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German Pages 240 [276] Year 2009
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Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Archiv für die Ausgabe der Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte
(TU) Begründet von O. von Gebhardt und A. von Harnack herausgegeben von Christoph Markschies Band 163
Peter Hubai
Koptische Apokryphen aus Nubien Der Kasr el-Wizz Kodex
übersetzt von
Angelika Balog
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Herausgegeben durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften von Christoph Markschies Gutachter dieses Bandes: Hans Förster
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 978-3-11-020391-2 ISSN 0082-3589 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ” Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandentwurf: Christopher Schneider, Laufen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
Hans Förster gewidmet
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textkritische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nubien, der Fundort des Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei koptische Apokryphen aus Nubien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Text und seine Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kodex und seine Fundumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kodikologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Initialen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nomina sacra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Illumination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachliche Eigenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Über die beiden Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wort des Erlösers über das Kreuz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tanz des Erlösers um das Kreuz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biblische Zitate, Allusionen und biblischer Wortgebrauch im Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biblische Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hymnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage der Redaktion nach dem Zeugnis anderer Apokryphen . . Entstehungszeit und -ort von WdE und TdE . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koptische Wörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Griechische Wörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX XIII XV 1 9 9 17 22 25 37 37 39 40 46 47 50 56 76 85 87 101 111 117 197 207 215 217 222 225
VORWORT Selten ist es einem Forscher vergönnt, dass eine völlig unbekannte Schrift der Jesus-Tradition des antiken Christentums in seine Hände gelangt, dass er der Erste ist, der eine in der kirchlichen und wissenschaftlichen Tradition gleichermaßen vergessene Schrift aus ihrem Jahrhundertelangen Dornröschenschlaf wecken darf, dass er als Erster versuchen kann, die schon seit langem nicht mehr berührten Kodexblätter zu ordnen, über Buchstaben und Zeilen zu tüfteln und dass er als Erster versuchen kann, einstige religiöse Glaubensweisen zu rekonstruieren, ohne das daraus folgende Ergebnis vorausahnen zu können. Im Jahre 1991 fiel mir zum ersten Mal in einem Ausstellungsraum der oberen Stockwerke des Kairoer Koptischen Museums ein kleiner, aufgeschlagener koptischer Kodex auf, auf dessen linken Seite sich ein Kreuz und dessen rechten Seite ein eingerahmter Text, bestehend aus elf kurzen Zeilen, befand, der sich freilich auf den folgenden, nicht sichtbaren Seiten des Kodex fortsetzte. Die Sachlage dieses unveröffentlichten Textes war mir nicht bekannt, ich konnte mich nur auf die englischsprachige und arabische Information für die Besucher stützen, derzufolge der Kodex ein aus Kasr el-Wizz stammendes „Gebetbuch“ sei. Indem ich mich näher darüber beugte und die länglichen koptischen Buchstaben las, konnte ich der ersten Seite Folgendes entnehmen: „Ein Wort, das unser Erlöser und unser Herr Jesus der Christus verkündigte seinen herrlichen Heiligen, den Aposteln, bevor er (in die Himmel) aufgenommen wurde ...“ Die Bedeutung der letzten Worte konnte ich nicht mehr entziffern. Dieser Anfang jedoch wies weniger auf ein Gebetbuch, als vielmehr auf die Einleitung zu einem gnostischen Evangelium hin, denn Sonderoffenbarungen des Auferstandenen vor der Himmelfahrt waren in den Kreisen der Gnostiker beliebt. Leider konnte ich die Handschrift nicht näher betrachten. Einige Jahre später veröffentlichte Gawdat Gabra einen Museumsführer über die schönsten Stücke des Koptischen Museums1, der auch das „Book of Prayer“ mit der Inventarnummer 6566 erwähnte und neben einigen wertvollen Angaben ein Foto von den ersten beiden Seiten des aufgeschlagenen Kodex enthielt. Schon allein wegen seines Umfangs konnte der Museumsführer den Kodex nicht eingehender behandeln und auf meine Frage, worum es sich bei dieser Handschrift eigentlich handelt, keine befriedigende Antwort geben. Für
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G. Gabra, Cairo, the Coptic Museum and old Churches, Cairo 1993, 90.
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Vorwort
eine unmittelbare Autopsie ergab sich trotz meines langen Aufenthaltes in Ägypten keine Möglichkeit. Im Januar 2000 erhielt ich von Herrn Gaballa Ali Gaballa, dem Generalsekretär der Ägyptischen Altertumsverwaltung, die Genehmigung zur Erforschung, Fotodokumentation und Publikation der Handschrift, wofür ich meinen Dank ausdrücken möchte. Zur Fortsetzung meiner Forschungen hat später auch sein Amtsnachfolger Herr Zahi Hawass unterstützend beigetragen. An dieser Stelle danke ich Herrn Ossama Abdel Meguid, dem Direktor des Nubia Museums, für seine Hilfe. Seine Unterstützung bedeutete mir im frühen Stadium dieser Forschung außerordentlich viel, sowohl fachlich als auch menschlich schuf er die notwendigen Bedingungen für meine Arbeit. Mit ihrem fachlichen Wissen trugen Herr Mahmoud Z. Elshendidi als Hauptrestaurator, Herr Hosni Abdel Rehium Hassan als Konservator und Herr Saber Refai als Fotograf bei, ohne sie hätte die Forschung nicht begonnen werden können. Mit Dankbarkeit erinnere ich mich daran, mit welchem Interesse und welcher Begeisterung sie alle mit mir zusammengearbeitet haben. Es war eine große Überraschung und Freude, dass ich im Sommer 2003 unverhofft mit George T. Scanlon, dem Ausgräber von Kasr el-Wizz in Kairo zusammentreffen konnte. Er hat mir von seiner einstigen Arbeit Details mitgeteilt, die ich aus keiner anderen Quelle hätte erfahren können. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat mir dreimal ermöglicht, mit einem Stipendium in der Wiener Papyrussammlung Forschungen anzustellen. Dabei leisteten mir von Seiten der Akademie Herr Professor G. Thür und Herr B. Plunger, von Seiten der Papyrussammlung Professor H. Harrauer als Direktor, später Professorin C. Römer als Direktorin und Herr Professor B. Palme (zu der Zeit Dozent) als Programmleiter wirksame Hilfe. Meinen beiden Wiener Freunden, Csaba Láda (seither in Canterbury) und Hans Förster, beide ausgezeichnete Forscher der Papyrussammlung, möchte ich meinen besonderen Dank aussprechen. Ohne ihre Begeisterung, menschliche Unterstützung und fachliche Hilfe (sowie das Pandora-Programm, das ich durch sie kennenlernte) wäre diese Arbeit wesentlich langsamer und sicher auch in ganz anderer Form entstanden. Die Bedeutung dieser Hilfe haben beide bescheiden zurückgewiesen, ich selbst weiß aber, dass sie mir sehr große Hilfe geleistet haben. Mit Herrn H. Satzinger konnte ich Fragen der koptischen Grammatik besprechen. Durch Herrn Dankwart Kirchner und Herrn Karl-Wolfgang Tröger kam ich in Kontakt mit Herrn Professor Stephen Emmel, der mich mit mehreren seiner sehr spannenden Aufsätze beschenkte und mir ermöglichte, den Text seines Berliner Schenke-Gedächtnisvortrages vor dessen Publikation zu lesen.2 Herzlich danke ich Zsuzsanna Kiss, der Bibliothekarin an der 2
Der Aufsatz ist nach Abschluss meines Manuskriptes im Druck erschienen, in: ZAC 9 (2005), 85-99.
Vorwort
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Osloer Universitätsbibliothek für ihre freundschaftliche Hilfe. Wenn ich Fachliteratur benötigte, die in Ungarn nicht erreichbar war, besorgte sie mir diese aus ganz Europa. Einige Zeit nach Abschluss meines Manuskriptes erhielt ich dank der Freundlichkeit von Alin Suciu die nicht zur Publikation vorgesehene englische Übersetzung des Kasr el-Wizz Kodex von Georges R. Hughes. Zwar konnte ich, da die Vorbereitungen für den Druck schon im Gange waren, einige seiner Ergebnisse nicht mehr in meiner Arbeit berücksichtigen, die Beschäftigung mit dieser Übersetzung war jedoch gewinnbringend. Von meinen Helfern in Ungarn möchte ich besonders Herrn Professor Zsigmond Ritoók erwähnen, der mich, wie bereits schon früher, auch im Zusammenhang mit dieser Studie unterstützte. Viel lernte ich von Herrn István Pankaszi, dem hervorragenden Papierrestaurator des Museums der Bildenden Künste. Ich danke für die Geduld meiner kompetenten Übersetzerin, Angelika Balog, die immer bereit war, mir mit ihrer Hilfe zur Seite zu stehen. Für die sorgfällige Korrekturen danke ich besonders Herrn Stefan Koch. Die gewissenhafte Betreuung der griechischen Texte wurde von Monika Pesthy durchgeführt. Péter Tóth lenkte meine Aufmerksamkeit auf einige interessante Artikel. Computertechnische Hilfe, die sich insbesondere bei der Kontrolle der Möglichkeit der Emendationen als sehr nützlich erwies, erhielt ich von meinen Söhnen Tamás und András, die auch die paläografische Tabelle angefertigt haben. Ich danke Herrn István Boros für seinen nicht ermüdenden Eifer, mit dem er sich dieser sich lang hinziehenden Arbeit von dem Moment an annahm, als er das Thema kennenlernte und der solange auf deren erste, ungarische Publikation drängte, bis dieser Band in seiner Redaktion beim Szent István Verlag in würdiger Form erscheinen konnte. Dafür, dass dieses Werk eine größere wissenschaftliche Öffentlichkeit erlangen kann, gebührt Herrn Professor Christoph Markschies Dank, der nicht nur meine Studie in die von ihm herausgegebene Reihe „Texte und Untersuchungen“ aufnahm, sondern der den Verfasser auch darin unterstützte, sowohl mit der Gertrud-und-Alexander-Böhlig-Stiftung als auch mit der Walter-de-Gruyter-Stiftung in Verbindung zu kommen, die die Kosten für die deutsche Übersetzung großzügig übernommen haben. Bei Cheflektor Herrn Albrecht Döhnert und seinen vielen Mitarbeitern im Verlag Walter de Gruyter, die das Zustandekommen dieses Bandes ermöglicht haben, aber ungenannt bleiben müssen, möchte ich mich für ihre Arbeit bedanken. Das Manuskript wurde zu Ostern 2005 abgeschlossen. Budapest, Ostern 2005 – Kairo, Pfingsten 2008
ABKÜRZUNGEN 2ApcJac 4Esr ActJoh ApcJac ApcElias ApcMosis ApokrJoh AT BM BG Did EpJac EvdE EvPhil EvPt EvVer IgnEph IgnTrall KeWK LibBarth (LB) LibThom LXX M Ms NHC NT StraßbFrg TdE ThEv WdE
Die (zweite) Apokalypse des Jakobus, NHC V,4 Das vierte Buch Esra Acta Johannis Die Apokalypse des Adam, NHC V,5 Die Apokalypse des Elias Die Apokalypse des Moses Das Apokryphon des Johannes, NHC II,1; III,1; IV,1; BG 2 Altes Testament British Museum Berolinensis Gnosticus (Pap. Berolinensis 8502) Didache Der Brief des Jakobus, NHC I,2 Evangelium des Erlösers (Gospel of the Savior) Das Evangelium nach Philipppus, NHC II,3 Petrusevangelium Evangelium Veritatis, NHC I,3 Ignatii ad Ephesios Ignatii ad Trallianos Kasr el-Wizz Kodex Liber Bartholomaei Das Buch des Thomas, NHC II,7 Septuaginta masoretischer Text Handschrift Nag Hammadi Codex Neues Testament Straßburger Fragment Der Tanz des Erlösers um das Kreuz, die zweite Schrift des KeWK Thomas-Evangelium, NHC II,2 Das Wort des Erlösers vom Kreuz, die erste Schrift des KeWK
Abkürzungen der zitierten Bücher des Alten Testamentes: Gen Ex Num
Genesis, 1. Buch Mose Exodus, 2. Buch Mose Numeri, 4. Buch Mose
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Dtn Ri 1 Sam 2 Sam 1 Kön 1 Chr Ps, Y Prov Hld Jes Jer Klgl Dan Hos Joel
Abkürzungen
Deuteronomium, 5. Buch Mose Richter 1. Samuel 2. Samuel 1. Könige 1. Chronik Psalmen Sprüche Hoheslied Buch des Propheten Jesaja Buch des Propheten Jeremia Klagelieder Buch des Propheten Daniel Buch des Propheten Hosea Buch des Propheten Joel Abkürzung der Schriften des Neuen Testamentes:
Mt Mk Lk Joh Apg Röm 1 Kor 2 Kor Gal Eph Phil Kol 1 Thess 2 Thess 1 Tim 2 Tim Tit Phlm Hebr Jak 1 Petr 2 Petr 1 Joh 2 Joh 3 Joh Jud Offb
Matthäusevangelium Markusevangelium Lukasevangelium Johannesevangelium Apostelgeschichte Römerbrief 1. Korintherbrief 2. Korintherbrief Galaterbrief Epheserbrief Philipperbrief Kolosserbrief 1. Thessalonicherbrief 2. Thessalonicherbrief 1. Timotheusbrief 2. Timotheusbrief Titusbrief Philemonbrief Hebräerbrief Jakobusbrief 1. Petrusbrief 2. Petrusbrief 1. Johannesbrief 2. Johannesbrief 3. Johannesbrief Judasbrief Offenbarung
TEXTKRITISCHE ZEICHEN [...]
Eine eckige Klammer bezeichnet eine in der Handschrift vorkommende lacuna. Das Pergament ist an dieser Stelle beschädigt, ausgebröckelt, ein oder mehrere Buchstaben fehlen in der Handschrift. Die Buchstaben innerhalb der Klammer sind Vorschläge des modernen Herausgebers. Sofern mit keinem Vorschlag versehen, bezeichnet die Anzahl der Punkte innerhalb der Klammer die Anzahl der fehlenden Buchstaben.
Der Text innerhalb der spitzen Klammer ist der Ergänzungsvorschlag des modernen Herausgebers für Buchstaben oder Wörter, die der scriptor ausgelassen hat.
{...}
Buchstaben innerhalb einer gewellten Klammer bezeichnen den Streichungsvorschlag des modernen Herausgebers für überflüssige Worte bzw. Buchstaben des scriptors.
(...)
Runde Klammern bezeichnen eine erklärende Bemerkung des modernen Herausgebers, die im ursprünglichen Text nicht steht, diesen jedoch flüssiger macht.
‹...›
Die doppelt eckige Klammer bezeichnet die Streichung der in der Handschrift befindlichen Fehler durch den einstigen scriptor.
a?b?g?
Punkte unter Buchstaben bezeichnen bruchstückhafte, jedoch in Spuren erhaltene Buchstaben, deren Deutung nach der Meinung des Herausgebers sicher ist.
Der Gebrauch der Klammern in der deutschen Übersetzung entspricht nicht immer genau dem ursprünglichen Textverfall (oder dessen Korrektur), sondern will nur andeuten, wo und in welchem Maße ungefähr an gegebener Stelle im koptischen Text ein Textverfall (Korrektur) vorliegt. Die hervorgehobenen Zahlen auf der linken Seite der Textausgabe beziehen sich auf die Seiten des Kasr el-Wizz Kodex, die kleineren Zahlen (5, 10) beziehen sich auf dessen Zeilen. In der Untersuchung wird mit Hilfe dieser Zahlen auf eine gegebene Stelle des Textes verwiesen: 8,4 beispielsweise bedeutet die 4. Zeile auf der 8. Seite, 27,12-28,1 bezeichnet den Satz, der in der 12. Zeile auf der 27. Seite des Kodex beginnt und bis zur 1. Zeile der 28. Seite reicht.
R
e
M
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NUBIEN, DER FUNDORT DES KODEX Der koptische Kodex Nr. 6566 wurde in Kasr el-Wizz, unweit der Grenze des im Norden befindlichen Unter-Nubiens und des davon südlich liegenden Ober-Nubiens, etwas nördlich des zweiten Kataraktes, im Gebiet des einstigen Nobatia gefunden. Kasr el-Wizz wurde nur zwei Kilometer nördlicher erbaut als Faras, kam aber dadurch auf die ägyptische Seite der modernen politischen Grenze, während Faras in das Gebiet des Sudan fiel. Die südlich von Assuan liegenden Gebiete und also auch jene Gegend, in der dieser Fund gehoben wurde, befinden sich seit 1965 unter dem durch den Großen Staudamm aufgefüllten Nasser-See und werden von Wasser bedeckt, sie liegen nahe Abdallah Nirqi, einer Siedlung, die zu gleicher Zeit auch von ungarischen Ausgräbern ausgegraben wurde und jetzt unter dem Wasser erodiert. Da hier weitere archäologische Ausgrabungen und damit neue Funde nicht mehr zu erwarten sind, ist dieser Kodex ein besonders kostbares Denkmal des nubischen Christentums. Er ist dies freilich noch mehr durch seinen Inhalt! In jener Zeit, in der der einstige Schreiber den Kodex niederschrieb, schob sich zwischen Nubien und den christlichen Mittelmeerraum das größtenteils schon muslimische Ägypten, so dass die Kirchen Europas und des Nahen Ostens nichts mehr oder nur sehr wenig über die nubische Kirche, deren Kämpfe, Riten und heilige Schriften wussten. Die Blemmyer und Nobaden konnten aufgrund der Vereinbarung von 452-453 die Insel Philae, die an der südlichen Grenze des zu der Zeit schon christlichen Ägyptens lag, beziehungsweise den dort noch stehenden alten Isis-Tempel zur Kultausübung regelmäßig aufsuchen, da jene Nubier zu dem Zeitpunkt noch keine Christen waren.3 Die örtlichen Christen und Nichtchristen lebten hier damals vielleicht schon seit hundert Jahren zusammen, denn die auf Philae bezüglichen literarischen Quellen notieren etwa ab der Mitte des 4. Jahrhunderts die Namen der Bischöfe Makedonios, Markos, Isaak und Pseleusios.4 Die Königsgräber von Ballana aus der Mitte des 5. Jahrhunderts beweisen noch die Stärke der Nichtchristen, 3
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D. Frankfurter, Religion in Roman Egypt. Assimilation and Resistance, Princeton 1998, 64-65. Der Name des „Markos Philon“ auf der Liste der Bischöfe der alexandrischen Synode von 362 ist möglicherweise identisch mit dem von Brit. Lib. Or. 7029 erwähnten Markos. S. G. Richter, Studien zur Christianisierung Nubiens, Wiesbaden 2002, 118, 122.; letztere Quelle erwähnt als Nachfolger des Markos zwei weitere Namen: hsaias, psoulousia.
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jedoch waren die Ausgräber von Faras (paxwras) der Meinung, dass zu diesem Zeitpunkt in der Stadt die Bauarbeiten an der Lehmziegelkirche im Gange waren. Heute wird die Kirche ein Jahrhundert später datiert.5 Aus dieser Tatsache wurde darauf geschlossen, dass jene Periode mit religiösen Konflikten belastet war. In jedem Fall mögen schon im 5. Jahrhundert in Nubien Klöster existiert haben, in denen Einsiedler lebten (Aaron). Es ist möglich, dass ein Teil von ihnen als Miaphysiten6 (Jakobiten) aus Ägypten vor der Verfolgung durch die Melkiten (Orthodoxen) geflüchtet war. Das in der unmittelbaren Nähe von Kasr el-Wizz liegende Faras war zu jener Zeit das herausragende administrative Zentrum von Nobatia. Im 6. Jahrhundert mag vor der Stadt Faras die Südkirche gebaut worden sein.7 Jenes Jahrhundert brachte grundlegende Veränderungen im Leben UnterNubiens: Im Jahre 536 wurden die Blemmyer von den Nobaden vertrieben. Dieses Ereignis ist durch die Silko-Inschrift auf dem Mandulis-Tempel von Kalabscha verewigt, welche schon von einem christlichen Schreiber formuliert wurde.8 Zur gleichen Zeit, zwischen 535 und 537, ließ Kaiser Justinian auch den letzten „heidnischen“ Tempel Philaes schließen und unmittelbar darauf mag im Isis-Tempel die Sankt-Stephans-Kirche gebaut worden sein. In dieselbe Zeit fällt auch die Mission, von der Johannes von Ephesos in seiner Kirchengeschichte berichtet, derzufolge Kaiserin Theodora und Kaiser Justinian voneinander unabhängig, jedoch parallel miaphysitische beziehungsweise dyophysitische Missionare nach Nubien schickten. Mit Hilfe einiger List gelangten Julianus und Theodoros, Bischof von Philae, als miaphysitische Gesandte der Kaiserin, früher nach Nobatia und bekehrten – dem aufgehaltenen orthodoxen Gesandten des Kaisers zuvorkommend – den König (vielleicht Silko) zum miaphysitischen Glauben. Heutigen Vermutungen zufolge mag der Grund des Erfolges der Mission darin gelegen haben, dass zu der Zeit das Christentum in Nubien längst 5 6
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S. G. Richter, Studien, 174. Die Kirche Alexandrias trennte sich in Chalcedon von Konstantinopel, von da an betrachtet die dyophysitische Orthodoxie die Kopten als Monophysiten. Die koptische Kirche machte sich die monophysitischen Lehren des Eutyches nicht zueigen und wies die Bezeichnung als Monophysiten zurück. Die koptische Kirche lehrte die beiden Naturen Christi als ¢sugcÚtwj, ¢tršptwj, ¢diairštwj, ¢cwr…stwj. Im weiteren benutze ich deshalb den Ausdruck „monophysitisch“ nur im konventionellen Sinn, da er weder im dogmatischen noch im dogmengeschichtlichen Sinne genau ist. (Da ich hier allgemeine Ausführungen und kirchengeschichtliche Schilderungen vermeiden möchte, verweise ich im Zusammenhang mit dem Glauben der Kopten hinsichtlich der Christologie auf C. Kopp, Glaube und Sakramente der koptischen Kirche, Rom 1932, 18-27). Dieses von St. Jakobielski angegebene Datum wird von S. G. Richter um zwei Jahrhunderte später angesetzt; ebd. St. Jakobielski, A History of the Bishopric of Pachoras on the Basis of Coptic Inscriptions, Warszawa 1972, 22
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bekannt war. Longinos baute in Nobatia zwischen 569 und 575 die erste Kirche; auch die archäologischen Funde verweisen im Großen und Ganzen auf diese Zeit.9 Faras baute den Bedürfnissen des Königs gemäß – nach dem Abriss der heidnischen Gebäude – in der Mitte der Stadt eine Kirche, die Kirche am Flusstor (die „Rivergate Church“, die im 13. Jahrhundert noch stand). Die ersten Missionare errichteten, nach byzantinischem Brauch, in Faras an der südlichen Seite des Kom, auf dem höchsten Punkt, ein großes Holzkreuz.10 Für die Mitte des 6. Jahrhunderts haben wir auch schon aus dem nahe dem bei Kasr el-Wizz gelegenen Gebel Edda archäologische Beweise für die Existenz des Christentums,11 während der Bau der Kirche des nur wenig südlicher gelegenen West-Serra erst nach 700 begonnen wurde.12 In Faras begann man in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts mit dem Bau der Ersten Kathedrale, was offenkundig mit der Einrichtung des dortigen Bistums um 617 zusammenfiel.13 Die Kathedrale, von der man früher meinte, dass sie Maria Theotokos geweiht war, halten wir heute für die Kirche der Zwölf Apostel.14 Diese Kirche wurde, nach der Interpretation von Jakobielski im Jahre 651/652 während des ersten arabischen Krieges so stark zerstört,15 dass sie im Jahre 707, in der Zeit von Paulos, des fünften Bischofes von Faras, völlig neu gebaut werden musste. Über die Geschichte von Kasr elWizz und seiner Umgebung in dieser Zeit wissen wir sehr wenig und sind auf Hypothesen und wissenschaftliche Interpretationen angewiesen. Wir glauben, dass in diesen Jahrhunderten die Kirche von Kasr el-Wizz gebaut wurde. Im 7. Jahrhundert, nach der arabischen Eroberung Ägyptens, wurde
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J. Kraus, Die Anfänge des Christentums in Nubien, MWSt.NS 2, Wien 1931; G. Vantini, Christianity in Sudan, Bologna 1981, 36-40; grundlegend zur geschichtlichen Authenzität des Wirkens des Johannes von Ephesos und zum Vergleich mit den archäologischen Denkmälern der frühen Geschichte: S. G. Richter, Studien. St. Jakobielski, A History, 24, 29. Das Kreuz blieb nicht erhalten, auf seine Existenz schließt K. Michalowski aus dem Schutzpfeiler, K. Michalowski, Polish Excavations at Faras 1962-63, in: Kush 12 (1964) 195-207, besonders 197. S. G. Richter, Studien, 145. Ebd. 161. – Makuria, der vom zweiten Katarakt südlich liegende Staat, nahm etwa in den Jahren 568/569 das melkitische Christentum an und geriet auf diese Weise in Gegensatz zu seinem nördlichen Nachbarn Nobatia. Das Datum ist das Ergebnis einer Kalkulation. Wenn die Dienstzeit der Bischöfe aufgrund der Angaben von 19 Bischöfen durchschnittlich 18-20 Jahre betragen haben mag, dann gelangen wir, wenn wir die Restauration der Kirche nicht auf den Beginn der Herrschaftszeit des Paulos datieren, mittels Rückrechnung annäherungsweise zum Jahr 617. J. van der Vliet, The Church of the Twelve Apostles, in: Orientalia 68 (1999) 8497 K. Michalowski, Polish Excavations, 197 hatte als Grund für die Zerstörung ein Erdbeben oder ein Hochwasser des Nils angeführt.
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Nobatia von zwei Seiten unter Druck gesetzt – infolgedessen vereinigten sich Nobatia und das von ihm südlich gelegene Makuria zu einem Staat (wahrscheinlich zwischen 690 und 707). Die Religion des neuen Staatsgebildes wurde miaphysitisch, denn wegen des arabischen Gebietsgewinnes wurde die Beziehung des melkitischen Makurias zu Byzanz unterbrochen und es gab in Alexandria zwischen 637 und 731 nur einen miaphysitischen Patriarchen. Bischof Paulos errichtete im Jahre 707 Stelen in zwei Sprachen: eine koptische und eine griechische Stele. Jakobielski interpretiert die beiden offiziellen Sprachen des neuen Staates so, dass für das an Ägypten festhaltende, miaphysitische Nobatia das Koptische selbstverständlich war, während das den byzantinischen Ritus ausübende Makurien das Griechische bewahrte – während freilich die Bevölkerung Nubiens ihre eigene Muttersprache behielt. (Diese altnubische Sprache entwickelte sich erst vom 8. Jahrhundert an zur Schriftsprache und wurde erst im 11. Jahrhundert zur offiziellen Sprache.) Aus dem Unterschied der beiden Stifterstelen des Paulos schlussfolgerte Jakobielski, dass in jener Zeit keine der beiden Sprachen mehr gesprochen wurde und man auch keinen Schreiber fand, der beide „heiligen“ Sprachen gleichermaßen beherrscht hätte. Unter den Funden von Kasr el-Wizz finden wir gleichzeitig koptische, griechische und altnubische Schriften.16 Wer mag den koptischen Kodex Nr. 6566 geschrieben haben und für wen? Wer mag ihn gelesen haben? Diese Dreisprachigkeit, insbesondere die Kenntnis und der Gebrauch des Griechischen im Innere Afrikas – auch noch Jahrhunderte nach der Loslösung von Byzanz –, ist eine der am schwersten beantwortbaren Fragen. Die Forschung ist der Auffassung, dass Bischof Ignatios (nach 766) in anthropologischer Hinsicht kein Nubier war. Ob dieser Fremde wohl aus dem Gebiet von Antiochia nach Nubien geflüchtet war? Als in Byzanz gerade der Ikonoklasmos tobte, entstanden in der Kathedrale von Faras die ersten Wandgemälde. Hat dieser Bischof, der Flüchtling gewesen sein könnte, die Wandmalerei mitgebracht?
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Die Argumentation Jakobielskis ist beachtenswert, es muss jedoch erwogen werden, dass hinsichtlich der beiden Stelen es nicht so sehr von Bedeutung ist, ob der Übersetzer (oder mehrere Übersetzer) sie nicht hätte(n) übersetzen können, sondern dass die griechische Variante nicht einmal die Hälfte des koptischen Textes enthält. Heute wissen wir auch, dass wir die Richtigkeit eines griechischen Textes aus dem Nubien des 8. Jahrhunderts weder mit dem klassischen noch mit dem Koine-Griechisch vergleichen dürfen, da beide längst nicht mehr existierten. Jakobielski ging auch davon aus, dass Paulos die Kathedrale als monophysitische Kirche neu erbaute. Es wäre selbstverständlich sehr wichtig zu wissen, zu welchem Zweig des Christentums das in der Nachbarschaft von Kasr el-Wizz liegende Bistum gerade zu dieser Zeit gehörte, weil dies bei der Interpretation des Kodex vielleicht außerordentlich hilfreich sein könnte. Dazu aber müssten wir den vermeintlichen miaphysitischen Charakter der Kathedrale viel entschiedener beweisen können.
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Und sind mit ihm zusammen auch die geflüchteten monastischen Künstler gekommen? Dies sind schwer beantwortbare Fragen. Wir können jedoch sehen, dass von der Zeit an alle Inschriften griechischsprachig wurden. Später mag ein erneuter miaphysitischer Impuls Nubien erreicht haben, wodurch die Position der koptischen Sprache erstarkte. Im Jahre 836 schickte Zacharias, der König von Nubien, seinen Sohn Georgios nach Bagdad zu Friedensverhandlungen mit dem Kalifen Mu’atasim. Inzwischen besuchte Georgios, zum ersten Mal nach langer Zeit, auch den miaphysitischen Patriarchen in Kairo. In dieser Zeit, als Bischof Thomas (zwischen 827 und 862) herrschte, der zuvor 23 Jahre lang Mönch gewesen Hm%pmonasthrion etTsoeit pai etoumoute eroF Je mauragh („in jenem ruhmvollen Kloster, das Mauragé genannt wird“) und dessen Archimandrit er war, war die Sprache der Administration Nubiens das Koptische.17 Die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts war eine Zeit der Blüte: Unter der Herrschaft des Georgios erfuhr die Landwirtschaft Aufschwung und wegen der wachsenden Wirtschaft wurden neue Klöster erbaut. Nach Makuria erlangte auch Faras, das Zentrum von Nobatia, den Rang einer Metropole, der erste Bischof im Rang eines Metropoliten war Kyros (862-897/898 oder 866-902), unter dem die Kathedrale rekonstruiert wurde.18 Kyros war, wie sich an seiner für Orthodoxe nicht üblichen liturgischen Kleidung ablesen ließ, vielleicht Miaphysit.19 Zu der Zeit, als auch das Kloster des nahegelegenen Kasr el-Wizz erbaut wurde, gab es in Faras drei aktive Klöster: das Altkloster neben der Kathedrale, das in der nördlichen Hälfte der Stadt gelegene Kloster der Töpfer und das beim Westpalast liegende Sankt-Menas(?)-Kloster. Die Verbindung zwischen dem neuen Kloster in Kasr el-Wizz und der Metropole war so eng, dass man annehmen kann, dass in der folgenden Zeit auch einige Bischöfe von Faras aus der Reihe der Mönche von 17
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St. Jakobielski, A History, 75-81 nimmt gerade aufgrund der koptischen Sprache an, dass Bischof Thomas Monophysit gewesen sein kann, Mauragé war eventuell eines der Klöster von Faras. Es besteht die Gefahr des circulus vitiosus: Er schrieb koptisch, war also Miaphysit und da er Miaphysit war, musste er koptisch schreiben. Das Wandgemälde, das ihn darstellt, war noch auf die unterste Schicht gemalt worden, während die Liste der Bischöfe, in der er der Letzte ist, der von der ersten Hand geschrieben wurde, bereits in der zweiten Schicht befindlich ist. Bei dieser Hypothese folgen wir St. Jakobielski, A History, 86-87, wenngleich man aus der Kleidung nur mit Vorbehalten eine Schlussfolgerung ziehen kann. K. Innemée, Parallels between Nubian and Byzantine Liturgical Vestments, in: JAC 32 (1989) 181185 macht auf mehrere Probleme aufmerksam, zum Beispiel auf die Archaisierung der Darstellung der liturgischen Kleidung und stellt dann fest: „We should consider the Nubian liturgical vestments separately from the question of monophysitism or dyophysitism and not try to find a dogmatical link between the bishop’s costume and theological doctrines“. Die Kirchenarchitektur, die liturgischen Kleinode oder die liturgische Kleidung bieten keinen Anhaltspunkt für die konfessionelle Zugehörigkeit zu den Mia- oder Dyophysiten. S. G. Richter, Studien, 22.
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Nubien, der Fundort des Kodex
Kasr el-Wizz stammten.20 Der Gebrauch der koptischen Sprache auf dem Friedhof und in den Kirchen kann ebenso auf die Integration der Einwanderer, die (vielleicht) vor den Verfolgungen des 8. Jahrhunderts geflüchtet waren, hinweisen, sowie auf die mit der langen miaphysitischen Tradition zu erklärende Prädominanz der Kopten in Faras. Im Jahre 956 griff Nubien Assuan an und plünderte es aus. Der ägyptische Straffeldzug kam zwar bis Kasr Ibrim, Nubien schlug jedoch im Jahre 962 zurück und besetzte OberÄgypten bis Achmim. Zur Zeit der Thronergreifung der Fatimiden (969), sogar bis in die Hälfte des 11. Jahrhunderts gehörte Edfu zu Nubien, in dieser Zeit erbauten die Nubier das Kloster Anba Hadra (Sankt Simeon) von Assuan neu.21 Im 10. Jahrhundert erreichte die nubische Macht ihren Höhepunkt, als sie die Zahlung des baqt22 zurückweisen konnte. Als unter al-Hakim Mansur (996-1021) in Ägypten die große Christenverfolgung stattfand, öffnete Nubien seine Tore für die Verfolgten. Persischen Quellen zufolge flohen in jener Zeit 12.000 (!) Mönche nach Nubien.23 Wir wissen nicht, welche weiteren Veränderungen im 10. Jahrhundert geschahen, und nehmen nur zur Kenntnis, dass die Grabsteine der Bischöfe Kolluthos und Stephanos wiederum griechischsprachig sind und dass uns auch zahlreiche griechische Graffiti aus dieser Zeit vorliegen. Die Erklärung für den Vorstoß der griechischen Sprache in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts kennen wir nicht, denn König Georgios war Miaphysit, die Verbindung zu Byzanz wurde nicht belebt. 20
21
22
23
W. Godlewski, The United Nubian Kingdom (http://www.arkamani.org/arkamani-library/christian/godlewski_1.htm) gelangt zu der Schlussfolgerung, dass „The monastery at Qasr el Wizz was definitely connected with Pachoras and at least some of the bishops of Pachoras came from the ranks of the local monks.“ Schade, dass er in seinem Artikel nicht erwähnt, welcher unter den Bischöfen von Faras, deren Name bekannt ist, aus Kasr el-Wizz kam, und dass er auch zeitlich nicht die Periode eingrenzt, auf die er abzielt. M. Capuani, Christian Egypt. Coptic Art and Monuments Through Two Millenia, Cairo 2002, 248-250. Vom latino-griechischen ‚pactum/pakton‘ abgeleitet; von den Arabern als jährliche, die Religionsfreiheit erwirkende „Steuer“ der nubischen Christen an den muslimischen Herrscher aufgrund des mit den Arabern im Jahre 652 geschlossenen Vertrages verstanden. In der Tat war der baqt ein Staatsvertrag zwischen dem zuerst byzantinischen, später moslemischen Ägypten und Nubien, wo mit gegenseitigem „Geschenkaustausch“ ein Verzicht auf Raubzüge vereinbart worden war. Die Nubier sollen jährlich 360 Sklaven geliefert haben. – S. G. Richter, Studien, 19; H. Halm, Die Kalifen von Kairo. Die Fatimiden in Ägypten, 973-1074, München 2003, 108112, mit weiterer Literatur. Es wäre gut, zu wissen, ob in dieser Zeit die nubische Kirche, wie St. Jakobielski, A History, 101, schreibt, monophysitisch war, „wie dies auch von zahlreichen Angaben des Kirchenbezirks von Faras bewiesen wird“. Interessant wäre auch, zu wissen, ob sich die Kräfteverhältnisse geändert haben, als plötzlich „12.000“ flüchtende Mönche die Kirche überfluteten.
Nubien, der Fundort des Kodex
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Der nubische König Georgios IV. zog sich, nachdem er auf seine Macht verzichtet hatte, in eines der Klöster des unterägyptischen Wadi Natrun zurück, wo er im Jahre 1158 auch starb. Im Jahre 1171 stürzte in Ägypten die Herrschaft der mit Nubien zu der Zeit ein gutes Verhältnis pflegenden Fatimiden, denen der nubische König Moses mit der Waffe gegen die kurdischen Ayyubiten zu Hilfe eilte. Als Antwort brachen ägyptische Truppen unter der Führung von Schams ad-Din Turan Schah, der Bruder Salah-ad-Dins, in Kasr Ibrim ein, wo sie die Kirche der Heiligen Jungfrau Maria in eine Moschee umwandelten. Das 13. Jahrhundert war die Zeit des Verfalls des nubischen Königtums, weniger wegen des Eindringens mittel-sudanesischer Stämme (Demdem, Zaghawa), auch nicht wegen des Eindringens der Araber, sondern vielmehr wegen der wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit von Ägypten. Im Jahre 1272 konnte König David noch bis Assuan vorstoßen, der Rückschlag erfolgte jedoch sofort, Dongola wurde von den Arabern eingenommen.24 Im Jahre 1317 wurde der Palast von Alt-Dongola zur Moschee umgebaut. Die letzte bekannte Angabe über einen christlichen nubischen Herrscher – über Kudanbes – stammt aus dem Jahre 1323. Im 15. Jahrhundert wurde aus Nobatia wegen des Übergangs zum Nomadentum zum verlassenen Gebiet. Es scheint, dass in Faras nach dem Tode des miaphysitischen Georgios (1062-1097) die Melkiten das Kloster übernahmen. Der letzte bekannte Bischof der Kathedrale war der, ein griechisches Zeugnis hinterlassende, diophysitische Bischof Jesu (oder Josua), der, wie man schlussfolgern kann, in der Zeit zwischen 1170 und 1175 starb, etwa zu der Zeit des Zusammenstoßes bei Adindan (neben Faras) im Jahre 1175; es ist auch vorstellbar, dass der Bischof starb, als die Kathedrale zerstört wurde. Von da an war das Kloster von Kasr el-Wizz sicher nicht mehr in Betrieb. Dennoch kann es nach der Zerstörung der Kathedrale in Faras, wenn auch in einer anderen Kirche, noch einen Bischof gegeben haben. Der letzte Bischof von Faras und zugleich auch von Nubien im Jahr 1372 war Timotheos, der zwar in Kasr Ibrim residierte, in seinem Titel jedoch noch den Ehrentitel des Bischofes von Pahoras führte. Unser Kodex, der in einer Periode einer uns nur in sehr groben Zügen bekannten Kultur am Nil durchgeblättert wurde, als sich Völkergruppen, Religionen, Sprachen und Schriften miteinander vermischten oder miteinander kämpften, stellt eine besonders wertvolle Quelle dar. Seine Entstehung fällt mit der Prosperität des christlichen Nubiens zusammen, seine Entwurzelung und sein Verlust gingen mit dem Niedergang jener Periode einher. Und da er zu den letzten Denkmälern einer – im wahrsten Sinne des Wortes – im
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K. Michalowski, Das christliche Nubien 1158-1272, in: E. Endesfelder/K.-H. Priese/ W.-F. Reineke/St. Wenig (Hg.), Ägypten und Kusch (FS Fritz Hintze), Berlin 1977, 309-313.
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Nubien, der Fundort des Kodex
Wasser versunkenen Kultur gehört, ist sein Zeugnis über Schrift, Sprache und Glauben unschätzbar. Doch noch größer ist die literatur-, religions- und theologiegeschichtliche Bedeutung des Textes, also der beiden apokryphen Schriften, weil eine davon bisher völlig unbekannt war und weil vielleicht von dieser (wie es bei ähnlichen Texten nicht selten vorkommt) auch nie ein Duplikat auftauchen wird. Vielleicht ist es kein Zufall, dass wir bisher einem solchen „Evangelien“-Fragment nicht begegnet sind; auf jeden Fall berichtet dieses über einen für die kirchliche Tradition recht ungewöhnlichen Ritus: über den Erlöser, der um das Kreuz tanzt.
ZWEI KOPTISCHE APOKRYPHEN AUS NUBIEN Der Text und seine Übersetzung 3
oulogos n%ta pen!shr% auw pendespo ths !is pe!xs
5
tame neFpe
Ein Wort, das unser Erlöser und unser Herr Jesus der Christus verkündigte seinen herrlichen Heiligen, den Aposteln, bevor er aufgenommen wurde:
touaab etHa eoou n%n%apos
über die Macht und Frei-
tolos m%pa touanalamba
10 ne m%moF: etbe tGom !mnpar
4
rhsia mn%tpoli tia m%pestauros petHaeoou: auw
mütigkeit und Lebensweise des Kreuzes, des herrlichen und lebenspendenden.
n%reFtanHo: !Hn
5
oueirhnh n%tepnj: ----------------namerate as Swpe de n% ouHoou eFHmo os n%Gi pen!shr% Hi
Im Frieden Gottes. --------------------Meine Lieben! Es geschah aber eines Tages, als unser Erlöser auf dem Ölberg saß,
10 Jm% ptoou n%n% Joeit: Haqh= n%
5
Ftoou n%Hoou m% patouanalam bane m%moF !Hn m%phue: eusw
5
ouH eHoun nm maF n%Gi neFa postolos: aFJw eroou n%m%musth
vier Tage, bevor er in die Himmel aufgenommen wurde, versammelten sich seine Apostel um ihn. Er sagte ihnen die unfassbaren Mysterien, welche in den Himmeln
rion n%attaHo
10 ou: net!Hnm%phue
6
auw netHiJ\m pkaH: auw m\n qe eteFnakrine
und auf der Erde sind, und auch auf welche Weise er die Lebenden und Toten richten wird,
10
Zwei koptische Apokryphen aus Nubien n%neton\H m\n
5
netmoout: auw tanastasis n%net
und die Auferstehung der Toten.
moout: aFou wS\b n%Gi petros:
Petrus antwortete ihm und sprach:
peJaF naF: Je
10 penJoeis auw
Unser Herr und unser Gott und
pennoute: auw
7
p!shr% n%n%yuxo oue: auw n%ouon nim etHelpize erok: auw ptalGo n%n%
5
yuxooue n%tau
Erlöser der Seelen und aller, die auf dich hoffen und Heilmittel der von den Sünden verwundeten Seelen.
SooGou !Hn\nno be: n%tok akGw !lp nan n%m%mus
Du, du hast uns sämtliche Mysterien offenbart.
thrion throu:
10 auw o%n tenou
Wenn du uns nur jetzt wieder
8
das Mysterium offenbaren würdest, jenes, nach dem wir dich fragen werden. Der Erlöser antwortete und sprach:
makouwn\H nan m%pmusthrion et\nnaJnouk m%moF: aFouw
5
Sb% n%Gi p!shr% pe JaF: Je \w pa swtp% petre: auw n%twt\n naS!brklhro
Oh, mein Erwählter, Petrus, und ihr, meine Miterben, ich verbarg
10 nomos {mh=} n=taIHwp
9
an eneH erwt\n n% ouSaJe n%ouwt n%tatet\nJnouI m%moF: oude n%T
5
naHwp erwtn% an: alla matet\nJnoI n%Hwb nim n%ta tet\nouwS eei me eroou: anok
euch nie eine einzige Sache, nach der ihr mich gefragt habt. Auch werde ich nichts vor euch verbergen. Fragt mich aber nach irgendetwas, was ihr wissen wolltet, ich werde euch dies offen-
10 TnaouonHou nh
10
t\n: aFouwS\b n%Gi petros eFJw m%mos: Je penJo eis auw pennou
5
te: auw pen!sh\r: tn%ouwS etrek tamon m%musth
baren. Petrus antwortete und sprach: Unser Herr und unser Gott und unser Erlöser, wir wollen, dass du uns das Mysterium
Der Text und seine Übersetzung rion m%pestau ros: etbe !ou ek
10 nan%t\F n!mmak
11
Hm%peHoou et\k nakrine H\ntdi kaiosunh: pma ein m%pestauros
5
ettaeihu: Jekas ennaswt\m ebol Hitoot\k etbhh t\F: ennata
11
des Kreuzes offenbarst. Warum ist es so, dass du es mit dir tragen wirst an jenem Tag, an dem du in Gerechtigkeit richten wirst, – das Zeichen des kostbaren Kreuzes –, damit wir von dir darüber hören (und damit) wir es verkündigen in der gan-
SeoeiS H\mpkos
12
mos thr\F: aF ouw!S\b n%Gi p!s\hr peJaF: Je w% paswt\p petre?
5
auw n%twt\n
zen Welt? Der Erlöser antwortete und sprach: Oh, mein Erwählter Petrus, und ihr, meine Brüder,
nasnhu: tet\n sooun n%Hwb nim n%tauaau n\mmaI n%Gi m%paranomos
10 n%n%IoudaI: mn%
13
n%Ji oua etoutau oou eHoun eroI: e Jm% pestauros: au neJ paGse eHoun/ e
5
roI: auT!kly eJwI: auT eJwI m%pe klom n%Sonte: m\n n%SaJe n%noG
ihr wisst alles, was mir angetan wurde, durch die Gesetzesübertreter der Juden, sowohl die Schmähungen, die über mich gehäuft wurden, am Kreuz – Sie bespuckten mich, sie schlugen auf mich ein, sie setzten mir die Dornenkrone auf – als auch Schimpfworte, die sie über mich häuften.
neG n%tautauo
10 ou eHoun eroI:
14
etbe paI Tnan% t\F n\mmaI m%pe stauros: Jekas eieGwl\p ebol m%
5
peuSipe: auw Tnakw n%neua nomia HiJ\n teu ape: tenou de mallon swt\m
10 eroI Tnatamw
15
t\n n%kenoG m%ptaI o m%pestauros: Ho
Wegen dieser werde ich es mit mir tragen, das Kreuz, damit ich ihre Schande offenbar mache und ihre Gesetzlosigkeiten auf ihr Haupt lege. Jetzt aber hört mir noch besser zu, ich werde euch ein weiteres großes Geschenk des Kreuzes verkünden.
12
Zwei koptische Apokryphen aus Nubien tan eiSanHmoos eJ\m paqronos m%
5
peoou: Je eina krine m%pkos mos thr\F: Fna aH/ erat\F n%taou nam n%Gi pestauros:
Wenn ich auf meinem Thron der Herrlichkeit sitze, um die ganze Welt zu richten, wird das Kreuz zu meiner Rechten stehen. Im Tal Josa-
10 HiJm%peia n%Iwsa
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fat ereteFnou ne men Hipesht epkaH: neFkla dos de euna e
5
HraI palin n%qe n% Sor\p: n\Fkla dos de auHobs\F H\mpkaH So m!n\t m%meros n%
10 tepkaH: ouon nim n%taupis
17
teue m%pest?a?uros H\mpeuHht th r\F: eu??naei HaqaI bes m%pestauros
5
eunaaHeratou: kan/ n%taFt!mme petHkaeit: n%eu tso/ etobe: n%eFT HiwF m%petkhka
10 Hhu: n%Houo de
18
n%ne[n]t?ausHaI m% nJww?me nepai nos mpestauros: SanTouw ekri
5
ne m%pkosmos th r\F: m\nn%sa eikri ne de m%pth\rF n%n%dikaios m\n n%reFr%n%obe: pa
10 lin aFtwoun
phat, indes seine Wurzel aber in der Erde ist, richten sich seine Zweige aufs Neue empor, wie zuvor. Seine Zweige aber bedeckten es* auf der Erde, die drei Teile der Erde. Alle, die glaubten an das Kreuz von ganzem Herzen, werden unter den Schatten des Kreuzes treten, und sie werden sich dorthin stellen, – sei es, (dass) er den Hungrigen speiste, (dass) sie den Durstigen zu trinken gaben, (dass) er den anzog, der nackt war, insbesondere aber die, die die Lobbücher des Kreuzes schrieben, - bis ich aufhöre zu richten die ganze Welt. Nachdem ich aber die Gesamtheit der Gerechten und Sünder gerichtet habe, richtet sich das Kreuz wieder auf,
n%Gi pestauros
* An dieser Stelle scheint der koptische Text gestört zu sein. Möglicherweise ist etwas ausgefallen.
Der Text und seine Übersetzung
19
a?F?b?wk eHraI H\n m%p]hue: ouon nim n%]taupisteue Hi JwF: senakotou
5
n!mmaF eubwk e Houn n%t!mntero n% m%phue senaklh ronomei m%pwn\H SaeneH: n%Tna
10 krine an n%laau n%Hhtou: eite Hi
20
t\m pSaJe: e[ite] H?i? t\n ouHwb: al[la senaouJaI Hit[n% tGom m%pestauros[:]
5
tenou de w% na melos etouaab bwk n%tetn%ta SeoeiS m%pkos mos thr\F: Je
10 kas eunar%Hipa Hou m%pestauros
21
e?u?[n]amate m%peinoG n%]e?oou H\mpeHoou e?tHaHote etm%mau: n%ter\nswt\m enaI
5
anon n%apostolos:
anouwS\t m%pen s!hr: auw enJw m%mos naF: Je peoou nak peiwt etH\m
10 pShre: pShre et
22
H\mpeiwt m[n% pe p!na etouaab SaeneH n%eneH !F[q] Je n%ouoeiS nim
5
aktaau n%eoou n% nentaumerit\k: eseSwpe m%mon n%t!nHe n%ouna: m\nou ‹a?xarisma›
10 xaris H\mpeHoou
[fä]hrt gen [Him]mel. Alle, die daran glaubten, werden sich zu ihm wenden, während sie ins Himmelreich hineingehen, sie werden das ewige Leben erben. Ich werde keinen von ihnen richten, weder nach Wort, noch nach Tat, sondern sie werden Heil erlangen durch die Macht des Kreuzes. Jetzt aber, oh meine heiligen Glieder, geht hin, predigt in der ganzen Welt, dass sie dem Kreuz nachfolgen werden damit sie diese große Herrlichkeit erlangen werden an jenem Tag der Furcht. Als wir Apostel dies hörten, fielen wir vor unserem Erlöser nieder, und sprachen zu ihm: Lob sei dir, dem Vater in dem Sohn, dem Sohn in dem Vater samt dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. Denn Du hast zu jeder Zeit die verherrlicht, die dich liebten. So geschehe es uns,** dass wir Erbarmen und Gnade finden an jenem Tag,
** Eine andere Übersetzungsmöglichkeit wäre: so sei es.
13
14
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
n%eneH Hamhn : -
an dem es*** richten wird in Gerechtigkeit. Jetzt und immerdar, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
**** ----- ***** ---
---- ***** ----- ***
---- ***** ----- ***
**** ----- ***** ---
a?sSwpe de n%o[u]H?o?ou
Es geschah aber eines Tages, dass der Erlöser auf dem Ölberg saß, bevor ihn die gesetzesübertretenden Juden kreuzigten. Wir alle versammelten uns um ihn. Er antwortete und sprach: O, meine heiligen Glieder, versammelt euch um mich, damit ich singe dem Kreuz, und
et]F?nakrine !Hn ou]dikaiosunh: tenou auw n%ouo eiS nim SaeneH
5
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ereps!hr Hmoos H?[i J\m ptoou n%n%Jo?[eit m%patoustaurou m%
5
moF n%Gi n%IoudaI m% paranomos: anon th r\n answouH nm%maF pe: aFouwSb% eF Jw m%mos Je w% na
10 melos etouaab: sw ouH eroI n%taHumneue m%pestauros: auw
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n?t?w?t\n ntet\nouw mn]n?swI: anon de an .. ]uklom ankwte e r?oF: peJaF nan: Je
5
anok eiH\n tet\nmhte n%qe n%neiShre? kouI: peJaF Je Hamhn: ke kouI pe eiSoop n\m mht\n n%tetn%mhte:
10 seJi SoJne eroI te nou: m%pr%katexe
{m%}
m%moI w% pestauros: tw oun eHraI twoun
26
w% pestauros etoua ab ng%Jise m[moI w% pestauros an[g ourm%mao amhn: T
5
naale eHraI eJwk w% pestauros: sena aS\t eJwk eu!mn t!m\ntre nau: So p\t erok w% pestau
10 ros amhn: m%p\rri
ihr, ihr sollt [na]ch mir antworten! Wir aber [bilde]ten einen Kranz (und) wendeten uns ihm zu. Er sprach zu uns: Ich bin in eurer Mitte, wie diese kleinen Kinder. Er sprach: Amen. (Noch) eine kleine (Weile) bin ich bei euch in eurer Mitte. Jetzt beraten sie sich über mich. Halte mich nicht auf, oh Kreuz! Erhebe dich! Erhebe dich oh heiliges Kreuz! Erhöhe [mich], oh Kreuz. Ic[h] bin reich. Amen. Auf dich soll ich steigen, oh Kreuz. Ich werde zu dir gerufen werden als Zeugnis (für sie) Nimm mich zu dir, oh Kreuz! Amen
*** Eine andere Übersetzungsmöglichkeit wäre: er.
Der Text und seine Übersetzung me w% pestauros: al la raSe n%toF n%
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Houo amhn : n%tereF Jwk de ebol n%Hu mnos: anouwSb% n swF thr\n Je amhn:
5
pmeHsnau n%Humnos m%pestauros: anok pe? teHih m%pwn\H ettaei[hu amhn: anok pe poeik n%atmou: ouwm n%
10 tet\nsei/ amhn: an ouwS\b n%swF Je a mhn: peJaF nan on%: Je swouH eroI w%
28
namelos etouaab: taxoreue m%pesXo\s m%pmeHSom!nt n% sop: n%tet\nouwS\b?
5
n%swI Je amhn: w% pestauros etmeH n% ouoein: palin on: eFnaforei m%pouo ein amhn: TnaT
10 paouoei/ eHoun e rok w% pestauros: Hamhn: Tnaale e
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HraI eJwk eum!nt m!ntre nau: Sop\t erok w% pestauros: m%pr%Gwl\p ebol m%
5
p?aswma amhn: tmeHFto n%xoria m%pestauros: anok ouHhke/ an w% pe stauros petTpouo
10 ein amhn: Tna plhrou m%mok H\n tam!ntr!mmao/
30
amhn: Tnaale e HraI eJwk: Sop\t erok w% pestauros: oueoou nak Je ak
5
swt\m n%sa pekei wt amhn: peoou
Weine nicht, oh Kreuz, sondern freue dich vielmehr! Amen. Als er aber den Hymnus beendete, antworteten wir alle darauf: Amen. Zweiter Hymnus dem Kreuz: Ich bin der Weg des Lebens, der vorzügliche, Amen. Ich bin das unsterbliche Brot. Esst und werdet satt! Amen. Wir antworteten darauf: Amen. Wieder sprach er zu uns: Versammelt euch um mich, o meine heiligen Glieder, auf dass ich zum dritten Male um das Kreuz herumtanze. Darauf antwortetet ihr mir: Amen. Oh, lichterfülltes Kreuz, wiederum, es wird das Licht bringen. Amen. Ich werde mich auf dich zu bewegen, oh Kreuz. Amen. Auf dich soll ich steigen als Zeugnis für sie. Nimm mich zu dir, oh Kreuz! Offenbare dich nicht meinem Leibe! Amen. Vierter Reigentanz des Kreuzes: Ich bin nicht arm, oh lichtspendendes Kreuz. Amen. Erfüllen werde ich dich mit meinem Reichtum. Amen. Auf dich soll ich steigen. Nimm mich zu dir, oh Kreuz! Lob sei dir: du hast deinem Vater gehorcht. Amen. Lob sei dir,
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien nak peHloG thr\F amhn: peoou n% tm!ntnoute F\q :
10 aouwn n%tek xaris w% paeiwt Jekas eieHumneue
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epestauros amhn : aI Ji naI n%teGrhpe n% tm!ntero ebol H\m p?Se: amhn : Tna
5
trenaJaJe Hupo tasse naI Hamhn: pJaJe naouws\F ebol Hit\m pestauros amhn: peieib m%pmou
10 naouws\F ebol Hi t\m pmonogenhs n% Shre amhn: t!mn
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tero ta nim te: ta pShre te amhn: ereteFm!ntero S?o? op ebol twn: es
5
Soop ebol H\mpS[e] amhn: nim pentaF? t\nnoouF SapesXs: peiwt pe amhn: ou pe
{pe}
pestauros
10 ou ebol twn pe: {ou} ebol H\m pe!p\na pe !Fq: FSoop Jin eneH n%
oh höchste Annehmlichkeit. Amen. Lob sei der Gottheit. Amen. Öffne deine Gnade, oh mein Vater, auf dass ich dem Kreuz lobsinge. Amen. Ich nahm mir die Krone des Königtums durch das [Ho]lz. Amen. Ich werde veranlassen, dass meine Feinde sich mir unterwerfen. Amen. Der Feind wird vernichtet werden durch das Kreuz. Amen. Der Stachel des Todes wird vernichtet werden durch den eingeborenen Sohn. Amen. Das Königtum, wem gehört es? Dem Sohn. Amen. Sein Königtum, woher ist es? Es ist durch das Hol[z]. Amen. Wer ist es, der ihn ans Kreuz schickte? Der Vater ist es. Amen. Was ist also das Kreuz? Woher ist es? Durch den Geist ist es. Amen. Seit ewigen Zeiten ist es,
ouoeiS nim Jin
33
Sa{e}eneH n%eneH !Fq:
von Anbeginn der Welt. Amen. Ich bin das Alpha. Amen. Und das [Omega]. Amen. Der Anfang und das Ende. Amen. I[ch] bin der unaussprechli[che] Anfang und das unaussprechliche Ende. Und das Endliche in Ewigkeit. Amen. Wir aber, als wir dies hörten, lobten Gott. Sein ist das Lob, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
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*****------******------*****
*****------******------*****
*****------******------*****
tkatabolh m%pkos mos amhn: anok pe? alfa amhn : auw [w] amhn : tarxh auw
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ptelion amhn : an[ok] pe tarxh n%atSaJ[e eroF: auw ptelion natSaJe eroF: auw ptelios SaeneH amhn:
10 anon de n%ter\nswt\m enaI anTeoou m%pnoute: paI etepwF pe peoou
Der Kodex und seine Fundumstände
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Der Kodex und seine Fundumstände Der Kodex wurde im Winter 1965 im Zuge der nubischen Rettungskampagne durch die Ausgrabung des Chicago Oriental Institute im Kloster Kasr elWizz gefunden. George T. Scanlon fasst das Wenige zusammen,25 was man über diesen zwei Kilometer nördlich der sudanesischen Grenze liegenden, so gut wie unbekannten Ort aufgrund der Beschreibung von Somers Clarke, F. Ll. Griffith, Monneret de Villard und H. S. Smith zu dieser Zeit über das wusste, was schon zur Zeit des Erscheinens seines Berichtes für immer unter Wasser geraten war. Es ist unwahrscheinlich, dass wir jemals wesentlich mehr über das Kloster erfahren können, als wir aufgrund des einst geschriebenen, vorläufigen Berichtes des Ausgräbers wissen. Wir können das Bild vielleicht höchstens hinsichtlich winziger Details verändern. Aber das, was von Scanlon aufgeschrieben worden ist, ist im Hinblick auf das Verständnis der Herkunft unseres Kodex sehr bedeutsam. Einen halbstündigen Fußweg von dem Bischofssitz Faras entfernt wurde die dreischiffige Kirche gebaut, die aufgrund architektonischer Besonderheiten auf die Zeit zwischen 550 und 750 datiert wurde. (Es ist nicht unsere Aufgabe, auf die Architektur und Wandgemäldefragmente der Kirche, auf die zahlreichen datierenden Keramikbruchstücke26 und auch nicht auf das mit Inschrift versehene Becken des Baptisteriums27 einzugehen.) Es ist äußerst bedauerlich, dass wir absolut nichts über die koptischen Pergamente wissen, die in einem, hinter der Apsis in südlicher Richtung liegenden, Raum unbekannten Zweckes auftauchten und über die der Ausgräber nur so viel bemerkte: „Many fragments, including full pages of parchment of Coptic texts, inscribed in black ink both sides, all somewhat faded and eroded ...“.28 Das völlig ausgeraubte 25
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28
G. T. Scanlon, Excavations at Kasr el-Wizz. A Preliminary Report I, in: JEA 56 (1970) 29-57, II, in: JEA 58 (1972) 7-42. Der ausgrabende Archäologe George T. Scanlon äußerte sich mir gegenüber mündlich im Juni 2003, dass diese Keramik von Kasr el-Wizz in mehreren Punkten nicht in die Typologie von W. Y. Adams passte, die dieser teilweise auch unter Aufarbeitung der christlichen Fundorte dieser Gegend aufgestellt hatte. G. T. Scanlon, Excavations, JEA 56 (1970) plate XXXVIII/2; J. Barns, A Text of the Benedicite in Greek and Old Nubian from Kasr el-Wizz, JEA 60 (1974) 206-211; G. M. Browne, Literary Texts in Old Nubian, Beiträge zur Sudanforschung, Beiheft 5, Wien 1989, 74-77. G. T. Scanlon, Excavations, JEA 56 (1970) 48, plate XXXVIII/1. – Das Verhältnis der koptischen Mönche zu Büchern war ambivalent. Apa Zachaeus beispielsweise „gab“ den in die Wüste ziehenden Einsiedlern „Brote und zwei Bücher“ aFT nan n%n%oeik mn% Jwwme snau, in einem anderen Falle aFei nGi ourwme nouoein ere ouJwwme ntootF% (Es kam ein Lichtmensch, der ein Buch bei sich hatte) (BM MS Or. No. 7029 Fol. 9b und 16b in: W. Budge, Miscellaneous Coptic Texts in the Dialect of Upper Egypt, London 1915, 441 und 449), und Johannes, der Mönch werden will, erbittet von seinen Eltern ein goldenes Evangelium (oueuaggelion n%noub) (BM MS Or. No.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
Grab hinter der Apsis war unter anderem mit Bruchstücken von im 10.11. Jahrhundert aus Ägypten importierter, emaillierter Keramik und mit „vielen kleinen, beidseitig koptisch beschriebenen Pergamentfragmenten“ aufgefüllt worden.29 Auch der Inhalt dieser ist mir unbekannt. In der Zeit, als eine Erweiterung der Kirche notwendig wurde (ca. 850-950), wurde auch das daran unmittelbar anschließende Kloster erbaut.30 Während des Feldzuges von Schams ad-Din Turan Schah (etwas später als 1170) wurden sämtliche, südlich von Assuan liegende Klöster – so auch dieses – zerstört, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Mönche schon früher das Kloster verlassen haben (da das späteste datierbare Zeugnis eine Tasse aus dem 11. Jahrhundert ist).31 Scanlon schätzt, dass das Refektorium beziehungsweise die Zellen Platz für 20-24 Mönche geboten haben. In der von den Ausgräbern mit II-E markierten Zelle, die ein Ausmaß von nicht ganz 4 x 3 Metern hat und in der von der Anzahl der Liegeplätze zu schließen vielleicht vier Mönche gewohnt haben, wurde in der südwestlichen Ecke der von uns untersuchte Kodex gefunden. Diese Schrift wurde von G. Scanlon, der in Kenntnis der kurzen vorherigen Mitteilungen32 unbedingt von dem Charakter des Kodex, zumindest im Großen und Ganzen wissen musste, mit dem irreführenden Ausdruck „book of prayers“ bezeichnet33. Er beschreibt den Kodex nur äußerlich, ohne mit einem Wort auf den Inhalt einzugehen. Heute ist schwer festzustellen, inwieweit die ersten Forscher die Bedeutung des Fundes erkannt haben. Zur selben Zeit wurden einander völlig widersprechende Feststellungen getroffen: „The Times“ schreibt, „‚The most exciting‘ from salvage excavations above the High Dam at Aswan“,34
29 30 31 32
33
34
6783 Fol 69b sq. in: W. Budge, Coptic Martyrdoms in the Dialect of Upper Egypt, London 1914, 186-187); an anderer Stelle verurteilt Apa Sarapion einen Bruder, weil er gesehen hat, dass dessen Fenster voller Bücher ist (M. Chaine, Le manuscrit de la version copte en dialecte sahidique des „Apophthegmata Patrum“, Bibliothèque d’Études Coptes, Tome VI., Le Caire 1960, No. 28.). G. T. Scanlon, Excavations, JEA 56 (1970) 46. G. T. Scanlon, Excavations, JEA 58 (1972) 7-10. Mündliche Mitteilung von George T. Scanlon. Old Coptic MS. Unearthed Near Abu Simbel, The New York Times, 24 Dez. 1965, 24; Ancient Prayer Book Found in Egypt, The Times, 24 Dez. 1965; New Words of Jesus? Time, 7 Jan. 1966; G. R. Hughes, A Coptic Liturgical Book from Qasr el-Wizz in Nubia, in: Oriental Institute Reports 1965/66, 10-14. Den Kodex sah sich, noch in Nubien, als Erster der in der Nähe arbeitende polnische Ägyptologe Marek Marciniak an, von ihm stammt der Ausdruck „book of prayers“ (mündliche Mitteilung G. Scanlons am 3. Juni 2003 in Kairo). Wenig später begann G. R. Hughes sich mit dem Kodex zu beschäftigen, kehrte aber dann bis zu seinem Tod im Jahre 1992 nicht mehr zu dem Thema zurück. Dass er jedoch den Text (vielleicht kurz nach der Entdeckung?) übersetzte und mit einem „Not to publish“ Vermerk versah, erfuhr ich, wie im Vorwort erwähnt, erst nach Abschluss meines Manuskriptes. The Times 24. Dezember 1965 – Dies ist die sensationelle Mitteilung einer Tageszeitung.
Der Kodex und seine Fundumstände
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ein wissenschaftlicher Bericht bemerkt „The contents of the book per se are not very significant“.35 In einem Grabungsbericht der Universität von Chicago, in dem von den altnubischen Inschriften die Rede ist, wird der Kodex überhaupt nicht erwähnt.36 Immerhin war Hughes der Forscher, der als Erster auf die Verwandtschaft des Textes mit dem in der Saison 1963-64 bei Serra East gefundenen altnubischen Kodex37 und auch auf die Verbindung mit dem Berliner Stauros-Text38 hinwies.39 Gleichzeitig mit unserem Kodex wurde ein „Marianos an Marianos“ überschriebener, mit schwarzer Tinte geschriebener Brief in altnubischer Sprache und mit einer Zeile griechischer Aufschrift auf der Rückseite zutage gefördert, ebenso ein anderes Pergament in altnubischer Sprache und zwei Pergamentstückchen mit koptischen Fragmenten.40 Beim westlichen Eingang des Klosters (III-O) wurde ein weiteres Pergamentfragment mit einem elfzeiligen griechischen Text gefunden.41 Die Ausgräber hatten ursprünglich die Absicht, alle Texte in einer gesonderten Monographie zu publizieren42 – leider ist es dazu nicht gekommen. Als ich im Sommer 2003 in Kairo (im Ägyptischen Museum und im Koptischen Museum) und in Assuan (im Nubia Museum) die aus Kasr el-Wizz stammenden weiteren Handschriften näher untersuchen wollte, konnte ich keine Spur von ihnen finden. Im Jahre 1999 sah ich den bekannten Kodex nicht mehr im Koptischen Museum, sondern im Nubia Museum in Assuan wieder. Die Handschrift hatte im Nubia Museum die Kennzeichnung „Special Number 168“ erhalten, jedoch bewahrt sie auch weiterhin die Inventarnummer 6566 des Koptischen Museums. In der Ausstellung des Nubia Museums sah jedoch der Kodex nicht mehr ganz so aus wie in Kairo, die auseinandergefallenen Blätter hatte man anders zusammengefügt: Zwar war die eingerahmte Einleitung auf der rechten Seite die bereits bekannte, auf der linken Seite jedoch war ein anderes Kreuz. Obwohl eines der beiden der ein Kreuz enthaltenden Blätter auf der linken Seite das allererste sein musste, lagen sowohl in Kairo als auch in Assuan – vermutlich aus ausstellungstechnischen Gründen – weitere (jeweils
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G. R. Hughes, A Coptic Liturgical Book, 12. Keith Seele (und Carl Devries), Ballana, Qustul and Qasr el-Wizz, in: Labib Habashi (ed.), Actes du IIe Symposium International sur la Nubie (Suppl. ASAE 24), Le Caire 1981, 29-31 – Vortrag auf einer Fachkonferenz. G. M. Browne, Chrysostomus Nubianus. An Old Nubian Version of Ps.-Chrysostom, In venerabilem crucem sermo, Papyrologia Castroctaviana 10, Roma–Barcelona 1984, 18. F. Ll. Griffith, The Nubian Texts of the Christian Period, APAW Jg. 1913. Phil.-Hist. Classe No. 8, 1913; G. M. Browne, Literary Texts. G. R. Hughes, A Coptic Liturgical Book, 12. G. T. Scanlon, Excavations, JEA 58 (1972) 18-19. Ebd. 12. Anmerkung 1 und plate VI/1. G. T. Scanlon, Excavations, JEA 56 (1970) 29. Anmerkung 1.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
andere) Blätter unter dem „ersten“ Blatt.43 All dies bedeutete, dass der Kodex in seiner ausgestellten Form nicht mehr die ursprüngliche Reihenfolge der Blätter hatte und als ich ihn zur Hand nehmen durfte, konnte ich nur so viel wissen, dass die Seiten so nicht aufeinander folgen konnten. Da keiner der Bögen mit einem anderen verbunden war, konnte ich auch darin nicht sicher sein, dass sämtliche Blätter des einstigen Bandes erhalten sind. Auf diese Frage sollte der Text die Antwort geben. Damals dachte ich noch nicht daran, dass man die Folien versehentlich umgewendet haben könnte und dass dadurch im Text auch dort ein Bruch entstanden ist, wo eigentlich keiner war. Während des Übersetzens suggerierten die an den Seiten-Rändern nicht zusammenpassenden Texte, dass Blätter fehlen könnten, anfänglich dachte ich, dass wenigstens 24 Seiten fehlen, später stellte sich jedoch heraus, dass in Wirklichkeit nur einige Folien umgedreht worden waren. Beim Durchblättern der zu der Zeit noch in unbekannter Reihenfolge vorliegenden Seiten des Kodex war so viel sofort zu sehen, dass sich der Anfang des Textes auf der, mit einem Flechtmuster eingerahmten, im Schaukasten des Museums ausgestellten Seite befindet. Beim Blättern folgt auf deren Rückseite (nach meiner Zählung der 4. Seite) nach der 5. Zeile ein horizontales Reihenmuster und eine Sinneinheit, die mit einer über die Zeile hinausragenden Initiale, einem großen n, beginnt. Eine andere Seite (die 23. Seite) enthält nur fünf Zeilen mit einem abschließenden amen, dann trennt eine zweizeilige, mit „x“-Buchstaben geschmückte Schlusslinie den Text von der leeren Hälfte des Blattes. Es ist offensichtlich, dass dies das Ende einer Schrift markieren muss. Wenn wir blättern, beginnt die 24. Seite mit einer Initiale, einem fragmentarischen a, was auf den Anfang einer neuen Schrift, zumindest aber auf den Beginn eines neuen Kapitels hinweist. Des Weiteren reicht der Text der vorderen Seite (33. Seite) eines solchen Blattes, auf dessen einer Seite ein Kreuz ist (was unbedingt das Ende von etwas markiert), bis zum unteren Rand, darunter finden wir die schon bekannte, zweizeilige, mit „x“-Buchstaben geschmückte Schlusslinie. Aufgrund der beiden Schrift-Anfänge und den beiden Abschlüssen lässt sich also sofort feststellen, dass wir es mit mindestens zwei Schriften (oder Kapiteln) zu tun haben. Die spätere Untersuchung, die Übersetzung und die Klärung der Platzierung der Folien hat eindeutig gezeigt, dass der Kodex tatsächlich zwei, und nicht mehr Schriften umfasst. Das Material des Kodex ist Pergament. Vermutlich besaß er einst einen Einband, wohl aus Leder, dieser existiert jedoch nicht mehr. Auf die Existenz eines früheren Einbandes verweist, dass die Rückseite (nach meiner 43
Dies ist beim Vergleich des schon zitierten Buches von G. Gabra (Cairo, the Coptic Museum and Old Churches) mit der Postkarte, die das Nubia Museum von dem Kodex herausgegeben hat, gut sichtbar. G. T. Scanlon, Excavation, JEA 58 (1972) plate XI/2 veröffentlichte eine dritte Variante, die zu der Zeit schon dieselbe Aufstörung des ursprünglichen Zustandes widerspiegelt wie die späteren Aufnahmen.
Der Kodex und seine Fundumstände
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Zählung die 1. Seite) des allerersten, linken Blattes (das ein Kreuz mit einem Sockel darstellt) des aufgeschlagenen Kodex vollkommen leer ist.44 Sie trägt Erdspuren, es kleben daran Sandkörner und vertikale Fasern und auf dem Pergament sind rote und braune Pigmentkörnchen zu sehen. Die Verfärbungen könnten der mündlichen Mitteilung von Mahmoud Elshendidi (im Januar 2000) zufolge darauf hinweisen, dass die Seite einst mit Klebstoff eingestrichen wurde. Dies könnte von einer späteren chemischen Untersuchung bestätigt oder in Frage gestellt werden. Was auch immer das Ergebnis einer solchen Untersuchung bringen mag, bietet sich für eine solche leere Seite kaum eine andere überzeugende Antwort wie das Vorhandensein eines Einbandes. Andererseits finden wir an dem letzten Blatt keinerlei Zeichen, die auf die Existenz eines Einbandes hinweisen würden. Dies kann freilich mehrere Gründe haben, am ehesten den, dass wir nicht wissen, ob das letzte Blatt des heute in unserem Besitz befindlichen Kodex mit dem letzten Blatt des einstigen Kodex identisch ist, wenngleich der Anschein für diese Erklärung spricht. Theoretisch ist es möglich, dass nur ein einziges Blatt fehlt (wie auch das erste Blatt nur ein halbes Folio ist), es kann aber auch eine ganze Schrift vom Ende des Kodex fehlen oder nach der letzten (auch jetzt vorhandenen, oder einer nicht vorhandenen), geraden Seite folgte vielleicht gleich die Einbandtafel. Aus dem Riss in der Mitte der Folien können wir schlussfolgern, dass sich die Blätter nicht deshalb vom Einband gelöst haben, weil die Zeit oder Insekten den die Folien zusammenhaltenden Zwirn zerstört hätten, sondern weil die Blätter mit Gewalt vom Einband entfernt wurden. Dabei entstanden die ersten, an der Achse der Pergamentblätter verlaufenden Beschädigungen (insbesondere an den Seiten 19-30). Das Glück des heutigen Forschers ist, dass der Kodex im Kloster zurückgelassen wurde. Gleichzeitig bedeutete dies aber auch ein paradoxes Werturteil in Hinblick auf den Kodex: Als das Kloster von Kasr el-Wizz verlassen wurde, hielt man die beschriebenen, weder großen noch schweren Pergamentblätter nicht für mitnehmenswert, hingegen betrachteten die das Kloster Verlassenden den – vielleicht geschmückten – Ledereinband für wertvoller45 und lösten ihn deshalb von den Blättern des Kodex ab. Möglich ist, dass der Einband zum 44
45
Ähnlich leer ist die erste Seite des in Berlin bewahrten altnubischen Kodex, der den Stauros-Text beinhaltet, während der im Khartum Museum bewahrte, in Serra East aufgetauchte, andere nubische Kodex sowohl auf der ersten, als auch auf der letzten Seite leer geblieben ist. Es war üblich, die Kodizes mit teuren Einbänden zu versehen, mitunter auch mit Edelsteinen zu schmücken (A. I. Elanskaya, Towards the So-called „Book-decoration“ Terminology of the Copts, in: Studien zu Sprache und Religion Ägyptens zu Ehren von Wolfhart Westendorf, Göttingen 1984, 233-239; H. Hunger, Schreiben und Lesen in Byzanz. Die byzantinische Buchkultur. München 1989, 40-42), jedoch aufgrund der Einbände der Kodizes von Nag Hammadi ist es nicht wahrscheinlich, dass der Einband unseres Kodex mit Edelsteinen versehen war, wertvoll kann er dennoch gewesen sein.
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Einbinden eines anderen Kodex wiederverwendet wurde.46 Möglich ist aber auch, dass der Einband nicht gesondert, sondern zusammen mit 100-200 Seiten Text mitgenommen wurde und dass gerade die uns überkommenen Blätter herausgerissen und dortgelassen wurden. Aber warum ließ man sie dort und warum gerade diese Blätter? Sie wurden von keinem der das Kloster verlassenden Brüder mehr benötigt. Ob sie diese Schriften wohl nicht geschätzt haben?47 Haben sie sie nicht als heilige Schrift betrachtet? Vielleicht liegt die Ursache im Machtwechsel zwischen den Miaphysiten und Melkiten? Vielleicht verwarfen sie den Inhalt dieser Schrift? Vielleicht trat in jener Zeit die koptische Sprache bei den Bewohnern des Klosters in den Hintergrund?
Kodikologie Der Kodex enthält heute 17 Blätter, also 34 Seiten, deren Breite ca. 10 cm und deren Höhe 16,7 cm beträgt. Dies liegt gerade an der Grenze, wo man von einem Miniatur-Kodex sprechen kann.48 (Für einen Kodex diesen Ausmaßes, sogar für 25-30 Blätter, reicht die Haut eines Schafes.)49 Da der koptische scriptor die Blätter nicht nummeriert hat, wurde ihre Reihenfolge nach der Berücksichtigung des Zustandes bei der ersten Betrachtung und der Berücksichtigung der Textbrüche der zerstreuten Blätter durch die Übersetzung geklärt. Es hat sich – hier ein späteres Ergebnis vorwegnehmend – herausgestellt, dass der Text fortlaufend und lückenlos ist. 31 der 34 Seiten enthalten koptisch geschriebenen Text, während die äußere Hälfte des schon erwähnten ersten Blattes leer ist, dessen innere Seite mit einem riesigen Kreuz geschmückt und die letzte Seite mit einem ähnlichen Kreuz ausgefüllt ist. Nach dem ersten Blatt, das heißt einem halben Folio, folgt ein dünner Faszikel, der zwei, ineinander gelegte, in der Mitte gefaltete Folien enthält. Dann enthält ein ähnlicher Faszikel zwei weitere, ineinander gelegte Folien, ein dritter Faszikel ist genauso, darauf folgt ein 46
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Ein Beispiel dafür ist ein Fund von Hamouli aus dem 7.-8. Jahrhundert, The Pierpont Morgan Library M 569, vgl. F. Friedman, Beyond the Pharaohs. Egypt and the Copts in the 2nd to 7th Centuries A.D., Rhode Island 1989, No. 153. Mönche, die Analphabeten waren oder Bücher nicht schätzten, gab es nicht nur an der Peripherie, sondern auch im Zentrum des Byzantinischen Reiches, (H. Hunger, Schreiben, 80-81; und freilich auch die gebildeten Bischöfe schreckten vor Bücherverbrennung nicht zurück. Hier sei auf n%terIrwkH n%neFJwwme verwiesen „Als ich (scil. Kyrillos von Jerusalem) seine (scil. des Einsiedlers Annarikhos) Bücher verbrannte ...“, W. Budge, Miscellaneous Coptic Texts, 61, 639. E. Turner, The Typology of the Early Codex, Philadelphia 1977, 29-30, betrachtet die Kodizes, deren Breite weniger als 10 cm beträgt, als Miniaturen. István Pankaszi, Restaurator des Museums der Bildenden Künste in Budapest, illustrierte mir dies mit einem Beispiel. – Das Tier mag dem Kloster als Votivgabe gegeben worden sein.
Kodikologie
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einfacher, in der Mitte gefaltetes Folio, danach zwei eigenständige Blätter. Die letzten zwei Blätter, insgesamt vier Seiten, hätten ein unhalbiertes Folio sein können, welches mit dem vorigen Folio zu einem Faszikel von 8 Seiten hätte geformt werden können und in dieser Form wäre er gleich den drei früheren Faszikeln gewesen. Innerhalb der Faszikeln kommt die Gregory-Regel konsequent zur Geltung,50 Fleischseite liegt gegenüber Fleischseite, Haarseite liegt gegenüber Haarseite; bei der Berührung der Faszikeln ist dies jedoch nicht mehr immer der Fall. Unter den sechs Paarungspunkten wurden die Seiten in vier Fällen (2-3, 18-19, 30-31, 32-33) der Regel entsprechend, in zwei Fällen jedoch (10-11, 26-27) davon abweichend gepaart. Vermutlich wurde der Text fortlaufend auf die (noch) einzelnen Blätter, beziehungsweise auf Faszikel geschrieben und dann gebunden, als der Schreiber mit der Niederschrift des gesamten Textes fertig war. Dafür spricht, dass innerhalb des Faszikels keine Abweichung von der Gregory-Regel vorkommt. Als jedoch der scriptor einen neuen, noch leeren Faszikel zur Hand nahm (und wie wir gleich sehen werden, vielleicht nicht nur ein einziges Folio), war er nicht immer konsequent. Des Weiteren konnte weder der Schreiber noch der Binder des Kodex im Voraus die Länge der Schrift wissen. Beim 7. Folio (die Seiten 27-30) konnte er beispielsweise ahnen, dass dieses nicht reichen würde, er hoffte jedoch, dass ein Blatt (ein halbes Folio) genügen würde, deshalb hat er kein ganzes Folio angefangen.51 Letzten Endes hat er nichts gespart, das wusste er aber im Voraus nicht. Gleichzeitig ist nicht klar, warum das erste Blatt nur ein halbes Folio ist, denn zu dem Zeitpunkt konnte er in jedem Falle wissen, dass weitere Blätter notwendig sein würden. Sollte die Einbindung eine Erklärung dafür sein? Sollen wir annehmen, dass der Schreiber ursprünglich mit der 3. Seite den Kodex begann und dass das 1. Blatt erst nachträglich davor kam? Diese Hypothese wird von den regelmäßig mit einem Kreuz beginnenden koptischen Kodizes nicht gestützt. Andererseits hat Gregory die Erfahrung gemacht, dass die orientalischen Pergamenthandschriften in der Regel mit der Fleischseite beginnen (und dementsprechend auch damit beendet werden).52 Unsere 1. Seite würde dieser Erwartung nicht entsprechen, jedoch unsere 3. Seite. Dies alles läßt es wahrscheinlich erscheinen, 50
51 52
C. R. Gregory behandelte die von ihm erkannte Regel in mehreren seiner Arbeiten, zuerst in: Les cahiers des manuscrits grecs, CRAI 1885, 261-268; in dieser und anderen seiner mir bekannten Arbeiten behandelt er jedoch die Ordnung der Seiten in einem Quaternio und befasst sich nicht mit dem Problem des Aufeinandertreffens von zwei Quaternionen. E. Turner, Typology, 64. E. Turner, Typology, 56.; Der im Jahre 1963-64 in Serra East gefundene, mit unserem koptischen Kodex verwandte altnubische Pergamentkodex beginnt zwar mit der Fleischseite, weicht aber ansonsten in allem von der Beschreibung Gregorys ab. Die Fleischseite liegt hier regelmäßig der Haarseite gegenüber. G. M. Browne, Chrysostomus Nubianus, 18.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
dass unser Kodex quasi zwischendurch, durch Improvisation entstand und dass der scriptor nicht im Voraus geplant hat. Schwer interpretierbar ist auch, dass das erste Blatt nicht den linken Teil eines in der Mitte gefalteten ganzen Folio bildet, sondern nur ein halber Folio ist. Andererseits können die ersten fasciculi schon im leeren Zustand zusammengehört haben, denn als der scriptor nach der 4. Seite die 5. Seite schrieb, schrieb er schon auf ein anderes Folio und setzte das Schreiben nicht auf der, im heutigen Zustand 9. Seite (auf der nächsten Seite desselben Folios) fort. Dies verweist auf eine Vorbereitung der fasciculi. Wiederum wurde der von uns untersuchte nubische Kodex nicht in der, auch von Gregory beschriebenen und bei den griechischen Kodizes verbreiteten Quaternio-Form zusammengestellt, wo ein Faszikel aus 4 ineinander gelegten, zweischichtig gefalteten Bögen bestand, sondern höchstens zwei solche Bögen wurden ineinander platziert. Die fasciculi wurden in diesem Stadium wahrscheinlich noch nicht einzeln zusammengenäht, sondern erst, als der ganze Kodex fertiggestellt war. Darauf lassen zumindest die zueinander passenden Löcher der Stiche schließen. Es entsteht der Eindruck, dass in Nubien die Gregory-Regel nicht so streng zur Geltung kam und dass vielleicht auch das Vorhandensein des ersten halben Folio dadurch erklärbar ist. 1Haar 2Fleisch 3F 4H 5H 6F 7F 8H 9H 10F 11H 12F 13F 14H 15H 16F 17F 18H 19H 20F 21F 22H 23H 24F 25F 26H 27F 28H 29H 30F 31F 32H 33H 34F
Schriftbild
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Nach dem Zeugnis der nadelstichgroßen Löcher am linken Rand der ungeraden beziehungsweise am rechten Rand der geraden Seiten der Pergamentblätter (am Rücken des Kodex verlaufend) waren diese einst mit einem dünnen Faden zusammengeheftet, wovon freilich nichts mehr übrig ist, aber die Folien rissen gerade an diesen Punkten aus der mittleren Faltung heraus, was darauf verweist, dass beim einstigen Gebrauch diese Fäden besser hielten als das Pergamentblatt selbst. Der Kodex ist uns in einem sehr guten Zustand überliefert, die ersten beiden Faszikel sind beinahe völlig intakt. Der dritte Faszikel und die darauf folgenden Teile (ab der 19. Seite) wurden aus dem Einband herausgerissen, deshalb befindet sich im oberen Teil der Blätter ein Loch, das auch den Verlust von ein bis zwei Buchstaben am inneren Rand nach sich gezogen hat. Im Falle ebendieser Blätter wurde auch auf der Außenseite (bei den ungeraden Seiten am rechten Rand) auch von oben ein 10 cm breiter Streifen abgerissen, dies hat jedoch nur in der 7. Zeile auf der 27. Seite und der 3., 5. und 6. Zeile auf der 33. Seite den Verlust von ein bis zwei Buchstaben verursacht.
Schriftbild Das optische Bild des beschriebenen Blattes wird dadurch bestimmt, dass das Verhältnis des unteren und oberen Randes in der ersten Schrift 2,5:1, in der zweiten Schrift 2:1 ist, was auffallend mehr ist als gewöhnlich.53 Der Schriftspiegel wurde vor Beginn des Schreibens festgelegt, die Marge wurde in der üblichen Weise mit blinden Linien markiert. Besonders an den Doppelblättern des zweiten Faszikels (18-11, 12-17, 16-13, 14-15) sind diese Linien gut zu sehen: Die zwei horizontalen Linien oben und unten gehen quer über die gesamte Breite des Doppelblattes, die vier vertikalen Linien ziehen sich vom oberen Seitenrand bis zum unteren Seitenrand und diese geraden Linien überschneiden sich mit den horizontalen. Der scriptor war ungeschickt: Die sich am äußeren Rande befindliche vertikale Linie ist auffallend schräg, die als Verbesserung gezogene zweite Linie steht auch nicht im rechten Winkel. Da sich derselbe Fehler aufgrund der Symmetrie der Linien sowohl am rechten als auch am linken Rand des Folio beobachten lässt, können wir daraus schließen, dass das Einritzen der Linien nicht an den geöffneten Doppelblättern, sondern nur einmal an der rechten Seite durchgeführt wurde, als die gefalteten Blätter einen Faszikel bildeten. Die Untersuchung des Schriftbildes beginnen wir mit der Feststellung, dass die, auf sämtlichen Blättern zu sehende, fortlaufende Schrift (die selbstverständlich Absätze oder die Auslassung von Zeilen nicht kennt) an einem Punkt unterbrochen ist: Die Hälfte der 23. Seite ist leer geblieben. Hier wurde das
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E. Turner, Typology, 25.
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Schreiben nicht fortgesetzt, sondern die zweite Schrift auf der folgenden Seite begonnen. Die unterbrochene Seite zeigt eindeutig, dass der scriptor einerseits signalisieren wollte, dass hier etwas zu Ende geht, andererseits wusste er auch im Voraus nicht, wie weit der Text reichen wird, der Umfang der Schrift war zufällig. Die folgende Schrift kann nicht viel später geschrieben worden sein, denn sie setzt sich auf der einzigen leeren Seite desselben Folios fort. Es kann also die Annahme ausgeschlossen werden, dass eine gebundene (oder in irgendeiner Art „abgeschlossene“) Schrift nach einiger Zeit wieder geöffnet wurde und ein Zusatz dazugeschrieben worden wäre. Die Zweite Schrift wurde unmittelbar nach der ersten geschrieben. Die Zweite Schrift ist genau am unteren Rand des Blattes zu Ende, als ob man im Voraus gewusst hätte, wie lang sie genau sein wird. Dieser Anschein trügt jedoch. Wie wir bereits oben erwähnten, musste ein einzelnes Blatt (ein halbes Folio) eingefügt werden, welches gerade darauf hinweist, dass man ursprünglich die Länge des Textes nicht kannte. Dennoch ist die „Dichte“ des Textes innerhalb der Zweiten Schrift einheitlich. In der Ersten Schrift finden wir pro Blatt weniger Zeilen und pro Zeile weniger Buchstaben. Die Zweite Schrift ist „komprimierter“. Die Erste Schrift enthält 21 Seiten, insgesamt 211 Zeilen, beziehungsweise 2359 Buchstaben, das heißt pro Seite im Durchschnitt 10,04 Zeilen mit durchschnittlich 11,18 Buchstaben, während die Zweite Schrift auf 10 Seiten 124 Zeilen, insgesamt 1630 Buchstaben enthält, was durchschnittlich 12,4 Zeilen und pro Zeile durchschnittlich 13,14 Buchstaben bedeutet. Die Schrift wurde aber nicht plötzlich, gegen Ende des Blattes oder gegen Ende der gesamten Schrift dichter: Das Schriftbild ändert sich also nicht wegen eines zwischendurch auftretenden Zwanges. Dieser signifikante Unterschied bei der „Dichte“ wirft die Frage auf, ob die beiden Schriften von demselben Schreiber geschrieben wurden. Die Beantwortung dieser Frage ist nur durch eine gründliche paläographische Untersuchung möglich.54 a
54
alpha wurde in unserer Handschrift ziemlich einheitlich geschrieben, charakteristisch ist, dass es von der Mitte ausgeht, nach dem sich nach links wölbenden Bogen wird der niemals völlig senkrechte Schaft angeschlungen, am Ende des Buchstabes ist ein kleiner, waagrechter Schwanz. Die Schleife erscheint nicht vor dem 6.-7. Jahrhundert und eine ähnliche Ausformung ist nach dem 11. Jahrhundert nicht mehr bekannt. Wir verfügen über keine, den heutigen Erwartungen der Wissenschaft genügende koptische Paläographie. Grundlegend ist auch weiterhin: V. Stegemann, Koptische Paläographie, Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums und des Mittelalters, Bd. 1, Heidelberg 1936; M. Cramer, Koptische Paläographie, Wiesbaden 1964.; Zur letzteren siehe die Rezension von M. Krause, Maria Cramer, Koptische Paläographie, in: BiOr XXIII 5/6 (1966) 286-293.
Schriftbild b
g
d
e
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beta Der Duktus des Buchstabens neigt sich ein wenig von der Senkrechte nach rechts, der obere Bogen ist charakteristisch kleiner als der untere. Die beiden Bögen treffen an der Hasta an einem einzigen Punkt zusammen.55 Die Traktation des b ist in der Ersten und Zweiten Schrift ähnlich. Auf ein und denselben Schreiber verweist auch das b in 14,4 und 27,3 oder 29,4, bei dem der erste Bogen beim Ansatz steil nach rechts geht und sich nicht rundet. Etwa ähnliche Typen finden wir bei Cramer, Paläographie 21 (anno 872), 23 (anno 890), 29 (10.-11. Jh.), wenngleich bei diesen nur der Duktus ähnlich ist, der obere Bogen ist wesentlich magerer. gamma kommt insgesamt dreimal vor, in 3,1 und 26,2 sowie in 31,11. Das erste und dritte gamma sind sehr ähnlich; Es sieht so aus als ob in den Buchstabenverbindungen go und ge nur Ligaturen wären, schreibt der scriptor das Gamma mit dem folgenden Buchstaben in einem Schwung. Infolgedessen verschwindet der von dem Querbalken rechts nach unten laufende kantige Knauf völlig und es läßt sich nicht ausmachen, ob er nicht geschrieben wurde (wie im 4.-5. Jahrhundert), oder ob der Schreiber nur den folgenden Buchstaben darauf geschrieben hat. In der Buchstabenverbindung gJ ist dieser Ausläufer nicht verdeckt, sein Vorhandensein ist gut zu sehen. Es darf jedoch nicht aufgrund eines einzigen Buchstaben datiert werden. delta Dieser Typ des delta, der nicht mit drei unabhängigen Linien geschrieben wird, ist vom 7./8. bis zum 10./11. Jahrhundert bekannt. Der linksseitige Schrägbalken wird mit der Grundlinie durch eine Schleife verbunden, dann wird mit einem anderen Schwung der rechtsseitige Schrägbalken, der mit einem kleinen Knoten beginnt, bis zur Grundlinie heruntergezogen. Der linksseitige Schrägbalken trifft in unserer Handschrift mit dem rechtsseitigen nicht an der Spitze zusammen, sondern berührt ihn bei der Hälfte, manchmal schneidet er ihn auch. Das klarste Beispiel dafür ist vielleicht 33,10, wo auch zu sehen ist, dass die Grundlinie auf der rechten Seite so gut wie keinen Schwanz hat, was bei früheren und späteren Typen gleichermaßen vorkommen kann. Es kann zwar zwischen den delta-s der Ersten und Zweiten Schrift kleinere Abweichungen geben (in 12,10 reicht zum Beispiel der Ansatz des rechten Schrägbalkens über die linke Seite der Grundlinie hinaus), grundsätzlich sind sie sich dennoch sehr ähnlich. epsilon Dieser Buchstabe ist im allgemeinen rund und nur für das 9. Jahrhundert ist diese, auch in unserem Kodex vorkommende, außerordentlich schmale Variante charakteristisch, deren Breite kaum das Doppelte der Dicke des Striches übersteigt. Diese Variante hatte zweifellos Vorläufer
Ein davon abweichender Typ ist beispielsweise: M. Cramer, Paläographie, Tafel 2, 15 oder 28.
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z h
q
i
k
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und auch später kam sie gelegentlich vor. Es macht aber den Eindruck, dass dieser Typ in der Zeit zwischen 823 und 893 vorherrschend war. Dieser sehr verengte Charakter kommt auch bei anderen runden Buchstaben vor, wie zum Beispiel auch im Fall von q, o, r und s. Doch während im Fall des omikron auch Ausnahmen vorkommen können, geschieht dies nicht bei epsilon. Wiederum ist das in dieser Zeit um einiges dünnere H in unserer Handschrift betont fett. zeta kommt nur in 7,3 vor, seine Schreibweise ähnelt der Schreibweise in einer Handschrift von 893. eta In beiden Schriften wird der Buchstabe mit demselben Duktus geschrieben, ziemlich ausgeglichen. Die Querlinie, die die beiden dicken, senkrechten Hasten verbindet, ist recht hoch platziert (vom Niveau der Grundlinie gemessen in einer Höhe von 6/7), in seinem Charakter ähnelt es dem p. Obwohl es sehr charakteristisch ist, kann es nicht als Datierungskriterium verwendet werden, da es ein Jahrtausend lang verwendet wurde. theta kommt in der Ersten Schrift fünfmal, in der Zweiten Schrift viermal vor. Obwohl der schmalste Rundbogen in der Ersten Schrift (6,3), der breiteste in der Zweiten Schrift (30,9) vorkommt, ist deren Unterschied sehr gering, aufgrund dessen können wir nicht zwei Schreiber vermuten. Die Ursache für die Verengung des Rundbogens liegt nicht an der Sparsamkeit, denn die horizontale Querlinie ragt auf beiden Seiten genau so weit heraus wie der Buchstabenkörper selbst. (Dieses Charakteristikum ist vor dem 7. Jahrhundert nicht dokumentiert.) Der Buchstabentyp unseres Kodex kommt in der Zeit zwischen dem 7./8. Jahrhundert und dem 11. Jahrhundert unzählige Male vor. iota ist eine kurze senkrechte Linie, von der wir nicht viel Charakteristisches erwarten können. Es wird von Cramer nicht einmal in ihre Paläographie aufgenommen. Mitunter befindet sich darüber ein Trema (8,10). Nur ein einziges Mal ragt es über die normale Buchstabenhöhe hinaus (4,2), während es in zahlreichen Fällen nach links gekrümmt in den darunter liegenden Zeilenzwischenraum hinunterragt, mit einer Ausnahme (11,2) immer mit dem Trema versehen. Dann steht es am Wortende, am Zeilenende (9,3.6; 12,8; 13,5; 15,1; 17,3), es kann aber auch in der Mitte der Zeile (12,10), und sogar auch im Inneren eines Wortes vorkommen (15,10). Es ist jedoch nicht zwingend, dass ein solches iota, sei es am Zeilenende (9,8), sei es mit diakritischen Punkten versehen (14,1), gedehnt ist. Umso interessanter ist, dass dieses, unter die Zeile gehende, lange iota in der Zweiten Schrift nicht vorkommt!56 kappa Vom 7./8. Jahrhundert an tritt diese nicht gerade, aber auch nicht sich wölbende, sondern eher konkave oder gewellte Schreibweise des rechten oberen Striches des kappa auf, die auch für unsere Handschrift 31,1 ist als Grenzfall zu betrachten.
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charakteristisch ist und die zwar nicht vorherrschend wurde, jedoch bis zum 11. Jahrhundert weiterbestand. Die Schreibweise des k in unserem Kodex ähnelt besonders der Schreibweise in dem 19. und 20. Kodex von Cramer (aus den Jahren 823 und 848). lambda Der Buchstabentyp des 9. Jahrhunderts unterscheidet sich von dem des 10. Jahrhunderts vor allem dadurch, dass bei dem ersten der linke Schrägbalken den rechten höher schneidet, während er bei letzterem bei der Mitte des rechten Schrägbalkens ansetzt. Im 10. Jahrhundert setzt der rechte Schrägbalken mit einem nach links herabhängenden Knauf an. Die Schreibweise des Buchstabens in unserer Handschrift ähnelt der Schreibweise im 9. Jahrhundert. my Schon vom 5. Jahrhundert an erscheint die, den mit vier Strichen geschriebenen, eckigen Typ des m langsam verdrängende, neue Form, die beide Hasten verschlungen schreibt und sie mit einem unteren Bogen in der Mitte verbindet. ny Im Normalfall wird das obere Ende der linken Hasta und das untere Ende der rechten Hasta mit einem Schrägbalken verbunden. Obwohl dies auch in unserer Handschrift vorkommt (3,11 oder 31,12), ist es dennoch nicht charakteristisch. In auffallender Weise erreicht der Schrägbalken die rechte Hasta oft in der Mitte (7,1), aber nicht selten sogar noch höher (15,4; 30,8.9; 32,2). Dadurch öffnet sich der Winkel der Querlinie und das ny beginnt, seine eigene Form zu verlieren. Dies kann soweit gehen, dass, wie in 17,7 und 17,8 das n formell nicht mehr vom h unterschieden werden kann. Diese Schreibweise unseres Kodex findet sich nicht in der Paläographie von M. Cramer. xi kommt in unserer Handschrift nicht vor. omikron Die außerordentlich schmal geschriebenen, runden Buchstaben kommen vom 7./8. bis zum 10./11. Jahrhundert öfter vor. In der Zweiten Schrift finden wir noch die unten, beim phi zu erwähnenden, kolorierten Varianten; ebenso begegnen wir in 9,6; 11,9; 16,1; 27,5; 28,8; 29,9 auffallend kleinen und runden o-s, eine abweichende Schreibweise, die schon in der Praxis der früheren byzantinischen scriptoria üblich war57 und die vor allem auch im Koptischen bei der Schreibung des ou gebräuchlich war.58 Dasselbe ist auch im Falle von 24,1 zu sehen, wo nicht die Rückbiegung des hori geblieben ist, weil dies einerseits tiefer wäre, andererseits der nach unten biegende Rundbogen nur zu einem o ergänzt werden kann. pi Das p beginnt nach dem 10./11. Jahrhundert einem Quadrat zu ähneln, nicht selten ragt der obere Querbalken nach links oder nach Vgl. O. Mazal, Wiener Genesis. Kommentar zur Wiener Genesis. Facsimile-Ausgabe des Codex theol. gr. 31, Frankfurt, 1980. H. Quecke, Die Schreibung des ou in koptischen Handschriften, in: APF 22/23 (1974), 275ff.
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rechts über den, von den Hasten bestimmten Rahmen hinaus. In unserer Handschrift enden die beiden Hasten des rechteckigen pi oben und unten (beim Ansatz und am Ende der Linie) mit einer, durch Federdruck entstehenden Ausbuchtung, mit einem Punkt. Analogien sind aus dem 9. Jahrhundert bekannt. rho Interessant ist, dass wir bei Cramer mehrere Beispiele aus dem 9.-11. Jahrhunderts sehen können, wo der Bogen des rho dem flachen Bogen in unserer Handschrift ähnlich ist, zugleich ist darunter jedoch keines, bei dem die Hasta unter die Grundlinie der Schrift geht, während unser Kodex die Hasta des r durchgängig tief unter die Grundlinie herunterzieht. sigma Ähnlich den anderen rundbogigen Buchstaben ist dies ein schmaler Typ, dessen Parallelen wir im 9.-11. Jahrhundert finden können. tau Die senkrechte Mittelachse ist etwas kürzer als der horizontale Querbalken; eine Abweichung davon finden wir nur an zwei Zeilenenden, wo die Mittelachse unten nach links gebogen ist (21,10; 29,2). Der rechte Knauf des Querbalkens des t berührt sich so gut wie immer, wo dies möglich ist, mit dem folgenden Buchstaben (wo dieser links oben ansetzt) und kann sogar in das „Gebiet“ des folgenden Buchstabens hineinragen (zum Beispiel in 15,2 ta). Streng genommen können sich bei der Schreibung der Majuskeln solche Bindungen nicht ergeben. In der Praxis jedoch gehen die scriptores noch viel weiter, wie zum Beispiel bei der Bindung von Hm59 und von sämtlichen Buchstaben des mmaau.60 Analogien dazu sind zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert zu finden. ypsilon Die Traktation des Buchstabens kann in unserer Handschrift zwei Arten haben: Entweder ähnelt sie einer zweizackigen, symmetrischen Gabel, deren Zacken nach unten hin in einer Mittelachse zusammenlaufen (3,2; 17,4; 19,7; 20,2), die sich im Extremfall nur in der Spitze auf der Grundlinie berühren wie bei unserem Buchstaben V (25,1; 27,9) und die ohne Aufheben der Feder mit einem Schwung von der linken oberen Ecke nach unten, dann wieder zurück nach oben gezogen werden. Bei der anderen Art, die mit zwei gesonderten Linien asymmetrisch gezeichnet wird, schneidet eine kurze, von links gezogene schräge Linie den rechten Schrägstrich (4,8; 8,4), der mitunter um eine oder anderthalb Einheiten unter die Grundlinie reicht (7,10; 15,8; 24,11). Letzterer Typ dominiert in der Ersten Schrift, während er in der Zweiten Schrift seltener vorkommt.
Victoria and Albert Museum L 1159/41, 7.-8. Jh., M. Cramer, Koptische Buchmalerei, Recklinghausen 1964, 23. P. Vindob K 9141, 9.-10. Jh. in: H. Buschhausen/U. Horak/H. Harrauer, Der Lebenskreis der Kopten. Ausstellungskatalog, Österreichische Nationalbibliothek, MPSW NS 25, Wien 1995, 45.
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phi Dieser Buchstabe, bei dem die Mittelachse einen auffallend großen Kreis, eher noch ein Sechseck senkrecht schneidet, ist deshalb beachtenswert, weil der Schreiber, der in unserer Handschrift die runden Buchstaben ansonsten sehr schmal schreibt, in Falle des phi davon abweicht. Es kommt in unserem Kodex insgesamt dreimal vor (in der Ersten Schrift in 16,1 und 28,8; 33,3) und steht in seiner Schreibweise der Schreibweise des 7./8. Jahrhunderts nahe. Früher ist dieser „unverhältnismäßig“ große Kreis noch nicht zu finden. Obwohl er zwar bis 933 mehrmals dokumentiert ist, weichen jene phi-Buchstaben etwas von den unsrigen ab (z.B. die lange Mittelachse in 16,1). Die späteren Schreiber lassen jedoch den linken Rundbogen oben offen, er geht nicht von der Mittelachse aus. In unserer Handschrift ist der kreisförmige Körper aller drei phi innen mit roter Farbe nachgezogen, was bei anderen Buchstaben nicht vorkommt, mit Ausnahme des übrigens äußerst häufigen o, das aus einem unerklärlichen Grund in der Zweiten Schrift fünfmal (27,9; 29,8; 30,4; 32,9.10) gleichermaßen innen rot koloriert und in der Mitte mit einem schwarzen Punkt erscheint (in jedem dieser Fälle kommt dies bei omikron am Wortanfang vor, was jedoch keine überzeugende Erklärung ist, denn bei ebenso vielen omikron am Wortanfang in der Ersten Schrift gibt es dies nicht) und mit Ausnahme des besonderen a in 12,5, wo sowohl der senkrechte Schaft von links und rechts, als auch die Schleife von außen und innen mit rot geschmückt ist. chi kommt in der Ersten Schrift viermal, in der Zweiten Schrift sechsmal vor, immer in griechischen Wörtern. Es wurden nicht zwei, einander schneidende Diagonalen geschrieben, sondern beide Linien sind leicht wellig. Die von links ausgehende Linie beginnt entweder mit einem Knoten (25,11) oder ohne diesen (30,11). Die von rechts ausgehende Linie beginnt jedoch immer emphatisch und krümmt sich unten immer schwungvoll (7,5; 29,6), in einem Fall reicht sie weit über den Rand hinaus (22,10). psi Wegen der Geringfügigheit des Vergleichsmaterials können diese drei Exemplare, die in unserem Kodex vorkommen (7,1; 7,5; 13,5), nicht datiert werden. omega Der scriptor unserer Handschrift schrieb das w mit einer Linie (was deshalb beachtenswert ist, weil er die Feder gleich zweimal von unten nach oben ziehen musste, was bei Federn mit geschnittener Spitze bekanntlich problematisch ist); beim Ansatz drückte er die Feder auf, in der Mitte zog er einen, sich etwas nach links neigenden Längsstrich und am Ende drückte er die Feder erneut auf. Bei Cramer stammen die nächsten Parallelen aus dem 9. Jahrhundert. schaj Es macht den Eindruck, dass in der Schreibweise des schaj im 10. Jahrhundert (anno 933) eine auffällige Veränderung eintritt: Der kleine Schwanz wird länger, unterstreicht den gesamten Buchstaben, reicht sogar bis vor den ersten senkrechten Rundbogen, die waagrechte
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Linie wird wellig. Die Schreibweise unseres Kodex liegt zeitlich gerade vor dieser Veränderung. In der Ersten Schrift kommen in 31 Fällen verschiedene Schreibarten des S abwechselnd vor, zu finden ist der kurze Schwanz (4,7; 12,2; 22,4), es gibt die später vorherrschend werdende, wellige Unterstreichung (6,8), im Allgemeinen charakteristisch ist jedoch die, dem Beispiel Cramers aus dem Jahre 872 ähnliche, lange, schräge Linie (8,5.9; 9,2.8; 11,9; 15,3; 21,10). Auf der 16. Seite wird der Stiel der Weinrankenillustration des Randes zum langen Schwanz des S. Die Zweite Schrift unterscheidet sich in dieser Hinsicht in der Schreibweise der 27 schaj und bewahrt die frühere Schreibweise (des 7.-8. Jahrhunderts), es kommt kein einziges Beispiel für die neue Mode darin vor, der Schwanz des S geht nie über den Körper des Buchstabens hinaus. faj Der Buchstabe wird in der Regel nicht in einem Schwung geschrieben, dabei würde doch die Kursivschrift regelrecht erfordern, dass die Hasta mit einer Schleife angebunden wird. Der scriptor hebt aber nach dem anfänglichen Bogen die Feder auf. Infolgedessen bildet die Hasta oben aufgrund des Drucks des Schreibgerätes einen kräftigeren Punkt und neigt sich unten nicht selten, dem Duktus der Schrift folgend, nach links (5,7; 31,7). Besonders gut zu sehen ist dies im Falle eines, an den Rand gedrängten, schlecht proportionierten faj (24,7). Diese Art der Krümmung ist bei Cramer nur in einem, auf 903 datierten Kodex dokumentiert. Vielleicht gab es auch ein noch höher reichendes faj (32,6), bei dem von dem oberen Bogen wegen der lacuna nur noch wenig zu sehen ist und deshalb nur noch darauf geschlussfolgert werden kann. hori Während zahlreiche Buchstaben sehr schmal sind, ist das hori auffallend fett, es ist noch breiter als das m und erreicht in seiner Breite nur nicht das w und das S. Der untere Bogen ist wesentlich größer als der obere. Eine ähnliche Schreibweise teilt Cramer nur aus den Jahren 1272, 1273 und 1288 mit, wo den archäologischen Angaben zufolge das Kloster von Kasr el-Wizz schon längst von dem letzten Mönch verlassen worden war. Ist es vorstellbar, dass sich dieser Buchstabentyp in Nubien bereits viel früher herausgebildet hat und im Norden erst später allgemein gebräuchlich wurde? dschandscha Die Schreibung des J ähnelt in Vielem der Schreibung des delta. Der linksseitige Schrägbalken beginnt auf der rechten Seite hoch mit einem kleinen Knoten, kommt dann schräg herunter und wird dann mit der Grundlinie verschlungen (diese Schlingung ist in 32,13 gut zu sehen), dann wird mit einem neuen Schwung der rechte Schrägbalken hoch auf der linken Seite mit einem Knoten begonnen. Der Buchstabe ist nicht ganz symmetrisch, die Grundlinie rutscht in der Regel ein wenig nach rechts heraus. Der Duktus der Schrift zeigt in den beiden Schriften keinen signifikanten Unterschied, die Schreibweise des Buchstabens gehört in die Zeit zwischen dem 7.-8. und dem 10.-11. Jahrhundert, ist jedoch nicht näher datierbar.
Schriftbild G
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kjima In der Paläographie Cramers ist die Schreibweise des Buchstabens gut nachvollziehbar. Die unterschiedlichen Varianten stimmen darin überein, dass sie formell der arabischen Zahl 6 ähneln: Das Schreibgerät setzt am obersten Punkt des, den Buchstabenkörpers bildenden Kreises in Uhrzeigerrichtung an und zieht nach der Schließung des (wie auch immer deformierten) Kreises die Linie weiter. Es ist kein Wunder, dass die kjima-s unseres Kodex nicht den bei Cramer dokumentierten Typen ähneln, denn die 20 kjima-s der Ersten Schrift und die 4 kjima-s der Zweiten Schrift repräsentieren etwa drei Typen, die aber alle vom „kodifizierten“ Typ abweichen. Über dem außerordentlich schmalen unteren Kreis erhebt sich eine Ranke, die mindestens ebenso hoch ragt wie die Mittelachse beim f oder T, diese beugt sich über den nächsten Buchstaben (6,8; 14,4; 20,4). Es kann auch vorkommen, dass der Bogen des kjima wesentlich flacher ist, jedoch umso weiter nach rechts ragt und sich, einen dazwischen liegenden Buchstaben umfassend, über den zweiten Buchstaben beugt (3,11; 24,5; 31,2). Am auffälligsten ist jener Typ (21,1), bei dem sich die Traktation des Buchstabens klar abzeichnet: Am höchsten Punkt des Kreises bewegt sich die Feder gegen die Uhrzeigerrichtung und erhebt sich nach der Rückkehr von unten in senkrechter Richtung etwa auf in die Höhe des Buchstabenkörpers selbst, dann fällt die Linie schlaff zurück, im Wesentlichen wie bei der griechischen Minuskel d. Das kjima in 7,4.6.7; 13,4.8.9; 15,1; 30,7 wurde ganz bestimmt so geschrieben, aber vielleicht auch in den anderen Fällen. Diese Schreibweise stimmt vollkommen mit der Schreibweise des altnubischen Pendants des G überein.61 Diese Angabe verweist für mich überzeugend darauf, dass unser Kodex wahrscheinlich nicht irgendwo in Ägypten geschrieben und später in den Süden gebracht wurde, sondern dass er mit aller Wahrscheinlichkeit in einem scriptorium im Süden geschrieben worden ist, wo auch die altnubische Schrift bekannt und gebräuchlich war.62 ti Die Mittelachse neigt sich in der Regel unten nach links (19,10; 29,9; 30,1), die mit einer senkrechten kleinen Linie beginnende und endende Querlinie ist nicht selten schräg (9,4; 17,8), seine charakteristische Form ist die (in der Satzmitte stehende, funktionslose) „Initiale“ von 9,10. Der Buchstabe weist in beiden Schriften eine ähnliche Form auf. Die Beispiele Cramers sind hinsichtlich der Datierung nicht hilfreich. G. M. Browne, Introduction to Old Nubian, Berlin 1989, 1. Dies wirft für mich zwei, der Überlegung werte Fragen auf. 1. Sind unsere üblichen paläographischen Hilfsmittel befriedigend, die zwar der Chronologie folgen, jedoch die geographischen Bezüge der Herkunft der Handschriften nicht berücksichtigen? 2. Ist dies eine Übernahme des graphischen Bildes des Zeichens für die Schreibung des altnubischen stimmhaften, postalveolaren, frikativen Tones (wie das englische j in judge) ins Koptische, oder wurde mit dem altnubischen Zeichen der dazugehörige altnubische Tonwert auch in die koptische Sprache übernommen? (W. Till, Koptische Dialektgrammatik, München 1931 § 7.d; W. Till, Koptische Dialektgrammatik, München 1961 § 11).
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Erste Schrift
a b g d e z h q i
k l m n c o p
Zweite Schrift
Schriftbild
r s t u f x y w S F H J G T
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
Aus den obigen Untersuchungen lässt sich allgemein feststellen, dass unsere Handschrift in der Zeit nach dem 6.-7., eher noch nach dem 8. Jahrhundert vielleicht erst im 10.-11. Jahrhundert, geschrieben worden ist. Einige Buchstaben jedoch erlauben eine genauere Datierung: Die Art der Buchstaben z, k, l und p verweisen entschiedener in die Richtung des 9. Jahrhunderts, die Schreibweise des e macht dies eindeutig, das f läßt sogar auf einen früheren Zeitpunkt schließen. Auch das S gestattet keine Datierung nach dem 9. Jahrhundert. Dies wird auch von der Paläographie von V. Stegemann bestärkt, in der die nächsten Parallelen unter dem Kapitel „Buchschrift, schmaler Stil“ aus dem 9. Jahrhundert zu finden sind. Zwar entsprechen die einzelnen Buchstaben nicht alle den in unserer Handschrift zu Findenden, stehen diesen jedoch im allgemeinen nahe. Hinsichtlich des Duktus der Schrift ist der Pierpont Morgan 596 aus dem Jahre 872 beachtenswert, während zum Beispiel der Pierpont Morgan 597 (9.-10. Jahrhundert), dessen Buchstaben von den Buchstaben unseres scriptors nicht sehr weit entfernt sind, gerade im Duktus, mit seinen, sicherlich mit dem Lineal gezogenen, geraden Zeilen viel eleganter ist als unser Kodex. Unsere Handschrift lässt sich auf paläographischer Grundlage in die Mitte des 9. Jahrhunderts, auf das Jahr 850 ± 30 datieren und zugleich kann auch angenommen werden, dass die Handschrift im scriptorium des Klosters Kasr el-Wizz oder eventuell im scriptorium eines der drei Klöster neben der Kathedrale von Faras, dem einen Steinwurf entfernt liegenden Bischofssitz von einem Schriftkundigen abgeschrieben worden ist.63 Zwar ist die Zweite Schrift „komprimierter“ als die Erste, im Schriftbild jedoch sehen wir, abgesehen von den Buchstaben, die von zweiter Hand verbessert wurden, keinen wesentlichen Unterschied und trotz der, bei den Buchstaben i, u und S sich zeigenden, nicht eindeutig markanten Unterschiede und wegen der charakteristischen Ähnlichkeit bei den Buchstaben b, d, z, q, f, J, T denken wir daran, dass wahrscheinlich derselbe Schreiber beide Schriften des Kodex geschrieben hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er die beiden Schriften zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten geschrieben hat, dies könnte die unterschiedliche „Dichte“ erklären. Der Duktus der Schrift jedoch verweist auf denselben scriptor. Es ist freilich möglich, dass sich nach der Fertigstellung der Ersten Schrift herausgestellt hat, dass mit Pergament gespart und deshalb die Zweite Schrift stärker komprimiert werden musste. 63
F. Ll. Griffith denkt, dass die Berliner altnubische Handschrift auf das 10. Jahrhundert datiert werden kann (auch dann, wenn das x!pq nicht die Jahreszahl bedeuten würde; mit dieser Erkenntnis kommt er C. D. G. Müllert um 64 Jahre zuvor); G. M. Browne hält diese und die andere Handschrift von Serra East für gleich alt und datiert diese nicht vor das 9. Jahrhundert, später jedoch geht er höher: „I am inclined tentatively to assign the Chicago codex [sic] to the eleventh or twelfth century“. (Chrysostomus Nubianus, 25-26).
Korrekturen
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Initialen Der Gebrauch von Initialen ist für unseren Kodex nicht typisch. Der auf der 3. Seite beginnende Titel wurde auf puritane Weise, mit Buchstaben in Normalgröße, ohne Initiale geschrieben. Nur das ny der auf der 6. Zeile der 4. Seite beginnenden Ersten Schrift sowie das fragmentarisch erhaltene alpha zu Beginn der Zweiten Schrift, in der ersten Zeile der 24. Seite, ist geschmückt. Es ist jedoch zu sehen, dass die Initialen nicht zufällig in den Text gerieten, sondern dass der scriptor sie einkalkuliert hat. Diese beiden Initialen bezeichnen jeweils den Beginn der beiden Schriften. Die Sinneinheiten innerhalb des Textes erhielten keinerlei graphische Hervorhebung. Umso außergewöhnlicher ist, dass der scriptor in der 5. Zeile der 12. Seite ein, inmitten des Satzes stehendes, alpha im Wort auw, scheinbar sinnlos außerhalb des linken Randes in zweizeiliger Höhe hervorhob und es dazu außer- und innerhalb der schwarzen Linie rot nachzog. Unmittelbar darunter hat ein Illustrator anschließend an ein, vom Duktus sämtlicher anderer Buchstaben abweichendes a, ein dem Betrachter zugewandtes Gesicht gezeichnet. Die Zeichnung kann kaum eingeplant gewesen sein, denn das alpha sitzt auf dem Kopf wie ein Hut und diese Verspieltheit kann in einer, vom Kreuz handelnden Schrift, kaum beabsichtigt sein. Die übrigen Buchstaben sind, wenn sie auch etwas größer als der Durchschnitt oder, wie es in der Zweiten Schrift vorkommt, koloriert sind, keinesfalls hervorgehoben.
Korrekturen Der scriptor hat noch während des Schreibens einige Fehler bemerkt und diese sofort verbessert. Am auffälligsten ist 22,9, wo er das schwarze Rechteck, mit dem er den Fehler verdeckt hatte, eingerahmt hat.64 Die Durchleuchtung des Pergaments hat eindeutig gezeigt, dass er irrtümlich a?xarisma statt xaris geschrieben hatte. Es hätte die Seite weniger verunschönt, wenn er nur die letzten zwei Buchstaben überfärbt hätte. Ebenso von erster Hand wurde in 11,8 das etbhhtn zu etbhhtF verbessert. Wenn dies nicht sofort geschehen wäre, wäre später nicht so viel Platz für die Korrektur geblieben. Der Schreibfehler wurde vielleicht von dem davor stehenden ennaswtm (plur. 1.) verursacht. 8,10 weist eine interessante Textänderung auf: Der Satz ist auch ohne die Einfügung des mh vollkommen verständlich, durch den Einschub hingegen verändert sich seine Bedeutung. Es ist jedoch klar, dass wenigstens das kleine h, eher aber beide Buchstaben, nachträglich als
64
Die Verbesserung einer Textverderbnis wie in unserem Text mit Schwarz übermalt und eingerahmt findet sich auch in: BM MS Oriental No. 6804 Fol 3a, in: W. Budge, Coptic Apocrypha in the Dialect of Upper Egypt, London 1913, Plate V.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
eine Korrektur eingeschoben wurden. Auch die Tinte ist dunkler. Es ist vorstellbar, dass ein späterer Leser den korrekten Aussagesatz zu einem (ebenso korrekten) Fragesatz umdeuten wollte.65 Platz dazu bot sich, denn hinter dem Sbrklhronomos am Satzende folgte die Interpunktion weiter entfernt (gut zu sehen in der Mitte bei der rechten Hasta des m bei starker Vergrößerung), so konnte der Korrektor die zwei Buchstaben hineinpressen. eieHumneue in 30,12 ist nicht die nachträgliche Verbesserung eines Fehlers, sondern der Schreiber hat während des Schreibens gesehen, dass das Wort nicht auf die Seite passt und wollte einen einzelnen Buchstaben nicht auf die nächste Seite übernehmen. Um die gleiche Erscheinung mag es sich auch bei ouon in 16,10 handeln, was sicherlich keine nachträgliche Einfügung ist; ein Zeilenenden-n ähnlichen Typs gebraucht der Schreiber auch im Wort amhn in 33,9. Ähnlich wie im Falle von paeiwt in 30,11 scheint eher eine eigentümliche Schreibweise wahrscheinlich (deren Ursache wir nicht kennen), denn wenn der Schreiber das t ausgelassen hätte, hätte er später ohne Weiteres den fehlenden Buchstaben an das Zeilenende anfügen können, ohne dass dies dem späten Forscher aufgefallen wäre. Anders beurteilen wir in 17,9 das in den Buchstaben faj hineingeschriebene t, wo er das falsche mpeFkhkaHhu in das richtige mpetkhkaHhu korrigierte; die Verbesserung schreiben wir der ersten Hand zu. Wegen der lacuna ist nicht zu sehen, was am Beginn von 23,2 dort stand, wo die Ergänzung durch ein ou so gut wie sicher scheint (entgegen 11,2);66 wegen des Zustandes des Pergaments kann es aber auch nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Schreiber (vielleicht früher) etwas ausgelöscht oder eventuell verbessert hat (siehe Abb. 3). Mehr Fehler hat der ursprüngliche scriptor nicht bemerkt beziehungsweise hat er nur soweit den Text korrigiert. Es blieben auch nicht verbesserte Fehler, denn zwischen 16,11 und 18,1 ist die Konjugation der Verben inkonsequent, die sieben Verben (n%taupisteue, eunaei, eunaaHeratou, n%taFt!mme, n%eutso, n%eFTHiwF, n%nentausHaI) müssten dasselbe Subjekt haben; dennoch ist das vierte und das sechste in der 3. Person Singular, während die übrigen im Plural stehen. Der Text muss wahrscheinlich, aufgrund von fünf der Verben, zum Plural korrigiert werden.67 Der koptische Text des Kodex liefert jedoch die Formen „speiste“ und „anzog“. Wir wissen nicht, wie lange nach der ersten Korrektur die zweite Hand in 7,2 das fehlende Wort nim einfügte; eindeutig dieselbe Hand fügte auch in 12,6 ihr eigenes, charakteristisches n ein. Vielleicht denselben Duktus des Korrektors können wir auch bei 32,7 erkennen, der über SapsXs ein e schrieb. (Die Schreibweise des e weicht wesentlich von der des ersten Schreibers ab.) Wenn wir von dem zweideutigen 65
66 67
Zu mh siehe L. Stern, Koptische Grammatik, Leipzig 1880, §§ 524-525, mh mit Perf. II. im Fragesatz § 392 (Beispiel Mt 20,13). Vgl. Kommentar zu 22,7-23,5. Mt 25,35, woher das Zitat stammt, gebraucht auch den Plural, wenngleich den 2. plur. und nicht den 3. plur. ™dèkate moi fage‹n, ... ™pot…satš me, ... perieb£letš me.
Nomina sacra
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30,11 absehen, scheint es, dass der scriptor selbst nur die, ursprünglich etwas früher (vielleicht nur einen einzigen Tag früher) geschriebene Erste Schrift verbessert hat und dass sich der Korrektor etwas später ebenfalls nur auf diesen Teil konzentriert hätte. Dies ist umso außergewöhnlicher, da auch in der Zweiten Schrift Fehler sind, die, mit Ausnahme von 32,7, weder vom scriptor, noch von einem anderen Leser des Klosters verbessert wurden. Und das, obwohl der Kodex vermutlich noch mindestens 250 Jahre hindurch in Gebrauch gewesen sein mag! Sollte man diese Fehler nicht bemerkt haben? Oder hat die Ehrfurcht vor der, für heilig gehaltenen Schrift, vor einer Korrektur zurückgehalten? Ersteres ist nicht wahrscheinlich, gegen das Zweitere scheint zu sprechen, dass es in jener Zeit bereits eine ausgebildete Praxis der Glossen von sowohl hebräischen als auch griechischen heiligen Schriften gab. Wir können nämlich sehen, dass in 25,11 ein m, in 32,9 wegen Dittographie ein sinnstörendes pe, in 32,10 auch wegen Dittographie ein ähnlich sinnstörendes ou und in 33,13 ein e Surplus steht. Diese hätte jemand auf ähnliche Weise wie bei a?xarisma löschen können. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Mönche des Klosters zwar den koptischsprachigen Kodex benutzt haben, dass jedoch das Koptische nicht ihre Muttersprache war und dass aus diesem Grund die unkorrigierten Fehler im Text verblieben sind. Nach dem Zeugnis der erhaltenen altnubischen, griechischen und arabischen schriftlichen Denkmäler beherrschten die Mönche diese Sprachen ebenfalls (auf einem gewissen Niveau) und wenngleich sie im Alltag neben dem Bedja auch andere südliche Sprachen, wie wahrscheinlich das zu der Zeit nicht mehr schriftlich fixierte Meroitische gebraucht haben mögen, war die vom großen Teil der Bevölkerung gesprochene Sprache das Nubische und nicht das Koptische.68
Nomina sacra Bei der Betrachtung des Schriftbildes lohnt es sich, auch die Nomina sacra zu untersuchen.69 Die in Frage kommenden Namen, die auch im Griechischen in dieser Weise gebräuchlich sind, werden sämtlich als Nomina sacra geschrieben: !is pe!xs kommt nur einmal vor (3,4), !s!hr ist an allen Stellen, 68
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P. L. Shinnie, Multilingualism in Medieval Nubia, in: A. M. Abdalla (ed.), Studies of Ancient Languages of Sudan, Khartoum 1974, 41-49. Shinnie erinnert gleichzeitig auch daran, dass zum Beispiel in der Gegend von Ghazali dem Zeugnis der koptischen Grabsteine zufolge eine große, aus Priestern, Mönchen und Einsiedlern bestehende Kolonie gelebt haben kann. Siehe auch Coptic Encyclopedia s.v. „Greek language in Christian Nubia“ (T. Hägg), vol. 4, 1170-1174. L. Traube, Nomina sacra. Versuch einer Geschichte der christlichen Kürzung, München 1907, ich möchte auch auf A. H. R. E. Paap, Nomina Sacra in the Greek Papyri of the First Five Centuries A. D., Leiden 1959 und José O’Callaghan, „Nomina sacra“ in papyris graecis saeculi III neotestamentariis, Roma 1970 verweisen.
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wo es vorkommt (3,2; 4,9; 7,1; 8,5; 10,5; 12,2; 21,7; 24,2) und !p!na ebenso (22,2; 32,11), abgekürzt; dagegen werden das koptische Joeis, von dem es eine herkömmliche Abkürzung gibt, das !Js, sowie eiwt und Shre, die im griechischen Text vielleicht als Nomina sacra erscheinen würden, hier vollständig ausgeschrieben. Eine Sonderstellung nimmt stauros ein, das zweimal abgekürzt vorkommt (28,2; 32,7) und an allen weiteren Stellen vollständig ausgeschrieben wird. Ebenso ist auch noute ausgeschrieben (dieses hat nur im Bohairischen eine Schreibweise als Nomen sacrum), dagegen wird es in 4,5, in für koptische Handschriften nicht allgemeiner Weise, mit der, in byzantinischen Handschriften üblichen Abkürzung geschrieben;70 in 33,11 scheint eine für oute merkwürdige Ligatur gebraucht worden zu sein. Auch amhn ist in abgekürzter Form bekannt, doch wird es regelmäßig in voller Form, manchmal als Hamhn geschrieben (dieses Schwanken ist nicht außergewöhnlich) und kommt nur viermal isopsephisch71 als !Fq vor (22,3; 30,9; 32,11; 33,13).
Illumination Neben den beiden Kreuzen zu Beginn des Kodex (2. Seite) und an dessen vermutlichem Ende (34. Seite) und neben dem, das erste Blatt des Textes (3. Seite) einrahmenden Flechtmuster72 gibt es auf der 6., 7., 8., 10., 12., 16., 18. und 20. Seite eine Illustration. Mit einer Ausnahme wurden also nur die
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Das bei der rechten Hasta des n erscheinende „j“ ist in byzantinischen Majuskel-Manuskripten ursprünglich eine senkrechte bzw. schräge gewellte Linie zur Bezeichnung der Abkürzung, zumeist unter dem rechten unteren Schrägstrich des K zur Andeutung des ka…. Beispiele sind leicht in der Wiener Genesis zu finden. Vgl. M. Avi-Yonah, Abbreviations in Greek Inscriptions, London 1940, reprinted from the Quarterly of the Department of Antiquities in Palestine, in: A. N. Oikonomides, Abbreviations in Greek Inscriptions: Papyri, Manuscripts and Early Printed Books, Chicago 1974, 15. 43. Auf den ägyptischen Stelen erscheint dieselbe, als eine das untere Drittel des Buchstabens durchziehende, schräge Linie, zum Beispiel am griechischen Gründungstein des Bischofs Paulos aus Faras (Warschau, National Museum, Inv.-Nr. 234.292). Unter den koptischen Stelen sehen wir auf der, mit unserem Kodex so gut wie gleichaltrigen (862), Stele des Bischofs Thomas (Kairo Inv. No. 36512) in mehreren Fällen am Ende der Zeilen die Abkürzung j, vgl. St. Jakobielski, A History, 76. Über die Isopsephie siehe F. Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, LeipzigBerlin 1925, 96. Ein ähnliches „Flechtmuster“ ist zu Beginn des Textes, auf der 3. Seite des Berliner Kodex zu finden, der einen aus dem nahen Serra East stammenden Stauros-Text enthält, (F. Ll. Griffith, Nubian Texts, Tafel II.), ebenso über der Anfangszeile, oben auf der 2. Seite, wie der von dort stammenden Ps-Chrysostomus-Kodex (nach der Zählung von G. M. Browne die 1. Seite, G. M. Browne, Chrysostomus Nubianus, Plate 1).
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geraden (linken) Seiten illustriert, aber auch dies wurde abgebrochen und die Zweite Schrift besitzt keinerlei Illumination. War dies so beabsichtigt oder wurde die Arbeit durch etwas unterbrochen, hat vielleicht jemand das Illustrieren abbrechen lassen? Wir wissen es nicht. Wenn dem auch so gewesen sein sollte, wird es sich nicht um dogmatische Gründe gehandelt haben, denn der Kodex wurde nicht vernichtet, im Gegenteil, er blieb über lange Zeit im Gebrauch. Die Zeichnungen entstanden, wie es scheint, kurze Zeit nach der Fertigstellung des Textes – bei manchen lassen sich Analogien zu Illuminationen aus dem IX. (X.) Jahrhundert herstellen – und auf den Seiten 6, 12, 16 und vielleicht auch 18 und 20 scheint die am Rand befindliche Zeichnung in unmittelbarer Verbindung mit einem Buchstaben des linken Randes zu stehen. In welchem zeitlichen Abstand die Arbeit des Illustrators der Arbeit des scriptors folgte, wissen wir nicht, sicherlich aber ging sie der Arbeit des Korrektors voraus, welcher die 2. Zeile der 7. Seite verbesserte und gezwungen war, das Wort nim in den Stengel der dort schon befindlichen Pflanze hineinzuschreiben. Hätte der Korrektor vor dem Illustrator gearbeitet, dann hätte der Illustrator anders mit dem am Rand verbliebenen, geringeren Platz hausgehalten. Dies gestattet jedoch nur eine relative Chronologie, da wir den Zeitpunkt der Korrektur nicht kennen. Es ist möglich, dass er nur einige Wochen nach dem scriptor arbeitete, theoretisch ausgeschlossen ist aber auch nicht, dass dies erst Jahre später erfolgte. Wenn wir dennoch logische Schlussfolgerungen zu ziehen versuchen, sind wir uns ihres hypothetischen Charakters bewusst. Wir halten für ausgeschlossen, dass die Seiten im Voraus illustriert waren und dass der Text danach geschrieben wurde. Dafür spricht, dass zu der Zweiten Schrift keine Illumination angefertigt wurde und dass auch, wie wir oben sahen, dessen wesentliche Korrektur ausblieb. Wenn wir also die Reihenfolge für gegeben annehmen, dann behaupten wir, dass der scriptor zuerst die Erste Schrift geschrieben und darauffolgend durchgesehen hat. Darauf folgte die Anfertigung der Illumination der Ersten Schrift und erst dann nahm der Korrektor den Kodex zur Hand (wie das Wort nim zeigt). Zu diesem Zeitpunkt war der Kodex noch nicht gebunden, auch die Faszikeln waren noch nicht aneinander genäht, denn erst später, während des Schreibens der Zweiten Schrift, stellte sich heraus, dass es zu wenig Schreibfläche gibt und dass nach dem 4. Faszikel noch zwei weitere Blätter eingefügt werden müssen. (Wenn man von vornherein ein Folio eingefügt hätte, würden wir nicht bezweifeln, dass man das Volumen des verbleibenden Textes gut ausrechnen konnte. Es wurde aber kein Folio eingefügt.) Nach nicht allzu langer Zeit mag der(selbe) scriptor die Zweite Schrift geschrieben haben (welche die Arbeit derselben Hand ist), diese wurde jedoch nicht mehr vom Illustrator geschmückt und wurde vom Korrektor nur oberflächlich durchgesehen. Unvorstellbar ist auch nicht, dass der scriptor beide Schriften auf einmal schrieb, mit einer gewissen Pause dazwischen. (Das abweichende Schriftbild kann darauf hinweisen.) Dieses Maß an Kopierarbeit ist im
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Verlauf von ein bis zwei Tagen problemlos vorstellbar. Danach kam der Illustrator, später der Korrektor; keiner von ihnen hat sich jedoch durch den ganzen Band durchgearbeitet. Umsonst würden wir nach den Gründen suchen, wir können sie nicht wissen. Mir scheint am plausibelsten, dass etwas oder jemand den Schreiber drängte, als er mit dem Schreiben fertig war, vielleicht nahm ihm der Auftraggeber (oder Buchbinder?) die Arbeit aus der Hand und er konnte sie nicht „beenden“. (Vielleicht drängte der Termin der Schenkung beziehungsweise Stiftung des Kodex, der durch den liturgischen Gebrauch, das heißt den Zeitpunkt eines konkreten Festes bestimmt wurde.) Demnach können die verschiedenen, am Kodex vorgenommenen Arbeiten, die späteste Zeitgrenze eingerechnet, innerhalb eines Menschenlebens geschehen sein, aller Wahrscheinlichkeit nach aber eher im Verlauf einiger Tage. Theoretisch hätte der Kodex auch später korrigiert werden können, auch die Sequenz der Illumination suggeriert, dass ursprünglich die Absicht vorhanden war, wenigstens die geraden Seiten zu illustrieren (oder ging diese Seite dem scriptor leichter von der Hand und er begann damit die Arbeit, die er dann nicht beenden konnte?) Wir wissen nur so viel, dass man an dem Kodex, wie wir ihn heute vor uns haben und der relativ schnell fertiggestellt wurde, später nichts mehr veränderte. Wenn also unsere Vermutungen richtig sind, dann arbeiteten der Schreiber und der Illustrator des Kodex in demselben scriptorium und nahmen sich das Pergament gegenseitig aus der Hand und sprachen miteinander. Umso eigentümlicher ist, dass der Text und die daneben befindlichen Illustrationen nichts miteinander zu tun haben und dass sich die Bilder nicht auf die neben ihnen befindlichen Zeilen beziehen, wenngleich dies in Hinblick auf koptische Handschriften nicht ungewöhnlich ist.73 Auf der zweiten und auf der letzten Seite ist das Bild eines, den gesamten Schriftspiegel ausfüllenden, ledergeflochtenen, grünen, braunen und orangefarbenen Kreuzes zu sehen, wie es heute die koptischen Bischöfe tragen. (Möglicherweise sind die Farben die ursprünglichen, wahrscheinlicher aber ist, dass mit der Zeit das Schwarz zu Braun und das Rot zu Orange verblasste.) Das Kreuz steht auf den koptischen Stelen und in den Kodizes, auch in der Apsis der Gnadenkirche von Abu Fana, auf der Spitze einer sich von beiden Seiten erhebenden Treppe;74 unsere Illustration jedoch
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Dies war zu der Zeit in Ägypten schon mehrere tausend Jahre gang und gäbe; nicht selten bezogen sich auch die Illustrationen des Totenbuches nicht auf den neben ihnen befindlichen Text. R. O. Faulkner/C. Andrews, The Ancient Egyptian Book of the Dead, London 1985, 14; H. Milde, The Vignettes in the Book of the Dead of Neferrenpet, Leiden 1991, 8. H. Buschhausen/U. Horak/H. Harrauer, Der Lebenskreis der Kopten, Farbabb. 63. Dass das auf der Treppe stehende Kreuz aus Konstantinopel stammt, bewies E. Dinkler, Das Kreuz als Siegeszeichen, ZThK 62 (1965), 1-20, Nachdruck. Ders., Signum
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stellt das Kreuz auf einen flachen Sockel aus Flechtmuster, zugleich scheint an der Spitze (und den beiden Enden des Querbalkens) eine Schlaufe zu sein.75 Das in zahlreichen Fällen zwischen, neben oder über den Balken des Kreuzes vorkommende !is p!xs nika, das a und w, oder „Baum des Lebens“ (culon zwhs und piSShn ntepwnK) und ähnliche Aufschriften erscheinen in unserem Fall nicht, mögen jedoch beim Betrachter sicher Assoziationen dieser Art hervorgerufen haben.76 Auf der ersten Seite des Textes (3. Seite) umrahmt ein Flechtmuster den Text (auf der 24. Seite, wo die Zweite Schrift beginnt, gibt es dies nicht), deshalb ist hier der Schriftspiegel am kleinsten, hier sind in einer Zeile die wenigsten Buchstaben zu finden. Die wie ein Eingang, der aus zwei Türpfosten und aus einem Querbalken aufgebaut ist, gestalteten drei Flechten berühren einander nicht, anders als beim ersten und letzten Kreuz, besitzen diese horizontalen und vertikalen Flechten unterschiedliche Muster, der Illustrator hat sie nicht mechanisch gefertig. Auf der 6. Seite sehen wir am linken Rand einen, sich nach einer Weintraube streckenden, langbeinigen, langhalsigen und ornithologisch schwer bestimmbaren Vogel; da aber auf der 16. Seite ein kurzhalsigerer, ansonsten aber ähnlicher Vogel zu finden ist, dessen Pendant in einem, auf das Jahr 933 datierten, vatikanischen Kodex77 als Pfau identifiziert werden kann, ist wahrscheinlich auch unser Vogel kein Strauß, sondern eher ein Pfau. Auf der 7. Seite befindet sich am rechten Rand in einer Vase eine langstielige Pflanze; das Bild eines ähnlichen Gefäßes bewahrte für uns ein Londoner Pergamentblatt.78 Das Krokodil am linken Rand der 8. Seite wurde schon von den ersten Berichterstattungen79 hervorgehoben. Am linken Rand der 10. Seite sehen wir eine besondere, an Juwelierarbeit erinnernde Ornamentik, während der linke Rand der 18. und 20. Seite von einer Ornamentik geschmückt ist, die Pflanzenranken ähnelt.
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Crucis, Aufsätze zum Neuen Testament und zur christlichen Archäologie, Tübingen 1967, 55-76; vgl. W. Seipel (Hrsg.), Faras. Die Kathedrale aus dem Wüstensand, Wien 2002, 89-91. Der reiche ikonographische Inhalt dieses Kreuzes (crux gemmata) ist viel klarer auf dem Wandgemälde ‚maiestas crucis‘ der Kathedrale von Faras zu erkennen. Zu der scheinbaren Schlaufe vgl. auch Faras. Ausstellungskatalog, Wien 2002, 89-91, dort weitere Literatur. Vgl. dazu den oben zitierten Artikel von E. Dinkler. M. Cramer, Koptische Buchmalerei, 40-51; M. Cramer, Das christlich-koptische Ägypten einst und heute, Wiesbaden 1959, 83. Vat. Copt. 69, fol. 95v; Bild, M. Cramer, Koptische Buchmalerei, 53, Abb. 49. South Kensigton Museum E 1079-1933; M. Cramer, Koptische Buchmalerei, 53. datiert neben der Abbildung ins 6.-7. Jhd., während der Text der 52. Seite das „9.10. Jahrhundert?“ angibt. The New York Times 24. Dezember 1965, 24; G. R. Hughes, A Coptic Liturgical Book, 10-14; G. T. Scanlon, A Letter from Kasr al-Wizz, Nubia, maschinengeschriebene Meldung von dem American Research Center in Egypt Dezember 1965, 12-15.
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Es scheint, dass die Illumination unseres Kodex, ähnlich wie in zahlreichen koptischen Handschriften, nichts mit dem Text zu tun hat.80 Es wäre müßig, eine allegorische Interpretation des Vogels oder des Krokodils zu erzwingen. Zum Text der 16. Seite hätte ein großer, die Erde bedeckender Baum oder ein Kreuz gepasst – stattdessen zeichnete der Illustrator einen Vogel, der Weintrauben pickt. Zwischen der 6. und der 16. Seite sehe ich keinerlei inhaltliche Verbindung, wo doch beide Illustrationen offensichtlich dasselbe darstellen. Auch das Krokodil der 8. Seite kann man nicht mit dem dort erwähnten Erlöser, mit Petrus und auch nicht mit dem mysterion in Verbindung bringen. Auf der 12. Seite ist die einzige Darstellung eines Menschen in dieser Handschrift zu sehen, was anschaulich zeigt, dass dies für die nubischen koptischen Christen nicht verboten war.81 Dieser Kopf ist aber auch deshalb erwähnenswert, weil sein nächstes Analogon eine der frühesten Menschendarstellungen der koptischen Kodexilluminationan ist. Das Bild wird auf das Jahr 848 datiert,82 dies ist ungefähr dieselbe Zeit, die sich aus der paläographischen Untersuchung unseres Kodex ergeben hat. Am linken Rand des Blattes sehen wir einen, der altägyptischen Tradition entsprechenden, frontal schauenden, im Vergleich mit der Schrift qualitativ schwächeren, beinahe kindlich gezeichneten, am Hals abgeschnittenen Kopf, der den Ägyptologen an die ähnlich gezeichnete Hieroglyphe ihr erinnert.83 Gleichwohl ist dies, künstlerisch gesehen, nicht deren späte Reproduktion, denn sowohl die Augen als auch die Nase (insbesondere die außerordentlich charakteristisch gezeichneten Nasenflügel) zeigen mit koptischen Köpfen aus derselben Zeit nahe Verwandtschaft. Möglicherweise erscheinen auch die „ausgefransten“ Ohren fremd. Meiner Meinung nach sind jedoch vom Standpunkt des Verständnisses am ehesten die zwei hyperbolischen, nach außen schauenden Linien des kurzen Halses beachtenswert, die den elementarsten Anatomiekenntnissen ebenso widersprechen, wie den schematischen, senkrechten Parallelen der Kinderzeichnungen. Meiner Vermutung zufolge sehen wir hier einen Torso, den wir dann interpretieren können, wenn wir ein Analogon in die Untersuchung einbeziehen, das am Rand einer, ebenso aus dem 9. Jahrhundert stammenden Handschrift aus Achmim zu finden ist84. Dort
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Es ist beispielsweise völlig unbegründet, am Rand von Leviticus (anno 1805) jene Tiere aufzuführen, welche wir im Falle von M. Simaika Pasha, Catalogue of the Coptic and Arabic Manuscripts in the Coptic Museum, vol. II. Cairo 1942. fasc. I. Plate XXXVI. sehen. Die Menschendarstellung, vermutlich das (fragmentarische) Bild von Christus erscheint auch am Anfang des altnubischen Kodex Berlin MS Or. Quart 1020, ungefähr zur selben Zeit, F. Ll. Griffith, Nubian Texts, 41-42 und Tafel II. M. Cramer, Koptische Buchmalerei, 59. B. de Rachewiltz, La Valle dei Re a delle Regine, Milano 1965, 26-27, aus dem Grab der Königin Nofertari.
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sehen wir unter einer großen Initiale p, also in ähnlicher Position, denselben Typ, nur wird dort das qualitativ bessere Gesicht von Haar und Bart bedeckt, (wodurch sich das „ausgefranste“ Ohr nicht hervorhebt,) und das Ganze wird von einem Nimbus umgeben. Aufgrund dieses Sachverhalts nehmen wir an, dass sich der gebogene Hals in Richtung der Schultern fortgesetzt hätte und den waagrecht abgeschnittenen Hals verstehen wir aufgrund der Parallele als Teil, der aus dem Kleiderausschnitt herausschaut. Ein anderes, diesem sehr ähnliches, frontal blickendes Nimbus-Brustbild mit Heiliger Schrift sehen wir ebenfalls unter der Initiale p am Rand einer, auf das 10. Jahrhundert datierten Psalterhandschrift (P. Vindob. K 9174).85 Dieser Typ, ein Vollbild eines Menschen, ist ebenfalls aus dem Jahre 706 der Märtyrerära dokumentiert (29. August 989 – 28. August 990).86 Ein früher, aber stilistisch eindeutig hierher gehörender Vorläufer der künstlerischen Ausformung ist auf Mumienporträts zu sehen, wo aus dem weißen Khiton der fleischfarbene Hals herausschaut.87 Ähnliches finden wir auch auf byzantinischen Mosaiken.88 Wenn das Auge des Forschers einmal den Blick für diese außerordentlich charakteristische 84
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M. Simaika Pasha, Catalogue, vol. I. Cairo 1939, Plate XXXIX. Ein ähnliches Verfahren ist in der linken unteren Ecke von vol. II. fasc. I. Cairo 1942, Plate IV. zu sehen. H. Buschhausen/U. Horak/H. Harrauer, Der Lebenskreis der Kopten, 47-48, Farbbild 7. Ägypten. Schätze aus dem Wüstensand. Kunst und Kultur der Christen am Nil. (Katalog Hamm) Wiesbaden 1996, No. 270, British Library Or 6782. Zahlreiche Beispiele sind in folgenden Werken zu finden: E. Doxiadis, The Mysterious Fayum Portraits. Faces from Ancient Egypt, London 1995; S. Walker/M. Bierbrier, Ancient Faces. Mummy Portraits from Roman Egypt, London 1997; B. Borg, „Der zierlichste Anblick der Welt…“. Ägyptische Porträtmumien, Mainz 1998; W. Seipel (Hrsg.), Bilder aus dem Wüstensand. Mumienportraits aus dem Ägyptischen Museum Kairo, Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum Wien, Wien 1998; in jeder dieser Publikationen gibt es reiche Bezüge zu den Entdeckungen und der früheren Fachliteratur. Zum Beispiel Bischof Maximianus in Ravenna in S. Vitale; Jesus und Petrus neben dem Hahn in S. Apollinare Nuovo; die riesige Gestalt des Sankt Apollinarius in der Apsis von S. Apollinare in Classe.
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Halsausformung gewonnen hat, dann entdeckt er diese auch auf zahlreichen anderen Illustrationen, auf denen der koptische Meister die Halsausformung nicht einmal an der Schulterlinie orientiert hat.89 Vielleicht hier, auf der 12. Seite, kommt die Frage auf, ob das Gesicht den Apostel Petrus darstellt. Es befindet sich allerdings nicht neben der dafür in Frage kommenden 4. Zeile und außerdem kam Petrus auch schon früher, auf den Seiten 6, 8 und 10, vor. Die Deutung des Bildes als Darstellung des Apostels scheint auch deshalb als unwahrscheinlich, weil dieser sowohl auf den Wandgemälden des nahegelegenen Faras90 als auch in den Kodizes91 mit Nimbus dargestellt wurde. Das Gesicht verbindet sich also nicht mit einer, auch im Text konkret erwähnten Person. In unserem Falle gestattet die Tatsache, dass die Zeichnung in der Höhe der 6. Zeile beginnt, höchstens die Annahme, dass es sich um den Versuch eines Brustbildes handelt, jedoch machte die Nähe der Buchstaben weder das Zeichnen der Schultern noch des Nimbus möglich und die Gestalt ist ein etwas grotesker Torso geblieben.
Sprachliche Eigenheiten Die Sprache der Handschrift steht dem Standard-Sahidischen sehr nahe, sie enthält aber auch Formen, die man aufgrund der klassischen Grammatiken nicht erwarten würde. Da jedoch der Text kurz ist und wir ihn nur aus einer einzigen Handschrift kennen, lässt sich nicht sicher entscheiden, ob es mit unregelmäßigen sprachlichen Formen oder den speziellen Merkmalen eines Dialektes oder aber einfach mit eventuellen Irrtümern des scriptors zu tun haben. Noch schwieriger ist es, Schlussfolgerungen zu ziehen, wenn wir uns bewusst machen, dass nicht sicher ist, ob die beiden Schriften des Kodex in ein und demselben sprachlichen Umfeld entstanden sind beziehungsweise tradiert wurden, und dementsprechend ist der zu untersuchende Text noch kürzer. Die auffallendste Abweichung vom klassischen Sahidischen besteht im Gebrauch der Optativformen mak- (8,1) und matetn%- (9,6) (siehe Kommentar), die nur in der Ersten Schrift vorkommen (Analogbildung). Wenig wahrscheinlich ist, dass wir es mit einem Einschlag des achmimischen Dialektes zu tun haben, da davon im Text ansonsten weder in den Konjugationen noch in anderer Hinsicht etwas zu finden ist; gleichwohl ist die Interpretation des Optativ auch nicht unproblematisch. 89
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M. Cramer, Koptische Buchmalerei, Abb. 76-80. Im Falle des Erzengels Michael, des zur Linken des Märtyrers, des Heiligen Stephans, stehenden Engels und des Mose wurde diese Art der Ausformung des Halses schon zum Stilelement, das nicht durch den Anschluss an die Schulter, sondern allein durch den Halsausschnitt der Kleidung begründet wird. K. Michalowski, Faras, Warszawa-Dresden 1974, 114, 179. M. Cramer, Koptische Buchmalerei, Abb. 92.
Über die beiden Schriften
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Der Wortschatz besteht aus etwa 223 koptischen Worten und 59 griechischen Lehnworten,92 das heißt, dass, grob gerechnet, ein Fünftel der Worte griechisch ist, während lateinische, hebräische,93 altnubische oder sonstige Fremdworte nicht vorkommen. Allein daraus lässt sich kaum eine Schlussfolgerung ziehen. Eine zwar auch aus anderen Texten bekannte, jedoch interessante Erscheinung ist, dass solche Worte, die keinen spezifischen christlichen Inhalt tragen und auch koptisch hätten ausgedrückt werden können, ebenso mit griechischen Lehnworten ausgedrückt werden wie zum Beispiel dikaiosÚnh (me), e„r»nh (Hwtp), kl£doj (Sal, S%lH), must»rion (Hwp, petHhp), Ømnšuw (Hws, Jw, GnGn), fÒrein (eine, pwwk, twoun Ha-, wl, Fi). Auch für das Gegenteil gibt es Beispiele, bei denen theologische Worte wie basile…a (mntero), ¢pokalÚptw (Gwlp ebol), sèzw (ouJai), marture…a (mntmntre), zwopoiÒj (reFtanHo) koptisch und nicht griechisch gebraucht werden. Wir gehen hier nicht auf allgemeine Erscheinungen wie den Wegfall oder die Assimilation des n ein. Auch behandeln wir hier nicht die Frage der hinter den orthographischen Varianten eventuell verborgenen phonetischen Veränderungen (z. B. nF%klados statt neFklados wegen des Supralinearstriches 16,6).
Über die beiden Schriften Der Kodex gliedert sich inhaltlich in zwei, beziehungsweise drei Teile, denn vor der Ersten Schrift (4,6-23,5) und der Zweiten Schrift (24,1-33,13) steht auch das Präskript (3,1-4,5). Ein solches Präskript war in der Zeit der Niederschrift des Kodex allgemein verbreitet94 und kann auch als Titel aufgefasst werden; in jener Zeit wurde der Titel nicht mehr an das Ende der Schrift geschrieben, wie das im Falle des NHC bekannt ist. Fraglich ist jedoch, ob sich der beiden Schriften voranstehende Titel auf beide Schriften bezieht oder nur auf die Schrift, der er unmittelbar vorausgeht. „Ein Wort, das unser Erlöser… verkündigte … über die Macht und Freimütigkeit und Lebensweise des herrlichen und lebenspendenden Kreuzes.“ Da sich vor der Zweiten Schrift kein anderer Titel befindet, lässt sich annehmen, dass sich dieser eine Titel auf beide Schriften bezieht, vor allem deswegen, weil 92
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Dies soll eher die Proportionen deutlich machen, denn bei einigen Wörterbuch-Items (a, at, e, et, ete, n, na#, p, t stb.) ist der Zähler verunsichert, ob er diejenigen, die bei den im Koptisch vorkommenden griechischen Lehnwörtern keine Entsprechungen haben (z.B. Morpheme), mitzählen soll oder nicht. Das }"mf) zählt nicht, da es nicht auf eine sprachliche Verbindung hinweist. Zum Beispiel das Enkomium des Theodor von Anatolien (BM MS Or 7030), Kyrillos von Jerusalem über die Theotokos (BM MS Or 6784), die Lehre des Apa Psote, Bischofs von Psoi (BM MS Or 7597), Gebet des Heiligen Athanasios (BM MS Or 7029) usw., alle in: W. Budge, Miscellaneous Coptic Texts.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
auch in der Zweiten Schrift das Kreuz die zentrale Rolle spielt. Auffällig ist allerdings, dass die zeitliche Abfolge des von den beiden Schriften erzählten Sujets nicht mit ihrer Reihenfolge innerhalb des Kodex übereinstimmt: Das Geschehen der Zweiten Schrift spielt in der Zeit vor der irdischen Leidensgeschichte Jesu, während in der Ersten Schrift der Auferstandene 36 Tage nach Ostern spricht. Wenn wir eingedenk dessen den Text des Präskripts „Ein Wort, das unser Erlöser … verkündigte ... bevor er (in die Himmel) aufgenommen wurde“ lesen, werden wir ihn wahrscheinlich so verstehen, dass zwar die Leidensgeschichte vor der Himmelfahrt geschieht, dass dies jedoch zeitlich anders bestimmt worden wäre, gleich wie die Zweite Schrift in der Tat mit den Worten beginnt „Es geschah aber eines Tages ... bevor ihn die gesetzesübertretenden Juden kreuzigten.“. Wenn hingegen das Präskript der Titel der Ersten Schrift ist, dann hat die Zweite Schrift nicht nur kein Präskript, sondern auch keinen Titel. Dies scheint auch von dem, in Berlin aufbewahrten, altnubischen Pergamentkodex, dem sogenannten Stauros-Text bestärkt zu werden.95 Das Genre der Schrift(en) ist schwer zu benennen. Die beiden Schriften unterscheiden sich in ihrem Charakter voneinander. Wenn wir uns nur an das im Titel erwähnte, sehr allgemeine lÒgoj klammern, erfahren wir über das Genre der Ersten Schrift nicht allzu viel. Das darauf folgende Salve, das „Im Frieden Gottes“, welches uns an den Gruß der apostolischen Briefe erinnern könnte96, kommt, wie das auch aus den im folgenden Kommentar erwähnten Beispielen deutlich wird, in zahlreichen koptischen literarischen Texten als Abschluss des Titels vor. Der Ausdruck ist deshalb vom Standpunkt der Genrebestimmung (als eventueller Hinweis auf die Form eines ursprünglichen Briefes) nicht relevant. In dieser Hinsicht ist auch die unmittelbar darauf folgende, an die Empfänger adressierte Anrede „Meine Lieben!“, kein zureichender Beweis97, denn der Inhalt unserer Schrift verweist nirgendwo auf eine, in der Ferne befindliche Gemeinde beziehungsweise auf einen Absender; sie enthält auch keinen Abschied und verfügt also nicht über die Merkmale eines Briefes. Nebenbei gesagt, gehören das zum Titel gehörende Salve und die Anrede auch formal nicht zusammen; dies wird vom Kodex graphisch durch das trennende, horizontale Reihenmuster deutlich gemacht und zeigt, dass sich auch der scriptor dieser Abtrennung bewusst war, denn er wendet eine Art der Trennung an, die er ansonsten nur bei der Trennung der beiden Schriften gebraucht. Würden wir aufgrund der Anrede an eine Homilie denken,98 könnten wir mit dieser Gattung nur schwer den Satz vor dem 95
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Berlin MS Orient Quart 1020 (stauros-text), F. Ll. Griffith, Nubian Texts; G. M. Browne, Literary Texts. Röm 1,7; 1 Kor 1,3; 2 Kor 1,2; Gal 1,3; Eph 1,2; Phil 1,2; Kol 1,2; 1 Thess 1,1; 2 Thess 1,2; 1 Tim 1,2; 2 Tim 1,2; Tit 1,4; Phlm 3; 2 Joh 3; Offb 1,4. Siehe Kommentar. Dafür ist 20,7-9: „... geht hin, predigt in der ganzen Welt“ nicht ausreichend.
Über die beiden Schriften
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doxologischen Schluss vereinbaren („Als wir Apostel dies hörten …“ – 1. Person Plural), welcher Teil einer Erzählung zu sein scheint. Und in der Tat beginnt auch die Einleitung mit einer Erzählung („Es geschah aber eines Tages, als unser Erlöser auf dem Ölberg saß …“); man könnte sogar an ein Evangelium denken, wenn die Erzählung Jesu Reden, Lehren, einzelne Ereignisse seines Lebens und insbesondere auch seine Leidensgeschichte und Auferstehung erzählen würde („eroou – ihnen“ – 3. Person Plural). Die Erzählung ist jedoch nicht der konstitutive Teil der Schrift, sondern dient nur als Rahmen für den Dialog zwischen Petrus und dem Erlöser, welcher aus kurzen Fragen des Petrus und langen Antworten Jesu besteht. Diese Reden bilden jedoch nicht den Teil einer „Spruchquelle“. Die Antwort des Auferstandenen konzentriert sich auf die Frage des Petrus: „tn%ouwS etrektamon m%musthrion m%pestauros – Wir wollen, dass du uns das Mysterium des Kreuzes offenbarst“. Wir haben also eine nachösterliche Apokalypse vor uns, die wir hinsichtlich ihrer Form aufgrund der Studie von H. Köster99 als Dialog-Evangelium bezeichnen können. Die Bestimmung des Genres der Zweiten Schrift scheint mir wegen der Geringfügigkeit des Vergleichsmaterials problematischer zu sein. Aufgrund ihres Rahmens wäre sie eine „Wir“-Erzählung der Jünger über die Passion beziehungsweise über einen Teil der Passion, im weiteren Verlauf handelt jedoch die Schrift nicht mehr davon. Die innere Gliederung weist, mit dem eigenen Wortgebrauch der Schrift, den lockeren Kranz von „Hymnen“ auf, an dessen Ende sich eine trinitarische Katechese anschließt. Diese Hymnen sind nicht ganz so, wie wir damit aufgrund von Acta Joh. rechnen würden, was aber auch nicht erwartet werden kann. Vieles wird absorbiert, verschiedene kleine Einheiten werden redigiert, wie z.B. aus den kanonischen Evangelien bekannte, aber jetzt im neuen Kontext erscheinende Apophthegmata oder die ™gè e„mi Rekognitionsformel100 Jesu oder kleinere Einheiten etwa aus dem unlängst bekanntgewordenen Evangelium des Erlösers. Die zahlreichen amen an den Zeilenenden weisen auf eine weitere liturgische Überarbeitung hin. Der Hymnus im technischen Sinne des Wortes ist ohne Vorbehalt vorstellbar, es kann sein, dass der Gesang nach östlichem Brauch rezitierend vorgetragen wurde. Die Aufgabe der weiteren Forschung wird es sein, sich um eine Klärung zu bemühen, wo und wann dieser Text im Kultus rezitiert worden sein könnte.
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H. Köster, Dialog und Spruchüberlieferung in den Texten von Nag Hammadi, EvTh 39 (1979) 532-556; J. Hartenstein, Die Zweite Lehre. Erscheinungen des Auferstandenen als Rahmenerzählungen frühchristlicher Dialoge, TU 146, Berlin 2000. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Göttingen 1957, 168.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
Wort des Erlösers über das Kreuz „Das Wort des Erlösers über das Kreuz“ ähnelt in seinem Charakter den Dialog-Evangelien, die nach Ostern gegebene Sonderoffenbarungen mitteilen. Es unterscheidet sich von diesen jedoch durch seine Kürze, denn es behandelt weder das Leben Jesu, noch die Passionsgeschichte noch aktuelle Probleme der Gemeinde, sondern will im Wesentlichen nur auf eine einzige Frage antworten. Und während es in der gottesdienstlichen Liturgie nur Raum für eine Perikope der Evangelien gibt, kann das „Wort des Erlösers über das Kreuz“ in seinem vollen Umfang während eines Gottesdienstes vorgelesen werden, so, als ob es sich nur um eine Perikope handelte. Der Erlöser hat, der Erzählung des Rahmens zufolge, seinen Jüngern schon alle „unfassbaren Mysterien“ mitgeteilt und nur eine einzige Sache, ein „Mysterium“ ist noch immer offengeblieben. Der Dialogpartner Petrus ergreift zweimal das Wort, im ersten Fall fragt er nicht, sondern bittet nur, dass er fragen darf.101 Die Antwort ist, wenn auch für uns sprachlich problematisch, eindeutig ermunternd. Petrus bittet in der 1. Person Plural nicht nur im Namen des Jüngerkreises, sondern auch im Namen der aktuellen Gemeinde um eine Antwort auf das „Mysterium“, auf die Frage, warum der Erlöser das Zeichen des Kreuzes am Tage des eschatologischen Endgerichtes mit sich tragen wird. Die Frage der Gemeinde ist legitim, denn die Leser der kanonischen Evangelien kennen die Antwort nicht.102 Die Jünger wussten trotz der prophetischen Worte des vorösterlichen Jesus nicht – und konnten auch nicht akzeptieren –, dass sein Leben und Schicksal untrennbar mit dem Kreuz verbunden ist. Am Karfreitag jedoch wäre es zu spät gewesen, dies zu erkunden, frühestens nach Ostern ergab sich dafür die Möglichkeit. Die Frage lautet Warum? und impliziert, dass die Tatsache, dass der Soter beim eschatologischen Gericht das Kreuz mit sich trägt, für die Hörer ein bekanntes und unbestrittenes Faktum ist. Davon hören wir nicht, dass er nach der Auferstehung auch zu anderer Gelegenheit das Kreuz tragen würde; hier geht es nur um ein herausgehobenes heilsgeschichtliches Ereignis an jenem Tag. Die Frage stellt sich nach der speziellen Funktion des Kreuzes beziehungsweise des Zeichens des Kreuzes beim Gericht. Auch der Erlöser selbst beginnt nicht mit der Erzählung der verborgenen eschatologischen zukünftigen Ereignisse, weder in Hinblick auf sich selbst, noch auf das im 101 102
Ähnliche Frage/Bitte in Pistis Sophia II. 85.; II. 100.; III. 107; III. 108.; III. 110. Für die Evangelien des Neuen Testamentes trägt das Kreuz von Golgotha weder eine symbolische, noch eine heilsgeschichtliche Bedeutung; es war das physische Foltermittel, das den Tod Jesu verursacht hat. StaurÒj kommt in den paulinischen Schriften zehnmal vor, in vier Fällen (1 Kor 1,18; Gal 5,11; Phil 2,8; Kol 1,20) scheint es nur den Umstand des Todes Jesu zu bezeichnen, in weiteren sechs Fällen (1 Kor 1,17; Gal 6,12.14; Eph 2,16; Phil 3,18; Kol 2,14) erhält es eine betonte theologische Bedeutung.
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Mittelpunkt stehende Kreuz, noch in Hinblick auf eine Beschreibung des Tages des Gerichts. Auch er behandelt das Tragen des Zeichens des Kreuzes als Tatsache und der Auferstandene offenbart in seiner zweifachen Antwort das Mysterium, wobei er nicht auf das Tragen des Zeichens des Kreuzes, sondern auf die in den, zu der Zeit schon schriftlichen, Evangelien erzählte Passionsgeschichte verweist. Das Kreuz wird auf der einen Seite als Beweisstück dafür anwesend sein, dass Jesus verspottet und getötet wurde und dass seine Rechenschaftsforderung einst den Sündern Verdammnis bringen wird; auf der anderen Seite hingegen – und dessen Verkündigung wird für die Gläubigen die wahre Freudenbotschaft, das Eu-angelion sein – wird das Zeichen des Kreuzes für sie beim Gericht ein Apotropaion sein.103 Dies ist wahrhaft ein Mysterium, eine verborgene Offenbarung, denn die schützende, rettende Kraft des Kreuzes beim Gericht wird weder von den Synoptikern, noch von Johannes erwähnt. Nach der apokalyptischen Offenbarung wendet sich der Erlöser mit einer Exhortation an seine Jünger, die er als namelos etouaab, als „meine heiligen Glieder“ anspricht, und ermutigt sie in logischer Folge nach der Übergabe der bisher verborgenen Frohbotschaft dazu, die Nachfolge des Kreuzes zu predigen. Der Schluss wurde vielleicht sogar zweimal voneinander unabhängig umgearbeitet, denn einerseits spricht die Doxologie an den Erlöser in Wirklichkeit nicht zu ihm, sondern ist trinitarisch und beginnt als solche, mit einer Art innerer Logik, mit dem Vater. Der Sohn (Shre) als christologischer Titel kommt in der Schrift „Wort des Erlösers über das Kreuz“ nur an dieser Stelle vor, während der Erlöser in der Anrede „unser Herr und unser Gott“ heißt, er kann aber auch „Erlöser der Seelen“ (p!shr% n%n%yuxooue; 7,1-2) bzw. „Heilmittel der Seelen“ (ptalGo n%n%yuxooue; 7,4-5) heißen. Es fällt auf, dass weder der Name Jesus noch der Name Christus vorkommt. Andererseit ist jener, im liturgischen Gebrauch sekundär in die Schrift gelangte Zusatz „jetzt und immerdar, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen“ (23,3-5) von diesem Schluss wahrscheinlich unabhängig, er steht im Gegensatz zu der unmittelbar davor stehenden Zeitbestimmung „an jenem Tag, an dem er richten wird“ (22,10-23,1). Auch wenn es bereits erwähnt wurde, muss hier noch einmal hervorgehoben werden, dass „Wort des Erlösers über das Kreuz“ uns nicht nur in koptischer Sprache, sondern auch in altnubischer Version überliefert ist. Der Pergamentkodex, der im Jahre 1906 von Carl Schmidt in Ober-Ägypten 103
In Gal 6,14 bezieht sich kauc©sqai auf das Kreuz; dieser Gedanke steht dem Apotropaion nahe. Darauf, dass sich di' oá eindeutig auf das Kreuz bezieht und nicht – wie in einigen irrtümlichen Bibelübersetzungen – auf „unseren Herrn Jesus Christus“, haben zahlreiche Kommentare hingewiesen. Im letzteren Fall würde ™n ú stehen (H. Lietzmann, An die Galater, Tübingen 1932, 45; H. Schlier, Der Brief an die Galater, Göttingen 1951, 208; A. Oepke, Der Brief des Paulus an die Galater, Berlin 1973, 202; F. Mußner, Der Galaterbrief, Leipzig 1974, 414).
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gekauft wurde104 und der in seiner Form viele Ähnlichkeiten mit den Kasr el-Wizz Kodex aufweist, wird in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt. Sein Text wurde von F. Ll. Griffith als „Stauros-Text“ bezeichnet, dieser Titel wurde von G. M. Browne so belassen.105 Dem Text des von Schmidt gekauften Kodex zufolge wurde dieser altnubische Kodex in der Jesus-Kirche in Ost-Serra106 von den Donatoren niedergelegt, in ziemlicher Nähe zu Kasr el-Wizz, insgesamt 15 Kilometer südlich vom Bischofssitz Faras. Der altnubische Kodex mag etwas jünger als der koptische Kodex sein und es gibt kaum Zweifel, dass die beiden Kodizes und die in ihnen enthaltenen, auch zeitlich nicht allzu fernen parallelen koptischen und altnubischen Texte, geschichtlich etwas miteinander zu tun haben. Gleichzeitig aber ist der Unterschied zwischen dem Text der beiden Kodizes augenfällig: Zwar beginnen beide mit der Schrift „Wort des Erlösers über das Kreuz“ und beide enthalten als Fortsetzung eine zweite Schrift; doch während der Kasr el-Wizz Kodex seine Zweite Schrift (TdE) als zweite anschließt, fügt der Berliner Kodex MS Or. 1020 hier eine das Kreuz rühmende Litanei ein. Von dieser Kreuz-Litanei des vermutlich in Ost-Serra aufbewahrten Kodex stellte Heinrich Schäfer schon im Jahre 1907 fest,107 dass diese die koptische Übersetzung eines griechischsprachigen Pseudo-Chrysostomos-Textes108 sei. Offenbar auf diese, als Appendix hinzugefügte Litanei hinweisend bezeichnete Griffith den gesamten altnubischen Text in einem in Klammern geschriebenen Untertitel als „stauros-Text“, wohl der leichteren Identifizierbarkeit halber, obwohl zu Beginn des Textes der ursprüngliche Titel steht.109 Ich werde jedoch den koptischen Text der am Ölberg offenbarten Apokalypse nicht so nennen, auch wenn dies etwas umständlicher ist, nicht nur deshalb, weil er als Zusatz nicht die Kreuz-Litanei des Pseudo-Chrysostomos enthält, sondern vor allem deshalb, weil wir den einst gebrauchten Titel 104
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C. Schmidt/H. Schäfer, Die ersten Bruchstücke christlicher Literatur in altnubischer Sprache, SPAW Jg. 1906, Berlin 1906, 775. G. M. Browne, Literary Texts, 22-23. Heute ist es schwierig, eindeutig festzustellen, welche von den in Ost-Serra gefundenen vier Kirchen die Jesus-Kirche war und wann diese gebaut wurde; aufgrund der Beschreibung von J. Knudstad, Serra East and Donginarti. A Preliminary Report on the 1963-64 Excavations of the University Chicago Oriental Institute Sudan Expedition, in: Kush 14 (1966) 165-186, besonders 168-169, ist unsere Hypothese, dass die „Central Church“ aufgrund des Wandgemäldes mit dem riesigen thronenden Christus in der Apsis die Jesus-Kirche war, während das riesige Kreuz-Wandgemälde in der Apsis der „South Church II“ darauf hinweist, dass diese, die auch namentlich bekannte Kreuz-Kirche war. C. Schmidt/H. Schäfer, Die altnubischen christlichen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin, SPAW Jg. 1907, Berlin 1907, 602-613. Migne, Patrologia Graeca 50, Sp. 819. „A speech which our Savior ... spoke concerning his suffering and his coming in glory and the glorious, life-giving cross...“, G. M. Browne, Literary Texts, 22.
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kennen (und ich bin der Meinung, dass auch dem altnubischen Text sein ursprünglicher Titel zurückgegeben werden müsste). Diese Kreuz-Litanei, genauer gesagt eine andere, altnubische Variante dieser Kreuz-Litanei kam ans Tageslicht, als im Zuge der nubischen Rettungskampagne vom Oriental Institute of the University of Chicago in den Jahren 1963-64 gerade bei einer Grabung in Ost-Serra ein 24-seitiger110 Pergamentkodex gefunden wurde, der einen Pseudo-Chrysostomos Sermo-Text enthielt.111 Dieser in Khartum aufbewahrte Kodex enthält jedoch nicht die Schrift „Wort des Erlösers über das Kreuz“, sondern bringt in der Mitte des Sermo, auf den Seiten 14-16 die (in griechischer und altnubischer Sprache schon von anderer Stelle her bekannte) Litanei. Die Kreuz-Litanei bildet keine so enge Einheit mit dem vorangehenden und folgenden, vom Paradiesbaum und vom Kreuz handelnden Teil der Homilie, dass man sie nicht ohne empfindlichen Verlust davon trennen könnte, aber gerade dieses Redigiert-Sein gestattet eventuelle Schlussfolgerungen. Zusammenfassend kann man sagen: Der koptische Kasr el-Wizz-Kodex, der Berliner (in OstSerra geschriebene) altnubische Kodex und der in Ost-Serra gefundene, altnubische Kodex stammen also aus einem enger eingegrenzten Gebiet und in grober Schätzung auch aus ähnlicher Zeit. Die erste der beiden Schriften des in Berlin aufbewahrten Kodex stimmt mit der ersten Schrift des Kasr 110
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Zwar schreibt J. Knudstad, Serra East, 171 von „twenty-five numbered pages“, die 20. Seite wurde jedoch irrtümlicherweise als 21. Seite numeriert. G. M. Browne, Chrysostomus Nubianus. Der „Stauros-Text“ sagt 47-mal, der Sermo 50-mal (darunter in zwei irrtümlich wiederholten Fällen), der griechische Ps.-Chrysostomos 52-mal, dass „das Kreuz für jemanden dies und jenes ist“. Die Aussprüche des griechischen Textes stimmen in 31 Fällen mit den Aussprüchen des altnubischen Berliner Textes überein, ihre Reihenfolge ist jedoch völlig verschieden, während sie mit dem Khartumischen Text in 41 Fällen übereinstimmen. Von diesen 41 Übereinstimmungen gibt es in 35 Fällen eine Übereinstimmung bei der Abfolge der Sprüche (diese Übereinstimmungen gliedern sich in die folgenden Gruppen: 3, 3, 12, 8 und 9). Nichtsdestotrotz ist der Khartumische Text nicht die direkte Übersetzung dieses griechischen Textes, denn es gibt Teile, die einander nicht entsprechen. Die beiden altnubischen Varianten enthalten 22 gemeinsame Aussprüche, und alle drei Varianten enthalten eigene Aussprüche, die in den anderen beiden nicht zu finden sind. Die Ursache für die viel stärkere Abhängigkeit des Sermo-Textes im Kodex von Khartum vom Griechischen sehe ich in der schriftlichen Übersetzung einer schriftlichen Quelle, während der Berliner „Stauros-Text“ wahrscheinlich die Notierung der in der Liturgie bewahrten mündlichen Tradition ist, wo logische Sinneinheiten nebeneinander stehen, jedoch nicht immer in der dem griechischen Original entsprechenden Reihenfolge. Die nubische Tradition mag von den beiden gemeinsamen altnubischen Aussprüchen bewahrt werden, die im griechischen Text kein Vorbild haben. Die Beliebtheit des Chrysostomos- (bzw. des ihm zugeschriebenen) Textes ist verständlich, der Bischof von Konstantinopel erfreute sich in Nubien einer außerordentlichen Verehrung. Dies vermitteln uns auch die uns erhaltenen Wandgemälde in der Kathedrale von Faras und in Abdallah Nirqi.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
el-Wizz-Kodex („Wort des Erlösers über das Kreuz“) überein, während die Parallele seiner zweiten Schrift (Pseudo-Chrysostomos Kreuz-Litanei) in dem in Khartum aufbewahrten Ost-Serra-Kodex zu finden ist. KeWK
Berlin MS Or 1020
Chrysostomos Nubianus Khartum
Wort des Erlösers über das Kreuz — —
Wort des Erlösers über das Kreuz — Kreuz-Litanei (Ps.-Chrysostomos) —
— Homilie Kreuz-Litanei
—
Homilie über den Baum
Tanz des Erlösers um das Kreuz —
—
„Wort des Erlösers über das Kreuz“ war im IX-X. Jahrhundert (und auch etwas später) in Nubien in einer monastischen Gemeinschaft neben dem Bischofssitz und auch in einem etwas entfernteren nicht-monastischen Umfeld112 in der koptischen und altnubischen Liturgie gleichermaßen bekannt, populär und gebräuchlich. Jedoch spürte man in den beiden uns bekannten Formen die Notwendigkeit, dass „Wort des Erlösers über das Kreuz“ nicht für sich stehen zu lassen, sondern ein, mit dem Kreuz zusammenhängendes, stark in der Liturgie verwurzeltes Werk anzuschließen. Gleichzeitig hielt man es nicht für notwendig, dass dieses Werk in beiden Fällen dasselbe sein muss. Der Kodex Berlin MS Or 1020 nahm nicht die Schrift „Tanz des Erlösers um das Kreuz“ auf, sondern die von Ps.-Chrysostomos gebrauchte Kreuz-Litanei113, deren griechisches Original nicht vor dem 6. Jahrhundert entstanden sein kann und dessen altnubische Übersetzung aus noch späterer Zeit stammt.114 Die Zusammenstellung ist offensichtlich das Ergebnis 112
113
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In Bezug auf Serra „there is no structural evidence to indicate that they were monastic communities“. – D. Welsby, The Medieval Kingdoms of Nubia. Pagans, Christians and Muslims along the Middle Nile, London 2002, 157. „Ein nahe verwandter Hymnus steht in einer Predigt, die unter dem Namen des Ephraem von Syrien geht. Assemani, Ephr. Syr. opera omn., II. Band der griechischlateinischen Abteilung, S. 247 usw.“ – angeführt bei C. Schmidt/H. Schäfer, Die altnubischen christlichen Handschriften, 612. Der altnubische Ps-Chrysostomus-Text ist eine Übersetzung aus dem Griechischen, vgl. G. M. Browne, Chrysostomus Nubianus, 23. Der griechische Text kann nicht vor dem Tod des Johannes Chrysostomus (407) entstanden sein, da jedoch (die nubische Variante) den Verfasser auch „Goldmund“ nennt und dieses Epitheton ab dem VI. Jahrhundert üblich ist, nehmen wir an, dass dies der terminus post quem ist. Es ist schwer zu schätzen, wann die altnubische Übersetzung angefertigt wurde. Dass der altnubische Text auch die Jesus-Kirche von Ost-Serra erwähnt, bedeutet nicht unbedingt, dass der Bau dieser Kirche der terminus post quem der Übersetzung ist. Wenn die Kirche relativ spät gebaut wurde (XI-XII. Jahrhundert?), dann konnte der griechische Text auch schon Jahrzehnte, oder ein bis zwei Jahrhunderte früher
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einer Redaktion, die Texte gehörten ursprünglich nicht zusammen. Diese beliebte Kreuz-Litanei wurde jedoch von der Schrift „Wort des Erlösers über das Kreuz“ auch unabhängig gebraucht, wie dies gerade auch der im Jahre 1964 in Ost-Serra gefundene Kodex zeigt. (Zu den beiden mit dem Fund von Serra verbundenden Texten kommt noch ein dritter, der zwar textlich nicht mit diesen übereinstimmt, aber der von Pseudo-Kyrillos von Jerusalem verfasste „Logos über das Kreuz“ steht hinsichtlich des Themas, der Frömmigkeit und in nicht wenigen sachlichen Hinweisen den von uns untersuchten Werken sehr nahe. Der Kodex BM Ms Or 6799 wurde im Jahre 1053 oder 1070 von einem Schreiber mit heute nicht mehr lesbarem Namen geschrieben und aFkaaF Hn% tk%klhsia: m%ps%X!os m%pTe serraH Ha pouJai n%tF%yuxh: „...in der Kreuz-Kirche der Ortschaft Serrah für sein Seelenheil untergebracht“.115 (Die Nähe von Thema, Ort und Zeit verdienen Beachtung.) Die beiden verschiedensprachigen Varianten des „Wort des Erlösers über das Kreuz“ sind zwar keine wortwörtlichen Entsprechungen, stehen jedoch einander sehr nahe, es muss offen bleiben, ob es sich um einen beinahe kanonisierten Text oder einfach nur um eine gute Übersetzung handelt. Im Verhältnis zu dieser engen Parallelität ist die unterschiedliche Fortsetzung der beiden Kodizes überraschend und verlangt nach einer Erklärung. Es wäre wohl einfach gewesen, dem Kodex Berlin MS Or 1020 die altnubische Übersetzung des „Tanz des Erlösers um das Kreuz“ hinzuzufügen (angenommen, dass die koptische Version des WdE die frühere war) – wenn die Abänderung nicht durch eine andere liturgische Notwendigkeit motiviert gewesen wäre. In liturgiegeschichtlicher Hinsicht verfügen wir wohl über zu wenig Quellenmaterial, um Schlussfolgerungen ziehen zu können, es scheint jedoch aufgrund des uns zur Verfügung stehenden Materials so zu sein, dass die Kreuz-Litanei auch ohne die Schrift „Wort des Erlösers über das Kreuz“ stehen konnte (jedoch nicht selbständig, wie wir das aufgrund des Khartumischen Kodex sehen können),116 aber der Text „Wort des
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übersetzt worden sein und die Erwähnung der Jesus-Kirche wäre nur in Bezug auf den konkreten Kodex ein die Datierung unterstützender Tatbestand. Diese Vermutung hinsichtlich der Datierung kann umso mehr als bestätigt angesehen werden, da die beiden Widmungen der Kreuz-Litanei von Ost-Serra nicht übereinstimmen, diese Widmung gehörte also nicht zu dem treu zu tradierenden liturgischen Text, sondern war ein selbständiger, veränderlicher Abschluss. Man kann also die Nennung der Kirche nicht in Hinblick auf das konkrete Werk, sondern nur auf das Kolophon und die Kopie des konkreten Kodex als datierend betrachten. W. Budge, Miscellaneous Coptic Texts, 229. Diese Jahreszahlen können den Datierungsvorschlag von J. Knudstad für diese sehr kurzlebige Siedlung präzisieren („very close to the 12th century“ – a.a.O., 171). Eventuell als Teil einer Karfreitags-Prozession. „At the conclusion of the twelfth hour of Good Friday, the congregation repeats ‚Kyrie eleison‘ a hundred times towards the east, west, north and south, and ends with twelve times towards the east. Then the
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
Erlösers über das Kreuz“ verlangte als Fortsetzung einen das Kreuz verherrlichenden, hymnisch pulsierenden, liturgischen Text. Der Kasr el-Wizz Kodex hat für uns eine andere mögliche, ebenfalls offensichtlich redigierte Zusammenstellung mit der Zweiten Schrift aufbewahrt. Wann und wo wurde die Schrift WdE ursprünglich in der Liturgie gebraucht? Wir müssen die Frage in dieser Form stellen, denn der ursprüngliche Sitz im Leben stimmt nicht unbedingt mit dem späteren überein (worauf noch zurückzukommen ist). Die Schrift ist für sich stehend unbekannt, sie kommt in zwei Kodizes nur in Verbindung mit jeweils einer anderen Schriften vor. Die Erzählung weist auf den Zeitpunkt eines konkreten Festes hin: vier Tage vor Himmelfahrt, d.h. der 5. Sonntag nach Ostern (Rogate), oder der darauffolgende Montag (in Abhängigkeit von der Zählung des Stichtages). Die Liturgie gestattet jedoch auch einen, von der Erzählung abweichenden Sitz im Leben, es kann sich auch um ein Kreuz-Fest handeln. Dies alles ist jedoch nur der religions- und kulturgeschichtliche Kontext der Ersten Schrift des Kasr el-Wizz Kodex (WdE); auf die Zeit ihrer Entstehung und auf ihre ursprüngliche Sprache können wir daraus nicht automatisch schließen.
Tanz des Erlösers um das Kreuz Den Titel der Zweiten Schrift, wenn es ihn auch gegeben haben mag, kennen wir nicht, er wird von unserem Kodex nicht angeführt (es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Titel irgendwo in der altchristlichen Literatur erwähnt wird, da wir aber den dazugehörigen Text nicht kannten, konnten wir ihn nicht identifizieren).117 Um die Bezugnahme zu erleichtern, gebe ich der Zweiten Schrift einen, dem originalen Titel der Ersten Schrift („Wort des Erlösers über das Kreuz“) ähnlichen, modernen Titel: „Tanz des Erlösers um das Kreuz“ (TdE), solange, bis der antike Titel des Werkes auftaucht. Die Schrift beginnt mit einer kurzen Erzählung, in der der Sprecher in der wir-Form spricht. Es entwickelt sich ein Dialog, der zwischen dem Soter und dem wir (etwa) fünfmal wechselt. Es handelt sich dennoch nicht allein um die Fixierung dieses Dialogs, denn es finden sich darin auch auf eine nachträgliche schriftliche Redaktion hinweisende Zwischenüberschriften (zweiter Hymnus dem Kreuz, vierter Tanz des Kreuzes), die freilich an gegebener Stelle
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deacons and clergy go in a procession around the altar three times and three times around the church, followed one more time around the altar. Finally, the crucifix icon is wrapped in white linen, and placed on the altar, covered with the cross, rose petals, and spices.“ (Basilios (Archbishop), Holy Week, in: Coptic Encyclopedia vol. 4. 1251-1252). Vor der Ps.-Chrysostomus Kreuz-Litanei steht: ™gkèmia perˆ toà stauroà, Migne, PG 50, 819.
Tanz des Erlösers um das Kreuz
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nicht wirklich zu hören waren, da sie die Spuren der bereits schriftlichen Redaktion sind. Aber auch die Situation innerhalb des Dialogs ist nicht klar. Einmal spricht Jesus zum Kreuz, ein anderes Mal spricht er zum Vater im Gebet und es kann sein, dass er dabei auch zu den Jüngern spricht, denn von Zeit zu Zeit spricht er über „sie“ in der 3. Person Plural.118 Das 32-mal wiederkehrende amen verweist gleichzeitig auf den liturgischen Charakter und auf die literarische Redaktion, während die Fragen und Antworten auf den Seiten 31 und 32 den Eindruck einer Katechese erwecken. Am Ende finden wir uns in der Erzählung einer geschichtlichen Situation wieder („als wir dies hörten“). Das „als wir dies hörten“ widerspricht nicht einer Liturgie, auch nicht einer katechetisierenden Liturgie, denn beispielsweise ist ™gë g¦r paršlabon ¢pÕ toà kur…ou, Ö kaˆ paršdwka Øm‹n Óti Ð kÚrioj 'Ihsoàj ™n tÍ nuktˆ Î pared…doto... (1 Kor 11,23) eine auch schon früh in die Liturgie organisch eingebaute geschichtliche Erzählung. Der TdE wurde unseres Wissens nach bisher weder in griechischer, noch in lateinischer, noch in koptischer, noch in irgendeiner orientalischen Sprache in einer anderen Handschrift gefunden und war also bis zur Entdeckung dieses nubischen Fundes völlig unbekannt. Dieser Text beginnt mit einer zweisätzigen epischen Rahmengeschichte, aus der wir erfahren, dass der Erlöser auf dem Ölberg sitzt und mit ihm der zahlenmäßig nicht definierte Kreis der Jünger. Der mit diskretem theologischem Antijudaismus bestimmte Zeitpunkt ist „...bevor ihn die gesetzesübertretenden Juden kreuzigten“. In dem Dialog zwischen dem Soter und dem „Wir“ der Jünger erhalten letztere keine große Rolle, da der Dialog nicht aus Frage und Antwort besteht. Es spricht fast ausschließlich der Erlöser, seine Worte werden von den Jüngern jeweils mit einem amen quittiert. Der Meister unterweist die Jünger nicht, er spricht nicht über das – aus der Sicht der Synoptiker – zentrale Kerygma Jesu, die basile…a tîn oÙranîn,119 er weiht sie nicht in seine Geheimnisse ein, lehrt sie nicht das gottgefällige Leben und spricht eigentlich gar nicht zu ihnen, sie sind nur anwesend, beinahe Statisten. Aus den narrativen Teilen des Textes ist die Situation ersichtlich: Jesus steht dem Kreuz gegenüber, spricht darüber, spricht zu ihm, ringt mit ihm, preist es, streitet mit ihm und sehnt sich nach ihm. Hinter dieser dialogischen Form stehen eigentlich die Monologe Jesu, scheinbar spricht er zwar die Jünger an, in Wirklichkeit aber spricht er zum Kreuz, wie dies auch aus den mehrmals wiederkehrenden Ausrufen „...oh, Kreuz“120 und „...oh, heiliges Kreuz“121 ersichtlich ist. 118
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Sie beraten seJi SoJne eroI... 25,10, sie sollen bekennen senaaSt eJwk... 26,67. Das „Königtum“ t!m!ntero erscheint im Text (31,3.12; 32,3), jedoch mit anderem theologischen Inhalt. Diese Untersuchung steht noch als Aufgabe vor uns. 25,12; 26,3.6.10.12; 28,11; 29,3; 30,3. 26,1; oh, lichterfülltes Kreuz, 28,5; oh, lichtspendendes Kreuz, 29,8.
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Diese, wenngleich wesentlich kürzeren Reden erinnern an die redigierten Reden des Johannes-Evangeliums. Die Situation dagegen ähnelt am ehesten der Situation vor der Gefangennahme Jesu nach dem Zeugnis des Evangelisten Lukas: „Und er ging hinaus nach seiner Gewohnheit an den Ölberg. Es folgten ihm aber seine Jünger“122 und als er dort mit den ausgewählten Jüngern im Garten Gethsemane war, „fing [er] an zu zittern und zu zagen“123, „zu trauern und zu zagen“ und zu beten. Dies spielt sich, ebenso wie das Geschehen in unserer Schrift, am Gründonnerstag ab. Lukas weiß von dem allein betenden Jesus und den schlafenden Jüngern, unsere Schrift weiß von einem Tanz. In unserer Schrift betet der dem Tod gegenüberstehende Jesus nicht darum, dass diese Stunde an ihm vorübergehe,124 er schwitzt keine Blutstropfen,125 sondern er fordert das Kreuz triumphierend heraus. In der Erzählungen des Markus und des Matthäus wendet sich Jesus dreimal an Petrus, Jakobus und Johannes, der koptische Text gliedert Jesu Worte nicht in drei, sondern in vier Teile. Die Worte Jesu sind hier aber kein Gebet, sondern dem griechischen Lehnwort unseres Textes zufolge ein Humnos.126 Das Neue Testament erwähnt nur an einer Stelle, dass Jesus und seine Jünger gesungen haben, gerade im Zusammenhang mit dem soeben erwähnten Geschehen: kaˆ Ømn»santej ™xÁlqon e„j tÕ ”Oroj tîn 'Elaiîn.127 In unserem Text steht nach der ersten Strophe an das Kreuz gleichsam einer Überschrift: „Zweiter Hymnus des Kreuzes“, was jedoch nicht nur als Genitiv, sondern auch als Dativ übersetzt werden kann: „Zweiter Hymnus dem Kreuz“. Die in unserer Schrift zu Wort kommende theologia crucis würde im Sinne der kanonischen Evangelien von der Form her zur Passion gehören, hier jedoch ist keine Rede von Leiden, im Gegenteil, nur von Herrlichkeit und Verherrlichung. Es macht den Eindruck, als ob das Kreuz Jesus kein Leid verursachen würde, sondern als ob es ihn gerade, die ewige göttliche oikonomia bremsend, auf- und zurückhielte. Jesus selbst ermahnt das Kreuz: „Halte mich nicht auf!“128. Das Kreuz hält ihn für arm, während der Soter betont, dass er reich ist.129 Das Kreuz beweint den Erlöser mitleidig, der zu Kreuzigende ermutigt hingegen das Kreuz, sich lieber zu freuen.130 Dieser „¢paq»j“ Christus sagt an einer schwer interpretierbaren Stelle zum Kreuz: „Offenbare dich nicht meinem Leibe!“.131 Dies verstehe ich, 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131
Lk 22,39 ff; Mk 14,32 ff; Mt 26,36 ff. Mk 14,32 ff; Mt 26,36 ff; Lk 22,39 ff. Mk 14,35. Lk 22,44. 27,2.5. Mk 14,26; Mt 26,30. 25,11. an[g] ourm%mao 26,3; Tnaplhrou m%mok Hn% raSe n%toF n%Houo 26,12. m%pr%Gwlp% ebol m%paswma 29,4.
tam!ntr!mmao
29,12.
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mangels einer besseren Erklärung, als Zurückweisung des körperlichen Leidens und deshalb als Zeichen einer Form des Doketismus in unserem Text. Die Stelle erinnert an den valentinianischen Tractatus Tripartitus, in dem geschrieben steht, dass der Erlöser leiden muss und gleichzeitig davon spricht, dass der Logos gar nicht leiden kann.132 Oder es spiegelt sich hier vielleicht der Standpunkt eines Anhängers des Apollinaris von Laodikeia wider oder wir haben es hier noch eher mit dem literarischen Niederschlag der aphthartodoketischen Prinzipien des Julianus von Halikarnossos133 als Formulierung einer markanten monophysitischen Auffassung zu tun. (Die Frage der Existenz und Art des Miaphysitismus in Ägypten und insbesondere in Nubien stellt ein besonderes Problem dar.134 Wenn unsere Schrift wirklich aphthartodoketisch wäre, dann wäre der terminus post quem ihrer Entstehung das 6. Jahrhundert.) Die Schrift ist dafür zu kurz, dass sich darin ihre Theologie in ihrer Komplexität für uns abzeichnen könnte, wir bekommen eher nur einzelne Anhaltspunkte. Es hat den Anschein, dass wir es nicht mit der klassischen Form der Gnosis zu tun haben, denn es sieht so aus, als ob die Jünger nicht das in ihnen verborgene Wesen erkennen sollten, sondern „mich“ (das heißt den verherrlichten Christus) „vor dir“ (das heißt vor dem Kreuz) bekennen sollen.135 (Nebenbei gesagt ist dies der Punkt, wo es den Anschein hat, dass sich hier die theologischen Konzeptionen der beiden, miteinander in außerordentlich lockerer Beziehung stehenden Schriften unseres Kodex berühren, wenngleich man dies im Falle zweier christlicher Schriften nicht überbetonen darf, denn in irgendeiner Form berühren sich alle christlichen Schriften miteinander. Jedenfalls erfahren, dem WdE zufolge, „alle, die glaubten an das Kreuz von ganzem Herzen“136 beim eschatologischen Gericht eine positive Beurteilung.) Vielleicht noch 132 133
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NHC I. 113,38. Der sèma des Christus ¢paqšj kaˆ ¥fqarton. Julianus von Halikarnassos starb um 527. Die Frage, ob Nobatia und Makuria beide miaphysitisch, beide orthodox waren oder jedes seinen eigenen Glauben hatte, ob sich dies während der Zeitperiode verändert hat und wenn ja, dann in welcher Weise, ist bis zum heutigen Tag nicht beantwortet und auch das in unserer Einleitung Geschriebene ist als hypothetisch zu betrachten. L. P. Kirwan, Prelude to Nubian Christianity, in: M.-L. Bernhard (Hrsg.), Mélanges offert à Kazimierz Michalowski, Warszawa 1966, 121-128; M. Krause, Zur Kirchenund Theologiegeschichte Nubiens, in: E. Dinkler (Hrsg.), Kunst und Geschichte Nubiens in christlicher Zeit, Recklinghausen 1970, 71-86; St. Jakobielski, A History, Warszawa 1972; Coptic Encyclopedia s.v. Nubia, Evangelisation of (W. Y. Adams) und Monophysitism (W. H. Frend); M. Moussa, The Anti-Chalcedonian Movement in Byzantine Egypt: an Evaluation of Past Scholarship and Current Interpretations, in: S. Emmel et al. (Hrsg.), Ägypten und Nubien in spätantiker und christlicher Zeit, Bd. I, Wiesbaden 1999, 503-510; S. G. Richter, Studien. 26,6. 16,10-17,3. n%natm%kaH
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zur vierten Strophe und nicht zu einer anderen Sinneinheit gehört der Satz, in dem Jesus zum Vater fleht, dass er durch seine Gnade über das Kreuz singen können möge, das heißt, dass er das verherrlichen können möge, wodurch er selbst verherrlicht werden wird.137 Ebenso aus Jesu Mund zu hören ist, dass das „lichterfüllte“ Kreuz138 das Licht wieder bringen wird. Mir ist jedoch nicht ganz klar, ob Jesus oder vielleicht die Jünger sagen, dass durch das Kreuz der nicht genauer definierte Feind vernichtet wird. Nach dem zweiten Hymnus ist nicht die Rede von einem dritten und vierten Hymnus, aber überraschenderweise sagt der Erlöser zum Ende des zweiten Hymnus zu seinen Jüngern: „Versammelt euch um mich, o meine heiligen Glieder, auf dass ich zum dritten Male um das Kreuz herumtanze“, später spricht er über den „Vierten Tanz des Kreuzes“. Es hat also den Anschein, dass Hymnus und Tanz als Synonyme gebraucht werden, Jesus verherrlicht nicht nur das Kreuz, sondern umtanzt es auch. Der Tanz war in der religiösen Tradition Israels üblich (hflox:m, der militärische Reigen der Sulamith,139 der Tanz der Mirjam, der Reigen der Freundinnen der Tochter Jephthas, Reigen der Töchter Silos und Reigen derer, die „mit Pauken und Geigen“ David feiern, der Tanz Davids vor der Lade und nach allgemeiner Auffassung war der Tanz auch ein Teil der Wallfahrten), aber auch im illegitimen Kultus (Tanz um das goldene Kalb, Tanz der Baalspriester auf dem Karmel).140 „Schon in den Worten Hag, »Fest«, und pesäh, »Passah«, steckt wahrscheinlich eine Erinnerung an kultisches Tanzen; ersteres bedeutet nämlich eigentlich Umgang oder Reigen, letzteres ein Hüpfen oder Hinken, das wohl am ehesten als ein mimischer Tanzritus zu verstehen ist.“141 Und wenn auch die Alte Kirche mit den Psalmen der Septuaginta sang: „Sie sollen loben seinen Namen im Reigen (™n corù); mit Pauken und Harfen sollen sie ihm spielen“ (Ps 149,3),142 ist doch der Tanz Jesu in der kanonischen Tradition unbekannt. Das zeitgenössische wie auch das spätere Judentum war in der Lage, den Tanz in den Gottesdienst zu integrieren. Vor 70 n. Chr. tanzten die Männer in der ersten Nacht des Laubhüttenfestes im Vorhof des Tempels einen Fa-
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30,10-31,1. 28,5-7. Vgl. M. Pulver, Die Lichterfahrung im Johannes-Evangelium, im Corpus Hermeticum, in der Gnosis und in der Ostkirche, in: Eranos Jahrbuch 10 (1944), 253-296. Hld 7,1 æj coroˆ tîn parembolîn. Ex 15,20; Ri 11,34; 21,21; 1 Sam 18,6; 21,12; 29,5; 30,16; 2 Sam 6,14.16.21; 1 Chr 13,8; Ex 32,19; 1 Kön 18,26. H. Ringgren, Israelitische Religion, Stuttgart 1963, 167. Der Reigen (lOxfm) wird auch in Ps 30,12; 150,4; Jer 31,4; 31,13; Klgl 5,15 erwähnt.
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ckeltanz.143 Nach der Aussage Philos tanzten die Männer und Frauen der Therapeuten allmonatlich in einer Nacht einen kultischen Tanz, wo sie, nach Geschlechtern getrennt, beim Singen von Hymnen Reigen tanzten.144 Selbst die Jungfrau Maria tanzte, sogar beim Altar des Tempels von Jerusalem, wie im Protoevangelium Jacobi berichtet wird: „Und er setzte es auf die dritte Stufe des Altars, und Gott, der Herr, legte Anmut auf das Kind und es tanzte vor Freude mit seiner Füßchen, und das ganze Haus Israel gewann es lieb.“145 Und der jüdische Hohepriester erinnert sie: „Maria ... die du erzogen wurdest im Allerheiligsten und Speise empfingst aus der Hand von Engeln und ihre Lobgesänge hörtest und vor ihnen tanztest? Warum hast du das getan?“146 Auch die Alte Kirche wies nicht sofort den Tanz zurück, denn bis zum dritten Jahrhundert erhob niemand Einspruch dagegen, da die Schrift ihn an keiner Stelle verbietet; später jedoch hielt man den Tanz für unsittlich.147 Die Kirchenordnung des Hippolytos und die Apostolischen Konstitutionen verboten bereits, dass professionelle Tänzer Glieder der Gemeinde sind. Nach Ambrosius, Ephraem der Syrer und Johannes Chrysostomus gab es nicht nur in der liturgischen Praxis keinen Platz mehr für den Tanz, sondern man wollte ihn aus dem Leben der christlichen Gläubigen verdrängen.148 Dies ist aufgrund der heidnischen Konnotationen, der mythologischen Themen und der Sinnlichkeit des Tanzes (dessen Eros und dessen Aspekt der Gottesannäherung nur die Mystiker aller Zeiten akzeptierten149 und dessen befreiende Kraft die heutigen afrikanischen Kirchen auch kennen) auch hinreichend verständlich. Der postkonstantinische Staat eilte jedoch der Kirche beim Verbot des Tanzes nicht zu Hilfe, nicht nur 143 144 145
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Mischna, Sukka 4a; zitiert Andresen 351. De vita contemplativa 11,83; zitiert von Andresen 351. ProtoevJac 7,3 Übers. O. Cullmann, in: W. Schneemelcher, NTApo6 Bd. I. 341-342. Kaˆ ™k£qisen aÙt¾n ™pˆ tr…tou baqmoà toà qusiasthr…ou, kaˆ œballe KÚrioj Ð QeÕj c£rin ™p' aÙt»n, kaˆ katecÒreue to‹j posˆn aÙtÁj, kaˆ ºg£phsen aÙt¾n p©j [Ð] o‹koj 'Isra»l. É. de Strycker, La forme la plus ancienne du Protoévangile de Jacques, SHG 33, Bruxelles 1961, 100. ProtoevJak 15,3 Übers. O. Cullmann, a.a.O., 344. Mar…a, ... 'Epel£qou Kur…ou toà Qeoà sou, ¹ ¢natrafe‹sa e„j t¦ ¤gia tîn ¡g…wn kaˆ laboàsa trof¾n ™k ceirÕj ¢ggšlwn; SÝ ¹ ¢koÚsasa tîn Ûmnwn aÙtîn kaˆ coreÚsasa ™nèpion aÙtîn, t… toàto ™po…hsaj; É. de Strycker, a.a.O., 134. T… g¦r tÁj Ñrc»sewj ¢timÒteron; Johannes Chrysostomos, Cat. bapt. 2/2,9 – typischerweise im Zusammenhang mit dem Tanz der Herodias. C. Andresen, Altchristliche Kritik am Tanz – ein Ausschnitt aus dem Kampf der Alten Kirche gegen heidnische Sitte, in: H. Frohnes (Hrsg.), Die Alte Kirche, Bd. I, München 1974, S. 344-376; H. F. Stander, Dance, in: E. Ferguson (ed), Encyclopedia of Early Christianity, New York-London 1998 (2. Aufl.), 317, mit Bibliographie. Ein schönes Beispiel dafür ist: „Wer die Macht des Tanzes kennt, wohnt in Gott, denn er weiß, wie die Liebe tötet“, Dschellaleddin Rumi (zitiert in: G. van der Leeuw, Phänomenologie der Religion, Tübingen 1970, § 53.2). Seine Nachfolger, die Sufis, praktizieren den berauschenden religiösenTanz auch heute.
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weil Pantomime und Ballett in der Volkskultur außerordentlich verbreitet waren, sondern auch, weil die Herrscher auf dessen politische Rolle bei der Zufriedenstellung der Massen nicht verzichten konnten. Freilich bedeutet der Protest der Kirchenväter nicht, dass der Tanz nicht vorhanden gewesen wäre, im Gegenteil, sie mussten deshalb protestieren, weil sie damit konfrontiert wurden. Wir wissen, dass zum Beispiel in Ägypten die sich nach dem Bischof Meletius von Lykopolis benennende christliche Gemeinschaft, die Meletianer, sich im Kultus zum Ertönen von Holzglocken bewegten und dabei klatschten.150 Was Jesus betrifft, gibt es nur in den Acta Johannis die Erwähnung, dass er vor seinem Verrat seine Jünger versammelte, sie um sich im Kreis aufstellen ließ und dazu aufrief, mit „amen“ zu antworten, als er während des Reigentanzes seine mystischen Gesänge zu singen begann.151 Es ist schwer vorstellbar, dass zwischen der von den Acta Johannis erzählten Situation und dem Geschehen, das vom Text des nubischen Kodex erzählt wird, kein Zusammenhang bestehen sollte,152 denn der Tanz Christi ist in der altchristlichen Tradition selten. Genauer gesagt ist er meines Wissens nur aus diesen beiden Schriften bekannt, aus diesem Grund sind diese vermutlich nicht voneinander unabhängig. Aber wenn es auch bezüglich dieses Gegenstandes eine Verbindung gibt, scheinen doch die sehr kurzen Hymnen hinsichtlich ihres Textes in keiner Beziehung zueinander zu stehen. Den Tanz des Christus-Hymnus der ActJoh kann man als einen tatsächlich existierenden Reigentanz, einen Männerreigen, auch dann nicht bestreiten, wenn er – wie die Forschung überzeugt ist – nur sekundär an diese Stelle der ActJoh eingeschoben wurde. Dies kann sogar auch ein Hinweis darauf
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F. J. Dölger, Klingeln, Tanz und Händeklatschen im Gottesdienst der christlichen Meletianer in Ägypten, in: AuC Bd. IV, Münster 1934, 245-265. ActJoh 94-97 – Neueste Ausgabe: E. Junod/J.-D. Kaestli, Acta Ioannis, BrepolsTurnhout 1983, (CChr.SA 1), die frühere Ausgabe: R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta apostolorum apocrypha 2,1, Leipzig 1898; vgl. M. Pulver, Jesu Reigen und Kreuzigung nach den Johannesakten, in: Eranos Jahrbuch 9 (1942), 141-177; W. C. van Unnik, A Note on the Dance of Jesus in the „Acts of John“, in: VigChr 18 (1964) 1-5; A. J. Dewey, The Hymn in the Acts of John: Dance as Hermeneutic, in: Semeia 38, The Apocryphal Acts of Apostles, Society of Biblical Literature, 1986, 67-80; H. J. Auf der Maur, Die Gnade tanzt, in: G. Zobel (Hrsg.), Das Gold in Wachs, München 1988, 109-145. Der Charakter dieser Beziehung ist heute noch völlig ungeklärt. Es wäre verfrüht, von einer unmittelbaren Abhängigkeit zu sprechen und wir wissen auch nicht, wie viele Schriften ähnlichen Inhalts in der Alten Kirche in Umlauf waren, die es heute nicht mehr gibt. Wir wissen nicht, wie sich die syrische Abhängigkeit der nach dem Hymnus folgenden Kapitel (NTApo6 Bd. II, 146) zu der Tatsache verhält, dass Fragmente des Hymnus auch im Westen, bei Augustinus erhalten geblieben sind (NTApo6 Bd. II, 166, Anm. 27.). Die Antwort des Augustinus (Brief 237, CSEL 57,526-532) an Bischof Ceretius in Bezug auf das Apokryph der spanischen Priscillianer zeigt, dass Augustinus eine schon existierende lateinische Version des Hymnus gekannt hat.
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sein, dass der eingefügte Tanzhymnus das Überbleibsel einer Tradition ist, die älter als der ihn umgebende Text der ActJoh ist. Und dieser Tanz hatte eine Funktion – auch dann, wenn wir diese heute nicht mehr vollständig deuten können.153 Dieser Tanz ist die geheime Offenbarung eines unaussprechlichen Mysteriums: „dën Ö pr£ssw t¦ must»ria mou s…ga Ð coreÚwn nÒei Ö pr£ssw.154 Das must»rion (lateinisch: sacramentum) erscheint hier nicht im mittelalterlichen und neuzeitlichen theologischen Sinne, sondern drückt – in der Bewegung und im Rezitieren und Singen des Hymnus – die Manifestation des Numinosen in Handlungen, Geschehnissen und Worten, die Anwesenheit des Heiligen aus. Der Tanz ist keine ästhetische Tätigkeit, die ähnlich anderen Beschäftigungen existiert. Der Tanz ist Gottesdienst, der die Macht 153
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Die Hypothese Dewey’s (The Hymn), dass der Tanz im Hymnus der ActJoh als sekundäres Element nur ein hermeneutisches Mittel zum besseren Verständnis wäre, kann man nur mit starken Einschränkungen zustimmen. Natürlich drückt der Tanz etwas Nichtverbalisierbares aus, aber seine von den antiken Autoren genommenen Beispiele helfen kaum beim Verständnis. Lukianos’ Gespräch über den Tanz (Perˆ Ñrc»sewj) kann nicht als Parallele neben den Tanz des Christus-Hymnus gestellt werden. Es handelt sich um einen instrumentalbegleiteten Vortrag der Tänzer und Tänzerinnen, der griechische mythologische Themen des antiken Theaters darstellt. Wenn wir auch die von ihm herausgehobenen (caput 22.) drei Tanzarten, den wollüstigen Kordax, den Satyrtanz Sikinnis und die tragische Emmeleia in ihren konkreten Schritten und Bewegungen aufgrund der Vasenbilder nicht rekonstruieren können, können sie doch gattungsmäßig kaum in Zusammenhang mit dem zu deutenden Tanz der ActJoh gebracht werden. Dewey erwähnt nicht, dass die professionellen Tänzer weder bei den Griechen noch bei den Römern gesellschaftliche Achtung genossen, sondern sie wurden von den Leuten mit verfeinertem Geschmack verworfen, weshalb sie zum Beispiel von Lukianos verteidigt werden mussten. ActJoh 96,2-3. Für den Teilnehmer am Tanz offenbart sich das Mysterium, wer der Leidende ist und wer nicht. (Der Soter leugnet hier so vehement das Leiden, wie er im TdE die Tatsache leugnet, dass er arm ist.) Caput 96 ist paradoxerweise wirklich hermeneia, und dies wird in Rückblick auf caput 97ff. richtig deutlich, denn die Selbstaussagen von cc. 94-95 befassen sich nicht viel mit dem Tanz. Das 96. caput jedoch spricht den Leser (bzw. Johannes und durch ihn die Gemeinde) in der 2. Person Singular an und interpretiert (für Johannes) das – im Tanz – „Gesehene“. So wie auch cc. 97-102 ironisch über die unten Stehenden sprechen, die sehen und doch nicht sehen, so muss man auch im 96. caput die Aussagen ironisch verstehen. Es scheint, dass das Leiden in Anführungszeichen gesetzt wäre; die Außenstehenden sehen es als Leiden, aber der in das Mysterium Eingeweihte weiß, dass der Erlöser nicht leiden kann. In diesem Falle stimmt die Aussage im 96. caput mit den darauf folgenden überein. Es lässt sich jedoch fragen, was wir von dem außerordentlich widersprüchlich scheinenden 96. caput verstehen würden, wenn 97-102 uns nicht überliefert wäre.
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herbeiholt. Der Bewegungsrhythmus besitzt zwingende Kraft.155 Es gibt keinen uralten Initiationsritus ohne Tanz. Und wenn die Mysterien enthüllt werden, sagt man im allgemeinen „sie werden vertanzt“.156 Wahrscheinlich dachte die Alte Kirche, oder ihr Bereich, der seine Tradition uns überliefern konnte, anders über den Tanz, denn dieser wurde später nicht zum konstitutiven Teil des europäischen und byzantinischen Christentums,157 im Gegenteil, man kann sagen, dass er, abgesehen von bestimmten Zeiten und Orten, immer in den Untergrund gezwungen wurde. Dies schließt freilich nicht aus, dass bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel bei den Juden die Chassidim158 oder heterodoxe christliche Gruppen wie die amerikanischen Shaker159 nicht eine andere Kommunikation ihrer religiösen – nicht selten ekstatischen – Erlebnisse versucht hätten, aber gerade deshalb, weil die Großkirche ihnen entgegenstand, wollte sie nicht deren Frömmigkeitspraxis in die ihrige integrieren.160 Genauso wurde in der Hausgemeinde von Herford, geführt von der merkwürdigen Figur des Exjesuiten Jean de Labadie (16101674), ein Vertreter des calvinistischen Pietismus, der Tanz als Merkmal der erreichten vollkommenen Liebeskommunion angesehen.161 Einerseits wissen wir heute, dass die Körpersprache tiefer und ehrlicher von den uns ergreifenden Emotionen spricht als deren Verbalisierung. Andererseits spielt der Tanz, der liturgische Tanz innerhalb des Kultus in den Kirchen, die in den von der europäischen und byzantinischen Tradition weniger beeinflussten Gebieten liegen, vor allem in Afrika, eine bestimmende Rolle. Der 155 156
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G. van der Leeuw, Phänomenologie, § 53.2. Lukianos, Peri orcheseos c. 15. 'EktÒj toÚtou oÙdem…a telet» ¢rca…a g…netai cwr…j Ôrchsin. ... Ðti perˆ tîn ¢pokaluptÒntwn ta must»ria lšgetai koinèj Ðti ™xorcoÚntai. „This negative attitude is all the more surprising because there is nothing in the New Testament to compel rejection of dancing and there are numerous examples in the Old Testament to encourage it. Some explanation is imperative and it is to be sought in the culture of the patristic period.“ J. G. Davies, Liturgical Dance. An Historical, Theological and Practical Handbook, London 1984, 21-22. J. Maier, Geschichte der jüdischen Religion, Berlin–New York 1972, 511, 520; M. Buber, Die Erzählungen der Chassidim, Zürich 1949, 495-496, 677, 678. J. G. Davies, Liturgical Dance, 62-69. Besonders expressive Kraft besitzt der von Sydney Carter auf eine alte Shaker-Melodie geschriebene Hymnus „Lord of the Dance“ (der nach seiner eigenen Aussage unter anderem auch durch eine Shiva Nataraj Statue inspiriert wurde!) und der auch in das ökumenische Gesangbuch With One Voice, London 1985 (mit dem römisch-katholischen nihil obstat) aufgenommen worden ist. („I danced in the morning when the world was begun, / and I danced in the moon and the stars and the sun; / and I came down from heaven and I danced on the earth, at Bethlehem I had my birth: / Dance then, wherever you may be; / I am the Lord of the Dance said he; / and I’ll lead you all wherever you may be, / and I’ll lead you all in the dance, said he ...“ etc.) J. G. Davies, Liturgical Dance, 25. G.v.d. Leeuw, Phänomenologie, §. 35.3.
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Afrikaner tanzt seinen Hunger, seine Freude, alles, was er mit Worten nicht ausdrücken kann, und glaubt, dass er mittels des Tanzes vor dem Schöpfer stehen kann. Den religiösen Tanz versteht er gleichzeitig als Gemeinschaft mit dem Göttlichen, als Wirkung der spirituellen Berauschung, als sakramental und als Mittel des Gebetes. Für die „Inder“ sind Gebet (proseuc»), Tanz (corÒj) und Opfer (qus…a) eins.162 Insbesondere sind es die rites de passage, die Riten des Überganges in die verschiedenen Stationen der menschlichen Existenz (Geburt, Pubertätsriten, Heirat, Tod, Beerdigung), wo der Tanz so gut wie immer anwesend ist.163 Der Tanzhymnus der ActJoh spricht nicht nur von der für uns ungewohnten, körpersprachlichen Ausdrucksform der Offenbarung, nicht nur von deren eigener Hermeneutik, nicht nur von der Möglichkeit des ekstatischen Durchlebens des Erlebnisses und nicht nur davon, dass der Tanz „die Bewegung des ganzen Seins zum göttlichen Pleroma hin“ führt.164 Ja, der Tanz ergreift die Totalität des Seins: Wer tanzt, soll das Vergangene, das Kommende und das Seiende kennen.165 Der Tanz der ActJoh ist noch mehr: Er ist ein von Christus eingesetzter Ritus, der mit der Leidensgeschichte verbunden ist; er ist ein Tanz, der als von Christus eingesetzter Ritus über die Doxologie hinaus im Wesentlichen Sacramentum ist!166 Dies ist auch deshalb beachtenswert, weil, wie wir später sehen werden, der zweite Hymnus des TdE ein in die Leidensgeschichte eingebetteter eucharistischer Hymnus ist. Dies bedeutet aber nicht nur einen sakramentalen Charakter des Tanzes selbst, sondern auch, dass der Tanz um das Kreuz mit der Eucharistie, mit dem Nehmen des unsterblichen Brotes und mit der dadurch erfolgenden Befriedigung verbunden ist. Dies aber ist nicht nur Symbol, sondern gleichzeitig auch liturgische Wirklichkeit. Das Mittel der Vergegenwärtigung des Tanzes Christi ist der liturgische Tanz. Neben dem Tanz Christi ist die andere Besonderheit unserer Schrift, dass der Erlöser mit dem Kreuz wie mit einem lebendigen Wesen spricht. 162
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Lukianos, Peri orcheseos c. 17. Die „Inder“ erscheinen (auch hier) neben den „Aithiops“, so dürfen die Letzteren der geographischen Erkenntnis des Altertums entsprechend als Nubier, die Inder jedoch als Äthioper verstanden werden. J. G. Davies, Liturgical Dance, 8-14. H. J. Auf der Maur, Die Gnade tanzt, 117. Lukianis, Peri orcheseos c. 36 Ð coreut»j pršpei na gnwr…zh ta parelqÒnta, ta mšllonta kaˆ ta parÒnta. H. J. Auf der Maur, Die Gnade tanzt, 120-122. „Das zentrale verbale Element unseres Ritus ist nicht einfach Doxologie im weiten Sinn des Wortes, sondern Eucharistia.“ (122.) – Letzteres ist jedoch der Begriff des heiligen Mahles und dessen Gebrauch halte ich auch dann nicht für glücklich, wenn es tatsächlich so ist, dass an die Stelle des bei den Synoptikern beschriebenen letzten Abendmahles in der johanneischen Theologie die Fußwaschung tritt und der Tanz der ActJoh dessen strukturelles Pendant sein kann. Auf die Bedeutung dieser Unterscheidung macht gerade der TdE aufmerksam, wo der Tanz als Sacramentum und die Eucharistie als ein anderes Sacramentum gemeinsam erscheinen.
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Dies ist ähnlich untypisch, wenngleich auch nicht völlig unbekannt. In den Andreas-Acta (kurze Zeit nach 150 n. Chr., möglicherweise in Alexandria geschrieben)167 heißt es: „(Der Apostel) trat auf das Kreuz zu und redete es, als wäre es ein lebendiges Wesen, mit mächtiger Stimme an: ,Sei mir gegrüßt, o Kreuz! Denn du darfst dich wirklich freuen‘.“168 Andererseits wurde in der Forschung die Frage aufgeworfen, ob auch in dem PetrusEvangelium, das durch das im Winter 1886/87 aufgefundene Fragment von Achmim halbwegs bekannt ist, das Kreuz spricht: Als der aus dem offenen Grab heraustretende Auferstandene und seine Engel eine Stimme hörten: „Hast du den Entschlafenen gepredigt?“, gab das Kreuz169 die kurze Antwort: „Ja“. Ferner wird in einem koptischen Text, der die Auffindung und Anbetung des Kreuzes beschreibt, erzählt, wie der Kaiser kwstantinos in proskynese und Begrüßung das Kreuz als verständiges Lebewesen anspricht: ainau epnoute mpoou• pai ntaustaur[ou] mmoF HiJwk• Heute habe ich Gott gesehen, welcher an dir (scil. am Kreuz) gekreuzigt wurde.170 In unserer Handschrift jedoch spricht der Erlöser das Kreuz an. Es gibt jedoch eine solche Schrift – das in den 1990er Jahren entdeckte Berliner koptische Apokryph, das Evangelium des Erlösers171 – die ebenso 167
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W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen Bd. II, Tübingen 1997 (6. Aufl.), 107-108. E. Hennecke/W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen, Bd. II. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 1971 (4. Aufl.), 292.; anders W. Schneemelcher, NT Apo6 Bd. II, 135 (... /er/ ging auf das Kreuz zu und sprach laut zu ihm: „Sei mir gegrüßt, Kreuz, denn du kannst dich tatsächlich freuen); vgl. `Wj de Ãlqen ™pˆ tÕn tÒpon, blšpei tÕ xÚlon pephgmšnon: kaˆ ¢polipën p£ntaj prÒseisi tù staurù kaˆ fhsˆn aÙtù met¦ fwnÁj: Ca‹re ð staurš: (Als er an den Ort geht, sieht er das zusammengezimmerte Holz und nähert sich, alles hinter sich lassend, dem Kreuz und spricht zu ihm mit lauter Stimme: Sei gegrüßt, oh Kreuz!) Martyrium Andreae prius 14, M. Bonnet, Acta apostolorum apocrypha II,1, Leipzig 1898, 54. Der Sinn des griechischen Textes ist nicht ganz sicher. EvPt 42 kaˆ Øpako¾ ºkoÚeto ¢pÕ toà stauroà [Ó]ti ‚na…‘ (vgl. U. Bouriant, Fragment de l’évangile de Pierre, in: MMAF 9 [1892] 222) „...eine Antwort war zu hören vom Kreuz her: Ja.“ Vielleicht ein spätes Echo des ¢pÕ toà stauroà ist, in jedem Falle schon die Schwierigkeiten deutend, das LibBarth. A 35,62-36,2 ausmh ei ebol Hmpswma mpswthr HiJm pestauros (Es kam eine Stimme aus dem Leib des Erlösers an dem Kreuz). Die andere Version (B p. [...] 10-12) hat das Problem schon völlig eliminiert. vgl. M. Westerhoff, Auferstehung und Jenseits im koptischen „Buch der Auferstehung Jesu Christi unseres Herrn“, Wiesbaden 1999, 56. W. Spiegelberg, Koptische Kreuzlegenden. Ein neuer Bruchstück der koptischen Volkslitteratur, in: Receuil 23 (1901), 208. Der Herausgeber missverstand jedoch den Text, als er ihn in der Form „welcher für dich gekreuzigt worden ist“ übersetzte. Weder die Bedeutung der Präposition HiJw#, noch der Sinn des Satzes unterstützt diese Interpretation. P. Berol 22220, Ch. W. Hedrick/P. A. Mirecki, Gospel of the Savior. A New Ancient Gospel, Santa Rosa, Calif. 1999.
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die Rede des Soter an das Kreuz kennt. Zudem stimmen in ihr einige Sätze, die mit der Anrede „oh Kreuz“ beginnen, völlig mit der ähnlichen Rede des nubischen Kodex überein. Es gibt dieselbe Ermunterung, dass das Kreuz nicht weinen, sondern sich lieber freuen soll und dass Jesus, der reich ist, es mit seinem eigenen Reichtum erfüllt. Die Erwähnung, dass Jesus auf das Kreuz steigen muss, wirkt gleichsam als ein cantus firmus des ersten, dritten und vierten Hymnus, beziehungsweise Reigens. Der zweite Hymnus tritt aus dieser Reihe: Mit dem Tanz um das Kreuz und zugleich mit dem Zitieren des ™gè e„mi der johanneischen Theologie kann er auf die Beziehung zum Kreuz in der eucharistischen Auffassung der die Schrift benutzenden Gemeinschaft hinweisen. (Wegen der Knappheit unserer Informationen jedoch müssen wir die Schrift vorsichtig interpretieren, denn wir können beispielsweise nicht wissen, ob sie damit auf den Kreuzestod verweist oder, und dies scheint mir wahrscheinlicher zu sein, auf die Beziehung des siegreichen Kreuzes und der Eucharistie.) Jedoch nicht nur der Inhalt dieser Strophe, sondern auch das hymnische Pulsieren der gesamten Schrift deuten auf einen liturgischen Sitz im Leben hin. Dies wird auch dadurch bestärkt, dass am Ende der Schrift – nach einer kurzen, katechetisierenden, trinitarischen Einlage – ein doxologischer Schluss folgt. Die ekstatischen, das Streben auf das Kreuz hin betonenden, beim Tanz – höchstwahrscheinlich bei gemeinsamen Reigentänzen – gesungenen Hymnen Jesu und die darauf folgende, durch die Jünger dialogisch vorgetragene, betont rationalisierende, dogmatische Katechese, unterscheiden sich stark voneinander. Umso außergewöhnlicher ist, dass das sprachliche Geflecht des Textes nicht auf exakte Weise zeigt, bei welcher Zeile dies geschieht, denn zwischen der letzten Zeile des Erlösers in der ersten Person Singular und der von dem eingeborenen Sohn sprechenden Zeile in der dritten Person Singular gibt es noch eine unpersönliche Zeile,172 die gleichermaßen die letzte Zeile des Hymnus Jesu oder die erste Zeile der Katechese der Jünger sein kann. Wenn wir von einem lebendigen liturgischen Gebrauch ausgehen – und meiner Ansicht nach lesen wir hier nicht nur die Beschreibung einer Liturgie, sondern halten das Spiegelbild einer tatsächlichen Liturgie in den Händen – dann sind für mich zwei Feste vorstellbar. Das eine ist die Karwoche und deren Liturgie, aufgrund des Sujets der Erzählung des Gründonnerstags; man kann aber auch an die, im Osten und Westen gleichermaßen in der Mitte der Karwoche beginnenden und in der Ostervigilia gehaltenen Taufen denken,173 beziehungsweise an 172 173
31,7-8. Einige Beispiele: Tertullianus, De baptismo 19: Ostern, dann Pfingsten oder jeder andere Zeitpunkt sind geeignet; Ambrosius, De sacramentis 1,1,2 beginnt am Karsamstag mit der Zeremonie der aperitio auris; R. Kaczynski, Johannes Chrysostomus, Catecheses baptismales. Taufkatechesen, Bd. I-II., Freiburg 1992, Cat. bapt. 2/2,3-5 zu Ostern nach den Vorbereitungen der Karwoche, Augustinus Sermo 227, 228.
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den liturgischen Kontext der damit verbundenen Katechesen. Die andere Möglichkeit ist ein Kreuz-Fest. Letzteres kann das im Osten beliebte Fest des Lichtkreuzes (7. Mai), oder das Fest der Auffindung des heiligen Kreuzes durch die Kaiserin Helena sein (14. September).174 Da unser Kodex zwei Schriften enthält, ist nicht sicher, ob ihr ursprünglicher Sitz im Leben an gleicher Stelle zu suchen ist. Es ist jedoch schwer bestreitbar, dass die im KeWK nebeneinander gelangten Schriften spätestens zum Zeitpunkt der Handschrift, in der Mitte des IX. Jahrhunderts, aber vielleicht schon viel früher zusammen in der Liturgie auftreten konnten (wodurch der gemeinsame liturgische Ort der beiden Schriften auch bestimmt würde). Andererseits sahen wir schon oben, dass im nahegelegenen Serra, wo ein anderes Werk der apokalyptischen Offenbarung des Erlösers über das Kreuz zugeordnet wurde, auch in dieser Form geeignet war, als Teil derselben Liturgie zu dienen, oder dass (in gerade umgekehrter Schlussfolgerung) WdE nicht mit der Kreuz-Litanei, sondern mit der Schrift TdE gepaart wurde und durch diese Veränderung für die Liturgie eines anderen Festes geeignet war. (Das heißt, dass die beiden, teilweise ähnlichen Kodizes zu zwei verschiedenen Festen im Gebrauch gewesen wären.) Das WdE steht jedoch kaum auf primäre Weise mit der Karwoche in Zusammenhang, der Inhalt des gesamten Kodex wurde also vielleicht zu anderer Gelegenheit, eventuell an einem Kreuz-Fest, vorgelesen. Damit haben wir aber schon die Frage nach dem Sitz im Leben des TdE verlassen und fragen nach dem liturgischen Ort des Kodex selbst.
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Der 7. Mai kann das feierliche Gedenken an die Jerusalemer Erscheinung von 351 sein, dafür böte der dritte Hymnus einen Anhaltspunkt (dazu detaillierter: siehe Kommentar). Dieses Fest führte möglicherweise Kyrillos von Jerusalem selbst schon im Jahre 352 ein, in dem Itinerarium Egerias (381-384) wird es zwar noch (?) nicht erwähnt, die erste Erwähnung ist in dem altarmenischen Lektionarium (417-439) zu finden. Dieses Fest wird in seiner Bekanntheit und Wichtigkeit vom 5.-6. Jahrhundert an vom 14. September verdrängt, vgl. A. Sima, Das Fest der Lichtkreuzerscheinung (7. Mai). Ungedruckte Diplomarbeit an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, Wien 1995. Zwar ist die Auffindung des Kreuzes durch Helena zuerst im Westen, in der Trauerrede des Ambrosius, des Bischofes von Milano für Theodosius I. (395) schriftlich dokumentiert, aber die Erzählung über die Auffindung des Kreuzes selbst erscheint erst in dem Brief des Kyrillos von Jerusalem an II. Constantius (Epist. ad Constantium 3). (St. Heid, Der Ursprung der Helenalegende im Pilgerbetrieb Jerusalems, JAC 32 [1989] 41, 55ff.) Nach der Hypothese Heids ist die Vorbedingung der Legende von der Auffindung des Kreuzes der Bau der Jerusalemer Kirche des Heiligen Grabes. Dabei lassen aber die Argumente e silentio für uns gleich mehrere Fragen offen. Wenn der Sitz im Leben unserer Schrift tatsächlich ein KreuzFest ist, dann bietet dies auch für die Datierung des TdE einen Anhaltspunkt. – Dass der 14. September in Verbindung mit Berlin Ms Or 1020 steht, schlägt auch schon Schmidt/Schäfer, Die altnubischen christlichen Handschriften, Berlin 1907, 607 vor, die anderen Möglichkeiten wirft er aber nicht auf.
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Wir sehen also, dass der TdE in einem vorläufig ungeklärten Verhältnis zu ActJoh 94-96 steht. Die wesentlichste Verbindung zwischen den beiden besteht in der herausragenden Bedeutung des Tanzes. Dies ist, trotz der sonstigen Abweichungen, für sich genommen ausreichend, um einen Zusammenhang zwischen den beiden Schriften zu sehen, zwar nicht unbedingt auf literarischer Ebene, aber vielleicht hinsichtlich des geistigen, kulturellen und religiösen Hintergrundes. Wenn wir die Einbettung, den Entstehungsort und die Entstehungszeit der ActJoh kennen würden, könnten wir auch dem Ursprung des TdE näher kommen. Auch wenn wir akzeptieren, dass der Teil, der die Taten und Predigten des Apostels Johannes erzählt, um 150-200 in der Gegend von Antiochien oder in Ägypten kompiliert wurde und die uns jetzt näher berührenden Kapitel ActJoh 94-101.109 im dritten Viertel des 2. Jahrhunderts im syrischen Raum redigiert wurden,175 – wenngleich diese Vermutung sehr schwer gestützt werden kann – müssen wir leider sehen, dass die Perikope über den Tanz innerhalb des Hymnus (95,18-30) ein selbständiger Einschluss ist. Wenn die Datierung des Hymnus problematisch ist, dann trifft dies auf die Einlage umso mehr zu. „Es gibt keine Handschrift, die uns den gesamten Text der Johannesakten überliefert, sondern nur einzelne Textbausteine, die bisher zu einer Art ‚Vulgata‘ zusammengesetzt wurden. Erst die Edition von Junod/Kaestli hat es unternommen, die handschriftliche Überlieferung dieser einzelnen Teile ... zu trennen und die Fiktion eines einheitlichen Textes zu zerschlagen... Der sogenannte ‚gnostische Einschub‘, die Kapitel 94-102, ‚la partie théologiquement la plus riche des AJ et surtout la moins orthodoxe‘ (Junod/Kaestli, 26), liegt nur in einer einzigen Handschrift vor (Wien, Nationalbibliothek, hist. gr. 63, datiert: 1319).“ – Zudem enthält diese Handschrift auch weitere 81 von anderswo stammende hagiographische Texte.176 Mit relativer Sicherheit kann höchstens der terminus post quem non festgestellt werden: das 4. Jahrhundert, als die Kirchenväter schon sehr bestimmt den Tanz ablehnten. Aber auch dies ist nur wahrscheinlich und nicht völlig sicher, denn da es sich nicht um eine kanonische Schrift, sondern um ein von heterodoxen Gruppen gebrauchtes Werk handelt, ist es auch vorstellbar, dass auch dieses Argument nicht als Datierungskriterium verwendet werden kann, weil eine solche christliche Gemeinschaft auch später ihre liturgischen Tänze abhalten und gerade trotz der äußeren Angriffe und Anathema ihre Kultuspraxis mit einer solchen, apostolischen Ursprung vindizierenden, Schrift legitimieren konnte. Nicht eine theologische und kultische Verbindung, sondern sogar eine wortwörtliche Übereinstimmung kann zwischen dem TdE und einem aus dem Kairoer Kunsthandel im Jahre 1899 in die Straßburger Landes- und Universitätsbibliothek gelangten koptischen Papyrusfragment unbekann-
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H. J. Auf der Maur, Die Gnade tanzt, 110, 131. A. Sima, Lichtkreuzerscheinung, 54. Anm. 194.
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ter Provenienz aufgezeigt werden. Die beiden größeren und ein Dutzend kleinerer Fragmente stammen aus einem apokryphen Evangelium. Das eine enthält das Gebet Jesu und den Abschied von den Aposteln, in dem anderen geht es darum, dass der Erlöser seine Herrlichkeit offenbart und dass wir die Herrlichkeit seiner Göttlichkeit gesehen haben. (Es ist fraglich, ob die Geschehnisse in Gethsemane angesiedelt weden müssen177 oder in die Zeit nach der Auferstehung.) Die Zeilen 8-23 des Vorblattes des Fragmentes mit der Signatur „Kopt 5“ stehen in direkter Verbindung mit KeWK 31,1-32,4, dies ist umso interessanter, weil die Zusammenfügung der Redaktion des ursprünglich gesonderten Hymnus und der gesonderten Katechese des TdE – die wir später (im Kapitel „Fragen der Redaktion“) behandeln werden – hier festgemacht werden kann. Die literarische Verbindung zwischen dem TdE und dem StraßbFrg ist unbestreitbar, wir wissen allerdings nicht, welches von welchem abhängig ist. Tatsächlich stammt das StraßbFrg aus einer Zeit nach der Entstehungszeit des noch unabhängig lebenden Hymnus und der getrennten Katechese, die nachher (entweder durch KeWK oder durch das StraßbFrg) zusammengefügt worden sind, denn hier treten sie schon gleichermaßen gemeinsam auf. Der erste Herausgeber des Fragmentes, Adolf Jacoby, vermutete schon im Jahre 1900, dass die Handschrift aus dem 5.-6. Jahrhundert einen griechischen Vorläufer aus dem 4.-5. Jahrhundert haben, inhaltlich aber auch auf eine frühere Zeit, vielleicht schon auf das 2. Jahrhundert zurückgehen könnte. Er war auch der Meinung, dass es einen Teil des Evangeliums der Ägypter enthält.178 C. Schmidt datiert den Papyrus auf das 4.-5. Jahrhundert und hält es für einen Teil des Evangeliums der Zwölf Apostel.179 Die Verbindung des StraßbFrg mit dem neu entdeckten EvdE wurde schon von dem Herausgeber des letzteren bemerkt.180 S. Emmel, der die Neuausgabe beider Werke vorbereitet, interpretiert das StraßbFrg jedoch ausdrücklich vom EvdE her und hält die beiden fragmentarisch erhaltenen Werke für die beiden Teile desselben 177 178
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Mt 26,36; Mk 14,32. A Jacoby, Ein neues Evangelienfragment, Straßburg, 1900, 3-4, 27-30. Die verbreiteten Übersetzungen des Straßburger Fragmentes (E. Preuschen, Antilegomena. Die Reste der Außerkanonischen Evangelien und urchristlichen Überlieferungen, Gießen 1905; W. Schneemelcher, NT Apo6 usw., alle nach dem Text von Jacoby, unter Beachtung der Korrekturen C. Schmidts Rezension: Adolf Jacoby, Ein neues Evangelienfragment, GGA 1900, Nr. 6, 481-506 ) sind nach hundert Jahren, nach der Kenntnis neuer Texte wie des EvdE und des Kasr el-Wizz Kodex, sowie der erneuten Untersuchung der Fragmente, reif für eine Revision. C. Schmidt, Evangelienfragment, GGA 1900, Nr. 6. 481-506, besonders 483, 502. – Schmidt mag seine, von Emotionen nicht freie Kritik geschrieben haben, ohne das Buch von Jacoby gelesen zu haben! Er hat vermutlich nur ein früheres Manuskript gesehen, darauf weist hin, dass er auch solche Behauptungen angreift, die das Buch von Jacoby nicht enthält. Ch. W. Hedrick/P. Mirecki, Gospel of the Savior, Santa Rosa, Calif. 1999, 23-24.
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unbekannten Evangeliums; hinsichtlich der Datierung bevorzugt er das von C. Schmidt empfohlene 4.-5. Jahrhundert.181 Eine literarische Verbindung von TdE und EvdE ist offensichtlich. Die erste Übersetzung der einzigen Handschrift des koptischen Textes von Papyrus Berol. 22220 erschien im Jahre 1998,182 die editio princeps183 ein Jahr später. Es ist vorläufig schwierig, eine klare Meinung dazu zu äußern, denn es sind auch in der Hinsicht Zweifel darüber aufgekommen, wie die Fragmente zusammengestellt werden müssen.184 Die Handschrift ist, im Gegensatz zu ihrem Namen, kein Papyrus, sondern ein 30-seitiges Pergament, auf welchem Fragmente des Dialoges zwischen dem Erlöser und den Aposteln vor der Kreuzigung zu lesen sind. Es sind jedoch uns weder Anfang noch Ende überliefert. Ihre Besonderheit liegt, abgesehen von den Parallelen 181
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S. Emmel, Unbekanntes Berliner Evangelium = The Strasbourg Coptic Gospel: Prolegomena to a new edition of the Strasbourg Fragments, in: For the Children, Perfect Instruction (FS H.-M. Schenke), Leiden–Boston 2002, 370. – Das Problem zu lösen ist recht schwierig, denn die beiden fragmentarischen Schriften weisen nur eine sehr geringe Berührungsoberfläche auf und es ist nicht sicher, ob man mit der einen Schrift die in der anderen Schrift zu findenden Lücken ergänzen kann bzw. darf. (Seine Zweifel formulierte auch P. Nagel, „Gespräche Jesu mit seinen Jüngern vor der Auferstehung“ – zur Herkunft und Datierung des „Unbekannten Berliner Evangeliums“, in: ZNW 94 [2003] 215-257, besonders 222-223.) Andererseits bedeuten auch die Übereinstimmungen nicht unbedingt eine Zusammengehörigkeit, ein längeres Zitat in irgendeinem anderen Werk, das nicht mit dem Text verbunden ist, ist vorstellbar. Dass wir es mit einem Evangeliensfragment zu tun haben, zwingt uns – im hermeneutischen Sinne – nicht dazu, dass wir dahinter ein Evangelium suchen müssen. (Zu erwägen ist der zurückhaltende Standpunkt von P. A. Mirecki, T. Orlandi und W.-P. Funk, die auch im Falle des EvdE, welches eine wesentlich umfänglichere Evangeliumsnarrative als das StraßbFrg bietet, aufwarfen, dass es sich vielleicht nicht um ein Evangelium handelt, sondern um eine Bezugnahme auf ein Evangelium in einer Homilie oder in einem Brief. vgl. Ch. W. Hedrick/P. Mirecki, Gospel of the Savior, 19.) Diese Möglichkeit besteht auch im Falle des StraßbFrg. In die Frage der philologischen Möglichkeit der Zusammenfügbarkeit der beiden Schriften können wir uns hier nicht mehr vertiefen. H.-M. Schenke, Das sogenannte „Unbekannte Berliner Evangelium“, in: ZAC 2 (1998), 199-213. Ch. W. Hedrick/P. Mirecki, Gospel of the Savior. In der vorliegenden Studie beziehe ich mich auf die editio princeps und verwende deren Zählung. Da die Forschung den antiken Titel des Werkes zur Zeit nicht kennt, benutze ich in dieser Arbeit den durch die erste Ausgabe geprägten, konventionellen Titel „Das Evangelium des Erlösers“ (EvdE). Ob dieser Titel glücklich gewählt worden ist mag dahingestellt sein, allerdings ist das Unbekannte Berliner Evangelium keinesfalls mehr unbekannt und so ist diese Benennung unscharf und nicht zutreffend. S. Emmel, The Recently Published Gospel of the Savior („Unbekanntes Berliner Evangelium“): Righting the Order of Pages and Events, HThR 95 (2002), 45-72; Ch. W. Hedrick, Caveats to a „Righted Order“ of the Gospel of the Savior, HThR 96,2 (2003), 229-238.
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mit unserer Schrift (die häufig gebrauchte Formel ™gè e„mi, die wiederholten amen, die Anrede „o, meine heiligen Glieder“ [100,3-4; 107,50-51], die Tatsache, dass Jesus auf das Kreuz steigen muss, „Zitate“ [EvdE 100,3-4; 9F 39], usw.) in dem Gespräch mit dem als lebendig angesehenen Kreuz im Rahmen der außerordentlich ausgedehnten Abschiedsreden, in der hervorgehobenen theologischen Rolle des Kreuzes und in der in zwei Fragmenten vorkommenden himmlischen Entrückung der Jünger („Himmelreise“). Sie enthält trotz der zahlreichen Verweise auf die kanonischen Evangelien zahlreiches unbekanntes und fremdartiges Material und es findet sich nichts, was für die Orthodoxie nicht annehmbar wäre. Den ersten Herausgebern zufolge verweist der sahidische Sprachgebrauch auf die Zeit nach dem 4. Jahrhundert,185 paläographisch betrachtet kann es zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert geschrieben worden sein,186 aber der der koptischen Übersetzung zugrundeliegende griechische Vorläufer187 muss spätestens in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstanden sein.188 Peter Nagel hat jedoch klar darauf hingewiesen,189 dass die Kenntnis der synoptischen Evangelien und des Johannesevangeliums als unterer Zeitpunkt nur als terminus post quem angenommen werden kann, der das neue Evangelium noch nicht datiert, während der terminus ante quem die Entstehungszeit des Kodex selbst, etwa 600, ist. Weiterhin hat er nicht nur überzeugend aufgezeigt, dass die einzige Stütze der Hypothese von einem griechischen Vorbild eine Fiktion ist, sondern er hat auch gleichzeitig angenommen, dass das EvdE ursprünglich koptisch geschrieben wurde. Da das Sahidische als literarische Sprache seit Pachomius und seinen Nachfolgern (320-400) bekannt ist, verschob er auch die unterste Datierungsgrenze um ein Jahrhundert später und riskierte sogar die Annahme, dass der uns überlieferte Kodex des EvdE aus dem scriptorium des Weißen Klosters stammt. Dies alles kann sich 185 186
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Ch. W. Hedrick/P. Mirecki, Gospel of the Savior, 12. Ebd., 15.; H.-M. Schenke, „Unbekanntes Berliner Evangelium“, 200, zufolge „etwa aus dem sechsten Jahrhundert“ Ch. W. Hedrick/P. Mirecki, a.a.O., 12-13, sieht den Beweis dafür in 106,44-47 in dem Ñrqr…zein, das hinter dem schwer übersetzbaren akSorpk% steht. Interessanterweise spricht H.-M. Schenke (a.a.O., 206), der akSorpk% ohne Schweirigkeit übersetzt und damit das einzige zur Sprache gebrachte Argument entkräftigt, ebenfalls von einer „ursprünglichen, griechisch vorzustellenden Schrift“ (201). Hedrick-Mirecki, a.a.O., 2; Schenke geht etwas weiter zurück und sagt, dass die Mitte des 2. Jahrhunderts der terminus post quem non ist. Davon weicht auch die Datierung von U.-K. Plisch, Verborgene Worte Jesu – Verworfene Evangelien. Apokryphe Schriften des frühen Christentums, Berlin 2000; J. Frey, Leidenskampf und Himmelreise. Das Berliner Evangelienfragment (Papyrus Berolinensis 22220) und die Getsemane-Tradition, in: BZ 46 (2002) 71-96, und T. Nagel, Das „Unbekannte Berliner Evangelium“ und das Johannesevangelium, ZNW 93 (2002) 251-267, wenig ab. P. Nagel, Gespräche Jesu, ZNW 94 (2003) 215-257.
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auch auf die weitere Deutung des StraßbFrg fruchtbar auswirken, denn das 2. Jahrhundert kann auch bei diesem nur der terminus ante quem non sein. Es kann ebenso auch später entstanden sein, wie sich das später auch auf die Schriften des KeWK beziehen wird. Und wie sehr zwar die Revision der hundertjährigen communis opinio – derzufolge jedes uns überlieferte Denkmal der koptischen Literatur vermutlich eine Übersetzung aus dem Griechischen ist – befreiend auswirkt, so problematisch ist aber auch die Argumentation für ein koptisches Original, derzufolge sich der Verfasser des EvdE nicht auf den Text griechischer, sondern schon existierender sahidischer Evangelien stützt.190 Das griechische Original ist also nicht bewiesen, das koptische Original ist möglich, unter Berücksichtigung aller damit zusammenhängenden Implikationen. Die sahidischen Zitate der Evangelien sagen über das Alter der sahidischen Version des EvdE (unabhängig davon, ob es einen griechischen Vorläufer gab oder nicht) aus, dass es nicht vor dem 4. Jahrhundert entstanden sein kann. H.-M. Schenke hielt die Schrift des P. Berol. 22220 für den fehlenden Teil des aus Achmim stammenden, in griechischer Sprache uns fragmentarisch überlieferten Petrus-Evangeliums (unter Berücksichtigung der Gegenargumente).191 S. Emmel hält, wie wir oben sahen, das StraßbFrg und das EvdE für die einander ergänzenden Fragmente ein und desselben Werkes und schreibt, als einer, der auch das Glück hatte, den koptischen Text des KeWK kennenlernen zu können, in einem Aufsatz: „... it seems almost certain that at least one section of this ‚prayer book‘ [=KeWK] – perhaps just a few sentences ... but probably a number of pages – was excerpted from the Gospel of the Savior... If so, this manuscript will thus provide a third, highly welcome witness for this part of the Coptic text [of the GospSav]“.192 Er schlägt für den P. Berol. 22220 an Stelle des von der modernen Wissenschaft empfohlenen Titels „Evangelium des Erlösers“, dem Berliner altnubischen „Stauros-Text“ folgend, den Titel „Buch des lebenspendenden Kreuzes“, oder einfacher „Buch des Kreuzes“ vor.193 Die Entstehungszeit des Werkes – das bei S. Emmel 190
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Ebd. 235. – Wenn es dennoch ein griechisches Original gegeben haben sollte – was durch die hinter dem Koptischen stehenden Gräzismen nicht bestätigt werden und auch durch das Ñrqr…zein nicht mehr bewiesen werden kann –, dann wäre offensichtlich, dass selbst ein nicht so geübter Übersetzer die Evangelien-Einschübe nicht selbst frei übersetzt hätte, sondern dass er den Text einer ihm zur Verfügung stehenden, schon existierenden, „kanonisierten“ und in der liturgischen Praxis verwendeten koptischen Bibel übernommen hätte. Ich selbst verfahre beispielsweise auch so mit den deutschen Bibelzitaten und übersetze nicht selbst, sondern übernehme den Text der Luther-Bibel. H.-M. Schenke, „Unbekanntes Berliner Evangelium“, 205-207 S. Emmel, Preliminary Reedition and Translation of the Gospel of the Savior: New Light on the Strasbourg Coptic Gospel and the Stauros-Text from Nubia, in: Apokrypha 14 (2003), 9-53, besonders 27-28. Ebd., 29.
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nun schon das StraßbFrg., EvdE und die beiden Schriften des KeWK umfasst – liegt zwischen dem 2. Jahrhundert und 400 (das letztere Datum ist das Alter des Papyrus des StraßbFrg).194 In einem vermutlich etwas späteren Vortrag publizierte er erneut die Erkenntnis, dass die drei Schriften Teile eines einzigen Werkes sind.195 Hier jedoch betrachtet er dieses Evangelium als „Evangelium der Apostel“, das möglicherweise mit dem von Origenes erwähnten „Evangelium nach den zwölf Aposteln“ identisch ist.196 P. Nagel schlägt am Ende seines Aufsatzes, die durch ihn angebotene Zeitspanne einengend, vor, dass das EvdE im zweiten Drittel des 5. Jahrhunderts oder einige Jahrzehnte später in Ober-Ägypten entstanden ist.197 194 195
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Ebd., 29-30. S. Emmel, Ein altes Evangelium der Apostel taucht in Fragmenten aus Ägypten und Nubien auf – Den Text des Vortrages konnte ich, nachdem er gehalten wurde, dank der Freundlichkeit S. Emmels in Kairo in handschriftlicher Form einsehen. Da dieser während der Arbeit an meinem Buch für ein breiteres Publikum nicht zugänglich war (der aber später, nach der Abgabe meines ungarisch-sprachigen Manuskriptes in ZAC 9 [2005] 85-99 erschien), ging ich hier nicht auf seine, den Text des EvdE berührenden Vorschläge für Textkorrekturen bzw. auf seine exegetischen Feststellungen ein. Ein von Origenes erwähntes Evangelium kann natürlich nicht aus dem 3.-4. Jahrhundert stammen. Die gedankenreichen Artikel und die mikrophilologische Akribie Emmels bedeuten für die nach ihm folgenden Forscher, die sich mit diesen drei, sprachlich und hinsichtlich des Sujets, der Terminologie und der Theologie ähnlichen Kodizes beschäftigen werden, eine ernsthafte Herausforderung. 1. Wir müssen jedoch erkennen, dass der KeWK nicht ein einziger „Stauros-Text“ ist, sondern es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Schriften, von denen nur die zweite Parallelen mit dem StraßbFrg und EvdE aufweist. So müssen wir die aus WdE (beziehungsweise bei dessen altnubischen Pendant) gezogenen Schlussfolgerungen (zum Beispiel den Titel der Schrift) sehr gründlich überprüfen. 2. Die parallelen Textteile sind sehr kurz. 3. Vor oder nach den Überlappungen gibt es in der einen Schrift nicht immer eine solche lacuna, in die der vorhandene Teil des anderen Werkes als Fortsetzung eingefügt werden könnte. Im Gegenteil, es gibt irgendeinen (anderen) Text. 4. Die Kontexte der parallelen Texte stimmen nicht immer überein, derselbe Satz kann an anderer Stelle etwas anderes bedeuten. 5. Während das StraßbFrg und das EvdE sehr fragmentarisch sind, also viele hypothetische Ergänzungen erlauben und sogar verlangen, ist der einzige uns überlieferte und deshalb als authentisch geltende Text des TdE intakt, weder erfordert er, noch erlaubt er eine legitime Ergänzung. 6. Die Überlappungen, übereinstimmende Textstellen, der drei Schriften sind nicht nur mit den Kategorien einer einstigen Zusammengehörigkeit und nicht nur mit einer gegenseitigen Übernahme von Stellen erklärbar. Vorstellbar ist auch eine frühere, heute verlorene Quelle, aus der alle drei Schriften geschöpft haben, möglich ist ebenfalls, dass hinter ihnen eine gemeinsame kirchlich-theologisch-liturgische Atmosphäre steht, nicht als schriftliche Quelle, sondern als gemeinsame Gedankenwelt. P. Nagel, Gespräche Jesu, 248.
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Anderer Art ist die Beziehung, die zwischen dem TdE und dem „Buch der Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi“, kurz „Buch des Bartholomaeus“ (Liber Bartholomaei) besteht. Nicht die Gedankenwelt, die gemeinsame Theologie und noch weniger die längeren parallelen Textteile machen für uns dieses koptische Apokryph wichtig, sondern gewisse formale Ähnlichkeiten: in erster Linie sind es die acht Hymnen,198 die im ersten und in dem fragmentarisch beginnenden dritten litaneiartigen, sich 18-mal, beziehungsweise 12-mal wiederholenden peoou nak (Lob sei dir) am Beginn der Zeile, sowie solche charakteristischen Ausdrücke wie peFsXos nouoein (sein Lichtkreuz),199 „ich ruhte im Schatten der Paradiesbäume des Himmlischen Jerusalem“,200 oder die Anrede namelos etouaab (meine heiligen Glieder).201 Der Text ist uns in drei Handschriften überliefert,202 die interessanteste von ihnen ist die als C bezeichnete (British Museum MS Or. 6804),203 wichtig ist aber auch A (dessen Teile in Berlin, Wien und Paris verstreut aufbewahrt sind), sowie auch B (Fragmente in Wien, Paris und Kairo). Die Themen des nur fragmentarisch bekannten LibBarth sind: Leiden, Tod und Höllenfahrt des Erlösers, Verfluchung des Judas, Verhöhnung des Todes, Ostern, Begegnung mit Maria, Vision des Bartholomaeus, die hier für uns wichtigen Hymnen, der Thomas-Legendenkreis, usw. Der Meinung des letzten zusammenfassenden Herausgebers der koptischen Texte nach steht die Handschrift C, im Gegensatz zu den früheren Forschungen,204 dem ursprünglichen Text am nächsten, obwohl sie die Spuren mehrmaligen Kopierens trägt.205 Die Annahme, dass die Handschrift tatsächlich aus dem Kloster von Edfu stammt, hat schon Budge mit Kritik behandelt,206 aber wenn es stimmt, dass sie von demselben Ort stammt wie die mit ihr gemeinsam verkaufte nubische Handschrift, dann ist zumindest eine südliche Herkunft als wahrscheinlich zu betrachen. Die Kodizes mit der Bezeichnung A und B sind in der Bibliothek des Weißen Klosters aufgetaucht. Die Meinungen sind darüber geteilt, ob die ursprüngliche Sprache des LibBarth griechisch gewesen sein kann.207 Die koptische Übersetzung (wenn es eine 198
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203 204 205 206 207
Sie enthält tatsächlich nur sieben „Hymnen“, zwar ist der achte Hymnus der letzte, aber zwischen dem ersten und dem dritten fehlt der zweite. C Fol. 15a = S. [39] 24-25 (M. Westerhoff, Auferstehung, 160). C Fol. 20a = S. [49] 5-6 (M. Westerhoff, Auferstehung). C Fol. 16b = S. 43,26 (M. Westerhoff, Auferstehung, 174). Publiziert von M. Westerhoff, Auferstehung; ein Fragment wurde ergänzend von Hans Förster, Ein bisher unediertes Fragment des Ms B des Liber Bartholomaei. Edition von P. Vindob. K. 9574, in: JCS 6 (2004), 55-75, herausgegeben. Herausgegeben von W. Budge, Coptic Apocrypha, 1-48; 179-230. W. Schneemelcher, NT Apo6 Bd. I, 437-440. M. Westerhoff, Auferstehung, 12. W. Budge, Coptic Apocrypha, XVI. M. Westerhoff, Auferstehung, 19, behauptet eindeutig: „der L[ib]B[arth] ist original im Sahidischen verfaßt“.
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solche gab) kann zwar nicht vor dem 5.-7. Jahrhundert entstanden sein, dennoch kann die zugrundeliegende Tradition in das 3.-4. Jahrhundert zurückreichen.208 Es kann auch sein, dass der Text auch ursprünglich koptisch war und im 8.-9. Jahrhundert in einem, im südlichen Teil Ober-Ägyptens liegenden, Kloster entstand.209 Es ist anzunehmen, dass die beiden Schriften des Kasr el-Wizz Kodex in der vom Einband bestimmten Reihenfolge gelesen und gebraucht wurden. An dieser Stelle bemerken wir jedoch einen gewissen Widerspruch oder verstehen zumindest etwas nicht: Die erste Schrift (WdE) müsste von der zeitlichen Abfolge des Erzählten her später folgen, während die zweite Schrift (TdE) der anderen vorausgehen müsste, denn das Geschehen der ersten Schrift spielt vier Tage, bevor der Erlöser in den Himmel gehoben wird, während die zweite Schrift in der Zeit vor der Kreuzigung angesiedelt ist. Sowohl die kanonischen Evangelien als auch die Acta tragen die Ereignisse der Passion und die darauf folgenden Ereignisse in chronologischer Reihenfolge vor, der KeWK zieht jedoch die vierzig Tage späteren Ereignisse vor. Bei solchen Schriften kann man nicht von einem Zufall ausgehen. Müssen wir hinter dieser Anordnung eine theologische Bedeutung oder die Geltungmachung liturgischer Gesichtspunkte suchen? Es ist beispielsweise möglich, dass an einem – mit dem Kreuz verbundenen – Fest die vor der Himmelfahrt gegebene, geheime Offenbarung Jesu über die Macht des Kreuzes vorgelesen wurde, darauf folgte, ebenso als Teil des Festes, aber als eine nächste liturgische Einheit, der Hymnen-Kranz über das Kreuz. Der Berliner Kodex MS Or. 1020 (Stauros-Text) könnte dabei helfen, den Interpretationsversuch unserer Schrift verständlich zu machen, denn auch er enthält zwei Schriften, in diesem Kodex steht ebenfalls (die altnubische Variante des) WdE an erster Stelle, die zweite Schrift ist ebenfalls ein (andersartiger) Kreuz-Hymnus, an dessen liturgischem Charakter kein Zweifel besteht. Der Unterschied besteht nur darin, dass wir in dem KeWK eine Art chronologische Inkonsequenz vermuten. Wenn wir aber in den beiden Schriften nicht die aufeinander folgenden Kapitel einer kontinuierlichen Erzählung, sondern Teile einer Liturgie sehen, müssen wir daran keinen Anstoß nehmen.
Biblische Zitate, Allusionen und biblischer Wortgebrauch im Text Biblische Zitate, biblische Allusionen und biblischer Wortgebrauch kommen im Text reichlich vor. Als Zitat betrachten wir, wenn ein Abschnitt, auch wenn er kurz ist, eines biblischen Textes in unserem koptischen Text genauso wie der Ursprungstext lautet, als Allusion, wenn nicht wortwörtlich zitiert wird. Das Zitat verweist an der Stelle, wo es eingefügt wurde, 208 209
W. Schneemelcher, NT Apo6 Bd. I, 440. M. Westerhoff, Auferstehung, 19, 226-227.
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also in dem Bereich einer sekundären Verwendung auf die ursprüngliche (biblische) Stelle. Es holt den ursprünglichen Textkontext hervor und bringt ihn in Zusammenhang mit der Stelle, in die er jetzt eingefügt wird. Der Horizont des zweiten Textes erweitert sich und wird, durch den früheren (biblischen) Rahmen beleuchtet. Die Allusion verhält sich, als „freies Zitat“, im Wesentlichen ähnlich. Der biblische Wortgebrauch ist aber grundlegend anders: Die Sequenz solcher Worte, die in der Bibel genau so vorkommen, deren Gebrauch aber im zweiten Text nicht gezielt, sondern zufällig ist, verweist nicht auf den ursprünglichen Kontext. Der Sprechende bzw. der Schreiber könnte andere Worte benutzen, verwendet aber, da er diese gewohnt ist, die Sprache der Bibel. Das Zitat und die Allusion verleihen dem neuen Text auch unausgesprochen ein Mehr von Bedeutung; der biblische Wortgebrauch hingegen ist nur ein Stilelement, das gegebenenfalls mit einem anderem austauschbar wäre. Im Folgenden werden wir sehen, dass beispielsweise „durch das Holz“ (31,3-4) ein Zitat ist, das eine gezielte theologische Botschaft trägt, während „die Krone des Königtums“ (31,2-3) lediglich als Wortgebrauch angesehen werden muss, obwohl es wortwörtlich in der Bibel vorkommt. Hinsichtlich des Bibel-Gebrauchs von WdE und TdE fällt sofort auf, dass dieser sich auf das Neue Testament konzentriert. Daneben ist die Kenntnis der Psalmen und der Propheten offensichtlich (wenn sich unser Text auch nicht auf den Pentateuch bezieht, können wir dessen Kenntnis beim Schreiber voraussetzen). In beiden Texten gibt es auch alttestamentliche Allusionen, diese stammen jedoch nicht unbedingt aus einer unmittelbaren Beziehung. Der Schreiber scheint sich mit Joel 4,12 auseinander zu setzen, denn dort geht es um das Gericht Gottes über die Völker ({i yOGah, p£nta t¦ œqnh) im Tal Josaphat (im ursprünglichen Kontext über die Völker von Tyrus, Sidon und Philistea210), und WdE spricht in ähnlicher Weise über den auf dem Thron der Herrlichkeit sitzenden, über die ganze Welt richtenden Soter und dies erweckt den Eindruck, als ob die alttestamentliche Allusion gerade dasselbe sagen wollte wie der aktuelle Text. Gleichzeitig ist der Textzusammenhang des WdE hier gestört, hier folgt die schwerste exegetische Crux. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass nach dem Tal Josaphat etwas verloren gegangen ist. Im nubischen koptischen Kodex steht die Interpunktion vor dem Tal Josaphat, das heißt, dass das Tal Josaphat – insofern wir uns auf den Text des Kodex stützen – primär nicht als Ort des Gerichtes über die ganze Welt erscheint, sondern als der Ort, an dem die Wurzeln des uns leider nicht genau bekannten Baumes in die Erde reichen. Es kann kaum bestritten werden, dass der Ausdruck „Tal Josaphat“ und damit dessen semantisches Feld auf das Buch Joel zurückgehen; es ist jedoch möglich, falls sich die Anführung nicht sicher auf den vorangehenden Satz (das Richten der Welt, also den Inhalt nach Joel) bezieht, dass es dann im aktuellen 210
Die LXX erwähnt an Stelle dessen Galilea.
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(undurchsichtigen) Textzusammenhang offenbleibt, ob hier identifizierbar aus der Bibel (Septuaginta) zitiert wird, oder aus einer anderen apokalyptischen (vielleicht verlorengegangenen, uns nicht bekannten)211 Quelle, die an den Gedanken des Tales Josaphat im Buch Joel anknüpft, aber über ein anderes semantisches Umfeld verfügt. Das in 31,1-2 stehende Grhpe n%tm!ntero fällt mit dem Ausdruck di£dhma basile…aj212 von Jes 62,3 zusammen, besteht jedoch nur aus zwei Worten. Ein solch kurzes Zitat können wir nur dann eindeutig als Zitat und nicht als zufällige Wortpaarung betrachten, wenn der Verweis eindeutig auf das ursprüngliche Wortumfeld Bezug nimmt und dessen Konnotationen auf den neuen Kontext projiziert. Obwohl „Krone des Königtums“ zweifellos banal erscheint, ist das Wort doch ein markanter Ausdruck, was daran zu sehen ist, dass er im AT nur einmal vorkommt. Dadurch wäre seine Anleihe leicht identifizierbar, jedoch bezieht er sich in Jes 62,3 auf etwas anderes (auf Zion bzw. Jerusalem). Weder erklärt der biblische Text den Text des Apokryphons, noch erklärt der apokryphe Text den biblischen; andererseits muss es sich um einen sehr einfallsreichen Verfasser gehandelt haben, dem ein solch banaler Ausdruck in Erinnerung blieb. Wir können zwar die Möglichkeit einer Allusion nicht ausschließen, diese Interpretation ist aber, für sich genommen, sehr weit davon entfernt, plausibel zu sein und wir können den Ausdruck wohl kaum als Beweis für den aktiven Gebrauch des AT betrachten. Der Soter sagt in 31,1-4: „Ich nahm mir die Krone des Königtums durch das Holz“ (ebol Hm% pSe); später folgt auf eine katechetisierende Frage, woher sein Königtum sei, die Antwort (32,4-5): „Es ist durch das Holz“. Das Königtum, das durch das Holz ist, basiert auf der Septuaginta-Version eines Königspsalmes und ist offensichtlich eine christliche Interpolation. B. Fischer machte darauf aufmerksam, dass Ps (LXX) 95,10a im oberägyptischen griechischen Text und dessen bohairischer Übersetzung, sowie in einem Teil der lateinischen Texttradition mit dem folgenden Zusatz zu lesen ist: „Der Herr ist König vom Holz“ (¢pÕ toà xÚlou).213 Wenngleich Fischer 211
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Ich denke an ein Timothy, Archbishop of Alexandria, Discourse on Abbaton (W. Budge, Coptic Martyrdoms, 225-249, 474-496) ähnliches, aber vielleicht früheres Werk. – Über das Tal Josaphat siehe unten im Kommentar. Hinter der LXX steht der Ausdruck hfkUl:m vwi ni:c (Qere: vyi ni:c) des Textes von M (Kopfbund/turban laut L. Köhler/W. Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti Libros, Leiden 1958, 808b), Wir können also auch an ein solches Signum königlicher Würde denken wie etwa das sogenannte nemes-Tuch des ägyptischen Pharaos. B. Fischer, Liturgiegeschichte und Exegesegeschichte. Interdisziplinäre Zusammenhänge, JAC 30 (1987), 5-13, insbes. 7-8. Ich selbst habe im Apparat der mir zur Verfügung stehenden LXX Ausgaben, die jünger als die Fischers sind, diese Bezugnahme nicht gefunden; er selbst erwähnt, dass diese Variante in die Vulgata nicht aufgenommen wurde; jedoch nicht nur die bohairische, sondern auch die sahidische Übersetzung enthält die von ihm zitierte Ergänzung nicht.
Biblische Zitate, Allusionen und biblischer Wortgebrauch im Text
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die griechische Präposition ¢pÒ in ihrem primären Sinne übersetzt („Der Herr ist König vom Holz herab“), besteht dennoch kein Zweifel, dass es in unserem, von mir anders interpretierten Text, um dasselbe geht. Einerseits gehört in das semantische Feld von ¢pÒ nicht nur die Bedeutung ‚von her‘, ‚von herab‘, sondern umfasst auch eine ‚Bezeichnung d[es] Ausgehens e[iner] Wirkung‘, ‚Angabe d[es] Mittels wodurch d[ie] Wirkung erzielt wird; mit Hilfe von‘ und eine ‚Bez[eichnung] d[es] Urhebers‘,214 es kann also auch die griechische Variante anders verstanden werden. Andererseits – und das ist noch wichtiger – beinhaltet die sahidische Übersetzung des Psalmverses gerade das: aJis n%n%Heqnos Je a pJoIs r%r%ro ebol Hm% pSe:215 In diesem Zusammenhang richtet sich jedoch unser Augenmerk nicht auf die Ambivalenz der Deutung, sondern darauf, dass das ebol Hm% pSe, und insbesondere dieser Ausdruck im Zusammenhang mit dem Königtum nicht zufällig ist, sondern ein aus einem konkreten Psalm genommenes Zitat. Die christologische Reinterpretation der Königsherrschaft Jahwes war eine bekannte theologische Praxis. So wurde diese nicht nur im Zusammenhang mit dem eschatologischen Gericht thematisiert, sondern auch in der Karwoche bzw. in deren Liturgie. Dies war in der Kirche des Ostens und des Westens gleichermaßen Praxis und auf diese Weise konnte das von uns behandelte Theologoumenon in der Form „Regnavit a ligno Deus – Gott regierte vom Holz“ im Kreuzhymnus des Venantius Fortunatus in die Liturgia Horarum der Karwoche gelangen. Der uns zunächst schwer interpretierbar erscheinende Ausdruck gelangte also als Allusion einer heute nur weniger bekannten Psalmenvariante als bewusste theologische Reflexion in den Text des TdE. Diese Erkenntnis ist deshalb besonders wichtig, weil im Falle der anderen alttestamentlichen Zitate bzw. Allusionen nicht eindeutig – und wir können sogar sagen – auch nicht wahrscheinlich ist, dass sie unmittelbar und nicht durch das NT vermittelt, also indirekt gebraucht worden sind, während das ebol Hm% pSe, das im NT nicht vorkommt, nur auf direkte Weise in den Text gekommen sein kann. Dies weist in jedem Falle darauf hin, dass der Verfasser des Hymnus, in dessen Ohr ein solches Satzfragment widerklang, die Psalmen nicht nur kannte, sondern sie vermutlich sehr oft rezitierte. Das in 27, 6-7 stehende anok pe teHih m%pwnH% ettaeihu wirft die Frage auf, ob der Ausdruck ÐdÕj zwÁj (Prov 6,23) den koptischen Text beeinflussen konnte. Wie wir im Kommentar erwähnt haben, scheint zwischen
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W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der üblichen urchristlichen Literatur, Berlin–New York 1971, sub voce ¢pÒ, Sp. 173-174. W. Budge, The Earliest Known Coptic Psalter, London 1898, 103 Ps. 95,10. Die bohairische Variante: aJos Ken nieqnos Je a po%s% erouro ebolHi ouSe (dort Ps 95,9), Shakir Basilios Mihael (Hrsg.), pJwm nniyalmos nte dauid piprofhths, Kairo 1990.
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dem Inhalt des Kontextes der Sprüche Salomo und dem Sinn des koptischen Textes keine Beziehung zu bestehen. So gibt es außer einer eventuellen freien Assoziation keine stärkere Bindung zwischen den beiden Texten, eine solche ist deshalb auch nicht wahrscheinlich. Wir denken nicht an ein Zitat, auch nicht an eine Allusion, es handelt sich eher um ein Idiom. Auf dem 31. Kodexblatt lesen wir TnatrenaJaJe Hupotasse naI und assoziieren damit eine Polemik Jesu mit dem messianischen Titel „Sohn Davids“ (Mk 12,36; Mt 22,44; Lk 20,42) oder denken an die Pfingstpredigt des Petrus (Apg 2,34) oder an die christologische Einleitung des Hebräerbriefes (Hebr 1,13), die alle auf Ps 110,1 – „Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache“ – Bezug nehmen. Nach dem ersten Eindruck müssen wir jedoch feststellen, dass der Teil des Textes im TdE nur als eine sehr ferne Allusion angesehen werden kann, denn über die gedankliche Ähnlichkeit hinaus entspricht nur das Wort JaJe einem neutestamentlichen oder dem dahinter stehenden alttestamentlichen Vorbild. Der Unterschied zeigt sich nicht nur darin, dass alle der erwähnten Stellen die erste Hälfte des Psalmverses (im Falle von Hebr 1,13 vielleicht nicht nur die erste Hälfte) im Gedankengang einer gegebenen Argumentation als Schriftbeweis gebrauchen und die zweite, sich auf die Feinde beziehende Hälfte unbetont lassen, während gerade diese in unserem Text hier erscheint, sondern insbesondere darin, dass im koptischen Apokryph der Sprechende das Rectum (d.h. der grammatische Besitzer des Feindes) wird, und „zum Schemel deiner Füße“ ausfällt. Damit verändert sich sowohl das Subjekt als auch das Prädikat (und das Øpot£ssomai kommt in den erwähnten Stellen weder in der LXX noch im NT vor). Die Absicht der Allusion zeigt deutlich, dass hier nicht einmal in Form einer Andeutung von David die Rede ist, der Charakter des Zusammenhanges ist nicht alttestamentlich. Der Kontext ist vielmehr die neutestamentliche Eschatologie, die sich im Spannungsfeld der „Krone des Königtums durch das Holz“ und dem „Stachel des Todes“ abzeichnet. Das Wort JaJe („Feind“) wurde aus einem christologischen Grundtext der Synoptiker übernommen, aber gerade vielleicht durch den „Feind“ inspiriert gelang es, ein solches Christus Militans-Bild zu zeichnen, das im ursprünglichen synoptischen Text nicht vorkam. Die Untersuchung dieser Loci zeigt, dass sich zwar der Bibelgebrauch der Autoren der beiden koptischen Apokryphe auf das Neue Testament konzentriert, dass aber das AT nicht nur in Vermittlung durch das NT bekannt war. Das Buch der Psalmen wurde der christianisierten Version der Septuaginta entsprechend gelesen. Der Text selbst enthält zahlreiche neutestamentliche Bezugnahmen oder Anspielungen, aus dem Johannesevangelium, von den Synoptikern, von Paulus und aus der ansonsten überall mit großen Vorbehalten behandelten Apokalypse des Johannes, vermutlich infolge liturgischer Vermittlung (21,6). Die häufigen, jedoch „zerstückelten“ Zitate suggerieren den Gebrauch der Bibel als Florilegium.
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Es ist eigentümlich, jedoch gleichzeitig selbstverständlich, dass im Falle gewisser, häufiger vorkommender neutestamentlicher Ausdrücke nicht eindeutig feststellbar ist, woher der Verfasser unserer Schrift diese nimmt, so zum Beispiel die Anrede „Meine Lieben“, die in acht neutestamentlichen Schriften insgesamt 22-mal vorkommt, oder „von Anbeginn der Welt“, das in vier neutestamentlichen Schriften erwähnt wird. Manchmal ist es schwer zu sagen, ob eine bei den Synoptikern vorkommende Wendung aus Matthäus, Markus oder Lukas zitiert wurde, es gibt aber auch Ausnahmen. Ein Beispiel ist der Text in 13,3-5, der zwar nicht wortwörtlich dem koptischen Text von Mt 26,67 folgt, aber im Wortgebrauch diesem viel näher steht wie dem parallelen Mk 14,65. Es kommt vor, dass ein Ausdruck im NT an verschiedenen Stellen nicht in derselben Bedeutung benutzt wird, so z.B. e„j martÚrion aÙto‹j, welches in Mk 6,11 und Lk 9,5 „Zeugnis wider sie“ heißt, in Mk 13,9 jedoch (falls es den jeweils parallelen Mt 10,18 und Lk 21,13 entspricht) heißt es „ihnen zum Zeugnis“ (bzw. „das wird euch zu Zeugen machen“), und in Mt 8,4; Mk 1,44; Lk 5,14 ist der Verweis nicht klar. Dementspechend wird man annehmen müssen, dass KeWK 26,7-8 und 29,1-2 mit Mk 13,9 verwandt sind, obwohl der Wortgebrauch des koptischen Neuen Testaments auch an anderen Stellen eum!ntm!ntre nau ist. An anderer Stelle kann erahnt werden, dass unsere Schriften völlig eindeutig einen neutestamentlichen Gedanken verwenden, der aber in dieser Formulierung im NT nicht genau zu finden ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Anrede w% namelos etouaab „o, meine heiligen Glieder“ (20,6; 24,10; 28,1), die aus dem paulinischen sîma toà Cristoà stammt, und von Röm, 1 Kor oder Eph gleichermaßen inspiriert werden konnte. Wegen des nicht klärbaren Ursprungs der parallelen Quellen, der synoptischen Parallelen und der Allusionen der zitierten Stellen können wir keine eindeutige Liste der verwandten neutestamentlichen Loci erstellen, denn in manchem Falle handelt es sich nicht um ein Zitat, sondern es klang dem Verfasser einfach – ohne die Absicht zu zitieren – ein biblischer Ausdruck im Ohr. Wie auch die Erfahrung vieler heutigen, regelmäßigen Bibelleser bestätigt, konnte der Verfasser sowohl wortwörtlich zitieren als auch auch den Erfordernissen des Kontextes entsprechend etwas verändern. So können wir also nur feststellen, welche Bücher nicht zitiert wurden: Kol, 1 Thess, 1 Tim, Tit, Phlm, Jak, 2 Joh, 3 Joh. Das beweist aber noch nicht, dass alle der anderen Bücher Einfluss auf die Schriften unseres Kodex ausgeübt haben, denn die Tatsache, dass die anderswo nicht zitierten Schriften 2 Kor, 1 Petr, 2 Petr oder Jud auch die Anrede „meine Lieben“ enthalten, macht die Annahme noch nicht zwingend, dass diese gerade von einem dieser Bücher genommen wurde und nicht aus 1 Kor oder 1 Joh. Aber auch die Art des Zitierens kann unterschiedlich sein, beispielsweise das den Worten des Petrus im Johannesevangelium sogar zweimal entliehene (6,10-11 und 10,3-5), aber nicht wortwörtlich zitierte penJoeis auw pennoute (Joh
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20,28) johanneische Glaubensbekenntnis, ist zweifellos eine Allusion. 6,7-8 ist möglicherweise ein neutestamentliches Zitat oder auch nur eine Allusion. Aufgrund von dessen Banalität ist auch vorstellbar, dass der Verfasser, ohne die Absicht zu zitieren, seine Aussage spontan so formuliert hat, denn bei dem Ausdruck aFouwSb% n%Gi petros peJaF naF („Petrus antwortete ihm und sprach“), auch wenn er in Mt 14,28 (und nur dort) in dieser Form vorkommt, folgte die uns überlieferte koptische Kodextradition des Matthäusevangeliums dem griechischen Text noch enger: aFouwSb% de naF n%Gi petros eFJw m%mos, ¢pokriqeˆj de aÙtù Ð Pštroj e‹pen. Aber auch wenn dies das genaue Zitat einer uns nicht überlieferten Textvariante wäre, würde es keinerlei theologische Relevanz besitzen. Soviel kann mit Sicherheit festgestellt werden, dass die vier Evangelien, Apg, Hebr und Offb nicht nur im Wortgebrauch, sondern auch theologisch bestimmend auf die beiden Apokryphen gewirkt haben. Aus den Zeilen 12,10-13,7 des Kodex erhalten wir interessanterweise – bei einem herausragend wichtigen Teil, in dem der Verfasser dem Soter die während der Passion erlittenen Demütigungen in den Mund legt – ein der biblischen Beschreibung widersprechendes Bild. Dies überrascht, denn die Nichterwähnung, die Ergänzung oder Überbetonung von einem Sachverhalt wäre eine annehmbarere Methode zur Heraushebung der eigenständigen theologischen Gewichtung eines Apokryphs. Die Passion ist das Herzstück des Evangeliums, hier würden wir natürlicherweise von einem Apokryph Treue erwarten. Der Erlöser berichtet in der ersten Person im WdE, dass die Juden ihm Schmähworte sagten, ihn bespuckten, mit der Faust bedrohten und ihm eine Dornenkrone aufsetzten. Die Passion wird von allen vier Evangelien beschrieben. Joh 19,1-3 schreibt die Verspottung Jesu gänzlich Pilatus und den römischen Soldaten zu und macht die Juden, im Gegensatz zu unserer Schrift dafür nicht verantwortlich. Auch die Synoptiker bestätigen den obigen Text nicht, in welchem die Chronologie umgeworfen wird. Die am Kreuz erlittenen Schmähungen (Mk 15,29; Mt 27,39; Lk 23,39) gehen in unserer Schrift der, noch Donnerstag Nacht vor dem Sanhedrin geschehenen Bespuckung und Schlagung (Mt 26,67; Mk 14,65) und der Freitag Vormittag im Praetorium geschehenen Spottkrönung (Mk 15,17; Mt 27,29-30; Joh 19,2) voraus. Es muss erwähnt werden, dass nicht nur Joh 19,2, sondern auch die synoptische Tradition die Dornenkrönung nicht den „jüdischen Gesetzesverletzern“, sondern den römischen Soldaten zuschreibt, und dies hätte der Verfasser der Schrift – wer und wo auch immer das gewesen sein mag – wissen müssen. Hier kann also eine antijudaistische Tendenz ausgemacht werden. Die Umdeutung ist auch in der Paraphrase von 17,6-10 zu sehen, wo der Soter die Worte von Mt 25,35-38 heraufbeschwört. Wie dort der Menschensohn „auf dem Thron der Herrlichkeit sitzen wird“ (kaq…sei ™pˆ qrÒnou dÒxhj aÙtoà Mt 25,31), so setzt sich der Erlöser in unserer Schrift auf den Thron der Herrlichkeit (eJm% paqronos m%peoou), und wie in
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dem (gleich zu erwähnenden) Tal Josaphat Gericht über p£nta t¦ œqnh gehalten wird, so werden vor den Menschensohn p£nta t¦ œqnh (Mt 25,32) versammelt, und wie der Menschensohn zu seiner Rechten (™k dexiîn aÙtoà Mt 25,33) die Schafe auf die Seite des Heils stellt, so stellt der Soter zu seiner Rechten (n%taounam) das Unterpfand des Heils, das Kreuz – für alle, die den Hungrigen speisten, den Durstigen zu trinken gaben, den anzogen, der nackt war. Aber während im Evangelium die Grundlage des Gerichtes, genauer des Erbarmens des Königs über die Menschen ist (Mt 25,34), dass die begnadigten „Schafe“ ihm zu essen und zu trinken gaben, ihn in seiner Nacktheit bekleideten, dass also die „Schafe“ aufgrund ihrer Taten Heil erlangen, erlangen im WdE diejenigen Gnade, „die glaubten an das Kreuz von ganzem Herzen“ (ouon nim n%taupisteue m%pest?a?uros H\mpeuHht thr\F:), sie werden durch Glauben selig. Dass sie dem Bedürftigen zu essen, zu trinken und Kleidung gaben, ist für ihr Heil nicht ausreichend. Die guten Werke reichen, wie wir im Kommentar geschrieben haben, nur dazu aus, dass diejenigen, die an das Kreuz glauben (und wahrscheinlich nur sie) während des Sturmes des Gerichtes – in ihrer Angst – Schutz „im Schatten des Kreuzes“ (HaqaIbes m%pestauros) finden werden. Die Ausdrücke ähneln zwar den Worten von Mt 25,35ff., der wesentliche Unterschied besteht aber nicht darin, dass im koptischen Text ausgelassen wurde, dass sie den Fremdling aufnahmen (Mt 25,35), dass in der Parallele des Evangeliums der „König“ als der Hungernde, Durstende in der ersten Person Singular von sich spricht, dass bei Matthäus die Helfenden in der zweiten Person Plural angesprochen werden, hingegen im koptischen in der dritten Person und dass die Reihenfolge innerhalb der Stichoi konsequent vertauscht wird („Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben“ vs. „Sie ... den Durstigen tränkten“). Der wesentliche Unterschied ist theologischer Art: Diese guten Werke verlieren, wenngleich sie einen relativen Wert besitzen, was beim Gericht sehr wichtig sein wird, in Bezug auf die pistis etwas von ihrer Bedeutung, weil sie nunmehr keine absolute soteriologische Relevanz haben. Zwei Glaubenshaltungen stemmen sich gegeneinander, die eine sehr grundsätzliche Frage zum Ausdruck bringen. Diese wurde in späterer Zeit in der europäischen Theologiegeschichte als der Gegensatz von „Werkgerechtigkeit“ und „Rechtfertigung durch den Glauben“ diskutiert.216 Die trinitarische Doxologie in 21,8-22,2 ist zwar nicht streng biblisch, es besteht aber kein Zweifel, dass sie von der johanneischen Theologie (Joh 10,38; 14,10-13; 17,21) inspiriert wurde. Die Formel „Vater im Sohn“ ist im griechischen Text von Joh 14,13 in dem Ð pat¾r ™n tù uƒù genau so
216
Vgl. hierzu grundsätzlich die Artikel C. Peters, Werke IV (Kirchengeschichtlich), TRE 35, 623-648, G. Sauter, Rechtfertigung IV-VI, TRE 28, 315-352 und die dort angegebene Literatur.
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zu finden und entspricht vollkommen der koptischen Formulierung unseres Textes, in der koptischen Übersetzung des Johannesevangeliums jedoch wird zwischen diese Worte ein Prädikat gesetzt: ere peiwt Jieoou Hm% pShre.217 Wir sehen, dass wir es mit kurzen Halbsätzen oder mit jeweils einem Ausdruck und nicht mit längeren Bibelzitaten zu tun haben, die das koptische Apokryph auch nicht kommentiert. Es gebraucht sie nicht einmal als Schriftbeweis und deswegen besitzen diese also keinerlei philologisches Interesse. Dementsprechend schreibt der Verfasser nicht aus einer vor ihm liegenden koptischen Bibel philologisch genau ab, sondern zitiert aus der Erinnerung ihm vertraute Sätze. Deshalb sollten wir nur mit größter Vorsicht vorgehen, wenn wir aufgrund des Textes des uns vorliegenden Apokryphs etwas hinsichtlich der von ihm verwendeten Bibel feststellen wollen (in Bezug auf den ihm bekannten Text, auf eine Variante, Textfamilie, usw.). Wir können jedoch feststellen, dass der Verfasser den Text nicht selbst aus dem griechischen NT ins Koptische übersetzt hat, sondern dass er sich stabil auf ein schon existierendes koptisches NT stützt, denn er könnte wohl kaum den Text des griechischen NT so regelmäßig ins Koptische übersetzen, wie dies von ihm unabhängig später, anderswo ein anderer koptischer Übersetzer getan hat. Die Tatsache jedoch, dass er die biblischen Loci nicht übersetzt, sondern dass dies Einlagen sind, die er nur in das Apokryph einfügt, wird später für uns in hermeneutischer Hinsicht von großer Bedeutung sein. Es ist deshalb ausgeschlossen, dass diese biblischen Textteile, Zitate oder Allusionen darüber Aufschluss geben, ob das gesamte Apokryph selbst aus dem Griechischen übersetzt wurde oder vielleicht in Ägypten in koptischer Sprache entstanden ist. Das in 8,7 vorkommende petre beispielsweise, von dem ich selbst früher auch dachte, dass seine von der üblichen koptischen Form abweichende, den griechischen Vokativ bewahrende Form die Hypothese eines griechischen Grundtextes unterstützt, wenn wir an eine Übernahme von Lk 22,34 denken, kann nicht als Beweis für ein griechisches Vorbild des Apokryphs betrachtet werden, sondern nur als ein biblisches „Zitat“ oder als eine „Paraphrase“.218 217
218
G. Horner, The Coptic Version of the New Testament in the Southern Dialect Otherwise Called Sahidic and Thebaic, Oxford 1911-1924; mit kaum abweichender Orthographie ere piwt Ji eoou Hm% pShre H. Quecke, Das Johannesevangelium saïdisch. Text der Handschrift PPalau Rib. Inv.-Nr. 183, Roma–Barcelona 1984. Die Frage nach der ursprünglichen Sprache kann, wie bekannt, außerordentlich schwer beantwortet werden und die Argumente und Gegenargumente stehen in der Regel auf unsicherem Boden (es sei auch nur auf die Diskussion um die ursprüngliche Sprache des EvdE verwiesen, die im Abschnitt „Tanz des Erlösers um das Kreuz“ erwähnt wird; vgl. auch den Abschnitt I.1.3. bei H. Förster, Transitus Mariae, dessen ungedrucktes Manuskript mir dankenswerterweise zur Verfügung stand). Auch in unserem Falle hängt die Antwort von hermeneutischen Entscheidungen ab, weil die Frage besteht, ob ein einziges Wort (petre) überhaupt als biblisches Zitat betrachtet
Biblische Zusammenhänge
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Im Text des Kodex können wir wohl kaum postbiblische Allusionen erkennen. Der Verfasser wurde vielleicht bei der Formulierung des poeik n%atmou, „unsterbliches Brot“ von dem Brief des Ignatius von Antiochia an die Epheser beeinflusst (20,2).219
Biblische Zusammenhänge: Wort des Erlösers: 3,1-4 3,8-10 4,6
5,1-3 6,7-8 6,10-11 8,9-10 8,7 10,3-5 11,1-3 11,1
12,6 13,1
219
Ein Wort, das unser Erlöser und unser Herr Jesus der Christus Offb 1,1 bevor er (in die Himmel) aufgenommen wurde Apg 1,2 Meine Lieben! Röm 12,19; 1 Kor 10,14; 2 Kor 7,1; 12,19; Hebr 6,9; 1 Petr 2,11; 4,12; 2 Petr 3,1.8.14.17; 1 Joh 2,7; 3,2.21; 4,1.7.11; Jud 3.17.20 bevor er in die Himmel aufgenommen wurde Apg 1,2 Petrus antwortete ihm und sprach Mt 14,28 Unser Herr und unser Gott Joh 20,28 Miterbe Röm 8,17; Hebr 11,9 „Petre“ Lk 22,34 Unser Herr und unser Gott Joh 20,28 an dem du in Gerechtigkeit richten wirst Apg 17,31; Offb 19,11 an jenem Tag Mt 7,22; Mk 2,20; Lk 5,35; 10,12; Mt 24,19; Mk 13,17.24; Mt 24,38; Lk 17,31; Lk 6,23; 19,42; Joh 14,20; Röm 2,5.16; 2 Thess 1,10; 2 Tim 4,8; 1 Joh 4,17; Offb 9,6. meine Brüder (zu den Jüngern!) Mt 28,10; Joh 20,17 die Flüche Mk 15,29; Mt 27,39; Lk 23,39
werden kann (und ob es solchermaßen aufgrund der oben angeführten Theorie das Problem der Originalsprache entscheiden kann). Es kann aber kaum ein Zufall sein, dass der einzige neutestamentliche Vokativ Pštre im koptischen Text P. Palau Rib. Inv.-Nr. 181 an derselben Stelle mit demselben griechischen Vokativ petre wiedergegeben wird (was für ein Zitat spricht). Dies ermöglicht uns den Wortgebrauch in 8,7 dennoch als Zitat zu sehen. – Zum Problem der „koptischen“ Literatur siehe T. Orlandi, Coptic Encyclopedia, Bd. 5, s.v. Literature, Coptic, 1450-1460. Es kann sich höchstens um eine Allusion handeln, da bei Ignatius weder ¥rtoj ¢q£natoj noch ¥rtoj ¢qanas…aj vorkommen, sondern es geht darum „dem Bischof und dem Presbyterium zu gehorchen mit ungeteiltem Herzen, ein Brot brechend, das ist das Gnadenmittel der Unsterblichkeit, das Gegengift wider den Tod, allzeit zu leben in Jesu Christo“ (Übers. G. Krüger, in: E. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen–Leipzig 1904, 119), e„j tÕ ØpakoÚein Øm©j tù ™piskÒpw kaˆ tù presbuter…w ¢perisp£stw diano…a ›na ¥rton klîntej, Ój ™stin f£rmakon ¢qanas…aj, ¢nt…dotoj toà m¾ ¢poqane‹n, ¢ll¦ zÁn ™n 'Ihsoà Crostù di¦ pantÒj (O. Gebhardt/A. Harnack/Th. Zahn, Patrum Apostolicorum Opera, Bd. II, Ignatii et Polycarpi epistulae martyria fragmenta, Leipzig 1876, 26).
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13,3-5
sie bespuckten mich, sie schlugen auf mich ein Mt 26,67 (Mk 14,65) 13,6-7 sie setzten mir eine Dornenkrone auf Mk 15,17; Mt 27,29-30; Joh 19,2 15,3-5 ich nehme den Thron der Herrlichkeit ein Mt 25,31; 19,28 15,10-16,1 im Tal Josaphat Joel 4,2.12 17,6-10 obwohl sie den Hungrigen speisten… Mt 25,35-38 19,5-7 sie ins Himmelreich eingehen Mt 5,20; 7,21; 18,3; 19,23 19,7-9 sie werden das ewige Leben erben Mt 19,29; Mk 10,17; Lk 10,25; 18,18 20,5-6 meine heiligen Glieder 1 Kor 12,12-27; Röm 12,4-5; Eph 5,30; 1 Kor 6,15 21,9-10 Vater im Sohn Joh 14,13 22,8-10 dass wir Erbarmen und Gnade finden 2 Tim 1,18; Hebr 4,16 23,1-2 richten wird in Gerechtigkeit Apg 17,31; Offb 19,11 23,3-5 von Ewigkeit zu Ewigkeit Mt 6,13 Tanz des Erlösers: 24,3 auf dem Ölberg Mt 26,30; Mk 14,26; Lk 22,39 25,5-6 Ich bin in eurer Mitte, wie diese kleinen Kinder Mt 18,1-5, Mk 9,33-37; Lk 9,46-48 25,7-9 (noch) eine kleine (Weile) bin ich bei euch in eurer Mitte Joh 7,33; 12,35; 13,33; 14,19; 16,16-17 26,2 erhöhe mich Joh 12,32-33 26,7-8 Zeugnis für sie Mk 13,9 27,6-7 ich bin der Weg des Lebens, der vorzügliche Joh 14,6; Prov 6,23 27,8-9 ich bin das unsterbliche Brot Joh 6,35 27,9 esst Mt 26,26 29,1-2 Zeugnis für sie Mk 13,9 30,4-5 du deinem Vater gehorchtest Mt 26,39; Mk 14,36; Lk 22,42 31,2-3 die Krone des Königtums Jes 62,3 LXX 31,3-4 durch das Holz Ps (LXX) 95,10 31,4-6 meine Feinde werde ich unterwerfen Mk 12,36; Mt 22,44; Lk 20,42; Apg 2,34; Hebr 1,13 – Ps 110,1 (Ps [LXX] 109,1) 31,9 der Stachel des Todes 1 Kor 15,55-56 31,11 der eingeborene Sohn Joh 3,16.18; 1 Joh 4,9 32,5 durch das Holz Ps (LXX) 95,10 32,13-33,1.2 von Anbeginn der Welt Mt 25,34; Lk 11,50; Hebr 4,3; 9,26; Offb 13,8; 17,8 (weitere Variante: Mt 13,35; Joh 17,24; Eph 1,4; 1 Petr 1,20)
Hymnen
33,2-5 33,11 33,12-13
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ich bin das Alpha… Offb 21,6 wir lobten Gott Mk 2,12; Mt 9,8; Lk 5,25-26; Mt 15,31; Lk 7,16; 13,13; 17,15; 18,43; 23,47 sein ist das Lob… Hebr 13,21; Röm 16,27; Gal 1,5 gemäß dem koptischen NT; Gal 1,5; Phil 4,20; 2 Tim 4,18 gemäß dem griechischen NT
Hymnen Der TdE erwähnt – wenn wir die Hymnen und Reigen des Soter als Synonyme verstehen – zahlenmäßig vier Kreuz-Hymnen, aber gerade bei dem Ende des vierten (31,7 oder 9, je nach Einteilung) lassen sich Spuren der Redaktion erkennen: die Veränderung des sprechenden Subjektes, der Wechsel vom Hymnus zur Katechese, der bis dahin nicht auftretende trinitarische Charakter. Von 33,2 an spricht wieder der Soter, hymnisch, aber nicht mehr den Kreuz-Hymnus singend. So gesehen könnten wir auch von fünf Hymnen des Soter sprechen. Aber gerade die Unklarheit über den vierten Hymnus, genauer gesagt, über den darauf folgenden Text weist eindeutig darauf hin, dass wir die Hymnen in ihrer vorliegenden Form so ansehen müssen, als ob sie sich gerade im Stadium der Redaktion befänden und als ob mit der Niederschrift des Kodex ihr Text in einem bestimmten kirchengeschichtlichen, dogmengeschichtlichen und liturgiegeschichtlichen Moment erstarrt und in Form der Nachwelt überliefert worden wären. Da es sich aber in der lebendigen liturgischen Praxis nicht unbedingt so verhielt, dass die Zeilen der Hymnen, gleich in sich festen, einzelnen Steinchen eines größeren Mosaiks unveränderlich waren, konnten sie innerhalb des Ganzen an verschiedenen Stellen eingefügt und auch ausgetauscht werden. Dass sie auch im gegebenen Falle ausfielen oder hineingerieten, wird von mehreren Dingen wahrscheinlich gemacht. Die Möglichkeit der Veränderung in der lebendigen liturgischen Praxis und die Fixierung des Textes sind paradoxerweise gleichzeitig anwesend. Ein gutes Beispiel dafür sind die zahlreichen Inkonsequenzen der sieben Hymnen im LibBarth (Ms C 29-36).220 Wenn sie auch im Himmel erklingen, wo Bartholomaeus sie in seiner Vision erlebt, sind sie doch Spiegelbilder der realen Liturgie. Die Zahl der Hymnen ist ungewiss: Der zweite Hymnus fehlt, aber der siebente wird als „achter“ bezeichnet.221 Es gibt solche, die von den 220
221
M. Westerhoff, Auferstehung, 123-147. Es wird im Folgenden von „Hymnen“ gesprochen werden, die der koptische Text selbst expressis verbis so benennt. Selbstverständlich ist dies nicht das Kriterium des Hymnus. Dem sechsten Hymnus (pmeHsoou nHumnos n%ten%aggel?o?[s]) folgt ein ungezählter Hymnus und danach kommt [pmeHSmou]n? nHumnos n%adam [der acht]e Hymnus des Adam, C 35, 8-9. (bei M. Westerhoff, a.a.O. aus Versehen als „[Der siebe]n[te] Hymnus“ übersetzt).
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Cherubim, Seraphim, Kräften, Mächten, Alten und Propheten (I.), solche, die von den 14 Erzengeln222 und solche, die von Adam gesungen werden;223 manche sprechen Gott an, manche Jesus,224 manche den König der Äonen225 oder die Trinität,226 der Hymnus Adams richtet sich an die Engel und die Gerechten der Erde (VII.).227 Der eine Hymnus besteht aus litaneiartigen, monotonen Doxologien (peoou nak), deren Zahl nicht auszumachen ist. Die Zeilen könnten auch vertauscht werden, so wie die mit peoou nak beginnenden Strophen überall einfügbar wären.228 Ein anderer Hymnus (der fünfte) macht eher den Eindruck eines Zauberspruchs. Ihr Charakteristikum besteht in dem unwiderstehlichen Pulsieren des auch durch die Handschrift durchziehenden Rhythmus und in den zeilenschließenden amen. Auch die Hymnen des TdE sind ebenso vielfältig. Der erste Hymnus wird eingeleitet durch n%taHumneue m%pestauros (24,11-12) und abgeschlossen von n%tereFJwk de ebol n%Humnos (27,1-3), der zweite trägt den Titel pmeHsnau n%Humnos m%pestauros (27, 5-6), der dritte wird in der Form taxoreue m%pesX!os m%pmeHSom!nt (28,2-4) begonnen, während über dem vierten wieder ein regulärer Titel steht, nämlich tmeHFto n%xoria m%pestauros (29,6-7). Beim ersten und beim dritten Hymnus wird ein Verb gebraucht, jedoch am Ende des ersten und zu Beginn des zweiten und vierten (wo die Überschrift zu lesen ist) je ein Substantiv. Die beiden ersten sind Hymnen bzw. Hymnengesänge, der dritte und der vierte sind Reigen bzw. Reigentänze. Semantisch gesehen handelt es sich bei allen um dasselbe. „Hymnus bezeichnet ein von Gebet und Lied schwer abzugrenzendes literarisches Genus, das mehr inhaltlich als gesungener Lobpreis Gottes denn formal zu bestimmen ist“.229 Sowohl im Falle des „Hymnus“, als auch des „Reigens“ gehen wir mit Recht davon aus, dass wir an die im Orient bis heute übliche, über eine Melodie verfügende, rezitierende Vortragsweise denken müssen (über dessen „Melodie“ wir kaum mehr als Allgemeines aussagen können), wir werden jedoch sehen, dass in unserem Falle diese Hymnen das Lob Gottes ziemlich weit gefasst verstehen. Der gemeinschaftliche Charakter der Reigen ist plausibel, aber der Text sagt expressis verbis, dass der Soter auch im Falle des Hymnus, wo er spricht, singt, rezitiert, „seine heiligen Glieder“ um sich versammelt und diese mit dem responsorischen amen in den Gesang einbezieht. Ungeachtet dessen
222 223 224 225 226 227 228 229
C 32,27-33,16. C 33,13-34,25. C 31,1-18. C 33,17-22. C 33,17-22 und 33,24-34,9. C 34,13-34,25. Beispielsweise C 36, 6-10, M. Westerhoff, Auferstehung, 146. M. Westerhoff, Die Hymnen im koptischen „Buch der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus“ (Liber Bartholomaei), HBO 26 (1998) 97-117, besonders 108.
Hymnen
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sind diese Hymnen nicht die Hymnen der Gemeinschaft. Die emphatischen „Ich-bin“ Sprüche, das Sprechen in der 1. Person Singular und die Hervorhebung des persönlichen Schicksals des Soter schließen aus, dass dies jemand von den ihn Umstehenden mit ihm gemeinsam sagt. Trotz des Vorhandenseins der formalen Merkmale sind diese Hymnen betont individuelle Hymnen und keine Gemeindehymnen. Dies schließt freilich nicht aus, dass sie in der liturgischen Praxis der Gemeinde ihren Platz hatten. Gewiss hat Westerhoff recht, wenn er sagt, „daß das Osterfest einen herausragenden Anlaß für die Entfaltung des altchristlichen Hymnus bot“,230 auch dann, wenn die Karwoche als eine Art Präludium dazuzurechnen ist. In unserem Falle benennt die Rahmengeschichte die Zeit vor der Kreuzigung (m%patoustaurou m%moF 24, 4-5). Dass der zweite Hymnus, anders als die anderen, das Kreuz nicht direkt erwähnt, lässt sich einerseits mit seiner außerordentlichen Kürze erklären, andererseits verweist seine Überschrift, genau wie bei den anderen drei Hymnen, auf das (schon stehende) Kreuz. Zwar nehmen wir in unserer Interpretation die Behauptung des TdE, dass der Soter und seine Jünger um das Kreuz herum Reigen tanzen, ernst, doch wird im Folgenden nur die literarische Gestalt der „Tänze“, also die Hymnen, untersucht. Die vier Hymnen des Soter können wir relativ leicht in Stichoi aufschreiben, denn der Text wird durch die wiederkehrenden amen, die w% pestauros-Anreden und die Wiederholung einzelner Zeilen strukturiert. Gut erkennbar sind auch die zeilenbeginnenden Prädikate,231 usw. Unser Kodex bricht freilich den Text nicht um, deshalb verbirgt der geschriebene Text die Struktur der Hymnen. Wenn wir jedoch den Umbruch vornehmen, dann entfalten sie sich. Wenn auch die Zeilen nicht gleich lang werden und die verschiedenen Forscher den Text des Kodex vielleicht anders gliedern würden, herrscht diesbezüglich sicher Übereinstimmung, dass diese Hymnen sehr kurz sind: Der I. Hymnus ist unserer Deutung zufolge 11-zeilig, der II. Hymnus 2-zeilig, der III. Hymnus 6-zeilig, während wir nach der Überschrift tmeHFto n%xoria m%pestauros nicht eine einzige, sondern zwei (eventuell drei) hymnische Einheiten lesen, von denen die erste Einheit, der eigentliche IV. Hymnus 4-zeilig ist (diesen werde ich als IV.a Hymnus bezeichnen). Dann, nach der eingefügten Doxologie der Jünger (Äquivalente des „dÒxa soi“), spätestens mit der Zeile 30,10 aouwn n%tekxaris w% paeiwt beginnend, folgt ein erneuter 4-zeiliger Hymnus (IV.b). (Zwar ist anok pe? alfa ... eine aus 6 Stichoi bestehende hymnische Selbstoffenbarung, aber mit Gewissheit nicht ein Kreuz-Hymnus.)
230 231
Ebd., 108. Beachtenswert ist, dass im Text von 31,7-8 pJaJe naouws\F ebol Hit\m pestauros, das verbale Prädikat gerade beim letzten Stichos des 4. Hymnus an den zweiten Platz gelangt. Die Zugehörigkeit dieses Stichos zu dem Hymnus ist zweifelhaft.
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Zwei koptische Apokryphen aus Nubien
Die liturgischen Hymnen wurden, zumindest dem Zeugnis des I. und II. Hymnus nach, auch sekundär in der Liturgie verwendet. Diese Umarbeitung kann in der den Hymnen folgenden Zeile ausgemacht werden: „Als er aber den Hymnus beendete, antworteten wir alle darauf: amen“ (27,1-4), „Wir antworteten darauf: Amen“ (27,10-12). Dieses „Wir antworteten darauf“ ist die Stimme der den Soter umringenden Apostel, jedoch unmittelbar davor, in der letzten Zeile der aus dem Munde des Soter erklingenden Hymnen (I.11 = 27,1; II.2 = 27,10) erklang schon einmal ein amen. Es ist offensichtlich, dass dieses wohl nicht vom Soter gesprochen wird, sondern dass die anwesende Gemeinde auf den vom Liturgen rezitierten SoterHymnus antwortet. Die in dieser Art fixierte Variante wurde vom Verfasser des TdE niedergeschrieben und während er sie in den Mund des Erlösers legte, musste er notwendigerweise – weil vom Soter erbeten – die Apostel ein erneutes amen sagen lassen. Den Hymnen und Reigen des Kasr el-Wizz Kodex Ähnliches kommt wohl in der Literatur der altchristlichen Zeit nicht vor, abgesehen von dem im Kommentar erwähnten Ersten Buch Jeû 41, in dem eine ähnliche Szene beschrieben ist und wo der in 25 Strophen gegliederte Hymnus in jedem Falle von dem dreifachen amen der Zwölf begleitet wird, wo aber von Reigen keine Rede ist.232 Nur die im Kommentar angeführten Acta Johannis 94-96 helfen, einen so gearteten Tanz und Hymnus zu analysieren. Die erzählte Situation ist dort sehr ähnlich: Jesus ruft vor seiner Auslieferung an die jüdischen Behörden seine Jünger zum Gott verherrlichenden Reigen und die Jünger müssen auf seinen Hymnus regelmäßig mit amen antworten. In den Hymnen sehen wir jedoch nicht die Erzählung der Geschichte, sondern eine bewusst choreographierte Liturgie. Dies veranlasste A. J. Deweyt233 zu der Feststellung, dass gerade die mit dem Tanz verbundenen Instruktionen und alles, was dem Ganzen einen liturgischen Charakter verleiht, in sekundärer Beziehung zu den Selbstoffenbarungen stehen. Seine Fragestellung lautet, welche hermeneutische Überlegung des Redaktors dahinterstand, die durch das Amen noch nicht erweiterte, sonstige sekundären Einschübe noch nicht enthaltende (rekonstruierte, oder zu rekonstruierende), ursprüngliche Erzählung in die uns heute bekannte Form des liturgischen Tanzes umzuformen. Seine Herangehensweise ist auch dann interessant und methodologisch nützlich, wenn wir den Tanz als „hermeneutisches Mittel“ (in unserem Falle im Zusammenhang mit der Deutung der Erzählung der Auseinandersetzung mit dem Kreuz) nicht in vollem Maß für erstrebenswert halten. Seiner Exegese zufolge enthält der kohärent erscheinende Text von ActJoh sieben Einheiten, die alle eine Redaktion erfahren haben. Für uns ist selbstverständlich über die 232
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„Die Tanz- oder Reigenbewegung ist hier nicht besonders genannt, wohl aber mitgedacht“ – behauptet Fr. J. Dölger, Klingeln, AuC I. 253, wenngleich dies durch nichts gestützt wird. A. J. Dewey, The Hymn, 67-80.
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ähnliche Rahmenerzählung hinaus das sich 28-mal wiederholende (sekundäre) liturgische amen am interessantesten, darüber hinaus gibt es aber auch andere, sich ebenfalls aus der Struktur ergebende Ähnlichkeiten, wie zum Beispiel die Wiederholungen des zeilenbeginnenden dÒxa soi, im trinitarischem Zusammenhang und am Ende der Hymnenreihe. Die „Ich bin“-Offenbarungen sind zwar nicht in der üblichen Form des ™gè e„mi formuliert, LÚcnoj e„m… soi tù blšpont… me. ”EsoptrÒn e„m… soi tù nooànt… me. QÚra e„m… soi kroÚont… me. `OdÒj e„m… soi parod…tV.234
'Am»n. 'Am»n. 'Am»n.
jedoch ist die Selbstoffenbarung unmissverständlich eine solche, ähnlich der im II. Hymnus des TdE, anok pe? teHih m%pwn\H ettaei[hu] anok pe poeik n%atmou: ouwm n%tet\nsei/
amhn: amhn:
Allem Anschein nach hat auch unser Hymnen-Kranz eine Redaktion erfahren. Die Disproportionen sowie die Zusammenfügung der für sich stehenden Hymnen IV.a und IV.b, die zusätzlich auch vom StraßbFrg bestätigt wird (siehe unten), verweisen darauf, dass sogar mehrere Redaktionen vorgenommen worden sein müssen. Durch die Rückverfolgung der Arbeit des Redaktors würden wir jedoch kaum zu einer „ursprünglichen Erzählung“ gelangen. Die Arbeit des Redaktors bestand also nicht darin, dass er eine einheitliche Erzählung zu einem Tanz oder zu einem Kranz von Tänzen gestaltete, sondern es war eher so, dass er die Zeilen eines (offenbar schon vorhandenen) Hymnus oder von Hymnen so zusammenstellte, wie es seiner Meinung nach die Liturgie erforderte. (Daran kann später eventuell die Textverderbnis noch etwas verändert haben.) Der Forscher hat den Eindruck, dass im Kasr el-Wizz Kodex – gemäß dem Anspruch des aktuellen Liturgen (oder Redaktors) – sowohl die Zahl der Hymnen als auch innerhalb derer die Zahl der Stichoi beliebig vermehrt werden, hinzugefügt, oder entfernt werden konnte, ohne dass die Struktur des Werkes umgeworfen wurde.235 Es ist 234
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Am Ende des 95. caput. Es ist interessant, dass gerade am Ende des letzten Stichos das Amen fehlt, wo wir es am ehesten erwarten würden. E. Junod/J.-D. Kaestli, Acta Ioannis emendieren deshalb den Text: QÚra e„m… soi kroÚont… me. 'Am»n. `OdÒj e„m… soi parod…th.