungswesen gesteuert. Und dessen langfristige Strukturveränderungen unterschieden sich von denjenigen im Nachbarland allenfalls in Nuancen. Der steigende Anteil von Abkömmlingen nichtakademischer Beamter und die fehlende Präsenz von Albeiterkindern etwa waren durch die soziale Zusammensetzung des juristischen Hochschulnachwuchses vorgezeichnet.169 (Personal)politische Interventionen vermochten kurz- und mittelfristig allenfalls graduelle Fortschritte in Richtung einer sozialen Öffnung der Verwaltungselite herbeizuführen. Das galt erst recht, wenn am sakrosanten Fachbeamtenprinzip nicht gerüttelt und das vorhandene Personal nicht vor den Kopf gestoßen werden sollte. 170 Innenminister Remmele wurde das nur zu deutlich vor Augen geführt, als er die Stellen der zweiten Beamten bei den vier badischen Oberversicherungsämtern generell für Aufsteiger des gehobenen mittleren Verwaltungsdienstes reservieren wollte. Sein Parteifreund Friedrich Engler, dessen Arbeitsministerium 1924 im Innenressort aufgegangen war, hatte sich mit diesem Verlangen 1921/22 - in einem einzigen Fall - nur deshalb durchsetzen können, weil die Gewerkschaften seinerzeit noch imstande gewesen waren, den nötigen politischen Druck zu

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Vgl. Wunder 1986, 72-75, 81-87. König 1991, 24; vgl. Kocka 1981a. Zur gewerblichen Entwicklung Badens (im Vergleich zu Württ.) siehe Boelcke 1989, 230f.; vgl. Ott 1987b. Siehe oben, Anm. 165; vgl. für die Freiburger Studentenschaft in Weimarer Republik Kreutzberger 1972, 63f. u. Tab. 4, 59. Mdl Remmele bekannte sich ausdrücklich dazu; siehe etwa ders. 1925, 176.

Badens Verwaltungselite im Volksstaat

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erzeugen.171 Remmele nahm den Plan 1927 wieder auf, um die Attraktivität der nichtakademischen Beamtenlaufbahn zu steigern und Nachwuchsstellen des höheren Dienstes mit dem Ziel zu streichen, mittelfristig die ungünstige Beförderungssituation der Landratsaspiranten zu entspannen. Angesichts dessen keimte unter den jüngeren Regierungsräten alsbald die Sorge auf, es hier mit einem Präzedenzfall zu tun zu haben, dem weitere Einschränkungen des Juristenmonopols folgen würden. Auf ihr Drängen meldete der Verein der höheren Verwaltungsbeamten ausführlich seine Bedenken gegen die geplante Stellenumwandlung zu Lasten seiner Klientel an. 172 "Auf die dortige Eingabe wird erwidert, daß der in Aussicht genommene Versuch, Beamten des gehobenen mittleren Dienstes mit der stellvertretenden Leitung einzelner Versicherungsämter zu betrauen, im Interesse der Verbesserung der Beförderungsverhältnisse fortgesetzt werden muß", gab Remmele kurzangebunden zurück. Doch die energische Replik vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Interessenvertreter mit ihrer Demarche nachhaltige Wirkung erzielt hatten. Bei Remmeles Nachfolger, dem Juristen Wittemann vom Zentrum, konnte man ohnehin auf grundsätzliches Verständnis für den eigenen "Standpunkt" zählen, "daß nicht etwa enges Standesinteresse, sondern Gründe allgemeiner Art, insbesondere die Rücksicht auf die Dienstfreudigkeit der höheren Verwaltungsbeamten die Forderung rechtfertigen, die Stellen der Regierungsräte den Beamten vorzubehalten, welche die für diese Stellen notwendige, durch die beiden juristischen Staatsprüfungen nachgewiesene Vorbildung besitzen".173 So wurde zwar 1929 beim Oberversicherungsamt Mannheim eine Planstelle des höheren Dienstes mit einem gehobenen Beamten besetzt, doch zu weiteren Stellenumwidmungen dieser Art sollte es bis 1933 nicht mehr kommen. Außer dem 1922 ernannten Mitarbeiter des Oberversicherungsamts gab es nach zehnjähriger Ägide im Geschäftsbereich des Sozialdemokraten Remmele kaum mehr Aufsteiger als in der notorisch konservativen Innenverwaltung des Nachbarlandes: drei davon waren verdiente Beamte der Haushalts- und Revisionsabteilung, deren 171

Siehe dazu die Sehr, des Arbeitsmin. an das StMin v. 21.3.1921, 1.10.1921 u. 22.9.1922 sowie den diesbezüglichen KabinettsbeschluB v. 24.5.1921 (GLAK, 233, Nr. 24.424). Mit ihren Vorstößen versuchten Engler und Remmele, den seit Anfang der zwanziger Jahre erfolglos gegen den hinhaltenden Widerstand der höheren Beamtenschaft vertretenen Forderungen der SPD nach größerer Durchlässigkeit der Laufbahngrenzen zwischen Juristen und Nichtakademikern wenigstens in Baden praktische Geltung zu verschaffen; vgl. Merz 198S, 156-167; femer allgemein Hoffmann 1972, 194-207; Hattenhauer 1980, 339f. 172 V H V B ( g e z L R Schaible) an Mdl, 22.6.1927 (GLAK, 69, VHVB, Nr. 27); vgl. Niederschrift über die Vorstandssitzung des VHVB v. 15.6.1927 (GLAK, 69, VHVB, Nr. 1, hier 2-4). Der Verein der höheren Verwaltungsbeamten Badens (im Reichsbund der Höheren Beamten) und sein württ. Gegenstück spielten eine beachtliche Rolle bei der Tradierung des Korpsgeistes der südwestdeutschen Innenverwaltungen; da deren Beamten den Standesorganisationen ausnahmslos angehörten, ist dieser Fall aber für eine vergleichende (quantifizierende) Analyse nicht sonderlich ergiebig und wird deshalb hier nicht weiter behandelt. Über die Struktur und Interessenpolitik der Beamtenverbände in der Weimarer Republik informiert umfassend Schütz 1992. 173 VHVB (gez. OVGR Kohlmeier) an StPräs u. Mdl Wittemann, 30.12.1930 (GLAK, 69, VHVB, Nr. 27; Hervorheb. von mir).

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Beförderung in den höheren Dienst langjährigen, allseits akzeptierten Gepflogenheiten entsprach; und ein weiterer Kollege wurde 1930 für außerordentliche dienstliche Leistungen belohnt. Nach dem bisher Gesagten mag es so scheinen, als habe es sich bei der Innenverwaltung Badens eben doch nur um ein modifiziertes Ebenbild ihres württembergischen Pendants gehandelt. Doch dieser Eindruck täuscht. So standen Anfang der dreißiger Jahre vier höhere Beamte jüdischer Abkunft im Dienst der badischen Innenverwaltung.174 In Württemberg war dies ebenso undenkbar wie die Aufnahme einer Frau in die regionale Verwaltungselite. In Baden geschah dies 1926 zum ersten und einzigen Mal bis 1945, nachdem Renimele auf Drängen Marums mit einem Machtwort den zweijährigen Widerstand seiner Ministerialreferenten gebrochen hatte: mit Hilde Bott (1897-1985) wurde die erste Volljuristin Badens zum "Regierungsrat" ernannt.175 Gleichwohl böte dieser spektakuläre Vorgang allein noch keinen Anlaß, der badischen Innenverwaltung ein pluralistischeres Profil nachzusagen, als ihrem Gegenstück in Württemberg. Entscheidend dafür ist vielmehr der Grad ihrer Durchsetzung mit Alten Herren der tonangebenden Korporationen und das Muster der (parteipolitischen Affiliationen ihrer (maßgeblichen) Angehörigen.

Verschlissene Netzwerke Was die Korporationen anbelangt, deutet schon der erste Augenschein auf markante Unterschiede hin. Die akademischen Verbindungen der Landesuniversitäten Freiburg und Heidelberg besaßen offenbar nicht annähernd jenen überragenden Einfluß auf die vorberufliche Sozialisation und auf die Kooptation des höheren Verwaltungspersonals, wie er im Nachbarland bis 1933 und darüber hinaus üblich war. Allein schon die Aufteilung der badischen Studentenschaft auf die protestantisch-(national)liberal geprägte Ruperto Carola im Norden und die katholisch-konservativ geprägte Alberto Ludoviciana im Süden hatte dafür gesorgt, daß sich in Baden ein Korpsgeist der akademischen Eliten nicht in der für Württemberg so typischen Intensität hatte entwickeln können.176 Dazu trug auch der hohe Anteil 174

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Hermann Levinger (geb. 1865) aus Karlsruhe, bis zu seiner Pensionierung Ende 1930 LR in Uberlingen; LR, dann OVGR Dr. Georg Herrmann (geb. 1876), Kaufmannsohn aus Karlsruhe; Dr. Marcel Nordmann (1890-1948), Sohn eines Lörracher Rechtsagenten; Dr. Herbert Fuchs (geb. 1901), Fabrikantensohn aus Karlsruhe. Auch der Mdl von 1918/19, Dr. Ludwig Haas, war jüdischer Herkunft; zur Person siehe oben, Anm. 135. Zum Werdegang der MinRs-Tochter Hilde Sturm, geb. Bott, siehe ihren selbstverfaßten Lebenslauf v. 13.12.1949 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.739, PA Mdl Freiburg, Bl. 5f.); vgl. den Handbuchartikel von Karl Zippelius (ungedr. Manuskript; erscheint in: BWB Π). Die bekannte Konstanzer CDU-Nachkriegspolitikerin (vgl. Heimle 1990, 118) muflte nach der Heirat mit einem Amtsgerichtsrat bereits im Oktober 1928 wieder aus dem Staatsdienst ausscheiden. Allerdings gehörte es - jedenfalls unter den hier untersuchten Beamten - zum guten Ton, jeweils ein oder zwei Semester an der anderen bad. Universität zu verbringen.

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auswärtiger Kommilitonen bei - in Heidelberg vor allem aus den protestantischen Gegenden Preußens und aus dem Ausland, in Freiburg in erster Linie aus "allen katholischen Kernlandschaften Deutschlands" mit dem Schwerpunkt RheinlandWestfalen.177 Überdies lag der Korporiertenanteil an der Gesamtstudentenschaft beider Universitäten weit unterhalb des Reichsdurchschnitts: In Heidelberg, immerhin vielbesungenes Symbol deutscher "Burschenherrlichkeit", waren schon 1913 gerade drei von zehn Studenten in Verbindungen aktiv gewesen; nach dem Krieg sank der Anteil leicht ab, um in den frühen dreißiger Jahren drastisch einzubrechen.178 In Freiburg haben die Verbindungen offenbar kaum mehr Kommilitonen für sich gewinnen können.179 An den deutschen Hochschulen des Reiches und Österreichs insgesamt lag die Quote fast doppelt so hoch.180 Kaum verwunderlich also, daß nur gut vier von zehn Angehörigen der badischen Innenverwaltung korporiert waren. Damit lag ihre Organisationsquote ein Drittel unter deijenigen ihrer württembergischen Kollegen (Tab. 24; vgl. Tab. 25). 181 Doch damit nicht genug. Die Verteilung der Alten Herren auf die verschiedenen Alterskohorten zeigt, daß die Mehrzahl der protestantischen Verbindungsmitglieder aus den Geburtsjahrgängen der 1870er und 1880er Jahre stammte. Bei den Gesamtanteilen der einzelnen Generationen kommt dieser Umstand nur deshalb nicht voll zum Ausdruck, weil die Entwicklung bei den katholischen Korporationen diametral verlief. Vor dem Krieg standen katholische Studenten in Baden dem Verbindungswesen generell skeptischer gegenüber als etwa in Württemberg, und wenn sie diese Zurückhaltung aufgaben, entschieden sich gerade angehende Verwaltungsjuristen

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Kreutzberger 1972, 115; zum konservativen Profil der Freiburger Universität siehe ebd., 3051. Robert von Mohl - bis 1845 zunächst Ordinarius in Tübingen, dann bis 1861 in Heidelberg - kontrastiert anschaulich die beiden grundverschiedenen Universitätsmilieus (1902, 217-222, 228). Wie Giovannini (1990, lOOf.) charakterisiert Jansen (1992a, 300f.) Heidelberg als traditionelle "Hochburg einer modernen und liberalen Gelehrtenpolitik", um dann umso eindringlicher die "Entliberalisierung des politischen Klimas" an der international renommierten Universität seit 1914 herauszuarbeiten. Giovannini 1990, 90-92. Im Sommersemester 1933 gehörte nicht einmal mehr jeder fünfte Heidelberger Student einer Korporation an. Dazu ein Zeitzeuge, der Jurist und langjährige Konstanzer OBgm Heimle (1990, 21f.): "Es wurde zwar in den Korporationen aus voller Kehle 'Alt-Heidelberg du Feine' gesungen, aber von dem feuchtfröhlichen Studentenleben war nichts mehr übrig. Die meisten Studenten waren sehrfleißig." Im Wintersemester 1930/31 waren rund 40 v.H. der Freiburger Studenten organisiert, drei Viertel davon in Korporationen; in Sommersemesters lagen diese Anteile gewöhnlich noch etwas niedriger (Kreutzberger 1972, 75 mit Tab. 6, 76). Von den 126.481 Studierenden an den Universitäten des Deutschen Reiches und der Osterreichischen Republik sowie dai deutschen Hochschulen in der Tschechoslowakei und Danzigs waren 1929 71.413 (56,5 v.H.) Korporationsmitglieder. Gleichzeitig zählten die Altherrenschaften 174.815 Angehörige (Heither/Lemling 1992, 120f.). Insofern scheint die rückschauende Bemerkung Heinrich Köhlers (1964, 7f.), "auf dem Weg [s]eines Aufstiegs" habe er als "Nichtstudierter" immer wieder unter dem "Akademikerdünkel" zu leiden gehabt, der "besonders durch das Koiporationswesen (gefördert)" worden sei, jedenfalls in ihrem zweiten Teil eher durch seine eigenen Identitätsprobleme als gehobener Beamter inspiriert als durch die Fakten gerechtfertigt zu sein. Vgl. oben, Anm. lSlf.

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im Zweifelsfall des öfteren für eine gemischtkonfessionelle Korporation.182 Angesichts der diskrimierenden Personalpolitik des badischen Großblocks konnte eine solche Anpassungsgeste die Einstellungs- und Karrierechancen nur fördern. Nachdem das Zentrum 1919 eine - angesichts der Konfessionsverteilung im Lande mutmaßlich dauerhafte - Schlösselposition in Parlament und Regierung eingenommen hatte, verkehrte sich diese Motivation in ihr Gegenteil. Die persönliche Einbindung in den Verbandskatholizismus schien nun für Aspiranten auf leitende Verwaltungsposten unter den angehenden Juristen durchaus ratsam zu sein. Entsprechend zahlreich waren katholische Korporierte unter den Nachwuchsbeamten der 1900-1909 geborenen Alterskohorte der Nachkriegsstudenten vertreten.183 Am stärksten repräsentiert waren auch hier die eher nach rechts tendierenden CV-Verbindungen. Kaum zufallig kamen dabei bevorzugt junge Leute aus den Korporationen führender Landespolitiker des Zentrums zum Zuge: der Arminia-Heidelberg des Justizministers und Staatspräsidenten Dr. Gustav Trunk, der Hercynia-Freiburg des Justizministers, Innenministers und Staatspräsidenten Joseph Wittemann wie des Fraktionsvorsitzenden Dr. Ernst Föhr, schließlich der Ripuaria-Freiburg des Kultusministers Dr. Eugen Baumgartner. Komplettiert wurde das katholische Personalkontingent durch fünf Mitglieder jener straff organisierten, republikloyalen Unitas-Vereine, welche bezeichnenderweise in der württembergischen Innenverwaltung keinen einzigen Beamten stellten.184 Im krassen Gegensatz dazu waren die Burschenschaften und der ebenfalls besonders weit rechtsstehende Verein deutscher Studenten unter den jüngeren Beamten kaum noch vertreten. Dabei spielten sie an den beiden Landesuniversi182

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Ein typisches Beispiel dafür bieten der kathol. LKom u. MinR Max Föhrenbach (geb. 1843) und sein Sohn, LKom u. MinDir Friedrich Föhrenbach. Während der Ältere, selbst Spröfiling eines Ministeralbeamten, nur ein kurzes Gastspiel bei der Freiburger Burschenschaft Teutonia gab (Föhrenbach 1911, 57-59), Schloß sich der Jüngere (1873-1942) jener Heidelberger Rupertia an, die in der Innenverwaltung besonders stark Fuß zu fassen vermochte; siehe oben, Anm. 130; zur Rupertia siehe unten, mit Anm. 194ff. Die PA Friedrich Föhrenbachs habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (GLAK, 466, Nr. 7.361) u. den Mdl-EA v. 26.11.1926 (GLAK, 236, Nr. 29.261); vgl. Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 96. Mitglied der Landmannschaft Teutonia war auch jener Jurist Dr. Josef Schmitt, der für das Zentrum mehrere Ministerien verwaltete und im März 1933 als StPräs von NS-Gauleiter- u. Reichskommissar Robert Wagner abgesetzt wurde. Immerhin mit 18 von 42 Beamten (43 v.H.). Damit lag ihr Quote unter den Korporierten noch einige Punkte höher als Anfang 1933 der Katholikmanteil unter allen Angehörigen der G(eneration) 5 (37,5 v.H.; siehe Tab. 13). Zum entschieden demokratischen Engagement des Unitas-Verbandes Freiburg siehe Kreutzberger 1972, 115; vgl. allgemein Faust I 1973, 124f. Vor allem den Unitas-Vereinen eng verbunden war der jugendbewegte 'Bund Neudeutschland"; siehe dazu allgemein Warloski 1970; Eilers 1985. Ihm gehörten mit dem späteren Bundesverwaltungsgerichtspräs. Dr. Walter Fürst (geb. 1912; zur Person siehe Kap. IV, mit Anm. 72) und dem nachmaligen baden-württ. Mdl Karl Schiess (geb. 1914; Mitglied der Germania-Hohentwiel-FR [KV]) auch zwei Mitglieder meiner bad. Untersuchungsgruppe an. Das Mitgliederverzeichnis des "ND" (Neudeutschland 1962/63) liest sich im übrigen wie ein Almanach der CDU-Prominenz der ersten Nachkriegsjahrzehnte; mit Blick auf die südwestdeutsche Innenverwaltung nach 1945 von Interesse sind insbes. der langjährige baden-württ. Mdl u. MinPräs Dr. Hans Filbinger sowie der LR u. Karlsruher RegPräs Dr. Anton Huber.

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täten - wenn schon nicht quantitativ, so doch (hochschul)politisch - eine ziemlich dominante Rolle und organisierten zudem im Reichsdurchschnitt einen bemerkenswert hohen Anteil von Juristensöhnen.185 Diese Beobachtung steht in besonders scharfem Kontrast zu Tübingen, wo die Burschenschaften - wie gesehen (Tab. 25) - unter dem Beamtennachwuchs besonders viele Mitglieder zählen konnten. Die schlagenden Landsmannschaften und Turnerschaften vermochten seit jeher kaum eigene Leute in der Innenverwaltung zu piazieren, obwohl erstere zumindest in Heidelberg durchaus präsent waren. 186 Von den immerhin drei Polizeipräsidenten und -direktoren, welche die Landsmannschaft Teutonia - bezeichnenderweise hervorbrachte, amtierte nur Paul Haußer (Karlsruhe) vor 1933. Und der war wohl als höchstdekorierter Weltkriegsoffizier ein typischer Repräsentant dieser besonders rechtslastigen Verbindung, nicht jedoch als langjähriges DDP-Mitglied. 187 Wie in Tübingen so rangierten Landsmannschaften und Turnerschaften offenbar auch in Baden zu weit unten auf der internen Prestigeskala der Korporationen, um für den Verwaltungsnachwuchs eine besondere Anziehungskraft auszuüben. An der Spitze dieser Rangfolge standen eindeutig die elitären Kösener Korps. Heidelberg gehörte zu ihren Vororten in Deutschland; in Freiburg waren diese überwiegend preußischen Traditionsverbindungen ebenfalls gut vertreten. 188 Immerhin jeder fünfte Beamte der badischen Innenverwaltung war Corpsstudent, und davon fast jeder zweite außerhalb des Heimatlandes - übrigens ein weiteres Indiz dafür, daß die provinzielle (Ab-)Geschlossenheit der administrativen Funktionselite in Baden längst nicht so ausgeprägt war im Nachbarland. Immerhin zählten zu den "Auswärtigen" fast ausnahmslos Spitzenbeamte wie der profilierte Landrat und spätere Landeskommissär Dr. Gustav Bechtold (Guestphalia-Bonn) und der langjährige Ministerialrat Gustav Keller (Suevia-Straßburg), die Landräte Dr. Max Dittler, Rudolf Goldschmidt und Friedrich Wenz (alle BorussiaTübingen) sowie der Polizeidirektor Erwin Dorner (Franconia-Tübingen).189 Und die Mitglieder des Freiburger Corps Rhenania rückten ebenfalls allesamt in administrative Schlüsselpositionen auf: ein Verwaltungsgerichtspräsident (Dr. Karl 185

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Kreutzberger 1972, 83-86; vgl. allgemein Kater 1975, 207; vgl. für Heidelberg Giovannini 1990, 80f. Über den von ihnen geführten "Hochschulring Deutscher Art" (vgl. oben, Anm. 72) übten die Burschenschaften einen erheblichen EinfluB auf die rechtsstehenden Teile der nicht korporierten Studentenschaft aus, die in sogenannten "Finkenschaften" zusammengefaßt wurden; siehe Kreutzberger 1972, 97-101; Herbert 1991, 119; ders. 1996, 52. Zur politischen Entwicklung des Vereins deutscher Studenten in Freiburg und Heidelberg siehe Kreutzberger 1972, 86 u. Giovannini 1990, 82f. ; vgl. allgemein die Hinweise oben, Anm. 69. Giovannini 1990, 81. Der protestant. Hauptlehrersohn leitete die Karlsruher Polizeidirektion seit 1920, zuletzt als PolPräs. Er wurde 1933 als Präs. zum Statistischen Landesamt abgeschoben und trat der NSDAP nicht bei. 1945/46 führte er als MinDir das bad. Mdl in Freiburg und wurde im Januar 1947 zum VGH-Präs. ernannt; zum Werdegang siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 766-770; GLA, 235, Nr. 34.782). Giovannini 1990, 78; Kreutzberger 1972, 86-88. Zur Person Bechtolds siehe Kap. III, mit Anm. 41. Zur Person Kellers siehe Kap. Π, mit Anm. 234. Zur Person Goldschmidts u. Dialers siehe Kap. II, Anm. 352 u. Kap. ΙΠ, mit Anm. 61. Zur Person Wenz' siehe unten, mit Anm. 229. Zur Person Dorners siehe Kap. II, mit Anm. 263.

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Schneider), zwei Ministerialräte (Karl Arnsperger; Dr. Roderich Straub), zwei Landeskommissäre (Karl Dold; Heinrich Hebting) und drei Landräte (Felix Becker; Dr. Wilhelm Compter; Wilhelm Engler). 190 Ministerialrat Dr. Eugen Imhoff und Landrat Theodor Leutwein (1879-1940) gehörten wie Friedrich IL, Großherzog von Baden, zum illustren Kreis der Heidelberger Sueven; 191 Polizeidirektor Heinrich Athenstaedt und Landrat Friedrich Schmitt (1866-1941) schließlich waren im Freiburger Corps Suevia aktiv gewesen; 192 und Landrat Felix Freiherr von Reck (1881-1928) hatte sein Studium - wie schon sein Vater, der ehemalige badische Gesandte Ludwig - im Kreise von Sprößlingen preußischer Rittergutsherren bei der Heidelberger Vandalia verbracht.193 Ein weiterer Freiherr von Reck, der katholische Ministerialrat und Polizeidirektor Heinrich (geb. 1866), gehörte der Heidelberger Rupertia an. 194 Bei der nichtschlagenden, "schwarzen" Verbindung im Miltenberger Ring handelte es sich gleichsam um das Gegenstück zur Tübinger Stuttgardia oder Virtembergia. Auch ihr Name signalisierte elitäre Bodenständigkeit, und die herausragende regionale Bedeutung der Rupertia wurde dadurch unterstrichen, daß Großherzog Friedrich Π. sie als seine zweite Verbindung gewählt hatte. Unter ihren Mitgliedern findet sich denn auch eine lange Liste badischer Spitzenbeamter, so etwa derjenige des katholischen Ministerialdirektors im Innenministerium und nachmaligen Ministers für Kultus und Unterricht, Otto Leers (DDP). 195 Unter

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Zur Person Englers siehe unten, mit Anm 231. Zur Person Arnspergers, Straubs, Dolds u. Beckers siehe Kap. II, mit Anm. 227, 201, 210 u. 351. Zur Person Compters siehe Kap. ΙΠ, mit Anm. 17. Zum Werdegang des protestant. Kommerzienratsohnes Schneider (1870-1941), 1919 bis 1927 LKom in Freiburg, siehe seine PA (GLAK, 239, Nr. 11.210); ferner Hof- u. Staatsbeamte Badai 1912, 327; Kirchberg 1982, 49. PA des Katholiken Dr. Heinrich Hebting (1865-1933), bis 1930 (wie sein Vater auch) LKom in Mannheim, habe ich nicht ermittelt; siehe aber Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 141f.; Rhenania-FR 1962, 113, Nr. 488. Auch ein Mitglied der hohenzollerischen Untersuchungsgruppe, RegR Robert Waldthausen, war Rhenane; zur Person siehe Kap. II, Anm. 120. Unter den Mitgliedern dieses renommierten Corps befand sich neben vielen auBerbad. Juristen und einer Reihe von Exponenten der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie auch Reichskanzler Prinz Maximilian) von Baden. Die PA des Pfarrersohnes Leutwein habe ich nicht ermittelt; zu seinem Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 2.1.1927 (GLAK, 233, Nr. 24.448) u. den Mdl-ZRA v. 9.10.1935 (ebd., Nr. 24.450); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Imhoffi, siehe Kap. II, mit Anm. 232. Zu deren Mitgliedern gehörten auch der Reichswirtschaftsmin. Dr. Emst Scholz MdR (DVP) und der spätere Freiburger RegPräs Dr. Paul Waeldin. PA des kathol. Oberförstersohnes Schmitt habe ich nicht ermittelt; siehe aber die Mdl-EA v. 13.1.1927 u. 26.4.1930 (GLAK, 233, Nr. 24.448); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Athenstaedts siehe Kap. II, mit Anm. 241. Zum Werdegang des protestant. Majorsohnes siehe seine PA (GLAK, 236, Nr. 18.524/25; STAF, A 96/2). Die PA des Sohnes eines GroBherzoglichen Generalleutnants u. Geheimen Referendars habe ich nicht ermittelt; siehe nur Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 285; Mdl-ZRA v. Ende 1931 (GLAK, 233, Nr. 24.449). Leers (1875-1942) amtierte von Januar 1921 bis zu seinem Wechsel ins Kultusministerium im November 1926 als MinDir; nach seiner Demission im November 1929 führte er bis April 1932 die DDP-Fraktion im bad. LT. PA sind nicht überliefert, jedoch Leers VA (GLAK, 466,

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denjenigen Beamten, die nach 1927 im Dienst der Innenverwaltung gestanden haben, ragen der katholische Landeskommissär Friedrich Föhrenbach (1873-1942) und der stellvertretende Bevollmächtigte beim Reichsrat, Ministerialrat Dr. Hermann Fecht, heraus. 1 9 6 Im übrigen stellte diese Verbindung auffällig viele Landräte: acht ihrer 17 Mitglieder amtierten im Untersuchungszeitraum als Statthalter der Landesregierung in den Amtsbezirken. Auch dieses Beispiel einer Korporationsseilschaft kann indessen nicht darüber hinwegtäuschten, daB die ohnehin vergleichsweise locker geknüpften Kooptationsnetzwerke der (protestantischen) Verbindungen in der badischen Innenverwaltung während der zwanziger Jahre dermaßen ausfransten, daß sie für den Beamtennachwuchs unter Karrieregesichtspunkten vollends zu einer vernachlässigbaren Größe verkümmerten. 197

Bilanz der Republikanisierung "Die Korporationen standen rechts, daran ließen sie keinen Zweifel." 1 9 8 Gemessen an deren Resonanz stand also die Studentenschaft Freiburgs und Heidelbergs nicht so weit rechts wie diejenige Tübingens. In der Tendenz müßte diese Folgerung auch für die badische Innenverwaltung gelten. Und tatsächlich läßt deren Profil soweit es sich nachzeichnen läßt 199 - bereits deutliche Spuren einer Republikanisie-

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Nr. 11.505); siehe auch Kaller 1983, 318. Übrigens zählte auch der preuB. Kultusmin. Prof. Dr. Carl Heinrich Becker (SPD) zu den prominenten Ruperten. Zur Person Föhrenbachs siehe oben Anm. 130 u. 182. Zur Person Fechts siehe Kap. II, mit Anm. 197. Giovannini (1990, 82) verweist ausdrücklich auf die eklatante Überalterung der Rupertia sowie der beiden anderen Heidelberger "schwarzen" Verbindungen im Miltenberger Ring, Leonensia und Karlsruhensia. Zur eher distanzierten Haltung auch späterer Spitzenbeamter gegenüber dem Korporationsbetrieb siehe etwa die Erinnerungen von MinDir Müller-Trefzer (GLAK, 65, Nr. 11.746 u. BÄK, Kl. Erwerb 148, hier 42f.). - In Baden scheinen logenartige Herrengesellschaften wie die Mannheimer "Räuberhöhle", die Konstanzer "Gerstensaft" und die "Kajüte" eine größere Bedeutung für die Aktualisierung von Elitennetzwerken besessen zu haben. LR Ludwig Vesenbeck (1876-1960) etwa gehörte den beiden erstgenannten an, ORegR Wilhelm Pfisterer (geb. 1880) der ersteren, RegR Peter der letzteren. Entsprechende Hinweise sind mir gelegentlich begegnet, ohne daB ich ihnen systematisch hätte nachgehen können. Erwähnenswert ist jedoch, daB zumindest die "Räuberhöhle" ausdrücklich keine Juden zuließ (Föhrenbach 1911, 90). Zum Werdegang des protestant. Pfarrersohnes Vesenbeckh, Mitglied der Freiburger Verbindung Zaringia, siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.668/1-3) u. das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 51); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Pfisterers siehe oben, Anm. 130. Zur Person Peters siehe Kap. Π, mit Anm. 178 u. Kap. ΙΠ, mit Anm. 105. Faust 1973 I, 139; ; vgl. etwa die Gießener Fallstudie von Chroust 1994 I, 125-153, bes. 136, 152. "Uber die politische Einstellung der bad. Beamtenschaft während der Weimarer Republik herrschte unter den Zeitgenossen selbst weithin große Unsicherheit, so daB Vermutungen, Anklagen und Rechtfertigungen maßgeblich die Diskussion bestimmten. Die innere Verwaltung (war) von den Kontroversen insgesamt weniger betroffen, da ihre politische Denkungsart am wenigsten sichtbar wurde und ihre Angehörigen sich mit Äußerungen in der

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rung erkennen, die im Vergleich mit Württemberg besonders deutlich hervortreten. Da sind zunächst einmal jene vier Landtagsabgeordneten, mit deren Hilfe die Koalitionsparteien eine direkte Verbindung zwischen Innenverwaltung und Parlament herzustellen hofften. Nur zwei von ihnen waren Karrierebeamte: Ministerialoberrechnungsrat Adolf Kühn (1886-1968) saß von 1925 bis 1933 für das Zentrum im Landtag, ebensolange wie sein Parteifreund Dr. Wolfgang Hoffmann (1893-1956). 200 Ihr mit ihnen ins Parlament eingezogener Fraktionskollege Valentin Eichenlaub (1882-1958) hingegen war Anfang 1920 von den Christlichen Gewerkschaften als "Hilfsreferent mit der Amtsbezeichnung Regierungsrat" ins Arbeitsministerium entsandt und nach dessen Auflösung im Oktober 1924 ins Innenministerium übernommen worden.201 Auf dem gleichen Wege wie Eichenlaub war Arthur Diettrich (geb. 1876) als Vertrauensmann der Freien (sozialdemokratischen) Gewerkschaften in den höheren Dienst der Innenverwaltung gelangt.202 Nach seinem Wechsel in die Reichsarbeitsverwaltung nahm diese Position im Oktober 1928 Paul Hurschig (SPD) ein. Der ehemalige Funktionär des Deutschen Metallarbeiterverbands war seit November 1918 als Fachmann für Kriegsbeschädigtenfürsorge im Arbeitsministerium tätig gewesen und von dort 1924 in die Innenverwaltung gekommen.203 Wie Eichenlaub war auch der SPD-Landtagsabgeordnete Anton Weißmann (1871-1945) nach der Revolution als "Außenseiter" ins Innenministerium eingezogen. Der gelernte Schriftsetzer aus Bayern hatte seit 1905 beim Karlsruher "Volksfreund" gearbeitet und seit 1911 die Redaktion der sozialdemokratischen "Volkswacht" in Freiburg geleitet. Im Juni 1919 holte ihn Remmele als SPD-

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Öffentlichkeit am meisten zurückhielten." (Merz 1985, 118). Dessenunbeschadet lassen sich die politischen Affinitäten auch dieser SchlSsselgruppe der Beamtenschaft aus der Summe von Einzelbeobachtungen bei der Durchsicht der personenbezogenen Quellen einigermaßen präzise umreißen. Als Beamter des gehobenen mittleren Dienstes zählt Kühn nicht zur Untersuchungsgruppe. Er gehörte von 1946-1963 den Landtagen von Baden und Baden-Württ. für die CDU an und brachte es beruflich bis zum RegDir (Weik 1988, 184, 298 et passim). Wolfgang Hoffmann, erster Nachkriegs-OBgm Freiburgs und bad. CDU-MdL 1946-1952, war Mitglied der Freiburger CV-Verbindung Wildenstein. Der Frontkämpfer war erst Anfang der zwanziger Jahre zum Katholizismus konvertiert und hatte sich 1924 der Zentrumspartei angeschlossen; Kurzbiogr. siehe Weinacht 1978b, 347; Köhler 1987, 274; vgl. Weik 1988, 172, 297 et passim; Schumacher 1995, 71, Nr. 548. Hoffmanns PA aus der Zeit vor 1945 sind verloren gegangen; seine Fieiburger PA (STFR, Personalregistratur) sind in dieser Hinsicht unergiebig. Der Kleinbauemsohn aus dem pfälzischen Landau hatte seit 1908 als Funktionär des christlichen Zentralverbands der Tabakarbeiter in Karlsruhe und Heidelberg, dann als Parteisekretär des Zentrums für den Bodenseekreis gearbeitet. Nach dem Krieg gehörte der nunmehrige RegDir zu den Mitbegründern der (nord)bad. CDU, deren Sozialausschuß er leitete. Zum Werdegang siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/36, Nr. 1.533/1-2), VA (GLAK, 466, Nr. 6.914) u. einen engl. Lebenslauf v. 1945/46 (GLAK, 76, Nr. 12.911); femer Weik 1988, 294; Schumacher 1995, 31, Nr. 243. Knappe Angaben zum Werdegang des gelernten Buchbinders aus Dresden, der seit 1903 in Pforzheim für seine Gewerkschaft und die SPD tätig gewesen war, siehe Handbuch Arbeiterpresse 1927, 500. Zum Werdegang des gelernten Maschinenbauers siehe eingehend seine PA (GLA, 466, 1979/2, Nr. 3510/1-2).

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Vertreter in die neuerrichtete Pressestelle seines Hauses.204 Als Repräsentant des Zentrums wirkte dort seit 1926 der frühere Redakteur der "Konstanzer Nachrichten", August Albert (geb. 1881); und als dritten Öffentlichkeitsarbeiter der Weimarer Regierungskoalition hatte die DDP 1919 den Redakteur der "Badischen Landeszeitung" Walther Günther (geb. 1878) nominiert.205 Die drei Journalisten fielen unter fimktionsbezogene Sonderregelungen der Laufbahnbestimmungen. Ihre Ernennung zu Regierungsräten war deshalb mit Blick auf ihre bisherigen Gehälter und ihre verantwortlichen Positionen nicht nur gerechtfertigt, sondern auch formalrechtlich unanfechtbar. Gleichwohl stellten sie aus Sicht der juristisch vorgebildeten Kollegen zweifellos einen Fremdkörper dar, den die politischen Zeitläufe der Innenverwaltung beschert hatten.206 Das galt in besonderem Maße für Hermann Stenz (1877-1953). Der gelernte Dekorationsmaler und spätere Gewerkschaftsfunktionär war am 1. Dezember 1918 zum Sekretär der Landeszentrale der badischen Α.- u. S.-Räte bestellt worden. Nach deren Auflösung hatte ihn Remmele ein Jahr später ins Innenministerium geholt, wo er als Persönlicher Referent des Ministers zehn Jahre lang eine Schlüsselposition innehatte.207 Aus ihrer Standesperspektive wurde der SPDPolitiker und Reichsbannerfunktionär wie die übrigen "Außenseiter" von den Karrierebeamten der Innenverwaltung wohl eher unwillig geduldet als wohlgelitten. Politisch indessen waren sie längst nicht so isoliert. Immerhin gab es Anfang der dreißiger Jahre neben den vier genannten SPD-Vertrauensleuten 17 weitere Beamte des höheren Dienstes, die als Mitglieder oder Sympathisanten der Sozialdemokratie nahestanden. Zu dieser Gruppe zählten mehrere "gestandene" Regierungsräte der 1890er Jahrgänge, der angesehene Emmendinger Landrat Dr. Hermann Kiefer (1867-1946)208 und als ihr Hauptexponent Ministerialrat Adolf 204

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Der Kaufmannsohn gehörte dem bad. LT August-November 1918 und 1919-1933 an. Zum Werdegang Weißmanns siehe u.a. seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 8.072); ferner Handbuch Arbeiterpresse 1927, 373; Weik 1988, 304; Brandt/Rürup 1991, 173; Schumacher 1995, 173, Nr. 1392. Zur Mdl-Pressestelle, welche für die Regierung insgesamt tätig war und 1932 beim StMin angesiedelt wurde, siehe dessen Unterlagen (GLAK, 233, Nr. 24.279). Albert stammte aus München. 1904/5 und 1922/23 hatte er ohne Abschluß in Petersburg und Gießen studiert. Er war Ehrenphilister der Münchener KV-Verbindung Ottonia; zum Werdegang siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 51/1-3). Günther war aus Metz gebürtig und schied Ende 1930/Anfang 1931 aus dem Staatsdienst aus; spärliche Angaben enthält lediglich der Mdl-EA des Mdl v. 27.10.1920 (GLAK, 233, Nr. 24.279). An solchen Vorbehalten war 1919 der Versuch der SPD ein für allemal gescheitert, künftig zumindest die vier bad. Landeskommissäre - seit den 1860er Jahren die "unmittelbare(n) Vertrauensleute des jeweiligen Ministers" im Lande (Gall 1968, 186) - unter politischen Gesichtspunkten ohne Rücksicht auf das Laufbahnrecht auszuwählen (Fenske 1973, 126f.). In seinen Erinnerungen an die Revolutionsmonate hebt Remmele (1925, 171) ausdrücklich "meinen Kameraden Stenz" hervor. Stenz folgte Remmele zwischenzeitlich auch ins Kultusmin.; dort wurde er 1930 zum RegR befördert. Im Mdl war Stenz u.a. auch Landeswahlleiter und Vorstandsmitglied des Landesjugendamtes. ; zum Werdegang siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 1.841); Brandt/Rürup 1980, 85, Anm. 27 u. dies. 1991, 170; ferner demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB. Die PA des protestant. Sohnes eines Bahnmeisters, Mitglied der Freiburger Landsmannschaft Zaringia, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (GLAK, 466, Nr. 10.248); ferner Götz 1971, 84. Während der zwanziger Jahre engagierte sich Kiefer im bad. Reichsbanner.

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Schwarz (1880-1945). Renimele hatte den Adelsheimer Landrat und Ritterkreuzträger im Frühjahr 1929 als Personalreferenten für den unteren und mittleren Dienst ins Ministerium geholt, wo er im Juni 1930 zum Leiter der Personal- und Haushaltsabteilung aufrückte. Die demonstrative Besetzung dieser Schlüsselposition mit einem profilierten Karrierebeamten der eigenen Partei belegt einmal mehr den politischen Willen Remmeles, die Republikanisierung der badischen Innenverwaltung im Rahmen der personellen Möglichkeiten energisch voranzutreiben.209 Dazu gehörte im übrigen auch, daß der Minister seine leitenden Beamten ausdrücklich ermutigte, im Rahmen des republikanischen Parteienspektrums politisch Flagge zu zeigen. Die Mehrzahl deijenigen, welche dieser Empfehlung Folge leisteten, hielten ihr Herkommen und ihr Standesbewußtsein davon ab, sich politisch auf die Seite des Ressortchefs zu schlagen - obwohl die SPD nicht müde wurde, Bekenntnisse zum Berufsbeamtentum abzulegen.210 Sie schlossen sich stattdessen einer der Nachfolgeparteien des Nationalliberalismus an. Dabei vermochte die DVP größere Anziehungskraft zu entfalten. Die oppositionellen Rechtsliberalen taten in den zwanziger Jahren alles, um sich als Interessenwalter des Berufsbeamtentums im allgemeinen und der höheren Staatsdienerschaft im besonderen zu profilieren.211 Mit Erfolg: Die DVP war nicht nur in den Spitzengremien der badischen Beamtenverbände stark vertreten, sie wurde auch von einer Reihe hochrangiger Beamter der Innenverwaltung offen unterstützt.212 Zur rechtskonservativen DNVP hingegen, die unter ihren württembergischen Kollegen so großen Rückhalt fand, bekannten sich in Baden nur wenige.213

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Das trug ihm im Fall Schwarz die scharfe Kritik der DVP und der bürgerlichen Presse des Landes ein; siehe Über parteipolitische Beamtenernennungen (Pforzheimer Anzeiger, Nr. 74, 28.3.1929); Eine volksparteiliche Attacke (Volkswille, Nr. 80, 6.4.1929). Zur "zurückhaltenden Amterpatronage" mittels gezielter Karriereförderung von Mitgliedern republikanischer Parteien in Baden vgl. allgemein Fenske 1973, 126f., 131-133. Zu Schwarz' Werdegang siehe die PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.740/1-3; dort auch beide Zeitungsausschnitte); ferner demnächst meine Kurzbiogr. in BB IV. 210 vgl. für vieles die Rede des SPD-MdL Josef Heid in der LT-Debatte über die Novellierung des bad. Beamtengesetzes am 12.2.1931 (VBLT III, 23. Sitzung, Sp. 1125-1135, hier Sp. 1133f.). 211 Vgl. für vieles die Rede des DVP-MdL Theodor Bauer in der LT-Debatte über die Novellierung des bad. Beamtengesetzes am 12.2.1931, mit dem habitualisierten SchluBpunkt: "Und das liegt uns am Herzen, daB Beamte nicht zu Dienern der Parteien gemacht werden. Das könnte wohl eine Zeitlang der Partei und einzelnen Beamten nützen, auf die Dauer aber wird es für den Staat aber unbedingt von großem Schaden sein (Lebhafter Beifall in der Mitte)." (VBLT ΠΙ, 23. Sitzung, Sp. 1135-1146, hier Sp. 1146; Hervorheb. von mir). Vgl. femer Fenske 1973, 126. Zur Beamtenpolitik der DVP allgemein und zur ihrer Resonanz unter den höheren Beamten siehe Döhn 1970, 245-273. 212 Unter den 31 Mitgliedern der Untersuchungsgruppe, welche eindeutig der DVP zugeordnet werden können, befanden sich ein LKom, 14 LRe (meist bedeutenderer Bezirksämter), ein PolPräs und vier MinRe. Die schweigende Mehrheit der höheren Beamtenschaft dürfte mit einiger Sicherheit in diese Richtung tendiert haben. 213 Zweifelsfrei konnten zehn DNVP-Mitglieder und -Sympathisanten identifiziert werden - darunter ein MinR, ein LKom und fünf LRe.

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Die Mehrheit der höheren Beamten sah ihre politische Heimat auch zehn Jahre nach der Revolution im Grenzbereich zwischen republikanischen und restaurativen Kräften. Nach Lage der Dinge mußte und konnte Remmele damit leben,214 zumal sich die badische Regierung - ganz anders als in Württemberg - nicht scheute, ihr leitendes Personal aus gegebenen Anlässen an seine republikanischen Pflichten zu erinnern.215 Weniger gleichmütig zeigte sich der Minister allerdings, wenn es um den sicherheitsrelevanten Kernbereich seines Ressorts ging: "Gelegentlich einer dienstlichen Besprechung im Polizeipräsidium Karlsruhe [Ende der zwanziger Jahre; M.R.], an der auch der damalige Polizeireferent des Ministeriums teilnahm, wurde uns der Wunsch des damaligen Ministers zum Ausdruck gebracht, daß die Polizeidirektoren einer der drei Koalitionsparteien angehören sollten", rechtfertigte der Pforzheimer Polizeichef sich später gegenüber dem NS-Minister Pflaumer, "Ich habe dann eine Erklärung des Inhalts unterschrieben, daß ich der Staatspartei beitrete. [...] Diese Erklärung wurde durch den Referenten des Ministers weitergegeben."216 Gestützt vor allem auf seinen ebenso hochqualifizierten wie demokratisch unanfechtbaren Leiter der Polizeiabteilung, das DDP-Mitglied Dr. Lothar Barck (18801957),217 konzentrierte Remmele sich Ende der zwanziger Jahre darauf, die Verwaltung der Landespolizei mit unbedingt republiktreuen Leuten zu durchsetzen. 218 Dabei handelte es sich um eine Komplementärstrategie zu den erwähnten Versuchen der Regierung, zumindest exponierte Parteigänger der NSDAP aus dem Staatsdienst zu verbannen - denen 1929 auch jener Heidelberger Polizeioberleutnant Karl Pflaumer (1897-1971) zum Opfer fiel, der im Mai 1933 als "einer der engsten Gefolgsleute" des NSDAP-Gauleiters Robert Wagner die Führung des

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Siehe etwa die von ORegR Wilhelm Pfisterer in seinem Lebenslauf v. 1946 (oben, Anm. 130) - im Tenor durchaus glaubhaft - überlieferte Anekdote: "Da Remmele von seinen Beamten verlangte, daB sie Farbe bekannten, meldete ich ihm, daß ich mich der Deutschen Volkspartei angeschlossen hätte. Er bemerkte: 'Sie sind protestantisch und Sohn eines badischen Verwaltungsbeamten, also liberal; als Sohn eines Arbeiters wären Sie Sozialdemokrat.' Damit war alles erledigt. " Ende 1929 wurden Beamte, die sich am Volksbegehren gegen den Young-Plan beteiligten, mit Sanktionen bedroht (GLAK, 233, Nr. 24.009). Und im Frühjahr 1932 hielt das Mdl die LRe an, "überparteiliche Hindenburgausschüsse" zu initiieren, die "eine wirksame Wahlpropaganda für die Wiederwahl Hindenburgs zu betreiben" und die Bevölkerung "über die Wichtigkeit der bevorstehenden Wahl als einer Schicksalswahl für Deutschland aufzuklären" hätten; siehe Niederschrift über die LR-Besprechung v. 4.3.1932 im LKom-Bezirk Konstanz (STAF, A 96/1, Nr. 2.238). Der Pforzheimer PolDir Dr. Manfred Pfister (1879-1959) wurde 1933 als zweiter Beamter mit der Amtsbezeichnung LR beim Bezirksamt Freiburg kaltgestellt. Seine "Erklärung zur früheren Parteizugehörigkeit" v. 3.8.1936 (STAF, F 20/9, Nr. 1.410) deckt sich mit einer Reihe anderer Beobachtungen und darf daher als glaubhaft betrachtet werden. Der protestant., in Karlsruhe aufgewachsene Kaufmannsohn aus Danzig leitete die Polizeiabtlg. des Mdl seit luni 192S; er galt weit über Baden hinaus als hervorragender Spezialist für die Organisation der Polizeiverwaltung; vgl. Barck 1931. Zum Werdegang siehe seine PA (GLA, 466, 1978/31, Nr. 234/1-2; HSTAS, EA 151/21, Bü. 31); ferner demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB. Vgl. Merz 1985, 252-255.

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Karlsruher Innenressorts übernahm.219 Die Bilanz dieser konsequenten Personalpolitik konnte sich sehen lassen. Zu Beginn der dreißiger Jahre amtierten mit Heinrich Athenstaedt (1882-1949), Paul Haußer (1880-1960) und Dr. Manfred Pfister in Heidelberg, Karlsruhe und Pforzheim drei Polizeidirektoren, die nicht nur wegen ihrer DDP-Mitgliedschaft als zuverlässige Republikaner galten.220 An der Loyalität ihrer Kollegen in Mannheim und Freiburg, Dr. Jakob Bader (18831939) und Paul Baer (1882-1957) wurde ebenfalls nicht gezweifelt, wenngleich die beiden als DVP-Sympathisant beziehungsweise als Mitglied des Vereins Deutscher Studenten deutlich weiter rechts standen.221 Auch als zweite Beamte wurden offensichtlich gezielt Persönlichkeiten mit gutem republikanischen Leumund eingesetzt - was in Anbetracht des besonderen internen Renommees der Polizeiverwaltung auch einer individuellen Karriereförderung gleichkam.222 So stand Polizeidirektor Pfister mit Dr. Helmut Hillengaß (geb. 1903) ein couragierter Regierungsrat zur Seite, der sich "nach Kräften (bemühte), der NSDAP in Pforzheim Schwierigkeiten zu machen". "Wir [...] bekennen uns auch zu den Pflichten, die sich aus der Reichsverfassung für uns als Polizeibeamte ergeben," rief der Sozialdemokrat am Verfassungstag 1931 den versammelten Pforzheimer Polizisten zu. "Wir sind bereit, jede Hand, die sich wider die deutsche Republik und ihre Verfassung erhebt, mit eiserner Faust niederzuschlagen, getreu unserem Eide." 223 Ein Einzelfall unter den höheren Beamten, auch in Baden. Doch immerhin amtierten in Karlsruhe und Mannheim mit den Zentrumsmitgliedern Walter Schäfer (1887-1977) und Dr. Rudolf Leiber (1896-1988) ebenfalls zwei Stellvertreter der Polizeidirektoren beziehungsweise -Präsidenten, die als zuverlässig galten.224 Die

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Zum Werdegang des kathol. Hauptlehrersohnes siehe den Handbuchartikel von Horst Ferdinand, in: BWB I 1994, 266-271; ferner Führerlexikon 1933/34, 333; Degeners Wer ist's? 1935. Zur "krankheitsbedingten" Zwangspensionierung Pflaumers siehe seine PA aus der Zeit vor 1933 (GLA, 466, 1979/2, Nr. 5.621/2-3). 220 Der Protestant Athenstaedt leitete die Heidelberger Polizeidirektion seit 1922. Er war Mitglied des Korps Suevia-Freiburg und arbeitete seit dessen Gründung 1924 beim Reichsbanner mit; zum Werdegang siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 151). Zu Haußer u. Pfister siehe oben, mit Anm. 187 u. 216. 221 Zur Person Baders u. Baers siehe Kap. II, mit Anm. 195 u. 209. 222 So führte der kathol. Nicht-Pg. Dr. Ludwig Seiterich in einem Revisionsantrag im Verfahren über die politische Säuberung v. 1.5.1947 als Beleg für seine "andauernde dienstliche Zurücksetzung* während der NS-Zeit vor allem auch an: "Dienstlich völlig auf das Nebengleis geschoben (u.a. Bauwesen, Naturschutz, Denkmalspflege!). Jahrelang von der Polizeiabteilung [des Bezirks-/Landratsamtes; M.R. ], die als bevorzugtes Verwaltungsgebiet galt, ausgeschlossen." (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.624, Bl. 459-471; Hervoiheb. von mir). Zur Person siehe Kap. III, mit Anm. 143. 223 Ansprache v. 11.8.1931; abgedr. in: Hillengaß, ungedr. Lebenserinnerungen, 1989, Anhang; erstes Zitat ebd., 6. Der protestant. Sohn eines Postinspektors war seit 1945 über zwei Jahrzehnte PolDir in Heidelberg; zum Werdegang siehe seine Rest-PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 3.199) u. den Mdl-EA v. 21.3.1929 (GLAK, 233, Nr. 24.448) 224 j j e r kathol. Gymnasialprofessorsohn Leiber war Mitglied der CV-Verbindung Hasso-NassoviaFrankfurt; zum Werdegang des langjährigen Mannheimer Nachkriegs-PolPräs; siehe seinen Lebenslauf v. 19.2.1947; vgl. Steinbach 1984, 37-41, 242-261. Schäfer, Sohn eines bad.

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Leitung der Landespolizeischule Karlsruhe wurde 1928 dem Vorgänger Leibers in Mannheim übertragen: Regierungsrat Julius La Fontaine (1891-1947) war als dezidierter Republikaner bekannt.225 Und im September 1931 schließlich wurde der langjährige Intimus Remmeles, der Nicht-Jurist Hermann Stenz, vom neuen Innenminister Emil Maier (SPD) ausgerechnet als Referent in die Polizeiabteilung seines Hauses versetzt. Diese Geste konnte nur so interpretiert werden, daß Maier wieder energisch an jene Politik anknüpfen wollte, die sein Parteifreund Remmele bis zur Amtsübergabe an den Zentrumspolitiker Wittemann betrieben hatte.226 Alles in allem war das republikanisch-demokratische Potential der badischen Innenverwaltung um 1930 ungleich größer als das ihres württembergischen Pendants.227 Zwar dürfte ihr politischer Schwerpunkt in Richtung Rechtsliberalismus tendiert haben, doch neben einer Reihe von Sozialdemokraten und dem zahlenmäßig beachtlichen, personalpolitisch besonders einflußreichen Kreis der DDP-Parteigänger stand auch die Mehrzahl der Zentrumsleute zweifelsfrei auf dem Boden der Weimarer Verfassungsordnung: "Ich freue mich, daß in dem badischen Beamtenrecht unter den Pflichten der Beamten auch die gegenüber dem republikanischen Staat eine besondere Betonung gefunden haben," ließ ihr parlamentarischer Exponent Hoffmann "unsere lieben, lieben Beamtenfreunde, die Herren Nationalsozialisten," Anfang 1931 im Landtag wissen, und er setzte unmißverständlich hinzu: "Es gibt heute tatsächlich noch Rentenempfänger des republikanischen Volksstaats, die sich plötzlich wie Wilde, wie Stiere gebärden, wenn man sie irgendwo durch das Wort Republik daran erinnert. (Zurufe: Sehr richtig!). Wir verstehen so etwas nicht, und ich persönlich, der ich mich unbedingt auf den Boden der heutigen Staatsform stelle und mit meinem Herzen dafür bin, ich verstehe so etwas nicht!"228

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Baurats, war Mitglied der Freiburger CV-Verbindung Ripuaria; zum Werdegang des späteren LRs siehe seine PA (HStAS, EA 2/150, Bü. 1.442; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.190). Zum Werdegang des protestant. Apothekersohns, der 1943 vom Volksgerichtshof abgeurteilt wurde (Kap. ΠΙ, mit Anm. 123), siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 4.484; 356, 1969/10, Nr. 1.905) u. seine Lebensbeschreibung von 1945 (GLAK, 481, 1.245); femer demnächst meine Kurzbiogr. in BWB II. Die NSDAP wurde denn auch nicht müde, die "Polizeimethoden des roten Innenministers" Maier und seines "Einbläsers)" Barck als unablässige "Vergewaltigung der nationalsozialistischen Bewegung" zu geißeln; siehe für vieles "Emil Maier in Groeners Rolle" (Führer, Nr. 137,3.6.1932,4). Der seinerzeitige RegR Dr. Helmut HillengaB, 1933 als engagierter Sozialdemokrat entlassen, hat mir am 17.2.1993 auf meine Frage, wie die politische Haltung seiner früheren Kollegen um 1930 im allgemeinen einzuschätzen sei, schriftlich geantwortet: "Die höheren Beamten durchaus verfassungstreu, keinerlei Sympathien für die NSDAP, die selbst rein kräftemäßig wenig zu bieten hatte. " Rede des beamtenpolitischen Obmanns der Zentrumsfraktion in der LT-Debatte über die Novellierung des bad. Beamtengesetzes am 12.2.1931 (VBLT III, 22. Sitzung, Sp. 1087-1104, hier Sp. 1091f.; Hervoiheb. von mir). Der NSDAP-Sprecher Herbert Kraft quittierte Hoffmanns Aussagen mit heftigen persönlichen Invektiven (ebd., 23. Sitzung, Sp. 1148-1158, hier Sp. 1149f.). Hoffmann vertrat seine Partei u.a. auch in der Führung des bad. Reichsbanners; vgl. dazu allgemein Rohe 1966, 279-303, hier 287; Lehnert 1993, 103f. Ingesamt lassen sich gut zwanzig Beamte der Untersuchungsgruppe als Zentnimsparteigänger

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Ohne eine energische politische Führung indessen standen die begrenzten Erfolge der Personalpolitik Remmeles alsbald wieder auf dem Spiel. Denn auch die Mitgliedschaft in einer der Koalitionsparteien bot längst noch keine sichere Gewähr dafür, daß die republikanische Loyalität des betreffenden Beamten wirklich stärkeren Belastungen standhalten würde. So kehrte der Pforzheimer Landrat Friedrich Wenz (1875-1954) der DDP und dem Reichsbanner im Mai 1932 aus "Abneigung gegen das Parteiunwesen und das parlamentarische System" den Rücken.229 Und Regierungsrat Walter Schäfer im Polizeipräsidium Karlsruhe machte sich zwar bei der NSDAP derart verhaßt, daß ihre Repräsentanten auf Kreisebene und im Gaupersonalamt noch Jahre nach der Machtübernahme nicht davon ablassen mochten, ihn unter wüsten Beschimpfungen aus dem Dienst zu vertreiben. Bei ihrem Gauleiter fanden sie damit jedoch kein Gehör: "Zu den gegen Landrat Schäfer erhobenen Vorwürfen möchte ich zunächst bemerken, daß ich den Beamten aus der Zeit vor der Machtübernahme persönlich kenne", teilte Robert Wagner dem Reichsinnenminister auf dessen irritierte Rückfragen mit. "Er hat in dieser Zeit als Regierungsrat beim Polizeipräsidenten Karlsruhe der Partei wertvolle Dienste geleistet. Die Haltung des Beamten verdient mit Rücksicht auf seine damalige exponierte Stellung besondere Anerkennung."230 Offensichtlich hatte der Zentrumsmann in den kritischen Monaten vor dem Handstreich des Reichskommissars Wagner vom März 1933 mit einem Doppelspiel versucht, sich für alle politischen Eventualitäten abzusichern. Auch unter den sozialdemokratischen Beamten entpuppten sich einzelne bereits lange vor dem NS-Coup als Konjunkturritter. Der Offenburger Landrat Wilhelm Engler (1880-1958) etwa gerierte sich in den zwanziger Jahren als SPD-Sympathisant und arbeitete seit 1926 auch im Reichsbanner mit; wegen seines offen zur Schau getragenen Antisemitismus - den er Jahre später im "Generalgouvernement" voll ausleben konnte - geriet er jedoch Ende der zwanziger Jahre mit Minister Remmele aneinander, kehrte dessen Partei daraufhin den Rücken und wurde alsdann auf einen "unpolitischen" Posten bei der Gebäudebrandversicherungsanstalt

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einordnen. Da allein schon die Zahl der ehemaligen katholischen Verbindungsstudentrai um SO v.H. darüber lag (Tab. 24), dürfte der Sympathisantenkreis um einiges höher gewesen sein. NSRB-Personalbogen v. 24.4.1937 (GLAK, 465c, Nr. 1.038). Der Zeitpunkt der Austritte und die Konsequenz, mit der sich Wenz seit dem Frühjahr 1933 dem NS-Regime andiente, sprechen dafür, daß das langjährige Mitglied der Nationalliberalen Partei und der DDP - seit der Gründung des Reichsbanners 1924 auch dort aktiv - im Frühjahr 1932 innerlich die Seitrai gewechselt hat. Zum Werdegang des protestant. Kaufmannsohnes, Mitglied des Tübinger Korps Borussia, siehe seine PA u. VA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 8.121/1-4; 466, Nr. 19.146). GaulL u. RStH Wagner an RIM, 15.8.1939; wörtlich zit. in Mdl (gez. Pflaumer) an Landesstelle Darmstadt des Deutschen Roten Kreuzes, 27.10.1939 (HSTAS, HA 2/150, Bü. 1.142, PA Mdl Baden, Bl. 667f.; GLAK, 233, Nr. 24.451; Hervorheb. von mir). Zu den NSAttacken auf Schäfer - "Er hat sich vor der Machtübernahme gegen die NSDAP ausgesprochen und ist gegen ihre Anhänger auch dienstlich scharf eingeschritten (als Polizeireferent)*; "einem (wird) es ganz schwarz vor Augen, so wie Sch. auch heute noch sein dürfte"; "eine ganz üble Nummer" - siehe eingehend das Personaldoss. des Gaupersonalamts (GLAK, 465c, Nr. 1.722). Zur Person siehe oben, mit Anm. 224 u. Kap. II, mit Anm. 346.

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abgeschoben.231 Noch krasser war die Kehrtwendung des Sozialdemokraten Dr. Karl Fees (geb. 1901). Im Frühjahr 1930 reflektierte der frischgebackene Regierungsrat am Bezirksamt Rastatt auf die Stelle des zweiten Bürgermeisters der südbadischen Stadt Lahr. Doch er kam trotz heftigsten Antichambrierens beim Ortsvereinsvorstand der Lahrer SPD nicht zum Zuge. Daraufhin zog der ehrgeizige Nachwuchsmann eine neue Karte. Das triumphale Resultat der NSDAP bei den Septemberwahlen zum Reichstag wies ihm dabei den Weg. Zum 1. Oktober 1930 erwarb er ein Mitgliedsbuch dieser vorwärtsdrängenden Kraft mit der Nr. 336.273. Das trug ihm zwar eine Abschiebung zum Oberversicherungsamt Karlsruhe ein, doch mittelfristig zahlte sich der abrupte Seitenwechsel aus. Unbeschadet der Vorbehalte, die bisweilen auch in der NSDAP gegen den wendigen Fellowtraveller laut wurden, vermochte Fees seine hochgesteckten Karriereambitionen in der Kommunalverwaltung unter dem NS-Regime vollauf zu realisieren.232 Die Monate und Jahre seit dem März 1933 sollten weitere Beispiele zuhauf dafür liefern, daß berufliche Opportunitätserwägungen das Verhalten leitender Beamter in der Regel weit stärker als politische Überzeugungen prägten.

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Auf diesen Vorgang wird im Personaldoss. des BNSDJ/NSRB mehrfach beifällig verwiesen; die prononciert antisemitische Haltung Englers seit 1933 und seine spätere Rolle im "Generalgouvernement" (Prig/Jacobmeyer 1975, 948 [Kurzbiogr.] et passim) liegen auf dieser Linie. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Karlsruher Hochschulprofessors, Mitglied des Freiburger Corps Rhenania, siehe seine Nachkriegs-PA (STAF, GLAK, 431, Nr. 6.282; HSTAS, EA 2/150, Bü. 301). Die von mir 1991 im STAF eingesehenen Haupt-PA (A 3 Vorakten, Nr. 937-939) wurden nach einem Beständeaustausch im Frühjahr 1992 im GLAK kassiert. NSDAP-Gauamt für Kommunalpolitik Baden an Gaupersonalamt, 2.4.1938: Polit. Begutachtung, Anlage: Korrespondenzabschriften v. April/Mai 1930 (GLAK, 465c, Nr. 823, Doss. Fees; BÄK, NS 25/183, Bl. 74-79). Fees' PA konnten nicht ermittelt werden; zum Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 18.7.1934 (GLAK, 233, 24.449) sowie die Doss. des Gaupersonalamts (GLAK, 465c, Nr. 823) u. des BNSDJ/NSRB (ebd., in Nr. 896); ferner demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB.

II. Wiederherstellung oder Erosion des Berufsbeamtentums? Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

"Das Berufsbeamtentum war - nach der KPD - das erste Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Machtübergabe in Stuttgart "Bolz muß weg! " Unter dieser Parole feierte die NSDAP am Abend des 6. März 1933 in Stuttgart ihren Erfolg bei den Reichstagswahlen des Vortages.2 Das Wahlergebnis in Württemberg rechtfertigte derart volltönende Ultimaten nicht: obwohl von Chancengleichheit bei dieser Wahl weithin keine Rede mehr sein konnte,3 hatte es die im Schwabenland eher schwache Hitler-Partei auf vergleichsweise magere 42 v.H. der Wählerstimmen gebracht; zusammen mit ihren Vasallen Bürgerpartei (DNVP) und Bauern- und Weingärtnerbund kam sie auf knappe 53 v.H. 4 Umso entschlossener wurde nun die NS-Machtergreifung in Szene gesetzt: am 8. März wehten auf den öffentlichen Gebäuden der Landeshauptstadt Hakenkreuzfahnen, am Abend desselben Tages übernahm Reichskommissar von Jagow handstreichartig die vollziehende Gewalt in Württemberg, und am 15. März 1933 wählte die "nationale" Landtagsmehrheit den Stuttgarter Gauleiter Wilhelm Murr zum Staatspräsidenten, nachdem Berlin für dieses letzte Zugeständnis an Zentrum und DDP doch noch grünes Licht gegeben hatte. Triumphierend konnte Murr nach dieser pseudoparlamentarischen Farce seinen marodierenden SA-Trupps verkünden: Die "Bewegung [...] beginnt (nun) Staat zu sein".5 Parallel dazu mußten sich die bisherigen Akteure von der politischen Bühne verabschieden, massiv gedrängt von tonangebenden Spitzenbeamten wie dem 1 2

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Sehr. RegR Treiber v. 24.6.1946 (siehe unten, Anm. 21). Besson 1959, 344. Zum folgenden siehe ebd., 344-352; Sauer 1975, 26-31; Schnabel 1986, 181-183; Schumacher 1995, 50*-53*. Nachdem der LT-Abgeordnete Fritz Ulrich MdR am 15.3.1933 namens der SPD-Fraktion darauf hingewiesen hatte, wurde er noch an der Saaltür polizeilich (!) verhaftet, allerdings auf Weisung des LT-Präs. und nachmaligen NS-Mdl Dr. Jonathan Schmid wieder auf freien Fuß gesetzt (Besson 1959, 351). Ulrich folgte Schmid 1945 als Chef des Stuttgarter Innenressorts. Schnabel 1982a, Anhang 2, 312-314. Zu den Wahlergebnissen der NSDAP in Württemberg bis 1933 siehe Falter/Bömermann 1991. Zur Schwäche der württ. NSDAP bis 1933 u. ihrem Auftreten im Stuttgarter LT siehe Schnabel 1982b; Schönhagen 1982. Besson 1959, 352 (Hervorheb. von mir).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Stuttgarter Polizeipräsidenten Dr. Rudolf Klaiber (1873-1957). Der legte dem Kabinett nach eigenen Zeugnis am 7. März "die Untragbarkeit einer längeren Hinausschiebung der neuen Regierungsbildung für die Polizei dar, wie ich das schon am Tage nach der Wahl dem Herrn Staatspräsidenten gegenüber getan hatte, unter Hinweis darauf, daß nur durch rasche Konsequenzziehung und Zurückstellung von Prestige- und Paragraphenhindernissen eine ruhige Überleitung und insbesondere eine Aufrechterhaltung der Autorität der Polizei gewährleistet sei." Auch die von Klaiber befürwortete Hissung der Hakenkreuzfahne auf den öffentlichen Gebäuden ließ die republikanische Regierung auf Abruf resignierend geschehen.6 Staatspräsident und Innenminister Bolz weigerte sich zwar, dem Reichskommissar persönlich die Amtsgeschäfte zu übergeben, und den Ministerialdirektoren seines Hauses gab er Anweisung, sich passiv zu verhalten; allen anderen Beamten indessen stellte er ausdrücklich frei, sich nach eigenem Gutdünken zu verhalten.7 Am 11. März verabschiedeten sich die vier bisherigen Ressortchefs offiziell von ihren Mitarbeitern.8 Nachdem die anschließende Landtagssitzung geplatzt war, obwohl das Zentrum zugesagt hatte, durch Stimmenthaltung die Wahl Murrs zum neuen Staatspräsidenten zu gewährleisten, suchten sie zwar am 13. März nochmals ihre Amtsräume auf, doch zwei Tage später konnte die Machtübergabe formal verfassungskonform besiegelt werden. Der Anschein äußerlicher Kontinuität wurde unterstrichen durch die Belassung des deutschnationalen Finanzministers Dr. Dehlinger, eines typischen Repräsentanten der protestantischen Verwaltungselite des Landes, der sich "immer deutlicher" als "der stille Protektor der Nationalsozialisten in der Regierung" erwiesen hatte.9

Württembergs Verwaltungselite auf dem Marsch ins "Dritte Reich" Angesichts dessen säumte die leitende Beamtenschaft Württembergs nicht, sich auf die neue Situation einzustellen. Hatte Bolz sie doch in seiner Abschiedsrede ausdrücklich aufgefordert, "auch in der kommenden Übergangsperiode, unabhängig von der politischen Einstellung, die Pflicht zu tun".10 Die Verwaltungsgeschäfte 6

7 8 9 10

PolPräs Stuttgart (gez. Klaiber), 20.10.1933: Niederschrift über die Vorgänge um die Flaggenhissung am Polizeipräsidium (Dorotheenstrasse 2/4) am 7.3.1933 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.399, Qu. 72; Hervorheb. von mir). Die PA des protestant. Mitglieds der Tübinger Burschenschaft Germania, Sohn des Oberamtsvorstands und Stuttgarter Stadtdirektors Gustav von Klaiber, sind im Krieg verloren gegangen; siehe aber seinen NL (HSTAS, Q 1/50, bes. Bü. 2) u. seine VA (STAL, EL 20/5, Bü. 3.019); femer Führerlexikon 1933/34, 232; Degeners Wer ist's? 1935, 819; Germania-TÜ 1989, 108; Wilhelm 1989, 250-254 u. ders. 1991. Besson 1959, 346. Besson 1959, 350. Miller 1951, 384. Miller 1951, 440f. (Hervorheb. von mir).

Württembergs Verwaltungselite auf dem Marsch ins "Dritte Reich"

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wurden ohne irgendwelche Friktionen weitergeführt. Und am 27. März 1933 fand sich eine Delegation des Vereins der württembergischen höheren Verwaltungsbeamten in der Villa Reitzenstein ein, um den neuen Präsidenten Murr im Beisein seines Justiz- und Kultministers Mergenthaler der uneingeschränkten Loyalität seiner Staatsdiener zu versichern.11 Ungeachtet solcher Anpassungsgesten - mit dem Beitritt zur NSDAP zögerten die allermeisten Beamten noch. Immerhin hatten sie der nationalsozialistischen Radau-Partei bislang - bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung in "nationalen" Fragen - eher reserviert gegenübergestanden. In dieser dilatorischen Haltung meinten sie sich durch jene Worte bestärkt sehen zu dürfen, welche der künftige "Reichsstatthalter" am 4. April an die Oberamtsvorstände gerichtet hatte: "Er verlange von dem einzelnen Landrat nicht, daß er Nationalsozialist sei, wohl aber, daß er in gesinnungsmäßiger Überzeugung hinter der Regierung stehe und in ihrem Sinne arbeite", hatte Murr verkündet. Und er zeigte sich überzeugt, "daß die Landräte im Sinne des Berufsbeamtentums, das in der heutigen Regierung seine stärkste Stütze habe, ihre Aufgaben" in einer Weise erfüllen würden, die ihrer "besondere(n) Bedeutung" gerecht werde.12 Bereits eine Woche zuvor hatten der spätere Ministerpräsident Mergenthaler und er die Beamtendelegation wissen lassen, es sei keineswegs beabsichtigt, "die Stellung und Bedeutung der höheren Verwaltungsbeamten und besonders der Landräte zu schwächen". Doch solche werbenden Mahnungen waren lediglich von einer vorübergehenden Rücksichtnahme auf die deutschnationalen Bündnispartner diktiert. Die indessen wurden durch die Dynamik des Machtergreifungsprozesses in Stuttgart wie in Berlin von Tag zu Tag mehr ins Abseits gedrängt.13 Auf dem Wege zur "staatstragenden Monopolpartei" in einem "dezisionistisch-totalitären System"14 wähnte sich NSDAP angesichts dessen bald schon fest genug im Sattel, um dem Lavieren der regionalen Verwaltungselite ein abruptes Ende zu bereiten. Am 26. April 1933 gab der Stuttgarter "NS-Kurier" an hervorgehobener Stelle Antwort auf die - angeblich - große Zahl von Anfragen, "ob der Eintritt in die Partei erwünscht ist oder nicht": "Hitler hat jeden einzelnen gerufen und ruft ihn noch heute", hieß es dort unter der Überschrift "Ehrenbuch - nicht Parteibuch". Und nach einem unmißverständlichen Hinweis auf die am 1. Mai in Kraft tretende Mitgliedersperre Schloß der langatmige Artikel mit dem drohenden Appell: "Ohne das Ehrenbuch der NSDAP [...] ist der gute Deutsche sich selbst und seinem Volk den Beweis schuldig geblieben, daß er mit uns den Parteien, dem Klassenhaß, dem Standesdünkel, dem Verrat und der Selbstsucht den Garaus bereitete, weil ihnen Deutschland und seine Jugend nichts galt. Ohne dieses Ehrenbuch Hitlers kann heute keiner mehr Nationalsozialist sein, mag er sich noch so bemühen, es zu 11 12

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HSTAS, E 151/01, Bü. 563; vgl. Sauer 1975, 67; Schnabel 1986, 324. Staatspräsident vor den Landrätrai (NS-Kurier, Nr. 80, 5.4.1933, 1; danach: Staatsanzeiger, Nr. 81, 6.4.1933; Ausschnitt: HSTAS, E 151/01, Bü 2.359, Qu. 130). Jasper 1986, 126-192; Tyrell 1993; ferner weiterhin unverzichtbar Bracher 1960. Zum Gang der Ereignisse in Württemberg siehe Sauer 1975, 32-39; Schnabel 1986, 160-280. Wolfgang Abendroth, Vorwort zu Schäfer 1956, 2.

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beweisen. Die besten Deutschen sind gerade gut genug, es zu besitzen. [...] Nur wer glaubt, sich dieser Praxis entziehen zu können, soll uns die Aufnahmeerklärung zu Hitlers Kampfgemeinschaft und so zur Deutschen Volksgemeinschaft schuldig bleiben."15 Dieser Paukenschlag, dessen Urheber in der Villa Reitzenstein vermutet wurde, gab das Signal für die "Kollektivanmeldung"16 eines großen Teils der höheren Beamtenschaft. Der Württembergische Richterverein rief seine Klientel bereits am nächsten Tag dazu auf, und der Verein der württembergischen höheren Verwaltungsbeamten wandte sich alsbald mit der Bitte um Verhaltensmaßregeln an den neuen Ministerialdirektor, Landtagspräsident Dr. Jonathan Schmid, und an dessen Kanzleidirektor, den altbekannten Kollegen Himmel. Mochte sich Minister Schmid auch im Nachhinein darüber ereifern, die Beamten seien mit "absolut verwerflichen Methoden" wie "jene(m) sattsam bekannte(n), in höchstem Maße unsittlichen Artikel im NS-Kurier" in die Partei "gezwungen" worden17 - im April 1933 wirkte er selbst tatkräftig daran mit, indem er die Petenten beschied: "Für diejenigen Kollegen, welche sich innerlich und restlos mit der neuen Bewegung verbunden fühlen, (werde) wohl der Augenblick gekommen sein, der Partei beizutreten." Und Himmel sekundierte nicht nur mit dem unzutreffenden Hinweis, "eine große Anzahl von Kollegen" habe sich dazu bereits entschlossen, er veranlaßte zögernde Beamte persönlich zum Ausfüllen der Beitrittserklärung in der Kanzleidirektion und leitete die Formulare an seine Partei weiter. Diese eindeutigen Gesten gaben den letzten Anstoß zur Aufforderung an die Vereinsmitglieder, umgehend ihre Aufnahme in die NSDAP zu beantragen.18 Um jeden Zweifel an dem Willen zur korporativen Unterwerfung auszuräumen, erklärte sich die Standesvertretung der leitenden Beamten am 7. Mai 1933 auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung für gleichgeschaltet.19 Die Selbstrechtfertigung dafür hatte der zweite Vereinsvorsitzende, Landrat August Feurer (1873-1943), in seinem Appell vom 29. April schon vorab geliefert: "Ich selbst erblicke in dieser großen nationalen Bewegung nach den zahlreichen mißglückten 15

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NS-Kurier, Nr. 96, 26.4.1933, l f . (Ausschnitt: HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 141; Hervorheb. im Original); vgl. Sauer 1975, 68. Rede des Öffentlichen Klägers in der Spruchkammerverhandlung des seinerzeitigen Heilbronner PolDir Josef Wilhelm am 8./9.7.1948 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.887, Qu. 99). Zu einen vergleichbaren Kollektivbeitritt, den die höheren Beamten des preuB. RegPräs Aachen bereits im März 1933 vollzogen hatten, siehe Romeyk 1989, 141. Aufschlußreich auch der Erlebnisbericht von Hofmann (1982, 10-12) über die "Torschlußkomplexe" insbesondere seiner jüngeren Kollegen in der bayerischen Innenverwaltung. Vgl. allgemein Brecht 1948, 149-152. Mdl (gez. Schmid) an NSDAP-Kreispersonalamt Stuttgart, 19.7.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 174). Vereinigung der Landräte Württembergs - Stellv. Vorsitzender - (gez. LR Feurer, Göppingen) an die Sprengelvorsitzenden, 29.4.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü 2.359, Qu. 146). Zum Vorgehen von MinR Himmel siehe etwa die durch andere Quellenzeugnisse bestätigte Äufierung des seinerzeitigen PolDir Karl Sinn an die Spruchkammer Waiblingen v. 31.12.1946 (STAL, EL 902/24, Az. 49/1/6.422) Schnabel 1986, 328. Der Verein löste sich zum 31.12.1933 auf; die Mitglieder traten größtenteils in den BNSDJ über (NS-Kurier, Nr. 7, 5.1.1934, 3).

Württembergs Verwaltungselite auf dem Marsch ins "Dritte Reich"

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Versuchen der Regierungen der letzten 14 Jahre den einzigen möglichen Weg, unser Volk wieder zu allseitiger, gemeinsamer, fruchtbringender, nationaler Aufbauarbeit zusammenzuführen, seine nationalen Instinkte wieder zu entfalten, insbesondere sein Verständnis für nationale Ehre und Würde wieder gewaltig zu wecken, dem deutschen Volk wieder Achtung und Geltung in der Welt zu verschaffen, unser Volk vor weiterem Abgleiten in Not und Elend zu behüten und die Gefahr der bolschewistischen Überflutung zu bannen." So sah die geistige Brücke aus, über welche sich die Verwaltungseliten auch im Südwesten in das "Dritte Reich" begaben - ausgerechnet von einem hochangesehenen Landrat deutschnationaler Provenienz gebaut, der persönlich das "Ehrenbuch" der N S D A P verschmähte und dessen Stehvermögen bald schon in massiven Auseinandersetzungen mit allerlei NS-Exponenten auf harte Proben gestellt wurde. 2 0 Ein großer Teil der Vereinsmitglieder leistete dem offiziösen Wink alsbald Folge. Daraus abzuleiten, "daß das Berufsbeamtentum - nach der KPD - das erste Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war", ist frivol. 2 1 Doch in der Tat deutet manches darauf hin, daß der Parteibeitritt für die meisten Beteiligten zunächst einmal "lediglich einen mehr oder weniger erzwungenen Akt äußerer beruflicher Sicherung" 22 darstellte, aus dem allein noch keine allzu weitgehenden Rückschlüsse auf ihre tatsächlichen politischen Einstellungen gezogen werden sollten.

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Sehr. v. 29.4.1933 (oben, Anm. 18). Gleichzeitig begründete Feurer in einem gesonderten Sehr, an MinR Himmel seinen Verzicht auf einen NSDAP-Eintritt mit der ihm unverständlichen "ablehnenden Haltung der nationalen Verbände in Göppingen mir gegenüber"; im übrigen sei er "auch einer von denen, die sich mit ihrem alsbaldigen Beitritt nicht dem Verdacht aussetzen möchten, als würden sie, die ja bisher der nationalsozialistischen Bewegung, wie überhaupt jeder politischen Partei ferngestanden sind, ihren Beitritt vollziehen, lediglich um dienstlichen Unzuträglichkeiten aus dem Weg zu gehen. " (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 184); vgl. Schnabel 1986, 324f. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Stadtbaumeisters, Mitglied der Tübinger Verbindung Virtembergia, siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 191); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. RegR Gustav Treiber an StS für die politische Befreiung Kamm, 24.6.1946 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.760, Qu. 87); vgl. im Tenor ähnlich die Denkschrift des vormaligen Bgm von Aalen, Dr. Karl Schübel: "Das Verhältnis der Beamten zum Nationalsozialismus im Lichte der geschichtlichen Wahrheit und seine Folgerungen für die Beurteilung der gegenwärtigen Zeit Ein Beitrag zur Wahrheit -", o.D. (HSTAS, Q 1/8, Bü. 28; 8 S., Ms. vervielf.). Treiber stammte aus dem gehobenen mittleren Dienst. Ende 1933 wurde der Ministerialamtmann vom Mdl zum württ. Rechnungshof abgeschoben, obwohl er zum 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten war. Nach dessen "Verreichlichung" in den einstweiligen Wartestand versetzt - weil er nicht nach Karlsruhe umziehen mochte -, wurde er jedoch alsbald wieder bei der Gebäudebrandversicherungsanstalt verwendet. Dort erlebte er 1942 als einer der ganz wenigen Berufskollegen seine Beförderung in den höheren Dienst. Zum Werdegang des protestant. Bahnhofaufsehersohnes siehe seine PA (ebd.). Sauer 1975, 77; vgl. mit Bezug auf die Berliner Ministerialbürokratie H. Mommsen 1991c, 52: "Der Eintritt in die NSDAP, den die Masse der höheren Beamten vollzog [...], bedeutete keine Identifizierung mit den Zielen der Bewegung." Zur Beitrittswelle des Frühjahrs 1933 vgl. ebd., 67-72; Schnabel 1986, 325-328.

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Jedenfalls lieferte die württembergische Verwaltungselite damit einen weiteren Beleg für ihre Homogenität und ihre gouvernementale Fixierung.23 Bei näherem Hinsehen zeigen sich allerdings einige bemerkenswerte Differenzierungen. Zunächst einmal solche generationeller Art. Schon ein erster Blick auf die Organisationsgrade und die Eintrittsdaten der einzelnen Alterskohorten offenbart, daß die Bereitschaft zur Teilnahme an der Beitrittsaktion Ende April 1933 mit steigendem Lebensalter signifikant abnahm (Tab. 26).24 Nahezu drei von vier Beamten der 1870er Geburtsjahrgänge mochten ihre jahrzehntelang kultivierte Distanz zu jedweder Parteiorganisation weder jetzt noch später aufgeben; von den in der anschließenden Dekade geborenen Kollegen entschloß sich nicht einmal jeder zweite zu diesem Schritt. Erst unter den Beamten der 1890er Jahrgänge entschied sich eine deutliche Mehrheit dafür, und die seit der Jahrhundertwende geborenen folgten - soweit sie im Frühjahr 1933 schon im Dienst der Innenverwaltung standen - nahezu geschlossen dem Ruf der NSDAP. Im politischen Anpassungsverhalten gab es mithin - zumindest auf der Ebene formaler Mitgliedschaften einen scharfen Bruch zwischen den noch nicht vierzigjährigen Beamten und denjenigen, welche die Schwelle zum fünften Lebensjahrzehnt bereits überschritten hatten. Es wird sich zeigen, daß es neben der generationsspezifischen (politischen) Sozialisation vor allem berufliche Interessenunterschiede waren, welche das differierende Verhalten der beiden Gruppen zur Beginn der NS-Herrschaft prägten.

Widerstrebende und Zurückgestoßene Doch zunächst zu einer anderen Gruppe von Beamten, die dem Beispiel ihrer Kollegen (noch) nicht folgen wollten. Dabei handelte es sich um eine Handvoll Zentrumsleute aus dem engeren Umkreis des abgesetzten Innenministers. Sein Personalberichterstatter Wilhelm Kley, der designierte Kanzleidirektor Landrat Dr. Karl Walser (1892-1982) in Ehingen, der Ravensburger Landrat Franz Paradeis (1871-1941) und der Chef der württembergischen Kriminal- und Politischen Polizei Ernst Lauer (1879-1950) sowie die Regierungsräte bei der Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung (MABK) Dr. August Breucha (geb. 1901) und Dr. Karl Trabold (geb. 1899) standen Eugen Bolz nicht nur - wie 23

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Typisch für diese Geisteshaltung der Versuch eines Nicht-Pg.'s, die Handlungsweise seiner Kollegen im Frühjahr 1933 nachträglich zu rechtfertigen: "Die NSDAP (war), von dem Tage ab, wo es offiziell hieß: 'Partei gleich Staat', über den Begriff Partei im eigentlichen Sinne hinausgewachsen. Ein Staatsbeamter konnte also einer Partei, die seinen Staat repräsentierte, ohne Bedenken beitreten und hielt sich vielleicht sogar dazu für verpflichtet." Beim Adressaten, MinPräs Maier, lief ORegR Fritz Adae mit seinem Sehr. v. 13.11.1945 (HSTAS, Q 1/8, Bü. 286) offene Türen ein; vgl. Maier 1948, 349f. In dieser Tabelle sind nur Beamte berücksichtigt, die nach der Welle vorzeitiger (Zwangs-)Pensionienmgen 1933/34 noch im Dienst waren. Für die betreffenden Persönlichkeiten der 1860er und 1870er Gebuitsjahrgänge ergibt sich kein von G2 deutlich abweichendes Bild.

Widerstrebende und Zurückgestoßene

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Landrat Dr. Erwin Gerhardt in Waldsee - politisch nahe, sie waren ihm auch als Bundesbrüder der Tübinger CV-Verbindung Guestfalia eng verbunden. Oberregierungsrat Anton Schmid (1886-1968) bei der MABK entstammte als Mitglied der KV-Verbindung Alamannia ebenfalls dem katholischen Korporationsmilieu der Landesuniversität.25 "Aufgrund meiner christlich-konservativen Weltanschauung stehe ich seit Jahren der Zentrumspartei nahe und bin dort eingeschriebenes Mitglied", begründete Landrat Walser seine Weigerung, sich den jüngsten "Massenanmeldungen zur NSDAP" anzuschließen. Daher "scheint mir doch ein plötzlicher, von außen bestimmter Wechsel der Parteizugehörigkeit nicht den berechtigten Ansprüchen der NSDAP zu genügen. Wenn nicht ein Gesamtübertritt der staatstreuen Beamtenschaft veranlaßt wird, müßte gerade in meinem Fall eine Anmeldung unmittelbar vor Beginn der Sperrfrist des 1. Mai berechtigtes Erstaunen und vielfache Mißdeutung hervorrufen." Es folgte eine Loyalitätserklärung, deren dürre Worte nur notdürftig die große Distanz zu kaschieren vermochten, aus der Bolz' enger Vertrauter das Vordringen der NSDAP und die Unterwerfungsgesten seiner Berufskollegen musterte: "Nach meiner Weltanschauung konnte ich die deutsche Erhebung und Erneuerung mit ehrlicher Überzeugung begrüßen und unterstützen. Ich bin ohne jeden Vorbehalt bereit, der nationalen Regierung und damit dem schwerringenden deutschen Volk meine volle Kraft zu widmen."26 Dies versicherten auch die drei Beamten der MABK, und sie setzten hinzu: "Wenn wir uns im jetzigen Augenblick noch nicht entschließen, der NSDAP beizutreten, so nur deshalb, weil nach unserer Kenntnis das Abkommen Hitler-Kaas verbürgt, daß wir, auch ohne Mitglieder der NSDAP zu sein, als Mitarbeiter des neuen Staates anerkannt werden."27 Diese Wendungen zeugten von einer fatalen Verkennung des totalitären Machtanspruchs der NS-Staatspartei. Auf Weisung von Ministerialdirektor Schmid wurden die Erklärungen sofort dem Staatspräsidenten und Gauleiter Murr persönlich vorgelegt; die berufliche Karriere der widerstrebenden Staatsdiener lag von 25

26 27

Zu Kley siehe Kap. I, Anm. 67. Zum Werdegang des späteren Tübinger RegPräs Walser, Sohn eines ORegR, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.816; STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 93); ferner demnächst meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 und demnächst in den BWB. PA des Förstersohnes Paradeis habe ich nicht ermittelt; siehe aber den Mdl-EA v. 29.8.1919 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.303) u. seine VA (STAL, EL 20/5, Nr. 4.345); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des Postinspektorensohnes Lauer siehe dessen PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.034); femer diverse Unterlagen in HSTAS, Q 1/50, Bü. 12. PA des Gastwirtsohnes Breucha habe ich nicht ermittelt. Zum Werdegang des Kaufmannsohnes Trabold siehe die Rest-PA des Mdl (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.757). Zum Werdegang des Landwirtsohnes Schmid siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.484). Sehr. v. 29.4.1933 (Kap. I, Anm. 93; Hervorheb. von mir). Sehr, der drei Beamten an Mdl, Kanzleidirektion, 28.4.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 143; Abschriften in den jeweiligen PA; Hervorheb. von mir). Mit dem genannten 'Abkommen" waren offenbar die Verhandlungen zwischen Hitler und der Zentrumsführung gemeint, mit deren Ergebnis der Vorsitzende Kaas am 23. März 1933 in der Berliner KrollOper die Zustimmung seiner Partei zum Ermächtigungsgesetz rechtfertigte; siehe dazu Morsey 1977c, 115-151.

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nun an zwölf lange Jahre auf Eis. 28 Gerade ihnen müssen die Ohren geklungen haben, als Murrs rechte Hand, Karl Waldmann, mit scheinheiligem Zynismus deklamierte: "Der Herr Statthalter hat es nicht verstanden, daß ein so großer Teil von Beamten, die durchaus keine Nationalsozialisten sind, in den letzten Wochen geglaubt haben, Mitglied bei der NSDAP, werden zu müssen. [...]", verhöhnte der aus dem gehobenen Dienst hervorgegangene Staatssekretär die württembergische Verwaltungselite. "Der Charakter eines Beamten, der diesen Schritt nicht unternommen hat, wenn er nicht Nationalsozialist ist, ist höher einzuschätzen. " 29 Manche wollten nicht, andere durften nicht in die NS-Partei. So wies die Stuttgarter Kreisleitung die Aufnahmeanträge der Oberregierungsräte Max Burckhardt (geb. 1877) und Julius Lemppenau (1877-1944) zurück. Burkhardt hatte mit der Anordnung den Unwillen des Gauleiters Murr erregt, bei dessen Begrüßung in der MABK am Tag nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Interesse der "Sachlichkeit" auf Blumenschmuck und Hakenkreuzfahne zu verzichten; außerdem sollte er im Kollegenkreis geäußert haben: "Wir müssen die Herren [von der NSDAP; M.R.] eben in unser Lager zu ziehen versuchen." So wird es gewesen sein. Doch unterstützt von seinem Präsidenten Knapp, der ihm nationale Integrität und dienstliche Unentbehrlichkeit attestierte, verwahrte Burkhardt sich wortreich gegen die Anschuldigungen der Kreisleitung und jener "Prüfungsstelle beim Staatsministerium", welche die Beamtenschaft auf ihre Zuverlässigkeit im Sinne der Bestimmungen des sogenannten "Berufsbeamtengesetzes" durchleuchten sollte.30 In Würdigung seiner verbalen Devotionsgesten wurde er lediglich als Personalberichterstatter der MABK abgelöst, und 1937 durfte Burkhardt sich das Parteiabzeichen anstecken.31 Auch sein Kollege Lemppenau reagierte "als Frontkämpfer, Reserve-Offizier und Beamter" ebenso verschreckt wie entgeistert auf den "durch nichts in meinem Leben begründeten Verdacht demokratischer Einstellung".32 Und der gleichfalls von der Partei zurückgewiesene und seitens der Prüfungsstelle zur Entlassung vorgeschlagene Landrat Wilhelm Lempp (1882-1970) ergänzte die Versicherung, "er sei nie Demokrat" gewesen, durch ein bemerkenswertes Bekenntnis zu seiner neuen, "vielleicht etwas langsam gereiften, dafür aber durchaus klaren und festen 28

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Daran vermochte auch der 1937 nachgeholte NSDAP-Beitritt Breuchas und Walsers nichts mehr ändern. [Karl] Waldmann, Durchführung des Berufsbeamtengesetzes. [Vortrag vor den Kanzleidirektoren und Personalberichterstattera der württ. Verwaltung] (NS-Kurier, Nr. 133, 10.6.1933, 6). Zur Person siehe unten, mit Anm. 54 u. 111. Unterlagen zur Vorgeschichte, Zusammensetzung und Arbeit der Anfang Juni 1933 etablierten Prüfungsstelle finden sich in HSTAS, E 151/01, Bü. 2.318; vgl. Sauer 1975, 73. Die Stelle wurde Ende Oktober wieder aufgelöst (NS-Kurier, Nr. 302, 28.10.1933, 3). Siehe dazu und zum Werdegang des protestant. Oberlehrersohnes, Mitglied des Tübinger Bundes Lichtenstein, Burkhardts PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 135) u. das Personaldoss. des StS Waldmann (HSTAS, E 140, in Bfi. 81). ORegR Lemppenau an RStH Murr, 17.7.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 669, Qu. 178; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang des protestant. Apothekersohnes, Mitglied des Tübinger Wingolf, siehe seine PA (ebd.) und die NSDAP-Parteikorrespondenz (BABZ); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

NS-Revolutionäre versus NS-Etatisten

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Überzeugung": "Ich (bin) Nationalsozialist geworden, weil ich durch die Großtaten Adolf Hitlers nach der Machtergreifung: Deutsche Farben, Zertrümmerung des Marxismus, Beseitigung des Parteienhaders, Reichsreform durch Statthaltereien usw. für die großen, reinen Ideen des Nationalsozialismus innerlich völlig gewonnen worden bin und mich deshalb entschlossen habe, mich restlos in die Gefolgschaft des Führers einzureihen, um auch in meinem Teil mitzukämpfen, daß das hohe Ziel des Nat. Sozialismus, die Rettung unseres Vaterlandes durch Zurückführung des deutschen Arbeiters vom Marxismus zum deutschen Volksgenossen, durch Beseitigung jedes Standesdünkels, durch Säuberung der Rasse usw. möglichst bald verwirklicht wird." 33 So offensichtlich diese Beteuerungen von panischer Furcht vor dem beruflichen und sozialen Absturz diktiert waren, sie lenken den Blick auch - einmal mehr - auf die mannigfachen ideologischen Berührungspunkte zwischen den konservativen Funktionseliten und der NSDAP - "der Partei, die heute unseren Staat bedeutet". Das verweigerte "Ehrenbuch" blieb Lempp ebenso versagt wie Oberregierungsrat Otto Rueff. Der Personalreferent des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde von NSDAP-Kreisleitung und "Prüfungsstelle" beschuldigt, sich am 7. März 1933 der NS-Flaggenhissung entgegengestellt zu haben - völlig zu Unrecht, wie sein Vorgesetzter darlegte. Doch der Chef der Politischen Polizei MattheiB wollte den Mann unter allen Umständen weghaben, und so erteilte er Rueff wegen "heftigen passiven Widerstand(es)" kurzerhand Hausverbot. Der hochqualifizierte Beamte mußte daraufhin durch eine Versetzung zur Gebäudebrandversicherungsanstalt aus der Schußlinie genommen werden. Abgeschirmt durch deren parteilosen Präsidenten Neuschier brauchte er sich in dieser nahezu "Pg.-freien Zone" nicht weiter um ein Parteibuch bemühen.34

NS-Revolutionäre versus NS-Etatisten An der Spitze des Innenministeriums verfolgte man die Zurückweisungen der eigenen Leute durch den eigenwilligen Stuttgarter Kreisleiter Otto Maier mit wachsendem Mißbehagen. Kanzleidirektor Himmel legte seinem Chef jeden einzelnen 33

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LR Lempp an KreisL Böpple, Neuenbürg, 5.10.1933 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.051, Qu. 18; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang des Pfarrersohnes, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Normannia, siehe seine PA (ebd.); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Die Familie Lempp hatte eine Reihe bekannter Theologen hervorgebracht; Lempp selbst wurde 1945 zum Direktor des Evangel. OKR ernannt (Schäfer VI 1984, 1.452 et passim). Prüfungsstelle beim Staatsministerium (gez. Großhans), 30.9.1933: Verzeichnis der Beamten [...], die nach § 4 BBG zu entlassen sind, hier: Innenministerium - Polizeipräsidium (einziger Eintrag) (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.399, Qu. 62). Zum Vorgang vgl. Wilhelm 1989, 109f. Zum Werdegang des protestant. Architektensohnes, Mitglied der Tübinger Verbindung Igel, siehe seine PA (ebd.); vgl. die Unterlagen seines Vorgesetzten (HSTAS, Q 1/150, NL Rudolf Klaiber, Bü. 13); siehe femer Wilhelm 1989, 265f. Zur Bedeutung der Gebäudebrandversicherungsanstalt als Domäne der Nicht-Pg.s vgl. Sauer 1973, 180f.

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Fall demonstrativ auf den Tisch,3S und als auch der kooperationswillige Ministerialdirektor Rudolf Scholl und der angesehene Präsident Reinhold Scholl eine Absage erhielten, hatte er sein Ziel erreicht: "Wer nicht würdig ist, in die NSDAP aufgenommen zu werden, kann nicht Staatsbeamter sein. Ein Beamter, dessen Aufnahmegesuch endgültig von der Partei zurückgewiesen ist, muß seinen Abschied aus dem Staatsdienst nehmen", herrschte Schmid die Kreisleitung an. Angesichts dessen könne die "tolle" Aufnahmepolitik der Kreisleitung nur als Versuch interpretiert werden, Beamte auszubooten, gegen die das Berufsbeamtengesetz keine hinreichende Handhabe biete. Das aber liege schwerlich "im Sinn des Führers". Und "auch vom Standpunkt des Staats aus" sei es "nicht gerade glücklich", die Ministerialdirektoren dreier Ressorts und verschiedene andere Beamte dermaßen zu düpieren. Schließlich würden so Spitzenleute "diffamier(t)", kam Schmid auf den Kern des Konflikts, "die das Vertrauen ihrer Minister haben, derselben Minister, die gleichzeitig die Exponenten der Partei" seien. Weil überdies "unsere Beamtenschaft durch gewissenhafte Pflichterfüllung hinreichenden Beweis erbracht hat, daß sie dem Staat und Volk dienen will", müßten "die zurückweisenden Bescheide wieder zurückgenommen werden" - selbst "wenn mancher von ihnen [...] kein hundertprozentiger Nazi mehr" werde. 36 Dieser Wunsch wurde nicht erfüllt: "Meine Einstellung ist allerdings grundsätzlich von der Ihren verschieden. Ich habe von der Prüfstelle verlangt, daß nur solche Staatsbeamte aufgenommen werden dürfen, welche sich schon vor dem 30. Januar 1933 mindestens im engeren Kreis für uns eingesetzt und auch nationalsoz. gewählt haben", beschied Maier seinen Parteigenossen. "Da ich festgestellt habe, daß Pg. Murr meinen Standpunkt nicht ganz teilt, habe ich verschiedenen höheren Beamten nahegelegt, [...] sich direkt an die Reichsstatthalterei zu wenden, da ich meinerseits Staatsbeamte wie alle anderen Volksgenossen behandeln muß und ihnen daher nicht entgegenkommen kann." 37 Angesichts dieser kompromißlosen Replik beschränkte sich Schmid fürs erste darauf, seine etatistische Position in konzilianterem Tonfall nochmals zu bekräftigen: "Gerade die höheren Beamten, deren Stellung ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihren Ministern erforderte, hätten dem Sinn und Geiste nach ihre Pflicht verletzt, wenn sie gegen die frühere Regierung gekämpft hätten. Es ist eine Sünde gegen den Geist des Nationalsozialismus, wenn man eine solche Pflichttreue bestraft. [...] Ich weiß, daß unsere Beamten beinahe ohne Ausnahme lediglich von dem Streben beseelt sind, dem Staat nach besten Kräften zu dienen. [...] Und ich sehe in dem Menschenmaterial, aus dem sich die württembergische Beamtenschaft zusammensetzt, einen ganz wertvollen Volksteil," stellte sich der Minister in gouvernementaler Geste vor sein Personal. "Mich bewegt nicht irgend 35

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Siebe dazu das ungez., zweifelsfrei von Himmel angefertigte "Verzeichnis der dem Herrn Minister teils vorgelegten, teils sonst bekannt gewordenen Ablehnungen der Mitgliedschaft bei der NSDAP" v. 4.8.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 180). Sehr. v. 19.7.1933 (oben, Anm. 17). KreisL Maier an Mdl Schmid, 1.8.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 178). Zur Person und Politik des jungen Diplomingenieurs (geb. 1901) siehe R. Müller 1988, 24, 109-111 et passim.

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welche Rücksichtnahme auf einzelne Personen, sondern die Sorge um das Ganze", fügte er dieser Ehrenerklärung hinzu. "Der bisher von der Partei in dieser Frage eingenommene Standpunkt ist ein ausgesprochener Parteistandpunkt, der wiederum nicht das Ganze im Auge hat."38 Der Disput endete typisch für die Auseinandersetzungen innerhalb des polykratischen Machtgefüges der NS-Herrschaft. Auch in der Provinz wurden die regimeinternen Konflikte nicht etwa bis zur Entscheidung oder bis zum Kompromiß durchgefochten, sondern in einer Art Schwebezustand eingefroren. Jede Seite versuchte ihren Standpunkt in der Praxis autonom zur Geltung zu bringen, und ansonsten wartete man, wie hier Schmid, "auf die Entscheidung des Führers, die früher oder später einmal kommt." Bekanntlich blieb solches Harren meist ohne Erfolg, doch in diesem Falle trog die Hoffnung des Innenministers nicht. Das Blutbad vom 30. Juni 1934 wies die Sozialrevolutionären Kräfte der NS-Bewegung endgültig in ihre Schranken, und es beseitigte jeden Zweifel daran, daB auch Hitler (vorerst) auf die alten gesellschaftlichen Eliten setzte.39 Das galt auch für die Stuttgarter NS-Führung. Bezeichnend für ihr Bestreben, es sich mit den regionalen Eliten nicht zu verderben, war etwa die Antwort des Staatssekretärs Waldmann auf eine Anfrage des frischgebackenen Gaildorfer Landrats zur künftigen Handhabung der traditionellen Antrittsrunde. "Meinem Empfinden nach passen die Zylinderbesuche - vor allem des Landrats als Vertreter des Staats - nicht in das ΠΙ. Reich, da sie dem ausgesprochenen Zweck dienen, einen durch gesellschaftliche, finanzielle und sonstige Beziehungen gebildeten Klüngel aus dem Kreise der übrigen Volksgenossen herauszuheben," hatte Dr. Hans Häcker Mitte Oktober 1933 zu bedenken gegeben. "Ich halte es für notwendig, daß Sie den maßgebenden Personenkreis besuchen", wurde er daraufhin beschieden. "Sie dürfen aber dabei den Kreisleiter und die wichtigen örtlichen Parteiinstanzen nicht übersehen." Immerhin ein Zugeständnis an den egalitären Zug der neuen Zeit: Häcker solle es bei einer "gestreifte(n) Hose mit schwarzer Joppe" bewenden lassen.40 Anfang Juli 1934 war die Entscheidung endgültig gegen Maiers Linie gefallen. Rigoros zog der "Alte Kämpfer" die letzte Konsequenz aus seiner Niederlage: zwei Wochen später verübte er Selbstmord. Der Weg schien endgültig frei für Schmids Konzept, den übernommenen Verwaltungsapparat personell intakt zu halten, um ihn möglichst effizient für die Realisierung der eigenen politischen Zielsetzungen instrumentalisieren zu können. Schon aufgrund seines eigenen Bildungsganges stand der Innenminister den höheren Beamten zu nahe, um nicht genau zu wissen, wie sehr sie strukturell und mental für eine loyale Zusammenarbeit mit dem NS-Regime prädisponiert waren. Und er gab sich alle Mühe, sie in dieser Haltung zu bestärken. Schon die Berufung Himmels zum Kanzleidirektor wurde als Signal verstanden, daß die neuen Machthaber gewillt 38

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Mdl Schmid an KreisL Maier, 4.8.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359, Qu. 179). Vgl. zu diesem Briefwechsel Sauer 1975, 69-72; Schnabel 1986, 325-327. Gersteiberger 1987, 98; vgl. allgemein Dülffer 1984 (mit weiteren Hinweisen). Sehr. v. 10. u. 17.10.1933 (HSTAS, E 140, Bü. 102, Doss. Häcker). Hervoiheb. von mir.

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waren, in der Personalpolitik des Hauses keinen Kontinuitätsbruch zu riskieren.41 Am "Feiertag der nationalen Arbeit" nutzte der Ressortchef seine Maiansprache dafür, sich von dem berüchtigten "Ehrenbuch"-Artikel des Parteiorgans zu distanzieren und die Ministerialbeamten seiner persönlichen Unterstützung gegen politische Attacken zu versichern. Schmids anschließende Demarchen an die Stuttgarter Kreisleitung blieben nicht die einzigen Interventionen dieser Art. "Es muß ja den Gegnern unserer Sache eine helle Freude bereiten, in einer Zeitschrift der nationalsozialistischen Bewegung Verunglimpfungen von leitenden Beamten zu lesen", protestierte Schmid 1935 gegen publizistische Angriffe auf einen - keineswegs nur politisch umstrittenen Oberamtsvorstand, "die doch ihrerseits unter der Dienstaufsicht nationalsozialistischer Minister stehen."42 Und im selben Jahr gab er dem "Stellvertreter des Führers" zu bedenken: "Es kann mir nicht gleichgültig sein, wenn ein aus der württembergischen Innenverwaltung hervorgegangener Beamter eine (politische; M. R.) Beanstandung erfahrt, von der auch die württembergische staatliche Innenverwaltung mitbetroffen wird."43 Mitte 1939 schließlich gab er seinem Kanzleidirektor Stümpfig, zugleich Leiter des NSDAP-Gauamts für Kommunalpolitik, dessen Monatsbericht mit dem schroffen "Bemerken" zurück, "daß ich in dieser allgemeinen und oberflächlichen Weise nicht über meine Landräte 'urteilen* lasse".44 Alle diese Gesten waren sicherlich ein Symptom dafür, daß es der bürokratische Apparat einmal mehr vermocht hatte, seine politische Führung mental zu inkorporieren.45 Sie waren aber auch ein integraler Bestandteil jener patriachalischen

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Die PA sind voll von Sehr., mit denen sich Beamte - besonders in den Jahren 1933/34 - an MinR Himmel persönlich wandten, um mit seiner Unterstützung mancherlei Probleme auf der informellen Ebene zu klären. Vor dem Hintergrund der extensiven NS-Ansprüche nahmen seine verunsicherten Kollegen ihn je länger desto mehr als einen der 'ausgesprochensten Träger guter, altwürttembergischer Beamtentraditionen" wahr; siehe die "Erklärung* des seinerzeitigen Leiters der Mdl-Kommunalabbteilung, Hermann Reihling, für Himmels Spruchkammerverfahren v. 9.5.1947 (Einleitung, Anm. 65). Mdl Schmid an Schriftleitung "Der SA-Mann", München, 15.9.1935 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 45, Qu. 114). Mdl (gez. MinDir Dr. Dill; Entwurf gez. MinR Himmel) an den Stab des StdF, 18.8.35 (HSTAS, EA 2/150, PA Dr. Ludwig Zimmerle, Bü. 1.940, Qu. 95a). Der betreffende Beamte, kathol. Sohn eines Senatspräs, am Reichsgericht, hatte 1928 als Jahrgangsbester die 2. höhere Justizdienstprüfung absolviert und war bereits 1931 zum Reichsjustizministerium abgeordnet worden. Damit schien eine außerordentliche Karriere vorgezeichnet. Im Frühjahr 1934 wurde Zimmerle jedoch aus politischen Gründen in die Reichsarbeitsverwaltung abgeschoben, wo er im Verlauf des folgenden Jahrzehnts nicht über den Rang eines ORegRs hinausgelangte, obwohl er sich 1940 doch noch der NSDAP anschloB. Zum Werdegang des nachmaligen Präs. der Württ. Gebäudebrandversicherungsanstalt u. der Württ. Landeskreditanstalt siehe ferner seine SprKA (STAL, EL 902/2, Az. II/15/D/665, Bü. 1.960) u. verschied. NS-KK (BABZ). STAS, Wü 42, Bd. 60, Bü. 11. Schon am 24.11.1933 beklagte sich der SA-Oberführer Gottlob Berger, im Frühjahr einige Wochen "Sonderkommissar" im Mdl, bei seinem Landtagskollegen StS Waldmann, der Präs. des Technischen Landesamtes Theodor Bauder sei "von den vielen, die durch uns bei den Ministerialbehörden etwas geworden sind, der einzige, der [...] sich vor der

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"Menschenführung", mit deren Hilfe der Innenminister sein Beamtenkorps als Stütze einer künftigen Heimatfront systematisch auf Linie zu bringen versuchte getreu seinem Credo: "Mit einer guten Armee und einem guten Beamtenstand kann man ein Volk unüberwindlich machen".46 Inhaltliche Abstriche an der NSPolitik waren mit derartigen Konzessionen an den korporativen Selbstbehauptungswillen der administrativen Eliten keineswegs verbunden, im Gegenteil. Es ist überhaupt nicht erkennbar, daß Schmid auf irgendeinem Gebiet der NSUnrechtspolitik den Versuch unternommen hätte, mäßigenden Einfluß auszuüben. Stattdessen ließ er keine Gelegenheit aus, seine Leute unter extensiver Auslegung des traditionellen Treue-Begriffs politisch an die Kandarre zu nehmen: "Der Beamtenkörper des nationalsozialistischen Deutschlands muß einheitlich sein, das heißt, er muß nationalsozialistisch sein", schrieb er ihnen ein ums andere Mal ins Stammbuch. "Heute ist der Beamte auch außerhalb des Dienstes Nationalsozialist. Es darf für ihn keinerlei Überwindung bedeuten, Partei und Staat als Einheit anzuerkennen." Und diesen Imperativ bezog der NS-Protagonist der ersten Stunde nicht bloß auf das grundsätzliche Bekenntnis, sondern ausdrücklich auch auf die "scheinbaren Äußerlichkeiten" des Alltags, wie Abonnements der NS-Presse, den "Deutschen Gruß" oder den Boykott jüdischer Geschäfte durch die Familienangehörigen.47 Manchen Beamten mochte angesichts solcher Worte ein "Gefühl des Zwanges" beschleichen, Schmid selbst gestand dies zu. Gleichwohl traf er mit seiner Beschwichtigungs- und Instrumentalisierungstrategie beim größten Teil der Adressaten den richtigen Nerv, zumal Gauleiter und Reichsstatthalter Murr - ganz im Gegensatz zu seinem Karlsruher Kollegen Robert Wagner48 - keinerlei Anstalten machte, persönlich auf die Beamtenschaft zuzugehen.49 Im Frühjahr

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Ministerialbürokratie nicht fürchtet." (HSTAS, E 140, Bü. 139, Doss. Förster Rapp). Kurzbiogr. des "Alten Kämpfers" Bauder siehe Präg/Jacobmeyer 1975, 945. Innenminister Dr. Schmid: NS. -Zeitung gehört in jedes Beamtenhaus. Der Beamte muß das Vorbild eines Nationalsozialisten sein. [Vortrag über "Die politische Stellung des Beamten im Dritten Reich"] (Stuttgarter NS-Kurier, Nr. 298, 29.6.1938, 5). Materialien zu den genannten und anderen NS-VerhaltensmaBregeln für Beamte siehe HSTAS, E 151/01, Bü. 2.359; vgl. Sauer 1975, 76f.; ferner allgemein Captan 1988, 203-215. Stuttgarter NS-Kurier, 29.6.1938 (oben, Anm. 46). Zur normativen Umdeutung des TreueBegriffs durch das NS-Regime siehe Jubelius 1985, 150-168; Wunder 1986, 143; Caplan 1988, 195f., 203f.; O. Schneider 1988, 33-43. Zum NS-Konzept der "Menschenführung" siehe Rebentisch/Teppe 1986, Einleitung, 23-32. Wagner ließ seine LRe und Polizeiverwalter am 1.6.1933, 27.3.1934 und 27.10.1934 zusammenrufen, um sie auf die Leitlinien seiner Politik einzuschwören. Nach der Konsolidierung des NS-Regimes verzichtete er darauf. Nur im Kontext der Sudetenkrise (23.6.1938) und aus Anlafl seiner kirchenpolitischen Offensive (28.10.1941) sprach er nochmals direkt zu den leitenden Beamten; vgl. die Einladungen zu diesen Konferenzen und den jährlichen Landrätetagungen mit Mdl Pflaumer (GLAK, 380, 1977/68, Nr. 1.576). LR Richard Alber an Mdl WH, 2.6.1948 (STAS, Wü 42, Bd. 60, Bü. 87, Qu. 72). Murr beschränkte sich auf gelegentliche Erlasse und allgemeine Ansprachen bei Großveranstaltungen; siehe etwa Nachahmenswerter Erlaß des Reichsstatthalters (NS-Kurier, Nr. 223, 12.9.1933, 1); Generalappell der württ. Beamtenschaft. Ansprache des Reichsstatthalters (ebd., Nr. 69, 12.2.1934, 1); Beamte - die ersten Diener des Volkes. Gewaltiger Aufmarsch in Stuttgart (ebd., 3); Gauleiter Murr beim Beamtenappell. Richtungsweisende Rede vor den Politischen

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

1934 sicherte der Innenminister seinen Amtsvorständen auf einer Rundreise durch die vier Oberamtssprengel auf besorgte Nachfragen nochmals ausdrücklich zu, auch in Zukunft hätten sie "vom Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums gar nichts zu befürchten"; im übrigen könnten sie bei allen ungerechtfertigten Angriffen aus den Reihen der N S D A P mit seiner Rückendeckung rechnen 50 . Diese Zusage allerdings ging von der unverhohlenen Voraussetzung aus, daß die Landräte erstens mit der N S D A P im allgemeinen und deren Kreisleitern im besonderen gut zusammenzuarbeiten und zweitens ihre Loyalität zur Staatspartei auch nach außen durch den Erwerb der Mitgliedschaft und ein moderates Engagement in NSOrganisationen wie etwa der NSV zu dokumentieren bereit sein würden. 51 Gleichwohl - durch die Turbulenzen der ersten Machtergreifungsphasen und die allfälligen Reibereien mit Kreisleitern und anderen lokalen NS-Größen in wachsendem Maße verunsichert, nahmen die leitenden Bezirksbeamten Schmids Botschaft dankbar auf: "Wir alle haben die Überzeugung mitgenommen, daß unser Herr Minister unsere Arbeit schätzt und volles Verständnis für unsere Stellung, für unsere Sorgen und Nöte hat," resümierte der Sprecher der württembergischen Amtsvorstände Geißler den Ertrag der Esslinger Sprengelversammlung vom 6.

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Leitern (ebd., Nr. 233, 20.5.1939, 1). Diese Attitüde entsprach Murrs Rollenverständnis des Reichsstatthalters, dem er "eine über der Staatsverwaltung und der Parteiorganisation stehende führerunmittelbare Aufsichtsfunktion" zuerkannte; denn "die Beamten des Landes müßten einer Stelle untergeordnet sein", umrifl er seinen Standpunkt auf der Reichsstatthalteikonferenz mit Hitler am 28.9.1933, "die die absolute Gewähr für die Durchführung der Politik des Führers biete, und er bezweifle, ob die Länderregierungen dies gewährleisten könnten" (Hüttenberger 1969, 81). Niederschrift über eine Zusammenkunft der OA-Vorstände des Sprengeis Ulm mit Mdl Schmid am 25.4.34, 28.4.34 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.319, Qu. 305a). Die Vorsitzenden der fünf Oberamtssprengel hatten am 15.3.1934 beschlossen, den Mdl einzuladen, um mit ihm vertraulich über die "Stellung des Oberamtsvorstands im neuen Staat" zu sprechen. Kanzleidir. Himmel brachte Schmid dieses Anliegen nahe; siehe Rd.schr. LR GeiBler, Tübingen an die anderen Sprengelvorsitzenden, 25.4.1934 (STAL, F 210 Π, Bü. 223, Qu. 5). Unterstützt von Himmel verstanden es die württ. LRe, die Sprengelversammlungen als parteifreies Forum des internen Informationsaustausches zu erhalten; siehe Himmels - in diesem Punkt zutreffende Erklärung an die Spruchkammer Stuttgart v. 14.6.1948 (STAL, EL 902/20, Az. 37/5/11.672); femer Schnabel 1986, 336f. Dies geschah übrigens unter Beugung eines Rd.erl. v. 18.6.1935, in dem der RIM auf Druck des StdF angeordnet hatte, zu LR- u. OBgm-Besprechungen grundsätzlich Parteivertreter hinzuzuziehen, sofern dort nicht nur "rein innerdienstliche" Angelegenheiten verhandelt würden (STAF, A 96/1, Nr. 2.237). Unterlagen zur Zusammensetzung und Tätigkeit der LRe-Sprengel siehe etwa HSTAS, E 151/01, Bü. 3.169/3.170; STAL, F 210 II, Bü. 223; STAS, Wü 65/29, 26/1961, Bü. 51. Wie in Württemberg achtete der Mdl auch in Baden peinlich darauf, daß seine Beamtrai nicht in ein direktes Unterstellungsverhältnis zu den Kreisleitern gerieten und ihre Parteiaktivitätrai nicht in den Geschäftsbereich seines Ressorts hineinspielten. So stieß die von der NSDAPReichsleitung angestrebte Ernennung der leitenden Bezirksbeamten zu Kommunalfachberatem der KreisL (Partei-Statistik 1935 I, 285) bei ihnen auf Ablehnung; siehe die Korrespondenz des bad. Mdl mit RegAss Wilhelm Ruhe beim BA Tauberbischofsheim v. November 1933 Februar 1934 (GLAK, 380, 1977/68, Nr. 1.643) u. mit RegR Arnold Köpfler beim BA Lahr v. April 1934 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 939, Bl. 165 u. 167). Baden und Württemberg gehörten denn auch - mit den bayerischen Gauen - zu den Schlußlichtern auf der parteiamtlichen Rangskala "Parteigenossen als Vorsteher von staatlichen Dienststellen die aktiv [...] für die Partei tätig sind" (Partei-Statistik 1935 I, 289; Hervorheb. von mir).

Von den Sozialisten lernen? Oder: Wer verwaltet die nationale Revolution?

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Juni 1934, "und daß wir jederzeit in ihm den Mann finden werden, der, wenn wir unsere Pflicht tun, für uns eintritt und uns insbesondere nicht fallen läßt gegen Angriffe, die der sachlichen Berechtigung entbehren." Und der überaus selbstbewußte Amtsvorstand setzte wie selbstverständlich hinzu: "Diese Feststellung verpflichtet uns auf der anderen Seite gegenüber unserem Minister zu dem Versprechen treuester Gefolgschaft und rückhaltloser Mitarbeit im Dritten Reich für Volk und Vaterland! " 52

Von den Sozialisten lernen? Oder: Wer verwaltet die Nationale Revolution im Schwabenland? "1918 sind die neuen Machthaber, abgesehen von ihrer falschen Weltanschauung und der allgemeinen Korruption, daran gescheitert, daß sie nicht in der Lage waren, fachlich und sachlich geeignete Sozialdemokraten in die Ämter zu setzen", dozierte Staatssekretär Karl Waldmann (geb. 1889) wenige Wochen nach dem Beginn der NS-Machtergreifüng vor den Stuttgarter Kanzleidirektoren und Personalberichterstattern. "Der ursprüngliche Wille war nicht so schlecht wie die nachträglichen Taten. Die NSDAP, wird daher gezwungen sein, in alle entscheidenden Stellungen Nationalsozialisten zu setzen"; denn "Nationalsozialismus bedeutet Totalität".53 Mit seiner rückschauenden Analyse lag Murrs Personalstratege und maßgeblicher Interpret des NS-Verhaltenskodex für Beamte54 nahe bei der Wahrheit; es mußte sich aber erst noch erweisen, ob er ein probateres Mittel besaß, die kollektive Beharrungskraft der administrativen Eliten des Landes zukünftig wirksam zu durchbrechen. Zunächst sah es nicht danach aus. Mit dem sogenannten Berufsbeamtengesetz (BBG) hatte sich das NS-Regime bereits Anfang April 1933 ein Instrument für die pseudo-legale Säuberung der Verwaltungen von politisch mißliebigen Beamten geschaffen - insonderheit jenen nach den herkömmlichen Laufbahnvorschriften nicht hinreichend qualifizierten, während der "Systemzeit" 52

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Rdschr. LR Geißler, Tübingen an LRe seines Sprengeis, 7.6.1934 (STAL, F 210 II, Bü. 223, Qu. 6; STAS, Wü 65/29, 26/1961, Bü. 51, Qu. 6). Zur Person Geißlers siehe Kap. I, mit Anm. 112 u. Kap. III, mit Anm. 125. NS-Kurier, 10.6.1933 (oben, Anm. 29; Hervorheb. im Original). Vgl. für vieles Der Staat braucht politische Beamte. Staatssekretär W. vor der Stuttgarter Beamtenschaft (NS-Kurier, Nr. 310, 7.7.1934, 3); Die Bewegung und der Staat. Ein lehrreicher Vortrag von Staatssekretär W. (Stuttgarter NS-Kurier, Nr. 481, 15.10.1938, 3); Staatssekretär W.: Beamtenschaft und NS.-Presse (ebd., Nr. 42, 25.1.1935, 1); Die Beamten sollen sich noch mehr dem Staat zur Verfügung stellen (ebd., Nr. 240, 26.5.1936, 8); Die staatsrechtliche Stellung unseres Gaues (ebd., Nr. 49, 30.1.1937, 25). Zum Wirken des protestant. Sohnes Landwirts, Baumeisters u. Bgm, der schon 1925-1928 als Gaugeschäftsführer tätig gewesen war, siehe dessen materialreiche SprKA (STAL, EL 902/20, Az. 37/18/29.680); ferner NSGSW 1 (1933), Nr. 1, 10; Führerlexikon 1933/34, 514f.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

angeblich nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu republikanischen Parteien berufenen "Parteibuchbeamten", deren verderblichen Einfluß zu geißeln die NSPropaganda seit Jahren nicht müde geworden war. Doch dieses Instrument wurde in Württemberg - wie in Bayern - kaum genutzt, um die staatliche Innenverwaltung personell "gleichzuschalten".55 Zwar wurde der katholische Ministerialdirektor Dr. Robert Held sofort als Präsident zum Verwaltungsgerichtshof abgeschoben, um dem späteren Innenminister Dr. Jonathan Schmid Platz zu machen; ihm folgte nach wenigen Wochen Dr. Gottlob Dill (1885-1968). Der zweite Ministerialdirektor, Heids protestantischer Bundesbruder Rudolf Scholl, wurde de facto kaltgestellt und Ende 1934 in Pension geschickt.56 Doch das neue Führungsduo des Innenressorts war selbst auf das engste mit dem Verwaltungsmilieu verbunden. Schließlich entstammte der Leonberger Rechtsanwalt Dr. Schmid ebenso den Tübinger Juristenund Verbindungskreisen wie der Stuttgarter Landgerichtsrat Dr. Dill. Das Mitglied der Burschenschaft Germania entwickelte sich rasch zur "eigentliche(n) Seele des Innenministeriums",57 und die höheren Beamten erblickten in ihm neben Kanzleidirektor Himmel den eigentlichen Garanten ihrer korporativen Identität.58 Überdies hatte ihr Ansprechpartner beim Gauleiter und Reichsstatthalter, Staatssekretär Waldmann, bis 1933 über zwei Jahrzehnte hinweg als Beamter des gehobenen Dienstes den Komment der württembergischen Innen- und Wirtschaftsverwaltung in sich aufgenommen. Bezeichnenderweise schloß er sich später dem NS-Altenherrenbund Deutscher Studenten an, obwohl er niemals eine Universität besucht hatte. Auf der Ebene der Abteilungsleiter im Range von Ministerialräten bewegte sich zunächst kaum etwas im Sinne der NSDAP. Eine Ausnahme schien die personal55

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Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums v. 7.4.33 (RGBl. I, 175f.); faks. abgedr. in: Hirsch u.a. 1984, 299f. Entwürfe und eingehende Darstellung der Genese siehe H. Mommsen 1966; vgl. Caplan 1988, 141-149; Grotkopp 1992, 105-131. Zum propagandistischen Kampf der politischen Rechten und der NSDAP gegen das "Phantom" des republikanischen Parteibuch-Beamtentums siehe Fenske 1973 (Zitat: 135). Zur zurückhaltenden NSSäuberung der bayerischen Innenverwaltung 1933/34 siehe Schönhoven 1983, 619-629; Faatz 1995, 424-433. Siehe zu beiden Beamten Kap. I, mit Anm. 66. SS-Oberabschnitt Südwest, Stuttgart (gez. SS-Gruppenführer Kaul) an SS-Gruppenführer Schmitt, Berlin, 21.10.1938 (BABZ, SS-PA Dill). Dill ließ sich Ende März/Anfang April 1945 seine eigenen PA zusammen mit denen von Mdl Schmid und Kanzleidir. Stümpfig von Personalberichterstatter Otto Wilderer in Murrhardt aushändigen; siehe Aktennotiz Mdl WB (gez. MinR Anton Schmid), 12.9.1946 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 229, Qu. 2; ebd., Bü. 1.736, Legschein für Qu. 1-92). Offenbar hat das NS-Führungstrio des Innenressorts es aus naheliegenden Gründen für ratsam gehalten, diese Unterlagen beizeiten verschwinden zu lassen. Zum Werdegang des protestant. Kaufmannsohnes siehe jedoch die Mdl-EA v. 12.5.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 120, Qu. 147; ebd., Bü. 137, Qu. 12) u. 15.7.1933 (ebd., Bü. 120, Qu. 148/149), seine Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 229); siehe ferner Führerlexikon 1933/34, 97; Degeners Wer ist's 1935, 300; Germania-TÜ 1989, 127, Nr. 1.707; Wilhelm 1989, 240-242; siehe demnächst auch meine Kurzbiogr. in den BWB. Vgl. in diesem Sinne etwa die Eidesstattliche Erklärung des ehemaligen LRs Dr. Karl Hagele für das Spnichkammerverfahren des seinerzeitigen Leiters der Mdl-Kommunalabtlg., Hermann Reihling, v. 26.9.1947 (STAL, EL 902/8, Az. 16/1/29.758).

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politische Schlüsselposition des Geschäftsteils (G.T.) I zu machen. Die Kompetenzen von Bolz Kanzleidirektor Kiefer wurden auf die von ihm bisher mitverwaltete Rechtsabteilung (G.T. II) beschränkt. Seine Stelle nahm am 10. April 1933 Oberregierungsrat Himmel ein, der Ende 1931 in die Kommunalabteilung abgeschoben worden war und sich wenig später insgeheim der NSDAP angedient hatte.59 Von der Position des Personalberichterstatters in der Kanzleidirektion, die Himmel über ein Jahrzehnt eingenommen hatte, wurde Bolz Parteifreund und Bundesbruder Kley in der vermeintlich "unpolitischen" Gesundheits- und Veterinärabteilung kaltgestellt. Doch unpolitisch war unter den Bedingungen der totalitären NS-Diktatur eben prinzipiell keine Abteilung; vom G.T. X etwa wurden bald schon die Zwangssterilisationen und "Euthanasie"-Mordaktionen koordiniert. Treibende Kräfte waren zwar der Abteilungsleiter, der "Alte Kämpfer" Ministerialrat Dr. med. Eugen Stähle (1890-1948), und sein Gehilfe Dr. Otto Mauthe,60 aber ihr Verwaltungsberichterstatter Kley und sein Kollege bei der Zentralleitung für das Stiftungs- und Anstaltswesen, Oberregierungsrat Karl Mailänder (1883-1960) aus dem Innenministerium, wußten über alle Unrechts"Maßnahmen" Bescheid, äußerten wohl gelegentlich auch Bedenken gegen die Durchführungsmodalitäten der systematischen Vernichtung "lebensunwerten Lebens", leisteten jedoch bis zum Ende persönlich verwaltungsjuristischen Flanken schütz.61 Die Polizeiabteilung (G.T. III) wurde zunächst weiter von Ministerialrat Anton Beutel (1868-1949) geleitet; nach seiner regulären Pensionierung rückte für ihn im Sommer 1933 mit Gottlob Haug (1886-1959) ausgerechnet ein Beamter nach, der sich dem Kollektivbeitritt Ende April nicht angeschlossen hatte.62 Allerdings war nach der NS-Machtübernahme alsbald die Politische Polizei aus dieser Abteilung

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Zu Himmels Abschiebung 1931 siehe Kap. I, mit Anm. 101; zu seiner seitherigen Entwicklung Kap. ΠΙ, mit Anm. 92. Die Haupt-PA Stähles, der bereits 1923 von der DNVP zur NSDAP gewechselt war, sind "verloren gegangen"; siehe aber seine Rest-PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.369); vgl. Führerlexikon 1934/35, 469. Er starb in Untersuchungshaft. Mauthe wurde später zu einer nicht erheblichen Haftstrafe verurteilt. Zum Wirken Stahles und Mauthes siehe etwa Pröllochs 1995, 30; Stöckle 1995, 104ff. Zur Rolle Mailänders siehe Kap. IH, mit Anm. 86. Zur direkten Beteiligung Kleys an den Visitationen jener Anstalten, die ihre Pfleglinge zur Vernichtung preisgeben sollten, siehe Die Ermordeten 1945, 90-93, hier 92; Steinert 1985, 131. Kley schilderte seine Rolle am 2.9.1947 als eine rein passiv-mäßigende, und im Mdl WB wurde daraufhin - aufgrund einer Äußerung des Mdl WH v. 4.10.1947 - am 29.1.1948 trotz ernstzunehmender Vorwürfe "von weiterem abgesehen" (HSTAS, EA 2/150, Bü. 899, Qu. 157-159). Zu den Medizinverbrechen in Württemberg siehe allgemein Sauer 1975, 146-155, 405-412; Steinert 1985, lOlff.; R. Müller 1988, 386-395; Rexer/Rüdenburg 1992, 119-156; Stöckle 1993 u. 1995; Faulstich 1995; Link 1995, 38-57. Der protestant. Sohn eines Müllers u. Bgm, Mitglied der Tübinger Virtembergia, trat zum 1.5.1937 der NSDAP bei; zu Haugs Werdegang siehe die PA (STAS, Wü 40, Bd. 2, Nr. 210; HSTAS, EA 2/150, Bü. 636); ferner Gottlob Haug 1960; Wilhelm 1989, 247f. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. PA des Katholiken Beutel, Mitglied der Tübinger CVVerbindung Guestfalia, habe ich nicht ermittelt; siehe aber die VA der Wittwe Helene (STAL, EL 20/5, Bü. 497), eine Bewerberliste v. 5.1.1910 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.164) u. den EA v. 21.6.1929 (ebd., Bü. 142); ferner CV 1931, 597 u. Wilhelm 1989, 236.

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herausgenommen und dem bisherigen Oberndorfer Amtsrichter Dr. Hermann Mattheiß samt dem Titel eines "Präsidenten" übertragen worden. Die Amtsführung dieses "Alten Kämpfers" enthüllte zusehends dessen pathologische Charakterzüge. Nicht etwa durch die von ihm geleiteten Deportationen in das Konzentrationslager auf dem Heuberg, sondern durch sein selbstherrliches Auftreten brachte der SAProtagonist sich sowohl im Innenministerium als auch bei der Gauleitung rasch derart in Mißkredit, daß er bereits Mitte Mai 1934 wieder beurlaubt wurde. Sechs Wochen später fiel er als einziger Württemberger der Mordaktion aus Anlaß des vorgeblichen "Röhm-Putsches" zum Opfer.63 An seiner Stelle übernahm mit seinem bisherigen Stellvertreter, Oberregierungsrat Dr. Walter Stahlecker (19001942), ein Schützling des Gauleiters, als Hauptberichterstatter im Innenministerium die Leitung der Staatspolizeistelle Stuttgart. Dieser NS-Aktivist der ersten Stunde war nach Herkunft und Werdegang ein durchaus typischer Vertreter der württembergischen Verwaltungselite - was ihn nicht daran hindern sollte, binnen weniger Jahre zu einem Haupttäter der NS-Vernichtungspolitik zu werden.64 Die Kommunalabteilung (G.T. IV), seit jeher das "Herz der Innenverwaltung",65 blieb ebenfalls in den bisherigen Händen. Unmittelbar vor seinem Tod Ende 1936 wurde Ministerialrat Max Pfleiderer (1877-1936) als Nachfolger des 1933 ebenfalls unbehelligten Gustav Knapp (1871-1934) zum Präsidenten der MABK befördert; für ihn rückte sein bisheriger Berichterstatter, Oberregierungsrat Hermann Reihling (1892-1949), nach - ebenfalls ganz typische Repräsentanten des traditionellen Beamtenkorps.66 Das galt auch für Ministerialrat Dr. Wilhelm 63

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Vgl. zum vorstehenden Wilhelm 1989, 93-101. Die PA des protestant. Hauptlehrersohnes Mattheiß habe ich nicht ermittelt; siehe aber die Mdl-EA v. 11.9.1933 u. (HSTAS, E 151/01, Bü. 143) u. 24.4.1934 (ebd., Bü. 133, Qu. 40; beide auch ebd., BS. 161); ferner die Kurzbiogr. von Wilhelm 1989, 257f.; vgl. Sauer 1975, 62f.; Schnabel 1986, 380, 384; R. Müller 1988, 110, 185, 278. Zur organisatorisch«! Entwicklung der Politischen Polizei in Württemberg siehe Wilhelm 1989 u. 1994. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Oberstudiendirektors, Mitglied der Tübinger Verbindung Lichtenstein, - nicht zu verwechseln mit dem ORegR in der Innen- und Wirtschaftsverwaltung Dr. Walter Stahlecker (geb. 1889) - siehe seine württ. Rest-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.678; E 130c, Bü. 112) sowie die Mdl-EA v. 4.5.1929 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.153) u. 26.9.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 133, Qu. 47); ferner die Kurzbiogr. in: Krausnick/Wilhelm 1981, 642; Wilhelm 1989, 274f. Zu Stahleckers Aktivitäten als SS-Führer in den besetzten und annektierten Ostgebieten siehe Kap. III, mit Anm. 154. Mdl WB (gez. Mdl Ulrich) an OMGUS Stuttgart, 16.1.1946 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 741, Qu. 143); vgl. mit gleichem Tenor bad. Mdl (gez. Dr. Bader) an StMin, 30.11.1936 (GLAK, 233, 23.972). PA des Oberlehrersohnes Pfleiderer, Mitglied der Tübinger Verbindung Palatia, habe ich nicht ermittelt; siehe aber den Mdl-EA v. 28.8.1927 (HSTAS, E 151/01, Bü. 120, Qu. 139); femer Baudisch 1989/90, 66 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. PA des tödlich verunglückten Kaufmannsohnes Knapp, bis zum Frühjahr 1932 MinR und Leiter des G.T. VII (Wohi fahrtswesen) im Mdl, sind nicht überliefert; siehe aber die VA seiner Witwe Elise (STAL, EL 20/5, Bü. 3.089); ferner Führerlexikon 1933/34, 239 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des Bauratsohnes und Stuttgardia-Mitglieds Reihling siehe seine Rest-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.317), den Mdl-EA v. 9.12.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 150 u. 1.164) u. seine SA-PA (BABZ); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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Hofacker (1871-1944), der die Abteilungen Verkehrswesen und Bergbau (G.T. V/VI) bereits vor der Revolution übernommen hatte und diesen Posten bis zu seiner regulären Zurruhesetzung im Herbst 1936 bekleidete.67 Der bisherige Landrat Gustav Drautz (1887-1957) hingegen war nur wenige Wochen vor der NS-Machtergreifung an die Spitze der Abteilung Arbeitsbeschaffung, Feuerpolizei und Verkehrswesen (G.T. VII) berufen worden. Diese gerade in den ersten Jahren der NS-Herrschaft politisch ungemein wichtige Position bekleidete der Bundesbruder des neuen Ministerialdirektors Dill bis kurz vor Kriegsende, obwohl er erst 1941 der NSDAP beitrat. Auf die fällige Beförderung zum Ministerialrat mußte der vergleichsweise liberale Beamte freilich bis 1943 warten, nachdem Reichsstatthalter Murr 1935 abgewinkt hatte.68 Die Abteilung Wohlfahrtswesen (G.T. IX) schließlich stand von 1932 bis 1945 unter der Leitung des deutschnationalen Wingolfiten Karl Eberhardt, der sich bis zum Ende der NS-Herrschaft ebenso von der NSDAP fernzuhalten wußte wie der Präsident der Gebäudebrandversicherungsanstalt, der Ministerialabteilung für das Hochbauwesen und der Wohnungsabteilung (G.T. VIII) Alfred Neuschier.69 Bei Neuschier fand im übrigen - wie gesagt - jener Beamte Unterschlupf, den Mattheiß im Sommer 1933 kurzerhand vor die Tür des Polizeipräsidiums gesetzt hatte. "Der Fall des Oberregierungsratfes] Rueff", bejubelte das Stuttgarter Parteiorgan als Sprachrohr der Rigoristen vom Schlage des Kreisleiters Maier diesen Coup, "wird hoffentlich nicht der einzige sein, der uns in der nächsten Zeit zu beschäftigen hat." 70 Diese Erwartung trog. Denn auch im Umfeld des Reichsstatthalters hatten sich mittlerweile - wie Maier ja selbst einräumen mußte - diejenigen Kräfte durchgesetzt, welche eine behutsamere Personalpolitik für opportun hielten. "Es sind inzwischen verschiedene Schreiben, insbesondere der Gauleitung der NSDAP, ergangen", konnte man im Innenministerium Ende Juni befriedigt notieren, "die sich aufs schärfste gegen jeglichen Eingriff von unzuständigen Stellen und Personen in die Personalfragen der inneren Verwaltung wenden."71 Insofern handelte es sich bei Mattheiß ' Aktion ebenso um ein Rückzugsgefecht wie bei dem Versuch des Stuttgarter Kreisleiters, mißliebige Beamte über die Verweigerung des Parteibuchs zu Fall zu bringen. Und auch die "Prüfimgsstelle" beim Staatsministerium, an deren Spitze ein Funktionär des NS-Gauamts für 67

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PA des Schreinersohns, Mitglied der Tübinger Sängerschaft Zollern, sind nicht Oberliefert; siehe aber den Mdl-EA v. 4.12.1918 (HSTAS, E 151/01, Bu. 135, Qu. 14) u. seine VA (STAL, EL 20/5, Nr. 2.546). Der protestant. Weingärtnersolm, 1917/18 Mitglied der Vaterlandspartei, gehörte den Burschenschaften Germania-Tübingen und Allemannia-Heidelberg an; zu seinem Werdegang siehe die PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 243); ferner Gennania-TÜ 1989, 130, Nr. 1.737 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des protestant. Bankbeamtensohnes Eberhardt, Mitglied des Tübinger Wingolf und DNVP-Sympathisant (1919-1927 Mitglied), siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 156; EA 7/150, Bü. 202); ferner meine KurzbiogT., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Neuschlers siehe Kap. ΠΙ, mit Anm. 37; vgl. oben, mit Anm. 34. NS-Kurier, Nr. 255,30.9.1933,5. Randverfügung v. 27.6.1933 auf einem nicht ausgefertigten ErlaB des StKom f. d. Bezirks- u. Körperschaftsverwaltung Dr. Battenberg v. 19.6.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 123, Qu. 19).

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Beamte stand, scheiterte mit ihren Entlassungs- und Versetzungsforderungen im Bereich des höheren Dienstes auf ganzer Linie. "Eine große Anzahl der Fälle habe ich nach Nachprüfung einfach liegenlassen", merkte Kanzleidirektor Himmel dazu später wahrheitsgemäß an, "bis sie sich später bei irgend einer Gelegenheit von selbst erledigt haben." 72 Bei aller Bereitschaft zur Kollaboration mit dem NSRegime - seine Standesgenossen ausgerechnet von einer politischen Kommission abschießen zu lassen, die fast ausnahmslos mit Nichtakademikern besetzt war, das kam für einen Beamten vom Schlage Himmels grundsätzlich nicht in Frage. So blieb denn der Bolz-Protegé Pliksburg bei der Gebäudebrandversicherungsanstalt der einzige höhere Beamte, der gemäß § 4 BBG als politisch untragbar entlassen wurde. 73 Unter den beanstandeten Beamten gab es nur einige Versetzungen ohne offensichtlichen Degradierungscharakter, vor allem im Bereich der Polizeidirektionen.74 Mattheiß quittierte dies mit wütendem Protest: "Ich kann [...] die ebenfalls wiederholt ausgesprochene Besorgnis nicht unterdrücken, als ob von bestimmter interessierter Seite meiner organisatorischen Aufbauarbeit mit einer versteckten passiven Resistenz entgegengearbeitet wird", beschwerte sich der Chef der Politischen Polizei unmittelbar vor seinem Hinauswurf des Oberregierungsrats Rueff. 75 So lasse nicht nur die sachliche und personelle Ausstattung seiner Dienststelle nach wie vor zu wünschen übrig; die Kanzleidirektion übe sich bei der Ausfertigung seiner Erlasse offenkundig in Obstruktion, und der Landrat Dr. Gerhardt sei gegen sein ausdrückliches Votum ins Ministerium geholt worden. Seine Forderung: "Radikale Abstellung aller dieser Mißstände". Himmel parierte diese Attacke in bewährter Bürokratenmanier: zunächst einmal tat er wochenlang nichts, und dann schrieb er einen Aktenvermerk. Sofern die allgemeinen Anschuldigungen nicht ohnehin "unberechtigt" seien, müßten eingehende Recherchen vorgenommen werden, stellte er darin fest. "Solche brächten aber eine unerwünschte, der Arbeit nicht förderliche Spannung zwischen den Beteiligten mit sich. Im Interesse des Dienstes wird deshalb nicht weiter hierauf eingegangen". Was den fraglichen Erlaß anbelange, sei Mattheiß offenbar entgangen, daß er einer Weiterbehandlung in G.T. I zugestimmt habe. Und der Landrat Gerhardt schließlich sei "durch Verfügung des Herrn Ministers" versetzt worden. (Himmel selbst hatte sie initiiert.) Ergo: "kein

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Himmel an Spruchkammer 1, Stuttgart, 14.6.1948 (STAL, EL 902/20, Az. 37/5/11.672), 8. Siehe die vom Mdl am 3.7.1934 vorgelegte "Übersicht über die auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 vorgenommenen Entlassungen" (HSTAS, E 151/01, BQ. 2.319). Danach wurden ferner 30 Polizeibeamte und drei Vermessungstechniker bzw. Baumeister des mittleren und gehobenen Dienstes entlassen. Siehe dazu Wilhelm 1989, 89-101, 105-115. Äußerung des Leiters der Württ. Politischen Polizei, 28.9.33 (HSTAS, E 151/01, Bü. 794; E 151/21, Bü. 247, Qu. 104; Hervorheb. von mir). Hitler warnte seine Reichsstatthalter am 1.11.1934: "Ernster sei die Tatsache, daB der Staat auch heute noch unter den Beamten zehntausende teils versteckter, teils lethargischer Gegner habe. [...] Ein Teil der Beamten sei nunmehr von der offenen Sabotage zur passiven Resistenz übergegangen. " (BÄK R 43 II, Nr. 311 ; abgedr. in: H. Mommsen 1966, 145f.).

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Anlaß, eine weitere Verfügung zu treffen. Antrag: Z.d.A."16 Ministerialdirektor Dill und Minister Schmid setzten ihre Paraphen darunter. Mattheiß war ein weiteres Mal ins Leere gelaufen.

Ein alter Kamerad kehrt zurück Die kollegiale Solidarität erstreckte sich nicht bloß auf die höhere Beamtenschaft der Innenverwaltung; auch Ehemalige waren darin im Bedarfsfall eingeschlossen. Emst Sindlinger (1883-1963) etwa. Der war bereits 1921 als Rechtsrat und Erster Bürgermeister in den Dienst seiner Heimatstadt Ulm übergetreten. Als Stellvertreter des DDP-Oberbürgermeisters Dr. Emil Schwamberger (1882-1955), ebenfalls aus der Innenverwaltung hervorgegangen,77 geriet er dort schon lange vor der NS-Machtergreifung in die Schußlinie der lokal vergleichsweise starken NSDAP. So mußte denn zwei Wochen nach seinem Chef auch Sindlinger zwangsweise das Feld räumen. Der SA-Staatskommissar und nachmalige NSOberbürgermeister Friedrich Förster, ein städtischer Baurat, suspendierte ihn am 6. April 1933 von seinem Amt. Sindlinger protestierte dagegen alsbald persönlich im Innenministerium. Nach heftigen Auseinandersetzungen entschied Jonathan Schmid, zu diesem Zeitpunkt noch Ministerialdirektor unter dem Staatspräsidenten und Innenminister Murr, daß die Beurlaubung ungeachtet der Rechtslage "aus politischen Gründen" aufrechterhalten werden müsse. Der Staatskommissar für die Bezirks- und Körperschaftsverwaltung wollte diesen Gesichtspunkt nicht gelten lassen, was seine Stellung bei der Gauleitung weiter schwächte. Kanzleidirektor Himmel lehnte sich nicht so weit aus dem Fenster wie der impulsive Landrat Battenberg; stattdessen fädelte er hinter den Kulissen eine Auffanglösung für Sindlinger ein. Zusammen mit einem in solchen Dingen besonders erfahrenen Kollegen, Oberregierungsrat Dr. Otto Bockshammer (1868-1957) bei der MABK,78 wurde der attackierte Bürgermeister überredet, ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu beantragen. Als Untersuchungsführer setzte die MABK als Aufsichtsbehörde 76

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Mdl-AV (gez. Himmel), 10.11.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 794; Hervorheb. von mir). Zur Vorbereitung der Versetzung Gerhardts siehe Himmels AV v. 26.5.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 247, Qu. 89). Der protestant. Sohn eines Weingutbesitzers war 1919 zum OBgm gewählt worden. Nach dem Krieg leitete er drei Jahre lang als MinDir die Kommunalabtlg. des Mdl WB, 1948/49 vertrat er die Demokratische Volkspartei im Wirtschaftsrat der Bizone; zum Werdegang siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.586); darin auch ein ausführlicher Nachruf der Schwab. DonauZtg. v. 25.7.1955 (Qu. 178). Der protestant. Arztsohn, Mitglied der Tübinger Stuttgardia und seit dem Frühjahr 1933 auch der NSDAP, gehörte im Nebenamt auch dem Allgemeinen Dienststrafhof in Stuttgart an; Ende Juli 1933 wurde er wegen Erreichens der vorgezogenen Altersgrenze pensioniert; zu seinem Werdegang siehe die PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 87); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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ausgerechnet jenen Regierungsrat Trabold ein, der unlängst den Beitritt zur NSDAP verweigert hatte und gegen den gerade ein BBG-Verfahren anlief. Der Zentrumsmann entkräftete im Eiltempo alle Vorwürfe der Ulmer NSDenunzianten, und bereits am 30. Juni 1933 konnte das Dienststrafverfahren programmgemäß eingestellt werden. Die Stadt Ulm ließ Sindlinger daraufhin gemäß § 6 BBG ("Vereinfachung der Verwaltung") vom Reichsstatthalter in den Ruhestand schicken - ein eklatanter Verstoß gegen die NS-Vorschriften, denn seine Stelle wurde umgehend wieder besetzt.79 Übrigens mit einem Bundesbruder: Regierungsrat Dr. Kurt Hengerer (19031942), welcher sich als Oberamtsverweser in Heilbronn während der ersten Machtergreifungswochen die volle Anerkennung des dortigen Kreisleiters Drauz erworben und gleichzeitig über seinen ehemaligen Kommandeur beim rechtsextremen Wiking-Bund und der Schwarzen Reichswehr, SA-Gruppenführer und Reichskommissar von Jagow karrierefördernde Kontakte zu SA-Sturmbannführer Förster in Ulm geknüpft hatte. Nachdem er eine Korruptionsaffáre nicht wunschgemäß unter den Teppich gekehrt hatte, wurde er im Frühjahr 1936 vom Ulmer Kreisleiter und Gauinspekteur Maier als "Lumpen, Fetzen und Verräter an der Bewegung" vor das Parteigericht gezerrt. Nun bewährte sich wieder einmal ein studentischer "Lebensbund": Mit Rückendeckung des Ministerialdirektors Dill, seines Bundesbruders von der Tübinger Burschenschaft Germania, und der MABK wehrte sich Hengerer gegen den amoklaufenden Kreisleiter. Dem gebot nach einiger Zeit Gauleiter Murr persönlich Einhalt. Drohte doch der ohnehin schlechte Ruf seiner ostwürttembergischen Parteigliederung durch den auch öffentlich geführten Schlagabtausch weiter ramponiert zu werden. Hengerer erhielt Genugtuung von seinem Kontrahenten, doch es war ein Phyrrussieg. Schon Mitte 1937 mußte er als Sozialreferent zu einer Stuttgarter Textilfirma abgehen.80 "In jeder Verwaltung ist eine gesunde Bürokratie notwendig und nicht zu vermeiden", rief ihm sein einstiger Mentor Förster hinterher. "Es ist aber auch notwendig, daß an der Spitze der Verwaltung Männer stehen, die sich über diese Bürokratie hinaus erheben und dafür sorgen, daß die Verwaltung niemals in Formen und Bestimmungen erstarrt, die letzten Endes mit der Verwaltungsführung und mit der Einstellung der Bevölkerung nicht mehr zu vereinbaren sind." Und 79

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"Bestätigung" Sindlingen v. 27.8.1947 für das Spruchkammerverfahren Himmels (STAL, EL 902/20, Az. 37/5/11.672); Wiedergutmachungsantrag Sindlingens v. 26.9.1951 (LRAUL, Personalregistratur, PA LR E. S.)· Die staatl. PA des protestant. Obeikontrolleursohnes, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Germania, habe ich nicht ermittelt; siehe aber die PA des früheren LRA Ulm, das er 1945-1953 leitete (a.a.O.), die PA der Stadt Ulm (STAUL, 006/20, Nr. 2) u. die Zeitungsausschnittsammlung des STAUL (G 2); ferner seine Kurzbiogr. v. 1947 (GLAK, RG 260 OMGWB 12/80-3/16, 1 of 1 [Rep.-Nr. 1.446]). Zur Person des Ulmer NS-OBgm Friedrich Förster siehe Schmidt 1995c. Zum Konflikt Maier-Hengerer siehe die Disziplinarakten der MABK (STAL, E 180 VI, Bü. 216); Zitat: Hengerer an MABK, 24.3.1936 (ebd., Qu. 1). Die staatl. PA des protestant. Bauratsohnes, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Germania, habe ich nicht ermittelt; siehe aber den Mdl-EA v. 4.5.1929 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.113), die Bewerberliste v. 2.2.1933 (ebd., Bü. 1.531, Qu. 13) u. die PA der Stadt Ulm (STAUL, Β 032/41/43, Nr. 159); ferner Germania-TÜ 1989, 148, Nr. 1.910. Zur Person Eugen Maiers siehe Schmidt 1995b.

Alte Kämpfer

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"heute im nationalsozialistischen Staat" sei das "Vertrauen der Partei" nun einmal "gleichbedeutend mit dem Vertrauen der gesamten Bevölkerung".81 Auf Hengerer folgte Regierungsrat Dr. August Kolb (1905-1940) am Oberamt Ulm, nachdem die geplante Berufung eines Alten Kämpfers ohne juristische Vorbildung vom Reichstatthalter abgelehnt worden war. Wahrscheinlich hatten auch die MABK und das Innenressort Bedenken angemeldet, denn der gutdotierte Ulmer Bürgermeisterposten gehörte traditonell zu dem knappen Reservoir an Aufstiegsstellen, über das die staatliche Innenverwaltung außerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs verfügte. Trotz seiner Aktivitäten in Partei und SS wurde der frühere Mitarbeiter des Polizeidirektors Dreher von Teilen der Ulmer NSNomenklatura als verkappter "Gegner" der Bewegung beargwöhnt, und der NSOberbürgermeister machte dem ihm aufoktroyierten Juristen alsbald klar, daß er fortan ein neues Verhältnis zu geregelten Verwaltungsabläufen gewinnen müsse: "eine präzise Abgrenzung von Arbeitsgebieten" werde "schlechterdings nicht möglich sein". 82 Zurück in das Jahr 1933. Offensichtlich war vor Sindlingers Zurruhesetzung ein personelles Tauschgeschäft zwischen Stuttgart und Ulm vereinbart worden. Denn kaum hatte Murr die Verfügung unterzeichnet, wurde die Stadt auch schon wieder von den Pensionslasten befreit. Kurz vor dem Weihnachtsfest fand Sindlinger in der Innenverwaltung als stellvertretender Vorsitzender der Pensionskasse für Körperschaftsbeamte eine neue Verwendung. Allerdings nicht mehr auf der Besoldungsstufe eines Ministerialrats wie bisher und an durchaus abseitiger Stelle. Doch immerhin hatten ihm die Kollegen, gedeckt durch seinen Bundesbruder Ministerialdirektor Dill, aus einer prekären Situation den Weg in eine berufliche Nische gebahnt, wo er die Jahre bis 1945 unangefochten überwintern konnte, ohne einer einzigen NS-Organisation beizutreten.

Alte Kämpfer Solche kollegialen Rettungsaktionen hatte Staatssekretär Waldmann im Visier, als er Himmel und den anderen Personalberichterstattern der Staatsverwaltung ins Stammbuch schrieb: "Wenn wir aber von der Partei aus bestrebt sind, alles fernzuhalten, was irgendwie nach Vetterleswirtschaft, in diesem Fall nach Parteiwirtschaft aussieht, dann müssen wir auf der anderen Seite verlangen, daß 81

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Auszug aus der Niederschrift über die Beratungen des OBgm mit den Ratsherren am 17. Januar 1938: Amtseinführung des Bgm Dr. Kolb (STAUL, Β 032/41/42, Nr. 211, Qu. 17). Erstes Zitat: Sehr. Enderle ν. 4.1.1927 (unten, Anm. 115). Zweites Zitat: Niederschrift v. 17.1.1938 (oen, Anm. 81). Die staatl. PA des Oberlehrersohnes Kolb, Mitglied der Tübinger KV-Verbindung Alemannia, habe ich nicht ermittelt; siehe aber den Mdl-EA v. 24.1.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.227), die Bewerberliste v. 23.1.1934 (ebd.), das Doss. des StS Waldmann (HSTAS, E 140, Bü. 119) u. die PA der Stadt Ulm (STAUL, Β 032/41/43, Nr. 211); femer Schmidt 1995a.

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die Beamtenschaft nicht nach persönlicher Bekanntschaft, Logenart, Bundesbrüderschaft u.a. handelt. Der Staat ist keine Versorgungsanstalt."83 Angesichts der frühzeitigen personalpolitischen Weichenstellungen in Richtung Kontinuität mußte letzteres ein frommer Wunsch bleiben. Im übrigen stimmte schon die Voraussetzung nicht. Denn die NSDAP pflegte nun wirklich - ganz offiziell - eine exzessive Versorgungspa.tiona.ge, kaum daß sie an die Macht gelangt war.84 Und in Sachen Herrschaftspatronage gab Waldmann selbst unmißverständliche Direktiven aus: "Der Herr Reichsstatthalter (verlangt), daß bei der Anstellung und Beförderung von Beamten auf entscheidende Stellen neben der beruflichen Eignung abgehoben wird auf die politische Zuverlässigkeit und den Charakter. Ja, es wird in manchen Fällen so sein, daß die politische Zuverlässigkeit und der Charakter den Ausschlag geben werden."85 Die Last der NS-Postenschiebereien hatten vor allem die (größeren) Kommunen zu tragen, doch auch die staatliche Verwaltung einschließlich des Innenressorts blieb davon nicht völlig verschont. Zu den Nutznießern der NS-Machtergreifung gehörte hier zum einen jene Handvoll höherer Beamter, welche schon vor 1933 den Weg zur HitlerBewegung gefunden hatten; zum anderen profitierten einige frühe NS-Protagonisten von der "Nationalen Revolution". Aus der erstgenannten Gruppe ragte Gustav Himmel hervor. Als Minister Bolz Anfang der dreißiger Jahre ein Personalrevirement auf der Leitungsebene seines Hauses vorbereitete, hatte ihm der langjährige Personalreferent in der Kanzleidirektion dabei im Wege gestanden. Der Zentrumspolitiker stellte Himmel deshalb vor die Alternative, entweder für einige Zeit ein Oberamt zu übernehmen oder seine weiteren Karriereambitionen zu begraben. Der weigerte sich, obwohl er wußte, daß nur ehemalige Amtsvorstände als Ministerialräte in Frage kamen.86 Er 83

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NS-Kurier, 10.6.1933 (oben, Anm. 29; Hervorheb. von mir). Bezeichnenderweise wurde 1933/34 in sämtlichen Mdl-EA ausdrücklich die Verbindung des jeweiligen Beamten angegeben; siehe für vieles den Sammelantrag für die Besetzung von neun LR-Stellen v. 16.9.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 176; STAS, Wü 40, Bd. 2, Nr. 12, Qu. 121) Am 11.7.1933 übermittelte der StS in der Reichkanzlei den Reichs- und Landesbehörden per RunderlaB ein Sehr, gleichen Datums, in dem er dem StdF im Auftrag Hitlers Vorschläge zur bevorzugten Einstellung "Alter Kämpfer" der NSDAP unterbreitete (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.302, Qu. 10). GauL u. RStH Murr teilte dem württ. StMin daraufhin unter dem 21.7.1933 mit, er "wünsche", "daß alte Parteigenossen, sofern sie gleiche Leistung aufcuweisen haben, vorzugsweise, d.h. um einige Jahre früher angestellt oder befördert werden" (ebd., Qu. 13; Hervorheb. von mir). Knapp zwei Jahre später hielt es der Stuttgarter KreisL für erforderlich, die Personalreferenten der Staats- und Kommunalbehörden nochmals daran zu erinnern; siehe den Mdl-AV (gez. Himmel) v. 31.5.1935 über eine "Besprechung bei der Kreisleitung der NSDAP, in Stuttgart am 3. April 1935" (ebd., Qu. 57). Der Vertreter der Landeshauptstadt bezifferte bei dieser Gelegenheit die Zahl der in Stuttgart untergebrachten Alt-Pg.s auf etwa 600 bis 700 (bei gut 8.000 städtischen Bediensteten). Darunter befanden sich allerdings hier wie anderswo kaum höhere Beamte; vgl. R. Müller 1988, 59-61; Sauer 1975, 78f.; ferner allgemein Caplan 1988, 169-174; Longerich 1992, 58-64. NS-Kurier, 10.6.1933 (oben, Anm. 29; Hervorheb. von mir). Zum Personalrevirement im G.T. I und zu den Personalien der Beteiligten siehe Kap. I, mit Anm. 67 u. 102. Der "Grundsatz, wonach in der Regel kein Beamter Ministerialrat im Innenministerium werden soll, der nicht Oberamtsvorstand gewesen ist", galt bis 1933 praktisch als sakrosant; siehe Mdl-AV (gez. Kiefer) v. 9.3.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 712,

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wurde daraufhin im November 1931 in die Kommunalabteilung ausgebootet. Derart ins Abseits gedrängt ging Himmel auf die Suche nach Verbündeten. Er fand sie bei den Nationalsozialisten. Seit dem Frühjahr 1932 versorgte er insgeheim die NSDAP-Landtagsfraküon mit Insiderwissen aus dem Innenressort, und Ende des Jahres trat er in die Partei ein. Dieser Schritt sollte sich binnen weniger Monate auszahlen. Am 17. März 1933 übernahm Himmel die Geschäfte der Kanzleidirektion, vier Wochen später hielt er die ersehnte Ernennung zum Ministerialrat in den Händen. Zu dem Kreis von Informanten, den der Abgeordnete Waldmann um sich gesammelt hatte, gehörte ferner - neben Regierungsrat Wider im Staatsministerium87 - der Herrenberger Landrat Dr. Ludwig Battenberg (1890-1964). 1924 bis 1928 aktives DNVP-Mitglied, hatte sich der Pfarrersohn aus Hessen Anfang der dreißiger Jahre als "innerlich hundertprozentiger Nationalsozialist" mit einer anonymen Broschüre an das deutsche Bildungsbürgertum gewandt, um dort Unterstützung für die NSDAP als einzig konsequenter Verfechterin des Antiparlamentarismus, Antisemitismus, Antibolschewismus und der deutschen Volksgemeinschaft zu mobilisieren.88 Im August 1932 war er der Partei auch formell beigetreten. Kaum hatte Hitler die Wilhelmstraße bezogen, machte sich Battenberg in denunziatorischer Manier an den neuen Reichsinnenminister Frick heran: Die württembergische Landesregierung habe Anweisung gegeben, einen Aufruf aus Berlin nicht in den Schulen zu plakatieren; er selbst habe sofort Gauleiter Murr alarmiert und den Aufruf in seinem Amtsbezirk eifrigst verbreiten lassen, in "Bezirken mit zentrümlichen Landräten" sei aber für nichts zu garantieren; im Landtag habe der "ehemalige württ. Kultus- und spätere Innenminister, Jude 'Bertold' (lies: Baruch) Heymann als SPD-Abgeordneter" gegen die Reichsregierung agitiert; Berlin werde nach der Reichstagswahl "wohl oder übel nach dem preußischen A auch in einigen (oder allen?) süddeutschen Staaten Β sagen müssen", schon wegen der "Knüppel [...], die uns da von Zentrumsseite zwischen die Beine geworfen werden", und überhaupt, der sonst drohende "Prestigeverlust" ... - kurzum, ein ebenso verworrenes wie trauriges Dokument der Illoyalität, nicht nur gegenüber seinem Dienstherrn, sondern auch gegenüber seinen Berufskollegen.89

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Qu. 42); vgl. etwa ORegR Dr. Alfred Wanner an Mdl, Kanzleidirektion, 14.2.1933 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.829, Qu. 108). Noch 29.3.1962 würdigte das Mdl den pensionierten MinDir Dr. Fetzer: 'Sein beruflicher Werdegang über das Amt des Landrats zum leitenden Ministerialbeamten entsprach bester Tradition." (ebd., Bü. 342, Qu. 379; Hervorheb. von mir). Siehe dazu Kap. III, mit Anm. 93. Battenberg 1933, Vorwort zur 1. Aufl. (1.9.1931), 3. Von den staatl. Haupt-PA Battenbergs habe ich nur einen fotokopierten Auszug ermittelt (STAL, EL 730, Bü. 74); siehe ferner die Mdl-EA v. 21.7.1931 u. 4.4.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.351), den Lebenslauf v. 1936/37 (LASP, Η 91, Nr. 11.607), die PA der LVA Speyer (Personalregistratur) sowie Degener's Wer ist's? 1935, 66. LR Battenberg, Herrenberg an RIM Frick, 14.2.1933 (BAP, 15.01, Nr. 25.734, Bl. 37/38). Battenberg war Mitglied der Tübinger Stuttgardia, als deren "Corpsfuhrer" er 1933/34 amtierte, um dann im Oktober 1934 abrupt auszutreten; siehe dazu Stuttgardia 1994, 145-152, 157-159, 303. Fazit: Battenberg sei "kein Ruhmesblatt" für die Verbindung gewesen (157);

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Battenberg war für derlei konfuse Räsonnements seit langem bekannt und berüchtigt. "Bezüglich des Regierungsrats Dr. Battenberg ist die Ministerialabteilung der Auffassung, daß wegen seines Temperaments der Posten eines Oberamtsvorstands in manchen Lagen doch noch Gefahren fir ihn und fir die Verwaltung in sich bergen dürfte", hatte Kanzleidirektor Reinhold Scholl im Oktober 1928 zu Protokoll gegeben. "Vorerst hält ihn die Abteilung zur Versehung einer Oberamtsvorstandstelle nicht für geeignet. Ich möchte glauben, daß Regierungsrat Dr. Battenberg sich dauernd mehr fir den Innendienst als für den Außendienst eignen dürfte." 90 Diese Bedenken wurden 1931 zurückgestellt, doch Battenbergs Ruf besserte sich auch als Amtsvorstand nicht. Als etwa der Landrat Bothner Ende 1934 erfuhr, daß er als Stellvertreter Battenbergs zur LVA Stuttgart kommen solle, verwahrte er sich dagegen mit allen Anzeichen des Entsetzens: "Obwohl ich mit Präsident Dr. Battenberg seit vielen Jahren als Bundesbruder persönlich befreundet bin, sehe ich bestimmt voraus, das sich unliebsame Auseinandersetzungen mit ihm in dienstlichen Angelegenheiten nicht werden vermeiden lassen."'i Als Staatspräsident Murr Mitte März 1933 auch die Leitung des Innenministeriums übernahm, müssen der Gauleiter und sein engeres Umfeld gewußt haben, welch "eigenartige Persönlichkeit"92 da bei ihnen antichambrierte. Doch ihre Personaldecke war nun einmal noch dünner als anderwärts, und so durfte sich Battenberg seit dem 29. März 1933 als Staatskommissar für die Bezirks- und Körperschaftsverwaltung um die personelle "Gleichschaltung" der Kommunen kümmern.93 Unberechenbar, wie er war, gerierte sich Battenberg dort nun als Schutzpatron der bedrängten Beamten und Bürgermeister.94 Ob es der Fall Sindlinger war oder die Summe der Negativeindrücke - jedenfalls wurde ihm von Staatssekretär Waldmann vorgehalten, er lasse es an dem notwendigen Einsatz vor Ort mangeln,95 und bereits am 19. Juni ging er seines Amtes verlustig.96 Dessen Kompetenzen fielen an die Kanzleidirektion, wo mit Dr. Karl Starz (1897-1970) ein hochqualifizierter, bei der Gauleitung bestens angeschriebener Neu-Landrat bis Ende des Jahres die Geschäfte des Staatssekretariats abwickelte.97

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mit Blick auf "das Schillernde seiner Persönlichkeit" habe man 1949 seinen Wiederaufhahmeantrag verworfen (303). Zur Rolle Battenbergs als Vorsitzender der Vereinigung der Alt-Herren-Vereine Tübinger Korporationen siehe verschiedene Sehr. u. Protokolle v. August/September 1933 (HSTAS, 1/35, Bü. 75). Mdl-EA (Konzept) v. Oktober 1928 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.392, Qu. 89). LR Albert Bothner, Künzelsau an Mdl, MinDir Dill, 2.11.1934 (STAS, Wü 42, Bd. 60, Bü. 11).

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Stuttgardia-TÜ 1994, 157. Zur Errichtung und Organisation des Staatskommissariats siehe Seeger 1940, 77-79. Vgl. Schnabel 1986, 190-195, 200. Schnabel 1986, 329. Am 16.6.1933 wurde Battalberg für die Dauer einer Erkrankung Dills (20.-27.6.1933) zum Stellvertreter des MinDir ernannt - mangels anderer Verwendung. Aus einer entsprechenden Zeitungsnotiz schließt Schnabel (1986, 665, Anm 55), Battenbergs "Eintreten für die Bürgermeister" habe "seiner Karriere offensichtlich nicht geschadet". Das ist ein Irrtum. Zur Person siehe Kap. III, mit Anm. 113.

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"Der Reichsstatthalter weiß [...] sehr wohl, daß in der Vergangenheit einzelne Beamte zur NSDAP, nur deshalb übergetreten sind, weil sie sich in der Beförderung übergangen fühlten," hatte Staatssekretär Waldmann wenige Tage vor diesem Eklat verkündet. "Er weiß, daß vielfach auch Beamte, die aus Grundsatz oppositionell eingestellt sind, nur als Stänkerer zur NSDAP, kamen. [...] Ich kenne einen Teil dieser Leute bisher schon persönlich aus meiner eigenen Tätigkeit."98 Das war zweifelsohne nicht zuletzt auf Battenberg gemünzt. Und nun, da die höhere Beamtenschaft auf breiter Front übergelaufen war, brauchten sich die neuen Machthaber nicht länger mit derart schillernden Persönlichkeiten zu kompromittieren. Battenbergs Aspirationen auf den Sessel des Ministerialdirektors hatte Minister Schmid schon im Mai 1933 ein harsches Nein entgegengesetzt." Im August wurde er "nach oben" auf den Präsidentensessel der LVA Württemberg abgeschoben.100 Dort stieß der überhebliche Narziß umgehend mit dem zweiten "Alten Kämpfer" im höheren Dienst der Innenverwaltung, Oberregierungsrat Richard Frank (18921952), massiv zusammen. Frank hatte von 1928 bis 1930 der DVP angehört und war dann zur NSDAP übergewechselt. Daraus hatte er, im Gegensatz zu Battenberg, am Oberamt Ludwigsburg kein Geheimnis gemacht. Daraufhin wurde Frank bei anstehenden Beförderungen übergangen. Zwar gelang es den lokalen Parteigliederungen nicht, ihn im Frühjahr 1933 als neuen Landrat gegen den hinhaltenden Widerstand der Kanzleidirektion durchzusetzen, doch im August wurde er immerhin zum Stellvertreter des LVA-Vorsitzenden befördert - auf Weisung des Reichsstatthalters, unter Mißachtung der Laufbahn- und Stellenbesetzungsvorschriften. Der bisherige Stelleninhaber Richard Jori (geb. 1889) - Zentrumsmitglied, Alter Herr der Tübinger KV-Verbindung Alamannia, Nicht-Pg. - wurde degradiert und zur Ministerialabteilung für das Hochbauwesen des Präsidenten Neuschier abgeschoben.101 Frank hingegen erfuhr bereits 1935 eine weitere Beförderung, und 1937 brachte ihn die Gauleitung als Oberverwaltungsgerichtsrat (im Range eines Ministerialrats) beim Preußischen Oberverwaltungsgericht in Berlin unter, wo er 1941 trotz erwiesener Unfähigkeit zum Reichsrichter am Reichsverwaltungsgericht reüssierte. 1944 holte ihn die Partei als Landratsamtsverweser in Künzelsau und Öhringen nach Württemberg zurück - auf Kosten des altgedienten Landrats Arthur Fiederer, eines ehemaligen Zentrumsmannes, der nun für seine jahrelangen Querelen mit den NSDAP-Kreisleitern in Laupheim, Blaubeuren und

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NS-Kurier, 10.6.1933 (oben, Anm. 29). MinDir a.D. Dr. Dill an MinDir Dr. Fetzer, Mdl BW, 7.1.1952 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 229). Unter den Verwaltungsbeamten galt die LVA wie die gesamte Sozialverwaltung als ein karriereunzuträgliches "Nebengeleise"; siehe Dr. Karl Zeller an Mdl WH, 26.2.1950. Der Präsidententitel und die Besoldung liefien dies allerdings verschmerzen. Zum Werdegang des Eisenbahninspektorensohnes und Präs. des Landessozialgerichts BW siehe seine Rest-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 802) u. den Mdl-EA v. 10.1.1928 (HSTAS, E 151/01, Bü. 415).

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Öhringen büßen mußte.102 Der Alte Kämpfer Frank allerdings erreichte sein ursprüngliches Ziel, die Ernennung zum Landrat, bis zum "Zusammenbruch" 1945 nicht mehr.103 Frank wollte Battenbergs Stuhl, und auch andere "Alte Kämpfer" reflektierten auf den gutdotierten Präsidentenposten. Der Attackierte beklagte diese Rankünen wortreich und nicht völlig zu Unrecht. Andererseits bot seine Amtsführung jede Menge Angriffspunkte. Der Vorhalt, als nunmehriger Corpsführer der Tübinger Stuttgardia orientiere er sich bei der Auswahl seiner leitenden Mitarbeiter zuvörderst an deren Verbindungszugehörigkeit, wog dabei noch am leichtesten. Gravierender war die extensive Inanspruchnahme von Einrichtungen der LVA für allerlei persönliche und familiäre Zwecke. Auch sein Bundesbruder Dr. Eduard Roller (1891-1983), der als Stellvertreter des Chefs der Politischen Polizei Mattheiß nach dessen Fall ins Wirtschaftsministerium abgeschoben worden war, mochte und konnte darüber als Untersuchungsführer nicht hinweggehen.104 Über das Stuttgarter Oberversicherungsamt, eine traditionelle Abschiebestation für unfähige und mißliebige Beamte, kam Battenberg im Sommer 1936 gar nicht "ehrenvoll"105 zur LVA in Speyer. Dort bot seine - gelinde gesagt - eigenwillige Amtsführung dem pfälzischen Gauleiter Bürckel die willkommene Gelegenheit, den selbstherrlichen "Alten Kämpfer" aus der Staatspartei zu werfen und ihn dienstlich endgültig kaltzustellen. Anstelle Battenbergs stieg Dr. Gottlob Dill zum Stellvertreter des Innenministers auf. Warum die Wahl gerade auf ihn fiel, muß offen bleiben. Möglicherweise haben persönliche Sympathien Schmids eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Wie Dill war der Ressortchef Träger der Württ. Goldenen Militärverdienstmedaille sowie der ΕΚ I und II. Daß Schmid nicht bloß besondere Sympathien für höchstdekorierte Weltkriegsoffiziere hegte, sondern daraus auch praktische Konsequenzen zog, belegt auch der Fall des Schorndorfer Landrats Otto Barth (1881-1947). Mit dem war der Innenminister seit gemeinsamen Frontzeiten eng befreundet. Diese Verbindung wurde durch ihr späteres Engagement im Offiziersverein und im Deutschen Reichskriegerbund "Kyffhäuser" vertieft. 106 102

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Fiederer hatte sich zwar 1937 zum NSDAP-Beitritt entschlossen, wehrte sich jedoch immer wieder gegen Verhaltenszumutungen und überzogene Forderungen der örtlichen NSRepräsentanten; siehe dazu u. zum Werdegang des Sohnes eines kathol. Privatiers, Mitglied der Tübinger KV-Verbindung Alemannia und 1930-1933 auch der Zentrumspartei, seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 192) u. den Mdl-EA v. 29.8.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.143 u. Bü. 1.392, Qu. 96); siehe ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des protestant. Bahnhofsaufsehersohnes, Mitglied der Tübinger Turnerschaft Hohenstaufia, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 377); femer Petermann 1979, 227, Nr. 277; ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des protestant. Kanzleiratsohnes siehe seine PA (RHBW, Personalregistratur); ferner Grab 1987, 149. Personalnachrichten: Ehrenvolle Berufung (NSGSW, 4/1936, Nr. 12, 221). Siehe dazu die Aussagen der Sekretärin und der Ehefrau Barths in der Spruchkammerverhandlung v. 25.5.1948 (STAL, EL 902/22, Αζ. 45/86/6.715, Bl. 58-60). Zum Werdegang des protestant. Oberlehrersohnes, Mitglied der Tübinger Turnerschaft Hohenstaufia, siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 38); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur

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Kaum war Schmid zum Minister aufgestiegen, ließ er den Alten Kameraden Barth zum Landrat in dessen Heimatstadt Ulm - einem der sechs wichtigsten Oberämter107 - befördern und vertraute ihm die (politische) Überwachung seiner Landratskollegen im Oberland an. Stellvertretender Landesvorsitzender des Kyffhäuser-Bundes war übrigens Landgerichtsrat Dill. Es drängt sich der Eindruck auf, daß hier eine Seilschaft traditionellen Musters im Windschatten der NSMachtergreifung strategische Stellen der Innenverwaltung besetzte. Immerhin rückten 1933 noch zwei weitere Träger höchster Weltkriegsauszeichnungen in Schlüsselpositionen auf: der Oberndorfer Landrat Reihling (Goldene Militärverdienstmedaille und EK I/II) als designierter Leiter der wichtigen Kommunalabteilung und sein Öhringer Kollege Eduard Zimmer (1888-1972; Ritterkreuz des Württ. Militärverdienstordens und EK I/II) als Leiter der Präsidialabteilung (I) und Stellvertreter des Präsidenten im Polizeipräsidium Stuttgart.108 Das parteipolitische Profil Dills bleibt demgegenüber verschwommen. Zwar bestätigte ihm Staatssekretär Waldmann im Nachhinein, er und seine Familie hätten seit 1930 Sympathien für die NSDAP erkennen lassen, und im Frühjahr 1932 sei Dill zu dem von ihm koordinierten Informantenkreis gestoßen. Tatsächlich existierte aber nur eine Beitrittserklärung vom Frühjahr 1933 mit der peinlich hohen Mitgliedsnummer 3.226.470. Und trotz wiederholter Interventionen auf höchster Ebene gelang es erst nach jahrelangen Querelen, die ein bezeichnendes Licht nicht nur auf den Charakter des Dr. Dill, sondern auch die skurrilen Auswüchse des NS-Nomenklatur-Systems werfen, die Mitgliedsnummer des Spitzenbeamten unter die magische Millionengrenze zu drücken.109 Dill war eher ein "Seiteneinsteiger" als ein "Parteibuchbeamter" im landläufigen Sinne des Wortes. Als promovierter Landgerichtsrat und Mitglied der Tübinger Burschenschaft Germania konnte der protestantische Kaufmannssohn immerhin wesentliche Attribute eines Mitglieds der württembergischen Verwaltungselite vorweisen. Gleichwohl blieben in der Innenverwaltung latente Vorbehalte gegen den vom NS-Minister lancierten "Außenseiter" bestehen, wiewohl er äußerlich als "kleineres Übel" akzeptiert wurde. Jahre nach dem Krieg brachte der ehemalige Landrat und spätere Präsident der MABK Dr. Gerhardt die ganze Reserve des altgedienten Verwaltungskorps nachträglich zum Ausdruck: "Zu der Ernennung zum Ministerialrat kamen durchweg nur Beamte in Betracht,

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Organisationsgeschichte des Kyffhäuser-Bundes siehe Lexikon zur Parteiengeschichte IQ 1985, 325-344. Neben Ulm waren dies: Esslingen, Göppingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Reutlingen; siehe Verzeichnis der Beamten, über die beim MdL Besoldungsunterlagen geführt werden, Abtlg. A I, Besoldungsgruppe 2, Nr. 9 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.532). Zur Person Reihlings siehe oben, mit Anm. 66. Zum Werdegang Zimmers, protestant. Sohn eines Gymnasialprofessors, Mitglied der Tübinger Königsgesellschaft Roigel, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.939); ferner Wilhelm 1989, 278f. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Siehe dazu die Korrespondenz in Waldmanns Personaldoss. (HSTAS, E 140, Bü. 85); danach Sauer 1975, 74f.

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die sich in langjähriger Dienstzeit hervorragend bewährt und die Laufbahn des höheren Dienstes im Außendienst, vor allem bei den Oberämtern (Landratsämtern) und im Innenministerium durchlaufen hatten. Schon daraus läßt sich erkennen, daß Ihre unmittelbare Ernennung vom Landgerichtsrat zum Ministerialrat nach nur wenigen Wochen etwas Ungewöhnliches war. Die Ernennung war [...] auf Ihre enge Verbindung mit den damals zur Macht gelangten maßgeblichen Persönlichkeiten des Nationalsozialismus zurückzuführen. Sie galten bei dem damaligen Minister als zuverlässiger Nationalsozialist." Gerhardts verächtliches Fazit: "Entscheidend war [...] die Tatsache, daß Sie damals wegen ihrer nationalsozialistischen Einstellung als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden, im Gegensatz zu den Beamten der Innenverwaltung, die jahrelang in dieser Tätigkeit gewesen waren und aus sachlichen und fachlichen Gründen ebenso zu einer solchen Ernennung berufen gewesen wären."110 Im Gegensatz zu Dill handelte es sich beim Aufstieg des Neckarsulmer NSDAP-Kreisleiters und Landtagsabgeordneten Otto Speidel (1895-1957) um eine lupenreine "Parteibuch-Karriere". Der Oberamtsgeometer wurde 1934/35 auf massives Drängen des Gauleiters und Reichsstatthalters Murr und des "Alten Kämpfers" Bauder an der Spitze des Technischen Landesamts unter Mißachtung sämtlicher Laufbahnvorschriften zum Oberregierungsrat befördert. Mit unverhohlenem Mißbehagen gab Innenminister Schmid dem Druck seiner Partei vor allem auch deshalb nach, weil diese Planstelle von vornherein nur als Sprungbrett ins Reichsinnenministerium vorgesehen war. Dort brachte es der enge Freund des Staatssekretärs Waldmann bis zum Ministerialdirigenten und Personalreferenten für den nichtjuristischen höheren Dienst.111 In ganz anderem Stil, aber nicht minder erfolgreich schlug Wilhelm Dreher (1892-1969) Kapital aus seinem Nimbus als "Alter Kämpfer".112 Der gelernte Schlosser und spätere Berufssoldat hatte nach dem Krieg bei der Eisenbahnbetriebsstätte Ulm gearbeitet. Dort schloß er sich 1918 der SPD an und leitete 1918 bis 1920 die Ortsgruppe des freigewerkschaftlichen Deutschen EisenbahnerVerbandes. Nach dem Ende der Inflationskrise wurde er Opfer der Personalabbauaktion, ließ sich daraufhin zum Lokomotivführer ausbilden, fand jedoch anschließend keine Anstellung. In dieser Zeit wechselte er die Fronten.113 Im August 1925 erwarb Dreher den Mitgliedsausweis Nr. 12.905 der wiedergegründeten NSDAP, im folgenden Jahr übernahm er den Vorsitz der 110

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Mdl BW an Dill, 19.12.1952 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 299, Qu. 29). Das Konzept des von Minister Ulrich gez. Sehr, hatte Gerhardt formuliert. Siehe dazu die Korrespondenz vom April bis Juni 1935 (HSTAS, E 151/01, Bü. 133). Zum Werdegang Speidels siehe seine württ. Rest-PA (HSTAS, E 383a, Bü. 486). Zwischen den Familien der drei NSDAP-Landtagsabgeordneten und mittleren Beamten Speidel, Stümpfig und Waldmann bestanden enge private Beziehungen; siehe etwa Waldmanns Sehr, aus dem gemeinsamen Urlaub an Stümpfig v. 10.8.1937 (HSTAS, E 140, Bü. 1). Zum Werdegang des kathol. Sohnes einer protestant. Mutter und eines unbekannten Vaters siehe seine PA (STAS, Wü 42, Bd. 60, Bü. 17); ferner Degeners Wer ist ist's? 1935, 319f.; Stockhorst 1967, 112; Mühlebach 1977, 13; Wilhelm 1989, 301-303; Grüneberg 1983; Ohm 1987; Schmidt 1995d; demnächst auch die Kurzbiogr. von Frank Raberg in BWB II. Damit stand er während der Krisenjahre 1922-1924 nicht allein; vgl. Ruck 1988, 74-78.

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Ulmer Ortsgruppe. Bald darauf in den Stadtrat gewählt, zog Reichsredner Dreher Mitte 1928 auch in den Reichstag ein. Im Frühjahr 1933 bewährte sich der Träger des Goldenen Parteiabzeichens als Motor der rabiaten Vertreibung des Bürgermeister-Gespanns Schwamberger-Sindlinger. Er selbst schwang sich unmittelbar nach der NS-Machtergreifung in der Landeshauptstadt zum NS-Sonderkommissar für den Bezirk der Polizeidirektion Ulm auf. Als solcher setzte er dem langjährigen Polizeidirektor Emil Schmid (1873-1938) derart zu, daß der Nicht-Pg. zusammen mit dem von Dreher ebenfalls traktierten Waldseer Landrat Dr. Gerhardt - bereits nach wenigen Wochen zur MABK versetzt werden mußte.114 Dreher übernahm seinen Posten im Juni 1933 zunächst kommissarisch, Anfang 1935 wurde er planmäßig ernannt. In Ulm machte daraufhin das Wort die Runde, "nun (habe) das Parteibuchbeamtentum erst recht Platz gegriffen".115 Der für seine rustikalen Umgangsformen berüchtigte Prototyp des NS-"Goldfasans" ließ sich davon ebensowenig anfechten wie von der wachsenden Kritik seiner frühen Mitstreiter. Über die Jahre hinweg geriet Dreher immer häufiger mit Oberbürgermeister Förster und der NSDAP-Kreisleitung aneinander.116 Anfang 1942 gelang es seinen parteiinternen Widersachern, sich des selbstherrlichen Provinzpotentaten zu entledigen. Der prominente Alte Kämpfer wurde als preußischer Regierungspräsident nach Hohenzollern abgeschoben. Die preußische Exklave war bereits vor 1933 als Abschiebeposition genutzt worden. Etwa für den Ministerialdirektor im preußischen Innenministerium, Dr. Heinrich Brand (1887-1971) - ein Zentrumsmann, der Ende 1931 "in die Wüste" geschickt und ein gutes Jahr später von Göring "als erstes und prominentestes Opfer der nationalsozialistischen Personalpolitik in Hohenzollern" zwangspensioniert wurde.117 Dies blieb übrigens 1933 die einzige nennenswerte Veränderung in der Hohenzollerischen Verwaltung. Nachdem sich Brands Nachfolger Dr. Karl 114

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Die PA Schmids, protestant. Sohn eines Rechnungsrats, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Normannia, sind vermutlich gegen Kriegsende verloren gegangen; zu seinem Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 25.9.1919 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.603, Qu. 7) u. die VA (STAL, EL 20/5, Bü. 5.219); femer Wilhelm 1989, 268f. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Hinweise zur Person Gerhardts siehe Kap. I, mit Anm. 84; zu seiner Verdrängung aus Waldsee durch Didier siehe bes. HSTAS, E 151/21, Bü. 247, Qu. 89, 119, 120. Kriminalkommissar Konrad Enderle, Ulm an Chef der Ordnungspolizei, Berlin, 4.1.1937 ("Vertraulich') (BABZ, ORPO, Doss. K. E.). Enderle fühlte sich als Träger des Goldenen Parteiabzeichens und NSDAP-Mitglied Nr. 35.151 zu dieser Denunziation berechtigt und verpflichtet. Durch andere Quellen bestätigt wird die Schilderung von Riester 1987, 41f. : Dreher "regierte wie ein Sultan und duldete andere Götter, wie den Kreisleiter, nur sehr ungern neben sich, zeigte aber gelegentlich Anfälle von gesundem Menschenverstand. Er pflegte hoch zu Roß und mit Eskorte durch die Stadt zu reiten, was von den Bürgern mit so offener Kritik aufgenommen wurde, daß er sich veranlafit sah, einen Verteidigungsartikel 'Von SpieBem und vom Reiten' zu schreiben." Kallenberg 1988, 778 (nur zweite Parenthese). Brands Vorkriegs-PA habe ich nicht ermittelt. Vermutlich hatte der Spitzenbeamte seine Berliner Schlüsselstellung im Zuge zentrumsinterner Rivalitäten räumen müssen. Zum Werdegang des Abkömmlings niedenheinischer Großkaufleute, 1950 kommissarischer Leiter des Bundespresseamtes, dann bis 1955 RegPräs in Aachen, siehe aber seine Nachkriegs-PA (HSTAD, BR-Pe, Nr. 285); ferner Fehrmann 1967; Mühlebach 1977, 12.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Simons (1877-1960), ein "Märzgefallener" des Jahres 1933, im Sommer 1939 nach zunehmenden Reibereien mit Parteistellen in den vorzeitigen Ruhestand zurückgezogen hatte,118 traf mit Dr. Hermann Darsen (1892-1941) ein weiterer Abschiebefall in Sigmaringen ein. Der "Alte Kämpfer" aus Danzig war 1935 vom Gauleiter und Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Koblenz ausgemustert worden, weil er Terbovens Anforderungen an seine "politische Urteilsfähigkeit" nicht genügt hatte.119 Nach einigen Zwischenstationen wurde der bereits schwer erkrankte Beamte schließlich ein Jahr vor seinem Tod auf den längst bedeutungslos gewordenen Präsidentenstuhl in Hohenzollern gesetzt.120 Sein kurzzeitiger Nachfolger Dr. Hans Piesbergen trat den Dienst dort wegen seines Einsätze im "Reichsprotektorat" und in den besetzten Niederlanden gar nicht erst an. 121 Zurück nach Stuttgart, wo ein weiterer Fall eklatanten NS-Nepotismus im Bereich der Innenverwaltung Erwähnung verdient. Dabei ging es um die Versorgung des Schriftstellers Dr. Georg Schmückte (1880-1948). Der Staatsanwalt war 118

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Zum Werdegang des kathol. Sohnes eines Rittergutsbesitzers vom Niederrhein, Mitglied des Freiburger Korps Borussia, siehe seine PA (STAS, Ho 235, Bd. 3, XIV, S 46); femer Führerlexikon 1933/34, S. 460; Degeners Wer ist's? 1935, 1.505; Mühlebach 1977, 12. Bereits 1934 berichtete der Stuttgarter NSDAP-Gauamtsleiter für Kommunalpolitik, RegR Georg Stümpfig im Mdl, dem Münchener Hauptamt zur Situation in Sigmaringen: Hier "(wird) die Personalpolitik nicht nach nationalsozialistischen Grundsätzen durchgeführt"; schuld daran sei der "eigenwillige Charakter des Regierungspräsidenten, gegen dessen Auffassungen sich der Personalreferent nicht durchzusetzen vermag" (BÄK, NS 25, Nr. 392, Bl. 92). Befähigungsbericht Terbovens v. 26.9.1935 in den PA des Sohnes des Konteradmirals Karl Derzewski (STAS, Ho 125, Bd. 3, XIV, D 11, hier Oberpräsidium der Rheinprovinz, Bl. 28/29); zum Werdegang des Protestanten Darsen, wie er seit 1930 hieB, siehe auch seine SSPA (BABZ); ferner Mühlebach 1977, 12f. GauL Murr wäre in Berlin bereits in den dreißiger Jahren beinahe mit seiner Forderung durchgedrungen, Hohenzollern auch auf staatlicher Ebene seinem Gau zuzuschlagen. Diese Bestrebungen waren nicht zuletzt an den Warnungen vor einer zu starken "Durchdringung mit württembergischen Beamten" gescheitert, die RegPräs Simons und sein Stellvertreter, RegDir Erich von Reden (1880-1943), am 12.2.1938 dem RIM übermittelten (STAS, Ho 235, Nr. 26, A.13.6.B). 1943 wurden die Vereinigungspläne auf Anregung Berlins wiederbelebt. Zwar fanden sie nun in dem RegPräs Dreher einen Fürsprecher, doch 1944 kamen sie wieder auf Eis; siehe den württ. Aktenbd. "Stillegung der Regierung Sigmaringen" (HSTAS, E 151/01, Bü. 15). Auch von Reden hatte es übrigens als im Zuge einer Abschiebung nach Südwestdeutschland verschlagen. Der DNVP-Mann, seit 1933 Pg., war im Mai 1933 als LR in Lübben einstweilig zunihe gesetzt und dann bis 1936 bei der Regierung in Magdeburg kaltgestellt worden; zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Rittergutsbesitzers und GehRegRs, Mitglied des Korps Vandalia (Heidelberg), siehe seine PA (STAS, Ho 235, Bd. 37, A.13.10, P. 27). Abschiebefälle waren auch die RegRe Witter und Waldthausen. Zum Werdegang des protestant. DDP-Mitglieds Heinrich Witter (1899-1965), Sohn eines Hallenmeisters und Pg. seit 1939, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.895; STAS, Wü 42, Bd. 60, Bü. 98). Zum Werdegang des Mitglieds des Freiburger Korps Rhenania Robert Waldthausen (geb. 1889), der als Nicht-Pg. des öfteren Probleme mit dem NSDAP-KreisL bekam und 1939 nach Hannover weiterversetzt wurde, siehe Klein 1988, 312. Über den vormaligen LR im niedeisächsischen Fallingbostel, protestant. Sohn eines Amtsgerichtsrats, Mitglied des Freiburger Korps Hasso-Borussia, habe ich keine Personalunterlagen ermittelt; siehe aber eine Liste der preuß. RegPräs etc. v. 1940 (BÄK, R 18, Nr. 5.077); femer TB Verwaltungsbeamte 1943, 434.

Alte Kämpfer

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1920 freiwillig aus dem Staatsdienst ausgeschieden, nachdem er eine Esslinger Fabrikantentochter geheiratet hatte. Als Autor zu gewisser Bekanntheit gelangt, geriet das ehemalige DDP-Mitglied zusehends in national(istisch)es Fahrwasser. Offenbar lernte er in Esslingen den NSDAP-Gauleiter Murr kennen, der in einem örtlichen Industrieunternehmen angestellt war. Anfang 1932 schloß er sich dessen Partei an und wirkte dort als Gaukulturwart. 1933 wurde die bizarre Figur als "persona gratissima"122 des Gauleiters zum Landesleiter der Reichsschrifttumskammer ernannt. Fortan konnte sich Schmückle ungebremst "als gefeierter und preisgekrönter Partei-Autor" in Szene setzen.123 Doch Murrs Hofschranze wollte auch noch direkt aus der Staatskasse versorgt werden. 1933 wurde ihm durch Machtwort des Reichsstatthalters eine Sinkure in der Justizverwaltung übertragen; 1937 mußte das Innenressort den Bundesbruder von Ministerialdirektor Dill als Regierungsrat übernehmen. Ohne das Dienstgebäude ein einziges Mal betreten zu haben, ging der Provinzpoet 1941 in den wohlverdienten Ruhestand. Bereits Ende 1939 hatte ihn der Gauleiter als Schirmherr des Schiller-Nationalmuseums in Marbach zum Leiter dieser renommierten Institution küren lassen - mit üppigem Gehalt und Pensionsanspruch, nach außen allerdings als reines Ehrenamt deklariert.124 So singulär diese wenigen Fälle offensichtlicher NS-Versorgungspatronge auch sein mögen, sie markieren doch jene Grenzen der Selbstbehauptungskraft gegenüber personalpolitischen Oktrois der Staatspartei, die von Beginn an auch der württembergischen Fachverwaltung gezogen waren. Das gilt erst recht für den politisch ungleich wichtigeren Fall Georg Stümpfig. Der protestantische Landwirtsohn hatte 1913 die mittlere Verwaltungsdienstprüfung mit passablem Ergebnis bestanden und war bald nach seiner Rückkehr aus dem Krieg Bürgermeister in Wiesenbach (Oberamt Gerabronn) geworden. Dort hatte er sich im Oktober 1929 als einer der ersten Ortsvorsteher Württembergs der NSDAP angeschlossen und wenig später die Bezirks-, später Kreisleitung übernommen. Seit 1931 auch SSMann, war der Träger des Goldenen Parteiabzeichens als rühriger Organisator und Gauredner hervorgetreten und im April 1932 auch in den Landtag eingezogen. In der Fraktion arbeitete Stümpfig besonders eng mit Karl Waldmann zusammen, mit dem ihn der gemeinsame berufliche Hintergrund verband. Kaum in Murrs Schlepptau an die Schalthebel der Macht gelangt, zog Waldmann den Kampfgefährten nach. Seit Ende März amtierte Stümpfig als NS-Staatskommissar bei der LVA, 125 und nachdem Battenberg Mitte Juni dorthin abgeschoben worden 122

Justizmin. WB an Mdl, 15.3.1951 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.510, Qu. 79). R. Müller 1988, 125; vgl. ebd., 126, 257, 260, 503f. Aufschlußreich auch die Selbstbespiegelung des Lyrikers, Dramatikers und Zeitschriftenherausgebers (Schmückle 1936). Zum Werdegang des protestant. Hoteliersohnes, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Germania, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.510); ferner Germania-TÜ 1989, 123, Nr. 1.668. 124 Schmückles Dotierung entsprach den Bezügen eines RegRs, die spätere Pension war noch üppiger bemessen. Noch Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde seine vermeintlich ehrenamtliche Tätigkeit ohne jede kritische Anmerkung gewürdigt; siehe Stuttgarter Ztg., Nr. 84/1948, 2; vgl. als Beitrag zur Legendenbildung aus jüngster Zeit Hauber 1991, 425-427. 12 ^ Zur Errichtung und Organisation dieses Staatskommissariats siehe Seeger 1940, 108f.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

war, wurde er als "Beauftragter für Ortsvorstehersachen" in die Kanzleidirektion geholt, um die personelle Säuberung der württembergischen Kommunalverwaltung energischer als bisher voranzutreiben. Dieser Aufgabe entledigte er sich zur vollsten Zufriedenheit seiner Gauleitung,126 und bereits im April 1934 wurde er unter Befreiung von den Laufbahnvorschriften zum Regierungsrat (der höheren Besoldungsstufe) bei der MABK ernannt. Mittlerweile hatte Stümpfig auch die Leitung des Gauamts für Kommunalpolitik übernommen.127 Nur zwei Jahre später zum Oberregierungsrat (wiederum der höheren Besoldungsstufe) befördert, führte ihn die Gunst der Umstände bereits kurz darauf an die Spitze der Kanzleidirektion. Nachdem der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, der frühere Ministerialdirektor Held, unerwartet verstorben war, mußte die prestigeträchtige Position ohne operative Enflußmöglichkeiten emeut für eine Abschiebung herhalten. Der Kollaborateur Himmel hatte seine Schuldigkeit längst getan, und nun mußte er dem Vertrauensmann der Gauleitung weichen. Der Wechsel auf dieser personalpolitischen Schlüsselposition signalisierte unübersehbar den Beginn einer neuen Etappe in dem Bemühen der Stuttgarter Parteiführung, die Innenverwaltung vollends unter ihre Kontrolle zu bringen. Bezeichnenderweise wurde im Ernennungsantrag des Ministers zu den Dienstaufgaben Stümpfigs ausdrücklich die weitere Leitung des Gauamts für Kommunalpolitik gezählt. Die Mitte 1940 erfolgte Beförderung zum Ministerialrat begründete Innenminister Schmid ohne Umschweife damit, daß Stümpfig sich nicht nur "dienstlich in jeder Hinsicht ausgezeichnet bewährt", sondern auch "der Bewegung vor und nach der Machtübernahme hervorragende Dienste geleistet" habe.128 Bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes spielte Stümpfig eine Schlüsselrolle als "starker Mann" der Partei im Innenministerium, zumal der Minister selbst sich nach zweijährigem Einsatz als Kriegsverwaltungschef in Frankreich weitgehend aus dem täglichen Geschäft zurückzog.129 126

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Reichhaltiges Anschauungsmaterial dafür bieten die von Stümpñg seit 1933 geführten "Stellenakten der Ortsvorsteher" (HSTAS, E 151/43). Zur Tätigkeit Stümpfigs siehe ausführlich Roser 1996. Zur personellen "Gleichschaltung" der württ. Kommunalverwaltung siehe allgemein Sauer 1975, 89-96; Schnabel 1986, 281-293. Umfangreiches Material zu Stümpfigs Aktivitäten als Gauamtsleiter (Monatsberichte, Korrespondenzen etc.) findet sich in den Akten des Hauptamts für Kommunalpolitik (BÄK, NS 25, Nr. 392-396). Mdl-EA v. 22.11.1939 (HSTAS, E 151/01, Bü. 126, Qu. 2); vgl. so schon den Antrag v. 27.3.1936 (ebd., Bü. 158). Stümpfig hat seine PA im Frühjahr wie Mdl Schmid und MinDir Dill verschwinden lassen (oben, Anm. 56); zu seinem Werdegang siehe jedoch den Mdl-EA v. 11.4.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 169), die Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 229) sowie diverse Unterlagen des BABZ; ferner Roser/Spear 1993, 87-91; demnächst auch meine Kurzbiogr. in den BWB. Schmid war von Juni 1940 bis Juli 1942 in Frankreich. Im November 1942 übertrug er die laufenden Geschäfte weitgehend MinDir Dill im Mdl und MinDir Ewald Staiger im Wirtschaftsmin. (ein Bundesbruder von der Stochdorphia), um sich persönlich ganz auf die Organisation der Kriegswirtschaft konzentrieren zu können; siehe seinen ErlaB u. den Mdl-AV v. 18.11.1942 (HSTAS, E 151/01, Bü. 283). Dieser Schritt minderte Schmids politisches Gewicht erheblich, weil die kriegswirtschaftlichen Kompetenzen immer stärker in Berlin und beim Stuttgarter Reichsverteidigungskommissar, Gauleiter Murr, konzentriert wurden; siehe

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Zwei Kirchenleute Der Gauleiter sorgte nicht nur für die Förderung alter Weggefährten im Staatsdienst, auch Gefolgsleute, die blessiert aus verlorenen Schlachten der Partei heimkehrten, konnten seiner Hilfe sicher sein. So der Oberkirchenrat Paul Dallinger (geb. 1887). Der hervorragende Jurist war Anfang 1928 vom Gerichtsdienst zum Evangelischen Oberkirchenrat gewechselt.130 Seit dem Frühjahr 1933 trat er dort als Hauptprotagonist der innerkirchlichen Gleichschaltung im Sinne der Deutschen Christen und des Reichsbischofs Ludwig Müller auf. 131 Dies geschah in engstem Zusammenspiel mit seinem bisherigen Kollegen am Landgericht Stuttgart, dem früheren Ministerialdirektor Dill, der im September 1933 vom DCdominierten Landeskirchentag als drittes Mitglied in den Landeskirchenausschuß zugewählt wurde.132 Mit dem Kirchentag hatten die Gefolgsleute des Reichsbischofs von Hitlers Gnaden allerdings in Württemberg den Höhepunkt ihres Einflusses bereits erreicht. Interne Zwistigkeiten und das entschiedene Eintreten Wurms für die Bekennende Kirche raubten der DC-Bewegung im Winter 1933/34 zusehends den zunächst beträchtlichen Rückhalt. Umso energischer intervenierte das NS-Regime zu ihren Gunsten. Mit Publikationsverboten, Finanzrestriktionen und mancherlei anderen Schikanen versuchte das Innenministerium im Verein mit Murrs Staatssekretär Waldmann und assistiert vom Stuttgarter Gestapo-Chef Stahlecker, die Niederlage der Reichskirchenfraktion abzuwenden. Ihren Höhepunkt erreichte diese Repressionspolitik mit der Verfügung des Innenministers vom 6. Oktober 1934. Darin drohte Schmid dem beurlaubten Landesbischof Schutzhaft für den Fall weiterer Betätigung an und stellte Wurm unter Hausarrest.133 Doch aus Berlin kamen schon bald andere Direktiven, und nur drei Wochen später war der Konflikt ausgekämpft. Am 26. Oktober wurde Wurms Arrest aufgehoben, anschließend gaben - ausgerechnet - Daliingers und Dills ehemalige die Äußerung seines damaligen persönlichen Berichterstatters Dr. Kurt Göbel v. 12.6.1945 (HSTAS, E 151/21, Bü. 261, ohne Qu. [zwischen Qu. 198 u. 199]); vgl. Ruck 1996, 118f. Zum Werdegang des Sohnes eines Verwaltungsaktuars u. Bgm, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Normannia, siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 147; STAS, Wü 40, Bd. 2, Nr. 207). 131 Vgl Jas Memorandum der Oberkirchrairäte Dallinger, Frohnmeyer und Schaal an Kirchenpräs. Wurm v. 19.4.1933 (Schäfer I 1971, 449-451) sowie Dallingers Sehr, an Landesbischof Wurm v. 6.3.1934 (Schäfer III 1974, 88f.). Zum evangel. Kirchenkampf in Württemberg siehe eingehend Dipper 1966; Meier I 1976, 442-455; II 1976, 321-334; III, 442-461; Schnabel 1986, S. 403-421; Lächele 1994. 132 Meier I 1976, 445. In diesem obersten Leitungsgremium der Evangel. Landeskirche saB neben Landesbischof Wurm als zweiter DC-Vertreter der Friedrichshafener Stadtpfarrer Dr. Karl Steger. Zu den Vorgängen innerhalb des württ. Landeskirchentages nach der NSMachtübemahme siehe im einzelnen Hermle 1995. 133 Abgedr. in: Schäfer ΙΠ 1974, 593f.; vgl. allgemein Meier I 1976, 453. Zur kompromißlosen Haltung Waldmanns vgl. etwa sein Sehr, an Landesbischof Wurm v. 22.9.1934 (Schäfer III 1974, 574f.). Zur Rolle Stahleckers vgl. sein Sehr, an den Evangel. Kirchenrat v. 19.5.1934 (ebd., 331 f.) und seine VO v. 1.10.1934 (ebd., 583f.). 130

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Kollegen am Landgericht Stuttgart seiner Räumungsklage gegen die DCKommissare im Oberkirchenrat statt.134 Am 19. November mußten sie abziehen, vier Tage später wurde Oberkirchenrat Daliinger "auf eigenen Wunsch" suspendiert. Damit war der maßgebliche NS-Verbindungsmann im Apparat der Landeskirche über Nacht zum Unterbringungsfall geworden. Nachdem alle Hoffnungen darauf verflogen waren, daß sich die Dinge nochmals zu seinen Gunsten wenden würden, erteilte Murr persönlich Weisung, das Problem nun aus der Welt zu schaffen: "Ich bitte, Oberkirchenrat Dallinger in Bälde in das Württ. Innenministerium einzuberufen und ihn später auf eine freiwerdende Planstelle der Besoldungsgruppe 2 zu ernennen. Solange Oberkirchenrat Dallinger bei der Innenverwaltung noch nicht planmäßig ist, sollte er vom Evangelischen Oberkirchenrat beurlaubt werden."135 Minister Schmid tat, wie ihm geheißen: knappe zwei Wochen später nahm der gescheiterte Kirchenkämpfer an seinem neuen Schreibtisch Platz. Mit der befohlenen Anstellung indessen wollte es so recht nichts werden. Denn Kanzleidirektor Himmel machte von Beginn an keinen Hehl aus seinen "grundsätzliche(n) Bedenken". Im persönlichen Vortrag wies er Schmid auch darauf hin, "daß Oberkirchenrat Dallinger im Fall seiner planmäßigen Übernahme" auf eine der raren Zweier-Stellen "einer Reihe von bewährten Beamten der staatlichen Innenverwaltung vorgehen würde, die in keiner Weise Zurücksetzung verdienen". Und er zählte in einem Atemzug mit Schmids Freund Landrat Barth und dem Murr-Protegé Stahlecker bei der Gestapo unter anderem auch Bolz' kaltgestellten Kanzleidirektor Kley und den aus Ulm vertriebenen Bürgermeister Sindlinger auf. Offenbar in Sorge um die Dienstfreudigkeit seiner leitenden Beamten kapitulierte der Ressortchef vor deren Korpsgeist.136 Er gab Himmels "dringende(r)" Bitte statt, "von einer planmäßigen Übernahme zunächst abzusehen und diese möglichst lange hinauszuschieben".137 Von dieser Linie ließ sich der erfahrene Personalreferent in der Folgezeit nicht mehr abbringen. Der Evangelische Oberkirchenrat erhielt auf seine ungeduldigen Nachfragen jeweils dilatorische Antwort, und als ihn Ministerialdirektor Dill im Auftrag des Ministers anwies, nunmehr Daliingers Übernahme einzuleiten, breitete Himmel ein ums andere Mal haarklein jene schier unüberwindlichen Schwierigkeiten aus, welche daraus für die ausgeklügelte Personalplanung des Hauses erwachsen müßten.138 Erst nachdem der NS-Mann Stümpfig die Geschäfte der Kanzleidirektion übernommen hatte, konnte der völlig entnervte Kirchenbeamte Ende 134 135

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Meier I 1976, 455; Schnabel 1986, 414f.. RStH (gez. Murr) an Mdl Dr. Schmid, 1.4.1935 (HSTAS, E 151/21, Bü. 146, Qu. 4; Hervorheb. von mir). Auch anderenorts sahen sich die NS-Verwaltungschefs gezwungen, mit Blick auf die FunktionsQhigkeit ihres Apparats personalpolitische Rücksicht auf den "Esprit de Corps" der höheren Beamtenschaft zu nehmen; siehe etwa Teppe 1977, 49 (Westfalen). Mdl an Evangel. Oberkirchenrat, 18.7.1935, Vorbemerkung Himmel v. 15.7.1935 (HSTAS, E 151/21, Bü. 146, Qu. 6; Hervorheb. von mir). Siehe Himmels Vorbemerkungen auf den Sehr, des Mdl an den Evangel. Oberkirchenrat v. 30.7.1936 u. 24.11.1936 (HSTAS, E 151/21, Bü. 146, Qu. 24 u. 30).

Zwei Kirchenleute

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Oktober 1937 nach zweieinhalb Jahren ernannt werden. Zugleich liefen allerdings Bemühungen an, die Planstelle möglichst rasch wieder freizubekommen. Himmel vereitelte auch dies. Als Dallinger Ende 1938 an den Verwaltungsgerichtshof versetzt werden sollte, sperrte sich Himmel als Präsident mit Erfolg gegen diesen erneuten Oktroi.139 Der Fall Dallinger bietet mithin in allen seinen Facetten ein Musterbeispiel für die beträchtliche Resistenzfähigkeit der traditonellen Verwaltungselite Württembergs auf dem Feld ihrer korporativen Selbstbehauptung über den politischen Umbruch von 1933 hinweg. Das gilt auch für Daliingers Jahrgangskollegen, Oberregierungsrat Dr. Max Koch (1887-1962) beim Katholischen Kirchenrat und Oberschulrat. Der konnte sich allerdings nicht auf Protektion von höchster Stelle verlassen - im Gegenteil: als Katholik, Mitglied der Tübinger KV-Verbindung Alamannia und Ungedienter war der langjähriger Vorsitzende des Stuttgarter Zentrums gleich mit mehreren Handicaps belastet, als er 1934 im Zuge der Auflösung seiner Behörde in den Wartestand versetzt wurde.140 Über ein Jahrzehnt wurde der qualifizierte Jurist nun in entwürdigender Manier hin- und hergeschoben, obwohl er als Kinderreicher nach den Gesetzen des "Dritten Reiches" Anspruch auf bevorzugte Wiederverwendung hatte. Zweimal mußte Kultminister Mergenthaler mit der persönlichen "Bitte" - zu befehlen hatte der Ministerpräsident im Gegensatz zu Murr nichts - an Innen- und Justizminister Schmid herantreten, Koch "im Interesse der Sparsamkeit der Staatsverwaltung" in seinen Geschäftsbereichen einzusetzen.141 Die Justizverwaltung blockte den ehemaligen Amtsrichter kategorisch ab, und Kochs früherer Parteifreund Gerhardt bei der MABK wollte seine Behörde nicht mit einem weiteren Abschiebefall kompromittieren lassen.142 Endlich gelang es Kanzleidirektor Himmel, den Stuttgarter Landrat in die Pflicht zu nehmen. Erst nach "eingehend(er)" persönlicher Bearbeitung ließ sich Hermann Niethammer (1874-1953) dazu bewegen, Koch "trotz erheblicher Bedenken" zur Einarbeitung an sein Oberamt zu nehmen. Hatte er sich doch 1933 bereits genügend Ärger eingehandelt, weil er seine politisch monierten Bediensteten nach Kräften abzuschirmen trachtete.143 Kein Wunder, daß sich die Zusammenarbeit von Beginn an ausgesprochen spannungsreich gestaltete. Im übrigen konnte und wollte Koch nicht verbergen, wie sehr er sich durch die "unerträgliche Degradation" in seinem Berufsstolz getroffen fühlte. 144 Hinzu kam die tiefe konfessionell-politische Kluft, welche sich 139 140

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Zu Himmels Wirken beim Verwaltungsgerichtshof siehe eingehend Fachet 1989. Zum Werdegang des Sohnes eines Stations- und Postverwalters siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 924). Sehr. v. 21.12.1933 u. 28.2.1934 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 924, Qu. 2 u. 6). Sehr. Himmels an Koch v. 1.5.1934 u. AV v. 30.11.1936 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 924, Qu. 9 u. 22). Siehe dazu die einschlägigen Schriftstücke v. Oktober/November 1933 in seinen PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.230, Qu. 97-105). Zur Bearbeitung Niethammers siehe Himmels AV v. 26.6.1934 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 924, Qu. 10). Koch an MinR Himmel, 26.11.1936 (HSTAS, EA 2/250, Bü. 924, Qu. 24); vgl. schon das Sehr. v. 7.11.1935 (ebd., Qu. 16).

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

zwischen dem Pastorensohn Niethammer, Mitglied der protestantischen Stiftsverbindung Luginsland, und dem engagierten Katholiken Koch auftat. Kanzleidirektor Himmel ging zwar persönlich auf den deprimierten Wartestandsbeamten zu, seine Bemühungen um eine adäquate Stelle ließen allerdings jene Hartnäckigkeit vermissen, mit der er den Oberkirchenrat Daliinger über Jahre hinweg in der Schwebe gehalten hatte. Zum einen war er auch in diesem Fall nicht gewillt, eine der wenigen Beförderungsstellen zu Lasten seiner Leute an einen Außenseiter gehen zu lassen; zum anderen verspürte Himmel wenig Neigung, sich durch zu intensives Engagement für dessen Belange "politische Schwierigkeiten" einzuhandeln. Dies umso weniger, als Minister Schmid jedesmal ungehalten reagierte, wenn Himmel die Sprache auf die mißliche Situation Kochs zu bringen versuchte.145 Koch seinerseits war nicht bereit, sich um seiner beruflichen Wiedereingliederung willen in weltanschaulichen Fragen zu unterwerfen. So ließ der Kultminister Ende 1936 bei seinem Kollegen Schmid in scharfer Form Beschwerde über einige Angehörige der Innenverwaltung führen, die ihre Kinder nicht an einer überkonfessionellen "Deutschen Schule" angemeldet hatten. Unter den sieben Stuttgarter Beamten, die nach Auffassung der Kultverwaltung "religiöse Bedenken" vorschützten, um ihre "wahre innere Haltung" zu tarnen und sich der "geschlossenen Abwehrfront gegen den Weltbolschewismus" zu verweigern, fand sich nur ein Akademiker: Dr. Max Koch.146 Angesichts dessen wurde der mittlerweile völlig verbitterte Oberregierungsrat i.W. Mitte 1937 an das Oberversicherungsamt Stuttgart weiterverschoben. Damit war er auf dem absoluten Tiefpunkt der verwaltungsinternen Prestigehierarchie angelangt. Mangels weiterer Beschäftigungsmöglichkeiten kam er von dort Ende 1942 gegen seinen Willen an das Landratsamt Esslingen, wo ihn der Amtsvorstand mit unverhohlener Ablehnung empfing. Koch mit seiner "labilen Gesundheit" belaste "unnötig meinen Personalbestand", teilte der NS-Karrierist dem Ministerium nach zwei Jahren "vertraulich" mit, man möge ihn endlich von Esslingen fortschaffen. Selbst im Angesicht des nahenden Kriegsendes ließ der Pastorensohn Dr. Häcker jedes Verständnis für die deprimierende Lage vermissen, in der sich sein Berufskollege seit nun schon zehn Jahren befand.147 So bemerkenswert diese beiden und die zuvor berichteten Beamtenschicksale in manchen Details auch sein mögen - unter dem Strich ist der Befund eindeutig: die württembergische Innenverwaltung überstand die NS-Machtergreifung 1933/34 personell weitgehend unbeschadet, was den Bereich des Ministeriums, der nachge145 146

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AV Himmels v. 31.5.1935 u. 3.12.1935 (HSTAS, EA 2/250, Bü. 924, Qu. 15 u. 17). Das Sehr, der Ministerialabtlg. für die Volksschulen (gez. Hilburger) v. 24.11.1936 war bezeichnenderweise an den NS-Vertrauensmann Stümpfig adressiert (HSTAS, EA 2/150, BS. 924, Qu. 31). Außerhalb Stuttgarts hatten weitere sieben Beamte ihre Kinder nicht angemeldet. Kultmin. Mergenthaler, ein Oberrealschulprofessor, gerierte sich als rigoroser Vorreiter der "Deutschen Schule"; siehe Sauer 1975, 209-220; Schnabel 1986, 493-510; R. Müller 1988, 135-139. LRA Esslingen (gez. Dr. Häcker) an Mdl, 5.8. u. 30.10.1944 (HSTAS, E 2/150, Bü. 924, Qu. 42 u. 45). Zur Person Hacken siehe Kap. III, mit Anm. 135.

" Machteroberung " in Baden

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ordneten Behörden und der zweiten Beamten in der Bezirksverwaltung anbelangte. Für das Korps der "politischen" Beamten an der Spitze der Oberämter wird die Analyse ein modifiziertes Bild ergeben. Doch zuvor ein vergleichender Blick auf die badischen Verhältnisse.

"Machteroberung" in Baden "Ich mir selbst" - antwortete Robert Wagner auf die Frage des Staatspräsidenten Schmitt, wer dem Gauleiter das Recht gegeben habe, ihn in Schutzhaft zu nehmen. 148 Das war am 11. März 1933, mittags. Zwei Tage zuvor war der Führer der badischen NSDAP unter dem Jubel von Zehntausenden seiner Anhänger in der Landeshauptstadt eingezogen, nachdem ihn der Reichsinnenminister Frick am 8. März zum Reichskommissar für Baden ernannt hatte. Geleitet von SA- und SSFormationen hatte Wagner das Innenministerium mit Beschlag belegt und die badische Polizeiführung personell umgekrempelt. Währenddessen sprach sein Stellvertreter Walter Köhler im Rundfunk von der "Revolution", die sich am 5. März 1933 im Reich vollzogen und nun auch Baden erreicht habe.149 Dabei hatte seine Partei lediglich 45,4 v.H. der Wählerstimmen auf sich vereinigen können, und nur mit den kümmerlichen Überresten der bürgerlichen Rechtsparteien brachten es die Kräfte der "nationalen Erhebung" auf knapp 52 v.H. 150 Das hinderte die badische NSDAP nicht daran, die Macht im Handstreich zu usurpieren.151 Am Tag nach der Reichstagswahl hatten ihre Anhänger auf den öffentlichen Gebäuden Karlsruhes widerrechtlich Hakenkreuzfahnen gehißt, ohne daran von der Polizei gehindert zu werden. Die badische Regierung mit dem DVP-Innenminister Dr. Umhauer hatte diesem Treiben, das sich tags darauf überall in Baden abspielte, wie paralysiert zugesehen und so den letzten Rest von Autorität gegenüber der Bevölkerung und ihren Beamten verspielt.152 Das Zentrum war augenscheinlich nur noch darauf aus, das Landeskonkordat unter 148

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So die - in diesem Punkt glaubhafte - Darstellung des anschließend von Wagner zum Chef der Staatskanzlei ernannten Friedrich Müller-Trefzer in seinen "Erinnerungen" (GLAK, 65, Nr. 11.746 u. BÄK, Kl. Erweit). 148, S. 173); vgl. Ferdinand 1992, 122. Führer, Nr. 69, 10.3.1933, 2; siehe zu den Vorgängen des 9. März 1933 aus Sicht der NSDAP ebd., lf. Schnabel 1982a, Anhang 2, 310f. Zu den Wahlergebnissen der NSDAP in Baden bis 1933 siehe Falter/Bömermann 1991. Grundlegend zur Ereignisgeschichte und zur verfassungsrechtlichen Einordnung des Gesamtvorgangs Rehberger 1966, 90-117; vgl. ders. 1973. Zur Machtergreifung aus Sicht der bad. NSDAP siehe die Dokumentation von Ebbecke 1933. Zu den Vorgängen in Karlsruhe und zur Entwicklung der darauffolgenden Tage siehe eingehend Lögler 1984, 92-101; vgl. Rehberger 1966, 90-95; Grill 1983 , 246f.; Heck 1993; Schumacher 1995, 16*-20*. Zur NS-Beflaggungsaktion außerhalb der Landeshauptstadt siehe etwa Hettinger 1988, 130-134 (Adelsheim); Ebert 1984, 80-84 (Bretten); Bott 1986, 40f. (Markdorf); Scheurich 1983, 58-62 (Wertheim).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Dach und Fach zu bringen, nachdem Wagner am 9. März die Verhandlungen über eine Regierungsumbildung abgebrochen hatte. Tags darauf demissionierte das badische Kabinett, amtierte jedoch einstweilen geschäftsführend weiter. Am Vormittag des folgenden Tages ließ Wagner das Konkordat noch unterschreiben, dann setzt er seinem "privaten 'Staatsstreich'"153 spektakulär in Szene. "Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" - die allenfalls durch seine eigenen Leute in Frage gestellt wurde - übertrug sich der Gauleiter "die gesamte Regierungsgewalt in Baden auf Grund der mir von der Reichsregierung übertragenen Befugnisse". Wagner selbst nahm die Funktionen des Staatspräsidenten und Innenministers wahr, zum "Kommissar zu meiner besonderen Verwendung" wurde der Polizeioberleunant a.D. Karl Pflaumer ernannt, den er am 9. März als "beauftragte(n) Personalreferente(en) für den gesamten Polizei- und Sicherheitsdienst" bestellt hatte. 154 An einer pseudo-verfassungskonformen Machtübergabe, wie sie zu gleicher Zeit in Württemberg fieberhaft vorbereitet wurde, zeigte der Veteran des 9. November 1923 kein Interesse. Die NSDAP hatte in Baden bis 1933 - vor allem außerhalb des Parlaments - eine ungleich stärkere Positition aufgebaut als im Nachbarland. Die demonstrative Eroberung der Staatsmacht war Ausdruck des daraus gespeisten Selbstbewußtseins und jener charakteristischen Radikalität, mit der Wagner und seine Gefolgsleute seit jeher für den Sieg der NS-Bewegung über die "Systemparteien" gekämpft hatten.155 Anders als in Württemberg erlaubten es mithin die Umstände der NSMachtergreifung in Baden keinem Beamten, ernstlich von einer verfassungsmäßigen Kontinuität der Regierungsgewalt auszugehen. Zwar beriefen sich ihre Exponenten später darauf, der "damaligen Auffassung nach" sei "die nat.soz. Regierung 'legal' an die Macht gekommen", und angesichts dessen "wäre es geradezu unnatürlich gewesen, wenn der Beamte, dem als Staatsdiener ein ganz besonderes Treueverhältnis gegenüber dem jeweils herrschenden legalen Staatssystem obliegt [...], den Eid auf die neue Regierung verweigert hätte." 156 Doch diese Behauptung war nicht anderes als eine positivistische Lebenslüge der Verwaltungsleute. Tatsächlich hatten sie es gerade in Baden offenkundig mit Ursurpatoren zu tun, die sich ausdrücklich als "Revolutionäre" deklarierten.157

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Ott 1987a, 187. Zur Qualifizierung der NS-"Gleichschaltung" der außerpreuß. Länder siehe schon Bracher 1960, Kap. II.4: "Staatsstreich in den Ländern". 154 Aufruf des Reichskommissars Wagner v. 11.3.1933; abgedr. in: Ebbecke 1933, 12/14. Zur Person Wagners siehe Kettenacker 1973, 59-75; Ferdinand 1992; Grill 1993. 155 Zum Aufstieg der NSDAP in Baden siehe eingehend Grill 1983; vgl. Bräunche 1977 u. 1982; Schondelmaier 1982. 156 Wissenswertes über die bad. Staatsverwaltung vor und nach 1933 im Hinblick auf die derzeitigen Beamtenentlassungen, o.D. (STAF, NL Wohleb, Nr. 26, 1). Zur Entstehungsgeschichte dieses Memorandums siehe Kap. IV, Abschnitt "Nachnationalsozialistische Solidargemeinschaft". 157 So etwa GauL Wagner am 1.6.1933 gegenüber der Verwaltung; siehe Reichsstatthalter und Regierung vor den leitenden Staatsbeamten (Führer, Nr. 151, 2.6.1933, 2).

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Die "demokratische Beamtenschaft" Badens158 im Staat der Nationalen Revolution Nicht nur deshalb stellte sich die Loyalitätsfrage hier schärfer als im Nachbarland. Immerhin hatte die republikanische Personalpolitik in Baden einige Erfolge vorzuweisen gehabt. So konnte es die neuen Machthaber nicht verwundern, daß mancher höhere Beamte ihrer Partei gegenüber zunächst noch in Reserve verharrte. Der frischernannte Ministerialdirektor Dr. Jakob Bader machte daraus gar keinen Hehl, als er dem Innenminister Pflaumer bei dessen Amtseinführung am 12. Mai 1933 namens seines Hauses "aufrichtige(n) Dank" dafür abstattete, daß der es bereits als Kommissar Wagners "verstanden habe, durch Tatkraft, andererseits aber auch durch gewinnende Liebenswürdigkeit den Beamten, die noch nicht der nationalsozialistischen Bewegung angehört haben, manche seelische Hemmung überwinden zu helfen und sie zur freudigen Mitarbeit am Wiederaufbau des nationalen Staates zu gewinnen".159 Der ehemalige Polizeioberleutnant nahm den Ball auf. Zwar versicherte er eingangs, daß er "im nationalsozialistischen Geiste weiterführen werde", was der Gauleiter und Reichsstatthalter begonnen habe; und er zeigte sich unberührt davon, "daß in den vergangenen Monaten manche Maßnahme nicht verstanden worden sei von den Formaljuristen" - sei sie doch "verstanden worden vom gesunden Volksempfinden, und das allein dürfe der ausschlaggebende Maßstab sein". Doch in gleichem Atemzug erteilte er nicht nur "kleinlichem Parteigeist" eine klare Absage, sondern bekannte sich auch zu den Idealen und "Tugenden des guten Beamtentums": "ein sauberer Staat mit einer einwandfreien Verwaltung".160 Und dann sprach Pflaumer den Schlüsselsatz: "Wenn Sie Ihre Pflicht tun, wie Sie in den vergangenen Monaten Ihre Pflicht getan haben, dann werden Sie in mir nicht nur den Kameraden, sondern auch den entschiedenen Verfechter Ihrer Berufsbelange kennen lernen." Pflaumer setzte also auf die gleiche Karte wie sein Amtskollege Schmid in Stuttgart: durch die Beschwörung eines Gefolgschaftsverhältnisses auf (vermeintlicher) Gegenseitigkeit hoffte er sich der Treue des überkommenen Verwaltungsstabes zu versichern, ohne dessen Kooperationsbereitschaft die NS-Politìk binnen kurzem hätte scheitern müssen. Der Reichsstatthalter räumte das kaum verklausuliert ein, als er der versammelten höheren Beamtenschaft am 1. Juni 1933 158 159

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Memorandum v. Sept./Okt. 1947 (oben, Anm. 156), 1. Innraiminister Pflaumer tritt sein Amt an (Führer, Nr. 131, 13.5.1933, 3). Zur Person I. Baders siehe unten, mit Anm. 195. Führer, 13.5.1933 (oben, Anm. 159; Hervoiheb. von mir). In diesem Sinne hatte bereits Reichskommissar Wagner bei der Übernahme des Mdl am 13.3.1993 an den Berufsethos der Bürokraten appelliert: "Das Beamtentum, als wesentliche Stütze des Staates, müsse sich durch Pflichtbewußtsein, Unbestechlichkeit, Sauberkeit und insbesondere Verantwortungsfreudigkeit auszeichnen"; siehe Neuer Geist in den Ministerien. Die nationalsozialistischen Minister treten ihre Amtsgeschäfte an. Das große Reinemachen kann beginnen (Führer, Nr. 73, 14.3.1933, 1; Hervorheb. von mir).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

nochmals die beiden Imperative der nächsten Zukunft vor Augen führte: "Ordnung und Disziplin" - "Arbeit und Brot". Damit jedoch aus dem Gefühl der professionellen Unentbehrlichkeit keine unterschwellige Renitenz erwachse, stellte Wagner sogleich klar: "Obstruktion werde der nationalsozialistische Staat in keiner Weise dulden; die Nationalsozialisten seien unduldsam gegen jeden, der ein Feind des Staates ist." Er müsse im übrigen verlangen, "daß sich die führenden Männer des Staates in die Psychologie der Träger der nationalsozialistischen Revolution einfühlen", denn es dürfe "keinen inneren Gegensatz zwischen den Vertretern des Staates und der nationalsozialistischen Bewegung geben".161 Wie es im Innern mancher Beamter aussah, konnten sich Wagner und Pflaumer unschwer ausmalen. Sie hatten es angedeutet. Umso größeren Wert mußten sie darauf legen, daß sich ihre Leute zumindest durch äußere Attribute der Nazifizierung in die politische Pflicht nehmen ließen.162 Entsprechender Druck auf die Beamten war denn auch schon vor der Machtergreifung in Karlsruhe ausgeübt worden.163 Doch die meisten zierten sich: kaum eine Spur von Gerangel um die letzten Parteibücher vor der Mitgliedersperre, keine Querelen um abgelehnte Aufnahmeanträge wie in Württemberg. Nur eine Minderheit der administrativen Elite Badens wechselte im Frühjahr 1933 demonstrativ die Fronten. Quer durch alle Generationen bot sich das gleiche Bild (Tab. 26). Nicht einmal drei von zehn Beamten der 1870er und 1880er Geburtsjahrgänge traten in die NSDAP ein, ihre in den 1890er Jahren geborenen Kollegen hielten sich, in besonders krassem Gegensatz zu Württemberg, noch deutlicher zurück. Das galt in etwas abgeschwächter Form auch für die Jahrgänge der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts. Erst 1937 zog Baden nach und überholte gar das Nachbarland, was den Organisationsgrad der Innenverwaltung anbelangte. Wo lagen die Ursachen für diese bemerkenswerte Zurückhaltung? Am allgemeinen Klima kann es nicht gelegen haben. Der NSDAP-Organisationsgrad der Gesamtbevölkerung lag Mitte der dreißiger Jahre in Baden wie in Württemberg mit 3,3 und 3,6 v.H. nicht sehr deutlich unter dem Reichsdurchschnitt von 3,8 V.H.; und die südwestdeutschen Beamten stellten nach Angaben der NSDAPParteistatistik mit 13,7 und 16,4 v.H. sogar einen mehr oder minder höheren Anteil der NSDAP-Mitglieder als im Reich insgesamt.164 Überdies waren die 161 162

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Führer, 2.6.1933 (oben, Anm. 157; Hervorheb. von mir). Zu den vielerlei symbolischen Anpassungsgesten, welche auch den bad. Beamten abverlangt wurden, siehe diverse Materialien in GLAK 233, Nr. 26.282 u. Nr. 27.965; vgl. Grill 1983, 267-269; Roser/Spear 1993, 96-100. Vgl. für Württemberg u. allgemein oben, Anm. 46. Angesichts dessen hatte sich die Zentrumsfraktion am 27.2.1933 veranlaBt gesehen, eine "Förmliche Anfrage" an die von ihr mitgetragene Regierung zu richten, in der es eingangs hieß: "In letzter Zeit sind in Baden Beamte in und außer Dienst mit offenen und versteckten Drohungen aufgefordert worden, sich ein nationalsozialistisches Parteibuch zu erwerben. Andere Beamte sind öffentlich angegriffen, und es ist ihre Absetzung verlangt worden." (VBLT IV, Drucksache Nr. 94, Abg. Dr. Föhr u.a.); vgl. Rehberger 1966, 88. Zur NSBeamtenpropaganda in der Landeshauptstadt im Frühjahr 1933 vgl. Logier 1984, 47f. Partei-Statistik 1935 I, 34-36 (Gesamtbevôlkening) u. 146-151, hier 150f. (Beamte); absolute Zahlen der Beamten-Mitglieder siehe ebd., 102-107. Die Anteile der Beamten an der Gesamtmitgliedschaft der NSDAP bewegten sich zwischen 8,8 v.H. (Schleswig-Holstein) und

Die "demokratische" Beamtenschaft Badens im Staat der nationalen Revolution

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Katholiken in Baden noch stärker als in Württemberg in der Innenverwaltung unterrepräsentiert. Angesichts der vielfach belegten Reserve, welche der NSDAP in katholisch dominierten Regionen zumindest anfangs entgegengebracht wurde, 165 wäre in ihren Reihen mithin eher mit einer erhöhten Eintrittsbereitschaft zu rechnen gewesen. Doch das Gegenteil war der Fall. Einige Aufschlüsse über die Motive sowohl derjenigen, die hineingingen, als auch der Mehrheit der anderen, die einstweilen draußen blieben, vermittelt ein Brief, der am 23. April 1933 an den juristischen Gauobmann und Gauführer des BNSDJ, Rechtsanwalt Dr. Arthur Schüssler (1902-1975) in Weinheim, abgeschickt wurde. 166 "Du hast (am letzten Sonntag; M.R.) die Frage angeschnitten, daß aus den Kreisen der badischen Verwaltungsbeamten so wenige der NSDAP nahestünden", schrieb darin der Regierungsrat Wilhelm Hefft (1900-1959) vom Bezirksamt Pforzheim an seinen Examenskollegen und Schwager.167 "Ich habe Dir [...] erwidert, daß der Grund hierfür wohl in erster Linie darin zu suchen sei, daß bis vor kurzem von Seiten der Regierung der Beitritt der Beamten zur NSDAP ausdrücklich verboten war und daß die entsprechende Zurückhaltung für die meisten eben eine Existenzfrage war. Weiter habe ich Dir angeführt, daß eine große Zahl Kollegen natürlich nun nicht als Überläufer angesehen werden wollten, nachdem die nationale Regierung siegreich das Staatsruder in die Hand genommen hat", erläuterte Hefft die aktuellen Skrupel vieler Verwaltungsleute und verwies im übrigen auf die traditionelle Überzeugung mancher Berufskollegen, daß der Beamte grundsätzlich parteipolitische Neutralität wahren sollte. Worauf Schüssler achselzuckend eingewandt hatte, "daß das Verbot der Regierung nun eben weggefallen sei" und die NSDAP sich anschicke, "das ganze Volk zu umspannen". Nach dem innerfamiliären Disput hatte Hefft sich alsbald mit Regierungsrat Dr. Wilhelm Heim (1900-1942) beraten. Der war am 9. März im Zuge des Wagnerschen Personalrevirements in der badischen Polizeiverwaltung vom Polizeipräsidium seiner Heimatstadt Mannheim als Vertreter des suspendierten Polizeidirektors Pfister nach Pforzheim beordert worden. Heim hatte die vorausgegangenen Ostertage genutzt, um sich in Mannheimer und Karlsruher Kollegenkreisen umzutun. Sein Ziel: eine konzertierte Beitrittsaktion. Die hätte es einerseits ermöglicht, dem wachsenden Druck der NSDAP und ihres Verbindungsmannes im Ministerium zum Nutzen des eigenen Fortkommens nachzugeben, andererseits aber auch das Risiko beruflicher Sanktionen für den Fall vermindert,

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17,0 v.H. (Danzig); im Reichsdurchschnitt waren es 12,4 v.H. Zur Resonanz der NSDAP unter der Beamtenschaft allgemein siehe Kater 1983, 59-61, 68f. (bis 1933), 91-94, 106-110 (1933-1939), 123-26, 131f. (seit 1939); vgl. Jarausch 1990, 100-102 u. Tab. A.15, 253. Siehe dazu für vieles die besonders aufschluBreiche Studie von Breuer 1992 über das Erzbistum Bamberg. Schüssler, späteres Mitglied der Akademie für Deutsches Recht, war Mitglied der Heidelberger Burschenschaft Allemannia; biogr. Daten siehe Allemannia-HD 1981, 310/XVII. BDNSJ/NSRB-Doss. Hefft (GLAK, 465c, in Nr. 1.131). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Bankdirektors, Mitglied der Heidelberger "schwarzen" Verbindung Leonensia, siehe seine Haupt-PA (RHBW) u. verschiedene andere PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 652; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 2.904/1-5; STAF, F 20/9, Nr. 468); ferner Grab 1987, 149 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

daß die NS-Hasardeure in Bälde Schiffbruch erleiden sollten. Doch mit solchen Allzwecklösungen war jetzt nichts mehr zu gewinnen. Das wird Heim auch von seinem bisherigen Mannheimer Chef, Ministerialdirektor Bader, gesagt bekommen haben, den er mit der schriftlichen Bitte traktiert hatte, "die Sache doch tunlichst unmittelbar bei Herrn Reichsstatthalter Wagner zur Sprache zu bringen und uns dann zu beraten".168 Denn es pressierte nun, und ehrgeizige Beamte der jüngeren Generation wie Günther Sacksowsky (geb. 1901)169, ebenfalls Regierungsrat am Mannheimer Polizeipräsidium, hatten ihre Skrupel bereits hintangestellt. So gaben denn die Regierungsräte Hefft und Heim ebenfalls ihre Aufnahmeanträge ab, und bald darauf folgten sie Sacksowsky auch in die SS. Es wurde ihnen gelohnt: Heim kam Mitte 1934 als Polizeipräsident nach Karlsruhe, Hefft als Landrat nach Oberkirch und Sacksowky als Polizeidirektor nach Freiburg. Die weiteren Karrieren der jungen Bedenkenträger von 1933 sollten dann zwar einen höchst unterschiedlichen Verlauf nehmen, doch gemeinsam war ihnen das überdurchschnittliche Engagement in der Staatspartei und ihren Gliederungen. Nachdem sie einmal ihre Sorge beiseite geschoben hatten, möglicherweise Opfer von Vergeltungsmaßnahmen zurückgekehrter Demokraten zu werden, gab es dafür keine inneren Hürden mehr zu überwinden. Denn ideologisch standen die drei Korporationsmitglieder der NS-Bewegung ohnehin recht nahe. Der schlagende Teutone Dr. Heim etwa konnte auf eine "nationale" Bilderbuchvita zurückblicken: 1920/21 Aktivist der Heidelberger "Freischar Damm", einem Ableger der berüchtigten Organisation Escherich, 1924/25 als Mitglied des Karlsruher Verbandes "Tanne" in der Schwarzen Reichswehr und seit 1929/30 insgeheim Sympathisant der NSDAP. Auch der Ruperte Sacksowsky war zu Beginn seines Studiums über die Freischar Damm in die rechtsextreme Szene seiner nordbadischen Heimat hineingewachsen.170 Nach der NS-Machtergreifung bekamen die beiden Gesellschaft von drei weiteren Veteranen jener Freischar, die Minister Renimele seinerzeit energisch hatte unterdrücken lassen.171 168

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Sehr. Heffts v. 23.4.1933 (oben, Anm. 167). Zum Werdegang Heims, protestant. Sohn eines Reichsbahn-Oberzugführers, Mitglied der Heidelberger Landsmannschaft Teutonia, siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 2.949/1-5) u. die sehr umfangreichen Unterlagen des Β ABZ, insbes. die SS-PA; ferner unten, Abschnitt "Jagdszenen im Badischen*. Zum Werdegang des protestant. Majorsohnes, Mitglied der Heidelberger "schwarzen" Verbindung Rupertia, siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.803/1-13; GLAK, 233, Nr. 24.638; HSTAS, EA 2/150, Bu. 652). Die von Forstrat Georg Escherich, dem vormaligen Führer der bayerischen Einwohnerwehren, im August 1920 gegründete "Organisation Escherich" (Orgesch) war ein Zusammenschluß rechtsmilitanter Selbstschutzverbände mit Schwerpunkt in Süddeutschland; siehe allgemein Fenske 1969, 108ff.; Benz 1970, 271ff.; Nußer 1973; Neumaier 1989, 344-351. Zur Organisationsgeschichte ihres nordbad. Ablegers "Freischar Damm" - auch "Bund Freiheit und Recht" genannt - siehe eingehend Neumaier 1989; vgl. Cser 1992, 241. Mdl Renimele hatte die paramilitärische "Freischar Damm", welche ihr Personal in der Hauptsache aus Weltkriegsoffizieren und Studenten rekrutierte und zeitweise bis ins Lager seiner bürgerlichen Koalitionspartner hinein gewisse Sympathien genofi, im Juni 1921 verbieten lassen; siehe dazu Remmele 1925, 113-118; vgl. ebd., 160-162. Es waten dies die Juristen Dr. August Herbold (1905-1976) und Dr. Wolfgang Müller (19091943) sowie der Tierarzt Dr. Paul Benz (geb. 1898). Zur Person Herbolds siehe unten, mit

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Doch Leute wie Hefft, Heim und Sacksowsky blieben deutlich in der Minderheit. Selbst den Bund Nationalsozialistischer deutscher Juristen (BNSDJ) mieden ihre Kollegen nahezu geschlossen. "Bis jetzt hat sich noch kein einziger Beamter aus der Badischen Verwaltung als Mitglied gemeldet", beklagte sich BNSDJ-Gauführer Schüssler Anfang Juni 1933 bei dem "Alten Kämpfer" und BNSDJ-Mitglied Nr. 215 Dr. Karl Fees, dem sein frühzeitiger Seitenwechsel bereits mit der Stelle des Oberbürgermeisters von Rastatt entgolten worden war. 172 Und den Neu-Pg. Sacksowsky, der sich sogleich bei SS und BNSDJ mit angemeldet hatte, hielt er sechs Wochen später an: "Ich bitte im Kreise der höheren Verwaltungsbeamten gründlich zu werben; die Herren scheinen mir etwas rückständig zu sein." 173 Diese Zurückhaltung war allerdings nur bedingt Ausfluß einer politischen Reserve gegenüber der NSDAP und ihren Gliederungen. Immerhin hatte eine Delegation des Vereins der höheren Verwaltungsbeamten Badens dem Reichskommissar Wagner bereits am 29. März 1933 seine Aufwartung gemacht und bei dieser Gelegenheit "aus innerster Überzeugung" die "pflichtbewußte und verantwortungsfreudige Mitarbeit [...] am Wiederaufstieg des Vaterlandes" zugesagt. 174 Vielmehr war es eine der üblichen Rangeleien zwischen konkurrierenden NS-Organisationen, welche die Erfassung der höheren Beamtenschaft einstweilen noch verhinderte. Der Reichsbund der höheren Beamten, dem auch der badische Verein angehörte, strebte zunächst eine Rückkehr in den Deutschen Beamtenbund an. Der war mittlerweile durch Gauleiter Jacob Sprenger, im Nebenamt "Beamtenfachberater" der NSDAP-Reichsleitung, gleichgeschaltet worden. Den Anspruch des hessischen Reichsstatthalters und seines Nachfolgers, "Reichsbeamtenführer" Hermann Neef, auf die akademischen Verwaltungsbeamten bestritt indessen der "Reichsrechtsführer" Dr. Hans Frank ganz energisch.17S Der Konflikt wurde später - bezeichnenderweise - im Sinne einer Doppelmitgliedschaft formell beigelegt, ohne daß die Rivalitäten damit beendet worden wären. Die badischen Verwaltungsbeamten jedoch hatten sich - im Gegensatz zu ihren württembergischen Kollegen - schon frühzeitig auf die Seite

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Anm 259. Zur Person des protestant., in Berlin als Sohn eines Diplomingenieurs geborenen RegR Müller, der 1940 kurzzeitig als kommissarischer PolDir in Baden-Baden, dann als Landkommissar im Elsaß eingesetzt wurde, siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 5.288/12), den Mdl-EV v. 13.8.1937 (GLAK, 233, Nr. 24.450) sowie die NSDAP-Mitgliedskarte u. die SS-Sippenakte (BABZ). Zur Person des (nicht zur Untersuchungsgruppe zählenden) Alten Kämpfers Benz, ursprünglich Katholik, siehe den Mdl-EA v. 20.8.1935 (GLAK, 233, Nr. 24.381), das Doss. des NSDAP-Gaupersonalamts (GLAK, 465c, in Nr. 46) sowie die NSDAP- u. SS-KK (BABZ). Schüssler an Fees, 8.6.1933 (GLAK, 465c, Nr. 896, Doss. Fees). Zur Person siehe Kap. I, mit Anm. 232. Schüssler an Sacksowsky, 18.7.1933 (GLAK, 465c, Nr. 276, Doss. Sacksowsky). Badens Beamtenschaft hinter der Regierung (Führer, Nr. 92, 2.4.1933, 4); vgl. Rd.schr. des Vorstands (gez. LR Wintermantel) v. 17.6.1933 (GLAK, 69, VHVB, Nr. 53). Zu diesem Beispiel der NS-Polykratie siehe Schütz 1992, 326-328; Sunnus 1992, 63-70; vgl. Deutscher Beamtenbund 1959, II/171Í. Zur NS-Organisation der Beamten vor und nach 1933 siehe Caplan 1988, 116-123, 189-195.

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

des NS-Juristenbundes geschlagen. Als treibende Kraft wirkte dabei der NSKarrierist Fees: "Als Vertrauensmann des nationalsozialistischen Juristenbundes, dem unser Verein korporativ beigetreten ist, übersende ich Ihnen [...] eine Anzahl Aufnahmeformulare", schrieb der Rastatter Oberbürgermeister unter dem 15. Juli 1933 verschiedenen Landräten.176 Eine dreister tìberrumpelungsversuch. Zwar hatte der Vereinsvorstand Fees in der Tat am 2. Juni 1933 "als Vertrauensmann des nationalsozialistischen Juristenbundes" kooptiert.177 Doch auf dieser Sitzung war ausdrücklich verabredet worden, mit organisatorischen Beschlüssen noch zuzuwarten. Erst als der Vorstand am 17. Juli erneut zusammensaß, nahm das Gremium den Vorschlag des Bruchsaler Regierungsrats Albert Peter (1889-1955) an, ein offizielles Rundschreiben des Inhalts zu versenden, den Fees bereits vorweggenommen hatte.178 Doch der Vereinsvorsitzende Theodor Wintermantel (1878-1945) zögerte mit der Umsetzung dieses Beschlusses, obwohl er mit dem Gaurechtsfuhrer als Bundesbruder freundschaftlich verkehrte.179 Nachdem Schüssler am 4. August auf einer weiteren Sitzung des Vereinsvorstandes seinem Unmut darüber Luft gemacht hatte, daß "die Eingliederung der Verwaltungsbeamten in den BNSDJ etwas reichlich lange (dauert)",180 ließ Wintermantel den Rundbrief herausgehen. Der überaus standesbewußte Landrat, stolzer Träger höchster Kriegsauszeichnungen und bis 1932 Mitglied der DDP, fügte allerdings einen Absatz hinzu, der ganz und gar nicht im Sinne des Gleichschalters Fees lag: "Im Rahmen des Nationalsozialistischen Deutschen Juristenbundes soll der Bestand unseres Vereins sowie des Reichsverbandes der höheren Verwaltungsbeamten erhalten bleiben", appellierte Wintermantel an den korporativen Selbstbehauptungswillen seiner Kollegen. "Dem Verein treu zu bleiben, ist für die künftige Stellung und Einflußnahme der höheren Verwaltungsbeamten im BNSDJ besonders wichtig."181 Das Signal kam an. Binnen weniger Tage reichten die höheren Beamten der badischen Innenverwaltung geschlossen ihre Aufnahmeanträge beim NS-Juristenbund ein.182 Offensichtlich gaben sich manche von ihnen der Illusion hin, damit dem 176 177 178

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GLAK, 465c, Nr. 896, Doss. Fees. Rd.schr. v. 29.4.1933 (oben, Anm. 26). RegR Hefft an BNSDJ-Gauführer Schüssler, 1.8.1933 (GLAK, 465c, Nr. 1.131, Doss. Hefft). Zum Werdegang des kathol. Straßenmeistersohnes Peter - kein Verbindungsmitglied, aber Angehöriger der Herrengesellschaft "Kajüte" - siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 1.405, P. 128/3; HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.271); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Die Haupt-PA des protestant. Land- u. Gastwirtsohnes, Mitglied der Heidelberger Burschenschaft Allemannia, habe ich 1991 im STAF eingesehen (damalige Signatur: A 3 Vorakten, Nr. 1.004-1.005; zuvor: RegPräs, PA, 1972/5, Nr. 1.250); nach einem Bestlndeaustausch sind sie Anfang 1992 im GLAK kassiert worden; siehe aber weitere PA des LRs (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 8.318/1-3); ferner Allemannia-HD 1981, S. 266/V, Nr. 496 u. Teil A sowie Liebscher 1995 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Schüssler an RegAss Kurt Wehrle, Mdl, 3.8.1933 (GLAK, 465c, Nr. 232, Doss. Wehrle). Rd.schr. des Vorstands (gez. LR Wintermantel) v. 5.8.1933 (GLAK, 69, VHVB, Nr. 53; Hervorheb. von mir). Siehe dazu die Mitgliederakten des BNSDJ/NSRB, Gau Baden, alphabetisch erschlossen durch ein nach dem Krieg angelegtes Namensverzeichnis (ebd., Nr. 981). Laut Sunnus 1990, 29 gehörten dem NSRB in Baden 3.300 Mitglieder an. Die Sunnus nicht bekannten, über den hete-

Die "demokratische" Beamtenschaft Badens im Staat der national» Revolution

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Verlangen der neuen Machthaber nach formeller Nazifîzierung Genüge getan zu haben, ohne sich - mit Blick auf einen späteren Umschwung der politischen Verhältnisse - allzu sehr zu kompromittieren.183 Das war ebenso ein Irrtum wie Wintermantels Hoffnung, den Verein unbeschadet in die neue Zeit hinüberretten zu können. Die Duldung halbautonomer Standesorganisationen ausgerechnet der Staatsdiener widersprach in eklatanter Weise dem Totalitätsanspruch des NSRegimes. Und so konzentrierten sich denn auch die Bemühungen des BNSDJGauführers ganz darauf, den Beamtenverein möglichst reibungslos zu liquidieren und seine Mitglieder als Individuen, nicht aber korporativ in das organisatorische Vorfeld der NSDAP zu geleiten.184 Nachdem Fees wegen seiner anderweitigen Inanspruchnahme nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stand, rekrutierte Schüssler Anfang August Kurt Wehrle (1905-1976) für diese Aufgabe.185 Der Freiburger Burschenschafter hatte sich durch seine miserablen Examensleistungen für den Staatsdienst disqualifiziert, dann aber die Gunst der "nationalen Revolution" beherzt für sich genutzt. In den zwanziger Jahren beim deutschnationalen Jugendbund, dann beim rechtsextremen Schlageterbund aktiv, hatte sich der beschäftigungslose Rechtsanwalt am 20. Januar 1933 der SS angeschlossen und war anschließend auch in die NSDAP eingetreten. Dorthin muß Wehrle zuvor schon engste Beziehungen geknüpft haben, denn zum 15. Mai 1933 wurde er als Regierungsassessor im Innenministerium eingestellt, wo er als persönlicher Sekretär des Ressortchefs unter anderem auch die Personalsachen des höheren Dienstes bearbeitete.186 Pflaumers rechte Hand rogenen Bestand 465c des GLAK verstreuten gut 3.000 Dossiers sind demnach nahezu vollständig. Angesichts der sonst desolaten Quellenlage (ebd., 17) stellt der Bestand mithin eine besonders wertvolle Quelle für die sozialhistorische Erforschung der (südwest)deutschen Juristen während der NS-Zeit dar. 183 Vgl. für vieles den Brief des Freiburgers LRs Max Heß (1870-1956) an Schüssler v. 12.8.1933: "Die Mehrzahl von uns wird wie auch ich selbst im Hinblick auf das, was die Bewegung der NSDAP bereits geleistet hat und weiter zu tun im Begriffe steht, stolz und freudig mit in die Reihen des neuen Bundes treten." (GLAK, 465c, Nr. 1.085, Doss. Heß). Der Oberpostdirektorsohn, Mitglied der Heidelberger Ripuaria und DDP-Mitglied, gehörte zu den Beamten, die nicht in die NSDAP eingetreten waren. Trotz seiner Zwangspensionierung zum 31.12.1933 holte er dies 1937 nach. Heß' PA habe ich nicht ermittelt; siehe aber - neben dem BNSDJ/NSRB-Doss. - seine NSDAP-Mitgliedskarte (BABZ) u. den Fragebogen zur Entnazifizierung (STAF, D 180/2, Nr. 93.997); ferner Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 154. 184 "Wenn die Verwaltungsjuristen nicht genügend erfaßt und betreut werden, besteht doch die Gefahr, daß sie sich verwaist fühlen [...]", sorgte sich der abgehalfterte Vereinsvorsitzende Wintermantel noch am 2.5.1936 gegenüber Schüssler. "Die Erfassung durch den Juristenbund erscheint mir aber insbesondere für diejenigen Mitglieder angebracht, welche weder der Partei noch einer Gliederung derselben angehören. " (GLAK, 465c, Nr. 139, Doss. Wintermantel; Hervorheb. von mir). Zur Integrationsfunktion des BNSDJ/NSRB insbesondere gegenüber dieser Klientel siehe Sunnus 1990, 163-179. 185 Schüssler an Wehrle, 3.8.1933 (GLAK, 465c, in Nr. 232). 186 Zum Werdegang des protestantischen Mitglieds der Freiburger Burschenschaft Alemannia, Sohn eines ObergerichtsvoUziehers, siehe seine Haupt-PA (HSTAD, Br-Pe, Nr. 202), verschiedene andere PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.842; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.968) u. seine SS-PA (BABZ); Romeyk 1994, 804 (Kurzbiogr.), 127f., 132 u. 295; Romeyk 1995, 261f. (Kurzbiogr.), 248, u. 258f.; ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

willigte ein. Die Troika Schüssler - Fees - Wehrle konnte nun darangehen, den Verein vollends gleich- und auszuschalten. Dazu mußte zunächst Landrat Wintermantel beiseite geschoben werden. Am 6. Oktober nötigte der Vorstand ihn, seinen Posten sofort niederzulegen; als Nachfolger wurde Fees und als dessen Stellvertreter Wehrle nominiert. "Ich hatte erwartet, daß der Verband Dich in Vorschlag bringt", schrieb der Drahtzieher dieses Coups scheinheilig an seinen "liebe(n) Philister". "Wenn das auch nicht geschehen ist, so darf ich wohl hoffen, daß Du den neuen Herren mit Rat und Tat zur Seite stehen wirst." Doch die bedurften seiner nicht. Wintermantel blieb nichts mehr, als für den 22. Oktober zu jener letzten Hauptversammlung einzuladen, welche die Exekution abzusegnen hatte. 187 An seinen beschwörenden Schlußappell, "unserem Verein treu zu bleiben und nicht durch Austritt aus dem Verein unserer gemeinsamen Sache und Ihrem eigenen Interesse zu schaden", wird der schwer getroffene Landrat wohl selbst nicht mehr geglaubt haben.188 Nachdem die Hauptversammlung am 22. Oktober programmgemäß, allerdings nur "nahezu einstimmig", die Auflösung des Vereins der höheren Verwaltungsbeamten Badens beschlossen hatte, gingen die beiden NS-Liquidatoren an seiner Spitze weisungsgemäß daran, die Standesvertretung zügig "in eine sichere nationalsozialistische Hand zu bringen". 189 Parallel zur personellen Säuberung der badischen Verwaltungselite war ihr unter maßgeblicher Mithilfe des Kollaborateurs Dr. Karl Fees eine wichtige organisatorische Stütze ihrer korporativen Resistenzfähigkeit genommen worden.

"Das große Reinemachen kann beginnen. "190 "Er wisse ganz genau, daß es für manchen führenden Beamten unmöglich sein werde", "jemals" das Wesen und die Zwänge der "nationalen Revolution" zu begreifen, sprach Gauleiter Wagner seinem Verwaltungsstab am 1. Juni 1933 ins Gesicht, doch "solche Männer würden sich automatisch aus der Führung des Staats

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Schüssler an Wehrle, 10.10.1933 (GLAK, 465c, Nr. 232, Doss. Wehrle). Rd.schr. VHVB (gez. Wintermantel) v. 10.10.1933: Einladung zur a.o. Hauptversammlung am 22.10.1933 in Karlsruhe (GLAK, 69, VHVB, Nr. 53; Hervorheb. von mir). Die Abschiebung vom Herbst 1933 gehörte zu den 'mancherlei Enttäuschungen und Zurücksetzungen", über die sich Wintermantel am 23.5.1936 bei Schüssler beklagte (GLAK, 465c, Nr. 139, Doss. Wintermantel). 189 Erstes Zitat·. Rd.schr. VHVB (gez. Dr. Fees), 8.1.1934 (GLAK, 69, VHVB, Nr. 73; Hervoiheb. von mir). Zweites Zitat: Schüssler an Wehrle, 21.12.1933 (GLAK, 465c, Nr. 232, Doss. Wehrle). Die von Fees am 8.1.1934 angekündigte "kurze Niederschrift" über den Verlauf der Hauptversammlung legte er - wohlweislich? - niemals vor. Das Vereinsvermögen überwies Fees "in Unterstellung des Einverständnisses der Mitglieder" an die Landesfachgruppe Verwaltungsbeamte des BNSDJ, an deren Spitze Kurt Wehrle stand. 19 Führer, 14.3.1933 (oben, Anm. 160). 188

"Das große Reinemachen kann beginnen. "

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ausschalten".191 Diese Drohung mußte ernst genommen werden. Das hatten zu diesem Zeitpunkt bereits einige Kollegen am eigenen Leibe erfahren. Immerhin wurde in der kleinen Innenverwaltung Badens 1933 ein Dutzend leitender Beamter unter Berufung auf das sogenannte "Berufsbeamtengesetz" (BBG) aus dem Dienst entfernt oder zwangsweise zurruhegesetzt; andere sahen sich auf "unpolitischen", geringerwertigen Positionen kaltgestellt.192 Betroffen von diesem Personalrevirement war fast die gesamte Führungsspitze des Karlsruher Ministeriums. Der katholische Ministerialdirektor Otto Weitzel (geb. 1876) wurde anläßlich der Übernahme des Innenministeriums durch Reichskommissar Wagner am 11. März 1933 mit sofortiger Wirkung beurlaubt;193 Ende Juli komplimentierte man ihn mit dem "Dank und de(r) volle(n) Anerkennung der badischen Regierung" in den einstweiligen Ruhestand.194 Seine Position nahm der Mannheimer Polizeipräsident Dr. Jakob Bader (1883-1939) ein, den Wagner am 11. März 1933 auf Vorschlag Pflaumers ins Innenministerium holte und vier Wochen später auch formell zum Ministerialdirektor ernannte.195 Der weithin respektierte Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft badischer Polizeijuristen, ein höchstdekorierter Weltkriegsoffizier, hatte bislang als DVPAnhänger gegolten; im Dezember 1933 sorgten Pflaumer und Wagner dafür, daß ihr Spitzenbeamter nachträglich zum 1. Mai in die NSDAP aufgenommen wurde. Weniger rücksichtsvoll als Weitzel wurden die beiden wichtigsten Abteilungsleiter hinausgeworfen. Der Haushalts- und Personalreferent Adolf Schwarz (SPD) ging am 18. März auf Weisung Wagners in den Urlaub, und am 2. Mai 1933, unmittelbar vor der Übergabe des Ressorts an Minister Pflaumer, entließ ihn der Reichskommissar gemäß § 4 BBG wegen politischer Unzuver-

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Führer, 2.6.1933 (oben, Anm. 157). Ein NS-Vertrauensmann im Mdl, wahrscheinlich der schon mehrfach gewürdigte Dr. Fees, hatte dem Petendenten Heim bereits Mitte April nahelegt, alsbald in die NSDAP einzutreten und dabei 'besonders betont, daß auch der Herr Reichsstatthalter Wagner im nämlichen Zusammenhang schon darauf verwiesen habe, daß die Verwaltungsbeamten durch ihre Haltung zu den politischen Fragen ihre Stellung im neuen Staate selbst gestalten"; siehe Heffit an Schüssler, 23.4.1933 (oben, Anm. 167). Die Zahlenangabe schließt die (weiter unten behandelten) LRe nicht mit ein. Eine - unvollständige - Ubersicht gibt das vom bad. Gauamt für Beamte angefertigte hektogr. "Verzeichnis der Beamten, die auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Badai gemaßregelt wurden" v. 28.7.1936 (GLAK, 236, Nr. 23.773; 465c, Nr. 1.206 u. 1.484); quantitative Auswertung der 580 (nicht: 578!) Einträge siehe Merz 1985, Anhang, Tab. 8a u. 8b, 355. Führer, Nr. 71, 12.3.1933, 2. Ministerialdirektor Weitzel beurlaubt (Führer, Nr. 71, 12.3.1933, 2); Zumihesetzungsschr. v. 21.7.1933 u. Dankschr. MinPräs Köhler v. 10.8.1933 (GLAK, 233, Nr. 24.381). Führer, 12.3.1933 (oben, Anm. 193); Ernennung nationaler Beamten (Der Führer, Nr. 111, 22.4.33). Die PA des protestantischen Fabrikantensohnes, u.a. Träger des Ritterkreuzes des militärischen Karl-Friedrich-Verdienstordens u. der EKI u. II, sind nur rudimentär überliefert (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 192); siehe aber Führerlexikon 1933/34, 38f.; Degeners Wer ist's? 1935, 49. Die Kurzbiograpie von Renate Liessem-Breinlinger (BB I 1982, 27f.) ist wenig erhellend. Siehe neuerdings auch ein schmales NL-Fragment (STAMA).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

lässigkeit.196 Auch Ministerialrat Dr. Hermann Fecht (1880-1952), der Leiter der Wirtschaftlichen Vertretung Badens beim Reich und stellvertretende Bevollmächtigte des Landes beim Reichsrat, mußte gehen.197 Den Polizeireferenten Dr. Lothar Barck (DDP), bei Wagners Korona als "Spezialist für Bekämpfung von Nationalsozialisten" der bestgehaßte Mann der Innenverwaltung, hatte bereits der DVP-Minister Umhauer Ende Februar beurlaubt - ein Kotau gegenüber der Karlsruher NSDAP, die unter der Losung "Fort damit!" wütende Attacken gegen Barck und einige andere republikanische Beamte geritten hatte.198 Am 24. April 1933 gab Wagner ihm endgültig den Laufpaß, obwohl dafür noch gar keine Rechtsgrundlagen existierten.199 Barcks kommissarischer Nachfolger, der Karlsruher Polizeipräsident Paul Haußer (1880-1966), wurde am 9. März 1933 beurlaubt, im Juni dem Statistischen Landesamt zugeteilt und Ende des Jahres zum Direktor dieser randständigen Behörde ernannt. Immerhin ließ man das langjährige DDP-Mitglied dort im Range eines Ministerialrats überwintern, obwohl Haußers Ehefrau jüdischer Abkunft war. Nach dem Erlaß der "Nürnberger Gesetze" 1935 zog das in der Regel die vorzeitige Zurruhesetzung nach sich. Haußer wurde jedoch nicht nur zugute gehalten, daß er sich vollständig zurückzog; als Träger höchster Kriegsauszeichnungen, darunter zwei Ritterkreuzen, hatte er nach den Regeln des NS-Staates Anspruch auf eine privilegierte Behandlung.200 Dem Ministerialrat Schwarz folgte mit Dr. Roderich Straub (1886-1961) ein höchstqualifizierter und hochdekorierter Oberregierungsrat aus der Polizeiabteilung des Hauses. Der DVP-Sympathisant hatte zunächst gezögert, den geschätzten 196

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Zur Person siehe Kap. I, mit Anm. 209. Zu dai verringerten (formalen) Kompetenzen Wagners nach seiner Ernennung zum Reichsstatthalter am S.S. 1933 siehe Rehberger 1966, 142-152; vgl. allgemein Ruck 1996, 106 et passim. Zum Werdegang des beim Mdl planmäßigen MinRs, protestant. Sohn eines Oberförsters, Mitglied der Heidelberger Verbindung Ripuaria, siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 4S1/4S2, P. 41) u. seine sehr umfangreichen handschriftl. Erinnerungen (GLAK, 65, Nr. 11.886/11.887); femer Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 87. Erstes Zitat: Demonstrationsverbot für Staatsfeinde in Baden (Führer, Nr. 34, 3.2.1933). Zweites Zitat·. Fort damit! (ebd., Nr. 36, 5.2.1933, S. 4). Vgl. Barck und Hafiier (ebd., Nr. 35, 4.2.1933). StPräs Schmitt (Zentrum) hatte den zweiten Artikel zum Anlaß genommen, sich im LT vor den Spitzenbeamten zu stellen (VBLTIV, 17. Sitzung, 3.2.1933, Sp. 917-922, hier Sp. 920); vgl. Rehberger 1966, 84-86. Dementsprechend bitter wurde die Kehrtwendung der Regierung von der SPD kommentiert; siehe Der groBe Rückzug vor der NSDAP in Baden (Volksfreund, Karlsruhe, Nr. 44, 22.2.1933). Warum Merz (1985, 255, Anm. 70) den von Broszat (1970, 133) zutreffend konstatierten Tatbestand des Zurückweichens vor der NSDAP für "überspitzt" hält, bleibt unklar. Zu deren vorangegangenen Angriffrai auf den republikanischen Polizeireferenten siehe etwa Barck heißt er! (Führer, Nr. 51, 21.2.1932, 5); Emil Maier in Groeners Rolle (ebd., Nr. 137, 3.6.1932, 4); Emil Maier nackt (ebd., Nr. 162, 28.6.1932, 4). Zur Person Barcks siehe Kap. I, mit Anm. 216. Die bad. "VO. zur Durchführung des Reichsgesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums v. 7.4.1933" v. 8.6.1933 wurde zwecks "Legalisierung" der von Reichskommissar Wagner bis dahin schon vorgenommenen Entlassungen rückwirkend zum 21.4.1933 in Kraft gesetzt. Haußer trug das Ritterkreuz des Bad. Zähringer Löwen und das Ritterkreuz des Bad. KarlFriedrich-Verdienstordens. Zur Förderung der Höchstdekorierten siehe Kap. ΙΠ, mit Anm. 56. Zu Person Haußers siehe Kap. I, mit Anm. 187.

'Das große Reinemachen kann beginnen. "

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Kollegen im Handumdrehen zu beerben, sich dann jedoch "mit dem Bewußtsein beruhigt, [...] daß es schon bis dahin das Los des Berufebeamtentums auf Lebenszeit gewesen war, auch unter der Herrschaft einer seiner politischen Richtung nicht entsprechenden Richtung an dem ihm zugedachten Posten tätig zu sein". 201 Als "Beamter von altem Schlag" wurde er von der Gauleitung beargwöhnt: "Die Art dieser Stellenbesetzung [einer Oberinspektorenstelle; M.R.] beweist zur Genüge, wie stark und unabhängig man sich im Ministerium des Innern wieder fühlt," tobte das Gaupersonalamt Ende 1941, "und wie man sich wieder in die alten, längst überwunden geglaubten Zeiten, in denen die Einheirat in gewisse sog. bessere Kreise ohne weiteres den Anspruch auf eine hervorgehobene Stelle gab, zurückversetzt fühlt." 202 Andererseits trat Straub 1937 in die NSDAP ein, wurde politisch und weltanschaulich "gut" benotet und arbeitete mit den Parteistellen im allgemeinen "vorbildlich" zusammen. "Ablösung nicht vordringlich," lautete daher das Urteil, "ist jedoch durchzuführen, sobald geeigneter Ersatz vorhanden. " 203 Der fand sich bis 1945 nicht. Ein ungleich schärferes NS-Profil legte sich der neue Polizeireferent Dr. Kurt Bader (1899-1962) zu. Als studentischer Freikorpsmann hatte der Weltkriegsteilnehmer im März 1920 an der Kapp-Lüttwitz-Revolte in Berlin teilgenommen und anschließend mitgeholfen, die Rote Ruhrarmee niederzuwerfen. Unmittelbar danach war der Konterrevolutionär als Polizeileutnant in jene Badische Sicherheitspolizei eingetreten, von der sich Minister Remmele im Falle des Falles unbedingte Loyalität versprach.204 Bader war ein Mann so recht nach dem Herzen des einstmaligen Freikorpsoffiziers und Novemberputschisten Wagner und jenes Polizeioberleutnants a.D. Pflaumer, der 1920 zusammen mit ihm bei der Badischen Sicherheitspolizei angeheuert hatte. Am 9. März 1933 übertrugen sie dem Regierungsrat die kommissarische Leitung der Polizeiabteilung, einen guten Monat später wurde er zum Oberregierungsrat ernannt, und bereits am Neujahrstag des folgenden Jahres durfte sich der Pg. und SS-Mann mit dem Titel eines Ministerialrats schmücken.205 Für Kollaborateure dieses Kalibers bot die badische Provinz 201

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Erläuterungen Straubs zum Fragebogen, o.D. [Frühjahr 1946] (STAF, F 20/9, Nr. 1.866, P. 167). Zur Person des protestant. Sohnes eines Landeskommissärs siehe seine Haupt-PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.370/1-5), weitere PA (GLAK, 431, Nr. 6.573; STAF, F 20/9, Nr. 1.866, P. 167), die Doss. des Gaupersonalamts u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, in Nr. 898; ebd., in Nr. 54) u. die EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 197.415). AV v. 29.11.1941 (STAF, D 180/2, Nr. 197.415). Vorhergehendes Zitat: SD-Auskunft v. 29.6.1938 (GLAK, 465c, in Nr. 898). Personalblatt für Personalreferenten des Gauamts für Beamte, o.D. [1938] (GLAK, 465c, in Nr. 898). Beide vorhergehenden Zitate·. Personalblatt der Kreisleitung Karlsruhe v. 6.3.1939 (STAF, D 180/2, Nr. 197.415). Es ist sehr die Frage, ob die bad. Regierung damit tatsächlich über "ein beamtetes Sicherheitsinstrument von größter Loyalität und Zuverlässigkeit" verfügte, welches ihr "als einziger in Süddeutschland das Gewaltmonopol" auch im Falle eines neuerlichen flecAttputsches garantiert hätte (Neumaier 1989, S. 343). Zur organisatorischen Entwicklung dieser Sicherheitspolizei siehe Raíble 1963, 25-36. Beurlaubungen in der badischen Polizei (Führer, Nr. 70, 11.3.1933, 1); Führer, 12.3.1933 (oben, Anm. 193). Die PA des kathol. Ingenieursohnes, Mitglied der Freiburger Verbindung Schwarzwald, habe ich nicht ermittelt; zum Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 5.12.1933

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auf die Dauer keine befriedigenden Entwicklungsmöglichkeiten mehr, und deshalb folgte Bader Mitte 1937 einem Ruf Heydrichs ins Reichsinnenministerium. Dort wußte er sich rasch als rechte Hand des Chefs der Ordnungspolizei zu profilieren; schon im Juni 1938 lobte SS-Obergruppenfürer Daluege ihn als "eine(n) meiner besten Mitarbeiter".206 Ein weiteres Jahr später zum Ministerialdirigenten befördert, durfte der SS-Brigadeführer Bader seit 1943 seine Fähigkeiten in der "Ostmark" als Inspekteur der Ordnungspolizei beim Höheren SS- und Polizeiführer Wien im Range eines Generalmajors der Polizei beweisen. Im Ministerium wirkte Bader zunächst einmal tatkräftig daran mit, die Polizeiverwaltung personell zu einem zuverlässigen Herrschaftsinstrument der NS-Machthaber umzutrimmen.207 In seiner Abteilung traf es den Regierungsrat Hans von Boeckh (geb. 1900). Der Sohn eines badischen Bezirksamtsvorstands, Jahrgangsbester in beiden juristischen Staatsprüfungen, galt als DVP-Sympathisant. Wohl auch deshalb hatte ihn der neue Ressortchef Umhauer (DVP) Anfang Februar 1933 in die Polizeiabteilung seines Hauses beordert. Doch schon am 11. März mußte er dort seinen Schreibtisch wieder räumen.208 Nachdem er einige Monate Bausachen bearbeitet hatte, wurde von Boeckh ins Reichswirtschaftsministerium abgeschoben. Hier brachte er es zwar binnen weniger Jahre zum Ministerialrat, doch dann stagnierte seine Karriere auch dort aus politischen Gründen. Auch die Spitze der Polizeidirektion Freiburg, wo von Boeckh bis Anfang des Jahres Dienst getan hatte, wurde ausgewechselt. Paul Baer (1882-1957) galt als Zentrumssympathisant und wurde 1933 nach Angriffen der Freiburger NSDAP wegen seiner Amtsführung abgelöst, obwohl er als Mitglied der Vereine Deutscher Studenten weit rechts eingeordnet werden durfte; seit 1934/1938 amtierte er als Landrat in Bühl und Rastatt.209 Ihm folgte Karl Dold (1879-1962). Der gehörte als Katholik dem Kösener Korps Rhenania-Freiburg und der DNVP an. 210 Wegen ihrer demonstrativen Distanz zum Zentrumsmilieu erfreuten sich gerade solche Beamte der besonderen Wertschätzung des NS-Regimes.211 Dold war im August 1919 vom frischernannten Innenminister Remmele gemaßregelt worden, nachdem der Offenburger Arbeiterrat politische Beschwerde über den damaligen Amtmann geführt hatte. Trotzdem wurde der konservative Beamte seit 1927 als Landrat ein-

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(GLAK, 233, Nr. 24.381), seine SS-PA u. andere NS-Unterlagen im Β ABZ sowie die EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 217.617). Beförderungsvorschlag Dalueges an den RFSS u. Chef der deutschen Polizei Himmler, 24.6.1938 (BABZ, SS-PA K. Bader). Vgl. Grill 1983, 260f. Führer, 12.3.1933 (oben, Anm. 193). Zum Werdegang des protestant. Einser-Juristen siehe seine Rest-PA (STAF, F 20/9, Nr. 191, P. 16), die Mdl-EA v. 1.2.1933 u. 6.3.1933 (GLAK, 233, Nr. 24.449) u. die EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 37.218). Zum Werdegang des kathol. Hoteliersohnes siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 44-51; GLAK, 235, Nr. 34.782) u. die EntnazA mit NS-Unterlagen (STAF, D 180/2, Nr. 305); ferner Strobel 1972, 69f. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des Gastwirt- und Hoteliersohnes, Mitglied des Freiburger Korps Rhenania, siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/36, Nr. 1.340/1-6) u. das BNDSJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 1.765); ferner Götz 1971, 69. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Vgl. etwa den Fall des württ. LRs. Eitel (Kap. m , mit Anm. 18ff.).

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gesetzt - allerdings wohl nicht zufällig in zwei der kleinsten Amtsbezirke. Die Nationale Revolution brachte ihm sogleich einen Kanieresprung, obwohl er erst 1940 zur NSDAP fand. Seit März 1933 koordinierte er als kommissarischer Polizeidirektor in Freiburg die Zerschlagung der Arbeiterbewegung im Südbadischen. Das erledigte Dold offenbar so professionell, daß er Ende des Jahres zum Landeskommissär in Karlsruhe befördert wurde. Sein Nachfolger in Freiburg wurde ein Mann des neuen Ministerialdirektors Jakob Bader. Günther Sacksowsky, Veteran der rechtsextremen Freischar Damm, hatte im Frühjahr 1933 besonders rasch die Zeichen der neuen Zeit erkannt und sich schon der NSDAP wie der SS angeschlossen, als die Jahrgangskollegen noch Bedenken wälzten.212 Als einer aus dieser Gruppe, Dr. Wilhelm Heim, Mitte 1934 vom Polizeidirektor in Pforzheim zum Polizeipräsidenten in der Landeshauptstadt befördert worden war, schickte Bader mit Kurt Wehrle einen weiteren Kollaborateur der ersten Stunde nach Pforzheim.213 Nachfolger Wehries als persönlicher Sekretär des Innenministers Pflaumer wurde Friedrich Brust. Der Alte Kämpfer aus Heidelberg hatte schon vor 1933 als Adjudant des SA-Standartenführers Pflaumer gewirkt. Als Nachfolger des Ministerialreferenten und NS-Gauamtsleiters Schindler nahm Brust ausdrücklich auch die Funktion eines Verbindungsmannes zwischen Gauleitung und Innenministerium wahr. Im Gegensatz zu seinem Stuttgarter Pendant wurde der beurlaubte Postsekretär jedoch nicht als planmäßiger Beamter in die Innenverwaltung übernommen. Zwar stellte Pflaumer im Mai 1937 den Antrag, den Ministerialreferenten zum Regierungsrat zu ernennen, doch im Oktober wurde Brust als Gauinspekteur hauptamtlich bei der NSDAP-Gauleitung eingestellt.214 So blieb der badische Gebietsjugendführer der HJ, Fritz Enderle (geb. 1906), neben Gestapo-Chef Berckmüller und Polizeipräsident Engelhardt der einzige NS-Außenseiter, der im höheren Dienst der badischen Innenverwaltung planmäßig angestellt wurde. 2is Brust scheint seinen Schreibtisch im Innenministerium behalten zu haben,216 ohne dort allerdings ständig präsent zu sein. Zur gleichen Zeit, als der Gauamtsleiter Stümpfig in Stuttgart die personalpolitische Schlüsselstellung des Kanzleidirektors einnahm, lockerten sich also die persönlichen Bindungen zwischen Gauleitung und dem Innenressort in Karlsruhe 212 213 214

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Dazu und zur Person siehe oben, mit Anm. 169. Zur Person siehe oben, mit Anm. 186. Zum Werdegang des protest. Postassistentensohnes siehe den Mdl-EA v. 14.5.1937 (GLAK, 236, Nr. 29.262) u. seine NSDAP-PA (BABZ). Zur seiner Funktion als Verbindungsmann der Gauleitung siehe das Verabschiedungsschr. Mdl Pflaumers an seinen Vorgänger Schindler v. 15.11.1934 (GLAK, 236, Nr. 29.262). Zu dessen Person siehe unten, mit Anm. 230. Zum Werdegang Enderles, der ein Maschinenbaustudium in Karlsruhe abgebrochen hatte, siehe seine PA (GLAK, 233, Nr. 24.600). Der Alte Kämpfer (1.12.1929) war 1935 als Vertrauensmann der HJ-Fühnmg beim bad. Landesjugendamt ins Mdl gekommen; planmäßig angestellt wurde er erst im Frühjahr 1942. Zur Person Berckmüllers u. Engelhardts siehe unten, mit Anm. 253 u. 302f. Vgl. die Erklärung des ehemaligen RegDir August Schneider v. 9.4.1947 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.513, Bl. 301): "[...] wie ich auch eine mir von dem Sekretär des Ministers, Brust, im Dienstzimmer übergebene Erklärung zum Kirchenaustritt nicht beachtete".

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weiter. 217 Reichsstatthalter Wagner besaß eben eine ungleich stärkere Stellung in seinem Gau als sein Amtskollege Murr in Württemberg-Hohenzollern, und er vertraute offensichtlich darauf, die staatliche Bürokratie mithilfe seines Parteiapparates von außen steuern zu können218 - ein wesentliche Ursache für die andauernden Querelen zwischen Gauleitung und Innenministerium, welche in dieser Form im Nachbarland nicht feststellbar sind. Zurück zu den Spitzenbeamten des Innenressorts. Für den SS-Karrieristen Kurt Bader rückte bezeichnenderweise ein Laufbahnbeamter nach, der zwar - wie Ministerialrat Straub - beste Qualifikationen und höchste Kriegsauszeichnungen, nicht jedoch ein NSDAP-Parteibuch vorweisen konnte. Der CV-Korporierte und frühere Zentrumsanhänger hatte sich aber als langjähriger Mitarbeiter der Polizeiverwaltung - unter anderem leitete er von 1929 bis 1933 die Politische Polizei - eine "umfassende und gründliche Sach- und Personalkenntnis" auf diesem zentralen Aufgabengebiet der Innenverwaltung erworben.219 Darauf glaubte Minister Pflaumer nicht verzichten zu können. Am 20. April 1933 holte er den Spezialisten aus dem Anfang März von Wagner verordneten Zwangsurlaub zurück, später brachte er dessen Beförderung zum Oberregierungsrat durch, und 1937 gelang es ihm, den Mann mit "System"-Vergangenheit zum Polizeireferenten ernennen zu lassen. Alles dies ließ die Gauleitung geschehen, doch als Pflaumer seinen Abteilungsleiter 1940 zum Ministerialrat vorschlug, stieß er im Straßburger Gauhaus auf Granit. Erst nachdem sein Personalsachbearbeiter auf dem erneuerten Antragsformular wider besseres Wissen "Parteianwärter" eingetragen hatte, gelang es, Schneider wenigstens als Regierungsdirektor durchzubringen. Als Referatsleiter und ständiger Stellvertreter wurde Schneider 1939 ausgerechnet ein früherer Kollege aus der Polizeiabteilung zugeteilt, der das Haus 1933 aus politischen Gründen hatte verlassen müssen. Dr. Alfred Schühly (1889-1977), ein engagierter Zentrumsmann, war Ende Dezember 1932 zum Ministerialrat befördert worden und sollte zum 1. Mai 1933 die Leitung der Landwirtschaftsabteilung von Dr. Ernst Klotz (1873-1944) übernehmen.220 Der Karlsruher DVP-Vorsitzende war im Zuge dieses Revirements zum Oberverwaltungsgerichtsrat ernannt worden. 221 Als Kompensation hatte seine Partei den Oberregierungsrat Dr. Hugo 217 218 219

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Vgl. Roser/Spear 1993, 85-96. Vgl. Hüttenberger 1969, 82. Mdl-EA v. 20.4.1936 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.151, PA Mdl Baden, Bl. 161-165). Zum Werdegang des kathol. Landwirtsohnes, Mitglied der Freiburger CV-Verbindung Hercynia und seit 1925 Vorsitzender, dann Ehrenvorsitzender des Karlsruher Sport-Clubs (KSC), siehe seine Haupt-PA (ebd.), verschiedene andere PA (STAF, F 20/9, Nr. 1.641-1.642; GLAK, 233, Nr. 24.645; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.509/1-2) u. einen Lebenslauf v. 1945 (GLAK, 76, Nr. 13.012); ferner BB I 1982, 239f.; vgl. Schneider 1970/71. Zum Werdegang des Bauratsohnes, 1927-1933 Zentrumsmitglied und bis zu dessen Verbot 1938 Angehöriger des Kathol. Akademikerverbandes, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.562; GLAK, 239, Nr. 11.211) sowie die Doss. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, in Nr. 933) u. des Gaupersonalamts in den EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 5.415); femer Hollerbach 1977; Kirchberg 1982, 46-48, 122; demnächst auch meine Kurzbiogr. in den BWB. Zum Werdegang des protestant. Hauptlehrersohnes, Angehöriger der Freiburger Verbindung Albingia und Pg. seit 1933, siehe seine PA (GLAK, 234, Nr. 2.634; 239, Nr. 11.200; 431,

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Freiherr von Babo (1885-1948) für die freiwerdende Ministerialratsstelle an der Spitze der Gesundheits- und Fürsorgeabteilung nominiert. Zusammen mit Schühly war er ebenfalls zum 1. Mai 1933 ernannt worden.222 Doch daraus wurde nichts. Nachdem die beiden Regierungsparteien von der Nationalen Revolution überrollt worden waren, annullierten die neuen Herren kurzerhand die Emennungen ihrer Vorgänger.223 Schühly und von Babo folgten Klotz zum Verwaltungsgerichtshof. Einmal mehr mußte diese renommierte Institution - wie in Württemberg - als gehobene Abschiebestation herhalten.224 1934 und 1936 trafen dort auch die ausrangierten Landräte Dr. Karl Häußner (1882-1955) und Dr. Max Dittler (1881-1964) ein. 225 Während Schühly sich konsequent von der NSDAP fernhielt, gelierte der erprobte Opportunist von Babo - in die DVP war er erst 1932 im Vorfeld seiner Beförderung eingetreten - sich nachgerade als Karikatur eines "Maiveilchens".226 Darob selbst bei der Gauleitung nicht für voll genommen, blieben seine Aspirationen auf eine Beförderung zum Reichsdienststrafhof unerfüllt. Nach dem unfreiwilligen Abgang des Freiherrn von Babo ging die Leitung der Gesundheits- und Fürsorgeabteilung am 1. Mai 1933 von Ministerialrat Karl Arnsperger (1870-1934)227 an den NS-Sonderkommissar Dr. Theodor Pakheiser über. Der Heidelberger Hautarzt, ein "Alter Kämpfer", erwarb sich alsbald höchstes Lob seines Ministers, weil er seine Abteilung vorbildlich "im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung" führte und Baden 1933/34 zum Vorreiter der Zwangssterilisation im Reichsmaßstab machte.228 Übrigens nur ein Beispiel

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Nr. 6.382) u. seine VA (GLAK, 466, Nr. 10.493); ferner Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 194; Kirchberg 1982, 49f„ 68. Zum Werdegang des bis 1934 kathol., dann zu den Deutschen Christen übergetretenen Mitglieds der Heidelberger Verbindung Ripuaria, dessen Vater das GroBherzogliche Geheime Kabinett geleitet hatte, siehe seine PA (GLAK, 239, Nr. 11.191; 466, 1978/31, Nr. 166; HSTAS, EA 2/150, Bü. 22) sowie die Doss. des Gaupersonalamts u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, in Nr. 1.022 u. 305); ferner Kirchberg 1982, 46-48, 106, 123, 154. "Rechtsgrundlage" der Stornierung war die von R. Wagner vollzogene VO des StMin Beauftragter des Reichs - über die Beförderung, Ernennung und Versetzung der Beamten v. 28.3.1933 (BGVB1., Nr. 17, 29.3.1933, 51; Karlsruher Ztg., Nr. 75, 29.3.1933), die in Art. I festlegte: "Sämtliche Beförderungen [...], welche vor dem 12. März 1933 ausgesprochen sind und erst an einem nach dem Tag der VerkSndung dieser VO. liegenden Zeitpunkt wirksam werden sollten, werden hiermit aufgehoben. " Vgl. Kirchberg 1982, 45f., 69. Häußner war nach Zusammenstößen mit dem berüchtigten KreisL Boos im September 1934 zunächst von Lörrach zum Oberversicherungsamt Konstanz abgeschoben worden. Zum Werdegang des (bis 1927) protestant. Gymnasialdirektorsohnes, Angehöriger der Heidelberger "schwarzen* Verbindung Rupertia und 1929 bis Juni 1932 DVP-Mitglied, siehe seine PA (GLAK, 239, Nr. 11.198; 466, 1979/2, Nr. 2.693/1-4); ferner Kirchberg 1982, 68-70, 123 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Dittlers siehe Kap. III, mit Anm. 61. Kirchbergs (1982, 154) Charakterisierung von Babos als "wohl insgesamt linientreueste(s) richterliches Mitglied des VGH" wird durch den Inhalt der NS-Doss. nachdrücklich bestätigt. Die PA des protestant. Obermedizinalratsohnes, Mitglied des Tübinger Korps Rhenania, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (GLAK, 466, Nr. 4.613). Mdl-EA v. 26.4.1934 (GLAK, 236, Nr. 29.262). Die PA des protestant. Mannheimer Industriellensohnes - er gehört als Arzt nicht zu meiner Untersuchungsgruppe - habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (GLAK, 466, Nr. 20.680a), ein Doss. des Gaupersonalamts mit Lebenslauf (GLAK, 465c, in Nr. 889), die SS-PA u. andere Parteiunterlagen (BABZ). Der

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von vielen dafür, daß aus der perjona/politischen Rücksichtnahme, welche die NSRessortchefs in Karlsruhe und Stuttgart (notgedrungen) auf die traditionellen Eliten nahmen, mitnichten gefolgert werden darf, es habe sich bei ihnen auch in Sac/ifragen um sogenannte "gemäßigte Nazis" gehandelt. Der zusammen mit von Babo und Schühly frischernannte Leiter der wichtigen Kommunalabteilung, Dr. Ernst Walz (1888-1966), durfte zwar vorerst im Amt bleiben. 2 2 9 Reichskommissar Wagner stellte dem langjährigen DVP-Mitglied jedoch seinen NSDAP-Gauamtsleiter für Kommunalpolitik, Rudolf Schindler, als Kontrolleur und Organisator der NS-Machtergreifüng auf kommunaler Ebene zur Seite. 2 3 0 Nachdem Walz mitgeholfen hatte, die Gleichschaltungsaktion in juristische Formen zu gießen, wurde der Nicht-Pg. Mitte 1935 zum Rechnungshof abgeschoben und zwei Jahre später in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 231 Sein Kollege und Parteifreund Dr. Eugen Imhoff (1876-1951) wurde ebenfalls belassen, weil die NS-Landesregierung sein Fachwissen als Wohnungsbauexperte für ihr "Wiederaufbauprogramm" dringend benötigte. Seine Beförderung zum Ministerialdirektor scheiterte indessen 1938 an politischen Vorbehalten, obwohl er sich 1937 vorsorglich der N S D A P angeschlossen hatte. 232 Daraufhin wurde Imhoff als Präsident zur Badischen Gebäudebrandversicherungsanstalt

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spätere SS-Hauptsturmführer ging Anfang 1937 als Hauptstellenleiter im Hauptamt für Volkswohlfahrt zur NSDAP-Reichsleitung nach München. Zu seinem unheilvollen Wirken, das von dem - angeblich gemäfiigten - Mdl Pflaumer beifällig gewürdigt wurde, siehe Bock 1986, 247-253; Schäfer 1991; vgl. Billmaier 1991/92. Pakheisers Nachfolger, sein bisheriger Stellvertreter Dr. med. Ludwig Sprauer (1884-1962), erwarb sich später ebenso ungehemmt "Verdienste" um die organisatorische Durchführung der "Euthanasie"-Morde in südwestdeutschen Heilanstalten; siehe dazu Die Ermordeten 1945, passim; Faulstich 1995, 65. Zum Werdegang des kathol. Mitglieds der Heidelberger Burschenschaft Teutonia siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.163/1-5; HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.670). Zum Werdegang des protestant. Chemikersohnes, der keiner Korporation angehörte, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.824; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.876/1-2), das Doss. des Gaupersonalamts (GLAK, 465c, in Nr. 418) u. die WiedergA (GLAK, 480, EK, Nr. 14.051); ferner Schoen 1967; Reutter 1994, 65; Paul Feuchte, Kurzbiogr. (Ms.; erscheint in: BWB II). Zu Walz' Tätigkeit in der Kommunalabtlg. des Mdl und seinem Verhältnis zu Ministerialreferent Schindler siehe Roser 1996. Aufschiußreich dazu die SprKA Schindlers (GLAK, 465a, Az. 51/68/576). Zum Werdegang des 1902 geborenen Versicherungskaufmanns, Sohn eines ORegRs, der 1936 zum Präs. des Bad. Sparkassen- u. Giroverbands und kurzzeitig auch des Bad. Gemeindeversicherungsverbands ernannt wurde, siehe verschiedene Unterlagen im BABZ; ferner Führerlexikon 1933/34, 414; vgl. das Verabschiedungsschr. Mdl Pflaumers v. 15.11.1934 (GLAK, 236, Nr. 29.262). Zu Schindlers Tätigkeit seit 1933 siehe Roser/Spear 1993, 80-96. Zur Gleichschaltung der bad. Gemeinden unter Beteiligung des Gauamtes für Kommunalpolitik siehe Grill 1983 , 278-294; Hourand 1985; Roser/Spear 1993, 85-96; vgl. die materialreiche Fallstudie von Roser 1991 (Neckargemünd). Nach den "Nürnberger Gesetzen" von 1935 wurde Walz als sog. "Vierteljude" diskriminiert. Zum Werdegang des kathol. Apothekersohnes, Angehöriger des Heidelberger Corps Suevia, der 1926 von der DDP zur DVP gewechselt war, siehe seine PA (GLAK, 431, Nr. 6.751; 466, 1979/2, Nr. 3.588) u. das Doss. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, in Nr. 587); ferner Suevia-HD, 1935b, 134, Nr. 809 sowie meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. BB IV.

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abgeschoben. Dieser "völlig unpolitische Geschäftsbereich"233 war ursprünglich dem Abteilungsleiter für Handel und Gewerbe, Dr. Gustav Keller (1878-1955), zugedacht gewesen. So blieb der hochqualifizierte Beamte als einziger Ministerialrat von 1933 bis 1945 im Amt.234 Allerdings entstammten seine zwischenzeitlich neuberufenen Kollegen ausnahmslos dem Korps der höheren Verwaltungsleute. Die Institution des "politischen Beamten" preußischer Prägung blieb in der badischen wie in der württembergischen Innenverwaltung während der NS-Herrschaft unbekannt. Gleichwohl machten die neuen Machthaber in Baden auch einige höhere Beamte der Innenverwaltung ausfindig, auf die sich die verschiedenen Bestimmungen des nationalsozialistischen Säuberungsgesetzes anwenden ließen.235 An erster Stelle die beiden Regierungsräte jüdischer Abkunft Dr. Herbert Fuchs (geb. 1901) und Dr. Marcel Nordmann (1890-1948) bei den Bezirksämtern Konstanz und Karlsruhe. Fuchs ahnte wohl, daß es das NS-Regime nicht dabei belassen werde, ihresgleichen willkürlich die beruflichen Existenzgrundlagen zu rauben. Er ging nach seiner Entlassung gemäß § 3 BBG Mitte 1933 sofort in die Emigration; das ehemalige SPD-Mitglied Nordmann folgte ihm 1938236. Ebenfalls ohne Pension entlassen wurden als "Parteibuchbeamte" gemäß § 2 BBG drei aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangene Regierungsräte, die nach dem Krieg als sozialpolitische Experten im neuerrichteten Arbeitsministerium angestellt und nach dessen Auflösung 1924 mit ihren Abteilungen vom Innenministerium übernommen worden waren. Allerdings wurden Paul Hurschig (SPD) und der Zentrumsabgeordnete Valentin Eichenlaub bereits nach wenigen Monaten wieder in untergeordneten Positionen des mittleren Verwaltungsdienstes beschäftigt; Remmeles langjähriger Sekretär Hermann Stenz (SPD), der 1933/34 ein Jahr im 233

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Bad. Gebäudebrandversicherungsanstalt (gez. Präs August Schneider) an Mdl Fritz Ulrich, 7.1.1954 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.513, Qu. 17). Imhoff selbst betonte rückblickend, auf dieses gutdotierte "sogen, tote Geleis" seien "auch in früheren Jahren immer ältere verdiente Ministerialräte versetzt" worden; "eine Zugehörigkeit zur Partei spielte dabei keine Rolle"; siehe sein Sehr, an den Öffentl. Kläger bei der Spruchkammer Karlsruhe, 27.12.1946 (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 3.588). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Geheimen Justizrats aus dem Elsaß, Angehöriger des Marburger Korps Suevia-Straßburg und 1897-1918 Mitglied der Nationalliberalen Partei, siehe seine PA u. VA (GLAK, 466, 1979/2, Bü. 3.832; 466, Nr. 10.125) sowie das BNSDJ/NSRB-Doss.; femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Über die Behandlung der von den KreisL u.a. NS-Stellen namhaft gemachten Fälle entschieden in Baden seit der Ernennung Wagners zum RStH am 5.5.1933 die Ressortchefs - ohne Zwischenschaltung einer zentralen Prüfungsstelle nach württ. Vorbild - in Abstimmung mit dem RStH. Zur praktischen Durchführung der Säuberungsaktion siehe Merz 1985, 276-293; ferner eingehend Roser 1996. Fuchs' PA habe ich nicht ermittelt; zum Werdegang und Schicksal siehe aber seine Standesliste (STAF, A 96/2, Nr. 378) sowie seine Entschädigungs- und WiedergA (STAF, C 15/1, Nr. 529; GLA, EK, Nr. 8.803); irrefiihrend die Kurzbiogr. von Götz 1971, 75. Der Vater des Beamten war vermögender Fabrikant, belgischer Konsul und bis 1933 Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats. Zum Werdegang des Rechtsagentensohnes Nordmann siehe seine Nachkriegs-PA (STAF, F 20/9, Nr. 1.375, P. 127/1) u. WiedergA (STAF, C 15/1, Nr. 724) sowie die Mdl-EA v. 15.10.1927 u. 21.3.1929 (GLAK, 233, Nr. 24.448); femer Götz 1971, 93.

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

badischen Konzentrationslager Kislau zubringen mußte, erhielt widerruflich eine kleine Rente zugesprochen.237 Eichenlaub wurde übrigens aufgrund einer Abrede wieder eingestellt, die Gauleiter Wagner im Vorfeld der Landtagsabstimmung über das badische Ermächtigungsgesetz am 9. Juni 1933 mit dem Vorsitzenden der Zentrumsfraktion im badischen Landtag getroffen hatte238. Auch sein Fraktionskollege Dr. Wolfgang Hoffmann, Regierungsrat beim Bezirksamt Freiburg, profitierte von der relativen Rücksichtnahme, welche die Nationalsozialisten der katholischen Kirche und dem Zentrum zunächst angedeihen ließen: "Von einer Entlassung nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums [...] wurde bei Hoffmann im Jahre 1933 nur deshalb abgesehen," stellte das Innenministerium drei Jahre später fest, "weil er Landtagsabgeordneter war und gegen Abgeordnete auf höhere Weisung nichts unternommen werden sollte."239 Solche Gesichtspunkte spielten später keine Rolle mehr, und so wurde der ehemalige Vertreter des Zentrums beim badischen Reichsbanner Schwarz Rot Gold im Januar 1937 "krankheitshalber" zwangspensioniert, nachdem er in den Jahren zuvor mancherlei dienstliche Schikanen hatte erdulden müssen. Die Regierungsräte August Albert und Anton Weißmann bei der Pressestelle des badischen Staatsministeriums im Innenministerium wurden nicht als "Parteibuchbeamte", sondern gestützt auf § 4 BBG wegen politischer Unzuverlässigkeit entlassen. Albert mußte sich mit einem geringen Übergangsgeld begnügen; der SPD-Landtagsabgeordnete Weißmann erhielt eine gekürzte Pension zugebilligt, die im Laufe der Jahre gnadenhalber auf den vollen Satz aufgestockt wurde. Schlechter erging es Regierungsrat Dr. Hellmut Hillengaß (SPD) bei der Polizeidirektion Pforzheim240. Er wurde am 4. Mai gemäß § 4 BBG, jedoch ohne Pensionsanspruch entlassen. Sein Fall zeigt im übrigen, wie stark die personalpolitischen Sanktionen im Einzelfall von subjektiven Momenten abhängig waren. Der Heidelberger Polizeidirektor Heinrich Athenstaedt (DDP) etwa wurde von Ministerialdirektor Jakob Bader, seinem bisherigen Mannheimer Amtskollegen, vor der Entlassung bewahrt und stattdessen "krankheitshalber" pensioniert.241 Immerhin hatte der Heidelberger Polizeidirektor wenige Jahre zuvor - auf dem gleichen Wege - für die Entfernung jenes Polizeioberleutnants Pflaumer gesorgt, der nun das Amt des Innenministers bekleidete. Hillengaß aber erfuhr auch nach Jahren keine Milde. Innenminister Pflaumer und Reichsstatthalter Wagner 237 238

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Zu den genannten und den nachstehenden Personen siehe Kap. I. Mdl (gez. Imhoff) an Finanz- u. Wirtschaftsmin., 8.8.33 (GLAK, 233, Nr. 24.381). Zur Abstimmung und ihrer Vorgeschichte siehe Rehberger 1966, 125-133; zur Haltung des Zentrums siehe ebd., 13 lf. Mdl (gez. Dr. Keller) an StMin., 11.8.36: Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung von RegR Dr. Wolfgang Hoffmann (GLAK, 233, Nr. 24.450). Hillengaß, seit 1945 PolDir in Heidelberg, wurde wie die anderen genannten Beamten vom StMin. - Der Beauftragte des Reichs - auf Antrag des Mdl - Der Kommissar des Reichs - entlassen; siehe die einzelnen Vorgänge in GLAK, 233, Nr. 24.381 u. 24.449. Beide Ämter bekleidete GauL Wagner. Zur Person siehe Kap. I, mit Anm. 227. Zum Werdegang des protestant. Mitglieds des Corps Suevia-Freiburg siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 151) u. WiedergA (GLA, EK, Nr. 5.829); femer Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 439.

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weigerten sich kategorisch, seine wiederholten Gesuche um Wiederbeschäftigung als Angestellter auch nur zu prüfen, und Ministerialdirektor Bader machte keinerlei Anstalten, für ihn einzutreten.242 Sein Kollege und früherer Genösse Egon Fritz (1903-1959) hingegen wurde lediglich zum Oberversicherungsamt Karlsruhe versetzt, bis es dem Innenministerium 1938 gelang, ihn in die außerbadische Sozialverwaltung abzuschieben.243 Und mit Dr. Otto Esaù (geb. 1879), der als Regierungsrat beim Oberversicherungsamt Karlsruhe arbeitete, entging ein weiterer Sozialdemokrat den Sanktionen des BBG. Der ReichsbannerFunktionär wurde unter Berufung auf die Haushaltsnotverordnung vom 9. Oktober 1931, mit deren Hilfe vor 1933 einige NS-Protagonisten aus dem badischen Staatsdienst entfernt worden waren, vorzeitig in den Ruhestand geschickt.244 Bei der im Herbst 1933 getroffenen Entscheidung schließlich, fünf Regierungsund Oberregierungsräte vom Warte- in den Ruhestand zu versetzen, spielten wie in Württemberg politische Erwägungen offensichtlich keine ausschlaggebende Rolle.245 Das gilt offenbar auch für einen weiteren Regierungsrat beim Oberversicherungsamt Karlsruhe, der bereits 1931 nur um Haaresbreite der Entlassung wegen privater und dienstlicher Verfehlungen entgangen war und nun gemäß § 4 BBG enüassen wurde.246 Der mehrfach verlängerte § 6 BBG diente dem Innenministerium allerdings noch dazu, sich im September 1937 mit Wilhelm Budzinski (geb. 1901) eines Beamten zu entledigen, der als Regierungsrat beim Bezirksamt Waldshut nicht nur dienstlich mit dem dortigen Landrat Hofheinz aneinandergeraten war, sondern darüber hinaus auch noch als Katholik Zweifel an seiner weltanschaulichen und politischen Loyalität hatte aufkommen lassen - allerdings erst, nachdem es nicht gelungen war, ihn nach dem Vorbild seines Kollegen Fritz an ein preußisches Oberversicherungsamt abzuschieben.

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Siehe dazu die Korrespondenz v. Juni-Oktober 1937 (GLAK, 233, Nr. 24.450). Zum Werdegang des kathol. Sohnes eines Geschäftsmannes, unter dem Namen "Vietta" auch als Schriftsteller aktiv, siehe seine Rest-PA (GLAK, 466, 1978/36, Nr. 2.014/1-2). Die PA des protestant. Sohnes eines Gymnasialprofessors, Mitglied der Heidelberger Verbindung Ripuria, habe ich nicht ermittelt; siehe aber dai Mdl-EA v. 29.7.1931 (GLAK, 233, Nr. 24.449), sein BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, in Nr. 302) u. die WiedergA (STAF, C 15/1, Nr. 494); femer Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 439. Als Nicht-Pg. saß Esaù Ende der vierziger Jahre einer Freiburger Spruchkammer vor. Es waren dies: der kathol. Baunitsohn RegR Gustav Bleyer, Mitglied der Verbindung StauffiaHeidelberg (PA: STAF, A 96/2) ; RegR Friedrich Hardeck (1872-1941) (VA: GLAK, 466, Nr. 8.436; vgl. Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 136); ORegR Dr. Gustav Hecht (18721959; protestant.) (VA: GLAK, 466, Nr. 8.566; NSRB-Doss.: GLAK, 465c, in Nr. 1.131; vgl. Götz 1971, 79); RegR Walter Schmitt (geb. 1869) (Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 324); RegR Karl Wiedemann (1878-1936) (VA: GLAK, 466, Nr. 19.297; vgl. Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 441). Zurruhesetzungserlasse der Genannten v. September 1933 siehe GLAK, 233, Nr. 24.141. Siehe die PA des 1890 geborenen, kathol. Landwirtsohnes (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 5.459).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Jagdszenen im Badischen Wenige Wochen zuvor war im übrigen auch ein regimeinterner Machtkampf mithilfe des auslaufenden Berufsbeamtengesetzes ausgetragen worden. Die Kontrahenten im Ring waren der Karlsruher Polizeipräsident und vormalige Regierungsrat in der Innenverwaltung, Dr. Wilhelm Heim (1900-1942), und der Sachbearbeiter des Innenministers für die Personalangelegenheiten des höheren Dienstes, Oberregierungsrat Dr. August Herbold (1905-1976). Im Hintergrund standen auf der einen Seite der Gauleiter und Reichsstatthalter Wagner und sein Innenminister, SS-Oberführer Pflaumer, auf der anderen Seite der Führer des SS-Oberabschnitts Südwest, Gruppenführer Kurt Kaul mit seinem SD-Chef, Reichsstudentenführer Dr. Gustav Adolf Scheel. Der Fall wies alle Ingredienzen einer jener Kabalen auf, die hinter der Fassade des monolithischen Führerstaates gang und gäbe waren: persönliche Rankünen, gegenseitige Denunziationen, wechselnde Koalitionen, Inszenierung von Stellvertreterkriegen, Mißbrauch staatlicher Institutionen, Instrumentalisierung verquerer Moralkodices247 und so fort. Im Kern reduzierte sich der Schlagabtausch auf einen Konkurrenzkampf zwischen zwei Machtzentren des NS-Führerstaates: die altgedienten Gauleiter mit ihrer unmittelbar von Hitler bezogenen Legitimation und jenem SS-Komplex, der mit wachsendem Erfolg die Institutionen des Führerstaates systematisch zu durchdringen trachtete.248 Und deshalb verdient er es, näher betrachtet zu werden. Regierungsrat Heim hatte - wie berichtet - im Frühjahr 1933 einige Skrupel überwinden müssen, bevor er sich der NSDAP an Schloß.249 Dies vor allem mit Blick auf seinen ferneren Karriereverlauf. Wer konnte schon ahnen, daß sich die "Nationale Revolution" binnen kurzem derart total durchsetzen würde, daß eine Revanche der "System"-Politiker nicht mehr befürchtet zu werden brauchte. Unter der Ägide des SPD-Ministers Remmele hatte die Laufbahn des fachlich begabten, gesellschaftlich gewandten Aufsteigers aus kleinen Verhältnissen auch deshalb einen guten Auftakt genommen, weil er seine rechtsmilitante Vergangenheit als Mann der Organisation Escherich sorgsam hinter einem Vorhang republikanischer Loyalität verborgen hielt. Privat indessen war der Teutone Heim seit Ende der zwanziger Jahre zusehends nach rechtsaußen abgedriftet. Allein schon durch den Kontakt mit der Verwandschaft seiner Ehefrau, deren Eltern und nächste Angehörige durchweg Träger des Goldenen Parteiabzeichens mit fünfstelligen Mitgliedsnummern waren. Und als die NSDAP auch in Baden zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft mit Machtperspektive herangewachsen war, hatte der Regierungsrat beim Polizeipräsidium Mannheim deren Gauleitung über einen 247 248

249

Vgl. zu letzterer Koch 1995. Zur prekären 'Äquilibristik des Machtgefüges" von Gauleitern und SS siehe Hüttenberger 1969, 174f.; vgl. Düwell 1996, 170. Zur Stellung der Gauleiter siehe zuletzt Ziegler 1996; vgl. Ruck 1996. Zum Vordringen des "SS-Staates* siehe Ruck 1993b, 44ff. (mit weiteren Hinweisen). Dazu und zur Person siehe oben, mit Anm. 167f.

Jagdszenen im Badischen

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Freund, den Reichstagsabgeordneten Johannes Rupp, mancherlei nützliche Informationen zugespielt. Das wurde ihm, wie seinem Kollegen Walter Schäfer in Karlsruhe,250 nach der Machtergreifung sogleich entgolten. Noch am 9. März 1933 kam Heim anstelle des DDP-Mannes Pfister als kommissarischer Leiter der Polizeidirektion nach Pforzheim. Dort "bewährte" er sich im Sinne seiner Auftraggeber so sehr, daß ihm schon im Sommer 1934 der herausgehobene Posten des Polizeipräsidenten in der Gauhauptstadt Karlsruhe übertragen wurde. Hier hatte es sein Bruder Dr. Friedrich Heim mittlerweile zum Ersten Staatsanwalt und SD-Außenstellenleiter gebracht. Auch Wilhelm Schloß sich nun der SS an und setzte mit Erfolg alle seine gesellschaftliche Routine daran, in deren Kreisen festen Rückhalt zu finden. Doch im Dschungel der NS-Polykratie konnte man nie umsichtig genug sein, und so begann das Geschwisterpaar zwecks präventiver Absicherung seiner Positionen allerlei kompromittierendes Material über die badische NS-Führungsclique zusammenzutragen. Dies alles blieb dem Innenminister nicht lange verborgen. Mit wachsendem Unwillen beobachtete er den Versuch seines Zöglings, sich dorthin zu orientieren, wo nach der "Verreichlichung" der Polizei und dem Aufstieg Himmlers zum "Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" im beziehungsweise neben dem Reichsinnenministerium machtpolitisch die Musik spielte. Das war der Grund für den Entschluß, Heim aus dem Verkehr zu ziehen. Und ein Anlaß war schnell gefunden: Heim wurde des gewaltsamen Übergriffs auf einen Häftling beschuldigt. Daß der SPD-Reichstagsabgeordnete Ludwig Marum von seinen Gefolgsleuten in Kislau aufgehängt worden war, bekümmerte den "gemäßigten Nazi" Pflaumer nicht erkennbar - wohl aber, daß der Karlsruher Polizeipräsident Heim im Frühjahr 1937 Gelegenheit genommen hatte, sich an einem "ausgehungerten, wehr- und ahnungslosen Hundefänger" - der Untersuchungsgefangene hatte unglücklicherweise den Hund des Präsidenten verspeist - die "Hände (zu) beschmutzen". Nun gehörte zwar das Verprügeln von Delinquenten stadtbekanntermaßen zur alltäglichen Routine der Gebrüder Heim. Doch in diesem speziellen Fall glaubte Pflaumer - "als zuständiger Polizeiminister und Nationalsozialist" - gar nicht umhinzukönnen, die Staatsanwaltschaft auf den "haltlose(n) Mensch(en)" Dr. Heim anzusetzen. Dabei kamen nun, wie Pflaumer scheinheilig betonte, "weitere, mir bislang unbekannte Tatsachen" zum Vorschein, "die ein äußerst trübes Charakterbild der Brüder Heim ergaben".251 Auf der Grundlage dieses Belastungsmaterials gedachte der Innenminister eine Strafverfügung zu erwirken, die für eine Dienstentfernung des Beamten ausreichende Handhabe geboten hätte. Heim indessen spielte nicht mit, denn er fühlte sich unschuldig verfolgt, hoffte wohl auch auf Rückendeckung seitens der SS-Führung und vertraute im übrigen auf seine Dossiers. So kam es zum öffentlichen Eklat: in einem vielbeachteten 250 251

Vgl. Kap. I, mit Anm. 230. Mdl Pflaumer an RFSS - Chef des Persönlichen Stabes -, 7.2.1939 (6ABZ, SS-PA Heim); vgl. dazu die umfangreiche Anklageschrift des Oberstaatsanwalts Karlsruhe - Zweigstelle Pforzheim-v. 14.2.1938 (ebd.).

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Prozeß vor dem Landgericht Karlsruhe wurde Heim am 25. Mai 1938 zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis wegen Notzucht verurteilt. Im Gefolge dessen verlor er kurz darauf alle (Versorgungs-)Rechte aus seinem Beamtenverhältnis. Den Hinweis auf die "Hundedieb-Affäre" hatte übrigens kurz zuvor SSHauptsturmführer Eugen Müller gegeben. Gegen den hatte Heim Anfang 1937 wegen bewaffneten Randalierens in volltrunkenem Zustand ein Strafverfahren eingeleitet und ihm wenig später unter Hinweis darauf einen Jagdschein verweigert. Nun war dieser Rabauke aber Chef der Wache des Reichsstatthalters. Prompt setzte Jagdfreund Wagner den Polizeipräsidenten persönlich unter Druck, doch Heim rückte den Schein nicht heraus. Müller revanchierte sich mit einer hochwillkommenen Denunziation. In diesem Zusammenhang muß ein weiterer Vorfall erwähnt werden, der das ohnehin nie gute252 - Verhältnis des Gauleiters zur SS gerade schwer belastet hatte. Auf Betreiben des Berliner Chefs der Sicherheitspolizei, Reinhard Heydrich, war mit Karl Berckmüller (1895-1961)253 ein enger Weggefährte Wagners aus der Kampfzeit von seinem Chefposten in der Karlsruher Gestapo-Zentrale abgelöst worden. Unter anderem auch deshalb, weil er sich mit dem Karlsruher SD-Führer überworfen hatte - und das war bekanntlich der Bruder des Polizeipräsidenten. Entschlossen wurde die Gunst der Stunde genutzt, um Terrain zurückzugewinnen. Bevor noch aus Berlin Personalvorschläge eintrafen, wurde mit Berckmüllers bisherigem Stellvertreter Walter Späth ein Karrierebeamter aus dem eigenen Hause zum kommissarischen Gestapochef bestellt; ihm folgte 1938 mit Rudi Elchlepp ein weiterer Mann der Innenverwaltung. Während man im Innenministerium dem anmaßenden Veteranen aus der ersten Machtergreifungsphase keine Träne nachweinte, nahm Gauleiter Wagner den Abschuß seines Förderers aus alten Zeiten übel. Die "Jagdschein-Affäre" brachte ihn zusätzlich in Rage, und nachdem ihm Pflaumer weitere Munition geliefert hatte, mußte Heim für seinen Frontenwechsel büßen. Am 30. Juni 1937 verbot ihm der Reichsstatthalter, seine Amtsgeschäfte weiter auszuüben, da er ihn auf eine "unpolitische Dienststelle" zu versetzen gedenke.254 Nur vier Tage später wurde der mißliebige Polizeipräsident dem örtlichen Oberversicherungsamt als zweiter Beamter zugeteilt. Allein schon dies war eine unerhörte Demütigung. Heim nahm sie doppelt schwer, weil als Rechtsgrundlage § 5 BBG herangezogen war - jener "Gesetzesbestimmung" also, "die sonst zur Entfernung von Judenstämmlingen, Judenversippten und Freimaurern" diene.255 Doch damit nicht genug: am 3. September wurde der 37jährige Beamte mithilfe desselben Paragraphen unehrenhaft in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.256 Für den "Unwürdigen" und 252 253

254

Grill 1993, 260. Schadt 1976, 34f. Zum Werdegang des Sohnes eines fallierten Fabikanten, 1921 von der kathol. zur evangel. Kirche übergetreten, siehe seine PA (GLAK, 233, Nr. 27.894) u. seine SSPA (BABZ). Mdl (gez. Pflaumer) an PolPräs Heim, 30.6.1937 (BABZ, SS-PA Heim).

255

Vgl. das Rechtfertigungsschr. Heims an Kaul ("Mein Gruppenführer!") v. 4.9.1937 (BABZ, SS-PA Heim).

256

GLAK, 233, Nr. 24.451.

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"Versager"257 Heim wurde eilends des Gauleiters Intimus Engelhardt, Kreisleiter und Landrat in Konstanz, kommissarisch auf der Karlsruher Schlüsselposition piaziert. 258 Den Hauptschuldigen für alles dieses Unglück hatte Heim rasch ausgemacht. Es war der Personalreferent des Innenministers, Dr. August Herbold. 259 Die beiden hatten sich 1922 in der rechtsextremen Freischar Damm kennengelernt, und 1924 war Herbold auch Teutone geworden. Seidem hatten die beiden Bundesbrüder engen freundschaftlichen Kontakt gehalten. Als eifriger NS-Aktivist war Herbold von der Offenburger NSDAP und der Gauleitung später dafür ausersehen worden, nach dem Abschluß seines Jurastudiums als Parteiloser für das Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt zu kandidieren. Doch die "Nationale Revolution" eröffnete ihm vielversprechendere Perspektiven im Staatsdienst. In den folgenden zweieinhalb Jahren entwickelte sich das Verhältnis der einst kongenialen Männerfreunde zum anschaulichen Beispiel für den Erfahrungssatz, daß es das Sein ist, welches zuvörderst das Bewußtsein prägt. Ob es tatsächlich Heim war, der Herbold 1934 ins Ministerium vermittelt hatte, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls identifizierte der sich von Beginn an voll und ganz mit den institutionellen und personellen Interessen seines Dienstherren. 1935 wurde er als "Verbindungsmann des Ministeriums des Innern"260 in den Karlsruher SS-Stab geschickt, um dort im Sinne seines Ressorts zu wirken. Und im Februar 1936 brachte Pflaumer ihn auch als "Verbindungsmann zur NSDAP" im Gauamt für Beamte unter. 261 Als Stellenleiter der Fachschaft Allgemeine Länderverwaltungen bearbeitete der ministerielle Personalsachbearbeiter dort fortan die Personalsachen der höheren Beamtenschaft - wohl ohne jeweils seinen Schreibtisch dafür zu wechseln. Damit wurde der vielbeschworene Dualismus der NS-Herrschaft auf diesem strategisch bedeutsamen Feld in Herbolds Person zugunsten des Staates aufgehoben, während zu gleicher Zeit in Stuttgart die Partei ihren Verbindungsmann Stümpfig in die Schlüsselstellung des Kanzleidirektors zu hieven vermochte. Nun führte die neue Rollenverteilung dazu, daß sich Herbold immer öfter über den alten Kumpanen Heim ärgern mußte - und zwar in beiden Funktionen. Denn der Polizeipräsident zog im Sinne der SS zunehmend gegen Beurteilungen zu Felde, mit denen Herbold als Amtswalter der Gauleitung die Personalentscheidungen seines Ministeriums politisch flankierte.262 Die Beziehung kühlte sich rasch ab, zumal Herbold Zeit seiner Karriere ausgesprochen pragmatisch257

258 259

260 261

262

So der vormalige Mdl Pflaumer am 17.7.1958 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart (unten, Anm. 326). Am 30.7.1937. Zur Person siehe unten, mit Anm. 302. Die Haupt-PA des protestant. Wagenmeistersohnes sind gegen Kriegsende in Berlin verloren gegangen; siehe aber weitere PA (GLAK, 233, Nr. 24.394; HSTAS, EA 2/150, Bü. 676) u. VA (GLAK, 519, 1989/22, Nr. 162), den Mdl-EA v. 14.10.1937 (GLAK, 233, Nr. 24.394; 236, Nr. 29.262) u. die SS-PA (BABZ); ferner demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB. Mdl-EV (gez. Pflaumer) v. 2.5.1936 (GLAK, 233, Nr. 24.381). Finanz- u. Wirtschaftsmin. (gez. MinPräs Köhler) an StKanzlei, 5.9.1942 (GLAK, 233, Nr. 24.394); zur Ernennung siehe Gauamt für Beamte an StKanzlei, 12.2.1936 (ebd., Nr. 26.282). Sehr. Heims v. 4.9.1937 (oben, Anm. 255).

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hemdsärmelige Methoden und Umgangsformen pflegte. Mitte 1936 kam es zum endgültigen Bruch. Der Zuarbeiter des Ministers sollte für seine guten Dienste belohnt werden, und zwar auf dem gleichen Wege wie sein Vorgänger Wehrle. Der war 1934 als Polizeidirektor nach Pforzheim gekommen, nachdem Heim auf den Präsidentensessel in Karlsruhe befördert worden war. Mit Herbold wollte Pflaumer jetzt angesichts der Verreichlichung der Polizei abermals einen seiner engsten Mitarbeiter als Polizeiverwalter unterbringen. Dafür wurde Baden-Baden ausersehen - nicht zuletzt deshalb, weil der Polizeidirektor hier traditionell durch Nebentätigkeiten in der Kurverwaltung ein erkleckliches Zubrot einheimsen konnte. So wurde Erwin Dorner (geb. 1879), der erst im August 1933 vom Bezirksamt Schopfheim für den nunmehrigen Heidelberger Landrat Otto Naumann nach Baden-Baden gekommen war, kurzerhand in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.263 Für den "Weltkurort" Baden-Baden kam traditionell nur eine nicht zu junge, repräsentative Erscheinung in Frage. Der Alte Herr eines Kösener Corps erfüllte diese Voraussetzungen. Überdies gehörte er zu jener Minderheit der badischen Beamten, die im Frühjahr 1933 ein Mitgliedsbuch der NSDAP beantragt hatten. Allerdings kam es bald zu wachsenden Spannungen zwischen dem konservativ-elitären Beamten und dem ungebärdigen Kreisleiter, die es ratsam erscheinen ließen, ihn beizeiten zu ersetzen. Als er von der geplanten Sprungbeförderung seines ehemaligen Kameraden und nunmehrigen Konkurrenten erfuhr, hielt Heim mit seinen "Bedenken" nicht hinter dem Berg: "Herbold war noch nie an der Front der Verwaltung oder Polizei tätig gewesen, und es gab m.E. ältere Polizeijuristen, die sich für eine Verwendung eigneten", gab er später zu Protokoll. "Gegen die Doppelbezahlung hatte und habe ich allgemeine beamtenpolitische Bedenken." Herbold hörte das nicht gerne, und als der Bedenkenträger ihm dann auch noch seine "angebliche Altkämpfereigenschaft" bestritt und ihn überdies ironisch darauf aufmerksam machte, "daß er zu Unrecht den Alterswinkel der Schutzstaffel trage", war das Tischtuch zwischen den beiden Teutonen zerschnitten.264 Der Polizeipräsident säumte nicht, seine Vorbehalte gegen Herbolds Beförderung höheren Ortes kundzutun. Mit Erfolg. Über ein Jahr blockierte der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei den Ernennungsantrag Pflaumers. Der Innenminister versuchte es schließlich im März 1937 mit einer kommissarischen Ernennung, doch es half nichts.265 Herbold war eine robuste Natur, vor allem auch wenn es um die Wahrung seiner persönlichen Belange ging. Er ließ offenbar nichts unversucht, um nun den Kontrahenten seinerseits zu Fall zubringen. 263

Die PA Dorners, Sohn eines Karlsruher Landgerichtspräs., Mitglied des Tübinger Korps Franconia, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (GLAK, 466, Nr. 6.727), die Mdl-EA v. 29.2.1932 u. 19.6.1934 (GLAK, 233, Nr. 24.449; 236, Nr. 29.272) u. das BNSDJ/NSRBDoss. (GLAK, 465c, Nr. 1.765); feiner Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 439. Zur Person Naumanns siehe Kap. ΠΙ, mit Anm. 40.

264

Die Darstellung Heims in seinem Rechtfertigungsscheiben v. 4.9.1937 (oben, Anm. 255) ist in dieser Hinsicht glaubhaft.

265

Mdl-EV v. 2.5.1936 u. -Erlaß v. 10.3.1937 (GLAK, 233, Nr. 24.381).

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Daß der aufstrebende NS-Karrierist aus dem Fundus seiner persönlichen Informationen über den langjährigen Kumpanen allerlei Belastendes hervorkramte, kann kaum zweifelhaft sein. Und als dann der Minister ein dienststrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Heim eröffnet hatte, sorgte er dafür, daß mit Regierungsassessor Dr. Hans Trautwein (geb. 1908) ausgerechnet ein junger Beamter mit der Voruntersuchung beauftragt wurde, der Pflaumer und ihm zu besonderer Loyalität verpflichtet war. War doch der höchstqualifizierte Bewerber vom Reichsinnenministerium erst akzeptiert worden, nachdem sie persönlich dafür gesorgt hatten, daß der Nicht-Pg. Trautwein trotz Mitgliedersperre wenigstens in die SA aufgenommen wurde. 266 In Stuttgart bedurfte es keiner Stellvertreterkriege, um den Einfluß der SS allmählich personell und institutionell zu stärken. So sorgte SS-Gruppenführer Kurt Kaul Anfang 1939 dafür, daß mit Ministerialdirektor Dill die "eigentliche Seele des Württ. Innenministeriums" als SD-Oberführer in die SS kooptiert wurde. Denn "was die Besetzung der Schlüsselstellungen im Staat mit SS-Führern" betreffe, sei "in Württemberg in den ersten Jahren nach 1933 manches versäumt worden". 267 Seit Juni 1941 bearbeitete der nunmehrige Höhere SS- und Polizeiführer gar persönlich als zweiter Ministerialdirektor im Innenressort die Polizeisachen, bis er im Frühjahr 1943 von seinem Reichsführer Himmler zur Waffen-SS strafversetzt wurde. 268 In Karlsruhe stand Robert Wagner, als einer der dienstältesten Gauleiter des Führers absolut unangreifbar, vor solchen Penetrationsversuchen.269 Und Innenminister Pflaumer hatte man zwar im Verfolg der eigenen Durchdringungsstrategie als Oberführer formal in die SS-Hierarchie eingebunden, doch der ehemalige SA-Standartenführer stand Himmlers Orden innerlich distanziert gegenüber; Gauleiter Wagner war und blieb alleiniger Fluchtpunkt seiner persönlichen und politischen Loyalitäten. So konzentrierte sich der Gegenschlag auf den SS-Untersturmführer beim SD-Oberabschnitt Südwest, Dr. August Herbold. Nach abrupten Sturz der Gebrüder Heim avancierte er zum bête noir der Stuttgarter SS-Führung und zur zentralen Figur des Machtkampfes mit Karlsruhe: "Der Fall Herbold ist nachgerade zu einer Prestigefrageßr die SS geworden", drängte Kaul den Chef des SS-Gerichts im Mai 1939 zur baldigen "Entfernung Herbolds aus der SS". "Wenn es nicht gelingt, sich in diesem Falle hundertprozentig durchzusetzen, ist zu erwarten, daß das bad. Innenministerium fortfährt, 266

Die PA des protestant. Rechtsanwaltsohnes, der die zweite jurist. Staatsprüfimg 1934 als bester von 47 Kandidaten absolviert hatte, habe ich nicht ermittelt; siehe aber die Mdl-EV v. 8.8.1935 u. 15.1.1936 (GLAK, 236, Nr. 29.273), das Doss. des Gaupersonalamts (GLAK, 465c, in Nr. 417) sowie seine SA-PA u. weitere NS-Unterlagen (BABZ). 267 Kaul an SS-Gruppenführer Schmitt im Reichssicherheitshauptamt, 21.10.1938 (BABZ, SS-PA Dill; dort auch die weitere Korrespondenz). 268 Wilhelm 1989, 308f. (Kurzbiogr.) et passim. Zu Kauls abrupt beendeter Karriere siehe auch Bim 1986, 339 (Kurzbiogr.) et passim; R. Müller 1988, 189, 500f. 269 Die "personale Treuebeziehung Hitlers zu den alten Parteigefährten" verlieh den Gauleitern aus der Kampfzeit eine praktisch nicht limitierte "Immunität" als "unantastbare Elite der NSBewegung" (Hüttenberger 1969, 200, 198).

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SS-Führer abzuschießen." Sollte es aber gelingen, werde "eine große Steigerung der Autorität der Schutzstaffel und eine große Wirkung auf das Verhältnis der SS zu den badischen staatlichen Stellen" der Lohn sein.270 Das war auch nach Ansicht seines Reichsführers dringend erforderlich. Mit dem Bemerken: "Ich habe den Eindruck, daß sich in Baden unter dem Minister Pflaumer sehr merkwürdige Dinge zutragen" hatte Himmler persönlich den SS-Obergruppenführer Daluege beauftragt, mit Heydrich und anderen SS-Gruppenführern über ein "gemeinsames Vorgehen" zu beraten. Er selbst empfahl, "zunächst" einmal gegen Herbold ein SS-Gerichtsverfahren mit dem Ziel des Ausschlusses zu inszenieren. Die SS hatte nämlich mittlerweile eine weitere Scharte auszuwetzen: "Ich halte es für unmöglich, daß ein Mann, der gegen seinen Vorgänger vorgeht, der Nachfolger dieses Vorgängers wird", quittierte Himmler seine Niederlage in der Auseinandersetzung um Heims Nachfolge. Nach monatelangem Gezerre war es nämlich Pflaumer und Wagner gelungen, die endgültige Bestallung des kommissarischen Polizeipräsidenten Engelhardt beim Reichsinnenminister durchzudrücken. Der folgte seinem Mentor Wagner übrigens 1940 als Polizeipräsident und Leiter der gesamten elsässischen Polizeiverwaltung in die neue Gauhauptstadt Straßburg. Dort spielte er eine maßgebliche Rolle bei der organisatorischen Umsetzung der Repressions-, Germanisierungs- und Deportationspolitik des führerunmittelbaren Chefs der Zivilverwaltung.271 Dies sei hier nur vermerkt, um nochmals zu unterstreichen, daß es sich auch bei den hier geschilderten "Kämpfen um innenpolitischen Lebensraum"272 im polykratischen Herrschaftsgefüge des NS-Staates eben nicht um Auseinandersetzungen zwischen inhaltlich "gemäßigten" und "radikalen" Kräften handelte. Die Kombattanten sorgten vielmehr - gerade aus ihrer institutionellen Konkurrenzsituation heraus - gemeinsam dafür, daß die Eskalationsspirale der NS-Unrechtspolitik immer mehr an Fahrt gewann.273 Die Berliner SS-Führung wußte über Herbold Bescheid. War doch eben jener Dr. Kurt Bader zur rechten Hand Dalueges avanciert, der bis vor kurzem als Polizeireferent in Karlsruhe ausgiebig Gelegenheit gehabt hatte, die Stärken und Schwächen des Pflaumer-Schützlings zu studieren. Man war sich denn auch ganz sicher, daß die eigenen Leute "der Hetze und systematischen Vernichtungsarbeit einer Klique von persönlichen Gegnern zum Opfer gefallen" waren. Zwar träfen die gerichtsnotorischen Vorwürfe in der Sache zu; zur "Aufdeckung der Notzuchtangelegenheit" indessen sei es nur gekommen, weil "Heims Gegner im badischen Innenministerium" mit allen Mitteln" sein Privatleben "bis in alle Einzelheiten" ausgeleuchtet hätten274 - nebenbei eine bezeichnende Kostprobe jenes pragmatisch270 271 272 273

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Kaul an SS-Gruppenführer Scharfe, 3.5.1939 (BABZ, SS-PA Heim). Vgl. unten, mit Anm. 302. Sauer 1960, 925. Zur These von der "kumulativen Radikalisierung" des NS-Regimes als direkte Folge seiner polykratischen Struktur siehe für viele Veröffentlichungen des Autors H. Mommsen 1976b; vgl. Broszat 1970, 598. Chef des SS-Gerichts (gez. Obergruppenführer Scharfe) an Kanzlei des Führers der NSDAP Amt für Gnadensachen -, Datum unleserlich (Ende 1938): Stellungnahme zum Gnadengesuch für Dr. Heim (BABZ, SS-PA Heim).

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dezisionistischen Moralbegriffs, den die NS-Führung immer wieder virtuos für ihre Herrschaftszwecke zu instrumentalisieren wußte. Was nun Dr. Herbold, "den früheren Freund und jetzigen Widersacher" des gestrauchelten Polizeipräsidenten Dr. Heim anbelangte, so mußte der zunächst einmal seine Aspirationen auf den lukrativen Posten im Schwarzwald begraben. Ende September 1937 teilte Pflaumer dem Reichsführer SS mit, daß er die Ernennung nicht mehr weiter betreibe.275 Stattdessen kam allerdings mit Dr. Waldemar Ernst (geb. 1909) ein noch jüngerer Nachwuchsmann aus der badischen Innenverwaltung zum Zug. Der Überflieger konnte nicht nur beste Examina vorweisen, er hatte sich auch 1933/34 - selten genug in der südwestdeutschen Verwaltung - gelegentlich eines einjährigen Studienaufenthalts in Großbritannien die für seinen Einsatz in dem internationalen Nobelkurort Baden-Baden unerläßlichen Sprachkenntnisse und Auslandserfahrungen zugelegt. Da es sich zu allem Überfluß auch noch um einen Alten Kämpfer und NSDStB-Aktivisten handelte, der nachweislich schon als Schüler und Burschenschaftler auf der extremen Rechten gestanden hatte, konnte Berlin gegen den neuen Kandidaten keine zugkräftigen Argumente ins Feld führen. Himmler schaute sich dieses Vorgehen noch wenige Male an, um dann zu verfügen, daß künftig "ein Teil der badischen Polizei-Verwaltungen mit außerbadischen Polizei-Verwaltern besetzt" werden sollte.276 Im Januar 1938 aber erhielt Ernst den exponierten Posten kommissarisch übertragen, Mitte des Jahres wurde er ernannt - nur knapp zweieinhalb Jahre nach dem Beginn seines Assessorats. Pflichtschuldigst trat Ernst als Polizeidirektor in die SS ein, wo er später zum SD-Untersturmführer ernannt wurde.277 Damit war er keineswegs ein Einzelfall unter jenen Beamten der Jahrgänge 1905 bis 1910, welche Mitte/Ende der dreißiger Jahre in den badischen Staatsdienst gekommen waren. Wie in Württemberg stellte sich eine starke Minderheit von ihnen dem SD zur Verfügung. Bei einigen, die mit weniger guten Zeugnissen aufwarten konnten, lag die karrierefördemde Absicht offen zutage; andere waren als Studenten zur vermeintlichen Eliteorganisation SS gestoßen und wurden nun entsprechend eingesetzt;278 Beamte wie Dr. Ernst schließlich gelangten gleichsam qua Amt dorthin. Das Innenministerium war über diese Fälle genau orientiert und hatte offenbar jeweils seine Zustimmung erteilt. Herbold behauptete später sogar, die Personalabteilung habe die Nachwuchsleute gezielt in den SD geschickt, um Kontrolle über dessen

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Mdl-EV (gez. Pflaumer) v. 30.9.1937 (GLAK, 233, Nr. 24.601). Chef der Ordnungspolizei (gez. Daluege) an Mdl SS-Brigadefiihrer Pflaumer, 29.S.1941 (GLAK, 236, Nr. 29.278). Zum Werdegang des protestant. Apothekersohns, als Angehöriger der Burschenschaft Frankonia für die Großdeutsche Studentengemeinschaft im Heidelberger Studentenauschuß und in der Deutschen Burschenschaft aktiv, siehe seine Haupt-PA (HSTAS, EA S/ISO, noch ohne Bü.-Nr.), weitere PA (GLA, 233, Nr. 24.601; 466, 1978/36, Nr. 1.638/1-3) u. die SprKA (STAF, D 180/2, Nr. 41.674); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur NSDStB-SD-Seilschait unter dem Beamtennachwuchs in Württemberg siehe Kap. III, mit Anm. 153.

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Spitzelnetz im Öffentlichen Dienst zu erlangen.279 Ob dies tatsächlich in jedem Einzelfall so gewesen ist, muß hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls kam es nicht zu kollegialen Denunziationen durch die SD-Mitarbeiter.280 Überwiegend scheint bei ihnen in der Tat eine etatistisch-gouvemementale Orientierung handlungsbestimmend gewesen zu sein, und zudem ließ der Korpsgeist der höheren Beamtenschaft auch sie nicht unberührt. Verdeckte Ausforschungen wurden offenbar bevorzugt über nachgeordnete Beamte ins Werk gesetzt, die in ihren Dienststellen an neuralgischen Punkten wie der Personalregistratur tätig waren. Angesichts der strengen Abschottung des höheren Dienstes hegten diese Leute häufig mehr oder minder ausgeprägte Aversionen gegen die ihnen vorgesetzten Akademiker. Mit einer wohlklingenden Funktionsbezeichnung aus dem überreichen Angebot des NS-Amtswaltersortiments in ihrem Selbstwertgefühl bestärkt und von der stillen Hoffnung auf politische Begünstigungen ihres dienstlichen Aufstiegs beseelt waren diese Spitzel ungleich leichter zu handhaben als korpsbewußte Jungjuristen, die zwar Berichte über diese und jene Sachfrage zu schreiben bereit waren, sich in der Regel aber mit degoutanten Helfershelferdiensten nicht belasten mochten. Im Stuttgarter Innenministerium etwa spielte der Oberrechnungsrat H. S. (geb. 1892) diese Rolle. Der gehobene Beamte war am 1. April 1933 zur NSDAP (Nr. 1.655.025) gestoßen, wußte aber später einen jener begehrten Einträge im "Verzeichnis der Altparteigenossen" zu ergattern, welche den Anspruch auf bevorzugte Beförderung begründeten. Seit 1933 ging der Kollaborateur dem NS-Beauftragten für die kommunale Gleichschaltung und nachmaligen Kanzleidirektor Stümpfig zur Hand. Der wird ihn als Kreisfachschaftsberater im Gauamt für Beamte und beim Reichsbund der Deutschen Beamten untergebracht haben. 1938 wurde S. auf Geheiß der Gauleitung unter Hintanstellung vorrangiger Kandidaten zum Regierungsrat ernannt. Das erregte böses Blut, vor allem aber machte sich S. beim Personal des Ministeriums durch seine Spitzeldienste verhaßt. "Eine große Mehrzahl der Bediensteten" stehe der geplanten Wiederverwendung des früheren Regierungsrates "sehr ungünstig" gegenüber und wolle "die Person S. unter keinen Umständen mehr im Innenministerium sehen", gab der Betriebsrat noch Mitte 1951 zu Protokoll281 - ein beispielloses Votum in der südwestdeutschen

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Eidesstattliche Erklärung für das Entnazifizierungsverfahren des Dr. Waldemar Emst v. 11.11.1948 (HSTAS, EA 5/150, PA Emst, noch ohne Bü.-Nr., PA LBB, Mappe Entnazifizierungsbescheinigungen). Ernst meldete den SS-Eintritt am 19.5.1938 dem Mdl (ebd., PA Mdl Baden, Bl. 335). Ich habe insgesamt nur von einer Handvoll kollegialer Denunziationsfälle innerhalb meiner Untersuchungsgruppe Kenntnis erlangt. Zwei wurden aus Rücksichtnahme auf den Denunzianten (Alt-Pg.) bzw. den Denunzierten (prominenter LR) oder wegen Nichtigkeit durch Liegenlassen erledigt, in einem gravierenden Fall ließ das bad. Mdl den Denunzianten wegen anderer Vergehen (Heiratsschwindel etc.) amtsärztlich zum Psychopathen erklären, um ihn sodann aus dem Dienst zu entfernen. Äußerung des Mdl-Betriebsrats (gez. Dr. Schöneck), 14.6.1951 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.452). Zur Parteimitgliedschaft u. zur Weisung der Gauleitung siehe die Sehr. Scheels Gaugeschäftsführers Baumert v. 5.10.1934 u. 17.1.1938 (ebd., Qu. 91 u. 104). Zum

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Innenverwaltung, das ermessen läßt, mit welcher Intensität S. gegen deren unausgesprochenen Komment verstoßen hatte, ungeachtet des sonstigen Verhaltens auf keinen Fall der eigenen Kollegenschaft gegenüber als aktives Werkzeug des NS-Regimes aufzutreten. Was nun aber den umstrittenen Oberregierungsrat Dr. Herbold in Baden anbelangt, so erfreute der sich zunächst voller Rückendeckung seiner obersten Vorgesetzten: "Die Verantwortung für dieses Vorgehen tragen der Gauleiter und ich", stellte Pflaumer gegenüber der SS-Führung unmißverständlich klar. "Meine Beamten haben die erteilten Anordnungen nur weisungs- und pflichtgemäß durchgeführt. " 282 So sicher wähnte sich Herbold in der Obhut Pflaumers und Wagners, daß er als zuständiger Referent schlichtweg nicht reagierte, als der SSOberabschnitt Südwest wiederholt Heims Dienststrafakten zur Überprüfung des Falles anforderte. 283 Trotz solcher Provokationen stellte der Reichsführer SS das Verfahren gegen seinen Untersturmführer 1939 ein, weil dessen Verhalten "zwar zu Beanstandungen", nicht aber zu seiner "strafweisen Entfernung aus der SS Anlaß" gegeben habe. 284 Bis zu diesem Punkt bietet der Fall Herbold ein anschauliches Beispiel dafür, welche Handlungsspielräume sich Beamten selbst der vermeintlich allmächtigen SS-Führung gegenüber eröffnen konnten, solange sie fest in ein konkurrierendes Machtzentrum - hier: den teilautonomen Herrschaftsbereich des prominenten Gauleiters Wagner - integriert waren. Der fernere Verlauf dieser Affäre zeigt aber zugleich, wie fragil solche Konstellationen im dynamischen Fließgleichgewicht der NS-Polykratie waren. Herbold hatte durch den Verlauf der Auseinandersetzungen um seine Person derart an Selbstbewußtsein gewonnen, daß er die Grenze zur Anmaßung immer häufiger überschritt. Vor allem aber war ihm mittlerweile in Gaupersonalamtsleiter Adolf Schuppel ein Konkurrent erwachsen, der ihm ungleich gefährlicher als Heim werden sollte. Gaustabsamtsleiter Schuppel gehörte zu den engsten Vertrauten des Gauleiters, und seine persönlichen Ambitionen gingen dahin, die staatliche Personalpolitik wesentlich stärker unter die Kontrolle der Staatspartei zu bringen, als dies im ersten Jahrfünft der NS-Herrschaft gelungen war. 285 In dem Maße, wie Schuppel damit bei seinem Gauleiter an Einfluß gewann, schwammen Herbold die Felle davon. Seine Position im Gauamt für Beamte wurde zusehends von Schuppeis Parteibehörde mediatisiert. Erschwerend kam hinzu, daß Minister Pflaumer im Umfeld des Gauleiters Wagner rapide an Gewicht verlor, als der Reichsverteidigungskommissar und Chef der Zivilverwaltung im Elsaß begann, sich in Straßburg eine neue Gauadministration zu schaffen, welche die traditionelle Verwaltung in Karlsruhe je länger desto deutlicher marginalisierte. Immer souver-

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Werdegang des protestant. Sohnes eines Unteroffiziers und nachmaligen Hausmeisters siehe seine PA (ebd.). Sehr. Pflaumers v. 7.2.1939 (oben, Anm. 251). Stabsführer des Persönlichen Stabes RFSS (gez. Obersturmbannführer) an Chef des Sicherheitshauptamtes [Heydrich], 14.10.1938 (BABZ, SS-PA Heim). RFSS (gez. Himmler) an Dr. Heim, Stuttgart, 15.11.1939 (BABZ, SS-PA Heim). Siehe dazu unten, mit Anm. 313.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

äner vermochte Schuppet im Straßburger Gauhaus das zentrale Instrument politischen Einflusses im absoluten Führerstaat zu handhaben: die Kontrolle über den "Zugang zum Machthaber"286. Und gleichzeitig wurde Pflaumer in Parteikreisen zusehends mit dem Odium belastet, "der schwächste unter den Ministern" zu sein, weil er sich nicht gegen seine leitenden Beamten durchzusetzen verstehe. 287 Angesichts dessen distanzierte sich auch der Minister allmählich von seinem Personalreferenten. Das kam auch dem Höheren SS- und Polizeiführer Kaul in Stuttgart zu Ohren. Hocherfreut teilte er dem Chef des SS-Gerichts Anfang Januar 1940 mit, Pflaumer habe ihm unlängst zugesagt, Herbold "seines einflußreichen Postens zu entheben und anderweitig zu verwenden", sobald der aus der SS entlassen worden sei. 288 Doch dessen bedurfte es gar nicht, denn der Innenminister trug sich ohnehin mit dem Gedanken, Ballast abzuwerfen. Als Herbold Mitte Januar 1941 zur Wehrmacht einberufen wurde, nutzten seine Widersacher die Chance. "Der Herr Reichsstatthalter wünscht," hatte Schuppel bereits einige Monate zuvor verkündet, "daß die Dienststellen der Partei, des Staats und der Verbände keinerlei personelle Maßnahmen treffen, die dem Personalamt nicht zur Genehmigung vorgelegt worden sind. " 289 Diesen Anspruch vermochte er zwar bis 1945 nicht vollständig durchzusetzen, doch der Abgang Herbolds schaffte ihm zumindest ein Haupthindernis vom Halse. Damit das so blieb, sollte mit Herbold das exerziert werden, was dieser als Personalreferent schon so oft selbst eingefädelt hatte: eine Abschiebung "nach oben" zum Wirtschafts- und Finanzminister Köhler. Herbold machte zur Bedingung, ihn vor dem Wechsel zum Ministerialrat zu ernennen. Damit überspannte er den Bogen. Der Reichsstatthalter wies dieses Ansinnen kategorisch zurück und fügte drohend hinzu: "Dieses Verhalten befremdet mich [...], und ich bedaure, daß Dr. Herbold den verantwortlichen Stellen damit erneut Sorge bereitet."290 Gauleiter Wagner hatte die Querelen im Fall Heim nicht vergessen, und nun dienten sie ihm dazu, den in Ungnade gefallenen Helfer von einst seinerseits ins Abseits zu befördern. Ende 1943, Herbold war weiterhin als Oberkriegsverwaltungsrat in Bordeaux weit ab vom Schuß, wurde er als Regierungsdirektor zur Preußischen Bau- und Finanzdirektion nach Berlin versetzt. Das war eine drittklassige Abschiebung par excellence, und bis 1945 wurden alle weiteren Beförderungsanträge abgeschmettert. Und doch profitierte der gescheiterte NSKarrierist von diesem Absturz. Denn nach dem Krieg wurde er nicht müde, den unrühmlichen Abgang ins feindliche Preußen als politische Strafaktion hinzustellen. Dabei hatte der Mann 1939/40 in seiner Selbstüberheblichkeit einfach nicht rechtzeitig erkannt, daß der bisherige etatistische Kurs des Innenministeriums 286

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So die klassische Formulierung Carl Schmitts von 1947; siehe Schmitt 1958 u. 1994; vgl. Gnichmann 1973, 210 u. 222, Anm. 107. SD-Meldung betr. MinDir Müller-Trefzer v. 14.5.1942 (STAF, D 180/2, Nr. 216.950). Kaul an Chef des Hauptamtes SS-Gericht, SS-Gruppenführer Scharfe, 2.1.1940 (BABZ, SS-PA Heim). Rd.erlaß RStH - Personalamt - v. 5.7.1940 (GLAK, 465d, Nr. 1.255). RStH (gez. R. Wagner) an Finanz- u. Wirtschaftsmin. Köhler, 23.9.1942 (GLAK, 233, Nr. 24.394; Hervorheb. von mir).

Südwestdeutsche Landrätekorps

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unter den gewandelten Umständen des Krieges vom Gauleiter nicht mehr goutiert wurde. Dafür, daß sich Herbold etwa durch inhaltliche Kritik an den Maßnahmen der Gauleitung in MiBkredit gebracht hätte, fehlt der geringste Hinweis.

Südwestdeutsche Landrätekorps Anders als in Württemberg trug das Personalrevirement in der badischen Ministerial- und Polizeiverwaltung unter dem Strich durchaus den Charakter einer politischen Säuberungsaktion, obwohl sich die Zahl der Entlassungen in engen Grenzen hielt. Trotz wiederholter Klagen der Innenminister, "der Ausgangspunkt mancher Schwierigkeiten liege bei den Landräten",291 wurden die Akzente im Bereich der Bezirksverwaltung in beiden südwestdeutschen Ländern anders gesetzt. Die Situation gegen Ende der NS-Herrschaft belegt das. Einer Aufstellung des Reichsinnenministeriums zufolge amtierten im Gebiet des "Altreichs" Anfang 1943 615 Landräte. Personell bewegte sich auf dieser Ebene im Zeichen des "totalen Krieges" kaum noch etwas. Neuernennungen kamen in den letzten beiden Kriegsjahren kaum noch vor. In der Regel wurden noch verwendungsfähige Landräte bei Erreichen der Altersgrenze verpflichtet, ihre Amtsbezirke bis auf weiteres weiterzuverwalten; ansonsten führten andere Ruhestandsbeamte, Regierungsassessoren und Regierungsräte oder Landräte benachbarter Kreise die Geschäfte pensionierter, verstorbener oder zum Kriegsdienst einberufener Amtsvorstände provisorisch weiter.292 So spiegelt sich in der Aufstellung im wesentlichen das Endergebnis nationalsozialistischer Gleichschaltungs- und Penetrationsversuche wider. Von den aufgeführten Landräten hatten 476 (77 v.H.) erstmals in der Zeit seit Anfang April 1933 dieses Amt eingenommen, und davon wiederum konnten 127 (27 v.H.) die Große juristische Staatsprüfung nicht vorweisen (Tab. 31). Diese sogenannten "Außenseiter" hatte es in einigen Ländern, vor allem in Preußen, seit jeher in allerdings sehr beschränktem Umfang gegeben293. Ihre Quote ist jedoch in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, weil die nationalsozialistische 291 So der bad. Mdl Pflaumer am 23.9.1933 unter der 'Zustimmung" seines Auditoriums; siehe Kundgebung der NS. -Kommunalpolitiker. Reformen auf kommunalpolitischem Gebiete (Bad. Fresse, Nr. 445, 24.9.1933, 8). Sein Stuttgarter Amtskollege Schmid notierte im Dezember 1935 auf einem Bericht über wiederholte Querelen mit einem sperrigen Oberamtsvorstand: "Nein, ich habe im Augenblick keine Lust, K[reeb] zu empfangen. Es wird auch richtiger sein, nun wieder einmal den ganzen 'Komplex Landräte' mit dem Gauleiter [Murr] und seinem Stellvertreter [Schmidt] (in Gegenwart von Staatssekretär Waldmann) zu besprechen und dann erst zu handeln." (STAS, WO 42, Bd. 60, BS. 49, Qu. 182; Hervoiheb. von mir). Zur Person von LR Kreeb siehe Kap. ΠΙ, mit Anm. 89. 292 Anweisungen zur "Regelung der Vertretung von abwesenden Landräten" hatte der RIM bereits am 14.9.1939 erteilt (BÄK, R 18, Nr. 7.951). Zur Weiterverwendung diverser LRe in Baden siehe etwa Mdl (gez. Müller-Trefzer) an RStH, 26.1.1942 (GLA, 236, Nr. 29.273). 293 Caplan 1988, 43-45; vgl. schon Pikart 1958.

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Kritik am republikanischen "Parteibuchbeamtentum" insbesondere auch auf diese Gruppe gezielt hatte-294 Hierzu muß nun festgestellt werden, daß der "Außenseiter"-Anteil im Reichsdurchschnitt 1943 um ein Mehrfaches über den entsprechenden Werten für das Kaiserreich und die Weimarer Republik lag. Überwiegend handelte es sich dabei um Kreisleiter und andere regionale Größen der NSDAP, welche dieses Amt 1933/34 während der Machtergreifung in Personalunion bekleidet und sich, als dies 1937 untersagt wurde, für die staatliche Position entschieden hatten295. In den verschiedenen Regionen waren sie sehr unterschiedlich präsent. Den höchsten Anteil wiesen der - teilweise aus annektierten Gebieten gebildete - Reichsgau Danzig-Westpreußen (67 v.H.), 296 Thüringen (56 v.H.) und Mecklenburg (45 v.H.) auf; zahlenmäßig stellten die Außenseiter in Preußen mit 97 Persönlichkeiten (37 v.H.) das bei weitem größte Kontingent297. Ein Blick auf ihre Verteilung über die einzelnen Provinzen und Regierungsbezirke dieses größten, von der Reichsregierung mitverwalteten Landes unterstreicht den hohen Stellenwert regionaler Einflußfaktoren auf die Rekrutierung der Landräte.298 So stellten die Außenseiter in Ostpreußen, HessenNassau299 und Teilen der Rheinprovinz mehr als die Hälfte der seit April 1933 ernannten Landräte, in Pommern wie in einzelnen Regierungsbezirken anderer Provinzen hingegen befanden sie sich mehr oder minder klar in der Minderheit (Tab. 32). Die beiden preußischen Landräte in Hohenzollern, das zum Bezirk der 294

Captan 1988, 102-130; vgl. schon Fenske 1973, 134f. Hitler hatte solche Personalunionen bereits 1934 für nicht wünschenswert erklärt; 1937 ordnete der StdF deren allgemeine Auflösung an; in der "Anordnung über die Verwaltungsführung in den Landkreisen" v. 28.12.39 (RGBl. 1940 I, 45f.) und durch Rd.schr. des Leiters der Reichskanzlei (gez. M. Bormann) v. 7.8.1942 (BÄK, R 18, Nr. 5.318, Bl. 11-14; abgedr. in: H. Mommsen 1966, 239-241) wurde das Verbot bekräftigt, ohne allerdings bis 1945 durchweg in die Tat umgesetzt zu werden; vgl. H. Mommsen 1966, 108-120; Caplan 1988, 168f.; Longerich 1992, S. *61f.; Düwell 1996, 164-169. 296 v g l . H. Mommsen 1966, 116f. Zur Personalpolitik in den besetzten und annektierten Gebieten, die wesentlich stärker als im Altreich - nach Feststellung des RIM Frick v. 26.5.1941 mit "erschütterndem)" Erfolg (BÄK, R 18, Nr. R 43 II, Nr. 1.136b; abgedr. in: H. Mommsen 1966, 233-237) - auf junge NS-Protagonisten ohne juristische Vorbildung setzte, siehe ebd., 109-117; Diehl-Thiele 1971, 182f.; Rebentisch 1989a, 183-188; Majer 1993, 342355; Düwell 1996, 168. 297 v g l . die in einem Sehr, an den Chef der Reichskanzlei Lammers v. 26.5.1941 ausführlich erläuterten Angaben von RIM Frick (oben, Anm. 296). Rebentisch (1989a, 546; 1989c, 141f.) verkennt, daß die von ihm aus diesem Dokument für Preußen entnommenen Zahlen weder für dieses Land als Ganzes noch für das gesamte "Altreich" repräsentativ sind. Auch Frick wies d a r a u f h i n , daß die Landräte in den außerpreuß. Ländern zu 93,75 v.H. Verwaltungsfachleute seien und nicht nur der CdZ im Elsaß, Gauleiter R. Wagner, bei der Rekrutierung der dortigen Landräte ausschließlich auf Fachbeamte zurückgriffen habe. Zu dem Sehr. v. 26.5.1941 siehe auch Majer 1978, 47, Anm. 16. 298 Diesen Umstand haben schon die Statistiker der NSDAP hervorgehoben (Partei-Statistik 1935 I, 245, 249). 299 Zur Provinz Hessen-Nassau vgl. Klein 1988, 73-77 sowie seine Kurzbiogr. der betreffenden Landräte. Die Provinz gehörte zu den Regionen des Reiches, welche auf der Landratsebene am stärksten mit Alt-Pg.s durchsetzt waren (Partei-Statistik 1935 I, 250f.). Zur den teilweise anders gelagerten Verhältnissen in der Rheinprovinz vgl. Pehle 1976, 425-461; Romeyk 1985, 130; ders. 1989, 142; ders. 1994, insbes. 223f. 295

Personalunionen

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Stuttgarter Gauleitung gehörte, überstanden übrigens - gleichsam als "Fossile der Systemzeit" - die gesamte nationalsozialistische Herrschaft. 1924 und 1925 als Katholiken und Zentrumsmitglieder ins Amt gelangt, versahen Paul Schraermeyer (1884-1955) und Dr. Robert Seifert (1891-1963) ungeachtet gelegentlicher Anfechtungen bis 1945 beziehungsweise 1946 ihre Amtsgeschäfte in Hechingen und Sigmaringen.300 Doch auch ansonsten hob sich Südwestdeutschland von dem allgemeinen Trend deutlich ab. Während in Baden nicht einmal jeder zweite Landrat erstmals seit April 1933 ernannt worden war, hatten zwar zwei Drittel der württembergischen Amtskollegen unter nationalsozialistischer Ägide ihren herausgehobenen Posten übernommen. Doch immerhin lag auch dieser Wert noch unter dem Reichsdurchschnitt, und was die Außenseiter anbelangte, fielen beide Länder - zusammen mit dem süddeutschen Nachbarn Bayern301 - deutlich aus dem Gesamtbild heraus. Anfang 1943 waren sämtliche dort tätigen Landräte Volljuristen. Auch unter den schon zuvor wieder ausgeschiedenen Landräten findet sich in Württemberg kein Außenseiter, während in Baden von 1935 bis 1937 mit Carl Engelhardt ein "Alter Kämpfer" ohne Hochschulabschluß die Posten des Konstanzer Landrats und NSDAP-Kreisleiters in Personalunion eingenommen hatte, bevor er zum Polizeipräsidenten der Landeshauptstadt Karlsruhe ernannt worden war302.

Personalunionen Dieser Fall ist von grundsätzlichem Interesse. Engelhardt stammte aus dem engsten Odenwälder Gefolge des Gauleiters Robert Wagner. Nach seiner Rückkehr von einem mehrjährigen Amerikaaufenthalt war der gescheiterte Medizin- und Volkswirtschaftsstudent 1925 bei den Odin-Werken in Eberbach am Neckar untergekommen. Deren Direktor Wilhelm Keppler, seit 1927 Wirtschaftsberater Hitlers, später Staatssekretär im Auswärtigen Amt und SS-Obergruppenführer, gehörte zu den ersten Förderern der NSDAP im Reich; Eberbach machte er zu

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Zum Werdegang Schraermeyers, Sohn eines Brandenburger Grofikaufmanns, Mitglied der CVVerbindungen Guestfalia-Tübingen und Palatia-Göttingen, siehe seine PA (STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 87/88); ferner Mühlebach 1974, 24; Zekom 1994, 56-58. Seiferts Haupt-PA habe ich nicht ermittelt; vgl. aber seine VA (STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 81); ferner Mühlebach 1974, 10 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Siehe dazu Schönhoven 1983, 629-632; vgl. Faatz 1995, 428-430. Die bayerischen Gaue bildeten Mitte der dreißiger Jahre im Reichsmaßstab - zusammen mit Baden - die SchluBlichter bei der Besetzung der LRÄer mit NSDAP-Mitgliedem, insbesondere mit Alt-Pg.s (ParteiStatistik 1935 I, 250f.). Vgl. unten, Anm. 333. Zur Werdegang des Pfarrersohnes, Mitglied einer schlagenden Verbindung, siehe seine HauptPA (GLA, 466, 1978/36, Nr. 1.586), zwei weitere PA (GLAK, 233, Nr. 29.434; HSTAS, EA 2/150, Bü. 299) u. die SS-PA (BABZ); ferner Götz 1971, 70 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

einem frühen "Zentrum nationalsozialistischer Agitation" im Nordbadischen.303 Die Hälfte der mitgliederstarken NSDAP-Ortsgruppe stand auf den Lohn- und Gehaltslisten seines Unternehmens, darunter seit Anfang 1927 auch Engelhardt. Über Jahre hinweg ein Aktivist der Eberbacher Parteiorganisation, wurde er im März 1933 zum Ortsgruppenleiter ernannt, und im April 1934 bestellte ihn der Innenminister zum Nachfolger des von örtlichen NS-Protagonisten vergraulten Bürgermeisters. Nur acht Monate später forderte der Reichsstatthalter persönlich die ausnahmsweise Ernennung seines Schützlings zum Landrat in Konstanz. Innenminister Pflaumer und Ministerialdirektor Bader erhoben Einwände, auch der Reichsinnenminister machte Bedenken geltend. Dahinter stand die Sorge um das badische Fachbeamtenprinzip im allgemeinen und die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten ihres Verwaltungsstabes im besonderen. Denn Wagner wollte offensichtlich nicht bloß einen engen Kampfgefährten komfortabel unterbringen als Bürgermeister von Eberbach hatte Engelhardt bereits sein Auskommen. Hier ging es um einen Fall von Herrschaftspatronage in strategischer Absicht. Der bei Hitler wohlgelittene Veteran des 9. November 1923 hatte sich im September 1934 mit einem Vorschlag an seinen Führer und dessen Stellvertreter gewandt, dessen Verwirklichung revolutionäre Konsequenzen für die Bezirksverwaltung im Reich und darüber hinaus für das deutsche Berufsbeamtentum gehabt hätte. Wagner sah sich nämlich durch die "heutigen Mißstände und zahlreichen Konflikte" zwischen den derzeitigen Amtsvorständen und seinen Kreisleitern veranlaßt, "mit Rücksicht auf die politische Autorität des Staates, aber auch mit Rücksicht auf die Landräte selbst, vorzuschlagen, daß die Landratsstellen im Reich grundsätzlich als politische Stellen erklärt und besetzt" würden; und da "die Kreisleiter der NSDAP tatsächlich die Vertreter einer politischen Autorität" seien, sollten sie kraft ihres Parteiamtes automatisch auch den Landratsposten übernehmen. Um die KreisleiterLandräte von bürokratischen Verpflichtungen freizuhalten und das Berufsbeamtentum nicht zu verprellen, schwebte Wagner vor, ihnen nach dem Vorbild des Gespanns Minister - Ministerialdirektor jeweils "befähigte Verwaltungsbeamte zur Seite zu geben". Mittelfristig müßten im Falle einer solchen Politisierung der Landräte auch die Landeskommissäre entweder durch Persönlichkeiten aus der Partei ersetzt oder auf rein verwaltungsmäßige Aufsichtsfunktionen zurückgestutzt werden. 304 Eine Mogelpackung. Vorgeblich wollte der Karlsruher Gauleiter die Landräte aus ihrer "völlig unhaltbare(n) Stellung" befreien, ohne ihnen die Planstellen zu nehmen, und zugleich "die politische Autorität des Staates" befestigen. Doch das waren bloße Floskeln, einzig dazu bestimmt, daheim die unverzichtbare 303

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Dazu und zum Wirken Engelhardts in Eberbach siehe Cser 1992, 242-247, hier 243. Zur Schlüsselrolle Kepplers beim Aufstieg der NSDAP in Baden vgl. Bräunche 1977, 342; Grill 1983, 154-156, 195. Schon bei den LT-Wahlen von 1929 entpuppte sich Eberbach als die NSHochburg in Baden (Faris 1975, 167). Zum Sehr. Wagners an Hitler v. 19.9.34 (BÄK, R 43 II, Nr. 497) siehe schon Diehl-Thiele 1971, 176f.; vgl. Grill 1983, 257.

Personalunionen

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Dienstfreude des Verwaltungspersonals nicht allzu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen und zugleich den voraussehbaren Einspruch des Beamtenministers Frick in Berlin zu konterkarieren.305 Denn tatsächlich ging es ihm um zweierlei: Erstens sollte endlich die unangefochtene Dominanz der Parteiorganisation auf der politisch hochwichtigen unteren Verwaltungsebene dadurch hergestellt werden, daß seine Kreisleiter aus einer Konkurrenzsituation befreit wurden, die in den Augen der Bevölkerung immer häufiger von den professionellen Landräten zu ihren Gunsten entschieden wurde. 306 Damit lag Wagner im übrigen ganz auf der Linie dessen, was Heß' Stabsleiter Bormann für das Gesamtverhältnis von Staat und Staatspartei anstrebte307 Und zum zweiten hoffte er mit der staatlichen Bestallung seiner zahlenmäßig größten Funktionärsgruppe jene chronische Finanzkrise in den Griff zu bekommen, in der die Parteiorganisation gerade auf Gauebene nicht nur in Baden steckte.308 Wagners Vorschlag hätte das Reich viele Hundert zusätzliche Stellen im höheren Dienst gekostet. Mit diesem Argument allein vermochten die Gegner seines Planes in Berlin die Oberhand behalten, ohne ihre prinzipiellen Einwände allzu sehr in den Vordergrund rücken zu müssen. Sein Führer bereitete Wagner ebenfalls eine Enttäuschung. Wie so oft ließ er eine wichtige Frage auf die lange Bank schieben, ohne inhaltlich irgendeine (Vor-)Entscheidung zu treffen. 309 In den Karlsruher Ministerien, deren Spitzen einhellig gegen das Abgehen vom badischen Fachbeamtenprinzip waren, dürfte diese Nachricht mit Erleichterung aufgenommen worden sein. Ersparte ihnen doch die Allerhöchste Nichtentscheidung eine direkte Konfrontation mit ihrem Reichsstatthalter. Umso größer war die Frustration, als Anfang Februar 1935 das Gerücht kolportiert wurde, in Berlin "schwebten" nun doch wieder "Erwägungen", den Kreis der "politischen Beamten" auf die badischen Landräte auszudehnen. Innenminister Pflaumer tat sein Bedauern darüber kund, doch sah er offenbar keine Chance, den fahrenden Zug noch aufzuhalten.310 Der Gauleiter hingegen witterte die 305

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Zum Wiederaufleben der traditionellen Frontstellung Karlsruhe - Berlin während der dreißiger Jahre vgl. Grill 1983, 262. Zur Zusammensetzung des bad. KreisL-Korps siehe Grill 1983, 435-444. H. Mommsen 1966, 35f.; Neliba 1992, 96.; siehe ferner dazu u. zur ablehnenden Haltung Fricks Longerich 1992, 59f. Frick machte auch später in seiner grundsätzlichen Stellungnahme zum Landräte-Problem v. 26.5.1941 gegenüber dem Chef der Reichskanzlei Lammers keinen Hehl aus seiner Präferenz für fachlich vorgebildete LRe (oben, Anm. 297); vgl. Neliba 1992, 325f. Zur finanziellen Dauer-Bredouille der NSDAP, insbesondere auf Gauebene, siehe Lükemann 1963, 163f.; Orlow 1973, 62-65 et passim. Zur Finanzorganisation des Gaues Baden siehe Grill 1983, 432-435. Am 30.9.1934 teilte Reichsmin. Lammers dem RStH mit, Hitler wolle sich vor Inangriffnahme der umfassenden Reichsreform - die niemals kam - in dieser Einzelfrage nicht festlegen (Diehl-Thiele 1971, 177, Anm. 11). Die eklatante Entscheidungsschwäche Hitlers ist bes. von H. Mommsen immer wieder pointiert herausgearbeitet worden; siehe zuerst ders. 1966, S. 98, Anm. 26; vgl. für vieles ders. 1981b; vgl. dazu Ruck 1993b, 41-43 (mit weiteren Hinweisen). Mdl an Finanz- u. Wirtschaftsmin., 26.2.1925 (GLAK, 233, Nr. 26.292). Der angeschriebene Ressortchef, MinPris Köhler, teilte am 11.3.1935 seiner eigenen StKanzlei mit, kein Minister

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Gelegenheit, seine Ambitionen noch durchsetzen zu können, und versuchte eilends einen Präzedenzfall zu schaffen. Mitte Januar 1935 wies er Pflaumer an, den Eberbacher Bürgermeister Engelhardt beim Reichsinnenminister als Landrat in Konstanz vorzuschlagen, und gleichzeitig setzte er ihn dort als Kreisleiter ein. Der prominente Gauführer hatte Reichsminister Frick in dieser Sache persönlich unter Druck gesetzt, worauf der ihm unter der Voraussetzung seine Zustimmung avisierte, daß die Stelle ordnungsgemäß freigemacht werde, kein zusätzlicher Beamter als Assistent Engelhardts nach Konstanz komme und der Kandidat "geeignet und befähigt" sei, "das Amt des Landrats zu bekleiden". Die beiden ersten Bedingungen würden erfüllt, gab Wagner selbstbewußt zurück, und "die Gewähr für die Eignung des Kreisleiters Engelhardt übernehme ich." Im gleichen Tonfall wurden das Innenministerium und die Staatskanzlei angewiesen, die Ernennung des Alten Kämpfers aus dem Odenwald schleunigst zu bewerkstelligen. Seit dem 1. Februar 1935 regierte Engelhardt den Amtsbezirk Konstanz als Statthalter der Regierung und der Partei.311 Doch Wagner hatte sich in doppelter Hinsicht verkalkuliert. Erstens drehte sich in Berlin bald schon wieder der Wind; und zweitens hatte der Aufmarsch der Bedenkenträger aus Kabinett und Ministerialverwaltungen ihm gezeigt, welche kontraproduktive Unruhe in seinem Herrschaftsapparat der Versuch erzeugen müßte,312 die Personalunion von Kreisleitern und Landräten qua Machtwort auf breiter Front durchzusetzen. Hinzu kam, daß in der Obersten Parteileitung Bestrebungen im Gange waren, die Kreisleiter grundsätzlich als vollbesoldete Funktionäre anzustellen. Der Gauleiter ließ nun nicht etwa von seinem Ziel ab, die Bürokratie stärker an die politische Kandarre zu nehmen, aber er wechselte die Strategie. Fortan sollte das Gaupersonalamt, an dessen Spitze mit Gaustabsamtsleiter Adolf Schuppel ein Mann seines engsten Vertrauens stand, im Zusammenwirken mit dem Gauamt für Beamte sich vor allem über das Instrument der Politischen Beurteilungen stärker in die politische Auswahl der FacAbeamten einschalten.313 In seiner Umgebung kam das einige bitter an. So beklagte sich der Gaugeschäftsführer beim Gauamt für Kommunalpolitik im Frühjahr 1939: "Die

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befürworte die Einführung der Institution des politischen Beamten in Baden (ebd.). Gleichwohl kündigte der RIM das in einem Rd.erl. an die auBerpreuB. Landesregierungen für die "allernächste Zeit" an (ebd.). Doch daraus wurde nichts. Zu den Vorabgerüchten siehe ein Sehr, der Berliner Außenstelle an die bad. StKanzlei v. 2.2.1935 (ebd., Nr. 24.450). RStH (gez. R. Wagner) an Mdl, 12.1.1935 (darin zit. Wagners Sehr, an RIM Frick) (GLAK, 233, Nr. 24.449; 236, Nr. 29.273; Hervorheb. von mir); Mdl-EV v. 17.1.1935 (ebd.); StKanzlei an Mdl, 21.1.1935 (ebd.). Wie wichtig selbst ihm dieser Gesichtspunkt war, enthüllte Wagner bei seinem Eintreten für jene bad. Staatsdiener, welche bei der Uberleitung in die Reichsbesoldungsordnung Gehaltseinbußen hinnehmen mußten: "Auch bei diesen Beamten, deren Zahl ebenfalls klein ist, (ist) der fiskalische Erfolg, der durch die Einsparung erzielt wird, denkbar gering", schrieb der GauL nach zwei früheren Demarchen am 18.5.1942 an den Leiter der Parteikanzlei Bormann, "und steht in keinem Verhältnis zu den nachteiligen politischen Auswirkungen, die durch diese Maßnahmen ausgelöst werden." (GLAK, 236, Nr. 29.179; Hervorheb. von mir). Zum Aufstieg des Wagner-Intimus Schuppel siehe Grill 1983, 426-428; Roser/Spear 1993, 9193.

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unteren staatlichen Verwaltungsstellen (Bezirksamt) versuchen solche Bürgermeister, die mit der Partei zerfallen sind, noch gegen die Partei zu stützen." Und erhielt von dort die Antwort: "Eine radikale Ausschaltung dieser Mißstände ist nur dann möglich, wenn entweder die bestehenden Gesetze [...] geändert werden oder wenn der Kreisleiter gleichzeitig Chef der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wird. " 314 Doch Wagner ließ sich von solchen Vorbehalten nicht mehr anfechten. Er zählte künftig sowohl in Baden als auch im annektierten Elsaß ganz auf die Verwaltungsjuristen.315 Die Ministerien setzten den Bestrebungen der Gauleitung, bestimmenden Einfluß auf die Rekrutierung des leitenden Verwaltungspersonals zu erlangen, hartnäckigen Widerspruch entgegen - mit voller Rückendeckung ihrer Ressortchefs: "Aus verschiedenen Vorgängen der letzten Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, als ob das Gaupersonalamt der Auffassung sei, es sei befugt, in die Personalpolitik der Ministerien einzugreifen", fuhr Ministerpräsident Köhler "Herrn Schuppel" Weihnachten 1938 an, und er setzte namens seiner Kabinettskollegen Pflaumer und Wacker hinzu: "Falls dies richtig ist, möchte ich zur Behebung von Zweifeln für die badischen Minister und ihre Ministerien folgendes feststellen. Die Personalpolitik in den Ministerien wird von den zuständigen Ministern gemacht [...]. Soweit über das Gebiet der Abgabe politischer Gutachten hinausgehende besondere Wünsche des Gaupersonalamts [...] vorliegen sollten, werden diese gerne entgegengenommen."316 Mit dieser Demarche wurden Ambitionen der Gegenseite mitnichten aus der Welt geschafft, und so waren denn beide Seiten bis zum bitteren Ende in ein andauerndes, kräftezehrendes Kompetenzgerangel auf dem zentralen Feld der staatlichen Personalpolitik verstrickt.317 Als nach Jahren erstmals wieder ein 314

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Sehr. v. 2.3. u. 21.3.1939 (GLAK, 465d, Nr. 1.099). Die erwähnten "Mißstände" kamen in der Korrespondenz des Gauamts mit dem Münchener Hauptamt für Kommunalpolitik immer wieder zur Sprache (BÄK, NS 25, Nr. 181-184). Siehe dazu ausführlich Roser 1996. Zur Verwaltungs- und Personalpolitik Wagners als CdZ im Elsaß siehe Kluke 1958, 625-627; Kettenacker 1973, 142-144; Grill 1983, 472-487. Zur Handhabung der Politischen Beurteilungen als dem "wohl wichtigste(n) Herrschaftsinstrument der lokalen NS-Machthaber" siehe allgemein Rebentisch 1981b, hier 125; zur Praxis in Württemberg siehe die Fallstudie von Arbogast/Gall 1993. Sehr. v. 22.12.1938 (GLAK, 233, Nr. 23.991; Hervorheb. von mir). Grill weist also zurecht auf die zunehmende Identifikation der NS-Exponenten mit ihren Regierungsämtern hin (1983, 263f., 270). Hier ist nicht der Platz, diese in wechselnden Koalitionen teils subtil, teils mit harten Bandagen ausgefochtenen Rivalitäten bürokratischer Apparate im Detail nachzuzeichnen, zumal darauf an anderen Stellai fallweise Bezug genommen wird. Reichhaltiges Material dazu findet sich nicht nur in den PA und vor allem den NS-Doss. umstrittener Beamter, sondern auch in verschiedenen Sachakten des Mdl und des StMin; siehe vor allem die Faszikel: Einstellung der Beamtenanwärter, Erhebung von politischen Unbedenklichkeitserklämngen etc. (GLAK, 233, Nr. 23.966), Besetzung von Beamtenstellen in den Grenzbezirken (ebd., Nr. 23.999), Ernennung, Versetzung u. Entlassung von Landesbeamten (ebd., Nr. 24.035-24.036), Aufnahme in den staatlichen Dienst (GLAK, 236, Nr. 29.151), Polit. Beurteilung der Beamten u. Angestellten (ebd., Nr. 23.722), Versetzung von Beamten sowie die Ausschreibung erledigter Stellen (ebd., Nr. 29.145). Siehe zu diesem Komplex eingehend Roser 1996; vgl. Roser/Spear 1993, S. 85-96.

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Π. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Landratsposten zu besetzen war, entsandte das Innenressort im Zusammenspiel mit Berlin im August 1939 eilends den protestantischen Regierungsrat Karl Stiefel (1902-1973) vom Polizeipräsidium Karlsruhe in den rein katholischen Kreis Buchen.318 Dieser Beamte genoß in Partei- und SS-Kreisen als beflissener Opportunist mit verschwommenem NS-Profil nur geringes Ansehen. Dementsprechend ungehalten reagierte der Gauleiter auf den Coup seines Ministers: "Der Reichsstatthalter (hat) den dringenden Wunsch geäußert, daß er bei der Freiwerdung und Neubesetzung von Landratsstellen sowie bei der Ernennung von Beamten zu Landräten frühzeitig eingeschaltet wird", ließ er Pflaumer wissen. "Da der Herr Reichsstatthalter beabsichtigt, auf die künftige Besetzung der Landratsstellen in seinem Dienstbereich besonderen Einfluß zu nehmen, empfiehlt es sich, rechtzeitig die grundsätzliche Entscheidung des Herrn Reichsstatthalters vor Einleitung eines Ernennungs- oder Besetzungsverfahrens einzuholen." Zu diesem Zweck wünsche er in regelmäßigen Abständen eine Liste der vom Innenminister vorgesehenen Beamten zwecks (politischer) Begutachtung dieser Aspiranten vorgelegt zu erhalten.319 Angesichts des Kriegsbeginns fiel es dem Innenminister nicht schwer, diesen Anschlag auf den Kernbereich seiner Ressortkompetenzen versanden zu lassen. Und als die Sprache zwei Jahre später nochmals darauf kam, vermied er es unter Hinweis auf die kriegsbedingten Unwägbarkeiten einer kurz- und mittelfristigen Personalplanung abermals, dazu in der Sache Stellung zu nehmen.320 Die Ereignisse gingen über Wagners neuerlichen Vorstoß ebenso hinweg, wie über eine ähnliche Initiative in Württemberg.321 Während des Krieges wurde in Baden nur ein einziger Landrat ernannt, und der war ganz nach dem Gefallen des Gauleiters: Dr. Waldemar Ernst (geb. 1909) hatte sich im Juli 1932 als Referendar der NSDAP angeschlossen, konnte beste Examina vorweisen und war Anfang 1938, nur gut zwei Jahre nach seinem Eintritt in die Innenverwaltung, zum Polizeidirektor in Baden-Baden ernannt worden; nach einem Gastspiel im Reichsinnenministerium wurde der vielversprechende Überflieger im September 1942 zum Landrat im wichtigen Grenzbezirk Waldshut ernannt, nahm sein Amt jedoch wegen seiner Kriegseinsätze kaum wahr.322 Ansonsten konnte der Reichsstatthalter lediglich im Elsaß in seiner Eigenschaft als führerunmittelbarer Chef der Zivilverwaltung ungehemmt vorexerzieren, an welchen Maximen er die badische Personalpolitik nach der kommenden 318

319 320 321

322

Zum Werdegang des Reallehrersohnes und nachmaligen Verfassers des Standardwerks zur bad. Verwaltungsgeschichte (Stiefel 1979), Angehöriger der Heidelberger Verbindimg Karlsnihensia und früherer DVP-Anhänger, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.704), weitere PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.302) u. die SS-PA (BABZ) sowie die Doss. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, in Nr. 18) u. weitere bad. NS-Unterlagen (ebd., Nr. 13.119); ferner meine Kurzbiogr., In: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB. Zu LR Stiefels Wirken in Buchen siehe eingehend Roser 1996. RStH an Mdl, 28.8.1939 (GLAK, 236, Nr. 29.273). Mdl (gez. Müller-Trefzer) an RStH, 26.1.1942 (GLAK, 236, Nr. 29.273). Siehe dazu ein ausführliches Sehr, von Mdl Schmid an RStH Murr v. 5.3.1943 zur geplanten "Besetzung der freien Landratsstellen" (HSTAS, Η 151/21, Bü. 52, Qu. 139). Zur Person siehe oben, mit Anm. 277.

Personalunionen

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Pensionierungswelle - das Durchschnittszller der Landräte lag Anfang 1940 bei 56 und im Januar 1945 bei 58 Jahren (Tab. I) 323 - auszurichten gedachte. Die Botschaft war eindeutig: Wagner setzte auf den badischen Nachwuchs, und er wollte einen radikalen Generationenwechsel. Hervorstechendes Merkmal jener acht Landräte, die Anfang 1945 im Elsaß amtierten, war ihr vergleichsweise geringes Lebensalter: im Schnitt waren sie nicht einmal 38 Jahre alt (Tab. 1), wobei zu beachten ist, daß sich unter ihnen ein 60jähriger Veteran aus der Zeit des Reichslandes Elsaß-Lothringen befand. Die übrigen hatten, ebenso wie die zwischenzeitlich (kommissarisch) eingesetzten Kollegen, allesamt erst nach der NSMachtergreifung ihren Dienst in der badischen Innenverwaltung getreten. Es handelte sich daher durchweg um NSDAP-Mitglieder.324 Einige von ihnen waren aktiver in den Gliederungen der Partei tätig als ihre älteren Kollegen, doch ein besonders markantes NS-Profil wies die Gruppe der von Wagner direkt berufenen Landräte gleichwohl nicht auf. Ihm ging es ganz offensichtlich in erster Linie darum, leistungsfähige Nachwuchsleute an sich zu binden, die ihre Karriere ausschließlich dem NS-Regime zu verdanken hatten und nun darauf brannten, ihre professionellen Fähigkeiten an exponierter Stelle unter Beweis zu stellen. Auch Wagner setzte also dort an, "wo der Wille noch biegsam und das Denken noch geschmeidig ist", 325 bei der jüngsten Generation seines Personalreservoirs. Alles weitere, darauf vertraute er wohl zurecht, würde sich bei günstigem Kriegsverlauf von selbst ergeben. Daß gerade diese ehrgeizigen Jungbeamten im Elsaß alsbald wieder Konkurrenzkämpfe mit den ihnen zugeordneten Kreisleitern auszufechten begannen, änderte nichts daran, daß sie durchweg loyal und engagiert die Germanisierungspolitik ihres Chefs in die Tat umsetzten. Was nun das Erbe der gescheiterten Politisierungsinitiative Wagners von 1935 anbelangte, so bemühten sich Innenminister Pflaumer und sein Ministerialdirektor Bader intensiv und mit Erfolg darum, die Situation in Konstanz so rasch wie möglich wieder zu bereinigen. Nachdem der beim Reichsstatthalter und beim Ressortchef in Ungnade gefallene Polizeipräsident Heim von seinem Posten entfernt worden war, setzten sie gemeinsam im Handstreich Engelhardts Ernennung als dessen Nachfolger durch, bevor von Berlin ein auswärtiger SA- oder SS-Mann nominiert werden konnte. 326 Damit war nicht nur ein Pfahl im Fleisch der Bezirksverwaltung auf elegante Weise entfernt worden, auch der Konstanzer Landeskommissär Gustav Wöhrle wurde aus einer überaus unkomfortablen Lage 323

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Da die Altersverteilungen vor allem bei den RegR, ORegR und LR stark streuen und zudem mehrgipflig sind (vgl. Varianz u. Standardabweichung), bezidien sich meine Durchschnittsangaben im Text jeweils auf den Median (Z), nicht auf das arithmetische Mittel (X). Wenn Hüttenberger (1969, ISOf.) u. Kettenacker (1973, 142) diesen Umstand besonders herausstreichen, so übersehen sie dabei, daß es seit 1933 de facto ausgeschlossen war, als NichtPg. in die Innenverwaltung aufgenommen zu werden. So die Parole des Reichsrechtsamts der NSDAP Ende der dreißiger Jahre; zit. nach Sunnus 1990, 117. Siehe dazu die Protokolle der Vernehmungen der ehemaligen MinRe Dr. Kurt Bader und Dr. August Herbold sowie des NS-Mdl Pflaumer vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart am 29.5.1958 u. 17.7.1958 (HSTAS, EA 2/150, Bu. 299, Qu. 42 u. ohne Qu.).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

befreit. Hatte er doch ausgerechnet jenen Gefolgsmann das Gauleiters dienstlich begutachten müssen, von dessen Politischen Beurteilungen nicht zuletzt abhing, ob er selbst seinen exponierten Posten bis zur nahenden Pensionierung würde halten können.327 Die ganze Widersprüchlichkeit der von Wagner heraufbeschworenen Zustände in Konstanz wurde dadurch aus Sicht des Innenministers nur unterstrichen. So blieb denn diese massive Intervention zugunsten des NS-Außenseiters Engelhardt ein Einzelfall im höheren Dienst der badischen Bezirksverwaltung. In Württemberg kam überhaupt kein Kreisleiter bei der Besetzung von Landratsposten zum Zuge. Entsprechende Forderungen wurden auch gar nicht erhoben. Die Kreisleiter meldeten zwar von Beginn an sehr energisch und mit Erfolg ihren Mitspracheanspruch bei der Neubesetzung der Landratspositionen an; ganz anders als in weiten Teilen Preußens erhob aber kein einziger von ihnen selbst Anspruch auf diesen Posten. Vielmehr zielten ihre zahlreichen Interventionen sämtlich darauf ab, entweder einen vom Ministerium vorgesehenen Kandidaten abzuwehren oder selbst einen ihnen genehmen Verwaltungsjuristen zu lancieren. In diesem Verhalten spiegelte sich auch jenes unpolitisch-instrumentelle Verständnis des Staatsapparats wider, das besonders in Württemberg von dessen führenden Personal generationenlang kultiviert worden war. Im übrigen banden der Reichsstatthalter und die Spitze des Innenressorts die württembergischen Kreisleiter sorgsam in die personalpolitischen Abstimmungsprozesse ein, um es möglichst gar nicht erst zu konfliktträchtigen Konstellationen kommen zu lassen: "Die Vorschläge auf Besetzung von Landratsstellen erfolgen immer im Einvernehmen mit dem Kreisleiter. Häufig liegt sogar ein entsprechender Wunsch des Kreisleiters vor", teilte der Gauleiter dem Reichsinnenminister zur württembergischen Praxis mit.328 Daß Murr und seine Leute damit nicht schlecht beraten waren, belegen die Verhältnisse im Nachbarland Baden. Dort unterbreitete das Innenministerium seine Ernennungsvorschläge dem Reichsstatthalter in der Regel ohne vorherige Abstimmung mit den jeweils betroffenen Kreisleitern. Der Gauleiter entschied darüber auf der Grundlage des Votums seines Personalamtes, dessen Gutachten sich vor allem auf die Politischen Beurteilungen der Kreisleitungen stützte. Mangels vorheriger informeller Abstimmung versuchten diese ihre Stellungnahmen häufig als Vetoinstrument zu nutzen, um aus irgendwelchen Gründen mißliebige Beamte loszuwerden oder abzuwehren. Die Folge waren teilweise kraß widersprüchliche Beurteilungen ein und derselben Person und energische Einsprüche der Betroffenen und ihrer Dienstherren - ein bemerkenswerter Beitrag zur Perpetuierung der personalpolitischen Grabenkriege in Baden. Die nachhaltige Prägekraft der regionalen Verwaltungstraditionen, wie sie ebenfalls in Bayern festzustellen ist, bestimmte in Württemberg auch die Haltung zur Frage der Personalunion auf Kreisebene. "Die Verteilung der Aufgaben auf zwei verschiedene Personen liegt sachlich im Interesse beider Stellen", faßte Ministerialdirektor Dill die eigenen "Erfahrungen bei der Trennung der Ämter von 327 328

Zur Person Wöhrles und seinem Verhalten siehe Kap. III, mit Anm. 55. Am 25.10.1935 (HSTAS, E 151/01, Bü, 2.310, Qu. 144). Das traf nach meinen Beobachtungen in aller Regel zu.

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Landrat und Kreisleiter" im Mai 1941 zusammen. "Schwierigkeiten sachlicher Art kommen nicht vor, wenn die Zuständigkeiten eingehalten werden." Und er fuhr fort: "Wenn sich in verhältnismäßig geringem Umfang trotzdem Schwierigkeiten ergeben, so sind diese persönlich bedingt. Meist entstehen sie dadurch, daß die Kreisleiter den Begriff 'Menschenführung' zu weit auslegen und damit in die Aufgaben der Verwaltung übergreifen." Aus der Perspektive des Spitzenbeamten gewährleistete die "Person des Reichsstatthalters (Gauleiters) ohnedies die gewünschte Verbindung" zwischen Staat und Partei. Und so reduzierte sich das Problem der gelegentlichen Konflikte in den Landkreisen auf eine sorgfältige Auswahl und Schulung des beiderseitigen Personals - vor allem der Parteifunktionäre: "Die gegenwärtigen Schwierigkeiten werden m. E. aufhören, wenn überall Landräte sind, die die Belange der Partei - möglichst als alte Parteigenossen - zu würdigen wissen, und andererseits die Kreisleiter ihre Aufgaben nicht nur in revolutionärem Draufgängertum erblicken, sondern mit Hilfe genügender Verwaltungskenntnisse die Aufgaben der staatlichen Verwaltung zu würdigen verstehen."329 Eugen Fiechtner (geb. 1908), der 1932/33 als Kreisleiter in Waiblingen gewirkt hatte, erfüllte diese Anforderungen nicht. Zwar wurde er nach bestandener Großer Staatsprüfung mit einiger Verzögerunng in den Dienst der württembergischen Innenverwaltung übernommen, von dort jedoch umgehend dem Reich als Oberlandrat im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren zur Verfügung gestellt. Das war offensichtlich nicht zufällig geschehen. Als nämlich das Reichsinnenministerium ihn Mitte 1943 zur Rückübernahme als Landrat in Württemberg anbot, winkte Stuttgart ab: "Im Hinblick auf die politische Bedeutung, die der Stellung eines Landrats zukommt, sind bei der Besetzung von Landratsstellen grundsätzlich alte Parteigenossen zu berücksichtigen, sofern sie nach ihren Leistungen und ihrer ganzen Persönlichkeit für eine solche verantwortungsvolle Tätigkeit in Frage kommen", unterstrich Reichstatthalter Murr, um sogleich unmißverständlich hinzuzufügen: "Der Oberlandrat Fiechtner ist für die Stelle eines Landrats in Württemberg weniger geeignet."330 Schließlich hatte die Gauleitung Fiechtner in Waiblingen nicht zuletzt auch deshalb ablösen lassen, weil er dort 1933 Landrat Mäulen und andere Beamte als NS-Sonderkommissar allzu rabiat angegangen war. 331 Und auch später hatten maßgebliche Partei- und Verwaltungsleute den Alten Kämpfer mehr kennen als schätzen gelernt. So schilderte der Vorsitzende 329

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Vertrauliches Exposée Dills über die "Verwaltungsführung in den Landkreisen" v. Mai 1941 (STAS, Ho 235, Nr. 26, Mappe A.13.6.A). NSDAP-GauL u. RStH Murr an Mdl u. RIM, 8.6.43 (HSTAS, E 151/01, Bü. 450; BÄK, R 18, Nr. 8.139; Hervorheb. von mir). Die PA des protestant. Land- und Gastwirtsohnes, der ausdrücklich keiner Verbindung angehört hatte, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (STAL, EL 20/3, Bü. 567), verschiedene NS-Unterlagen (BABZ) und eine Stammliste v. 10.5.1937 (STAL, F 210 II, Bü. 222, Mappe "Überfall v. 22. Juni 1933 durch die NSDAP"). Als Student hatte sich Fiechtner offenbar zunächst in einer "Arbeitsgemeinschaft über Demokratie und Marxismus" betätigt, bevor er 1929 zum NSDStB ging und zum 1.10.1930 in die NSDAP eintrat. Zu seinen Aktivitäten in Waiblingen 1932/33 siehe Roser 1996. Siehe dazu Kap. III, mit Anm. 87.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

des NSDAP-Gaugerichts Württemberg-Hohenzollern, Otto Hill, den stellensuchenden Altparteigenossen unter Berufung auf das gleichlautende Urteil der Waiblinger Ortsgruppe "als einen sehr subjektiven, mitunter sehr gehässigen Menschen", dessen politische Beurteilungen mit Skepsis gelesen werden müßten. 332 Weder das Innenministerium noch die Gauleitung waren daran interessiert, durch die Ernennung solcher Persönlichkeiten vermeidbare Unruhe auf der unteren Verwaltungsebene zu provozieren.

Bahn frei den Jungen Auch im Hinblick auf das Ernennungsdatum der seit dem April 1933 berufenen Landräte unterscheiden sich die beiden südwestdeutschen Länder deutlich vom Rest des Altreichs. Vor allem gilt dies für Baden. Zehn der betreffenden zwölf Stelleninhaber von Anfang 1943 waren 1933/34 erstmals ernannt worden, die anderen beiden zu Beginn der vierziger Jahre. In Württemberg waren jeweils zehn 1933/34 und in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre ernannt worden, nur einer während des Krieges (Tab. 31). Da die Landratsposten sowohl vom Karlsruher als auch vom Stuttgarter Innenministerium während der Machtergreifungsphase in Fortführung der bisherigen Praxis ausschließlich mit Karrierebeamten besetzt worden waren, gab es anders als in Preußen oder Thüringen auch keine Abgänge, als die während dieser Zeit eingerückten NSDAP-Funktionäre später vor die Wahl zwischen Partei- und Staatsamt gestellt wurden. Und zusätzlich wurde der Ersatzbedarf dadurch gemindert, daß im Zuge von Kreisreformen in Baden von 1936 bis 1939 13 der bisher 40 und in Württemberg 1938 gar 27 von 61 Landratsstellen wegfielen. Beides war durchaus von Bedeutung für die personelle Zusammensetzung der Landrätekorps in Südwestdeutschland. Denn durch deren frühzeitige Auffüllung mit Regierungsräten aus der eigenen Innenverwaltung boten sich für geraume Zeit kaum Ansatzpunkte für ihre systematische Durchsetzung mit (auswärtigen) Nachwuchsbeamten, die ihre Ausbildung erst während der NS-Herrschaft abgeschlossen hatten und sich angesichts der in politischer Hinsicht zunehmend straffer gehandhabten Einstellungspolitik von vorneherein einem ungleich höheren Anpassungsdruck ausgesetzt sahen als diejenigen, welche bereits vor 1933 auf Planstellen gelangt waren. So mußte 1939 eigens in Bayern eine Landratsstelle gesucht werden, um den "nationalsozialistisch bewährten" württembergischen Regierungsrat Paul Sonntag (geb. 1900), der sich bereits während seines Referendariats im April 1932 der NSDAP angeschlossen hatte, angemessen unterzubringen.333 Jeder fünfte preußische und immerhin jeder siebente bayerische 332 333

Hill an Gauschatzmeister Vogt, 5.2.35 (BABZ, Parteikorrespondenz: Dr. Heinz Ritter). Damit sollte zugleich auch ein Beitrag zur Nazifizierung der Innenverwaltung des Nachbarlandes geleistet werden: "Der Stellvertreter des Führers hat mich neuerdings wieder-

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Landrat von 1943 hatte demgegenüber seine Große juristische Staatsprüfung erst 1933 oder später abgelegt. Im signifikanten Gegensatz zu weiten Teilen des Altreichs, insonderheit Preußens, wurden also die Spitzenpositionen der Bezirksverwaltung Badens und Württembergs auch zehn Jahre nach der nationalsozialistischen Machtergreifung noch durchweg von Verwaltungsjuristen eingenommen, deren berufliche Sozialisation bereits vor 1933 ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hatte. Doch dies bedeutete keineswegs, daß die nationalsozialistischen Partei- und Regierungsspitzen in den beiden südwestdeutschen Ländern darauf verzichtet hätten, ihre Landrätekorps personell gründlich zu erneuem. Immerhin schied 1933/34 in Baden mit 15 von 40 und in Württemberg mit 21 von 61 jeweils ein (gutes) Drittel der Landräte aus ihren Ämtern. Daß dahinter politische Absicht stand, zeigt ein Blick auf die Gründe des Ausscheidens (Tab. 33). Durch Erreichen der Altersgrenze oder Ableben verlor die badische Bezirksverwaltung in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft keinen einzigen Landrat, in Württemberg waren es nur zwei. Die weitaus meisten Abgänge indessen - elf in Baden, zwölf in Württemberg - gingen auf das Konto vorzeitiger Pensionierungen. Offiziell erfolgten diese Zurruhesetzungen "auf Ansuchen" der Betroffenen, in einigen Fällen unter Hinweis auf krankheitsbedingte Dienstbehinderungen. Tatsächlich jedoch waren die meisten dieser Landräte erst unter dem Druck der Ministerien um ihre Pensionierung eingekommen. Unmittelbar vor der Übergabe des Ressorts an Schmid legte der Stuttgarter Gauleiter Murr vier seiner Amtsvorstände gleichsam die Pistole auf den Tisch: Gemäß einer Neufassung des Beamtengesetzes "kann die zuständige Behörde einen Beamten auf seinen Antrag oder von Amts wegen in den Ruhestand versetzen, wenn er das 60. Lebensjahr zurückgelegt hat und durch sein Alter in seiner Tätigkeit gehemmt ist. Das Innenministerium betrachtet diese Voraussetzung bei Ihnen als gegeben", mußten die Landräte Franz Bertsch (1868-1951) in Blaubeuren, Ludwig Nägele (1869-1950) in Nürtingen, Friedrich Rippmann (1868-1940) in Calw und Benjamin Richter (1869-1954) in Esslingen zur Kenntnis nehmen. "Ich möchte Ihnen daher nahelegen, alsbald einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zu stellen."334. Die meisten Adressaten dieser und ähnlicher

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holt darauf hingewiesen, daß in Bayern noch immer zu wenig Altparteigenossen als Landräte eingesetzt würden", begründete der RIM seinen Versetzungsvorschlag gegenüber RStH Murr am 22.3.1939 (BABZ, RStH in Bayern, PA Sonntag). Die württ. Haupt-PA des kathol. Schuhmachermeistersohnes und CV-Koiporierten, der sein Abitur - als einziges Mitglied der Untersuchungsgruppe - erst 1924 auf dem zweiten Bildungsweg "mit Auszeichnung" erworben hatte, dessen Examensnoten ihn aber unter den bis 1933 obwaltenden Umständen nicht für eine Einstellung qualifiziert hätten, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine bayer. PA (ebd.; BHSTAM, MInn, Nr. 85.092) u. seine Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.652). Zur Situation in der landrätlichen Verwaltung Bayerns siehe oben, mit Anm. 301. Sehr. v. 12.7.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 850, Qu. 118). In Württemberg wurden die vorzeitigen Pensionierungen bereits im Mai 1933 gemäß Art. 87 Abs. 3 Württ. Beamtengesetz in der Fassung von Art. 1 Ziff. 2 der 11. Not-VO des StMin, betr. das Beamten- u. Besoldungsgesetz, v. 24.3.33 (Württ. RegBl., 63) eingeleitet. In Baden erfolgten diese (Zwangs-)Pensionierungen auf der Grundlage des eigens erlassenen "Gesetzes über die

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Briefe zeigten sich schockiert - ob des brutalen Tonfalls, vor allem aber, weil sie sich in ihrer Berufs- und Standesehre zutiefst getroffen fühlten. Kanzleidirektor Himmel hatte alle Hände voll zu tun, das von Murr zerschlagene Porzellan zusammenzukehren: Landrat Nägele "wurde bekanntgegeben, daß weder gegen seine Person noch gegen seine Dienstleistung irgend etwas vorläge," notierte er Anfang Juli nach einer Vorsprache des hartnäckig widerstrebenden Kollegen, "daß seine Zurruhesetzung vielmehr in gleicher Weise wie bei anderen Oberamtsvorständen ihm deshalb angesonnen worden sei, weil das Innenministerium unter den gegenwärtigen Verhältnissen Wert darauf legen müsse, daß die politisch schwierigen Bezirke des Landes mit jüngeren Oberamtsvorständen besetzt werden." 3 3 5 In der Tat waren die Zwangspensionierungen überwiegend nicht direkt politisch motiviert. Vielmehr ging es den Ressortchefs Pflaumer und Schmid offensichtlich in erster Linie darum, rasch Beförderungsstellen für die nachdrängende Generation von Regierungsräten freizumachen. 336 Nach innen konnten auf diese Weise Loyalitäten begründet oder verstärkt werden, denn die mittelfristigen Karriereaussichten des Nachwuchses sahen nach Jahren rigoroser Sparpolitik und angesichts der ungünstigen Altersstruktur der leitenden Bezirksbeamten (Tab. 1) trübe aus, und die veqagte "System"-Regierung hatte sie mit einer flierau/setzung der

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Zurruhesetzung der Beamten* vom 17.7.33 (BGVB1., S. 133). Die durchweg von resignierendem Widerstreben diktierten Entlassungsgesuche der betroffenen bad. Landräte finden sich in GLAK, 233, Nr. 24.449. Auf Reichsebene wurde die Möglichkeit politisch begründeter Zwangpensionierungen später in § 71 DBG gesetzlich verankert (Hartmannsgmber 1992). AV v. 12.7.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 850, Qu. 118; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang des protestant. Gastwirtsohnes Nägele, Angehöriger der Tübinger Tumerschaft Palatia und 1920-1933 DVP-Mitglied, siehe seine PA (ebd.) u. VA (STAL, EL 20/5, Bü. 4.134); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Die PA des Pfarrersohnes Richter, Mitglied des Tübinger Bundes Lichtenstein, habe ich nicht ermittelt; siehe aber eine Bewerberliste v. Juli 1906 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.164) u. die Dienstakten des OA Esslingen (STAL, F 164 II, Bü. 908); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. PA des Pfarrersohnes Rippmann, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Roigel, habe ich ebenfalls nicht ermittelt; siehe aber eine Bewerberliste v. 15.11.1924 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.603, Qu. 101) u. die VA (STAL, EL 20/5, Bü. 4.763); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Die PA des kathol. Kaminfegermeistersohnes Bertsch sind im September 1944 (wie wohl die PA der anderen Genannten auch) bei einem Luftangriff auf Stuttgart verbrannt; siehe aber den Mdl-EA v. 14.5.1928 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.143 u. 1.256) u. die VA der Witwe Sofie (STAL, EL 20/5, Bü. 474); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Keiner der verdrängten LRe trat in die NSDAP ein. Der 1933 vorzeitig zurnihegesetzte RegR Dr. Otto Esaù (vgl. oben, mit Anm. 244) sagte dazu nach dem Krieg aus, "der frühere Ministerialdirektor im Ministerium des Innern [Dr. J. Bader] [...] habe ihm mitgeteilt, daß der neue nationalsozialistische Innenminister [Pflaumer] zunächst beabsichtigt habe, alle über 58 Jahre alten oberen Beamten zu pensionieren, um Platz für die Anstellung von Parteigenossen zu schaffen. Nachdem dieser Plan wegen der Kostenfrage am Widerstand des Finanzministers [Köhler] gescheitert sei, habe man nunmehr Einzelne herausgesucht, die eine Handhabe für die Pensionierung geboten hätten. Er habe keinen Zweifel daran gelassen, daß auch seiner Ansicht nach die ganze Aktion politischen Charakter hätte. " Die Kommission für Wiedergutmachung an Angehörigen des öffentlichen Dienstes für Südbaden folgte der abschließenden Bewertung in ihrem ablehnenden Bescheid v. 6.12.1952 zu Recht nicht (STAF, C 15/1, Nr. 494).

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Pensionsgrenze gar noch verschlechtern wollen.337 Nach außen eröffnete sich dadurch die Chance, im Lande mit der Ablösung eines altgedienten Landrats durch einen tatkräftigen Nachwuchsmann jenen "frischen Wind" des Wiederaufbaus zu signalisieren, den die Propagandisten der "nationalen Revolution" auch in der Provinz wehen zu lassen verheißen hatten. Hatte es doch der württembergische Gauleiter und Reichsstatthalter Murr ausdrücklich als ein vorrangiges Ziel des von ihm persönlich beaufsichtigten Personalrevirements in den Oberämtern bezeichnet, daß der "Geist in den Behörden veqüngt" werde338. Und in Karlsruhe hatte der nachmalige Ministerpräsident Köhler in einer der ersten Sitzungen der kommissarischen Regierung mit Blick auf die "Überalterung des Beamtenkörpers" gleichfalls von der Notwendigkeit gesprochen, "junge Kräfte, die sich geistig leicht einstellen könnten, durch eine gute Personalpolitik heranzuziehen."339. Anders als in weiten Teilen Preußens und verschiedenen anderen Ländern setzten die Innenminister der beiden südwestdeutschen Länder bei dem vielbeschworenen "nationalen Wiederaufbauwerk" ganz auf die Mitwirkung der gelernten Verwaltungsleute. In Baden hatte Gauleiter und Reichskommissar Robert Wagner bereits frühzeitig ohne Umschweife festgestellt, "daß er die Säuberung des öffentlichen Behördenapparats nur sehr schrittweise habe einleiten können, einesteils wegen der finanziellen Auswirkungen und zum zweiten wegen der Schwierigkeiten geeigneten Ersatzes"340. Und im Oktober 1933 sah sich das Gauamt für Kommunalpolitik durch die "immer von neuem einlaufende(n) Beschwerden seitens der Kreisleiter über die Landräte" veranlaßt, Innenminister Pflaumer darauf hinzuweisen, "daß mangels augenblicklich geeignetem Nachwuchses es ratsam" erscheine, wenigstens "die Herren Landräte nach Tunlichkeit in weitestgehendem Maße auszutauschen, damit sie [...] in ihrem neuen Tätigkeitsfeld unbelastet von persönlichen Bindungen sachlicher zu urteilen in der Lage sind und dadurch eher

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Gegen den Plan, die Altersgrenze von 65 auf 67 Jahre anzuheben, hatten am 13.3.1930 alle bad. Beamtenverbände "im staatspolitischen Interesse" mit einer gemeinsamen Resolution protestiert, die mit den bezeichnenden Worten Schloß: "Die Beamtenschaft hat wahrlich in der Kriegs- und Nachkriegszeit genug Opfer gebracht. Es wird immer wieder vergessen, daß doch gerade sie es war, die den Staat durch ihre Pflichttreue vor dem Chaos, aus dem es keine Rettung mehr gegeben hätte, bewahrt hat." (GLAK, 233, Nr. 24.123; Hervorheb. von mir) Das bad. Kabinett nahm seinen Beschluß wenig später zurück; siehe Finanzmin. (gez. Schmitt) anStMin, 16.4.1930 (ebd.) RStH (gez. Murr) an StMin., 21.7.33 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.302, Qu. 13). Später wurde ausdrücklich von der "Veijüngung des Beamtenkörpers nach der nationalen Erhebung gesprochen"; siehe etwa Mdl (gez. Dr. Schmid) an RStH, 16.9.35 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.432). Die beabsichtigten Personalveränderungen auf LR-Ebene wurden Murr am 22.8.33 während einer von ihm geleiteten Spitzenbesprechung im Mdl vorgetragen und von ihm gebilligt; siehe Mdl (gez. Dr. Schmid) an StMin., 29.8.33 (ebd., Bü. 1.351, Qu. 107). Niederschrift über die Sitzung der kommissarischen Regierung v. 27.3.33 (gez. MüllerTrefzer), Ausführungen StKom für das Finanzmin Köhler (GLAK, 233, Nr. 24.318, Bl. 5-12, hier Bl. 7; Hervorheb. von mir). In der Sitzung der kommissarischen Regierung v. 27.3.33 (oben, Anm. 339, Bl. 5). Der StKom Walter Köhler sprach sich ebenfalls für ein "vorsichtiges Vorgehen" aus (ebd., Bl. 7). Vgl. Grill 1983, 266.

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ein gedeihliches Zusammenarbeiten gewährleistet" werde.341 Dazu bot das im Gange befindliche Personalrevirement reichlich Gelegenheit. Mit ganz wenigen Ausnahmen wurden die badischen und württembergischen Bezirks- und Oberämter in den Jahren 1933 bis 1935 umbesetzt.342 Und wie entledigten sich die NS-Machthaber zu Beginn ihrer Herrschaft jener Landräte, die sie für gänzlich ungeeignet hielten, ohne allzuviel Unruhe in ihre Verwaltung hineinzutragen? Das traditionelle Instrument der vorzeitigen Pensionierung - vergleichsweise schonend für die Betroffenen und dazu nicht sehr kostspielig - war ein probates Mittel, kam aber in der Regel nur für Beamte in Betracht, welche das 60. Lebensjahr überschritten hatten. Die meisten der 1933/34 Verabschiedeten waren denn auch um 1870 geboren. Für jüngere Kräfte bot sich als Alternative die Versetzung auf weniger exponierte Positionen an. 343 In besonderen Fällen "nach oben", auf politisch nicht so wichtige Ministerialstellen etwa, oder auf Präsidentensessel einer öffentlichen Versicherungs- oder Kreditanstalt. Doch solche Posten waren rar, und sie wurden traditionell nur mit besonders verdienten Beamten besetzt, deren Karriere sich ihrem Ende zuneigte. Für die übrigen kam in erster Linie die Sozialverwaltung in Betracht. Mit der Auflösung der Arbeitsministerien war sie 1924 sowohl in Baden als auch in Württemberg wieder dem Geschäftsbereich der Innenministerien zugeschlagen worden, genoß dort allerdings kein sonderlich hohes Ansehen. Bereits zu republikanischen Zeiten waren als anderweitig nicht mehr verwendbar eingestufte Angehörige der Innenverwaltung dorthin versetzt worden, und unter der NS-Ägide entwickelten sich besonders die Oberversicherungsämter zum bevorzugten "'Abstellgleis' für miüliebige Beamte".344 Was die Landräte anbelangte, blieb die Zahl solcher Abschiebefälle 1933/34 mit vier in Baden und fünf in Württemberg allerdings deutlich hinter den vorzeitigen Zurruhesetzungen zurück (Tab. 33). Dieser Umstand unterstreicht den 341

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Gauamt für Kommunalpolitik an Mdl Pflaumer, 18.10.1933 (GLAK, 236, Nr. 29.272; Hervorheb. von mir). Gelegentlich einer Vernehmung des RegRs Dr. Rudolf Restle, der sich nach einer ausgebliebenen Beförderung über eine "liberalistische Kliquenwirtschaft schlimmster Art" beschwert hatte, kam der Mannheimer LKom Scheffelmeier auf die Absicht Karlsruhes zu sprechen, demnächst sämtliche Beamten zu versetzen, die noch auf ihren vor 1933 innegehabten Posten säßen; die Niederschrift Scheffelmeiers v. 6.4.193S ist bei der Anfang 1992 von GLAK vorgenommenen Kassation der PA Restles (früher: STAF, A 3 Vorakten, Nr. 1.102) vernichtet worden; zum Werdegang des Postsekretärsohnes Restle (geb. 1892), 1927-1935 Mitglied des Kathol. Akademikerverbands, siehe aber den Mdl-EA v. 22.5.1931 (GLAK, 233, Nr. 24.449) u. die SprKA (STAF, D 180/2, Nr. 164.172). Schon zu Beginn der 1860er Jahre hatte das liberale Ministerium Lamey-Roggenbach sein "großangelegte(s) Revirement* in der bad. Innenverwaltung im wesentlichen mithilfe von Frühpensionierungen und "Versetzung(en) auf politisch bedeutungslose Posten" bewerkstelligt (Gall 1968, 187f.). Präs. Landesbezirk Baden, 17.11.1950: AV über eine Äußerung des ehemaligen PolDir Sacksowsky (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.803/2). Vgl. für vieles die Klagen des früheren LRs in Lörrach Dr. Karl Häußner über seine 1934 erfolgte Abschiebung als Direktor des Obersicherungsamts Konstanz v. 1945 u. 21.3.1946 (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 2.693/1, Bl. 885-888; ebd., Bl. 913/914). Zur Person siehe oben, mit Anm. 225.

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Eindruck, daß es sich bei dem Personalrevirement zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft auf Bezirksebene nicht in erster Linie um eine politische Säuberungsaktion, sondern um einen vorgezogenen Generationenwechsel in politischer Absicht gehandelt hat. Allerdings wurden an die seit April 1933 neuernannten Landräte strengere politische Maßstäbe angelegt: In Württemberg konnten mit einer Ausnahme - der im April 1933 als Polizeidirektor in Tübingen abgelöste Dr. Hermann Ebner in Marbach (1896-1964) zog 1937 nach345 - alle 27 einen Mitgliedsausweis mit dem Eintrittsdatum 1. Mai 1933 vorweisen. In Baden hatten demgegenüber immerhin sieben der zwölf Beamten, welche 1933/34 die Leitung eines Bezirksamtes übertragen bekamen, diesen Anpassungsakt noch nicht vollzogen. Fünf von ihnen traten 1937 der NSDAP bei; Walter Schäfer in Wiesloch/Sinsheim wurde 1940/41 nicht hineingelassen, und nur Albert Englert (1886-1945) in Adelsheim/Bühl hielt sich gänzlich von der Staatspartei fern. 346 In Baden, wo die vergleichsweise hohe Zahl der vorzeitigen Pensionierungen auf eine stärkere Überalterung des Landrätekorps hinweist (Tab. 33; vgl. Tab. 1), kamen bei den 1933/34 vorgenommenen Neubesetzungen überwiegend Regierungsräte der 1880er Geburtsjahrgänge zum Zuge. In Württemberg wurde der Generationenwechsel konsequenter vollzogen: die neu ernannten Landräte entstammten hier fast ausschließlich dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts oder waren gar seit der Jahrhundertwende geboren (Tab. 34). So präsentierte sich die württembergische Bezirksverwaltung auf der Spitzenebene Mitte der dreißiger Jahre deutlich jünger als im Nachbarland. Diese Kluft vergrößerte sich in der Folgezeit (Tab. 1). Während nämlich in Baden, wie bereits angesprochen, nach 1934 nur noch vier Ernennungen stattfanden, wurden in Württemberg während dieser Zeit immerhin noch zwölf neue Landräte berufen, die mit drei Ausnahmen den Geburtsjahrgängen 1900 bis 1905 entstammten (Tab. 34). So lag denn auch das Durchschnittsalter der Anfang 1943 amtierenden Landräte in Baden bei 58 Jahren, während ihre württembergischen Kollegen im Schnitt gerade das 50. Lebensjahr vollendet hatten.347 Mit Blick auf personelle Kontinuitäten kann also festgehalten werden, daß die erste Garnitur der badischen Bezirksverwaltung in ihrer großen Mehrheit um 1950 allein schon aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. Doch zunächst zu jenen Landräten, die in der Zeit von 1935 bis zum Ende des Dritten Reichs aus der Bezirksverwaltung ausgeschieden sind. In Baden boten sich 34

' Der protestant. Sohn eines kaufmännischen Angestellten war als Alter Herr der Tübinger Burschraischaft Germania Bundesbruder des neuen MinDir Dill. Ebners Haupt-PA habe ich nicht ermittelt; zu seinem Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 29.8.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.435, Qu. 145), die SprKA (STAL, EL 902/10, Αζ. 22/lb/6066/863) u. seine Ludwigsburger Nachkriegs-PA (KALB, Altregistratur); ferner Baudisch 1989, 43 u. 1989/90, 66f.; Wilhelm 1989, 242f.; Germania-TÜ 1989, 142, Nr. 1.855 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. 346 Zur Person Schäfers siehe Kap. I, mit Anm. 230. Zu seinem Wirken als LR in Wiesloch siehe eingehend Roser 1996. Zur Person Englerts siehe Kap. ΠΙ, mit Anm. 90. 347 Diese arithmetischen Mittelwerte habe ich aus meinen Unterlagen errechnet; vgl. dazu die Angaben in Tab. 1 für die Stichtage 1.1.1940 u. 1.1.1945.

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der nationalsozialistischen Personalpolitik, was Neuernennungen anbelangte, nach dem umfangreichen Revirement der Jahre 1933/34 und angesichts der seit 1936 schrittweise vollzogenen Auflösung jedes dritten Bezirksamts während der dreißiger Jahre keine Ansatzpunkte mehr. Sie mußte sich einstweilen darauf beschränken, diejenigen Landräte aus dem Verkehr zu ziehen, welche den persönlichen und dienstlichen Anforderungen vor allem auch unter politischen Gesichtspunkten nicht (mehr) genügten. Die Karte der vorzeitigen Pensionierung war vorerst ausgereizt, und das Berufsbeamtengesetz lieferte, sofern es nicht ohnehin schon Anfang 1934 außer Kraft getreten war, aus praktischen und politischen Gründen keine geeignete Handhabe gegen mißliebige Landräte. Blieben die Abschiebungen. In zwei Fällen führten sie formal nach oben. Landrat Gustav Bechtold wurde nach jahrelangen Querelen mit dem Kreisleiter in Bruchsal 1938 das Amt des Landeskommissärs in Mannheim kommissarisch übertragen, seine endgültige Ernennung dann jedoch von der Karlsruher NSDAP-Gauleitung ausdrücklich aus politischen Gründen bis in den Krieg hinein sabotiert; und Alfred Franck wurde Anfang 1935 zum Präsidenten der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft ernannt, um Platz für den frischgebackenen Konstanzer Kreisleiter Engelhardt zu machen.348 Landräte genossen als selbständige Behördenleiter ein besonderes Renommee und erzielten über ihre regulären Bezüge hinaus recht beträchliche Nebeneinnahmen.349 Weniger attraktiv hingegen waren jene Posten, auf die vier weitere Landräte in Baden abgeschoben wurden: Zwei von ihnen, Max Dittler in Wolfach und Karl Vierling in Säckingen, wurden 1936/37 an den Karlsruher Verwaltungsgerichtshof beziehungsweise die dort angesiedelte Dienststrafkammer für höhere Beamte versetzt - dort waren 1933 schon zwei eben zu Ministerialräten beförderte Beamte, Alfred Schühly und Hugo Freiherr von Babo, kaltgestellt worden350. 348 349

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Zur Person Bechtolds und Francks siehe Kap. III, mit Anm. 41 u. 57. So beklagte der ehemalige RegDir im bad. Mdl, August Schneider, am 14.1.1948, "die von jedem Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes erstrebte Stellung - Landrat und damit die "Eigenschaft als selbständiger Behördenleiter (mit besseren Dienstbezügen)" sei ihm wegen seiner reservierten Haltung gegenüber der NSDAP verwehrt geblieben (STAF, F 20/9, Nr. 1.642, P. 148). Vgl. für Württemberg die gleichlautenden Aussagen des seinerzeitigen ORegRs Dr. Max Fetzer v. 10.8.1946 (HSTAS, EA 2/150, Qu. 204). Zu der Feststellung des nachmaligen MinDir, nach der Einführung der Reichsbesoldungsordnung in Südwestdeutschland Ende der dreißiger Jahre sei "die Stellung eines Landrats finanziell der eines Regierungsdirektors mindestens gleichwertig" gewesen, vgl. die Bemerkungen des RegDir Gustav Drautz v. 26.8.1940 (ebd., Bü. 243, Qu. 229) u. den Mdl-AV v. 24.3.1943 (STAS, WO 42, Bd. 60, Bü. 20, Qu. 219). Der Verlust der kreiskommunalen Bezüge und verschiedener Aufwandsentschädigung«! summierte sich bei einer Versetzung in den Innendienst (bei gleichbleibender Besoldungsgruppe) auf ein rundes Viertel des LRs-Einkommens; diese Feststellung des ehemaligen LRs Wilhelm Lempp v. 30.3.1946 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.051, Qu. 288) wird durch meine eigenen Berechnungen bestätigt. Die am 9.1.33 mit Wirkimg vom 1.5.33 ausgesprochenen Ernennungen wurden durch VO des StMin. - Der Beauftragte des Reichs - (GauL R. Wagner) v. 28.3.33 aufgehoben; vgl. Sitzung der kommissarischen Regierung v. 27.3.33, Ausführungen des StKom für das Mdl Pflaumer (oben, Anm. 339, Bl. 11); femer Kirchberg 1982, 45f. Zur Person Yierlings, dessen Versetzung nicht politisch motiviert war, siehe Kap. III, mit Anm. 68. Zur Person Dittlers siehe Kap. III, mit Anm. 61. Zur Person A. Schühlys und von Babos siehe oben, mit Anm. 220 u. 222.

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Landrat Felix Becker (1883-1970), der nach Interventionen der Gauleitung bereits 1934 von Meßkirch nach Donaueschingen versetzt worden war, mußte im April 1937 wider Willen die Leitung des Oberversichungsamtes Konstanz übernehmen, obwohl er als höchstdekorierter Weltkriegsoffizier eigentlich Anspruch auf bevorzugte Beförderung gehabt hätte.351 Und sein - inzwischen schon wieder nach Stockach abgeschobener - Nachfolger in Meßkirch, Rudolf Goldschmidt (18961976), löste bezeichnenderweise im selben Jahr eben jenen ehemaligen Regierungsrat Dr. Albert Gröppler, der 1933 auf Druck der örtlichen NSDAP als Bürgermeister von Wiesloch abgesetzt worden war, an der Spitze des Badischen Gemeinderechnungsprüfungsamtes ab. 352 Härter traf es Ludwig Werber (geb. 1891) in Buchen, der nach seiner politisch begründeten Suspendierung als Oberregierungsrat in Gauleiter Bürckels "Westmark" nach Kaiserslautern abgeordnet wurde.353 In Württemberg schieden während der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre acht Landräte auf regulärem Wege aus dem Dienst, einer starb 1940 während des Militärdienstes. Hinzu kamen vier vorzeitige Pensionierungen (Tab. 33). Nur im Fall des Esslinger Landrats Ernst Mäulen (1878-1948) ist ein politischer Hintergrund erkennbar.354 Eindeutiger auf politische Motive zurückzuführen sind die meisten der elf Abschiebungen seit 1935. Robert Molfenter (geb. 1901) etwa, der im April 1934 zunächst als Verwalter des Oberamts nach Oberndorf entsandt worden war, geriet dort alsbald mit der NSDAP-Kreisleitung aneinander und wurde vorerst wieder ins Technische Landesamt zurückbeordert. Das Innenministerium wollte ihn gleichwohl halten, und auch der Kreisleiter stellte seine Bedenken nach einiger Zeit zurück. Molfenters Landratskarriere indes war schon im Ansatz gescheitert. Zwar wurde er im Dezember 1935 formell zum Oberamtsvorstand in Oberndorf ernannt, doch geschah dies nur, um ihn anschließend als Oberregierungsrat in eine Planstelle gleicher Besoldungsgruppe beim Technischen Landesamt einweisen zu können. Seine Oberndorfer Stelle 351

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Schon am 18.10.1933 hatte das Gauamt für Kommunalpolitik Mdl Pflaumer nahegelegt, im Bezirk MeBkirch, "der weit über die Landesgrenzen hinaus als Hochburg der Zentrumspartei bekannt ist", vorrangig den Landrat auszutauschen (GLAK, 236, Nr. 29.272; Hervorheb. von mir). Die PA des protestant. Ritterkreuzträgers des Militärischen Karl-FriedrichVerdienstordens - Sohn eines Grofiherzoglichen Finanzministers, Bundesbruder des Freiburger Korps Rhenania und DVP-Mitglied (1920-1929) - Becker habe ich nicht ermittelt; siehe aber den Mdl-EA v. 19.6.1934 (GLAK, 233, Nr. 24.449) sowie die Doss. des Gaupersonalamts (STAF, D 180/2, Nr. 21.275) u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, Nr. 956); ferner Götz 1971, 63. Zur Förderung der Träger des K.-F.-Ordens siehe Kap. III, mit Anm. 56. Zum Werdegang des DNVP-Sympathisanten Goldschmidt, protestant. Fabrikantensohn, Mitglied des Tübinger Korps Borussia, siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 2.388; STAF, A 96/1, Nr. 2.493); ferner Götz 1971, 76 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang Gröpplers, der im November 1927 die Innenverwaltung verlassen hatte, siehe die PA des Gemeindeprüfimgsverbands (GLAK, 519, 1986/21, Nr. 765); zu seiner Vertreibung aus Wiesloch siehe Rupp 1991, 159-163. Zum Werdegang des kathol. Sohnes eines Oberrechnungsrates siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 8.128/1-3); ferner Götz 1971, 108f. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zu seinem Wirken als LR in Buchen siehe eingehend Roser 1996. Siehe dazu und zur Person Mäulens Kap. III, mit Anm. 87.

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wurde inzwischen dringend für den Polizeidirektor Eduard Quintenz (1888-1977) aus Friedrichshafen benötigt, weil dessen Streitereien mit Kreisleiter Seibold in Tettnang/Friedrichshafen nunmehr bis zu einem Parteigerichtsverfahren eskaliert waren.355 Bei zwei anderen Beamten, die Anfang 1934 zu Verwaltern der Oberämter Brackenheim und Saulgau bestellt worden waren, scheiterte bereits die endgültige Ernennung an Widerständen aus der NSDAP. Dem katholischen Regierungsrat Otto Häberle (geb. 1895) vom Oberamt Tübingen wurden abfällige Äußerungen über Hitler zum Verhängnis, die im Frühjahr 1933 dem Tübinger Kreisleiter Baumert hinterbracht worden waren. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Entscheidungsprozesse im NS-Staat, daß dessen Veto - obschon später zurückgenommen - Häberle ebenso die Laufbahn verdarb wie seinem protestantischen Kollegen Walter Kreß (1892-1963), der im Herbst 1933 vom Herrenberger Kreisleiter Dr. Lechler abgelehnt und bald darauf zum Landesgewerbeamt abgeschoben wurde.356 Dabei attestierte Kreisleiter Lauster in Brackenheim dem früheren Zentrumsmann Häberle gute Zusammenarbeit mit der Partei und setzte sich ebenso für seine Ernennung ein wie zunächst der Innenminister. Erst im Mai 1936, Häberle verwaltete nach wie vor das Oberamt ohne irgendwelche Beanstandungen, sah sich Schmid durch den anhaltenden Widerstand, den offensichtlich der Stellvertreter des Führers beim Reichsinnenminister leistete, "genötigt", seinen mehrfach erneuerten Ernennungsvorschlag zurückzuziehen. Die mit Berlin vereinbarte Abschiebung an ein bayerisches Oberversicherungsamt ließ sich nicht bewerkstelligen, und so wies man Häberle schließlich wie den Leonberger Landrat Christoph Baumann (1874-1959) dem Oberversicherungsamt Stuttgart zu. 357 Die Bestallung seines Kollegen Dr. Wilhelm Dittus (geb. 1900) in Saulgau wurde durch schwere Konflikte mit dem notorisch streitsüchtigen 355

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Zum Werdegang des protestant. Gastwirtsohnes Molfenter, für den ich keine Verbindungsmitgliedschaft ermittelt habe, siehe seine PA (HSTAS, E 7/150, Anhang, ohne Bü.-Nr.) sowie die Mdl-EV v. 7.4. u. 16.9.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.513, Qu. 76; ebd., Bü. 1.164); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des kathol. Sohnes eines Oberamtsvorstands Quintenz, Mitglied der Tübinger CV-Veibindung Guestfalia und 1918-1923 auch der Bürgerpartei (DNVP), siehe seine PA (STAS, Wü 42, Bd. 60, Bü. 73; HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.293); ferner Wilhelm 1989, 261f. u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Quintenz hatte - versehentlich, wie er sagte - einen Privatbrief erbrochen, der sich unter seiner Dienstpost befunden hatte. (Offensichtlich war er auf der Suche nach Denunzianten in seiner Behörde.) Das NSDAP-Gaugericht Württ.-Hohenzollern wandelte den vom Kreisgericht Friedrichshafen daraufhin am 1.2.1936 verhängten Parteiausschluß am 27.3.1936 in eine Verwarnung um - mit der (angesichts der Praktiken des NSRegimes nachgerade zynischen) Begründung, Quintenz habe sich durch das "Herumschnüffeln in Privatbriefen fremder Personen" eines "VerstoB(es) gegen die Parteiinteressen" schuldig gemacht (STAS, a.a.O.). Zum Werdegang des Landwirtsohnes Häberle, Mitglied der Tübinger CV-Verbindung Chemskia, siehe seine Rest-PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.164). Zum Werdegang des NichtPg.s Kreß, Sohn eines Reichsgerichtsrats, Mitglied der Tübinger Verbindung Stuttgardia, siehe seine PA (ebd., Bü. 1.351). Zum Werdegang des protestant. Landwirtsohnes, der bereits 1928 aus dienstlichen Gründrai von Leonberg wegversetzt worden war, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 45); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

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Kreisleiter Dr. Waizenegger, die schließlich in ein Parteigerichtsverfahren mündeten, lange blockiert und schließlich verhindert.358 Obwohl der Innenminister dessen Anlaß ebenfalls nicht als schwerwiegend betrachtete, mußte Dittus nach jahrelanger Tätigkeit in Saulgau 1937 ins Ministerium zurückgeholt werden; im darauffolgenden Jahr wurde er im Reichsarbeitsministerium untergebracht359. Auf typischen Abschiebepositionen endeten fürs erste auch die Karrieren jener anderen Landräte, die im Laufe der dreißiger Jahre von ihren "politischen" Posten abgezogen wurden: Landeskreditanstalt, Wirtschaftsministerium, Ministerialabteilung für Hochbauwesen. Anläßlich der Kreisreform, die für eine stille politische Säuberung genutzt wurde, gelangten im Herbst 1938 zwei von ihnen, der Katholik Paul Bushart (1880-1967) in Hoib und der abgeschobene Ulmer Polizeidirektor Wilhelm Lempp in Neuenbürg, in die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung.360 Dort war bereits eine Reihe von höheren Beamten tätig (gewesen), denen aus Sicht der Staatspartei nicht getraut werden konnte. 1933 waren die Landräte Gustav Mayer (1879-1967) in Ulm und Karl Rüdiger (18771947) in Böblingen dorthin versetzt worden.361 Regierungsrat Jonathan Hoffmann, den Innenminister Schmid als "sehr tüchtige[n] Beamtefn]" pries, wurde erst Ende 1941, zwanzig Jahre nach seiner Ernennung, zum Oberregierungsrat befördert unter der ausdrücklichen Auflage des Reichsinnenministers, daß "er nun in kürzester Zeit den Anschluß an die Partei findet, und zwar unter aktiver Mitarbeit"362. Dieser Mahnung leistete der in Jerusalem geborene Gebietsführer (Bischof) der deutschen Templergesellschaft, gleich Minister Schmid höchstdekorierter Weltkriegsoffizier, ebensowenig Folge wie Regierungsrat Erich Schariry (geb. 1892). Dem mit besten Examensnoten ausgestatteten, jedoch seit jeher persönlich schwierigen Mitglied der Tübinger Verbindung Igel wurde zur gleichen Zeit die längst fällige Beförderung aus politischen Gründen endgültig verwehrt. Sein Fall steht 358

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Dittus gehörte zu denjenigen Amtsvorständen, die sich energisch gegen die exorbitanten Geldfordeningen der NS-Gliederungen zur Wehr zu setzen versuchten; siehe seinen Bericht an den Mdl v. 24.3.1936 (HSTAS, E 151/41, Bü. 769, Qu. 134); vgl. die Eingangspassagen von Kap. ΙΠ. Zur Einschätzung des KieisL Waizenegger durch Mdl und Gauleitung siehe einen Mdl-AV v. 19[?].12.1936 (STAS, Wü 40, Bd. 2, Bü. 9, Qu. 64). Zum Werdegang des protestant. Förstersohnes, Mitglied der Tübinger AG Rothenburg, siehe seine Rest-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 235); ferner Kürschners Dt. Gelehrtenkalender 1987, Sp. 773 u. 1992, Nekrolog, Sp. 4.252 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur EinfluBnahme des StdF auf die Personalpolitik im höheren Verwaltungsdienst siehe eingehend Caplan 1988, 159-183; Longerich 1992, 40-73. Zum Werdegang des früheren rechten Zentrumsmannes Bushart, Sohn eines Landwirts und Bgm, siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bü. 138); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Lempps und seiner Abschiebung aus Ulm 1933 siehe oboi, mit Anm. 33. Mayer mußte seinen Posten für LR Otto Barth, den Freund des Mdl, räumen. Zum Werdegang des protestant. Kaufmannsohnes Mayer siehe seine PA (HSTAS, E 130c, Bü. 86); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Wie sein Kollege Rüdiger trat das Mitglied der Turnerschaften Hohenstaufia-Tübingen und Novis-München der NSDAP nicht bei. Die PA des Pfarrersohnes, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Roigel, habe ich nicht ermittelt; siehe aber dai Mdl-EV v. 7.9.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 418) u. die VA seiner Witwe Lina (STAL, EL 20/5, Bü. 4.867); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Mdl-EV v. 24.2.41 u. RIM-Einweisungserlaß v. 26.11.41 (HSTAS, E 151/01, Bü. 150).

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übrigens nicht allein. Auch andere Beamte, die schon vor 1933 wegen mangelnder Leistungsfähigkeit oder persönlicher Verfehlungen dienstlich nicht vorangekommen waren, verzichteten auf das NSDAP-Parteibuch. Und nach 1945 versuchten einige von ihnen ihren anhaltenden Karrierestillstand zu einer politischen Benachteiligung umzustilisieren.363 Ihr katholischer Kollege August Breucha war Ende 1936 vom Innenminister gar nicht erst als Nachfolger des Landrats Ebner in Herrenberg vorgeschlagen worden, denn der Gauleiter und Reichsstatthalter hatte schon im Vorfeld durch seinen Staatssekretär Waldmann abwinken lassen: Es sei "nicht erwünscht [...], außer dem Regierungsrat Dr. Trabold, Oberamtsverweser in Leonberg, im gegenwärtigen Augenblick für eine weitere Oberamtsvorstandsstelle einen Beamten vorzuschlagen, der früher dem Zentrum angehört" habe.364 Die antikatholische Personalpolitik des Stuttgarter NS-Regimes wurde im Bereich der Bezirksverwaltung besonders konsequent betrieben: Anfang 1940 amtiertçn nur noch sechs und fünf Jahre später gerade noch vier Katholiken als Landräte in Württemberg (Tab. 23; vgl. Tab. 30). Karl Trabold wurde seit Mitte 1932 bei der Ministerialabteilung verwendet; auch seine Ernennung kam schließlich nicht zustande. Breucha verweigerte der Reichsinnenminister 1937 trotz anerkannter fachlicher Eignung sogar die fällige Höhergruppierung - wiederum mit der Begründung, er sei bis 1933 "Mitglied der Zentrumspartei und Gegner der NSDAP" gewesen. Vergeblich verbürgte sich daraufhin Innenminister Schmid nochmals ausdrücklich für Breuchas "politische Zuverlässigkeit"365. Wenn auch seinem abermaligen Ernennungsvorschlag der Erfolg versagt blieb Breucha wurde wie Trabold 1938 ins Wirtschaftsministerium abgeschoben -, so mag das auch darauf zurückzuführen sein, daß Schmid sich dabei ausgerechnet auf die Beurteilung des amtierenden Abteilungsvorstands berufen hatte. Denn Dr. Erwin Gerhardt, der die Stelle des Ende 1936 verstorbenen Präsidenten Pfleiderer verwaltete, hatte selbst die allergrößten Probleme mit der Partei. 1933 war der damalige Landrat in Waldsee von der - nach Inkrafttreten des BBG eingerichteten "Prüfungsstelle beim Staatsministerium" als "Günstling von Bolz und radikaler Zentrumsmann" zur Abschiebung "auf eine ungefährliche Stelle" empfohlen worden. Obwohl auch der Chef der württembergischen politischen Polizei Einspruch dagegen erhob, hatte der Innenminister ihn daraufhin ins Ministerium geholt und - weil ein "tüchtiger Beamter" und "national zuverlässig" - kurz darauf dessen Beförderung zum Oberregierungsrat durchgesetzt. Weniger Erfolg indessen hatte Schmid, als er Gerhardt auf dem Präsidentenstuhl der Ministerialabteilung piazieren wollte. Beinahe drei Jahre schwebte das Ernennungsverfahren, bis der

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Aus naheliegenden Gründen muB ich darauf verzichten, diese wenigen Fälle hier auszubreiten. Mdl-AV, Kanzleidirektion (gez. Himmel), 15.12.36 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.351, Qu. 115). Siehe die einschlägige Korrespondenz über Breucha und Trabold (HSTAS, E 151/01, Bü. 415). Breuchas NSDAP-Beitritt zum 1.5.1937 kam zu spät. Zur Person siehe oben, mit Anm. 25. Zu Person Trabolds, der bis 1945 Nicht-Pg. blieb, siehe ebd.

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"Führer und Reichskanzler" am Vorabend des deutschen Überfalls auf Polen endlich doch noch die Ernennungsurkunde unterzeichnete366. Warum konnte ausgerechnet jene Behörde, der in Württemberg die gesamte Kommunalaufsicht nicht nur in sachlicher, sondern auch personeller Hinsicht unterstand, mit offensichtlicher Billigung des Ressortchefs zum Refugium von höheren Beamten werden, denen die NSDAP mit Argwohn begegnete? Eine Erklärung mag in dem Umstand zu suchen sein, daß gerade die MABK unter besonders scharfer Kontrolle des maßgeblichen Vertrauensmannes der Partei im Innenministerium stand. Bis zu seiner Beförderung zum Kanzleidirektor war Georg Stümpfig der MABK direkt zugeordnet, und auch danach wußte man sich dort den wachsamen Augen des einflußreichen Gauamtsleiters für Kommunalpolitik in besonderem Maße ausgesetzt.367

Nachwuchs "Stärker als die Kontinuitätslinien, die aus der Verwaltung des monarchischen Obrigkeitsstaates über die Demokratisierungsversuche der Weimarer Republik hinweg bis in die Epoche des Nationalsozialismus hineinführen, [sind] die Umbrüche und Strukturveränderungen zu betonen, die die deutsche Verwaltung nach der Machtergreifung Hitlers im Zeichen der führerstaatlichen Diktatur erfuhr." 368 Auf die badischen und württembergischen Verhältnisse trifft diese Feststellung nicht zu. Weder kam es 1933/34 zu einer politischen Säuberung, welche die personelle Substanz der südwestdeutschen Innenverwaltungen nennenswert berührt hätte, noch wurden diese in den folgenden Jahren auch nur ansatzweise durch NS-Außenseiter unterwandert. Allerdings markierten die wenigen Fälle schon frühzeitig die Grenzen der korporativen Selbstbehauptungskraft der traditionellen Bürokratie. Durch die Plazierung von Leuten wie Stümpfig auf personalpolitischen Schlüsselpositionen wurden diese Grenzen allmählich enger gezogen. 369 Bleibt die Frage, ob die Nachwuchsrekrutierung seit 1933 geeignet war, die engvernetzten Strukturen der südwestdeutschen Innenverwaltung im Sinne einer tiefgehenden Nazifizierung des Staatsapparates aufzulockern und ob sich darüber

366 HSTAS, E 151/01, Bü. 150. Zur Person und zur politischen Beanstandung Gerhardts 1933 siehe oben, mit Anm. 76 u. 114. Zu Person Pfleiderers siehe oben, mit Anm. 66. 367 Zur Person Stümpfigs siehe oben, mit Anm. 126-128. 368 Rebentisch 1989a, 545f. (Hervorheb. von mir). Der Autor beruft sich dabei auch (pauschal) auf Merz 1985, doch dessen Ergebnisse (für Baden) vermögen den behaupteten "Kontinuitätsbruch" gar nicht zu belegen. 369 Zur NS-Strategie der allmählichen Durch- und Ersetzung der "traditionellen Fühmngsgruppen und ihre(r) Apparate" siehe Gerstenberger 1987, lOlf.

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Q. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

hinaus Ansätze für die "Neubildung eines nationalsozialistischen Beamtenkorps"370 abzeichneten. Die "Verjüngung des Beamtenstandes" stand seit dem Frühjahr 1919 auf der Tagesordnung der badischen Politik;371 durchgesetzt wurde sie erst im Zeichen der "nationalen Revolution". Das hatte wohl auch mit der politischen Entscheidungsschwäche der Weimarer Koalitionsregierung zu tun, doch ausschlaggebend waren strukturelle Grundentscheidungen und Faktoren: der Verzicht auf ein revolutionärrepublikanisches Personalrevirement 1918/19, die Stellenverringerung im Gefolge der Auflösung eines Dutzends Bezirksämter, der Mangel an geeigneten Hochschulabsolventen der Kriegsjahrgänge bis Mitte der zwanziger Jahre, die Krise der öffentlichen Haushalte seit 1928/29, der rigorose Deflationskurs der Reichsregierung seit 1930. Die Zahl der Oberämter war in Württemberg seit dem frühen 19. Jahrhundert fast unverändert geblieben;372 auf der Ebene der Regierungsräte kam die im Nachbarland gebetsmühlenartig beschworene "Überalterung der Beamten"373 deshalb nicht so stark zum Tragen: Anfang 1936 waren sie hier im Durchschnitt nur 36 Jahre alt, während dieser Wert in Baden immerhin bei knapp 40 Jahren lag (Tab. 1). Beim Nachwuchs markieren die Zahlen noch gravierendere Unterschiede zwischen den beiden südwestdeutschen Ländern. Unter dem Diktat des Ultrafiskalisten Dehlinger und in strikter Loyalität zu Brünings rigidem Sparkurs hatte die Stuttgarter Staatsregierung 1929/30 de facto einen Einstellungsstopp verhängt. 374 Die Folge: Während in der badischen Innenverwaltung Anfang 1933 immerhin noch zwölf Assessoren Dienst taten, waren es in Württemberg gerade noch vier (Tab. 1). Und die Konsequenz: eine verstärkte Hinwendung der perspektivlosen Hochschulabsolventen zu den Propheten der nationalen Wende. Die beeilten sich denn auch, ihren Versprechungen ohne demokratisch-kameralistische Rücksichten auf den Staatshaushalt Taten folgen zu lassen. Besonders in Württemberg. Dort kam im Frühjahr 1933 ein beispielloser Einstellungsschub in Gang. In den folgenden Monaten wurde nahezu alles abgeräumt, was sich an einigermaßen qualifizierten Interessenten für den höheren Staatsdienst anbot: Anfang 1936 tummelten sich 53 Assessoren in der schwäbischen Innenverwaltung, deren Durchschnittsalter von nur 40 Jahren ihr beinahe schon ein jugendliches Ambiente verlieh. In Baden hingegen verlief die Entwicklung auch unter NS-Ägide stetiger. Notgedrungen. Die Finanzen des Grenzlandes befanden sich in einem ungleich desolateren Zustand als diejenigen Württembergs. Außerdem mußte in Karlsruhe dem Abbau des Beförderungsstaus in den mittleren Jahrgängen Priorität 370

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H. Mommsen 1966, S. 14. Der Autor betont zurecht, daß "der Zeitraum nationalsozialistischer Herrschaft zu kurz (war), als dafi eine solche Neubildung möglich gewesen wäre", zumal "solchen Plänen" seit 1939 unter den Bedingungen des Expansionskrieges ohnehin eine "natürliche Grenze" (nämlich der begrenzten personellen Ressourcen) gezogen worden sei. Neuerungen im Beamtenwesen (Karlsruher Ztg., Nr. 90, 15.4.1919; Ausschnitt in: GLAK, 233, Nr. 24.063). Siehe dazu Holzmann 1979. Bad. Mdl an StMin, 2.6.1927 (GLAK, 233, Nr. 24.424). Siehe dazu eindringlich Besson 1959, 210f., 217-250 et passim.

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eingeräumt werden. Hier wurden die knappen Ressourcen in erster Linie dafür verwendet, ältere Beamte, vor allem Landräte, in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken, um den wartenden Regierungsräten endlich neue Karriereperspektiven zu eröffnen. In der Altersverteilung kommt das nicht voll zum Ausdruck. Auch Anfang 1936 war das Durchschnittsalter der badischen Landräte mit stattlichen 52 Jahren erst dort angelangt, wo Württemberg 1933 gestanden hatte (Tab. 1). Stuttgart hatte es demgegenüber in der Zwischenzeit verstanden, sein Landrätekorps durch Pensionierungen und Umsetzungen in den Innendienst wiederum ohne Rücksicht auf finanzielle Verluste375 - im Schnitt um sieben Jahre zu drücken (Tab. 1). Ein bemerkenswerter Kontrast, optisch allerdings dadurch verstärkt, daß dem badischen Innenminister 1933/34 nur eine deutlich ältere Personalreserve zur Verfügung gestanden hatte. Bereits im Herbst 1933 sah sich das Stuttgarter Innenministerium veranlaßt, Abstriche an seinen bisherigen Einstellungsstandards vorzunehmen, "da es an geeigneten jüngeren Assessoren fehlt(e)".376 Das galt nicht nur für die fachliche, sondern vor allem auch für die politische Seite. Zwar befanden sich unter den 1933/34 eingestellten Assessoren einige NS-Aktivisten, insgesamt jedoch blieb deren Quote weit hinter den politischen Zielsetzungen der neuen Machthaber zurück. Sichtlich entnervt durch die realitätsfernen Mahnungen der Partei, in größerer Zahl Alte Kämpfer einzustellen,, setzte der Ministerialdirektor Dill dem Reichsstatthalter im Sommer 1935 bis ins kleinste auseinander, wie schlecht es in dieser Hinsicht um die Rekrutierung geeigneten Verwaltungsnachwuchses bestellt sei 377 Wegen der zurückhaltenden Einstellungspolitik stellte sich dieses Problem in Baden nicht in solcher Schärfe. Gleichwohl sah man sich auch hier veranlaßt, politisch unbeschriebene Blätter zu akzeptieren, um qualifizierte Jungjuristen für die Innenverwaltung zu gewinnen.378 Auf der anderen Seite wurden die wenigen Alten Kämpfer, derer man seit 1933 habhaft werden konnte, ohne Ansehen ihrer Leistungen in Studium und Referendariat hereingenommen: "Mit Rücksicht auf Ihre besondere Befürwortung habe ich meine erheblichen Bedenken [...] zurückgestellt, weil nach Ihren wiederholten Berichten nur wenige Assessoren in Württemberg vorhanden sind, die der Partei vor der Machtübernahme angehört haben."379 Mit dieser Standardfloskel gab der sonst so gestrenge Reichsinnenminister regelmäßig sein Plazet;380 im übrigen suchte er dem Mangel dadurch abzuhelfen, daß er den Ressortchefs in Karlsruhe und Stuttgart einige Alte 375

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Die Zahl der vergleichsweise teuren ORegR-Stellen für ausgemusterte LRe fortgeschritteneil Lebensalters wurde immerhin fast um ein Drittel vermehrt, während sie in Baden fast konstant blieb (Tab. 1). Mdl-AV, Kanzleidirektion v. 22.9.1933 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 561). Mdl (gez. Dill) an RStH, 25.8.1935 (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.459, Qu. 11). Dieser besonders aufschlußreiche Bericht geht auch auf die Situation vor 1933 ein. Der Fall Trautwein bietet dafür ein gutes Beispiel; siehe dazu oben, mit Anm. 266. RIM (gez. Pfundtner) an RStH in Württ., 6.5.1936 (HSTAS, E 151/21, Bü. 585); vgl. fast gleichlautend die Sehr. v. 4.5. u. 7.5.1936 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.357, Qu. 11; ebd., Bü. 1.346, Qu. 8). Seit Mitte 1935 wurden auch die Assessoren auf Vorschlag der Landesregierungen und RStH vom RIM ernannt.

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Kämpfer aus Preußen und Sachsen aufnötigte. Wenn diese politischen Alibileute dann dienstlich versagten, wurde darüber wohlwollend hinweggesehen. Nur in zwei, drei Fällen gaben die Reichsstatthalter in Karlsruhe und Stuttgart ihr Einverständnis, besonders unfähige Exemplare der raren Spezies Alte Kämpfer schonend wieder hinauszukomplimentieren. Ungeachtet dessen stellten die Alten Kämpfer in Baden und Württemberg nur jeden fünften Nachwuchsbeamten der Geburtsjahrgänge 1900 bis 1909; von den jüngeren Kollegen hatte in Württemberg lediglich jeder sechste der NSDAP vor 1933 angehört, während es in Baden immerhin jeder vierte war (Tab. 26). Seit Mitte der dreißiger Jahre verschärfte sich die Lage dramatisch. Die Innenverwaltung sah sich nun mit einem ganzen Bündel von Nachwuchsproblemen konfrontiert. Da waren zum einen die verschärften politischen Anforderungen ständige politische Überwachung und Begutachtung, zeitraubendes Zwangsengagement in der NSDAP und ihren Gliederungen, diverse NS-Schulungskurse und so fort -, welche mehr und mehr Jungjuristen von der Verwaltungslaufbahn zurückschrecken ließen: "Es hieße die Augen vor den Tatsachen verschließen, wollte man verschweigen, daß auch das Erfordernis der zahlreichen politischen Zuverlässigkeitsnachweise und die übertriebenen Vorstellungen von dem politischen Beurteilungswesen den Staatsdienst unbeliebt machen", nannte der badische Gaugruppenwalter Junge Rechtswahrer im NSRB die Dinge im Frühjahr 1939 unverblümt beim Namen.381 Überdies boten sich sowohl in anderen Sparten des Öffentlichen Dienstes als auch in der freien Wirtschaft im Zeichen des Aufrüstungsbooms zusehends attraktivere und besser dotierte Positionen an. Das Veisoxalangebot ging also seit 1935 spürbar zurück, und auf der anderen Seite trieben vor allem die unablässigen Wehrübungen und die Versetzungen von qualifizierten Beamten in den Reichsdienst, seit 1938 auch nach Österreich und in das sogenannte tschechische "Reichsprotektorat" den ohnehin seit längerem schon "außerordentlich großen und dringenden Bedarf an höheren Verwaltungsbeamten"382 spürbar nach oben. Als Resultat dieser Scherenbewegung wurde die Personaldecke knapp und knapper, während sich der "Mangel an Assessoren und jungen Regierungsräten" immer schmerzlicher bemerkbar machte.383 Daß sich diese mißliche Situation nach Kriegsbeginn durch Einberufungen und den Personalbedarf der Besatzungsverwaltungen katastrophal zuspitzte, bedarf keiner weiteren Erläuterung.384 381 382 383

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Bericht v. 30.3.1939 (BÄK, NS 16, Nr. 127); zit. nach Sunnus 1990, 117. Sehr, württ. Mdl v. 25.8.1935 (oben, Anm. 377). Mdl Karlsruhe (gez. Pflaumer) an StKanzlei, 1.4.1937 (GLAK, 233, Nr. 23.990); vgl. für vieles Mdl an StKanzlei, 30.8.1935, 10.2.1939 u. 17.3.1939 (ebd., Nr. 24.601, 24.648 u. 24.595). Vgl. für vieles Mdl (gez. Müller-Trefzer) an LRA Mannheim, 30.11.1940: "Für Assessor Dr. A. kann bei dem gegenwärtigen Personalstand an höheren Beamten von hier kein Ersatz zugewiesen werden. Ich gebe anheim, sich wegen Einstellung eines Rechtsanwalts im Angestelltenverhältnis an den Kreisgruppenführer des NSRB. in Mannheim zu wenden." (GLAK, 362, Nr. 9.983; Hervoiheb. von mir). Zum Nachwuchsmangel, der sich im Winter 1941/42 dramatisch zuspitzte, vgl. (für Rheinland-Westfalen) Häuf 1990, 106-110.

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Von einer Nachwuchsauslese, welche dieses Prädikat noch verdiente, konnte vor diesem Hintergrund kaum noch die die Rede sein: "Da in Baden fachlich und politisch besser qualifizierte Assessoren zur Einstellung zur Zeit nicht vorhanden sind", wurden unter weitestgehender Zurückstellung bisher praktizierter Beurteilungsmaßstäbe nahezu alle Bewerber hereingeholt, die sich überhaupt anboten.385 Das galt auch für eine Reihe von Beamten und Rechtsanwälten aus Österreich und Südtirol, die von den Innenministerien in Karlsruhe und erst recht in Stuttgart unter einigermaßen normalen Umständen mit allen Mitteln abgewehrt worden wären, deren Zuteilung nun aber ohne großes Murren hingenommen wurde.386 Andererseits nutzten die Innenministerien die Chance, dienstlich bewährte Beamte, die während der dreißiger Jahre wegen irgendwelcher politischer Beanstandungen nicht vorangekommen waren, unter Hinweis auf die kriegsbedingten Mehrbelastungen doch noch in den Genuß einer Beförderung kommen zu lassen.387 Auch die staatliche Personalpolitik sollte schließlich ihren Beitrag zur stimmungsmäßigen Stabilisierung der Heimatfront leisten. Schließlich erreichte das aktive Personal der badischen wie der württembergischen Innenverwaltung im höheren Dienst bereits vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion gerade noch die Hälfte seiner Sollstärke, danach verschärfte sich der Personalmangel weiter. Das Durchschnittsalter der Beamtenschaft blieb gleichwohl niedrig, weil in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre eine größere Anzahl älterer Beamter pensioniert worden war. Während des Krieges wurde die Altersgrenze suspendiert. Oberhalb der Regierungsratsebene bewegte sich nun personell nichts mehr; das Durchschnittsalter dieser Teile des Verwaltungskorps stieg nahezu im Takt der Kalenderblätter (Tab. 1). Der Nachwuchs wurde praktisch ohne Ansehen der Person und ihrer Leistungen ein- und angestellt, sofern die formale Voraussetzung der NSDAP-Mitgliedschaft erfüllt war. Irgendwelche mittelund längerfristigen Personalplanungen waren ohnehin obsolet. Füllten sich die Spalten des ministeriellen Amtsblattes doch immer mehr mit Nachrufen auf gefallene Assessoren und Regierungsräte, die häufig noch gar keinen regulären Dienst in der Verwaltung hatten leisten können. Die begrenzte personalpolitische Autonomie, welche die südwestdeutschen Innenverwaltungen über die dreißiger Jahre hinweg hatte bewahren können, kam dabei zusehends unter die Räder: "Der Personaleinsatz der Beamten des höheren Dienstes erfolgt gegenwärtig für das gesamte Reichsgebiet einschließlich der besetzten Gebiete mit Zivilverwaltung zentral vom Herrn Reichsinnenminister von 385 386

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RIM an RStH in Baden, 20.5.1937 (GLAK, 233, Nr. 24.621). In Baden wurden Anfang der vierziger Jahre neun Rechtsanwälte in den höheren Dienst übernommen, die - teils gegen ihren Willen - nach dem Hitler-Mussolini-Abkommen v. 23.6.1939 aus Sildtirol ausgesiedelt worden waren; Württemberg wurde nur ein Südtiroler zugeteilt. Nicht alle traten den Dienst tatsächlich an. 1939/40 wurden ferner einige wenige österreichische Beamte nach Südwestdeutschland versetzt; zumeist handelte es sich um dort politisch beanstandete Mitglieder der Vaterländischen Front. Schließlich wurde 1938/39 kurzeitig eine Handvoll sudetendeutscher Juristen in der bad. u. württ. Innenverwaltung beschäftigt. Siehe ein Sehr, des ehemaligen MinRs Göbel an MinR Ströle im StMin v. 16.9.1948 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.002, Qu. 240).

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Berlin aus", stellte der badische Ministerialdirektor Müller-Trefzer dazu Anfang 1943 mit einem Anflug von Resignation fest. Denn "nur auf diese Weise kann trotz der zahlreichen Einberufungen zum Wehrdienst der große Personalbedarf gedeckt werden und können auch die Ausgleichungen der unterschiedlichen Personalbestände der Länder erfolgen."388 "Mit dem Fortgang des Krieges kann von einer konstruktiven oder doch zielstrebigen Beamtenpolitik der Ressorts nicht mehr gesprochen werden", ist dazu angemerkt worden; "ihre Haltung war rein defensiv nu(r)mehr auf die Bewahrung des bestehenden Beamtenkörpers gerichtet, und auch hier infolge der Personalverluste und der mangelnden Nachwuchsauslese nur begrenzt erfolgreich."389 Das trifft zu, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Denn zu einem war die ganze Malaise aus der Perspektive der Berliner Kommandohöhen allemal gut. Sie half die Bastionen regionaler Bürokratien zu schleifen, und damit öffnete sie den (allerdings wahnhaften) Blick auf eine Zukunft, in der eine traditionaler Bindungen entkleidete, allein der siegreichen NS-Bewegung verpflichtete Äe/c/ubürokratie als willfähriges Werkzeug der Führerstaates ganz so funktionierte, wie Max Weber dies idealtypisch postuliert hatte.390

Personeller Wandel - strukturelle Beharrung 2.000 Beamte habe er entlassen, meldete der Reichsstatthalter Martin Mutschmann seinem Führer aus Sachsen, kaum daß ein halbes Jahr seit der NS-Machtergreifung verstrichen war. 391 Mit solchen Zahlen konnten seine Kollegen Wilhelm Murr und Robert Wagner nicht aufwarten. Sie hatten - aus prinzipiellen und pragmatischen Gründen - einen anderen Weg eingeschlagen. Gleichwohl kam 1933 nach Jahren der Stagnation auch in Baden und Württemberg einige Bewegung in die Beamtenkorps der Innenverwaltungen. Ging damit auch ein beschleunigter Strukturwandel einher? Zunächst ein Blick auf die konfessionelle Zusammensetzung der Untersuchungsgruppen im Zeitablauf. Angesichts der antikatholischen Politik, welche das NS388

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MinDir Müller-Trefzer an RegR Hassencamp-Fischer, Wiesbaden, 15.2.1943 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 626, PA Mdl Baden, Bl. 35f.). H. Mommsen 1966, 121. Ende März 1941 waren in Württemberg 49 v.H. der Stellen nicht besetzt; siehe Mdl an RStH, 10.4.1941 (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.326, Qu. 24). Zu den Abgängen durch Krieg, Krankheit und Altersschwäche bis April 1944 siehe die monatlichen Veränderungsmeldungen des Mdl an das RIM (ebd.; BÄK, R 18, Nr. 7.853). In Baden waren es schon am 1.9.1940 nur 54 v.H. gewesen (in der Bezirksverwaltung gar nur 51 v.H.); siehe die Stellenbesetzungsmeldungen des RStH an den RIM v. 9.8.1940-3.5.1941 (BÄK, R 18, Nr. 7.745). Zu den Abgängen siehe die Veiändeningsanzeigen 1.11.1941-1.5.1943 (BÄK, R 18, Nr. 7.746). Zu den andauernden Gewichtsverschiebungen zwischen den Protagonisten eines bürokratischen Zentralismus traditioneller oder totalitärer Prägung, dem genuinen Führer-Zentralismus Hitlers und den regionalen Herrschafitszentren des NS-Staates siehe eingehend Ruck 1996. AufderRStH-Konferenz am 28.9.1933 (Hüttenberger 1969, 81f.).

Personeller Wandel - strukturelle Beharrung

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Regime im allgemeinen und seine Stuttgarter Exponenten im besonderen verfolgten, wäre hier am ehesten mit substantiellen Veränderungen zu rechnen. Doch keine Rede davon. Auch in den beiden jüngsten Alterskohorten G 5 (1900-1909) und G 6 (1910-1916) sank die Katholikenquote in Württemberg wie in Baden nur leicht ab; die wachsende Zahl der Kirchenaustritte ging fast ausschließlich zu Lasten der protestantischen Mehrheit (Tab. 14-16, 19-21). Ein Beleg mehr für die Selbstbehauptungskraft des katholischen Milieus, in das die Mehrzahl der Beamten nicht zuletzt auch qua Mitgliedschaft in einer CV-, KV- oder Unitas-Verbindung organisatorisch eingebunden (gewesen) war und dem sie latent verbunden blieb. Im Bereich der Nachwuchsrekrutierung sahen sich die NS-Personalpolitiker weitgehend dem Diktat des Angebotes unterworfen; umso größeren Wert legten sie darauf, den Einfluß der katholischen Beamtenschaft zurückzudrängen. Besonders unter der "politischen" Schlüsselgruppe der Amtsvorstände. Sowohl in Baden als auch in Württemberg amtierten - wie erwähnt - Anfang 1945 noch ganze vier katholische Landräte; Anfang 1933 waren es noch sechzehn und vierzehn gewesen (Tab. 23). Für den Nachwuchs war dies ein klares Signal, daß nur diejenigen mit einem normalen Fortkommen rechnen durften, welche sich formal (durch Kirchenaustritt) und vor allem auch in der praktischen Verwaltungsarbeit erkennbar von ihren konfessionellen Bindungen "freimachten". Auch die retardierten Karriereverläufe vieler anderer Kollegen sprachen ein unmißverständliche Sprache (Tab. 29/30). Auf längere Sicht wäre diese Strategie mit einiger Sicherheit nicht ohne nachhaltige Wirkung geblieben. Auch im Hinblick auf die soziale Zusammensetzung der Beamtenschaft sind die Kontinuitäten von 1928 bis 1945 bemerkenswert - zumindest, was die Globalzahlen anbelangt (Tab. 4-6 u. 9-11). In Baden sank zwar die Quote der direkten Selbstrekrutierung leicht ab; die Anteile der Akademiker- und Juristenkinder indessen blieben ebenso konstant wie diejenigen des Öffentlichen Dienstes und des Alten Mittelstandes. Erst die Betrachtung der einzelnen Alterskohorten enthüllt einen allmählichen Wandlungsprozeß. So steht dem Rückgang der Akademiker- und Juristenkinder unter den beiden jüngsten Generationen G 5 und G 6 ein steigender Anteil des Öffentlichen Dienstes gegenüber. Er rührt her vom fortschreitenden Terraingewinn der Abkömmlinge nichtakademischer Beamter, deren Anteil bei den jüngsten Nachwuchsleuten bereits die 25 v.H.-Marke überschritt. Gleichzeitig verlor der Alte Mittelstand unter den nach der Jahrhundertwende geborenen Beamten zugunsten der Angestellten an Boden. In Baden hat die Personalpolitik des NS-Regimes augenscheinlich keine nennenswerten Auswirkungen auf die säkularen Enwicklungstrends gehabt. Bestätigt sich diese Erkenntnis am Beispiel Württembergs mit seinen höheren Fallzahlen? Mit Einschränkungen ja. Bezogen auf die gesamte Untersuchungsgruppe stieg der Anteil direkter Selbstrekrutierung des höheren Dienstes leicht an, ebenso der Anteil des Öffentlichen Dienstes insgesamt. Die Quote der Juristenkinder hingegen sank leicht und diejenige der Pastorenkinder deutlich ab die Hauptursachen für den Rückgang der Akademikerquote seit Ende der dreißiger Jahre. Der Alte Mittelstand konnte sein Niveau halten. Die generationenbezogene

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II. Kontinuität und Wandel regionaler Bürokratien im NS-Staat

Analyse unterstreicht diese Beobachtung, soweit die Datenbasis valide Schlüsse zuläßt.392 Der Rückgang der Selbstrekrutierung der höheren Beamten, der Juristen und der Akademikerschaft insgesamt gegenüber den vor 1900 geborenen Beamten ist bei den beiden jüngsten Alterskohorten tendenziell ebenso eindeutig, wie der drastische Einbruch bei den Kindern von Geistlichen. Gerade dieser letzte Umstand ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß die württembergische Ehrbarkeit ihren traditionellen Einfluß auf die Rekrutierung der administrativen Eliten des Landes einzubüßen begann. Möglicherweise war dies bereits eine Folge der Schwächung jener Kooptationsnetzwerke, die über Jahrzehnte hinweg von den Tübinger Korporationen geknüpft worden waren. Die Alten Herren saßen zwar vielfach noch auf ihren Posten, doch geriet die Nachwuchsrekrutierung ihnen zusehends außer Kontrolle. Erstens durch interne Umbesetzungen, wie die Verdrängung des Lichtensteiners Himmel durch den NS-Außenseiter Stümpfig an der Spitze der strategisch wichtigen Kanzleidirektion. Zweitens durch das Odium des Reaktionären, welches den Verbindungen mit ihrem elitären Autonomieanspruch im totalitären NS-Staat anhing, bevor sie 1936/37 zerschlagen wurden. Und drittens durch den merklich steigenden Anteil von landesfremden Nachwuchsbeamten (Tab. 14-16 u. 19-21), mit deren Zuteilung das Reichsinnenministerium ganz gezielt versuchte, die festgefügten Personalstrukturen der süd(west)deutschen Innenverwaltungen aufzuweichen.393 Diese Politik sollte in erster Linie einer zentralistischen Reichsreform, dem Lieblingsprojekt Fricks, den Boden bereiten;394 sie unterminierte aber zugleich auch jene soziale Kohärenz und korporative Selbstbehauptungskraft, welche vor allem die württembergische Verwaltungselite bis über die NS-Machtergreifung hinweg hatte behaupten können.

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Vor allem in der G(eneration) 6 der seit 1910 geborenen Beamten ist die Fallzahl zu gering und die Dunkelziffer zu hoch, um weitergehende Folgerungen aus den absoluten und relativen Werten ziehen zu können. Mit Rd.erlaB v. 3.3.1937 kündigte der RIM den außerpreuß. RStH an, daB er künftig "auf einen gewissen Austausch, vorläufig der jüngeren Beamten, besonderen Wert" legen werde; sein Ziel sei es, "möglichst allen, besonders den jungen Verwaltungsbeamten die erwünschte Berufsdurchbildung in mehreren Gauen und die notwendige Kenntnis der verschiedenen Stammeseigenschaften und Verwaltungseinrichtungen zu vermitteln" (GLAK, 233, Nr. 23.990; Hervorheb. von mir). In größerem Umfang umgesetzt wurde diese Absicht erst seit 1941/42 im Zusammenhang mit jener "einheitlichen Personalpolitik im Großdeutschen Reich" auf dem Feld der Nachwuchsrekrutierung, welche der RIM etwa dem RStH Murr am 22.12.1941 avisiert hatte (HSTAS, E 151/01, Bü. 2.326, Qu. 79). Siehe dazu (mit weiteren Hinweisen) Ruck 1996.

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Unverwüstlich? Bei aller äußeren Kontinuität relativieren solche Beobachtungen die oft gehörte These von der absoluten "Unverwüstlichkeit der Bürokratie": Sie überlebte "als eine konkurrierende, teils feindlich eingestellte, teils unterwürfige Institution" das NS-Regime, "sie überlebte die Niederlage und würde wahrscheinlich auch den Sieg überdauert haben".395 Der contrafaktischen Mutmaßung, die Verwaltungsstrukturen hätten sich auch unter der längerwährenden Herrschaft eines siegreichen NS-Regimes als persistent gegenüber politischen Interventionen erwiesen, mangelt es offensichtlich an empirischer Plausibilität. Zwar ist der Fortbestand einer hochdifferenzierten Industriegesellschaft ohne ein Mindestmaß an geregelter Verwaltung nicht vorstellbar. Daran wäre auch ein künftiges NS-Regime schwerlich vorbeigekommen, zumal die NSDAP selbst schon nach wenigen Jahren zu einem bürokratischen Apparat sondergleichen auswucherte und zu erstarren drohte.396 Gleichwohl sind auch jene Tendenzen nicht zu übersehen, die - hypothetisch betrachtet - wenn schon nicht zwangsläufig so doch folgerichtig zu einer derart weitgehenden Deformation traditioneller Verwaltungsstrukturen geführt hätten, daß die Termini "Überleben" und "Kontinuität" ihren Zustand nicht mehr angemessen hätten beschreiben können. Es deuteten sich Anfang der vierziger Jahre nicht nur strukturelle Entwicklungen an, die auf längere Sicht einer fortschreitenden Zersetzung der traditionellen Bürokratie den Weg gebahnt hätten. Hinzu kam in der Tat die praktische Degradierung der Staatsverwaltung zum bloßen Instrument eines "Herrschaftsstil(s)", welcher die institutionellen und ethischen Grundprinzipien des modernen Anstaltsstaates, damit aber auch Basis ihrer korporativen Existenz und Selbstbehauptungskraft je länger desto mehr dementierte.397

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Peterson 1967, 172. Longerich 1992, 256-264 et passim. Zitat: H. Mommsen 1966, 121f. Zur allmählichen Zersetzung der - im Sinne Max Webers "rationalen" Ministerialbürokratie traditioneller Prägung durch die neuen, "ideologischen" Bürokratien des NS-Staates vgl. schon Burin 1952, 38f. et passim. Einen Überblick über die fortschreitende Demontage der "überkommenen Institutionen des pluralistischen Verfassungsund Verwaltungsstaates" durch die "Neuen Institutionen des nationalsozialistischen Führerstaates", vor allem auch den "Komplex des SS-Staates", gibt Ruck 1993b, 44ff., hier 45 (mit weiteren Hinweisen).

III. Die Innenverwaltung im Herrschaftsgefüge der südwestdeutschen Provinz zwischen Kollaboration und korporativer Resistenz "In Ihnen vereinigen sich jene Beamtentugenden, die der badischen Verwaltungstradition entsprechen: Pflichttreue, Sauberkeit, UneigenniUzigkeit, Sachlichkeit, Fleiß, Gründlichkeit in der Arbeit, Fähigkeit des Maßhaltens und jene seltene Einsicht, daß Objekt und Ziel aller Verwaltungsarbeit im Grunde der Mensch ist und daß gerade wir Verwaltungsjuristen unsere Arbeit immer wieder an den Maßstäben auszurichten haben, die uns durch das Menschliche auferlegt werden.

Recht - Gesetz - Maßnahme Die relative personalpolitische Zurückhaltung der NS-Regime in Karlsruhe und Stuttgart bedeutete mitnichten, daß die Karrierebeamten in den südwestdeutschen Amtsstuben unbehelligt von den Exponenten der NS-Staatspartei im bisherigen Stil der Bürokratie hätten weiterarbeiten können. Vor allem die Landräte wurden mit deren Herrschaftsansprüchen tagtäglich aufs neue konfrontiert, und in beiden Ländern mußte im Verlaufe der dreißiger Jahre eine Reihe - auch neuernannter Amtsvorstände ihren "politischen" Posten räumen, weil sie diesen Ansprüchen nicht genügt hatten. Dabei war die württembergische Beamtenschaft schon aufgrund ihrer "nationalen" Einstellung und ihres professionellen Selbstverständnisses prinzipiell durchaus zur weitgehenden Kooperation bereit gewesen. Und in Baden hatte das verbliebene Personal sich von dem Revirement zu Beginn der NSHerrschaft nicht unbeeindruckt gezeigt: Ob nun frischgebackener Parteigenosse oder nicht, zur tätigen Anpassung an die Wünsche der neuen Machthaber erwiesen sich - nicht zuletzt - auch diejenigen bereit, welche sich bisher zu einer republikanischen Partei bekannt hatten.2

Albeit Kistner, Präsident der Bad. Gebäudebrandversicherungsanstalt in einem persönlichen Sehr. v. 15.4.1958 zum Ausscheiden des Rechtsanwalts Dr. Roderich Straub aus dem aktiven Berufsleben (GLAK, 431, Nr. 6.573). Straub war von 1933 bis 1945 als MinR im bad. Mdl Chef der Allgemeinen Abtlg. (Haushalt, Personalsachen ohne höheren Dienst), seit 1940 auch Chef der Verwaltungs- und Polizeiabtlg. beim CdZ im Elsaß, GauL R. Wagner, in StraBburg. Zur Person siehe Kap. II, mit Anm. 201. Zur rituellen Beschwörung der südwestdeutschen Beamtentraditionen siehe mein Resümee, mit Anm. 17. Diese Beobachtung deutet auch Merz 1985, 324 mit Blick auf die bad. Lehrerschaft an.

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III. Die Innenverwaltung im polykiatischen Herrschaftsgefüge

Gleichwohl nahmen die Friktionen im Laufe der dreißiger Jahre besonders auf Kreisebene ständig zu. Die einschlägigen Akten bergen eine Fülle von Hinweisen auf mehr oder minder offene Konflikte zwischen staatlichen Landräten und NSDAP-Kreisleitern. Vornehmlich ging es dabei um personalpolitische3 und prozedurale Fragen, doch auch über Sachprobleme kam es des öfteren zum Streit. Im Vordergrund standen dabei die immer hemmungsloseren Geld- und Sachforderungen der NSDAP und ihrer Gliederungen. Besonders hervor tat sich in dieser Hinsicht die Hitlequgend. Vor allem in Württemberg. Dort waren die zuständigen Abteilungsleiter, gedrängt von entnervten Amtsvorständen, in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre verzweifelt darum bemüht, die bizarren Ansinnen der Staatsjugend und ihrer Untergliederungen durch landesweite Verträge zu kanalisieren und zu plafondieren. Das Spiel wiederholte sich in mehreren Aufwärtsspiralen: Alarmiert durch Hilferufe von Landräten, die sich selbst und ihre Bürgermeister durch örtliche HJ-Einheiten massiv unter Druck gesetzt sahen,4 drängten die Beamten des Innenministeriums auf ein Spitzengespräch mit der HJ-Gebietsleitung und dem Minister; dort wurde eine Pauschalsumme ausgehandelt, mit der sämtliche Ansprüche der Jugendorganisation in Württemberg abgegolten sein sollten; die geriet wesentlich höher, als von den Ministerialbeamten ursprünglich geplant, weil ihnen ihr eigener Minister mit seinem ausgeprägten Faible für die deutsche Jugend regelmäßig in den Rücken fiel; kaum war die Tinte trocken, trafen neue Hiobsbotschaften aus den Kreisen und Kommunen ein - und so fort. 5 Die HJ ließ sich nicht domestizieren. Stattdessen führte sie den rechtschaffenen Verwaltungsjuristen ein ums andere Mal beispielhaft vor Augen, was ihr Streben nach rechtsförmigen Verfahrensabläufen noch ausrichten konnte, sobald sich im NS-"Maßnahmenstaat"6 die Machtfrage stellte. Mindestens ebenso bedrückend war die Erfahrung, daß der Minister, weiland Rechtsanwalt Dr. jur. Jonathan Schmid, ein Tübinger Stochdorphe, den sie im Grunde als einen der ihren zu betrachten dürfen glaubten, sich als beinharter NS-Protagonist entpuppte, wenn es um zentrale Belange der "Bewegung" ging.7 "Ich empfehle [...] eine Lösung (zu) su3

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Siehe dazu exemplarisch Roser 1996. Zum zentralen Stellenwert der Personalpolitik siehe Einleitung, Anm. 65. Hier tat sich bezeichnenderweise jener LR Alber (Laupheim/Münsingen) hervor, der kurz vor Ende des Krieges als Regimegegner denunziert wurde und daraufhin fliehen mußte (vgl. unten, mit Anm. 115ff.); siehe etwa die Sehr. u. Mdl-AV v. 14.6.1933, 24.2.1937, 16.6.1941 u. 27.8.1942 (HSTAS, E 151/41, Bü. 769, Qu. 1/2, 200/202; ebd., Bü. 770, Qu. 13 u. 64). Aufschlußreich seine Begründung v. 17.11.1941 für die häufigen Rückfragen bei der vorgesetzten Behörde: "Ich möchte nicht in den Verdacht kommen, die Sache verschleppen zu wollen." (ebd., Qu. 29). Den Saulgauer OA-Verweser Dittus kosteten nicht zuletzt die Konflikte um die Zuschüsse an NS-Organisationen seine endgültige Ernennung zum LR (Kap. II, Anm. 358). Siehe dazu die umfangreichen Vorgänge in HSTAS, E 151/41, Bü. 769-771; vgl. Sauer 1975, 84-86; R. Müller 1988, 140-146; Schönhagen 1991, 195-203. Zur Unterscheidung von NS-"Normen-" und "Maßnahmenstaat" siehe Fraenkel 1984; vgl. Lüdtke 1991, 579-581; Ruck 1993b, 36-39. Wenn der LR a.D. Hennann Roger am 12.2.1948 erklärte, Schmid sei "ein im Grunde loyaler Mann gewesen" (STAL, EL 902/20, Αζ. 37/05/10.997, Qu. 49), so bezog sich diese oft gehörte Qualifizierung eben zuvörderst auf dessen Personalpolitik. Die aber stand - wie gesehen

Recht - Gesetz - Maßnahme

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chen", hatte Schmid seine generelle Maxime nicht lange nach dem Amtsantritt formuliert, "die einerseits den gesetzlichen Erfordernissen und andererseits den tatsächlichen politischen Bedürfnissen Rechnung trägt."8 Wie das zu verstehen war? Als Anweisung zur Gesetzesbeugung - von /tedwmäßigkeit konnte ohnehin immer weniger die Rede sein - unter politischen Opportunitätsgesichtspunkten.9 "Nach den Richtlinien des Reichs handelt es sich [beim Bau von Parteidienstgebäuden; M.R.] eindeutig um eine Aufgabe, die an sich von den Gemeinden nicht wahrgenommen werden darf", notierte beispielweise der Leiter der Kommunalabteilung im Juni 1938. "Die Angelegenheit ist dem Herrn Minister vorgetragen worden. Er hält es für richtig, daß man den Wünschen der Partei dort entgegenkommt, wo es ohne schroffe Verletzung der Vorschriften einigermaßen gerechtfertigt werden kann."10 Dr. Kurt Göbel, der diesen Aktenvermerk angefertigt hatte, war sichtlich frustriert. Doch gerade er mußte sich dem Ressortchef gegenüber zurücknehmen. Immerhin hatte Schmid den hochqualifizierten Beamten 1933 ins Ministerium geholt und später zum Leiter des wichtigsten Geschäftsteils ernannt, obwohl der 1933 von der NS-"Prüfungsstelle" als "sehr gefährlicher Gegner" der Bewegung eingestuft worden war. Und während Göbel sich ohne seine Rückendeckung mit der HJ herumschlagen mußte, bemühte sich der Minister hartnäckig und letzten Endes erfolgreich darum, den hinhaltenden Widerstand des Reichsstatthalters gegen die Beförderung des nach wie vor suspekten Spitzenbeamten zum Ministerialrat aufzuweichen.11 (Kap. II) - ganz im Dienste der Instrumentalisierung des übernommenen Verwaltungskorps für die Zwecke der NS-Politik. Realistischer ist die Bewertung des LRs Dr. Karl Hagele v. 26.9.1947: "Herr Reihling gehört zu den Männern der besten württembergischen Beamtentradition, die ihr Amt nur nach Recht und Gewissen ohne Rücksicht auf äußere Einflüsse und auf mögliche Nachteile für sich selbst führen. [...] Er (vertrat) immer das Recht gegenüber der Willkür." Als Chef der Kommunalabteilung "hat er die Stellung des Staats und vor allem der Körperschaften gegen die offenen und versteckten Ansprüche und Angriffe der NSDAP verteidigt. Dabei standen ihm außer seinen nächsten Mitarbeitern [...] höchstens der Ministerialdirektor im württ. Innenministerium Dr. Dill, kaum aber oder doch nur selten der Minister Dr. Schmid zur Seite. Die Gegenseite verkörperten die mächtigsten und einflußreichsten Männer der Partei in Württemberg (selbst in Staatsstellungen)." (STAL, EL 902/8, Az. 16/1/29.578, Qu. 137; Hervorheb. von mir). Hägele mußte es wissen; galt der ehemalige DDP-Mann doch als einer der engsten Vertrauten Schmids in dessen Ministerium. Zur Person siehe unten, mit Anm. 137. 8 In einem Sehr, an die MABK v. 27.12.1933 (HSTAS, E 151/41, Bü. 682, Qu. 133). ® Im NS-Staat wurden eben "Gesetze und Verordnungen nicht als letzte Quelle staatlichen Gewalt, sondern lediglich als Willensbekundungen betrachtet", die zunehmend nur noch "als Fingerzeig fur die Art der zu ergreifenden Maßnahmen interpretiert" wurden (Hilberg 1982, 676; Hervorheb. von mir). Zu den Konsequenzen der Verdrängung des Prinzips der "RecA/mäßigkeit" durch die Maxime der "Gesetzmäßigkeit" im NS-Staat vgl. H. Mommsen 1966, 122f. (Hervorheb. von mir) 10 Mdl-AV (gez. Göbel) v. 22.6.1938 (HSTAS, E 151/41, Bü. 770, Qu. 374; Hervorheb. von mir). 11 Zur politischen Beanstandung siehe die Sehr, des OA Öhringen u. der Prüfimgsstelle an den Mdl v. 14.7. u. 29.8.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 261, Qu. zu 101 u. 108). Zur Beförderungsangelegenheit siehe die Korrespondenz v. 1939/40 (ebd., Qu. 175, 180, 181,

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

Selbst altgediente Spitzenbeamte waren ohne weiteres bereit gewesen, die personellen GleichschaltungsmajffnafrneH der Machtergreifungsphase als "das Recht der Revolution" anzuerkennen.12 Doch das Vordringen des NS-Maßnahmenstaates auf das Terrain des alltäglichen Verwaltungshandelns desavouierte nicht nur die scheinbar eherne Regel: "Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht", es kollidierte zusehends auch mit dem zwar nicht demokratisch, aber doch strikt rechtsstaatlich geprägten Selbstverständnis der südwestdeutschen Verwaltungsjuristen.13 Sahen sie ihre Rolle doch zusehends darauf beschränkt, allen möglichen NS-Willkürakten ein pseudo-rechtsförmiges Gewand zu verpassen.14 Die endgültige Kapitulation las sich dann so: "Da es sich nicht etwa um eine ältere Rechtsvorschrift, sondern um ein vom Führer erlassenes Gesetz handelt, ist es nicht zweifelhaft, daß es sich um eine Angelegenheit handelt, die von gemeindeaufsichtswegen zu beanstanden wäre. [...] Zur Vorsicht in dieser Richtung könnte auch die Behandlung der Grundstücksankäufe der Stadt Heilbronn aus jüdischem Besitz veranlassen, wo der Reichsinnenminister unserem billigenden Standpunkt entgegentreten ist. Es ist jedoch bekannt, daß der Herr Minister [Schmid] eine Förderung der Beschaffung von Parteidiensträumen durch die Gemeinden wünscht, und daß er diesen Standpunkt auch nach Erscheinen des § 54 des Finanzausgleichsgesetzes aufrecht erhalten hat. Im Hinblick hierauf kann wohl zunächst nichts Weiteres veranlaßt werden."15

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184). Zur Person Göbels, protestant. Sohn des Heilbronner OBgm und NSDAP-Mitglied seit 1937, siehe seine PA (HSTAS, E 151/21, Bö. 261); vgl. Kap. I, mit Anm. 105. Der Leiter der Kommunalabtlg. im Mdl, MinR Max Pfleiderer, versuchte die willkürliche Auflösung des gerade nach den Regularien des werdenen NS-Staates neugebildeten Stadtrates von Ulm durch den dortigen NS-Staatskommissar am 26.9.1933 folgendermaßen mit seinem positivistischen Rechtsverständnis in Einklang zu bringen: "In einem Einzelfall (z.B. Besoldungsbeschwerde) könnte der Zivilrichter die Rechtsgültigkeit der Verfügungen des Staatskommissars in der erwähnten Zwischenzeit [ohne beschlußfälligen Gemeinderat; M.R.] nachprüfen. Er wird sich aber hiebei auf eine Anfrage bei dem Innenministerium über Tragweite und Auswirkung der Kommissarbestellung beschränken müssen, da für die Bestellung der Kommissare geschriebene Rechtsunterlagen fehlen - es handelt sich um das Recht der Revolution -, und er sonach keine selbständige Prüfung vornehmen kann. " (HSTAS, E 151/01, Βΰ. 122, Mappe Allgemeines, Qu. 2; Hervorheb. von mir). Ergo: Alle Macht der (Partei-)Exekutive. Zur Person Pfleiderers siehe Kap. Π, mit Anm. 66. Zitat: O. Mayer 1924, Vorwort. Auf die dezidiert recftttstaatliche Einstellung auch jener Mehrheit seiner ehemaligen Kollegen, welche der parlamentarischen Demokratie mehr oder minder distanziert gegenüberstand, hat der 1933 emigrierte MinDir Arnold Brecht die USAdministration bereits Jahre vor Kriegsende nachdrücklich hingewiesen; siehe die Expertisen des Professors an der New School for Social Research (New York) für Allen L. Edwards, War Department, General Staff, Military Intelligence Division (Washington, D.C.) über die politische Einstellung deutscher Spitzenbeamter v. 19.3. u. 25.4.1942 (BÄK, Ν 1089, Nr. 96); vgl. danach Brecht 1948 [1944], 152-154. Einführend dazu (mit weiteren Hinweisen) Majer 1987; Rüthers 1988. Zu diesem Dilemma siehe am Beispiel württ. Kommunalbeamter Mögle-Hofacker 1983. Mdl-AV v. 30.5.1940 (HSTAS, E 151/41, Bü. 770, Qu. 443). Man beachte die subtile, elementaren Rechtsprinzipien Hohn sprechende Unterscheidung von "älteren Rechtsvorschriften" und Führerrecht.

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Standesbewußte Leute Anlässe für die alltäglichen Querelen zwischen den leitenden Staatsbeamten und den Exponenten der Staatspartei gab es viele, und zumeist waren sie als solche eher nichtig. Unter den Gründen für diese Reibereien ragt die Unzufriedenheit vieler Landräte darüber hervor, daß die Innenverwaltung im allgemeinen und die Bezirksverwaltung im besonderen innerhalb des polykratischen Herrschaftsgefüges immer mehr Kompetenzen an andere Staats- und Parteiinstanzen verlor. Ihren handgreiflichsten Ausdruck fand dieser Funktions- und Prestigeverlust in dem Mitspracheanspruch der NSDAP-Kreisleiter.16 Letztere anvancierten denn auch zu den Hauptgegnern der Karrierebeamten bei ihrem Streben nach Behauptung ihrer angestammten Rolle als administrative und gesellschaftliche Elite, wenngleich die tägliche Zusammenarbeit nicht selten durchaus reibungslos vonstatten ging und auch offensichtliche Unrechtsmaßnahmen wie die Deportation der "amtsbekannten" Sinti und Roma vom Landrat routiniert abgewickelt wurden.17 Typisch für diese Konfliktkonstellation ist der Fall des Landrats Albert Eitel (1887-1962), welcher seit 1945 immer wieder als Beispiel für die vorgeblichen Abwehrkämpfe der Innenverwaltung herhalten mußte. Eitel wurde im Herbst 1933 für den zwangspensionierten Landrat Alfred Doli (1871-1942) vor allem auch deshalb nach Wangen geschickt, weil er trotz seiner katholischen Konfessionszugehörigkeit als zuverlässiger Sympathisant der NSDAP galt: "Mit seiner sehr stark betonten nationalen Einstellung & wütenden Zentrumsfeindschaft würde er vielleicht nicht schlecht in eine dichschwarze (sie!) Gegend passen", empfahl ihn ein nationalsozialistischer Gewährsmann, der Eitel als zweiten Beamten am Oberamt Biberach kennen und schätzen gelernt hatte.18 Tatsächlich enttäuschte dieser 16 17

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Vgl. dazu allgemein Diehl-Thiele 1971, 173-184; Groeben 1981, 198-212. Siehe dazu die eindrucksvolle Fallstudie von Zimmermann (1987) über die Deportation von S3 Sinti und Roma aus dem bad. Kreis Mosbach nach Auschwitz. Sowohl die begleitenden Mosbacher Gendarmen als auch LR Dr. Wilhelm Compter (1890-1966) wuBten sehr genau, was den Deportierten bevorstand; so verfügte Compter, daß die Transportkosten aus deren "Nachlaß" zu bestreiten seien. Generalisierbares Fazit Zimmermanns: "Die Abwicklung [...] stellte sich [...] weder als zynische oder sadistische Aktion noch als ein von Unrechtsbewußtsein oder Verdrängung geprägtes Tun dar, sondern als Ausfluß einer Verwaltungsroutine, die als streng formalisiertes, von festen Regeln geleitetes Handeln von konkreten Inhalten abzusehen gewohnt war und die Korrektheit des äußeren Ablaufs zum entscheidenden Erfolgskriterium der Tätigkeit werden ließ." (ebd., 94; Hervorheb. von mir) Zum Werdegang des protestant. Bezirksarztsohnes Compter, Angehöriger des Freiburger Corps Rhenania und 1929-1933 DVP-Mitglied, siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 1.104/1-3) u. das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 841); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Forstmeister Weitbrecht, Biberach an Dr. Mattheiß, Mdl, 20.5.33 (STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 20, Qu. 114). PA des kathol. Kaufmannsohnes Doli habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (STAL, EL 20/5, Bü. 1.188) u. die VA seiner Frau Anna (STAS, Wü 42, Acc. 10/1971, Bü. 475) sowie eine Bewerberliste v. 24.5.1924 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.351) u. den MdlEA v. 27.4.1925 (ebd., Bü. 1.275, Qu. 110). Zur Ablösung Dolls in Wangen siehe den kurzen Hinweis bei Schnabel 1986, 332.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

seine NS-Protagonisten zunächst nicht. Doch bald schon häuften sich Zusammenstöße mit Kreisleiter Pfeiffer und dessen Gefolge, die rasch zu Verbalinjurien und gegenseitigen Anzeigen eskalierten. Der stellvertretende Kreisleiter K., berichtete Landrat Eitel am 8. September 1934 dem Innenministerium, "gebärdet sich [...] mehr als Gouverneur einer Eingeborenenkolonie denn als Amtswalter, dessen persönliches Vorbild und Beispiel die Bevölkerung von dem hohen sittlichen und geistigen Gehalt der nationalsozialistischen Weltanschauung überzeugen und sie für die Bewegung gewinnen könnte". Zudem belasteten die "bösartige Beschimpfung der katholischen Bezirksbevölkerung durch K. im Sommer 1933", die "Beschimpfung des Landrats und der Herabsetzung seines Ansehens und seiner Stellung" sowie die Obstruktionspolitik der Kreisleitung bei der Behandlung der allgemeinen Geschäfte die Arbeit des Oberamts in zunehmendem Maße.19 Nach dem Krieg machte Eitel geltend, er sei "vom Jahre 1934 ab bis zum Zusammenbruch unterdrückt" worden und habe berufliche "Nachteile erfahren, weil er die Rechte des Staats gegenüber den Übergriffsversuchen der Kreisleiter verteidigte und weil er auch sonst gegen Maßnahmen der Partei, insbesondere auch auf kulturellem Gebiet, eingestellt" gewesen sei. Tatsächlich lagen die Ursachen der verbissen geführten Auseinandersetzungen eher im persönlichen Bereich. Eitel hatte vor 1933 nicht zu denjenigen Nachwuchsbeamten gehört, welche aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Leistungen für die Leitung eines Oberamts vorgemerkt worden waren. Umso energischer pochte er darauf, ihm die gebührende Achtung entgegenzubringen, nachdem er 1933 durch die Gunst der Umstände doch noch zum Zuge gekommen war. Umgekehrt stand die Wangener Kreisleitung in dem Ruf besonderer Rauhbeinigkeit. Insbesondere galt das offenbar für den Kreisschulungsleiter K. Landrat Eitel schlug ihn deshalb nicht für den angestrebten Bürgermeisterposten in einer Oberamtsgemeinde vor. Ein besonderes Risiko kann damit nicht verbunden gewesen sein, denn weder die Wangener Kreisleitung noch der NS-Beauftragte für Ortsvorstehersachen im Stuttgarter Innenministerium, Bürgermeister Georg Stümpfig, intervenierten zugunsten des übergangenen Aspiranten. Und Ministerialdirektor Dill stärkte Eitel gar ausdrücklich den Rücken, denn er war der Meinung, daß sein langjähriger Kyffhäuser-Kamerad "unter allen Umständen gehalten werden" müsse. Diese Auffassung wurde sowohl von Minister Schmid als auch von Staatssekretär Waldmann geteilt. Solcherart abgesichert setzte Eitel seine Fehde mit den NS-Funktionsträgern seines Kreises fort. In der Hauptsache ging es dabei um Fragen des Komments. Später behauptete Eitel zwar, er sei wegen "seine(r) aktive(n) Gegnerschaft" gegen den Nationalsozialismus andauernden "Verfolgungsmaßnahmen" ausgesetzt gewesen. Zum Beleg dafür vermochte er indessen nur Fälle anzuführen, bei denen er sich gegen tatsächliche und angebliche Zurücksetzungen oder Beleidigungen zu Wehr gesetzt hatte, die er selbst oder seine Mitarbeiter seitens der Partei erlitten

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Siehe oben, Anm. 18, Qu. 136.

Standesbewußte Leute

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hatten.20 "Ich beanspruche bei offiziellen Parteiveranstaltungen für den Landrat einen Platz in der 1. Sitzreihe", beschied er nach einem solchen Vorfall indigniert dem Kreisleiter.21 Zur Strafe überging er den respektlosen Ortsgruppenchef bei den Einladungen zu offiziellen Anlässen, und dessen Beschwerde quittierte er mit den Worten: "In seiner engen Welt ist kein Platz für den Landrat als den Vertreter der Staatshoheit, der nach dem Willen des Führers selbst aus dem Kreis der Volksgenossen herausgehoben ist."22 Von der Spruchkammer wurden diese Argumente 1949 bereitwillig aufgenommen, um ihn trotz seiner NSDAP-Mitgliedschaft in die Gruppe der "Entlasteten" einreihen und ihm damit seine volle Pension verschaffen zu können.23 Als Eitel jedoch daraufhin Wiedergutmachung beantragte, wies das Innenministerium diese Verfolgungsthese kategorisch zurück, um dann grundsätzlich festzustellen: Der Antragsteller "hat bereits im April 1933 aus freien Stücken Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt. Während seiner Tätigkeit als Landrat hat er zwar ernste Auseinandersetzungen mit Parteidienststellen gehabt und sich dabei, was durchaus anzuerkennen ist, gegen Übergriffe und gesetzwidrige Maßnahmen der örtlichen Parteidienststellen in aufrechter Weise gewehrt. Es hat sich jedoch dabei um keine Bekämpfung des Nationalsozialismus als solchen, sondern um die Abwehr von Obergriffen in seine Amtssphäre als Landrat gehandelt. In einer solchen Abwehrstellung standen während des 'Dritten Reiches' mehr oder weniger fast alle Landräte, soweit sie Berufsbeamte und nicht ganz parteihörig waren. Die Zurückweisung von Wünschen oder auch von gesetzwidrigen Maßnahmen örtlicher Parteidienststellen durch den Landrat kann für sich allein nicht als aktiver Widerstand gegen den Nationalsozialismus gewertet werden. " 24 Der unterzeichende Ministerialdirektor Dr. Max Fetzer (1895-1989) wußte, wovon er sprach: obwohl der herausragend qualifizierte Heidenheimer Landrat 1938 zu verschlechterten Bedingungen ins Ministerium zurückbeordert und dort kaltgestellt worden war, hatte er sich bis zuletzt geweigert, der NSDAP beizutreten.25 Prestigefragen standen auch im Mittelpunkt jenes Dauerkonfliktes, den der Tauberbischofsheimer Landrat Klaus Teilenbach mit dem örtlichen Kreisleiter Schmidt ausfocht: "Mit dem Ansehen der Inneren Verwaltung wäre es meines Erachtens nicht vereinbar, wenn man einer Kreisdienststelle das Recht zugestehen würde, den Landrat zu Besprechungen gewissermaßen zu bestellen."26 Mit dem 20

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LR i.R. Eitel, Anlage zum Fragebogen v. 11.2.46 (ebd., zu Qu. 241); Rechtsanwalt Dr. Hank, Hoib an Mdl WH, 19.8.52 (ebd., Qu. 301). LR Eitel an KreisL Pfeiffer, 12.11.37 (STAS, Wü 40, Bd. 2, Nr. 14, Qu. 83). Schnabel 1986, 341 zit. eine ähnliche Beschwerde. LR Eitel an Mdl, 24.1.38 (oben, Anm. 18, Qu. 163). Spruch der Spruchkammer I Tübingen v. 17.1.49 (oben, Anm. 18, ohne Qu.) Wiedergutmachungsbescheid (gez. Dr. Fetzer) v. 22.7.53 (oben, Anm. 18, Qu. 317). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Forstgeometers, Mitglied der Tübinger Stuttgardia, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 342); femer Baudisch 1989/90, 66 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. LR Tauberbischofsheim (gez. Tellenbach) an Mdl (nachrichtl. LKom Mannheim), o.D. [Frühjahr 1944] (RHBW, Personalregistratur, PA Tellenbach, Fasz. "Akten des

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Ansehen der Staatsverwaltung war es allerdings erst recht nicht vereinbar, daß ein Landrat tatenlos zusah, wenn in seinem Amtsbezirk von den NS-Würdenträgern zur Unzeit "wilde" Judenpogrome veranstaltet wurden. Darauf indessen mußte der Amtsvorstand Tellenbach ausgerechnet von seinem NS-Ressortchef aufmerksam gemacht werden: "Trotzdem die auf Veranlassung des Kreisleiters und anderer Hoheitsträger der Partei anfangs September ds. Js. [1939] getroffenen Maßnahmen gegen die Juden in Tauberbischofsheim, Wertheim und Külsheim offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrten und mit den wiederholten Anweisungen der Staats- und Parteidienststellen in krassem Widerspruch stehen, haben Sie keine Veranlassung genommen, etwaige Gegenmaßnahmen zu erwägen oder gar zu ergreifen", schrieb der Alte Kämpfer, SS-Oberführer und NS-Minister Pflaumer dem badischen Berufsbeamten ins Stammbuch. "Sie haben es vielmehr, obwohl Sie für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Ihrem Amtsbereich in erster Linie zuständig und verantwortlich sind, nach meinen Feststellungen nicht einmal für erforderlich gehalten, sich unverzüglich eine genaue Kenntnis der Vorgänge zu verschaffen, die Sie dann, sofern Sie - was dahingestellt sein mag - nach Sachlage nicht unmittelbar selbst hätten wirksam eingreifen können, wenigstens in die Lage versetzt hätte, das sofortige Eingreifen der Geheimen Staatspolizei sicherzustellen oder meine Entscheidung einzuholen. " Und Pflaumer schloß mit der unmißverständlichen Drohung: "Ich muß daher Ihr Verhalten, auch bei gebührender Würdigung der von Ihnen vorgetragenen Entschuldigungsgründe, auf das Schätfite mißbilligen. Sollte Ihre Amtsführung auch fernerhin die erforderliche Aktivität vermissen lassen, so würde ich gezwungen sein, Ihre anderweitige Verwendung zu erwägen."27 In seinen publizierten Erinnerungen kommt Landrat Tellenbach darauf nicht zurück. Das ist nachvollziehbar. Weniger verständlich ist es, daß ausgerechnet der Adressat dieses in Südwestdeutschland beispiellosen Verweises durch einen NSMinister öffentlich - ohne dafür ein einziges konkretes Beispiel anführen zu können - für sich in Anspruch genommen hat, "daß es mir gelungen ist, dem einen

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Landeskommissärs Mannheim - Tellenbach"). Zum Werdegang des protestant. Offiziersohnes, 1929/30 kurzzeitiges DDP-Mitglied, siehe seine PA (ebd.); ferner Götz 1971, 106; Grab 1987, 146 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Mdl (gez. Pflaumer) an LR Tauberbischofsheim, 29.9.1939 (RHBW, Personalregistratur, PA Tellenbach, gesondertes Beiheft). Der Verweis spielte übrigens nach 1945 eine zentrale Rolle bei dem Bemühen Pflaumers, sich als "gemäßigter Nazi" zur stilisier»!; siehe den Gnadenantrag des StMin BW an MinPräs Gebhard Müller v. 9.S.19S8 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 916, Qu. 17, 6). Demgegenüber braucht hier kaum hervorgehoben zu werden, daß es Pflaumer keineswegs um die malträtierten Juden von Tauberbischofsheim ging - an deren Deportation wirkte er wenig später mit -, sondern allein darum, das Repressionsmonopol des NS-Regimes zu wahren. Letzteres war aber seit 1936 zusehends darum bemüht, im Rahmen der "Institutionalisierung und Bürokratisierung der antisemitischen Maßnahmen" sämtliche *lokale(n) Sondererscheinungen und Vorstöße zu unterbinden und die Entwicklung mit allgemeinen MaBnahmen zu steuern" (Matzerath 1992, 115f.). Und mit dessen Interessenlage war jegliche Unruhe an der Heimatfront erklärtermaßen nicht vereinbar; bei Kriegsbeginn ordnete die Gestapo deshalb ein sofortiges Verbot jeglicher Übergriffe gegen Juden an (ebd., 118). Zu den erwähnten Pogromen siehe Gehrig/Kappler o.J., 457f.; Juden in Tauberfranken 1984, 86; Weiss 1981, 579 u. 1992, 65f.; Weiss u.a. 1992, 163f., 169.

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oder anderen Menschen einen gewissen Schutz vor der Willkür der Nazis zu verschaffen, der ihm nicht zuteil geworden wäre, wenn ich meinen Platz freigemacht hätte". 28 Was den württembergischen Landrat Eitel betrifft, so machte der in den Spruchkammer- und Wiedergutmachungsverfahren neben seinen Reibereien mit NS-Funktionären zu seiner Entlastung geltend, er habe sich immer wieder demonstrativ auf die Seite der katholischen Kirche gestellt. Dieses Argument gehörte zum Standardrepertoire der ehemaligen Landräte. Meist war es nicht so überzeugend begründet, wie im Fall des Saulgauer Landrats Wilhelm Reich (1881-1951). Der bekennende Katholik und Angehörige der Tübinger KV-Verbindung Alamannia war Ende April 1933 von der DNVP zur NSDAP übergetreten. Trotzdem geriet er vornehmlich wegen seines beharrlichen Engagements für die Belange kirchlicher Einrichtungen mit seinem Kreisleiter Dr. Waizenegger in schwerste Konflikte.29 Nachdem er vorübergehend aus der Partei ausgeschlossen und sogar kurzzeitig in Haft genommen worden war, zog ihn das Innenministerium durch eine Versetzung nach Neresheim aus der Schußlinie. Da Reich sich von seinem demonstrativ kirchenfreundlichen Kurs nicht abbringen ließ, kam es auch dort alsbald zu schwersten Konflikten. Völlig entnervt ging der sperrige Landrat 1938 in den Wartestand.30 Dieser Fall blieb eine Ausnahme, doch zweifelsohne sahen sich viele katholische Beamte mit wachsendem Unbehagen in die kirchenfeindliche Politik des NSRegimes eingebunden.31 Auch ihre protestantischen Kollegen waren immer weniger bereit, die Angriffe auf den Kernbestand der kirchlichen Autonomie administrativ zu unterstützen. Das gilt besonders für Württemberg,32 wo diese Angriffe mitten ins Zentrum des traditionellen Elitenkartells zielten, denn Pastorenschaft und Kirchenverwaltung bildeten nach wie vor einen integralen Bestandteil der württembergischen Ehrbarkeit. Allerdings deuteten die gegen Ende der dreißiger Jahre sprunghaft steigenden Anteile von Konfessionslosen unter den seit 1900 geborenen Nachwuchsbeamten bereits an, daß hier auf längere Sicht mit einer generationellen Desintegration kirchlicher Loyalitäten zu rechnen war (Tab. 15/16 u. 28

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Teilenbach 1986, 392. Ich habe in den Quellen besonders intensiv nach Zeugnissen Tellenbachscher "Widerstandshandlungen" geforscht, die sich nicht auf die persönlichen und institutionellen Reibereien mit besonders rauhbeinigen NS-Funktionären beschränkten - vergebens, mit einer möglichen Ausnahme: Im Juni/Juli 1937 kam es zum Streit mit dem KreisL, weil Tellenbach einige Personen nicht verhaften lassen wollte, die Schmidt wegen angeblicher anti-nationalsozialistischer Äußerungen angezeigt hatte. Tellenbach wurde in seiner Haltung vom Mdl bestätigt (GLAK, 380, 1977/68, Nr. 1.114). Andererseits fuhr das LRA bei der Verhängung von Schutzhaft Mitte 1938 einen schärferen Kurs als die Polizei und das Sondergericht Mannheim (ebd., Nr. 1.254). Auf solche Fälle "betonter Kirchlichkeit" im katholischen Rheinland weist auch Romeyk 1989, ISO hin. Zum Werdegang des Hauptlehrersohnes siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.312); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur NS-Kirchenpolitik in Südwestdeutschland siehe zuletzt Köhler/Thierfelder 1994 (mit weiteren Hinweisen). Bezeichnenderweise betreffen auch die von Kißener (1995) geschilderten Fälle von Resistenzverhalten Karlsruher Richter durchweg bekennende katholische Juristen. Vgl. Sauer 1975, 76.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

20/21). Doch zunächst blieb das Engagement der Beamten auf dem Feld der AntiKirchenpolitik auch in Baden besonders weit hinter den Erwartungen der Partei zurück. Offensichtlich aus gegebenem Anlaß befahl Gauleiter Wagner am 15. Januar 1942, die gesamte Verwaltungselite Badens - zum wiederholten Male - unmißverständlich darüber zu "belehren", daß sie "bei staatsabträglichen Äußerungen von Geistlichen die Kirche zu verlassen" hätten. Wie wenig er sich selbst davon versprach, belegt der Schlußsatz seiner persönlichen Weisung: "Auf keinen Fall darf bei dem Beamten der Eindruck entstehen, daß ihm aus einer Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen dienstliche Nachteile entstehen."33 Angesichts der geringen öffentlichen Akzeptanz, welche die Kirchenpolitik der NS-Führung in der Bevölkerung und selbst unter den Parteigenossen fand, 34 war mit deren begrenzter Mißachtung nur ein recht begrenztes Risiko verbunden. Gleichwohl erreichten die Konflikte der Landräte mit Repräsentanten der NSDAP auch auf diesem sensiblen Feld in keinem Fall das Stadium offener Widersetzlichkeit. So gewannen die Rivalitäten auf Kreisebene nur ganz selten existenzbedrohende Formen. Zwar zettelten einige Kreisleiter gelegentlich Parteigerichtsverfahren gegen ihr staatliches Gegenüber oder dessen zweite Beamte an, was jeweils auch ein Dienststrafverfahren zur Folge hatte. Jene endeten jedoch schlimmstenfalls mit einer Verwarnung, diese wurden von den ministeriellen Untersuchungsführern durchweg zugunsten der betroffenen Kollegen abgewickelt.35 Und vor den Sondergerichten des NS-Staates brauchte sich überhaupt kein höherer Beamter aus der badischen und württembergischen Innenverwaltung verantworten.36

Die alte Garde Zu den generationellen Verhaltensunterschieden der höheren Verwaltungsbeamten Südwestdeutschlands während der NS-Zeit. Die Geburtsjahrgänge bis Mitte 1870er Jahre hatten zum Zeitpunkt der NS-Machtübernahme ihre beruflichen Endpositionen erreicht und nur noch wenige Jahre im aktiven Dienst vor sich. Sie wurden 1933/34 überwiegend zwangspensioniert oder abgeschoben, wenn sie nicht von 33 34

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GLAK, 233, Nr. 25.858 (Hervorheb. von mir). Peterson 1967, 163f. Zur NS-Kirchenpolitik siehe Longerich 1992, *234-*255; femer für vieles Zipfel 1965; Conway 1969; Neliba 1992, 128-137. Vgl. Roser 1993, 125-149. Besonders aufschluflreich sind zwei Dienststrafverfahren, die hier nicht ausgebreitet werden sollen. Das eine richtete sich 1936-1938 gegen den protestant. LR Gustav Stierle (1888-1939) in Künzelsau (HSTAS, E 151/21, Bü. 1.411). Das andere (wegen "defaitischer Äußerungen") hätte den kathol. LRA-Verweser von Crailsheim, Dr. Karl Sautermeister (1898-1983) 1940/41 um ein Haar seine berufliche Existenz und womöglich mehr gekostet, wenn ihn nicht der Württ. Verwaltungsgerichtshof unter dem Vorsitz des früheren Mdl-Kanzleidir. Himmel überraschend freigesprochen hätte; siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.431) u. die Verfahrensalcten der Dienststrafkammer beim Verwaltungsgerichtshof Stuttgart (STAL, E 136, 74/7, Αζ. 20.1941). Vgl. Sikinger/Ruck 1993.

Die alte Garde

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selbst resignierten. Diejenigen, welche blieben, hielten Distanz zur NSDAP - in Baden eher passiv, in Württemberg weniger zurückhaltend (Tab. 26). Persönlichkeiten wie Landrat August Feurer (1873-1943) oder Dr. Alfred Neuschier (1874-1975) prägten hier den Stil ihrer verbliebenen Altersgenossen. Der Arztsohn Neuschier, Mitglied der elitären Tübinger Stuttgardia, war im Jahre 1900 nach überragenden Prüfungsleistungen "auf persönliche Aufforderung des Staatsministers des Inneren" in die Innenverwaltung eingetreten und hatte dort bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Blitzkarriere absolviert. Seit 1926 Präsident der Ministerialabteilung für das Hochbauwesen und der Württembergischen Gebäudebrandversicherungsanstalt im Range eines Ministerialdirektors, hatte sich dieser Spitzenbeamte schon von Innenminister Bolz nicht anfechten lassen. Dessen Nachfolger Schmid begegnete er mit ungebrochenem Selbstbewußtsein. Neuschier selbst Schloß sich nicht der NSDAP an, und seine Behörde galt als nahezu frei von Parteigenossen.37 Unter anderem bot sie auch dem langjährigen Personalreferenten des Stuttgarter Polizeipräsidiums, Oberregierungsrat Otto Rueff (1891-1950), Zuflucht, nachdem dieser im Herbst 1933 "wegen ständiger versteckter Sabotageversuche" vom württembergischen Gestapo-Chef Dr. Mattheiß Hausverbot erhalten hatte, anschließend nur knapp der Entlassung gemäß § 4 BBG entgangen und nicht in die NSDAP aufgenommen worden war.38 Auch der Göppinger Landrat Feurer, bis 1933 Vorsitzender der Landrätevereinigung und stellvertretender Vorsitzender des Vereins württembergischer höherer Verwaltungsbeamter, verweigerte sich der NSDAP und hielt mit Kritik an deren Maßnahmen nicht hinter dem Berg. Dies begann am 10. April 1933 mit seinem Protest gegen die rüde Behandlung verschiedener Kollegen durch örtliche NS-Formationen und setzte sich Ende des Jahres in Ludwigsburg fort. Als Feurer nach seiner Pensionierung 1939 die Amtsverweserschaft in Heilbronn übernahm, geriet er alsbald mit dem Kreisleiter Drauz scharf aneinander. Auch dabei standen im übrigen Prestigefragen im Mittelpunkt.39 Der in mancherlei Hinsicht vergleichbare Fall des badischen Landrats Dr. Gustav Bechtold (1876-1951) hingegen nahm eine andere Entwicklung. Der protestantische Fabrikantensohn und DNVP-Sympathisant aus Weinheim hatte seit 1916 mehrere Bezirksämter verwaltet und war 1930 als Landrat nach Bruchsal gekommen. 1933 beantragte er seine Aufnahme in die NSDAP. Dazu sollte es nicht kommen, denn der ebenso konservative wie selbstbewußte Beamte geriet alsbald mit dem rigorosen Kreisleiter Epp aneinander. Dieser brachte schließlich Gauleiter und Reichsstatthalter Wagner dazu, den Innenminister am 6. August 1935 anzuweisen, gegen Bechtold ein "förmliches Dienststrafverfahren" mit dem Ziel der Entlassung einzuleiten. 37

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Sauer 1973, 180f. Zum Werdegang des protestant. Arztsohnes Neuschier siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.225); femer Angerbauer 1989, 61 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Vgl. Kap. I, Anm. 110. Vgl. Kap. II, mit Anm. 34. Siehe dazu die PA Feurers (HSTAS, E 151/21, Bü. 191); zur Person siehe Kap. II, mit Anm. 20.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

In dieser prekären Situation bewährte sich der Korpsgeist der badischen Innenverwaltung. Denn die tags darauf mit der Voruntersuchung beauftragten Landräte Otto Naumann (1876-1961) in Heidelberg und Theodor Wintermantel in Karlsruhe verwandten ihr ganzes Geschick darauf, den in Bedrängnis geratenen Kollegen gegen die Angriffe der Staatspartei in Schutz zu nehmen. Schließlich hatte der DVP-Sympathisant Naumann im Herbst 1933 seinen gut dotierten Posten als Polizeidirektor von Baden-Baden räumen müssen, und der DDP-Mann Wintermantel war zu gleicher Zeit in wenig rücksichtsvoller Weise als Vorsitzender des Vereins der höheren Verwaltungsbeamten Badens von NS-Protagonisten ausgebootet worden.40 Der Hauptvorwurf, Bechtold habe sich während der NSMachtergreifung und danach hartnäckig für den Verbleib "schwarzer" und sonst "politisch untragbarer" Bürgermeister eingesetzt, war in der Sache nicht zu entkräften; erschwerend hinzu kamen sein vorsichtiges Eintreten für jüdische Gewerbetreibende und seine wiederholten Seitenhiebe gegen NS-Parteigänger. Naumann argumentierte deshalb offensiv: "Selbst wenn ein Landrat [...] sich zur Erhaltung einer geordneten Gemeindeverwaltung für eingearbeitete Gemeindevertreter einsetzt, so kann darin eher die Erfüllung als die Verletzung seiner Dienstpflichten erblickt werden", stellte er zum ersten Vorwurf fest. Die heftigen Verbalattacken des Landrats - beispielsweise gegen einen nationalsozialistischen Gendarmeriewachtmeister, welcher nach Aufforderung der Gestapo auf eigene Faust einen katholischen Geistlichen in "Schutzhaft" nehmen wollte - entschuldigte Naumann mit der "übereifrigen, eigenmächtigen und unkollegialen" Persönlichkeit des betreffenden Polizisten wie mit der "Tatkraft, Offenheit und Lebhaftigkeit des Wesens" von Landrat Bechtold: "Diese Eigenschaften, wenn sie auch gelegentlich zu Konflikten führen können, möchte man aber bei einem Bezirksbeamten nicht missen," merkte Naumann an; schließlich lege "die neue Zeit [...] gerade auf kräftige Persönlichkeiten Wert". Was die jüdischen Gewerbetreibenden anbelange, so habe der Angegriffene lediglich darauf insistiert, daß deren Fälle "sachlich und gesetzlich behandelt" würden. Im diesem Stile wurden sämtliche 17 Anklagepunkte beseite geschoben und dem Kollegen das Erscheinungsbild "eines tüchtigen, tatkräftigen Landrats und ehrlichen, durch und durch anständigen deutschen Menschen" attestiert. Der Karlsruher Landeskommissär Karl Dold, wie Bechtold Mitglied eines Kösener Corps, nahm die Vorlage bereitwilligst auf und empfahl die Einstellung des Dienststrafverfahrens.41 Das Innenministerium hatte seinen Landrat schon im 40

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Zum Werdegang Naumanns - protestant. Apothekersohn aus Nordbaden, Angehöriger der "schwarzen" Verbindung Zaringia-Heidelberg und DVP-Sympathisant - siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 5.339/1-3) u. VA (GLAK, 466, Nr. 13.318) sowie das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 806) u. die - auch allgemein für die Mentalität der älteren Verwaltungsbeamten sehr aufschluBreichen - SprKA (GLAK, 465a, Az. 59/3/1.403); siehe ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zu Naumanns Wirken in Heidelberg 1933-1945 siehe eingehend Roser 1996. Zur Person Wintermantels siehe Kap. Π, mit Anm. 179. Der gesamte Vorgang ist ausführlich dokumentiert in Bechtolds PA (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 373, Heft 5 u. 3; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang Bechtolds siehe ferner weitere

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Voijahr gegen die Angriffe des Kreisleiters in Schutz genommen. Auf dessen wiederholte Drohungen hatte Bechtold denn auch ungerührt geantwortet: "Was kann mir schon passieren? Man kann mich ja pensionieren." In dieser Haltung muâte er sich durch den günstigen Ausgang der Voruntersuchung bestärkt fühlen, und so ging er im Anfang November 1935 seinerseits mit einer Strafanzeige gegen seinen Widersacher vor. In einer daraufhin anberaumten Krisensitzung lenkten Gau- und Kreisleitung ein. Das Dienststrafverfahren wurde mit ihrer Zustimmung eingestellt und am 6. Dezember 1935 eine Notiz über die Rehabilitierung des beurlaubten Landrats im Gauorgan "Der Führer" veröffentlicht. Im Gegenzug zog Bechtold seine Anzeige zurück und stellte dem Kreisleiter eine bessere Zusammenarbeit in Aussicht. Tatsächlich herrschte in den folgenden beiden Jahren ein leidliches Einvernehmen zwischen den Kombattanten. Umso überraschender mußte für Bechtold die Revanche der Gauleitung kommen. Nachdem der bisherige Mannheimer Landeskommissär Dr. Karl Scheffelmeier (1878-1938) seinem Leben wegen eines geringfügigen Devisenvergehens ein Ende gesetzt hatte,42 wurde Bechtold Mitte 1938 kurzfristig die Nachfolge angeboten. Die hochangesehene Position entsprach besoldungsmäßig einer Ministerialratstelle. Bechtold ging deshalb als kommissarischer Landeskommissär in seine nordbadische Heimat, obwohl er sich dort - durch den Wegfall verschiedener Nebeneinnahmen eines Landrats bis zu seiner endgültigen Ernennung materiell deutlich schlechter stand als in Bruchsal. Auf eine solche Gelegenheit hatte die Gauleitung augenscheinlich nur gewartet. Zunächst wurde der Ernennungsantrag des Innenministers dilatorisch behandelt, und als Bechtolds Stelle in Bruchsal neu besetzt war, erhob sie aus politischen Gründen formellen Einspruch. Dies geschah auf persönliches Geheiß von Gauleiter Wagner, der offensichtlich ein Exempel zu statuieren gedachte. Weder Innenminister Pflaumer noch das Reichsinnenministerium vermochten die Blockade zu lösen. Der Betroffene zerbrach zusehends daran. In flehentlichem Tonfall bat der einst so selbstbewußte Landrat Bechtold seinen Ressortchef und den Ministerpräsidenten Köhler - der stammte ebenfalls aus Weinheim - Mal um Mal darum, die schmähliche Situation zu bereinigen. Doch erst nach Kriegsbeginn gab Wagner nach weiterem Zureden Pflaumers den Weg dafür frei. Der Sinsheimer Landrat Paul Strack (1879-163), ein republikanischer DDP-, dann DVP-Sympathisant, hatte 1933/34 ähnliche Probleme wie Bechtold. Durch eine Versetzung nach Lahr konnte der Innenminister jedoch eine Eskalation vermeiden, zumal Strack sich formal anpaßte, ohne deshalb vor begrenzten

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PA (STAF, F 20/9, Nr. 109, P. 8) sowie die Doss. des Gaupersonalamts u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 46c, in 1.080 u. 821); siehe ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person DoUk siehe Kap. II, mit Anm. 210. Die Haupt-PA des protestant. Kaufmannsohnes, Jahrgangszweiter und -erster in den beiden jurist. Staatsprüfungen, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine Referendariatsakten (GLAK, 233, Nr. 23.802) u. den Mdl-EA v. 31.7.1930 (GLAK, 233, Nr. 24.420; 236, Nr. 29.261). Zum Suizid des Spitzenbeamten aus Furcht vor dienstlichen Konsequenzen siehe Heimle 1990, 26.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

Konflikten mit seiner neuen Kreisleitung zurückzuscheuen.43 Ihr gleichaltriger Kollege Dr. Alfred Hagenunger (1877-1948) erhielt gar massive Rückendeckung nicht nur durch seinen Ressortchef, sondern auch vom Gauleiter, als er 1938/39 in Emmendingen von NS-Leuten attackiert wurde: "Das Ergebnis der Ermittlungen habe ich dem Herrn Reichsstatthalter vorgelegt, der mitgeteilt hat, daß er nicht wünsche, daß gegen Landrat Dr. Hagenunger etwas unternommen werde", ließ Innenminister Pflaumer das Gauamt für Beamte am 9. Januar 1939 wissen. "Auch nach meiner Auffassung bietet der Sachverhalt [...] keine Veranlassung, gegen Landrat Dr. Hagenunger im Dienstaufsichtswege vorzugehen."44 Diese Abfuhr beendete abrupt den Versuch der Emmendinger Kreisleitung, gemeinsam mit dem Gauamt für Beamte und dem Gaupersonalamt einen unbequemen Amtsvorstand aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei hatte sich anfangs alles recht harmonisch angelassen. Der konservative Beamte pflegte zu Weimarer Zeiten ein Selbstverständnis, das sich noch stark an obrigkeitsstaatlichen Rollenmustern orientierte.45 Die Mitgliedschaft in der Freiburger Burschenschaft Teutonia paßte ebenso in das Bild eines Großherzoglichen Landrats wie der Umstand, daß er sich als Katholik der rechtsliberalen DVP angeschlossen hatte. Auch sein praktisches Wirken erinnerte stark an jene "Überparteilichkeit" vordemokratischer Zeiten, hinter deren Fassade die sozialdemokratischen und ultramontanen "Reichsfeinde" nach Kräften geschurigelt wurden, während die Großherzoglichen Mwionafliberalen in jeder erdenklichen Weise Protektion erfuhren.46 So weit rechts schlug Hagenungers Herz, daß er in seinem Einflußbereich - gleichsam als personifizierte "Harzburger Front" - alles tat, um der "nationalen Revolution" auf die Sprünge zu helfen: auf der einen Seite begünstigte er nach Kräften die Aktivitäten der südbadischen NSDAP, auf der anderen Seite bereitete er deren Gegnern im republikanischen Lager, vornehmlich den Sozialdemokraten, bürokratische Schwierigkeiten, wo immer er konnte.47 Nach der Machtergreifung erkannten die Emmendinger NS-Protagonisten 43 44 45

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Zu Stracks Werdegang siehe Kap. I, Anm. 110. STAF, D 180/2, Nr. 2.358. Vgl. etwa seine Ausführungen auf einer Bgm-Versammlung am 9.5.1932 (Die Gemeinde [Baden] 34/1932, Nr. 6/7, 139). Die Haupt-PA des kathol. Notarsohnes, Angehöriger der Freiburger Burschenschaft Teutonia und vor 1933 DVP-Mitglied, habe ich nicht ermittelt; siehe jedoch weitere PA (STAF, F 20/9, Nr. 717/718, P. 63) u. das Doss. des Gaupersonalamts in Hagenungers EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 2.358); ferner Götz 1971, 77f. Vgl. die gerade auch im Hinblick auf die Einbindung der Bezirksamtsvorstände aufschlußreiche Fallstudie von Kremer 1985. Zum Daueikonflikt mit der Emmendinger SPD, der erst mit deren Ausschaltung 1933 sein gewaltsames Ende nahm, findet sich reichhaltiges Material in STAF, F 20/9, Nr. 717/718, P. 63. Nach dem Krieg wurde Hagenunger aus sozialdemokratischen Kreisen vorgeworfen, maßgeblich daran mitgewirkt zu haben, daß sein Intimfeind Hermann Günth, der örtliche SPDVorsitzende, nach der NS-Machtergreifung "zu Tode gehetzt" worden sei; siehe Antifaschistische Arbeitsgemeinschaft Emmendingen (gez. Stelz) an Mdl Freiburg, 25.2.1946 (STAF, D 180/2, Nr. 2.358). Zum Vordringen der NSDAP in Emmendingen, wo SPD und Zentrum nach Karlsruher Vorbild bis 1932 eng zusammenarbeiteten, siehe den örtlichen Bericht "Aus der Kampfzeit der Bewegung" v. 25.11.1935 (BÄK, NS 25, Nr. 182, Bl. 157f.).

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Hagenungers gute Dienste ebenso an wie sein Bemühen "um eine klare positive Haltung gegenüber Staat und Partei".48 Im übrigen betrieb der nationale Mann auch als Altherrenvorsitzender seiner Freiburger Burschenschaft Teutonia eine "eindeutige Erfüllungspolitik", bis er 1935 von diesem Amt "demissionierte, weil er als Beamter empfindsame Befürchtungen hegte, als Bundesleiter einer verpönten Korporation mit der NSDAP in Konflikte zu geraten".49 Die handelte er sich dann doch in Emmendingen ein. Bald schon zeichneten die politischen Begutachtungen von ihm das ambivalente Bild eines "brauchbare(n) Verwaltungsbeamte(n), der rückhaltlos zum Staat" stehe, andererseits aber seine "Standesdünkel" pflege, "nationalsozialistische Festigung" auf weltanschaulichem Gebiet wie in seiner ganzen "Dienstauffassung" vermissen lasse, die "Zusammenarbeit mit Parteistellen" bisweilen schleifen lasse, zudem die erforderliche "Stoßkraft" auf wirtschaftlichem Gebiet und "politisch in der Bekämpfung der politischen Gegner, besonders derjenigen in der Geistlichkeit" vermissen lasse "kein aktiver Nationalsozialist" eben, sondern "der Typ des alten, in Ehren ergrauten, aber immerhin ergrauten Beamten", welcher "sich immer noch als der erste Beamte des Kreises fühlt und kaum verstehen kann, daß die Partei auch ohne ihn regiert".50 Die Freiburger Spruchkammer nahm diese Äußerungen zum Anlaß, Hagenunger drei Jahre nach dem Krieg zu bescheinigen, er habe sich vom "anfänglich überzeugten Anhänger [...] immer mehr (zu) ein(em) Gegner der Partei" entwickelt.51 Seine düpierten Gegner aus Weimarer Zeiten allerdings hatten von derlei Absetzbewegungen des Landrats nichts bemerkt - nach ihrer Erfahrung agierte Hagenunger über die gesamte NS-Zeit hinweg als "willenloses Werkzeug der Parteibonzen" und "intimster Freund sämtlicher hier gewesener Kreisleiter".52 Auch die katholischen Regierungsräte Paul Dufner (1886-1952) und Dr. Hubert Schnekenburger (1894-1979), als Nicht-Pg.s von Hagenunger jahrelang in bester Eintracht mit dem Kreisleiter denunziert und schikaniert, hätten den Sinneswandel ihres früheren Chefs schwerlich bestätigt.53 48

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Gaupersonalamt, 23.11.1936: Polit. Beurteilung (STAF, D 180/2, Nr. 2.358); fast wörtlich übereinstimmend mit der Beurteilung des Emmendingens Kreisleiters v. 14.11.1936 (ebd.). Herbert Wiedemann, Heidelberg, 2S.2.1949: Eidesstattliche Erklärung (im Spruchkammerverfahren von Dr. Rudolf Ritter) (STAF, D 180/2, Nr. 2.358). Zitate aus verschiedenen politischen Beurteilungen der Jahre 1936-1938 (STAF, D 180/2, Nr. 2.358; Hetvorheb. von mir). Spruchkammer Freiburg, 15.7.1948: Entscheidung ("Minderbelasteter"; drei Jahre Bewährung; 25 v.H. Pensionskürzung) (STAF, D 180/2, Nr. 2.358). Erstes Zitat: Antifaschistische Arbeitsgemeinschaft Emmendingen an Mdl Freiburg, 18.1.1946; Zweites Zitat: Untersuchungsausschuß beim LR in Emmendingen, 18.2.1946: Entlassungsvorschlag (STAF, D 180/2, Nr. 2.358). Den in Emmendingen auch unter Republikanern gut angeschriebenen RegR Dufner hatte Hagenunger am 5.7.1933 nach Fühlungnahme mit "national denkenden Kreisen" wegen dessen Kontakten zu "marxistisch und kommunistisch eingestellten Persönlichkeiten" und - schlimmer noch - einem kommunistischen Juden beim Mdl als Aspiranten für eine Strafversetzung gemäß § 5 BBG gemeldet und von einer künftigen Verwendung als LR dringend abgeraten (STAF, F 20/9, Nr. 372-375, P. 33, hier Nr. 373, Bl. 513f.). Zum Werdegang Dufners, Sohn eines Landgerichtsdirektors, siehe seine PA (ebd.) u. das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 633).

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ΠΙ. Die Innenverwaltung im polykratischen Henschaftsgefüge

"Eine nicht unwesentliche Hemmung im Dienst bewirkt auch die Tatsache, daß Dr. Schnekenburger von der Partei abgelehnt wird", lautete der Hauptvorwurf Hagenungers an seinen Mitarbeiter. Doch solche Attacken auf einen Untergebenen sollten nur von der eigentlichen Ursache jener dienstlichen Hemmungen ablenken: Der Amtsvorstand "läßt immer mehr nach", stellte der Freiburger Landeskommissär Paul Schwörer (1874-1959) dazu im Oktober 1943 nüchtern fest. 54 Das sahen die örtlichen NSDAP-Würdenträger seit längerem so. Nicht zuletzt deshalb hatten sie Hagenunger trotz seiner Willfährigkeit bereits fünf Jahre zuvor aus dem Verkehr ziehen wollen. "Im Einvernehmen mit dem Gaupersonalamt stelle ich den Antrag, gegen den Landrat Dr. Hagenunger eine Dienststrafe auszusprechen", ging der Leiter des Gauamts für Beamte im Oktober 1938 in die Offensive. Der Amtsvorstand habe zwei SA-Männer, die im Rahmen einer Sammlung bei ihm vorgesprochen hätten, in rüder Form abgefertigt. "Durch sein abwegiges Verhalten hat Landrat Hagenunger seine besondere Beamtenpflicht, Vorbild an nationalsozialistischem Einsatz und an Opfersinn zu sein, gröblich verletzt." Der Emmendinger Kreisorganisationsleiter der DAF habe sich deshalb schon mit einer Beschwerde an den Beauftragten für den Vieijahresplan, Hermann Göring, gewandt. Ein schwerer Fehltritt. Denn mit das Gröbste, was sich ein untergeordneter NS-"Amtswalter" an "Disziplinwidrigkeit" leisten konnte, war eine Mißachtung des innerparteilichen Instanzenzuges. Prompt wies der Reichsstatthalter den Gauamtsleiter an, den Parteigenossen alsbald disziplinarisch zu belangen. Im übrigen zeigte Gauleiter Wagner keine Neigung, der Anzeige im einzelnen nachzugehen. Auch Hagenunger profitierte nun davon, daß der Gauleiter Beamte, die seiner Bewegung in der "Kampfzeit" beigestanden hatten, grundsätzlich nicht fallenließ. Nicht allen Beamten der älteren Generation gab ihr Standesbewußtsein die Kraft zu energischer Selbstbehauptung. Namentlich die Anhänger republikanischer Parteien verspürten nach der NS-Machtergreifiing einen besonderen Anpassungsdruck. Der Fall Gustav Wöhrle (1875-1954) mag das illustrieren.55 Als früherer DDP-Mann war der Konstanzer Landeskommissär von der Sorge erfüllt, gegen Ende seiner Karriere noch schmählich seinen Posten zu verlieren, zumal er 1933 54

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Erstes Zitat: LR Emmendingen (gez. Hagenunger) an LKom Freiburg, 22.9.1943. Zweites Zitat·. LKom Freiburg (gez. Schwörer) an Mdl, 7.10.1943 (STFR, Personalregistratur, PA Dr. Schnekenburger, 61. 581-583 u. 577f.). Zum Werdegang des Apothekersohnes siehe seine Haupt-PA (ebd.), weitere PA (STAF, F 20/9, Nr. 1.652), das Doss. des Gaupersonalamts in den SprKA (STAF, D 180/2, Nr. 191.176) u. die WiedergA (STAF, C 15/1, Nr. 755); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des kathol. Medizinalratsohnes Schwürer, seit 1929 langjähiger Präsident der Bad. Heimat, 1932 Gründungsmitglied des Rotary-Clubs Freiburg und NSDAP-Mitglied seit 1937, siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 1.734-1.737, P. 156) u. das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 20); femer den Handbuchartikel von Renate Liessem-Breinlinger, in: BWB I 1994, 348-350. Die PA des protestant. Landwirtsohnes, der keiner studentischen Verbindung angehörte, habe ich nicht ermittelt; zu seinem Werdegang siehe aber den Mdl-EA v. 5.12.1927 (GLAK, 233, Nr. 24.448) sowie das Doss. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, Nr. 698) und das Doss. des Gaupersonalamts in den SprKA (STAF, D 180/2, Nr. 2.350); ferner Götz 1971, 406 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996.

Die Etablierten

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nicht den Weg in die NSDAP gefunden hatte. Die Abschiebungen seiner Kollegen Felix Becker und Paul Haußer wie die Frustrationserlebnisse des Karlsruher Landrats Theodor Wintermantel hatten den hochangesehenen Beamten gelehrt, daß ihn im Konfliktfall auch der Nimbus eines Ritterkreuzträgers des Militärischen Karl-Friedrich-Verdienstordens und beider Eisernen Kreuze nicht davor bewahren konnte, von der NS-Regierung beruflich und persönlich düpiert zu werden.56 So paßte sich der altgediente Landeskommissär an, und er spielte auch mit, als Gauleiter Wagner den Alten Kämpfer Engelhardt Anfang 1935 auf Kosten seines Kollegen Alfred Franck (1878-1963) als Landrat und Kreisleiter in Konstanz installierte.57 Engelhardt war kaum ein halbes Jahr im Amt, da wollte der Reichsstatthalter persönlich von ihm wissen, wie sein Schützling auf dem neuen Terrain eingeschlagen habe. Engelhardt habe "sich sehr rasch mit seiner Arbeit als höherer Verwaltungsbeamter vertraut (ge)macht", gab Wöhrle pflichtschuldigst zurück. Worauf Wagner zufrieden äußerte, "er habe schon gewußt, wen er nach Konstanz bringe".58 Und Engelhardt revanchierte sich mit einer betont wohlwollenden Politischen Beurteilung. Darin lobte er besonders jene "wesentliche(n) Verdienste", die sich Wöhrle durch seine "einwandfreie Haltung bei der Machtübernahme" erworben habe: "In vielen Fällen konnten damals Schwierigkeiten durch sein stets vermittelndes Eintreten und seine Geradheit überwunden werden."59 Ein Beispiel mehr für die wichtige Schlüsselrolle, welche die kooperationsbereiten Funktionseliten spielten, als es für die NS-Usurpatoren darum ging, die im Handstreich errungene politische Macht auch auf administrativer und gesellschaftlicher Ebene zu konsolidieren.

Die Etablierten Die Geburtsjahrgänge um 1880 standen Mitte der dreißiger Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und ihres professionellen Selbstbewußtseins. Der vorwärtsdrängenden NS-Bewegung mit ihrem revolutionären Gestus brachten diese 56

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Als Träger der genannten Auszeichnungen gehörte Wöhrle zu jenen vier höheren Beamten der Innenverwaltung, die als höchstdekorierte Weltkriegsoffiziere Anspruch auf besondere Förderung ihrer Karriere hatten. Insgesamt enthält das Verzeichnis des Mdl nur sieben Ritterkreuztiiger (GLAK, 236, Nr. 23.730; dort auch weitere Unterlagen). Zur Person Beckers, Haußers und Wintermantels siehe Kap. Q, mit Anm. 351, 200 u. 179. Franck wurde "nach oben" auf eine besser besoldete, gänzlich "unpolitische" Präsidentenstelle bei der Bad. Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Karlsruhe abgeschoben. Die staatl. Haupt-PA des protestant. Architektensohns, NSDAP-Mitglied seit 1933, sind 1944/45 in Berlin verloren gegangen; siehe aber zum Werdegang weitere PA (GLAK, 466, 1978/36, Nr. 1.930) u. den Mdl-EA v. 17.1.1935 (GLAK, 233, Nr. 24.449; 236, Nr. 29.273); femer Götz 1971, 73 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Wöhrle an RA Klemm, Heidelberg, 25.4.1954 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 299, Qu. 14). Zum "Fall Engelhardt" siehe Kap. II, Abschnitt "Personalunionen". Polit. Beurteilung v. 16.11.1936 (STAF, D 180/2, Nr. 2.350).

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III. Die Innenveiwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

Repräsentanten obrigkeitsstaatlicher, altnationaler Traditionen von vornherein kaum Sympathien entgegen, und von deren Sieg konnten sie sich persönlich nichts versprechen. "Nur die allergrößten Kälber", warnte der frühere Kanzleidirektor Reinhold Scholl (1878-1966) seine jüngeren Kollegen, als die Rede im Herbst 1932 auf die Perspektiven des Berufsbeamtentums unter Hitler kam, "nur die allergrößten Kälber wählen ihren Metzger selber."60 Der hochrespektierte Präsident, ein DVP-Mann, mußte 1933 gehen. Daß er mit seiner Einschätzung die Meinung der meisten Seniorbeamten wiedergegeben hatte, belegte deren Verhalten nach der NS-Machtergreifung. Auch in dieser Altersgruppe herrschte die Distanz gegenüber den neuen Machthabern vor, hier trat sie allerdings in Baden offener zutage als im Nachbarland (Tab 26). Diese Stimmung hielt eine Minderheit dieser Jahrgänge nicht davon ab, sich den neuen Machthabern durch eine besonders beflissene Amtsführung anzudienen sei es aus Furcht vor einem Statusverlust, sei es in der Hoffnung auf einen späten Karrieresprung. Erstes war offensichtlich der Fall bei dem badischen Landrat Dr. Max Dittler (1881-1964). DDP-Mitglied von 1920 bis 1930, war der Amtsvorstand in Stockach bis 1933 scharf gegen die NSDAP vorgegangen. Dann vollzog er eine radikale Kehrtwendung, ohne sich formal sogleich der NSDAP anzuschließen. Der anpassungsbereite Beamte wurde 1936 nicht etwa aus politischen Gründen, sondern wegen nachlassender Dienstfähigkeit von Wolfach zum Verwaltungsgerichtshof versetzt.61 Hinter der Kooperationsbereitschaft des DDP-Mitglieds Otto Schoch (geb. 1884) standen andere Motive. Der protestantische Sohn eines Ministerialrats im Karlsruher Finanzministerium war 1906/1910 aus beiden juristischen Staatsprüfungen als Jahrgangsbester hervorgegangen und galt damit gleich in mehrfacher Hinsicht prädestiniert für eine außerordentliche Verwaltungskarriere.62 Nach dem Krieg hatte er allerdings auf die falsche Karte gesetzt: im neuerrichteten Arbeitsministerium brachte er es zwar rasch zum Oberregierungsrat, doch das vielbeargwöhnte Ressort wurde 1924 aufgelöst. Schoch kam mit seiner Wohnungsbauabteilung ins Innenministerium und mußte nach den ungeschriebenen Gesetzen der Verwaltung zunächst einmal hinter den dort etablierten Kollegen zurückstehen. Auch seine Mitgliedschaft in einer Regierungspartei half ihm nicht weiter, obwohl mit Ministerialdirektor Otto Leers bis 1926 ein DDP-Mann die personalpolitischen Fäden zog. 1929 mußte Schoch gar noch einmal ein Bezirksamt übernehmen, "um 60

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Auf einer Mitgliederversammlung des Vereins höherer württ. Verwaltungsbeamten im Vorfeld der Novemberwahlen zum RT; siehe die, angesichts anderer Quellenzeugnisse als plausibel einzustufende, Erklärung des früheren LRs Karl Rüdiger für das Spruchkammerverfahren Schölls v. 30.3.1947 (STAL, EL 902/20, Αζ. 37/6/2.529, Qu. 16). Zum Werdegang des altkathol. Fabrikantensohnes siehe seine PA (GLAK, 466, 1978/36, Nr. 1.293; 234, Nr. 2.263; 239, Nr. 11.193; HSTAS, EA 2/150, Bü. 233); ferner Götz 1971, 68; Kirchberg 1982, 69, 123 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des hochdekorierten Weltkriegsoffiziers siehe seine PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.558/1-5) sowie die Doss. des Gaupersonalamts u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, Nr. 1.387 u. 932); ferner Hof- u. Staatsbeamte Baden 1912, 441 sowie meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB.

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ihn nach seiner langen Tätigkeit im Ministerium der Bezirksverwaltung nicht zu entfremden".63 Das entsprach den Usancen, doch angesichts seines Lebensalters rückte damit die anvisierte Ministerialiatstelle in weite Feme; sein Parteiaustritt 1929 mag Ausdruck der Enttäuschung über die verkappte Abschiebung gewesen sein.64 Politisch allerdings blieb Schoch auf republikanischem Kurs, und seine Amtsführung in Lahr wurde von der örtlichen NSDAP immer wieder mit harscher Kritik bedacht.65 Das hinderte den in seinem Ehrgeiz unerfüllten Beamten nicht, sich im Frühjahr 1933 der von ihm bislang bekämpften NS-Bewegung anzuschließen und mit deren Repräsentanten vor Ort fortan reibungslos zusammenzuarbeiten. Als Schoch nach dem Zweiten Weltkrieg das Gegenteil behauptete und gar Wiedergutmachung beanspruchte, hielt ihm Ministerialdirektor Fetzer ebenso kühl wie seinem württembergischen Kollegen Eitel aus eigener Anschauung entgegen: "Der Antragsteller ist am 1. Mai 1933 aus freien Stücken, wenn auch vielleicht aus Angst, der NSDAP beigetreten. Es kann aber keine Rede davon sein, daß er durch Veifolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen hierzu veranlaßt worden wäre. Ebensowenig hat der Antragsteller trotz seiner Mitgliedschaft den Nationalsozialismus aktiv bekämpft. Wenn der Antragsteller, wie dies fast alle Berufsbeamten in leitender Stellung getan haben, in seiner amtlichen Stellung Übergriffe der Parteidienststellen abgewehrt hat - was er übrigens nicht einmal mit konkreten Beispielen belegen kann -, so kann darin niemals eine aktive Bekämpfung des Nationalsozialismus erblickt werden."66 Mit diesen knappen Sätzen aus kompetenter Feder ist im Grunde das wesentliche zu jener Rolle gesagt, welche das Gros der südwestdeutschen Verwaltungselite unter dem NS-Regime spielte. Bereits 1936 hatte es in diesem Sinne über einen badischen Landrat geheißen: "Die Zusammenarbeit Vierlings mit den Dienststellen der Partei und ihrer Gliederungen war geordnet; soweit es zu Auseinandersetzungen kam, waren sie nicht durch den Landrat hervorgerufen, sondern dadurch bedingt, daß der Landrat die Belange der Staatsverwaltung und der ihm unterstellten Beamten pflichtgemäß wahrte."67 Karl Vierling (1889-1971) war 1933, obwohl noch nicht NSDAP-Mitglied, zum Landrat in Stauffen ernannt worden. Dort und seit 1936 in Säckingen tat er alles, um sich das Wohlwollen der maßgeblichen NS-Repräsentanten zu erhalten,68 geriet allerdings des öfteren mit 63 64

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Mdl-EA v. 5.9.1929 (GLAK, 233, Nr. 24.448). Am 18.6.1932 bot der Mdl Schoch die freiwerdende OVGR-Stelle an; der lehnte diese typische Abschiebeposition am 28.6.1932 ab (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.558/1, Bl. 313f., 315). Staatsbehörden boykottieren Nationalsozialisten. Der Landrat will einem Schwerkriegsbeschädigten den Brotkorb höher hängen (Führer, Nr. 54, 24.2.1932, 8); Das Bezirksamt Lahr (Führer, Nr. 207, 19.8.1932, 12); vgl. die Polit. Beurteilungen des NSDAP-Kreispersonalamts Lahr v. 11.9.1940 u. des SD-Leitabschnitts Karlsruhe v. 2.4.1941 mit Anlage v. 21.12.1929 (GLAK, 465c, Nr. 1.387). Mdl-Wiedergutmachungsbescheid (gez. Dr. Fetzer) v. 24.7.1953 (GLAK, 466, 1977/2, Nr. 6.558/1). Zum Fall Eitel siehe oben, Abschnitt "Ehrbare Leute". LKom Freiburg (gez. Schwörer) an Mdl, 5.3.1936 (GLAK, 239, Nr. 11.214). Auf seinem BNSDJ-Personalbogen (ca. 1935) versuchte Vierling beispielsweise zu belegen, daß er seit 1925 als "Förderer der NS-Bewegung" aufgetreten sei und dafür 1931 eines RSge des Mdl Wittemann habe einstecken müssen (GLAK, 465c, in 51). Zum Werdegang des prote-

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ΠΙ. Die Innenverwaltung im polykratisehen Herrscbaftsgefüge

örtlichen SA-Führern aneinander. "Landrat Vierling [...] hat sich in jeder Beziehung als Nationalsozialist erwiesen", lobte ihn dessenunbeschadet die Säckinger Kreisleitung Mitte 1937 und äußerte ernstgemeintes Bedauern über seine bevorstehende Versetzung zum Verwaltungsgerichtshof Karlsruhe.69 Die war eindeutig krankheitsbedingt, nicht politisch motiviert. Nach dem Krieg freilich stellte sich Vierling als resignierendes Opfer von "Übergriffe(n), Ungesetzlichkeiten und Demütigungen durch Parteistellen" dar. Und Schoch? Dem brachte seine Selbstnazifizierung nicht den erhofften Gewinn. Der Beamte sei 1933 "wie viele alte Demokraten" übergelaufen, stellte das Gauamt für Beamte im Frühjahr 1937 lakonisch fest, und man mochte dort nicht nur an die Landräte Dr. Camill Hofheinz (1874-1946) und Theodor Wintermantel (1878-1945) gedacht haben.70 Bei allem Opportunismus habe er den "alten Kastengeist" noch immer nicht abgelegt, fügte der SD im Herbst 1940 abfallig hinzu - er bleibe eben der "Typ des Vorweltkriegsbeamten mit vollkommener liberalistischer Gesinnung". Und einige Monate später bekräftigte der SD, nach seinen Erkenntnissen sei diese "typische Figur eines lendenlahmen Bürokraten" im Jahre 1933 aus "reine(r) Beamtendiplomatie" vom Gegner der NSBewegung zum Parteigenossen mutiert.71 Zwar wurde Schoch von anderen Parteistellen weniger abschätzig beurteilt, doch der Makel des standesbewußten Opportunisten blieb an ihm haften. Das sollte er zu spüren bekommen, als das lange vergeblich angestrebte Avancement zum Ministerialrat greifbar nahe schien. Während noch die Abschiebung des bisherigen Leiters seiner Kommunalabteilung, Ernst Walz, zum Rechnungshof im Gange war,72 holte der Ressortchef den Landrat Schoch bereits als dessen Nachfolger ins Ministerium. Nachdem die personelle Gleichschaltung der Gemeinden weitgehend abgeschlossen war, sollte nun ein neues Projekt in Angriff genommen werden, das Pflaumer bereits 1933 angekündigt hatte:73 die badische Kreisreform. Wie in Württemberg war dieses Vorhaben zu Weimarer Zeiten immer wieder an den Einsprüchen aller möglichen Gruppen gescheitert.74 Nun wollte die Karlsruher NS-Führung demonstrieren, daß der Neue Staat sich im Gegensatz zum alten "System" nicht durch kleinlichen

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stant. Sohnes eines Oberrechnungsrats siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Βΰ. 1.784; STAF, F 20/9, Nr. 1.911/12, P. 171/2; GLAK, 431, Nr. 6.589; 239, Nr. 11.214; 466, 1979/2, Nr. 7.681); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Polit. Beurteilung v. 2.6.1937 (STAF, D 180/2, Nr. 344/17.934). Beim Verwaltungsgerichtshof konnte Vierling kaum Dienst leisten (Kirchberg 1982, 97, 123). PA des protestant. Schuldirektorsohnes Hoflteinz, nach seinen späteren Angaben nur "vorübergehend" DDP-Mitglied, habe ich nicht ermittelt; siehe aber seine VA (STAF, RegPräs, 1973/34, P. 27) u. seine Zurruhesetzungsakten (GLAK, 233, Nr. 24.615); femer Götz 1971, 80 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Wintermantels siehe Kap. Π, mit Anm. 179. Polit. Beurteilungen v. 11.3.1937, 26.10.1940 u. 2.4.1941 (GLAK, 465c, Nr. 1.387). Zur Person siehe Kap. II, mit Anm. 229. Am 23.9.1933; siehe Kundgebung der NS.-Kommunalpolitiker. Reformen auf kommunalpolitischem Gebiete (Bad. Presse, Nr. 445, 24.9.1933, 8). Vgl. die Problemskizzen des bad. Beamten Otto Weitzel (1929) und seines württ. Kollegen Dr. Karl Walser (1929).

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Interessenpartikularismus davon abhalten lasse, die von ihr schon seit langem geforderte "notwendige Reform" einzuleiten und zügig durchzusetzen.75 Mit Rücksicht auf die Berliner Reichsreformpläne mußten sie zunächst einhalten, doch als das Großvorhaben des Ministers Frick im Frühjahr 1935 von Hitler persönlich auf Eis geschoben wurde, ergriffen Wagner und Pflaumer erneut die Initiative.76 Um das Reformprojekt rasch zu verwirklichen, bedurfte es eines Spezialisten, der in der Lage war, unverzüglich eine funktionsfähige Landkreisordnung zu entwerfen, die von möglichen Bedenkenträgern im Lande und in Berlin so leicht nicht in Frage gestellt werden konnte. Dafür war Schoch der richtige Mann. Schon in den zwanziger Jahren hatte er zu denjenigen Beamten gehört, die für eine nachhaltige Straffung der badischen Bezirksverwaltung eingetreten waren - ungeachtet der drohenden Stellenverluste, die manchen Kollegen, wie etwa den frühen NSÜberläufer Fees, dafür plädieren ließen, "an dem geschichtlich Gewordenen nicht (zu) rütteln".77 Nun konnte er seine damaligen Vorstellungen mit voller Rückendeckung seines Ministers in die Praxis umsetzen. In einem ersten Schritt wurde die Zahl der Bezirke Mitte 1936 von 40 auf 27 reduziert, wie es die badische Sparkommission bereits 1931 vorgeschlagen hatte.78 Und nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Reichsinnenminister konnte kurz vor dem Krieg auch Schochs Hauptwerk, die badische Landkreisordnung vom 24. Juni 1939 in Kraft gesetzt werden. Darin verbanden sich die etatistisch-technokratischen Vorstellungen des Autors mit den führerstaatlichen Gleichschaltungsintentionen seiner Auftraggeber. Das wiederum beschworene Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung geriet dabei endgültig unter die Räder.79 Wo immer er nun im tiefsten Innern politisch stehen mochte, professionell leistete der Verwaltungsspezialist Schoch beste Dienste, und dafür sollte er belohnt werden. Doch aus der erhofften Beförderung zum Ministerialrat wurde nichts. Im 75 76

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Rede des Abgeordneten Köhler zum Etat des Innenministeriums (Führer, Nr. 8, 22.2.1930, 9). Vgl. Grill 1983, 261f. Zum Versanden der - auf Planspiele der zwanziger und frühen dreißiger Jahre zurückgehenden - Reichsreformbestrebungen siebe eingehend Baum 19S5, 36-56; Schulz 1960, 579-626; Broszat 1969, 151-161; Caplan 1988, 149-158; Rebentisch 1989a, 537; Ruck 1996. Dr. Karl Fees, Die Reform der Selbstverwaltung in Baden, 14.1.1933 (Ms.); Anlage zu Sehr, an BNSDJ-Gauführer Dr. Schüssler v. 13.4.1933 (GLAK, 465c, Nr. 896); zur Person siehe Kap. I, mit Anm. 232. Ausgesprochen defensiv schon Glockner 1920, 16f. Durch die Akten und Protokolle des VHVB, dessen Vorstand Schoch seit 1924 angehörte, zieht sich wie ein roter Faden die kontroverse Debatte über Notwendigkeit und Konsequenzen einer Kreisreform (GLAK, 69, VHVB, diverse Faszikel). Zu den Motiven der ablehnenden Haltung vieler höherer Beamter siehe etwa die Resolution der VHVB-Hauptversammlung v. 2.3.1924: "Durch die durch den allgemeinen Abbau und insbesondere auch durch den Abbau von 13 Bezirksämtern hervorgerufenen Verhältnisse sind die Aufrückungsmöglichkeiten der 2. Beamten dermaßen beschränkt, daß die 2. Beamten mit großer Enttäuschung und Verbitterung in die Zukunft schauen." (ebd., Nr. 2; Hervorheb. von mir). Gutachten Baden 1931, 34-40. Die Umsetzung zog sich bis 1939 hin (Neckenauer 1987, 44). Vgl. Fischer 1989, 93. Zur Entstehungsgeschichte, insbesondere auch der Schlüsselrolle Schochs, siehe die sehr umfangreichen Vorgänge des Mdl (GLAK, 236, Nr. 29.137-29.141). Zur fortschreitenden Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung durch eine extensive Handhabung der Staatsaufsicht, die nicht zuletzt auch auf eine Begrenzung des Zugriffs der Staatspartei auf die Gemeindeverwaltung abzielte, siehe Matzerath 1970, 314-325; Low 1991.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

Sommer lehnte der Reichsinnenminister Pflaumers Antrag unter Verweis auf Umstrukturierungen im Stellenkegel der Länderverwaltungen ab. Stattdessen rückte Schoch 1937 zum Regierungsdirektor auf, doch als solcher stand er sich schlechter als die neuen Landräte. Nach einem Jahr Zuwarten ging der Innenminister in die Offensive. Auf sieben Seiten - ein höchst ungewöhnlicher Vorgang - machte er sich erneut für die Ernennung seines Abteilungsleiters zum Ministerialrat stark. Ohne Erfolg. Auch Pflaumers Argument, man werde unter diesen Umständen keinen qualifizierten Landrat mehr ins Ministerium bekommen, zog in Berlin nicht. Wenn der Ressortchef trotz dieser Abfuhren in der Beförderungssache Schoch nicht locker ließ, so stand dahinter auch die Absicht, die jahrelang unterbesetzte Ministerialratsstelle so rasch wie möglich planmäßig zu vergeben. Denn der gegenwärtige Schwebezustand "barg auch die Gefahr in sich, daß Außenseiter (Nichtbadener oder Parteimärmer) uns hereingesetzt oder daß die Planstellen als überflüssig gestrichen wurden", gab sein Personalsachbearbeiter später zu Protokoll.80 Also versuchte es das Ministerium erneut. Nachdem Schoch zum Chef der Zivilverwaltung nach Straßburg beordert worden war, um die elsässische Kommunalverwaltung im Sinne Wagners zu reorganisieren, meinte man auf die Unterstützung des Reichsstatthalters hoffen zu dürfen. Doch das Gegenteil war der Fall. Immer massiver trug nun Schuppeis Gaupersonalamt politische Bedenken vor. Seine Gutachten gelangten über den Stellvertreter des Führers beziehungsweise die Parteikanzlei zum Reichsinnenminister, und der sah sich nun aus diesem Grunde nicht mehr in der Lage, dem Führer die Beförderung des Regierungsdirektors Schoch vorzuschlagen. Pflaumer setzte alle Hebel in Bewegung, ging sogar persönlich einen seiner jungen Beamten beim Stellvertreter des Führers mit der Bitte an, die Sache in München informell voranzubringen - alles vergebens. Der Gauleiter stellte zwar die bisherigen politischen Vorbehalte zurück, attestierte Schoch nun aber, er besitze derzeit "noch nicht ganz das Format als leitender Beamter".81 Angesichts der unbestreitbaren Qualifikationen und Verdienste Schochs war das ein unerhörter Affront - nicht nur gegenüber dem düpierten Beamten, sondern auch gegenüber seinem Minister, der ihn immerhin bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt die Leitung seiner wichtigsten Abteilung anvertraut hatte. Insofern wirft die Affäre Schoch über den Einzelfall hinaus ein bezeichnendes Licht auf die (personal)politischen Kräfteverhältnisse in Karlsruhe/Straßburg seit Kriegsbeginn. Auch in Württemberg stellten sich unentbehrliche Spezialisten aus der älteren Generation der NS-Regierung bereitwillig zur Verfügung. So der Fürsorgeexperte Karl Mailänder (1883-1960), dessen Verhalten als Vorsitzender des Beamtenausschusses der Bürgerpartei (DNVP) und erst recht als Vorsitzender des Vereins Württembergischer höherer Verwaltungsbeamter über seine Person hinaus 80

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Eidesstattliche Erklärung des ehemaligen ORegRs Dr. August Herbold v. 12.9.1947 (STAF, F 20/9, Nr. 1.642, P. 148). Man beachte die Doppeldefinition eines "Außenseiters" in der bad. Provinz. Herbold war übrigens selbst ein "Parteimann" (Kap. II, mit Anm. 259). Zum vorstehenden siehe GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.558/1, Bl. 515ff.

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erhebliche Signalwirkung besaß. Als Chef der Zentralleitung für Wohltätigkeit war der Oberregierungsrat nicht nur an jenen Zwangssterilisations- und "Euthanasie"Aktionen beteiligt, welche von der Gesundheitsabteilung des Innenministeriums koordiniert wurden.82 Als "der Fachmann auf diesem Gebiete" leistete er dem Stuttgarter NS-Regime auch wertvollste Dienste bei der sukzessiven Vereinnahmung der freien Wohlfahrtsverbände durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt.83 Zunächst ließ er sich im August 1933 das Amt des NSVLandes- und Gauwalters andienen. Nachdem er so der Gleichschaltung der Wohlfahrtsverbände einen Anschein von Kontinuität gegeben und den organisatorischen Aufbau der NSV koordiniert hatte, wurde Mailänder im Januar 1934 zum stellvertretenden Gauwalter zurückgestuft, um dem NSDAP-Kreisleiter und Reichstagsabgeordneten Adolf Kling Platz zu machen;84 später figurierte er nur noch als Gausachbearbeiter. Aber auch in diesen Funktionen wirkte der Kollaborateur engagiert daran mit, sowohl den Staat als auch die Kirchen zugunsten der immer mehr auswuchernden Riesenorganisation NSV systematisch aus dem Fürsorgewesen herauszudrängen. Damit leistete der Verwaltungsspezialist Mailänder in seinem regionalen Wirkungskreis einen beachtlichen Beitrag zur Planierung teilautonomer gesellschaftlicher Institutionen, an denen sich die totalitären Machtansprüche der NSDAP im allgemeinen und deren Bestrebungen zur "Ausmerzung" "gemeinschaftsfremder Elemente" und "lebensunwerter Existenzen" möglicherweise noch hätten brechen können.85 Und er scheute sich auch nicht, seinen Kollegen im Ministerium und in der MABK bei ihrem Bemühen in den Rücken zu fallen, Dämme gegen die exorbitanten Finanzforderungen der NSOrganisationen zu errichten.86 Doch neben Kollaborateuren wie Dittler, Schoch und Mailänder sowie den vielen Reservierten finden sich unter den Geburtsjahrgängen um 1880 auch einige "sperrige" Persönlichkeiten, welche den nationalsozialistischen Ansprüchen des öfteren unter Berufung auf rechtsstaatliche Grundsätze entgegenzutreten wagten. 82

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Siehe dazu R. Müller 1988, 389; Stöckle 1993, 382f., 384; Stöckle 1995, 104ff. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Rektors einer Höheren Mädchenschule siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, BS. 1.108). Zu den Medizinverbrechen in Württemberg siehe Kap. II, mit Anm. 61. Spruch der Spruchkammer Stuttgart v. 21.11.1947 ("Mitläufer") (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.108, ohne Qu.-Nr. [vor Qu. 176], 9). Die Spruchkammer beschrieb Mailänders Kollaboration durchaus zutreffend, zog daraus indessen den üblichen SchluB, er habe die "nat.soz. GewaZ/heiTschaft nicht wesentlich unterstützt" (Hervorheb. im Original). NSV-Reichsfühning an NSV-Gauwalter Mailänder, 25.1.1934 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.108, Qu. 114). Vgl. allgemein Schoen 1984; feiner eingehend zur organisatorischen Entwicklung der NSV Vorländer 1988. Zur Repression der sogen. "Gemeinschaftsfiremden" siehe Peukert 1982. So zog Mailänder am 19.8.1941 unter dem Briefkopf der NSV-Gauleitung auf fünf Seiten alle verwaltungsjuristischen Register, um die MABK von ihrer Verweigerungshaltung gegenüber der kommunalen Finanzierung von NSV-Haushaltshilfestationen abzubringen. MABK-Präsident Gerhardt, ein früherer Zentrumsmann, ging am 22.8.1941 überhaupt nicht auf die Argumentation seines Kollegen zugunsten der anderen Seite ein, sondern ließ den ebenso routiniert mit einem Hinweis auf irgendwelche "schwebenden Verhandlungen" ins Leere laufen (HSTAS, E 151/41, Bü. 771, Qu. 18/19).

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III. Die Inneoverwaltung im polykratisehen Herrschaftsgefüge

Das galt besonders für Spitzen-Landräte wie Ernst Mäulen (1878-1948), der in den zwanziger Jahren als "zielbewußter und tatkräftiger Oberamtsvorstand" gelobt worden war. Der höchstqualifizierte Professorensohn war im Juni 1933 nach handgreiflichen Übergriffen von NS-Trupps unter Führung des Kreisleiters und nachmaligen Regierungsrats Eugen Fiechtner (geb. 1908) aus Waiblingen abgezogen und anstelle Feurers nach Göppingen versetzt worden. Für das "rote Oberamt" - es gehörte zu den wichtigsten in Württemberg - hatte der dortige Kreisleiter "ein(en) 100%ige(n) Nationalsozialist(en) als Landrat" angefordert.87 Stattdessen bekam er einen überaus standesbewußten Beamten, der die Partei mied und selbst vor unverhohlener Kritik an Übergriffen der Gestapo nicht zurückscheute. Allerdings ging es dabei wiederum in erster Linie um Fragen der "Kleiderordnung": "Es ist ein völlig unhaltbarer Zustand, daß Oberamtsvorstand und Polizeidirektor von Amtshandlungen der Geheimen Staatspolizei innerhalb ihres Amtsbereichs erst auf Umwegen (...) etwas erfahren", beschwerte sich Landrat Mäulen am Heiligabend des Jahres 1936 beim Ministerium über die Nacht-und-Nebel-Verhaftung von angeblichen Kommunisten in seiner Amtsstadt, und er setzte hinzu: "In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß den Landräten von der Geheimen Staatspolizei Aufträge erteilt werden, die von Verwaltungspraktikanten unterzeichnet sind. (...) Ich werde (...) derartige Aufträge künftig entweder als unzulässig zurückweisen oder sie ebenfalls durch einen Verwaltungspraktikanten ausführen und beantworten lassen."88 Zwar reagierte die Stuttgarter Gestapo-Leitstelle ungewöhnlich milde auf diese Attacke, doch die ständigen Konflikte forderten ihren Tribut. Kaum hatte Mäulen im Januar 1938 sein 60. Lebensjahr vollendet, kam er um seine vorzeitige Zurruhesetzung ein. Noch als Pensionär ließ er keinen Zweifel daran, was er vom herrschenden Regime hielt: 1939 verließ er demonstrativ den Nationalsozialistischen Rechtswahrer-Bund, die einzige NS-Organisation, der er - abgesehen von der unvermeidlichen NSV - jemals angehört hatte. Mäulens Kollege Theodor Kreeb (1882-1954), ein deutschnationaler Repräsentant obrigkeitsstaatlicher Verwaltungstraditionen, ließ die Kreisleitung in Urach ebenfalls bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine Verachtung für die nationalsozialistischen Parvenüs spüren. Als er deshalb in Schwierigkeiten kam, intervenierte Finanzminister Alfred Dehlinger zu seinen Gunsten. Beide standen sich nicht nur politisch nahe, sondern waren auch über ihre gemeinsame Mitgliedschaft in der renommierten Tübinger Königsgesellschaft Roigel persönlich miteinander befreundet. Angesichts dessen faßte selbst der Gauleiter und Reichsstatthalter den standesbewußten Nicht-Pg. mit Glacéhandschuhen an. Kaum hatte Dehlinger "eine dem Landrat Kreeb gerecht werdende Lösung" der Uracher Querelen angemahnt, erteilte Murr seinem Innenminister entsprechende Weisung: 87

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KreisL Baptist an NSDAP-Gaupersonalamt, 10.6.1933 (HSTAS, E 151/21, Bü. 191, Anlage 2 zu Qu. 142). Zum Fall Mäulen siehe seine Rest-PA (HSTAS, 151/21, Bü. 721), die SprKA (STAL, EL 902/20, Az. 37/019/4524) u. das Personaldoss. des StS Waldmann (HSTAS, E 140, in Bü. 129). HSTAS, E 151/01, Bü. 794, Qu. 17.

Die Nutznießer

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"Ein weiteres ersprießliches Zusammenarbeiten zwischen Landrat Kreeb und Kreisleiter Mayer in Urach (ist) nicht mehr gewährleistet. An diesen ungünstigen Verhältnissen trägt auf alle Fälle Landrat Kreeb die Mitschuld. [...] Um eine Beruhigung der Verhältnisse im Oberamt Urach herbeizuführen, halte ich es für geboten, dem Landrat Kreeb in tunlichster Bälde ein anderes Amt zu übertragen. Ich habe auch gegen eine Beförderung nichts einzuwenden, da er dienstlich nicht beanstandet werden kann."89 Nach einigem Hin und Her wurde Kreeb daraufhin an das höher eingestufte Oberamt Ravensburg versetzt. Der Konflikt war insofern unentschieden ausgegangen.

Die Nutznießer Unter den Beamten der Geburtsjahrgänge der (späten) 1880er Jahre gab es ebenfalls einzelne Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer dezidiert konservativen Einstellung in Konflikte mit Parteistellen gerieten. So etwa Albert Englert (18861945) in Adelsheim/Bühl, ein deutschnationaler Burschenschafter und hochdekorierter Weltkriegsoffizier.90 Englert versah sein Amt ohne jede sachliche Beanstandung im Sinne des NS-Regimes, rang sich aber keinerlei symbolische Zugeständnisse an dessen Volksgemeinschaftsideologie ab und begegnete den Kreisleitern mit der kühlen Attitüde des obrigkeitsstaatlichen Beamten. Die rieben sich denn auch immer wieder an dem "Reaktionär und verschworene(n) Stahlhelmer", doch selbst im Nachhinein ließ sich aus derlei Zwistigkeiten keine "aktive Bekämpfung des Nationalsozialismus" konstruieren.91 Für seine Generation typisch war Englerts Fall indessen nicht. Den meisten seiner Altersgenossen gegenüber bedurfte es keiner Einschüchterungsaktionen der Art, wie sie Landrat Bechtold moralisch das Rückgrat gebrochen hatten. Diese Beamten hatten ihre Ausbildung noch unter Bedingungen des monarchischen Obrigkeitsstaats absolviert und waren dann in ihren Berufskarrieren durch ihre Kriegsteilnahme und die Überalterung der Verwaltung gehemmt worden. Einerseits hatten sie nicht mehr viel zu erwarten, andererseits lag der (vorzeitige) 89

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Sehr. Dehlingens u. Murre v. 2. u. 8.10.34 in den PA Kreebs (STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 49, Qu. 149/150). Zum Werdegang des mit höchsten Auszeichnungen (Militärverdienstorden anstelle des Friedrichsordens mit Schwertern, ΕΚ I u. II) dekorierten WeltkriegsofRziers, protestant. Sohnes eines Gerichtsnotars, siehe seine PA (ebd.); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des protestant. Kaufmannsohnes, Alter Herr der Heidelberger Frankenia und 1919-1924 DNVP-Mitglied, siehe seine PA (STAF, F 20/9, Nr. 424-426, P. 39) sowie die Doss. des Gaupersonalamts (in: STAF, D 180/2, Nr. 93.805) u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, Nr. 1.151); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Erstes Zitat: NSDAP-Kreisleitung Buchen, 20.11.1936: Politische Beurteilung (STAF, D 180/2, Nr. 93.805). Zweites Zitta·. Kommission für Wiedergutmachung an Angehörigen des öffentlichen Dienstes (beim RegPräs Südbaden), 15.9.1958: Wiedergutmachungsbescheid (STAF, C 15/1, Nr. 491).

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

Ruhestand noch in einiger Ferne. Unter dieser Altersgruppe war denn auch die passive Anpassung das vorherrschende Verhaltensmuster (Tab. 26). Teilweise gab es jedoch auch den Versuch, durch aktive Kollaboration mit dem NS-Regime die lange Jahre vergeblich angestrebten Positionen doch noch zu erreichen. Für die neuen Machthaber waren solche Beamten aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen und ihrer umfassenden Personalkenntnisse von unschätzbaren Wert bei dem Unterfangen, sich die traditionelle Verwaltung dienstbar zu machen. In Württemberg hatte sich neben Kanzleidirektor Himmel (1882-1969) und dem Staatskommissar für die Bezirks- und Körperschaftsverwaltung Battenberg (18901964)92 auch der jüngere Regierungsrat Dr. Hellmut Wider (geb. 1898) im Frühjahr 1932 dem NS-Verbindungsmann zur Verwaltung, dem Landtagsabgeordneten Karl Waldmann, als Informant zur Verfügung gestellt. Denn die Spekulation des DVP-Parteigängers auf ein rasches Avancement nach seinem 1928 erfolgten Wechsel von der Innenverwaltung zum Staatsministerium war nicht aufgegangen.93 Solche Leute waren gemeint, als der nunmehrige Staatssekretär Waldmann Mitte 1933 abfallig davon sprach, der Gauleiter und Reichsstatthalter Murr wisse "sehr wohl, daß in der Vergangenheit einzelne Beamte zur NSDAP, nur deshalb übergetreten sind, weil sie sich in der Beförderung übergangen fühlten".94 Dessenunbeschadet nutzte die regionale NS-Führung deren Kollaborationsbereitschaft weidlich aus. Denn im Vorfeld der Machtergreifung und während ihrer ersten, alles entscheidenden Phasen leisteten diese drei Beamten mit ihren intimen Kenntnissen der Verwaltungsstrukturen und der Personalverhältnisse der schwachbrüstigen NSDAP in Württemberg unentbehrliche Dienste bei der "Gleichschaltung" des usurpierten Staatsapparats. Wider erhielt noch im April 1933 die Ernennungsurkunde zum Oberregierungsrat ausgehändigt,95 und schon im Herbst beantragte der Ministerpräsident die ersehnte Beförderung seines engsten Zuarbeiters zum Ministerialrat. Damit konnte sich Mergenthaler allerdings bald ein Jahrzehnt lang nicht gegen seinen Stuttgarter NS-Kontrahenten, Reichsstatthalter Murr, durchsetzen. Der Fall Wider ist denn auch nur ein Beispiel dafür, daß Gauleiter Murr, nicht etwa Mergenthaler den dominierenden (personal)politischen Part in Stuttgart spielte.96 Einerseits organisierte Kanzleidirektor Himmel nun im Zusammenspiel mit Staatssekretär Waldmann das nationalsozialistische Personalrevirement der Jahre 92

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Zu Himmels Werdegang siehe Kap. I, mit Anm. 67 u. 101 sowie Kap. II, mit Anm. 59. Zur Person Battenbergs siehe ebd., mit Anm. 88. Zum Weidegang des Pfarrersohnes siehe seine PA (HSTAS, E 130c, Bü. 127; EA 2/150, Bü. 1.874) Kap. II, Anm. 29. Es handelte sich dabei um eine - sonst streng verpönte - " Sprungbeförderung " von der Besoldungsgruppe 4b auf eine Stelle der Gruppe 2. Dieser Befund widerspricht den MutmaBungen von Schnabel 1986, 327, 351. Besonders aufschlußreich zur (personal)politischen Dominanz Murrs gegenüber Mergenthaler ist auch die Beförderungssache Friedrich Schwenninger (1885-1970), planmäßig in der Innenverwaltung, tatsächlich jedoch enger Mitarbeiter des RStH (HSTAS, EA 1, PA-Zugang 1992, noch ohne Bestands- u. Bü.-Nr.). Zum Verhältnis der beiden württ. NS-Exponenten vgl. Sauer 1975, 62f. u. 1988, 26f.; Wilhelm 1989, 99-101.

Oie Nutznießer

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1933/34, andererseits erblickten seine Berufskollegen in seiner Person einen Hauptgaranten für die Kontinuität der Innenverwaltung über die "nationale Revolution" hinweg. Für deren reibungslose Indienstnahme war zunächst beides wichtig, doch je länger desto mehr wurde Himmel von der Gauleitung als wesentliches Hindernis einer durchgreifenden Nazifizierung des Verwaltungsapparates wahrgenommen. In der Tat verwandte er sich in einer Vielzahl von Fällen derart intensiv für Land- und Regierungsräte, die mit ihren Kreisleitern in Konflikt geraten waren, daß auch sein Minister zunehmend unwirsch reagierte. Als durch den Unfalltod des früheren Ministerialdirektors Held dessen Präsidentenstelle beim Verwaltungsgerichtshof überraschend frei wurde, ließ die Gauleitung Himmel Anfang 1937 dorthin abschieben. Seine Position im Ministerium wurde mit dem NS-"Parteibuchbeamten" Georg Stümpfig besetzt. Der ehemalige NSDAPLandtagsabgeordnete und Organisator der kommunalen Gleichschaltung in Württemberg, seit 1934 Gauamtsleiter für Kommunalpolitik, hatte es mittlerweile zum Oberregierungsrat und Stellvertreter des Kanzleidirektors gebracht. Der Wechsel auf dieser personalpolitischen Schlüsselposition signalisierte unübersehbar den Beginn einer neuen Etappe in dem Bemühen der Stuttgarter Parteiführung, die staatliche Innenverwaltung vollends unter ihre Kontrolle zu bringen. In Baden spielte Friedrich Müller-Trefzer (1879-1960) eine ähnliche Rolle wie Himmel im Nachbarland. Aus der badischen Innenverwaltung hervorgegangen, war der protestantische Lehrersohn aus Karlsruhe seit 1913 im Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Auswärtigen, seit 1920 in der Ministerialabteilung des Staatsministeriums tätig gewesen. Dort hatte er sich genaue Kenntnisse der badischen Staatsverwaltung im allgemeinen und ihrer Personalverhältnisse im besonderen erworben. Seine Karriereambitionen waren jedoch unbefriedigt geblieben. Am 9. Januar 1933 hatte Staatspräsident Josef Schmitt sein wiederholtes Beförderungsgesuch mit dem lapidaren Hinweis abgelehnt, Planstellen für Ministerialräte seien derzeit nicht verfügbar; und noch am 11. Februar hatte das Staatsministerium auch seinen Antrag verworfen, ihm wenigstens die Amtsbezeichnung Ministerialrat zu verleihen. Müller-Trefzers politische und konfessionelle Reserve gegenüber dem Zentrumspolitiker erhielt durch diese Zurückweisungen neue Nahrung. Zwei Tage nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 brach er auch die Brücken zur DVP ab, der er seit Beginn der zwanziger Jahre angehört hatte. War ihm doch zu Ohren gekommen, das ausgerechnet seine Oberregierungsratstelle zu jenem Paket von (personal)politischen Zugeständnissen gehörte, mit denen die NSDAP in letzter Minute noch für eine Beteiligung an der Landesregierung gewonnen werden sollte. Ob er gleichzeitig Signale in Richtung der Karlsruher NSDAP-Führung sandte, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wurde er im Verlaufe der handstreichartigen Besetzung des Staatsministeriums durch den frischernannten Reichskommissar, NSDAP-Gauleiter Robert Wagner, anstelle des suspendierten Ministerialrats Dr. Karl Frech97 zum

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Entfernte Parteibuchbeamte (Führer, Nr. 110, 21.4.1933, 3); vgl. Ministerialrat Frech verhaftet (ebd., Nr. 91, 1.4.1933, 2).

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ΙΠ. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefiige

kommissarischen Leiter der Ministerialabteilung ernannt. Am 18. April folgte die Ernennung zum Ministerialrat und Chef der neuerrichteten Staatskanzlei.98 Zu jenem Kreis "nationaler" Beamter, die auf diese Weise für ihre "großen Verdienste" um die nationalsozialistische Machtergreifung in Baden belohnt wurden, gehörte auch Müller-Trefzers bisheriger Parteifreund, der Mannheimer Polizeipräsident Dr. Jakob Bader." Am 19. April 1933 holte Reichskommissar Wagner ihn auf Vorschlag Pflaumers als Nachfolger des beurlaubten Ministerialdirektors Weitzel ins Innenministerium. Wie Himmel und Wider in Stuttgart sorgten die beiden Spitzenbeamten in den folgenden Monaten gemeinsam dafür, daß das nationalsozialistische Personalrevirement scheinbar rechtskonform und vor allem reibungslos über die Bühne ging. In einer Reihe von Fällen bewahrten sie dabei alte Kollegen vor schärferen Sanktionen. So ebnete Bader dem befreundeten Heinrich Athenstaedt (DDP) den Weg in eine krankheitsbedingte Zurruhesetzung.100 Mit Widerstand indessen hatte dieses ehrenwerte Verhalten nichts zu tun, mehr mit dem Korpsgeist der Verwaltung. Überdies lag es durchaus im Interesse des Karlsruher NS-Regimes, der höheren Beamtenschaft durch solche Gesten den Eindruck zu vermitteln, die rechtsstaatliche Kontinuität bleibe gewahrt und die traditionellen Spielregeln der Verwaltung würden auch weiterhin beachtet. Gerade in den ersten Wochen und Monaten der Machtergreifung war es für die Karlsruher NS-Führung von unschätzbarem Wert, daß hochrespektierte Leute wie Bader zweifelnden (jüngeren) Kollegen signalisierten, wohin die Reise ging.101 Dafür wurde einstweilen in Kauf genommen, daß Bader wie Müller-Trefzer in prozeduralen und personalpolitischen Fragen auch als Interessenvertreter des übernommenen Verwaltungsstabes agierten. Allerdings wuchs der Unwille darüber, je sicherer die Nationalsozialisten die Schalthebel der Macht in den Händen hielten. Am 1. April 1936 beurteilte die zuständige Karlsruher Kreisleitung Müller-Trefzer noch ohne weitere Zusätze als "politisch und kameradschaftlich einwandfrei", drei Jahre später wurde er als "umstrittene Persönlichkeit" dargestellt: ein "Formaljurist, der weniger nach nationalsozialistischem Denken als nach dem sturen Paragraphen handelt" - "politisch stark interessiert, weltanschaulich jedoch noch nicht voll gefestigt". Weitere drei Jahre darauf galt er in Parteikreisen bereits "als vollständiger Versager", der "in jeder Hinsicht fehl am Platze" sei. Dafür, daß Müller-Trefzer im Juni 1939 trotz der damals schon bestehenden Vorbehalte als Nachfolger des verstorbenen Ministerialdirektors Bader ins Innenministerium befördert worden sei, obwohl er wegen seiner mangelnden praktischen Erfahrungen auch von den dortigen Berufskollegen nicht ernstgenommen werde, kursierten in Karlsruhe zwei Erklärungen: Ministerpräsident Köhler habe ihn 98

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Zum Vorstehenden siehe die PA des StMin (GLAK, 236, Nr. 28.466) und Maller-Trefzers maschinenschriftl. "Erinnerungen aus meinem Leben 1879-1949", 165-175 (GLAK, 65, Nr. 11.746; BÄK, Kl. Erwerb. 148). Ernennung nationaler Beamten (Der Führer, Nr. 111, 22.4.33). Zur Person Baders siehe Kap. II, mit Anm. 195. Siehe dazu u. zur Person Athenstaedts Kap. II, mit Anm. 241. So etwa, als der RegR Dr. Heim im April 1933 in Sachen NSDAP-Beitritt bei Bader angefragt hatte (Kap. Π, mit Anm. 168).

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loswerden wollen, und so habe ihn Pflaumer, mittlerweile "der schwächste unter den Ministern", schließlich wider Willen nehmen müssen; oder Müller-Trefzer sei mit dieser Beförderung ein weiteres Mal "für die Preisgabe gewisser 'Staatsgeheimnisse' bei der Machtergreifung im Jahre 1933 belohnt" worden.102 Beide Mutmaßungen dürften der Wahrheit nahegekommen sein. Es bleibt jedenfalls festzustellen, daß der neue Ministerialdirektor de facto kaum noch personalpolitischen Einfluß auszuüben vermochte. Demgegenüber gewann der Gaupersonalamtsleiter und Bürochef Wagners, Adolf Schuppel, ständig an Boden. In Württemberg hatte die Gauleitung ihren Vertrauensmann Stümpfig auf der Schlüsselposition des Innenministeriums piaziert, und auch in Baden wurde mit dem Gedanken gespielt, den Intimus der Gauleiters, Reichsstatthalters und Chefs der Zivilverwaltung im Elsaß zum Ministerialdirektor zu ernennen. Dazu kam es (vorerst) nicht. Denn erstens legte der Reichsstatthalter auch in anderen Fällen eine bemerkenswerte Loyalität gegenüber Beamten an den Tag, die sich im Vorfeld und während der ersten Phase der Machtergreifung auf seine Seite geschlagen hatten; und zweitens war das Gewicht der Innenverwaltung im polykratischen Machtgefüge der südwestdeutschen Provinz mittlerweile derart gesunken, daß Schuppel gar kein machtpolitisches Interesse mehr daran haben konnte, aus dem Straßburger Hauptquartier des Gaues Baden-Elsaß in das Karlsruher Innenressort umzuziehen.103 Zu den Profiteuren der Nationalen Revolution gehörten vor allem auch jene vielen Regierungsräte (vgl. Tab. 1), die 1932/33 knapp das 40. Lebensjahr überschritten hatten und kaum noch Hoffnungen auf den ersehnten Landratsposten hegten. Ihnen vor allem eröffnete die Welle der Zwangspensionierungen 1933/34 doch noch "unerwartet glänzende Laufbahnen",104 sofern sie sich loyal verhielten und etwa vorhandene republikanische Affinitäten durch demonstrative Anpassungsgesten vergessen ließen. Regierungsrat Albert Peter (1889-1955) gehörte zu den letzteren. Bis ins Frühjahr 1933 hinein war der Zentrumssympathisant der "zweifellos von jedem Nationalsozialisten bestgehaßte Mann im Bezirk Bruchsal" gewesen.105 Dann hatte er umso entschlossener die Fronten gewechselt. Nicht nur, daß Peter zur Minderheit seiner Altergenossen gehörte, die zum 1. Mai 1933 eilends in die NSDAP eintraten (vgl. Tab. 26); im Sommer beteiligte er sich auch aktiv an der Gleichschaltung des Vereins der höheren Verwaltungsbeamten Badens.106 Doch 102

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Siehe das in den SprKA Müller-Trefzers überlieferte Doss. des NSDAP-Gaupersonalamts (STAF, D 180/2, Nr. 216.950). Zur personalpolitischen Schlüsselstellung Schuppeis siehe Kap. II, mit Anm. 285 u. 313. Erklärung Rüdiger v. 30.3.1947 (oben, Anm. 60). KreisL Epp, Bruchsal an RStH, 20.9.1935 (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 373/5); vgl. die vehementen Angriffe des NSDAP-Gauorgans auf Peters Amtsführung: Feuerüberfall des roten Mordgesindels auf das Parteilokal in Bruchsal (Führer, Nr. 42, 11.2.1933); Unglaubliches Verhalten der Uberwachungspolizei in Bruchsal (ebd., Nr. 56, 25.2.1933, 4); Eingreifen, Herr Innenminister! (ebd., Nr. 38, 7.2.1933, 11); Dem Hern Innenminister zur Kenntnis (ebd., Nr. 45, 14.2.1933, 4). Dazu und zur Person Peters siehe Kap. Π, mit Anm. 178.

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damit nicht genug. Als er im Juli 1933 zu den Vorgängen um die NS-Flaggenhissung am 6. März einvernommen wurde, schob Peter alle Verantwortung auf den Landrat Gustav Bechtold, obwohl er selbst als zweiter Beamter die Polizeiabteilung des Bezirksamts leitete.107 Der Erfolg blieb nicht aus. Nachdem die Gauleitung ihr politisches Plazet gegeben hatte, schlug der Innenminister den Wendehals im August 1934 als Landrat in Lörrach vor, und zum 1. September konnte Peter seinen Posten in dem politisch besonders wichtigen Grenzbezirk antreten. Auch dort leistete er - aus Sicht der NSDAP - Vorbildliches: "Vertritt jederzeit die Anschauungen der Partei", lobte der Kreisleiter Allgeier die "gute Zusammenarbeit" seines "zuverlässigen Mitarbeiters". Doch Peter hatte nicht nur sich selbst gleichgeschaltet, er zeigte "weltanschaulich mit seiner ganzen Familie einwandfreie Haltung": 1936/37 hatte sie - eine Ausnahme unter den höheren Beamten katholischer Konfession (Tab. 19/20) - geschlossen der Kirche den Rücken gekehrt, und die Landratsgattin war sich nicht zu schade, als Parteigenossin die Schulungsarbeit in der Kreisfrauenschaft zu organisieren.108 Dienstlich kannte der frühere Republikaner ebenfalls keine Hemmungen, wenn es darum ging, den Wünschen der Kreisleitung nachzukommen. Etwa wenn es gegen die Juden ging.109 Und als sein zweiter Beamter, ein ebenso unfähiger wie willfähriger Altparteigenosse, die Polizeiabteilung des Amtes zu einer "Unterabteilung der Kreisleitung" herabwürdigte, schaute der Landrat dem tatenlos zu, bis das Innenministerium den Mann von sich aus abzog.110 Der Landrat Peter hatte die Wandlung vom Gegner zum aktiven Parteigänger der NSDAP besonders rasch und konsequent vollzogen, doch in der Tendenz war er - weder in Baden noch in Württemberg - beileibe kein Einzelfall.

Die junge Frontgeneration Bei den Geburtsjahrgängen der 1890er Jahre handelte es sich um jene Studentengeneration der frühen zwanziger Jahre, die sich mit dramatisch verschlechterten Karriereaussichten konfrontiert gesehen hatte. Die Angehörigen dieser Alterskohorte waren von der Schulbank in den Krieg gezogen, und die meisten von ihnen insbesondere die Tübinger - hatten zusätzlich während der (nach)revolutionären Wirren der Jahre 1919/20 in gegenrevolutionären Formationen gedient.111 Dadurch waren sie noch stärker im antirepublikanischen Sinne politisiert worden als die vorangegangenen Jahrgänge. Während der entscheidenden Phasen ihrer Macht107 108 109 110

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Erklärung F. Echternach, Bruchsal, v. 10.7.1933 (GLAK, 466, 1978/31, Nr. 373/5). Polit. Beurteilung v. 2.2.1939 (STAF, D 180/2, Nr. 12.386). Vgl. Hüttner 1978, 154. Erklärung des RegR Dr. Ludwig Seiterich für das Spruchkammerverfahren des ehemaligen LR Karl Stiefel v. 24.3.1947 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.704, Bl. 457). Für Tübingen siehe Schmidt 1988.

Die junge Frontgeneration

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ergreifung und Machtkonsolidierung bot diese Gruppe der NSDAP das größte Potential aktiver Kollaborateure unter den Verwaltungseliten Badens und Württembergs (Tab. 26), zumal sie zu den Hauptnutznießern des Personalrevirements 1933/34 gehörte.112 Einer davon war Dr. Karl Storz (1897-1970).113 Der Sohn eines Oberpraezeptors hatte sich zu Beginn des Studiums der Stiftsverbindung Luginsland angeschlossen, Anfang der zwanziger Jahre Einsätze des Tübinger Studentenbataillons in München und im Ruhrgebiet mitgemacht, anschließend beide Justizdienstprüfungen mit Bravour absolviert, sodann die württembergische Verwaltung bei deutsch-alliierten Schiedskommissionen in Berlin und Washington vertreten. Und dieser höchstqualifizierte Nachwuchsbeamte, dem unter normalen Umständen eine außerordentliche Karriere sicher gewesen wäre, kam 1930 als zweiter Beamter an das Oberamt Heilbronn. Von dort wurde Storz 1931 als Hilfsberichterstatter in die Kommunalabteilung des Innenministeriums abgeordnet, wo er über die tristen Aufrückungsperspektiven seiner Altersgruppe nachsinnen konnte. Als die Nationale Revolution aufzog, zögerte der blockierte Karrierebeamte nicht lange, sich der kommenden Staatspartei anzudienen. Das sprach sich bis zur Gauleitung herum, und noch im März 1933 wurde Storz zum Amtsvorstand in Vaihingen ernannt. Vermutlich auch auf Empfehlung des Landrats Battenberg, dessen Aufgaben im Staatskommissariat für die Bezirks- und Körperschaftsverwaltung er Ende Juni übernahm. Bei der Abwicklung dieses Geschäfts legte der junge Landrat im Zusammenwirken mit dem NS-Mann Stümpfig nun jene Härte an den Tag, die sein Vorgänger nach dem Dafürhalten der Gauleitung hatte vermissen lassen. "Ich bin neben vielen anderen Beamten in Württemberg Opfer seines Vorgehens geworden", protestierte der frühere Mergentheimer Bürgermeister Dr. Josef Brönner anderthalb Jahrzehnte später gegen Storz' geplanten Wechsel ins Bundesinnenministerium. "Herr Dr. St. galt damals als der zuverlässigste und schärfste Parteigenosse, sonst hätte er nicht von Reichsstatthalter Murr diesen Sonderauftrag erhalten." Und der nunmehrige CDU-Bundestagsabgeordnete fügte bitter hinzu: "Bei der Durchführung dieses Auftrags ist er außerdem in gehässiger Weise vorgegangen. Zur Belohnung seiner Maßnahmen hat er dann einen steilen Stellenaufstieg gemacht."114 Das traf zu, in beiden Punkten. Auf Druck des Gauleiters erhielt der Kollaborateur Ende 1933 das bedeutende Oberamt Waiblingen übertragen, und Anfang 1939 ging er als Ministerialrat ins Reichsinnenministerium nach Berlin. Storz' Werdegang bis 1933 war der eines typischen Vertreters der württembergischen Verwaltungselite jüngeren Jahrgangs. Das galt ebenso für Richard Alber 112

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Zur schwetpunktmäßigen Rekrutierung von NS-Kollaborateuren aus dieser Alterskohorte vgl. allgemein Fogt 1982, 129. Zu Storz' Werdegang, nach dem Krieg Stellv. RegPräs u. Präsident der Württ. Gebäudebrandversicherungsanstalt, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.725; STAS, Wü 42, Bd. 60, Bu. 90); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvoisteher 1996. Brönner an Bundesmin. des Innern, 15.12.1949 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.725, Qu. 196). Zu Storz' Wirken als StKom und als LR in Waiblingen siehe eingehend Roser 1996.

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III. Die Innenverwaltung im polykratisehen Herrschaftsgefuge

(geb. 1893), den protestantischen Sohn eines mittleren Postbeamten: Mitglied der Tübinger Burschenschaft Roigel, Frontkämpfer vom ersten bis zum letzten Tag des Krieges, 1919 als Freikorpsangehöriger an der Niederschlagung der Münchener Räterepublik beteiligt, 1923 bei der Schwarzen Reichswehr, 1920 bis 1933 bei den Deutschnationalen wie im Stahlhelm aktiv, seit 1933/34 Mitglied der NSDAP und der SA, 1934 nicht zuletzt auf Drängen der dortigen NSDAPKreisleitung zum Landrat in Laupheim ernannt. Dort erfreute sich der konservative Amtsvorstand bald größter Beliebheit unter der Bevölkerung, und auch die Kreisleitung hob lobend hervor, "daß er als Vorgesetzter der Bürgermeister seine Stellung als Führer herauszustellen" verstehe.115 Ausgerechnet dieser Amtsvorstand mit seinem ungetrübt "nationalen" Lebenslauf wäre kurz vor dem Kollaps eines Systems, dem er tatsächlich wohl von Beginn an skeptisch gegenübergestanden hatte, beinahe noch zum "Märtyrer seiner Überzeugung" geworden.116 Im Laufe des Krieges nämlich ließ Alber auch gegenüber Bediensteten des Landratsamtes Münsingen, wohin er 1938 im Zuge der Kreisreform versetzt worden war, immer deutlicher erkennen, daß er innerlich mit der Kriegspolitik Hitlers gebrochen hatte. "Sie haben u.a. neben einen Leitartikel des Gauorgans der NSDAP, dem NS-Kurier, im Jahre 1942 den Vermerk 'Quatsch' und weiter unten die Worte 'hält man das deutsche Volk für so dumm, daß es einen solchen Blödsinn glaubt' geschrieben", schäumte Gauleiter Murr in seiner Eilverfügung des sofortigen Parteiausschlusses. "Die Zeitung machte mit diesem Vermerk versehen die Runde bei den Beamten der Dienststelle." Und damit nicht genug: "Sie haben ferner längere Zeit hindurch nach ihrem eigenen Geständnis den Londoner Sender angehört und den Inhalt der Feindsendungen in Gesprächen mit anderen Personen verwertet."117 Schließlich wurde Alber von seiner Sekretärin denunziert, die ihn schon jahrelang bespitzelt hatte. Es folgten der Parteiausschluß, die vorläufige Amtsenthebung 115

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NSDAP-Kreisleitung Laupheim an Mdl, 6.1.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.392, Qu. 101; Hervorheb. von mir); vgl. Kreisbauernfuhrer Laupheim an Landesbaueraschaft Württemberg, 6.12.33 (ebd., Qu. 102). Albers PA sind 1983 vom HSTAS zusammen mit einer Reihe anderer wichtiger PA zur Kassation freigegeben worden; zum Vorgang vgl. aber HSTAS, EA 2/404, Bü. 90S; danach Schnabel 1986, 340f. Der KreisuntersuchungsausschuB Münsingen, paritätisch besetzt mit Parteienvertretem aus seinem Landkreis, stellte Alber das allerbeste Zeugnis aus: "Der Beamte stand innerlich der Partei immer scharf ablehnend gegenüber, blieb seiner Ansicht konsequent treu und wurde schließlich zum Märtyer seiner Überzeugung. Seine absolute Offenheit und seine aufrechte christliche Haltung hat ihm die Sympathie aller anständig denkenden Kreise der Bevölkerung eingetragen"; siehe Spruch der Spruchkammer Tübingen I v. 29.4.1948 ("entlastet") (STAS, Wü 13, Nr. 2.626). Daß diese Charakterisierung zutraf, belegt ungewollt ein Rundbrief des Münsinger KreisL v. 15.8.1944 (HSTAS, EA 2/404, Bü. 905). Darin sprach Mühlhäußer zunächst der Denunziantin seine volle "Anerkennung" dafür aus, "daß sie den Mut aufgebracht ha(be), dieser Wühlarbeit des Herrn Alber ein Ende zu machen"; dann wurden die Β gm des Kreises aufgefordert, nicht jenem "Glorienschein des politischen Märtyrers" aufzusitzen und "allen anderen Gerüchten mit Entschiedenheit entgegen(zu)treten". Es hieß nämlich, daß der beliebte Amtsvorstand von der Gestapo verhaftet und umgebracht worden sei. Zu Albers Protesten gegen die Finanzfoiderungen von NS-Organisationen seiner Kreise siehe oben, Anm. 4. Spruch v. 29.4.1948 (oben, Anm. 116).

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und ein Dienststrafverfahren. Doch Alber drohte auch ein Prozeß vor dem Stuttgarter Sondergericht oder gar dem Volksgerichtshof in Berlin. Was ihm dort blühte, war kaum zweifelhaft. Gerade erst war - bezeichnenderweise - ein bayerischer Berufskollege, Regierungsrat Dr. Vollrath am Landratsamt Kaufbeuren, "wegen gröbster defätistischer Äußerungen" abgeurteilt und hingerichtet worden.118 Und Reichsinnenminister Himmler hatte in einem Runderlaß allen staatlichen und kommunalen Amtsvorständen befohlen, ihren Untergebenen davon ausdrücklich Mitteilung zu machen. Offenbar war sich der Reichsführer SS der Loyalität des Öffentlichen Dienstes angesichts des näherrückenden Zusammenbruchs nicht mehr sicher. Alber brauchte also nur den Himmlerschen Erlaß herorzuholen, um sein eigenes Schicksal schwarz auf weiß vor Augen zu haben. Womöglich hatte dessen Bekanntgabe der Denunziantin sogar den letzten Anstoß gegeben, ihren Chef nunmehr ans Messer zu liefern.119 Letzterem entzog er sich am 27. Juli 1944 durch einen vorgetäuschten Selbstmord und die Flucht in die Schweiz. Albers Verhalten blieb ein Einzelfall. Und doch bietet der Landrat ein Beispiel dafür, daß es charakterstarken Persönlichkeiten sehr wohl möglich war, unter Inkaufnahme möglicher Sanktionen aus der Rolle des beamteten Werkzeugs eines totalitären Regimes zu fallen und offen Stellung gegen dessen Unrechtsmaßnahmen zu beziehen. Wenn seine ehemaligen Kollegen Albers Verhalten nach dem Krieg als "Sonderfall"120 abtaten, so führte ihnen dabei unverkennbar das Bestreben die Feder, den eigenen Beitrag zum scheinbar rechtsförmigen Funktionieren des nationalsozialistischen "Komplizenstaates"121 bis zu dessen - von außen herbeigeführten - Zusammenbruch als unentrinnbares Schicksal darzustellen. Das Schicksal des badischen Regierungsrats Julius La Fontaine (1891-1947) war nicht minder spektakulär, besaß aber eine ganz andere Vorgeschichte. Bezeichnenderweise wurde auch dieser Fall erst aufgrund einer Denunziation von der Gestapo aufgedeckt.122 Zusammen mit seiner Frau und einem halben Dutzend 118

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Zur Bekanntgabe des Himmler-Erlasses in den deutschen Behörden siehe Metzger u.a. 1992, 148f., 294; vgl. zur Bekanntgabe in Württ. ein Sehr, des seinerzeitigen Personalsachbearbeiters im Mdl, ORegR Otto Wilderer, an das Mdl WH, 15.5.1948 (STAS, Wü 42, Bd. 60, Βΰ. 87). Vollrath hatte 1939 seine Große jurist. Staatsprüfung abgelegt, war 1942 zum RegR im bayerischen Mdl ernannt und anschließend nach Kaufbeuren abgeordnet worden (TB Verwaltungsbeamte 1943, 519). Er dürfte mithin etwa 1910 geboren sein. Hinweise auf die Verfahrensakten und andere Quellen zum Fall Vollrath siehe Fröhlich 1983, 207. Das wäre kein Einzelfall gewesen; vgl. Schubert 1990; Marßolek 1993; Eckstein/Welter 1994; Wolters 1996. Landrat a.D. Fritz Geißler (Tübingen) an Mdl Viktor Renner, 18.10.1948 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 449, Qu. 317). Willems 1993, 403. Zu der eindrucksvoll illustrierten These der Autorin, die Funktionseliten des Dritten Reiches hätten nicht einmal ansatzweise die vorhandenen Möglichkeiten "systemimmanenten Protest(s)" gegen die Unrechtsmaßnahmen des NS-Regimes genutzt, vgl. Lüdtke 1991, 580; Seidel/Sueße 1991, 264 et passim; Majer 1992. Nachdem Martin Broszat (1977) darauf bereits vor geraumer Zeit hingeweisen hatte, ist die Bedeutung der alltäglichen Denunziationen für die Funktionsfähigkeit des NS-Repressionsapparats neuerdings - vor allem auch im Vergleich mit der früheren DDR - sehr prononciert herausgestrichen worden; siehe etwa Gellately 1988 u. 1993; Mallmann/Paul 1991, 164ff. u.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

junger Lehrerinnen und Lehrer aus dem Elsaß hatte der Beamte seit 1941 in seiner Mannheimer Wohnung und anderwärts ausländische Radiomeldungen gehört, mitgeschrieben und darüber diskutiert. Bei diesen Gelegenheiten hatten die Anwesenden immer wieder ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, daß HitlerDeutschland den Krieg recht bald verlieren möge. Die Junglehrer unterstützten wohl auch heimlich französische Kriegsgefangene, in einem Fall sogar bei der Flucht. Nach der NS-Machtergreifung war der parteilose, offenbar mit der SPD sympathisierende La Fontaine als Leiter der badischen Landespolizei- und Gendarmerieschule abgelöst, an das Bezirksamt Karlsruhe versetzt und von künftigen Beförderungen ausgeschlossen worden. Er hatte sich dann zumindest äußerlich den neuen Gegebenheiten angepaßt und war 1937 auch in die NSDAP eingetreten. Im Herbst 1939 freiwillig als Landrat des Kreises Blonie bei Warschau abgeordnet, wurde La Fontaine Zeuge, wie SD-Einsatzgruppen und deutsche Soldaten systematisch polnische Juden niedermetzelten. Erst diese grauenvollen Erlebnisse lieferten offensichtlich den entscheidenden Impuls für das Oppositionsverhalten eines Beamten, der den Ersten Weltkrieg nicht als Soldat erlebt, sondern beim zivilen Sanitätsdienst gearbeitet hatte. Nach nur sechs Wochen ließ La Fontaine sich krankheitshalber an das Landratsamt Heidelberg zurückversetzen. An seinem Wohnort Mannheim traf der Fünfzigjährige schon bald mit der Gruppe junger Lehrer zusammen, deren frankophile und antinazistische Einstellungen er teilte. Im Kreise dieser Gesinnungsfreunde berichtete er auch über die Massaker im Osten, und aus Anlaß der Rundfunkmeldungen über die Landung amerikanischer Truppen in Nordafrika stieß die Runde gar auf die kommende Niederlage der deutschen Wehrmacht an. Die "Abhörgemeinschaft" von "Feindsendern" wurde Ende Januar 1943 aufgedeckt. La Fontaine kam sofort in "Schutzhaft", und es wurde eine Sondergerichtsuntersuchung gegen den badischen Regierungsrat angestrengt. Am 25. Oktober 1943 verurteilte ihn schließlich der 1. Senat des Volksgerichtshofs, an den das ganze Verfahren vom Sondergericht Mannheim abgegeben worden war, unter dem Vorsitz seines Präsidenten zu zehn Jahren "Ehrverlust" und einer Zuchthausstrafe in gleicher Höhe. Eine der Mitangeklagten erhielt die Todesstrafe zudiktiert. La Fontaine blieb dieses Schicksal erspart, obwohl ihm das NS-Tribunal zur Last legte, ausgerechnet er als Staatsbeamter in leitender Position sei die treibende Kraft des fortgesetzten "Rundfunkverbrechens" gewesen. Doch Freisler und sein "Gericht" billigten ihm unter Würdigung seiner "im Grunde nicht reichsfeindlichen Gesinnung" zu, lediglich infolge seiner schwächlichen Konstitution und angespannten Gemütslage so gehandelt zu haben; im übrigen habe schon der 1993; Diewald-Kerkmann 1995a u. 1995b; ferner am Beispiel Württembergs Arbogast 1994. Für die rhetorische Frage: "War das Dritte Reich entgegen dem Mythos vom allumfassenden Terror mehr eine Denunziationsgesellschaft als ein Überwachungsstaati " (Paul 1993; Hervorheb. von mir) lassen sich zwar Einzelbeobachtungen zuhauf beibringen; grundsätzlich aber verstellt sie in dieser zugespitzen Form den Blick auf die Tatsache, daß die Herrschaftsusuipation unter Zuhilfenahme terroristischer Methoden das vorgängige Ereignis gewesen ist. Zur geringen Denunziationsintensität innerhalb der höheren Beamtenschaft selbst siehe Kap. II, mit Anm. 280.

Die junge Frontgeneration

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Oberreichsanwalt weder die ihm zur Last gelegten "defaitistischen Reden" noch die Gründung eines "hochvenäterische[n] Kreisfes]" zum Gegenstand der Anklage gemacht.123 Diese vergleichsweise Zurückhaltung hatte ihre Ursache schwerlich allein in der geschulten Verteidigung des badischen Regierungsrats. Augenscheinlich sollte La Fontaine "geschont" werden. Über die Gründe läßt sich nur spekulieren.124 Möglicherweise rettete in diesem Falle seine soziale Stellung den Verwaltungsjuristen vor dem Schafott, vielleicht war es auch eine politische Fürsprache aus Karlsruhe zugunsten des sensiblen Beamten. Attestierte doch eben jener Heidelberger Landrat Naumann, welcher Jahre zuvor schon seinem Kollegen Bechtold aus einer prekären Lage geholfen hatte, La Fontaine unmittelbar nach der Verhaftung in demonstrativer Weise beste Leistungen und Charaktereigenschaften. Im übrigen verdrängte der Reichsführer SS den bisherigen Reichsinnenminister Frick erst von seinem Posten, als das Verfahren bereits im vollen Gange war, und die Lage an den Fronten erschien - nach außenhin - noch längst nicht so verzweifelt wie im Sommer 1944. Jedenfalls ließ Himmler das blutige Exempel zur präventiven Einschüchterung der deutschen Verwaltungselite nicht an La Fontaine, sondern einige Monate später an dessen bayerischem Kollegen Vollrath statuieren. Hinsichtlich der Dienststellung des angeklagten Beamten wie der Schwere der ihm ursprünglich zur Last gelegten Verstöße gegen die Verhaltensnonnen des NSStaates steht dieser Fall in Baden ebenso einzig da wie die Affäre Alber in Württemberg. Gerade unter den "gestandenen" Beamten der 1880er und frühen 1890er Jahrgänge dürfte es manchen Kollegen gegeben haben, der im tiefsten Innern ähnlich dachte wie Alber und La Fontaine - schließlich waren beide mitnichten isolierte Exzentriker, sondern ganz normale Vertreter ihrer Zunft in Württemberg und Baden. Der Tübinger Landrat und Sprecher der württembergischen Landräte, Fritz Geißler (1899-1971), hat zweifellos dazugehört. Doch selbst dieser überaus selbstbewußte Amtsvorstand, der 1933 mutig die Attacken lokaler NS-Leute gegen Landrat Mäulen und andere Kollegen kritisiert hatte und später mehrfach gegen unsinnige Verwaltungsproze¿uren des NS-Bürokratismus vehement zu Felde zog, hütete sich, die Politik des Regimes in der Sache auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Gerade bei Geißler geschah dies nicht allein aus bloßer Rücksichtnahme auf die eigene berufliche und persönliche Existenz - kleinliche Schikanen des 123

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Verfahrensakte des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof mit Vernehmungsprotokollen, Anklageschrift u. Urteil s. BADH, ZC 8.S28, Bd. 1/2; vgl. die Ermittlungsakten des Sondergerichts Mannheim (GLAK, 507, Nr. 9.944), die Dienstakte des BA Heidelberg (GLAK, 356, 1969/10, Nr. 1.905) u. die PA La Fontaines für die Zeit ab 1945 (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 4.484/1); vgl. ferner die knappe Darstellung des Falles bei Schiffiiiann 1984, 460f. Zum Werdegang La Fontaines siehe Kap. I, mit Anm. 225. Zu den beim Sondergericht sonst anhängigen Verfahrrai gegen bad. Beamte siehe Sikinger/Ruck 1993. Aufgrund einer systematischen Auswertung der Urteilspraxis des Volksgerichtshofs ist unllngst hervorgehoben worden, daß dieses Hauptinstrument justizförmigen NS-Terrors offenbar mit Blick auf die verschiedenen Delinquentengruppen durchaus zu gewissen Differenzierungen unter dem Gesichtspunkt politischer Opportunität in der Lage gewesen ist (Schlüter 1995).

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ΠΙ. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefuge

NS-Kanzleidirektors Stümpfig etwa brachten ihn ebensowenig zum Schweigen wie unwirsche Reaktionen der Ressortspitze.125 Seine Generation hatte den unbedingten Etatismus tief in sich aufgesogen, und die meisten hielt allein schon das habitualisierte Pflichtgefühl davon ab, "Treubruch" gegenüber dem Staat auch nur in Erwägung zu ziehen.

Kriegsjugendliche Die 1900 bis 1905 geborenen Nachwuchsbeamten der "Kriegsjugend"-Generation waren der obrigkeitsstaatlichen Sozialisation nicht mehr ausgesetzt gewesen. Stattdessen hatten die angehenden Verwaltungsleute ihr Jurastudium im Zeichen eines Rechtspositivismus absolviert, den Carl Schmitt und andere zusehends gegen die parlamentarische Demokratie akzentuierten - eine Republik, welche sie während der krisengeschüttelten Anfangsphase zwar vielfach persönlich mit der Waffe gegen "den Bolschewismus" verteidigt hatten, der sie aber in ihrer großen Mehrheit reserviert bis ablehnend gegenüberstanden.126 Einer Republik im übrigen, die ihnen vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und im Zeichen deflationärer Fiskalpolitik keine oder nur unbefriedigende berufliche Perspektiven eröffnete. Kein Wunder angesichts solcher Verhaltensdispositionen, daß diese Altersgruppe ein besonders hohes Maß an Loyalität und aktiver Einsatzbereitschaft an den Tag legte, nachdem ihr das NS-Regime mit seinem Personalrevirement der ersten Monate die meisten Hindernisse aus dem Weg geräumt hatte (Tab. 26). Hier finden sich denn auch besonders krasse Fälle des NS-Karrierismus wie der

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Am 5.2.1944 protestierte Geißler gegen neue Anweisungen über die Ausstellung von Reisepissen. "Es ist nicht das erste Mal, daB Landrat Geißler in seinen Berichten die nötige Sachlichkeit vermissen ließ", schrieb Stümpfig daraufhin am 23.2.1944 in dessen PA. "Der Herr Ministerialdirektor [Dill; M.R.] hat ihm deshalb am 18. Februar 1944 persönlich das Erforderliche bemerkt." (STAS, Wü 40, Bd. 2, Bü. 12, Qu. 141 u. 142); vgl. Schnabel 1986, 349f. Stümpfig hatte einige Jahre zuvor die vorgesehene Höhergruppierung des Beamten durch Liegenlassen hintertrieben; siehe Mdl-AV, Kanzleidirektion (gez. Wilderer) v. 7.2.1939 (HSTAS, EA 2/150, Bfl. 449, Qu. 214a). Zum Protest des seinerzeitigen Mergentheimer Oberamtmanns und Vorgesetzten Albers gegen antisemitische NS-Übergriffe der ersten Machtergreifungsphase - die allerdings in dieser unkontrollierten Form auch von KreisL Stümpfig nicht gebilligt wurden - siehe Schnabel 1986, 342, 406f.; vgl. Roser 1996 (Fall des Bgm Jungel, Schwalldorf); vgl. allgemein Matzerath 1992, 110. Zum "autoritären Führungsstil des Landrats" in Tübingen siehe Schönhagen 1991, 190f. Zur Person GeiBlers und zu seiner Betonung der Treuepflicht auch unter NS-Auspizien siehe Kap. II, mit Anm. 52. 126 Vgl. dazu die Hinweise in Kap. I, Abschnitt "Alte Herren". Zur Rolle Schmitts siehe umfassende Hinweise in den Literaturberichten von Münkler 1990 u. Mehring 1993. Zu den politischen Implikationen des Weimarer Rechtspositivismus siehe für vieles Rottleuthner 1983; Walther 1989.

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erwähnte badische Dr. Fees.127 Insgesamt jedoch verschiebt sich das Motivationsund Verhaltensprofil dieser Kohorte gegenüber den 1890er Jahrgängen in Richtung politisch weniger profilierter Technokraten. Ein Beispiel dafür bietet Dr. Hermann Thierfelder (1900-1962). Der protestantische Sohn eines Tübinger Universitätsprofessors aus Preußen sicherte nach kurzer Kriegsteilnahme im April 1919 als Mitglied des Tübinger Studentenbataillions Ruhe und Ordnung in Stuttgart; ein Jahr später wirkte er im Ruhrgebiet an der Niederschlagung des Aufstands der "Roten Armee" mit. 1918 hatte sich Thierfelder der Burschenschaft Derendengia angeschlossen. Als Karrieresprungbrett im württembergischen Staatsdienst war diese Verbindung weniger geeignet, denn dort waren überwiegend auswärtige Studenten aktiv. Thierfelder machte jedoch schon bald nach seinem Eintritt in die württembergische Innenverwaltung mit seiner hervorragenden Qualifikation, seinen guten Kontakten zur preußischen Verwaltung und seinem Engagement für eine Neustruktierung der Bezirksverwaltung auf sich aufmerksam. Wie im Nachbarland Baden scheiterten diese Planungen einmal mehr im (vor)parlamentarischen Raum - ein Vorgang, der das Vertrauen insbesondere der jüngeren Verwaltungsbeamten in die Fähigkeit des demokratischen Regierungssystems zur sachgerechten Problembewältigung nicht eben stärkte. Im Frühjahr 1933 trat der vielversprechende Nachwuchsmann zwar der NSDAP bei, blieb jedoch ansonsten (parteipolitisch ebenso unauffällig wie in den Jahren zuvor.128 Ein ähnlich befähigter Jahrgangskollege, der Pfarrersohn und Alte Herr der Tübinger Burschenschaft Normannia Dr. Walter Bertsch, hatte seine Karriere bis 1933 mit Hilfe der DVP vorangebracht, um danach als SS-Mitglied und SDSpitzel zum Ministerialdirigenten im Reichswirtschaftsministerium und 1942 zum Vertrauensmann Heydrichs im Staatsministerium des "Reichsprotektorats Böhmen und Mähren" aufzusteigen.129 Dessen Verwaltung war übrigens eine Domäne der württembergischen Innenverwaltung, und sie bietet ein besonders augenfälliges Beispiel für die anhaltende Wirksamkeit von Korporationsbeziehungen auch unter NS-Auspizien. Der ehemalige Reichsaußenminister Constantin von Neurath nämlich stammte nicht nur aus dem württembergischen Adel, er war auch mit Leib und Seele bei dessen Paradekorps, der Tübinger Suevia, aktiv gewesen. Diesen Lebensbund pflegte von Neurath seitdem mit Hingabe.130 Als ihn nun Hitler 1938

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Zur Person siehe Kap. I, mit Anm. 232 u. Kap. II, mit Anm. 172. Fees wurde Anfang 1938 von NSDAP-Reichsleiter für Kommunalpolitik und OBgm Fiehler als Chef des städtischen Hauptverwaltungsamtes und als Amtsleiter im Hauptamt für Kommunalpolitik nach München geholt. Nach dem Krieg betätigte er sich als Anwalt sowie als Justiziar und Redakteur des DBB. Zum Werdegang Thierfelders siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.747); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB. Die PA des 1952 in tschechischer Haft verstorbenen Wirtschafts- u. Sozialmin. sind in Prag verblieben oder dort verloren gegangen; siehe aber seine SS-PA im BABZ sowie zu seiner Rolle in Prag MacDonald 1969, 131-133; Brandes I 1969, 159, 218-221 u. Π 1975, 39, 45, 47, 50, 119f., 126; Mastny 1971, 77, 199f.; Naudé, 37, 122, 137 et passim; ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB. Heinemann 1973, 8, 77f.; vgl. Döscher 1987, 51-66, hier 51.

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III. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

als Reichsprotektor nach Prag abgeschoben hatte, sah sich der ältere Herr deutschnationaler Provenienz nach loyalen Mitarbeitern um. Vor allem auch in der Heimat. Unter seinen Schwaben zeigte der Freudenstadter Landrat Dr. Freiherr Hans von Watter sogleich Interesse, "ein neues Amt mit völlig neuen Zuständigkeiten [...] und auf vorgeschobenem Posten die geschichtlichen Umwälzungen der Gegenwart mit erleben und mitgestalten zu dürfen". 131 Watter übernahm im Frühjahr 1939 die Schlüsselposition des Oberlandrats von Prag-Stadt und Prag-Land, 1944 wechselte er als Ministerialrat ins Deutsche Staatsministerium für Böhmen und Mähren. Auf dem Rückzug von seinem vorgeschobenen Posten wurde er am 9. Mai 1945 Opfer jener geschichtlichen Umwälzungen, die nun von anderen gestaltet wurden.132 Diesem Schicksal entging der zweite württembergische Spitzenbeamte, den Neurath seinerzeit nach Prag geholt hatte. Landrat Dr. Walter Fuchs (1891-1982) hatte im Frühjahr 1939 die Gelegenheit genutzt, von dem unleidlichen Heilbronner Kreisleiter Drauz loszukommen und damit noch einen Karrieresprung zu verbinden. Als Ministerialrat, dann Ministerialdirigent leitete der Tübinger Wingolfite die Abteilung Innere Verwaltung der Behörde des Reichsprotektors, bis Neuraths neuer Stellvertreter Heydrich ihn, nach Konflikten mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei, im November 1941 kaltstellte.133 Nach einem Zwischenspiel als Vorstandsvorsitzender der Präger Sparkasse kehrte Fuchs im Frühjahr 1944 in die Heimat zurück - weil er "aus der für mich unerträglichen chauvinistischen Luft in Prag wegzukommen bestrebt war", sagte er später.134 Insgesamt 15 heimische Kollegen zog das württembergische Spitzentrio Bertsch - Fuchs - Watter ins Reichsprotektorat, hinzu kamen fünf Badener - allesamt jüngere Nachwuchsleute, die sich - zumeist als Oberlandräte - "auf vorgeschobenem Posten" für ihre spätere Verwendung als Landrat in der Heimat empfehlen sollten und wollten. Wie sein Bundesbruder Bertsch von der Tübinger Burschenschaft Normannia hatte auch der - ebenfalls bestqualifizierte - Regierungsrat Dr. Karl Hacker (19011986) bis 1933 auf die Karte der DVP gesetzt, um dann entschlossen in Richtung NSDAP umzusteuern.135 Und das nicht umsonst: im September 1933 kam der frühere Ruhrkämpfer auf dringenden "Wunsch der Partei" als Landrat nach Gaildorf. Dort bewährte er sich dienstlich und politisch so sehr, daß dem 37jährigen 131

Privatschr. Wasters an Mdl Schmid ν. 6.5.1939 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.834, Qu. 8). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Generalmajors, NSDAP-Mitglied seit 1933, siehe seine Rest-PA (ebd.); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. 132 Naudé 1975, 181-183; zum Wirken Watters in Prag siehe ebd., 37, 152, 157, 173, 177. 133 Naudé 1975, 139. Zu Fuchs' Wirken in Prag siehe ebd., 37, 74, 79, 122, 155, 180. Zu den Hintergründen der Kaltstellung des späteren Verwaltungsgerichtshofpräs, siehe auch seinen selbstverfaßten Lebenslauf v. 28.9.1948 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 409, in Qu. 1). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Gymnasialprofessors siehe seine Rest- u. NachkriegsPA (ebd.); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. 134 Lebenslauf Fuchs' v. 28.9.1948 (oben, Anm. 133). 135 Zum Werdegang des Pastorensohnes siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 570); femer Hans Hacker 1961, 1966, 1971, 1976 sowie meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB.

Kriegsjugendliche

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Beamten nach der Kreisreform 1938 mit Esslingen eines der bedeutendsten, politisch sensibelsten Landratsämter anvertraut werden konnte.136 Der Burschenschafter Dr. Karl Hägele (1902-1949) mußte einen anderen Weg einschlagen, um dieses Ziel zu erreichen. Dem DDP-Mitglied gelang es binnen kurzem, seine politische Vorbelastung durch regimekonformen Aktivismus in den Hintergrund zu rücken. Der Nachwuchsmann schlug schon bei seiner Amtseinführung als kommissarischer Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd am 13. April 1933 "einen forschen Ton an", und im Verlauf der folgenden Monate erfüllte Hägele die Erwartung der örtlichen NS-Führung, "daß er dem Nationalsozialismus vollends zum Durchbruch verhelfe, besonders in den städtischen Ämtern".137 So wurde der anstellige Regierungsrat bereits im Februar 1934 in die Polizeiabteilung des Innenministerium einberufen und zugleich im Politischen Landespolizeiamt verwendet. Auch dort profilierte sich der junge Beamte mit republikanischer Vergangenheit "als aktivistischer und überzeugter Nationalsozialist", der es rasch zu einem der engsten Vertrauten des NS-Innenministers Schmid brachte und dafür im September 1936 mit dem Oberamt Calw belohnt wurde.138 Im Kontrast zu diesen NS-Karrieristen empfahl sich Thierfelder in Württemberg und auf Reichsebene zuvörderst durch sein professionelles Engagement für höhere Aufgaben. Anfang 1934 wurde er trotz seines niedrigen Lebens- und Dienstalters zum Vorstand des Oberamts Besigheim ernannt, wo er - ungestört von Konflikten mit dem Kreisleiter - seinen Ruf als höchstqualifizierter Verwaltungsmann festigen konnte. 1935 unterstützte Thierfelder das Innenministerium nebenamtlich bei der organisatorischen Umsetzung der Deutschen Gemeindeordnung, 1937 wurde er mit der "Elite der Landräte einiger preußischer Provinzen und der außerpreußischen Länder" zur Vorbereitung einer Reichskreisreform herangezogen,139 und im Januar 1938 berief ihn Ministerpräsident Mergenthaler - unter Umgehung der zuständigen Abteilungsleiter - in eine Arbeitsgruppe, welche die von Gauleiter Murr dringend gewünschte Kreisreform endlich auf den Weg bringen sollte. Gegen alle lokalen Widerstände gewannen deren Planungen zum 1. Oktober 1938 Gesetzeskraft. Thierfelder wurde von Murr öffentlich belobigt und erhielt mit nicht einmal 40 Jahren das bedeutendste Landratsamt Ludwigsburg übertragen.140 136

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Zum Werdegang des Pfarrersohns, der seine Justizdienstprüfungen 1923/1927 als Jahrgangsbester bzw. -zweiter abgeschlossen hatte, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 570); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Lemmie 1984, 410. Der Lokalchronist berichtet weiter: "Er führte in dem halben Jahr seiner Tätigkeit ein straffes Regiment im Rathaus und lehrte manche Verwaltung das Fürchten. Damit hatte sich das NS-Regime in Gmünd voll durchgesetzt." Zum Werdegang des protestant. Fabrikantensohnes, Angehöriger der Königsgesellschaft Roigel und bis 1933 DDP-Mitglied, siehe seine Rest-PA (HSTAS, EA 27150, Bü. 572) u. eine Stammliste v. 7.11.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.296); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Mdl WB, Kanzleidirektion an Landesdir. des Innern Roßmann, Tübingen, 8.12.1945 (STAS, Wü 13, Bü. 951, Aζ. 3/C/3.189). Sehr, des seinerzeitigen geschäftsführenden Präs. des Deutschen Landkreistages, Prof. Dr. KurtG. A. Jeserich, an den Verfasser v. 8.11.1993; vgl. Thierfelder 1937. Dazu allgemein und zur Rolle Thierfelders siehe Moersch 1989; vgl. Schnabel 1986, 342-348; Angerbauer 1988.

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Auch dort vermochte er sich gegen den Kreisleiter zu behaupten. Trotz seiner glänzenden Karriere galt Thierfelder am Ende der NS-Herrschaft als derart geringfügig kompromittiert, daß er in jenem "Vorschlag für die Landesverwaltung", den der neue Stuttgarter Oberbürgermeister Klett der französischen Militärregierung Pfingsten 1945 vorlegte, als kommissarischer Chef des Innenressorts aufgeführt wurde.141 Es ist aber auch von einem Beamten zu berichten, dem es im Gegensatz zu seinen Altersgenossen nicht gelang, sich - so oder anders - mit den neuen Gegebenheiten im "Dritten Reich" zu arrangieren - im Gegenteil: er wurde verrückt. Dabei hatte sich seine Karriere ganz normal und durchaus vielversprechend angelassen. Mit hervorragenden Prüfüngsnoten war Dr. H. (geb. 1901), katholischer Sohn eines mittleren Eisenbahnbeamten, 1926 in die badische Innenverwaltung eingetreten und hatte die üblichen Stationen im Ministerium und in der Bezirksverwaltung durchlaufen. Der NSDAP war er - wie manch anderer Kollege - 1933 noch nicht beigetreten, hatte das aber 1937 nachgeholt. Während dieser Zeit mußte er schon gelegentlich "Stimmungsschwankungen" durchmachen, und um den Kriegsbeginn herum begann er Stimmen zu hören, fühlte sich verfolgt, zog sich immer mehr zurück, reagierte hypersensibel, beging dann auch einen Suizidversuch. "Warum man ihn verfolge, wisse er eigentlich nicht," vertraute er seinem Sanatoriumsarzt an, "zum Teil wohl aus politischen Gründen, zum Teil aus der Mißgunst der anderen, weil ihm diese besondere Beförderung zum Minister bevorstehe." Und er war sich ganz sicher: "Das hat doch alles einen politischen Untergrund"; denn "ich bin doch schon vor 1933 im Staatsdienst gewesen. Als Beamter mußte ich doch auch diesem Staat dienen. Das ging doch gar nicht anders. [...] Manche haben auch gedacht, ich würde für die Kirche eintreten, weil ich früher einmal in die Kirche gegangen bin. Aber ich laß mich doch nicht fllr die Kirche totschlagen."142 Im Gegensatz zu seinen Kollegen war es dem Mann augenscheinlich nicht gelungen, den totalitären Rollendruck auf die Staatsdienerschaft für seine Person zu Karrierismus, Konformismus oder Attentismus zu sublimieren. Die beiden badischen Regierungsräte Albert Kistner (1905-1979) und Dr. Ludwig Seiterich (1904-1979) lösten dieses Problem für ihre Person, indem sie bewußt davon absahen, sich dem NS-Regime durch besonders "schneidige" Pflichterfüllung und vorauseilenden Gehorsam anzudienen. Dabei hätten sie dies als ehemalige Mitglieder des Zentrums und der katholischen Studentenvereine Unitas unter beruflichen Gesichtspunkten sehr wohl nötig gehabt.143 Die beiden hervorragend qualifizierten Nachwuchsleute verzichteten damit auf eine Karriere, wie sie der CV-Korporierte Hans Schneider (1903-1969) zunächst in Baden und seit 1938 in der "Ostmarkt" absolvierte. Denn jenseits aller Beschwörungen des Leistungs141 142

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HSTAS, NL Fritz Ulrich (Q 1/10), Bü. 4. Abschrift v. 1947 aus den Krankenakten der Jahre 1941-1943 (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 2.709). Die PA des Beamten sind verloren gegangen; siehe aber den Mdl-EA v. 11.7.1934 (GLAK, 236, Nr. 29.272). Im Gegensatz zu Kistner trat Seiterich auch 1937 oder später nicht in die NSDAP ein; siehe zu beiden Kap. IV, mit Anm. 9 u. 88.

Die Kriseageneration

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prinzips und des Fachbeamtentums entschied in Südwestdeutschland zuvörderst der Grad der Anpassung an die Verhaltensnormen des NS-Regimes darüber, ob eine Beamtenlaufbahn in die eine oder andere Richtung außerordentlich verlief (Tab. 27/28). 144 Schneider verhielt sich entsprechend. Fachlich nicht minder gut beurteilt, distanzierte sich das frühere Mündel des Freiburger Erzbischofs Gröber nicht erst durch seinen Austritt 1940 demonstrativ von der katholischen Kirche. Auch sonst verstand es Schneider, sich beim Innsbrucker Reichsstatthalter Hofer ein Profil absoluter Loyalität aufzubauen. Das sollte übrigens seine steile Nachkriegskarriere nicht behindern.145

Die Krisengeneration Die Geburtsjahrgänge der Jahre 1905 bis 1912iA6 hatten ihr Jurastudium unter den Bedingungen der Weltwirtschaftskrise an Universitäten absolviert, die mehr und mehr vom NS-Studentenbund beherrscht wurden.147 Und das mit katastrophalen Berufsaussichten, denn sowohl in der badischen als auch in der württembergischen Verwaltung wurde seit 1929/30 im Zeichen der exzessiven Sparpolitik praktisch kaum noch einer jener Rechtsassessoren eingestellt, die in sprunghaft wachsender Zahl die Hochschulen verließen.148 Und die älteren unter ihnen mußten ihr Assessorat zu Beginn der dreißiger Jahre unter materiellen Bedingungen ableisten, die von den Landesregierungen selbst als schlechterdings untragbar betrachtet wurden.149 Diesen Nachwuchsleuten konnte es auch passieren, daß sie - wie der spätere Landrat Dr. Heinz Ritter (1905-1967) Anfang 1932 - "außer Verwendung" gesetzt wurden, um dann "freiwillig" ohne Bezüge weiter Dienst zu leisten.150 144

Zur Einstufungsproblematik siehe Einleitung, Anm 11. Zum Werdegang des Sohnes eines Reichsbahnoberrats, Mitglied der Heidelberger CVVerbindung Arminia, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.518; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.526) u. die EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 18.138). Schneider wurde 1962 Nachfolger des Mdl-Kanzleidir. Thierfelder (Kap. IV, mit Anm. 25). 14 *> Es gehören zwar noch einige weitere Beamte (bis zum Geburtsjahr 1916) zu meiner Untersuchungsgruppe, doch haben diese ausnahmslos keinen regulären Dienst leisten können, da sie zum Kriegsdienst eingezogen waren. 147 Zum NSDStB siehe Kap. I, Anm. 79. 148 Vgl. Kolbeck 1978, 103-109, 118; vgl. allgemein Titze 1981. 149 Die bad. Gerichts- u. Regierungsassessoren legten am 12.8.1931 in einem zehnseitigen Sehr, an StPräs u. Mdl Wittemann (Zentrum) dar, daß "die Mehrzahl" von ihnen "durch das badische Notgesetz [v. 9.7.1931] in größte wirtschaftliche Not geraten" sei, und "dies trotz ernstestem Sparwillen und trotz größter Beschränkung in der Befriedigung materieller und kultureller Bedürfnisse"; durch noch weitergehende Spaipläne sei der Beamtennachwuchs "tief beunruhigt" (GLAK, 233, Nr. 23.924). 150 Ritter wurde unmittelbar nach der NS-Machtübeniahme in Stuttgart wieder in ein Besoldungsverhältnis übernommen. Zum Werdegang des protestant. Vermessungsratsohnes, Mitglied der Tübinger Verbindung Lichtenstein, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.356). 145

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ΠΙ. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

Entsprechend hoch war der Anteil von Nachwuchsjuristen, die bereits vor 1933 als Schüler oder junge Studenten mehr oder minder aktiv für den Nationalsozialismus eingetreten waren. Und daß die Aufhebung der Einstellungssperre unmittelbar nach der "nationalen Revolution" zusätzliche Loyalitäten entstehen ließ, bedarf keiner tiefenpsychologischen Erörterung. Aus dieser Altersgruppe, die zwischen 1933 und 1939 in die Innenverwaltung eintrat, rekrutierten sich denn auch besonders viele NS-Aktivisten; Reservierte sind darunter kaum noch auszumachen (Tab. 26).151 In Baden hatten diese jungen Aktivisten, zum Beispiel Dr. August Herbold (1905-1976) und Dr. Waldemar Ernst (geb. 1909)'152 ihre politische Erstsozialisation zumeist in rechtsextremen (Jugend-)Organisationen wie der Freischar Damm oder dem Jungdeutschen Bund erhalten. Dieses Phänomen ist auch in Württemberg zu beobachten. Typisch für eine ganze Gruppe von Nachwuchsleuten war hier aber auch ein Karriereverlauf, der vom NS-Hochschulbund und der Studenten-SA zur SS und zum SD führte. 153 So im Falle des Dr. Martin Sandberger (geb. 1911). Der protestantische Kaufmannsohn war in Berlin geboren worden, entstammte jedoch dem Kernmilieu der württembergischen Ehrbarkeit. Mit 20 Jahren schloß sich das Mitglied der Sängerschaft "Alt-Straßburg" im Sondershäuser Verband der NS-Hochschulgruppe und der SA an; der NSDAP-Mitgliedsausweis wurde später auf 1931 rückdatiert. 1933 schwang sich der Tübinger NSDStB-Chef Sandberger zum "Führer" der Tübinger Studentenschaft und Motor der nationalsozialistischen Gleichschaltung der Landesuniversität auf. Nach der glanzvoll absolvierten ersten Staatsprüfung - schon das Abitur hatte er 1929 "mit Auszeichnung bestanden" - ging er 1933 als Bundeshochschulinspektor und Beauftragter für Verfassungsfragen der NDStB-Reichsleitung nach Berlin. Seit 1935 ehrenamtlicher SS- und SD-Mitarbeiter, holte der Reichsstudentenführer und SD-Oberführer Dr. Gustav Adolf Scheel den Überflieger Anfang 1936 als Berichterstatter für Wissenschaft und Erziehung und persönlichen Referenten nach Stuttgart. Nachdem er Ende des Jahres die beste Große Staatsprüfung in Württemberg seit neun Jahren abgelegt hatte, trat Sandberger in den Dienst der württembergischen Innenverwaltung, war dort allerdings kaum tätig. Seit Kriegsbeginn im Reichssicherheitshauptamt Berlin verwendet, beteiligte sich der SS-Karrierist seit Mitte 1941 als Leiter der Sondergruppe la der - von dem ehemaligen württembergischen Regierungsrat und nachmaligem Stuttgarter Gestapo-Chef Dr. Walter Stahlecker (1900-1942) geführten154 - SD-Einsatzgruppe 151 152 153

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Vgl. allgemein Fogt 1982, 131. Zur Person Herbolds und Ernsts siehe Kap. II, mit Anm. 259 sowie 277 u. 279. Zu dieser Gruppe gehörte auch der Landwirtsohn Eugen Steimle (1909-1987). Den Lehramtskandidaten hatte seine NS-Karriere über die Führung der gleichgeschalteten Tübinger Studentenschaft (1933) - als Nachfolger des nachstehend erwähnten Dr. Martin Sandberger und die Stuttgarter Gauleitung zum dortigen SD-Unterabschnitt Südwest (1936) schließlich als Chef verschiedener Einsatzgnippen-Sonderkommandos in die Sowjetunion (1942/43) und ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin geführt, wo er zuletzt als SS-Standartenführer die Auslandsaufklänmg Westeuropa leitete; siehe dazu eingehend Lächele 1995; vgl. schon den Hinweis bei R. Müller 1988, 189. Zur Person Stahleckers siehe Kap. II, mit Anm. 64. Zu seiner Tätigkeit als SS-Führer in den besetzten und annektierten Ostgebieten siehe eingehend Krausnick/Wilhelm 1981, 642

Die Krisengeneration

229

A maßgeblich an der Ermordung der Juden im Baltikum. Und im Herbst 1943 nutzte er seine einschlägigen Erfahrungen, um als Gestapo-Chef in Verona zusammen mit Eichmanns "Judenkommissar" Dannecker die Vernichtung der italienischen Juden voranzutreiben.155 In ihren verbrecherischen Dimensionen übertrifft die Karriere Sandbergers noch diejenigen seiner kaum älteren Kollegen Dr. Rudolf Bilfinger (geb. 1903) und Dr. Wilhelm Harster (geb. 1904) aus dem Politischen Landespolizeiamt Stuttgart: Dieser stieg binnen weniger Jahre vom Regierungsrat zum SS-Brigadeführer und Generalleutnant im Reichssicherheitshauptamt auf, und beteiligte sich als GestapoChef des "Generalgouvernements" in Polen, der Niederlande und Italiens an der Ermordung Zehntausender;156 jener nahm als Vorgesetzter Eichmanns im Reichssicherheitshauptamt an den "Wannsee-Konferenzen" teil, und wurde später bei der Gestapo in Toulouse und Krakau leitend tätig.157 Die Lebensläufe eines halben Dutzends Jung-Karrieristen in der württembergischen Innenverwaltung waren indessen ganz darauf angelegt, einen ähnlichen Weg zu nehmen, wie ihn der Überflieger Sandberger im Eiltempo absolviert hatte.158 "Die Biografíen dieser Männer, Tübinger 'Endlösungs'täter und Schreibtischmörder, zeigen nichts Auffallendes, nichts Abnormes", ist mit Blick auf Stahlecker und Sandberger bemerkt worden. "Alle waren ehrgeizige, 'korrekte Beamte1, aber sie funktionierten innerhalb eines Systems, das Verbrechen zur Normalität gemacht hatte."159 Das trifft so nicht zu. Die ehemaligen württembergischen Beamten Bilfinger, Harster, Sandberger und Stahlecker haben eben nicht bloß als Rädchen einer Repressionsmaschine funktioniert, sie haben an vorderster Front und aus freien Stücken mit dem NS-Unrechtsregime kollaboriert und dessen Vernichtungspolitik aktiv vorangetrieben. Damit repräsentieren sie das eine Extrem einer Verhaltensskala, die im indifferenten Mittelbereich weitaus am

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(Kurzbiogr.) et passim; vgl. Höhne 1990, 321-323, 327-330, 339f.; Reitlinger 1992, 212f. et passim; zuletzt Safrian 1993, 72-76, 124f., 136 et passim. Siehe dazu eingehend Krausnick/Wilhelm 1981, 642 (Kurzbiogr.) et passim; vgl. Kempner 1961, 343; Reitlinger 1992, 402, 590; Ogorreck 1996, 59-67; siehe demnächst auch meine Kurzbiogr. in den BWB. Sandbergers Großvater und Urgroßvater hatten als Pfarrer, Vater wie Großvater des letzteren als Oberamtleute in Württemberg gewirkt; siehe den detaillierten Stammbaum in seiner SS-Sippenakte (BABZ). Zu Sandbergeis Aktivitäten als NSStudentenfunktionär siehe Adam 1977, 24-26, 45f., 47f., 72, 81, 85, 106; Schönhagen 1991, 52, 161, 352, 384, 456. Zu seiner SS-Karriere siehe die SS-PA (BABZ). Kurzbiogr. Scheck siehe Faust 1973 Π, 161 f. Zum Werdegang des protestant. Freikorpsangehörigen (Oberland), Sohn eines bayer. RegR, der später die Württ. Kriminalpolizeistelle aufbaute, siehe seine Rest-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 616) u. seine umfangreiche SS-PA; ferner Braunbuch 1965, 92; Wilhelm 1989, 245-248; Paul 1995, 546; siehe demnächst auch meine Kurzbiogr. in den BWB. Zum Werdegang des Pfarrersohns, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Roigel, siehe seine Rest- u. Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 104) u. seine SS-PA (BABZ) sowie eine Mdl-Bewerberliste v. 11.12.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.113) u. den Mdl-EV v. 23.1.1935 (ebd., Bü. 413); ferner die wenig aussagefähige Kurzbiogr. bei Wilhelm 1989, 257 sowie Braunbuch 1965, 80, 86, Tafel 30; Rürup 1989, 77. Vgl. etwa Kap. IV, mit Anm. 76-78. Zu solchen SS-Karrieren vgl. allgemein Herbert 1991, 137f.; ders. 1996, 51ff. et passim. Schönhagen 1991, 352.

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ΠΙ. Die Innenverwaltung im polykratischen Herrschaftsgefüge

stärksten besetzt ist (Tab. 26), und an deren gegenüberliegendem Ende einzelne Persönlichkeiten wie Richard Alber und Julius La Fontaine einzuordnen sind.

IV. "Renazifizierung" oder Demokratisierung der Bürokratie? Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

"Als Berufsbeamter, der ich immer war, könnte ich meinen Dienst auch unter den heutigen Verhältnissen ausüben, besonders in einer unpolitischen Stellung.

Rückkehr der Demokraten Wenn schon die nationalsozialistische "Revolution" an der inneren Verwaltung Südwestdeutschlands nicht spurlos vorübergegangen ist, so ließ sie doch deren personelle Substanz einstweilen unangetastet. Inwieweit die während der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre betriebene Rekrutierungspolitik längerfristig zu einer tiefergehenden Nazifizierung der höheren Beamtenschaft geführt hätte, muß dahingestellt bleiben. Zumindest in Umrissen beantwortet werden kann hingegen die Frage, ob der Zusammenbruch des NS-Regimes womöglich schwerwiegendere Konsequenzen für die administrativen Funktionseliten nach sich gezogen hat als dessen dreizehnjährige Herrschaft. Zunächst schien manches darauf hinzudeuten. Im Sommer und Herbst 1945 wurde die Mehrzahl der höheren Beamten auf Weisung der Besatzungsbehörden als politisch kompromittiert entlassen. Nur eine Handvoll der amtierenden Landräte durfte die Amtsgeschäfte noch einige Monate weiterführen, die übrigen mußten gehen, manche wurden von den Siegermächten zeitweise interniert. Die rigorosen Entnazifizierungsrichtlinien der Besatzungsmächte schienen anfangs eine spätere Rückkehr nicht nur der Landräte, sondern auch deijenigen Regierungsräte, die als zweite Beamte an den Landratsämtern tätig gewesen waren, unmöglich zu machen. Zudem zogen in den amerikanisch wie in den französisch besetzten Teilen Badens und Württembergs Beamte in Spitzenpositionen der Innenverwaltung ein, die aus rassischen oder politischen Gründen benachteiligt, gemaßregelt oder gar verfolgt worden waren. So wurde im Landesbezirk Baden Julius La Fontaine zum Ministerialrat und Landespolizeidirektor ernannt. 1933 war er aus politischen Gründen als Leiter der Polizei- und Gendarmerieschule Karlsruhe abgelöst worden, und 1943 hatte ihn Siehe unten, mit Anm. 32.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Freislers Volksgerichtshof für zehn Jahre ins Zuchthaus geschickt2. Er starb im Januar 1947 an den Folgen seiner Haft. Der frühere Zentrumsabgeordnete Valentin Eichenlaub, im Zuge der "Aktion Gitter" nach dem 20. Juli 1944 für Wochen gefangengehalten, wurde Regierungsdirektor und stellvertretender Leiter der badischen Landesbezirksdirektion für Arbeit. Und Ministerialrat Ernst Walz, der 1935 als Leiter der wichtigen Kommunalabteilung im Karlsruher Innenministerium zum Rechnungshof abgeschoben und dort zwei Jahre später vorzeitig pensioniert worden war, wurde im Juli 1945 zunächst zum Stellvertreter des Oberpräsidenten von Nordbaden berufen, um kurz darauf das Oberbürgermeisteramt in Heidelberg, im Herbst 1946 dann den Vorsitz des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofs zu übernehmen3. In Südbaden nahm Minister Remmeles ehemaliger Sekretär Hermann Stenz (SPD), ebenfalls ein 1933 entlassener "Parteibuchbeamter", als Ministerialrat und Vorsitzender der politischen "Reinigungskommission" dieser Behörde bis zum Herbst 1949 eine herausgehobene Stellung im Innenministerium ein. Ministerialdirektor und kommissarischer Leiter der Innenverwaltung war dort bis zu seinem Tod Anfang Juni 1945 der 1933 als Sozialdemokrat entlassene Ministerialrat Adolf Schwarz. Ihm folgte für anderhalb Jahre der ehemalige Karlsruher Polizeipräsident Paul Haußer, als Mitglied der DDP von 1933 bis 1945 beim Statistischen Landesamt kaltgestellt. Marcel Nordmann wurde nach seiner Rückkehr aus der Emigration zunächst von der Militärregierung zum kommissarischen Landeskommissär in Konstanz ernannt. Ende 1946 wechselte der SPD-Landtagsabgeordnete als Staatssekretär ins Innenministerium und amtierte von August 1947 bis Februar 1948 als Justizminister in Freiburg. Das dortige Innenressort leitete von August 1947 bis Mai 1952 der bisherige Ministerialrat Alfred Schühly (BCSV/CDU), der 1933 aus politischen Gründen zum Verwaltungsgerichtshof abgeschoben worden war. Und an der Spitze der BCSV-Landtagsfraktion schließlich stand der Anfang 1937 zwangspensionierte Regierungsrat und einstmalige Zentrumsabgeordnete Wolfgang Hoffmann, seit 1945 Oberbürgermeister der südbadischen Hauptstadt4. Auch was die - dominierende - württembergische Seite anbelangte, wurden die strategischen Positionen der Innenverwaltung fast durchweg von Beamten eingenommen, die aufgrund ihrer hervorragenden Fachqualifikation bereits vor 1933 dafür prädestiniert gewesen waren, deren vorgezeichnete Karriere danach aber wegen ihrer distanzierten Haltung gegenüber der NSDAP ins Stocken geraten war: Zu den KZ-ähnlichen Zuständen im Wüitt. Arbeitshaus für Männer auf Schloß Kaltenstein in Vaihingen an der Enz, wo La Fontaine zuletzt gefangen gehalten wurde, siehe Grieb/Schmidt 1985. Nach seiner Befreiung leitete La Fontaine die Haftanstalt vom 10. April bis zum 30. September 1945; seit 15. Juli 1945 amtierte er zugleich als kommissarischer LR in Vaihingen. Zu den Kontakten Eichenlaubs zu christlichen Widerstandskreisen in Südwestdeutschland siehe die knappen Hinweise bei Kifiener 1994, lOlf. Zur "Gitteraktion" siehe allgemein Hammer 1959. Zur Nachkriegskarriere von Emst Walz siehe die Hinweise bei Weik 1988, 24, 237. Zu seinem Wirken in Heidelberg siehe Reutter 1994, 65 et passim. Alle Personen sind in den vorangegangenen Kapiteln (mehrfach) behandelt worden. Ich verzichte hier auf Querverweise. Angaben zur Nachkriegskarriere Nordmanns siehe Weik 1988, 203, 269f., 277, 280; A. Schühly·. ebd., 270, 277, 280f.; Hoffmann·, ebd., 172, 250, 256.

Rückkehr der Demokraten

233

Bolz' letzter Kanzleidirektor Friedrich Kiefer bekleidete in der wichtigen Wiederaufbauphase - Anfang 1947 bis Anfang 1950 - das Amt des Ministerialdirektors; ihm zur Seite stand als stellvertretender Kanzleidirektor Otto Rueff, der die NS-Zeit bei jener Stuttgarter Gebäudebrandversicherungsanstalt überwintert hatte, welcher Kiefer 1940 bis 1944 als Präsident vorgestanden hatte. Ihnen folgte Ministerialdirektor Fetzer - ebenfalls Nicht-Pg. und wie Ministerpräsident Reinhold Maier und dessen engste Vertraute Konrad Wittwer und Wolfgang Haußmann Mitglied der Tübinger Stuttgardia5 - mit dem "unpolitischen" Verwaltungsfachmann Thierfelder als Kanzleidirektor. Dieses Gespann nahm bis in die frühen sechziger Jahre hinein maßgeblichen Einfluß nicht nur auf die Personalpolitik seines Hauses.6 Im übrigen kamen bei der Besetzung der administrativen Spitzenpositionen in der südwestdeutschen Innenverwaltung anfangs vorzugsweise katholische Beamte zum Zuge, weil sie einen höheren Anteil der Nicht-Pg.s stellten. Diese anfangliche Dominanz wurde allerdings seit 1950 durch die massenhafte Rückkehr der früheren Kollegen wieder abgebaut (Tab. 29/30). Zunächst aber amtierte Dr. Max Koch als Kanzleidirektor in Stuttgart. Der langjährige Stuttgarter Zentrumsvorsitzende und Alte Herr der KV-Verbindung Alemannia war nach der Auflösung des Katholischen Oberkirchenrats Anfang 1934 in der Innenverwaltung hin- und hergeschoben worden. Als Ministerialrat leitete er nun jene personalpolitische Schaltstelle, von der aus NS-Verbindungsmann Stümpfig über Jahre hinweg seine Fäden gezogen hatte.7 Als Kochs Stellvertreter und - seit Anfang 1947 - auch als sein Nachfolger wirkte dort mit Anton Schmid ein weiterer Alamanne, der bis 1945 als Zentrumsmitglied und Nicht-Pg. keine gute Karriere gehabt hatte. In Baden reüssierte der Unitas-Mann Albert Kistner. Der war Anfang der vierziger Jahre als früherer Zentrumsanhänger, der sich "bisher nicht restlos von seiner früher vertretenen weltanschaulichen Richtung" habe "freimachen" können, in die Schußlinie der Karlsruher Gauleitung geraten.8 Nun bekleidete er zunächst als Personalreferent und Leiter der Polizeiabteilung des (süd)badischen Innenministeriums, dann seit März 1947 als Ministerialrat und Direktor der 5

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Zur gewichtigen Rolle der ohnehin seit Jahrzehnten in der Innenverwaltung besonders einfluBreichen Stuttgardia während der Ära Maier siehe Matz 1989, 502/504. Die fortdauernde Dominanz der "Alt-Schwaben" in der südwestdeutschen Nachkriegsverwaltung hat mir Herr Dr. Ansgar Seifert (Stuttgart), der Sohn des langjährigen preuB. LRs in Sigmaringen Dr. Robert Seifeit, mit Sehr. v. 24.10.1994 nochmals bestätigt. Zur herausgehobenen Stellung der - bis in die siebziger Jahre hinein nicht zum Kreis der "politischen Beamten" zählenden - Ministerialdirektoren in (Baden-)Württemberg siehe allgemein Katz 1975, 124f., 191-194. In der Grabrede für seinen Kanzleidirektor betonte Mdl Filbinger am 1.2.1962 unter Hinweis auf dessen personalpolitische Funktion, dieses Amt zähle weiterhin "zu den bedeutendsten und schwierigsten in unserem Lande"; siehe "Nachrufe für Herrn Ministerialdirigent Dr. Hermann Thierfelder im Innenministerium Baden-Württemberg" (Ms. vervielf.) (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.747, Anlage). RStH an StMin, 11.5.40 (GLAK, 233, Nr. 24.625). Zum Werdegang des Milchhändlersohnes, Angehöriger des kathol. Studentenvereins Unitas Freiburg, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Nr. 882 I/II; GLAK, 466, 1979/2, Nr. 3.953/1-4); femer Albert Kistner 1970, 1971, 1972, 1975 sowie demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Präsidialkanzlei des Landesbezirks Baden personalpolitische Schlüsselpositionen, bis er Anfang 1951 als politischer Beamter (CDU) auf einen anderen Posten versetzt wurde9. Sein ebenfalls wegen des Bekenntnisses zum (politischen) Katholizismus diskriminierter Kollege Ludwig Seiterich kam nach kurzem Einsatz als Verwalter des Emmendinger Landratsamtes als Kommunalreferent ins Freiburger Innenministerium. Seine weitere Karriere führte den Bruder des Freiburger Theologieprofessors und Erzbischofs Eugen Seiterich und überregional profilierten Landrat von Konstanz bis in das Präsidentenamt des baden-württembergischen Landkreistags.

Nachnationalsozialistische Solidargemeinschaft Doch die südwestdeutsche NS-Verwaltungselite blieb nicht lange paralysiert. Denn die Entnazifizierung des öffentlichen Dienstes sollte auch in Südwestdeutschland nur allzu rasch zu jener vielzitierten "Mitläuferfabrik" geraten, deren Hauptzweck es nach dem unausgesprochenen Einverständnis der sogenannten "Betroffenen" und der Mehrzahl ihrer Richter war, jene unter Verabfolgung einer symbolischen Sühne zu rehabilitieren, um ihnen eine möglichst bruchlose Fortsetzung ihrer Beamtenkarriere zu ermöglichen.10 "Der Betroffene war kein Nazi, war nicht Aktivist, nicht Propagandist, nicht Denunziant", durfte sich der erwähnte Lörracher Landrat Peter bescheinigen lassen. "Er ist aber auch kein Nutznießer. [...] Er verdankt [...] seine Ernennung nicht dem 3. Reich." Das Gegenteil traf zu, in allen Punkten, und die Spruchkammer hätte dies den Akten ohne weiteres entnehmen können. Stattdessen wurde der Kollaborateur in grotesker Verdrehung der Tatsachen zum Widerstandskämpfer ernannt: "Er hat ausgleichend gewirkt, soweit es ging. Er hat selbst aktiven Widerstand geleistet. Als Verwaltungsbeamter war er untadelhaft."n Das war beileibe kein Ausnahmefall. So ist es hundertfach nachzulesen in jenen Sprüchen, welche der südwestdeutschen Verwaltungselite den Rückweg in ihre Amtsstuben ebneten.

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Der "Fall Kistner" fand in der Presse starke Beachtung und beschäftigte am 21.2.51 auch den LT von BW (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 3.953/1). Niethammer 1982; vgl. Henke 1992, 56, 58; Neidiger 1995, 154f. (Stuttgart). Zur Entnazifizierung und ihren Implikationen für die Beamtenschaft allgemein siehe femer für vieles Fürstenau 1969; Billerbeck 1971; Vollnhals 1991; Grotkopp 1992, 168-208; RauhKühne 1995. Zur Entnazifizierung in Südwestdeutschland siehe Henke 1981; Bosch 1988, 304342; Grohnert 1991, 1993 u. 1996; Matz 1989, 276-304; Neidiger 1995. ORegR Peter an Mdl BW, 3.11.1954 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.271, Qu. 22). Zur Person siehe Kap. ΠΙ, mit Anm. 105ff.

Nachnationalsozialistische Solidargemeinschaft

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Die Landesregierungen unterstützten diese "nachnationalsozialistische Solidargemeinschañ"12 nach Kräften - manche belastetenden Personalakten wurde während der ersten Nachkriegsjahre wider besseres Wissen als "durch Brand vernichtet" deklariert -, und auch die ausgewiesenen NS-Gegner und -Geschädigten konnten oder wollten das nicht verhindern. Zu stark war allen Erschütterungen zum Trotz der Korpsgeist der höheren Beamtenschaft, als daß sie an einer durchgreifenden Säuberung der Innenverwaltung von jenen Kollegen hätten mitwirken mögen, die sich in der einen oder anderen Weise enger als unvermeidbar mit dem nationalsozialistischen Regime eingelassen hatten: "Ich [betrachte] es als meine selbstverständliche Pflicht," versicherte etwa Präsidialdirektor Kistner einem ehemaligen Landrat, "den alten badischen Verwaltungsbeamten im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu helfen."13 Und auch das Tübinger Innenministerium sah es als seine "Ehrenpflicht" an, die entlassenen Landräte beruflich wieder auf die Beine zu bringen.14 Besonders deutlich tritt der Korpsgeist in jener umfangreichen Korrespondenz hervor, an deren Ende 1951 die vollständige dienstrechtliche Rehabilitierung des ehemaligen Leiters der badischen Staatskanzlei und Ministerialdirektors im badischen Innenministerium stand. Friedrich Müller-Trefzer hatte im Frühjahr 1933 zu den maßgeblichen Kollaborateuren der badischen Verwaltungselite gehört, und seine Beförderungen von 1933 und 1939/40 waren sogar in der NS-Presse mit seinen Verdiensten um die Machtergreifung in Karlsruhe begründet worden. In seinen Funktionen übte Müller-Trefzer zudem beträchlichen Einfluß auf die Beamtenund die Personalpolitik aus. Gleichwohl bemühten sich die Spitzen der Verwaltung des Landesbezirks Baden nach 1945 mit vereinten Kräften, ihn als aktiven NSGegner darzustellen. Selbst gegen die allgemein übliche Reduzierung seiner Pension auf den Satz eines Ministerialrats erhob der Leiter der Inneren Verwaltung des Landesbezirks, ein Sozialdemokrat, zuletzt noch erfolgreich Einspruch: "Man würde der Persönlichkeit des Beamten [...] nicht gerecht werden, würde man ihn durch eine Kürzung seiner Versorgungsbezüge [...] mit dem ehrenrührigen Vorwurf belasten, daß er seine Laufbahn mit einer politisch motivierten 12

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Schönhoven 1990, 15. Faust (1992, 53-55) hat in seiner quantitativen Auswertung der Wuppertaler Entnazifizierungsfälle die von Niethammer, HQttenberger u.a. oftmals beschriebenen "Solidargemeinschaften" der sogenannten "Betroffenen" im Entnazifizieningsverfahren in das Reich der Fabel verwiesen. Schon der "gesunde Menschenverstand" lege nahe, daß wechselseitige Entlastungszeugnisse von Kollaborateuren des NS-Regimes wenig zweckdienlich gewesen sein könnten; im übrigen gehe es nicht an, die Mitglieder der Entnazifizierungsausschüsse für "so naiv" zu halten, daß sie dem offenkundigen Entlastungskomplott aufgesessen wären. Der "gesunde Menschenverstand " kann aber die vergleichende Zurkenntnisnahme empirischer Befunde aus anderen Regional nicht ersetzen. In Württemberg und Baden ließ sich mancher höhere Beamte nicht nur von politisch belasteten Kollegen, sondern sogar von seinem früheren NSDAP-Kreisleiter oder NS-Minister "Persilscheine" ausstellen - die dann im Spruchkammerverfahren durchaus positiv zu Buche schlugen. Und der von Faust in Abrede gestellte "Persilschein-Tausch" war unter der südwestdeutschen Verwaltungselite gang und gäbe. Präs. Landesbezirk Baden - Präsidialdir. - (gez. Kistner) an Präs. a.D. Alfred Franck, 22.10.47 (GLAK, 466, 1978/36, Nr. 1.930). Mdl-AV v. 30.10.1947 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.900, Qu. 158).

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Beförderung abgeschlossen habe", wandte Dr. Unser ein, um dann sein eigentliches Anliegen zu offenbaren: "Letzten Endes würde man aber damit auch der badischen inneren Verwaltung in der Zeit von 1933 bis 1945 nicht gerecht werden, die sich weit mehr als andere Geschäftsbereiche mit politischen Widerständen und Unannehmlichkeiten auseinander zu setzen hatte, wenn Ministerialdirektor MüllerTrefzer als ihr oberster Berufsbeamter durch eine Kürzung seiner Versorgungsbezüge als politischer Exponent des Nationalsozialismus abgestempelt würde."15 Mit seiner Begründung kolportierte der faktische "Innenminister" des Landesbezirks Baden einen Mythos, den seine Ehemaligen ganz gezielt in die Welt gesetzt hatten. "Wissenswertes über die bad. Staatsverwaltung vor und nach 1933 im Hinblick auf die derzeitigen Beamtenentlassungen"16 war ein Memorandum betitelt, welches im September/Oktober 1947 von dem ehemaligen Oberregierungsrat und Personalreferenten im Karlsruher Innenministerium, Carl Domes (1906-1980),17 und von anderen entlassenen Beamten der badischen Innenverwaltung verfaßt worden war. Die Anstoß dazu hatte Klaus Tellenbach gegeben. Angesichts der kritischen Erörterungen, die in der Öffentlichkeit über die Rolle der (badischen) Landräte während der NS-Zeit zu hören seien, hielt es der ehemalige Tauberbischofsheimer Amtsvorstand im Sommer 1947 für ratsam, "daß man im Rahmen meines Spruchkammerverfahrens die Behauptung aufstellen würde, daß die badische innere Verwaltung vom Nationalsozialismus weniger zersetzt gewesen ist, als jede andere Verwaltung". Diese Denkschrift gegen die vielfach postulierte "Kollektivschuld" der Landräte sollte nach seinen Vorstellungen zur "Ehrenrettung der traditonsreichen badischen inneren Verwaltung" beitragen und damit auch eine "Erleichterung der Lage der noch nicht entnazifizierten Kollegen" herbeiführen.18 15

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Präs. LBB - Abt. Innere Verwaltung - (gez. Dr. Unser) an Präs. LBB, 20.2.51 (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 5.289/1). STAF, NL Wohleb, Nr. 26 (4 Ms.-Seiten). Zum Werdegang des (schon vor 1933) konfessionslosen Kaufmannsohnes, der vor 1933 in die NSDAP ein- und wieder ausgetreten war, dessen planmäßige Anstellung später von der Gauleitung fast verhindert worden wäre, und der dann doch als Nachfolger Herbolds die Schlüsselstellung im unmittelbaren Umfeld des Ministers Pflaumer einnahm, siehe seine PA (GLAK, 1978/36, Nr. 1.342/1-7; 233, Nr. 24.596) sowie die Doss. des Gaupersonalamts u. des BNSDJ/NSRB (GLAK, 465c, Nr. 1.021 u. 938). Der RA und 1952-1956 FDP/DVP-MdL (Weik 1988, 145) kehrte nicht in die Verwaltung zurück, wurde aber von seiner Partei als RegPräs in Karlsruhe nominiert. Bundesverfassungsgerichtspräs. Gebhard Müller verhinderte die Berufung der schillernden Persönlichkeit am 31.7.1963 mit einem vertraulichen Brandbrief an Mdl Filbinger (HSTAS, Q 1/35, Bü. 48). Teilenbach an Domes, 29.6. u. 2.7.1947 (GLAK, NL Teilenbach, Nr. 10; Hervorheb. von mir); zur Verteilung des Memorandums siehe T. an D., 13.10. u. 16.10.1947 (ebd.). Die von Merz (1985, 19) nicht erkannte - apologetische Absicht kommt auch überdeutlich in dem publizierten Selbstzeugnis des nachmaligen Bundesverwaltungsrichters u. Rechnungshofpräs. zum Ausdruck (Tellenbach 1986). Der Aufsatz basiert im wesentlichen auf den Entlastungspapieren, die Tellenbach im Verlauf seines Spruchkammerverfahrens angefertigt hat; vgl. die umfangreichen Handakten Teilenbachs (GLAK, NL T., Nr. 7-11). Vgl. dazu u. zur Person Kap. III, mit Anm. 26.

Nachnationalsozialistische Solidargemeinschaft

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Diese Legendenbildung wurde allseits akzeptiert, und zwar vielfach wider besseres Wissen. Zusammengeschweißt wurde dieses Kartell der Exkulpatoren durch jenen übergreifenden Wiederaufbaukonsens, in dessen Mittelpunkt eben nicht die quasi-judizielle "Bewältigung" der NS-Vergangenheit, sondern die Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Alltagsprobleme nach dem "Zusammenbruch" stand.19 Schon das untergegangene NS-Regime hatte der Mitarbeit der traditionellen Funktionseliten nicht entraten mögen, und der zügige Neuaufbau schien - wie 1918/19 - selbst engagierten Vertretern der Arbeiterbewegung im Südwesten ohne den administrativen Sachverstand der einschlägigen Fachleute ganz undenkbar. Unter deren Hand gewann auch im deutschen Südwesten die Rekonstruktion zusehends konservative Züge - eine wenn schon nicht zwangsläufige, so doch folgerichtige Entwicklung, zu deren ersten und hauptsächlichen Nutznießern die kompromittierten Verwaltungseliten zählten. Und weil dem so war, hatte der größte Teil des noch dienstfähigen Personals der südwestdeutschen Innenverwaltung seine unterbrochenen Karrieren unter demokratischen Verhältnissen längst wieder fortsetzen können, als der Grundgesetzartikel 131 den aufgrund ihrer NSVergangenheit "verdrängten" Beamten die Rückkehr ermöglichte.20 Lediglich einige besonders belastete Beamte mußten bis zum Beginn der fünfziger Jahre warten, bevor auch sie sich wieder in den Kreis ihrer früheren Kollegen einreihen durften. Die Prägekraft der südwestdeutschen Verwaltungstraditionen im allgemeinen und der Zusammenhalt der höheren Beamtenschaft im besonderen wirkten weit in die Nachkriegszeit hinein. Nur vereinzelten "Quereinsteigern" wie dem langjährigen Tübinger Regierungspräsidenten Dr. Wilhelm Schöneck (geb. 1902) gelang es, über die ersten Nachkriegsjahre hinaus in der Innenverwaltung Fuß zu fassen und dort in Schlüsselpositionen einzurücken - und auch der war als württembergischer Jurist und Mitglied der Landmannschaft Ulmia keineswegs ein wirklicher "Außenseiter".21 Obwohl die Innenressorts von Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden-Württemberg über anderthalb Jahrzehnte von den beiden SPDPolitikern Fritz Ulrich und Viktor Renner geleitet wurden, konnte dort kein einziger Sozialdemokrat reüssieren. Stattdessen griffen die beiden Ressortchefs gerne auch auf die Mithilfe von schwer belasteteten Spitzenbeamten des NS-Regimes zurück, wenn nur deren FacAqualifikation den Durchschnitt überragte. Der Fürsorgespezialist Karl Mailänder etwa, welcher seine Fachkenntnisse bis 1945 auf "einem bedeutsamen Posten an der Inneren Front" dazu verwendet hatte, das 19 20

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Vgl. etwa Jesse 1987; Kielmansegg 1989; Schönhoven 1990; Dudek 1992; Frei 1995 u. 1996. Zur den gesetzlichen Grundlagen der umfassenden Rückführungsaktion siehe eingehend Wengst 1987; vgl. Eschenburg 1974, 64-94; H. Mommsen 1986, 65-79; Püttner 1987, 11241142; Garner 1993 , 769-778 sowie ders. 1995 u. 1995/96; Langhorst 1994. Detaillierte Aufstellungen über den monatlichen Stand des Rückstroms 1947/1948 siehe HSTAS, EA 11/101, Bü. 904; allgemeine Materialien dazu siehe HSTAS, EA 1/150, Bü. 920. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Ulmer Klavierbauers, der nach seinem NSDAPAustritt im November 1934 als RA in Stuttgart lebte und dort seit 1941 zur Preisüberwachungsstelle beim PolPräs dienstverpflichtet worden war, siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.534).

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

freie Wohlfahrtswesen unter die Kontrolle der NSV zu bringen, und auch in die organisatorische Durchführung der NS-Medizinverbrechen eingebunden gewesen war, wurde wegen seiner unentbehrlichen Kenntnisse bereits 1947 wieder in die Zentralleitung für Wohltätigkeit (Landesfürsorgeverband) zurückgeholt, übernahm gleichzeitig den Vorsitz des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und ging später als gefeierter "Freund der Hilfsbedürftigen" in die Annalen des Landes BadenWürttemberg ein.22 Selbst den einstmaligen Organisator der kommunalen Gleichschaltung in Württemberg, Landrat Dr. Karl Storz, dessen engste Verbindungen zur Stuttgarter Gauleitung amtsbekannt waren, ließen Renner und Ulrich trotz anfänglicher Bedenken wieder hinein, weil sie beim Wiederaufbau auf den "hochbegabte(n) Jurist(en) und sehr tüchtige(n) Verwaltungsmann von gediegenem Wesen" nicht verzichten mochten.23 Das galt auch für den badischen NS-Karrieristen Dr. August Herbold, der jahrelang als rechte Hand des Ministers Pflaumer und Mitarbeiter der Karlsruher Gauleitung die Personalpolitik des Innenressorts maßgeblich beeinflußt hatte, bis er von seinem Konkurrenten im Gaupersonalamt aus dem Feld geschlagen worden war. Beide erklommen über die Zwischenetappe des Regierungsvizepräsidenten in Tübingen und Karlsruhe als Präsident der Württembergischen Gebäudebrandversicherungsanstalt beziehungsweise des Badischen Sparkassen- und Giroverbandes und der Badischen Kommunalen Landesbank die prestigeträchtigsten und bestdotierten Positionen, die ein baden-württembergischer Verwaltungsbeamter im "Ländle" erreichen konnte. Der württembergische NS-Landrat Dr. Hans Häcker brachte es bereits 1956 zum Präsidenten des Württembergischen Sparkassen- und Giroverbandes.24 Und der zwischenzeitlich nicht mehr - katholische NS-Anpasser Dr. Hans Schneider aus Südbaden, dessen Rolle in der Ostmark durchaus umstritten war und ist, wurde 1962 von seinem Landsmann Dr. Hans Filbinger als Nachfolger des verunglückten Kanzleidirektors Thierfelder auf die personalpolitische Schlüsselposition der Landesverwaltung befördert.25 22

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Erstes Zitat: Glückwunschschr. von RegDir Dallinger, Mdl an RegDir Mailänder zum 60. Geburtstag, 6.3.1943 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.108, Qu. 141). Zweites Zitat: Freund der Hilfsbedürftig«!. Zum Tode von Regierungsdirektor Mailänder (Stuttgarter Nachrichten v. 12.7.1960; Ausschnitt: ebd., Qu. 288); Kondolenzschr. Mdl Filbinger, 12.7.1960 (ebd., Qu. 282). StMin WH an StKanzlei WB, 24.1.1951 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.725, Qu. 227). Zur Nachkriegskarriere siehe Hans Häcker, 1961, 1966, 1971 u. 1976. Im Zusammenhang der Affäre um den ehemaligen Tübinger Kriminaldir. Alfons Gabrysch, der 1944/45 an Kriegsverbrechen in Jugoslawien beteiligt gewesen sein soll, sind neuerdings auch wieder Vorwürfe nicht nur gegen Schneidere Personalpolitik, sondern auch in Bezug auf seine angebliche Tätigkeit als "Judenreferent" des Innsbmcker Gauleiters Hofer erhoben worden; siehe Das Wort hat die Abgeordnete: Monika Schnaitmann, Die Grünen (Schwäbisches Tageblatt, Tübingen, 5.11.1993). Letztere Behauptung habe ich aus den mir zur Verfügung stehenden Quellen nicht verifizieren können; darüber aber, daß Schneider ein besonderer "Vertrauensmann Hofers" war, lassai der diesbezügliche Aktenbericht der Vorarlberger Landesregierung v. 1.7.1946 und die ihm beigefügt«· Polit. Beurteilungen gar keinen Zweifel (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.518). Zur Person des langjährigen baden-württ. ADACVorsitzenden siehe Kap. III, mit Anm. 145. Zur Affäre Gabrysch, in deren Kontext die gesamte Personalpolitik der fünfziger und sechziger Jahre kritisch gewürdigt worden ist, siehe

Nachnationalsozialistische Solidargemeinschaft

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So spektakulär konnten sich die Nachkriegskarrieren mangels entsprechender Positionen nicht häufig entwickeln. Doch in der Tendenz blieben Häcker, Herbold, Schneider und Storz keineswegs die einzigen, denen ihr aktives Engagement im Dienste des NS-Regimes nicht geschadet hat. Immerhin besaßen diejenigen Beamten, welche unter dem NS-Regime gelitten oder zumindest Distanz zu ihm gehalten hatten, in den fünfziger und sechziger Jahren fast doppelt so hohe Chancen, eine außerordentliche Karriere zu absolvieren wie ihre aktivistischen Kollegen (Tab. 27/28). Dr. Helmut Hillengaß etwa, im Frühjahr 1933 als Sozialdemokrat vom badischen Gauleiter Robert Wagner entlassen, amtierte seit 1945 mehr als zwei Jahrzehnte lang als Polzeidirektor in Heidelberg.26 Und der Katholik Dr. Ludwig Zimmerle, dessen Karriere zwischen 1933 und 1945 trotz bester Voraussetzungen stagniert hatte, wurde schon 1952 zum Präsidenten der Württembergischen Gebäudebrandversicherungsanstalt ernannt; von 1958 bis 1969 stand er an der Spitze der Stuttgarter Landeskreditanstalt.27 Andererseits mußte selbst ein NS-Verfolgter wie der Münsinger Landrat Richard Alber seine Laufbahn unterhalb des früheren Niveaus beenden, obwohl er 1945/46 nachdrücklich auf seine alsbaldige Rückkehr an die Spitze eines Landratsamtes gepocht hatte. 28 Und die generationenbezogene Analyse rückt das Bild weiter zurecht. In der Alterskohorte der 1900 bis 1909 geborenen Beamten nämlich, welche (fast) über die gesamte NS-Zeit hinweg im Öffentlichen Dienst gestanden hatten und nach ihrer Rückkehr zu Beginn der fünfziger Jahre für die Seniorpositionen der Innenverwaltung in Frage kamen, war der Unterschied längst nicht so ausgeprägt: Jeder vierte NS-Aktivist aus dieser Gruppe faßte nicht bloß wieder Fuß in der Verwaltung, sondern erreichte auch eine Endposition, die jenseits des normalen Karriereverlaufs lag. 29 Dieser Umstand unterstreicht nur einmal mehr die ungebrochene Beharrungskraft der traditionellen Verwaltungseliten in Südwestdeutschland 30 - aus deren Kreisen Innenminister Viktor Renner (geb. 1899), ehemaliger Landgerichtsrat und Tübinger Wingolfite, selbst stammte.31 Einzelne Kollegen allerdings wollte man beim Wiederaufbau der südwestdeutschen Verwaltung nicht mehr dabeihaben. Dazu gehörte etwa der frühere Chef der Badischen Staatskanzlei, Dr. Hermann Theobald (geb. 1888). Dieser Beamte war im Frühjahr 1933 aus der Innenverwaltung dorthin geholt worden und hatte 1940 reüssiert, nachdem sein bisheriger Chef Müller-Trefzer als Ministerialdirektor ins Innenressort gewechselt war. "Als Berufsbeamter, der ich immer war, könnte ich

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auch: Ermittlungen gegen ehemaligen SS-Offizier (Stuttgarter Ztg. v. 22.9.1993); Kriegsverbrechen vorgeworfen (Stuttgarter Nachrichten v. 24.9.1993); Neues Material für die Anklage (Stuttgarter Ztg. v. 4.10.1993); Früherer Kripochef ein Kriegsverbrecher? (RNZ, Nr. 276, 9.11.1993). Zu Hillengaß' Werdegang siehe Kap. I, mit Anm. 223 u. Kap. Π, mit Anm. 240. Zu Zimmerles Werdegang siehe Kap. Π, Anm. 43. Alber wurde 1959 als RegDir beim Landesamt für Flurbereinigung u. Siedlung pensioniert. Zur Einstufungsproblematik: siehe Einleitung, Anm. 11. Vgl. dazu allgemein Eschenburg 1974, 79-81, 89; ders. 1976, 79f.; zuletzt Gamer 1993, 1995 u. 1995/96; Morsey 1977a u. 1993 (jeweils mit weiteren Hinweisen). Zum Werdegang Renners siehe die PA des Justizmin. u. des Mdl (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.330). Zu seinem Wirken in WH siehe Wolfrum 1991, 60f., 114, 207f., 248f.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

meinen Dienst auch unter den heutigen Verhältnissen ausüben, besonders in einer unpolitischen Stellung." Mit diesen bezeichnenden Worten stellte Theobald sich bald nach seiner Entlassung wieder zur Verfügung.32 Doch Präsidialdirektor Kistner beim Landesbezirk Baden, der als Zentrumsanhänger von 1934 bis 1940 auf seine Lebenszeitanstellung hatte warten müssen, zögerte die Angelegenheit hinaus. Dabei hatte der Petent selbst zu NS-Zeiten als politisch völlig farblos beurteilt gegolten. Als der ihm offenbar persönlich unliebsame Beamte das 60. Lebensjahr überschritten hatte, schob Kistner - ganz im Gegensatz zu anderen Fällen - dessen Alter als Hemmnis einer Wiederanstellung nach vorne. Der Betriebsrat des Verwaltungsgerichtshofs Karlsruhe, dem Theobald schließlich doch zugeteilt werden sollte, spielte den Ball auf Kistner zurück: "Gegen die Person" und ihre "politische Vergangenheit" bestünden zwar "keine Bedenken", doch sollten vielleicht jüngere Bewerber zum Zuge kommen, und zudem gebe es "wegen seiner früheren politisch exponierten Stellung gewisse Bedenken" gegen einen möglichen Einsatz des Aspiranten als Vorsitzender einer Dienststrafkammer. Worauf Kistner mit der Abteilung für Innere Verwaltung übereinkam, die geplante Wiederanstellung des früheren Ministerialrats "im Hinblick auf die vom Betriebsrat vorgetragenen Bedenken" einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. 33 Entnervt bat Theobald nun um die Feststellung seiner Dienstunfähigkeit mit dem Ziel der Zurruhesetzung. Auch in Stuttgart funktionierte das kollektive Gedächtnis der höheren Beamtenschaft in ausgewählten Fällen sehr gut. So etwa, als der erwähnte NSSpitzel S. zurückkommen sollte - und wegen seiner unentbehrlichen Kenntnisse auf dem Gebiet des Haushalts- und Besoldungswesens dann auch kam. 34 Oder im Falle des Deutschen Christen Daliinger. Als der mit dem üblichen ministeriellen Glückwunschschreiben zu seinem 70. Geburtstag bedacht werden sollte, verhinderte Ministerialdirektor Fetzer dies unter ausdrücklichem Hinweis auf dessen Rolle im evangelischen Kirchenstreit und auf seinen seinerzeitigen Quereinstieg in die Innenverwaltung35. Doch das waren Ausnahmen. Im allgemeinen schloß die Solidarität der traditionellen Ruling classes selbst solche Angehörigen nicht aus, die sich direkt zu Werkzeugen der NS-Vernichtungspolitik hatten machen lassen. So wurde der ursprünglich im Nürnberger "Einsatzgruppenprozeß" zum Tode verurteilte SSStandartenführer Dr. Martin Sandberger nach seiner Entlassung als letzter Insasse 32

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Privatschr. Theobalds an RegAss Horcher, Mdl SB, 7.9.1946 (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 7.489/1, Bl. 547; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang des altkathol., später protestant. Gymnasialprofessorsohnes siehe seine PA (ebd., Nr. 7.489/1-5; 233, Nr. 29.455-29.457) sowie die Doss. des Gaupersonalamts (GLAK, 465c, Nr. 897) u. des BNSDJ/NSRB (ebd., Nr. 52); ferner Götz 1971, 107. Erstes Zitat·. Betriebsrat Verwaltungsgerichtshof an Präs. LBB, Abtlg. Innere Verwaltung, 18.4.1950 (ebd., Bl. 593). Zweites Zitas·. Präs. LBB (gez. Kistner) an Abtlg. Innere Verwaltung, 23.6.1950 (ebd., o. Pag.). Siehe dazu Kap. II, mit Anm. 281. Nicht ausgefertigtes Konzept v. Februar 1957 mit hs. Notiz Fetzers v. 12.3.1957 (HSTAS, E 151/21, Bü. 146, ohne Nr. in Qu. 115). Zur Person Daliingers siehe Kap. II, Abschnitt "Zwei Kirchenleute".

Die Ehemaligen im Südweststaat

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des Landsberger Kriegsverbrecher-Gefängnisses 1958 alsbald bei einem Stuttgarter Unternehmen untergebracht, das bis heute engste Beziehungen zur evangelischen Landeskirche unterhält.36 Der SS-Obersturmbannführer Dr. Bilfinger brachte es nach seiner Freilassung aus französischer Haft immerhin noch zum Oberverwaltungsgerichtsrat am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Und als er zu Beginn der sechziger Jahre wegen seiner NS-Vergangenheit unter öffentlichen Beschüß geriet, versuchte sein Vorgesetzter diese "Episode seines Lebens" mit dem Hinweis abzuwiegeln, "daß es sich bei Bilfmger äußerstenfalls um einen Schreibtischtäter (gehandelt" habe.37 Diese Bemerkung ist Ausdruck eben jener gruppensolidarischen Haltung, mit der sich das Gros der Juristen im Nachkriegsdeutschland gegenseitig exkulpierte: "In der Vorstellung vieler Urteile wird der NS-Staat von einer kleinen, ihr ureigenstes Programm durchsetzenden Elite beherrscht, von der sich die Massen - und zu ihnen zählen im Verständnis der Richter oftmals führende Funktionsträger des Nationalsozialismus - zum Mitmachen haben hinreißen lassen", ist diese Haltung mit Blick auf die Aburteilungen von NS-Gewaltverbrechern der Kategorie Dr. Stahlecker, Dr. Sandberger und Dr. Bilfinger treffend umrissen worden. "Gleiche Wertvorstellungen erleichtern das Verstehen zwischen Richtern und Angeklagten. Tugenden wie die des sauberen Beamten, der Pflichterßllung, der anständigen Grundhaltung, der korrekten Haltung und Amtsführung werden von den Richtern als entlastende Momente herangezogen, obwohl auch gerade diese Tugenden zur Funktionstüchtigkeit des nationalsozialistischen Systems beigetragen haben."38

Die Ehemaligen im Südweststaat Bis in die Mitte der sechziger Jahre besaß das Kontingent der Ehemaligen in der staatlichen Innenverwaltung ein erhebliches Gewicht. Dies zeigt schon ein erster Blick auf die quantitative Verteilung dieser "Veteranen" auf das Stuttgarter Innenministerium und die seinem Geschäftsbereich zugeordneten Verwaltungsgerichte sowie die vier baden-württembergischen Regierungspräsidien in Stuttgart (Nordwürttemberg), Karlsruhe (Nordbaden), Freiburg (Südbaden) und Tübingen 36

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Die Familie Sandberger war seit langem über die Tübinger Stiftsverbindung Rothenburg eng mit der Stuttgarter Unternehmerfamilie verbunden. Zu seiner Amnestierung siehe Buscher 1989, 165-169; Schwartz 1990; Herbert 1995, 171f.; Schildt 1996, 25f.; Frei 1996. Auszug aus dem Protokoll einer Befragung des Verwaltungsgerichtshofpräs, (vermutlich vor dem LT-InnenausschuB) am 9.3.1965 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 104, Qu. 156a, hier lf.). Die Angriffe kamen aus der DDR und wurden von der VVN aufgenommen; siehe Braunbuch 1965, 80, 86, Tafel 30; Stuttgarter Ztg. Nr. 56 u. Stuttgarter Nachrichten, Nr. 57 v. 9.3.1965. Das dürfte den kollegialen Zusammenhalt gefördert haben. Gleichwohl mußte Bilfinger vor dem Hintergrund der Auschwitz-Prozesse durch seine vorzeitige Pensionierung aus der Schußlinie der öffentlichen Diskussion genommen werden. Zur Person Bilfingen siehe Kap. III, mit Anm. 157. Kruse 1979, 207 (Hervoiheb. von mir).

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

(Südwürttemberg-Hohenzollern) (Tab. 37). Bei näherem Hinsehen ergibt sich allerdings ein differenzierter Befund - und zwar sowohl in institutioneller als auch in räumlicher Hinsicht.39 Zunächst zum Innenministerium des jungen Südweststaates. Dort waren im Herbst 1955 insgesamt 29 Verwaltungsjuristen tätig, deren Berufskarrieren in die Zeit vor 1945 zurückreichten. Damit stellten sie ein knappes Drittel der Ministerialbediensteten des höheren Dienstes.40 Ihr relatives Gewicht ist noch höher anzusetzen, da einige ihrer Kollegen eine technische oder medizinische Vorbildung besaßen. Fünf Jahre später hatte diese Gruppe noch kaum an Boden verloren; der eigentliche Einbruch erfolgte erst ab Mitte der sechziger Jahre - als die große Gruppe der um 1900 Geborenen binnen kurzer Zeit ausschied. An ihre Stelle traten zumeist Kollegen, die ihr Jurastudium erst Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre aufgenommen hatten. Denn die Geburtsjahrgänge von 1905 bis 1915 waren im Krieg am schwersten dezimiert worden. Der Generationenwechsel fiel deshalb besonders abrupt aus. Um 1970 war das baden-württembergische Innenressort fast vollständig in der Hand von Verwaltungsjuristen, die ihre berufliche Sozialisation während der Ära Adenauer erfahren hatten. Zuvor war der zahlenmäßige Einfluß der Ehemaligen noch dadurch qualitativ verstärkt worden, daß viele von ihnen im Laufe der beiden ersten Nachkriegsjahrzehnte als Seniorbeamte in einflußreiche Stellen der höheren Ränge einrückten. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung um 1960. Im Herbst dieses Jahres waren die Leitungspositionen des baden-württembergischen Schlüsselressorts fast durchweg mit Persönlichkeiten besetzt, die bereits vor 1945 dort oder in der südwestdeutschen Bezirksverwaltung Dienst getan hatten - voran das Führungsduo des Ministerialdirektors Dr. Max Fetzer und seines Kanzleidirektors Dr. Hermann Thierfelder. Die Rechts- und Verfassungsabteilung wurde geleitet von dem Württemberger Dr. Walter Brösamle (1903-1976), dessen Werdegang vor 1945 keinerlei Auffälligkeiten aufwies.41 Der nach wie vor besonders wichtigen Kommunalabteilung stand mit Hans Schnarrenberger (1907-1987) ein Beamter vor, welcher von 1933 bis 1935 als zweiter Mann in der Gestapo-Leitstelle Karlsruhe gewirkt hatte.42 In der badischen Polizeiverwaltung war seit 1933 auch Ernst Beyl (1903-1973) tätig gewesen; während des Krieges hatte der ehrgeizige Oberregierungsrat im Range eines SS-Obersturmbannführers die Verwaltungsabteilungen der Befehlshaber der Ordnungspolizei in Prag, Krakau, Oslo und Den Haag geleitet. Das hatte ihm zwar eine mehr als dreijährige Internierung eingebracht, doch anschließend absolvierte er eine außerordentliche Karriere, die ihn über das Personalreferat der Kanzleidirektion und die Leitung der Abteilung 39

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Die unvollständige Datengrundlage erlaubt hier keine - streng genommen - repräsentativen Aussagen, wie ich sie für den Zeitraum von 1928 bis 1945 auf der Grundlage einer Vollerhebung formulieren konnte; vgl. Einleitung, Anm. 21. Nach Angaben von Zapf (1965, 85) waren 1954 im Mdl BW 97 höhere Beamte beschäftigt. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Schneidermeisters, Mitglied der Tübinger Stiftsverbindung Luginsland, siehe die PA (HSTAS, EA 2/150, BQ. 161) u. den EV v. 26.9.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 449, Qu. 4). Siehe dazu u. zum Werdegang Schnarrenbergers unten, mit Anm. 71.

Die Ehemaligen im Südweststaat

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Straßenverkehr schließlich - als Nachfolger von Karl Starz - 1963 bis 1968 auf den Präsidentenposten bei der Württembergischen Gebäudebrandversicherungsanstalt führte. 43 Beyls Werdegang bietet nur ein weiteres Beispiel für eine Berufslaufbahn, die trotz Verstrickung in die Unrechtspolitik des NS-Regimes in administrative Schlüssel- und Spitzenpositionen des Südweststaates mündete. Im übrigen repräsentierten die Ehemaligen im Innenministerium Baden-Württemberg das ganze (politische) Verhaltensspektrum der badischen und württembergischen Beamtenschaft während der NS-Zeit.44 So arbeitete in der Veterinärabteilung jener Oberregierungsrat Dr. Karl Sautermeister (1898-1983), dem Anfang der vierziger Jahre "defaitistische Äußerungen" beinahe Kopf und Kragen gekostet hätten. 45 Ein paar Flure weiter leitete der frühere NSDAP-Kreisleiter Eugen Fiechtner (geb. 1908) - ausgerechnet - die Abteilung "Angelegenheiten des Personenkreises nach Art. 131 GG" der Hauptabteilung für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.46 Der hatte Anfang der fünfziger Jahre im Tübinger Innenministerium wieder Fuß gefaßt, war von dort Mitte 1952 in das neuerrichtete Ministerium für Heimatvertriebene und Kriegsgeschädigte Baden-Württemberg gelangt und hier bereits wenige Monate später zum Kanzleidirektor aufgerückt. Mit der Auflösung seines Hauses gelangte Fiechtner schließlich im Juni 1960 wieder in das Innenressort, wo eine Reihe weiterer "Alter Kämpfer" seinen Dienst versah. Bei der quantitativen Erfassung personeller Kontinuitäten über das Ende der NS-Herrschaft hinweg darf nicht außer acht gelassen werden, daß einige der begehrtesten Aufstiegspositionen für Spitzenkräfte der Innenverwaltung - etwa die Präsidentenposten der Gebäudebrandversicherungs- und der Landeskreditanstalten oder im Kollegium des Rechnungshofes - außerhalb ihres Geschäftsbereichs angesiedelt waren. Im übrigen rekrutierten auch andere Ressorts ihr Leitungspersonal teilweise aus deren Reihen. So wurde die Staatskanzlei von 1952 bis 1968 von Dr. Rudolf Spreng (1905-1970) geleitet. Der war 1931 in die württembergische Bezirksverwaltung eingetreten, zwei Jahre später ins Wirtschaftsministerium abgeordnet worden und 1938 als Oberregierungsrat ins Berliner Reichswirtschaftsministerium gegangen.47 Als Leiter der Kanzleidirektion stand ihm bis 1967 der Ministerialrat, dann Ministerialdirigent Dr. August Reuß (1902-1986) zur Seite. Der 43

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Vgl. oben, mit Anm. 23. Bis 1936 fühlte den Familiennamen "Beil". Zum Werdegang des katholischen (seit 1938 "gottgläubigen") Sohnes eines Hochbauassistenten der bad. Staatseisenbahnen, Mitglied (1933/34 "Führer") der Heidelberger Sängerschaft Thuringia, siehe die Nachkriegs-PA (GLAK, 233, Nr. 466, 1978/31, Nr. 605/1-3; HSTAS, EA 2/150, Bü. 96), das NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 869) sowie die NSDAP-KK u. SS-PA (BABZ); ferner demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB. Mit Blick auf die Lebensdaten eines Teils dieser Beamten muß ich darauf verzichten, deren Werdegänge hier im einzelnen nachzuzeichnen. Siehe dazu Kap. III, Anm. 35. Zum Werdegang des "Alten Kämpfers" siehe Kap. II, Anm. 330. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Oberamtspflegers u. Bgm siehe den EA v. 19.7.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.373 u. 1.514, Qu. 23), die Dienstakten des Obérants Waiblingen (STAL, F 210 Π, Bü. 216) sowie die NSDAP-KK u. den Erhebungsbogen zur Parteistatistk 1939 (BABZ); femer die Kurzbiogr. von Paul Feuchte für die BWB II (1993, Ms.).

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Tübinger Normanne hatte eine klassische Karriere in der württembergischen Innenverwaltung absolviert: 1929 war er dort eingetreten, hatte dann seit Anfang 1934 als Personalberichterstatter für den höheren Dienst dem Kanzleichef Himmel zugearbeitet, war 1936 zum Landrat in Backnang ernannt worden und schließlich 1942 als stellvertretender Leiter der Kommunalabteilung ins württembergische Innenministerium zurückgekehrt.48 Auch das Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg wurde - in wechselnder Besetzung - von einem Tandem aus dem früheren Beamtenkorps geleitet.49 Als Ministerialdirektor amtierte dort zunächst Karl Sinn (1890-1961). Das Mitglied der einflußreichen Verbindung Lichtenstein war 1921 in die württembergische Innenverwaltung gekommen, 1926 zum Polizeidirektor in Reutlingen avanciert, 1934 trotz seines NSDAP-Beitritts von diesem "politischen" Posten zum Landrat in Balingen befördert und 1939 nach Waiblingen versetzt worden.so Als sein Nachfolger amtierte von 1955 bis 1960 Dr. Wilhelm Schefold (1894-1985), der ein Jahr nach Sinn zur Innenverwaltung gestoßen war. Als Schwiegersohn des württembergischen Gesandten in der Reichshauptstadt, Angehöriger der Burschenschaft Germania und zeitweiliges Mitglied der Württembergischen Bürgerpartei (DNVP) stand dem qualifizierten Nachwuchsmann dort eine gute Karriere bevor. Im Januar 1933 zum planmäßigen Landrat in Backnang ernannt, wechselte er im März 1933 als Oberregierungsrat ins Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Schon 1934 zum Ministerialrat befördert, brachte er es dort - nach seinem späten NSDAP-Beitritt im November 1939 - Anfang der vierziger Jahre zum Unterabteilungsleiter für Handels- und Zollpolitik im Range eines Ministerialdirigenten.51 Als rechte Hand der Ministerialdirektoren Sinn und Schefold bekleidete bis Anfang 1963 deren ehemaliger Kollege, Ministerialrat Otto Meditsch (1896-1976), 48

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Die Haupt-PA des protestant. Sohnes eines ORegR habe ich nicht ermittelt; siehe aber weitere PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.336), die Dienstakten des Oberamts Waiblingen (STAL, F 210 Π, Bü. 216), den EA v. 19.10.1929 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.192, Qu. 23) u. den EV v. 31.10.1934 (ebd., Bü. 173 u. 178, Qu. 15) sowie die NSDAP-KK (BABZ); femer Schmidgall 1940, 187, Nr. 1.077; Normannia-TÜ 1951, 67, Nr. 1.078 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Auch in der baden-württ. Wirtschafts- und Finanzverwaltung vermochten einige Ehemalige der Innenverwaltung ihre Karrieren nach dem Krieg fortzusetzen. Dort indessen gelangte keiner von ihnen in administrative Spitzenpositionen. Ich gehe deshalb auf diese kleine Gruppe hier nicht näher ein. Ebenfalls außer Betracht bleibt jene Handvoll südwestdeutscher Beamter, die ihre Laufbahn in Bundesbehörden fortsetzte. Die Haupt-PA des protestant. Lehrersohnes wurden 1983 nach Freigabe durch das HSTAS im Landwirtschaftsministerium BW kassiert; siehe aber weitere PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.647; STAS, Wü 40, Bd. 2, Bü. 213), den EA v. 14.10.1927 (HSTAS, E 151/01, Bü. 418 u. 1.113) u. die StudA (UAT, 258, Nr. 17.947) sowie die NSDAP-KK (BABZ) u. die SprKA (STAL, EL 902/24, Az. 49/1/6.422); ferner Lichtenstein-TÜ 1933, 75, Nr. 258; Wilhelm 1989, 272f.; Zekora 1993, 41 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Wirken Sinns als Landrat siehe eingehend Roser 1996. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Obersten siehe seine PA (HSTAS, EA 7/150, Heft I, Anhang, ohne Bü.-Nr.) u. die NSPADP-/NSRB-KK (BABZ); ferner Germania-TÜ 1989, 137, Nr. 1.811.

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die personalpolitische Schlüsselstellung des Kanzleidirektors im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium. Als Angehöriger der Tübinger Eliteverbindung Virtembergia wie als Vorstandsmitglied des Vereins Württembergischer höherer Verwaltungsbeamter und dessen zweiter Vertreter im Beamtenbeirat beim Innen- und Wirtschaftsministerium war der seinerzeitige Regierungsrat vor 1933 prädestiniert für einen Landratsposten gewesen; zu Zuge kam er jedoch erst Ende 1935 als einer jener Enddreißiger, deren blockierte Karriereambitionen im Gefolge der NSZwangspensionierungen von 1933/34 doch noch in Erfüllung gingen.52 Dementsprechend kooperationsbereit agierte er in Böblingen. Gleichwohl geriet er nach einiger Zeit über Personalfragen mit dem ungebärdigen Kreisleiter Krohmer aneinander und wurde 1939 nach Leonberg versetzt. Am Wohnort seines Ministers Schmid wirkte Meditsch ohne Anstände bis 1945. Weniger erfolgreich war die Berufslaufbahn von Dr. Walter Kappus (19001984) unter der NS-Herrschaft verlaufen.53 Der hatte vor 1933 als DDP-Anhänger gegolten und sich stark im Bereich der Evangelischen Landeskirche engagiert. Die Ende April 1933 angeordnete Verwendung beim Oberversicherungsamt Stuttgart scheint damit zu tun gehabt zu haben, und sie verhieß nichts Gutes für seine weitere Laufbahn. Zwar eröffnete sich drei Jahre später doch noch die vage Aussicht auf ein Oberamt. Kappus indessen zog es vor, einstweilen in der "unpolitischen" Wirtschaftsverwaltung zu bleiben. Dort erlebte er als planmäßiger Oberregierungsrat beim Oberversicherungsamt den Zusammenbruch des NS-Regimes. Bald danach gewann seine Karriere an Dynamik. Im Dezember 1945 kam er ins Stuttgarter Landwirtschaftsministerium, 1949 wurde er dort zum Regierungsdirektor, 1953 zum Ministerialrat und Abteilungsleiter für Umlegung und Siedlung (Flurbereinigung) und landwirtschaftlichen Wasserbau befördert. Von diesem Posten ging Kappus 1965 als Ministerialdirigent in den Ruhestand. Dorthin folgte ihm ein Jahr später Dr. Robert Molfenter (geb. 1901). 1935 hatte er das - von seinem Kollegen Schefold und anderen verschmähte - Oberamt Oberndorf übernommen, war damit allerdings nicht froh geworden. Alsbald in heftige Auseinandersetzungen mit dem örtlichen NSDAP-Kreisleiter verwickelt, wurde er zunächst ins Technische Landesamt beordert und bald darauf zum Oberregierungsrat in der Landwirtschaftsabteilung des Wirtschaftsministeriums ernannt. 1946 kehrte er zurück, avancierte in den frühen fünfziger Jahren zum 52

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Zuvor hatte Meditsch bereits - wie andere Kollegen auch - das unattraktive Oberamt Oberadorf ausgeschlagen; siehe den Mdl-AV (gez. Himmel) v. 7.4.1934 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.513). Die Haupt-PA des protestant. Kaufimannsohnes wurden 1983 nach Freigabe durch das HSTAS im Landwirtschaftsministerium BW kassiert; siehe aber weitere PA (HSTAS, EA 2/150, BQ. 1.130), eine Bewerberliste v. 1925 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1113) u. den EA v. 4.2.1933 (ebd., Bü. 1.531, Qu. 14) sowie seine StudA (UAT, 258, Nr. 12.199) u. SprKA (STAL, EL 902/14, Αζ. 29/6/III/168 - Β 5.030/47); Wemigeroder Schwarzer Ring 1935, 292 u. meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Fabrikdirektors siehe die Rest-PA des Mdl (HSTAS, EA 151/21, Bü. 480) u. die Nachkriegs-PA des Landwirtschaftsministeriums (HSTAS, EA 7/150, Anhang, ohne Bü.-Nr.). Eine Verbindungsmitgliedschaft habe ich nicht ermittelt.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Präsidenten des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württemberg und ging als solcher Ende 1966 in Pension.54 Was diese Beamten miteinander verband, war nicht etwa ein spezifisches politisches Verhaltensprofil während der NS-Zeit, sondern zuvörderst ihre gemeinsame Herkunft aus der württembergischen Innenverwaltung. An deren festgefügtem Korpsgeist scheiterten zunächst die meisten Versuche ihrer badischen Kollegen, im Stuttgarter Regierungsapparat des neuen Südweststaats zu reüssieren. Ende der fünfziger Jahre begann sich das allmählich zu ändern. Vor allem innerhalb der dominierenden Regierungspartei CDU wurde nun stärker als bisher darauf gesehen, daß die administrativen Spitzenpositionen im Regierungsapparat analog zu ihrem eigenen System des Regional- und Konfessionsproporzes besetzt wurden. So rückte der südbadische Katholik Dr. Hans Filbinger (CDU) im Dezember 1958 als Staatsrat in das erste Kabinett Kiesinger ein; nach dem Ausscheiden der Sozialdemokraten aus der bisherigen Allparteienkoalition übernahm er im Juni 1960 für sechs Jahre die politische Leitung des Innenministeriums. Im Oktober 1958 hatte der nordwürttembergische Protestant Dr. Gerhard Starz (CDU) das Kultusministerium von seinem südwürttembergischen Parteifreund Simpfendörfer übernommen. Sein Haus galt als evangelische Hochburg.55 Deshalb wurde als zweiter Mann ein Katholik gesucht, der möglichst aus dem aktuell unterrepräsentierten Nordbaden kommen, zugleich aber intime Kenntnisse der Stuttgarter Regierungsverwaltung mitbringen sollte. Franz Gantert (1904-1973) erfüllte alle drei Anforderungen. Der gebürtige Freiburger und Alte Herr der dortigen CV-Verbindung Hercynia hatte 1933 als frischgebackener Justizassessor von jenem Einstellungsschub profitiert, den auch die badische NS-Regierung nach ihrer Machtübernahme alsbald ausgelöst hatte.56 Allerdings mußte er bald erkennen, daß die Altersstruktur der badischen Innenverwaltung - vor allem nach den Stellenverlusten im Zuge der Kreisreform - Nachwuchsleuten seiner Generation kaum Aufstiegsperspektiven ließ, sofern sie nicht zur raren Spezies der "Alten Kämpfer" gehörten. Für einen ehemaligen katholischen Korporationsstudenten wie ihn galt dieses ernüchternde Erkenntnis allemal. Angesichts dessen nahm Gantert seine im Oktober 1939 erfolgte Abordnung zum Reichsstatthalter in Posen (Warthegau) schon bald als Chance wahr, an der Verwaltungsfront im Osten jene Stufen der Karriereleiter zu erklimmen, welche daheim noch auf absehbare Zeit von den zehn Jahre älteren Kollegen der

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Siehe dazu und zum Werdegang Molfenters. Kap. II, mit Anm. 355. Adam 1978b, 285. Zur Person des Gymnasiallehrers aus Schwäbisch Hall, Mittelpunkt eines ökumenisch ausgerichteten Kreises protestantischer Theologen, siehe Sproll 1978, 75; Weik 1988, 69f., 73f., 271, 278, 280. Zum Werdegang des Sohnes eines Obertelegrapheninspektors, der vor seinem Studium eine Banklehre absolviert hatte, siehe die Haupt-PA (HSTAS, EA 3/152 I, Zug. Aug. 1992, noch ohne Bü.-Nr.), weitere PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 2137/1-3), den Mdl-EV v. 8.6.1935 mit diversen Anlagen (GLAK, 236, Nr. 29.273) u. das NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 807) sowie NSDAP-Aufnahmeantrag/-KK u. SA-PA (BABZ) u. die SprKA (GLAK, 465a, Az. 64/66/4.297); ferner CV 1931, 268 u. demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB.

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Frontkämpfer-Generation besetzt sein würden.57 Da er keinerlei Anstrengungen unternahm, dies von Karlsruhe aus verhindern zu lassen, wurde Gantert 1941 nach Posen versetzt und dort kurz nach seiner Einberufung zum Kriegsdienst im Herbst 1942 zum Oberregierungsrat ernannt. Nach seiner Rückkehr aus französischer Kriegsgefangenschaft fünf Jahre später kam der ehemalige Kollege rasch wieder in der (nord)badischen Innenverwaltung unter. Anfang 1953 wurde Gantert in das baden-württembergische Innenministerium entsandt, wo er einige Jahre lang als Berichterstatter für die Personalangelegenheiten des höheren Dienstes in der Kanzleidirektion eine der wenigen Schlüsselpositionen innehatte, welche zu dieser Zeit in badischen Händen lagen. Mitte 1957 wurde der bestens beurteilte Beamte zum Regierungsvizepräsidenten in Karlsruhe ernannt, und nicht einmal zwei Jahre später kehrte er als Ministerialdirektor des Kultusministeriums nach Stuttgart zurück. Dieses Ressort, dem das Gros der Landesbeamten unterstand, verwaltete einen Kernbereich der Länderhoheit; vor dem Hintergund von "Bildungsnotstand" und Bildungsreform gewann es in den sechziger Jahren zusätzliches Gewicht im Rahmen der Landespolitik. Gerade in diesem unruhigen Jahrzehnt nahm also ein Beamter maßgeblichen Einfluß auf die Politik der südwestdeutschen Kultusverwaltung, der seine professionelle Sozialisation unter NS-Auspizien im traditionellen Geist der badischen Innenverwaltung erfahren hatte. Unter dem richterlichen Personal der baden-württembergischen Verwaltungsgerichte fanden sich zu Beginn der sechziger Jahre auffallend viele Ehemalige mit einem mehr oder minder scharf akzentuierten NS-Profd. Das war eine Folge ihrer ambivalenten Rolle innerhalb der Staatsverwaltung. Zwar genoß die Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade in Südwestdeutschland traditionell ein hohes Ansehen; andererseits hatte sie auch dort seit jeher zur Lösung von mancherlei Abschiebefällen herhalten müssen. Während der NS-Zeit galt dies in verstärktem Maße; zugleich ramponierte der Funktionsverlust dieser traditionsreichen Institution ihr Renommee innerhalb und außerhalb der Beamtenschaft weiter.58 Auf der normativen Ebene kehrte sich diese Entwicklung im Zeichen der Restitution des Rechtsstaates seit 1945 wieder um. An Attraktivität für qualifizierte Karrierebeamte der Innenverwaltung gewannen die Verwaltungsgerichte damit aber keineswegs - nicht zuletzt, weil es dort an Aufrückungsmöglichkeiten fehlte.59

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Zur administrativen Entwicklung in den Reichsgauen Danzig-Westpreußen und Wartheland, die Nachwuchsleuten besonders gute Aufstiegsmöglichkeiten eröffnete, siehe Broszat 1961; Majer 1993; Rebentisch 1985a, 756f.; ders. 1989a, 163-188. Das Bedauern darüber kommt selbst in der Festschrift Verwaltungsgerichtsbarkeit Württemberg 1978 mehrfach kaum verhohlen zum Ausdruck. Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden vgl. Rapp 1963. Zur Entwicklung während der NS-Zeit siehe allgemein Kohl 1991; femer Kirchberg 1982 u. 1981-1983 (Baden); Fachet 1989 (Württ.). Diese Misere brachte der Präs. des Verwaltungsgerichts Karlsruhe am 30.9.1953 gegenüber dem Mdl BW besonders unverblümt auf den Punkt: "Infolge der wenig befriedigenden Gehalts- und Beförderungsverhältnisse kann nicht erwartet werden, daß sich aus dem Kreis der Verwaltungsbeamten die besonders befähigten und strebsamen Persönlichkeiten um die Stelle eines Verwaltungsgerichtsrats bewerben. Die Ergebnisse der bisherigen Stellenausschreibungen lassen erkennen, daß sich in erster Linie solche Persönlichkeiten bewerben, die noch nicht

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So blieb die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem Zweiten Weltkrieg das, was sie jahrzehntelang immer auch gewesen war: ein bevorzugter Unterbringungsort für der Praxis nicht (mehr) voll gewachsene, nur unzureichend in die maßgeblichen Netzwerke der regionalen Innenverwaltung eingebundene oder politisch belastete Verwaltungsjuristen. Letztere gab es nach dem Ende des NS-Staates reichlich, und im Zeichen des Art. 131 GG mußte auch für sie eine angemessene Wiederverwendung arrangiert werden. Am deutlichsten prägten solche Zwänge die personelle Zusammensetzung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts. Von den vier dort im Herbst 1960 tätigen Verwaltungsgerichtsdirektoren stammten zwei aus der württembergischen Innenverwaltung. Dr. Friedrich Pflieger (geb. 1905) war jedoch bereits Anfang 1937, knapp drei Jahre nach seiner Einstellung, in das Ressort des Kultministers Mergenthaler abgeordnet worden. 1938 wurde er dorthin als Hauptberichterstatter im Kunst- und Theaterreferat versetzt und 1943 zum Oberregierungsrat befördert - allerdings in Abwesenheit, denn wie die meisten Kollegen seiner Generation war Pflieger von August 1939 bis Oktober 1946 ununterbrochen im Kriegseinsatz bzw. in Gefangenschaft. Angesichts dieses Werdegangs60 vermochte er nach dem Krieg nicht vom Korpsgeist der Innenverwaltung zu profitieren, zumal er keiner Tübinger Verbindung angehörte. Beides galt ebenso für seinen Richterkollegen Dr. Walter Ritter (1902-1968). Der war bereits wenige Monate nach seinem Eintritt in die Bezirksverwaltung Anfang 1929 als Berichterstatter für die Fachschulen zum Landesgewerbeamt abgeordnet worden. Von dort wurde er unmittelbar nach der NSMachtübernahme Mitte März 1933 als Hilfsberichterstatter für Personalsachen in die Kanzleidirektion des Innenministeriums geholt.61 NSDAP-Mitglied war Ritter zu dieser Zeit noch nicht. Möglicherweise wurde er auf Empfehlung jenes Oberkirchenrats Dallinger ausgewählt, der sich gleichzeitig anschickte, die Evangelische Landeskirche im Zusammenwirken mit der Stuttgarter NS-Führung unter die Kontrolle der Deutschen Christen zu bringen.62 Jedenfalls bewährte sich Nicht-Pg. Ritter bei der Organisation des NS-Personalrevirements so gut, daß er Anfang

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wieder im Staatsdienst Verwendung gefunden haben." (HSTAS, EA 2/150, Bü. 829, PA Mdl BW, Qu. 14). Pßiegers Haupt-PA sind im September 1944 mit der gesamten Personalregistratur des württ. Kultministeriums nach einem Luftangriff verbrannt. Zum Werdegang des protestant. Bäckermeistersohnes siehe aber seine Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.275), eine Bewerberliste v. 3.6.1936 (HSTAS, E 151/01, Bü. 414) u. die NSDAP-KK (BABZ). Ausweislich seines Fotos gehörte der 1931 in Erlangen promovierte Jurist einer schlagenden Verbindung an. Ritters Haupt-PA sind lt. Auskunft des Mdl WB an die Spruchkammer Stuttgart v. 7.11.1946 in den Nachkriegs-PA während des Krieges "verbrannt" (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.358, Qu. 2). Es liegt die Vermutung nahe, dafi dies auf die gleiche Weise bewerkstelligt wurde wie etwa im Falle seines Vorgesetzten, StS Waldmann (Kap. II, Anm. 57). Zum Werdegang Ritters siehe femer den Mdl-EV v. 15.11.1933 (HSTAS, E 151/01, Bü. 177, Qu. 140) u. die NSDAP-KK (BABZ). Eine Korporationsmitgliedschaft habe ich nicht ermittelt. Dallinger hatte bereits auf die Einstellung und die Verwendung Ritters Einfluß genommen; vgl. ein Sehr, des Mdl-Kanzleidir. an Oberkirchenrat D. v. 13.12.1928 (HSTAS, E 151/01, Bü. 1.125). Zu dessen Rolle im württ. Kirchenkampf 1933/34 siehe Kap. II, Abschnitt "Zwei Kirchenleute".

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1934 zum Verwaltungsstab des Reichsstatthalters Murr abgeordnet wurde. Als rechte Hand des Staatssekretärs Waldmann wirkte er hier - unterbrochen nur von einem dreijährigen Einsatz als Militärverwaltungsrat im Osten 1941 bis 1944 maßgeblich daran mit, die NS-Personalpolitik in Württemberg zu koordinieren. Ein steiler Aufstieg war der Lohn: 1941 wurde der Kollaborateur zum Regierungsdirektor ernannt, nur ein Jahr später folgte die Beförderung zum Ministerialrat. Beide Stellen stammten aus dem knappen Kontingent der Innenverwaltung - was das Solidaritätsgefühl seiner dortigen Kollegen über 194S hinaus schwerlich gestärkt hat. Andererseits ging es nicht an, den Sohn eines früheren Oberamtmanns umstandslos fallenzulassen. Und so gedachte die Kanzleidirektion des Innenressorts dem kompromittierten Kollegen im November 1946 allen Ernstes zu bescheinigen, er habe dort 1933 "seinen Dienst stets unparteiisch, gerecht und sachlich versehen". Allerdings desavouierte Ritters NS-Karriere diesen "Persilschein" derart offenkundig, daß man davon - "nach Rücksprache" mit dem Rechtsanwalt des Betroffenen - schließlich doch abrückte.63 Erst drei Jahre später wurde Ritter beim Verwaltungsgericht Stuttgart wieder in den Landesdienst aufgenommen, als dessen Präsident er 1967 in den Ruhestand ging. Unter den zwölf Verwaltungsgerichtsräten, die dort 1960 tätig waren, befanden sich vier Ehemalige. Einer davon war Heinrich Witter (1899-1965), ehemals Regierungsrat beim Regierungspräsidenten in Sigmaringen.64 Das ehemalige DDPMitglied war in den dreißiger Jahren in Merseburg kaltgestellt und 1939 nach Hohenzollern abgeschoben worden. Als preußischer Außenseiter konnte er sich im Schwabenland auch nach dem Krieg keine Hoffnungen auf einen Karrierefortschritt machen.65 Nachdem er einige Jahre lang am Landratsamt Sigmaringen zugebracht hatte, wurde der Regierungsrat 1953 in die Verwaltungsgerichtsbarkeit abgeschoben. 24 Jahre nach seiner planmäßigen Anstellung und drei Jahre vor seiner Pensionierung erlebte er in Stuttgart seine erste und einzige Beförderung. Drei weitere Mitglieder des Stuttgarter Richterkollegiums der Jahrgänge 1911 und 1914 waren Ende der dreißiger/Anfang der vierziger Jahre als "Alte Kämpfer" der NSDAP in die württembergische Innenverwaltung eingetreten, hatten dort allerdings nach Kriegsbeginn kaum noch Dienst leisten können.66 Unter den fünf Ehemaligen, die 1960 am Mannheimer Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Recht sprachen, waren ebenfalls frühere NS-Kollaborateure: Senatspräsident Karl Stiefel (1902-1973) hatte als eilfertiger Anpasser 1939 die letzte freie Landratsstelle in Baden für sich ergattert; Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Bilfinger (geb. 1903) war zunächst im Württembergischen Politischen Landespolizeiamt, dann als Mitglied des Reichssicherheitshauptamts an vorderster 63

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Gestrichener Mdl-Eintrag auf dem Arbeitsblatt für die Spruchkammer Stuttgart v. 7.11.1946 (oben, Anm. 61). Zum Werdegang siehe Kap. II, Anm. 120. Vgl. oben, Anm. 5. Es handelte sich dabei um drei protestant. Kaufmannsöhne, allesamt gebürtige Württemberger. Der jüngste von ihnen, Mitglied der Tübinger Burschenschaft Normannia, gehörte zur Gruppe jener jungen NS-Aktivisten, deren Weg sie von der HJ über die NSDAP und den NSDStB zur SS und zum SD gefühlt hatte; vgl. dazu Kap. III, mit Anm. 158.

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Front in die Unrechtspolitik des NS-Regimes involviert gewesen.67 Unter die Rubrik NS-Aktivisten fallen auch zwei ihrer drei früheren Kollegen, die inzwischen am Verwaltungsgericht Karlsruhe untergekommen waren. Einer von ihnen, Verwaltungsgerichtsrat Hellmut Kärcher (geb. 1904), war unmittelbár nach der Machtübernahme des Reichskommissars Robert Wagner in Karlsruhe als Assessor zum kommissarischen Leiter der Politischen Polizei im Badischen Landespolizeiamt ernannt worden. In dieser Funktion wirkte er maßgeblich an der gewaltsamen Zerschlagung jener Arbeiterorganisationen mit, deren materielle Hinterlassenschaft er seit Anfang August 1933 als sogenannter "Treuhänder des Landes Baden für das marxistische Vermögen" plündern half. 68 Im Zwielicht des Maßnahmenstaates verlor der Nachwuchsjurist nun aber die Orientierung. Nach kurzer Zeit gelangte er zur der Überzeugung, bei diesem Raubzug persönlich nicht leer ausgehen zu dürfen - was seine Lebenszeitanstellung immerhin um sieben Jahre verzögerte. Um seine Rehabilitation besorgt, ließ Kärcher während dieser langen Zeit im Polizeiverwaltungsdienst keine Gelegenheit aus, sich als besonders loyaler Diener des NS-Staates zu profilieren. Mit Erfolg. Nur wenige Monate nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit schlug ihn Karlsruhe als neuen Polizeidirektor in Heidelberg vor. Der Reichsführer SS gab alsbald sein grundsätzliches Plazet, schon Mitte Februar 1943 übernahm Kärcher den "politischen" Posten und Anfang 1944 wurde er planmäßig ernannt. Auch wohlwollende Kollegen mußten später einräumen, daß sich Kärcher in dieser Funktion "nicht gerade vorbildlich benommen" habe, "als das Dritte Reich in den letzten Zügen lag".69 Die ganzen Umstände dieser NS-Karriere stellten den Korpsgeist der badischen Innenverwaltung auf eine harte Probe. Doch letzten Endes wurde auch Kärcher zurück ins Boot geholfen. Dabei konnte der frühere Gestapo-Mann nicht einmal einen Rechtsanspruch gemäß Art. 131 GG geltend machen.70 Gleichwohl nahm sich schließlich ein alter Kollege seiner Sache an. Hans Schnarrenberger (19071987) hatte im August 1933 die Nachfolge Kärchers als Stellvertreter des Karlsruher Gestapo-Chefs Berckmüller angetreten. Nach seinem Mitte 1935 erfolgten Wechsel ins Innenministerium war der höchstqualifizierte Beamte bald zum stellvertretenden Leiter der Polizeiabteilung und Ausbildungsleiter für die Regierungsreferendare aufgestiegen und 1939 zum Oberregierungsrat befördert worden. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Kirchenfeindschaft des NS-Regimes 67

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Zur Person Stiefels und den Umständen seiner Ernennung zum LR siehe Kap. II, mit Anm. 318. Zum Weidegang Bilfingers siehe Kap. ΠΙ, mit Anm. 157. Schadt 1976, 303. Die Haupt-PA des protestant., später "gottgläubigen" Sohnes eines Karlsruher Architektur-Professors sind im Januar 1944 verloren gegangen; siehe aber zu seinem Werdegang weitere PA (GLAK, 233, Nr. 24.620), die Nachkriegs-PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 3.671; HSTAS, EA 2/150, Bü. 818) u. den Mdl-EV v. 12.3.1934 (GLAK 233, Nr. 24.449; GLAK, 236, Nr. 29.272) sowie die NSDAP-KK u. SA-PA (BABZ). So der ehemalige Personalreferent im bad. Mdl, Carl Domes, in einem Bittschreiben an MinDir Dr. Fetzer im Mdl WB v. 23.3.1956 (HSTAS, EA 2/150, Bü. 818, Qu. 28). Zur schillernden Persönlichkeit dieses Petenten siehe oben, mit Anm. 17f. BVG-Urteil, 1957. Zur Rückkehr vieler Gestapo-Leute in den öffentlichen Dienst während der fünfziger Jahre siehe Paul 1995.

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war Schnarrenberger innerlich wohl zusehends auf Distanz zu dessen Politik gegangen, hatte indessen seine Dienstaufgaben im Ministerium, seit 1942 auch beim Straßburger Chef der Zivilverwaltung im Elsaß bis 1945 ohne Tadel erfüllt. Angesichts dessen mußte er länger als die Masse seiner früheren Kollegen auf seine Rückkehr in die nordbadische Landesbezirksdirektion des Innern warten. Seit Anfang 1950 kam er jedoch wiederum zügig voran.71 Nachdem Kärcher im November 1951 ein Wiederverwendungsgesuch an den Präsidenten des Landesbezirks gerichtet hatte, räumte Schnarrenberger beharrlich die massiven Bedenken aus, welche dagegen innerhalb seiner Behörde, vor allem aber vom Chef wie vom Betriebsrat des Landratsamts Karlsruhe geäußert wurden. Im Juli 1952 konnte er den einstigen Kollegen dort als Angestellten unterbringen; 1955 durfte der nunmehrige Regierungsrat auf Widerruf eine Aushilfsstelle beim örtlichen Verwaltungsgericht angetreten; 1956 wurde er hier ein zweites Mal Lebenszeitbeamter. Als Kärcher Anfang der sechziger Jahre auch zum nebenamtlichen Beisitzer der Dienststrafkammer Karlsruhe und der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Karlsruhe bestellt wurde, durfte er seine persönliche Vergangenheit endgültig als "bewältigt" ansehen. Ende 1969 ging der frühere NSKollaborateur als Verwaltungsgerichtsdirektor in den Ruhestand. Die baden-württembergische Verwaltungsgerichtsbarkeit der ersten Nachkriegsjahrzehnte geriete allerdings in ein schiefes Licht, wenn sie lediglich als Refugium personeller Altlasten der NS-Zeit porträtiert würde. Immerhin gingen aus ihr auch Persönlichkeiten wie Dr. Walter Fürst hervor.72 Fest im Milieu des südbadischen Verbandskatholizismus verankert, hatte sich der Lehrersohn während der kurzen Zeit seines aktiven Dienstes in der badischen Bezirksverwaltung 1938/39 unauffällig verhalten, bevor er zur Wehrmacht einberufen wurde. Wenige Monate nach seiner Abordnung zum Verwaltungsgericht(shof) Freiburg übernahm Fürst Ende 1949 dessen Vorsitz. Im Frühjahr 1953 wurde er zum Bundesrichter am Bundesverwaltungsgericht in Berlin ernannt, seit 1956 stand er dort an der Spitze des VI. 71

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Seit 1953 leitete Schnarrenberger als MinR die Kommunalabtlg. des Mdl BW, 1961 ging er als Regierungsvizepräs. nach Freiburg und 1966-1972 war er Präs. der Bad. Gebäudebrandversicherungsanstalt. Daneben führte er den Vorsitz des Vereins der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes BW. Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Direktors des Bad. Geologischen Landesamtes, 1922-1933 Mitglied des Jungnationalen Bundes/Großdeutschen Jugendbundes, Angehöriger (1933/34 Vorsitzender) der Freiburger Altherrenvereinigung Albingia (Verbindung Schwarzwald) und bis 1933 VHVB-Vorstandsmitglied, siehe die PA (GLAK, 466, 1979/2, Nr. 6.492/1-3), den Mdl-EV v. 24.4.1939 (GLAK, 236, Nr. 29.262) u. die Gaupersonalamts- u. NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 1.331 u. 442) sowie die NSDAPKK u. SS-PA (BABZ); ferner Schadt 1976, 35 u. demnächst meine Kurzbiogr. in den BWB. Zum Werdegang des Sohnes eines Gymnasialprofessors, Mitglied des kathol. Jugendverbandes Neudeutschland (siehe dazu Kap. I, mit Anm. 184) und der Freiburger KV-Verbindung Germania-Hohentwiel, siehe die PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 414; GLAK, 233, Nr. 24.605 u. 466, 1979/2, Nr. 2.417), das NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 400) sowie die NSDAP-KK (BABZ) u. die EntnazA incl. Doss. des Gaupersonalamts (STAF, D 180/2, Nr. 164.042); ferner Bidder 1976; Fromme 1976; Meyer-Hentschel 1980; Walter Fürst 1980a u. 1980b; Munzinger-Archiv/Internationales Biographisches Archiv, Lieferung 36/80, 6.9.1980; Kürschners Dt. Gelehrtenkalender, 1992, 937; ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst in den BWB.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Senats (Öffentliches Dienstrecht) und von 1976 bis Anfang 1980 amtierte er als Bundesverwaltungsgerichtspräsident. Nachfolger Fürsts in Freiburg wurde Dr. Hans Arnold. Der hatte im Juni 1933 als junger Regierungsrat den lukrativen Bürgermeisterposten in Bruchsal übernommen, war jedoch schon im Juli 1934 wieder in die Innenverwaltung zurückgekehrt. Über die politischen Hintergründe berichtete zwei Jahre später jener Kreisleiter Epp, der auch dem Landrat Gustav Bechtold von Beginn an das Leben schwer gemacht hatte, dem Gaupersonalamt: Obwohl er selbst und die Ratsherren - "alle alte Parteigenossen" - sich unablässig bemüht hätten, "auf ihn erzieherisch einzuwirken, um insbesondere in personeller Hinsicht der Stadtverwaltung ein nat.soz. Gepräge zu geben", sei es unter Arnolds "Amtsführung nicht möglich" gewesen, "einen Nationalsozialisten in eine leitende Stellung zu bringen". Schließlich habe er in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Bürgermeisters dessen Urlaub dafür nutzen müssen, Arnolds "nächste(n) Vertrauten", den Verwaltungsdirektor - "ein ausgesprochener Judenfreund und Sozialdemokrat" - zu entfernen und zuverlässige Parteigenossen als Ratschreiber und Rechnungsrat einzusetzen. Auch nach diesem Eklat habe Arnold keinerlei Kooperationsbereitschaft gezeigt. Deshalb bestärkte der Kreisleiter seine Gauleitung energisch darin, ihn keinesfalls für irgendeine Führungsposition in Aussicht zu nehmen.73 Arnolds Karriere war damit praktisch ruiniert. Anfang 1937 wurde der eigensinnige Beamte ins Reichswirtschaftsministerium nach Berlin abgeschoben. In der Reichshauptstadt geriet der kaltgestellte Oberregierungsrat unversehends in Kontakt zu historischen Geschehnissen. Seit 1940 wohnte Arnold nämlich in demselben Mietshaus wie der frühere christliche Gewerkschaftsführer und Zentrumspolitiker Jakob Kaiser. Im Sommer 1946 bescheinigte ihm der nunmehrige CDU-Vorsitzende für die SBZ, daß er seinen Hausgenossen aufgrund gelegentlicher Gespräche Zeit ihrer Bekanntschaft als "Gegner der Partei" eingestuft habe. Das war keine "Persilschein-Lyrik". Denn Kaiser ging ins Detail: Nachdem ihre Wohnung im Februar 1944 ausgebombt worden sei, habe Arnold Kaisers Lebensgefährtin Dr. Elfriede Nebgen und ihn selbst bei sich aufgenommen. Während der folgenden Monate hätten dann in Arnolds Wohnung "stets die Zusammenkünfte eines großen Teils des engeren zivilen Führungskreises der Männer des 20. Juli [...] (Goerdeler, Leuschner, Habermann, Wirmer, Letterhaus, von Hassell, Bonhoefer u.a.)" stattgefunden. Wiewohl der Beamte durchweg außer Haus gewesen sei, habe er zweifelsohne Kenntnis von diesen konspirativen Treffen gehabt, ohne jemals "ein Wort darüber zu verlieren". Mehr noch: Als sich Nebgen und Kaiser nach dem gescheiterten Hitler-Attentat in ein Versteck abgesetzt hätten, 73

Polit. Beurteilung v. 19.11.1936 u. Personalblatt für Beamte der NSDAP-Gauleitung v. 20.3.1936; siehe das Doss. des Gaupersonalamts in den EntnazA (STAF, D 180/2, Nr. 197.211). Arnolds Haupt-PA sind während des Krieges in Berlin verloren gegangen. Zum Werdegang des Chemikersohnes, für den ich keine Mitgliedschaft in einer Korporation ermittelt habe, siehe aber die Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 16) u. den EA v. 7.1.1932 (GLAK, 233, Nr. 24.449) sowie die NSDAP-Unterlagen (BABZ) u. die Braunschweiger SprKA (NSTW, 3 Nds. 16.757); ferner Götz 1971, 61. Zum Konflikt des KreisL Epp mit LR Bechtold siehe Kap. III, mit Anm. 41.

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sei es wiederum Arnold gewesen, "der in loyaler Weise unser gesamtes Hab und Gut vor den Zugriffen der Gestapo gerettet" habe.74 In den vier südwestdeutschen Regierungspräsidien boten sich die personellen Verhältnisse 1960 ähnlich dar wie auf der Ministerialebene. Allerdings waren hier jene Ehemaligen stärker vertreten, die sich dem NS-Regime mehr oder minder aktivistisch angedient hatten. Insonderheit galt das für die beiden württembergischen Mittelbehörden in Stuttgart und Tübingen. So standen beim Regierungspräsidenten in Tübingen immerhin vier "Alte Kämpfer" der NSDAP an der Spitze wichtiger Referate. Paul Sonntag (geb. 1900), der 1939 auf Weisung der Partei in Bayern eine Landratstelle erhalten hatte, war nun für Staatsangehörigkeitsrecht und Personenstandswesen verantwortlich.75 Und mit Dr. Georg Werner (geb. 1908) leitete bis in die frühen siebziger Jahre einer der jungen NS-Aktivisten die Kommunalabteilung, welche in den dreißiger Jahren über ihr Engagement im NSDStB auch zum SD gekommen waren.76 Dazu gehörte ebenfalls der frühere Vorsitzende des NSDAP-Kreisgerichts Stuttgart, Willy Paulus (geb. 1909). Der nunmehrige Referatsleiter für Städtebau und Raumordnung stieg am Ende seiner wechselvollen Karriere 1972 bis 1974 zum Direktor der Abteilung Innere Verwaltung des Tübinger Regierungspräsidiums auf. 77 In Nordwürttemberg wurden ebenfalls vier zentrale Referate von Beamten der Geburtsjahrgänge 1905 bis 1909 geleitet, die sich in den dreißiger Jahren als "dienstlich und nationalsozialistisch bewährte Anwärter" - so die einschlägige Standardformel in den Ernennungsvorschlägen dieser Zeit - besonders hervorgetan hatten. Dr. Helmut Westphal (geb. 1905) etwa war schon Ende 1932 zur NSDAP gestoßen und hatte sich später als Gaugruppenführer Jungjuristen im NSRB auch außerhalb des Dienstes politisch exponiert.78 Ein drei Jahre jüngerer Kollege war 74

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CDU - Der Vorsitzende - (gez. Jakob Kaiser), Berlin, 21.8.1946: Erklärung für das Spruchkammerverfahren Dr. Hans Arnold (HSTAS, EA 2/150, Bü. 16, Qu. 11). Dazu u. zur Person Sonntags siehe Kap. II, mit Anm. 333. Der protestant, (später "gottgläubige") Sohn eines Chemikers u. ORegRs war 1930 in den NSDStB und 1931 in die NSDAP eingetreten und hatte sich dort alsbald als Propagandaredner betätigt; 1937/38 gehörte der NSRB-Gaugruppenwalter Junge Rechtswahrer als Gaustellenleiter der Gauleitung Württ.-Hohenzollem an; zu seinem Werdegang siehe den Mdl-EV v. 6.3.1939 (HSTAS, E 151/01, Bü. 451) u. die SS-PA (BABZ). Zu der genannten Gruppe vgl. Kap. III, mit Anm. 1511T. Im übrigen stand mit Max Hämmerte (geb. 1910) auch an der Spitze der Karlsruher Kommunalaufsicht ein ausgesprochener NS-Aktivist, der sich seit 1930 als Parteiredner betätigt hatte, seit Mitte der dreißiger Jahre hauptamtlich im bad. Gauamt für Beamte tätig gewesen war und zu Beginn der vierziger Jahre als ORegR in die Verwaltungs- u. Polizeiabteilung des CdZ im Elsaß geschleust worden war. Zum Werdegang des kathol. (dann "gottgläubigen") Bgm-Sohnes, Mitglied der Turnerschaften Alemannia-Würzburg u. Brandenburgia-Berlin, siehe die PA der Gauleitung (GLAK, 465d, Nr. 250). Der protestant. Sohn eines Kellners, geboren in Frankfurt am Main, hatte 1929/30 die Tübinger Hochschulgmppe der DVP geführt und war Ende 1930 zur NSDAP übergelaufen. Zu seinem Werdegang siehe den Mdl-EV v. 28.12.1938 (HSTAS, E 151/01, Bü. 451) u. die OPG-PA (BABZ). Der vierte Referatsleiter, ein 1904 geb. Mitglied der Tübinger CVVerbindung Cheruskia, hatte sich 1932 der NSDAP angeschlossen. Zu Westphals Wirken als NSRB-Funktionär siehe etwa die Versammlungsberichte Richtige Auswahl junger Juristen (NS-Kurier, Nr. 21, 15.1.1934, 3) u. Jurist und Nationalsozialismus (ebd., Nr. 90, 23.2.1934, 4); ferner die Vorbemerkung der Mdl-Kanzleidir. auf einem Sehr.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

vor und nach seiner Einstellung längere Zeit beim SD in Berlin und im Münchener "Braunen Haus" tätig gewesen. Der Chef der Stuttgarter Präsidialstelle, Otto Wilderer (geb. 1902), wußte darum nur zu gut. Schließlich hatte der Leitende Regierungsdirektor zwischen 1936 und 1945 alle diese Ernennungsvorschläge als Berichterstatter für Personalsachen in der Kanzleidirektion des württembergischen Innenressorts selbst konzipiert. Nachdem sein Vorgesetzter, Ministerialrat Himmel, Anfang 1937 zugunsten des NSDAP-Gauamtsleiters Stümpfig abgeschoben worden war, "blieb wenigstens auf Himmels Rat Oberregierungsrat Wilderer als 'rechte Hand' des neuen Kanzleidirektors, was sich dahin auswirkte, daß kein völliger Bruch mit der bisherigen Ära eintrat." In bezeichnenden Wendungen beschrieb ein früherer Kollege die ambivalente Rolle des einstmaligen DNVP-Sympathisanten.79 Dessen intime Personalkenntnisse der Innenverwaltung waren nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes für die neue Spitze des Hauses ebenfalls unverzichtbar. So remonstrierte der Landesdirektor des Innern, Fritz Ulrich (SPD), am 29. August 1945 bei OMGUS Württemberg-Baden gegen die befohlene Entlassung vor allem auch dieses Beamten, weil ihm Wilderer eine ganz "unentbehrliche Hilfe" bei der Neuorganisation seines Geschäftsbereichs sei.80 Zwar konnten Wilderer und seine Mit-Pg.s 1945/46 gleichwohl nicht gehalten werden. Als aber die personelle Restauration der Landesverwaltungen Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre voll in Gang kam, waren die ehemaligen Personalreferenten fast vollzählig wieder zur Stelle. Im Januar 1949 hatte der Landtag von Württemberg-Baden noch beschlossen, daß frühere NS-"Mitläufer" zumindest nicht in diesem sensiblen Bereich wiederverwendet werden sollten. Doch bereits 1952 wurde Wilderer, der über die Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückgekommen war, im Stuttgarter Regierungspräsidium die Leitung der Kanzleidirektion übertragen. Gleichzeitig avancierte in Karlsruhe der langjährige Personalreferent des badischen Innenministers, Dr. August Herbold (1905-1976), zum Chef der Abteilung Allgemeine und Innere Verwaltung und zum Ständigen

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an das NSDAP-Gaugericht v. 8.6.1935 (HSTAS, E 151/21, Bü. 588). Zum Werdegang des protestant. Sohnes eines Konditormeisteis, der 1943 als ORegR in die Kultverwaltung des MinPräs Mergenthaler wechselte, siehe die dortigen Rest-PA (HSTAS, EA 3/150 I, Bü. 101), die fragmentarische Nachkriegs-PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.871), die Dienstakten des Oberamts Waiblingen (STAL, F 210 Π, Bü. 216), dm EV v. 3.6.1936 (HSTAS, E 151/01, Bü. 414) u. die NSDAP-KK (BABZ). Eine Verbindungsmitgliedschaft Westphals habe ich nicht ermittelt; zwei seiner hier erwähnten Kollegen hingegen gehörten der renommierten Tübinger Burschenschaft Roigel an. Erklärung des seinerzeitigen Leiters der Mdl-Kommunalabtlg. Reihling für das Spruchkammerverfahren Gustav Himmels v. 9.7.1947 (STAL, EL 902/20, Az. 37/5/11.672; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang des protestant. Revisorsohnes Wilderer, Mitglied der Tübinger Tumerschaft Palatia, siehe die PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.884), den EV v. 26.9.1938 (HSTAS, E 151/01, Bü. 150) u. die NSDAP-KK (BABZ). Zum Wechsel von Himmel auf Stümpfig siehe Kap. II, mit Anm. P25ff. In diesem Sehr, relativierte der spätere Mdl im übrigen auch in typischer Weise die "rein formale Parteizugehörigkeit" der meisten Beamten während der NS-Herrschaft (HSTAS, E 151/21, Bü. 261; HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.884, Qu. 111).

Die Ehemaligen im Südweststaat

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Stellvertreter des Regierungspräsidenten.81 Und in Tübingen übernahm mit Karl August Zeller (1898-1974) ein seit jeher weit rechtsstehender Burschenschaftler die Leitung des Personalreferats bei der Präsidialstelle des Regierungspräsidenten, der 1933 auf Wunsch der NSDAP-Kreisleitung zum Landrat in Herrenberg bestellt, allerdings 1937 zur LVA abgeschoben worden war. 82 Im Bereich der Ober- und Mittelbehörden spielten mithin schon bald nach dem "Zusammenbruch" von 1945 frühere Angehörige der südwestdeutschen Innenverwaltungen wieder maßgebliche Rollen. Auf der Spitzenebene der Bezirksverwaltung hingegen scheinen bereits die Jahre 1945 bis 1948 einen scharfen Kontinuitätsbruch gebracht zu haben - zumindest auf den ersten Blick. Denn unter den 1945/46 von den Besatzungsbehörden zunächst selbst, dann unter ihrer direkten Aufsicht eingesetzten Landräten in Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollem findet sich nur ein einziger, der bereits in der NS-Zeit amtiert hatte: Dr. Franz Schühly (1887-1961), während seiner früheren Tätigkeit in Säckingen von der NSDAP als verkappter Zentrumsmann beargwöhnt, auch nachdem er sich 1938 zum Parteibeitritt entschlossen hatte, verwaltete bis 1953 den Landkreis Freiburg. 83 Später wurden noch drei ehemalige Oberamtsvorstände im Gebiet des Landesbezirks Württemberg von den zuständigen Kreisgremien zu Landräten gewählt: Dr. Hermann Ebner (früher Heidenheim, nun 1948 bis 1960 Ludwigsburg), Fritz Geißler (früher Tübingen, nun 1949 bis 1955 Calw) und Dr. Fritz Wanner (1896-1963; früher Mergentheim, nun 1955 bis 1963 Calw). 84 Diese geringe Quote indessen besagt noch nicht viel - stand doch, vor allem im ehemaligen Baden, ein erheblicher Teil der bisherigen Amtsinhaber Ende der vierziger Jahre allein schon aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung (vgl. Tab. 1). Für sie sprangen nun diejenigen Regierungsräte ein, die wohl auch sonst bei dem fälligen Generationenwechsel nachgerückt wären. Von den 1947 bis 1949 vereidigten Landräten stellten sie bereits wieder nahezu jeden vierten, und von den 1950 bis 1955 - der Restaurationsphase nach dem Ende der eigentlichen Besatzungszeit - berufenen Kollegen sogar jeden zweiten (Tab. 35). Zahlenmäßig und vor allem relativ stellte dabei Südbaden das größte Kontingent. Neben Franz Schühly wurde bis zum Inkrafttreten der baden-württembergischen Landkreisordnung vom 10. Oktober 1955 zehn Regierungsräten aus der Innenverwaltung des untergegangenen Landes Baden die Leitung eines Landratsamts übertragen. Damit befand sich die südbadische Bezirksverwaltung fest in der Hand von Ehemaligen darunter auch Alte Kämpfer wie Minister Pflaumers rechte Hand, der nachmalige 81 82 83

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Zur Person des früheren NS-Aktivisten siehe Kap. II, Abschnitt "Jagdszenen", mit Anm. 259. Zur Person Zellers siehe Kap. I, mit Anm. 112. Zum Werdegang des Bruders von Dr. Alfred Schühly siehe seine PA (HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.563) sowie das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 933) u. die EntnazA mit NSUnterlagen (STAF, D 180/2, Nr. 12.032); femer meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zum Werdegang Wanners, protestant. Sohn eines Gymnasialprofessors, Angehöriger der Tübinger Stuttgardia und 1919-1930 DVP-Mitglied, siehe seine PA (STAS, Wü 42, Bd. 20, Bü. 80/81; HSTAS, EA 2/150, Bü. 1.830); ferner meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996. Zur Person Ebners siehe Kap. Q, mit Anm. 345. Zur Person Geißlers siehe Kap. III, mit Anm. 125.

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IV. Die südwestdeutsche Innenverwaltung bis zum Ende der Nachkriegszeit

Polizeipräsident Wehrle85 -, während in ganz Württemberg-Baden neben den drei genannten Landräten nur fünf vormalige Regierungsräte an die Spitze einer Kreisverwaltung gewählt wurden. Und auch im französisch besetzten WürttembergHohenzollern, wo die Landräte wie in Baden bis 1955 staatlich ernannt wurden, kamen lediglich zwei ihrer einstmaligen Kollegen zum Zuge. Angesichts dieser Zahlen darf von einem sehr beträchtlichen Einfluß deijenigen Beamten in Baden-Württemberg gesprochen werden, welche die ersten Etappen ihrer Berufskarriere während der NS-Zeit hinter sich gebracht hatten. Allerdings liefert das Verhalten der deutschen (Verwaltungs-)Juristen in den vorausgegangenen Jahrzehnten Belege zuhauf für den sozialbiographischen Erfahrungssatz, "daß auch dieselben Leute zu verschiedenen Zeiten nicht dieselben sind".86 Durch das Schlagwort "Renazifizierung" wird die personelle Kontinuität der Innenverwaltung mithin nicht angemessen beschrieben.87 Gleichwohl dürfen die Ehemaligen nicht außer acht gelassen werden, wenn über die Konsequenzen diskutiert wird, welche die politische Zäsur von 1945 für die administrativen Funktionseliten in (Süd-)Westdeutschland und für ihre Rolle in der zweiten Republik gehabt hat. Denn erstens stellten sie immerhin über zwei Jahrzehnte hinweg einen nennenswerten Anteil der leitenden Beamten der Innenverwaltung und der Kreisverwaltungschefs in Baden-Württemberg; zweitens rekrutierten sich gerade aus ihren Reihen führende Repräsentanten der südwestdeutschen Landkreise wie deren früherer Präsident Ludwig Seiterich88 und Schlüsselbeamte der Staatsbehörden; drittens entstammten sie mehrheitlich den Geburtsjahrgängen 1900 bis 1909 (Tab. 36) - jener Alterskohorte also, die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre, als der zentralisierten Nachwuchsrekrutierung des Reichsinnenministeriums unter Aufsicht des Stellvertreters des Führers besonders strenge Auswahlkriterien zugrunde lagen, als Führungsreserve ein- und planmäßig angestellt worden war. Bis in die frühen siebziger Jahre hinein repräsentierte diese Gruppe unübersehbar das Element der personellen Kontinuität der südwestdeutschen Landes- und Kreisverwaltung weit über die vermeintliche "Stunde Null" hinweg.

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Zu dessen Werdegang siehe Kap. II, mit Anm. 186 u. 213. Dahrendorf 196S, 280; vgl. ebd., 278. Vgl. in diesem Sinne, wenn auch längst nicht so brilliant formuliert, Grotkopp 1992, 276. Dieser "oberflächliche KampfbegrifT" der fünfziger Jahre (Henke 1992, 53; vgl. schon Bauer 1947) ist erst unlängst wieder als Titel für eine ansonsten beachtliche Studie (Godau-Schüttke 1993) verwendet worden, obwohl er den Blick allzu sehr auf formale Einstufungskriterien wie die NSDAP-Mitgliedschaft lenkt; Langhorst (1994, 182f.) verwendet ihn ebenfalls, obwohl er darauf selbst hinweist. Zum Werdegang des LRs von Waldshut (1949-1954) u. Konstanz (bis 1968), Sohn des ehemaligen GroBherzoglichen Hofkutschers und Angehöriger des kathol. Studentenvereins UnitasFreiburg, siehe seine Haupt-PA (HSTAS, EA 2/150, Nr. 1.624) u. weitere PA (GLAK, 233, Nr. 24.649; 466, 1979/2, Nr. 6.961) sowie das BNSDJ/NSRB-Doss. (GLAK, 465c, Nr. 596) u. die EntnazA mit NS-Unterlagen (STAF, D 180/2, Nr. 69.179); ferner Reiff 1968; Schaude 1968; Götz 1971, 102f. u. 1979/80; außerdem meine Kurzbiogr., in: Amtsvorsteher 1996 u. demnächst den BWB.

Resümee "Eine einmal voll durchgefiihrte Bürokratie gehört zu den am schwersten zu zertrümmernden sozialen Gebilden. " "Es war überhaupt ein charakteristisches Merkmal in der politischen Haltung des Betroffenen, daß er es in geschickter Weise verstanden hat, sich unter Ausnutzung der aus den Machtkämpfen zwischen den verschiedenen Instanzen und Parteistellen sich ergebenden Lage auf die Seite der gemäßigten Richtung zu schlagen, dabei aber den Anschein des Nationalsozialisten zu wahren. *1

Widerstand gegen das NS-Regime haben die administrativen Eliten Südwestdeutschlands nicht geleistet - weder aktiv noch passiv. Samt und sonders akademisch geschulte Juristen, verwalteten sie stattdessen auch die UnrechtsçoMûk des totalitären "Maßnahmenstaates" mit professioneller Routine. Darüber kann die Unzahl jener Konflikte mit Repräsentanten der Staatspartei nicht hinwegtäuschen, deren monotone Schilderungen nach 1945 die Personal- und Spruchkammerakten anschwellen ließen. Denn die hatten ihren Ursprung fast durchweg in systemimmanenten Rivalitäten, welche nicht einfach über den Leisten "Dualismus von Staat und Partei" geschlagen oder unter der Rubrik "NS-Polykratie" abgebucht werden können. Vielmehr waren sie nicht zuletzt auch Ausdruck von Friktionen, wie sie in jedem Lehrbuch der Organisationssoziologie beschrieben werden, das nicht bloß - unter trivialisierendem Rückgriff auf den Idealtypus Max Webers - ein rein instrumentelles Bürokratieverständnis kolportiert. Diese Konflikte sind also zunächst einmal kein Spezifikum der NS-Zeit, sondern ein epochenübergreifendes Merkmal bürokratischer Herrschaft. Allerdings traten sie zwischen 1933 und 1945 gehäuft auf. Erstens, weil die neuen Machteliten mit der Demontage des Rechts- und Verfassungsstaats zusehends auch die institutionellen Spielregeln solcher Auseinandersetzungen sistierten.2 Und zweitens, weil die höhere Beamtenschaft - wie die katholische Kirche, die Verbindungen und andere überkommene Institutionen trotz weitreichender Übereinstimmung mit und aller Loyalität gegenüber dem NSRegime allzeit bestrebt war, den Status einer herausgehobenen, teilautonomen

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Erstes Zitat·. Max Weber (1976, 569; vgl. ebd., 835). Zweites Zitat: Spruch, mit dem die Tübinger Spruchkammer den früheren Sigmaringer LR Dr. Seifert am 19.10.1950 zum wiederholten Male als "Mitläufer" deklarierte. "Er hat so trotz der gegen ihn von einzelnen Stellai gerichteten Angriffe immer wieder Schutz und Hilfe bei [...] nicht gewalttätigen Nationalsozialisten [...] gefunden." (STAS, Wü 13, Nr. 1.931, Aζ. 13/C/3.204). Vgl. Caplan 1988, 137f.

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Resümee

Schlüsselgruppe der deutschen Gesellschaft zu bewahren.3 Diese Rangeleien und Reibereien indessen stellten zu keiner Zeit den Fortbestand des NS-Regimes in Frage - nicht in Berlin und schon gar nicht in der südwestdeutschen Provinz. Auf der Suche nach empirischen Belegen für die Selbststilisierung der Beamtenschaft zum Bollwerk der Rechtsstaatlichkeit im Reich der NS-Usurpatoren hat sich bei mir je länger desto mehr ein beherrschender Eindruck verfestigt: Die Verwaltungsleute waren auch in Baden und Württemberg mit wenigen Ausnahmen zuerst und vor allem darauf aus, nach der Devise "Aushalten und Durchkommen"4 ihre individuellen Karrieren und ihre korporative Identität möglichst unversehrt in das "Dritte Reich" hinein und über die zeitlich unbestimmte NS-Herrschaft hinweg zu retten. Manche führte das ungebremste Karrierestreben auf den Pfad der - teils auch: verbrecherischen - Kollaboration, andere hielten aus unterschiedlichen Motiven Distanz zur NSDAP und nahmen dafür gewisse berufliche Nachteile in Kauf - existentielle Gefährdungen waren damit nicht verbunden. Die weit überwiegende Mehrzahl der höheren Beamtenschaft indessen übte sich - je jünger, desto intensiver - in politischer Mndeifanpassung und uneingeschränkter dienstlicher Loyalität.5 Im Kompetenzenwirrwarr der NS-Polykraüe ließ es sich mit diesem Niedrigprofil individuell wie als Gruppe ganz gut überwintern, und in den auf diese Weise geschaffenen Freiräumen mag auch die eine oder andere gute Tat geschehen sein. Außerdem sorgte dieses kollektive Selbstbehauptungslavieren dafür, daß jenes Bild einer monolithischen Gewaltherrschaft über eine atomisierte, bis in die letzten Winkel kontrollierte, indoktrinierte und im Bedarfsfall terrorisierte Gesellschaft, wie es die klassische Totalitarismustheorie der fünfziger Jahre gezeichnet hat,6 nur ein Idealtypus geblieben ist - zum Nutzen des zweiten demokratischen Versuchs auf deutschem Boden, der eben nicht auf einer institutionellen tabula rasa aufbauen mußte. Doch zunächst einmal wurde damit ein unverzichtbarer Beitrag zur alltäglichen Funktionsfähigkeit eines Herrschaftsgefüges geleistet, des3

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In Anbetracht der Bedeutung, welche die Korporationen für die Sozialisation und Kooptation des höheren Verwaltungspersonals vor allem in Württemberg besessen haben, sei dazu hier die treffende Selbsteinschätzung einer Heidelberger Burschenschaft angeführt: "Diese Oppositionshaltung ist kaum aus einer grundsätzlichen Gegnerschaft gegenüber dem Nationalsozialismus zu erklären, sondern entsprang dem Wunsch nach Erhöhung der traditionellen Bünder. [...] Es würde den Tatsachrai widersprechen, wenn man aus den Ereignissen vom 30. Januar 1933 bis zur Gründung der NS-Kameradschaften unter Scheel [1936] so etwas wie einen 'Widerstand' gegen den Nationalsozialismus ableiten wollte." (Allemannia-HD 1981, 198; Hervorheb. von mir). Zur "Defensiv-", "Abschottungs- und Immunisierungsstrategie" der katholischen Kirche siehe nunmehr für vieles die aufschluBreiche Fallstudie von Breuer 1992, hier 368, 374; zur partiellen Resistenz des katholischen Milieus siehe zuletzt dal Forschungsbericht von Rauh-Kühne 1996. Auch das Verhalten der technischen Eliten ist jüngst wieder als Mischung aus professioneller Selbstbehauptung und politischer Anpassung charakterisiert worden (Wölker 1994, bes. 200f.). Lüdtke 1991, 575. Vgl. (für die preuB. Rheinprovinz) Romeyk 1989, 146f. Zur Entwicklung der Totalitarismustheorie siehe für vieles Friedrich 1957; Arendt 1955; Hildebrand 1968; Jänicke 1971; Seidel/Jenkner 1974; Schlangen 1976; Funke 1978; Totalitarismus und Faschismus 1980; Kershaw 1994, 41-81.

Resümee

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sen Dynamik sich umso ungehemmter auf immer neue "Feinde" in Deutschland und in der Welt entladen konnte.7 Ohne Frage hat mancher Verwaltungsmann hier und da auch versucht, individuelle Auswirkungen der Gleichschaltungs- und Repressions-, Ausgrenzungs- und Vernichtungspolitik durch bürokratische Finessen abzumildern oder gar zu konterkarieren. Am ehesten noch, wenn es gegen die Kirchen ging, mit denen die Beamtenschaft vor allem in Württemberg seit jeher im traditionellen Elitenkartell aufs engste vernetzt war. Doch prinzipiellen Widerspruch gegen die alltägliche Zersetzung des Normenstaates meldete niemand an, und gegen die Kriegs- und Vernichtungsorgien des NS-Regimes wandten sich nur zwei Beamte in Baden und Württemberg. Der eine mußte fliehen, der andere kam vor den Volksgerichtshof. Die Kollegen schauten betreten zur Seite und rechtfertigten ihr Anpassungsverhalten, erfüllt von "moralische(m) Subjektivismus", vor sich und anderen mit den oftgehörten Argument, "stets das Bessere gewollt zu haben".8 Fünf Jahre nach dem Krieg brachte der ehemalige Landrat von Hechingen die Lebenslüge seines Berufsstandes und dessen Präferenzen nochmals auf den Punkt: "Wir dürfen auch ohne Überheblichkeit für uns in Anspruch nehmen, in all den 22 Jahren unter den verschiedensten Ministern verschiedener politischer Richtungen nur der Sache unserer Verwaltung und der Bevölkerung gedient zu haben." Man beachte die Reihenfolge der Ziele, welche mit dem Verbleiben im Amt verfolgt wurden. Dafür lieferte der Beamte des untergegangenen Preußen im übrigen die Standardrechtfertigung in klassischen Wendungen: "Die Kreisleiter wären recht froh gewesen, wenn sie die ihnen lästigen Landräte mit ihren Hemmungen, Bedenken und bürokratischen Einwänden los gehabt hätten und an ihre Stellen 'Kreaturen' ihrer Richtung hätten setzen können. Die uns Landräten anvertraute Bevölkerung des Kreises aber hätte eine solche Haltung niemals gebilligt und verstanden, sondern als Verrat und Feigheit betrachtet. Tatsächlich wären sie damals ihres letzten Schutzes gegen die Willkür der Partei beraubt gewesen."9 Über diesen (Selbst-)Gerechten steht nun aber geschrieben: "Auf Befehl der Außendienststelle der Geheimen Staatspolizei sollte der Landrat noch in der Nacht [vom 9. auf den 10. November 1938; M.R.] die Verhaftung von 15 'tunlichst reiche(n) Juden' anordnen. Die Wahl fiel auf sieben Hechinger und acht Haigerlocher Juden. Der Vgl. Herz 1946, 702; Gerstenberger 1987, lOOf.; Lüdtke 1991, 581f.; Matzerath 1992, bes. 212-214. H. Mommsen hat die Ambivalenz dieser Rolle auf den Punkt gebracht: "Zweifellos hat das Beamtentum als Ganzes entscheidend zur Stabilisierung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems beigetragen;" doch "bis zum Untergang des Dritten Reiches blieb das Beamtentum, ständig in seinem politischen Einfluß geschmälert und seiner Rechtsgarantien faktisch beraubt, Gegenkraft zu den radikalen Tendenzen der NS-Bewegung und auf den Staat, nicht die NSDAP orientiert" (1966, 123; Hervorheb. von mir). So Jacobsen 198S (1995), 182 (lSSf.) über die deutschen Diplomaten. Zu deren Verhalten "zwischen Selbstbehauptung und Anpassung" vgl. Döscher 1987, 67-77. Erklärung des LR a.D. Paul Schraermeyer für das Spruchkammerverfahren seines früheren Sigmaringer Kollegen Dr. Robert Seifert, 8.10.1950 (STAS, Wü. 13, Nr. 1.931, Az. 13/C/3.204; Hervorheb. von mir). Zum Werdegang der beiden LRe siehe Kap. Π, mit Anm. 300. Zur exkulpatorischen Unterscheidung in gute ("gemäßigte") und böse ("gewalttätige") Nazis siehe allgemein Henke 1992, 56, 62; vgl. für Württemberg R. Müller 1988, 110.

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Resümee

Landrat zog die für die Verhaftung in Hechingen benötigten Gendarmen auf dem Rathaus zusammen und gab dort [...] die für die Durchführung der Verhaftungen erforderlichen Weisungen."10 Unter dem Strich bestätigt die Rolle, welche die administrativen Eliten in Baden und Württemberg 1933 bis 1945 gespielt haben, den Lehrsatz eines hochrangigen Nachkriegsbeamten, der die NS-Zeit im Dienst der bayerischen Innenverwaltung erlebt hatte: "Man muß den Anfingen wehren. [...] Ist eine Diktatur erst einmal zustande gekommen, so kann die Verwaltung sie trotz allen Strebens nach Gerechtigkeit und Sachlichkeit am wenigsten wieder beseitigen."11 Ungeachtet des apologetischen Untertones ist dem im Tenor beizupflichten, vor allem was die Versäumnisse vor 1933 betrifft. Allerdings ist selbst das Streben nach Sachlichkeit und erst recht nach Gerechtigkeit in dieser Zeit keineswegs von allen Beamten zum kategorischen Imperativ ihrer Dienstauffassung erhoben worden.12 Verantwortlich dafür waren die mannigfachen Anknüpfungspunkte zwischen den Einstellungen der obrigkeitsstaatlichen Beamten, der Weimarer Studentenschaft und der NS-Ideologie,13 in erster Linie aber das Glaubensbekenntnis der administrativen Funktionseliten: Staat - Pflicht - Treue. Die württembergische Beamtenschaft hatte sich, eingebettet in die feingesponnen Netzwerke der schwäbischen Ehrbarkeit, durch ausgefeilte Initiationsriten und Kooptationsprozeduren ihren esprit de corps bis ins 20. Jahrhundert bewahren können, ohne deshalb zu einer sozial hermetisch abgeschlossenen Kaste zu degenerieren. Was das etatistisch-gouvernementale Selbstverständnis anbelangte, stand ihr die badische Verwaltungselite trotz größerer Heterogenität um kaum etwas nach. Allerdings schien sie eher gewillt und in der Lage, sich dauerhaft auf die Gegebenheiten der parlamentarisch-pluralistischen Republik einzustellen als ihr württembergisches 10

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Werner 1980, 144 (Hervorheb. von mir); vgl. ders. 1987, 207. Wegen "rechtlich selbständiger Handlungen [...] gelegentlich des Abtransports der Haigerlocher Juden nach dem Osten" 1941/42 erhob die Hechinger Staatsanwaltschaft am 14.4.1947 Anklage gegen Schraermeyer. Vom Landgericht Hechingen wurde er zu einer mehljährigen Haftstrafe verurteilt. Nach der Aufhebung dieses Urteils durch das OLG Tübingen sprach ihn das Landgericht Tübingen mit der Begründung frei, daß er "den Juden in den Zeiten der Demütigung [!] Trost und moralisch«! Halt verliehen habe"; siehe die Anklageschrift u. den Säuberungsbescheid der Tübinger Spruchkammer v. 3.8.1949 (STAS, Wü 42, Bd. 60, Nr. 88); vgl. Sauter 1970. Dazu hatte nicht zuletzt eine Reihe von Stellungnahmen ehemaliger Kollegen (einschließlich des 1944 suspendierten und geflohenen Richard Alber) beigetragen, in denen die Rechtfertigungsideologie und der ungebrochene Korpsgeist der württ. Innenverwaltung komprimiert zum Ausdruck kommen (ebd.). Zur Beteiligung der Landräte Württembergs und Hohenzollerns an den Judendeportationen der Jahre 1941/42 siehe zuletzt Brammer 199S. Hofmann 1982, 22. Der Autor war Leitender MinDir in der Verwaltung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Vgl. in diesem Sinne (bezogen auf die Justiz) auch Rüthers 1988, 209-211. Aus Erfahrung skeptisch auch, was ein Mitglied des "Freiburger Kreises" dazu mit Blick auf eine andere Gruppe bad. Staatsdiener bemerkt hat: "Wer das Dritte Reich als beamteter Professor überlebt hat, der hat vieles geschluckt, was einst als unerträglich galt und dabei geheuchelt. Wohl ihm, wenn er nicht um des eigenen Vorteils willen geheuchelt hat, sondern in höherer Verantwortung, [...] um gegen Verlogenheit und Verbrechertum zu wirken." (Dietze 1960, 103) Zu diesem "Spektrum habitueller Konformität" (Lüdtke 1991, 575) vgl. bes. pointiert H. Mommsen 1984.

Resümee

261

Pendant, das seit 1918/19 hinter der Fassade vermeintlicher "Neutralität" in nationalkonservativ-rechtskatholischer Distanz zum Volksstaat von Weimar verharrte. Doch genauer besehen bietet das Verhalten der badischen Beamtenschaft nur einen weiteren Beleg für jenen strukturellen Opportunismus, den die Verwaltungselite auf den traditionellen obrigkeitsstaatlichen Sozialisationsetappen: (kleinbürgerliche Familie - höhere Schule - Reserveoffiziersausbildung Korporation - Referendariat und Ássessorat mit den habitualisierten Topoi "Pflicht" und "Treue" zu überhöhen gelernt hatte.14 Denn in Baden hatte man es eben mit einer anderen politischen Führung zu tun, und die entscheidenden Phasen einer Beamtenkarriere waren zu kurz, um dem nicht gebührend Rechnung zu tragen - solange jedenfalls, wie die Autorität des Koalitionskabinetts parlamentarisch abgestützt und gesellschaftlich akzeptiert wurde. Als diese Voraussetzungen zu Beginn der dreißiger Jahre immer sichtbarer schwanden, begannen prompt auch im badischen Verwaltungsapparat die republikanischen Loyalitäten aufzuweichen. Aus dieser generationenlang internalisierten Haltung entsprang die Fähigkeit der höheren Beamtenschaft, sich ohne großes Zögern in den Dienst politischer Regime ganz unterschiedlichen Charakters zu stellen. Und das machte sie neben ihren speziellen Fertigkeiten für die neuen Machteliten jeweils so unentbehrlich: "Sie wurde(n) einfach gebraucht",15 und sie standen zur Verfügung - unter der Bedingung, ihre korporative Integrität unangetastet zu lassen. Diese Zusage ñel den politisch Verantwortlichen umso leichter, weil sie - in Württemberg durchweg, in Baden in zunehmendem Maße - dem gleichen bildungsbürgerlichen Milieu entstammten wie die beamteten Staatsdiener. Und selbst diejenigen Minister, auf welche das nicht zutraf, vermochten sich deren kultureller Hegemonie kaum einmal zu entziehen. Das galt in mancherlei Hinsicht auch für die sozialdemokratischen Arbeiterführer,16 deren Organisationen im übrigen zu den vehementen 14

15

16

Borch (1954, VII) porträtiert die Bürokratie gar als "Erbin einer jahrtausendealten Gehorsamshaltung [...], die eine Widerstandshaltung abzuschließen scheint". Fatalerweise sei sie doch grundsätzlich "fast (der) einzige Ort, an dem der freiheitsfeindlichen Usurpation der rechtmäßigen Staatsgewalt entgegengetreten werden" könne (Hervorheb. von mir). Letzteres bestreiten übrigens Caplan 1981, 181f. u. Rüthers 1988, 211 ganz dezidiert. Eschenburg 1976, 70; vgl. für die NS-Zeit Gerstenberger 1987, 102; vgl. allgemein Stumpf 1982, 479. "Ich sträubte mich innerlich dagegen, mit meinem bescheidenen Wissen den alten, geschulten Beamten als Chef vorgesetzt zu weiden", begründete Wilhelm Keil (1948 II, 82; Hervorheb. von mir) seine Weigenmg vom 9.11.1918, das Amt des württ. MinPiäs zu übernehmen. Vgl. auch den bemerkenswerten Versuch des bad. SPD-Mdl, sich durch einfühlsame Kurzbiogr. seiner Amtsvorgänger seit 1808 demonstrativ in die Kontinuität der Großherzoglichen Beamtrai-Minister zu stellen (Remmele 1925, 179-191). Auf die gerne empfangenen Ehrenpromotionen wurde bereits hingewiesen (Kap. I, mit Anm. 152). Vgl. auch das Glückwunschschr. des Mdl von WH u. BW, Renner (SPD), an den ehemaligen Leiter seiner Tübinger Polizeiabtlg., Gottlob Haug, v. 25.5.1956: "Ich denke hierbei an die ausgezeichneten Dienste, die Sie dem Lande in wichtigen Stellungen geleistet haben, insbesondere an unsere Zusammenarbeit im Innenministerium des früheren Landes Württ.-Hohenzollern, die mir eine wertvolle Bereicherung meiner Kenntnisse und Erfahrung in der Verwaltung gebracht hat, wofitr ich Ihnen stets dankbar bin." (HSTAS, EA 2/150, Bü. 636, Qu. 197; Hervorheb. von

262

Resümee

Verfechtern eben jener Fachleute-Ideologie gehörte, mit der das Berufsbeamtentum seit jeher seine exklusive Stellung nahe den Schalthebeln der Macht zu legitimieren verstand. Auch während der NS-Zeit waren die maßgeblichen Personen selbst auf das engste mit dem Verwaltungsmilieu verbunden. Diese etatistischgouvernementalen Verhaltensdispositionen verstärkten sich im Laufe ihrer Regierungstätigkeit - ohne daß ihr nationalsozialistisches Profil darunter merklich gelitten hätte. So haben die administrativen Eliten die drei großen Umbrüche des politischen Systems in Deutschland 1918/19, 1933 und 1945 personell beinahe unbeschadet überstanden. Namentlich das traditionelle Elitenkartell der württembergischen Ehrbarkeit hat seine enorme Beharrungskraft über die NS-Zeit hinweg bis in die Gegenwart hinein unter Beweis gestellt. Gerade auch in Südwestdeutschland folgte der administrativen Zusammenbruchskrise der Jahre 1945 bis 1947 ein Jahrzehnt der personellen Rekonstruktion überkommener bürokratischer Strukturen, in dessen Verlauf selbst überdurchschnittlich belastete Beamte, die in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts geboren worden waren, aufs neue zu außerordentlichen Karrieren ansetzen konnten. Der Korpsgeist der alten badischen und württembergischen Verwaltungen war eben nicht bloß eine rituell beschworene Schimäre. 1 7 D i e überkommenen Seilschaften funktionierten noch, und kaum jemand wurde von der Leiter gestoßen, weil er sich bis 1945 politisch kompromittiert hatte. 18

17

18

mir). Diese von den üblichen Wendungen abweichenden Sätze hat der vormalige Landgerichtsrat Rainer persönlich in das Konzept eingefügt. Zur Person Haugs siehe Kap. II, mit Anm. 62. Vgl. das Eingangszitat von Kap. ΙΠ. Selbst jener Kollaborateur Gustav Himmel, der 1933 maßgeblich daran mitgewirkt hatte, die württ. Innenverwaltung reibungslos an die NSUsurpatoren auszuliefern, wurde nach dem Krieg von seinen ehemaligen Kollegen als "eine(r) der ausgesprochensten Träger guter altwürttembergischer Beamtentradition" illuminiert; siehe die "Erklärung" des vormaligen MinRs Hermann Reihling v. 9.S.1947 für sein Spnichkammerverfahren (STAL, EL 902/20, Αζ. 37/5/11.672). Im übrigen gehörten Wendungen wie "Prototyp des alten guten württembergischen Beamten" und "typischer Repräsentant der besten Traditonen des badischen Beamtentums" bis in die 1970er Jahre hinein zu den unverzichtbaren Sterotypen der einschlägigen Ehrungen; siehe hier für vieles das Abschiebsschr. des Tübinger Mdl Renner an MinR Gottlob Haug v. 21.5.1951 (STAS, Wü. 40, Bd. 2, Bü. 210, Qu. 249) u. die Presseerklärung des Rechnungshofs BW zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse an einen Beamten, der immerhin seit 1941 in der Polizeiabtlg. des Mdl als Generalbevollmächtigter für das jüdische Vermögen in Baden gewirkt hatte (RHBW, Personalregistratur, PA Η. M.). Zum Fortbestand des Korpsgeistes in der öffentlich»! Verwaltung weit über 1945 hinaus vgl. allg. Gamer 1993, 767f. u. 1995/96, 33f. Als Resultat ihrer empirischen Analyse "wichtige(r) Verhaltensweisen, Einstellungen und Persönlichkeitsmeikmale" höherer Ministerialbeamter in der Bundesrepublik Deutschland haben Ellwein/Zoll zu Beginn der siebziger Jahren "neben wesentlichen Auflösungstendenzen [...] auch noch bedeutsame Beharrungsmomente vor allem im Bereich unpolitischer Einstellungen" ermittelt (1973, 206). Bosetzky (1994) hat diesen Befund unlängst noch einmal allgemein unterstrichen: "Mit der [...] 4-A-Strategie (Ausblendung, Abstoßung, Absorption und Adaption) ist es der Bürokratie [...] gelungen, erfolgreich mit dem Phänomen Wertewandel umzugehen. " (114) Vgl. für die Bundesbehörden Langhorst 1994, 195f. et passim. Es ist mir nicht gelungen, die von Henke 1992, 58f. recht pauschal dargebotene These, hinter dem Vorhang "der demonstrativen solidarisch«! Verschwiegenheit nach außen hin" hätten zumindest die schwer kompro-

Resümee

263

Völlig erloschen ist der Einfluß der traditionellen Verwaltungseliten bis heute nicht, doch er dominiert schon längst nicht mehr. Dazu haben mancherlei Faktoren beigetragen: die Verschmelzung dreier Landesverwaltungen nach der Gründung des Südweststaates, die offenere Politisierung der administrativen Spitzenpositionen durch die Parteien,19 die funktional-institutionelle Ausdifferenzierung des Verwaltungsapparates seit den frühen sechziger Jahren und die damit einhergehende Tendenz zum "Ressortpartikularismus"20, der "Modernisierungsschub", den die tendenzielle "Verselbständigung der Gemeinden" seit Ende des Jahrzehnts nicht nur auf kommunaler Ebene ausgelöst hat21 - nicht zuletzt aber auch jener Generationenwechsel in der Innenverwaltung, der zeitlich zusammenfiel mit der 1967/68 einsetzenden "Kulturrevolution" innerhalb der deutschen Gesellschaft.22 Ein Generationenwechsel zudem, der wegen des fürchterlichen Aderlasses, den die Geburtsjahrgänge der 1910er und der frühen 1920er Jahre in der zweiten Kriegshälfte erleiden mußten, besonders abrupt ausfiel. In ihrer Summe haben alle diese Entwicklungen ein Vierteljahrhundert nach Gründung der Bundesrepublik zu jener "deutlichen Zäsur" innerhalb der öffentlichen Verwaltung geführt, die 1945 bis 1950 selbst in Ansätzen ausgeblieben war. 23 Wenn es im 20. Jahrhundert überhaupt einen KontinuitätsÄrucÄ in der (südwest)deutschen Verwaltung gegeben haben sollte, dann hat er sich weder 1918 noch 1933 oder 1945 vollzogen,24 sondern in den späten sechziger Jahren. Und dies nicht als Konsequenz kurz- und mittelfristiger Interventionen aus dem politischen Raum, sondern im Gefolge säkularer Strukturveränderungen des Bildungs- und Verwaltungssystems auf der einen und der politischen Kultur in Deutschland auf der anderen Seite.25

19

20 21 22

23 24

25

mittierten Angehörigen der deutschen Funktionseliten schmerzliche "Erfahrungen der Abstoßung und Ausgrenzung" durch ihre jeweiligen communities machen müssen, in meinem Untersuchungsbereich zu verifizieren. Siehe dazu zuletzt zusammenfassend Ellwein 1994, 112-121; für BW vgl. Katz 1975, 178ff. et passim. Eschenburg 1974, 88; vgl. allgemein Ellwein/Zoll 1973, 115ff. Ellwein 1990, 55. Auf die besondere Bedeutung dieses Generationenwechsels für das professionelle und soziale Selbstverständnis wie für die politischen Verhaltensdispositionen der deutschen Funktionseliten hat Horné (1962) schon frühzeitig hingewiesen. Vgl. allgemein Mayer 1980b, 171f. Ellwein 1990, 48. Rebentisch wagt die These, personell habe sich der "entscheidende Kontinuitätsbruch" der deutschen Verwaltung "nicht 1918, sondern 1933" vollzogen (1989a, 545f.). Biensdorf mutmaßt hingegen unter Berufung auf Hattenhauer (1980, 441), das Jahrfünft nach 1945 habe "wohl den größten Kontinuitätsbruch in der Geschichte der deutschen Verwaltung" gebracht (1987, 9; Hervorheb. von mir). Demgegenüber ist erst jüngst wieder ein Schüler Hattenhauers zu der Feststellung gelangt: "Weder die von den Besatzungsmächten durchgeführten Säuberungen noch die ab 1946 von deutschen Stellen vorgenommene Entnazifizierung (zeitigten) dauerhafte Auswirkungen auf die Personalstruktur der Behörden. " (Grotkopp 1992, 270f.) Beide erstgenannten Thesen lassen sich am Beipiel der früheren Länder Badrai und Württemberg empirisch nicht belegen. Vgl. Garner 1993 , 785-787 u. 1995/96, 64-66; ferner mit Blick auf die katholische Kirche Breuer 1992, 372-374; vgl. allgemein Hockerts 1992, bes. 464.

264

Resümee

Dieser Prozeß vollzog sich wenn schon nicht zwangsläufig, so doch folgerichtig nach der Devise: "Die Gesellschaft befindet sich im schnellen Wandel; Politik und Verwaltung müssen ihm folgen."26 Das tendenziell statisch-zirkuläre Paradigma des "selbstreferentiellen Systems"27 droht den Blick auf jenen epochalen Strukturund Funktionswandel zu verstellen, den die öffentliche(n) Verwaltung(en) seit den frühen siebziger Jahren bereits durchgemacht haben und weiter durchmachen werden. Bedingung und Konsequenz dieses Prozesses war der Verlust der relativen Autonomie, welche die administrativen Eliten gerade in Württemberg auf dem Feld ihrer personellen Selbsterneuerung bis weit in die NS-Zeit hinein und darüber hinaus haben bewahren können. Die Kooptationskraft der traditionellen Verwaltungseliten wiederum ist durch Wandlungsprozesse geschwächt worden, die ihren Ausgang auf der Ebene der Sozialstruktur genommen, sich im Bildungssystem fortgesetzt haben und schließlich in einen tiefgreifenden Wertewandel gemündet sind. Politische Interventionen des NS-Regimes mögen diesen Prozeß beschleunigt haben, indem sie mancherlei überkommene Strukturen beschädigten28 - zu denken wäre hier beispielsweise an die irreversible Schwächung der tradierten Netzwerke des Verbindungswesens in Württemberg. Grundsätzlich nahm er seinen Gang weitgehend eigengesetzlich durch die politischen Regime hindurch. Am regional eng begrenzten Beispiel der südwestdeutschen Verwaltung erweist sich einmal mehr, wie gering die tatsächlichen Emflußmöglichkeiten der jeweiligen politischen Eliten auf die säkularen Prozesse des sozialen Strukturwandels im allgemeinen und auf die Rekrutierung der Funktionseliten im besonderen sind. Obgleich die Auseinandersetzung mit Ursachen und Konsequenzen des NSRegimes nach dem Zweiten Weltkrieg rasch versiegte und ein tiefgehender Bewußtseinswandel ausblieb, unterschied sich das Verhalten der politischen Machteliten wie der Funktionseliten in den Jahren seit 1945 grundsätzlich von demjenigen ein Vierteljahrhundert zuvor.29 Und dies, obwohl die strukturellen wie die personellen Kontinuitätslinien von der Weimarer zur Bundesrepublik durch die Zeit der NS-Herrschaft hindurch oftmals belegt worden sind.30 Die Ursache dafür ist in der Tat weniger in einer "innere(n) Umkehr" der Eliten als in der nüchternen Einsicht in die normative Kraft der äußeren Umstände zu sehen.31 Anders als in den Jahren seit 1918 wurde die totale Niederlage von 1945 weithin als solche 26 27 28

29 30

31

Ellwein 1990, 60. Grunow 1994, 34 et passim. Einen Oberblick über die von Dahrendorf (1965, 431-448) u. Schoenbaum (1980) eingeführte These von der (ungewollt) (gesellschafts)moderaisierenden Funktion der nationalsozialistischen Herrschaft vermittelt Kershaw 1994, 234-266. Zum aktuellen Diskussionsstand vgl. Alber 1989; Zitelmann 1989 u. 1994; H. Mommsen 1991 u. 1995; Frei 1993; Prinz 1994. Vgl. Hofimann-Lange 1992, 404-407. Vgl. für die Bundesverwaltung zuletzt Langhorst 1994, 153ff. Im Falle des Auswärtigen Dienstes stand die personelle Restauration der Ministeríalbürokratie zu Beginn der fünfziger Jahre einige Zeit weit oben auf der Agenda publizistisch-politischer Auseinandersetzungen; siehe dazu ebd., 204-215; ferner eingehend Döscher 1995; vgl. schon Haas 1969. Vgl. ferner für die Militärelite, aber mit allgemeinen Hinweisen - Stumpf 1982. Henke 1992, 64 unter Berufung auf Kielmansegg 1989, 14f.

Resümee

265

akzeptiert, und eine zweite Kriegsschulddebatte blieb den Deutschen ebenso erspart wie eine Neuauflage der Dolchstoßlegende. Freilich um den Preis einer alsbald einsetzenden Verdrängung und Umdeutung des Geschehenen. Wurde doch die nationalsozialistische Machtergreifung kurzerhand zu einem Überfall des preußischen Zentralismus sublimiert, den der liberal-demokratische Südwesten im allgemeinen und seine Verwaltungseliten im besonderen wehrlos durchlitten hätten: "Baden war von jeher ein Land der Freiheit und Toleranz, ein Hort der Demokratie und der Bundestreue", ließ die Freiburger Regierung 1951 verkünden. "Die Beamtenschaft zeichnet sich durch Unbestechlichkeit und Pflichttreue, Einsatzfreude und hohe Leistungen aus. " 32 Den Eliten ersparten solche Mythen, sich selbstkritische Fragen nach ihrer Rolle beim Aufstieg der Hitlerbewegung und während der NS-Diktatur stellen zu müssen; der Bevölkerung insgesamt halfen sie, die Augen vor der Einsicht zu verschließen, daß die ungeheuerlichen Verbrechen der NS-Zeit nicht bloß "in deutschem Namen" verübt, sondern von einem Regime angezettelt worden waren, das sich bis zuletzt einer zustimmenden Duldung der weitaus meisten Deutschen gewiß sein konnte. Grundlage dieser kollektiven Selbstentlastung waren zum einen der breite Wiederaufbaukonsens der fünfziger Jahre, zum anderen die rasche Westintegration der Bundesrepublik im Zeichen des Kalten Krieges. Die Ambivalenz dieses Verdrängungsprozesses tritt in jüngster Zeit wieder deutlicher zutage. Einerseits nämlich unterstreicht gerade der vergleichende Blick auf die erste Republik dessen enorme Bedeutung für die - so ist zu hoffen - dauerhafte Öffnung der deutschen politischen Kultur in Richtung demokratisch-pluralistischer Verfassungsprinzipien; zum anderen aber begünstigte vor allem auch die militärisch-politische Eingliederung in den "Westblock" das latente Überdauern von Denkmustern und Verhaltensdispositionen, die sich prinzipiell weiter an den Kategorien machtstaatlicher Selbstbehauptung nach außen und bürokratisch-technokratischer Konfliktlösung im Innern orientierten.33 Was der bundesdeutschen Verwaltung der fünfziger und sechziger Jahre aber - bei allem Konservativismus weitgehend abging, war jener "Hang zu passiver Resistenz", mit dem "ein gut Teil des Weimarer höheren Beamtentums" dazu beigetragen hat, die Überlebenschancen des ersten demokratischen Versuchs auf deutschem Boden zu mindern.34 "Seine Gläubigkeit auch hinsichtlich des Staates ist zwar im Dritten Reich schwer mißbraucht worden. [...] Aber in seiner Grundhaltung [des treuen Staatsdieners; M.R.] hat ihn auch diese Enttäuschung nicht erschüttert", sprach der Ministerialdirektor Fetzer im Januar 1962 kurz vor seiner Pensionierung am

32

33 34

Aufruf der bad. Landesregierung (gez. Wohleb) v. 30.11.1951 zur Volksabstimmung über den Südweststaat am 9.12.1951 (STAF, Plakatsammlung II, Nr. 107; Hervorheb. von mir). Vgl. Niedhart 1992, bes. 29. Eschenburg 1974, S. 89. Allerdings ist Wunder (1977, 373) beizupflichten, wenn er dazu anmerkt: "Weimar, die Demokratie ohne Demokraten, ging nicht an ihren Beamten zugrunde. Weimar ging zugrunde, als sich die Spitzen des Staates zum Sturz der parlamentarischen Demokratie verbündeten und damit Hitler dai Weg bahnten." (Es gab indessen sehr wohl Demokraten, und zwar nicht nur auf Seiten der SPD.)

266

Resümee

Grabe seines Kanzleidirektors Thierfelder.35 Als sei nicht die etatistische Fachbeamten-Ideologie unter der Herrschaft eines Regimes, dessen totalitärer Anspruch prinzipiell unvereinbar mit den Selbstbehauptungsstreben mehr oder minder autonomer Institutionen im gesellschaftlichen Raum war, gründlich desavouiert worden. Doch die Überwindung generationenlang tradierter Mentalitäten und Verhaltensmuster war eben nicht Frucht einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit der Rolle der höheren Beamtenschaft während der NS-Herrschaft und deren Folgen, sondern realistisch-pragmatische Konsequenz aus der weltpolitischen Position des bundesdeutschen Weststaats. Nachdem das Ende der Nachkriegszeit nach dem Abschluß der ökonomischen Rekonstruktion zu Anfang, dem Generationenwechsel innerhalb der Eliten im Verlauf und dem Umbruch der politischen Kultur gegen Ende der sechziger Jahre - 1990 auch auf internationaler und nationalstaatlicher Ebene besiegelt worden ist, wird sich erweisen, ob der demokratische Lernprozeß der administrativen Eliten in Deutschland lediglich konstellationsgebunden war. Die tiefgreifenden sozialen und politischen Strukturwandlungen, welche sich seit den sechziger Jahren auch in den höheren Rängen des Öffentlichen Dienstes vollzogen haben,36 lassen immerhin hoffen, daß so bald nicht wieder an jenen illiberalen Traditionsstrang angeknüpft wird, den Ralf Dahrendorf vor dreißig Jahren beschworen hat.

35

36

Kap. IV, Anm 7. Zur ungebrochen etatistischen Einstellung des wohl wichtigsten (baden-) württ. Beamten der fünfziger Jahre vgl. Fetzer 19S2 u. 1953. Siehe dazu die knappen, aber gehaltvollen und weiterführenden Hinweise von Derlin 1991.

267

Abkürzungen

AAAPS Abtlg. ADAC ADGB AfS AG AMV APSR APUZ Art. Ass Α.- u. S.-Räte AV BA BAB bad. BABZ BADH BÄK BAP BB BBG BCSV BDC BGK Bgm BHSTAM BNN BNSDJ Bü. BVG BVZ BW BWB BWVB1 BWVP BzL

CC

Annals of the American Academy of Political Science Abteilung Allgemeiner Deutscher Automobilclub Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Archiv für Sozialgeschichte Akademische Gesellschaft Akademische Musikverbindung American Political Science Review Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament Artikel Assessor Arbeiter- und Soldatenräte Aktenvermerk Bezirksamt (Baden) Bundesarchiv Berlin badisch(e/-er) Bundesarchiv, Außenstelle Berlin-Zehlendorf [vormals BDC] Bundesarchiv, Außenstelle Dahlwitz-Hoppegarten Bundesarchiv Koblenz Bundesarchiv Potsdam Badische Biographien Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums v. 7. April 1933 ("Berufsbeamtengesetz") Badisch Christlich-Soziale Volkspartei Berlin Document Center [nunmehr BABZ] Badischer Geschäftskalender Bürgermeister Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe) Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen Büschel (= Faszikel in württ. Archiven) Bundesverfassungsgericht Badische Verwaltungszeitschrift Baden-Württemberg Baden-Württembergische Biographien Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Baden-Württembergische Verwaltungspraxis Beiträge zur Landeskunde. Regelmäßige Beilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Coburger Convent akademischer Landsmannschaften und Turnerschaften

268

Abkürzungen

CDU CdZ CEH

Christlich Demokratische Union Deutschlands Chef der Zivilverwaltung Central European History

DBB DBG DC DDP DDR DNVP Doss. DRK DRZ DS DSZ DVB1 DVP

Deutscher Beamtenbund Deutsches Beamtengesetz v. 26. Januar 1937 Deutsche Christen Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutschnationale Volkspartei Dossier Deutsches Rotes Kreuz Deutsche Richterzeitung Deutsche Sängerschaft (Weimarer Chargierten Convent) Deutsche Sparkassen-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Volkspartei

EA EK EntnazA Eul EV

Ernennungsantrag Eisernes Kreuz Entnazifizierungsakten Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung Ernennungsvorschlag

Fasz. FAZ FR Gl...6 GauL GG GG GLAK GSR G.T.

Faszikel Frankfurter Allgemeine Zeitung Freiburg i.Br. Generation 1...6 (1860-69 ... 1910-16) Gauleiter der NSDAP Geschichte und Gesellschaft Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Generallandesarchiv Karlsruhe German Studies Review Geschäftsteil (= Abteilung württ. Ministerien)

HbPrSt HD HH HJ HJL Hs. HSR HSTAS HZ

Handbuch über den Preußischen Staat Heidelberg Hohenzollerische Heimat Historical Journal Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte Handschrift Historical Social Research Hauptstaatsarchiv Stuttgart Historische Zeitschrift

Jb. JCH JfS

Jahrbuch Journal of Contemporary History Jahrbuch für Sozialwissenschaften

Abkürzungen JfW JGMO JMH JöR JSH JWL

Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands Journal of Modern History Jahrbuch des öffentlichen Rechts Journal of Social History Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte

KJ KPD KreisL KSCV Kurzbiogr, KV KVS KZfSS

Kritische Justiz Kommunistische Partei Deutschlands Kreisleiter der NSDAP (Hoher) Kösener Senioren-Convents-Verband Kurzbiographie(n) Kartellverband der katholischen Studentenvereine Deutschlands Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie

LASP LBB Lfg. LKom LMGL LNBW LR LRA LRAUL LT

Landesarchiv Speyer Landesbezirk Baden Lieferung Landeskommissär Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde Landkreis-Nachrichten Baden-Württemberg Landrat Landratsamt Landratsamt des Alb-Donau-Kreises, Ulm Landtag

MABK

Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung (Württemberg) Ministerial-Blatt für die Badische innere Verwaltung Ministerium des Innern Mitglied des Bundestags Mitglied des Landtags Mitglied des Reichstags Mitteilungen der Gesellschaft der Freunde der Universität Mannheim Militärgeschichtliche Mitteilungen Ministerium) Ministerialdirektor Ministerialdirigent Ministerialrat Mannheimer Morgen Ministerpräsident Miltenberger Ring Maschinenschrift Mitteilungen des Württembergischen Statistischen Landesamts

MiBlBiV Mdl MdB MdL MdR MGFUM MGM Min. MinDir MinDirig MinR MM MPräs MR Ms. MWSL

269

270

Abkürzungen

ND N.F. NG NL NSDAP NSDStfi NSGSW NSRB NSTW NSV

Nachdruck Neue Folge Die Neue Gesellschaft Nachlaß Nationalsozialistische Deutsche Arbeiteφartei Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund NS-Gemeindezeitung für Südwest-Deutschland Nationalsozialistischer Rechtswahrer-Bund Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

OA OBgm OKR OMGUS OPG ORegR OVGR

Oberamt (Württemberg) Oberbürgermeister Oberkirchenrat Office of Military Government of the United States in Germany Oberstes Parteigericht der NSDAP Oberregierungsrat Oberverwaltungsgerichtsrat

P. PA Präs preuß. PS PVS

Paket Personalakten Präsident preußisch(e/-er) Politische Studien Politische Vierteljahresschrift

Rdschr. Reg Ass RegDir RegR Rep. RFSS RGBl. RHBW RIM RJK RKom RLB RNZ RStH RuL RVB1

Rundschreiben Regierungsassessor Regierungsdirektor Regierungsrat Repertorium Reichsführer SS Reichsgesetzblatt Rechnungshof Baden-Württemberg Reichsinnenministerium Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte Reichskommissar Reichsluftschutzbund Rhein-Neckar-Zeitung Reichsstatthalter Reich und Länder. Monatsschrift für die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung und öffentlichen Wirtschaft Reichsverwaltungsblatt

SA SB SBFW SBZ

Sturmabteilung (der NSDAP) Schwarzburgbund Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde Sowjetische Besatzungszone in Deutschland

Abkürzungen

271

Schau-ins-Land SchH Sehr. SD SiPo SPD SprKA SS StSTABO StABW STAF STAFR STAHD STAL STAMA STAME STAS STAUL StdF StHb StKom StMin StPräs StudA SWP

Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins "Schau-ins-Land" Schwäbische Heimat Schreiben Sicherheitsdienst (der NSDAP) Sicherheitspolizei Sozialdemokratische Partei Deutschlands Spruchkammerakten Schutzstoffel (der NSDAP) StaatsStadtarchiv Böblingen Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Staatsarchiv Freiburg Stadtarchiv Freiburg Stadtarchiv Heidelberg Staatsarchiv Ludwigsburg Stadtarchiv Mannheim Stadtarchiv Meersburg Staatsarchiv Sigmaringen Stadtarchiv Ulm Stellvertreter des Führers Staatshandbuch Staatskommissar Staatsministerium Staatspräsident Studentenakten Südwest Presse

TB

Taschenbuch

USPD UV

Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas

VA VB1BW VBLT VC VDSt VfZ VGH VGR VHVB VO

Versorgungsakten Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verhandlungen des badischen Landtags Vertreter-Convent der Turnerschaften Verein(e) Deutscher Studenten (Kyffhäuser-Verband) Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Verwaltungsgerichtshof Verwaltungsgerichtsrat Verein der Höheren Verwaltungsbeamten Badens Verordnung

WN

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes

WB

Württemberg-Baden

WJSL WF WGZ

Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde Württembergisch Franken Württembergische Gemeindezeitung

272

Abkürzung«!

WiedergA WPQ WRV WSR württ. WVZ WZRV

Wiedergutmachungsakten Western Political Quarterly Weimarer Reichsverfassung Wernigeroder Schwarzer Ring württembergisch(e/-er) Württembergische Verwaltungszeitschrift Württembergische Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung

ZBR ZfP ZfPäd ZfS ZGO ZGSHG

Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Politik Zeitschrift für Pädagogik Zeitschrift für Soziologie Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte Zurruhesetzungsantrag Zeitschrift Zeitung Zugang (Archivgut) Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte

ZGSt ZHG ZRA Zs. Ztg. Zug. ZWL

273

Abbildungen

Abbildung 1:

Verwaltungsgliederung von Baden, Württemberg und Hohenzollern um 1925

Taub«rb>«chot! Buchen

Heidelberg I Wiesiocl

leilbronn 'Maul ^ Backnang

'Leonberg 7 Stadl / irSlutlgar

Freudenstadt

Nagoldl Herrenberg

[Hec hi

Münsing« r

Wollacl Emmendingen

•HechS

Donau ι eschingen

Staufen

Slockach

Schop'hei

ÖSTERREICH

Reichsgrenze Landesgrenze

0

10

20

30 Vtr

Quelle: Weik 1988, 292.

Verwaltungseinheiten: WÜRTTEMBERG

HOHENZOLLERN (Hohenzollensche Lande)

274

Abbildungen

Abbildung 2:

Konfessionsgliederung in Südwestdeutschland nach Kreisen 1933

Wertheim. i8chóísheim'>y

Weinheim

Mannheim 95-100%

fucheir Adelsheim

Heidelberg

Künzeieau .Wimpfen

Ünsheim.

65-74,9 %

TNeckarsulm) ι ^ ^ Λ ' ν Β Β Ο ! Jchwàb. Hall „•HeilbronnVik KARLSRUHE # f

A

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Göppingen^

¡Nürtingen'

Rottenburg ^

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foberndorf Ls-j Emmendif íVillingenj JíMeBkirchJ

Überlingen 'aldehut;

Quelle: Schnabel 1982a, 317.

g ^ ^ f R a y e η sbu r ÌTettnanQ'i^^^

Konstanz

Abbildungen

Abbildung 3:

i

Länder- und Kreisgrenzen in Südwestdeutschland 1945-1952

Sudwestdeutschlond noch Kriegsende 1945 bis zur Bildung v o n Boden-Württemberg o me rlkonisch besetzt: III [III Geb*htei!e Bodens HH||t und Württembergs Messen und Gebietsteile Boyerns fronzoli sc h besetzt: fr^/j

Gebietsteile Bodem HoHeniollern und Gebietsteile Württembergs

5S58 Boyer Landkreis lindou B S S S (Verbindung zur französischen Besotzunguone in Österreich) J5553 Vorortberg (Österreich) und 2SSSJ Rhempfob (Rhe.npfoU wird won Boyern gelöst und oeht im neuen lond Rhemtond-Pfob oi/f) O β •

275

Londeshouptsiodt Londesbezirtcshouptstodl Kreisstadt

Quelle: Historischer Atlas von Baden-Württemberg VII, 3 (1973).

Grenzen: _ —

londe^'enzen bn Kriegsende londlceisgw-zen

ΞΞΞ Autobohn

Grenzen

der noch 1945 neugeb'ldeien lônder

Tabellen Tab. 1:

Altersstruktur der südwestdeutschen Innenverwaltung (höherer Dienst) 1928-1945

Tab. 2:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Baden (1.1.1928)

Tab. 3:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Baden (1.1.1933)

Tab. 4:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Baden (1.1.1936)

Tab. 5:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Baden (1.1.1940)

Tab. 6:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Baden (1.1.1945)

Tab. 7:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1928)

Tab. 8:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1933)

Tab. 9:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1936)

Tab. 10:

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1940)

Tab. 11 :

Soziale Herkunft der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1945)

Tab. 12:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Baden (1.1.1928)

Tab. 13:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Baden (1.1.1933)

Tab. 14:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Baden (1.1.1936)

Tab. 15:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Baden (1.1.1940)

Tab. 16:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Baden (1.1.1945)

Tab. 17:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1928)

Tab. 18:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1933)

Tab. 19:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1936)

Tab. 20:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1940)

Tab. 21:

Regionale Herkunft, Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Württemberg (1.1.1945)

Tab. 22:

Korporationsmitgliedschaft und Konfessionszugehörigkeit der höheren Beamten in Hohenzollern (1933-1945)

Tabellen

277

Tab. 23:

Konfessionszugehörigkeit der Landräte in Südwestdeutschland (1928-1945)

Tab. 24:

Korporationsmitgliedschaft der höheren Beamten in Baden (1933-1945)

Tab. 25:

Korporationsmitgliedschaft der höheren Beamten in Württemberg (1933-1945)

Tab. 26:

NS-Engagement der höheren Beamten in Südwestdeutschland (1933-1945)

Tab. 27:

Karriereverläufe der höheren Beamten in Baden und Württemberg: NS-Aktivisten (1933-1945 und seit 1945)

Tab. 28:

Karriereverläufe der höheren Beamten in Baden und Württemberg: NS-Reservierte (1933-1945 und seit 1945)

Tab. 29:

Karriereverläufe der höheren Beamten in Baden nach Konfessionen (1933-1945 und seit 1945)

Tab. 30:

Karriereverläufe der höheren Beamten in Württemberg nach Konfessionen (1933-1945 und seit 1945)

Tab. 31:

Landräte in Deutschen Reich (Anfang 1943)

Tab. 32:

Landräte in Preußen (Anfang 1943)

Tab. 33:

1933-1945 ausgeschiedene Landräte in Baden und Württemberg

Tab. 34:

In Baden und Württemberg April 1933-1944 ernannte Landräte nach Geburtsjahrgängen

Tab. 35:

Landräte im Gebiet des Landes Baden-Württemberg 1945-1972

Tab. 36:

Landräte im Gebiet des Landes Baden-Württemberg 1945-1972, die 1933 bis 1945 im höheren Dienst der badischen oder der württembergischen Innenverwaltung gestanden haben

Tab. 37

Ehemalige Beamte aus Baden, Württemberg und Hohenzollern im Geschäftsbereich der Innenverwaltung Baden-Württembergs 1955-1975

Im Tabellenanhang verwendete Sigel für die "Generationen" (Alterskohorten) der Untersuchungsgruppe G 1 - Geburtsjahrgänge 1860-1869 G 2 - Geburtsjahrgänge 1870-1879 G 3 - Geburtsjahrgänge 1880-1889 G 4 - Geburtsjahrgänge 1890-1899 G 5 - Geburtsjahrgänge 1900-1909 G 6 - Geburtsjahrgänge 1910-1916

278

Tabellen

Tabelle 1:

Altersstruktur der südwestdeutschen Innenverwaltung (höherer Dienst) 1928-1945

o\ r^ v\ 'm »Λ ΙΛSO>ocT

»η

vOÄ C^ Ολ

Σ 1-20

7,7 0,0 0,0 0,0 7,7 0,0 7,7 0,0 15,4

1 0 0 0 1 0 1 0 2

v.H. 1ι

G4 v.H. 1 η

G3 η

Tabelle 10:

Akademiker Öffentlicher Dienst Juristen Alter Mittelstand

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