Konfliktmanagement in Zentralasien 9783205790594, 9783205785651


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German Pages [256] Year 2010

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Konfliktmanagement in Zentralasien
 9783205790594, 9783205785651

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Internationales Institut für Liberale Politik Wien

Schriftenreihe zur internationalen Politik Band 3

Dieses Buch ist ein Ergebnis des Projektes Konfliktmanagement im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung

Erich Reiter (Hg.)

Konfliktmanagement in Zentralasien

Böhl au Ver l ag Wien · Köln · Weim a r

Redaktionelle Beratung: Mag. Werner H. Lackner

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek  : Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie    ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http  ://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78565-1 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ­insbesondere die der Über­setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von ­Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf ­fotomechanischem oder ­ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Daten­ver­arbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http  ://www.boehlau.at http  ://www.boehlau.de Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck  : Balto print, Vilnius

Inhaltsverzeichnis

Hansrudolf Kamer · Erich Reiter Vorwort und Einleitung  : Globalpolitische Aspekte zur Zentralasienpolitik 7 Herausgeber und Autoren 9

Peter W. Schulze Das Ringen um die zentralasiatischen Energie- und Rohstoffressourcen 13 Hansrudolf Kamer Globalpolitische Aspekte der westlichen Zentralasienpolitik 73 Uwe Halbach Die „islamistische Gefahr“ als sicherheitspolitisches Problem in Zentralasien 83 Uwe Halbach Militanter Islamismus  : Brücke zwischen Zentralasien, Afghanistan und Pakistan  ? 97 Markus Kaim Die Zentralasien-Politik der USA 107 Gudrun Wacker Chinas Engagement in Zentralasien  : Beitrag zur Stabilisierung  ? 127



Inhaltsverzeichnis

Andrei Zagorski Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien 137 Franco Algieri Die Zentralasienpolitik der Europäischen Union  : erste Versuche eines strategischen Ansatzes 159 Eugene Kogan The Armed Forces of Central Asia in 2009 177 Hüseyin Bağcı Turkey in Central Asia 205 Aschot Manutscharjan Irans Politik in Zentralasien 219

Hansrudolf Kamer · Erich Reiter

Vorwort und Einleitung  : Globalpolitische Aspekte zur Zentralasienpolitik

In der westlichen Politik nimmt Zentralasien einen bescheidenen Raum ein. Es ist ein sekundärer Schauplatz, der allerdings durch den Krieg in Afghanistan und die selbstgewählten Unsicherheiten bei der Energieversorgung vor allem Europas eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Dabei spielt die Konkurrenz der westlichen Staaten untereinander und mit Russland eine Rolle. Wenn Moskau versucht, seinen Einfluss in den ehemaligen Republiken der UdSSR zu erhöhen, so trifft das einerseits auf den Widerstand in diesen Republiken selbst. Diese haben sehr gut gelernt, wie man Konkurrenten gegeneinander ausspielt. Das russische Bestreben, die Interessensphäre auszudehnen, stößt aber auch auf Widerstand im Westen. Der Konkurrenzkampf mit dem Westen in dieser Region sollte für Moskau leichter sein, denn die materiellen Vorteile – und auch immaterielle – liegen auf russischer Seite. Größe, Ressourcen, Manövrierraum, die Möglichkeiten einer wohldurchdachten Strategie, die man längere Zeit durchhalten könnte, sprechen alle für Russland. Andererseits aber bilden Russland und der Westen auch eine – wenngleich fragile – Interessengemeinschaft gegen den Terrorismus und den militanten Islamismus. Man muss sich eingehend mit den islamistischen Herausforderungen im breiten Spektrum sicherheits- und stabilitätspolitischer Probleme in Zentralasien auseinandersetzen. Würde doch Zentralasien die geografische Basis für einen globalen Terrorismus darstellen, sollten sich die Taliban in Zentralasien durchsetzen. Welche Auswirkungen über Zentralasien hinaus, insbesondere auf Russland und Pakistan hätte das  ? Schließlich kann auch die Beziehung Indiens zu Pakistan dadurch wesentlich beeinflusst werden und damit die Beziehungen dieser Länder zu den USA. Wie sich die Administration Obama wirklich zu all dem stellt – sie will ja die Beziehungen zu Moskau verbessern – ist offen. Die EU versucht, ihre Wirkungskraft in Zentralasien ebenfalls zu steigern, doch hinter den Reden über eine Partnerschaft und einer Vielzahl von Programmen zur Zusammenarbeit steht doch eine eher bescheidene Wirklichkeit, vor allem gemessen in globalpolitischen Dimensionen.



Hansrudolf Karner · Erich Reiter

Die westliche Politik wird im Wesentlichen bestimmt von der amerikanischen Strategie, insbesondere der militärischen Gewichtsverlagerung aus dem Irak nach Afghanistan, dem Verhältnis zu Russland und dem Krieg gegen den Terrorismus. Die zentrale Frage dabei bleibt, wie lange sich der Westen ein beträchtliches und verstärktes Engagement in Afghanistan leisten kann. Dies besonders deshalb, weil die öffentliche Unterstützung in Amerika und Westeuropa abnimmt. Westliches „Nation Building“ in Zentralasien hat seine besten Tage hinter sich. Autoritäre Regime, gewaltbereite Herrschafts- und Oppositionsgruppen sind die Realität. Stabilität nach europäischen Vorstellungen ist deshalb keine selbstverständliche Zukunftsoption. In Afghanistan hat eine allgemeine Ernüchterung in Bezug auf die Möglichkeiten der Staatsbildung eingesetzt. Die einzige valable Option bleibt eine pragmatische Strategie mit relativ bescheidenen Zielsetzungen: Bekämpfung der Kaida und Schwächung ihrer Kader, Eindämmung der Taliban, wo dies möglich ist, und Unterstützung der pakistanischen Streitkräfte als genereller Stabilitätsfaktor. Die Frage aber ist, wie lange der Westen sein Engagement in Afghanistan durchhalten wird ? Globalpolitisch ist aber die langfristige Gewichtsverlagerung in der amerikanischen Strategie von Pakistan zu Indien von größerer Bedeutung als die zentralasiatischen Aspekte. Afghanen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Kirgisen und alle anderen sind über westliche Einmischung ihrerseits nur so lange begeistert, als dabei etwas Zählbares herausspringt. Sonst sind sie gegen jeden Outsider, kämpfen allenfalls gegen ihn, möchten allerdings auch nicht zurück unter die russische Hegemonie geraten. Die Rolle Chinas bzw. sein Engagement in Zentralasien wird dabei zu beachten sein. Es geht um Sicherheitsinteressen, Wirtschaftsbeziehungen, um Energie und andere Ressourcen  ; zuletzt aber auch um machtpolitische Überlegungen gegenüber dem Einfluss anderer Mächte. Ein gewisser Einflussfaktor ist auch die Türkei, sind doch die Staatsvölker Kasachstans, Usbekistans, Kirgistans und Turkmeniens turkstämmig. Die Staaten Zentralasiens wollen über ihr Geschick, ihre Ressourcen und ihre politische Orientierung aber selbst bestimmen und sich mehr Spielraum verschaffen. Dass ihnen das längerfristig gelingen wird, ist zweifelhaft. Am Tag nach dem Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan entsteht eine neue Realität, die von den traditionellen Rivalitäten dieses Landes, aber auch den großen Nachbarstaaten bestimmt sein wird.

Herausgeber und Autoren

Dr. Franco Algieri, geb. 1961, ist seit April 2008 Forschungsdirektor am Ös-

terreichischen Institut für Europäische Sicherheitspolitik (AIES) in Maria Enzersdorf bei Wien. Zuvor war er am Centrum für angewandte Politikforschung (C.A.P) in München und am Institut für Europäische Politik (IEP) in Bonn als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Fragen der europäischen Integration (insbesondere die Außen- und Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU) sowie die Beziehungen EU-Asien (insbesondere China). Er studierte Politikwissenschaft und Sinologie in Freiburg, Taipei und Tübingen, absolvierte ein Postgraduiertenstudium am Europa-Kolleg in Brügge und promovierte an der Universität Tübingen. Er lehrte an den Universitäten in München und Tübingen und wurde im Jahr 2000 zum Gastprofessor an der School of International Studies sowie zum Fellow am Center for European Studies an der der Renmin University of China in Peking ernannt. Dr. Uwe Halbach, geb. 1949, Studium osteuropäische Geschichte, Slawistik

und allgemeine Geschichte in Köln. 1986 bis 2000  : Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien. Forschungsfelder  : Sowjetische Nationalitätenpolitik  ; Staats- und Nationsbildungsprozesse in der nachsowjetischen Entwicklung  ; Kaukasus und Zentralasien. Seit 2001  : Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Forschungsgruppe Russland/GUS. Forschungsfelder  : Staatsbildung in Zentralasien und Kaukasien  ; Islam im GUS-Raum  ; ungelöste Sezessionskonflikte im GUS-Raum. Neueste Veröffentlichungen  : Antiterrorismus und Jihad im postsowjetischen Raum, SWP-Studie S. 22 – August 2007  ; Das Erbe der Sowjetunion. Kontinuitäten und Brüche in Zentralasien, in  : Manfred Sapper, Volker Weichsel, Andrea Huterer (Hrsg.)  : Machtmosaik Zentralasien, Osteuropa, 8–9/2007, S. 77–98  ; Eingefrorene Konflikte im Südkaukasus. Probleme und Grenzen der Europäisierung, in  : Osteuropa. 11/2007, S. 83–94  ; Zentralasien im Kampf gegen militanten Islamismus, SWP-Aktuell, A20, März 2008.

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Herausgeber und Autoren

Priv. Doz. Mag. Dr. habil. Markus Kaim, geb. 1968, Studium der Politikwissen-

schaft, der Mittelalterlichen und Neueren Geschichte, der Philosophie und der Vergleichenden Religionswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  ; Visiting Fellow am Department of Political Science der George Washington University, Washington D.C. Visiting Fellow am American Institute for Contemporary German Studies der Johns Hopkins University, Washington D.C. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Sicherheitspolitik“ der Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin. Inhaber des DAAD-Gastlehrstuhls für „German and European Studies“ an der University of Toronto. Derzeit Leiter der Forschungsgruppe „Sicherheitspolitik“ der Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin. Dr. Hansrudolf Kamer, geb. 1945 in Zug (Schweiz). Studium der Anglistik,

Geschichte, Kunstgeschichte und des Allgemeinen Staatsrechts an der Universität Zürich. Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ für Politik und Wirtschaft der nordischen Länder in Stockholm (1974–79), NZZ-Korrespondent für Israel (1977/78), NZZ-Korrespondent für Politik und Wirtschaft der Sowjetunion in Moskau (1979–83) und Hauptkorrespondent der NZZ für Politik der USA in Washington (1983–88). Auslandredaktor der NZZ für Internationale Sicherheitspolitik und Strategie (1989–1992). 1992–2009 Leiter der NZZAuslandredaktion. 1994–2009 Stellvertretender Chefredaktor. Mitglied der Studienkommission für Strategische Fragen des Schweizer Verteidigungs­ministeriums (1996–98) und Mitglied des Council des International Institute for Strategic Studies in London (bis 2004). Seit 2009 Kolumnist für die Wochenzeitung „Weltwoche“. Dr. Eugene Kogan, geb. 1957, studierte an der Universität Tel Aviv Geschichte

und promovierte an der Universität Warwick, Großbritannien. Seine Dissertation beschäftigte sich mit der Auslagerung der sowjetischen Rüstungsindustrie aus der Kriegszone im Lauf der Jahre 1941–1942. Experte im Bereich der Rüstungsindustrien. Gastforscher in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stiftung Wissenschaft und Politik, Schwedische Forschungsagentur für Verteidigung (FOI) und Schwedische Nationale Verteidigungsakademie (FHS). Derzeit Gastwissenschafter am Internationalen Institut für Liberale Politik, Wien.



Herausgeber und Autoren

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Forschungsschwerpunkte  : Rüstungsindustrie weltweit, Sicherheitspolitik Russ­lands und der Schwarzmeerregion. Dr. Aschot L. Manutscharjan, geb. 1956, Studium der Geschichte in Jerewan. Er

ist als freier Publizist und wissenschaftlicher Autor in Berlin tätig. 1999/2000 Senior Fellow am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Universität Bonn  ; 1995/96 OSZE-Wahlbeobachter bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Georgien, Kasachstan und Armenien  ; 1993 bis 2000 Lehrauftrag am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn  ; 1979 bis 1990 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Orientalistik der Akademie der Wissenschaften der Armenischen SSR in Jerewan. Manutscharjan ist Autor zahlreicher Beiträge in Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. Zu seinen Forschungs- und Rechercheschwerpunkten gehören die internationale Sicherheitspolitik, die Außenpolitik Russlands und der GUSLänder, regionale Konflikte im Kaukasus und in Zentralasien. Sektchef i.R. Hon.-Prof. Dr. iur., Dr. rer. pol. Erich Reiter, geb. 1944 in Fürsten-

feld (Steiermark), Tätigkeiten als Richteramts- und Rechtsanwaltsanwärter, Kammer- und Sparkassenangestellter, Finanzdienst, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Bundeskanzleramt und zuletzt im Bundesministerium für Landesverteidigung, 1986 - 1996 Leiter der Präsidial- und Rechtssektion und bis 2006 Beauftragter für strategische Studien und Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik. 2001–2006 Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates, Langjähriger Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Politische Soziologie, Lehrbeauftragter an den Universitäten Graz und Klagenfurt  ; Honorarprofessor für Internationale Wirtschafts- und Sozialvergleiche an der Universität Graz. Präsident des Internationalen Instituts für Liberale Politik Wien (IILP). Professor Dr. Peter W. Schulze, geboren 1942, Studium der Politischen Wis-

senschaft und Geschichte an der FU Berlin/FUB, London School of Economics and Political Science/LSE, London/UK und der Stanford University, CAL/USA  ; Lehrtätigkeit an der FU Berlin, an amerikanischen Colleges in Berlin und der UC Berkeley  ; langjähriger Leiter der Außenbüros des Forschungsinstitutes der Friedrich Ebert Stiftung in Berkeley, London und Moskau  ; derzeit Dozent für Vergleichende Lehre und Internationale Politik am Seminar für Politikwissenschaft der Georg August Universität Göttingen.

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Herausgeber und Autoren

Zahlreiche Publikationen zur Außen- und Innenpolitik der Sowjetunion, zum Kalten Krieg, zur Transformation von Gesellschaften und zur Entwicklung des postsowjetischen Russlands. Dr. phil. Gudrun Wacker, geb. 1954, Studium der Sinologie und Germanistik an

der Freien Universität Berlin und an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen  ; seit 2001 Forschungsgruppe Asien, Stiftung Wissenschaft und Politik Forschungsschwerpunkte  : Chinesische Außen- und Sicherheitspolitik, innere Entwicklung Chinas  ; Beziehungen EU-China  ; Chinas Politik im asiatisch-pazifischen Raum und die Rolle der USA  ; Herausforderungen bei der Modernisierung Chinas (nachhaltige Entwicklung)  ; Olympische Spiele in China. Forschungsaufenthalte in China (v.a. Beijing, Shanghai, Xinjiang) und Hongkong in den Jahren 1987, 1993, 1997, 1999, seit 2003 jährlich. Dr. Andrei Zagorski, geb. 1959, ist Leitender Wissenschaftler und Professor

am Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen (MGIMO-Universität). 2004/05  : Stellvertretender Leiter der Außenstelle Moskau der Konrad-Adenauer-Stiftung  ; 2002/03 Stellvertretender Direktor des Instituts für angewandte internationale Studien in Moskau  ; 2002 Lehrauftrag am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik  ; 2000 bis 2001 Senior Vice-President und Project Director am East-West Institute, Prager Büro  ; 1992 bis 1999 Vize-Rektor der MGIMO-Universität, zuständig für Forschung und externe Beziehungen, 1987 bis 1991 Experte sowjetischer Delegationen bei einer Reihe der KSZE-Treffen  ; 1981 bis 1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Internationale Studien, MGIMO. Dr. Zagorski ist Mitglied hochrangiger wissenschaftlicher und politischer Gesellschaften, ständiger Konsulent des IILP und Autor zahlreicher Publikationen über die Außenpolitik Russlands, europäische Sicherheit, postsowjetische Entwicklungen und Rüstungskontrolle.  

Peter W. Schulze

Das Ringen um die zentralasiatischen Energie- und Rohstoffressourcen Interessen und Ziele der externen Akteure  : Great Game Over

Der kurze, aber heftige georgisch-russische Konflikt im August 2009 über Südossetien hat nicht nur die Volatilität der Lage im Raum zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer illustriert, sondern auch die These von der „offenen Flanke“ der Europäischen Union im zwischeneuropäischen Staatenband von der Ostsee bis zum Kaukasus unterstrichen. Zugleich wurden sicherheitspolitische Defizite sichtbar, die vordem durch den Kurs der Osterweiterung der NATO überdeckt wurden. Diese Politik ist an ihre Grenzen gestoßen und hat eine gesamteuropäische Sicherheitsdiskussion angeschoben, die, obwohl die Ukraine im Fokus steht, letztlich auch auf Zentralasien ausstrahlt. Im Kern all des Wortgeklingels über Demokratie und Stabilität stehen die wirtschaftlichen Ressourcen, konkret die Energieressourcen der Region. Darum geht es, auch in der Sicherheitsdebatte. Denn dass sich angesichts der derzeitigen globalen Wirtschaftskrise die Lage der Transitländer Belarus und Ukraine wesentlich verbessern und insbesondere die Ukraine auf einen Stabilitätspfad zurückfindet, wird auch nach den kommenden Präsidentschaftswahlen Anfang 2010 bezweifelt. Diese Annahmen haben Zentralasien zum begehrten Objekt europäischer und amerikanischer Interessen gemacht. Und diese Interessen wetteifern mit ähnlich gelagerten russischen und chinesischen Anliegen. „Central Asia is the region in which both Beijing and Moscow have strong interests. This region is the most valuable chunk of the post-Soviet landscape. Its huge energy deposits make it the choice prize in the larger geopolitical standoff. It is not difficult to imagine that Central Asia could become the focal point for future conflicts.“  Siehe dazu  : Ernst Piehl, Peter W. Schulze, Heinz Timmermann, Die offene Flanke der Europäischen Union  : Russische Föderation, Belarus, Ukraine und Moldau, Berliner WissenschaftsVerlag, Berlin 2005.  Fyodor Lukyanov, Walking Carefully From Transdnestr to Yerevan, in  : The Moscow Times, 17.9.2008.

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Peter W. Schulze

Ohne hier einen tiefer gehenden Vergleich der politischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Faktoren zu versuchen, kann grosso modo behauptet werden, dass die Bedingungen im zentralasiatischen Raum gänzlich andere sind als die Zwischeneuropas und vor allem des Kaukasus. Im Unterschied zu den kaukasischen Ländern haben sich in den zentralasiatischen Kernstaaten Kasachstan und Usbekistan relativ robuste politische Systeme unterschiedlichen Typs entwickelt. Und im Gegensatz zu den ärmeren Staaten der Region, Tadschikistan und Kirgistan, wiesen sie imposante wirtschaftliche Wachstumsraten auf. Sehen wir einmal vom stärker autoritär und repressiv strukturierten Präsidialsystem Usbekistans ab, hat dieser Faktor sicherlich zur Konsolidierung der politischen Ordnungen, aber auch zur Befriedung ihrer Gesellschaften beigesteuert. Dieser Umstand war, vielleicht mit Ausnahme Aserbaidschans, in keinem der kaukasischen Länder gegeben. Ihren größeren außenpolitischen wie wirtschaftlichen Handlungsspielraum verdanken die Länder Zentralasiens vor allem der Tatsache, dass sie, anders als etwa Weißrussland, Georgien und Armenien oder die Ukraine, nicht von russischen Energielieferungen abhängig sind. Dieser Umstand gewährt ihnen, weil sie zudem zum Teil über eigene Energie- und Rohstoffvorkommen verfügen, auch die Möglichkeit, ihre Außenbeziehungen relativ autonom zu gestalten. Daher konnten sie die Gunst der Stunde nach der explosionsartigen Entwicklung der Energiepreise ab 2003 nutzen und zu den externen Mächten, zu Russland, China und zur EU vorteilhafte Wirtschaftsbeziehungen aufbauen.

 Siehe dazu den noch unveröffentlichten Beitrag von Christian Wipperfürth, Russland – Zent­ ralasien – Afghanistan  : Ein Beziehungsgeflecht, Berlin, 19. Mai 2008  ; „Keines der fünf zentralasiatischen Länder wird unter die „failing states“ gerechnet, obwohl zumindest einige der Staaten potenzielle Anwärter hierfür sind. In Anbetracht ihrer ethnischen Gemengelage, verbreiteter Armut, von Grenzproblemen, ihrer Nachbarschaft zu Afghanistan und in ihrer Funktion als Drogentransitländer ist es bemerkenswert, dass sie eine häufig fragile, aber doch funktionierende Staatlichkeit aufweisen. Eine Ursache der Stabilität mögen die sehr hohen Militärausgaben sein. Sie betragen im Falle Kirgistans 10,5% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), bei Tadschikistan 6,2% und im Falle Usbekistans gar 15% des BIP, einige der weltweit höchsten Werte.“  So steht auch das in westlichen Medien viel gepriesene georgische Wirtschaftswachstum auf tönernen Füßen und hat die Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit auf dem Lande seit 2004 kaum verbessert.



Das Ringen um die zentralasiatischen Energie- und Rohstoffressourcen

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Quelle  : Perry-Castañeda Library, http  ://www.lib.utexas.edu/maps/commonwealth/caucasus_cntrl_asia_pol_2003.jpg

Dabei werden Rivalitäten zwischen den externen Akteuren Russland, EU und China um die Energie- und Rohstoffressourcen der Region genutzt, um die Diversifizierung von Industrie- und Handelsstrukturen voranzutreiben. Eine so gelagerte Wirtschaftspolitik verstärkt das Streben nach Souveränität, begrenzt die Herausbildung von Abhängigkeiten und ermöglicht eine flexible Außen- und Sicherheitspolitik. In den Außenbeziehungen wird die Multivektorenpolitik zur Richtschnur. Obwohl namhafte amerikanische Politologen bemüht sind, den Begriff des „Great Game“ wieder zu beleben, kann durch die so beschriebene Politik ein Rückfall in Positionen und Szenarien des 19. Jahrhunderts ausgeschlossen werden. Die regionalen Mächte sind selbst zu Akteuren des geopolitischen Spiels geworden. Und manchmal stellt sich die Frage, wer eigentlich wen instrumentalisiert.  Zbigniew Brzezinski, The Grand Chessboard, American Primacy and Its Geostrategic Imperatives, Basic Books, New York, 1997.

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Peter W. Schulze

Aber ein weiterer gravierender Unterschied zu den Staaten des Kaukasus soll hier genannt werden. Die größeren und wirtschaftlich stärkeren zentralasiatischen Staaten, also hauptsächlich Usbekistan und Kasachstan, dulden keine Abstriche an ihrer Souveränität. Diese Haltung richtet sich weniger gegen Moskau. Die Gefahr einer imperialistischen Vereinnahmung durch Moskau wird in Astana und Taschkent als relativ gering eingeschätzt. Obgleich alle Länder mit China in der Shanghai Cooperation Organisation/SCO vereint sind, erscheint den zentralasiatischen Herrschaftseliten die chinesische Politik schon wesentlich beunruhigender, weil Zielsetzungen und Motive Pekings sich nur schwer ergründen lassen. Trotzdem überwiegen gegenüber Moskau und Peking weniger Sorgen vor externer Vereinnahmung oder Einmischung in die Innenpolitik. Ängste ergeben sich dennoch, weil die wirtschaftliche Expansion dieser großen Nachbarstaaten in den zentralasiatischen Raum von den regionalen Führungsgruppen sehr ambivalent beäugt wird. Beiden Mächten wird unterstellt, dass sie sich nur der Ressourcen dieser Länder bemächtigen wollen. Gelänge das, würde die Unabhängigkeit der zentralasiatischen Staaten eingeschränkt. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet und hat letztlich zu merkwürdigen Spielarten einer Balancepolitik regionaler Machteliten geführt. Sowohl Kasachstan, aber auch Usbekistan, suchen gegen die großen Flankenmächte China und Russland Rückversicherungen. Solche Rückversicherungen finden sie zum einen bei der EU und den USA, aber zum anderen auch im geschickten Lavieren zwischen Peking und Moskau, um deren Interessengegensätze aufzuspüren und auszunutzen. China befolgt in diesem Raum unverkennbar eine energiebasierte Außenpolitik, ähnlich wie sie von Moskau gegenüber Kasachstan und Turkmenistan bereits praktiziert wird. Peking sucht mit Nachdruck seine Versorgungsquellen für Energie zu diversifizieren, um vom volatilen Mittleren Osten und der Golfregion unabhängiger zu werden. Dass diese Bestrebungen mit fortschreitendem Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft auch zu möglichen Konflikten mit Russland oder Europa führen könnten, scheint nur eine Frage der Zeit. Denn unter der Annahme, dass die Energieressourcen bis Mitte des Jahrhunderts schwinden werden, das gilt insbesondere für Erdöl, scheint unabweisbar, dass auch Konflikte zwischen den rivalisierenden Flankenmächten Russland und China auftreten werden. In Anbetracht solcher Überlegungen sind demzufolge Schritte und Angebote zur Energieversorgung an die EU gemacht worden.



Das Ringen um die zentralasiatischen Energie- und Rohstoffressourcen

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Solche Befürchtungen heizen dann auch in außen- und sicherheitspolitischen Expertenkreisen Moskaus Emotionen an, dass es zu einem Wettlauf zwischen der EU, China und Russland um die Energiereserven Zentralasiens kommen könnte, und dass sich dabei Grenzen der angestrebten strategischen Partnerschaft sowohl mit der EU als auch mit China schnell zeigen würden. Bislang sind solche Entwicklungen, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft zu erkennen. Aber zweifellos waren solche Befürchtungen mit ein Grund für das lange Zögern Moskaus, die seit 2002 verabredeten Öl- und Gaspipelines nach Nordwestchina zu bauen. Dass die Rivalität um Energieressourcen allenfalls in langfristige Überlegungen eingeht, lässt sich auch darauf zurückführen, dass sich sowohl China als auch die EU noch nicht voll als Akteure in die zentralasiatische Region einbringen konnten. Jedenfalls gilt für die drei potenziellen Konkurrenten, und auch dass birgt genügend Stoff für zukünftige Konflikte, dass ihre Zentralasienpolitik stärker von handfesten Interessen der Energiesicherheit getragen wird. Ihr politisches Interesse an dieser Region kann auf den einfachen Nenner gebracht werden, dass sie dort ein stabiles, beruhigtes Umfeld etabliert sehen wollen und den regionalen Herrschaftseliten die Definition und Ausgestaltung der politischen Ordnungen weitestgehend überlassen. Abgesehen von Grenzsicherungsaufgaben, die insbesondere Moskau in Tadschikistan übernommen hat, streben weder Moskau noch Peking eine militärische Präsenz in der Region an. Die russische Luftwaffenbasis in Bischkek hat eine Grenzsicherungsfunktion gegen die Taliban. Obendrein soll der amerikanische Einfluss ausbalanciert werden. Obgleich die zentralasiatischen Führungseliten weder den USA noch der Europäischen Union unterstellen, dass sie die Souveränität dieser Länder einzuschränken beabsichtigen, sind die Beziehungen keineswegs konfliktfrei. Kontroversen mit den autoritären Führungen dieser Länder machen sich an deren repressive Methoden fest  : Menschenrechtsverletzungen und Folter, Wahlmanipulationen, die Unterdrückung von politischer Opposition und rechtswidrige Inhaftierungen sind Erscheinungen der autoritären Regime-

 Die neue Sicherheitsdoktrin Russlands vom Juni 2009 geht explizit von Konflikten über die knapper werdenden Energiereserven aus. Siehe  : С Т Р А Т Е Г И Я национальной безопасности Российской Федерации до 2020 года, in  : Указом Президента Российской Федерации от 12 мая 2009 г. № 537.  Mahbubani, Kishore, Die Rückkehr Asiens, Das Ende der westlichen Dominanz, Propyläen, Berlin 2008.

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praxis. Insbesondere unterstellen die politischen Führungen von Ländern wie Usbekistan, aber auch Turkmenistan, die stärker von einem autoritärrepressiven innenpolitischen Kurs gezeichnet sind, den USA und der EU, dass sie nicht davon ablassen können, sich in ihre inneren Angelegenheiten einzumischen, um letztlich einen „Regimechange“ im Sinne demokratischer und marktwirtschaftlicher Grundsätze auszulösen. Da weder von Peking noch von Moskau eine solche Bedrohung ausgeht, wird deren Politik trotz aller Widersprüche eher als Sicherheitsgarantie für die bestehenden Regime wahrgenommen. Eingangs war behauptet worden, dass die EU sich relativ spät und ausgelöst durch die Transitprobleme beim Gastransport durch die Ukraine mit Zentralasien befasst hat. Spätestens mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 brach jedoch in Brüssel die Einsicht durch, dass Zentralasien für die europäische Energieversorgung, aber auch aus sicherheitspolitischen Erwägungen heraus, nämlich im Hinblick auf Afghanistan und Pakistan, strategische Qualität haben könnte, zumal im zentralasiatisch-kaspischen Raum ca. 4 % der weltweit nachgewiesenen Erdöl- und Gasreserven liegen. Ermun­ tert wurde diese Politik durch die seit 2005 immer wiederkehrenden Probleme des Energietransits für russisches Gas durch die Ukraine. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass, angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Notlage der Ukraine, es auch im Winter 2009/2010 wieder zu Störungen der Durchleitung kommen könnte. Darauf wurde bereits im Frühsommer 2009 von russischer Seite hingewiesen. In ihrem Strategiepapier für Zentralasien fokussierte dementsprechend die EU auch ihre Ziele auf Stabilitäts- und Sicherheitsfragen für den Gesamtraum, der nun als „unmittelbar“ relevant für europäische Sicherheitsinteressen definiert wird. Das betrifft nicht nur den Kampf gegen die Taliban und andere terroristische Gruppen, sondern auch die Abwehr des Organisierten Verbrechens, hauptsächlich des Drogenhandels. Weil die europäische Energiepolitik für Zentralasien und den Kaukasus relativ spät auf den Plan trat, hat sie nicht verhindern können, dass sich der russische Konzern Gazprom in Turkmenistan und Kasachstan nahezu das Exportmonopol im Gassektor hat sichern können. Das wenig einfallsreiche, jahrelange Beharren Brüssels, Moskau solle die Europäische Energiecharta

 Turkmenistan gehört streng genommen nicht zu den zentralasiatischen Ländern und ist auch in den überregionalen Kooperations- und Bündnisstrukturen kaum vertreten.



Das Ringen um die zentralasiatischen Energie- und Rohstoffressourcen

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ratifizieren, hat ihren Teil dazu beigesteuert. Denn Brüssel vermochte zu keiner Zeit Moskaus Widerstand gegen die Energiecharta aufzuweichen. Auch zukünftig ist kaum zu erwarten, dass sich die Haltung des Kreml ändern wird. Es sei denn, langfristige Lieferverträge und Beteiligungen an der Energieförderung werden von russischen Konzernen angeboten, weil Investitionen oder technologisches Know-How zur Erschließung der Energieressourcen anders nicht zu erhalten sind. Im Gegenzug, und darauf wird Moskau pochen und dazu ist Brüssel gegenwärtig nicht bereit, müsste sich der europäische Energiemarkt für russische Investoren öffnen. Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise, in deren Verlauf die Energiepreise stark nachgaben, hat dazu beigetragen, dass diese Thematik erst einmal verschoben wurde. Aber sie bleibt auf der Tagesordnung. In diesem Kontext kann auch der Baku-Initiative10, der Russland als Beobachter angehört und die in erster Linie die Vorstellungen Brüssels und die Interessen der zentralasiatischen und kaukasischen Länder widerspiegelt, kaum ein Durchbruch gelingen. Es sei denn, die vom russischen Präsidenten Dmitri Medwedew entworfenen Grundlinien für eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung beziehen Moskau aktiv ein und machen Energiesicherheit zu einem gesamteuropäischen Anliegen. Neben Kasachstan und Usbekistan hätte vor allem Turkmenistan, das über Reserven und Ressourcen an Erdgas in Höhe von rund 10 Billionen m3 (alle Schätzungen für das Land sind extrem vorsichtig zu bewerten) verfügt, das   Das sogenannte „Grünbuch“ der EU von 2001 und die Aufnahme des Energiedialogs zwischen der EU und Russland im Jahre 2000, vor allem aber die Gas-Krise von 2006 zwischen der Ukraine und Russland und die Preisexplosion für Energieträger auf dem Weltmarkt katapultierten die Probleme der Energiesicherheit und Diversifizierung in den Prioritätenbereich politischen Handelns. 10 http  ://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do  ?reference=IP/06/1657&format=HTML& aged=0& language= EN&guiLanguage=en „The EU and the countries of the Black Sea and Caspian Sea regions agree on a common energy strategy“ Brüssel, 30. November 2006. Beim Treffen der Baku-Initiative auf Ministerebene in Astana einigten sich die Parteien – die EU, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Moldawien, Tadschikistan, die Türkei, die Ukraine, Usbekistan und Russland (als Beobachter) auf eine Roadmap, die den Schwerpunkt auf den Aufbau einer Energiepartnerschaft auf der Grundlage einer umfangreichen Auswahl von Schlüsselfragen legt. Die Roadmap sieht einen breiten Katalog von Aktivitäten vor, die von Verbesserungen der europäischen Gesetzesstandards über Energielieferungen und Nachfragemanagement bis zur Unterstützung der Energieinfrastruktur und von Transporteinrichtungen reichen. Ermutigt wurden ferner Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und der nachhaltigen Ausbeutung der Energieressourcen.

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Potenzial, beim Gasexport zum Rivalen Russlands (Gesamtpotenzial 130 Bill. m3) zu werden. Die Ukraine hat bereits mehrfach versucht, sich durch direkte Abkommen mit Turkmenistan aus der russischen Abhängigkeit beim Gasimport zu befreien. Solche Bemühungen scheiterten vor allem am Fehlen einer Pipelineverbindung, die Russland umgeht und an der aggressiven Energiepolitik des weltgrößten Gaskonzerns, Gazprom. Für die EU wiederum wäre eine vom Kaspischen Raum durch die Türkei nach Europa führende Gaspipeline („Nabucco“) ein wichtiges Element zur Diversifizierung der Importe, weil damit die Versorgungssicherheit erhöht würde. Diese Absichten wurden indes durchkreuzt, als es dem damaligen Präsidenten Putin und Gazprom im Mai 2007 gelang, mit den zentralasiatischen Regierungen ein langfristiges Abkommen über Erdgaslieferungen und den Ausbau des Pipelinekorridors „Mittelasien-Zentrum“ abzuschließen, der Gas nach Russland führt. Am 3. September 2008 kamen der usbekische Präsident Karimov und der russische Premierminister Putin überein, eine Pipeline zu bauen, die turkmenisches und usbekisches Gas nach Russland leiten soll.11 Aber wie so oft in der Vertragspraxis der GUS-Staaten  : bislang ist von diesem Projekt noch nichts umgesetzt. Moskau war und ist sich der Tatsache bewusst, dass eine an Russland vorbeigeführte Gaspipeline zwar nicht wesentlich die Versorgungssicherheit der EU erhöhen und damit die dominierende Position von Gazprom im europäischen Gaspoker verschlechtern würde. Jedoch allein das Vorgehen der EU, die am 7. Juli 2009 in Istanbul endlich das Startsignal zum Bau von Nabucco geben konnte, hat Moskau dazu getrieben, das „South Stream“-Projekt zusammen mit dem italienischen Konzern ENI zu konzipieren. Nun herrscht offene Rivalität zwischen beiden Projekten und dies hat bereits Wirkungen auf südosteuropäische Mitgliedsstaaten der EU gezeitigt. So will die neue bulgarische Regierung die früheren Energieabkommen mit Gazprom überprüfen. Für Moskau sind solche Entwicklungen nicht prekär, aber unangenehm. Entschieden schmerzlicher sind die Rückwirkungen des Auftretens der EU im kaspisch-zentralasiatischen Raum auf die Außenorientierung dieser 11 The Moscow Times, 3.9.2008 „Gazprom will set up a joint venture with Uzbekneftegaz to construct the Uzbek leg of the pipeline along the existing transit route that begins in Turkmenistan and runs through Kazakhstan before reaching Russia, the Russian company (Gazprom, PWS) said in a statement.“ Für das usbekische Entgegenkommen ist Moskau gewillt, einen „europäischen Preis“ für usbekisches Gas zu bezahlen.



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­ änder. Die Entscheidung der EU für das Nabucco-Vorhaben, gleichwie, ob L und wann es wirklich umgesetzt wird, denn noch immer reichen die Gasmengen nicht aus, um die Leitung profitabel zu betreiben, wird die Multivektorenpolitik der zentralasiatischen Länder, also hauptsächlich Kasachstans weiter bestärken. Denn das Auftreten der EU in Zentralasien eröffnet den dortigen Staaten die Option, sich ein Stück Unabhängigkeit von Moskau zu erkaufen. Obwohl der Zusammenhang nicht belegt werden kann, so ist doch anzunehmen, dass selbst der marktbeherrschende Konzern Gazprom es nicht verhindern konnte, dass sich die zentralasiatischen Gasproduzenten zu einer Preiserhöhung von nahezu 100 % verabredeten.12 Dieser Preisschub wurde flugs von Gazprom an ukrainische und europäische Konsumenten weitergegeben. Gegenwärtig besteht die paradoxe Situation, dass Gazprom zentralasiatisches Gas teurer einkauft als es das Gas nach Europa weiterverkaufen kann. Die EU spielt in diesem Raum also eine gewisse Rolle als Gegenmacht, die von den regionalen Führungseliten gegen Moskau und auch gegen Peking ins Spiel gebracht wird, falls es den eigenen Interessen dienlich erscheint. Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass das europäische Bemühen um Versorgungssicherheit in dieser Region kaum vorankommt. Da Usbekistans, Kasachstans und Turkmenistans Gasexportkapazitäten nicht nur von Russland, sondern zukünftig auch von China beansprucht werden, bleiben für Lieferungen Richtung Westen nur geringe Mengen frei. Aserbaidschans Gasexporte reichen keineswegs um das ambitionierte Projekt „Nabucco“ zu realisieren, es sei denn, die geplante „Nabucco“-Pipeline würde sich in erheblichem Umfang aus iranischen und/oder irakischen Gasquellen bedienen können. Der Bau einer größeren Landpipeline durch den Iran in die Türkei kommt aber wegen der UN-Sanktionen bis auf Weiteres nicht in Frage. Umgekehrt hat Gazprom bereits angekündigt, die Kapazität seiner durch das Schwarze Meer in die Türkei führenden „Blue Stream“-Pipeline eventuell zu vergrößern und nach Westen und/oder nach Süden zu verlängern. Zusätzlich hat Gazprom mit der italienischen ENI noch eine zweite Unterwasserpipeline durch das Schwarze Meer Richtung Westen, die „South Stream“, vereinbart. Sie soll russisches bzw. zentralasiatisches Gas über Bulgarien nach Südosteuropa und eventuell nach Griechenland und Italien bis an die österreichisch-slowakische Grenze transportieren.

12 The Moscow Times, 9.7.2008.

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Quelle  : Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2007  ; Osteuropa Heft 8–9/2007

Gazproms Pipelinestrategie sucht Anbieter aus dem kaspisch-zentralasiatischen Raum vom europäischen Markt fernzuhalten. Dadurch wird aber nicht unweigerlich die für Europa zur Verfügung stehende Gasmenge verringert, denn Russlands Importe aus Zentralasien machen russisches Gas für den Export nach Europa frei. Ebenso wenig wird durch Gazproms Verhalten der europäische Gaspreis beeinflusst, solange dieser wie bisher an den Ölpreis gekoppelt ist. Selbst ein anhaltend hoher Ölpreis, der Gazprom hohe Einnahmen beschert, wird es nicht erlauben, dass Russland aus eigenen Anstrengungen die erforderlichen Neuinvestitionen in Förderanlagen und Pipelines, wir sprechen von ca. 420 Mrd. US Dollar für den Zeitraum bis 2030, aufbringen kann. Da Langfristigkeit die Basis des Gasgeschäfts ist, sind der Kreml und der Konzern gehalten, stabile Beziehungen zu den Abnehmern zu gewährleisten. Belieferungssperren, Lieferstopps, um die westeuropäischen Konsumenten unter Druck zu setzen, wirken sich kontraproduktiv aus. Damit sind aber auch schon die Grenzen von politischer Erpressbarkeit aufgezeigt, die seit dem Gaskonflikt 2005/6 zwischen der Ukraine und Russland die Gemüter in den westlichen Medien bewegten und neue Phobien gegen Moskau in Umlauf brachten.



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Eine fragile Interessengemeinschaft gegen den internationalen Terror Wie im Kaukasus hatte sich nach dem 11. September 2001 auch in Zentralasien jene merkwürdige Interessengemeinschaft von so unterschiedlichen Mächten wie den regionalen Regimen, den USA, der Europäischen Union, Russland und selbst China herausgebildet. Mit Billigung Moskaus konnten sich die USA in Usbekistan und Kirgistan militärisch engagieren. Basis dieser Interessenkongruenz waren logistisch-militärische Erfordernisse im Kampf gegen die Taliban und Al Kaida. Zwischen regionalen und externen Mächten herrschte Konsens, in Zentralasien eine Brandschutzmauer gegen das Vordringen terroristischer Fundamentalisten zu errichten, die Europa und Russland bedrohen, aber auch in Nord-West China separatistische Bewegungen auslösen konnten. Auffällig war, dass westliche Demokratien, allen voran die USA und Großbritannien, eine qualitative Trennlinie zwischen den repressiven und diktatorischen Herrschaftscliquen Zentralasiens und den islamistischen Terroristen Afghanistans zogen. Erstere waren säkular, zudem noch korrupt und demzufolge benutzbar. Zudem fürchteten die zentralasiatischen Machtcliquen um ihre eigene Sicherheit. Freilich mit dem Zerwürfnis über den Irakkrieg kühlten die Beziehungen zwischen den USA, Russland und China merklich ab. Außerdem deutete sich an, dass die USA und die NATO ihre Ziele in Afghanistan erreicht hatten, denn die Taliban schienen als Drohfaktor für die Destabilisierung Zentralasiens sowie der russischen Südgrenze kaum noch zu zählen. Demzufolge betrachteten Peking und Moskau, aber auch Taschkent die fortdauernde Anwesenheit amerikanischer Truppen in der Region in einem anderen Licht. Aber auch auf Seiten der USA gab es einschneidende Veränderungen und Lagebeurteilungen. Schenkt man der neuen, modifizierten amerikanischen Sicherheitsdoktrin Glauben, so durchlief die amerikanische Politik im letzten Quartal der Präsidentschaft Bush eine tiefgreifende Veränderung in ihren Beziehungen zu Russland. Die Vereinigten Staaten machten deutlich, dass die Anforderungen des vereinten Kampfes gegen den internationalen Terrorismus von entgegengesetzten Interessen beider Mächte sowohl im Kaukasus als auch in Zentralasien überlagert werden. Die Kündigung, bzw. Nichterneuerung von Vertragswerken aus der Zeit des bipolaren Wettrüstens, signalisierten auch an Moskau diesen Wandel. Die Präsenz der amerikanischen Streitkräfte im Kaspischen Becken soll angeblich dem Kampf gegen den Terrorismus dienen. Aus Regierungsdokumenten geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass es auch um die Sicherung des Erdöls und um Transitwege geht. Bemerkenswert war in dieser Hinsicht die

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Entscheidung, amerikanische Militärausbilder in Georgien zu stationieren, um eine Spezialeinheit auszubilden, die irgendwann den georgischen Abschnitt der BTC-Pipeline bewachen soll.13 Ähnlich aufschlussreich ist auch der US-Plan, die ehemalige Sowjetbasis in Atyrau in Kasachstan – einem der wichtigsten Ölzentren am Kaspischen Meer – zu renovieren und die Errichtung einer kasachischen schnellen Eingreiftruppe zu finanzieren. Diese Truppe soll es nach Angaben des amerikanischen Außenministeriums „Kasachstan ermöglichen, auf Terrorangriffe gegen Ölplattformen oder seine Grenzen zu reagieren“. Die Anlage in Atyrau wird auch als mögliche Zwischenbasis für amerikanische Truppen in Betracht gezogen, die eines Tages in dieser Gegend stationiert werden könnten, um gemeinsame Operationen mit den kasachischen Streitkräften durchzuführen.14 In einer Studie des Carnegie Endowment sind die US-amerikanischen Ziele im Kaukasus und in Zentralasien auf einen griffigen Nenner gebracht worden  : “Since the mid–1990s, U.S. policy in the Caspian has been primarily shaped by three desires  : to keep Moscow from overwhelming its weaker neighbors, to prevent Iran from gaining any kind of economic or geopolitical advantage in the region, and to slow the pace of China’s economic penetration.”15

Während in der EU der Ton gegen Moskau schärfer wurde, vertrat Brüssel in der Zentralasienpolitik einen moderaten Ansatz und suchte Moskau in seine Überlegungen einzubeziehen. Dies war die maßgebliche Marschrichtung während der Deutschen Ratspräsidentschaft. Die chinesische Politik hat die Anwesenheit der USA in diesem Raum immer anders behandelt und dem US-amerikanischen Engagement in Afghanistan und Zentralasien sehr spezifische, partikulare Interessen unterstellt. Zweifellos  : Peking pflegt sein eigenes Trauma und interpretiert die amerikanische Präsenz in Zentralasien als Element einer zukünftig gegen China gerichteten Umkreisungs- und Einfassungsstrategie.

13 Vgl. Chip Cummins  : US Plans to Send Military Advisers to Georgia Republic, Wall Street Journal, 27.2.2002. 14 US Department of State  : Congressional Budget Justification, Foreign Operations, Fiscal Year 2005, Washington 2005, S. 371. Die Hinweise auf die Atyrau-Basis stammen aus der Ausgabe des Vorjahres, Fiscal Year 2004, S. 348–349. 15 Brill Olcott, Martha, A New Direction for U.S. Policy in the Caspian Region, Carnegie Endowment for International Peace, February 2009.



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Russische Ziele im Zentralasien – Wettlauf mit China und der Europäischen Union  ? Das Ausscheren der Ukraine 2005 aus dem „Einheitlichen Wirtschaftsraum“ /EWR zwischen Belarus, Russland und Kasachstan ließ diese Idee einer „Gegenintegration“ (Timmermann)16 vorerst scheitern und drängte die russische Politik auf den Pfad nach Eurasien ab. Fortan konzentrierten sich russische Bemühungen auf Zentralasien und auf den weiten asiatischen Raum. Im Kontext der neuen Orientierung wurden große Hoffnungen auf die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft/EurasEC gesetzt. Weil Russland seine wirtschaftliche Erholung und Rückkehr in das Konzert der inter­nationalen Mächte primär der Preisexplosion auf dem Weltmarkt für Energieträger und hier vor allem bei Gas verdankt, nimmt es nicht wunder, dass die Politik des Kreml primär von Erwägungen bestimmt war und wird, die Ressourcen Zentralasien für die eigenen Ziele zu sichern. Angesichts der Tatsache jedoch, dass die wichtigsten zentralasiatischen Staaten von Energie- und Rohstoffimporten aus Russland unabhängig sind, Kasachstan sogar für die russische Atom- und Gasindustrie eine herausragende Rolle als Exportland spielt, besitzt Moskau kaum Druckmittel, um diese Länder zu „disziplinieren“. Aber solange es Moskau gelingt, diesen Ländern die Exportwege zu versperren, bleiben sie, insbesondere Kasachstan, auf Gedeih und Verderb an die Politik Moskaus gebunden. Angesichts der Tatsache jedoch, dass sich diese Länder potenziell umorientieren könnten, also außen- und energiepolitische Optionen auf China, die USA und die EU hinlenken könnten – was in den letzteren Fällen sehr schwierig sein wird –, war auch der Kreml zu Zugeständnissen gezwungen. Deshalb verfolgt Moskau in diesem Raum eine vom Kaukasus in jeder Beziehung unterschiedliche Politik. Sie setzt primär auf Anreize, vertragliche Übereinkünfte und sucht die wichtigsten zentralasiatischen Länder in wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperationsstrukturen einzubinden. Folgende Ziele sind in der Zentralasienpolitik des Kreml ausmachbar  : 1. Moskau sucht den Einfluss externer geopolitischer Machtblöcke oder Staaten auf die Region einzudämmen oder zumindest so zu beeinflussen, 16 Siehe dazu  : Winfried Schneider-Deters, Peter Schulze, Heinz Timmermann, Die Europäische Union, Russland und Eurasien, Die Rückkehr der Geopolitik, Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008.

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dass partielle oder weitergehende Interessenübereinkünfte erzielt werden können. Primäres Ziel ist die sicherheitspolitische Stabilisierung der Region und die Abwehr terroristischer Übergriffe aus den Konfliktherden in Afghanistan und Pakistan. Dieses Ziel führte nach 2001 mit den USA zu einem vorübergehenden Konsens, der sich erst nach 2003 auflöste. Auch die Zentralasienstrategie der EU von 2007/08 ist mit Moskau vorab abgestimmt worden. Gegenwärtig scheint sich mit der Obama-Administration wiederum eine Verständigung zwischen Washington und Moskau hinsichtlich amerikanischer Militärpräsenz in Zentralasien anzubahnen. Die Bereitstellung von russischer Transportinfrastruktur zur Versorgung der amerikanischen Truppen in Afghanistan ist zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten beim Staatsbesuch Obamas im Juli 2009 vereinbart worden. 2. Moskau sucht alternative Pipelineprojekte, die das russische Territorium umgehen könnten, zu blockieren und/oder ihren Bau zu verhindern. Diese Strategie ist für den Ölsektor gescheitert, denn seit 2005 führt eine Ölpipeline von Kasachstan nach China. Aber der Gassektor ist hart umworben. Die Strategie des Kreml oder von Gazprom läuft prinzipiell darauf hinaus, Wettbewerb auf dem postsowjetischen Gasmarkt einzudämmen, um auf den Auslandsmärkten als alleiniger Anbieter von Erdgas aufzutreten. Dieses Ziel soll durch zwei Vorgehensweisen erreicht werden. Zum einen wird versucht, die Exportpipelines wieder zurückzugewinnen, die nach dem Ende der Sowjetunion in das Eigentum der Nachfolgestaaten der UdSSR fielen. Diese – aus Unternehmenssicht durchaus rationale – Strategie findet die Unterstützung des Kremls, der Gazprom als Instrument seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik wie als Eckpfeiler seiner Industriepolitik im Energiesektor versteht. Adressat dieser Politik sind die klassischen Transitländer im Westen der Russischen Föderation, also die Ukraine und Belarus. Zum Zweiten sucht der Kreml über Gazprom und über russische Ölkonzerne wie Rosneft langfristige Abnahmeverträge mit den zentralasiatischen Produzenten abzuschließen. Diese Politik war bislang Kern der russischen Energiepolitik gegenüber Kasachstan und Turkmenistan. 3. Die zentralasiatischen Länder in eine Vielzahl von wirtschafts- und sicherheitspolitischen Regionalbündnissen einzubinden. Dies ist mit durchwachsenem Erfolg geschehen. Seit der Gründung der Shanghai Cooperation Organisation /SCO sind diese Kooperationen auch mit den großen Flankenmächten international vernetzt. Vor allem ist China als wichtigster Grenznachbar einbezogen. Daneben bestehen abgesehen von den multi-



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lateralen Vertragsbeziehungen bilaterale Abkommen über wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperation, wie beispielsweise beim Grenzschutz etc. 4. Mit seiner Doppelstrategie, das zentralasiatische Gas für den heimischen Markt zu absorbieren und die europäischen Abnehmer mit einem Mix aus eigenen Vorkommen und zentralasiatischem Gas zu beliefern, sucht Gazprom den potenziellen Rivalen Turkmenistan, Kasachstan und Iran den Weg nach Westen zu verstellen. Bis jetzt sieht es so aus, als ob dieser Schachzug gelingt. Das impliziert jedoch, dass die von der EU angestrebte regionale Diversifizierung des Gasimports, soweit sie sich auf die Ressourcen des kaspischen Raums bezieht, nur geringe Realisierungschancen hat. 5. Auch der Bau der Westsibirien-China-Pipeline („Altai“) folgt dem beschriebenen Konzept Gazproms  : Das Unternehmen versucht dadurch zu verhindern, dass der chinesische Gasmarkt von zentralasiatischen Gasexporteuren dominiert wird. Die geplante Pipeline soll eine Kapazität von ca. 30 Mrd. Kubikmeter haben, was in etwa der geplanten North Stream Pipeline durch die Ostsee entspricht. In diesem Kontext verpufft die unterschwellige russische Drohung einer eurasischen Option in der Energiepolitik. Europa bleibt weiterhin der wichtigste Absatzmarkt für die kommenden Dekaden. Zweifellos bestimmt Russland gegenwärtig das energiepolitische Spiel im eurasischen Raum und sucht die Kontrolle über neue Förderquellen durch langfristige Verträge zu sichern und zugleich selbst seine Exportabhängigkeit vom europäischen Markt zu reduzieren. Obwohl sich diese Exportdiversifizierung erst in den nächsten zehn bis 15 Jahren voll entfalten wird, nämlich dann, wenn die geplanten Pipelines nach China und an den Pazifik operativ werden, ist die EU schon heute beunruhigt. Vergleichbare Ambitionen der Exportdiversifizierung bestimmen auch die Politik der zentralasiatischen Länder, besonders die von Kasachstan. Nur sind sie, vielleicht mit Ausnahme Kasachstans, kaum in der Lage, die geopolitischen und vor allem finanziellen Voraussetzungen zu erfüllen, die mit dem Aufbau eines nach Osten zielenden Pipelinenetzes verbunden sind. Dennoch hüten sie sich, in die Abhängigkeit von der einen oder anderen Großmacht zu geraten. In diesem Kontext machen Energiekooperationen Kasachstans, Usbekistans und Turkmenistans sowohl mit Russland als auch mit China Sinn, werden Avancen der Europäischen Union begrüßt und

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eine unverfängliche Nähe zur NATO gesucht. Und die rohstoffarmen „Habenichtse“ wie Kirgistan und Tadschikistan pochen im zwischenstaatlichen Streit der zentralasiatischen Länder um die Nutzung der Wasserreserven auf ihre Ressourcen. 87 Prozent des jährlichen Wasserabflusses stammen aus den Gebirgsregionen Tadschikistans, Kirgistans und Afghanistans. Mehr als 80 Prozent des Wasserverbrauchs entfallen hingegen auf Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan. Gegenüber den externen Akteuren weisen sie außerdem auf ihre Relevanz als strategische Barriere gegen den islamischen Terrorismus und gegen den organisierten Drogenschmuggel und Menschenhandel. Im Kontext der bilateralen Beziehungen untereinander werden die Auseinandersetzungen um die Nutzung des Wassers, eine Frage, die für Usbekistan überlebensnotwendig ist, um etwa das fruchtbare Fergana-Tal zu bewässern, immer schärfer. Bisherige Ansätze von regionaler Kooperation oder gemeinsamen Ressourcenmanagements schlugen fehlt, scheiterten an nationalen Egoismen. Zu Recht argumentiert Roy Allison, der einen Zusammenhang zwischen der inneren Verfassung eines Staates und seinem Außenverhalten annimmt, dass in Zentralasien eine wirklich grenzübergreifende Kooperation an den Interessen der auf Herrschaftssicherung abzielenden personalisierten, patrimonialen und klientelistischen Herrschaftscliquen scheitert. Warum sollten sie mit anderen Herrschaftscliquen Projekte verfolgen, bei denen sie ihre Machtbefugnisse international oder überregional teilen müssten, wenn sie nicht gewillt sind selbst ein Mindestmaß an innenpolitischer Pluralität zuzulassen  ?17 Insbesondere die Machtrivalitäten zwischen Taschkent und Astana konterkarieren Projekte regionaler Kooperation in Zentralasien. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ohne sich zum Anwalt innerpolitischer Reformen zu machen, kommt der Quadratur des Kreises gleich und stellt die Zentralasienpolitik der EU vor eine schier unlösbare Aufgabe. Aber nicht nur die EU steht hier vor schier unlösbaren Problemen, auch die russische Politik kann sich verrennen und Opfer der Eurasien-Begeisterung werden. Lilia Shevtsova, eine der namhaftesten Politologinnen Russlands, betrachtet daher das irrationale Wechselspiel russischer Politik, die zwischen Kooperation und Konflikt oszilliert, auch mit Sorge. Denn nach Shevtsova vollzieht die russische Außenpolitik einen „Zickzackkurs“ zwischen Kooperation und 17 Roy Allison, Blockaden und Anreize  : Autoritarismus und regionale Kooperation, in  : Osteuropa 57. Jahrgang/Heft 8–9 August – September 2007, S. 260.



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Konfrontation. Sie beschreibt das russische Verhältnis zur EU, vor allem aber zu den USA, als „antagonistische Partnerschaft“.18 Europa ist zwar der gewünschte Partner, aber die Differenz zwischen Interessen und Werten klafft immer weiter auseinander. Shevtsova sieht nicht nur Versäumnisse auf der russischen Seite. Sie führt eine Reihe von Faktoren an, die primär durch die rücksichtslose Politik der USA im Umgang mit ihren Partnern, aber vor allem mit Moskau dazu führten, dass sich aus dem anfänglichen Bemühen einer stärkeren Westorientierung unter Putin sukzessive zuerst Protest und dann Widerstand entwickelte. Diese Tendenz ging einher mit dem Aufkommen eines neuen Identifikationsgefühls der russischen Machteliten, dass den wirtschaftlichen Aufschwung zur Grundlage hatte und die amerikanischen Probleme im Irak als beginnenden Niedergang des US-Imperiums deutete. Aber noch andere, historische Motive spielten dabei eine Rolle. „Rußlands Distanzierung vom Westen hat auch politische Gründe. Erstens bleibt das Großmachtdenken für die rußländische Elite ein wichtiger Faktor der Selbstidentifikation. Sogar die Liberalen meinen, daß Rußland aufgrund seiner geographischen Lage und seiner Sicherheitsinteressen kein „normales Land“ sein könne und es auf jeden Fall nach weltweitem Einfluß streben solle.“ Im politischen Bewusstsein der russischen Machtelite setzt sich zunehmend die Sichtweise durch, dass die umgebende Welt Russland feindlich gesonnen sei. Die heutige politische Klasse zweifelt schon nicht mehr daran, dass der Westen eine aggressive Macht ist, die Russland Böses will. Shevtsova befürchtet, dass die Spannungen mit dem Westen nicht etwa zur Stärkung der eigenen außenpolitischen Souveränität genutzt werden können. Im Gegenteil könnte das riskante Spielen mit der eurasischen Karte das Land in die Einflusssphäre Chinas abgleiten lassen. Hierin sieht sie auch eine Hauptgefahr der russischen Teilnahme an der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), welche Peking nutzt, um nach Zentralasien zu expandieren. Peking verfolgt stringent seine eigenen Interessen, und die Partnerschaft mit Moskau sowie die SCO sind nur Instrumente für den Aufstieg und die Erweiterung des globalen Einflusses Pekings, so Shevtsova19. 18 Lilia Shevtsova, Rußlands Wille zur Weltmacht  : Autokratie, Energie, Ideologie, in  : http  :// www.eurozine.com/articles/2007-05–16-shevtsova-de.html. 19 Siehe dazu auch Martha Brill Olcott, The Shanghai Cooperation Organisation, Changing the „Playing Field“ in Central Asia, Testimony before the Helsinki Commission September 2006, in  : http  ://www.carnegieendowment.org/files/MBO0906.pdf  ; Eugene Rumer, China,

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Kasachstans energiebasierte Multivektorenpolitik Kasachstan, der größte Flächenstaat Zentralasiens, grenzt im Norden an Russland, im Osten an Turkmenistan, im Süden an Usbekistan und im Südosten an China  : Mit seinen 15,4 Millionen Einwohnern, wobei der ethnische Anteil der Kasachen bei ca. 57 % liegt, gefolgt von ca. 27 % Russen und einer Vielzahl ethnischer Minderheiten ist Kasachstan, zweifellos nicht nur das am meisten umworbene Land in Zentralasien.20 Es ist auch bemerkenswerterweise weder vor noch seit 2005, als die Präsidentschaft von Nursultan Nasarbajew um weitere sieben Jahre verlängert wurde, kaum zu Konflikten zwischen den Volksgruppen gekommen. Usbekistan steht eine solche Machtprobe bei der Nachfolge von Karimov noch bevor. Ähnlich wie in Russland hat der Präsident durch die Präsidialverfassung nahezu umfassende Kompetenzen, wohingegen das Parlament nur über schwache Machtmittel verfügt. Übt sich in Russland die Kommunistische Partei/KPRF in loyaler Opposition, so sind im kasachischen Parlament keine Oppositionsparteien vertreten. Kasachstan liegt in der Mitte eines imaginären Vierecks, dessen Eckpunkte von China im Osten, Indien/Pakistan im Süden, Russland im Norden und der Europäischen Union im Westen markiert werden. Mit anderen Worten, Astana, seit 1997 Hauptstadt und Sitz der Regierung, hat faktisch die Wahlfreiheit, falls die Nachfrage und die Preise für Energie wieder steigen, sich nach allen Seiten energiepolitisch zu vernetzen. Das gilt uneingeschränkt nach Osten, hin zu den Wachstumsmärkten Asiens. Astana ist bemüht, seine Energieexporte zu diversifizieren und die Erlöse aus den Exporten für den Aufbau einer breit gefächerten Industrie zu nutzen. Aber die begünstigte geopolitische Lage hat auch ihre Tücken  : Energieexporte sind vorerst nur durch Russland möglich, es sei denn, sie werden auf Schiffe nach Aserbaidschan verbracht und dort in die BTC Pipeline eingespeist. Solange eine Klärung des rechtlichen Status des Kaspischen Meeres/See nicht erfolgt, ist der Bau einer Unterwasser­pipeline durch die Kaspisee nicht möglich. Daraus resultiert eine Abhängigkeit des Landes von Moskau und der außenpolitischen Multivektorenpolitik sind Grenzen gesetzt.

­ ussia and the Balance of Power in Central Asia, in  : Strategie Forum N0.223, November 2006, R http  ://www.ndu.edu/inss/Strforum/SF223/SF223.pdf. 20 http  ://www.ebrd.com/about/strategy/country/kaza/index.htm.



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Quelle  : http  ://www.welt-atlas.de/datenbank/karten/karte–4–744.gif

Quelle  : Stratfor, Global Intelligence   ; Central Asia   : Kazakhstan’s Many Suitors, 19.03.2007

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Der Aufstieg neuer Wachstumszonen in der Weltwirtschaft und die ungebrochene Nachfrage nach Energie haben sich für das Land wirtschaftlich ausgezahlt. Hinzu kommt, dass Astana zu den anderen zentralasiatischen Staaten, sehen wir einmal von Usbekistan ab, recht gute Beziehungen unterhält. Das Hauptinteresse Astanas gilt dabei nicht den wirtschaftlichen Beziehungen, hierzu ist die kasachische Wirtschaft schon zu weit in den Weltmarkt integriert. Aber berechenbare und stabile politische Entwicklungen in Kirgistan und Tadschikistan wie in Usbekistan sind der kasachischen Politik vorrangig. Obwohl die Regelung von Grenzstreitigkeiten mit Usbekistan 2002 gelang, bestehen gespannte Beziehungen. Ein Grund liegt sicherlich in der Rivalität beider Länder um eine Führungsrolle in der Region. Aber es kommen auf kasachischer Seite auch konkrete Anlässe hinzu, die mit dem Management des Wassers zusammenhängen. Zeitweise Schließungen der Grenzen für den Waren- und Personenverkehr haben die Beziehungen belastet. Seit der Niederschlagung des Aufstandes von Andijan und nunmehr auch aufgrund der Wirtschaftskrise rückten Asylfragen und die Rückweisung von Arbeitsmigranten in den Mittelpunkt von Streitigkeiten. Kasachstan ist es gelungen, nach der Unabhängigkeit durch Schaffung eines soliden Währungs- und Finanzsystems sowie durch Kooperation mit ausländischen Unternehmen beim Abbau seiner reichen Bodenschätze (Öl, Metalle, Kohle) die marktwirtschaftliche Umgestaltung konfliktloser zu vollziehen als etwa die Ukraine oder Russland. Die Wirtschaftspolitik Kasachstans ist seit Beginn des Millenniums auf eine ausgewogene und diversifizierte Entwicklung sowie den beschleunigten Aufbau der Verarbeitungs-, Hightech- und wissensbasierten Industrie ausgerichtet. Zugleich sollen die Infrastruktur verbessert und der agroindustrielle Sektor ausgebaut werden. Ziel ist u.a. die Überwindung der Rohstofflastigkeit. Seit dem Juni 2003 verfolgt die kasachische Regierung unter ihrem Präsidenten Nasarbajew eine Modernisierungsstrategie, die als „Strategie für die industrielle und innovative Entwicklung Kasachstans bis 2015” definiert wurde. Sie sieht vor, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2015 um den Faktor 3,5 bis 3,8 auf über 64 Mrd. US $ zu erhöhen. Das Programm des Präsidenten Nasarbajew „Kasachstan 2030“ soll das Land zur führenden Regionalmacht machen. Ähnlich wie Russland in der Präsidentschaft Putins, hat auch Kasachstan ein Modernisierungs- und Diversifizierungsprogramm aufgelegt. Dies wurde durch die hohen Einnahmen aus den Energieexporten möglich. Und gerade so wie der nördliche Nachbar, erlangte der kasachische Staat nach 2000 durch Revenuen aus den Energie-



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Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen Heft 10, 31.12.2008, S. 11

exporten größere Handlungsfähigkeiten für industrielle Restrukturierungen und für die Aufbesserung der desolaten Sozialprogramme. Zu diesem Zweck wurden die Gewinne aus Energieexporten abgeschöpft. Dank größerer Einnahmen aus dem Erdölbereich sind im staatlichen Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem erhebliche Verbesserungen zu beobachten. Noch stärker als Moskau hängt Astana aber am Tropf solcher Abschöpfungen, denn sie machen mehr als zwei Drittel des kasachischen Staatsbudgets aus.21 Allerdings lässt die Restrukturierung der wichtigsten Industriebereiche noch auf sich warten. Nur vorsichtige Schritte der De-Monopolisierung sind eingeleitet 21 Siehe dazu  : Kirsten Westphal, Wettlauf um Energieressourcen, Osteuropa Energie-Dossier 2009, Osteuropa/DGO, S. 72.

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worden. So wurde im Frühjahr 2006 eine Staatsholding „Samruk” gegründet, der 20 Staatsbetriebe angehören, die größten darunter sind die Bahn, die Post, die Fluggesellschaft Air Astana, Öl- und Gaskonzerne, Telekommunikation und die Stromwirtschaft. Ob allerdings angesichts der globalen Wirtschaftskrise und der erneut gestiegenen Relevanz des Staates gegenüber der Wirtschaft, mit einer zügig voranschreitenden Privatisierung zu rechnen ist, scheint äußerst zweifelhaft. In dieser Hinsicht gibt es Parallelen zur russischen Wirtschaftspolitik seit der zweiten Amtszeit Putins. Das Wirtschaftswachstum des letzten Jahrzehnts betrug im Durchschnitt ca. 9 %  : Das BIP-Wachstum lag 2007 bei 8,5 % (2006  : 10,6 %). Damit lag Kasachstan weit vor allen anderen Ländern Zentralasiens. Getragen wurde das enorme Wachstum hauptsächlich durch den Öl-, Gas- und Rohstoffsektor. Das produzierende Gewerbe trug zu 44 %, der Dienstleistungsbereich (inkl. Handel) zur Hälfte (49,4 %) zum BIP bei. Die Öl- und Gasbranche hat einen Anteil von 51,9 % an der Industrieproduktion (der Anteil des extraktiven Bereichs am BIP liegt bei 31,8 %).



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Aufgrund der früh eingeleiteten Öffnung des kasachischen Ölsektors zieht die Erschließung von Öl- und Gasquellen unvermindert ausländische Direktinvestitionen ins Land. Von 1993 bis zum 1. Quartal 2007 beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen auf 54,6 Mrd. US $. Davon lagen ca. 80 % im extraktiven Bereich. Kasachstan ist mit 67,5 Mio. Tonnen Ölförderung im Jahr 2007 (65 Mio. t im Jahr 2006) der zweitgrößte Ölproduzent in der GUS, nach Russland. Bis zum Jahr 2015 soll die Jahresproduktion auf 140 Mio. Tonnen steigen.

Quelle  : Zentralasien-Analysen, Heft 17, 29.5.2009, S. 9.

Im Vergleich mit anderen zentralasiatischen Ländern empfing Kasachstan den Löwenanteil an ausländischen Direktinvestitionen, die aber ähnlich wie in Turkmenistan primär in die Rohstoff- und Energiesektoren flossen. Die wichtigsten Ausfuhrgüter sind Öl- und Gaskondensat, Eisenmetalle, Kohle, Kupfererzeugnisse, anorganische Chemikalien und Weizen. Die wichtigsten Einfuhrgüter sind Maschinenbauerzeugnisse, verarbeitete Ölprodukte, Naturgas, Elektrotechnik, Zucker, Fahrzeuge und Möbel, Mineralien, chemische Produkte, Plastikwaren, Textilien, Metallwaren und Gummiwaren. Das Außenhandelsvolumen stieg im Jahr 2007 um 30 % (2006 zu 2005  : 37 %), wobei auf die Exporte 25,8 % (2006 zu 2005  : +37,3 %) und auf die Importe 39 % (2006 zu 2005  : +36,4 %) entfielen.

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Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 12, 20.12.2008, S. 10.

Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 12, 20.12. 2008, S. 10.



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Aus der Außenhandelsstruktur ergibt sich, dass Kasachstan im Vergleich mit den übrigen zentralasiatischen Ländern eine dominierende Position einnimmt. Der Anteil des Handels von anderen zentralasiatischen Staaten mit Kasachstan ist verschwindend gering und illustriert trotz mannigfaltiger Abkommen die Probleme intraregionaler Kooperation. Bürokratische Barrieren und Hemmnisse, die versteckt protektionistisch motiviert sind und klientelistische Wirtschaftsinteressen behindern den intraregionalen Warenaustausch. Im Jahre 2007 betrug der Anteil des gesamten zentralasiatischen Handels mit Kasachstan ca. 2,3 %. Hingegen ist der Anteil kasachischer Exporte nach Zentralasien wesentlich höher. Exporte nach Kirgistan machten 2007 ca. 14,5 % aus und nach Tadschikistan betrug der Handelsanteil ca. 9 % wurden. Der kasachische Handelsanteil mit Usbekistan belief sich auf ca. 6,1 %.

Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 12, 20.12.2008, S. 10.

Ähnlich wie in Russland löste das rasante Wirtschaftswachstum einen Boom in der Bau- und Immobilienbranche aus, der zudem durch Spekulationen angeheizt wurde. Aber nach fünf Jahren starken wirtschaftlichen Wachstums, das durchschnittlich 9,7 % p. a betrug, fiel das Wachstum auf unter 3 % im Jahre 2008. Der Zugang zu internationalen Finanzquellen wurde mit Einsetzen der globalen Rezession erheblich erschwert, was sich nicht nur auf

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den Ölsektor, sondern auch auf KmU’s auswirkte. Die industrielle Produktion wuchs nur um 3 % verglichen mit 5,6 % im Jahre 2007. Staatliche Finanzspritzen linderten zwar den wirtschaftlichen Abschwung, aber mit dem Preisverfall für Öl und Rohstoffe verschärfte sich die Krise im ersten Quartal 2009. Für den Zeitraum 2009 bis 2011 wird ein Wachstum zwischen 3 % und 4,1 % angenommen. Folge der Kreditkrise war auch der Rückgang des Konsums und von entsprechenden Importen. Als Folge der wirtschaftlichen Überhitzung stieg die Inflationsrate seit 2005 beträchtlich an. Sie betrug im Jahre 2007 18,8 % (2006  : 8,6 %  ; 2005  : 7,6 %  ; 2004  : 6,9 %). Davon sind vor allem niedrige Einkommensgruppen betroffen, da die importierten Nahrungsmittel preislich stark anstiegen. Inoffiziellen Schätzungen zufolge betrug die Teuerung im Lebensmittelbereich über 10 %, teilweise bis zu 30 %. Wie andere energiebasierte Volkswirtschaften des GUS Raumes, ist auch Kasachstan abhängig von den Preisbewegungen auf den internationalen Energiemärkten. Das betrifft insbesondere den Erdölmarkt. Ähnlich wie in Russland wurde ein nationaler Stabilisierungsfond eingerichtet. Dieser sollte Schwankungen ausgleichen und auch in Krisenzeiten dem Staat Ressourcen für Investitionen zur Verfügung stellen. Die Devisen- und Goldreserven beliefen sich bis zum 31.12.2008 unter Einschluss des Nationalen Ölfunds auf 46,7 Mrd. US $ und deckten somit die staatliche Verschuldung. Der Haushalt 2007 konnte noch mit einem leichten Plus abgeschlossen werden. Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise flossen über 5 Mrd. US Dollar aus den Devisen und Goldreserven zur Unterstützung von Banken, Unternehmen und für soziale Kompensationen ab. Schon im Herbst 2007 zeigten sich die Vorboten der anschwellenden globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. „Mit dem Beginn der Wirtschaftskrise in Kasachstan ging eine plötzliche Verringerung von Bankdarlehen einher, was Probleme im stark kreditfinanzierten Bausektor und eine sinkende Nachfrage nach Wohnraum mit sich brachte. Die Bauunternehmen verloren schlagartig ihren Zugang zu Krediten, Baustellen wurden stillgelegt, Leute, die Geld investiert hatten, blieben nicht nur ohne Wohnung, sondern hatten auch keine Chance, bereits gezahlte Investitionen zurückzubekommen.“22 Auf dem Wohnungsmarkt platzte die Spekulations­blase23 und Tausende verloren ihr erst kürzlich 22 Siehe Zentralasien-Analysen Nr. 18, 26.6.2009, S. 2. 23 Zur Anschaulichkeit sei auf den spekulativen Anstieg der Preise für Immobilien in Almaty zwischen 2003 und 2009 hingewiesen. Die Preise für eine Eigentumswohnung stiegen von knapp



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Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 02, 29.02.2008, S. 9.

erworbenes Wohnungseigentum. Sie konnten die Hypotheken nicht bedienen oder wurden in den Strudel von Pleiten im Bausektor hineingerissen. Um ihr Sparkapital betrogene Wohnungskäufer formierten sich mit anderen Problemgruppen zu sozialen Protestbewegungen und zwangen staatliche Stellen Hypotheken zu refinanzieren. Für den Gassektor ist Diversifizierung noch weitgehend Zukunftsmusik, aber für die Ölbranche bestehen Anbindungen. Trotz westlicher Sirenenklänge ist es jedoch unwahrscheinlich, dass sich die enge wirtschaftliche, technologische und vor allem energiepolitische Kooperation Kasachstans mit Russland eintrüben wird. Die frühe Öffnung des Landes für internationale Energiekonzerne und die gewaltigen Vorkommen an Energie und Rohstoffen haben Kasachstan für die EU, China und die USA attraktiv gemacht.24 700 US Dollar pro Quadratmeter 2003 auf 1150 US Dollar im Jahre 2005, überschritten 2007 den Zenit mit 3530 US Dollar und „stürzten“ auf 1817 US Dollar anfangs 2009 ab. 24 Das im Sommer 2000 entdeckte Kaschagan Erdölfeld zählt mit geschätzten 13 Mrd Barrel Öl zu den größten der Welt und katapultiert Kasachstan, wenn um 2015 die Ölförderung begonnen wird, in die Liga der weltweit größten Ölproduzenten.

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Kasachstan verfügt etwa über halb so viele Erdölreserven wie Russland, hat aber auch im Vergleich zu Turkmenistan und Aserbaidschan die größten gesicherten Reserven im gesamten GUS-Bereich. Mit 39,8 Mrd. Barrel nachgewiesener Erdölreserven und einer Tagesproduktion von 1.426.000 Barrel übertrumpft es alle übrigen GUS-Länder. Aufgrund mangelnder Erfahrungen, fehlenden Kapitals und technologischem Know-how hatte die kasachische Regierung bereits früh nach der Selbstständigkeit des Landes ausländische Ölkonzerne eingeladen, an der Erschließung der Energieressourcen des Landes mitzuwirken. Russland ging einen völlig anderen Weg und untersagte – selbst in der schwachen Zeit der Jelzin-Präsidentschaft – bis auf die Sachalin-Abkommen zur Energieförderung mit ausländischer Beteiligung, sogenannte Production Sharing Agreements/PSA. Nur Aserbaidschan hat einen ähnlichen Weg beschritten wie Kasachstan und holte international tätige Energiekonzerne früh ins Land.

Verteilung der Reserven an konventionellem Öl und Erdgas 2007 nach ­wirtschaftspolitischen Gruppierungen

Quelle  : Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)Energierohstoffe 2009 Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit, S. 38, in  : http  :/www.bgr.bund.de.

Zwischen 1993 und 1997 schlossen sich sieben ausländische Firmen (ExxonMobil, Royal Dutch Shell, Agip, British Gas, BP, Statoil, Total) mit der staatlich kasachischen Firma KazakhstanCaspiShelf/KSC zu einem internationalen Konsortium zusammen.



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Vergleich der Erdölförderung und des Verbrauchs 2007 nach Regionen

Quelle  : Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)Energierohstoffe 2009 Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit, S. 48, in  : http  :/www.bgr.bund.de.

Das erste Production-Sharing Agreement (PSA) wurden 1997 in Washington mit einer Laufzeit von 40 Jahren unterzeichnet. 1997 wurde auch ein PSA zwischen ChevronTexaco, British Gas, Agip und LUKoil für die Erschließung des Karatschaganak Ölfeldes im Westen Kasachstans abgeschlossen. Die Auswirkungen der russischen Finanzkrise vom August 1998 zwangen die kasachische Regierung, ihren Anteil an KSC an den japanischen Erdölkonzern Inpex Corp. und an Conoco-Phillips zu verkaufen. Die neun internationalen Ölkonzerne gründeten daraufhin die Offshore Kazakhstan International Operating Company/OKIOC. Mit der Entdeckung des Kaschagan Feldes mehrten sich Spannungen um dessen Ausbeutung, die schließlich zur Bildung eines umgestalteten Konsortiums (Agip Kazakhstan North Caspian Operating Company) unter Leitung der italienischen Muttergesellschaft ENI von Agip führten. Streitigkeiten im Konsortium, die Schwierigkeiten bei der italienischen Systemführung sowie kasachischer Druck auf das Konsortium führten zu weiteren Umbildungen und schließlich dazu, dass die staatlich

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k­ asachische KazMunaiGaz ca. 8,3 % der Anteile an Kaschagan 2005 erwerben konnte. 2007 wurde dieser Anteil nochmals aufgestockt.

Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 02, 29.2.2008, S. 7.

Die Verhältnisse im Erdölsektor25 sind mit der Beteiligung des kasachischen Staates an der Ausbeutung des Kaschagan-Feldes vorerst geklärt. 2007 förderte Kasachstan 67,5 Mio. t (2006  : 65 Mio. t  ; 2005  : 61,9 Mio. t) Öl und Kondensat (+ 3,8 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum). Ferner wurden im Jahre 2007 29,2 Mrd. cbm (2006  : 25,6 Mrd. cbm) Gas gefördert. Die in Kasachstan entdeckten Ölvorkommen (Tengis und Kaschagan) sind die beiden weltweit größten Funde der letzten 20 Jahre. In den kasachisch-russischen Beziehungen waren Belastungen, wie sie mit der Ukraine oder Georgien auftraten, nie zu beklagen. Dennoch war die Zusammenarbeit im Energiebereich nicht unproblematisch26. Streit gab es um 25 Siehe dazu auch  : Peter W. Schulze, Russische und europäische Energiepolitik im Zeichen der globalen Krise, in  : Internationales Institut für Liberale Politik Wien, Sozialwissenschaftliche Schriftenreihe, Wien, Mai 2009, S. 19 f. 26 Aber Gründe für denkbare Meinungsverschiedenheiten mit Russland erschöpfen sich nicht



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die Aufstockung der Durchleitungskapazitäten bei Pipelines. Bislang exportiert Kasachstan die Hauptmenge seines Öls durch die Pipeline des Caspian Pipeline Consortium/CPC27 zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk. Allerdings suchte Astana im Juni 2006 seine Exportrouten zu diversifizieren. Öl wird nun auch über die an Russland vorbei führende Pipeline BTC/BakuTbilissi-Ceyhan exportiert. Allerdings wird das Öl noch nicht gänzlich durch Pipelines exportiert, da die Rechtsstreitigkeiten über den Status des Kaspischen Meeres anhalten, sondern auch per Tanker28 und Eisenbahn. Solange

nur auf die Routenführung und Kontrolle über die Pipelines. Kasachstan hat im Unterschied zu Russland eine Reihe von Production-Sharing-Agreements/PSA seit den 1990er Jahren abgeschlossen und die Exploration und Förderung von Energie internationalen Konzernen überlassen. So wird beispielsweise das größte Ölfeld im nördlichen Kaspischen Meer, das Kaschagan-Feld, von einem internationalen Konsortium unter Führung des italienischen Ölkonzerns ENI erschlossen. 27 Mit 15 % hält Chevron den höchsten Anteil unter den acht ausländischen Betreibern der CPC, der einzigen privaten Pipeline, die über russisches Territorium verläuft. Russland und Kasachstan halten 24 und 19 %. Shell und LUKoil, aber auch die Regierung von Oman sind Anteilseigner. Im Mai 2007 übertrug Moskau seinen Anteil auf Transneft. 28 Am 14. November 2008 einigten sich Kasachstan und Aserbaidschan auf die Errichtung eines Energietransportsystems im kaspischen Raum um zentralasiatisches Öl über Aserbaidschan zu verschiffen. Eine Tankerflotte ist geplant  ; The Moscow Times, 17.11.2008.

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keine direkten Gas-Pipelines nach China oder Pakistan gelegt sind und auch Überlegungen für eine Routenführung auf dem Boden des Kaspischen Meeres nach Georgien/Aserbaidschan und dann weiter nach Europa nur in einer allerersten Planungsphase stecken, sind kasachische Gasexporte ausschließlich über die russischen Netze möglich.

Quelle  : http  ://de.wikipedia.org/wiki/Datei  :BTC-Pipeline.png

Kasachstan verfügt seit 2007 über eine Ölpipeline, die vom nördlichen Ufer des kaspischen Meeres nach Nordwestchina führt, nach Alashankou. Damit hat Kasachstan als erstes zentralasiatisches Land sich ein Stück weit auf dem Ölsektor aus der russischen Abhängigkeit gelöst und hat seiner eigenständigen Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik eine Basis gegeben. Es ist bemerkenswert, dass dieser Durchbruch nicht zu Konflikten mit Moskau führte.



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Ölpipeline nach China

Quelle  : http  ://commons.wikimedia.org/wiki/File  :Kasachstan-China-Pipeline.gif

Aber ein offenes Problem blieb der Gassektor. Vor allem die USA versuchten im Kontext der russischen Gaspreispolitik der kasachischen Regierung die Idee einer eigenen Pipeline in die Türkei näherzubringen, um die Zusammenarbeit mit Moskau zu belasten. China wiederum engagiert sich auch mit Direktinvestitionen und drängte auf eine Gas-Pipeline, um sich einerseits unabhängiger von zukünftigen russischen Lieferungen, aber auch von der Unberechenbarkeit des Golf-Raumes zu machen. Die EU schließlich zeigt ein reges Interesse am Ressourcenreichtum der zentralasiatischen Länder und suggeriert, dass mit der Energiecharta und dem nun angeschobenen Nabucco-Projekt das russische Umarmungsmonopol bei den Pipelines durchbrochen werden könnte. Wie alle Länder des Kaspischen Raumes ist auch Kasachstan bestrebt, über eine Vielzahl von Pipelines seine Energievorkommen an internationale Märkte transportieren zu können. Gleichberechtigte Partnerschaften zu China, den USA und zu Russland resultieren aus dieser Vorgabe, die letztlich nicht nur die Eigenentwicklung des Landes, sondern auch dessen Unabhängigkeit gewährleisten.29 Dementsprechend entspringen aus diesem Ansatz beispielsweise auch Meinungsverschiedenheiten mit Moskau über die Europäische Energiecharta, die von Kasachstan aufgrund der eigenen Interessenlage begrüßt wird. Mit China wurde der Bau einer Gaspipeline vereinbart, die nahezu zeitgleich mit der turkmenischen Gaspipeline im Dezember 2009 29 Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew bei der Amtseinführung nach seiner Wiederwahl, RIA Novosti, 11.2006. Als Fernziel ließ er natürlich die Zusammenarbeit mit der EU nicht aus.

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vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew und von Hu Jintao, dem chinesischen Präsidenten, in Betrieb genommen wurde.30 Die Pipeline Kasachstan-China ist nur ein Abschnitt der geplanten Leitung „Zentralasien“, die Felder in Turkmenistan via Usbekistan mit der Leitung Kasachstan-China verbinden soll. Die 1304 km lange Pipeline Kasachstan-China hat zwei Stränge mit einem Durchmesser von je 1067 Millimetern. Der kasachische Abschnitt ist 650 km lang. Geplant ist, 2010 bis zu 13 Mrd. Kubikmeter Gas nach China zu pumpen. Die Leistung der Röhre soll gegen Ende 2013 auf rund 30 Mrd. Kubikmeter steigen. Der Wert des Projekts beträgt rund 7,5 Mrd. US-Dollar. Damit sind erstmals die Bemühungen zur Lockerung der russischen Monopolstellung erfolgreich abgeschlossen worden und werden weitere Anstrengungen bei den Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres31 freisetzen. Solange das russische Monopol bei den Gasdurchleitungsnetzen nach Europa unangefochten bleibt, hat die kasachische Regierung im Gasgeschäft nur geringen Spielraum. All das deutet darauf hin, dass es ähnlich wie in Turkmenistan ein unerfreuliches Erwachen für die Europäische Union und ihre Strategen geben wird.32 Mit Turkmenistan hatte Gazprom im August 2003 einen Liefervertrag für Gas auf 25 Jahre abgeschlossen. Das Land verpflichtete sich, 60 bis 70 Mrd. Kubikmeter Gas 2007, 63 bis 73 Mrd. Kubikmeter 2008 und 80 Mrd. Kubikmeter 2009 an Russland zu liefern. Obwohl sichere Angaben über die potenziellen Fördermengen Turkmenistans nicht zu ermitteln sind, hat Peking Vereinbarungen über den Bau einer Gaspipeline mit der turkmenischen Regierung getroffen. Die Pipeline soll das Dreifache an Gas nach China bringen wie etwa die kasachisch-chinesische Pipeline, die bereits die Realisierungsstufe erreicht hat. Am 13. Dezember 2009 wurde die 1833 km lange Gaspipeline von Turkmenistan nach China feierlich von den beiden Präsidenten ihrer Länder, vom turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdymukhammedov und dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao, in Ashgabat eingeweiht. Die Pipeline ist in einer Rekordzeit von drei Jahren fertiggestellt worden und wurde von China finanziert.33

30 RIA Novosti, 12.12.2009, Kasachstan hat eigene Gasexportpipeline – Erster Kunde China, in  : http  ://de.rian.ru/business/20091212/124346336.html. 31 Gunter Deuber, Manuel Paffrath-Dorn, Russland – Kasachstan, in  : Eurasisches Magazin, 31.1. 2007. 32 FAZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.3.2008. 33 Siehe Radio Free Europe Radio Liberty, 14.12.2009, New Turkmen-China Pipeline Breaks



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Im Kontext der russischen Gaslieferungen nach West- und Mitteleuropa sind jedoch beide Gaspipelines keineswegs spektakulär. Die kasachische Pipeline wird ein Drittel weniger Gas nach China transportieren als etwa North Stream oder die geplante South Stream Pipeline. Dennoch eröffnen diese Routen ein höheres Maß an Unabhängigkeit von Russland und sichern den Produzenten Anteile an der Energieversorgung des chinesischen Wachstumsmarktes.

Gaspipelines in Zentralasien (existent und geplant)34

Quelle  : http  ://www.eia.doe.gov/emeu/cabs/Kazakhstan/images/IEA_gasmap.gif

Tatsache ist jedoch, dass Turkmenistan seine Lieferverpflichtungen schon in der Vergangenheit nicht einhalten konnte. 2006 wurden nur 42 Mrd. m3 Russia’s Hold Over Central Asian Gas, in  : http  ://www.rferl.org/content/TurkmenistanChina _Gas_Pipeline_To_Open /1903108.html 34 Shamil Midkhatovich Yenikeyeff, Kazakhstan’s Gas  : Export Markets and Export Routes, Oxford Institute for Energy Studies, November 2008, S. 66.

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exportiert. Gazprom kaufte nahezu das gesamte turkmenische Gas und verkaufte es über RosUkrEnergo an die Ukraine und nach Europa. Schon damals scheiterten Pläne des ukrainischen Präsidenten Juschtschenko, sich mit turkmenischem Gas aus der Abhängigkeit von Moskau zu befreien. An dieser Situation hat sich wenig geändert. In Hinblick auf Westeuropa bedeutet das, die Diversifizierungswünsche der EU entpuppen sich wenigstens im turkmenischen Fall als pure Illusion.35

Quelle  :http  ://www.eia.doe.gov/emeu/cabs/Kazakhstan/NaturalGas.html

35 The Moscow Times, 16.2.2007, S.  5. Weitere Vereinbarungen über eine aktive Kooperationspolitik und Dreiecksgeschäfte im Energiebereich, an denen auch Usbekistan beteiligt ist, sind vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew und Putin im Oktober 2006 unterzeichnet worden. Zu nennen wäre die gemeinsame Ausbeutung des gewaltigen Gasfeldes von Karachaganak. Kasachstan zieht daraus Vorteile, denn kasachische Partner wurden bei der Gasverarbeitung im grenznahen russischen Orenburg beteiligt.



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Usbekistan im Spannungsbogen zwischen Klientelismus, Tradition und Modernität

Quelle  : http  ://commons.wikimedia.org/wiki/File  :Uzbekistan_1995_CIA_map.jpg

Usbekistan ist mit 26 Mio. Einwohnern, wobei in der Hauptstadt Taschkent ungefähr 2,1 Mio. leben, der bevölkerungsmäßig größte Staat in Zentralasien. Von den Grenznachbarn Kasachstan, Kirgistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Afghanistan umschlossen und seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 selbst-

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ständig, kann das Land entlang der Seidenstraße auf eine zweitausendjährige Geschichte zurückblicken. Epochen von Machtentfaltung und Eroberung machten es immer wieder zum Mittelpunkt von Hochkulturen. Jedoch im Unterschied zu den anderen zentralasiatischen Staaten ist das Land ethnisch und religiös relativ homogen. Von den ca. hundert Ethnien stellen die Usbeken circa 75 %. Russen und Tadschiken machen ca. je 5 % aus, gefolgt von ca. 4 % Tataren, 3 % Kasachen sowie Karakalpaken, Kirgisen, Turkmenen, Koreaner, Ukrainer, Armenier. Außerdem leben noch ca. 5.000 deutsche Volkszugehörige in Usbekistan. Die Wachstumsrate der Bevölkerung beträgt 1,4 %. Es überwiegt die islamisch-sunnitische Glaubensrichtung. In Usbekistan hat sich ähnlich wie in Aserbaidschan und in Turkmenistan der Übergang von der sowjetischen zur postsowjetischen Periode ohne große Brüche und Konflikte in der Herrschaftsstruktur vollzogen. Aus dem während des Untergangs der UdSSR amtierenden Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Usbekistans, Islam Karimov, wurde der Präsident Karimov, dessen Amtszeit in mehreren Referenden von 1995, 2000, 2002 und 2007 jeweils verlängert wurde. Nationale Emotionen, die in anderen GUSStaaten mit zu den Geburtsmerkmalen der neuen staatlichen Souveränität zählten, wurden von Anfang an im Zaum gehalten, sodass sich innergesellschaftliche Konflikte nicht entladen konnten. Die Islamisierung von Gesellschaft und Politik wurde unterbunden und streng auf die Trennung von Staat und Religion geachtet. In dieser Beziehung mag das stark zentralistische und scharf autoritäre, quasi-klientelistische Präsidialsystem, das sich in den 1990er Jahren herausformte, seine Verdienste haben. Es war und ist auf die Person Karimov zugeschnitten und gewährte den beiden parlamentarischen Institutionen kaum Macht oder Eigenständigkeit. Ähnlich anderen GUS-Staaten, kann man weder von der Existenz politischer Parteien noch von einer organisierten Opposition sprechen. Allerdings durchlebte auch der usbekische Abnabelungsprozess vom untergegangenen sowjetischen Imperium seine nationalistischen Momente. Taschkent ging in den 1990er Jahre auf Distanz zu Moskau und führte beispielsweise Usbekisch als Amtssprache ein. Seit Anbeginn suchte Taschkent seine Außenbeziehungen zu diversifizieren, näherte sich dem Westen, der EU, NATO und Washington an und suchte auch seine Handelsströme umzulenken. Obwohl jedoch Russland aufgrund der dortigen wirtschaftlichen Krise als Hauptabnehmerland für usbekische Waren, insbesondere Baumwolle, bis Ende der 1990er Jahre an Relevanz verlor, ließ sich die vormalige wirtschaftliche Verflechtung nicht auflösen. Außerdem war es schwierig,



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neue Absatzmärkte zu finden. Die Westorientierung dauerte ihre Zeit, sodass trotz allem Russland der Haupthandelspartner Usbekistans blieb. Auch im politischen Bereich kam es nicht zum Bruch mit Moskau, obwohl die oft rational nicht nachvollziehbare Außenorientierung von Präsident Karimov sehr auf Eigenständigkeit pochte. Unstrittig kann festgestellt werden, dass sich die Beziehungen Usbekistans zu Russland in den letzten Jahren intensiviert haben. So schlossen die Russische Föderation und Usbekistan im November 2005 einen „Vertrag über Alliierte Beziehungen“, der die politische Annäherung zwischen beiden Ländern auch völkerrechtlich zum Ausdruck bringt. Aber kennzeichnend für die oszillierende Politik Karimovs ist auch, dass er das Land 2006 in die Euro-Asiatische Wirtschaftsgemeinschaft EurasEC einbrachte und die ursprünglich suspendierte Mitgliedschaft in der Organisation für kollektive Sicherheit/ODKB wieder aufleben ließ, aber zwei Jahre später, im Oktober 2008, Usbekistan wieder aus der Euroasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft herausführte. Die Begründung zum Austritt ist mehr als fadenscheinig, denn der Vorwurf mangelnder Effektivität trifft auf alle Organisationen der GUS zu. Es ist eher anzunehmen, dass Karimov einen eigenen Ansatz interessenvermittelter Politik zwischen Moskau, der EU und Washington angesichts der problematischen Entwicklungen in Afghanistan, aber auch aufgrund der Ungewissheiten über Pakistan und den Iran verfolgt. Für den Schritt können jedoch auch neben sicherheitspolitischen Überlegungen wirtschafts- und finanzpolitische Faktoren eine Rolle gespielt haben. Die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftkrise auf Russland haben beispielsweise zum Versiegen von Rücküberweisungen usbekischer Arbeitsemigranten geführt. Zudem setzte ihre Rückkehr nach Usbekistan ein. Die fast dreißig Prozentige Abwertung des russischen Rubel hat auch die usbekische Währung mitgerissen, sodass sich Importe verteuerten. Weiterhin wurden negative Auswirkungen auf Reformen und Öffnungsschritte der Wirtschaft befürchtet. Der sogenannte „usbekische Reformkurs“, der im Unterschied zu anderen GUS-Ländern in den 1990er Jahren auf die Öffnung und Liberalisierung der Wirtschaft verzichtete und dennoch Erfolge zeitigte, steht auf dem Prüfstand. Befürchtungen, dass diese Faktoren zu sozialen Unruhen führen könnten, sind nicht auszuschließen. Auch zu China haben sich in den letzten Jahren die politischen Beziehungen, schon aufgrund der gemeinsamen Mitgliedschaft in der SCO, aber vor allem wegen der wirtschaftlichen Interessen Pekings am zentralasiatischen Raum, intensiviert. Grosso modo betrieb daher Taschkent eine Variante der Multivektorenpolitik wie sie Kasachstan schon seit langem praktiziert. Aller-

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dings sind die energiewirtschaftlichen Ressourcen Kasachstans zur Unterfütterung einer solchen Politik größer als jene Usbekistans. Im Unterschied zu anderen GUS-Ländern verfolgte Usbekistan eine eigenständige Wirtschaftspolitik, die wesentlich weniger auf liberale Marktreformen und Privatisierung setzte als etwa die russische Wirtschaftspolitik unter Jelzin. Aber dennoch wurde nicht das belarussische Modell der Zentralisierung übernommen. Grundnahrungsmittel und Energie sind bis heute subventioniert. Ein Mischsystem von vorsichtigen Öffnungen und staatlichen Interventionen kennzeichneten den „usbekischen“ Transformationspfad, der keineswegs erfolglos blieb. Im Gegenteil, diese Wirtschaftspolitik wies Wachstumserfolge auf, und noch vor anderen GUS-Staaten erreichte Taschkent schon 2000 das Ausgangsniveau der Produktion von 1989. Usbekistan ist verhältnismäßig reich an Bodenschätzen und das usbekische Bruttosozialprodukt (BSP) wuchs, da die Preise für usbekische Hauptexportgüter wie Baumwolle, Gold, Kupfer, Uran, Kohle, Erdgas stiegen und sich der Außenhandel mit Russland und Kasachstan ausweitete. Die seit einigen Jahren eingeleitete Politik der makroökonomischen Stabilisierung zeigte demzufolge erste Erfolge  : wachsende Währungsreserven, eine stabile Währung, Inflationskontrollen und eine geringe Neuverschuldung. Das Pro-Kopf-Einkommen ist von 460 US $ im Jahre 2005 leicht auf 500 US $ im Jahre 2007 gestiegen. Rund ein Viertel der Bevölkerung lebt jedoch weiterhin unter der Armutsgrenze.

Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 13, 30.1.2009, S. 6.



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Die Inflationsrate sank seit 2006 von 11,4 % und wird 2009 ca. 10 % (Prognose) betragen. Damit liegt sie in vergleichbaren Breiten mit der russischen Entwicklung. Obwohl offizielle Angaben zu den Wachstumsraten einzelner Nachfragekomponenten wie Konsum, Investitionen unzuverlässig und lückenhaft sind, ist glaubhaft, dass der seit mehreren Jahren anhaltende Wachstumsschub durch private Investitionen ausgelöst wurde. Hinzukommen herabgesetzte Steuersätze und weitere strukturelle Bestimmungen. Die Expansion des Konsums deutet auf gestiegene Einkommen und hier spielen die Transferzahlungen der Arbeitsemigranten, (ca. 3–5 Mio.) aus Kasachstan und Russland eine wichtige Rolle. Sie lindern die weitverbreitete Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung saisonal. (Zielländer der Arbeitsmigration sind Russland und Kasachstan.) Usbekistan ist es gelungen, seine Exportstruktur zu diversifizieren und seit 2006 erstaunliche Wachstumsraten zu erzielen. Dafür sind einerseits die Preissteigerungen für Gold, Kupfer und Energie verantwortlich. Jedoch erhöhte sich auch der Export von Fertigprodukten (wie die in Lizenz hergestellten südkoreanischen PKWs). Wahrscheinlich kann bei dieser Entwicklung auch der unterbewertete Sum nicht außer Acht gelassen werden. Die Landwirtschaft ist der wichtigste Wirtschaftszweig mit einem Anteil am BIP von rund 30 %. Baumwolle ist Hauptexportprodukt, womit fast ein Drittel der Deviseneinnahmen (über eine Mrd. US $) erwirtschaftet werden. Usbekistan ist fünftgrößter Baumwollproduzent der Welt (hinter den USA, China, Indien, Pakistan) und stellt rund 5 % der Weltproduktion. Als Exporteur liegt es an zweiter Stelle hinter den USA. Der Anteil der Industrie ist aufgrund von Produktivitätszuwächsen leicht auf einen Anteil von 17 % des BIP gestiegen. Dienstleistungen machen 40 % des BIP aus. Hauptindustriezweige sind Bergbau (Gold, Kupfer, Uran), die Textil- und die Nahrungsmittelindustrie. Mit einigem Abstand folgen die chemische Industrie, der Automobil(Daewoo), Landmaschinen- und Flugzeugbau. Russische, chinesische und einige andere Firmen investieren zurzeit in die Erschließung von usbekischen Erdöl-, Erdgas- und Uran-Lagerstätten. Mit Russland gibt es eine starke Energieverflechtung. Andererseits gelang aber auch die Diversifizierung der Außenhandelspartner. Nicht nur Länder der Europäischen Union rückten in den Mittelpunkt, vor allem wurden auch der Mittlere Osten und Asien einbezogen. Damit ergab sich auch eine weitere Chance für Investitionszuflüsse. Hier ist insbesondere die wirtschaftliche Kooperation mit Südkorea zu nennen.

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Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 13, 30.01.2009, S. 6–9.



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Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 13, 30.01.2009, S. 6–9.

Überschüsse aus den Exporterlösen werden ähnlich dem russischen Beispiel in einem Restrukturierungsfond eingespeist. Bemerkenswert ist auch die Öffnung des Landes gegenüber arabischen Kapitalzuflüssen. Ausländische Direktinvestitionen sollen in Großprojekte der Landwirtschaft, Energie und des Transportwesens gelenkt werden. Hier erhoffte sich die usbekische Regierung die Beteiligung von arabischen (Arab National and Regional Development Institutions, ANRDI) und asiatischen Investitionsbanken. Zweifellos ist diese Hoffnung durch die globale Finanzkrise eingetrübt worden. Russland, bislang wichtigster Handelspartner, fungiert aber neben diesen Entwicklungen ebenfalls als Investitionspartner weiter. Insbesondere gilt das russische Interesse der Erschließung von Gasreserven.

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Eurasischer Multilateralismus als Gegengewicht zur westlichen Einflussnahme  : der Aufstieg der Shanghai Cooperation Organisation/SCO Gegen Ende der ersten Amtszeit Putins mehrten sich Anzeichen, dass der Kreml die GUS faktisch abgeschrieben hatte und ein Neuanfang mit regionalen Kooperationsprojekten suchte. Der Druck, der von den beiden Osterweiterungswellen der NATO und der EU ausging, drängte Moskau immer mehr nach Osten ab, zumal die Ukraine aus regionalen Kooperationsvorhaben auf absehbare Zeit, wenn nicht für immer, ausgeschieden war. Eurasische Projekte waren hoch im Kurs und man ging daran, bestehende Kooperationsvereinbarungen36 aufzuwerten und zu vernetzen, so die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (im Folgenden die englische Abkürzung EurasEC37). Die EurasEC war im Mai 2001 zwischen Belarus, Russland, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan gegründet worden. Usbekistan trat der Organisation 2005 bei, aber schon im November 2008 wieder aus. Die EurasEC wird wohl zusammen mit der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS oder die russ. Abkürzung ODKB Организация Договора о коллективной безопасности – ОДКБ) all die übrigen unzähligen Verbandshülsen, die seit dem Untergang der UdSSR im Rahmen der GUS gegründet wurden, um den Untergang des sowjetischen Imperiums zu kaschieren, überleben. Beide Organisationen verstärken und ergänzen sich gegenseitig. Von der russischen Führung wird die OVKS als der politisch-militärische Arm der EurasEC betrachtet. Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, kurz  : OVKS, wurde am 7. Oktober 2002 in der moldawischen Hauptstadt Chişinău gegründet. Sie ist aus einer mit dem Vertrag über kollektive Sicherheit (VKS) von 1992 gegründeten Staatenkooperation hervorgegangen. Mitgliedstaaten sind Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Russland, Belarus und Usbekistan, das 1999 den Vertrag nicht verlängerte, dann aber 2005 wieder der OVKS beitrat.38 36 Ähnlich der GUS brachten Kooperationsvereinbarungen unter den zentralasiatischen Ländern wenig. Die im Juni 1994 gegründete Zentralasiatische Union/CAU wurde 1998 in die Zentralasiatische Wirtschaftsgemeinschaft/CAEC umgeformt oder übergeleitet. Beide Projekte hatten wenig Substanz und waren wirkungslos. Kooperationsanstöße gingen von ihnen kaum aus. Ende 2001 erfolgte eine erneute Mutation. Die CAEC wurde zur Zentralasiatischen Organisation für Zusammenarbeit/CACO. 37 Eurasian Economic Community/EAEC (engl. Abkürzung). 38 Nach Wikipedia, http  ://de.wikipedia.org/wiki/Organisation_des_Vertrags_über_kollektive_



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Im Februar 2004 wurde auf einer Gipfelkonferenz der EurasEC im kasachischen Almaty an einer Zollunion gearbeitet, die zwei Jahre später, auf einem informellen Gipfel in Sotchi, beschlossen wurde.39 Zwischen den beteiligten Staaten wurde ferner vereinbart, ihr Vorgehen beim Beitritt zur WTO abzustimmen,40 ihre Migrationspolitik zu koordinieren, einen einheitlichen Verkehrsraum zu schaffen und sich für den grenzüberschreitenden Austausch von landwirtschaftlichen Gütern und Energie einzusetzen. Somit war die Fusion der EurasEC und der Central Asian Cooperation Organization/CACO, am 25. Januar 2006 nur ein folgerichtiger Schritt41 entlang der eingeschlagenen Kooperationslinie. In die multilaterale Ausrichtung der russischen Politik, die ein trianguläres Grundmuster befolgt, also ihre Bezugspunkte zu Washington, Brüssel und Peking hat, sind auch die zentralasiatischen Staaten eingebunden. Bilaterale Verträge und der gesamte Wust von Übereinkommen im Rahmen der GUS spielen jedoch im Vergleich zur Shanghai Cooperation Organisation/SCO nur eine untergeordnete Rolle.

Sicherheit. Aufgabe des Bündnisses ist die Gewährleistung der Sicherheit, Souveränität und territorialen Integrität der Mitgliedstaaten. Dies soll vornehmlich durch eine enge Zusammenarbeit in der Außenpolitik, in militärischen Angelegenheiten, in der Erforschung neuer militärischer Technologien sowie in der Bekämpfung grenzübergreifender Bedrohungen durch Terroristen und Extremisten erreicht werden. Darüber hinaus hat sich die OVKS der Förderung einer demokratischen Weltordnung auf der Grundlage der allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts verschrieben. Als oberstes Direktivorgan fungiert ein Council of Collective Security (Rat für kollektive Sicherheit), der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Er befasst sich mit den Hauptaufgaben der OVKS und beschließt die Maßnahmen zur Umsetzung der Organisationsziele. Die Beschlüsse des Rates sind für die Mitglieder und die Organisation bindend. Für drei Spezialbereiche wurden ein Rat der Außenminister, ein Rat der Verteidigungsminister sowie ein Komitee der Sekretäre der Sicherheitsräte geschaffen. Einziges permanent arbeitendes Organ ist das Sekretariat. Sein Sitz ist Moskau, wobei ein Sitzabkommen zwischen der OVKS und der Russischen Föderation die Details der lokalen Rechtsstellung regelt. Die Mitarbeiter des Sekretariats rekrutieren sich aus den Mitgliedstaaten gemäß der jeweiligen Finanzbeiträge. Dem Sekretariat steht ein Generalsekretär vor, der zugleich höchster Verwaltungsbeamter der Organisation ist. Er wird für jeweils drei Jahre vom Rat für kollektive Sicherheit bestimmt. 39 An diesem Treffen nahmen auch Beobachter aus Moldawien, der Ukraine und Armenien teil. Die Ukraine erklärte später ihren Rückzug aus der EAEC. 40 The Moscow Times, 1.3.2004, S. 7. 41 Im Oktober 2004 trat die Russische Föderation in Duschanbe der Central Asian Cooperation Organization, CACO, bei.

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Die Vorgeschichte der Shanghai Cooperation Organisation beginnt bereits Mitte der 1990er Jahre mit der ad hoc-Organisation „Schanghai Fünf “, der Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, China und Russland angehörten. Sie wurde als loses Forum für die gemeinsame Erörterung von ökonomischen und politischen Problemen wie von Sicherheitsfragen gegründet. Faktisch konzentrierten sich die Mitgliedsländer in der ersten Phase primär auf die Lösung strittiger Grenzfragen zwischen Russland und China. Die Behandlung von Grenzstreitigkeiten, etwa zwischen Usbekistan und Kirgistan, wird bis heute ausgeklammert. Aufgewertet wurde die Schanghai Gruppe im Juli 2000, als in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe das Schanghai Forum ins Leben gerufen wurde. Das Forum sollte die Kooperation um wirtschaftliche und sicherheitspolitische Fragen erweitern und sich weiteren Kandidaten, besonders Usbekistan, öffnen. Die Staaten stimmten darin überein, jegliche Einmischung von außen in die inneren Angelegenheiten der partizipierenden Staatengruppe prinzipiell abzuweisen. Hauptsächlich sollte die Aufweichung des Völkerrechts hinsichtlich humanitärer Interventionen zum Schutz von Menschenrechten abgewehrt werden. Das Forum nahm aber auch zu internationalen Fragen Stellung. Beispielsweise wurde die Aufhebung des ABM Vertrages 2002 durch die USA verurteilt. Auch wandte es sich gegen den Plan Washingtons, ein Raketenabwehrsystem in Europa zu stationieren. Im Rahmen des Schanghaier Forums verfolgte die russische Politik traditionelle Ansätze bilateraler Sicherheitspolitik. In Usbekistan und Kirgistan wollte Moskau Präsenz zeigen und definierte diesen Raum als genuinen Sicherheitskordon eigener Interessen.42 Die Regierung in Taschkent schwenkte aber erst nach den blutigen Ereignissen von Andijan von ihrer Multivektorenpolitik ab. Andijan markierte die Grenzen der Äquidistanz usbekischer Politik und bedeutete das vorläufige Ende des amerikanischen Einflusses43 im Lande. Das Kalkül der zentralasiatischen Despoten, Washington würde sich nicht in die inneren Angelegenheiten jener Länder einmischen, ging nicht auf  : Das Kalkül basierte auf der Annahme, dass dadurch die Gefahr ihrer Destabilisierung, ja das Entstehen von neuen failed states befürchtet werde. 42 Siehe  : Radio Free Europe, Sergej Blagov, 7.7.2004. 43 Der damalige russische Präsident Putin unterstellte zwar ähnlich wie die chinesische Führung, dass das Massaker von Andijan von außen gesteuert war, kommentierte die Ereignisse jedoch zurückhaltender und warnte in diesem Kontext, das Zentralasien nicht zu einem „zweiten Afghanistan“ werden dürfe, in  : RIA Novosti, 31.1.2006.



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Jedoch gegen den belebenden Spin-Over-Effekt auf oppositionelle Kräfte, der durch die bloße Anwesenheit amerikanischer Militäreinheiten ausgelöst wurde, hatte auch Washington keinen Einfluss. Um diese Erfahrung reicher, favorisierten insbesondere die autoritären Herrschaftsgruppen Usbekistans nun eine Hinwendungspolitik zu Moskau und China. Allerdings soll eingeschränkt werden, dass für Kasachstan eine andere Interessenlage prägend war. Denn zu Moskau gab es immer gute Beziehungen während China wesentlich kritischer von den nationalen Machteliten betrachtet wird. Mit beiden Großmächten bestanden zweifellos größere Schnittmengen an Interessen­kongruenz als mit den USA. Letztlich, wenn es um die Sicherheit der zentralasiatischen Regime geht, bleibt ihnen als dauerhafter und verlässlicher Bündnispartner hauptsächlich Moskau – wenigstens solange der Süden Russlands selbst nicht befriedet ist und Moskau die pluralistisch-demokratischen Versprechungen des Surkowschen Konzeptes der „Souveränen Demokratie“ nicht umzusetzen beginnt. Gegenwärtig jedoch verspürt Moskau wenig Neigung, sich zum Advokaten demokratischer Anliegen in Zentralasien zu machen. Moskau und/oder China fungieren daher als Rückversicherung für die zentralasiatischen Regime. Aber weil die zentralasiatischen Machtcliquen mit allen Überlebensstrategien gewaschen sind, halten sie sich immer eine Hintertür offen. Trotz ihres Einschwenkens auf Moskau und Peking verfolgen sie ihre Doppelstrategie weiter. Obgleich sie bei Gefahr unter die Fittiche Moskaus schleichen, halten sie den Kontakt zu den USA und der EU. Die Kooperationsbemühungen mit asiatischen Ländern erreichten mit der Gründung der Shanghai Cooperation Organisation/SCO im Juni 2001 einen neuen Höhepunkt. Bereits zuvor wurde noch im Kontext des Schanghai Forums am 17. 6. 2004 eine Vereinbarung zur strategischen Partnerschaft zwischen Usbekistan und Russland unterzeichnet. Zuvor war eine ähnliche Vereinbarung mit Tadschikistan abgeschlossen worden, die der russischen Luftwaffe die kostenlose Nutzung der Kant-Luftwaffenbasis außerhalb von Bischkek erlaubte.44 Beim Treffen von Taschkent im Juni 2004 wurde außerdem beschlossen, regionale Anti-Terrorzentren zu gründen und eine zentrale Clearingstelle für den Austausch diesbezüglicher Informationen und als Beratungsorgan einzurichten. Zuvor war schon in Peking das Hauptquartier 44 Auf der Luftwaffenbasis sollen Rapid Deployment Forces der russischen Anti-Terrortruppen stationiert werden. Angeblich sind sie seit August 2004 einsatzfähig  ; Interfax, 5.8.2004.

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für Sicherheitsangelegenheiten eingerichtet worden. Der Gipfel in Bischkek vom September 2004 stand ganz im Zeichen wirtschaftlicher Kooperation. So sollten die infrastrukturellen Voraussetzungen für den Transport von Energie koordiniert werden. Ferner wurde beschlossen, eine Cooperation Development Foundation und ein Business Council beim SCO einzurichten.45 Seither entwickelte sich die SCO zügig zu einer vollen Organisation46, die sich von den ineffektiven, ja nur virtuell zu nennenden Kooperationsformen, wie sie bisher die GUS charakterisiert hatten, in jeder Beziehung abhebt. Die SCO strahlt Beständigkeit aus und hat sich aus Vorläufern entwickelt. Da die gesamte Region die wirtschaftliche Malaise der 1990er Jahre hat abschütteln können, verfügen beteiligte Länder über Ressourcen für Handlungsoptionen. Im Unterschied zur Europäischen Union ist der Aufbau von Institutionen oder gar die Übertragung nationaler Souveränitätsrechte weder weit gediehen noch beabsichtigt. Aber eine entfernte strukturelle Ähnlichkeit zur Entwicklung der EU ist dennoch gegeben. Die SCO basiert, ähnlich der EU, auf der Achse zweier Großmächte, nämlich Russland und China. Das hat Vor- wie Nachteile. Beide Mächte würden den Transfer von Souveränität auf supranationale Institutionen nie billigen. Weil bilaterale, intergouvernementale Politik das bestimmende Element der SCO bleibt, wird die Organisation nicht mit Problemen überfrachtet. Somit wurden ausschließlich Gremien geschaffen, die zur Entscheidungsfindung letztlich nur beratend oder vorbereitend beitragen. Dementsprechend ist das permanente Sekretariat mit lediglich rund 30 Personen besetzt und verfügt nur über ein bescheidenes Budget. Der erste Generalsekretär der SCO kam aus China und von 2007 bis 2009 wird das Sekretariat durch den Kasachen Bolat Nurgaliyev repräsentiert. In Peking wird die SCO als Unterabteilung des chinesischen Außenministeriums geführt. Entscheidungen fallen primär bei intergouvernementalen Gipfeltreffen. Sie befassen sich mit wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Aspekten der Kooperation. Am Anfang standen gemeinsame Sicherheitsprobleme, wie die Abwehr von Terrorismus und Separatismus im Vordergrund. Aber die Agenda ist erweitert worden. Energie, Handel, Technologie, Sicherheitspolitik und militärische Kooperation sind hinzugekommen. Zu den Kernstaaten der SCO, also Russland, China, Usbekistan, Tadschikistan 45 The Russia Journal, 23.9.2004. 46 Alyson J. K. Bailes, Pal Dunay, Pan Guang and Mikhail Troitskiy, The Shanghai Cooperation Organization, SIPRI Policy Paper Nr. 17, Mai 2007.



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und Kirgistan sind als Beobachter Indien, Pakistan, der Iran und die Mongolei hinzugetreten. Die SCO beginnt eine Sogwirkung in Südostasien zu entfalten. Anfang des Jahres 2005 führten China und Russland gemeinsam das Manöver „Friedensmission 2005“ mit Luft- und Marinelandeeinheiten auf der chinesischen Halbinsel Shandong durch. Im August 2007 wurde auf Militärstützpunkten im Süd-Ural, in der Region Tscheljabinsk, das Folgemanöver „Friedensmission 2007“ im Rahmen der SOC abgehalten. An der Übung nahmen neben russischen Streitkräften auch Einheiten aus Kasachstan, Tadschikistan, Kirgistan, Usbekistan und der Volksrepublik China teil. Auf dem Gipfel der SCO im August 2008, in Duschanbe/Tadschikistan, kamen auch die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und Georgien um Südossetien zur Sprache. Zwar billigte die SCO das Vorgehen des Kreml gegen Georgien, unterstützte aber nicht Moskaus Schritt der staatlichen Anerkennung der beiden separatistischen Provinzen. All die übergeordneten Kooperationsstrukturen und Gebilde können nicht darüber hinwegtäuschen – und das belegen die ökonomischen Daten unverschleiert ­–, dass Ansätze zwischenregionaler Kooperation der zentralasiatischen Staaten selbst in den Bereichen Wirtschaft, Transport, Energie und vor allem zur Lösung des potenziell explosiven Problems der Nutzung von Wasserressourcen bisher nicht weit gediehen sind. Organisationen wie die SCO haben daher auch kein Interesse, sich in die Lösung von Streitigkeiten über Ressourcen oder über Grenzverläufe zwischen den zentralasiatischen Staaten einzubringen. Rivalitäten zwischen den Staaten – angeheizt durch Partikularinteressen von Cliquen und Klans – verunmöglichen bindende Absprachen oder die gemeinsame Lösung von Problemen. Insbesondere konkurrieren Usbekistan und Kasachstan im zentralasiatischen Raum um die Stellung als regionale Führungsmacht. Es ist kaum davon auszugehen, dass sich diese Rivalität einmal in bewaffnete Konflikte entladen könnte, aber dadurch wird die Kooperation auf allen Ebenen erschwert, teilweise die Lösung von essenziellen Problemen verunmöglicht. Trotz dieser Rivalität entwickeln sich die bilateralen Beziehungen schrittweise weiter. Obwohl Usbekistan sein Engagement in Regionalorganisationen ausgebaut hat, bleiben wichtige Fragen der Regionalkooperation zu den Nachbarn Tadschikistan und Kirgistan nach wie vor ungeklärt (Wasser- und Energienutzung, Grenzsicherheit etc.).

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Wasser als Faktor der Geopolitik in Zentralasien So erstrebenswert ein gemeinsamer zentralasiatischer Energiemarkt oder die Vernetzung dortiger Ressourcen auch wäre, weil eine solche Entwicklung die Gesamtregion einen und sie als geopolitischen Faktor neben die europäischen, amerikanischen und asiatischen Flügelmächte stellen könnte, so illusorisch ist dieser Gedanke derzeit. Ähnlich aussichtslos, aber mit noch größerer Sprengkraft befrachtet, ist die Lösung der Verteilungskonflikte um die Ressource Wasser. Ohnedies ist höchst zweifelhaft, dass es jemals zu einem hydroenergetischen Konsortium kommt, das faktisch die alte aber mit dem Zerfall der Sow­ jetunion ebenfalls untergegangene zentrale Rolle des Wassermanagements zwischen den drei besonders betroffenen Ländern Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan regulieren könnte. Kirgistan und Tadschikistan verfügen zusammen mit Afghanistan über ca. 80 % der Wasserressourcen, während Kasachstan und Usbekistan die Hauptkonsumenten sind. Die Frage wer wie viel Wasser benutzt, wird um den Zeitfaktor kompliziert. Während Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan die Wassermengen im Sommer für die Landwirtschaft benötigen, ist für Tadschikistan und Kirgistan Wasser vor allem im Winter eine Energiequelle zur Stromerzeugung, vorausgesetzt, die Wasserentnahmen im Sommer werden durch ausreichende Regenfälle ausgeglichen. Und Wasser ist nicht nur knapp, der Verbrauch und die Speicherung sind nur schwerlich aufeinander abzustimmen. Bereits einmal, kurz nach der Auflösung der UdSSR, entbrannten zwischen Usbeken und Kirgisen Kämpfe um das Wasser, das Usbekistan für seine Baumwollfelder im Fergana-Tal beansprucht. Versuche, zu einem gütlichen und effektiven Nutzungsregime zu kommen, scheiterten bislang am Egoismus nationaler Interessen. Im Konflikt um das Wasser spiegeln sich all die begleitenden ethnischen, religiösen, ökonomischen und ökologischen Probleme der Region. Und sie entfalten ihre soziale Sprengkraft. Usbekistan definiert sich als Führungsmacht Zentralasiens und entsprechend gespannt sind die Beziehungen zu den schwächeren Staaten, also Kirgistan und Tadschikistan. Tashkent ließ mit der Begründung den internationalen Terror abzuwehren, dort die Grenzen verminen. Ein willkürliches Grenzregime führte zu Schließungen von Übergängen und daraus resultierten ethnische Spannungen. Ohne ausreichende Energieressourcen und wirtschaftlich schwach, pochen Tadschikistan und Kirgistan darauf, die Wasserentnahmen gleichrangig mit



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Energielieferungen zu behandeln. Man könnte fast an das Wiedererstehen von hydraulischen Gesellschaftsformationen (Wittfogel) denken, wenn in beiden Ländern Wasser als höchstes Staatsgut behandelt wird, von dem das Wohl der Länder abhängt. Die Regierungen setzen auf Staudämme und Stauseen, benötigen aber externe Finanzhilfen, um die Projekte umzusetzen. Nur, im regionalen Umfeld, sind solche Investoren entweder schwer zu finden oder sie setzen auf andere Karten, um an den Ressourcen zu partizipieren. Weil es unwahrscheinlich ist, dass in naher Zukunft eine überregionale Organisation ein Mandat zu solchem Management erhalten wird, um die mit der Wasserproblematik verbundenen Probleme anzugehen, besteht beträchtlicher Handlungsbedarf, damit sich daran keine Konflikte entzünden können.

Kirgisien  : Brüchige Souveränität Kirgistan, mit einer Bevölkerung von ca. fünf Millionen Einwohnern, weist ungefähr 80 Minderheiten auf. Die kirgisische Bevölkerungsgruppe stellt mit ca. 60 % den größten Anteil, gefolgt von ca. 15 % Russen und ebenso vielen Usbeken, die besonders im südlichen Teil des Landes um die Stadt Osch leben. Im östlichen Landesteil und in der Hauptstadt Bischkek leben auch Uiguren. Die vorherrschende Religion ist sunnitisch-islamisch. Daneben bekennen sich ca. 17 % zur Russisch-orthodoxen Kirche. Spannungen zwischen Kirgisen und anderen ethnischen Bevölkerungsgruppen haben in den letzten Jahren ebenso zugenommen, wie radikale Strömungen unter der moslemischen Bevölkerung. Kirgistan ist eines der ärmsten Länder der Erde. Von seinen fünf Mio. Einwohnern leben rund 40 % unterhalb der Armutsschwelle. Dabei gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle, wobei der Norden reicher ist als der Süden. Kirgistan ist im Vergleich zu anderen Ländern in der Region rohstoffarm. Es gibt nur unbedeutende Gas- und Erdölvorkommen, die selbst bei voller Erschließung den einheimischen Bedarf kaum decken können. Goldvorkommen werden von kanadischen Unternehmen erschlossen und genutzt. Darüber hinaus spielt die Erzeugung von Elektroenergie eine wichtige Rolle in der Wirtschaft. Ihre Bedeutung könnte durch Stromlieferungen nach Afghanistan und Pakistan erhöht werden. Aber solche Pläne sind Blaupausen, deren Realisierung an politischen, sicherheitspolitischen und vor allem an der Knappheit an Kapital scheitert.

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Der eigentliche Reichtum Kirgistans ist das Wasser und potenziell auch der Tourismus. Kirgistan verfügt über bedeutende Wasservorkommen, die auch den Nachbarstaaten Usbekistan und Kasachstan zugutekommen. Die öffentliche Diskussion über eine effiziente und nachhaltige Bewirtschaftung dieser Ressource hat gerade erst begonnen. Entscheidend wird dabei sein, dass der Wasserreichtum Kirgistans in Harmonie mit den Interessen der Nachbarn genutzt wird, ohne dass Kirgistan dadurch seine Hauptchance, eine Grundlage für wirtschaftliches Wachstum zu erlangen, verliert.

Quelle  : Zentralasien-Analysen, Heft 13, 30.1.2009, S. 6–9.

Mit Auflösung der Sowjetunion wurde das Land zwar in die Unabhängigkeit entlassen, durchlebte aber eine katastrophale Krise, die sich bis 2007 zwar abschwächte, aber keinesfalls überstanden ist. Eine wirtschaftliche Wende brachte das Jahr 2007, als das BIP real um 8,2 % anstieg.47

47 http  ://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Kirgisistan/Wirtschaftsdatenblatt.html.



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Veränderung gegenüber dem Vorjahr (in %) 2005

2006

2007

2008

–0,2

3,1

8,5

7,6

1,9

5,7

9,0

5,4

Agriculture

–4,2

1,7

1,6

0,7

Construction

17,6

19,1

32,3

–10,8

–13,4

–10,9

6,3

16,5

–6,0

3,6

9,2

–1,6

Services

8,4

9,0

12,6

10,7

Trade

12,1

14,9

10,9

9,2

Transport/communication

12,3

9,5

44,4

29,7

GDP GDP excl. gold

Industry Industry excl. gold

Quelle  : Kyrgyz National Statistical Committee

Der Aufschwung war vom Dienstleistungssektor und vom Handel getragen, ging aber einher mit hohen Inflationsraten. Die Inflationsrate pendelt zwischen 20 und 30 % und trifft vor allem die ärmere Bevölkerung. Zeitweise stiegen die Brotpreise um 80 %. Dominierender Wirtschaftszweig, der über 53 % der arbeitsfähigen Bevölkerung absorbiert, ist die Landwirtschaft, die nach dem Zerfall des Kolchossystems überwiegend privatisiert wurde. Die Landwirtschaft trägt mit 32,9 % zum BIP bei. Aufgrund der kleinen Betriebsgrößen und deren geringer Kapitalausstattung sind die Investitionen in der Landwirtschaft gering. Es gibt Versuche von Einzelbauern, sich im Rahmen von Genossenschaften erneut zu organisieren. Nach jahrelangem Rückgang stieg die Industrieproduktion erstmalig wieder. Diese Steigerung ist allerdings in erster Linie auf eine Erhöhung des Outputs der kanadisch-kirgisischen Goldmine „Kumtor“ zurückzuführen. Diese Zahlen zeigen auch, wie abhängig die kirgisische Volkswirtschaft vom Goldsektor ist. Drittwichtigster Wirtschaftszweig ist die Erzeugung von Elektroenergie, überwiegend auf der Basis von Wasserkraft. Die jährlichen Steigerungsraten sind relativ konstant und liegen bei 1,5 %. Wie in anderen Staaten der GUS, gehören Korruption und Vetternwirtschaft sowie der Einfluss der organisierten Kriminalität auf die Politik und Konfliktpotenziale durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse und illegale Landnahmen zu den größten Hemmschuhen der wirtschaftlichen Entwicklung und belasten die Stabilität des politischen Systems.

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Zitiert nach  : Zentralasien-Analysen, Heft 02, 29.2.2008, S. 15.

Die Außenverschuldung des Landes ist enorm hoch. Sie beläuft sich ca. auf 75 % des BIP. Staatliche Rücklagen sind minimal. Sie betragen ca. 1,2 Mrd. US Dollar. Der weltweite wirtschaftliche Abschwung traf das Land bereits früh. Im zweiten Halbjahr 2007 brach die Nachfrage nach Konsumgütern ein. Seither schwächte sich das Wirtschaftswachstum noch weiter ab. Kirgistan ist im Alleingang 1998 der WTO beigetreten – andere zentralasiatische Länder schotten hingegen ihre Binnenmärkte weiterhin gegen ausländische Produzenten ab. Die Kirgisische Republik ist als kleines und an Ressourcen armes Land besonders auf gutnachbarschaftliche Beziehungen angewiesen. Daher nimmt es aktiv an regionalen Foren und Kooperationen teil. Dennoch bestehen zu einigen Nachbarn, wie Usbekistan, aufgrund territorialer Ansprüche, aber vor allem aufgrund der Wasserversorgung, erhebliche Konflikte. Im Süden des Landes werden diese Konflikte durch ethnische Animositäten noch verschärft. Grenzschließungen, das Verminen der Grenze und Schießereien mit tödlichen Folgen brechen immer wieder auf. Auch mit Tadschikistan gibt es Unklarheiten über den Grenzverlauf. Wirklich belastbare und gute politische wie wirtschaftliche Beziehungen bestehen zum wichtigsten Handelspartner in der Region  : Kasachstan. Wichtigste Partner sind zudem Russland, USA und China sowie die Nachbarn



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Usbekistan, Tadschikistan Die kirgisisch-russischen Beziehungen haben ein solides Fundament, das auf der Verbundenheit der Elite mit Russland durch Studium, Arbeit oder familiäre Beziehungen beruht. Zur EU, insbesondere Deutschland, bestehen gute Beziehungen. Enge wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen bestehen auch mit der Türkei. Auch Iran, Indien und Pakistan zeigen zunehmend Interesse. Die USA messen Zentralasien strategische Bedeutung zu. Dies wird durch eine rege Besuchsdiplomatie auf allen Ebenen unterstrichen. Besonderes Augenmerk richten die USA dabei auf den Erhalt des Luftwaffenstützpunktes auf dem Flughafen Manas. Eine entsprechende Vereinbarung konnte im Sommer 2006 erzielt werden. Sie wurde 2009 infrage gestellt. Aber durch die derzeitige Annäherung zwischen Moskau und Washington scheint sich zu ergeben, dass die Nutzung des Luftwaffenstützpunktes durch die USA weiter geschehen kann. Russland ist mit weitem Abstand der Haupthandelspartner Kirgistans, gefolgt von Kasachstan. Der Handel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und China gewinnt zunehmend an Bedeutung. Innerhalb der EU ist Deutschland der weitaus größte Handelspartner Kirgistans. Verglichen mit den Haupthandelspartnern Russland und Kasachstan liegt die EU allerdings weit zurück. Insgesamt exportierte Kirgistan in den ersten 11 Monaten 2007 Waren im Wert von 1017 Mio. US $. Dem standen Importe im Wert von 2452 Mio. US $ gegenüber. Das Außenhandelsdefizit vergrößerte sich damit auf 1435 Mio. US $. Die Weltwirtschaftkrise verschärfte die Versorgungssituation der Bevölkerung ab 2008 dramatisch. Das Wirtschaftswachstum wird voraussichtlich von 7,6 % im Jahre 2008 auf ca. 0,9 % 2009 fallen.48 Die Wachstumsrate könnte aber 2009 auch negativ werden. Einziger Lichtblick  : die Inflationsrate wird wahrscheinlich auf unter 20 % sinken aufgrund fallender Preise. Im Dezember 2008 legte die Regierung einen Anti-Krisenplan vor, der zur Haushaltsstabilisierung, zur Stützung des Bankensystems beitragen und die Versorgung des Landes mit Nahrungsmitteln und Energie bewirken soll. Ob diese Maßnahmen greifen, ist zweifelhaft. Denn die Volkswirtschaften Russlands, Kasachstans und Kirgistans befinden sich, aufgrund ihrer Handelsverbundenheit, in einem synchronen Abschwung.

48 http  ://siteresources.worldbank.org/INTKYRGYZ/Resources/Econ_update_Apr09_eng.pdf

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Das Armenhaus der Region  : Tadschikistan Mit einer Bevölkerung von sieben Millionen Einwohnern, wobei ca. 661.000 in der Hauptstadt Duschanbe leben, ist Tadschikistan zwar bevölkerungsmäßig größer als Kirgistan, verfügt aber über noch geringere wirtschaftliche Ressourcen. Im Vergleich mit den übrigen zentralasiatischen Ländern ist es zweifellos das ärmste. Die tadschikische Volksgruppe beläuft sich auf 68 % der Bevölkerung. Zweitstärkste Gruppe sind Usbeken, mit einem Anteil von fast 25 %. Darüber hinaus bestehen kleinere Minderheiten wie Kasachen, Kirgisen und Turkmenen. Im Unterschied zu den übrigen zentralasiatischen Ländern tobte in Tadschikistan ein Bürgerkrieg bis 1997, der durch einen Kompromiss beendet wurde. Denn nach der Unabhängigkeit am 9. September 1991 kam es zu Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabijew und einer starken nationaldemokratisch-religiösen Opposition. Ein erster Ansatz der Konfliktlösung führte zur Machtbeteiligung der Opposition. Dennoch brach im Mai 1992 der Bürgerkrieg aus, der bis zu 100.000 Opfer gefordert haben soll. 1997 kam es zu Friedensverhandlungen und einem erneuten Kompromiss, der vorsah, die oppositionellen Kräfte an der Regierung zu beteiligen. Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des „Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan“ durch Präsident Emomali Rachmon und Oppositionsführer Nuri am 27. 6. 1997 in Moskau beendet. Vermittelt wurde das Abkommen durch Teheran und Moskau. Diejenigen Warlords, die dem Friedensvertrag nicht zustimmten, zogen sich auf ihre Stammesgebiete zurück und/oder nahmen an den Kämpfen im Nachbarland Afghanistan teil. Der Kompromiss zwischen Regierung und Opposition hielt einigermaßen, bis 2008, obwohl immer wieder Konflikte auftraten und auch gewaltsam ausgetragen wurden  : Nunmehr vermehren sich jedoch Anzeichen, dass die Probleme Afghanistans, aber auch die Folgen der Auseinandersetzungen in Pakistan auf Tadschikistan überzuschwappen drohen. Russlands Vermittlungsrolle im Bürgerkrieg und russische Militärpräsenz zur Grenzsicherung nach Afghanistan wie auch die wirtschaftliche Ausrichtung des Landes machen Moskau zum engen Verbündeten Tadschikistans. Diese Orientierung schloss allerdings nicht aus, dass sich das Land auch nach Europa öffnete und mit den USA ein gutes Verhältnis anstrebt. Die Beziehungen zum zentralasiatischen Grenznachbarn Usbekistan gestalten sich schwierig. Die usbekische Regierung hatte ähnlich wie gegen Kirgistan Streckenabschnitte der Grenze verminen lassen. Streitpunkte sind



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ferner die Wassernutzung, Gas- und Strompreise und ein unbeschränkter Grenzverkehr zu der in Usbekistan lebenden tadschikischen Minderheit. Zu den übrigen zentralasiatischen Ländern bestehen normale Beziehungen.

Quelle  : http  ://www.fifoost.org/tadschikistan/land/tad_gr_karte.gif

Nachdem die bürgerkriegsbedingten Wirtschaftsprobleme zu Beginn des neuen Millenniums zurückgedrängt wurden, setzte eine stetige wirtschaftliche Belebungsphase ein, die allerdings wie in den anderen zentralasiatischen Ländern durch die Auswirkungen der globalen Krise zunichtegemacht wurde. Denn der wirtschaftliche Aufschwung wurde weniger durch eigene Anstrengungen im Lande bewirkt, als vielmehr durch tadschikische Gastarbeiter und ihre Transferzahlungen an Familien im Lande. Hunderttausende von Tadschiken arbeiten in Russland und Kasachstan. Sie sind nun in Sorge, aufgrund der Krise ihre Arbeitsplätze zu verlieren und ihre Gastländer verlassen zu müssen. Der temporäre Aufschwunge konnte nicht bewirken, jene zwei Drittel der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze leben, gesellschaftlich zu reintegrieren. Die Rücküberweisungen machten nahezu 20 % des BIP und 70 % des tadschikischen Staatshaushaltes aus.

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Obwohl nur etwa sieben Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt werden können, lebt und arbeitet hier die überwiegende Mehrzahl der Menschen. Die landwirtschaftliche Produktion nahm im Takt der wirtschaftlichen Erholung zu. Trotzdem dominiert die Subsistenzwirtschaft. Angebaut werden neben Baumwolle vor allem Aprikosen, Weintrauben, Nüsse und Gemüse. Diese Produkte wurden auch auf die russischen Wochenmärkte exportiert. Problematische Zuspitzungen gibt es auch bei der einzig nennenswerten Rohstoffressource, Aluminium. Die Nachfragen der weltweiten Flugzeug-, Auto und Zulieferindustrien sind stark rückläufig und die Preise brachen ein. Eine zunächst vorteilhafte, 2004 vereinbarte Kooperation mit Oleg Deripaska, dem Chef des russischen Aluminiumkonzern RusAl, wurde 2007 eingestellt, weil aufgrund der globalen Krise der russische Konzern selbst in Schwierigkeiten geriet, mehrfach den Baubeginn verzögerte und nicht mehr zu seinen Investitionszusagen stand. Wichtigstes Exportgut sind auch Stromlieferungen, die aus Wasserkraft gewonnen werden. Obwohl das Energiepotenzial längst nicht ausgeschöpft ist, gestaltet sich die Gewinnung schwierig, da sie von klimatischen Bedingungen abhängig ist, die oft dazu führen, dass die Stromversorgung des Landes im Winter zusammenbricht. Tadschikistan ist daher bemüht, mit ausländischem Kapital neue Wasserkraftwerke zu bauen, und an den beiden Stauwerken Sangtuda I und II im Süden des Landes beteiligen sich iranische und russische Investoren. Außerdem sollen Arbeiten am – zur Sowjetzeit nicht fertiggestellten – Großkraftwerk Rogun wieder aufgenommen werden. Der Außenhandel erreichte 2007 einen Umfang von 3,92 Milliarden USDollar und lag damit um 25,6 % über dem entsprechenden Vorjahreswert. Der Anstieg des Handelsvolumens geht größtenteils auf Rechnung der Importe, deren Wert 2007 bei 2,455 Mrd. US $ lag, was einem Anstieg um 42,6 % gegenüber 2006 entspricht. Die Exporte, die sich auf 1,468 Mrd. US $ beliefen, wuchsen nur um 4,9 %. Die Folge war eine Verdreifachung des Handelsbilanzdefizits (2007 987 Mio. US $). Ungefähr drei Viertel der Exporterlöse wurden durch Aluminium erwirtschaftet, fast ein Zehntel durch Baumwolle und 4 % durch Stromexporte. Aufgrund der einseitigen Wirtschaftsstruktur Tadschikistans mit den drei Hauptexportgütern Aluminium, Baumwolle und Energie ergibt sich eine sehr ungleiche geografische Verteilung des Außenhandels. Während die Exporte zu annähernd 90 % in Länder außerhalb der GUS gehen, importiert Tadschikistan aus den GUS-Staaten ca. zwei Drittel seiner Einfuhren. Die wich-



Das Ringen um die zentralasiatischen Energie- und Rohstoffressourcen

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tigsten Außenhandelspartner Tadschikistans sind die Niederlande, Russland, Türkei, Usbekistan, Kasachstan und China. Wie Kirgistan und andere zentralasiatische Staaten plagen die Probleme der Schattenwirtschaft, der Korruption und der Transit von Drogen das Land. Hier wirkt sich die Nähe zu Afghanistan bedrohlich aus. Im Kontext von Armut und Hoffnungslosigkeit, vor allem bei den Jugendlichen, wird ein Problem sichtbar, das den mühsam errungenen Frieden infrage stellt. Die früher in Afghanistan kämpfenden Milizeinheiten von Stammesführern hatten immer ihren Bedarf an Ausrüstung und Logistik aus dem Drogenhandel finanziert. Die rückkehrende Welle solcher Gruppen droht nun die innenpolitische Situation in Tadschikistan zu destabilisieren und auf Kirgistan und Usbekistan überzugreifen.

Fazit   1. Unter den externen Akteuren Russland, China, USA und EU herrscht in zwei Punkten Übereinstimmung  : Erstens jedwede Destabilisierung der zentralasiatischen Länder abzuwehren und zweitens diese Region primär unter Gesichtspunkten interessengeleiteter Außen- und Wirtschaftspolitik als Ressource für Energieträger und Rohstoffe zu betrachten. Dass darüber hinaus bei den USA noch andere Motive eine Rolle spielen könnten, ist nicht von der Hand zu weisen. Für Moskau jedenfalls gilt, dass imperiale Wünsche der Reintegration zu keiner Zeit bestanden und auch keine Chance der Durchsetzung hätten. 2. Als ferner und relativ unbekannter Akteur tritt die Europäische Union in der Perzeption der regionalen Machtgruppen nicht als geopolitischer Machtfaktor auf, dem Expansions- oder gar imperiale Interessen unterstellt werden. Das unterscheidet und begünstigt die Stellung der EU bei den regionalen Mächtegruppen im Unterschied zu Moskau und Peking, die aufgrund von Nähe und historischer Erfahrung eher als gefürchtete Machtfaktoren eingeschätzt werden. 3. Die regionalen Organisationen, die im Rahmen der GUS geschaffen wurden und die zentralasiatischen Länder untereinander in Beziehung setzen, haben weder ein Mandat existente Konflikte zu lösen noch fördern sie Tendenzen der zwischenstaatlichen Kooperation. 4. Die SCO vereint zwar zusammen mit China und Russland die drei zentralasiatischen Länder in einer Organisation und wächst zusammen,

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Peter W. Schulze

a­ llerdings ohne dass die Übertragung von nationalen Souveränitätsrechten an supranationale Institutionen vorgesehen und gewollt ist. Die SCO definiert sich primär als Institution zum Schutz der Mitgliedsländer gegen externe Bedrohungen, obwohl sie verstärkt auf unterschiedlichen Feldern wie Wirtschaft, Transport, Technologie und Verteidigung relativ klare Kooperationsziele formuliert. Aber jedwede Intervention in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder wird strikt abgelehnt, sodass sie auch schwerlich als Schlichtungs- und Vermittlungsorgan bei Konflikten fungieren kann. In diesem Kontext ist auch die Ablehnung ihrer Mitgliedsstaaten verständlich, Moskaus Schritt der Anerkennung der beiden separatistischen Provinzen Abchasien und Südossetien zu folgen. 5. Die rasanten Entwicklungen auf den internationalen Energie- und Rohstoffmärkten tragen zu einer fundamentalen Verschiebung der geopolitischen Landschaft in Zentralasien bei. Die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsdifferenziale in der Region werden sich weiter ausdifferenzieren. Kasachstan wird zur führenden Regionalmacht werden und dabei in Konkurrenz zu Usbekistan stehen, das in diesem Wettlauf aufgrund sozialer wie wirtschaftlicher Faktoren zurückfallen wird. Tadschikistan und Kirgistan laufen Gefahr, wirtschaftlich und sozial marginalisiert zu werden, was zu ethnischen Auseinandersetzungen in den Ländern und zu zwischenstaatlichen Konflikten führen könnte. 6. Im günstigsten Fall verläuft die Weltmarktintegration Kasachstans – und hoffentlich die damit einhergehende Öffnung des Landes zu einem Mehr an demokratischen Gepflogenheiten – synchron mit der erwarteten innenpolitischen Öffnung Russlands während der Präsidentschaft von Dmitri Medwedew. Würde sich diese Erwartung realisieren, könnte die EU eine wichtige Begleitfunktion in diesem Prozess übernehmen. Jedwedes Vorgehen der EU müsste aber eingehend vorab mit Moskau abgestimmt werden. 

Hansrudolf Kamer

Globalpolitische Aspekte der westlichen ­Zentralasienpolitik

In der westlichen Politik, sofern und soweit es sie gibt, nimmt Zentralasien einen bescheidenen Raum ein. Es ist ein sekundärer Schauplatz, der allerdings durch den Krieg in Afghanistan und die selbst gewählten Unsicherheiten bei der Energieversorgung vor allem Europas eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Eine Rangordnung der strategischen Probleme des Westens, in der Zentralasien einen bestimmten Platz einnähme, gibt es wohl nicht. Die Politik des Westens entwickelt sich durch die Ereignisse, wie es der ehemalige britische Premierminister Macmillan treffend gesagt hat. In Zentralasien spielt die Konkurrenz der westlichen Staaten untereinander und mit Russland eine Rolle. Wenn Moskau versucht, seinen Einfluss in den ehemaligen Republiken der UdSSR zu erhöhen, so trifft das einerseits auf den Widerstand in diesen Republiken selbst. Diese haben sehr gut gelernt, wie man Konkurrenten gegeneinander ausspielt. Das russische Bestreben, die eigene Interessensphäre auszudehnen, stößt aber auch auf Widerstand im Westen. Nicht sehr energischen, aber doch spürbaren. Wie sich die Administration Obama wirklich zum westlichen Engagement stellt – sie will ja die Beziehungen zu Moskau verbessern – ist durchaus offen. Auch die EU versucht, ihren Einfluss zu erhöhen. Doch hinter den grandiosen Reden über eine Partnerschaft und eine Vielzahl von einzelnen Programmen steht doch eine eher bescheidene Wirklichkeit, vor allem wenn globalpolitische Dimensionen als Referenzrahmen dienen. Der Konkurrenzkampf mit dem Westen um Einfluss sollte eigentlich für Moskau sehr viel leichter sein. Die materiellen Vorteile und auch immaterielle liegen alle auf russischer Seite. Größe, Ressourcen, Manövrierraum, die Möglichkeiten einer wohldurchdachten Strategie, die man dann auch längere Zeit durchhalten könnte, sprechen alle dafür. Dazu kommt auch die Tatsache, dass Russland eine Militärpräsenz in diesem Raum entweder immer noch unterhält und diese erhöhen könnte, oder aber sehr schnell

 Nigel Fisher, Harold Macmillan, Weidenfeld and Nicolson, London 1982.

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Hansrudolf Kamer

Kräfte dislozieren könnte. Die russische Sprache ist die Lingua franca in Zentralasien, große Teile der Bevölkerungen beziehen ihre Nachrichten aus russischen Medien. Russland kann Hilfe anbieten bei Wahlen, polizeiliche und finanzielle, den Machthabern Unterstützung für die Erhaltung ihrer Macht anbieten, auch wirtschaftliche Unterstützung. Es hat keine Hemmungen bezüglich demokratischer und menschenrechtlicher Unzulänglichkeiten in einigen dieser Länder. Und doch  : die Vergangenheit spricht eher gegen Russland. Auch der Selbstständigkeitswillen der meisten zentralasiatischen Republiken ist wach und äußert sich in einem Spiel zwischen Ost und West, die gegeneinander ausgespielt werden. Folgende Punkte sind globalpolitisch relevant  : • die amerikanische Strategie, insbesondere die Verlagerung aus dem Irak nach Afghanistan  ; • das Verhältnis zu Russland  ; • der Krieg gegen den Terrorismus und was von ihm übrig geblieben ist  ; • Konklusion  : Wie lange hält der Westen durch und was sind die Folgen  ?

Obamas Verlagerungsstrategie  : Vom Irak nach Afghanistan Als Folge des amerikanischen Wahlkampfes 2008 und angesichts der wie es scheint wachsenden Schlagkraft der islamistischen Aufständischen und auch der Taliban in Afghanistan hat die Administration Obama in Washington die Stabilisierung des Landes zur außenpolitischen Priorität erhoben. Sie beabsichtigt, das dort stationierte US-Kontingent zunächst um 17.000 auf insgesamt 55.000 amerikanische Soldaten aufzustocken. Ob die Erhöhung ausreicht, um die Taliban aus den umkämpften Gebieten zu vertreiben und Afghanistan zu stabilisieren, ist umstritten. In jedem Fall aber setzt eine Truppenverstärkung eine adäquate Logistik für die Versorgung voraus. Und hier spielen Russland und die zentralasiatischen Republiken eine wichtige Rolle. Für Präsident Obama ist der Krieg am Hindukusch eine der wichtigeren außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen, nicht die wichtigste, aber doch eine prominente, die in den Medien breitgeschlagen wird. Unter dem Oberkommando General McChrystals, den Obama selbst einsetzte, um  Russland und Usbekistan, SWP Diskussionspapier, Februar 2008.  Planspiele am Hindukusch, SWP-Aktuell, Februar 2009.



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einen Wechsel der Strategie zu unterstreichen, bringen die amerikanischen Truppen jetzt auch am Hindukusch das im Irak unter General Petraeus erfolgreiche Vorgehen im Kampf gegen Aufständische in Anwendung. Die Tendenz ist  : Mit mehr eigenen Soldaten die Bevölkerung dort schützen, wo sie lebt, bis die heimischen Sicherheitskräfte für Recht und Ordnung sorgen können. Und das heißt neben anderem auch, die eigenen Soldaten höheren Risiken auszusetzen. „Force protection“ als höchste Priorität ist nicht mehr en vogue. Auch in Amerika zeigt die Popularitätskurve der öffentlichen Zustimmung zum Afghanistan-Engagement nach unten. Dass hier Republikaner den Demokraten einiges heimzahlen wollen für deren Heckenschützentum beim Thema Irak-Krieg, gehört ins Bild und ist natürlich nicht in erster Linie von strategischen Erwägungen motiviert. Die Administration Obama hat vor Kurzem ihre auf sechzig Tage angesetzte große Überprüfung der Politik gegenüber Afghanistan und Pakistan auf Beamtenebene abgeschlossen. Solche Übungen dienen dazu, die neue Mannschaft zusammenzubringen und auf eine Strategie zu verpflichten, auch wenn diese nicht unbedingt große Unterschiede zur vorangegangenen aufweist. Anschließend wurde auf politischer Ebene um das Ergebnis gerungen. Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Textes war das Schlussresultat nicht klar. Obama selbst formulierte die Ziele wie folgt  : Das Hauptziel Amerikas ist, die Organisation der Qaida zu zerschlagen und zu besiegen. Das gilt auch für ihre Rückzugsgebiete in Pakistan. Verhindert werden muss die Rückkehr der Qaida nach Pakistan und Afghanistan. Amerika wird sein Ziel mit folgenden Mitteln zu erreichen suchen (immer nach Obama)  : 1. Terroristen-Netze, die befähigt sind, Anschläge auf internationaler Ebene auszuführen, müssen zerschlagen werden. 2. Eine fähigere, verantwortungsvolle und effizientere Regierung in Afghanistan wird gefördert. 3. Die afghanischen Sicherheitskräfte sollen zunehmend unabhängig und auf sich allein gestellt werden. 4. Pakistan soll dahin gebracht werden, dass seine Regierung größerer ziviler Kontrolle untersteht und auf stabiler Verfassungsgrundlage operiert. 5. Die „internationale Gemeinschaft” – Obama gebraucht regelmäßig diesen Euphemismus – soll helfen, diese Ziele unter UNO-Auspizien zu erreichen.  Steven Simon, Can the right war be won  ?, in  : Foreign Affairs July/August 2009.

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Wichtigste Begründung dieser Strategie ist laut Obama, dass er die „afghanischen Turbulenzen“ unter Kontrolle bringen und eindämmen möchte, um ein nukleares 9/11 zu verhindern. Die Bestimmtheit dieser Aussage ist Obamas Wortwahl. Die Wirklichkeit ist komplizierter. Pakistan steht aus westlicher Sicht schon seit Jahren am Abgrund und hat sich dennoch immer wieder behauptet. Die Nuklearwaffen unterstehen zentraler Kontrolle durch die Streitkräfte – nicht der Regierung. Was geschehen würde, sollten in Islamabad plötzlich die Taliban oder ein ähnliches Regime die Macht übernehmen, weiß niemand. Die pakistanische Armee ist aber immer noch ein Faktor, mit dem gerechnet werden sollte, in jeder Hinsicht. Sie ist nicht zuletzt ein Ordnungsfaktor in einem Land, in dem die zivilen Politiker sich nicht durch ausgeprägtes Verantwortungsgefühl auszeichnen. Obwohl die Administration Obama die Zahl der Truppen in Afghanistan bereits erhöht hat, verlangt die militärische Führung – General McChrystal hat hier die Vorgaben seines Vorgängers McKiernan übernommen – nach noch mehr, und zwar beträchtlich mehr. Die europäischen Partner halten sich zurück, auch die Briten, möchten aber gerne mehr mitreden und mitentscheiden. Da Obama es nicht auf verschärfte transatlantische Spannungen ankommen lassen möchte, er will sich ja vom Vorgänger unterscheiden, wird er diese europäischen Widersprüche, so gut es eben geht, solange wie möglich ertragen. Im US-Bundeshaushalt reflektiert sich die Verlagerung aus dem Irak nach Afghanistan wie folgt  : Die jährlichen Ausgaben für Afghanistan werden bereits im Budgetjahr 2010, das vor Kurzem begonnen hat, jene im Irak übersteigen. Das sind 65 gegen 61 Mrd. Dollar. Innerhalb dieses Budgets steigen nicht nur die militärischen, sondern auch die zivilen Ausgaben, etwa für allgemeine Wirtschaftshilfe, aber auch für die Diplomatie und den technischen Beistand. Wie sich die Verlagerungsstrategie Irak-Afghanistan generell auswirken wird, wird sich zeigen. Sie ist jedenfalls geeignet, in den USA wachsenden Widerstand hervorzurufen und die Spannungen in der Allianz zu erhöhen. Was aber wäre die Alternative  ? Eine realistische ist nicht in Sicht.

Das Verhältnis zu Russland Das amerikanisch-russische Verhältnis hat nicht mehr jene Bedeutung wie zu Zeiten des Kalten Kriegs, ist aber dennoch immer noch von Gewicht.



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Auch hier ist Obamas Politik erst in Ansätzen zu erkennen. Der Verzicht auf die Stationierung der Abfangraketen in Polen und des Radars in Tschechien zeigt den Vorrang, den die Administration den Beziehungen zu Russland einräumt – auch auf Kosten von Verbündeten. In einer amerikanischen Zeitung hieß es dazu bissig, Obama bemühe sich um die Gegner und brüskiere die Freunde und Verbündeten. Der Präsident will mit Nordkorea, Iran, Burma, Russland und sogar Venezuela die Beziehungen verbessern, hat aber einen Fight mit Kanada und Mexiko begonnen, Handelsabkommen mit Kolumbien und Südkorea auf die lange Bank geschoben, Israel wegen der Siedlungspolitik unter Druck genommen und Honduras sanktioniert, das es gewagt hatte, gegen Chavez zu opponieren. Das mag man alles im Einzelfall für die richtige Politik halten. Unter strategischem Blickwinkel bleiben hier Fragen offen. Was immer sich Obama von den Beziehungen zu Russland erhofft, ist unklar geblieben. Die Vorstellung, dass Moskau seine Politik gegenüber Iran ändern könnte, um sich Obama gegenüber gefällig zu erweisen – als Gegenleistung für den Verzicht auf die Raketenabwehr in Osteuropa oder anderer Angebote – wirkt nicht sehr glaubwürdig. Auch Russland verfolgt seine Interessen, und diese bestehen zum Teil darin, amerikanische Pläne zu vereiteln. Strategische Interessen können auch negative sein. Die Schwächung Amerikas und des Westens insgesamt ist ein solches russisches Interesse, eines von mehreren. Man kann abwägen, was hier für Moskau im negativen Sinn wichtiger, das heißt unangenehmer, ist  : Iran mit Atomwaffen oder ein triumphierender Westen, der sich durchgesetzt hat und Iran gewissermaßen in die Knie gezwungen und denuklearisiert hat. Moskau braucht Länder, die gegen den Westen in Stellung gehen, als Stellvertreter, damit es selbst von Vorteilen der Zusammenarbeit mit ihm auf anderen Gebieten profitieren kann. Dass die Wiedereinrichtung oder der Ausbau alter Interessenszonen, sei es in Osteuropa oder eben in Zentralasien, auch zu solchen Interessen gehört, ist offensichtlich. Dabei ist Moskau flexibel, wie man bei der Einräumung von Transportmöglichkeiten über russisches Territorium für den Nachschub westlicher Truppen in Afghanistan gesehen hat. Hinsichtlich Zentralasiens ist wohl Moskau etwas zwiespältig eingestellt. Da ist einerseits die Wiederherstellung eines Glacis mit der territorialen Ausdehnung wie zu Zeiten der Sowjetunion. Anderseits will man natürlich nicht die Belastungen dieser Zeit erneut auf sich laden, seien sie wirtschaftlicher Natur oder seien sie vor allem islamistische Unruhe und Terror. Ergo sieht man es ganz gerne, wenn der

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Westen in Afghanistan für Ordnung sorgt, aber nicht so, dass er gestärkt aus dem Ringen hervorginge und sich in Zentralasien als feste Größe etablieren könnte.

Zentralasien und der Krieg gegen den Terrorismus Der von Präsident Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ausgerufene Krieg gegen den Terrorismus war stets eine globale Angelegenheit. Die Kriege in Afghanistan und im Irak waren Teile davon. Ohne 9/11 wäre der Irak-Krieg so nicht über die Bühne gegangen, was immer man für eine Meinung hat, wie die Beziehungen des Regimes von Saddam Hussein mit assortierten Terroristen genau waren – unbestritten ist der größere Zusammenhang. Doch diese beiden Schauplätze waren lange nicht die einzigen. Afrika an diversen Orten, die Philippinen, Europa, die Türkei, Indonesien und andere mehr zeigen auf, dass es sich um eine globale Krise handelte und es dies wohl immer noch tut. Es gibt die Probleme der muslimischen, vor allem pakistanischen Bevölkerung in Großbritannien oder der Türken in Deutschland, um zwei spezielle Aspekte zu erwähnen. Doch global gesehen, war der Krieg – der Begriff selbst ist umstritten – recht erfolgreich. Nach den größeren Anschlägen – Madrid, Djerba, Bali, London und anderen – ist es ruhiger geworden. Auch der Einsatz gegen die Piraten am Horn von Afrika kann als Teil dieses Krieges betrachtet werden. Zentralasien steht unter diesen globalpolitischen Aspekten betrachtet nicht im Zentrum. Es gibt Jihadisten in den Ländern Zentralasiens auch abgesehen von Afghanistan, und einzelne von ihnen haben offenbar Beziehungen bis nach Westeuropa. Es geht hier etwa um die Islamische Jihad Union, die sich von der größeren Islamischen Bewegung Usbekistans abgespalten hatte. Alle diese Gruppen mit ihren Querverbindungen sind indes nicht immer klar auseinanderzuhalten. Dass die Islamische Jihad Union eine türkische Webseite nutzte, weist darauf hin, dass sie versucht oder versucht hat, Türken und türkischstämmige Europäer zu rekrutieren. Die Türkei hat traditionelle Beziehungen in diesen Raum. Unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es Versuche der Türkei, die alten Träume von einem Groß-Turkestan zum Leben zu erwe-

 Assessing the „War on Terror” in Central Asia, CSIS Washington.



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cken und eine Art Commonwealth der turk-stämmigen Völker zu schaffen. Sehr weit gediehen ist diese Sache damals nicht. Auch versucht insbesondere die Regierung Erdoğan, eine Ostpolitik zu führen, die sich auch nach Zentralasien erstreckt und eine größere Vermittlerrolle zum Ziel hat. Eine transnational operierende und internationalistisch argumentierende usbekische Organisation ist deshalb an sich zur Rekrutierung von Türken für terroristische Zwecke geeignet. Türkische Jihadisten zeigen bereits seit Längerem große Sympathien für den Kampf der Tschetschenen und der Zentralasiaten. Die Qaida hingegen ist eine weiterhin stark arabisch geprägte Organisation, die es bisher nicht vermochte, Türken in größerer Zahl anzuwerben. Dass die Islamische Jihad Union ein neues, von Usbeken und Türken geprägtes terroristisches Netzwerk aufbauen und längerfristig aufrecht erhalten könnte, die den Westen beunruhigen sollte, erscheint eher unwahrscheinlich. Die Zahl ihrer Anhänger ist sehr klein. Dennoch sind die Ereignisse des Jahres 2007 ein deutliches Warnsignal. Gewännen Usbeken und Türken im internationalen Terrorismus an Bedeutung, wären die Folgen vor allem in der Türkei und natürlich in Deutschland zu spüren. Für globalpolitische Erwägungen allerdings spielen diese Entwicklungen eine eher geringe Rolle.

Wie lange hält der Westen durch  ? Die genuin globalpolitischen Aspekte bestehen darin, dass man sich die Frage beantwortet, wie lange wird der Westen durchhalten  ? Im Unterschied dazu  : Wie lange müsste der Westen durchhalten, was genau will er, was wird sein, wenn er in fünf Jahren abzieht, und welche Folgen wird das für Zentralasien, die weitere Region und die Welt haben  ? Der gegenwärtige Konsens der Fachleute, Beamten und Politiker in Washington umfasst ungefähr das Folgende  : Afghanistan ist Teil der globalen Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen und Gruppen des Terrorismus. Pakistan ist das Epizentrum. Es gibt terroristische Verbindungen zwischen Pakistan und dem Vereinigten Königreich, der Terrorismus in Kaschmir (dabei ist eine Beteiligung der pakistanischen Dienste manchmal festzustellen) spielt eine Rolle. Die Taliban geben Qaida-Terroristen in den Gebieten, die unter ihrer Kontrolle stehen, Gastrecht, so wie sie das früher getan haben, als sie die Macht in Kabul innehatten. Die Tatsache, dass Pakistan über Nuklearwaffen verfügt, selbst politisch instabil ist und die Taliban die Regierung in Islamabad bedrohen, macht

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diese Problemlage theoretisch zu einer strategischen Herausforderung, die einige Beachtung verdient. Doch darüber hinaus sind die globalen Aspekte weniger klar. Unklar ist auch, was denn genau dagegen unternommen werden soll. Wenn man diese strategische Bedrohung ernst nimmt, die Geschichte des westlichen Imperialismus und des russischen betrachtet, die westliche Ungeduld, die lange Dauer der jeweiligen aufständischen Bewegungen in dieser Region und die hohe Wahrscheinlichkeit unsauberer, unentschiedener Ergebnisse solcher Interventionen kennt, dann wird man ein vorzeitiges Ende des westlichen Engagements in Rechnung stellen müssen. Obama und dem Westen wird es, so weit kann man wohl sehen, nicht gelingen, das Problem mit einem Surge und einem Strategiewechsel à la Irak zu bewältigen. Auch der temporäre Truppenaufbau im Irak war nicht eine Strategie, um den Irakern den Weg in eine sonnige Zukunft zu ebnen, sondern um die Voraussetzungen für einen geordneten Abzug zu schaffen. Um das gleiche geht es in Afghanistan und in ganz Zentralasien. Die Ausbildung der afghanischen Streit- und Sicherheitskräfte gehört dazu, die gezielte Tötung von Qaida-Terroristen hauptsächlich mit unbemannten Flugkörpern ebenso. Auch Pakistan selbst beteiligt sich inzwischen daran. Überhaupt scheint es, dass sich in letzter Zeit die Pakistaner generell intensiver an der Anti-TerrorKampagne beteiligen. Dieses Programm ist insofern erfolgreich, als es im Westen selbst in der Öffentlichkeit keine Unruhe verursacht, und die Qaida, nebst andern Gruppen, zweifellos schwächt. In der Vergangenheit sind die getöteten Führungsfiguren allerdings zügig ersetzt worden. Heute nicht mehr  : Der Feind habe Schwierigkeiten, heißt es in Washington, die Kader seien geschwächt, „command and control“ der Qaida seien ernsthaft reduziert. Obama hat die auch Budgetmittel für diese Art des Anti-Terrorkampfs stark erhöht. Für Amerika und den Westen ist eine Fortführung dieser Strategie auf pragmatische Art die wohl einzige Erfolg versprechende. Die Amerikaner versuchen seit einigen Jahren, pakistanische Regierungen davon zu überzeugen, dass die Taliban, nicht Indien, die größte Bedrohung für sie sind. Wie viele Fortschritte hier erzielt wurden, ist kaum zu ersehen. Pakistan hat Kriege und Territorien an Indien verloren. Auch Indien hat Nuklearwaffen und versucht überdies, seinen Einfluss in Afghanistan zu erhöhen. Die pakistanische Militärführung wird sich deshalb kaum davon überzeugen lassen,  Pakistan Injects Precision Into Air War on Taliban, New York Times, 30.7.2009.



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dass es im strategischen Interesse des Landes liegt, die Taliban fallen zu lassen. Man könnte sie später wieder brauchen. Pakistan steht auch nicht vor einer Machtergreifung der Taliban in Islamabad. Da müsste noch sehr viel zusammenkommen. Die pakistanische Armee ist groß, gut ausgerüstet, nicht großflächig vom islamistischen Bazillus befallen. Die Nachrichtendienste sind trotz ihrer durchaus machiavellistischen Tendenzen nicht bereit, Kernwaffen an die Taliban zu liefern. Der Westen sollte diese Begrenzungen der Macht der Taliban bei ihrer Strategie in Rechnung stellen. Zusammengefasst  : Westliches „Nation Building“ in Zentralasien hat seine besten Tage hinter sich. Nicht nur die Wirtschafts- und Finanzkrise, vielmehr auch fehlende Erfolge und eine allgemeine Ernüchterung sind dafür verantwortlich. Die einzige valable Option bleibt eine pragmatische Strategie mit relativ bescheidenen Zielsetzungen  : Bekämpfung der Qaida und Schwächung ihrer Kader, Eindämmung der Taliban, wo dies möglich ist, und Unterstützung der pakistanischen Streitkräfte als genereller Stabilitätsfaktor. Globalpolitisch ist aber die langfristige Gewichtsverlagerung in der amerikanischen Strategie von Pakistan zu Indien von größerer Bedeutung als die zentralasiatischen Aspekte. Afghanen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Kirgisen und alle anderen sind über westliche Einmischung ihrerseits nur so lange begeistert, als dabei etwas Zählbares herausspringt. Sonst sind sie gegen jeden Outsider, kämpfen allenfalls gegen ihn, möchten allerdings auch nicht zurück unter die russische Hegemonie geraten. Sie wollen selbst bestimmen und sich mehr Spielraum verschaffen. Dass ihnen das längerfristig gelingen wird, ist zweifelhaft. Am Tag nach dem Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan entsteht eine neue Realität, die von den traditionellen Rivalitäten dieses Landes, aber auch von den großen Nachbarstaaten bestimmt sein wird.  

Uwe Halbach

Die „islamistische Gefahr“ als sicherheitspolitisches Problem in Zentralasien

Spätestens seit dem Sommer 1999 wird von sicherheitspolitischen Bedrohungen Zentralasiens durch islamistische Gewaltakteure wie die „Islamische Bewegung Usbekistans“ gesprochen, die damals in Grenzregionen Kirgistans und Tadschikistans mit militärischen Aktionen hervortrat. Auch zehn Jahre später heben internationale Berichte über terroristische Aktivitäten – wie die Länderberichte des State Department für das Jahr 2008 – zentralasiatische Grenzregionen zu Afghanistan, wie das Fergana-Tal, hervor. Es besteht kein Zweifel, dass global agierende Jihad-Bewegungen auch den postsowjetischen Raum erfasst haben, vor allem den Nordkaukasus und den südlichen Teil Zentralasiens. Doch bevor auf islamistische Herausforderungen als Sicherheitsproblem in Zentralasien, der größten „Muslimregion“ im GUS-Raum, einzugehen sein wird, sind zwei Vorbemerkungen zu machen. Die erste bezieht sich auf sicherheitspolitische Aussagen aus dieser Region. Da haben wir ein gewisses Decodierungs-Problem. Von den zentralasiatischen Machteliten gelieferte Bedrohungsbilder haben oft regimelegitimierenden Charakter. Die autoritäre Ordnung – die postsowjetische Präsidialautokratie, die in Zentralasien ihre stärkste Ausprägung hat – begründet ihre Existenznotwendigkeit mit externen und internen Gefahren, die den Übergang von der sowjetischen in die nachsowjetische Periode begleitet haben. Die Rechtfertigung lautete seit dem Eintritt in die staatliche Unabhängigkeit  : die Präsidenten könnten durch ihre starke Machtstellung ihre Länder besser durch eine von sozialökonomischen, politischen und ideologischen Krisen bedrohte Übergangsperiode leiten. Der unabhängig gewordene Staat bedürfe in einer solchen Situation einer rigiden politischen Führung, um nicht in eine Entwicklung zu entgleiten, wie sie sich Anfang der 1990er Jahre in Tadschikistan ergeben hatte. Dort waren kriegsähnliche Machtkämpfe zwischen diversen politischen, regionalen und ideologischen Kräften ausgebrochen, die das Land an den Rand des staatlichen Zusammenbruchs brachten.  Joshua Kucera, Central Asia and Caucasus  : Terrorist Threat on Rise in Ferghana Valley – US State Department, in  : Eurasia Insight, 8.5.2009.

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Uwe Halbach

Zu den Kombattanten gehörte damals maßgeblich eine Partei der Islamischen Wiedergeburt. Angesichts der tadschikischen Verhältnisse wurde nationale und regionale Stabilität auf die Sicherstellung von Regimekontinuität und die Unantastbarkeit amtierender Herrschaftseliten bezogen. Diese Logik erklingt exemplarisch in zahlreichen Schriften, die der usbekische Präsident Karimov seit 1992 vorgelegt hat. In Usbekistan, dem bevölkerungsreichsten Land der Region, beherrschte die Warnung vor religiösem Extremismus schon sehr früh die Aussagen des Präsidenten. Eine Konfrontation mit islamischen Bewegungen wie „Adolat“ (Gerechtigkeit), die im usbekischen Teil des Fergana-Tals die Staatsorgane und den damals gerade zum Präsidenten aufgestiegenen Republikführer Karimov persönlich herausforderten, begründete bereits 1991–92 das Feindbild des religiösen Extremismus, an dem nachfolgend usbekische Sicherheitspolitik ausgerichtet wurde. In seinem 1997 erschienenen Buch „Usbekistan and der Schwelle zum 21. Jahrhundert“ widmete sich Karimov ausführlich dieser Gefahr. Er identifizierte sie für einen Transitionsstaat wie Usbekistan im Versuch, das Vertrauen der Gläubigen in notwendige Reformen zu untergraben und Werte wie Säkularismus zu diskreditieren, in der Spaltung der Bevölkerung in „wahre“ und „falsche“ Muslime, in der Verleumdung des Nationalstaats und seiner Regierung als „atheistisch“ und in dem Versuch, Religion als Mittel für die Lösung aller ökonomischen, politischen und internationalen Probleme zu propagieren. Beim „religiösen Extremismus“ wird dieser Gefahrendiskurs nicht nur von staatlichen Sicherheitsorganen, sondern auch von der offiziellen Geistlichkeit geführt. Und auch hier kommt ein selbstlegitimierender Charakter zum Vorschein  : Dieses noch aus sowjetischer Zeit stammende System der Muftiate identifiziert alle Herausforderer, die seine eigene Existenzberechtigung und Autorität infrage stellen, als extremistisch. Und es liefert mit einem oft niedrigen religiösen Bildungsniveau und mit Krankheiten wie Korruption und Nepotismus, die auch die Staatsapparate befallen haben, Angriffsflächen. Diese Vorbemerkung soll nicht bedeuten, dass Warnungen vor gewaltberei-

 Zum Thema Islam in den tadschikischen Machtkämpfen vgl. Abeed Khalid, Islam after Communism, Religion and Politics in Central Asia, University of California Press, Berkeley, London 2007, S. 147–153.  Islam Karimov, Uzbekistan na poroge XXI veka, Ugrozy bezopasnosti, uslovija i garantii progressa, (= Usbekistan an der Schwelle zum XXI. Jahrhundert, Gefährdung der Sicherheit, Bedingungen und Garantien für den Fortschritt), Taschkent 1997, S. 39–57.



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ten islamistischen Kräften bloßen Rechtfertigungs­strategien entspringen oder islamophoben Wahrnehmungen sicherheitspolitischer Eliten, deren ideologische Sozialisationswurzeln teilweise noch in die sowjetische Vergangenheit zurückreichen. Aber im sicherheitspolitischen Dialog mit diesen Macht- und Sicherheitseliten müssen wir uns doch das oben genannte Decodierungsproblem stets vergegenwärtigen. Eine weitere notwendige Vorbemerkung muss darauf verweisen, dass der Islam in dem hier behandelten Raum auf sehr unterschiedliche Weise tradiert und gelebt wurde. Auch das nachsowjetische Zentralasien ist alles andere als ein homogenes „Islamistan“. „Islamische Wiedergeburt“ hat sich hier von Land zu Land – und auf Landesebene oft von Region zu Region – auf unterschiedliche Weise vollzogen. In Hinsicht auf die Intensität religiöser „Wiedergeburt“ und die Gefahr ihrer Radikalisierung gibt es Süd-Nord-Gefälle in Kasachstan und Kirgistan und Ost-West-Gefälle in Usbekistan. Vor allem eine Subregion ist hier ins Blickfeld geraten  : das bereits erwähnte Ferganatal im Länderdreieck Usbekistan–Kirgistan–Tadschikistan. Die meisten Meldungen über Gewaltereignisse, in die islamistische Gruppen involviert sind, stammen aus dieser Region. Dazu gehören die Ereignisse von Andijan im usbekischen Teil des Ferganatals, bei denen im Mai 2005 staatliche Sicherheitskräfte einen „Aufstand“ blutig niederschlugen. Laut offiziellen Angaben aus Taschkent war dieser Aufstand, bei dem angeblich 180 Menschen ums Leben kamen, von einer islamistischen Gruppierung namens „Akromiyya“ angezettelt worden. Menschenrechtsorganisationen und einige Augenzeugen stellen diese Version in Zweifel  : Danach waren die Todesopfer weitaus höher zu beziffern und staatliche Sicherheitskräfte haben wahllos auf eine Menschenmenge aus bewaffneten Akteuren und unbewaffneten Zivilisten geschossen. Der Aufstand war nach dieser Version weniger eine islamistische Aktion als eine von diversen sozialökonomischen und politischen Missständen provozierte Kundgebung. Vier Jahre später, am 26. Mai 2009, tritt der usbekische Teil des Ferganatals mit Anschlägen durch islamistische Akteure entlang der usbekisch-kirgisischen Grenze, darunter mit einem Selbstmord-

 Zur umstrittenen Identifizierung dieser Gruppe siehe Alisher Ilkhamov, The Phenomenology of ‚Akromiya‘  : Separating Facts from Fiction, in  : The China and Eurasia Forum Quarterly, 4 (May 2006) 2, S. 39–49.  Human Rights Watch, The Andijan Massacre, One Year Later, Still No Justice, HRW Briefing Paper, May 11, 2006.

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Uwe Halbach

attentat in Andijan, erneut in die Schlagzeilen. Die Besonderheit des Ferganatals in diesem Kontext liegt einerseits in der Rolle, die ein konservativer Islam schon in vorsowjetischer und sowjetischer Zeit in dieser Region gespielt hat, andererseits in der Kombination „islamischer Wiedergeburt“ mit diversen sozialökonomischen Problemen, die in diesem am dichtesten besiedelten Teil Zentralasiens in nachsowjetischer Zeit hervortraten. Ebensowenig wie es eine einheitliche islamische Tradition in Zentralasien und im weiteren postsowjetischen Raum gibt, gibt es einen islamistischen „Mastermind“, der Jihad-Netzwerke im GUS-Raum vom Ferganatal im Osten bis zum Nordkaukasus im Westen, von Tatarstan im Norden bis Tadschikistan im Süden lenkt und koordiniert, wenn auch Einflüsse von außen durch global agierende islamistische Netzwerke nicht zu bestreiten sind. Die „islamistische Gefahr“ wird von den zentralasiatischen Regierungen zudem unterschiedlich gewichtet  : in Usbekistan wird sie seit langem als eine Hauptherausforderung an den nachsowjetischen Staat identifiziert, in Turkmenistan ist sie laut Angaben staatlicher Stellen so gut wie nicht vorhanden. Dabei hat hier das Regime unter dem „Turkmenbaschi“ (bis 2006) mit der Sakralisierung des Präsidenten und dessen im Jahr 2000 publizierten Schrift Ruhnama erheblichen Anlass zu religiösem Einspruch gegeben und in besonders aufreizendem Maße das islamistische Feindbild des „Pharao“ erfüllt.

Islamistische Herausforderungen im breiteren Spektrum sicherheits- und stabilitätspolitischer Probleme in Zentralasien Gelegentlich wird die islamistische Bedrohung als die Hauptgefahr für das nachsowjetische Zentralasien herausgestellt. Sie hat in der sicherheitspolitischen Analyse aber in einem breiteren Spektrum von Stabilitätsrisiken zu stehen. Zu den externen Risiken gehören besonders die Ausstrahlungen des afghanischen Konfliktherds auf seine regionale Umgebung. Ein Nachbarland Afghanistans wie Tadschikistan, das eine 1300 km lange, geländebedingt kaum kontrollierbare Grenze mit Afghanistan teilt, wird hier an erster Stelle den Drogenhandel nennen. Zentralasien ist längst zu einer maßgeblichen  Uzbekistan  : Suicide Bombing in Andijan Ups the Ante for Karimov, in  : Eurasia Insight, 27.5. 2009.  Zu der Differenzierung siehe Uwe Halbach, Zentralasien im Kampf gegen militanten Islamismus, SWP-Aktuell 20, März 2008.



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Transitregion, in zunehmendem Maße aber auch zur Konsumregion für afghanische Opiate geworden. Dabei wurde der Drogentransfer in westlichen Analysen in Verbindung zu den wirtschaftlichen Aktivitäten islamistischer Netzwerke wie der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ gesetzt. Zu den landes- und regionsinternen Risiken zählen mannigfache sozialökonomische Probleme aus der Transitionsperiode, die durch die gegenwärtige weltweite Finanzkrise und Wirtschaftsrezession wieder neu aufgeworfen bzw. verschärft zu werden drohen. Die größten Befürchtungen haben hier auswärtige Experten im Hinblick auf den ärmsten GUS-Staat Tadschikistan. Das Land, so ihre Sorge, könnte durch eine Verschärfung seiner sozial­ökonomischen Probleme auf das „failing-state“ Syndrom zurückgeworfen werden, von dem es geprägt war, als es Anfang der 1990er Jahre die Bühne der Weltpolitik betrat. Nach 1997 hatte es in einem Prozess der „nationalen Versöhnung“ die durch den vorangegangenen Bürgerkrieg verursachten Spaltungen nach und nach überwunden. Die Bevölkerung des Landes wurde dabei weitgehend entpolitisiert, die in die Regierung integrierte Opposition wieder marginalisiert, die Präsidialautokratie unter Emomali Rahmon auf diese Weise konsolidiert. Doch dieser Prozess autoritärer Konsolidierung ist längst wieder in Frage gestellt. Die Bevölkerung wird seit zwei Jahren durch eine Krise der Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln strapaziert. Die Wirkungen des globalen Konjunktureinbruchs verschlechtern die ohnedies kritischen sozialökonomischen Verhältnisse, besonders durch eine Krise der Arbeitsmigration und den drohenden Rückgang der Überweisungen tadschikischer Arbeitsmigranten aus Russland an ihre Familien sowie durch Preiseinbrüche bei den wichtigsten Exportprodukten des Landes, Aluminium und Baumwolle. Die sicherheitspolitische Dimension dieser Entwicklung kommt zum Beispiel dadurch zum Ausdruck, dass das US-Verteidigungsministerium ein Stabilisierungsprogramm für Tadschikistan mit dem Argument aufgelegt hat, es gelte die „Entstehung eines zweiten Afghanistans zu verhindern.“ In diesem Kontext wird auch ein Anwachsen islamistischer Untergrundaktivitäten registriert. Als weiteres Stabilitäts- und Sicherheitsproblem der Region beklagen auswärtige Beobachter seit Langem die zwischenstaatlichen Beziehungen und den Mangel an intraregionaler Kooperation. Probleme in den Nachbarschaftsbeziehungen betreffen hier hochsensible, kooperations- und rege Uwe Halbach, Die Weltwirtschaftskrise in Kaukasien und Zentralasien, SWP-Aktuell 20, April 2009.  ICG Asia Report N0.162, 12. Febr 09  : Tadschikistan. On the Road to Failure.

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lungsbedürftige Bereiche wie die Energie- und Wasserverteilung zwischen „upstream“- und „downstream“-Ländern im zentralasiatischen „Mesopotamien“ zwischen den Aral-Zuflüssen Amu Darja und Syr Darja. Sie betreffen auch sicherheitspolitische Fragen wie die Bekämpfung islamistischer Freischärler. Hier ist es zu Streitigkeiten zwischen Usbekistan und seinen Nachbarn Kirgistan und Tadschikistan gekommen.10 Die „islamistische Gefahr“ liegt an einer Schnittstelle zwischen der externen und internen Dimension der Sicherheitsprobleme. Was die externe Dimension betrifft, gab es seit dem Ende der Sowjetunion zweifellos Einfluss von außen auf die „islamische Wiedergeburt“ in Zentralasien und anderen postsowjetischen Regionen mit islamischer Tradition. Da gab es Missionen aus dem islamischen Ausland, von dem Zentralasien zuvor durch den Eisernen Vorhang getrennt war. Anfangs wurde vor allem die Islamische Republik Iran als potenzieller Hauptexporteur islamischer Revolution in den Kaukasus und nach Zentralasien angesehen. Bald wurde deutlich, dass entsprechende Einflüsse eher aus dem sunnitischen Bereich kamen – aus den Golfstaaten, aus Pakistan, auch aus der Türkei. Die „vergessenen Muslime“11 der zerfallenen Sowjetunion sind in ihrer überwiegenden Mehrheit Sunniten hanefitischer Rechtsschule, die schiitische Ausnahme ist Aserbaidschan, wo Missionen aus dem Iran argwöhnisch betrachtet werden. In der internen Dimension liefern diverse Stabilitätsprobleme, politische und sozialökonomische Missstände, systemische Korruption in den politischen und wirtschaftlichen Machtapparaten Angriffsflächen für den Appell an „islamische Gerechtigkeit“ und für eine religiös begründete Anfechtung bestehender Machtverhältnisse. Die lokalen Machteliten neigen zur Externalisierung der „islamistischen Gefahr“, stellen dahinter hausgemachte Probleme gerne zurück. Besonders in innenpolitischen Krisen neigen sie dazu, auf die islamistische Gefahr zu verweisen und diese als extern gesteuert darzustellen. Offizielle usbekische Erklärungen dafür, wie das Blutbad von Andijan im Mai 2005 zustande kam, sind ein Beispiel dafür. 10 Auch bei den neuesten islamistischen Anschlägen im Ferganatal vom 26. Mai 2009 (siehe Anm. 1) liegen Taschkent und Bischkek im Streit darüber, ob die bewaffneten Freischärler aus Kirgistan auf usbekisches Territorium vorgedrungen sind. Taschkent hat seit 1999 Sicherheitsmängel in den Nachbarstaaten für grenzüberschreitende Aktivitäten islamistischer Gruppen wie der IBU verantwortlich gemacht. 11 So bezeichneten Alexandre Bennigsen und Chantal Lemercier-Quelquejay die sowjetischen Muslime im Titel ihres gemeinsamen Buchs Les musulmans oubliés, L‘Islam en Union soviétique, François Maspero, Paris 1981.



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Zur Identifizierung islamistischer Akteure Unsere Kenntnisse über religiös-extremistische Organisationen im GUSRaum, über Mitgliederzahl, Ursprung, Ressourcen, Interaktionen diesbezüglicher Gruppen bleiben auch nach mehr als 15 Jahren lückenhaft. Empirische Feldforschung über Akteure wie Hizb ut Tahrir, das wohl aktivste islamistische Netzwerk in der Region, ist in einem politischen Umfeld, wie es zum Beispiel in Usbekistan existiert, kaum möglich. Die Einschätzung islamistischer Gefahr in Bezug auf zentralasiatische Staaten schwankt dementsprechend in westlichen Darstellungen von „an irritant, but not a risk“ bis zu „main risk“. Aus einer Vielzahl von Fremd- und Selbstbezeichnungen für religiös-politische Bewegungen ragen drei heraus, die in sicherheitspolitischen Aussagen von Moskau bis Taschkent und in internationalen Publikationen militanten Islamismus in Zentralasien belegen  : Wahhabiten, Hizb ut Tahrir und IBU (Islamische Bewegung Usbekistans). Das seit der ausgehenden sowjetischen Periode am meisten zitierte Schlagwort lautet Wahhabiten. Es bezieht sich auf die in Saudi-Arabien etablierte Variante eines islamischen Purismus oder Fundamentalismus, die auf die Lehre des Mohammed ibn Abd al-Wahhab (1703–1792) zurückgeht und zur ideologischen Grundlage saudischer Dynastie und Staatsbildung wurde. In seiner Verwendung in russischsprachigen Quellen im GUS-Raum geht das Schlagwort aber weit über diesen Kontext hinaus und steht für alles, was als religiös-puristisch, radikal-islamistisch oder gar terroristisch-jihadistisch angesehen wird. Der Leiter einer islamischen Gemeinde in Südrussland sagte zur Verwendung des Schlagwortes einmal etwas aus, das so auch für Zentralasien gilt  : Er gab zu, dass es islamistische Unruhestifter in seiner Gemeinde gibt, fügte aber hinzu  : „Wir haben noch ein anderes Problem. Wenn jemand das rituelle Gebet korrekt vollzieht, nicht trinkt, nicht raucht, nicht flucht, dann hält man ihn für einen Wahhabiten. Heute hält sich jeder Milizionär für einen Spezialisten für Wahhabismus“.12

12 Každy milicioner’ – specialist po vachchabizmu, in  : Gazeta Juga, Nal’čik, 30.5.2002. Der russische Journalist Igor Rotar zitierte einen solchen „Wahhabiten“ aus der dagestanischen Gemeinde Karamachi  : „Nach den Jahren der Sowjetmacht ist eine Generation entstanden, die sich aufregt, wenn man das Leben eines konsequenten Muslim führt. Diese Leute haben uns das Etikett ‚Wahhabiten’ angeheftet“. Zitiert von Aleksej Malašenko  : Islamskie orientiry Severnogo Kavkaza, Karnegi-Centr Moskva, 2001, S. 73.

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Hier wird ein Problem angesprochen, das den Diskurs über religiösen Extremismus im GUS-Raum prägt  : die mangelnde Unterscheidung zwischen 1. religiös, aber nicht politisch aktiven Muslimen, 2. politisch aktiven, aber nicht gewaltorientierten Islamisten und 3. militanten „Jihadisten“. Aus der undifferenzierten Wahrnehmung resultieren staatliche Aktionen, die einer Radikalisierung „islamischer Wiedergeburt“ oft eher den Boden bereiten als sie einzuschränken. Tatsächlich haben sich am „reinen Islam“ des frühen Kalifats orientierte Bewegungen in verschiedenen Teilen des postsowjetischen Raums, darunter auch in Zentralasien, gebildet. Sie werden nun auch hier zunehmend mit dem islamwissenschaftlich korrekteren Terminus „Salafismus“, „Salafiten“ bezeichnet.13 Sie treten in scharfe Konfrontation zu dem lokal und ethnisch differenzierten Brauchtum, mit dem der Islam in sowjetischer Zeit überlebt hat, denunzieren zum Beispiel die damals wie heute weitverbreitete Praxis der Pilgerschaft zu lokalen Heiligengräbern (mazar) und sufitische Traditionen als „heidnisch“. Die Mehrzahl dieser Bewegungen ist bei aller religiösen Rigidität nicht gewaltorientiert. Ihre oft sehr aggressive Anfeindung des „traditionellen“ oder „folkloristischen“ oder „sowjetischen“ Islam trägt allerdings Spannungen in die lokalen islamischen Gemeinden hinein. Der oberste Gerichtshof Tadschikistans trat kürzlich dem Anwachsen islamistischer Tendenzen mit einem fragwürdigen Gesetzesprojekt entgegen  : Im Januar 2009 stellte er „Salafismus“ unter Strafe.14 Das ist so, als würde man in Europa „Bigotterie“ oder „religiösen Purismus“ gesetzlich unter Strafe stellen. Hizb ut Tahrir, eine bereits 1953 in Jerusalem gegründete, dann im Untergrund einiger arabischer Länder agierende Gruppierung, gehört zu jenen transnationalen Organisationen, deren Ziel die Wiederherstellung des Kalifats ist. Sie hat seit Mitte der 1990er Jahre in Zentralasien ein bevorzugtes Tätigkeitsfeld gefunden und dort eine Agenda ausgebildet, in der regionale Probleme nachsowjetischer Entwicklung gezielt aufgegriffen werden. Und die politischen und sozialökonomischen Verhältnisse in Zentralasien bieten Angriffsflächen für den populistischen Appell an „islamische Gerechtigkeit“. Hizb ut Tahrir stellt die nachsowjetischen Staatsgrenzen, die nationalstaat13 Abgeleitet von „al ahl as salaf “, die „rechtgeleiteten Vorfahren“, bezeichnet der Terminus die strikte Orientierung an einem „reinen“, „frühen“ Islam. Sie richtet sich gegen „Neuerungen“, die nicht auf rein koranischer Überlieferung basieren. 14 Tadschikistan  : Supreme Court Bans Ultra-Conservative Sunni Islamic Movement, in  : Eurasia Insight, 1.8.2009.



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liche Ordnung in Zentralasien radikal infrage. Mit diesem transnationalen Appell an die „ummah“ stößt sie besonders in Grenzregionen wie dem Fergana-Tal auf Resonanz. Hier hat eine Bevölkerung, die in hohem Maße auf grenzüberschreitende Kommunikation und Kleinhandel angewiesen ist, in nachsowjetischer Zeit unter korrupten Grenzregimen gelitten. Hier fällt ein „islamischer Integrationismus“ auf fruchtbaren Boden.15 Von terroristischer Gewalt distanziert sich die Hizb in ihren Pamphleten, verbreitet aber Hasspropaganda gegen die laizistischen Regierungen, besonders die usbekische, ebenso gegen westliche Wertvorstellungen, gegen Amerikaner und Juden und andere islamistische Feindbilder. Sie bezeichnet sich als „politische Partei, deren Ideologie der Islam ist“. Angesichts repressiver Umfeldbedingungen organisiert sich dieses Netzwerk höchst konspirativ und wurde in Hinsicht auf seinen Untergrundprofessionalismus bereits mit den Bolschewiki verglichen (die „islamistischen Bolschewiken“). Zahlenangaben über Mitglieder und Sympathisanten sind angesichts der konspirativen Organisationsform unzuverlässig. Schätzungen zentralasiatischer Regierungen sprechen von über 20.000 für die Gesamtregion, aber mitunter werden allein für ein einzelnes Land wie Kirgistan mehr als 10.000 Hizb-Aktivisten angegeben. In Usbekistan, wo die Konfrontation mit dieser Gruppierung am weitesten gediehen ist, sitzt ein erheblicher Teil der Hizb-Anhänger im Gefängnis. In einigen Regionen sind männliche Aktivisten bereits in so großer Zahl verhaftet worden, dass sie zunehmend von Frauen ersetzt werden.16 Laut den lokalen Sicherheitsorganen findet in den letzten Jahren eine Absplitterung gewaltbereiter Kräfte von der „nicht-terroristischen“ Mutterpartei statt. Die Rekrutierungsfelder der Hizb ut-Tahrir wurden geografisch über Usbekistan und das Ferganatal hinaus auf andere Teile Zentralasiens und Eurasiens bis nach Kasachstan und Russland ausgeweitet, ebenso in sozialer Hinsicht auf Studenten, Geschäftsleute und sogar Staatsbedienstete. Die Hizb entwickelte

15 Eine VN-Studie von 2005 sieht wichtige Gründe für islamistische Mobilisierung in Zentralasien in den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen solcher Grenzregionen  : UNDP  : Bringing Down Barriers, Regional Cooperation for Human Development and Human Security, Central Asia Human Development Report 2005, S. 129. 16 Zu Hizb-ut-Tahrir Aktivitäten in Zentralasien  : Zeyno Baran, Fighting the War of Ideas, in  : Foreign Affairs, November/December 2005, vol. 84, no. 6, S. 68–79  ; Gulnoza Saidazimova, Central Asia, Hizb ut-Tahrir’s Calls for Islamic State Find Support, in  : Eurasia Insight, 17.1.2006  ; Alexey Sukhov, Post-Soviet Radicalization of Islam in Kyrgyzstan  : Hizb ut-Tahrir, in  : Central Asia and the Caucasus, 42 (2006), 6, S. 102–110.

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angeblich Strategien zur Unterwanderung der Staatsapparate.17 Die Karriere der „Partei“ in Usbekistan zeigte, wie wenig massive staatliche Gewaltmaßnahmen bei der Bekämpfung eines pseudo-religiösen Extremismus fruchten, wenn dieser sich erfolgreich mit der Aura des „Märtyrertums“ umgibt. Im Unterschied zu Hizb ut Tahrir ist die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) eindeutig als ein Gewaltakteur militärisch und terroristisch in Erscheinung getreten. Ihre militärischen Aktionen 1999 und 2000 haben im Westen noch vor 9/11 Aufmerksamkeit für die Sicherheitslage in Zentralasien mobilisiert. IBU stand vor 2001 für logistische Verbindungen zentralasiatischer Islamisten mit Afghanistan. Ihr militärischer Flügel wurde im Oktober 2001 in Nordafghanistan zerschlagen, der politische unter Tahir Joldaschew überlebte. Es gibt unterschiedliche, wenig zuverlässige Darstellungen über die Re-Organisation der IBU. Insgesamt wird ihr gegenwärtiges Gewicht als politischer oder militärischer Spieler in der Region in westlichen Analysen als eher gering eingeschätzt. Auch hier kann von massenhafter Unterstützung in der Bevölkerung kaum die Rede sein. Aber es gibt Abspaltungen der IBU, die in den letzten drei Jahren in das Blickfeld des globalen „war on terrorism“ geraten sind und deren Agenda weit über Usbekistan und Zentralasien hinausgeht. Dazu gehört die Islamische Jihad Union, auf die noch einzugehen sein wird.

Jihadismus, Anti-Terrorismus und europäische Zentralasienpolitik In den letzten zehn Jahren entstanden von Minsk bis Taschkent Anti-Terrorismus Zentren im Rahmen von Regionalorganisationen innerhalb des GUSRaums und eines darüber hinausgreifenden Formats wie der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit. Szenarien von Terrorismusbekämpfung lieferten Übungsthemen für zwischenstaatliche Militärmanöver. Dabei wird – wie auch in der westlichen Welt – Extremismus/Terrorismus eng mit Jihad und militantem Islamismus assoziiert, auch wenn die zentralasiatischen Regierungen stets betonen, Terrorismus kenne keine Religion und keine Nationalität, und davor warnen, Islam generell mit Terrorismus in Verbindung zu bringen. In der Wahrnehmung von außen wird für diese Entwicklung meist der 11. September 2001 als Ausgangspunkt gesetzt. Aber hier sind frühere Zäsu17 Roger McDermott, Kyrgyz Intelligence Service Detects Shift in Hizb ut-Tahrir Tactics, in  : Jamestown Eurasia Daily Monitor, 02.10.2006.



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ren anzusetzen – für Zentralasien spätestens das Jahr 1999 mit militärischen Aktionen der IBU. Zentralasiatische Staaten hatten lange vor der Wende von 2001 die Situation in Afghanistan als wichtigsten externen Faktor ihrer eigenen sicherheitspolitischen Situation identifiziert. Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest vor einem Jahr bekundeten sie zusammen mit Russland verstärkt Bereitschaft zur Kooperation mit der internationalen Mission in Afghanistan. Das betrifft vor allem Nachschublinien über die Territorien von GUS-Staaten nach Afghanistan, aber auch andere Projekte sicherheits- und entwicklungspolitischer Zusammenarbeit. In Taschkent, Duschanbe und Bischkek wurde 2008 die bislang pessimistischste von den USA und anderen Trägern der internationalen Mission gelieferte Lageeinschätzung in Afghanistan sehr ernst genommen. Die zurückkehrenden Taliban werden zunehmend außerhalb ihrer Hochburgen aktiv. Die Gewalt war 2008 auf dem höchsten Stand seit 2001. Die Drogenökonomie machte 53 % des afghanischen Nationalprodukts aus. Da stellt sich für die westliche Zentralasienpolitik eine Reihe von ­Fragen  : Gibt es eine spezifische regionale Dimension des Jihad, die das postsowjetische Zentralasien mit Afghanistan verklammert  ? Inwieweit bildet Zentral­ asien ein Aktionsfeld für gewaltorientierte Jihad-Netzwerke, die global ausgerichtet sind und in Afghanistan und Pakistan ihre Rückzugs- und Trainingsräume haben  ? In diesem Zusammenhang wird in Deutschland vor allem ein Netzwerk genannt, das solche Verklammerung andeutet  : die Islamische Jihad Union als ein Ableger der IBU, ein Netzwerk mit Trainingslagern in Waziristan, in dem eben auch Jihad-Touristen aus Deutschland aufgetaucht sind und das in enge Beziehung zu jener „Sauerland-Gruppe“ gesetzt wird, die derzeit im größten Terroristenprozess Deutschlands vor Gericht steht. Videoauftritte deutscher Staatsbürger in diesem Umfeld enthalten folgende Botschaften  : 1. Wir haben inzwischen einen „home grown terrorism“  ; 2. Wenn es ein logistisches Hinterland für solche Gruppen gibt, dann ist dies Pakistan, nicht etwa Usbekistan oder ein anderes zentralasiatisches Land  ; 3. In diesen vor allem in Pakistan stationierten Netzwerken tauchen verstärkt „Mujaheddin“ aus Zentralasien, besonders Usbeken auf, neben solchen aus der gesamten islamischen Welt und aus Westeuropa. Die Bedeutung des postsowjetischen Zentralasiens für globalen Jihadismus ist also relativ. Auch was die Häufigkeit terroristischer Anschläge betrifft, hebt sich die Region in der weltweiten Statistik kaum als ein besonderer Brennpunkt hervor – trotz der Häufung solcher Anschläge etwa in Usbeki­stan seit

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1999. In der Datensammlung „Terrorism Knowledge Base“, die seit 1966 terroristische Gewaltakte weltweit erfasste, rangierte um 2005 Zentralasien mit Ostasien zusammengefasst weit hinter anderen Großregionen wie dem Mittleren Osten, Südasien, Afrika, Europa, USA. Wie steht es also mit der Verklammerung islamistischer Dynamiken über den Amu-Darya hinweg  ? Nach 1996 kamen Schlagworte wie „Talibanisierung Zentralasiens“ auf. Sie setzten sich oftmals über grundlegende Unterschiede zwischen den sozialkulturellen, politisch-staatlichen Verhältnissen nachsowjetischer Gesellschaften und dem damals unter der Herrschaft der Taliban stehenden Afghanistan hinweg. Ja, einige islamistische Bewegungen Zentralasiens wie die IBU hatten Rückhalt in Afghanistan und waren in breitere islamistische Netzwerke einbezogen.18 Da gab es grenzüberschreitende Dynamiken entlang des Amu-Darya. Aber islamistische Bewegungen im Fergana-Tal und in Tadschikistan waren aus der nachsowjetischen Entwicklung Zentralasiens heraus entstanden und hatten sich teilweise schon in spätsowjetischer Zeit formiert. Eine Gruppierung wie Hizb-ut-Tahrir hat mit Taliban und al-Qaida wenig zu tun, umso mehr dafür mit den politischen Entwicklungen in den zentralasiatischen Staaten. Wie schon gesagt, soll diese Relativierung nicht Entwarnung bedeuten. Islamistisch-terroristisches Gewaltpotenzial im nördlichen Umfeld Afghanistans hat auf unserem Monitor zu bleiben. Das betrifft auch europäische Zentralasienpolitik. Die EU entwickelte unter deutscher Federführung eine Zentralasienstrategie mit sieben Prioritätsfeldern. Dazu gehört das Feld „Gemeinsame Bedrohungen und Sicherheitsherausforderungen“. Als einen der konkretesten Fortschritte wird hier ein EU-Zentralasienforum für Sicherheitsfragen genannt, das nun regelmäßig auf Ministerebene tagen soll. Gerade hinsichtlich der transnationalen Sicherheitsrisiken und ihrer Bekämpfung wird betont, dass verstärkte Kontakte zwischen EU-Funktionären und zentralasiatischen politischen Eliten zu einer Annäherung der Standpunkte geführt habe. Das macht aber auch stutzig. Denken wir an das eingangs genannte „Decodierungsproblem“. Diese sicherheitspolitische Priorität der EU-Zentralasienpolitik steht im Zusammenhang, aber auch im Spannungszustand mit anderen Prioritäten  : mit einem „ergebnisorientierten strukturierten Menschenrechtsdialog“, mit Initiativen im Bereich Rule of Law und anderen 18 Vgl. Didier Chaudet, Islamist Terrorism in Greater Central Asia  : The „ Al-Qaedaization” of Uzbek Jihadism, Russia/NIS Center, ifri, Paris, December 2008.



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Zielen. Bei der kritischen Einschätzung der EU-Zentralasienstrategie wird hervorgehoben, die EU müsse im Umgang mit zentralasiatischen Regierungen ihren umfassenden, erweiterten Begriff von Sicherheit und Stabilität konsequent vertreten und dürfe ihn nicht einer Realpolitik opfern, die von einem ausschließlich staatszentrierten Begriff von Sicherheit ausgeht. Sie dürfe die Bedrohungsdefinitionen, die von den staatlichen Sicherheitsorganen in der Region vorgelegt werden, nicht ungefiltert entgegennehmen. Eine gemeinsame Sicherheitsagenda, die vor allem entlang der Interessen der nationalen Machteliten entwickelt wird, könnte zum Gegenteil von nachhaltiger Stabilitätspolitik in Zentralasien führen. In der Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten auf diesem Feld gilt also Folgendes  :  einerseits entsprechende Gewaltpotenziale in postsowjetischen Regionen ernst zu nehmen und nicht einfach mit dem Hinweis abzutun, autoritäre Regime würden Anti-Terrorismus für ihren eigenen Machterhalt instrumentalisieren  ;  andererseits aber offizielle Aussagen über die „islamistische Bedrohung“ kritisch zu überprüfen und Aufmerksamkeit auf die Maßnahmen der Regierungen zu richten  : So wirft seit langem das undifferenzierte Vorgehen gegen vermeintliche oder tatsächliche religiöse Extremisten in Usbekistan die Frage auf, ob die Staatsmacht mit ihren Gewaltmaßnahmen Radikalisierungstendenzen nicht eher fördert, anstatt sie zu unterbinden19  ;  sich über präzise Definitionen von Terrorismus zu verständigen  : Der Sicherheitspolitik und dem Strafrecht zentralasiatischer Staaten liegt ein sehr weitläufiger Terrorismusbegriff zugrunde, der alle möglichen Erscheinungsformen und Motivationen von Gewalt oder auch nur Opposition durch nichtstaatliche Akteure umfasst.20 Die Selbstverständlichkeit, mit der etwa in Usbekistan und besonders nach Andijan kritische Journalisten als Extremisten und Terroristen abgestempelt und behandelt wurden, verdeutlicht diese Notwendigkeit einer präziseren, juristisch untermauerten Definition von Extremismus und Terrorismus.

19 Vgl. Nozima Kamalova, The War on Terror and its Implications for Human Rights in Uzbekistan, Kennan Institute Occasional Papers # 296, 2007. 20 Hierzu besonders Stuart Horsman, Themes in Official Discourses on Terrorism in Central Asia, in  : Third World Quarterly, 26 (2005) 1, S. 199–213.

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 mit den Regierungen über Maßnahmen von Terrorismusbekämpfung zu sprechen, die über die operative Handlungsebene von Polizei, Geheimdiensten und Armee hinausgehen. Dies betrifft Handlungsfelder wie Bildungspolitik, religiöse Aufklärung, Jugendarbeit, Armutsbekämpfung, Korruptionsbekämpfung. Hier geht es darum, die „islamistische Gefahr“ in ein breiteres Spektrum stabilitätspolitischer Probleme einzuordnen, mit denen sich das nachsowjetische Zentralasien auseinandersetzen muss.  

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Die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan im September 1996 versetzte Regierungen in den neuen Staaten Zentralasiens in einen Alarmzustand. Da wurde das Gespenst einer regionsübergreifenden „Talibanisierung“ an die Wand gemalt. Der bekannte pakistanische Publizist und Afghanistanexperte Ahmed Rashid veröffentlichte einige Jahre später ein Buch über den Jihad in Zentralasien. Der russische Präsidentenberater Gleb Pavlovskij äußerte sich zur Einrichtung westlicher Militärbasen in Usbekistan und Kirgistan nach dem 11. September 2001 mit den Worten  : „Für Russland sind Amerikaner in Usbekistan besser als Taliban in Pawlodar und Kasan.“ Da wurde der Eindruck erweckt, von Afghanistan gehe eine Bedrohung des religiösen Friedens bis zur Wolga aus. Da wurde eine Verschränkung radikal-islamistischer Dynamiken über die 2400 km lange Grenze zwischen Afghanistan und den zentralasiatischen Staaten Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan als eine Herausforderung des postsowjetischen Eurasiens herausgestellt. Es war indes die Frage, ob die religiöse „Wiedergeburt“ in sowjetisch-säkularisierten Gesellschaften mit islamischem Hintergrund in der nachsowjetischen Entwicklung auch nur im Entferntesten mit dem vergleichbar war, was in dem vehement antimodernistischen Gottesstaat der Taliban vor sich ging. Gab es zwischen Prozessen von Retraditionalisierung im postsowjetischen Zentralasien und dem archaischen, weniger islamischen als vielmehr paschtunischen Traditionalismus der Taliban Verbindungen  ? Inwieweit waren islamistische Bewegungen in Usbekistan und Tadschikistan mit al-Qaida und globalen Jihad-Netzwerken verbunden, die in Afghanistan Rückhalt fanden  ? Stärker war allerdings die gegenteilige Tendenz, eine analytische Trennlinie zwischen Afghanistan und Zentralasien zu ziehen. Ausgewiesene Afghanistanspezialisten beschäftigten sich kaum mit den Entwicklungen im nachsowjetischen Zentralasien. Umgekehrt waren Spezialisten für Staats- und  Ahmed Rashid, Jihad, The Rise of Militant Islam in Central Asia, Yale University, New Haven, London 2002.  Interview mit Gleb Pavlovskij am 4.10.2001, Izvestija.Ru online.

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Nationsbildung in Zentralasien kaum mit spezifischen Problemen Afghanistans vertraut. So gab es in Deutschland nur wenige Forschungsprojekte, die diese Trennlinie überschritten. Eines davon untersucht seit 2005 unter dem Titel „Local Governance und fragile Staatlichkeit“ Entwicklungspfade entlang des Amu Darya und beschäftigt sich mit formellen und informellen Machtstrukturen, Rechtssprechung und gemeinschaftlicher Selbstorganisation in Grenzregionen zwischen Afghanistan und Zentralasien. Die politische Relevanz der Forschungsergebnisse wird damit begründet, dass „im Zuge des Wiederaufbaus in Afghanistan deutsche Soldaten an mehreren Orten unseres Forschungsgebiets im Einsatz (sind), im usbekischen Termez ebenso wie in Kunduz und Fayzabad in Afghanistan“. Diese Trennlinie ist in den letzten zwei Jahren von aktuellen Entwicklungen durchbrochen worden. Afghanistan nimmt von Moskau bis Taschkent wieder einen vorrangigen Platz in der Außen- und Sicherheitspolitik von GUS-Staaten ein. Die rasante Verschlechterung der Sicherheitssituation im Einsatzgebiet von ISAF hat von Moskau bis Taschkent Alarm geschlagen. In Russland ist Afghanistan wieder ein vorrangiges sicherheitspolitisches Thema, in Zentralasien hat es nie aufgehört, ein solches zu sein. Die Unterscheidung in einen sicheren Norden und einen umkämpften Süden Afghanistans wird zunehmend aufgehoben. Die Taliban nähern sich wieder dem GUS-Raum. Das erinnert an den Alarmzustand vor 13 Jahren.

Verschränkung auf sicherheits-, entwicklungs- und energiepolitischer Ebene Seit letztem Jahr wird ein „northern distribution network“ entfaltet, das neue Nachschublinien für die Versorgung der internationalen Truppen und der Zivilbevölkerung in Afghanistan über Russland und Zentralasien legt. Russische und zentralasiatische Truppen üben gemeinsame Grenzschutzmaßnahmen gegenüber den aus Afghanistan überschwappenden Sicherheitsrisiken  http  ://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/96650/.  Stephen Blank, Beyond Manas. Russia’s Game in Afghanistan, CACI (Central Asia-Caucasus Institute) Analyst, 11.2.2009  ; Marlène Laruelle, Beyond the Afghan Trauma, Russia’s Return to Afghanistan, Jamestown Foundation, August 2009.  Zum „afghanischen Knoten“ in der zentralasiatischen Sicherheitspolitik siehe folgenden Beitrag aus Kasachstan  : Sultan Akimbekov, Afganskij uzel i problemy bezopasnosti Central’noj Azii, Almaty 2003.  Andrea Schmitz, Uwe Halbach, Planspiele am Hindukusch, SWP-Aktuell 10, Februar 2009.



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wie den Drogenhandel. Moskau und Kabul suchen bilaterale Mechanismen zur Bekämpfung dieser Gefahr. Im Oktober 2009 fand im Süden Kasachstans ein Großmanöver der neuen Schnellen Eingreiftruppe der Organisation des Kollektiven Sicherheitsvertrags (engl. CSTO) statt. Es stand unter dem Motto der Terrorbekämpfung in Zentralasien und der Eindämmung jihadistischer Kampfverbände. Aber nicht nur sicherheitspolitisch verschränken sich Afghanistan und Zentralasien. Im Mai schaltete Präsident Karsai in Anwesenheit einer hochrangigen Delegation aus Usbekistan eine Hochspannungsleitung frei, die Kabul an das zentralasiatische Stromversorgungsnetz anschließt. Bei dem Projekt handelt es sich um das größte Vorhaben auf dem afghanischen Energiesektor seit 2001. Da zeigt sich in Ansätzen ein geopolitisches Konstrukt, das zuvor eher belächelt wurde – Greater Central Asia, eine Idee des amerikanischen Zentralasienexperten Frederick Starr, die u.a. Stromverbindungen von Kirgistan und Tadschikistan oder gar Pipelines von Turkmenistan über Afghanistan nach Südasien imaginierte. Inwieweit verschränken sich islamistische, jihadistische Bewegungen in diesem Greater Central Asia  ? Stehen spezifische Akteure wie die Partei Hizb-ut-Tahrir, die das islamistische Feindbild zentralasiatischer ­Regierungen bestimmt, in Verbindung mit Taliban und al-Qaida  ? Bilden islamistische Krisenzonen wie Waziristan in Pakistan und das Ferganatal im südlichen Zentralasien einen transregionalen Zusammenhang  ? Müssen wir nicht nur Afghanistan und Pakistan zu einem gemeinsamen Krisenpaket namens AfPak verschnüren, sondern ein noch größeres Paket ZaAfPak im Auge behalten, eben jenes Greater Central Asia, das dann von den Kasachen-Steppen über den Hindukusch bis zum Indischen Ozean reicht  ?

Der islamistische Konnex Es gibt im GUS-Raum zwei Subregionen, die mit der Kombination diverser Faktoren von Instabilität und islamistischen Bewegungen auf sich aufmerksam machen  : der zur Russischen Föderation gehörende Nordkaukasus und  Василий Воропаев, Россия и Афганистан будут вместе бороться с наркотиками, Известия (Россия), 17.3.2009.  S. Frederick Starr, In Defense of Greater Central Asia, Central Asia-Caucasus Institute Silk Road Studies Program, Policy Paper, September 2008.

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das Fergana-Tal im Länderdreieck Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan. Wenn es um Gewaltzwischenfälle und terroristische Anschläge geht, dann bildet der afghanistanferne und europanahe Nordkaukasus den brisanteren Brennpunkt von beiden Regionen. 2009 wurde hier bis Oktober eine Zunahme terroristischer Anschläge um 57 % (insgesamt über 500 Terrorakte) registriert. Neuere Forschungen zum Nordkaukasus zeigen, dass islamistische Akteure hier in autonomen, voneinander unabhängigen lokalen Netzwerken agieren. Von einem islamistischen Mastermind, der von Waziristan oder Afghanistan aus auf diese Region einwirkt, kann kaum die Rede sein, auch wenn hier der Einfluss „wahhabitischer“ Missionare aus arabischen Ländern nach dem ersten Tschetschenienkrieg zugenommen hat und umgekehrt tschetschenische Kämpfer auch in Afghanistan und Pakistan aufgetaucht sind. Wenn es hier eine translokale Verknüpfung gibt, dann besteht diese in der Utopie eines pankaukasischen Emirats, das im Jahr 2007 von Doku Umarow, dem amtierenden „Präsidenten“ der tschetschenischen Untergrundregierung, ausgerufen wurde. Doch auch das Fergana-Tal tritt in letzter Zeit wieder verstärkt mit diversen Sicherheits­problemen hervor. Das hat zum Teil mit Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auf Zentralasien10 und speziellen sozialökonomischen Problemen in dieser Subregion zu tun.11 Islamistische Dynamiken wurzeln hier in einer Region, in der schon in spätsowjetischer Zeit religiöse Erweckungsbewegungen die lokalen KGB-Strukturen herausgefordert haben,12 und in der sich dann beim Übergang von der sowjetischen in die nachsowjetische Periode Faktoren von Instabilität kombiniert haben  : interethnische Kollisionen 1989 und 1990, Bürgerkrieg in Tadschikistan 1992–93, ungesicherte, unmarkierte Grenzen, die ethnische Siedlungsräume durchschneiden, ethnische Exklaven des einen auf dem Territorium eines anderen Staates, Bodenverknappung und ungeregelte Irrigation, angespannte zwischenstaatliche Beziehungen mit Usbekistan im Mittelpunkt, das   ITAR-TASS, October 22  ; www.ng.ru, October 23. 10 Uwe Halbach, Die Weltwirtschaftskrise in Kaukakasien und Zentralasien, SWP-Aktuell 20, April 2009. 11 Alisher Khamidov, Ferghana Valley, Harsh Winter’s Legacy Stokes Ethnic Tension, in  : Eurasia Insight, 2.6.2008. 12 Bachtijar Babadžanov, Ferganskaja dolina  : Istočnik ili žertva islamskogo fundamentaliuma (Das Ferganatal  : Quelle oder Opfer des islamischen Fundamentalismus), in  : Central‘naja Azija i Kavkaz, 4 (5) 1999, S. 125–131 (der Autor ist Leiter der Abteilung Islamwissenschaft am Orientalistikinstitut Beruni der Akademie der Wissenschaften Usbekistans).



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fragwürdige Maßnahmen von Grenzabschottung getroffen und sich mit den meisten seiner Nachbarn angelegt hat. Dieses Ferganatal bildet geografisch nur einen kleinen Ausschnitt aus dem postsowjetischen Zentralasien, aber den Bevölkerungsschwerpunkt der gesamten Region.13 Hier besteht die höchste Bevölkerungsdichte, hier leben über 40 % der Gesamtbevölkerung Zentralasiens. Alles, was hier geschieht, hat transnationale, grenzüberschreitende Auswirkungen. Ein Beispiel dafür waren die Ereignisse in Andijan im usbekischen Teil des Ferganatals im Mai 2005, die nach Kirgistan hineinwirkten. Islamistische Gruppierungen Zentralasiens wie die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) haben oder hatten hier ihren Schwerpunkt. Diese seit den späten neunziger Jahren international bekannt gewordenen Bewegungen gehen teilweise auf Gruppierungen zurück, die im usbekischen Teil des Ferganatals beim Übergang in die nachsowjetische Periode die lokalen Behörden und den gerade zum Präsidenten gekürten Staatsführer Karimov herausgefordert hatten. Diverse Gruppen, darunter die islamische Selbstjustizbewegung „Adolat“ (Gerechtigkeit) hatten hier im Osten Usbekistans 1991/92 auf kommunaler Ebene praktisch die Macht ergriffen. Sie wurden dann durch staatliche Gewaltmaßnahmen aus dem Land gedrängt, zunächst nach Tadschikistan, später nach Afghanistan. Hier traten die militärischen Gefolgschaften der IBU-Führer Tahir Joldaschew und Djuma Namangoni in Kontakt mit den Taliban und den hauptsächlich in Afghanistan stationierten globalen jihadistischen Netzwerken. In jüngster Zeit haben wieder einige Ereignisse die Aufmerksamkeit auf das Ferganatal und auf Tadschikistan gelenkt, auch auf transregionale Zusammenhänge mit Afghanistan und Pakistan. In Tadschikistan tauchten 2009 Wiedergänger aus der Zeit des Bürgerkriegs (1992–96) auf. Mitte Mai kursierten hier Gerüchte, einer der berüchtigtsten Warlords aus der damaligen islamistischen Opposition, Mullo Abdullo, so sein nom de guerre, sei mit etwa 100 Kämpfern aus Pakistan oder Afghanistan zurückgekehrt und verschanze sich im Rascht-Tal nahe der Hauptstadt Duschanbe.14 Er gehörte zu jenen Oppositionskommandeuren, die sich damals dem Friedensplan der „nationalen Versöhnung“ und der Integration der bewaffneten Opposition 13 Zur Geschichte, Bevölkerung, Wirtschaft und politischen Entwicklung der Region siehe  : Marie Carin von Gumppenberg, Fergana-Tal, in  : dieselbe, Udo Steinbach (Hg.), Zentralasien, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Ein Lexikon, beck’sche reihe, München 2004, S. 76–82. 14 Reinhard Veser, Wiederkehr eines blutigen Gespenstes, in  : FAZ, 15.7.2009, S. 14.

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in die ­nationalen Streitkräfte und der Oppositionsparteien in die Regierung Tadschikistans verweigerten. Er leistete noch bis zum Jahr 2000 Widerstand gegen die Regierungstruppen und zog sich dann nach Afghanistan zurück. Im Herbst 2009 werden in Afghanistan und Zentralasien verstärkte militärische Aktivitäten jihadistischer Gruppen registriert, die mit der Islamischen Bewegung Usbekistans in Verbindung gebracht werden. Es wird darüber spekuliert, inwieweit sich diese Bewegung in einen pan-zentralasiatischen jihadistischen Akteur mit Rückzugsbasen und Kampftätigkeit in Afghanistan und Pakistan entwickelt. Laut Pressemitteilungen fiel der langjährige politische Führer der IBU, der Usbeke Tahir Joldaschew, im August 2009 einem amerikanischen Raketenangriff zum Opfer. Unter seinem Nachfolger, einem Tataren namens Abdur Rahman, soll nun die IBU stärker auf globale jihadistische Ziele und auf Kampfeinsätze in Afghanistan und Tadschikistan ausgerichtet werden.15 Der Direktor der Zentralasienabteilung des Moskauer GUS-Instituts, Andrej Grozin, warnt vor einer Rückkehr der IBU aus Afghanistan nach Zentralasien, wo sich gegenwärtig die sozialökonomischen Verhältnisse verschlechtern und damit auch die Angriffsflächen gegen die lokalen Machteliten verbreitern.16

Zentralasien  : Brennpunkt eines globalen Jihadismus  ? Verknüpfungen zwischen Pakistan, Afghanistan und Zentralasien im Kontext eines globalen Jihadismus haben vor allem in einem Fall Alarm geschlagen, darunter besonders in Deutschland  : im Fall der Islamischen Jihad Union (IJU), die als ein global ausgerichteter und radikalisierter Ableger der IBU gilt. In Deutschland wurde die Frage nach der Verbindung internationaler Jihad-Netzwerke zu Zentralasien durch Kontakte einer deutschen Islamistenzelle zu dieser Gruppe mit ihrem usbekischen Hintergrund aufgeworfen. Der Zusammenhang zwischen der sogenannten Sauerlandgruppe um den deutschen Konvertiten Fritz Gelowicz, gegen die 2009 der größte Terroristenprozess Deutschlands geführt wird, mit der IJU und einer wachsenden Zahl von Jihad-Touristen, die sich von Deutschland und anderen Teilen Westeuropas in Terrorcamps nach Pakistan begeben, enthält folgende Botschaften  : 15 Deirdre Tynan, Central Asia  : The Islamic Movement of Uzbekistan Undergoing Dangerous Transformation, in  : Eurasia Insight, 20.10.2009. 16 Ebenda.



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• Wir haben den „home grown terrorism“ nun auch in Deutschland  ; • Wenn es ein logistisches Hinterland dafür gibt, ist dies vor allem Pakistan, nicht etwa Usbekistan oder ein anderes Land Zentralasiens  ; • In jihadistischen Netzwerken, die in Afghanistan und mehr noch in pakistanischen Grenzzonen wie Waziristan ihr Rückzugs- und Ruhegebiet haben, tauchten in letzter Zeit zunehmend Mudschaheddin aus Zentralasien, vor allem Usbeken, auf, neben solchen aus anderen Teilen der islamischen Welt. Die Bedeutung Zentralasiens im Kontext mit globalem Jihad ist also relativ. Auch was die Häufigkeit terroristischer Anschläge betrifft, hebt sich Zentralasien bisher in der weltweiten Terrorismusstatistik nicht als ein besonderer Brennpunkt hervor. Trotz der Zunahme solcher Anschläge z.B. in Usbekistan 1999 und 2004 rangiert es hier weit hinter anderen Weltregionen, nicht nur hinter Afghanistan und Pakistan, sondern im postsowjetischen Raum wie schon erwähnt auch hinter dem Nordkaukasus. Gleichwohl ist die Frage, inwieweit sich zentralasiatische Netzwerke wie IBU und IJU in globale Jihad-Akteure verwandelt haben, von sicherheitspolitischer Bedeutung.17 Neben der Verbindung zu Afghanistan und Pakistan kommt hier noch eine andere Dimension zum Vorschein  : Usbekische und andere Akteure aus Zentralasien (Uiguren) bringen in dieses Umfeld eine turksprachige Komponente ein. Sie kommunizieren auf ihren Websites in türkischer Sprache oder damit verwandten Turksprachen und könnten auf diese Weise türkische Muslime über Zentralasien und die Türkei hinaus ansprechen.18

Hizb-ut-Tahrir al Islami (Die Islamische Partei der Befreiung) Im Übrigen haben islamistische Bewegungen in Zentralasien mehr mit den lokalen politischen und sozialökonomischen Bedingungen zu tun als mit Afghanistan oder Pakistan. Das gilt vor allem für die bekannteste unter ihnen  : die „Partei“ Hizb ut Tahrir. Sie ist zwar auch eine globale islamistische Bewegung

17 Guido Steinberg, Die Islamische Jihad-Union, Zur Internationalisierung des usbekischen Jihadismus, SWP-Aktuell, März 2008. 18 Einar Wigen, Islamic Jihad Union  : al-Qaida’s Key to the Turkic World  ? Norwegian Defence Research Establishment (FFI), 23 February 2009.

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mit Quartieren in westeuropäischen Metropolen, hat aber mit der al-Qaida und den Taliban so gut wie nichts zu tun. Sie hat seit Mitte der 1990er Jahre ein besonderes Agitationsfeld in Zentralasien entwickelt, und die dortigen politischen und sozialökonomischen Verhältnisse in der postsowjetischen Ära lieferten ihr breite Angriffsflächen für den Appell an „islamische Gerechtigkeit“ und für den politischen Kampf gegen postsowjetische Machtverhältnisse, die für zentralasiatische Islamisten vor allem vom Karimov-Regime in Usbekistan symbolisiert werden. Diesen Kampf bringt Hizb-ut-Tahrir freilich in enge Verbindung mit dem „fernen Feind“ – mit gängigen islamistischen Feindbildern wie USA, Israel und westliche „Demokratie“. Schließlich agiert Hizb-ut-Tahrir nicht zuletzt in Westeuropa und wurde dort in einigen Ländern, so in Deutschland 2002, verboten. In politischer und ideologischer Hinsicht stellt Hizb-ut-Tahrir, die sich bislang in ihren Pamphleten von terroristischer Gewalt distanziert, für die Machteliten in Zentralasien die größere Herausforderung dar als JihadNetzwerke, die von der IBU ausgingen und die ihre Rückzugsräume in Afghanistan und Pakistan hatten. Sie hat stärkeres Mobilisierungspotenzial als Letztere. Ihren Rekrutierungskern bildete der usbekische Teil des Ferganatals, aber über diesen Kern ist sie längst hinausgewachsen – vor allem nach Kirgistan und Tadschikistan. Hizb-ut-Tahrir macht vor allem eines deutlich  : Man kann politisierten Islamismus letztlich nicht bekämpfen, wenn man sich dabei auf staatliche Gewaltmaßnahmen beschränkt. Diese Lektion hat anschaulich der usbekische Staat geliefert. Seine repressiven Methoden haben zwar Tausende Hizb-ut-Tahrir Anhänger ins Gefängnis gebracht, aber der Partei damit das zugespielt, womit sie ihr Moblisierungspotenzial noch erweitern konnte  : die Aureole des Märtyrertums. Der Verfasser kann sich an Kommentare zur Hizb-ut-Tahrir in der usbekischen Bevölkerung erinnern, die ungefähr besagen  : Wir können mit der Ideologie dieser Partei, etwa ihrem Aufruf zur Wiederherstellung des Kalifats, zwar wenig anfangen, aber wir respektieren den Mut dieser Leute in einem Land, in dem es gefährlich ist, Kritik an den politischen Machtverhältnissen zu üben. Allerdings steht auch das Gegenmodell nicht für den Erfolg im Umgang mit dieser „Partei“, die sich durch ihren Untergrundprofessionalismus bereits den Ruf der „islamistischen Bolschewiken“ erworben hat  : Kirgistan hat unter der Regierung des 2003 gestürzten Präsidenten Akajew die wohl liberalste Religionspolitik in Zentralasien praktiziert. Unter diesen Bedingungen hat Hizb-ut-Tahrir vor allem im Süden des Landes ebenfalls ihre Rekrutierungsfelder erweitert. In letzter Zeit geht Kirgistan zu verstärkter Kontrolle und



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Repression gegenüber islamistischen Herausforderungen über und hat damit Kritik an einer „Usbekisierung“ seiner Sicherheits- und Religionspolitik provoziert.

Resümee Das Bedrohungsszenarium einer „Talibanisierung“ Zentralasiens ist heute ebenso überzogen wie schon 1996. Dieses nachsowjetische Zentralasien ist alles andere als eine einheitliche Region, wenn es um islamistische Herausforderungen an die nationalen Machteliten und deren Reaktion darauf geht. Die sicherheitspolitische Einschätzung der Gefahr, die von islamistischen Akteuren ausgeht, rangiert von „an irritant, but not a risk“ bis „main risk“. Das Spektrum umfasst Turkmenistan, wo islamistische Anfechtungen des sich selbst fast schon religiös verklärenden Regimes des Turkmenbaschi in Abrede gestellt wurden und auch unter seinem Nachfolger nicht erwähnt werden, Kasachstan, wo sich die Warnung vor „religiösem Extremismus“ gegen nichttraditionelle Konfessionen und Sekten östlicher und westlicher Provenienz und nicht in erster Linie gegen islamistische Akteure richtet, Usbekistan, wo der Kampf gegen radikalen Islamismus seit langem die sicherheitspolitischen Aussagen des Präsidenten Karimov bestimmt19 und die schärfsten staatlichen Repressionsmaßnahmen provoziert hat und wo sich Gruppierungen wie IBU und IJU nach 1999 mit Afghanistan, Pakistan und global ausgerichteten jihadistischen Akteuren vernetzt haben, Kirgistan, wo eine zuvor liberale staatliche Religionspolitik mit einem neuen Religionsgesetz vom Januar 2009 zu rigideren Kontrollmaßnahmen übergeht, und Tadschikistan, wo die Regierung in letzter Zeit ebenfalls ihre Kontrolle über das gesamte religiöse Leben des Landes ausweitet, um islamistische Akteure zu bekämpfen und ihre Rekrutierungsfelder im ärmsten Land der Region einzuschränken. 19 In einer 1997 erschienenen, in mehrere Sprachen übersetzten Broschüre widmete sich Präsident Karimov ausführlich dieser Gefahr. Er identifizierte sie für einen Transitionsstaat wie Usbekistan im Versuch, das Vertrauen der Gläubigen in notwendige Reformen zu untergraben, Werte wie Säkularismus zu diskreditieren, die Bevölkerung in „falsche“ und „wahre“ Muslime zu spalten, den Nationalstaat und seine Regierung als „gottlos“ zu verleumden und Religion als Mittel für die Lösung aller weltlichen Probleme zu propagieren. Siehe Islam Karimov, Uzbekistan na poroge XXI veka, Ugrozy bezopasnosti, uslovija i garantii progressa, (= Usbekistan an der Schwelle zum XXI. Jahrhundert, Gefährdung der Sicherheit, Bedingungen und Garantien für den Fortschritt), Taschkent 1997, S. 39–57.

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Auch wenn islamistische Netzwerke und „Parteien“ wie Hizb-ut-Tahrir – trotz oder gerade wegen des Drucks staatlicher Sicherheitsorgane – Mitglieder und Anhänger gewinnen konnten, ist die Akzeptanz des radikalen Islamismus oder gar eines gewaltorientierten Jihadismus in der muslimischen Bevölkerung Zentralasiens noch deutlich niedriger als in anderen Teilen der islamischen Welt. Dort wird diese Akzeptanz oftmals auch überschätzt. In Pakistan erleben wir derzeit, wie die Sympathie der Bevölkerung mit Taliban & Co dahinschrumpft. Gleichwohl ist darüber nachzudenken, ob wir in einigen Teilen dieses postsowjetischen Zentralasiens eine Situation vorfinden, wie wir sie im Mittleren Osten vor einigen Jahrzehnten hatten. Entwickeln hier radikale Akteure wie Hizb ut Tahrir mit karitativen Netzwerken, Untergrundschulen und Methoden wie etwa Nachbarschaftshilfe, mit denen islamistische Organisationen in Palästina und arabischen Gesellschaften ihre Rekrutierungsfelder schon vor Jahrzehnten erweitert haben  ? Und sind die Antworten, welche die amtierenden Machteliten Oppositionskräften erteilen, darunter solchen, die den Islam politisieren, wirklich geeignet, die politische und gesellschaftliche Situation in ihren Ländern nachhaltig zu stabilisieren  ? Zu den Sicherheitsrisiken, die von Afghanistan und Pakistan aus auf das nachsowjetische Zentralasien überschwappen, gehört an erster Stelle der Opiumtransfer über den GUS-Raum nach Europa.20 Inwiefern islamistischjihadistische Vernetzungen dazugehören, darüber gehen die Einschätzungen auseinander. In jedem Fall aber beunruhigen die Nachrichten über die dramatisch verschlechterte Sicherheitslage in Afghanistan seit 2008 die Regierungen in der Region.

20 Sébastien Peyrouse  : Drug-trafficking in Central Asia, Institute for Security & Development Policy, Policy Brief No. 8, September 23, 2009.

Markus Kaim

Die Zentralasien-Politik der USA

Einleitung Die USA verfolgten lange Zeit nur begrenzte und wenig profilierte Interessen in Zentralasien. Nach der Auflösung der Sowjetunion erkannten sie die Unabhängigkeit aller ehemaligen Teilrepubliken an und nahmen ab März 1992 diplomatische Beziehungen zu den fünf neuen Staaten auf. Priorität ihrer Außenpolitik in Zentralasien besaß in den 1990er Jahren vor allem das Interesse an der Erschließung der signifikanten fossilen Energieressourcen. Diese Politik führte auch die Administration von Präsident George W. Bush fort. Sie betonte die positiven Folgen einer stärkeren Erdölproduktion am Kaspischen Meer für die wirtschaftliche Entwicklung der Region, die Diversifizierung der weltweiten Energieressourcen und die nationale Sicherheit der USA. Mittelfristig erscheint die Region für die USA zunehmend als komplementäres Energiereservoir zur instabileren Region des Nahen und Mittleren Ostens. Daneben galt das Interesse der USA nach dem Zerfall der Sowjetunion den in der Region befindlichen Materialien und Technologien für die Herstellung und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen, denn Kasachstan und Usbekistan gehörten zu den größten Produzenten leicht angereicherten Urans und waren in der Sowjetunion Standorte von bedeutenden Produktionsstätten chemischer und biologischer Waffen gewesen. Vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus haben die USA ein besonderes Interesse daran, den von ihnen als terroristisch eingestuften Regimen und Organisationen den Zugang zu den Grundlagen der Herstellung und Anwendung von Massenvernichtungswaffen zu verwehren. Daher unterstützen sie die zentralasiatischen Staaten bei der Verbesserung der Exportkontrollen bzgl. nuklearen Materials und entsprechender Technologien. Mit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 haben die Beziehungen der USA zu den Ländern Zentralasiens eine dramatische Wendung genommen. Einst der fast stiefmütterlich behandelte Hinterhof Russlands, steht die Region heute im Zentrum amerikanischer Terrorismusbekämpfung. Doch auch über den engen Rahmen des Krieges gegen den

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Terror hinaus zeigen sich an der Region Zentralasien die Vielfältigkeit der strategischen Interessen eines global agierenden Hegemons ebenso deutlich wie die unvermeidlichen Spannungen zwischen den politischen, ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen Washingtons und denen anderer Länder, die der Aufsatz in der gebotenen Kürze zu diskutieren sucht. In einem ersten Schritt werden die beiden Prioritäten der amerikanischen Zentralasien-Politik der 1990er Jahre diskutiert, während der die amerikanische Politik letztlich auf zwei Themen (Ressourcen und Proliferationseindämmung) fokussiert gewesen ist und der Region vergleichsweise geringe Priorität eingeräumt hat. Anschließend wird der Bedeutungsgewinn Zentralasiens für die USA durch die Anschläge vom 11. 9. 2001 und dem daraus resultierenden Kampf gegen den transnationalen Terrorismus analysiert. Komplementär werden die amerikanischen Überlegungen zur Transformation der regionalen Ordnung diskutiert, die sich zum Teil in einem Spannungsverhältnis zur sicherheitspolitischen Bedeutung der Region befinden. Schließlich wird die Zentralasienpolitik Washingtons mit der russischen Politik analytisch verknüpft werden, um die Handlungsspielräume und Beschränkungen der amerikanischen Politik ausloten zu können.

Zentralasien als Peripherie  : Ressourcen und Proliferation Kurz nach ihrer Unabhängigkeitserklärung wurden die fünf zentralasiatischen Staaten – Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan – auch von den USA im Jahr 1992 anerkannt. Das wichtigste Politikinstrument Washingtons gegenüber der Region war zu dieser Zeit der vom Kongress verabschiedete Freedom Support Act. Neben wirtschaftlicher Liberalisierung benannte das Gesetz zunächst vor allem die Nichtverbreitung von Kernwaffen, die Demilitarisierung und die Demokratisierung dieser Länder als Prioritäten. Nicht nur die Folgen des Zusammenbruchs der Sowjetunion sollten durch die neuen Instrumente bearbeitet werden, sondern das Aufkommen von islamischem Extremismus sollte ebenso verhindert werden wie  Siehe Freedom Support Act Fact Sheet, Office of the White House Press Release, 1.4.1992 (http  :// www.fas.org/spp/starwars/offdocs/b920401.htm [Zugriff  : 06.10.2009])  ; Murat Laumulin, U.S. Strategy in Central Asia, in  : Central Asia and the Caucasus 46 (2007) 4, S. 46 und Azeem Ibrahim, Evolving U.S. Policy in the Caspian Region  : A Delicate Balance, in  : Central Asia and the Caucasus 46 (2007) 4, S. 35- 37.



Die Zentralasien-Politik der USA

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ein Wiederaufleben kommunistischen Gedankenguts. Trotz dieser ehrgeizig formulierten Ziele spielte Zentralasien in der amerikanischen Außenpolitik jedoch für ein Jahrzehnt nur eine untergeordnete Rolle. Die spezifische Umsetzung dieser Politik erkannte eine russische Vormachtstellung in Zentralasien implizit an und bettete die Region nur unzureichend in die amerikanische Globalstrategie ein. Eine Ausnahme von dieser zurückhaltenden amerikanischen Politik waren die Bemühungen der USA zur Abrüstung der in Kasachstan stationierten Atomwaffen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erbte das Land unter anderem Interkontinentalraketen mit 1.400 strategischen Nuklearsprengköpfen, zwei nukleare Testanlagen sowie 40 Langstreckenbomber mit über 300 Marschflugkörpern. Nicht nur die mangelnde Sicherheit der Anlagen, sondern auch angebliche Geschäfte mit dem Iran stellten nach amerikanischer Sicht ein besonderes Bedrohungspotenzial dar. In enger Kooperation mit Russland und mit erheblichen finanziellen Mitteln erreichte die Regierung Clinton die Übergabe der kasachischen Atomwaffen an Russland 1995 und die Zerstörung der nuklearen Testanlage in Semipalatinsk fünf Jahre später. Die Regierung Clinton ergänzte diese sicherheitspolitische Agenda der USA in der Region dann um eine energiepolitische Dimension. Im Zuge dessen wurde den Rohstoffquellen der Region (Erdöl, Erdgas, Uran und Kohle) besonderes Gewicht gegeben  : „The Caspian Basin, with potential oil reserves of 160 billion barrels, promises to play an increasingly important role in meeting rising world energy demand in coming decades. We have made it a priority to work with the countries of the region to develop multiple pipeline ventures that will ensure access to the oil.” Dieses Zitat verdeutlicht, dass die USA einerseits ein großes grundsätzliches Interesse an den natürlichen Ressourcen der Region hatten, andererseits mehr an Diversifikation als an Ausbeutung interessiert waren.

 Bereits 1993 schlossen Vizepräsident Gore und Präsident Nazarbajew ein Abkommen zur nuklearen Abrüstung ab und die USA hatten allein zwischen 1992 und 1994 84 Millionen US Dollar zur Verfügung gestellt. Vgl. US and Kazahkstan sign nuclear disarmament pact, Jim Shevis, USIA, 13.12.1993 (http  ://www.fas.org/news/kazakh/931213–317011.htm [Zugriff  : 06. 10.2009])  ; Kazhakstan Special Weapons, Nuclear Forces Guide, The Nuclear Information Project (http  ://www.fas.org/nuke/guide/kazakhstan/index.html [Zugriff  : 06.10.2009]).  A National Security Strategy for a New Century, The White House, Oktober 1998.

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Erdöl  : Nach Angaben der amerikanischen Energiebehörde könnte sich die kaspische Region durchaus zu einem wichtigen Exporteur von Erdöl entwickeln. Allerdings divergieren die Schätzungen der Reserven  : Konservative Betrachtungen gehen von einer Menge ähnlich der Reserven Katars aus, optimistische Schätzungen vergleichen die Region mit den großen Reserven Lybiens. Dennoch sind die bislang erwiesenen Ölreserven im Vergleich zu denen der OPEC zu gering, um die Weltmarktpreise entscheidend mitzubestimmen.

erwiesene Ölreserven

Central Asia

31,246

OPEC

940,097

0

200

400

600

800

1000

Milliarden Barrels (bbl) Abbildung 1  : Erwiesene Ölreserven im Vergleich. Quelle  : US Energy Information Administration  :

Amerikanische Unternehmen sind an der Erschließung und Ausbeutung von zwei kasachischen Ölfeldern beteiligt. Vor diesem Hintergrund hat die amerikanische Politik ihre Interessen vor allem in der Diversifikation der Erschließung und der Transportwege definiert. Amerika hat deshalb das Projekt der Baku-Tbilisi-Ceyhan-Pipeline unterstützt, die sowohl Russland als auch den  Jim Nichol, Central Asia’s Security  : Issues and Implications for U.S. Interests, CRS Report for Congress, 25.2.2009, S. 16–20.



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Iran als Transitländer umgeht. Dennoch sind amerikanische Unternehmen auch Teil des kaspischen Pipeline-Konsortiums, dessen 1500 km lange Ölpipeline das kasachische Ölfeld Tengiz mit dem russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk verbindet. Erdgas  : Auch im Falle von Erdgas sind die Marktzugangsbedingungen aufgrund politischer und geografischer Verhältnisse erschwert. Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan rangieren zwar unter den Ländern mit den größten nachgewiesenen Gasreserven, Produktions- und Lieferbedingungen sind aber teuer und schwierig. Nur eine geringe Zahl von Transitrouten führt nicht durch Russland. Ähnlich wie bei Erdöl haben sich die USA auch hier um Alternativen und um die Verhinderung eines russischen Monopols bemüht. Dies zeigt sich deutlich an der Unterstützung der Nabucco-Pipeline, die mit der Baku-Tbilisi-Erzurum Gas Pipeline verbunden werden soll.

Zentralasien – die Transformation einer Region Am Ende 1990er Jahre erfolgte sukzessive eine Neubewertung der Region, die vom damaligen stellvertretenden Außenminister Strobe Talbott nun als „strategically vital region“ bezeichnet wurde. Die Souveränität der zentralasiatischen Staaten, ihre territoriale Integrität und der Erfolg der politischen und ökonomischen Liberalisierung seien aus einer Reihe von Gründen zentrale Interessen Amerikas  : Ohne Demokratisierung und Marktöffnung drohten die latenten Konflikte der Region aufzuflammen und sie würden den idealen Nährboden für religiösen Extremismus und Terrorismus bieten. Dies gelte es nicht zuletzt deshalb zu verhindern, weil die Region zu den zukünftig wichtigsten Rohstofflieferanten für die amerikanische Marktwirtschaft zählen werde. Diesen Interessen sollte mithilfe der bereits früher angelegten Initiativen gedient werden  : Programme zur Demokratisierung und Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen, Unterstützung amerikanischer Investitionen und Integration in westliche, politisch-militärische Strukturen (zum Beispiel in das Partnership for Peace-Programm der NATO) und eine In Vgl. Strobe Talbott, Farewell to Flashman  : American Policy in the Caucasus and Central Asia, Address at the Johns Hopkins School of Advanced International Studies, Baltimore, 21. Juli 1997 (http  ://www.state.gov/www/regions/nis/970721talbott.html [Zugriff  : 06.10.2009])  ; A National Security Strategy for a New Century, The White House, Oktober 1998.

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tensivierung des Kampfes gegen die Verbreitung von Kernwaffen, Terrorismus und Drogenhandel. Die USA traten dabei insofern als Status-quo-Macht mit dem Ziel auf, die Dominanz einer anderen externen Großmacht (Russland, Iran, China) zu verhindern. Dabei wurde im Verhältnis der USA zu Zentralasien eine gewisse Ambivalenz in der Definition der eigenen Interessen immer wieder deutlich  : Weder sicherheitspolitisch noch im Energiesektor wollten die USA eine vorherrschende Stellung einnehmen  : „[…] the United States did not have a compelling interest in the region. It aimed not to become dominant in Central Asia, but to keep others from dominating it or competing for influence there”. Amerikanische Interessen würden dann am besten gewahrt, wenn Zentralasien frei von jeder Großmachtkonkurrenz sich politisch stabilisierte und sein ökonomisches Potenzial zum Nutzen amerikanischer Unternehmen entfalte. Die zentralasiatischen Rohstoffquellen waren zwar das strategische Hauptinteresse Amerikas, die Region insgesamt spielte aber in der globalen Strategie der USA eine eher untergeordnete Rolle. Die Präsenz der USA in der Region ließ lange Zeit auch Versuche intraregionaler Kooperation wie die bereits (unter anderem Namen) im Jahr 1996 gegründete Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit scheinbar obsolet werden. Neben der Anerkennung und Demilitarisierung der gemeinsamen Grenzen galt dieser Vertrag nicht zuletzt auch dem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und der Eindämmung des Einflusses der USA. Für die Länder Zentralasiens übernahmen nun die USA von China und Russland die Rolle des regionalen Sicherheitsgaranten, ein bilaterales Interaktionsmuster, das das multilaterale Sicherheitsforum der Shanghaier Organisation vorübergehend überlagerte. Gleichzeitig waren die USA seit der ClintonAdministration jedoch darauf bedacht, dass die Region nicht erneut zu einem Schauplatz geopolitischer Konkurrenz und einer Belastung für ihre Beziehungen zu Russland, China, Indien und Pakistan würde. Daher verkündete der stellvertretende Außenminister der zweiten Clinton-Administration, Strobe Talbott, im Juli 1997 bewusst das Ende des „Great Game“ in Zentralasien, d.h. des Ringens von auswärtigen Großmächten um Einfluss in der Region.  Ibrahim, 2007, p. 40.  Eugene Rumer, Flashman’s Revenge  : Central Asia after September 11, in  : Strategic Forum, Nr. 159 (2002), S. 2.  Vgl. Albrecht Rothacher, Das neue „Große Spiel“  : Zentralasien und der Kampf der Großmächte, in  : Blätter für deutsche und internationale Politik (Bonn), 52 (2007) 1, S. 101–109



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Die skizzierte Veränderung der Bedrohungswahrnehmung führte letztlich zu einer politischen Neuinterpretation der Region und der strategischen Interessen der USA in diesem Gebiet. Organisatorisch schlug sich die Neudefinition in der Gründung des Bureau of South and Central Asian Affairs im amerikanischen Außenministerium im Februar 2006 nieder, in dem die Politik der USA gegenüber den zentralasiatischen Staaten mit der gegenüber Afghanistan und Südasien im weiteren Sinne zusammengeführt werden sollte. Konzeptionelle Unterfütterung fand diese Neuorientierung der amerikanischen Zentralasienpolitik auch aus akademischer Sicht. Die Idee des „Greater Central Asia“ greift den Gedanken der extern induzierten Transformation der Region auf und interpretiert diese als Zielvorstellung amerikanischer Regionalpolitik  : „This is to assist the transformation of Afghanistan and the entire region of which it is the heart into a zone of secure sovereignties sharing viable market economies, secular and relatively open systems of governance, respecting citizens’ rights, and maintaining positive relations with the U.S. The emergence of this zone […] will roll back the forces that give rise to extremism and enhance continental security. It will bring enormous benefit to all the countries and peoples of the region, and, significantly, also to major powers nearby, notably Russia, China, and India. At the same time, it directly promotes U.S. interests by serving as an attractive model for developing Muslim societies elsewhere.” Im Kern zielt diese Strategie darauf, eine stabile und sichere zentralasiatische Region zu schaffen, die auch Afghanistan umfasst. Demokratische Reformen sollen weiter vorangetrieben werden, aber auch sicherheitspolitische und ökonomische Kooperationen der Staaten der Region einerseits untereinander, andererseits mit den USA. Dieser Ansatz sollte sowohl dem Selbstverständnis der Länder und den Hoffnungen auf Handel mit den südasiatischen Staaten Rechnung tragen.10 Die Intensivierung der Beziehungen zwischen den USA und Zentralasien verlief jedoch keineswegs spannungsfrei. Erstens stehen die externern Demokratisierungsunterstützungen durch die USA in einem Spannungsverhältnis zu den engen militärischen Beziehungen, die zumeist von der Gunst der

sowie Richard Weitz, Averting a New Great Game in Central Asia, in  : The Washington Quarterly 29 (2006), Nr. 3, S. 155–167.   Starr (2005), S. 6. 10 Richard A. Boucher (Assistant Secretary for South and Central Asian Affairs), U.S. Policy in Central Asia  : Balancing Priorities, Anhörung vor dem House International Relations Committee/ Subcommittee on the Middle East and Central Asia, 26.4.2006.

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autoritären Herrscher der Region abhängig sind. Die USA haben nicht nur offen die demokratischen Revolutionen in der Ukraine, Georgien und Kirgistan unterstützt. Auch militärische Hilfen an Usbekistan und Kasachstan wurden vom Kongress nur unter der Bedingung gewährt, dass sich die Menschenrechtssituation dort verbessere, und diese Restriktionen wurden auch tatsächlich angewandt.11 Dass dieses Beharren auf demokratischen Reformen in Konflikt mit den sicherheitspolitischen Zielen der USA geriet, zeigt beispielhaft die Debatte um die Auflösung des amerikanischen Stützpunktes in Usbekistan. Usbekistan stellte sich zunächst als bereitwilliger Partner im amerikanischen Kampf gegen den Terror an die Seite der USA, nicht zuletzt um die eigene, durch usbekische Terrorgruppen angegriffene Herrschaft zu konsolidieren. So gehörte das Land zunächst auch finanziell und militärisch zu den größten Gewinnern des Paradigmenwechsels der amerikanischen Zentralasienpolitik  : Im Jahr 2002 unterzeichneten die beiden Präsidenten, George W. Bush und Islam Karimov, einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft, in dem sich Usbekistan zur Gewährung der Menschenrechte ebenso bekannte wie zu ambitionierten innenpolitischen Reformen. Von der vom Kongress auferlegten Konditionalität der Hilfe abgesehen, nahm Washington das Ausbleiben von Reformen zunächst mehr oder minder stillschweigend hin. Als die usbekischen Sicherheitskräfte im Mai 2005 eine Demonstration gewaltsam niederschlugen und nach Schätzungen zwischen 180 und 800 Personen getötet und/oder verletzt wurden, verschlechterten sich die Beziehungen zwischen beiden Staaten rapide. Die USA stellten ihren Partner nicht nur öffentlich an den Pranger, sondern die Regierung Bush unterstützte auch die von einigen Senatoren vorgebrachte Forderung nach einer unabhängigen Aufklärung des Tathergangs. Prompt zog das usbekische Regime Konsequenzen und verwies die amerikanischen Soldaten im Juli 2005 des Landes. Rückendeckung erhielt Taschkent dabei insbesondere von Russland und China.12 Der Kongress in Washington hat seit den 1990er Jahren die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten durch Gesetze begleitet, die den Schutz der Menschenrechte, die Demokratisierung und marktwirtschaftliche Reformen als Bedingungen amerikanischer Hilfe11 Nichol (2009). 12 Vgl. Alexander Cooley, U.S. Bases and Democratization in Central Asia, in  : Orbis 52/1 (Winter 2008), S 71–78.



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leistungen an alle ehemaligen Sowjetrepubliken festschreiben. Angesichts der andauernden Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern forderten kritische Stimmen, US-Hilfen an Verbesserungen der Menschenrechtsstandards sowie hinreichende Fortschritte auf dem Weg zu demokratischen Verhältnissen und der Schaffung freier Märkte zu knüpfen. Eine zu offene und einseitige Unterstützung Washingtons für die autoritären Regime könne den Aufstieg islamistischer Bewegungen fördern, die wie zuvor schon im Nahen Osten die USA als Fokus ihrer Propaganda und terroristischen Aktivitäten gewählt haben. Bereits im Jahr 1994 unterzeichneten daher Präsident Clinton und der kasachische Präsident Nasarbajew eine Vereinbarung, in der sich Kasachstan den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, dem Schutz der Menschenrechte und der wirtschaftlichen Reform verschrieb. In der im März 2002 vom damaligen usbekischen Außenminister Komilow und seinem amerikanischen Amtskollegen Powell unterschriebenen Deklaration über eine strategische Partnerschaft versprach Usbekistan eine Intensivierung des demokratischen Wandels und größere Pressefreiheit. Nachdem jedoch das State Department den mangelnden Fortschritt in diesen Bereichen und die erdrückende Vormachtstellung präsidentieller Macht in allen zentralasiatischen Staaten in den diesbezüglichen Jahresberichten immer wieder kritisiert hatte, schaltete sich der Kongress ein. So hat er z.B. der Exekutive untersagt, Unterstützungsleistungen für die Regierungen in Kasachstan und Usbekistan freizugeben, solange der amerikanische Außenminister keine substanzielle Verbesserung der Menschenrechtslage im Einklang mit den jeweiligen bilateralen Erklärungen und Übereinkünften feststellt. Darüber hinaus verlangte er vom Präsidenten, die Fortführung enger politischer, wirtschaftlicher und militärischer Beziehungen an die Wahrung von menschenrechtlichen und demokratischen Normen zu knüpfen. Angesichts des Zielkonfliktes zwischen der Förderung der zentralasiatischen Demokratisierung sowie dem Schutz der Menschenrechte einerseits und andererseits der Notwendigkeit, die Unterstützung der regionalen Akteure für die globale Terrorismusbekämpfung zu erlangen, erscheint es jedoch fraglich, ob die USA in Zentralasien dauerhaft eine wertorientierte Außenpolitik einschlagen werden.

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Terrorismusbekämpfung nach dem 11. September – Sicherheitspolitischer Wendepunkt der amerikanischen Zentralasien-Politik Entgegen der geringen Priorisierung und der Orientierung am Status quo deutete sich ebenfalls am Ende der 1990er Jahre an, dass Zentralasien auch sicherheitspolitisch für die USA an Relevanz gewinnen könnte. Der vom US-Kongress im März 1999 verabschiedete Silk Road Strategy Act13 verwies erstmals deutlich auf die Gefahren einer „Afghanisierung“ der gesamten Region  : „The U.S. need to show more leadership and strength in Central Asia. Until now U.S. policy in the region has been seen only through the prism of our Russia policy  ; these countries are free and independent and should be treated as such. They are in a strategically important region of the world, standing against the threat of Islamic fundamentalism. The entire region is under increasing anti-western influence and pressure from Iran, Afghanistan. It is subject to a corresponding increase in anti-western/anti-U.S. attitudes. We want to ensure peace and stability in this region. It is in our national security interest to [do so].”14 Die gegen die Regierung gerichteten, terroristischen Anschläge des Islamic Movement of Uzbekistan in der Hauptstadt Taschkent 1999 waren ein erstes Anzeichen für die Berechtigung dieser Sorge. Hunderte von Islamisten flohen in das benachbarte Kirgistan, das in den Folgejahren unter Anschlägen, Geiselnahmen und Gefechten mit guerillaartigen Gruppen zu leiden hatte. Washington erhöhte zwar die Mittel für Training und Ausrüstung in der Aufstandsbekämpfung, für Drogenbekämpfung und Grenzschutz um 10 Millionen U.S. Dollar  ; insgesamt ließ aber die Reaktion Amerikas darauf schließen, dass islamischer Terrorismus auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht als prioritäres Sicherheitsproblem wahrgenommen wurde.15 Die Anschläge vom 11. September 2001 haben dann die globalen Rahmenbedingungen der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik verändert und auch zu einer neuen politischen Prioritätensetzung der USA in

13 Silk Road Strategy Act, http  ://www.eurasianet.org/resource/regional/silkroad.html. 14 Silk Road Strategy Act passes Senate Foreign Relations Committee, News Release of Senator Sam Brownback, 23.3.1999 (http  ://brownback.senate.gov/pressapp/record.cfm  ?id=175949 [Zugriff  : 8.10.2009]). 15 Madeleine K. Albright, Rede an der State University of World Economy and Diplomacy in Tashkent, Usbekistan, 17.4.2000 (http  ://www.civilsocietyinternational.org/resource/albright. htm [Zugriff  : 08.10.2009])  ; Laumulin (2007), S. 49.



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Zentralasien geführt. Angesichts der Stärke islamistischer Gruppen in den zentralasiatischen Staaten und der Bedeutung der Region für die ISAF- bzw. OEF-Mission in Afghanistan, betrachteten die Vereinigten Staaten die zentralasiatischen Staaten durch die Linse der globalen Auseinandersetzung mit dem transnationalen Terrorismus und sehen sich seitdem zu einem verstärkten und dauerhaften Engagement in der Region veranlasst. Alle zentralasiatischen Staaten haben dabei auf die eine oder andere Weise einen Beitrag zu dem von den USA in Afghanistan geführten Krieg gegen den Terrorismus geleistet. Besonders wichtig war dabei die von allen Hauptstädten erteilte Erlaubnis zur Nutzung des jeweiligen Luftraums, d.h. die Gewährung von Überflugrechten. Zudem konnte nach der Zustimmung des damaligen turkmenischen Präsidenten Nijasow humanitäre Hilfe über turkmenisches Territorium nach Afghanistan geliefert werden. Kasachstan bot unter Präsident Nasarbajew die Nutzung des Eisenbahnnetzes für den beschleunigten militärischen Nachschub an. Mit der Erlaubnis Tadschikistans durften amerikanische, britische und französische Truppen den internationalen Flughafen von Duschanbe nutzen. Kirgistan stellte ebenso einen Stützpunkt für Kampfund Nachschubeinheiten zur Verfügung, wie Usbekistan die Nutzung jeweils eines Stützpunktes für amerikanische Truppen sowie eines Landkorridors für humanitäre Hilfe über die nahe Term gelegene Freundschaftsbrücke nach Afghanistan ermöglichte. Bereits vor dem 11. 9. 2001 existierende verteidigungspolitische Kooperationsabkommen zwischen den Staaten Zentralasiens und den USA erleichterten den Ausbau dieser Zusammenarbeit. Im Gegenzug genossen alle zentralasiatischen Staaten eine deutliche Erhöhung der finanziellen Zuwendungen aus den Programmen des amerikanischen Außen- und Verteidigungsministeriums, zwischen 2001 und 2007 insgesamt 1,3 Mrd. Dollar, von denen der weitaus größte Teil an Kasachstan geflossen ist.16 Gerade vor dem Hintergrund der geografischen Nähe zum amerikani­ schen Einsatz in Afghanistan veränderte sich auch die Politik der USA deutlich, denn aus ihm resultierte die Notwendigkeit, Militärbasen und Infrastruktur in der zentralasiatischen Region zur Versorgung der dort stationierten Truppen aufrechtzuerhalten. Nach dem 11. September stimmten alle Staaten Zentralasiens der amerikanischen Nutzung ihrer Lufträume zwecks humanitärer Überflüge zu. Darüber hinaus stimmte Kirgistan der Nutzung des Luftraumes für militärische Zwecke zu und stellte eine der zwei von den US-Amerikanern genutzten Militärbasen in der Region zur Verfügung. 16 Nichol, a.a.O., S. 35.

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Die Manas Air Base wurde 2002 ausgebaut und zum Hauptversorgungsweg für die Mission in Afghanistan. Usbekistan und die USA unterzeichneten im Oktober 2001 ein Sicherheitsabkommen (Status of Forces Agreement), auf dessen Basis die USA einen zweiten Stützpunkt in Karshi-Khanabad nutzen konnten. Amerikanische Militärhilfen für die Region stiegen insbesondere in den Jahren vor dem Irakkrieg in astronomische Höhen. Auch im Rahmen des NATO-Programms „Partnerschaft für den Frieden“ und der militärischen Terrorismusbekämpfung wurden die militärischen Kontakte zwischen den USA und den zentralasiatischen Staaten deutlich ausgebaut.17 Für einige Beobachter war jedoch schnell klar, dass speziell die enge Kooperation zwischen Usbekistan und den USA zu einer Verschiebung der strategischen Balance und unintendierten Folgen in der Region führen würde. Aufgrund seiner Größe, Bevölkerungszahl und des Ressourcenreichtums schien gerade Usbekistan dazu prädestiniert, die Rolle einer regionalen Führungsmacht zu übernehmen. Im Rahmen seiner Annäherung an die USA trat Usbekistan als einziges Land der Region der von den USA angeführten Koalition gegen den Irak bei. Daraufhin sah sich Tadschikistan veranlasst, entsprechend engere Beziehungen zu Russland zu suchen, während Turkmenistan sich verstärkt am Iran, Kirgistan und Kasachstan weiter an Russland und China orientierten. Der Streit um den Stützpunkt im kirgisischen Manas verdeutlicht beispielhaft, dass – mit dem Aufkommen alternativer Partner für die zentralasiatischen Staaten – die Kosten für die amerikanische Allianzpolitik steigen, im symbolischen wie im materiellen Sinne. Bereits im Jahr 2006 hatte der kirgisische Präsident Bakijew eine deutliche Erhöhung der Pacht für den Militärstützpunkt verlangt. Die folgenden, zähen Verhandlungen um die Bedingungen der amerikanischen Stationierung und die Ermordung eines Kirgisen durch einen Angehörigen der US-Armee führten zu einer deutlichen Abkühlung der Beziehungen. Nach einem Treffen im Februar 2009 mit dem russischen Präsidenten Medwedew, in dessen Rahmen Russland Kirgistan Kredite in der Höhe von über zwei Mrd. U.S. Dollar in Aussicht gestellt hatte, kündigte Bakijew das Abkommen mit Washington und erklärte, dass Manas noch in diesem Jahr geschlossen werde. Dass die Obama-Administration hinter dieser Entscheidung vor allem die Politik Moskaus sieht, unterstrich die Reaktion von Verteidigungsminister Robert Gates  : „The Russians are trying to have it both ways with respect to Afghanistan in terms of 17 Nichol (2009), S. 26–28.



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­ anas. On the one hand you’re making positive noises about working with M us in Afghanistan, and on the other hand you’re working against us in terms of that airfield which is clearly important to us.“18 Nachdem Präsident Obama sich in einer persönlichen Botschaft an den kirgisischen Präsidenten für die Unterstützung seines Landes im Kampf gegen die afghanischen Taliban bedankt hatte, einigten sich die USA und Kirgistan im Juni 2009 auf die Umwandlung des Luftwaffenstützpunktes in ein „Zentrum für Transitlieferungen” und ein neues Abkommen. Die amerikanischen Zahlungen für den Stützpunkt werden demnach von 17 Mio. Dollar auf 60 Mio. Dollar steigen und zusätzlich erhält die Regierung Kirgistans ein Hilfspaket von rund 170 Mio. Dollar, das Entwicklungshilfe, den Ausbau der technischen Einrichtungen des Flughafens und finanzielle Hilfe für den Kampf gegen den Terrorismus enthält.19 Neben diesem amerikanischen Entgegenkommen hat auch die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan, von der sich auch die zentralasiatischen Staaten zunehmend bedroht fühlen, zum Sinneswandel in Bischkek beigetragen. Nicht zuletzt der afghanische Präsident Karsai hatte sich bei Präsident Bakijew dafür eingesetzt, den USA die Nutzung von Manas weiter zu gestatten. Die terroristischen Anschläge am 11. September 2001 führten auch auf der global-strategischen Ebene zu einer radikalen Veränderung amerikanischer Bedrohungs­wahrnehmungen. Die im Jahre 2002 veröffentlichte nationale Sicherheitsstrategie der USA erfasst dies im Kern  : „The events of September 11, 2001, taught us that weak states, like Afghanistan, can pose as great a danger to our national interests as strong states. Poverty does not make poor people into terrorists and murderers. Yet poverty, weak institutions, and corruption can make weak states vulnerable to terrorist networks and drug cartels within their borders.”20 Im so verstandenen Kampf gegen den internationalen Terrorismus gewannen auch die Länder Zentralasiens als Musterbeispiele gescheiterter Staaten an Prominenz. Bislang waren ihre 18 Zitiert in Mark Thompson, Obama loses a key base in Afghanistan, Time Magazine, 19.2.2009 (http  ://www.time.com/time/world/article/0,8599,1880686,00.html [Zugriff  : 13.10.2009]). 19 Vgl. Deirdre Tynan, U.S. Armed Forces to Remain at Air Base for Afghan Supply of Operations, in  : Eurasia Insight, 23. Juni 2009 sowie  : Die Amerikaner bleiben vorerst in Kirgistan  ; Lage in Afghanistan als offizieller Grund für Bischkeks Kehrtwende, in  : Neue Zürcher Zeitung, 24.6.2009. Siehe auch  : Leonid Bondarets, American Military Presence in Kyrgysztan  : Problems and Possible Repercussions, in  : Central Asia and the Caucasus 46/6 (2007), S. 63–71. 20 U.S. National Security Strategy September, 2002 (http  ://www.informationclearinghouse.info/ article2320.htm).

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energiepolitische Bedeutung und ihre Rolle bei der globalen Proliferationseindämmung das Movens amerikanischer Politik gewesen. Nun gewann auch die innenpolitische Verfasstheit der zentralasiatischen Staaten an sicherheitspolitischer Bedeutung. Denn mit ihrer Unabhängigkeit hatten die Staaten der Region allenfalls formal auch eine Demokratisierung erfahren. Faktisch haben sich autoritäre Regime in der Region unter der Ägide der ehemaligen sowjetischen Nomenklatur weiter gehalten und stabilisiert. Politische Macht ist in den meisten Ländern in hohem Grade personalisiert und zentralisiert, eine pluralistische Parteienlandschaft, die Freiheit von Wahlen so wie die Gewährung der Menschen- und Bürgerrechte ist nur schwach bis kaum ausgeprägt. In den meisten Staaten (von Kasachstan und Turkmenistan abgesehen) unterwandern organisierte Kriminalität und Clanstrukturen das staatliche Gewaltmonopol.21 Die weitverbreitete Korruption schwächt zusätzlich den Demokratisierungsprozess. Ausländische Investitionen in den Gas- und Ölexport haben den Eliten zusätzliche Einkommensquellen beschert, während die geringe Bezahlung der Bürokratie, die Dominanz informeller Entscheidungsprozesse und die Schwäche rechtsstaatlicher Strukturen das Fortdauern des sowjetischen Patronagesystems mit begünstigt haben.22 So ist es wenig überraschend, dass die zentralasiatischen Staaten auch im internationalen Vergleich schlecht abschneiden  : So belegen die Staaten der Region beim Corruption Transparency Index Plätze zwischen Nr. 145–165 von insgesamt 180 Staaten.23 Studien der Weltbank zu Folge hat sich die ökonomische Situation Zentralasiens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sogar verschlechtert. Alle Staaten haben große Einbrüche in ihrem Gesundheits- und Bildungswesen hinnehmen müssen und alle haben mit Ausnahme des ölreichen Kasachstans einen signifikanten Rückgang ihres Bruttoinlandsproduktes zu verzeichnen. 21 Zumindest Georgien (2003) und Kirgistan (2005) haben durch revolutionäre Umbrüche eine erste Demokratisierung erfahren, die aber bislang noch nicht als konsolidiert gelten kann. Zur demokratischen Entwicklung siehe Freedom of the World, Vol. 2002–2006, Freedom House. (http  ://www.freedomhouse.org/template.cfm  ?page=15 [Zugriff  : 12.10.2009])  ; Bertelsmann Stiftung (hg.), Bertelsmann Transformation Index 2008, Bertelsmann, Gütersloh 2008, S. 119– 125  ; Jörn Grävingholt, Statehood and Governance  : Challenges in Central Asia and the Southern Caucasus, Briefing Paper 2/2007 (2007), German Institute for Development. 22 Hearing vor dem Senate Intelligence Committee am 2.2.2006. 23 Vgl., Nichol (2009), S. 11  ; Corruption Perception Index 2008 (Transparency International, http  ://www.transparency.org/news_room/in_focus/2008/cpi2008/cpi_2008_table [Zugriff  : 12.10.2009]).



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Wirtschaftliche Unterentwicklung zeigt sich aber nicht nur am Rückgang absoluter Zahlen. Im Durchschnitt müssen 41,6 % der zentralasiatischen Bevölkerung mit weniger als 2 Dollar pro Tag überleben, während zusätzlich soziale Ungleichheit besonders ausgeprägt ist.24 Die Staaten der Region sind durch die mehrheitlich islamische Bevölkerung geprägt, deren Gesellschaften traditionell durch einen hohen Grad an Offenheit und eine moderate Auslegung der eigenen Religion gekennzeichnet war. Kasachstan hat mit 47 % den geringsten Anteil muslimischer Bevölkerung, darauf folgen Kirgistan (75 %), Tadschikistan (98 %), Turkmenistan (89 %) und Usbekistan (90 %).25 Diese Charakteristika haben die amerikanische Einschätzung, dass die Länder der Region einen idealen Nährboden für islamischen Terrorismus bilden könnten, geprägt. Zentralasien als Einfluss- und Interessensphäre Russlands Der Einfluss Russlands und Chinas steckt das zweite Spannungsfeld ab, innerhalb dessen sich die amerikanische Zentralasien-Politik bewegt. Russland begrüßte nach den Anschlägen von New York und Washington die amerikanische militärische Präsenz in seiner Nachbarschaft, solange diese kurzfristig wäre und amerikanische Truppen nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen in Afghanistan abgezogen würden. Mit der wachsenden und andauernden Stationierung amerikanischer Truppen formierte sich jedoch in Moskau und Peking Widerstand. Die seit dem Jahr 2001 als Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit firmierende Staatengruppe nutzten Russland und China gezielt dazu, einen Keil zwischen die USA und die zentralasiatischen Staaten zu treiben. Russischer und chinesischer Einfluss wurden dabei für die autoritären Herrscher der Region in dem Moment, in dem die USA auf innenpolitische Reformen drängten, besonders attraktiv.26 24 Vgl. Charles W. Maynes, America Discovers Central Asia, in  : Foreign Affairs March/April (2003)  ; Der Gini Index bildet die Ungleichheit der Einkommensverhältnisse ab. Während Deutschland auf Platz 26 von 180 liegt, rangieren die zentralasiatischen Staaten von Platz 82–127, siehe Human Development Report, World Bank, 2008 (http  ://hdrstats.undp.org/en/ indicators/161.html [Zugriff  : 12.10.2009])  ; World Bank, 2005 World Development Indicators (http  ://devdata.worldbank.org/wdi2005/Table2_5.htm [Zugriff  : 12.10.2009]). 25 Maynes (2003)  ; S. Frederick Starr, A Regional Approach to Afghanistan and its Neighbours, Silk Road Paper, März 2005. U.S. Department of State, Country Information (http  ://www. state.gov/misc/list/index.htm [Zugriff  : 12.10.2009]). 26 Zur chinesischen Politik vgl. Kevin Sheives, China turns West  : Beijing’s contemporary strategy towards Central Asia, in  : Pacific Affairs (Vancouver), 79 (Summer 2006) 2, S. 205–224.

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Sowohl der Druck auf die kirgisische Regierung im Falle von Manas, aber auch der Krieg zwischen Russland und Georgien im August 2008 zeigen klar, dass Russland prinzipiell im postsowjetischen Raum und damit auch in Zentralasien eine führende Rolle beansprucht  : „This shows Moscow‘s determination to reclaim its traditional influence in the so-called near abroad and its determination to establish a sphere of influence, and they mean an exclusive sphere of influence, in the former Soviet territories, including the Caucasus and Central Asia.“27 Konkret ließ sich dies zuletzt am Medwedew-Besuch in Tadschikistan und Kirgistan im Juli 2009 ablesen  : Neben bilateralen Fragen sowie Afghanistan kreisten die Gespräche vor allem um die Militärpräsenz Russlands in Zentralasien – konkret  : um die Eröffnung einer Militärbasis im Süden Kirgistans.28 Moskau wird aber Washington nicht offensiv aus der Region verdrängen können und wollen. Denn angesichts der gegenwärtigen Entspannung in den amerikanisch-russischen Beziehungen (im Vergleich zu den Jahren der Bush-Administration) kann sich Russland durch die Akzeptanz der begrenzten amerikanischen Präsenz in Zentralasien und die wohlwollende Begleitung des NATO-Einsatzes in Afghanistan verbesserte wirtschaftliche und politische Beziehungen zur westlichen Welt und ein gewisses Maß an Mitsprache in Afghanistan erhoffen. Das Vorgehen der USA gegen extremistische Bewegungen wirkt sich zudem stabilisierend auf die Grenzregion und das weitere Inland Chinas aus. Die Politik Pekings gegenüber diesen Gruppen kollidiert jedoch immer wieder mit den Vorstellungen Washingtons bzgl. des Schutzes der Menschenrechte und der Demokratie in Zentralasien. Obgleich die USA zunächst Manas weiter betreiben, zeitigt die russische Politik Folgen für die Politik der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten in Afghanistan, aber auch in der Region im weiteren Sinne. Im März 2009 gestattete Moskau der NATO Nachschubtransporte durch russisches Territorium zur Versorgung der US-Truppen in Afghanistan. Mit diesem Zugeständnis vergrößert sich zugleich aber auch Russlands Einfluss auf den NATOEinsatz bzw. umgekehrt die Abhängigkeit der nordatlantischen Allianz von

27 S. Frederick Starr, Moscow indicates it wont be ignored in its ‚Near Abroad‘, Interview mit Bern Gwertzman, Council on Foreign Relation, 12. Februar 2009 (http  ://www.cfr.org/publication/18523/russia_and_the_kyrgyz_air_base.html  ?breadcrumb=%2F, [Zugriff  : 13.10.2009]). 28 Vgl. Russland will Präsenz in Zentralasien stärken, in  : Neue Zürcher Zeitung, 31.7.2009 sowie Ludwig, Michael, Im Interesse der Kirgisen, Gefährliche Nachbarn  : In Bischkek setzt man auf Russen und Amerikaner, in  : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.7.2009.



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Moskaus Politik.29 Dass die Obama-Administration dafür im Gegenzug bereit ist, russische Interessen im postsowjetischen Raum bzw. in Mittelosteuropa zu akzeptieren, zeigt sich u.a. an den Beschlüssen zur Vertagung des USRaketenschilds in Polen und Tschechien und der Tatsache, dass Washington und die NATO insgesamt die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens in der Allianz erst einmal vertagt haben.

Herausforderungen für die Regierung Obama In der US-amerikanischen Debatte ist die zukünftige Politik in Zentralasien umstritten  : Die Befürworter eines aktiven Ansatzes, die dafür plädieren, die Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten zu vertiefen, räumen zwar ein, dass es nur eine begrenzte gemeinsame Wertebasis zwischen den USA und den Staaten der Region gibt, und dass auch viele Interessen kaum in Deckung zu bringen sind. Gleichzeitig verweisen sie darauf, dass die Region aus energiepolitischen Gründen und zur Bekämpfung des transnationalen Terrorismus von hervorgehobener Bedeutung bleiben werde und dass nur die USA die Mittel und den Willen besäßen, die Region dauerhaft zu transformieren. Dies sei die notwendige Voraussetzung, um Extremisten in den Staaten Zentralasiens den Nährboden zu entziehen, die politische Souveränität dieser Akteure zu stärken und damit zu verhindern, dass andere extra-­ regionale Akteure – gedacht ist dabei vor allem an Russland und China – diese Region uneingeschränkt dominierten. Kritiker dieses Ansatzes verweisen darauf, dass die Vereinigten Staaten historisch in Zentralasien kaum vitale Interessen besessen bzw. verfolgt hätten und nach einem Ende des amerikanischen Engagements in Afghanistan diese Region auch wieder diesen nachgeordneten Status einnehmen würde. Ein begrenztes Engagement würde dementsprechend ausreichen  ; amerikanische Verbündete könnten im Sinne der USA eine stärkere Rolle in der Region spielen und damit zur Befriedung der Region beitragen. Unter Präsident Obama scheint eine Mittelposition zwischen den beiden skizzierten Idealtypen die amerikanische Außenpolitik anzuleiten  : Angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan und der Option, dass das militärische Engagement der USA und der NATO nur noch 29 Vgl. dazu Kuchins, Andrew C., Thomas Sanderson, Central Asia´s Northern Exposure, in  : New York Times, 5.8.2009.

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ein Zeitfenster von drei bis vier Jahren besitzt, genießt Zentralasien für die kommenden Jahre allein aus diesem Grund Priorität für die amerikanische Politik. Dabei ist der Obama-Administration jedoch klarer als ihrer Vorgängerin, dass in dieser Region konkurrierende geostrategische Interessen einer Reihe anderer Akteure (z.B. Russland und China) aufeinander treffen und die militärische Präsenz der USA in Afghanistan und Zentralasien seit 2001 vor allem von diesen beiden Akteuren ambivalent bewertet wird.30 Einerseits haben beide Staaten ein Interesse an der Stabilität Afghanistans und Zentralasiens, andererseits begegnen sie einem langfristigen Engagement der USA in „ihrem politischen Hinterhof “ mit Skepsis. Die vom Präsidenten Obama angekündigte und auch operativ bereits erkennbare Verlagerung des außenpolitischen Schwerpunktes vom Irak auf Afghanistan wird auch weiterhin Bewegung in das „Mächtekonzert“ in Zentralasien bringen. Bislang ist es der Regierung Obama erfolgreich gelungen, den Eindruck eines „Great Game“ in Zentralasien zu vermeiden, im Gegenteil  : Sie hat immer wieder deutlich gemacht, dass ein langfristiges Engagement der USA in Afghanistan und Zentralasien die Interessen der anderen Akteure in der Region berücksichtigen müsse. Nur so könne ein Konflikt – vor allem mit Russland und/ oder China – verhindert werden, der die Umsetzung amerikanischer Ziele in der Region gefährde. Dass die USA auch weiterhin die Militärbasis Manas nutzen können, ist sicherlich ein Erfolg dieses pragmatischen Ansatzes USamerikanischer Politik. Ein Problem bleibt jedoch, dass die zentralasiatischen Republiken an diesem „Konzert der Großmächte“ kaum beteiligt sind. Zwar sind vier von ihnen (Turkmenistan nicht) Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Beide Organisationen werden jedoch von externen Führungsmächten dominiert – kurz  : Es fehlt an genuin zentralasiatischen Bündnissen, Regimen oder Institutionen im Umgang mit regionalen Problemen. Ein zentrales Element zur dauerhaften Befriedung der Region sollte daher für die Regierung Obama das Bemühen sein, einen regionalen Ordnungsrahmen für die Probleme der Region zu unterstützen, was ohnehin Teil der amerikanischen Strategie ist, um Afghanistan in wenigen Jahren verlassen zu können. Schließlich wird eine dritte Facette zentralasiatischer Politik die USA weiter in der Region binden. In der Bevölkerung der zentralasiatischen Staaten 30 Vgl. Stephen J. Blank, Challenges and Opportunities for the Obama Administration in Central Asia, Carlisle Baracks 2009.



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besteht die erkennbare Hoffnung, dass mit der Wahl Obamas nicht mehr politischer Pragmatismus, wie unter seinem Vorgänger Bush, dominiert, sondern die US-Regierung wieder ein Interesse an der Demokratisierung der Region zeigt. Dabei wird es von entscheidender Bedeutung sein, ob es den Vereinigten Staaten dauerhaft gelingt, religiösen Extremisten tatsächlich den Nährboden zu entziehen und sie nicht lediglich durch eine massive Präsenz in Afghanistan erneut in die Nachbarstaaten zu drängen. Ein militärischer Abzug, der zu einer politischen Vernachlässigung der Region durch die USA führte, könnte sehr schnell wieder zu einem Aufflammen des Extremismus führen und damit die wenigen Errungenschaften der amerikanischen Zen­ tralasienpolitik wieder zunichtemachen.

Gudrun Wacker

Chinas Engagement in Zentralasien  : Beitrag zur Stabilisierung  ?

Sofort nach der formellen Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 erkannte die Volksrepublik China alle Nachfolgestaaten an, nahm diplomatische Beziehungen auf und entsandte eine erste offizielle Delegation in die neuen zentralasiatischen Nachbarrepubliken, von denen drei – Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan – direkt an Chinas Nordwesten, d.h. an die Autonome Region (AR) Xinjiang-Uighur angrenzen. Sicherheitsinteressen nahmen in den Beziehungen Chinas zu diesen Staaten bereits in dieser Phase eine zentrale Stellung ein, denn die chinesische Führung befürchtete, dass von den neuen Nachbarn eine destabilisierende Wirkung auf Xinjiang ausgehen könnte. Die AR ist ebenfalls überwiegend von Völkern muslimischen Glaubens bewohnt, die historisch und kulturell enge Verbindungen mit der Bevölkerung Zentralasiens aufweisen. Politische Stabilität und – als Voraussetzung dafür – wirtschaftliche Entwicklung waren daher durchgängig weit oben auf der Agenda chinesischer Politik gegenüber der Region Zentralasien. Mit der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ (Shanghai Cooperation Organisation, SCO) verfolgt China seine Interessen dabei nicht nur bilateral, sondern auch in einem multilateralen Rahmen. Peking unterhält Wirtschafts- und Handelskontakte sowie politische und militärische Beziehungen in unterschiedlicher Intensität mit allen fünf zentralasiatischen Republiken. Dabei sind aber nationale Souveränität, territoriale Integrität und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ideelle Grundlage für Chinas außenpolitisches Agieren. Diese Prinzipien gelten auch für die Staaten Zentralasiens und die SCO als multilaterale Organisation. Dies setzt dem Aktionsspielraum Chinas Grenzen  : Eine direkte Intervention in der Nachbarregion ist kaum vorstellbar. Aus Perspektive Pekings bedeutet „Stabilität“ (wie auch in China selbst) in erster Linie Stabilität der Herrschaftssysteme.

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Gudrun Wacker

Sicherheitsinteressen Bei der innerhalb von Wochen erfolgten diplomatischen Anerkennung der neu unabhängig gewordenen Staaten ging es Peking auch darum zu verhindern, dass die Insel Taiwan, die als Ergebnis des chinesischen Bürgerkrieges seit 1949 vom chinesischen Festland unabhängig regiert wird, die Auflösung der Sowjetunion diplomatisch für sich ausnutzen konnte. Chinas Anspruch auf Taiwan als „unabtrennbarer Bestandteil des chinesischen Territoriums“ wurde von den zentralasiatischen Staaten anerkannt. Damit war aus Sicht Pekings die Grundlage für normale Beziehungen zu den jungen Republiken geschaffen. Eine Priorität nach Auflösung der Sowjetunion war für China die Sicherheit der Grenzen zu den neuen Nachbarrepubliken. Im Vordergrund standen als Erbe der UdSSR die massive „Militarisierung“ der gemeinsamen Grenzen sowie eine unklare und umstrittene Grenzziehung. Im Verlauf der 1990er Jahre verhandelten China auf der einen Seite und die direkt angrenzenden Nachfolgestaaten Russland, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan auf der anderen Seite in sogenannten 4+1-Runden über den Verlauf der Grenzen. Bei den als Folge dieser Gespräche gefundenen Lösungen ging China Kompromisse ein, wenn auch nicht alle Regelungen zuungunsten Chinas waren. Aus diesen Verhandlungen gingen auch zwei Abkommen hervor, die für alle beteiligten Seiten eine sicherheitspolitische/militärische Entlastung bedeuteten  : 1996 wurde in einem ersten Fünfergipfel der 4+1-Staatsoberhäupter in Shanghai ein Abkommen über Vertrauensbildende Maßnahmen unterzeichnet und ein Jahr später (1997) folgte in Moskau ein gemeinsames Dokument über Truppenabbau und Demilitarisierung entlang der gemeinsamen Grenzen. Aus den 4+1-Gesprächen bildete sich so zunächst die Gruppe der „Shanghaier Fünf “, die sich dann 2001 neu als SCO gründete und dabei gleichzeitig Usbekistan als sechsten Mitgliedstaat aufnahm. Wichtig war für Peking auch, dass die Regierungen Zentralasiens keine „antichinesischen Aktivitäten“ auf ihrem Territorium zuließen. Damit sollte verhindert werden, dass insbesondere die in den zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan lebenden Uiguren (ca. 300.000–400.000) sich organisieren konnten, um ihre ethnischen und religiösen Brüder in Xin­  Siehe dazu auch Vladimir Paramonov, Oleg Stolpovski, Chinese Security Interests in Central Asia, Advanced Research and Assessment Group, in  : Central Asian Series, 08/20 (E), May 2008 (Defence Academy of the United Kingdom), S. 1–4.



Chinas Engagement in Zentralasien  : Beitrag zur Stabilisierung  ?

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jiang, wo Uiguren die größte Bevölkerungsgruppe stellen, bei möglichen Unabhängigkeitsbestrebungen ideell oder materiell zu unterstützen. Schon in den 1990er Jahren stand also der Kampf gegen Separatismus in Xinjiang weit oben auf Pekings Prioritätenliste. Ab Ende der 1990er Jahre schrieb sich die Shanghaier Gruppe explizit den gemeinsamen Kampf gegen die „drei üblen Kräfte“ Separatismus, Terrorismus, Extremismus auf die Fahnen. Als externe Quelle von Instabilität identifizierten die Mitgliedstaaten der SCO schon in den 1990er Jahren Afghanistan, das zu diesem Zeitpunkt international noch nicht so im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit stand, wie nach den Anschlägen des 11. September 2001. Allerdings blieben die Aktivitäten der Shanghaier Fünf weitgehend auf die deklaratorische Ebene beschränkt, d.h. in den „Gemeinsamen Erklärungen“ der jeweiligen Gipfeltreffen wurde auf das Problem Afghanistan verwiesen, ohne dass es jedoch zu einer verstärkten Kooperation zwischen China, Zentralasien und Russland kam, z.B. für eine gemeinsame Grenzsicherung oder einen gemeinsamen Informationsaustausch. Die Gespräche mündeten erst nach Jahren der Diskussion – und nicht zuletzt unter dem Eindruck des 11. September, der die SCO kurz nach ihrer feierlichen Gründung völlig unvorbereitet traf – in der Errichtung eines „regionalen Anti-Terrorzentrums“ in Taschkent. Allerdings ist wenig darüber bekannt, wie intensiv die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Staaten tatsächlich sind. Angesichts weiter bestehenden Misstrauens zwischen China und Russland einerseits, aber auch der zentralasiatischen Staaten untereinander, reicht die Kooperation vermutlich nicht sehr weit in die Tiefe. Die SCO hat eine „Afghanistan-Kontaktgruppe“ eingerichtet, von der nicht bekannt ist, was im Detail ihre Funktion ist. Afghanistans Präsident Karsai nahm regelmäßig als spezieller Gast an den Gipfeltreffen der SCO teil. Die Sicherheitslage in Afghanistan betrifft alle zentralasiatischen Staaten wie auch China und Russland, denn sie alle sind Transitländer insbesondere für Opium aus Afghanistan, das für den ost- und westeuropäischen Markt bestimmt ist. Für Zentralasien und den Nordwesten Chinas bedeutet der Drogenschmuggel nicht nur eine steigende Zahl Drogenabhängiger, sondern auch eine wachsende Zahl von HIV-Infizierten.

 Das 4. Gipfeltreffen der Staatschefs 1999 in Kirgistans Hauptstadt Bishkek wurde überschattet von Geiselnahmen und Übergriffen aufständischer muslimischer Kämpfer, die aus Tadschikistan über die Grenze kamen.

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Allgemein lässt sich festhalten, dass das gemeinsame Interesse an Stabilität – verstanden als Regimestabilität – die politischen Eliten Zentralasiens, Chinas und Russlands verbindet. Dementsprechend lösten die sogenannten „Farbrevolutionen“ (colour revolutions) in einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Ukraine, Georgien) Besorgnisse aus. Auch in Peking wurden diese als von außen (d.h. dem Westen, und insbesondere den USA, u.a. durch Nichtregierungsorganisationen) unterstützte, wenn nicht gelenkte Oppositionsbewegungen gesehen. Als sich ähnliche Entwicklungen 2005 in Zen­ tralasien zeigten, erfolgte zwar keine offizielle Einmischung von chinesischer Seite, indirekt aber machte sie ihre Haltung deutlich. Den Regimewechsel, der sich in Kirgistan vollzog („Tulpenrevolution“), wobei der damalige Präsident mit seiner Familie aus dem Land floh, nahmen die Mitglieder der SCO und nahm auch China hin, obwohl es nach Zeitungsberichten eine Diskussion innerhalb der SCO über ein mögliches Eingreifen gegeben hatte. In Usbekistan ließ Präsident Karimov im Mai 2005 Demonstrationen in Andijan mit Gewalt unterbinden. Hier fiel die Reaktion Chinas etwas anders aus  : Das Vorgehen Karimovs wurde ausdrücklich gebilligt und er selbst kurz nach den Ereignissen mit allen Ehren als Gast in China empfangen. Im Laufe der Jahre hat China auch seine militärischen Beziehungen zu den Staaten Zentralasiens ausgebaut, sowohl bilateral als auch multilateral im Rahmen der SCO. Dabei belieferte China einige der Nachbarn mit militärischem Gerät wie Nachtsichtgeräten. Vor allem aber wurden gemeinsame Militärübungen in verschiedenen Zusammensetzungen abgehalten, meist „anti-terroristische“ Drills. Wichtig ist dabei, dass Chinas Streitkräfte seit der „Strafaktion“ gegen Vietnam im Jahr 1979 keinen Kampfeinsatz mehr zu verzeichnen hatten. In diesem Kontext sind nicht nur die gemeinsamen Manöver mit SCO-Mitgliedern zu sehen, sondern auch mit anderen Staaten. Obwohl sowohl China als auch Russland sich nach dem 11. September 2001 auf die Seite der USA gestellt hatten und Russland die Einrichtung von Lande- und Versorgungspunkten für USA und NATO zur Unterstützung des Afghanistan-Einsatzes unterstützt hatte, sahen zumindest Teile der chinesischen Führung die militärische Präsenz der USA in Teilen Zentralasiens mit Unbehagen und auch als Teil einer Einkreisung Chinas. Als in der gemeinsamen Abschlusserklärung des SCO-Gipfels 2005 die USA aufgefordert wurden, einen Zeitpunkt für ihre Aufgabe der Militärstützpunkte in Kirgistan und Usbekistan zu nennen, wurde im Westen vielfach vermutet, dass dies im Wesentlichen auf die Initiative Pekings zurückging. Selbst wenn dies nicht der ausschlaggebende Faktor war, kann angenommen werden, dass China



Chinas Engagement in Zentralasien  : Beitrag zur Stabilisierung  ?

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eine langfristige militärische Präsenz der USA in Zentralasien unter geopolitischen Gesichtspunkten nicht gutheißen kann. Inwieweit sicherheitspolitische und militärische Beziehungen Chinas zu den zentralasiatischen Staaten sowie gemeinsame Übungen einen Beitrag zur Stabilisierung der Region geleistet haben und leisten, lässt sich schwer sagen. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit innerhalb des regionalen Terrorismuszentrums, das jedoch in seinen Rechenschaftsberichten angibt, dank Zusammenarbeit und Informationsaustausch hätten eine Reihe von Anschlägen erfolgreich verhindert werden können.

Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Schon vor dem Ende der Sowjetunion war im Zuge der Normalisierung nach Jahrzehnten geschlossener Grenzen zwischen China und Zentralasien der Handel wieder zugelassen worden und die in den 1950er Jahren begonnene, dann aber wegen des ideologisch-politischen Bruches zwischen China und Sowjetunion eingestellte Arbeit an einer Bahnverbindung zwischen Xinjiang und Kasachstan wieder aufgenommen und zu Ende geführt worden. Hinter der Aufnahme von Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den zentralasiatischen Nachbarn standen auf chinesischer Seite nicht nur ökonomische Interessen. Basierend auf ihrem eigenen Reformmodell wirtschaftlicher „Reform und Öffnung“ ohne grundlegende Veränderung des politischen Systems vertritt die chinesische Führung die Meinung, dass mit Wirtschaftsentwicklung eine, wenn nicht die Ursache für Separatismus und Terrorismus bekämpft werden kann. Die Beseitigung von Unterentwicklung und Marginalisierung und die Verbesserung des Lebensstandards sind aus chinesischer Sicht wesentliche Voraussetzung, um extremistischen Entwicklungen den sozialen Nährboden zu entziehen. Die Öffnung nach Zentralasien hin war auch für Xinjiang wichtig, das zuvor vom Prozess der Reform und Öffnung nicht so stark hatte profitieren

 Siehe zur Entwicklung des Handels zwischen China und Zentralasien auch  : Vladimir Paramonov, Aleksey Strokov, Economic Involvement of Russia and China in Central Asia, Conflict Studies Research Centre, Central Asian Series 07/12 (E), May 2007 (Defence Academy of the United Kingdom).  Siehe auch Michael Clarke, China’s Integration of Xinjiang with Central Asia  : Securing a ‚Silk Road’ to Great Power Status  ?, in  : China and Eurasia Forum Quarterly, 6 (2008) 2, S. 89–111.

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können. 80 % des Außenhandels der AR Xinjiang wird inzwischen mit den zentralasiatischen Nachbarn abgewickelt. D.h., auch wenn die zentralasiatischen Staaten keine wesentliche Rolle in Chinas gesamtem Außenhandel spielen, so sind sie doch für die wirtschaftliche Entwicklung des chinesischen Nordwestens nicht unwichtig. Mit der „doppelten Öffnung“ wurde die unruhige Region Xinjiang, die in den 1990er Jahren immer wieder durch Unruhen und Attentate gekennzeichnet war, mit den Nachbarstaaten vernetzt und gleichzeitig stärker an das chinesische Kernterritorium angebunden. Als Voraussetzung für intensivere Wirtschafts- und Handelskontakte wurden Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur zwischen China und den zentralasiatischen Nachbarn und auch zwischen den Nachbarstaaten in den 1990er Jahren auf- und ausgebaut. Diese „neue Seidenstraße“ umfasst Flughäfen, Highways, Eisenbahnverbindungen, Pipelines und Glasfaserkabel. Dabei dient Zentralasien aber auch einmal mehr als Transitgebiet, z.B. in Form der „zweiten eurasischen Landbrücke“, einer Bahnverbindung von Chinas Ostküste bis nach Rotterdam, durch Kasachstan. Zentralasien dient als Absatzmarkt für chinesische Konsumgüter (Textilien, Schuhe, Unterhaltungselektronik, Telekommunikation), während Zentralasien Rohstoffe (Baumwolle, Bunt- und Edelmetalle etc.) liefert. Energieträger spielen seit den späten 1990er Jahren eine zunehmend wichtigere Rolle (siehe unten). Die Handelsbeziehungen zwischen China und den fünf zentralasiatischen Republiken haben sich sehr ungleichmäßig entwickelt. Im Jahr 2007 war China der zweitgrößte Handelpartner für Kasachstan und Usbekistan (Platz eins nahm nach wie vor Russland ein)  ; im Falle Kirgistans lag China hinter Russland und Kasachstan auf Rang drei, und im Falle Tadschikistans und Turkmenistans auf Rang sechs bzw. sieben. Alle zentralasiatischen Nachbarn weisen eine negative Handelsbilanz mit China auf, selbst Kasachstan, das auch Erdöl an China liefert. Für China sind die Zentralasiaten zwar eher unwichtige Handelspartner, jedoch gilt dies, wie oben bereits ausgeführt, nicht für die AR Xinjiang. Chinesische Direktinvestitionen in Kirgistan und Tadschikistan sind eher gering geblieben – beide Länder haben allerdings auch keine Erdöl- oder Erdgasvorkommen, in die chinesische Ölfirmen investieren könnten. China exportiert auch Arbeitskräfte nach Zentralasien, z.B. für Infrastrukturprojekte, die über zinsgünstige Darlehen finanziert werden. In der Region besteht eine gewisse Furcht, mit der Zeit von Chinesen überlaufen zu werden (ebenso wie im Russischen Fernen Osten), die jedoch kaum durch harte Zahlen zu rechtfertigen ist.



Chinas Engagement in Zentralasien  : Beitrag zur Stabilisierung  ?

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Die Öffnung der Grenzen für Handelsaustausch wirft zwar auch Sicherheitsprobleme auf – es kommen eben auch illegale Güter und Ideen über die Grenze –, jedoch nimmt man in der chinesischen Führung dieses Risiko bewusst in Kauf. Der Nutzen der Außenöffnung scheint die Gefahren und Risiken mehr als aufzuwiegen.

Energie und Ressourcen Seit Ende der 1990er Jahre sind zentralasiatische Energieträger stärker in den Vordergrund gerückt – auch aus der Sicht Pekings, das seine staatlichen Erdölfirmen angesichts rasch wachsender Importe aufgefordert hat, international stärker aktiv zu sein und Chinas Herkunftsquellen für Energie zu diversifizieren. Kasachstan war das erste wirklich große Zielland für chinesische Energieinvestitionen und mit Kasachstan wurde auch die erste Pipeline nach China tatsächlich in Angriff genommen. Eine Beteiligung an kasachischen Erdölvorkommen erfolgte dabei bereits Ende der 1990er Jahre, mit dem Pipeline­ bau wurde jedoch erst einige Jahre später begonnen, als wachsender Energiebedarf und international drastisch angestiegene Energiepreise dies nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll erscheinen ließen (die Ölpipeline zwischen Kasachstan und China ist seit 2005 in Betrieb). Energie­ sicherheit und Diversifizierung der Bezugsquellen (mehr Unabhängigkeit von Öllieferungen aus dem Mittleren Osten) standen dabei im Vordergrund des chinesischen Engagements. Zwei weitere mittlerweile beschlossene Projekte sind Gaspipelines aus Usbekistan und aus Turkmenistan. Mit Letzterem gab es bereits seit Anfang der 1990er Jahre Gespräche, jedoch war die Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt ökonomisch nicht unbedingt angeraten. Noch zu Lebzeiten des Turkmenbaschi (Präsident Nijasow) hatte man eine grundsätzliche Verein­ barung getroffen, aber erst nach dessen Tod wurden tatsächlich konkretere

 Siehe auch Elizabeth Wishnick, Russia, China, and the United States in Central Asia  : Pros­ pects for Great Power Competition and Cooperation in the Shadow of the Georgian Crisis, February 2009 (Strategic Studies Institute).  Siehe auch Vladimir Matveev, China’s Gas Policy in Central Asia, in  : Central Asia and the Caucasus, 5 (2008) 53, S. 77–88  ; speziell zu Turkmenistan siehe Jan Šir, Slavomir Horák, China as an Emerging Superpower in Central Asia  : The View from Ashkhabad, in  : China and Eurasia Forum Quarterly, 6 (2008) 2, S. 75–88.

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Planungen für die Gaspipeline geführt. Die Streckenführung muss dabei über usbekisches und kasachisches Territorium gehen. Eine solche regionale Kooperation der Zentralasiaten untereinander war unter Turkmenbaschi nicht ohne Weiteres möglich. In der Frage der Energieinteressen in der Region könnte China potenziell mit Russland auf Kollisionskurs sein, denn alternative Streckenführungen unter Umgehung Russlands bedeuten den Monopolverlust Russlands. Das heißt, Energielieferungen aus Zentralasien sind potenziell ein Nullsummenspiel zwischen Russland, China und der EU. Dennoch sollte es im Interesse der zentralasiatischen Staaten, die über Energieträger verfügen, sein, ihre Exportmöglichkeiten zu diversifizieren und sich damit aus der einseitigen Abhängigkeit von Russland zu lösen.

China als Geberland in Zentralasien Peking tritt international verstärkt auch als Geber von Entwicklungshilfe auf, wobei sich europäisches Augenmerk vor allem auf Chinas Aktivitäten in Afrika, die in den letzten Jahren enorm zugenommen haben, gerichtet hat. Den Staaten in Zentralasien hat die Volksrepublik bereits seit Anfang der 1990er Jahre immer wieder Unterstützung gewährt – Staatsbesuche chinesischer Führer waren üblicherweise begleitet von Hilfszusagen, die zum Großteil in zinslosen oder zinsgünstigen Krediten bestanden, mit denen Güter aus China bezogen werden mussten. Insbesondere Kirgistan und Tadschikistan haben Zuwendungen in Form von zinsfreien oder niedrig verzinsten Krediten sowie zweckgebundenen Krediten über die chinesische Eximbank erhalten. Auch der Aufbau von Verkehrsinfrastruktur auf chinesischer und zentralasiatischer Seite wird durch China finanziert. Für Tadschikistan ist China bereits zum größten Geber geworden. Auch im Rahmen der SCO werden Kredite gewährt. Die finanzielle Unterstützung von Infrastrukturprojekten bei den zentralasiatischen Nachbarn hat zwar dort auch die Sorge über zunehmende chinesische Präsenz, z.B. in Form von Arbeitskräften, hervorgerufen, doch sichert sich China durch diese Politik auch internationale Rückendeckung durch die Republiken.  Siehe dazu ausführlich  : Nargis Kassenova, China as an Emerging Donor in Tadschikistan and Kyrgyzstan, Russie.Nei.Visions, No. 36, January 2009 (ifri Russia/NIS Center).



Chinas Engagement in Zentralasien  : Beitrag zur Stabilisierung  ?

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Ausblick/Schlussfolgerungen Chinas Interessen in Zentralasien sind einerseits eingebettet in die allgemeinen Interessen und Ziele chinesischer Außenpolitik – diese steht im Kern im Dienste der inneren Modernisierung des Landes –, andererseits zeichnen sie sich durch zwei spezifische Aspekte aus, nämlich Stabilität und Sicherheit der AR Xinjiang sowie Energiesicherheit Chinas. Auf Machtverschiebungen und die Entwicklungen innerhalb Zentralasiens hat China bislang flexibel und pragmatisch reagiert (siehe Machtwechsel in Kirgistan). Die eigenen Prioritäten in der Region haben sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte leicht verschoben  : Energieinteressen haben zweifellos in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die seit 2008 durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise wieder gesunkenen Energiepreise kann China als Chance für günstige Preisverhandlungen nutzen, wie bereits mit Russland geschehen. Klar ist jedenfalls, dass Chinas Aktivitäten und Präsenz in der Region langfristig angelegt sind. Das Interesse an der Stabilität der Region ist eine Konstante in Chinas Engagement. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass China aktiv eine stabilisierende Rolle zu übernehmen bereit ist. Zwar hat die SCO im Frühjahr 2009 erstmals in Moskau eine internationale Konferenz zu Afghanistan abgehalten, die Themen waren jedoch auf die Gefahren durch Drogen und Terrorismus beschränkt. Obwohl China auch in Afghanistan erhebliche wirtschaftliche Interessen hat und einer der größten Investoren ist, scheint eine klarere Beteiligung und Unterstützung des UN-mandatierten Einsatzes nicht vorgesehen. China sieht Investitionen und Hilfsleistungen als Beitrag zur langfristigen Stabilisierung der Lage. Dies gilt im Prinzip auch für Zentralasien. Für andere externe Akteure in Zentralasien wie die EU oder die OSZE stellt sich die Frage, ob sie Anknüpfungspunkte in der Politik Chinas und der SCO finden, die zumindest punktuell eine Zusammenarbeit zulassen würden. Felder für eine mögliche Kooperation sollten naturgemäß nicht im Bereich Menschenrechte gesucht werden. Jedoch hat auch China ein Interesse an mehr Rechtsstaatlichkeit in Zentralasien (schon wegen seines wirtschaftlichen Engagements). Mit der SCO kann zumindest regelmäßiger Informationsaustausch über Themen wie Afghanistan, Drogenschmuggel usw. geführt werden. 

Andrei Zagorski

Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

Russland und Zentralasien Die Region Zentralasien mit ihren fünf Staaten, die Ende 1991 im Zuge der Auflösung der Sowjetunion Unabhängigkeit erlangt haben – Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan – liegt am Rande des postsowjetischen Raumes. Die generelle wirtschafts- und handelspolitische Bedeutung der Region für Russland bleibt relativ gering. Eine bedeutende Ausnahme dabei ist Kasachstan, das mit zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Russlands gehört. Eine weitere Ausnahme ist das über bedeutende Erdgasreserven verfügende Turkmenistan, das aus diesem Grunde in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt der russischen energiepolitischen Diplomatie gerückt ist. Sonst liegt die Region eher am Rande der wirtschaftspolitischen Interessen Russlands bzw. seiner wirtschaftlichen Akteure. Aus der politischen und sicherheitspolitischen Perspektive Moskaus ist aber Zentralasien alles andere als ein Randgebiet. Die Region galt immer als problematisch. Die fragile Stabilität der autoritären politischen Regime wurde immer wieder durch interne Entwicklungen, aber auch durch externe Einflüsse, in erster Linie durch die Entwicklungen im benachbarten Afghani­ stan herausgefordert. Zwar ist die destabilisierende Wirkung der Entwicklungen in Afghanistan auf die Region nach der Abschaffung der Herrschaft der Taliban 2002 mindestens vorübergehend zurückgegangen, dennoch wird Zentralasien und insbesondere die südlich von Kasachstan liegenden Staaten als Ursprungssowie als Transitterritorium in Zusammenhang mit alten und neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen gebracht. Dies gilt für den illegalen Drogenverkehr, die Gefahr des religiös motivierten Extremismus und Terrorismus, aber auch für grenzüberschreitende  Vgl., u.a.  : Rajan Menon, Yuri Fedorov, Ghia Nodia (eds), Russia, the Caucasus, and Central Asia, The 21st Century Security Environment, M. E. Sharpe, Armonk, New York, London 1999.

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­ mwelt- und migrationspolitische Herausforderungen. Die Staaten der Reu gion sind mit immensen Modernisierungs­herausforderungen konfrontiert. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsdichte und der zunehmenden ländlichen Überbevölkerung, Armut, Knappheit des nutzbaren Landes und Wassers, der rigiden Wirtschaftsstruktur sowie autoritärer Regierungsformen und der durch immanente Korruption geprägten Verteilung des knappen Wohlstands ist kein Staat Zentralasiens, vielleicht mit der Ausnahme von Kasachstan, gegenüber inneren (und regionalen) Instabilitäten immun. Trotz der Beendigung des Bürgerkrieges in Tadschikistan ist somit die Gefahr eines Rückfalls in die gescheiterte Staatlichkeit für manche dieser Staaten alles andere als gebannt. Die Erwartung eines harten Eliten-Machtkampfs um die Nachfolgeregelung beim anstehenden Machtwechsel in einigen Staaten Zentralasiens (als besonders kompliziert gilt dabei die Regelung der Nachfolge Islam Karimovs als Präsident Usbekistans), sowie gespanntes, wenn nicht feindseliges Verhältnis zwischen einzelnen Staaten ergänzen das Bild der gewaltigen Dynamik, die sich hinter der scheinbar ruhigen Fassade der mit eiserner Hand regierten Region verbirgt. Nun fragt sich, was Russland damit zu tun hat. Denn abgesehen von der durchlässigen, wenn nicht halboffenen Grenze zu Zentralasien, die zugleich die 6000 km lange Grenze zu Kasachstan ist und Russland den grenzüberschreitenden Herausforderungen gegenüber anfällig macht – zuallererst gegenüber denen, die mit dem illegalen Drogenverkehr, illegaler Migration oder den grenzüberschreitenden kriminellen Aktivitäten verbunden sind – liegen die meisten Staaten Zentralasiens relativ weit weg. Sie sind nicht zuletzt durch das relativ ruhige Kasachstan von Russland getrennt. Somit braucht man keine unmittelbare Einwirkung der eventuellen Turbulenzen in Zentralasien auf Russland zu befürchten, die vor der russischen Grenze aufgefangen werden sollen. Man soll sich dafür schwerpunktmäßig auf die bessere Ausstattung der Grenze zu Kasachstan und die Unterbindung des illegalen grenzüberschreitenden Verkehrs aller Arten konzentrieren. Moskau geht es aber offensichtlich um mehr. Seit fast zwanzig Jahren bemüht es sich um die Abgrenzung des eigenen Machtbereiches und um die Behauptung seiner Rolle als Ordnungsmacht im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Diese Politik konnte lange keine offensichtlichen Erfolge verbuchen. Ganz im Gegenteil  : das fragile modus vivendi im postsowjetischen Raum erodierte all die Jahre fortschreitend. Abgesehen von Belarus im osteuropäischen Teil dieses Raumes und Armenien im Südkaukasus bleibt das konservative und autoritäre Zentralasien die einzige Subregion der ehema-



Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

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ligen Sowjetunion, die am wenigsten auf Distanz zu Moskau gegangen ist und gegenüber der engeren Kooperation mit Russland in unterschiedlichen multilateralen Institutionen offen steht. Diese Feststellung ist aber nur bedingt zutreffend. Denn auch in Zentralasien mangelte es nie an Spielverderbern wie Turkmenistan, das sich nie in jegliche postsowjetische multilaterale Organisationen hat einbinden lassen. Oder aber Usbekistan, das wiederholt seine Bündnispolitik revidiert und immer wieder die von Russland dominierten multilateralen Organisationen verlassen hat, allerdings um diesen nach einiger Zeit wieder beizutreten. Zwar bemüht sich Moskau darum, weiteren dramatischen Status-quoVeränderungen in Osteuropa vorzubeugen, die mit einem eventuellen Beitritt der Ukraine zur NATO und/oder mit ihrer Assoziation mit der Europäischen Union eingetreten wäre, sowie um die Neudefinition des Status quo im Südkaukasus nach dem Georgienkrieg von 2008, doch scheint sich seine „Integrationspolitik“ in der ehemaligen Sowjetunion immer mehr auf die Anbindung der Staaten Zentralasiens zu reduzieren. Einer engeren Partnerschaft mit Kasachstan kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn ohne diese ist die Verankerung der Führungsrolle Russlands beim Aufbau und der Institutionalisierung regionaler Kooperation mit und in Zentralasien nicht mehr denkbar. Dem Konzept der regionalen Zusammenarbeit kommt eine immer größere Bedeutung im russischen außen- und sicherheitspolitischen Diskurs zu. Sie wird zu einem der wichtigsten Bausteine der neuen multipolaren Weltordnung hochstilisiert. Diese These wird insbesondere unter den Bedingungen der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehoben. Engere regionale Zusammenarbeit wird dabei in Moskau oft als ein Auffangnetz, wenn nicht als Alternative zur Globalisierung dargestellt. Sie soll effektivere Bekämpfung der „harten“ und „weichen“ externen und inneren sicherheitspolitischen Bedrohungen ermöglichen, mit denen sich Zentralasien konfrontiert sieht. Nicht zuletzt soll sie aber auch dazu beitragen, dass die „schädliche Ein­ mischung“ extra-regionaler Mächte in die regionalen sowie in die inneren  Vgl. insbesondere die Nationale sicherheitspolitische Strategie der Russischen ­Föderation bis 2020, unterschrieben vom Präsidenten Dmitrij Medwedew am 12. Mai 2009, Teil II (Gegenwärtige Welt und Russland  : Der Stand und Entwicklungstrends), Punkt 8. Der Text auf Russisch  : http  ://www.mid.ru/ns-osndoc.nsf/0e9272befa34209743256c630042d1aa/8abb3c17eb3 d2626c32575b500320ae4  ?OpenDocument.

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Angelegenheiten der Einzelstaaten abgeschirmt und auf ein Minimum reduziert wird. Dieses Anliegen wird weitgehend von den Staaten Zentralasiens und China geteilt, das sich inzwischen zu einem immer wichtigeren regionalen Akteur aufgebaut hat. Bei der Umsetzung seiner Ziele zum Aufbau regionaler Zusammenarbeit in Zentralasien sieht sich Moskau aber intra- und extra-regionalen Herausforderungen ausgesetzt, die die Verankerung seiner Rolle als der regionalen Ordnungsmacht infrage stellen beziehungsweise stellen könnten. Zum einen bleibt die militärische Präsenz der USA in der Region ein Dorn im Auge Moskaus. Dies trotz der fortschreitenden Zusammenarbeit zwischen Russland, der NATO, den USA und weiteren NATO-Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Spanien) bei der Versorgung der NATO-Truppen in Afghanistan über das russische Schienennetz und über den russischen Luftraum. Zum anderen sieht sich Moskau – neben der eher bescheidenen Ambition der Zentralasienstrategie der Europäischen Union – mit der finanz- und wirtschaftspolitischen Expansion Chinas konfrontiert, der es wenig entgegensetzen kann. Dieser Gegensatz hat sich durch die gegenwärtige Wirtschaftskrise nur zugespitzt, die sowohl die armen wie auch die relativ reicheren Staaten Zentralasiens hart getroffen hat. Nicht zuletzt ist Moskau bei der Umsetzung seiner Ziele immer wieder durch mangelnde Kooperationsbereitschaft zentralasiatischer Staaten behindert, die zwar in bestimmten Bereichen auf die Hilfe Moskaus angewiesen bleiben, sich aber oft nicht bereitfinden, diese Hilfe mit der Akzeptanz des Anspruchs Russlands auf eine ordnungspolitische Rolle zu honorieren. Ganz im Gegenteil gehen manche Staaten Zentralasiens immer wieder auf Distanz zu Moskau. Dies gilt seit Langem für Usbekistan und Turkmenistan, in der jüngsten Zeit aber auch für Tadschikistan. Kasachstan und Kirgistan manöv­ rieren permanent, um ihre in alle Richtungen offene Politik verfolgen zu können und sich nicht wieder in eine alternativlose Abhängigkeit von Russland begeben zu müssen. In den letzten Jahren unternahm Russland eine Reihe von Schritten, um die regionale Zusammenarbeit in und mit Zentralasien in seinem Sinne zu gestalten. Diese Politik verfolgte in erster Linie folgende Ziele  : a) engere energiepolitische Partnerschaft mit Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan sollte besiegelt werden, um ausreichende Mengen Gas aus Zentralasien für den russischen Verbrauch und für die Umsetzung der



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energiepolitischen Strategie Russlands und der von Gazprom sicherzustellen  ; b) wirtschaftspolitische Integration mit Kasachstan (und Belarus) sollte im Rahmen der trilateralen Zollunion vorangetrieben werden  ; c) die Loyalität der zentralasiatischen Staaten gegenüber Russland sollte insbesondere während der wirtschaftlichen Krise durch Finanzhilfe im multilateralen Rahmen der Euroasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft (EURASEC) sowie durch bilaterale Vereinbarungen gefördert werden  ; d) die russischen Investitionen in Zentralasien sollten mit dem Ziel politisch gefördert werden, die Staaten der Region enger an Russland zu binden und den russischen Akteuren Zugriff auf die relevanten Ressourcen zu gewähren  ; e) das Verteidigungsbündnis im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (CSTO) sollte gefestigt und die militärische Präsenz Russlands in Zentralasien weiter ausgebaut werden  ; f ) die Kooperation im Rahmen der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) sollte die kontinuierliche politische Verständigung mit China über den gegenseitigen Interessensausgleich in der Region sowie über die weitere Abschirmung der „schädlichen“ externen Einflüsse ermöglichen.

Wirtschaftliche Relevanz Zentralasiens für Russland Die allgemeine handelspolitische Relevanz Zentralasiens für Russland ist relativ gering und weist in den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion eine eher abnehmende Tendenz, insbesondere bei russischen Einfuhren, auf. Der Anteil Zentralasiens an den Ausfuhren Russlands ist in den Jahren 1995–2007 relativ stabil geblieben, obwohl er in diesem Zeitraum von 5,9 auf 4,4 % zurückgegangen ist. Bei den Einfuhren Russlands ist aber der Anteil Zentralasiens von 8,6 auf nur noch 3,3 % geschrumpft. Allerdings stellt der Handel mit der Region eine relevantere Größe für Russland dar als für die Staaten der Europäischen Union (siehe Grafik 1). 2007 setzten die Letzteren nur 0,6 % ihrer Exporte und 1 % ihrer Gesamtimporte mit den Staaten Zentralasiens um. Die These von der geringen handelspolitischen Bedeutung Zentralasiens für Russland soll aber in mancherlei Hinsicht relativiert werden. Denn es gibt bedeutende punktuelle Abweichungen. Diese gelten in erster Linie für die ungleiche Verteilung des Handels Russlands mit Einzelstaaten der Region sowie für die weit überdurchschnittliche Bedeutung einzelner Sektoren der Wirtschaft.

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So kann die herausragende Bedeutung der energiepolitischen Zusammenarbeit mit einer Reihe der Staaten Zentralasiens nicht überschätzt werden. Unter den fünf Staaten Zentralasiens ist Kasachstan mit Abstand der wichtigste Handelspartner Russlands. Sein Anteil an russischen Ausfuhren nach Zentralasien stieg von 56 % im Jahr 1995 auf ca. 77 % im Jahr 2007. Bei den russischen Einfuhren aus der Region stieg er im selben Zeitraum von 66 auf 70 %. Das bedeutet, dass gegenwärtig ungefähr drei Viertel des gesamten russischen Außenhandels mit Zentralasien mit Kasachstan umgesetzt werden. In der Tat bestreitet Kasachstan auch gute 90 % des EU-Handels mit dem Zentralasiatischen Raum. Grafik 1: Anteil Zentralasiens am Außenhandel Russlands und der Europäischen Union (in %)

Quellen  : Föderales Amt für staatliche Statistik Russlands (http  ://www.gks.ru), Eurostat (http  ://epp.eurostat.ec.europa.eu).

2007 war Kasachstan der zehntgrößte Abnehmer russischer Exportartikel weltweit und der drittgrößte in der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS). Gleichzeitig war es das drittwichtigste Ursprungsland für russische Einfuhren aus der GUS und bestritt Platz elf unter den Importpartnern weltweit. Kasachstan und andere Staaten Zentralasiens bleiben die wenigen Abnehmer der russischen Industriegüter, auch wenn dieser Markt von der Größenordnung her relativ klein bleibt und zunehmend von anderen Handelspartnern in Anspruch genommen wird. Dies mag aber einer der Gründe



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dafür gewesen sein, dass der Handel zwischen Russland und den Staaten der Region unter der gegenwärtigen Wirtschaftskrise weniger als der Handel mit anderen Staaten inklusive der GUS gelitten hat (siehe Grafik 2). In einer Reihe der wirtschaftlichen Sektoren ist die Relevanz Zentralasiens überdurchschnittlich groß. Dies gilt insbesondere für den energiepolitischen Bereich, der im nächsten Teil dieses Beitrages besprochen wird. Doch auch in einer Reihe anderer Sektoren ist die Bedeutung Zentralasiens für Russland überdurchschnittlich hoch oder sogar kritisch. Dies gilt in erster Linie für die Lieferungen von Chrom aus Kasachstan, in den letzten Jahren aber auch für den Bezug von Uranerz aus Kasachstan sowie, in einem geringeren Ausmaß, aus Usbekistan. Mit den ambitionierten Plänen zum Ausbau von Atomkraftwerken in der Russischen Föderation wächst die Bedeutung Kasachstans als Partner der russischen Atomindustrie. Trotz der strategischen Orientierung Russlands, die Uraneinfuhrmöglichkeiten aus Australien und Kanada sicher zu erschließen, wird in Moskau die Möglichkeit, auf die Vorkommen in Kasachstan und Usbekistan zurückgreifen zu können, angesichts der Sensitivität des Uranmarktes und des zunehmenden Wettbewerbs mit China in diesem Sektor Zentralasiens als kritisch betrachtet. Grafik 2: Der Rückgang des Außenhandels Russlands in der ersten Hälfte von 2009 (erste Hälfte von 2008 = 100%)

Quelle  : Föderales Amt für staatliche Statistik Russlands (http  ://www.gks.ru)

Die generelle investitionspolitische Relevanz Zentralasiens für Russland ist allerdings nicht viel größer als die handelspolitische. Auch hier gelten dieselben Ausnahmen wie im Handel.

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Insbesondere seit 2005 begannen die russischen Unternehmen, aktiv im Ausland zu investieren. Diese Aktivität wurde vom Staat generell, aber insbesondere bei den Investitionen in den GUS-Staaten politisch gefördert. Bis auf Kasachstan wurden die Staaten Zentralasiens aber nur in begrenztem Umfang zum Ziel russischer Direktinvestitionen. Ende 2007 wurden die akkumulierten langfristigen Aktiven der russischen Großunternehmen auf eine Gesamtgröße von 70 bis 72 Mrd. US-Dollar geschätzt. Nur 20 % davon entfielen auf Staaten Asiens, davon in erster Linie auf die Staaten Zentralasiens – 7 bis 8 % auf Kasachstan und ca. 3 % auf Usbekistan. Gleichzeitig lag der Anteil russischer Direktinvestitionen in den europäischen Staaten der GUS unvergleichbar höher als in Zentralasien. So bestritt Russland 2007 über 25 % der akkumulierten ausländischen Direktinvestitionen in der Ukraine. In Zentralasien lag dieser Anteil deutlich unter 20 %, obwohl politische und strukturelle Voraussetzungen für russische Investitionen in dieser Region weitgehend als günstiger gelten. Grafik 3: Anteil der russischen Investitionen in Zentralasien an russischen Gesamtinvestitionen in der GUS 2000–2007 (in %)

Quelle  : Föderales Amt für staatliche Statistik Russlands (http  ://www.gks.ru)

 Alexej Kusnetsov, Rossijskie pramye investicii v Centralnoj Asii (Russische Direktinvestitionen in Zentralasien), in  : God planety (Der Planet im Jahrbuch), 2008. – Moskau  : Nauka, 2008, S. 146 ff, hier S. 147, 148.



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Dafür fördert Russland gezielt großangelegte infrastrukturelle Projekte zwischenstaatlicher Kooperation in einer Reihe kritischer Bereiche in Zentralasien wie Wasserversorgung und die Gewinnung der Wasserenergie, Transportinfrastruktur und insbesondere Energieträgerexportrouten. Solche Projekte sollen vorwiegend im multilateralen Rahmen der EURASEC umgesetzt werden. Doch wegen der permanenten Kontroversen zwischen den Teilnehmerstaaten (und dem jüngst aus der Organisation wieder ausgeschiedenen Usbekistan) sind diese Projekte nicht weit gediehen. Auch hier kommt Kasachstan eine federführende Rolle zu. Insgesamt beschränken sich aber russische Direktinvestitionen in Zentralasien auf wenige Schlüsselbereiche wie Energiewirtschaft (Öl- und Erdgasförderung, Elektrizitätserzeugung sowie Vertriebsnetze), Rohstoffgewinnung, Telekommunikation und Bankwesen. Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass Kasachstan in Zentralasien mit großem Abstand handels- wie investitionspolitisch der relevanteste Partner Russlands bleibt. Die wirtschaftliche Relevanz der Region ist dabei ungleich zwischen unterschiedlichen Sektoren der Wirtschaft verteilt. Zentralasien bleibt relativ wichtig für Russland als Abnehmer der Industriegüter, aber auch als energiestrategischer Partner und in wenigen weiteren Sektoren. Grafik 4: Anteil Russlands, der EU und Chinas an Ausfuhren der Staaten ­Zentralasiens 2007 (in % von Gesamtausfuhren)

Quelle  : Eurostat (http  ://epp.eurostat.ec.europa.eu).

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Zuletzt ist in diesem Teil festzuhalten, dass die wirtschaftspolitische Relevanz Russlands für die Staaten Zentralasiens unvergleichbar höher ist. Allerdings ist Russland inzwischen kein exklusiver wirtschaftspolitischer Partner für die Region. Diese Rolle wird zunehmend von anderen extra-regionalen Akteuren bestritten (siehe Grafiken 4 und 5). Seit Mitte der 2000er Jahre stabilisierte sich der Anteil Russlands an den Exporten zentralasiatischer Staaten und liegt zwischen 1 % für Turkmenistan und ca. 25 % für Usbekistan. Der Anteil Russlands an Importen Kasachstans (ca. 35 %), Usbekistans (26 %) und Tadschikistans (21 %) ist auch relativ stabil geblieben, im Falle von Kirgistan und Turkmenistan ist er aber von 22 auf 16,5 % und von 10 auf 8 % leicht nach unten gegangen. Gleichzeitig konnten Kasachstan und Usbekistan ihre Exporte in die Europäische Union von 35 auf 45 % und von 18 auf 28 % ihrer Gesamtausfuhren ausbauen. Für Tadschikistan und Kirgistan aber ging der Anteil der EU an Exporten dagegen von 55 auf 30 % und von 4,6 auf 3,4 % zurück. Bei den Einfuhren nach Zentralasien ging aber die Rolle der EU leicht zurück. Grafik 5: Anteil Russlands, der EU und Chinas an Einfuhren der Staaten ­Zentralasiens 2007 (in % von Gesamteinfuhren)

Quelle  : Eurostat (http  ://epp.eurostat.ec.europa.eu).

Dafür fällt der im selben Zeitraum (2004–2007) permanent wachsende Anteil Chinas an den Importen zentralasiatischer Staaten auf. Der Anstieg von 26 auf 62 % fällt insbesondere im Falle Kirgistans auf. Aber auch im Handel mit



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allen anderen Staaten Zentralasiens konnte China seinen Anteil an deren Importen deutlich ausbauen  : von 15,5 auf 22 % im Falle von Kasachstan, von 5 auf 20 % für Tadschikistan, von 6 auf 13,6 % für Usbekistan sowie von 3,4 auf fast 10 % im Falle von Turkmenistan. Da die meisten Staaten Zentralasiens generell Probleme damit haben, ihre Produkte – bis auf Energieträger – auf dem Weltmarkt unterzubringen, sind sie mit einem schnell wachsenden Handelsdefizit gegenüber China konfrontiert. Dieses Defizit ließ sich angesichts der deutlich zurückgehenden Ausfuhren nach Russland nur teilweise durch den zentralasiatischen Binnenhandel – hauptsächlich durch die Exporte der vier Staaten der Region nach Kasachstan – decken, sodass das Defizit insbesondere für die energiearmen Staaten Zentralasiens zu einer permanenten Plage zu werden scheint.

Energiepolitische Relevanz Zentralasiens für Russland. Die energiepolitische Relevanz Zentralasiens wird in allererster Linie dadurch bestimmt, dass Russland nicht allein ein Transitland für die Ausfuhr der Energieträger aus der Region (in erster Linie für die Beförderung des Erdöls aus Kasachstan zu den Weltmärkten), sondern auch bislang der wichtigste Abnehmer des zentralasiatischen Erdgases ist, und zwar in stetig zunehmendem Maße. In der Tat ist Russland selbst zunehmend auf die Erdgasimporte angewiesen, um das Defizit der eigenen Gasbilanz decken zu können. Laut GazpromPlanungen müssten die Einfuhren von Erdgas nach Russland im Zeitraum zwischen 2005 und 2030 auf das Zehnfache jener Menge erhöht werden, die zu Beginn dieses Jahrzehnts importiert wurde (siehe Grafik 6). Bislang blieb Zentralasien die einzige Quelle für die Einfuhr von Erdgas nach Russland. Eventuell könnte Aserbaidschan, mit dem ab 2010 die Einfuhr von zuerst eher symbolischen kleineren Mengen Erdgas zum ersten Mal vereinbart worden ist, eine weitere Quelle werden. Auf absehbare Zeit wird Russland aber auf die Einfuhr von Erdgas aus Zentralasien angewiesen bleiben. Sonst wäre es mit dem Dilemma konfrontiert, entweder den eigenen Gasverbrauch, insbesondere in Sibirien, einschränken zu müssen, oder seinen Exportverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können.

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Andrei Zagorski

Grafik 6: Die Gasbilanz Russlands 2005–2030 (Mrd. Kubikmeter)

Quelle  : Gazprom-Projektion von 2005

Unter den Staaten Zentralasiens ist Tadschikistan mit Abstand der wichtigste Lieferant von Erdgas nach Russland. Es verfügt auch über die größten Gasreserven in der Region. 2006 vereinbarten Gazprom und Turkmenistan jährliche Lieferungen von 2007–2009 von 50 Mrd. Kubikmetern turkmenischen Gases (bislang betrugen die Lieferungen ca. 37 Mrd. Kubikmeter jährlich) über die „Mittelasien-Zentrum“ Erdgaspipeline (SAZ in der russischen Abkürzung), durch die das Erdgas über Usbekistan und Kasachstan transportiert und an der Grenze Kasachstans mit Russland in das russische Netz eingespeist wird. Mittlerweile steigt auch der Export von Gas aus Usbekistan nach Russland, das über SAZ und eine weitere Pipeline (Buchara-Ural) befördert wird. 2006 exportierte Usbekistan 9 Mrd. Kubikmeter Gas nach Russland. In der kurzfristigen Perspektive sollte diese Menge zuerst auf 13, zu einem späteren Zeitpunkt auf 17 bis 18 Mrd. Kubikmeter erhöht werden. Kleinere ­Mengen  I.R. Tomberg, Kaspij, energotransportnye problemy v regionalnom ismerenii (Kaspij  : Die regionale Dimension der Probleme der Beförderung der Energieträger), in  : Jushnyj Flang SNG  : „Obschtschie sosedi“ i „vostotschnye partnery“ skvos‘ prismu Kaspija (Die Südflanke der GUS  : „Gemeinsame Nachbarn“ und „östliche Partner“ in der kaspischen Optik). – Moskau  : MGIMO  ; AS-Trust, 2009 (im Weiteren zitiert als - Die Südflanke der GUS), S. 40–54, hier S. 43.



Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

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Gas werden über noch aus der Sowjetzeit stammende lokale Netze aus Kasachstan eingeführt. Nach Schätzungen werden die russischen Gaskraftwerke zu einem Drittel ihres Bedarfs mit dem Erdgas aus den drei Staaten Zentralasiens versorgt. Russland bemüht sich aber darum, die Erdgaseinfuhren aus Zentralasien nicht nur weiter auszubauen, sondern auch auf Dauer sicherzustellen. Die bestehenden Pipelines sollen saniert, ihre jährliche Kapazität zuerst auf 55 Mrd. Kubikmeter und dann noch weiter ausgebaut werden. 2007 vereinbarte man den Bau einer weiteren Pipeline aus Turkmenistan über Kasachstan entlang der Küste des Kaspischen Meeres, über die weitere 30 Mrd. Kubikmeter Gas nach Russland transportiert werden sollen. Die Umsetzung dieses Bauprojektes gilt aber noch nicht als gesichert. Die dazu notwendigen Abkommen sind wegen der ungeregelten Kontroversen bezüglich des Gaspreises und der Transitgebühren nicht abgeschlossen. Sollte sich aber die Gazprom-Prognose bewahrheiten und sollte Russland um 2030 wenigstens 110 Mrd. Kubikmeter Gas importieren, würden die bestehenden und geplanten Leitungen aus Zentralasien mit der Gesamtkapazität von 85 Mrd. Kubikmetern kaum ausreichen, um diesen Bedarf zu decken. Es sei denn, Russland importiert weit größere Mengen aus Aserbaidschan. Somit ist nur verständlich, dass sich Moskau auf Drängen der drei zentralasiatischen Staaten bereitfand, mit höheren Kaufpreisen den Export von Gas nach Russland attraktiver zu machen. 2006 wurde mit Turkmenistan und Usbekistan der Preis von 100 US Dollar pro Tausend Kubikmetern vereinbart – mehr als das Doppelte des Preises in den 1990er Jahren. Für 2009 soll mit Turkmenistan sogar der „europäische“ Preis von 340 Dollar vereinbart worden sein. Vor dem Hintergrund des 2009 krisenbedingt geschrumpften Gasverbrauchs in Europa und der entsprechend geschrumpften russischen Exporte kam Moskau der Ausfall der Gaslieferungen aus Turkmenistan aufgrund einer Havarie an der Pipeline im April 2009 aber wie ein Segen. Russland brauchte in diesem Jahr angesichts der stark zurückgehenden eigenen Exporte die Menge nicht, hätte aber sonst dafür einen Preis bezahlen müssen,  D.B. Malyscheva, Kaspijskie energoresursy kak element global’noj energetitscheskoj igry (Kaspische Energieressourcen als Element des globalen energiepolitischen Games), in  : Die Südflanke der GUS, S. 23–34, hier S. 32–33.  Vladimir Socor, Turkmenistan Still Taking „Time-Out From Gazprom“, in  : Eurasia Daily Monitor – The Jameston Foundation, September 15, 2009, Volume 6, Issue 168.

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der nun weit über dem liegen würde, den die europäischen und insbesondere die inländischen Abnehmer dafür boten. Der Markteinbruch von 2009 gilt aber eher als Ausnahme. Ab 2010 wird angesichts der erwarteten teilweisen Erholung der Weltwirtschaft auch mit einem wieder steigenden Bedarf an Erdgas gerechnet, sodass die notwendigen Mengen ab 2010 wieder gesichert werden müssen. Somit sind Russland und Turkmenistan zurück am Verhandlungstisch. Dabei wird neben der zu liefernden Menge auch der Gaspreis erneut eine nicht unbedeutende Rolle spielen. In der jüngsten Zeit sieht sich Russland aber zunehmend in einen Wettkampf mit anderen externen Akteuren um das Erdgas Zentralasiens und insbesondere von Turkmenistan einbezogen, der eine weitere Herausforderung für Moskau darstellt. Neben den in 2004 und 2006 unterschriebenen Abkommen über den Bau einer und dann einer zweiten Erdölpipeline von den Ölfeldern im westlichen Kasachstan nach China (Atasu-Alashan’kou-Pipelines) vereinbarten China und Turkmenistan 2006 jährliche Lieferungen von 30 Mrd. Kubikmetern turkmenischen Gases in den nächsten 30 Jahren über das Territorium von Usbekistan und Kasachstan. Dafür soll eine neue Pipeline gebaut und 2010 in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus hat die chinesische staatliche CNPC 2007 die Lizenz für die Erschließung eines der meist versprechenden Gasfelder in Turkmenistan (Bagtyjarlyk) bekommen, von dem dann das Erdgas auf Dauer in die Pipeline nach China eingespeist werden soll. Die CNPC soll sich nach einem 2007 geschlossenen Abkommen auch an der Exploration von Erdgasvorkommen in Usbekistan (in Namangan-Gebiet) beteiligen. Das 2007 mit Kasachstan abgeschlossene Abkommen über den Bau des kasachischen Teils der Gaspipeline aus Turkmenistan sieht eine erweiterte Kapazität von 40 Mrd. Kubikmetern vor, was die Aussichten für den weiteren Ausbau der Exporte nach China nahelegt. Der Einstieg Chinas hat auf der russischen Seite geopolitisch motivierte Sorgen wachgerufen. Denn mit der Aufnahme der Gasexporte nach China wird die Monopolstellung Russlands in der Beförderung der Energieträger Zentralasiens auf die Weltmärkte gebrochen. Damit soll die bisherige Stellung von Gazprom substanziell beeinträchtigt werden, das bislang den Partnern in Zentralasien weitgehend seine Export- und Preispolitik diktieren konnte. Dies soll nun wohl nicht mehr so möglich bleiben, und Gazprom soll sich zunehmend dem Druck der zentralasiatischen Akteure ausgesetzt sehen.



Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

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Die Versuche Moskaus, mindestens Kasachstan und Usbekistan unter der Beteiligung Chinas zu einer engeren multilateralen Abstimmung der Energieträgerförderung und Beförderungsplanung im Rahmen der EURASEC und/oder des Energieclubs der SCO zu bewegen und dadurch einzubinden, haben nicht viel erbracht. Die zentralasiatischen Staaten suchen offensichtlich, ihre Exportrouten an Russland vorbei zu diversifizieren. Gleichzeitig will sich auch Peking nicht dem Zwang aussetzen, seine energiepolitischen Geschäfte in Zentralasien mit Moskau abstimmen zu müssen. Die russischen Experten äußern aber vielmehr ihre Sorgen in Bezug auf die Verfügbarkeit der für den diversifizierten Erdgasexport aus Zentralasien notwendigen Mengen. Man äußert extreme Skepsis gegenüber den offiziellen Erwartungen einer steil steigenden Erdgasförderung auf jährliche 250 Mrd. Kubikmeter in Turkmenistan, 70 Mrd. in Kasachstan und 75 Mrd. in Usbekistan bis 2030. Vielmehr sieht man eine andere Realität, die den Ausbau der Exporte Turkmenistans nach China bei gleichzeitiger Lieferung der bisherigen (geschweige denn von größeren) Mengen nach Russland als zweifelhaft erscheinen lässt. So gewann Turkmenistan 2006 nach Angaben von British Petroleum 62 Mrd. Kubikmeter Gas. Die für 2007–2009 vereinbarten jährlichen Lieferungen nach Russland sollten 50 Mrd. Kubikmeter betragen. Mit der vertraglich vereinbarten Exportmenge von 7 Mrd. nach Iran und dem Binnenverbrauch von 17,4 Mrd. Kubikmetern jährlich, bliebe auch bei der ca. 10 % jährlich steigenden Förderung im Land nichts für die Lieferung von 30 Mrd. Kubikmetern nach China, geschweige denn von den geplanten weiteren 30 Mrd. Kubikmetern nach Russland übrig. Wenn man dazu noch die Pläne zum Bau einer kaspischen Unterseepipeline in Betracht zieht, durch die turkmenisches Gas in die geplante Nabucco Pipeline eingespeist werden soll, wird es verständlich werden, dass die Opposition Moskaus gegenüber dem Nabucco-Projekt viel eher von der Sorge um die Sicherstellung der für den eigenen Verbrauch notwendigen Mengen Gas aus Zentralasien als von jeglichen geopolitischen Erwägungen motiviert ist.

 I.R. Tomberg, Kaspij  : Die regionale Dimension der Probleme der Beförderung der Energieträger, a.a.O., S. 52.  I.R. Tomberg, Kaspij, Die regionale Dimension der Probleme der Beförderung der Energieträger, a.a.O., S. 51.

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Die dritte Erwägung, die die energiepolitische Relevanz Zentralasiens für Russland betont, hängt mit der Strategie der Entwicklung der russischen Gaswirtschaft zusammen. Schon ab 2010 soll sich die Gasförderung in den bereits erschlossenen russischen Feldern stabilisieren. Die zusätzliche Förderung soll dann von den noch zu erschließenden Feldern kommen. Gleichzeitig wird das Defizit unter der Berücksichtigung des Binnenverbrauchs und der Exportverpflichtungen auf 75 bis 150 Mrd. Kubikmeter geschätzt. Auch wenn diese Schätzung wegen der Wirkung der Wirtschaftskrise nach unten korrigiert werden sollte, sind die russischen Energiefirmen auf der Suche nach neuen Quellen, um die Gasbilanz auszugleichen. Es gilt dabei zu beachten, dass die Öl- und Gasförderung in Russland selbst – nicht zuletzt wegen der beträchtlich steigenden Selbstkosten – nur in einem beschränkten Maße ausgebaut werden kann. Aus diesem Grunde erwägen die großen russischen Energiefirmen die Option einer verstärkten Expansion ins Ausland. Verstärktes Einsteigen in die Öl- und Gasförderung in Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan gilt neben der Erschließung der Felder im russischen Sektor des Kaspischen Meeres als der strategische Schwerpunkt für diese Expansion, ohne die das Halten der gegenwärtigen Marktpositionen in Europa unmöglich werden könnte.10 Die relevanten russischen Firmen haben schon erste Schritte zur Umsetzung dieser Strategie unternommen, die aber noch als weit unzureichend gelten. Gazprom und Lukoil planen Investitionen in Milliardenhöhe in den Gassektor von Usbekistan, womit das Letztere zu einem der ernster zu nehmenden Gasproduzenten in Zentralasien aufgebaut werden soll. 2007 bekam Lukoil die Lizenz für die Erschließung von drei OffshoreGasfeldern im turkmenischen Sektor des Kaspischen Meeres. Weitere russische Firmen bekundeten ihr Interesse, einen Anteil an der Erschließung der Gasreserven Turkmenistans zu gewinnen. Mit der Lizenzvergabe an Zarubezhneft und Itera konnten russische Firmen mit der Erschließung von

  S.I. Tschernjavskij, Energetitscheskie ismerenija postsovetskogo prostranstva (Energiepolitische Dimensionen des postsowjetischen Raumes), in  : Die Südflanke der GUS, S. 35–39, hier S. 36. 10 I.R. Tomberg, Kaspij, Die regionale Dimension der Probleme der Beförderung der Energieträger, a.a.O., S. 43.



Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

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insgesamt sechs Offshore-Gasfeldern beginnen.11 Weitere Anliegen werden verhandelt. Es bleibt aber noch abzuwarten, was dies im Sinne der verfügbaren Menge bringen soll.

Machtpolitische Erwägungen Nicht zuletzt aus energiepolitischen, aber auch aus größer angelegten geopolitischen Erwägungen heraus, bemüht sich Moskau verstärkt um die Behauptung seiner ordnungspolitischen Rolle in der Region Zentralasiens. Zentralasien ist bisher der einzige Teil des postsowjetischen Raumes, in den der Einfluss Russlands durch die Expansion der extra-regionalen Mächte am wenigsten zurückgedrängt worden ist. Aber auch hier wird das, was von den nach Zentralasien reisenden Europäern als Omnipräsenz Russlands wahrgenommen wird, in Moskau oft als ein ständiges Ringen gegen die mit den Jahren fortschreitende Reduzierung des russischen Einflusses wahrgenommen. Dies insbesondere im Wettstreit mit China, teilweise aber auch mit den USA, die nach Beginn der Afghanistan-Kampagne 2002 nicht zuletzt durch ihre militärische Präsenz in der Region Fuß gefasst haben. Auf unterschiedlichen Schienen bemüht sich Moskau um die Entwicklung und Institutionalisierung regionaler Kooperation in Zentralasien unter Einschluss Russlands und gleichzeitig unter Ausschluss anderer extra-regionaler Mächte, wo immer das möglich erscheint. Diesem Ziel soll die Förderung einer Reihe regionaler Projekte dienen, mit denen die Staaten Zentralasiens stärker eingebunden werden sollen. Dazu gehören  : • die Entwicklung einer Zoll- und Wirtschaftsunion mit Kasachstan (und Belarus12), wobei angesichts der unbeständigen Politik des Präsidenten von Belarus der engere Zusammenschluss zwischen Russland und Kasachstan immer mehr zum Kernelement der „Integrationspolitik“ Russlands in Zentralasien und darüber hinaus in der GUS wird  ;

11 Vgl.  : I.R. Tomberg, Kaspij, Die regionale Dimension der Probleme der Beförderung der Energieträger, a.a.O., S. 44, Vladimir Socor, Turkmenistan Still Taking „Time-Out From Gazprom”, a.a.O. 12 2003 sollte die Wirtschaftsunion unter Einschluss der Ukraine gegründet werden. 2005 stieg aber Kiew endgültig aus dem Projekt aus.

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Andrei Zagorski

• der Ausbau der Euroasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft (EURASEC), der allerdings zwei Staaten Zentralasiens – Turkmenistan und Usbekistan – nicht angehören, sowie • die Vertiefung der sicherheitspolitischen Kooperation mit zentralasiatischen Staaten unter der Obhut der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (CSTO), die alle Staaten Zentralasiens außer Turkmenistan einschließt. Darüber hinaus sucht Moskau durch eine engere, unter anderem multilaterale Kooperation im humanitären Bereich, wenn nicht den Status der russischen Sprache aufzuwerten (sie ist allein in Kirgistan als eine offizielle Staatsprache anerkannt), so mindestens ihre Rolle als lingua franca in der Region zu festigen. Dafür sollen die kulturpolitische Präsenz Russlands in den Staaten Zentralasiens, die Kooperation im Bereich des Hochschulwesens (nicht zuletzt in Form von gemeinsam getragenen „slawischen“ Universitäten in Kirgistan und Tadschikistan) sowie der Empfang der russischen Fernsehsendungen gesichert und ausgebaut werden. Nach dem Ausscheiden Usbekistans aus der EURASEC musste man allerdings die ursprünglichen Erwägungen einer engeren Integration, wenn nicht einer Zusammenlegung von EURASEC und CSTO, deren Mitgliedschaft beinahe identisch war,13 fallen lassen. Der Mitgliedschaft einzelner Staaten Zentralasiens in der EURASEC und der CSTO wird in Moskau eine große symbolische Bedeutung zugemessen. Sie wird insbesondere vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, über die SCO auch China eine Rolle in der Gestaltung regionaler Zusammenarbeit zu gönnen, als ein Ausdruck der Loyalität gegenüber Moskau geschätzt und mit Präferenzen im handelspolitischen und im militärpolitischen Bereich honoriert. Die für Moskauer Verhältnisse großzügige Finanzhilfe an die Mitglieder der beiden Organisationen soll insbesondere mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise deren Loyalität gegenüber Russland weiter fördern. In den letzten Jahren unternahm Moskau verstärkte Anstrengungen, um den Aufbau der Region unter der ordnungspolitischen Führung Russlands schneller voranzutreiben.

13 Von den Teilnehmerstaaten der CSTO war nur Armenien, inzwischen aber auch Usbekistan nicht Mitglied in der EURASEC.



Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

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Im Juni 2009 fasste der russische Ministerpräsident einen überraschenden Beschluss, auf den individuellen, nach den meisten Schätzungen schon greifbar nahen Beitritt Russlands zur WTO zu verzichten, um die beschleunigte Verwirklichung der Zollunion mit Kasachstan und Belarus zu ermöglichen. Der Preis dafür war nicht nur die Zusage, dass alle drei Staaten zusammen als Zollunion ihren Beitritt zur WTO verhandeln würden, sondern auch die Bereitschaft, dem vom Beitritt am weitesten entfernt stehenden Belarus die Entscheidung zu überlassen, wie schnell oder, eher, wie langsam dieser Prozess gestaltet werden soll. 2008 und 2009 drängte Moskau seine CSTO-Partner verstärkt zur Einrichtung einer neuen Operativen Schnellen Eingreiftruppe. Mit dieser Entscheidung sollte die bereits bestehende, aber eher bescheidene Schnelle Eingreiftruppe der CSTO auf die zwei- bis dreifache Stärke aufgestockt und in eine kampffähige, ständig einsatzbereite Truppe verwandeln werden, die in Krisensituationen auf dem Territorium der Organisation (sprich in Zentralasien) zum Einsatz kommen sollte. Russland war bereit, eine Division und eine Brigade seiner Luftlandetruppen dafür bereitzustellen, Kasachstan war bereit, sich mit einer Brigade zu beteiligen, wobei andere Staaten bescheidenere Kontingente zur Verfügung stellen sollten.14 Über die bereits bestehenden russischen Stützpunkte in Zentralasien (den Luftstützpunk in Kant, Kirgistan, und einen Stützpunkt für mechanisierte Kräfte in Tadschikistan) sollte in der Südkirgisischen Stadt Osch an der Grenze zu Usbekistan ein weiterer Stützpunkt für die Stationierung der russischen Einheiten der neuen Schnellen Eingreiftruppe eingerichtet werden. Von diesem Plan musste Moskau aber wegen der Proteste aus Taschkent, das ähnlich wie Belarus eine eher distanzierte Haltung gegenüber der Aufstockung der Schnellen Eingreiftruppe der CSTO bezogen hat, vorübergehend absehen. Anfang 2009 wurde unter der Obhut der EURASEC ein Fond für Antikrisenmaßnahmen in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar eingerichtet, aus dem Maßnahmen zur Unterstützung der nationalen Wirtschaften insbesondere durch die Umsetzung gemeinschaftlicher Projekte finanziert werden sollen. Russland hatte mit 7,5 Mrd. Dollar maßgeblich zur Einsetzung des Fonds beigetragen (die restlichen 2,5 Mrd. sollen von Kasachstan gestiftet werden). 14 Vgl. u.a.  : Roger McDermott, CSTO Rapid Reaction Exercises Get Off To Discouraging Start, http  ://www.rferl.org/content/CSTO_Rapid_Reaction_Exercises_Get_Off_To_Discouraging _Start/1808735.html.

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Andrei Zagorski

Darüber hinaus wurden Staaten Zentralasiens zu den größten Empfängern russischer Finanzhilfe, die 2008 und 2009 bilateral gewährt wurde. Kasachstan wurde eine Anleihe in Höhe von 3,5 Mrd. Dollar zugesagt, Kirgistan eine Anleihe in Höhe von 2 Mrd. Dollar bei gleichzeitiger Abschreibung seiner Schulden. Die Finanzhilfe an die anderen GUS-Staaten außerhalb Zentralasiens war dagegen deutlich bescheidener ausgefallen  : Belarus bekam 2 Mrd. US-Dollar zugesagt, Armenien und Moldova je 500 Mio.15 Ob diese und eventuell andere Maßnahmen die Konsolidierung der Region unter der ordnungspolitischen Führung Moskaus ermöglichen und seiner „strategischen Partnerschaft“ mit Kasachstan sowie der EURASEC und der CSTO zur Aufwertung zu den tragenden Säulen der regionalen Zusammenarbeit verhelfen, bleibt aber weiterhin offen. Denn zum einen hat sich China mittlerweile zum wichtigsten Geldgeber in Zentralasien aufgebaut, der die westliche und die russische Finanzhilfe zusammengenommen überbieten kann. Peking hat sich nicht nur in den letzten Jahren zum wichtigsten Anbieter der „Entwicklungshilfe“ an die Einzelstaaten Zentralasiens (Tadschikistan und Kirgistan) aufgebaut, die zum Zweck des Ausbaus der Straßeninfrastruktur gewährt wurde, die die Hilfeempfänger mit China verbinden sollte. Auf dem Rücken der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise behauptete sich Peking als der mit Abstand größte Geldgeber in der Region, indem es Kasachstan eine Anleihe in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar zugesagt und den fünf Staaten Zentralasiens zusammen die Gewährung von weiteren 10 Mrd. Dollar über die SCO in Aussicht gestellt hatte.16 Obwohl die – für die Finanzierung der im Rahmen der Zentralasienstrategie der EU umzusetzenden Projekte – zur Verfügung stehenden Mittel im Vergleich mit der chinesischen Finanzhilfe eher bescheiden sind, fühlt sich Russland von beiden Akteuren zunehmend in die Ecke gedrängt. Denn es scheint an der Grenze der verfügbaren Mittel zur Finanzierung seiner machtpolitischen Ansprüche in Zentralasien angelangt zu sein, indem es insbesondere ab 2010 mehr an Auslandsanleihen aufnehmen müssen wird als es vergeben kann.

15 Siehe u.a.: Igor Torbakov, Vadim Kononenko, „Can’t buy me love“. Will the global economic downturn help Russia consolidate its influence in post-Soviet Eurasia  ? The Finnish Institute of International Affairs, Helsinki, Briefing Paper 38, 04 09.2009, S. 4. 16 Siehe u.a.  : Igor Torbakov, Vadim Kononenko, „Can’t buy me love“. Will the global economic downturn help Russia consolidate its influence in post-Soviet Eurasia  ? A.a.O., S. 6.



Die Interessen und Politik Russlands gegenüber Zentralasien

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Zum anderen scheinen es die Staaten Zentralasiens inzwischen gut gelernt zu haben, das Interesse der extra-regionalen Akteure – in erster Linie an ihren Energieressourcen – zu eigenen Gunsten einzusetzen und ihren Manövrierraum so weit auszubauen, dass sie sich nicht gezwungen fühlen, eine einseitige Anhängigkeit von einem der externen Akteure akzeptieren zu müssen. Auch nicht die von Russland.  

Franco Algieri

Die Zentralasienpolitik der Europäischen Union  : erste Versuche eines strategischen Ansatzes

Die lang anhaltende Reformkrise der Europäischen Union (EU) scheint mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 überwunden zu sein. Somit ist eine, den Bedürfnissen der erweiterten EU besser angepasste Vertragsgrundlage geschaffen. Damit einhergehend ergeben sich Veränderungen für die Gestaltung der Außenbeziehungen der EU. Exemplarisch hierfür steht die Aufwertung der Funktion des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Als erste Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik wird Catherine Ashton in einer doppelten institutionellen Einbettung im Rat einerseits und in der Europäischen Kommission andererseits eine zentrale Akteursrolle in der europäischen Außenpolitik einnehmen. Unterstützend kommt der neu zu schaffende Europäische Auswärtige Dienst hinzu. Wie sich diese neuen institutionellen Strukturen letztendlich auf den Politikformulierungsprozess sowie die globale Rolle der EU auswirken werden, wird sich erweisen. Ebenso wird zu untersuchen sein, ob und wie sich bestehende Ansätze gegenüber dritten Staaten und Regionen verändern werden. Grundlegend hierfür ist es jedoch, Klarheit über die bislang bestehenden Aspekte der Außenbeziehungen der EU gegenüber Dritten zu haben. In der, unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007, von den Mitgliedstaaten der Union angenommen, EU-Zentralasienstrategie wird diese Region als ein seit Jahrhunderten bestehendes „Bindeglied zwischen Europa und Asien“ beschrieben. Sehr allgemein wird darin festgestellt  : „Mit Anbruch des 21. Jahrhunderts ist die Zeit für eine neue Partnerschaft zwischen der EU und den zentralasiatischen Staaten in einer globalisierten Welt gekommen.“ Im Folgenden wird dargestellt, weshalb die EU diese strategische Partnerschaft aufbaut, mit welchen Instrumenten sie umgesetzt wird und wo Schwachpunkte liegen. Darüber hinaus wird ein Blick auf die Rolle ausgewählter Akteure gerichtet,  Rat der Europäischen Union, Die EU und Zentralasien, Strategie für eine neue Partnerschaft, 10113/07, Brüssel, 31.5.2007, S. 2.  Ebenda.

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Franco Algieri

die Einfluss auf die Region Zentralasien auszuüben versuchen und welche Implikationen sich dadurch für die EU ergeben.

1. Die Bedeutung Zentralasiens für die EU

Dem Bertelsmann Transformationsindex 2006 folgend sind Kasachstan und Kirgistan als gemäßigte Autokratien und Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan als Autokratien einzustufen. In einer Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik wird nur für Kasachstan und Turkmenistan von einem „grundsätzlich funktionierenden staatlichen Gewaltmonopol“ ausgegangen. Zu den weitverbreiteten Problembereichen in den Staaten Zentralasiens zählt die Europäische Kommission folgende Punkte  : • • • • •

eine mangelnde oder nur langsam voranschreitende Demokratisierung, die Menschenrechtsfrage, religiös motivierter Radikalismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, demografischer Druck, der die entsprechenden sozialen Dienstleistungen überfordert, • unzureichende Umsetzung von marktwirtschaftlichen Reformen, • ein schlechtes Geschäfts- und Investitionsklima, • zunehmende Einkommensunterschiede und eine damit einhergehende Armut, Als die Region – und damit alle fünf „Stan“-Staaten betreffende – Herausforderungen werden genannt  : • die Bekämpfung der transnationalen Kriminalität, • die Verbesserung der Grenzsicherung,

 Bertelsmann Stiftung (hg.), Bertelsmann Transformation Index 2006, Gütersloh 2005, S. 129– 150.  Jörn Grävingholt, Staatlichkeit und Governance, Herausforderungen in Zentralasien und im Südkaukasus, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Analysen und Stellungnahmen, Nr. 2, 2007, S. 2.  European Community, Strategy Paper 2002–2006 & Indicative Programme 2002–2004 for Central Asia, Brussel, S. 3.



Die Zentralasienpolitik der Europäischen Union  : erste Versuche eines strategischen Ansatzes

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• die Erzielung von ökonomischer Diversifizierung, • eine Verstärkung des intraregionalen Handels wie auch der Zugang zu den Weltmärkten, • ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen. Am Beispiel Zentralasien zeigt sich die Vielschichtigkeit von Problemen und Herausforderungen, die nicht nur eine regionale, sondern auch eine globale Dimension haben. Neben der geopolitischen Lage zwischen den Weltmächten Russland und China sowie in unmittelbare Nähe zu Afghanistan ist die handelspolitische Bedeutung Zentralasiens für die EU zu betrachten. Hinsichtlich des letzteren Aspekts kann eine Differenzierung der Interessenwertigkeit zentralasiatischer Staaten für die EU festgestellt werden. Kasachstan ist im Vergleich der zentralasiatischen Staaten die führende Wirtschaftsmacht und das kasachische Bruttoinlandsprodukt übertrifft jenes der anderen vier zentralasiatischen Staaten in seiner Gesamtheit. Im Jahr 2008 betrug der Anteil der Importe aus Kasachstan 1,1 % der Gesamtimporte der EU. Umgekehrt gingen 0,4 % der EU-Exporte in dieses zentralasiatische Land. Die zentralasiatischen Staaten spielen in der Außenhandelsstatistik der EU–27 keine hervorzuhebende Rolle. In der Reihe der Handelspartner der EU im Jahr 2008 lag Kasachstan an 28., Turkmenistan an 71., Usbekistan an 86., Tadschikistan an 136. und Kirgistan an 142. Stelle. Umgekehrt war die EU–27 im selben Jahr für Kasachstan der größte, für Turkmenistan und Usbekistan der zweitgrößte, für Tadschikistan der drittgrößte und für Kirgistan der viertgrößte Handelspartner. Der Aspekt der Versorgung mit Erdöl und Gas wird für die EU immer wichtiger und hat nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine sicherheitspolitische Bedeutung. In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom März 2007 wird darauf hingewiesen, dass für die Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptes für die Energieaußenpolitik „Dialogforen und Partnerschaften zwischen Verbraucher- und Erzeugerländern, zwischen Verbraucherländern untereinander und zwischen Verbraucher- und Transitländern“

 International Crisis Group, Central Asia’s energy risks, Asia Report, No. 133, Brussels/Bishkek, 24 May 2007, S. 3.  Siehe zu den Zahlen, falls nicht anders angegeben, http  ://ec.europa.eu/external_relations /central_asia/index_en.htm [28.9.2009].  Europäischer Rat (Brüssel), 8./9. März 2007, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Brüssel 2.5.2007, Anlage I. Punkt 4.

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Franco Algieri

Tabelle 1  : Handelspartner der Staaten Zentralasiens im Jahr 2008 (Prozent) Kasachstan

Kirgistan

Importe aus EU

21,0

4,1

Tadschikistan Turkmenistan 6,4

15,7

Usbekistan 17,9

Exporte in EU

45,9

2,5

24,7

25,8

11,0

Importe aus Russland

36,5

13,9

24,5

16,6

27,6

Exporte nach Russland

12,3

29,6

15,7

0,9

25,3

Importe aus China

24,3

70,5

26,0

14,7

16,3

Exporte nach China

14,3

7,6

1,7

0,3

6,1

Importe aus USA

2,5

0,5

1,6

1,3

4,1

Exporte nach USA

2,9

0,2

0,8

1,3

4,9

Importe aus Iran

0,1

0,1

2,2

5,3

-

Exportenach Iran

3,4

0,9

9,8

14

3,5

Importe aus Türkei

2,2

2,2

5,4

14,6

4,5

Exporte nach Türkei

4,1

3,1

13,8

3,5

9,7

Quelle  : http  ://ec.europa.eu/external_relations/central_asia/index_en.htm [Zugriff  : 15.10.2009].

Tabelle 2  : Rangfolge ausgewählter Handelspartner der zentralasiatischen Staaten Kasachstan

1. EU, 2. Russland, 3. China, 4. Türkei, 5. USA, 6. Iran

Kirgistan

1. China, 2. Russland, 4. EU, 5. Türkei, 10. USA, 17. Iran

Tadschikistan

1. Russland, 2. China, 3. EU, 6. Türkei, 7. Iran, 13. USA

Turkmenistan

1. Ukraine, 2. EU, 3. Iran, 4. Türkei, 5. Russland, 7. China, 10. USA

Usbekistan

1. Russland, 2. EU. 3. China, 5. Türkei, 8. USA,13. Iran

Quelle  : http  ://ec.europa.eu/external_relations/central_asia/index_en.htm [Zugriff  : 15.10.2009]

einbezogen werden sollen. In Bezug auf die Rolle von Transitländern stellten die Kommission und der Hohe Vertreter für die GASP 2006 gemeinsam fest  : „Der Realisierung großer internationaler Ölleitungen für den Transport von Öl aus der kaspischen Region und aus Zentralasien in die EU kommt ebenfalls eine wesentliche Bedeutung zu.“ Dies bedeutet, dass nicht nur die interregionale Beziehung EU-Zentralasien und die bilateralen Beziehungen  Papier der Kommission und des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für den Europäischen Rat, Eine Außenpolitik zur Förderung der EU-Interessen im Energiebereich, S160/06. Brüssel 2006, S. 3.



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der EU zu den einzelnen zentralasiatischen Staaten zu beachten sind, sondern parallel hierzu auch die Beziehungen der EU zu den Nachbarländern dieser Region. Bezüglich der Transitländer handelt es sich hierbei insbesondere um Russland und die Türkei. Im Sinne einer Diversifizierungsstrategie und Reduzierung der Abhängigkeit von einem Energie liefernden Land gewinnen zentralasiatische Staaten für die EU an Bedeutung. Doch das Argument, Zentralasien sei wegen der dortigen Erdöl- und insbesondere der Erdgasvorkommen für die Energiesicherheit der EU von strategischem Interesse, muss genauer betrachtet werden. Der Anteil von Gas bei der primären Energieversorgung betrug im Jahr 2004, auf die EU–27 bezogen, 24 %.10 Die relevanten Lieferländer sind Kasachstan und Turkmenistan. Das für die EU wichtigste zentralasiatische Land hinsichtlich der Rohölimporte ist Kasachstan. Im Jahr 2006 betrug der Anteil kasachischen Öls 4,8 % an den Gesamtölimporten der EU.11 Ölimporte aus Kasachstan tragen für einige EU-Mitgliedstaaten in nicht unerheblichem Maße zu deren Gesamtölimporten bei  : im Fall von Rumänien mit 27 %, von Österreich mit 22 % und von Bulgarien mit 10 %.12 Im Falle Rumäniens ist zusätzlich zu beachten, dass 19 % der Kohleimporte ebenfalls aus Kasachstan stammen.

2. Die Zentralasienpolitik der EU Ein mit ausschlaggebendes Moment für die Intensivierung der Beziehungen zu Zentralasien war der infolge der Terrorangriffe vom 11. September 2001 ausgelöste und immer noch andauernde Afghanistan-Konflikt. In der EU-Zentralasienstrategie wird dieser Zusammenhang noch weiter präzisiert. „Die EU muss in Fragen der Sicherheit und der regionalen Wirtschaftsentwicklung mit jedem der zentralasiatischen Staaten eng zusammenarbeiten, wobei jeweils die geografische Lage, insbesondere im Verhältnis zu Afghanistan, Pakistan und Iran berücksichtigt werden muss.“13

10 Commission of the European Communities, SEC (2007) 12, Commission Staff Working Document, EU Energy Policy Data, Brussels 10.1.2007. 11 http  ://ec.europa.eu/energy/publications/doc/statistics/part_2_energy_pocket_book_2009.pdf [Zugriff  : 28.9.2009]. 12 Commission of the European Communities, SEC (2007) 12, a.a.O. 13 Rat der Europäischen Union, Die EU und Zentralasien, Strategie für eine neue Partnerschaft, a.a.O., S. 3.

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Zwar wurde in der Vergangenheit auf ein mangelndes Engagement der Europäer in Zentralasien hingewiesen,14 doch spätestens mit der Einigung auf die Zentralasienstrategie der EU im ersten Halbjahr 2007, hat sich eine neue Qualität in den europäisch-zentralasiatischen Beziehungen eingestellt. Doch bereits in der Zeit davor folgte die EU einem strukturierten Ansatz gegenüber der Region insgesamt wie auch bilateral gegenüber einzelnen Staaten.15 Als übergeordnetes Ziel der Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten steht für die EU die Stärkung demokratischer Prinzipien und der Menschenrechte sowie die Transformation zu marktwirtschaftlichen Systemen.16 Seit 1991 sind seitens der EG mehr als eine Mrd. Euro für Zentralasien aufgebracht worden, und zwar nicht nur in spezifischen sektoralen, sondern auch in breiter angelegten Programmen, wie beispielsweise dem TACISProgramm oder der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte (European Initiative for Democracy and Human Rights, EIDHR).17 Partnerschafts- und Kooperationsabkommen der EG bestehen mit Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan und traten jeweils am 1. Juli 1999 in Kraft.18 Das Abkommen mit Turkmenistan war im Mai 1998 und jenes mit Tadschikistan im Oktober 2004 unterzeichnet worden. Beide sind aber aufgrund noch nicht abgeschlossener Ratifizierungsverfahren bislang nicht in Kraft getreten. Die Verbesserung der Beziehungen soll nicht nur auf die technische Ebene beschränkt bleiben, sondern soll auch eine Verdichtung der direkten diplomatischen Kontakte einschließen. So fand beispielsweise vom 27.–28. März 2007, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, das erste Treffen auf Außenministerebene der EU-Troika und der Staaten Zentralasiens statt. Die Bestimmung eines EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien kann als ein weiteres Indiz dafür gedeutet werden, dass die Union der Region mehr Aufmerksamkeit widmet. Im Juli 2005 war vom Rat in Form einer Gemeinsamen Aktion Ján Kubis als Sonderbeauftragter für Zentralasien bestimmt worden  ; 14 So beispielsweise Friedemann Müller, Machtspiele um die kaspische Energie  ? in  : Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 4, 23.1.2006, S. 3–10, hier S. 10. 15 Vgl. European Community, Strategy Paper 2002–2006 & Indicative Programme 2002–2004 for Central Asia. 16 Vgl. Alexander Warkotsch, Die Demokratisierungspolitik der EU in Zentralasien, in  : Annette Jünemann, Michèle Knodt (hg.), Externe Demokratieförderung durch die Europäische Union, Nomos, Baden-Baden 2007, S. 185–200. 17 European Community, Regional Strategy Paper for Assistance to Central Asia for the period 2007–2013, S. 6. 18 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 248, 21.9.1999, S. 35–36.



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ein Jahr danach folgte Pierre Morel in diesem Amt.19 Mit dem Amt des Sonderbeauftragten werden verschiedene Funktionen verbunden  :20 • Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und Zentralasien, • Förderung von Stabilität und Kooperation zwischen den zentralasiatischen Staaten, • Stärkung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Good Governance und der Menschenrechte sowie der Grundfreiheiten, • Thematisierung der größten Herausforderungen und ihrer Implikationen für die EU, • Verbesserung der Wirkung und Sichtbarkeit der EU in der Region. Die Politik der EU gegenüber Zentralasien kann in drei sich gegenseitig beeinflussende Themenfelder eingeordnet werden  : Erstens Sicherheitspolitik in der Region (einschließlich ihrer weiterreichenden Auswirkungen), zweitens politische, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Konsolidierung sowie drittens Energiepolitik. Hinsichtlich der Dimension der Sicherheitspolitik wurde bereits erwähnt, dass die EU den Staaten Zentralasiens seit dem 11. September 2001 eine besondere Bedeutung beimisst. Die geografische Lage Zentralasiens und die sicherheitspolitisch brisante Situation in der südlichen Nachbarschaft sind hinlänglich bekannt. Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan haben gemeinsame Außengrenzen mit Afghanistan. Usbekistan kommt hierbei an der Nordgrenze Afghanistans eine besondere Funktion als strategischer Lufttransportstützpunkt für die deutsche Bundeswehr im Rahmen des ISAF-Einsatzes zu. Das Interesse an und die Unterstützung von Sicherheit und Frieden in der Region durchziehen die europäische Politik gegenüber Zentralasien. Mittels des politischen Dialogs EU-Zentralasien soll die Zusammenarbeit zwischen diesen Staaten untereinander und von ihnen mit der EU gefördert werden. In der Europäischen Sicherheitsstrategie ist festgehalten, dass darauf hingearbeitet werden soll, „dass östlich der Europäischen Union und an den

19 Gemeinsame Aktion, 2005/588/GASP, in  : Amtsblatt der EU, L 199 2005  ; Gemeinsame Ak­tion 2006/118/GASP, in  : Amtsblatt der EU, L 49 2006  ; Gemeinsame Aktion 2007/113/ GASP, in  : Amtsblatt der EU, L 46 2007  ; Gemeinsame Aktion 2009/130/GASP, in  : Amtsblatt der EU L 46 2009. 20 www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressdata/EN/declarations/91153.pdf [Zugriff  : 28.9.2009].

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Mittelmeergrenzen ein Ring verantwortungsvoll regierter Staaten entsteht, mit denen wir enge, auf Zusammenarbeit gegründete Beziehungen pflegen können“. Werden die zentralasiatischen Staaten im Sinne von „Nachbarn der EU-Nachbarschaft“21 gesehen, so kann dieser Ring also auch Zentralasien einschließen. Des Weiteren wird, der multilateralen Ausrichtung europäischer Außenpolitik folgend, die Thematisierung sicherheitspolitischer Fragen in Dialogen mit anderen Nachbarstaaten der Region (beispielsweise China und Russland) wie auch Regionalorganisationen (beispielsweise der OSZE oder der Konferenz über Zusammenwirken und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien CICA) aufgegriffen. Was die politische, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Konsolidierung der Staaten Zentralasiens betrifft, besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Problemfeldern. Ob es sich um den Mangel an Rechtsstaatlichkeit, die unzureichenden politischen Partizipationsmöglichkeiten, die Korruption, Verbesserungsbedarf bei der Bildung und den sozialen Sicherungssystemen, Armut, schlechte Investitionsbedingungen oder Umweltprobleme handelt, all dies hat umfassende Konsequenzen für die innere Stabilität der Staaten wie auch der Region insgesamt. Um auf die Bandbreite von Problemen angemessen reagieren zu können, wendet die EU einen Policy-Mix an, d.h. neben entwicklungs- und kooperationspolitischen Maßnahmen sind insbesondere der Bereich der GASP (beispielsweise bezüglich Maßnahmen gegen den Drogenhandel und den Terrorismus) sowie Fragen der Grenzsicherung, der Migration, des Handels und der Energie, des Transports und der Umweltpolitik relevant.22 Hierin spiegelt sich die Bemühung der EU wider, „die strategische Planung und die Kohärenz zwischen den verschiedenen außenpolitischen Instrumenten der Union sowie die Zusammenarbeit der EU-Organe untereinander sowie zwischen den EU-Organen und den Mitgliedstaaten“23 zu verbessern. 21 Die EU betrachtet die zentralasiatischen Staaten wegen deren geografischer Lage und deren starker politischer, ökonomischer und kultureller Beziehungen zu osteuropäischen Staaten, auf die die Union ihre neuen Politiken ausrichtet (wie die Europäische Nachbarschaftspolitik, oder die vier Gemeinsamen Räume mit der Russischen Föderation), als die Nachbarn der EUNachbarschaft. 22 Ausführlich European Community, Regional Strategy Paper for Assistance to Central Asia for the period 2007–2013, S. 26 f. Zur Rechtsstaatlichkeitsinitiative der EU siehe Rico Isaacs, The EU’s rule of law initiative in Central Asia, in  : EUCAM – EU-Central Asia Monitoring, No. 9, 2009. 23 Europäischer Rat (Brüssel), 15./16. Juni 2006, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Brüssel, 17.7.2006, Punkt 32.



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Mit Blick auf die europäische Energiepolitik wurde bereits dargestellt, dass Zentralasien Beachtung in diesem Zusammenhang findet. Die Stärkung der Energiesicherheit wird „als wichtiger Aspekt der globalen Sicherheit“24 verstanden. Deshalb sollen die Staaten der Region bei der Erkundung neuer Öl-, Gas- und Wasserkraftressourcen, der Entwicklung weiterer Pipeline-Verbindungen und anderer Energietransportnetze sowie bei Maßnahmen zur regionalen Energiesicherheit und Zusammenarbeit von europäischer Seite unterstützt werden. Außerdem will die EU einen integrierten zentralasiatischen Energiemarkt und öffentlich-private Partnerschaften fördern.25 Insgesamt bedeutet dieser Ansatz eine Aufwertung Zentralasiens, aber dennoch ist diese Region, unter Berücksichtigung einer Gesamtschau aller Energielieferländer und -regionen der jeweils einzelnen 27 Mitgliedstaaten der EU, gegenwärtig nicht als der große strategische Energiesicherungsraum für die Union zu bezeichnen. Außerdem dürfen die Bedeutung der Transportwege und die damit verbundenen Implikationen nicht außer Acht gelassen werden. Für den Transport des zentralasiatischen Gases nach Europa behält Russland weiterhin eine Schlüsselrolle als Transitland, da 92 % des aus Zentralasien stammenden Gases durch Russland transportiert wird.26 „Central Asia’s natural gas will not resolve Europe’s energy security issue. Potentially, only a small amount of gas could get to Europe without passing through Russia, and this amount would not be enough to change the dynamics of Gazprom’s power.“27

3. Das Dilemma der EU-Zentralasienpolitik Es lässt sich feststellen, dass die Staaten Zentralasiens aus Gründen der sicherheitspolitischen, ökonomischen und energiepolitischen Interessen für die EU von strategischer Relevanz sind. Die Union folgt dem für sie kennzeichnenden Ansatz, durch Annäherung und Kooperation mehr Einflussmöglichkeiten auf die Regierungen der Region zu gewinnen. In einzelnen

24 Rat der Europäischen Union, Die EU und Zentralasien, Strategie für eine neue Partnerschaft, a.a.O., S. 12. 25 Vgl. zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit ausführlich Rat der Europäischen Union, Die EU und Zentralasien, Strategie für eine neue Partnerschaft, a.a.O., S. 13. 26 International Crisis Group, Central Asia’s energy risks, Asia Report, No. 133, Brussels/Bishkek, 24.5.2007, S. 17. 27 Ebenda, S. 37.

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Fällen kann dies aber zu Lasten der konsequenten Verfolgung einer wertgeleiteten Außenpolitik gehen. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit kennzeichnen das Funktionieren gesellschaftlicher Systeme in der Union. Das außenpolitische Handeln der EU orientiert sich daran und Artikel 11(1) EUV i.d.F. Nizza präzisiert dies wie folgt  : „Die Union erarbeitet und verwirklicht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die sich auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt und Folgendes zum Ziel hat  : […] die Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheit der Union im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen, […] die Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.“ Der Vertrag von Lissabon setzt dies entsprechend fort in Artikel 21 EUV. Ein weiterer Hinweis findet sich in Artikel 181a(1) EGV  : „Die Politik der Gemeinschaft […] trägt dazu bei, das allgemeine Ziel der Fortentwicklung und Festigung der Demokratie und des Rechtsstaats sowie das Ziel der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verfolgen.“ Dieses Grundverständnis wird in der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) noch weiter verstärkt  : „Die Qualität der Staatengemeinschaft hängt von der Qualität der sie tragenden Regierungen ab. Der beste Schutz für unsere Sicherheit ist eine Welt verantwortungsvoll geführter demokratischer Staaten. Die geeignetsten Mittel zur Stärkung der Weltordnung sind die Verbreitung einer verantwortungsvollen Staatsführung, die Unterstützung von sozialen und politischen Reformen, die Bekämpfung von Korruption und Machtmissbrauch, die Einführung von Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Menschenrechte.“ Diese wertgeleitete Politik ist zu einem charakterisierenden Bestandteil der Außenbeziehungen der EU geworden. Drittstaaten, die in Kooperationsbeziehungen zur EU stehen, akzeptieren diesen Ansatz bzw. können ihn nur schwerlich ablehnen, da dies negative Auswirkungen auf den Mehrwert der Zusammenarbeit haben kann. Doch die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz einer wertegeleiteten und konditionalisierten, d.h. die vertragliche Verknüpfung mit Drittstaaten mit den genannten Werten der EU verlangt, dass alle Mitgliedstaaten diesen Ansatz unterstützen  : „That the EU is applying ‚multilateral’ conditionality […] may be considered more acceptable and legitimate than conditionality applied by a single state.“28 Wie sich im Vergleich der 28 Karen E. Smith, The use of political conditionality in the EU’s relations with third countries, How effective  ? in  : European Foreign Affairs Review, 1998 (2), S. 253–274, hier S. 257.



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Bezie­hungen EU-China und EU Birma/Myanmar zeigt, spielt die ökonomische und politische Bedeutung eines Drittstaats für die EU und ihre Mitgliedstaaten eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung über die Anwendung bzw. Nichtanwendung restriktiver Maßnahmen.29 Mögliche Maßnahmen, die zu einer Unterbrechung, Aussetzung oder gar einem Ende der vertraglich fixierten Beziehungen führen, können vom Rat beschlossen werden.30 Die EU befindet sich in der Zwangslage, einerseits mit autoritären Regimen zu kooperieren und andererseits die Glaubwürdigkeit einer wertgeleiteten europäischen Außenpolitik aufrechtzuerhalten. Beispielhaft stehen die Beziehungen zu Usbekistan.31 Als Reaktion auf die Gewaltanwendung von usbekischen Sicherheitskräften in Andijan im Mai 2005 hatte der Rat zunächst die Behörden dieses zentralasiatischen Staates aufgefordert, einer von den Vereinten Nationen geforderten unabhängigen Untersuchung nachzukommen. Nachdem diese Aufforderung ohne Reaktion geblieben war und die usbekische Regierung ihre Haltung nicht geändert hatte, nahm der Rat im darauf folgenden November in einem gemeinsamen Standpunkt restriktive Maßnahmen gegenüber Usbekistan an, die in der Folgezeit regelmäßig verlängert wurden.32 Die Embargomaßnahmen bezogen sich unter anderem auf den Handel mit Rüstungsgütern und Waffen, einschließlich entsprechender technischer Hilfe. Im November 2006 wurden die Einschränkungen für Treffen auf der technischen Ebene aufgehoben, „um Usbekistan auf dem Wege des Dialogs zu veranlassen, die Grundsätze der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundfreiheiten zu beachten“33. Im Oktober 2009 beschloss der Rat einen Strategiewandel und entschied sich für keine weitere Verlängerung der restriktiven Maßnahmen.34 29 Franco Algieri, Unequal treatment, Democracy promotion of the EU in Myanmar/Burma and China, in  : Annette Jünemann, Michèle Knodt (hg.), a.a.O., S. 169–184. 30 Vgl. Raffaello Fornasier, Quelques refléxiones sur les sanctiones internationales en droit communautaire, in  : Revue du Marché Commun et de l‘ Union Européenne, 1996 (402), S. 670–677, Frédéric Naud, L’embargo, Une valse à trois temps Nations Unies, Union Européenne et Ètats membres, in  : Revue du Marché commun de l’Union européenne, 1997 (404), S. 25–33. 31 Vgl. zu Usbekistan Uwe Halbach  : Usbekistan als Herausforderung für westliche Zentralasienpolitik. SWP-Studie, S 26, Berlin 2006. 32 Gemeinsamer Standpunkt 2005/792/GASP des Rates, in  : Amtsblatt der EU, L 299 2005  ; Gemeinsamer Standpunkt 2006/787/GASP des Rates, in  : Amtsblatt der EU, L 318 2006  ; Gemeinsamer Standpunkt 2008/843/GASP des Rates, in  : Amtsblatt der EU L 300. 33 Gemeinsamer Standpunkt 2006/787/GASP des Rates, a.a.O. 34 Council of the European Union, Council conclusions on Uzbekistan, 2971st External Relations Council meeting, Luxembourg, 27.10.2009.

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Die Politik der EU gegenüber Usbekistan wurde dahingehend kritisiert, dass kurzfristige Interessenpolitik Vorrang vor einer nachhaltigen Entwicklungspolitik erhält.35 Doch liegt eine Isolierung Usbekistans, nicht zuletzt aus sicherheitspolitischen Erwägungen, d.h. der oben genannten strategischen Bedeutung des Landes als Nachbarstaat Afghanistans, nicht im Interesse der EU und ihrer Mitgliedstaaten. In diesem Sinne bietet Artikel 2 des Gemeinsamen Standpunkts vom November 2005 entsprechenden Interpretationsspielraum, denn darin sind die Ausnahmen zu den Embargomaßnahmen festgelegt. Diese Ausnahmen können dann Anwendung finden, wenn die „Lieferung, der Transfer oder die Ausfuhr von Waffen und Ausrüstung […] an die Sicherheitskräfte in Usbekistan durch Länder, die ihren Beitrag zur Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) und zur Operation Enduring Freedom (OEF) leisten“ betreffen.36 Mit dem vollzogenen Strategiewechsel wird nun versucht, Reformen zu unterstützen und Anreize zum Wandel zu bieten. Damit zusammenhängend steht die grundsätzliche Frage nach der Wirkungskraft von Sanktionen als Mittel der europäischen Außenpolitik. Werden beispielsweise die von der EU als unverändert besorgniserregend bezeichnete Lage der Menschenrechte und die ausbleibende Demokratisierung in Burma/Myanmar als Beispiel herangezogen, stellt sich die Frage, inwieweit die seit über einem Jahrzehnt angewandten Sanktionsmaßnahmen weitergeführt werden sollen und ob eine Änderung der Strategie in Richtung Handel durch Wandel angewandt werden soll.37 Aus Sicht des Europäischen Parlaments bleibt das Festhalten an den genannten Werten Grundvoraussetzung für die Glaubwürdigkeit europäischer Außenpolitik. Doch das Parlament erkennt gleichzeitig, dass dadurch Friktionen und Missverständnisse in den Beziehungen zu Drittstaaten entstehen können.38 Die Erkenntnis, „dass 35 Sukhorobjon Ismailov, Balazs Jarabik, The EU and Uzbekistan, Short-term interests versus long-term engagement, EUCAM – EU-Central Asia Monotoring, No. 8. 36 Gemeinsamer Standpunkt 2005/792/GASP des Rates, a.a.O., Artikel 2ii. 37 Vgl. An independent report for the European Commission, Supporting Burma/Myanmar‘s national reconciliation process, Challenges and opportunities, Brussels, January 2005  ; Hervé Jouanjean, National reconciliation and foreign assistance, The future of the people is our challenge, Brussels, 5.4.2005. 38 Europäisches Parlament A3-0011/94, Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit über die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der VR China, Berichterstatterin Maria Adelaide Aglietta. PE 205.922 endgültig, 0711.1994  ; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 166, Entschließung des Europäischen Parlaments vom



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westliche Akteure nur noch geringen Einfluss auf die jeweiligen Regierungen haben“39 wächst. Dem Argument, die EU gebe wegen energiepolitischer Interessen im Falle Zentralasiens ihren Menschenrechtsansatz auf, wird aus offizieller EU Perspektive widersprochen.40 4. Die Bedeutung weiterer Akteure in Zentralasien Auf Zentralasien als Region sind eine Vielzahl von Partikularinteressen verschiedener Staaten und regionaler Organisationen gerichtet.41 Zu nennen sind insbesondere Russland, China, die USA, die Türkei, der Iran, Indien, die OSZE, die NATO und die EU. Die Aussage, „in Zentralasien treffen die rivalisierenden Machtprojektionen der Vereinigten Staaten, der EU, Chinas und auch Russlands, Irans und Japans aufeinander“42 ist mit Blick auf die Bedeutung der EU zu relativieren. Die EU kann hinsichtlich ihrer Art, Macht zu projizieren nicht mit Akteuren der internationalen Politik wie China oder Russland verglichen werden. Aufgrund der spezifischen systemischen Art der EU sind Vergleiche mit Staaten kaum möglich. Grundsätzlich ist die Lage in Zentralasien in den Dialogen der EU mit den entsprechenden Drittstaaten ein häufig vorzufindendes Thema. Doch ein gemeinsamer strategischer Dialog über Zentralasien der EU, mit einem oder mehreren dieser dritten Staaten, ist nicht erkennbar. Sicherlich mögen über andere Themen und Kooperationsformen, die von der EU mit Dritten durchgeführt oder zumindest diskutiert werden, Verbindungen zu Zentralasien hergestellt werden. So kann im Zusammenhang der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Aufbau einer transatlantischen Energiepartnerschaft möglich wäre,43 auch das Thema der energiepolitischen Bedeutung Zentralasiens aufgegriffen werden. 14.6.1995 zur Mitteilung der Kommission an den Rat „Auf dem Weg zu einer neuen Asienstrategie“, 3.7.1995. 39 Halbach, a.a.O., S. 35. 40 So Pierre Morel, der Sonderbeauftragte für Zentralasien, vgl. Agence Europe, Nr 9423, 10. 5.2007, S. 5. 41 Vgl. weiterführend Johann Schmid, Strategische Entwicklungslinien in Zentralasien, in  : Europäische Sicherheit, Nr. 6, 2007, S. 22–28 sowie Aus Politik und Zeitgeschichte, Themenheft zu Zentralasien, Nr. 4, 2006. 42 Mehdi P. Amineh, Die Politik der USA, der EU und Chinas in Zentralasien, in  : Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 4, 23. Januar 2006, S. 11–18, hier S. 12. 43 Florian Baumann, Energy security, A transatlantic challenge, CAP Policy Analysis, No. 2, 2007.

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Russland kommt nicht nur aus Gründen historisch bedingter Entwicklungen und Beziehungen eine besondere Rolle zu. Darüber hinaus ist Russland der zentrale Akteur, wenn es um den Transit zentralasiatischen Gases in die Richtung der EU geht. Doch „die Vorherrschaft Russlands in Zentralasien ist […] nicht mehr so eindeutig, wie sie noch während der 1990er Jahre war.“44 Die Aufmerksamkeit richtet sich auf einen anderen Akteur, dessen Interessen und Einfluss in Zentralasien sich stetig fortentwickeln und der in den Außenbeziehungen der EU gegenüber Drittstaaten eine führende Position einnimmt  : die Volksrepublik China. Der Zusammenbruch der Sowjetunion und damit auch die Überwindung der sino-sowjetischen Spannungen rückte Zentralasien und China in ein neues regionales Beziehungsgefüge. Doch der Aufbau von Infrastruktur- und Kommunikationswegen verlangte und verlangt Zeit. Die Volksrepublik ist nicht nur an den wirtschaftlichen Verbindungen zu den zentralasiatischen Staaten interessiert. Ein zentrales Thema bildete die Klärung von Grenzstreitigkeiten mit den Ländern der Region und Mitte der 1990er Jahre erfolgte durch eine gemeinsame Grenzkommission mit Russland, Kasachstan und Kirgistan die Beilegung einer Vielzahl dieser Streitigkeiten. Immer wichtiger werden für die chinesische Regierung die ökonomischen und energiepolitischen Aspekte der Beziehungen zu den Staaten Zentralasiens. Mittels neuer Öl- und Gaspipelines mit Kasachstan und Turkmenistan soll eine zusätzliche Möglichkeit zur Deckung des ständig anwachsenden Energiebedarfs Chinas geschaffen werden. Kasachstan als Nachbarland und Erdöllieferant ist für China von strategischer Bedeutung, da es das einzige Land ist, von dem China auf dem direkten Landweg Erdöl bezieht.45 Neben dem handels- und energiepolitischen Interesse der VR China an Zentralasien hat sich in Folge des 11. Septembers 2001 ein neuer Interessenschwerpunkt herausgebildet  : die Eindämmung terroristischer und damit verbunden auch separatistischer Bewegungen. Seit den 1990er Jahren liegt es im Interesse der chinesischen Regierung, dass innenpolitischer Widerstand von Uiguren in der Provinz Xinjiang nicht aus zentralasiatischen Ländern unterstützt wird. Die Bemühungen Chinas um eine sicherheitspolitische Ordnung der Region reichen in die Mitte der 1990er Jahre zurück. 1996 lud China 44 Nadine Godehardt, Gegensätze in Zentralasien, China und Russland ziehen nicht an einem Strang, in  : GIGA Focus, Nr. 11, S. 6. 45 International Crisis Group, Central Asia’s Energy Risks, Asia Report No. 133, Brussels/Bishkek, 24.5.2007, S. 37.



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Russland, Tadschikistan, Kasachstan und Kirgistan zu einer Konferenz nach Schanghai ein, um vertrauensbildende Maßnahmen zu vereinbaren, in deren Zusammenhang aus dem Shanghai-Mechanismus die Shanghai Cooperation Organization (SCO) entstand.46 Ein wichtiges Thema in diesem Forum ist die Terrorismusbekämpfung. Die SCO weist zwar „einen relativ hohen Grad an Institutionalisierung und Verbindlichkeit auf “, doch besteht die Vermutung, „dass viele der vereinbarten Maßnahmen nicht über die deklaratorische Ebene hinauskommen“.47 Als hinderlich für die effektive Zusammenarbeit und hierbei insbesondere den Austausch an Informationen erweist sich „der Mangel an Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander“.48 Sicherlich ist es zutreffend, dass China und Russland in der SCO eine dominierende Rolle spielen, nicht nur aus Gründen der Sicherung von Rohstoffen. Beide Staaten sehen in dieser regionalen Kooperationsstruktur eine Möglichkeit zur Bekämpfung des Terrorismus. Eine gemeinsame Militärübung im August 2007 verdeutlichte, dass sich die SCO nicht nur als „diplomatischer Redeverein“49 versteht. Es stellt sich die Frage, ob die EU durch eine Annäherung an die SCO eine neue Möglichkeit erlangen könnte, um ihren Einfluss in Zentralasien zu stärken.50 In der Bishkek-Erklärung der SCO vom 16. August 2007 wird auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren eingegangen  : „The SCO members reiterate that the Organisation is open for interaction with all interested partners based on the international law and generally accepted norms of international relations with the aim of finding mutually acceptable solutions for the pressing problems if modernity.“51 In der Zentralasienstrategie der EU ist festgehalten, dass die Union den Dialog mit der SCO im Rahmen von „regelmäßigen Ad-hoc-Kontakten“ mit regionalen Organisationen pflegen will. Konkret soll die Zusammen46 Zu den Mitgliedern der SCO zählen China, Russland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. 47 Gudrun Wacker, Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, Wider die „drei üblen Kräfte“ von Terrorismus, Separatismus und Extremismus, in  : Ulrich Schneckener (hg.), Chancen und Grenzen multilateraler Terrorismusbekämpfung, SWP-Studie, S 14, S. 75–84, hier S. 81. 48 Gudrun Wacker, Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, a.a.O., S. 82. 49 Not quite the pact that was, in  : The Economist, 25.8.2007. S. 56–57. 50 Im Sinne einer Hinwendung der EU zur SCO vgl. Oksana Antonenko, The EU chould not ignore the Shanghai Co-Operation Organisation, Centre for European Reform Policy Brief, London, May 2007. 51 Bishkek Declaration, http  :www.sectsco.org/news_detail.asp  ?id=1753&LanguageID=2 [Zugriff  : 19.9.2007].

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arbeit mit China und der SCO auf dem Gebiet des illegalen Drogenhandels gestärkt werden. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich aus dieser zunächst begrenzten Kooperation eine Vertiefung der Kontakte erzielen lässt. Dass sich hieraus eine umfassende Möglichkeit für europäische Interessendurchsetzung in Zentralasien ergibt, kann angezweifelt werden. In der BishkekErklärung wird als eine der grundlegenden Normen festgehalten, dass jeder Staat das Recht hat, seine Entwicklung eigenständig zu entscheiden. Hier besteht ein klarer Bezug zum Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten, was wiederum eines der zentralen Prinzipien chinesischer Außenpolitik ist. Dies ist für die EU dahingehend zu deuten, dass die Durchsetzung ihrer Werte der Außenpolitik über diesen Weg nicht zielführend wäre.

5. Bewertung und Ausblick Ob sich es sich angesichts der Rolle und Interessen externer Akteure in Zentralasien um ein neues „Great Game“ handelt bleibt dahingestellt.52 Was den Einfluss der EU auf Zentralasien betrifft, so kann dieser gegenwärtig als begrenzt bezeichnet werden. Gewiss ist es zutreffend, dass der Erfolg der europäischen Politik gegenüber Zentralasien an die Leistungsfähigkeit der GASP geknüpft ist.53 Auch bleibt festzustellen, dass die Mitgliedstaaten der EU in der jüngeren Vergangenheit damit begonnen haben, wesentlich unmissverständlicher auszudrücken, was ihre, im Rahmen einer europäische Außenpolitik gemeinsam zu verfolgenden Interessen sind. Vage bleiben sie aber dann, wenn es darum geht, einen kohärenten und klaren strategischen Ansatz zu bestimmen. Die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) von 2003 sowie der Bericht zur Umsetzung der ESS von 2008,54 ebenso wie Länder- und Regionalstrategien der (einschließlich jener gegenüber Zentralasien) bilden zwar eine nützliche Grundlage, auf der europäische Außenpolitik entwickelt werden kann, doch fehlt ihr eine weitere Präzisierung.

52 Stefan Meister, Alexander Rahr, Geopolitics or partnership  ? Central Asia after the RussianGeorgian war, DGAP aktuell, Nr. 2, 2009. 53 So die Argumentation von Mehdi P. Amineh, Die Politik der USA, der EU und Chinas in Zentralasien, in  : Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 4, 23. Januar 2006, S. 11–18, hier S. 17. 54 Vgl. Franco Algieri/Arnold Kammel  : Neuer Wein in alten Schläuchen. Der Bericht zur Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie. AIES Fokus 1, 2009.



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Unverkennbar ist, dass es im Rahmen der europäischen Außenpolitik Staaten gibt, die beispielsweise aufgrund historisch oder geografisch bedingter besonderer Beziehungen zu anderen Staaten und Regionen eine Führungsrolle übernehmen. Für die Zentralasienpolitik der EU fällt diese Rolle Deutschland zu, das im Rahmen seiner EU-Präsidentschaft 2007 die Zentralasienstrategie auf den Weg gebracht hat. Werden die Erwartungen hinsichtlich dieser Strategie nicht zu hoch angesetzt, so liegt ihr Wert darin, dass die Aufmerksamkeit gegenüber der Region Zentralasien als Teil europäischer Außenpolitik größer geworden ist.55 Sicherlich ist es mit Blick auf die Region Zentralasien kein Interesse der EU, in einem Konfliktszenario Kampftruppen einzusetzen. Vielmehr versucht die EU, mittels Dialog- und Kooperationsstrukturen auf die Entwicklung der Staaten in der Region Einfluss zu nehmen. Europäische Außenpolitik in Optionen zu gestalten, kann aber beinhalten, dass Wege diskutiert werden, ob und wie strategische Kooperationen mit anderen Staaten so ausgestaltet werden, dass europäische Interessen darin zum Tragen kommen. Mit Blick auf die beschriebene Region bedeutet dies für die EU, einen strategischen Zentralasiendialog mit Russland und China zu führen.  

55 Vgl. Neil Melvin, Jos Boonstra, The EU strategy for Central Asia @ Year One, EUCAM – EU Central Asia Monitoring, No. 1, 2008.

Eugene Kogan

The Armed Forces of Central Asia in 2009

Key Points 1. It needs to be stressed that the present article deals with the armed forces per se, means excluding paramilitary forces such as Police, Border Guards, National or Presidential Guard, Ministry of Interior Troops, Drugs Control Agency units, Emergencies Ministry Troops and National Security Service units. 2. There are certain similarities regarding the state of the armed forces in Central Asian countries. Prior to addressing them, it should be remembered that Turkmenistan remains a single neutral country in the Central Asian region and, as a result, should be analysed as a separate case. As such, it is neither member of the Collective Security Treaty Organisation (CSTO) nor of the Shanghai Co-operation Organisation (SCO). 3. Main security threats for the Central Asian countries are a mixture of hard and soft security threats  : international terrorism, the issues of border security, particularly in case of Kazakhstan illegal immigration from China. In addition, Kazakhstan faces continued flow of illicit goods from Afghanistan. In case of Kazakhstan and Kyrgyzstan it is also drug trafficking. The armed forces of Kazakhstan are increasingly expected to play a large role in countering these threats. On the other hand, Kyrgyz defence planners expect Bishkek to rely on Russian air-defence, close combat support and special force capabilities. The Tajik army command operational planning has focused on terrorist threats emanating from Uzbekistan and Afghanistan, and the interdiction of organised crime groups and assets. For Tajikistan, Turkmenistan and Uzbekistan return of Taliban poses a direct threat to the countries’ stability. In case of Turkmenistan in particular, Russia’s 201st motor rifle division left in Tajikistan responsible to provide ‘echelon support’ for Tajik border guards and their Russian advisors deployed on the Tajik-Afghan border. The new Turkmen President Gurbangul Berdimukhammedov emphasis has been on sealing-off borders with Afghanistan and Iran as part of official counter-terrorist and anti-drug campaigns, enhancing air force capabilities

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Eugene Kogan

to stem off potential air attack from Uzbekistan  ; and developing the navy’s capabilities to protect Turkmenistan’s energy-rich sea shelf from possible attacks by Iranian and Azeri forces. Since Uzbekistan is unlikely to face a large-scale armed aggression in the near future, the emphasis is on counter-insurgency and counter-terrorist operations, although relation between Uzbekistan and Iran remains tense 4. Kazakhstan and Uzbekistan ground forces and air force are the largest and better equipped than the armed forces of Kyrgyzstan and Tajikistan. The five countries possess air force and share similar problems, namely a shortage of funds for fuel and spare parts. Training is often sketchy and maintenance frequently a matter of cannibalising older airframes in order to keep a declining number of aircraft operational. Kazakhstan and Uzbekistan air forces compared to Kyrgyzstan and Tajikistan air forces are nevertheless capable to perform combat operations, while the latter are expected to rely mainly on their mutual security pact with Russia to accomplish future combat operations. As a neutral country and not a member of the CSTO Turkmenistan cannot count on assistance of the Russian Air Force in case of combat operations. Finally, Kyrgyzstan, Tajikistan and Uzbekistan do not have a navy, while Kazakhstan and Turkmenistan do have a very nascent naval force. 5. In all five countries army conscripts display low standards of individual combat training, desertion is rampant, morale is low, health is poor and pay is bad. In Tajikistan in particular troops and brigades remain loyal to local commanders, rather than to any central structure and factional fighting between different brigades remains a serious problem. Many units have been involved in criminal activity, which remains a problem within the army. In Turkmenistan in particular conscripts paying bribes to local officials in order to avoid military service and the army remains a highly undisciplined and poorly trained force. 6. Although the number of enlisted army personnel (private and NonCommissioned Officers (NCOs)) in Kazakhstan has increased to about 85 per cent in 2008 from about 39 per cent in 2005, this change has not yet produced desirable result. Around 90 per cent of servicemen in the southern group (in Kyrgyzstan) are now serving on contracts, but there is no evidence that the presence of enlisted personnel has enhanced combat readiness or enhanced overall standards in the region. The attempt to introduce contract service in Tajikistan was scrapped in 2000 and compulsory national service reinstated. 7. Mobility remains a problem, with few All Wheel Drive (AWD) and light armoured vehicle in service (in Kazakhstan and Kyrgyzstan). The Uzbekistan



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The Armed Forces of Central Asia in 2009

army lacks the capability to transport forces to remote theatres of operations and that despite the fact that the major aviation facility for manufacturing transport aircraft is located in Tashkent. 8. The countries in Central Asia remain heavily reliant on Russia for financial and military support and are likely to remain dependent in the foreseeable future. Countries

Defence Expenditure

Army

Air Force

Navy

Total

Kazakhstan

1 % – 1.3/1.4 %

46.800

19.000

3.000

68.800

(a)

30.000

12.000

3.000

45.000

(b)

26.950

6.700

700

34.350

(c)

8.500

4.000

No

12.500

(a)

8.500

2.400

No

10.900

(b)

6.500

2.400

No

8.900

(c)

6.800

800

No

7.600

(a)

7.300

1.500

No

8.800

(b)

10.150

1.100

No

11.150

(c)

26.000

4.300

700

31.000

(a)

18.500

3.000

500

22.000

(b)

23.800

3.900

1.800

29.500

(c)

50.000

13.700

No

63.700

(a)

50.000

17.000

No

67.000

(b)

31.900

7.500

No

39.400

(c)

Kyrgyzstan

Tajikistan

Turkmenistan

Uzbekistan

0.86 %

1.8 %–2.2 %

~1 %

4.8–5 %

Source

(a) http://www4.janes.com (b) The Military Balance 2008. London : Routledge, 2008 ; pp. 346–355 (c) http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Abruestung/Downloads/ 0901-Jahresabruestungsbericht-2008.pdf ; pp. 121–123.

The above table is based on three open sources and according to the author none of the reports provided fully reliable information. Nevertheless, it is possible to construct another table based on combination of figures provided by the three. Whether the table below is more or less reliable remains an open question. Nevertheless, it is evident that the information originated from The Military Balance 2008 may be perceived as more reliable than other sources.  http  ://www4.janes.com  ; The Military Balance 2008. London  : Routledge, 2008  ; pp. 346–355 —  and http  ://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Abruestung/ Downloads/0901-Jahresabruestungsbericht–2008.pdf  ; pp. 121–123.

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Countries

Army

Air Force

Navy

Total

Source

Kazakhstan

30.000

12.000

3.000

45.000

(b)

Kyrgyzstan

8.500

2.400

No

10.900

(b)

Tajikistan

7.300

1.500

No

8.800

(b)

Turkmenistan

23.800

3.900

1.800

29.500

(c)

Uzbekistan

50.000

13.700

No

63.700

(a)

Kazakhstan Foreign military presence (as of January 2009)

Russian deployment is currently limited to several teams of liaison officers, intelligence personnel and civilian contractors. The Baikonur space test range and launch site in Tyuratam is operated by Russia’s Space Troops. In April 2002, a Memorandum of Understanding (MoU) was signed between Mukhtar Altynbayev, Minister of Defence, and Donald Rumsfeld, Secretary of Defence, allowing the US to use three airfields (at Chimkent, Lugovoi and Almaty) in an emergency during counter-terrorism operations (author’s italics). No permanent basing of US personnel in Kazakhstan is allowed under the agreement which was signed on 10 July 2002. Defence spending

Since the collapse of the Former Soviet Union (FSU), defence spending in Kazakhstan has fallen substantially from about 10 per cent of gross domestic product (GDP) in 1992 to less than 1 per cent of GDP at present. Following a decade of reduced defence spending, in 2002 Kazakhstan launched a comprehensive defence reform programme aimed at transitioning the armed forces away from its Soviet-era structure to a more flexible and responsive force capable of meeting new potential security threats from terrorism and regionalised insurgency. After a slow start, spending has increased significantly in more recent years. From 2002 to 2006 expenditure nearly tripled in US $ terms, going from US $ 230 million to US $ 670 million. Under spending plans announced in April 2007, the budget is set to double again in 2007, reaching US $ 1.2 billion. Although the Ministry of Defence (MoD) announcement provided few  http  ://www4.janes.com  ; p. 7.



The Armed Forces of Central Asia in 2009

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details on specific procurement goals, it did say that the modernised force ‘will be mobile, professional … [and] capable of carrying out any mission it is assigned’. The Kazakhstan MoD has shown interest in developing a robust special operations element. Astana is also committed to building a functional navy. The ‘special relationship’ with Russia should allow the Kazakh military to gradually step-up its procurement efforts. Decisions to procure Westernmade equipment are unlikely in the short and medium term, although there are clear aspirations in that regard … Main security threats

The main security threats emanate from the three factors of international terrorism, religious extremism and the issues of border security, particularly illegal immigration from China and the flow of narcotics from Afghanistan. The enduring presence of the Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) in neighbouring Uzbekistan and Islamic militants in Kyrgyzstan and continued flow of illicit goods from Afghanistan point to the two most substantial threats to Kazakhstan. The armed forces are increasingly expected to play a large role in countering these threats. Operational control over Kazakh border forces is now with the Joint Chiefs of Staff (JCS). Chain of command

The command structure was finalised between 2001 and 2003. The president is the commander-in-chief (CinC) of the armed forces. The minister of defence, currently Daniyal Akhmetov, is appointed by the president and has five deputies. The defence intelligence service is attached to the MoD headquarters. Operational control over the armed forces is exercised through the JCS, an agency overseen by the MoD. The JCS is a collegial organ with decision-making powers vested in the council comprising the agency’s chairman, commander-in-chief of the armed forces, and commanders of four military    

Ibid  ; pp. 7–8. Ibid  ; p. 10. Ibid  ; p. 23. Ibid  ; p. 31.

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Eugene Kogan

districts (Astana, East, West and South). The chairman of the JCS also serves as first deputy minister of defence. Land forces (total strength 46,800) 

The army is a mixed conscript/contract force, with compulsory national service lasting for 12 months for soldiers and 24 months for officers. The army is one of the two armed services administered by the JCS. There is an army high command and four regional commands, which exercise operational control over infantry and armoured units. Each regional command is supported by a special forces detachment belonging to the MoD’s defence intelligence agency.10 The army is organised into regular land forces and mobile forces. The former comprise a training motor rifle division, an armoured division and several infantry and artillery brigades. Kazakh land forces are still by and large structured and equipped for theatre-wide conventional warfare. There is little funding and few qualified officers to ensure the transition to a more modern fighting force that can be used in low-intensity conflicts. Motor rifle and armoured units lack mobility  ; conscripts display low standards of individual combat training. The focus has therefore shifted to developing small special operation units and airborne forces, and at the same time gradually scaling down infantry deployment. A gradual move to an all-volunteer professional force is the army’s strategic objective. MoD figures released in 2008 show that about 85 per cent of enlisted army personnel (privates and Non-Commissioned Officers (NCOs)) are contract services  ; compared with about 39 per cent in 2005.11 The Mobile Forces (also known as the Air Mobile Forces) are an independent branch operationally controlled by the army, but subordinated directly to the president.12 The Mobile Forces is a brigade-size rapid reaction corps comprising an air assault brigade, a combat support helicopter unit, and two artillery units.13

  Ibid  ; p. 33.   Ibid  ; p.22 and p. 30.   http  ://www.russland-gus.de  ; p. 1. 10 http  ://www4.janes.com  ; p. 24. 11 Ibid  ; p. 25. 12 Ibid  ; p. 24. 13 Ibid  ; p. 25.



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The defence posture review launched in 2002 concluded that Kazakhstan needs a compact mobile infantry force with improved special operations and intelligence capabilities. A new airborne assault brigade (also known as the Air Assault Brigade) of the mobile forces will be based in Astana. Another landmark development is the on-going project to create a rapid reaction infantry brigade in the Caspian town of Aktau. The brigade will be equipped and trained for counter-terrorist operations against militant groups that may seek to disrupt oil production and transport network.14 Mobility remains a problem, with few All Wheel Drive (AWD) and light armoured vehicles in service,15 although Turkey and China have donated dozens of AWD vehicles to boost patrol capabilities of the border control forces.16 Army aviation capabilities have been boosted following the purchase of 15 Mi-17B-5 support helicopters from Russia. The Mi-17B-5s have nighttime/all-weather capabilities, are equipped with laser-guided air-to-surface missiles and can carry up to 36 troops.17 The Kazakh Air-Defence Forces (KADF) (total strength 19,000)18

The KADF is operationally controlled by the Joint Chiefs of Staff. The KADF is moderately well served, considering their national commitments. It nominally has about 200 combat aircraft and helicopters in service. Lack of serious ground attack capabilities, however, remains a problem jeopardising the development of counter-terrorism defences, although this has been addressed to some extent through the supply of Su-25 aircraft by Russia. The Su-25s have no night-time capabilities and require modernisation. More formidable capability rests with a total of about 25 Su-24 tactical bombers, although it is thought that only a few of these are serviceable.19 In addition to the Su25s and the Su-24s, the KADF has also taken delivery of a number of Su-27 fighter aircraft. It appears that 20 of 48 MiG-31s were modernised in the meantime as well as some of the MiG-29s.20 Training needs are believed to

14 Ibid  ; p. 23. 15 Ibid  ; p. 11. 16 Ibid  ; p. 10. 17 Ibid  ; p. 12. 18 Ibid  ; p. 16 and p. 30. 19 Ibid  ; p. 18. 20 Ibid  ; p. 13.

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be met in-country, although it seems conceivable that this will be satisfied through a joint Commonwealth of Independent States (CIS) programme or by bilateral arrangements with Russia.21 Pilot training facilities are administered jointly by the MoD’s military education directorate and the KADF command.22 Kazakhstan’s air arm continues to suffer serious problems as a result of a shortage of funds for fuel and spare parts. Training is often sketchy and maintenance frequently a matter of cannibalising older airframes in order to keep a declining number of aircraft operational. Nevertheless, by concentrating resources on a handful of units, it has succeeded in acquiring and maintaining a credible airborne air defence capability. It can be assumed that between 25 per cent and 40 per cent of the fleet remains operational. Responding to growing fears about militant Islamists penetrating Kazakh borders, pilots have been tasked with improving air combat skills while focusing on the ability to fly low-level missions required countering local conflicts. Following the 11 September 2001 events in the US, Kazakhstan has focused more on protecting its largest cities from terrorists that might use hijacked aircraft. S-300 advanced medium-range surface-to-air missiles (SAMs) serve to guard airspace over Astana, Almaty and Karaganda. Communication between civilian airport traffic control authorities and the air defence command has also been improved, and all Kazakh-based civilian pilots have been vetted.23 Navy (total strength 3000) 24

The recently established navy is administered by the border control agency. The navy’s role is to defend coastal areas on the Caspian Sea and patrol the ever-shrinking Aral Sea, adjacent waterways and navigable waterways and protecting Kazakhstan’s economic interests. In the Caspian, Astana fears Iranian military influence and seeks to protect its off-shore oil fields. Although traditional state-to-state conflict in the Caspian Sea is an unlikely prospect given Russia’s and Iran’s naval might, territorial disputes by littoral countries 21 Ibid  ; p. 17. 22 Ibid  ; p. 18. 23 Ibid  ; p. 17. 24 Ibid  ; p. 15 and p. 30.



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continue to simmer, meaning that Kazakhstan’s naval capability requires attention.25 In spite of Kazakstan’s MoD intention to have a fully fledged navy, the nascent navy exist alone. For the moment, limited naval assets are controlled by the Maritime Border Guard command based in Aktau and subordinated to the Border Service of the Kazakh National Security Committee (KNB). Aktau also hosts a new Kazakh-US-Turkish counter-terrorist training centre and a rapid reaction infantry brigade. Kazakh naval forces comprise two patrol boat units deployed in the Caspian and Aral seas, an aviation unit with nine Soviet-built helicopters flying coastal surveillance missions, and a 1500 coastal defence infantry unit based at the Caspian port of Atyrau.26 To conclude, one of the most pressing issues for all aspects of the country’s military is low morale and poor pay. The MoD has started to tackle the poor force quality problem through an ambitious professionalization programme that aims to phase out compulsory national service completely by 2009 and build a 7000-strong corps of well-trained NCOs. The army command has created a senior-level Sergeant-Major position to oversee the work of the growing NCOs corps. The ministry has raised salaries for contract servicemen, pledged to aggressively fight harsh disciplinary practices in the army, and is making a concerted effort to improve garrison facilities in a bid to attract better recruits that may otherwise opt for civilian sector jobs.27 Kazakhstan continues to be plagued by complaints about the poor health of conscripts during its bi-annual conscription process. In some areas as many as 70 per cent of recruits are reported to suffer from poor health. The endemic problems caused by the compulsory national service system can ultimately only be solved through gradual transition to a professional army.28 Astana participates in regional security structures such as the Collective Security Treaty Organisation (CSTO) and Shanghai Co-operation Organisation (SCO), contributes a battalion to the Collective Rapid Deployment Forces and takes part in anti-terrorist and other military exercises with Russia and other CSTO countries. In practical terms, Kazakhstan remains heavily reliant on Russia for financial and military support, although is diversifying 25 Ibid  ; pp. 14–15. 26 Ibid  ; p. 15. 27 Ibid  ; p. 23. 28 Ibid  ; p. 33.

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its bilateral relationships through expanded training anti-terrorism exercises with forces from the US, China and the UK.29

Kyrgyzstan Foreign military presence (as of January 2009)

Russia remains Bishkek’s key military and security partner. Dozens of senior Russian defence and intelligence officers work in Bishkek on secondment. The Russian MoD operates three facilities in the country. First is a naval command and control centre at Kainda used by Russia’s Pacific Fleet. Second is the Russian Navy’s firing range on Lake Issyk-Kul. There is the Russian air base at Kant. Moscow is understood to have asked President Kurmanbek Bakiyev for another base in the south of the country to be used for special operations purposes.30 Kant is a former Soviet air base situated 20 km from Bishkek and 30 km from Manas air base, which is being used by US and coalition forces to support operations in Afghanistan.31 Kyrgyzstan leases parts of the Manas international airport to the US Air Force (USAF). The US base was officially opened in December 2001. In 2005, President Bakiyev agreed to extend the lease so long as the security conditions in Afghanistan indicated the need for the base.32 In spite of pressure from Moscow and Beijing to close the air base, General David Petraeus, commander of the US Central Command (CentCom), namely of the US forces in the Middle East and Central Asia, said that the air base is not going 29 Ibid  ; p. 23. 30 In 2009 senior Russian officials travelled to Bishkek, capital of Kyrgyzstan, to press for the creation of a new military base in the country. Interfax reported that on 31 July 2009 Russian President Dmitri Medvedev and Kyrgyz President Kurmanbek Bakiyev laid out the framework for the new base’s creation in an agreement that will be valid for 49 years with a possible 25 year extention. See  : http  ://www.armybase.us/2009/08/russia-gets-second-military-base, online on 1 August 2009  ; see also http  ://www.iccn.ge/view_world.php  ?id=101, online 1 August 2009. 31 Ibid  ; p. 39. For further information regarding the Russian MoD facilities in Kyrgyzstan, see http  ://www.jamestown.org/programs/edm/single/  ?tx_ttnews%5Btt_news%5D=33502 – online on 28 March 2008. See also Mark Galeotti, “Multi-player games  : Central Asia pits powers against each other” in Jane’s Intelligence Review (April 2009), p. 17. Hereafter cited as Mark Galeotti, “Multi-player games”. 32 http  ://www4.janes.com  ; p. 40.



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to be closed down. Furthermore, the role of the air base has grown significantly.33 In February 2009, the Kyrgyz government broke the US lease at Manas and gave American forces six months to vacate the premises. According to Kadyrbek Sarbayev, Minister of Foreign Affairs, under the terms of the new agreement, reportedly signed on 22 June 2009, Kyrgyzstan will receive US $ 60 million per year in rental fees. That is in addition to some US $ 117 million earmarked for an upgrade of airport facilities, economic development, anti-drugs initiatives and anti-terrorist training. The new agreement expires in 2010.34 Defence spending

Kyrgyzstan’s MoD has never had the funds required to procure new weapon systems or to embark on a large-scale modernisation effort, relying instead on foreign aid and military assistance from Russia. Most new equipment and spare parts are supplied by Russia free of charge. Russia remains Kyrgyzstan’s key security guarantor and its main military equipment donor.35 Both nominal spending and spending as a proportion of gross national product have declined sharply since 2005 – the recent high – and are set to remain at historically low levels (0.03 % and 0.86 %) for the foreseeable future. The current defence budget is US $ 30 million.36 Assessment

The Kyrgyz military remains an embryonic force with a weak chain of command, the ground force built to Cold War standards, and an almost total lack of air capabilities. Training, discipline and desertion – at over 10 per cent, the highest among the Central Asia republics – continue to present major problems for the creation of combat-effective armed forces. In addition to poorly-training the armed forces are ill-equipped to fulfil an effective coun-

33 http  ://www.kommersant.ru/doc.aspx  ?DocsID=1105105 – online on 20 January 2009. For further information about the Manas air base, see Appendix  : Foreign air bases in Central Asia. 34 (http  ://www.eurasianet.org/departments/insightb/articles/eav062309.shtml). See also http  ://www.eurasianet.org/departments/insightb/articles/eav081209a.shtml 35 http  ://www4.janes.com  ; p. 48. 36 Ibid  ; p. 61.

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ter-insurgency or counter-terrorist role. In fact, the challenge of ‘creating’ mobile forces will place an even greater burden on the development of the armed forces, increasing disputes over defence spending allocation. Kyrgyzstan is likely to continue to rely primarily on Russia for military assistance, an inevitable necessity recognised by both the president and his senior military commanders. Kyrgyz defence planners expect Bishkek to rely on Russian air defence, close combat support and special forces capabilities in case of complex emergencies involving insurgent and/or terrorist groups.37 Chain of command

As supreme commander-in-chief of the armed forces, the president appoints and dismisses senior officers. The Minister of Defence has three deputies. Operational control over the armed services is exercised by the General Staff, whose Chief also serves as first deputy minister of defence. The General Staff has nominal control over all paramilitary forces in the country, although the extent to which the Chief of General Staff (CGS) is able to exercise authority over other agencies is unclear. One important leverage that the MoD/CGS have is full control over the national system of military and intelligence training.38 Land forces (total strength 8500) 39

The army is a mixed conscript/contract force, with compulsory national service lasting for 12 months. Draft is deeply unpopular among young people, and as such draft evasion and desertion are rife, as are crime and disciplinary offences in the armed forces. A law passed in April 2008 called for the creation of contract only armed forces, while in June 2008 President Bakiyev established an inter-departmental commission to address military reform.40 The military is theoretically divided into the Rapid Deployment Forces and the General Designation Forces. In practice, the bulk of the force remains below rapid deployment standards, lacking in mobility and short on modern weapons and equipment. The MoD has effectively given up on transforming 37 Ibid  ; pp. 40–41. 38 Ibid  ; p. 43. 39 Ibid  ; p. 40 and p. 53. 40 Ibid  ; pp. 41–42.



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larger motor rifle units into a viable fighting force, having opted instead for the creation of small, company-size special operations detachment trained in mountain warfare. Such detachments allow soldiers to receive adequate training and remuneration, and access to specialised counter-insurgency equipment.41 Despite existence of these detachments, Kyrgyz forces are still not capable of responding to the threat posed by small groups of militants. Communications and reconnaissance equipment are lacking, and the military has built up significant debts with food supplies in its efforts to feed soldiers, even though the cost of feeding a contract officer with daily rations is put at just over US $ 0,18. Around 90 per cent of servicemen in the southern group are now serving on contracts, but there is no evidence that the presence of ‘Kontraktniki’ has enhanced combat readiness or enhanced overall standards in the region.42 Despite continued reliance on Russia, and the benefits of co-operating in the ‘war against terrorism’ with increased aid from the US, and additional aid from Turkey and China, Kyrgyz army operates largely dated and poorly maintained Soviet-built equipment, and has insufficient funds for spare parts and repairs.43 Air Force (total strength 4000) 44

The air force, although officially a separate armed service, does not have an integrated chain of command. Helicopter and transport echelons are understood to be subordinated to the Air Support Division of the Army Command.45 The Kyrgyz Air Force is among the weakest and smallest within Central Asia.46 Kyrgyzstan inherited few effective combat aircraft, with the majority of the MiG-21 fighters very quickly being grounded, leaving it to rely on three transport aircraft and a handful of attack and assault helicopters.47 Plans to supply Bishkek with between two and five Su-25 ground-attack aircraft

41 Ibid  ; p. 42. 42 Ibid  ; p. 54. 43 Ibid  ; p. 49. 44 Ibid  ; p. 40 and p. 50. 45 Ibid  ; p. 52. 46 Ibid  ; p. 50. 47 Ibid  ; p. 49.

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have been put on hold as Russia deploys more of its own Su-25 aircraft at Kant.48 Air force requirements are therefore most likely to centre around the acquisition of more transport helicopters as a main priority.49 The Kyrgyz Air Force personnel are poorly trained. In the order of priorities for military expenditure, the air arms persistently loses out to the army, which suggests that its poor condition and low combat readiness will persist for some time.50 With limited budget and difficult terrain, Kyrgyzstan is expected to rely mainly on its mutual security pact with Russia to accomplish future combat operations.51 Russian assistance is by no means limited to patrolling airspace, as it also supports Kyrgyzstan with radar facilities and by restoring air-­defence missile batteries.52 Navy

Kyrgyzstan has no navy.53

Tajikistan Foreign military presence (as of January 2009)

All Soviet-era military airfields are either leased to the Russian military or non-operational.54 Defence spending

Although exact figures are not available, defence spending is thought to vary between 1.8 per cent and 2.2 per cent of GDP annually.55

48 Ibid  ; p. 48. 49 Ibid  ; p. 49. 50 Ibid  ; p. 50. 51 Ibid  ; p. 49. 52 Ibid  ; p. 51. 53 Ibid  ; p. 40. 54 Ibid  ; p. 63. 55 Ibid  ; p. 75.



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Assessment

Procurement is not on the defence agenda, as the state is struggling to regularly pay salaries to military officers. Funds are not available for anything other than emergency supplies for counter-insurgency. Tajikistan has little equipment, making modernisation at the moment almost an irrelevance. Tajikistan is unlikely to start spending money on military equipment between 2007 and 2010. Set against the backdrop of poor economic conditions and dysfunctional armed forces, procurement is limited to occasional purchases of fuel and spare parts. Russia’s willingness to supply Tajikistan with discounted equipment at subsidised rates is essential for any long-term procurement strategy.56 The Tajiks are finding it difficult to plan for types of warfare that require combined arms approach in a situation where they have few indigenous, serviceable air force units and virtually no reconnaissance and intelligence capabilities. Devising and implementing a coherent defence policy is problematic in a country with no system of inter-agency coordination, and where the constituent elements of the military lack joint doctrines, have no common training or staffing procedures, and little communication between separate units.57 Chain of command

The president is commander-in-chief of the Tajik Armed Forces.58 Operational control of the armed forces is exercised by the minister of defence. The MoD has struggled to establish itself as the principal centre of operational control over the army since 1992 with few forces truly under its control. The ground forces command is in place but the extent to which it controls army units on the ground is not clear. The top-down chain of command has yet to be established, as unit commanders tend to have a high degree of independence from the MoD, and are often reliant on local population and their private suppliers for weapons and provisions.59

56 Ibid  ; p. 62. 57 Ibid  ; p. 72. 58 Ibid  ; p. 73. 59 Ibid  ; p. 68.

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Land forces (total strength 6800) 60

The attempt to introduce contract service was scrapped in 2000 and compulsory national service reinstated. More than half the serving officers have no higher military education and the army is understaffed among officers by 40 per cent.61 The effectiveness of the Tajik Army is hampered by the fact that it is not the army as such, but rather units controlled by the Ministry of Internal Affairs (known in Russian as MVD) and the National Guard (previously called the Presidential Guard), which form the backbone of central government forces. Most army units, including the 25th rapid reaction infantry battalion based in Dushanbe, are staffed by soldiers who opposed Emomali Rahmonov, President of Tajikistan’s government during the civil war. As a result, the central government has little incentive to develop the army’s capabilities, and continues to rely instead on Russian military presence in the form of the 201st division (known since late 2004 as the 4th Military Base) (as in the case of Kyrgyzstan) as well as its own security forces. Ever since its inception, the Tajik Army has been weak and divided on account of its combined nature. Troops and brigades remain loyal to local commanders, rather than to any central structure and factional fighting between different brigades remains a serious problem. Many units have been involved in criminal activity, which remains a problem within the army. The mainly conscript force is poorly trained and poorly motivated, while desertion rates are high.62 Russia’s 201st motor rifle division remains the most well-equipped and combat ready force in Tajikistan. The division serves as the basis of the Commonwealth of Independent States Rapid Reaction Corps, remaining Russia’s most important military leverage over Central Asian states. The 201st division’s main responsibility is providing ‘echelon support’ for Tajik border guards and their Russian advisors deployed on the Tajik-Afghan border. Coordination between these two bodies has markedly improved over the years.63 60 Ibid  ; p. 66 and p. 71. 61 Ibid  ; p. 69. 62 Ibid  ; p. 66. See also http  ://www.jamestown.org/programs/edm/single/  ?tx_ttnews%5Btt_ news%5D=34344 – online on 13 January 2009. 63 http  ://www4.janes.com  ; p. 78. Tadschikistan hosts Russia’s largest military contingent abroad,



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Air Force (total strength 800) 64

Tajikistan is currently training officers in anticipation of creating an air force squadron. Ten Mi-8s have been purchased. Plans to acquire a Su-25 from Belarus and five Mi-24s appear to have been shelved. Tajikistan counted on Russia’s assistance in building a capable air force, but owing to recent disagreements over the status of Russian forces and the border control issues, Russian MoD has scrapped most technical assistance programmes.65 With only one cohesive air unit known to exist (an attack/assault squadron), and even that is under the command of the paramilitary force responsible for riot control and counter-insurgence, there are no fixed combat roles assigned to what is not even an air force in the generally accepted sense. With key threats coming from Afghan warlords, Tajikistan does not expect to be attacked from the air and therefore the development of a meaningful air-­defence capability has not been a priority.66 Russia appears to take the view that its own air force contingent in Dushanbe is sufficient for ensuring adequate security in Tajikistan.67 Tajik air space is patrolled by Russian aircraft operating from Dushanbe as well as from Kant in neighbouring Kazakhstan.68 Navy

Tajikistan does not have a navy.69

Turkmenistan Assessment

It is important to remember that Turkmenistan is the single neutral country among the Central Asian countries. As a result, only members of the Russian-sponsored CSTO defence block are automatically eligible for Russian with about 7,500 Russian and locally raised troops. Mark Galeotti, “Multi-player games”  ; p. 19. 64 http  ://www4.janes.com  ; p. 63 and p. 71. 65 Ibid  ; p. 63. 66 Ibid  ; p. 64. 67 Ibid  ; pp. 63–64. 68 Ibid  ; p. 65. 69 Ibid  ; p. 63 and p. 71.

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foreign military assistance programmes. Since Turkmenistan was and still is reluctant to participate in the CSTO and, under President Saparmurat Niyazov at least, shunned by the US, it finds itself in isolation, and there is a growing perception amongst Turkmen defence officials that this may prove detrimental to the country’s economic (fishing and energy) interests in the Caspian Sea.70 The danger that Turkmenistan faces, by excluding itself from the CSTO, is that Turkmenistan will fall further behind and retain a weak token post-Soviet military incapable of proving sufficient protection for the state. Turkmenistan also remains outside the SCO.71 Defence spending

Turkmenistan is a highly secretive country with very little transparency in its military spending. Without clear data, a definitive picture of spending levels is difficult to produce, however the poor condition of its armed forces indicates that defence spending is not a priority and it is likely to be among the lowest in the region. Spending levels would appear to be about US $ 130 million and it would place Turkmenistan closer to regional contemporaries like Tajikistan and Kyrgyzstan.72 Chain of command

Former President Niyazov appointed himself (supreme) commander-in-chief of all military units and formations in Turkmenistan, having assumed the rank of army general in December 1992. The president controls appointments to all senior commands and posts, promotes and dismisses senior officers.73 Operational and administrative control of the Turkmen armed forces is exercised by the minister of defence and the chief of staff of the armed forces. The MoD has a military intelligence agency attached to it.74

70 Ibid  ; p. 84. 71 Ibid  ; p. 87. 72 Ibid  ; p. 86. 73 Ibid  ; p. 98. 74 Ibid  ; p. 99.



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Land forces (total strength 26,000) 75

Army combat training has been replaced with the so-called ‘food independence programmes,’ whereby conscripts spend most of their time breeding cattle and growing crops. As a result of Ashgabat’s failure to build a credible border police force, the MoD units are regularly assigned to perform border patrol, immigration control and law-enforcement duties, leaving them overstretched.76 Morale within the army is low, with many conscripts deserting annually and others paying bribes to local officials in order to avoid military service and the army remains a highly undisciplined and poorly trained force.77 The army only has access to ageing equipment and there are no procurement or modernisation plans in place at the moment, seriously limiting the combat readiness of the force.78 The only close support capability the infantry can rely on is provided by a few Mi-24 attack helicopters. Air Force (total strength 4300) 79

Turkmenistan requires improved maintenance, as well as developing the training and skill base of its pilots. Reports indicate that 43 of 46 Su-25 ground attack aircraft upgrades had been completed as of February 2007. Turkmenistan’s fleet of MiG-29 fighters is believed to be in poor condition and in need of modernisation, however, no funding for their modernisation appears to be forthcoming.80 Recent reports indicate that combat aircraft remain grounded nearly all the time. The air force suffers from chronic fuel shortages and receives little money to service its aircraft, while there are endemic shortages of spare parts. Military pilots do not receive adequate annual flight time and Turkmenistan does not own a single flight simulator. The low general standard of military pilot training remains a serious problem. Given the economic weakness of the state and recurring waves of politically-motivated purges inside

75 Ibid  ; p. 104. 76 Ibid  ; pp. 104–105. 77 Ibid  ; p. 98. 78 Ibid  ; p. 83. 79 Ibid  ; p. 93. 80 Ibid  ; p. 83.

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the service, the conditions and quality of the air force will remain poor for the foreseeable future. The air force is an independent armed service, with a High Command that is subordinated to the Air Force Directorate of the MoD. At the operational level, units are understood to adhere to former Soviet practice and are organised into regiments (Polk) and squadrons (Eskadrilya).81 Navy (total strength 700).

According to other sources there are about 2000 servicemen in the navy.82 Turkmenistan’s naval requirements are small and the navy is the weakest of the littoral Caspian states. Not only does Turkmenistan lack funds to procure combat ships, it also lacks necessary port facilities and qualified personnel. The country surrendered control of a great proportion of the Soviet Caspian Sea Flotilla, the majority of which is now operated by Russia and Azerbaijan.83 In 2001, the Turkmen Navy took delivery of a US-made patrol boat of the Point Jackson class, donated by the US Department of Defense (DoD). The navy has also procured 10 Zhuk patrol boats and 5 Kalkan M class inshore patrol boats from Ukraine. Despite the existence of nascent navy, creation of a full-fledged navy remains a distant possibility. Turkmen naval forces are currently directed by the Border Guard Service. Unlike the army and air force units which are under the operation control of five military districts, the border guard service lacks a fully formed command and control structure.84

Uzbekistan Foreign military presence (as of January 2009)

In November 2005 the US lost access to the military facility in Karshi-Khanabad in southern Uzbekistan (which it used to support ‘Operation Enduring

81 Ibid  ; p. 94. 82 Ibid  ; p. 84  ; http  ://www.ng.ru/cis/2009-01–23/7_Turkmeniya.html. See also http  ://www. auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Abruestung/Downloads/0901Jahresabruestungsbericht–2008.pdf  ; p. 122. 83 http  ://www4.janes.com  ; p. 83. 84 Ibid  ; p. 84.



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Freedom’ in Afghanistan).85 In 2008 there were signs of a thaw in Uzbek-US military ties. A visit by the Admiral William Fallon, the head of the US Central Command to Uzbekistan in January 2008 was followed by information in March that Tashkent had agreed to allow Americans attached to the North Atlantic Treaty Organisation (NATO) international staff access to the aerial facilities at Termez by the Afghan border on a case by case basis (Termez has been used by Germany as a transhipment base as part of humanitarian assistance to NATO operations in Afghanistan).86 Airfield at Navoi is undergoing modernisation. This is the subject of an agreement concluded between Russia and Uzbekistan on 21 December 2006, whereby the base would be made available for use by Russia in the event of emergency, in return for the supply of modern navigation systems and airdefence weapons.87 Defence expenditure

Local state-approved news sources reported the budget increased to US $ 902 million in 2007, a level of expenditure that would appear to fit with the Uzbek leadership aim of a military that would guarantee deterrence at the regional level, and could serve as a power projection instrument. The level of expenditure equates to about 4.8–5 per cent of GDP annually.88 Chain of command

The President is the commander-in-chief of the armed forces. He appoints and dismisses all senior commanders. Uzbekistan is the only Central Asian state with a civilian as the head of the MoD. Operational and administrative controls of the armed forces are exercised by the Minister of Defence and Chief of JCS. The JCS has operational control over all army and air force units, and over all paramilitary formations subordinated to other 85 Roy Allison, “Security cooperation between Western states and Russia over Central Asia/ Afghanistan  : The Changing role of Uzbekistan”, Briefing Paper (24 November 2008) online http  ://www.chathamhouse.org.uk/files/12767_241108_rep_allison.pdf  ; p. 2. Hereafter cited as Roy Allison, “Security cooperation”. 86 Ibid  ; p. 3. See also http  ://www.jamestown.org/programs/edm/single/  ?tx_ttnews%5Btt_ news%5D=33445 – online on 10 March 2008. 87 http  ://www4.janes.com  ; p. 116. 88 Ibid  ; p. 109.

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s­ ecurity agencies (border guards, interior ministry and the national security service).89 Land forces (total strength 50,000) 90

Territorial defence remains the principal mission of the army. The country is divided into four Military Districts (MDs), with each MD HQ responsible for administering call-up campaigns, maintaining military infrastructure and organising military exercises.91 The MDs consist of North-West (headquarters in Nukus)  ; South-West (Karshi)  ; Central (Djizak) and East (Fergana).92 Planning, combat training and battlefield management are the responsibilities of the army’s two operational commands  : a motor rifle forces command at Termez, and a mobile forces command at Fergana. Each command is capable of assuming control over a division-size unit.93 The army currently has 11 motorised and three airborne/special purpose brigades. Manning is based on a mixed conscript and volunteer contract system. Conscripts serve 12 months  ; volunteers (including women) for three to five years.94 Despite their combat capability being far superior to that of contiguous states, Uzbek forces are beset by similar morale, discipline and low pay problems from which other former Soviet forces suffer. After cooling of relations with NATO following the Andijan episode of May 2005, its reliance on military and intelligence assistance from Russia has grown. Dozens of army officers receive training at Russian staff colleges, Russia has resumed supplies of defence equipment to Uzbekistan and Russian and Uzbek special operations units have held joint exercises since 2005. The army lacks reliable battlefield management and reconnaissance systems, and modern communications equipment. While it has usable forces, it lacks the capability to transport them rapidly to remote theatres of operation. Heavy investment is needed into precision-guided munitions and attack heli-

89 Ibid  ; p. 120. 90 Ibid  ; p. 118 and p. 124. 91 Ibid  ; p. 119. 92 Ibid  ; p. 127. 93 Ibid  ; p. 120. 94 Ibid  ; p. 121.



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copters. The Andijan uprising also demonstrated the need for Uzbek forces to improve their urban warfare skills.95 Air Force (total strength 13,700) 96

The Uzbekistan Air Force has a streamlined command structure. Uzbekistan’s Air Force Commander is a member of the JCS organisation, which includes an air force directorate with responsibility for operational planning and operation management. Uzbekistan previously retained separate air-defence force, but this has been merged with the air force. Uzbekistan was the first of the former Soviet republics to remove aviation element from army command, and reassign them under air force control. At the operational level, the basic command organisation is the Regiment (Polk), which typically consists of two or three subordinate Squadrons (Eskadrilya).97 Pilots receive training locally, but standards of in-house instruction are believed to be low. Few trainers are currently available, with barely a handful of L-39 aircraft at Pakhtakor. Most flight training is undertaken in Russia.98 The Uzbekistan’s Air Force has a fleet of relatively modern combat aircraft compared to its Central Asian neighbours. Transition to a modern and effective air arm will continue to proceed at a slow pace and is hampered by the fact that a significant proportion of its aircraft are in need of repair and/or modernisation. Despite boasting a relatively large and modern air arm, its performance is hampered by low flying hours (the annual average is 10), a shortfall in counter-insurgency capabilities and insufficient funding for repair and upgrades. The forging of closer links with Russia after May 2005 includes agreement on matters of mutual interest, especially in the air-defence field, with Russian defence manufacturers having upgraded Su-27 and MiG-29 fighters and Russian Air Force continuing to train Uzbek pilots and supply excess equipment and spare parts.99

95 Ibid  ; p. 119. 96 Ibid  ; p. 112 and p. 124. 97 Ibid  ; p. 114. 98 Ibid  ; p. 117. 99 Ibid  ; p. 113.

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Navy

Uzbekistan has no formal navy. The country is landlocked, although it does have a border on the Aral Sea. No immediate plans for building a military navy are in place. A small riverine force tasked with patrolling Uzbekistan’s river frontier with Afghanistan is being developed under the authority of Uzbekistan’s Border Guards. In October and November 2004, Uzbekistan received two new Gyurza class River Armoured Gun Boats (RAGBs) through financial aid from the US State Department. Primarily aimed at countering drug smuggling on the country’s waterways, particularly the Amu Darya river along the border with Afghanistan, the boats are operated by the Uzbek Border Guards.100

Conclusions In case of military operations and not limited border security conflicts the armed forces of Central Asia will have a real difficulty to defend themselves. In addition to substantial deficiencies mentioned in the report the armed forces of the five countries do not co-operate with each other and perceive each other as no real friends. Although there is a small chance that a war will break-out between for instance, Uzbekistan and Kazakhstan, the animosity between these countries remain palpable. The issue of water resources and it efficient utilisation remains a thorny point in relations between the two countries. We have no clear answer what will be reaction of China and Russia if war between Kazakhstan and Uzbekistan will break-out. It is evident, however, that Kazakhstan remains a pivotal country for China and Russia. As for Uzbekistan, it plays both sides Russia and the United States in an attempt to gain political and economic benefits. Again it is hard to say how Russia will react to potential conflict. The rest of the Central Asian countries are not in a position to wage war and defend themselves alone. For instance, Russia is supporting Kyrgyzstan’s air-defence network and is in the process of shoring up a relatively weak part of its CIS-wide unified air-defence system. According to Oleg Popkov, Kyrgyz’s air-defence commander, new Russian-supplied radars and SAMs 100 Ibid  ; p. 112.



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will have been installed along the country’s southern border by the end of 2009.101 Tajikistan in particular host the Russian motor rifle division since it is incapable to defend its own borders. The unfinished war in Afghanistan poses a great danger to Tajikistan, Turkmenistan and Uzbekistan. The outcome of this war may have a long term consequences for these countries.

Acronyms and Abbreviations AWD CentCom CGS CinC CIS CSTO DoD FSU GDP IMU JCS KADF KNB MD MoD MoU NATO NCO SAM SCO USAF

All Wheel Drive US Central Command Chief of General Staff Commander-in-Chief Commonwealth of Independent States Collective Security Treaty Organisation Department of Defense Former Soviet Union Gross Domestic Product Islamic Movement of Uzbekistan Joint Chiefs of Staff Kazakh Air-Defence Forces Kazakh National Security Committee Military District Ministry of Defence Memorandum of Understanding North Atlantic Treaty Organisation Non-Commission Officer Surface-to-Air Missile Shanghai Co-operation Organisation US Air Force

101 Mark Galeotti, “Multi-player games”  ; pp. 17–18.

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Appendix Foreign air bases in Central Asia Kazakhstan

United States

In April 2002, a Memorandum of Understanding was signed between Mukhtar Altynbayev, Minister of Defence, and Donald Rumsfeld, Secretary of Defence, allowing the US to use three airfields (at Chimkent, Lugovoi and Almaty) in an emergency during counter-terrorism operations (author’s italics). No permanent basing of US personnel in Kazakhstan is allowed under the agreement which was signed on 10 July 2002.102 Russia has no air bases in Kazakhstan Kyrgyzstan

United States

Kyrgyzstan leases parts of the Manas international airport (located outside the Kyrgyz capital Bishkek) to the US Air Force (USAF). The US base was officially opened in December 2001. In 2005, President Bakiyev agreed to extend the lease so long as the security conditions in Afghanistan indicated the need for the base.103 In spite of pressure from Moscow and Beijing to close the air base, General David Petraeus, commander of the US Central Command (CentCom), namely of the US forces in the Middle East and Central Asia, said that the air base is not going to be closed down.104 To summarise various reports pertained to the closure of the Manas air base, it can be said that despite President Bakiyev words that ‘if the United States wants to maintain its air base at Manas, the doors for talks are open…In this case the conditions of the agreement would be different’.105 In February 2009, the Kyrgyz government broke the US lease at Manas and gave American forces six months to vacate the premises. 106 According to Kadyrbek Sarbayev, Minister

102 http  ://www4.janes.com  ; p. 7. 103 Ibid  ; p. 40 104 http  ://www.kommersant.ru/doc.aspx  ?DocsID=1105105 – online on 20 January 2009. 105 For a complete article, see http  ://www.defensenews.com/story.php  ?i=3975467&c=ASI&s=T OP – online on 5 March 2009. See also Mark Galeotti, “Multi-player games”  ; p. 16 and p. 18. 106 http  ://www.eurasianet.org/departments/insightb/articles/eav031509.shtml – online 15 March



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of Foreign Affairs, under the terms of the new agreement, reportedly signed on 22 June 2009, Kyrgyzstan will receive US $ 60 million per year in rental fees. That is in addition to some US $ 117 million earmarked for an upgrade of airport facilities, economic development, anti-drugs initiatives and antiterrorist training. The new agreement expires in 2010.107 Russia

The Russian MoD operates three facilities in the country. First is a naval command and control centre at Kainda used by Russia’s Pacific Fleet. Second is the Russian Navy’s firing range on Lake Issyk-Kul. There is the Russian air base at Kant. In 2009 senior Russian officials travelled to Bishkek, capital of Kyrgyzstan, to press for the creation of a new military base in the country. Interfax reported that on 31 July 2009 Russian President Dmitri Medvedev and Kyrgyz President Kurmanbek Bakiyev laid out the framework for the new base‘s creation in an agreement that will be valid for 49 years with a possible 25 year extension.108 Kant is a former Soviet air base situated 20 km from Bishkek and 30 km from Manas air base, which is being used by US and coalition forces to support operations in Afghanistan.109 Tajikistan

All Soviet-era military airfields are either leased to the Russian military or non-operational.110 None of the military airfields are leased to the American military.

2009  ; http  ://www.izvestia.ru/news/news202477 – online on 20 April 2009  ; http  ://www. gazeta.ru/politics/2009/04/20_a_2976552.shtml – online on 20 April 2009  ; http  ://www. izvestia.ru/news/news202591 – online on 21 April 2009  ; http  ://www.kommersant.ru/doc. aspx  ?DocsID=1159020 – online on 21 April 2009  ; http  ://www.eurasianet.org/departments/ insightb/articles/eav051109a.shtml – online on 11 May 2009. 107 (http  ://www.eurasianet.org/departments/insightb/articles/eav062309.shtml). See also http  ://www.eurasianet.org/departments/insightb/articles/eav081209a.shtml 108 http://www..armybase.us/2009/08/russia-gets-second-military-base - online on 1 August 2009). See also http://www.iccn.ge/view_world.php?id=101 - online 1 August 2009. 109 http  ://www4.janes.com  ; p. 39. See also Mark Galeotti, “Multi-player games”  ; p. 17. 110 http  ://www4.janes.com  ; p. 63.

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Turkmenistan

There are no military airfields either leased to or operated by the Russian or American military.

Uzbekistan

United States

In November 2005 the US lost access to the military facility in Karshi-Khanabad in southern Uzbekistan (which it used to support ‘Operation Enduring Freedom’ in Afghanistan).111 In 2008 there were signs of a thaw in UzbekUS military ties. A visit by the Admiral William Fallon, the head of the US Central Command to Uzbekistan in January 2008 was followed by information in March that Tashkent had agreed to allow Americans attached to the NATO international staff access to the aerial facilities at Termez by the Afghan border on a case by case basis (Termez has been used by Germany as a transhipment base as part of humanitarian assistance to NATO operations in Afghanistan).112 According to a recent report by Eurasia Insight with a helping hand from South Korea, the United States has re-established a strategic presence in Uzbekistan. Islam Karimov, President of Uzbekistan, revealed on 11 May 2009 that a cargo airport in the city of Navoi is already being used for the airborne transport of NATO non-lethal supplies destined for coalition forces in Afghanistan. South Korea is overseeing a major renovation at Navoi airport. South Korea’s involvement in the project provides a face-saving way for the resumption of US-Uzbek strategic co-operation.113 

111 Roy Allison, “Security cooperation”  ; p. 2. 112 Ibid  ; p. 3. 113 http  ://www.eurasianet.org/departments/insightb/articles/eav051109a.shtml – online on 11 May 2009.

Hüseyin Bağcı

Turkey in Central Asia

Turkey has always been a pro-status-quo power and avoids following revisionist policies. However after the end of the Cold War, international environment necessitated re-designing of the Turkish foreign policy towards her near neighborhood and newly independent countries, including the Central Asia. Since independence of these countries, Turkey has followed an active policy towards them but their cohesiveness and success should be questioned. There are important time periods in Turkey’s relationship with these countries. For example Shireen Hunter categorizes them as Period of Anxiety and New Thinking 1989–90, Unlimited Expectations (1990–1994) during which intense diplomatic and commercial relations were established  ; Setbacks and Disillusionment 1994–1996 during which Russia reasserts itself  ; the period between 1996 and 2003 during which practicality took precedence in Turkish foreign policy. In the term since 2003, the major concern taken into consideration is the necessity of following an active policy. Ahmet Davutoğlu, chief advisor to Turkish Prime Minister, expresses the need of conducting more active policy. According to him, after the Cold War Turkey emerged as a bridge country and with her special geopolitical location, she has ‘the capability of maneuvering in several regions simultaneously and she controls an area of influence in its immediate environs.” Turkey should redefine geopolitics, and her geopolitical location should not be seen as a strategy of defending borders and status-quo. Instead of it, it should be seen as a tool to transform regional efficiency into global efficiency. He also expresses that “A central country with such an optimal geographic location can not define itself in a defensive

 Shireen Hunter, “Turkey, Central Asia and the Caucasus Ten Years after Independence”, Southeast European and Black Sea Studies, Vol. 1, No. 2, (May 2001), pp. 5–13.  Ahmet Davutoğlu, “Turkey’s Foreign Policy Vision  : An Assessment of 2007”, Insight Turkey, Vol. 10, No. 1, 2008, p. 78.  Ahmet Davutoğlu, Stratejik Derinlik Türkiye’nin Uluslararası Konumu, İstanbul  : Küre Yayınları, 2001, p. 117.  Ibid..

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Hüseyin Bag˘cı

manner.” Given this picture, according to him, Turkey should have a new position of providing security for herself and her neighbors and she “should guarantee her own security and stability by taking on a more active, constructive role to provide order, stability and security in her environs.” He also defines new principles for Turkey’s new foreign policy  : 1) promoting civil liberties without undermining security 2) zero problem policy toward Turkey’s neighbors 3) developing relations with the neighboring regions and beyond 4) adherence to a multi-dimensional policy 5) rhythmic diplomacy (“wherever there is a problem in the world, Turkey will have a stance on that issue and will actively have something to say.”) He claims that Turkey’s aim is to transform the country from a central country into a global power. Under the framework of the principle of “developing relations with the neighboring regions and beyond”, Turkey also gives importance to the Central Asian countries. During the first year that the new government came into power, it seemed that Turkey was not interested in close relations with these countries. Indeed Turkey’s relations with the US, the EU gained more importance during that term because of the US invasion of Iraq and problems that Turkey had to face in her relations with the EU. However Turkey’s interest in the region is continuing. Mustafa Aydın expressed that ‘After a certain term of inaction, a number of visits by the Prime Minister R. Tayyib Erdoğan and Foreign Minister [now President] Addullah Gül to the region late 2003 showed Turkey’s continuing interest, despite its preoccupation with the EU membership.”10 There are many attempts that display Turkey’s new interest on this region. Mutual high level visits between Turkey and countries of Central Asia are realized in this term. Prime Minister Erdoğan visited Turkmenistan and negotiated with Turkmen President Berdimuhamedov in 2008.11 President Gül also visited Kazakhstan and Turkmenistan in 200712   Davutoğlu, “Turkey’s Foreign Policy Vision …, p. 78.   Ibid., p. 79.   Ibid, pp. 79- 82.   Meral Tamer, “Davutoğlu  : AB için B Planımız Yok, BOP Geç Kalmı ş bir Proje”, Milliyet, 18.6.2004, http  ://www.milliyet.com.tr/2004/06/18/yazar/tamer.html, (28.5.2008)   Davutoğlu, “Turkey’s Foreign Policy Vision…, p. 83 10 Mustafa Aydın, “Foucult’s Pendulum  : Turkey in Central Asia and the Caucasus”, Turkish Studies, Vol. 5, No. 2, Summer 2004, p, 17. 11 “Başbakan Orta Asya Gezisini Yarıda Kesti”, http  ://www.londravizyon.com/node/187, 27 Mart 2009 12 “Türkiye-Kazakistan Cumhuriyeti Siyasi İlişkileri”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkiye-kazakistan-



Turkey in Central Asia

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and presidents of Kyrgyzstan, Tajikistan and Mongolia visited Turkey in 2006.13 In this context of strengthening regional cooperation Prime Minister Erdoğan participated in the 11. Friendship, Brotherhood and Cooperation Assembly of Turkish States and Communities held in Baku, on 16–17 November 2007.14 Another of the examples is the launch of TRT Avaz channel which is broadcasting through 27 countries in Central Asia, Balkans and the Middle East in 2009.15 Despite all these events, Turkey’s effect is very limited on Central Asian politics.

Basic Issues in Turkey-Central Asian Countries Relationship Although Turkey’s policies may be different according to special terms, it can be stated that Turkey’s policy towards this region focused on some certain issues and specific goals. Increasing strategic importance

The first target Turkey is pursuing is to increase her effectiveness in the region and by this way increase her strategic importance. As expressed above, after the disintegration of the Soviet Union Turkey is planning to create a zone of influence in this region. Ankara presented herself as a model for these countries, offering a secular democracy in a Muslim country with a market economy. This position is also supported by the Western countries because a power vacuum emerged in the region and it was feared to be filled with Islamic radicalism. There were also other countries such as Iran which has also cultural and linguistic ties with the regional countries, whose efficiency was avoided by the US and Western powers. cumhuriyeti-siyasi-iliskileri.tr.mfa and “Türkiye-Türkmenistan Siyasi İlişkileri”, http  ://www. mfa.gov.tr/turkiye-turkmenistan-siyasi-iliskileri.tr.mfa, 27.3.2009 13 “Türkiye-Kırgız Cumhuriyeti Siyasi İlişkileri”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkiye-kirgiz-cumhuri yeti-siyasi-iliskileri.tr.mfa  ; “Türkiye-Tacikistan Cumhuriyeti Siyasi İlişkileri”, http  ://www.mfa. gov.tr/turkiye-tacikistan-cumhuriyeti-siyasi-iliskileri.tr.mfa and “Türkiye-Moğolistan Siyasi İlişkileri”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkiye-mogolistan-siyasi-iliskileri.tr.mfa, 27.3.2009. 14 “Turkey’s Relations With Central Asian Republics”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkey_s-rela tions-with-central-asian-republics.en.mfa, 27.3.2009 15 “TRT’nin Avaz’ı (Ses) Daha Gür Çıkacak”, http  ://www.medyakafe.com/haber.php  ?haber_ id=11583, 27 Mart 2009.

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Hüseyin Bag˘cı

The first years of the post-Cold War period were also terms when it was discussed that the US-Turkey relationship is questioned in both Turkey and in the United States because it seems that Turkey’s alliance with the United States has lost its sustaining rationale which was containing the Soviet Union16 and the strategic importance of Turkey was reducing in terms of security of the EU. In this period Turkey’s relations with Central Asia and her efficiency in transforming their political economic regime into a democracy and market economy was also important to re-gain her strategic importance in the eyes of the Western countries. 17 In recent terms, it is apparent that the objective is preserved. Turkey’s importance is emphasized, especially in relations with the US. Davutoğlu expresses that the US had to face new challenges as a superpower while Turkey locates at heart of these sensitive regions and this has a strengthening effect in the US-Turkey relations which “has a solid geopolitical foundation, strong historic background and an institutionalized framework.”18 Moreover according to him, “from a geopolitical perspective, it (the US-Turkey relations) carries almost all characteristics of a relationship between a continental superpower and a central country having the most optimal geopolitical position in AfroEurasia.”19 Regarding relations with NATO, it underlined the need of pursuing active policies in near region and Central Asia and it is very important for the NATO’s new missions. In relations with the EU, Turkey emphasized the important role that she can play in following European security and foreign policies. Atilla Eralp expresses that “Europe’s political and economic success partly depends on stability in its surrounding regions, the Mediterranean, the Middle East and Eurasia (…) Turkey has crucial roles to play in establishing trade, transport and energy routes linking Europe with the Middle East, Trans­ caucasia and Central Asia”20 It is clearly seen that Turkey used her relations with these countries as an asset for her relations with the great powers. 16 George S. Harris, “US – Turkish Relations”, Turkey’s New World Changing Dynamics in Turkish Foreign Policy, Alan Makovsky and Sabri Sayari (eds.), Washington  : The Washington Institute for Near East Policy, 2000, p. 189. 17 Nasuh USLU, “The Russian, Caucasian and Central Asian Aspects of Turkish Foreign Policy in the Post-Cold War Period”, Alternatives, Vol. 2, No. 3–4, Fall&Winter 2003, p. 183. 18 Davutoğlu, “Turkey’s Foreign Policy Vision…, p.88. 19 Ibid. 20 Atilla Eralp, “Turkey and the European Union”, Turkey’s New World Changing Dynamics in Turkish Foreign Policy, Alan Makovsky and Sabri Sayari (eds.), Washington  : The Washington Institute for Near East Policy, 2000, p. 185.



Turkey in Central Asia

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Energy Issue

Second issue which is given significant importance is energy. Turkey would like to persuade other countries on the issue of transportation and pipelines which pass through her territory in order to be an energy hub. This policy is also a part of her aim of being important in terms of the Western countries. Turkey also needs the support of the US and it is asserted that “the United States and the EU need to establish an effective alliance with Turkey for the purpose of ensuring the security of energy resources in the Persian Gulf area and the Caspian basin.”21 Turkey also opposed transportation of these natural resources through the straits because she hesitates any possible environmental calamity, caused by tanker trafficking. Bülent Aras also pointed to the Nassia tanker accident in 1992 showing it as an example of threat that shipping poses to the 12 million residents living on both sides of the Bosphorus.22 Under this framework, the Baku-Tbilisi-Ceyhan pipeline (BTC) has significant importance. It provides many opportunities for the transportation of oil from these countries to the Western markets. Besides transportation, Turkey is also a consumer country and the BTC project would reduce her dependence on Russia for gas and the Arab Middle East for oil.23 Although it met serious difficulties such as opposition of oil companies, pressure by the Russian government and unwillingness of some Western countries, Turkey and the US succeed in finalizing the project. On November 18, 1999 the presidents of Azerbaijan, Turkmenistan, Georgia and Turkey signed an agreement to build a Baku-Tbilisi-Ceyhan oil pipeline.24 On May, 25th 2005 presidents of Turkey, Kazakhstan, Azerbaijan and Georgia signed an agreement on inclusion of Kazakhstan into the BTC pipeline, after that it is called as A-BTC referring to Aktau region in Kazakhstan.25 Seven years after the start of its construction, the Baku-Ceyhan pipeline began to operate in May 2006.26

21 Uslu, op. cit., p. 177 22 Bülent Aras, ‘Turkey’s Policy in the Former Soviet South  : Assets and Options”, Turkish Studies, Vol. 1, No. 1, Spring 2000, p. 40. 23 Nilgün Önder, “ The Turkish Project of Globalization and New Regionalism”, Alternatives Turkish Journal of International Relations, Vol. 7, No. 2&3, Summer&Fall 2008, p. 99. 24 “Bakü’den Ceyhan’a Enerji Köprüsü”, Ajans TR, 2006, p. 3. 25 Ibid., p. 5 26 Onder, op. cit., p. 99.

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Turkey also give special attention to bringing Russian, Kazakh, Turkmen and Azeri gas to Turkey and transporting them through her territory. In the beginning of 1990s, there were two projects  : the Blue Stream gas pipeline from Russia and the Trans-Caspian gas pipeline (TCP) from Turkmenistan were on the agenda  ; but then Turkey’s relation with Russia showed its reflection on decision-makers and the Blue Stream pipeline was constructed. However this pipeline has deepened Turkey’s dependence on Russia regarding gas. According to Aydın, after the Blue-Stream agreement, Turkmenistan was compelled to sign a treaty with Russia on selling gas to this country and this increases her further dependence on the Russian power.27 To reduce her dependence, diversify its source and to satisfy the increasing need for gas, Turkey signed in July 2008 an agreement with Iran and Turkmenistan to bring these countries’ gas to Turkey.28 One of the major principles of Turkish foreign policy regarding to the region is “to support the transportation of their energy resources to international markets freely and through alternative routes.”29 Therefore, Turkey also had additional pipeline projects regarding the Central Asian and the South Caucasus countries such as the Baku-Tiblisi-Erzurum Natural Gas Pipeline and Baku-Tiblisi-Kars railway project and the NABUCCO project which is also supported by the EU. Their completion and usage also provides many opportunities to the Central Asian countries. Aydın expressed that “When the BTC and other pipelines are finished and put into operation, their combined effect would be to weaken substantially the Central Asian and the Caucasian states’ economic and transportation dependence on Russia. Azerbaijan, Kazakhstan and Turkmenistan would appear as new competitors to Russia in the export of oil and gas to the world market”30 while Turkey’s strategic and political influence enhance as a central energy conduit between Europe and Asia.

27 Mustafa Aydın, “Kafkasya ve Orta Asya’yla İlişkiler (1999–2001)” in Baskın Oran (ed.), Türk Dış Politikası  : Kurtuluş Savaşından Bugüne Olgular, Belgeler, Yorumlar, Vol. 2, İstanbul  : İletişim Yayınları, 2001, p. 438. 28 Ercan Baysal and Yasin Çanakçı, “Türkmenistan Gazı İran Üzerinden Türkiye’ye Geliyor”, Tümgazeteler, 16.7.2007, http  ://www.tumgazeteler.com/  ?a=2148577, 27.3.2009. 29 “Turkey’s Relation with Central Asian Republics”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkey_s-relationswith-central-asian-republics.en.mfa, 6.3.2009 30 Aydın , “Foucault’s Pendulum…”, p. 16



Turkey in Central Asia

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Economic Relations

Besides energy issue, Turkey expects to gain major economic benefits from the development of closer ties with the regional countries, which can provide a promising market for the growing Turkish industry. The Central Asian countries also need to attract investment and technological expertise. According to Aras, because of the lack of required capital and expertise to meet the needs of these countries, Turkey offered to act as a channel between Western and Far Eastern investments and the Central Asian oil, gas and mineral riches.31 Despite these problems, Turkish firms entered into the Central Asian markets. Indeed, the potential for economic cooperation was quite substantial and the Turkish private sector, with the support of the government, can exploit the region’s economic potential.32 Turkish companies have invested approximately 3.7 billion Dollar in the region. The total value of projects completed by Turkish contractors reached 15.5 billion Dollar.33 Turkey’s trading volume with Kazakhstan is US $ 2.364 million (2007)  ; with Kyrgyzstan US $ 225 million (2007)  ; with Turkmenistan US $ 735 million (2007) and with Uzbekistan US $ 839 million (2007).34 However the first trade partners of Kazakhstan are Italy and Russia  ; of Kyrgyzstan are Switzerland and Russia  ; of Turkmenistan are Ukraine and Russia  ; of Uzbekistan is Russia.35 There are many limitations on the aim of Turkey having an important part in their trade. According to Önder the basic problem is Turkey’s limited resources that prevented her leadership position.36 Second, Russia’s continued hegemon position did not leave a great place to Turkish firms’ activations.37 Third challenge is the low level of economic development, poor material and institutional infrastructure, incomplete transition into the market economy38, fragile banking system and difficult official process in 31 Aras, op. cit. p. 42. 32 Aydın, op. cit., p. 4. 33 “Turkey’s Relation with Central Asian Republics”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkey_s-relationswith-central-asian-republics.en.mfa, 6.3.2009 34 Kazakistan Ülke Raporu, Kırgızistan Ülke Raporu, Özbekistan Ülke Raporu, Türkmenistan Ülke Raporu, http  ://www.igeme.org.tr/Arastirmalar/ulke_sek/index.cfm  ?sec=ara, 9.3.2009 35 Ibid. 36 Önder, op. cit., p. 99 37 Ibid. 38 Ibid.

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Central Asia which all together prevent further cultivation of economic relations. Security

Turkey also gives importance to the consolidation of their state structures, political and economic reforms, their integration with the international community because of the significance of the issue of preserving political and economic stability and security. Under the effect of principle of rhythmic diplomacy, Turkey would like to have an efficiency regarding the region’s security problems and Turkey has an army in Afghanistan. Therefore security and stability is more important for Turkey than democracy. Moreover Turkey has a cross-regional location and is a transit country for terrorist groups, radical religious movements and organizations which commit transnational crimes and trafficking of weapons, drugs and human beings. Therefore, Turkey gives importance to these regions, including Central Asia wherefrom these kinds of threats are originating. Under the effect of these concerns, she has provided assistance to the Central Asian countries in order to ensure that they become a member of the UN, ECO, integrate fully into the OSCE, and participate in NATO’s Partnership for Peace programme. Within the framework of agreements on combating terrorism signed with these countries, Turkey has provided them with necessary equipment, financial assistance and military education.39 According to Gareth Winrow however, it can be assumed that the most Central Asian countries prefer to remain under the loose Russian security umbrella against the possible spread of religious radicalism.40 After the events in Uzbekistan and so-called revolution in Kyrgyzstan, it is possible to state that ties between Central Asian countries, Russia and China are strengthening. Today four Central Asian countries – except Turkmenistan – are members of the Collective Security Treaty Organization which was initiated by Moscow.

39 “Turkey’s Relation with Central Asian Republics”, http  ://www.mfa.gov.tr/turkey_s-relationswith-central-asian-republics.en.mfa, 6.3.2009 40 Gareth Winrow, “Turkey and the Newly Independent States of Central Asia and the Transcaucasus”, Turkey in World Politics An Emerging Multiregional Power, Barry Rubin and Kemal Kirişçi (eds.), İstanbul  : Boğaziçi Üniversitesi Press, 2002, p. 237.



Turkey in Central Asia

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Cultural and Educational Relations

Turkey would like to increase her soft power. As expressed above, Turkey’s administrational structures and democratic secular governments were shown as a model for these countries for years. In 1992, Turkey proposed the idea to these countries and the Western states and the USA supported, and this factor made the idea very popular.41 In recent years, Turkey was shown as a model to Islamic Middle Eastern countries by the United States in the context of her Broader Middle East and North Africa Initiative.42 Although it is debated in recent years in Turkish foreign policy discourses, the idea of Turkish model for Central Asia has gradually vanished under the effect of some factors  : First of all, according to Bal, Iran tried to increase her economic relations instead of exporting her Islamic ideology. Under this condition, there remains no need to fear Iran. By this way, the basic reason behind the support of the West for the Turkish model disappeared.43 Second, return of Russia into the region and its enduring dominance was also supported by the West because they prefer Russia to provide stability in the region.44 According to Bal, in the beginning of 1990s the West needed a Turkish model because of some concern regarding the regions instability and increase of Islamic movements  ; but after a while they understood that there was not an acute situation which necessitates a model for these countries and support to Turkey faded out.45 However Turkey’s efforts on the issue are not limited to be model country. Turkey, by signing agreements tries to help these countries through educational programmes on related issues such as democratization. Thousands of students have come to Turkey for getting education in Turkish universities. Central Asian countries host schools of Turkish National Education Ministry and private institutions, and universities such as the Turkish-Kazakh International Hoca Ahmet Yesevi University in the Kazakh city Turkistan and the Turkish-Kyrgyz Manas University in Kyrgyzstan.46 41 İdris Bal, “Soğuk Savaş Sonrasında Türk Dış Politikası İçin Türk Cumhuriyetlerinin Önemi”, 21. Yüzyılın Eşiğinde Türk Dış Politikası, İdris Bal (ed.), İstanbul  : Alfa Basım Yayın Ltd. Şti., 2001, pp. 337. 42 Meliha Benli Altunışık, “The Turkish and Democratization in the Middle East”, Arab Studies Quarterly, Winter Spring 2005, Vol. 27, Issue 1/2, p. 45. 43 Bal, op. cit., p. 338 44 Ibid. 45 Ibid., p. 339. 46 Ibid.

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Turkey’s potential of being a soft power is frequently discussed and it is claimed that Turkey, to be a soft power, first of all should have conceptual clarity. On the other hand, Altunışık, in her article in which she evaluated the potential of Turkey to be a model in the Middle East, expressed that there should be three conditions  : assets, will, and credibility.47 In terms of Central Asia, Turkey has an asset for being a model country with her secular democratic system and as Altunışık expressed “the Turkish experience seems to lend support to the argument that the Islamic movements [from which some Central Asian republics such as Tajikistan and Afghanistan have suffered] can be moderated through democracy”.48 Second, Turkish government has a will regarding this point. Altunışık stated that “both Prime Minister Erdoğan and foreign minister Abdullah Gül have been consistent and willing to project the Turkish experience as an asset both to regional countries and the West.”49 Regarding credibility, Turkey’s EU membership process is a good asset for being a sign of her credibility. Altunışık also expressed that the future of the TurkeyEU process is important for Turkey’s potential to be soft power and any crisis in this process will diminish the attraction of the Turkish experience.50 However, as Hüseyin Bağcı expressed, Turkey-EU relations have not improved for last two years because of reasons which are originating from both Turkey and the EU.51 In this framework it is possible to state Turkey-EU relations and Turkey- Central Asian relations are two vectors that affect each other. Problems in Turkey and Central Asian Countries Relationship After the independence of these countries, it is the first time in her history Turkey would like to establish a sphere of influence in the region. By using their common historical, linguistic and cultural ties, Turkey intended to manage this task. Turkey would like to increase her geopolitical, strategic and geo-economic importance through relations with Central Asian countries and would like to develop close relations with countries beyond neighbors in order to have efficiency in world politics. However, after nearly two decades Turkey is not an efficient actor in Central Asian countries relations. 47 Altunışık, op. cit., p. 63. 48 Ibid., p. 56 49 Ibid. 50 Ibid., p. 58. 51 Hüseyin Bağcı, “Türkiye-AB İlişkileri Yeni Bir Başlangıç Mı  ?”, Stratejik Boyut, Yıl. 1, Sayı. 2, p. 19.



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There are many reasons related to the issue. Turkey could not develop a cohesive and comprehensive diplomacy regarding the region. Aydın also states that “Turkey’s early policies toward the region displayed a certain lack of awareness of the needs, constraints, and sensitivities of the local population, and too many hints for a latter-day domination in political and/or economic realms”.52 Without strategic and rational plans and lack of background led to unsuccessful policies and discontent on both sides, Turkey and her partners. Robert M. Cutler also states that Turkish foreign policy cannot continue its own cohesive and ambiguous path, mostly because of coalition government and insecure political leadership.53 Uslu also expresses that Turkey could not follow stable policies, focusing other regions.54 These uncertain policies have also affected Central Asian leaders negatively. Moreover Turkey did not have enough capability to meet the needs of the newly independent countries. Turkey’s efforts of trying to have a zone of influence without capacity irritated these countries and urged them to turn their face to the West. Turkey could not counter-balance the Russian Federation. Its strong ties, economic capabilities, its interference into regional conflicts and existence of Russian minorities in Central Asian countries were factors that provided for the continuation of Russian dominance. Furthermore Turkey had some problems with the leaders of these countries because of Pan-Turkic discourses in Turkey. According to Aras, some Turkish nationalist movements started to emerge in these countries and they have close relations with similar parties in Turkey and this led some problems between Turkey and some of the central Asian leaders. Turkey has some problems with Turkmenistan because of Muhammed Salih, the opposition leader. On the same issue, Turkey had troubles with Azerbaijan regarding the involvement of Turkish ministers and the Turkish National Intelligence Organization (MİT) in Rusen Javadov’s revolt in 1995.55 Uzbekistan also complained that Turkeys embassy protected some suspects charged of being involved in bombings against Karimov.56

52 Aydın, “Foucault’s Pendulum …”, p. 7 53 Robert M. Cutler, “US-Russian Strategic Relations and the Structuration of Central Asia”, PGDT, No. 6, 2007, p. 119. 54 Uslu, op. cit. , p. 185. 55 Aras, op. cit., p. 43. 56 Ibid. p. 44.

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One of the most important failures of Turkey, according to Aras, was that Turkish foreign policymakers could not adequately understand the international dimension of the situation in the region.57 Even though Turkey can develop new and active policies regarding the region under the effect of new foreign policy principles, there is an important obstacle on higher influence of Turkey on these countries. Dynamics in the region after 9/11 led to the widespread US influence since 2006 and thereafter Russia and China began to become main actors in the region. Great power politics at the regional and international level limit Turkey’s influence and she can only have secondary roles. Therefore this “secondary roles” are still important for regional as well as global “balance of power”. Turkey’s desire to play a global role remains unchanged but to be a regional power in hard- and soft-power context is also an unchanged fact for Turkey.

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Aschot Manutscharjan

Irans Politik in Zentralasien

Iran als regionale Macht in Zentralasien Im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion wurde die Islamische Republik Iran mit einer neuen geopolitischen Situation an ihrer Nordgrenze konfrontiert  : Die Entstehung unabhängiger Staaten im Südkaukasus und in Zentralasien sowie Statusfragen in Bezug auf das Kaspische Meer hatten die Ausarbeitung einer neuen Außen- und Sicherheitspolitik zur Folge. Politikberater und Wissenschaftler aus dem Westen – im Unterschied zu ihren Kollegen in Russland und Zentralasien –, diskutierten angesichts der neuen Lage über einen möglichen schicksalhaften Machtkampf zwischen der Türkei und dem Iran als den Repräsentanten unterschiedlicher politischer Systeme. Wer aus der Auseinandersetzung als Sieger hervorgehen würde, war nicht klar. Zugleich wiesen sie den neuen Ländern im Südkaukasus und in Zentralasien vorab eine Opferrolle im Konkurrenzkampf zwischen dem islamisch-fundamentalistischen Iran und der westlich orientierten, laizistischen Türkei zu. Ohne Rücksicht auf die historischen Traditionen, in Unkenntnis der realen politisch-zivilisatorischen Entwicklungen in den ehemaligen Sowjetrepubliken, aber auch gezielt manipulierend, verfassten sie ihre Berichte vor allem in Bezug auf das post-sowjetische Zentralasien. Diese Region glaubten sie wegen der gemeinsamen Grenzen mit Iran und Afghanistan als nächstes islamistisches Krisengebiet identifiziert zu haben. In der aus Washington und Ankara gesteuerten Desinformationskampagne ging es primär darum, den fundamentalistischen Iran weiter zu isolieren, um die Türkei so in die Lage zu versetzen, Zentralasien zu „übernehmen“. Im Südkaukasus fiel dem postsowjetischen Aserbaidschan die potenzielle „Opferrolle“ zu  : zum einen wegen der geografischen Nähe zum schiitischen Staatsmodell des Iran, zum anderen wegen der schiitischen Glaubenstradition vieler Aserbaidschaner. Um das eigene Ansehen auf internationaler  Edmund Herzig, Iran and the Former Soviet South, Royal Institute of International Affairs, London 1995.  Aschot Manutscharjan, Irans Politik im Südkaukasus, in  : Erich Reiter (hg.), Der Krieg um

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Aschot Manutscharjan

Ebene zu verbessern, präsentierte sich die Türkei als etablierte regionale Ordnungsmacht. Gleichzeitig offerierte sie sich den kaukasischen Republiken als Alternative sowohl zum Iran als auch zu der unter Moskauer Einfluss stehenden Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Dabei berücksichtigte der Westen jedoch nicht, dass Russland gegen die politischen Ambitionen Ankaras, denen ein wirtschaftliches Fundament fehlte, opponieren würde. Stattdessen konzentrierte sich die westliche Staatengemeinschaft auf die Gefahr eines Exports der Islamischen Revolution durch den Iran, während die sich allmählich herauskristallisierenden russischen Interessen vernachlässigt wurden. Im Ergebnis führten die konkurrierenden Interessen der Großmächte USA und Russland sowie die um eine Erweiterung ihrer regionalen Einflusssphären kämpfenden Mittelmächte Iran und Türkei zur Bildung von „strategischen Partnerschaften“, die an das politische Achsenmodell des 19. Jahrhunderts erinnerten  : auf der einen Seite befinden sich Aserbaidschan, Georgien, die Türkei, Israel und die USA, auf der anderen Seite stehen Iran, Armenien und Russland. Diese Entwicklung war für die krisenhafte Zuspitzung der Lage im Süd-Kaukasus ausschlaggebend und wirkt einer Lösung des Berg-Karabach-Konfliktes bis heute entgegen. Nachdem die Versuche Teherans gescheitert waren, im Südkaukasus eine führende politische und wirtschaftliche Rolle zu spielen, überließ der Iran 1993 seinem neuen „strategischen Partner“ Russland diese Position, außerdem unterstützt Teheran seitdem Moskau gegen das Vordringen der USA und der Türkei. Hinzu kommt, dass die USA den Interessen der mächtigen amerikanischen Ölkonzerne in Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan (wie in Saudi-Arabien) Vorrang einräumte vor der Durchsetzung demokratischer Werte, obwohl deren Einhaltung von der US-Administration auf internationaler Ebene proklamiert und je nach Opportunität auch eingefordert wurden. Diese Ambivalenz einer an „Werten orientierten“ Realpolitik führte nicht nur bei den politischen Eliten im Südkaukasus und in Zentralasien zu einer skeptischen und zynischen Bewertung der westlichen Demokratien, sondern sie verunsicherte auch die politisch aktiven Schichten der Bevölkerungen dieser Staaten zutiefst. Der Iran begründete seine Nachbarschaftspolitik in Bezug auf Zentralasien – analog zur Südkaukasus-Politik – mit den gemeinsamen, Jahrhunderte alten kulturellen und historischen Wurzeln. Teheran wies auf die Berg-Karabach, Krisen- und Konfliktmanagement in der Kaukasus-Region, Böhlau, Wien, Köln, Weimar, Wien 2009. S. 181–201.



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friedliche Geschichte während des Persischen Reiches hin und versuchte die konkurrierende Türkei über das Herausarbeiten dieser gemeinsamen kulturell-historischen Vergangenheit zu neutralisieren. Um die Ambitionen Ankaras in Zentralasien einzudämmen – Teheran wertet sie als direkte Einmischungsversuche der USA und der NATO –, konzentrierte sich der Iran auf die Herstellung und Vertiefung gutnachbarschaftlicher Beziehungen auf bilateraler Ebene. Die Ausgrenzung der Islamischen Republik – dazu gehört auch der Ausschluss Teherans von internationalen Treffen in Zentralasien – sollte überwunden werden. Bereits die frühere Sowjetunion hatte nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 Teheran systematisch von seinen Republiken ferngehalten  : Moskau fürchtete nicht ohne Grund Ayatollah Khomeinis Doktrin vom „Revolutionsexport“. Insbesondere die iranische Regierung unter Präsident Rafsandschani (1989 bis 1997) verfolgte eine Politik auf der Basis sicherer und stabiler bilateraler Beziehungen, gegründet auf pragmatischen, wirtschaftlichen Interessen. Im Unterschied zum Iran definierte die Türkei ihre Interessen in Zentralasien mit Laizismus und betonte die Idee einer ethnischen Verwandtschaft aller Turkvölker, die „Turkestan“ (Zentralasien) besie­deln. Die Reaktivierung dieser fast vergessenen pan-türkischen Ideologie zeigte sich in den 1990er Jahren unter anderem in den Reden türkischer Politiker. Auf turnusmäßig stattfindenden „Kongressen der türkischen Welt“ wurde über die Schaffung einer „neuen Weltordnung“ diskutiert, deren Zentrum ein gemeinsamer türkischer Staat bilden sollte. Mit anderen Worten, Ziel war die Gründung eines neuen Großtürkischen Reiches (Großer Turan). In diesem Zusammenhang wuchs Aserbaidschan eine Schlüsselstellung zu, da es die Funktion „einer goldenen Brücke“ nach Zentralasien einnehmen sollte, wie der aserbaidschanische Präsident Abulfaz Elçibey im April 1993 verkündete. Als Bindeglied sollte Aserbaidschan die Türkei mit Turkestan verbinden, während umgekehrt die Türkei den Kontakt zum Westen herstellen sollte. Unter den Parolen „Gemeinschaft von Sprache, Tat und Idee“ und „das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Türkei“ versuchte Ankara nicht nur, die turksprachigen Völker und Staaten, die mit dieser Ausrichtung einverstanden waren, un­ter seine Vormundschaft zu stellen, sondern auch diejenigen, die nicht „von einem neuen grö­ßeren Bruder“ dominiert werden wollten. Vor allem in Aserbaidschan sollte das „Türkentum“ als Alternative zur Politik des Iran zum Zuge kommen, die auf eine schiitische Aufklärung in  Cumhuriyet, 3.4.1993.

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Aserbaidschan abzielte. Denn die neue pro-türkische politische Klasse in Baku, hervorgegangen aus der atheistischen Sowjetunion, ließ nach der Unabhängigkeit kein Interesse an Irans religiösen Werten und seiner Kulturpolitik erkennen. Der anti-iranische Kurs Aserbaidschans wurde während der Präsidentschaft von Präsident Heidar Alijew seit 1994 fortgeführt. Nach seinem Tod im Jahr 2004 hielt auch sein Sohn und Nachfolger, Ilcham Alijew, an dieser Ausrichtung fest. Eine ähnliche politische Niederlage wie in Aserbaidschan erlebte Teheran in Zentralasien  : Dort hatte die herrschende politische Klasse nicht nur kein Interesse am islamischen Modell des iranischen Staates. Vielmehr versuchte sie es mit allen Mitteln zu bekämpfen. Die religiösen gesellschaftlichen und parteipolitischen Organisationen in allen zentralasiatischen Staaten wurden verboten und in den Untergrund gedrängt, wo sie mit brutaler Staatsgewalt verfolgt wurden. Die Verfassungen aller Länder der Region lehnten die Existenz islamischer politischer Organisationen und Parteien kategorisch ab. Mitte der 1990er Jahre mussten schließlich auch die Verantwortlichen in Teheran einsehen, dass ihr politisches und religiöses Engagement unerwünscht war. Dabei hätte Tadschikistan eine Warnung sein können  : In dem persischsprachigen Land hatte der Iran direkt nach dem Zerfall der UdSSR einen „Gottesstaat“ installieren wollen – und war damit grandios gescheitert. Aber nicht nur dem Iran, sondern auch der Türkei erteilten die örtlichen Regierungen eine Abfuhr  : Weder die „europäischen Werte“ noch die Bestrebungen Ankaras, zusammen mit den turkstämmigen Völkern Zentralasiens eine „türkische NATO“ zu bilden, reizten die Präsidenten der Region. Sie wollten sich keinem neuen großen Bruder unterstellen. Sollte es nötig werden, sich in neue Abhängigkeiten zu begeben, dann nur mit einer wesentlich einflussreicheren Hegemonialmacht an der Seite, die den Unabhängigkeitskurs der jungen Staaten gegebenenfalls militärisch und wirtschaftlich absichern könnte. Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew bestätigt in einem seiner Bücher, dass der Präsident der Türkischen Republik, Turgut Özal, einige Male nach Kasachstan kam, um nicht nur mit den neuen Staaten gutnachbarschaftliche Beziehungen zu vereinbaren, sondern „in gewisser Weise auch aus dem Wunsch heraus, den ihm vererbten Traum Kemal Atatürks – die Bildung einer mächtigen Vereinigung der Turkstaaten – zu verwirklichen.  Rasim Agajev, Zardušt Ali-zade, Azerbaidžan  : Konec Vtoroj Respubliki (1988–1993), (= Das Ende der Zweiten Republik) Moskau 2006. S. 575 f.



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Diesen Traum hat er nicht verheimlicht. Er war Anhänger des pantürkischen Gedankens  : Eine Großtürkei sollte die gesamte türkische Welt vom Baikalsee bis zum Mittelmeer und zur Donau in sich vereinen […] Ich muss sagen, dass solche Ideen auch bei uns kursierten. Viele glaubten, dass die Türkei alle unsere Probleme lösen könne […] Aber was bedeutete dies wirklich  ? Das hieß doch, auf die gerade erst erworbene Unabhängigkeit zu verzichten und die traditionellen Beziehungen zu den Nachbarn abzubrechen. Anstelle des einen „Großen Bruders“ hätten wir uns einen anderen aufgehalst.“ Nasarbajew erinnert sich weiter, dass dieses Thema von den Oberhäuptern der Turkstaaten während ihres ersten Istanbuler Gipfeltreffens „sehr ernsthaft diskutiert“ wurde. In einer von der Türkei vorbereiteten Erklärung hieß es, die Turkstaaten gingen aufgrund ihrer gemeinsamen geschichtlichen Wurzeln, der sprachlichen und kulturellen Gemeinsamkeiten sowie der einheitlichen Mentalität auf Integrationskurs mit der Türkei. „Hier musste ich Özal eine herbe Enttäuschung bereiten  : Ich sagte, dass wir diese Erklärung nicht unterzeichnen könnten. Ich sprach davon, dass wir für eine wirtschaftliche, humanitäre, politische Zusammenarbeit seien. Richtig, unsere Wurzeln, Vorfahren und viele kulturelle Eigenheiten hätten wir gemein – lange Zeit seien wir jedoch voneinander abgeschnitten gewesen. Ich schlug vor, die verloren gegangenen Verbindungen zivilisiert wieder aufzubauen und dabei die eben erst erworbene Unabhängigkeit und die Souveränität eines jeden Staates zu achten. Wir konnten jedoch nicht den Abbruch der Verbindungen zu anderen Völkern und Staaten riskieren und erneut unter dem Vorzeichen fehlender Gleichberechtigung mit wem auch immer Beziehungen aufbauen.“ Vom Präsidenten Kasachstans hatte die Türkei eine solche Reaktion natürlich nicht erwartet. Auch der Präsident Usbekistans, Islam Karimov, unterstützte Nasarbajews Haltung. In den türkischen Zeitungen wurde viel darüber geschrieben, dass Nasarbajew den pantürkischen Bestrebungen eine strikte Absage erteilt habe, stellte der Präsident stolz fest. Karimov bezeichnete es als perspektivlos, die islamische Welt über die Idee ihrer Besonderheit zu konsolidieren und gleichzeitig als Gegengewicht zu den USA und zu Westeuropa zu positionieren. Zwar anerkenne er die historische Zugehörigkeit der Usbeken zu den Turkvölkern. Zugleich lehne er jedoch „kategorisch den verführerischen Panturkismus und die chauvinistische Idee des ‚Großen Turan‘ ab. Für uns  Nursultan Nazarbaev, Na poroge 21 veka (= An der Schwelle zum 21. Jahrhundert), Almaty 1996, S. 189 f.

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ist Turan ein kulturelles Symbol und nicht eine super-politische Einheit der türkischsprachigen Völker der Region.“ Dagegen stellte der Präsident seine eigene Visionen  : Usbekistan sollte aufgrund der „gemeinsamen kulturellen, historischen und anthropologischen Wurzeln mit dem tadschikischen Volk eine für Zentralasien einzigartige Synthese der türkischen und persischen Kultur“ eingehen und damit die Initiative zur kulturellen Integration der Region übernehmen. Aus der politischen Niederlage der türkischen Strategie in Zentralasien lernte Teheran  : Der Iran verzichtete fortan auf Hegemonialansprüche gegenüber den jungen Staaten, insbesondere bei Kasachstan, das bis 1994 noch Atommacht war. Stattdessen konzentrierte die Islamische Republik – abgesehen von Tadschikistan – ihre bilaterale Politik auf die wirtschaftliche Ebene. Nach den Worten des Direktors des Instituts für Internationale Beziehungen beim iranischen Außenministerium, Abbas Maleki, normiert die iranische Verfassung die außenpolitischen Kontakte zu anderen Staaten  : Das Grundgesetz hebt die Beziehungen zu den direkten Nachbarn auf die erste Stufe, danach folgen die Beziehungen zur Islamischen Welt und zu den Staaten der Dritten Welt, zuletzt werden die Länder aufgeführt, die die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Ziele Irans unterstützen. Dies erklärt, warum sich der Iran selbst zuerst als Regionalmacht definiert, die sich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit der imperialistischen Staaten stellt. Um eine regionale Ordnung zu schaffen, sollen die als strategisch bewerteten Beziehungen zu anderen Regionalmächten, wie der Türkei, SaudiArabien und Pakistan, gepflegt und entwickelt werden. Im Unterschied zur Nahost- und Afghanistanpolitik ist das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten ein zentraler Grundsatz der iranischen Zentralasien-Politik. Dazu gehört auch, dass die Islamische Republik auf jegliche Kritik an der politischen oder religiösen Entwicklung in diesen Ländern verzichtet. Die Politiker in Teheran wissen nur zu gut, dass die Präsidenten ansonsten ihre Beziehungen mit dem Iran sofort abbrechen

 Islam Karimov, Uzbekistan na poroge XXI veka, Ugrozy bezopasnosti, uslovija i garantii progressa, (= Usbekistan an der Schwelle zum XXI. Jahrhundert, Gefährdung der Sicherheit, Bedingungen und Garantien für den Fortschritt), Taschkent 1997, S. 265 f.  Abbas Maleki, Iran, Central Asia, and Afghanistan  : Recent Developments, Johns Hopkins University 2006, ders., The Islamic Republic of Iran’s Foreign Policy  : The View from Iran, in  : The Iranian Journal of International Affairs, Teheran Nr. 4 1996, S. 744 f., Manouchehr Mohamadi, Principles of Iran’s Foreign Policy, in  : ibid., Nr. 1, S. 1 f.



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würden. Es nimmt deshalb kein Wunder, dass der Iran die Verfolgung der islamisch motivierten Opposition oder Repressionen gegenüber den islamischen Parteien mit keinem Wort kritisiert. Begründet wird diese Art der Abstinenz mit dem Hinweis, die Andersdenkenden stammten aus dem sunnitischen Raum und verfolgten als politisch-religiöses Ziel die Schaffung eines „Arabischen Chalifats“. Sowohl die Destabilisierung der autoritären Regime in Zentralasien als auch deren Demokratisierung oder auch nur ihre prowestliche Orientierung könnten unabsehbare Konsequenzen für den Iran haben. So bestätigte der Sekretär des Hohen Rates für Nationale Sicherheit, Ali Laridschani, im November 2005, dass sein Land seine Sicherheit auch über stabile Verhältnisse im Norden garantieren will  : „Die nationale Sicherheit des Iran ist nur über die Stabilität, Unabhängigkeit, Fortschritt und Entwicklung in Zentralasien und Kaukasus zu erreichen.“ Auf die Phase der „Entspannungspolitik“ unter der Führung von Präsident Chatami (1997 bis 2005) folgte die Strategie der „aggressiven Diplomatie“  : Ziel ist es, Irans nationale Interessen aktiver zu verteidigen, eine Annäherung an die Nachbarn zu erreichen sowie iranische Positionen in den internationalen Organisationen und in den bilateralen Beziehungen deutlicher durchzusetzen. Von daher führte Teheran unter der ersten Präsidentschaft von Mahmud Achmadinedschad (2005 bis 2009, Wiederwahl am 12. 6. 2009) eine pragmatische, auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit fokussierte Zen­ tralasienpolitik, die sich zugleich den Anstrengungen der US-Politik zu widersetzen suchte, den Iran in der Region weiter zu isolieren. Auch wenn die Islamische Republik ihren regionalen Führungsanspruch, insbesondere mit Blick auf den Südkaukasus und Zentralasien, nicht explizit in Dokumenten festhält, kommt er „in der Beschreibung der regionalen Vorrangstellung Irans als selbstverständlicher Tatsache zum Ausdruck“. Da es in der Islamischen Republik selbst kaum veröffentlichte Quellen und wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema gibt, stützt sich vorliegende Analyse vor allem auf Berichte aus den Staaten in der Region. Dabei sollte man aber berücksichtigen, dass in den autoritär regierten zentralasiatischen Ländern weder eine freie journalistische Berichterstattung noch eine unabhängige wissenschaftliche Forschungstätigkeit möglich sind. Vor allem  Zit. nach Célia Chauffour, Teheran blickt auch in Richtung Kaukasus und Zentralasien, in  : www.caucaz.com [Zugriff  : 4.2.2006].  Johannes Reissner, Irans Selbstverständnis als Regionalmacht, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin 2008. S. 6 f.

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Veröffentlichungen zu außenpolitischen Themen unterliegen einer starken staatlichen Zensur, gerade wenn es um Staaten wie dem Iran geht, die auf Kritik höchst „sensibel“ reagieren. Deshalb äußern sich zuerst immer die Präsidenten der betreffenden Länder zu Irans Politik. Erst wenn die Rahmenbedingungen feststehen, dürfen sich gelegentlich auch die heimischen Wissenschaftler zu Wort melden. Die Zentralasienpolitik des Iran kann man chronologisch in drei Etappen einstufen  : 1. 1991 bis 1996  : In diese Phase fallen der Aufbau und die Entwicklung bilateraler Beziehungen zu den neuen Staaten nach dem Zerfall der Sowjetunion sowie das Scheitern des Versuchs, die „Islamische Revolution“ nach Tadschikistan zu exportieren (1991 bis 1994). Die außenpolitische Niederlage in Tadschikistan zwang Teheran dazu, seine Ziele in der Region zu ändern, zumal die pro-pakistanischen Taliban im benachbarten Afghanistan die proiranische Regierung von Präsident Burhanuddin Rabbani und Vize-Präsident Achmedschah Massud (beide afghanische Tadschiken) besiegt hatten. Die auf eine Verdrängung des atheistischen postsowjetischen Russland aus der islamischen Welt Zentralasiens orientierte iranische Politik bedurfte einer Revision  : Russland wurde vom Feind und „Satan“ zum strategischen Partner aufgewertet, da Moskau ungeachtet seiner finanziellen Nöte über mächtige Instrumente und Ressourcen verfügte, um das Vordringen der USA in die Region zu verhindern. Folglich kooperierte der Iran mit Russland bei der Beilegung des Bürgerkrieges in Tadschikistan und verschaffte damit der afghanischen Nordallianz eine sichere Grenze im Norden des Landes. Zugleich gewann eine an den nationalen Interessen ausgerichtete Politik Oberhand über den religiösen Radikalismus. Die Politik Irans gegenüber den neuen unabhängigen Staaten in Zentralasien bewertete der russische Politologe Kamaludin Gadschiew denn auch als „konstruktiv und frei von ideologischem Ballast“. Dieser Neuausrichtung hatten noch unmittelbar vor dem Zerfall der UdSSR hochrangige iranische Kleriker widersprochen. Damals hatten sie öffentlich gefordert, dass Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan als ureigene Territorien Irans befreit werden müssten, da sie dem Land im 19. Jahrhundert weggenommen worden seien. Gadschiews Fazit  : „Es ist ein Verdienst der iranischen Führung, dass sie dieses Syndrom überwinden konnte und die Realitäten der gegenwärtigen Welt anerkannt hat.“10 10 Kamaludin Gadžiev, Geopolitika Kavkaza (= Die Geopolitik des Kaukasus), Moskau 2003, S. 340.



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2. In den Jahren 1996 bis 2004 vertieften der Iran und die zentralasiatischen Staaten – mit Ausnahme von Usbekistan – ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen weiter. Da der Iran als strategischer Partner galt, fand die iranische Regionalpolitik in Moskau Zustimmung. Teheran wurde weder als Konkurrent noch als militärische Bedrohung betrachtet. Die USMilitärpräsenz im Irak und die Übernahme des ISAF-Mandats durch die NATO alarmierte jedoch die iranische Regierung und förderte deren Atomprojekt. Die amerikanischen Militärbasen in der zentralasiatischen Region vollendeten Irans regionale Isolierung, zumal sich die USA aktiv in die Außen- und Innenpolitik der zentralasiatischen Staaten einmischten und die lokalen Regie­rungen aufforderten, möglichst alle wirtschaftlichen und politischen Beziehungen nach Teheran zu stoppen. Die Errichtung von US-Militärbasen in Zentralasien bedeutete zugleich einen Schlag für das System der Kollektiven Sicherheit der GUS und für die neue Regionalpolitik Russlands unter Präsident Wladimir Putin. Daraufhin verstärkte Moskau seine Bemühungen um Kollektive Sicherheit im Rahmen der „Shanghaier Sechs“  : Russland, China, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Daneben kümmerte sich die Russische Föderation verstärkt um Fragen in Bezug auf den Status des Kaspischen Meeres und traf Vereinbarungen über die Teilung des Meeresgrundes mit den beiden Anrainerstaaten Kasachstan und Aserbaidschan. Intensive Verhandlungen zu diesem Thema führte Moskau auch mit Turkmenistan und dem Iran, wie der russische Ex-Ministerpräsident Evgenij Primakow bestätigte.11 Den Krieg in Afghanistan und die US-Militärpräsenz an der afghanischiranischen Grenze betrachtete Teheran als akute Bedrohung. Da der Bürgerkrieg, die Angriffe der Taliban und die Staatswerdung in Afghanistan längst noch nicht abgeschlossen sind, wird der Iran die US-Politik weiter torpedieren und den bewaffneten Widerstand gezielt unterstützen. Dass Washington die Zeichen der Zeit erkannt hat zeigt, dass die USA ihre Militärpräsenz nicht nur in Afghanistan, sondern auch im benachbarten Zentralasien konsequent verstärken. Nach Meinung iranischer Diplomaten, schreibt Kasachstans Außenminister Kasymžomart Tokajew, seien die Amerikaner für die „Ewigkeit“ nach Zentralasien gekommen.12 11 Evgenij Primakov, Mir posle 11 sentjabrja (= Die Welt nach dem 11. September), Moskau 2002. S. 115. 12 Kasymžomart Tokaev, Preodolenie, Diplomatičeskie očerki kazachstanskogo ministra (= Überwindung, Diplomatische Notizen eines kasachischen Ministers), Moskau 2003, S. 285.

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Teheran wiederum signalisierte seine Bereitschaft, aktiver am politischen Leben Zentralasiens teilnehmen und die anti-amerikanische Front verstärken zu wollen. Deshalb beantragte der Iran die Mitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), bekam aber nur den Status eines politischen Beobachters. Immerhin überwand Teheran damit eine wichtige Barriere und kann fortan als anerkannte Regionalmacht mit China und Russland an demselben Verhandlungstisch sitzend über regionale Fragen diskutieren. Diese Tribüne sollte Präsident Achmadinedschad später geschickt für sich zu nutzen wissen. Die schwache russische Position während des IrakKrieges desillusionierte allerdings die politische Führung in Teheran, sodass sie sich als Alternative zu Russland in der Region in Stellung zu bringen suchte. Der engen wirtschaftlichen Kooperation mit der Volksrepublik China in der Energiewirtschaft folgte eine enge politische Zusammenarbeit. 3. Seit dem Jahreswechsel 2005/2006 ist es offensichtlich, dass sich der Iran von dem mit Russland abgestimmten außenpolitischen Kurs in Zentralasien distanziert und zunehmend mit China rechnet, insbesondere im Bereich der Energiepolitik. So unterbreitete die Islamische Republik den Regierungen in Zentralasien Partnerschaftsangebote und brachte sich als günstiges Transitland ins Gespräch. Mit chinesischer Rückendeckung – Peking beteiligt sich an der Finanzierung der Petrochemie und an Pipeline-Bauprojekten – rüstet sich der Iran für den Konkurrenzkampf mit der EU und den USA um die Energie-Transportprojekte aus der Region.13 Die auf Druck der USA stornierten Öl- und Gaspipeline-Projekte aus Kasachstan nach dem Iran wurden durch eine noch aktivere Zusammenarbeit mit Turkmenistan kompensiert, auf das der Iran – als Gegengewicht zu Russland – als Gas-Transitland setzt. Auch die Finanzierung der Eisenbahnlinien nach Turkmenistan ist Teil der iranischen Politik, sich nicht nur als südliches Pipeline-Transitland anzubieten, sondern auch als wichtiges Transitland für die Verbindungen in die arabische Welt, die Türkei und die EU (Eisenbahn, Straßen, Strom). Zwar erschwert die Finanzblockade vonseiten der USA, der EU und vielen arabischen Geldinstituten iranischen Unternehmern die Finanzierung ihrer Projekte, dennoch ist der Ruf der Iraner als Geschäftspartner in Zentralasien nicht schlecht. Tatsache ist aber auch, dass sich die Erfolge der Iraner bislang in engen Grenzen halten, da sich – mit Ausnahme der VR China – keine europäischen 13 Martin Beck, Miriam Shabafrouz, Iran – gewichtiger Gegenspieler westlicher Interessen, in  : Focus Nahost, (Hamburg) 10/2007.



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oder amerikanischen Firmen an iranischen Projekten beteiligen dürfen. Bei ihren Besuchen in Zentralasien bemühen sich hochrangige iranische Delegationen, diese Blockadebestrebungen zu neutralisieren und die politische Unterstützung für die iranischen Firmen vor Ort zu erhalten. Im Zuge des Irak-Krieges konnte der Iran seinen Einfluss im Mittleren Osten insgesamt ausweiten  : Dies führte zur Stabilisierung der Beziehungen zu den Golfstaaten und vor allem zu Saudi-Arabien.14 Angesichts dieser gefestigten Lage an den südlichen Landesgrenzen richtete Teheran seine Aufmerksamkeit wieder ganz nach Zentralasien.

Der gescheiterte „Gottesstaat“ in Tadschikistan Aus dem Machtkampf innerhalb der Kommunistischen Partei der sowjetischen Unionsrepublik Tadschikistan in der Endphase der Perestrojka entwickelte sich nach der Unabhängigkeit der Pamir-Republik ein blutiger Bürgerkrieg  : Auf der einen Seite standen die Anhänger eines zivilen Staates, auf der anderen Seite die Protagonisten einer islamischen Republik.15 Der Iran verbündete sich mit den Anhängern eines Scharia-Staates und ging damit auf Konfrontationskurs zu Russland, das die gegnerische Partei unterstützte.16 Dabei wurde Teherans Politik in Tadschikistan militärisch aus dem Norden Afghanistans von Präsident Rabbani und seinem Vize-Präsidenten, Verteidigungsminister Achmedschah Massud, unterstützt. Russland hingegen kämpfte für Emomali Rachmonows Präsidentschaft und half ihm, die bewaffnete Vereinigte Tadschikische Opposition (VTO) unter Führung von Said Abdullo Nuri und Turandschonzoda auszuschalten. Dafür beschwor Duschanbe die „ewige Freundschaft“ mit Russland und verheimlichte nicht, dass Tadschikistans „strategischer Partner Russland ist und bleibt“. In seinen Reden und Büchern verzichtete der Präsident Rachmonow darauf, die enge 14 Ellinor Zeino-Mahmalat, Saudi-Arabiens und Irans Regionalpolitik zwischen Ideologie und Pragmatismus, in  : Focus Nahost, 1/2009. 15 Tadžikistan v ogne (= Tadschikistan im Feuer), Duschanbe 1993, Gapur Chajdarov, Maksudžon Inomov, Tadžikistan  : tragedia i bol’ naroda (= Tadschikistan  : Die Tragödie und der Schmerz des Volkes), St. Petersburg 1993. 16 Den Iran erwähnt der tadschikische Präsident in seinem Buch mit keinem Wort. Emomali Rachmonov, Tadžiki v zerkale istorii (= Tadschiken im Spiegel der Geschichte), Duschanbe 1996, S. 50 f., Emomali Rachmonov, Tadžikistan na poroge buduščego (= Tadschikistan an der Schwelle der Zukunft), Moskau 1997. S. 31.

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historisch-kulturelle Verwandtschaft der Tadschiken mit den Iranern zu thematisieren. Schließlich beäugte er misstrauisch, wie Teheran diese Verwandtschaft missbrauchte, um in Tadschikistan durch religiöse Propaganda den Aufbau eines laizistischen Staates zu torpedieren. Der Oberbefehlshaber der Grenzschutztruppen Russlands (1993 bis 1994) und spätere stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Armeegeneral Andrej Nikolajew, betont in seinen Erinnerungen, dass Russland Tadschikistan im Kampf mit dem Iran keinesfalls verlieren wollte. Der Tadschikistan-Krieg war das Zentrum der „globalen geopolitischen Auseinandersetzung, die eine lange und komplizierte Geschichte hat […] Eine der Hauptvoraussetzungen, die in den vergangenen Jahrhunderten die geopolitische Rolle dieser Territorien bestimmt haben, war, dass sich hier die wichtigsten Welthandelswege kreuzen.“ Seit ewigen Zeiten käme dieser Region die wichtigste militärisch-politische Bedeutung zu und derjenige, der sie besäße, erhielte einen Stützpunkt, um seinen Einfluss in ganz Zentralasien zu verbreiten. Für Russland bedeutete dies, dass „wir uns aus Tadschikistan nicht zurückziehen werden“, unterstreicht Nikolajew. „Denn genau hier, auf dieser Verteidigungslinie, befindet sich das strategische Kreuz Russlands. Wir werden für dieses Land mit allen möglichen Kräften und Methoden kämpfen. Die russische Fahne wird hier stehen.“17 Nach Ansicht von Zbigniew Brzezinski war es eine „große Übertreibung und tatsächliche Manipulation der Realität, dass eine Intervention in Tadschikistan notwendig gewesen sein soll, um den Vormarsch des islamischen Fundamentalismus zu stoppen […] Es wäre viel besser gewesen, wenn die islamische Partei in Tadschikistan an die Macht gekommen wäre. Denn das entspricht den wirklichen Träumen des tadschikischen Volkes. Wenn das tadschikische Volk eine islamische Regierung haben will, dann hat es das Recht darauf. Und wenn man dies nicht anders als mit russischen Truppen verhindern konnte, dann bedeutet es, dass die tadschikische Regierung keine Unterstützung des tadschikischen Volkes genießt.“18 Nicht zuletzt diese verharmlosende Einstellung gegenüber Islamisten erklärt die

17 Andrej Nikolaev, Na perelome, Zapiski russkowo generala (= Am Wendepunkt, Notizen eines russischen Generals), Moskau 1998. S. 153 f. 18 Zbigniew Brzezinski, Geopolitičeskoe položenie posle raspada SSSR (= Die geopolitische Lage nach dem Zerfall der UdSSR), Vorlesung am Institut für strategische Forschungen beim Präsidenten der Republik Kasachstans, 08.12.1993, in  : Kazachstan i mirovoe soobščestvo (Almaty) 1994 Nr. 1, S. 53.



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spätere Duldungspolitik der USA gegenüber der Schreckensherrschaft der Taliban. Nachdem die Regierung in Moskau hatte einsehen müssen, dass der tadschikische Konflikt rein militärisch nicht zu gewinnen war und ein langjähriger Bürgerkrieg Russlands Position in Zentralasien weiter schwächen würde, drängte der Kreml die Regierung in Duschanbe zu Verhandlungen mit der VTO.19 Während der geheimen russisch-iranischen Verhandlungen Anfang August 1993 in Teheran zwischen Evgenij Primakow, damals Direktor des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR (Služba vnešnej razvedki), und Präsident Rafsandschani wurde über die „unklare Lage in Tadschikistan“ und die instabile Situation in Afghanistan gesprochen, die den Iran beunruhigte. Die Klärung dieser beiden Fragen führte unmittelbar zur Vertiefung der russisch-iranischen Beziehungen. Die beiden Parteien verständigten sich darauf, dass die separatistischen Prozesse, sei es in Afghanistan oder in Tadschikistan, „negative Auswirkungen auf Iran haben, indem sie dessen Stabilität bedrohen“, hielt der spätere russische Außenminister und Ministerpräsident Primakov fest. Allerdings erwähnte er nicht, welche Themen konkret verhandelt wurden und wieso die Iraner so schnell bereit waren, den Russen Tadschikistan zu überlassen. Russland war offensichtlich bereit, eine Gegenleistung zu erbringen, die Iran sehr viel wichtiger war als die Installierung der Scharia in Tadschikistan  : Moskau hatte nicht weniger versprochen, als Teheran dabei zu helfen, die internationale Isolierung zu überwinden und ein AKW in Buscher zu bauen. Laut Primakow war der iranische Außenminister Waesi einverstanden, „den religiösen Faktor nicht als dominierenden zu betrachten, ungeachtet seiner positiven Haltung zu einer der Konfliktparteien“.20 Damit akzeptierte der Iran die russische Dominanz in Tadschikistan und stimmte einer Reihe sicherheitspolitischer Verträge zur „Rückeroberung“ des Landes zu.21 Teheran entzog der tadschikischen Opposition die finanzielle und militärische Unterstützung und bat den Anführer, aus Teheran nach Duschanbe zurückzukehren.22 19 V.I. Buškov, D.V. Mikul’skij, Istorija graždanskoj vojny v Tadžikistane, (= Geschichte des Bürgerkriegs in Tadschikistan), Moskau 1996, S. 81. 20 Evgenij Primakov, Gody v bol‘šoj politike, (= Die Jahre in der großen Politik), Moskau 1999, S. 185. 21 Andrej Nikolaev, Na perelome, Zapiski russkowo generala, S. 158. 22 Aschot Manutscharjan, Tadschikistan, Schnittpunkt des „neuen großen Spiels“ in Zentralasien, in  : Aktuelle Analysen, hg. v. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BIOst), (Köln) Nr. 47, 13.11.1998.

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Mitte Juli 1995 trafen Emomali Rachmonow und Said Abdullo Nuri in Teheran zusammen. Die Verhandlungen führte der iranische Außenminister Ali Akbar Welojati. Er wies darauf hin, dass die Destabilisierung der Verhältnisse im Land negative Auswirkungen auf die Moslems habe. Rachmonow zeigte sich weiter als entschiedener Gegner eines islamischen Staates. Allerdings war er bereit, Beziehungen zum Iran, einem wichtigen Partner, in wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen zu unterhalten. „Wir schätzen die engagierte Vermittlerrolle Irans als eines Beobachterstaates, der aktiv Einfluss auf den Verlauf der inner-tadschikischen Verhandlungen nimmt. Auch in Zukunft zählen wir auf Irans Hilfe und Unterstützung. Und da Iran über ein bestimmtes wirtschaftliches Potenzial verfügt und darüber hinaus auch Einfluss auf die Länder der Region hat, kann der Iran einer der wichtigen Handels- und Wirtschaftspartner Tadschikistans werden. Wir werden uns auch in Zukunft bemühen, die Beziehungen mit diesem befreundeten Staat weiter zu vertiefen.“23 Forciert wurde diese Entwicklung aber erst mit der Eroberung Kabuls durch die Taliban im September 1996. Die Gründung des Islamischen Emirats Afghanistan mit dem Ziel, den „wahren Glauben“ in Zentralasien zu verbreiten, alarmierte nicht nur die Regierung in Duschanbe.24 Auch Russland und Iran intensivierten ihre Zusammenarbeit für einen Versöhnungsprozess in Tadschikistan, denn sie betrachteten die Taliban als Vollstrecker der Politik Pakistans und der USA in der Region. Plötzlich konnte es Teheran und Moskau nicht schnell genug gehen, Tadschikistan zu stabilisieren, um es nicht an die Taliban und Pakistan zu verlieren. Selbst der afghanische General Achmedschah Massud entzog der tadschikischen Opposition seine militärische Unterstützung, um so Iran und Russland für seinen Kampf gegen die Taliban als Verbündete zu gewinnen. Massud gab im Gespräch mit dem Autor zu, dass ihn der Iran und Russland in seinem Kampf gegen die Taliban weiter unterstützten  : der Iran und Indien finanzierten dabei die russischen Waffenlieferungen aus den russischen Munitionslagern in Tadschikistan für die Nordallianz.25

23 Emomali Rachmonov, Dolgij put’ k miru (= Der lange Weg zum Frieden), Duschanbe 1998, S. 33. 24 Interviews des Autors mit dem Präsidenten der Republik Tadschikistan, Emomali Rachmonov. „Unter dem Deckmantel Allahs“, in  : FOCUS 1996,Nr. 52, S. 207 und Oxus Nr. 1, 26.10.1998 S. 46 f. 25 Interviews des Autors mit Achmedschah Massud, dem Vize-Präsidenten und Verteidigungs-



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Daneben führte Moskau 1995 auf der Grundlage dieser Annäherung Gespräche mit Vertretern des Iran in Damaskus, um die Libanon-Krise beizulegen. Moskau bat Teheran, die „Hisbollah“ zu überreden, das israelische Nordgalilea nicht mehr zu beschießen und vom libanesischen Territorium aus nicht mehr zu bombardieren.26

Fenster zur Welt  : Die Anfänge der Iranpolitik der zentralasiatischen Staaten Für die zentralasiatischen Staaten ist der Iran aufgrund seiner geografischen Lage ein natürliches Transitland, das Zugang zum Weltmarkt ermöglicht, und zwar ohne russisches Gebiet passieren zu müssen. Seit mehr als 150 Jahren hatte zuerst das zaristische Russland, dann die Sowjetunion, die zentralasiatischen Völker von ihren südlichen Nachbarn getrennt. Da sie über keinen Zugang zum Meer verfügen, waren sie seit ihrer Unabhängigkeit daran interessiert, die uralten Verbindungswege über den Iran zu erneuern. Unterstützt wurde dieser Kurs von Teheran, schließlich bestand doch die Chance, so die internationale Isolation seit der Islamischen Revolution 1979 zu durchbrechen. Kasachstan, der größte Staat Zentralasiens, nahm am 16. Dezember 1991 mit dem Iran Kontakt auf, also unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes im Obersten Sowjet der Republik über die staatliche Unabhängigkeit des Landes. Anschließend beauftragte Präsident Nasarbajew Kasymschomart Tokajew, der damals noch im sowjetischen Außenministerium in Moskau arbeitete, die Reaktion des iranischen Botschafters Isali in Erfahrung zu bringen. Isali erklärte, der Iran werde die Entscheidung des Obersten Sowjets Kasachstans respektieren. Zudem würdigte er den außergewöhnlichen Charakter der iranisch-kasachischen Beziehungen und räumte der Zusammenarbeit im Bereich der Ölindustrie Priorität ein. Daneben zeigte der iranische Botschafter besonderes Interesse am Status der Nuklearwaffen auf dem Territorium Kasachstans.27 Tokajew arbeitete zwischen 1994 und 1999 als Außenminister, danach zwei Jahre lang als Ministerpräsident Kasachstans. Ab Januar 2002 übernahm er minister Afghanistans, in  : Hamburger Abendblatt, 13.10.1998 und Berliner Morgenpost, 8.4.2001. 26 Evgenij Primakov, Vosem’ mesjcev plüs … (= Acht Monate plus …). Moskau 2002, S. 140 f. 27 Kasymžomart Tokaev, Preodolenie. S. 152f.

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erneut das Außenamt. Aus seinen informativen und gut geschriebenen Erinnerungen erfährt man, wie schwierig sich die Definition der außenpolitischen Interessen des jungen Staates gestaltete  : Berücksichtigt werden musste nicht nur die geopolitische Lage zwischen Russland und der Volksrepublik China, sondern auch die Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Nachbarstaaten. Hinzu kam die komplizierte Entwicklung in Afghanistan, die alle jungen zentralasiatischen Staaten beunruhigte. Tokajew schreibt, dass die Kontakte von Mitarbeitern der CIA und des State Department zur Führung der Taliban kein Geheimnis waren. „Die Amerikaner wollten diese Bewegung gegen den Iran und die Nordallianz unter Führung von Rabbani und Achmedschah Massud benutzen, weil letztere die Hilfe Irans und Russlands in Anspruch nahmen.“ Die Zusammenarbeit Kasachstans im Rahmen der ECO (Economic Cooperation Organization) – zu deren Mitgliedern gehören außer den Ländern Zentralasiens auch der Iran, die Türkei, Pakistan und Afghanistan – betrachteten die Regierenden zunächst als den wichtigsten Faktor zur Verstärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Landes. Denn damit einher gingen die Entwicklung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie der Ausbau der Transportwege in südlicher Richtung. Gleichzeitig entwickelten sich die kasachisch-iranischen Beziehungen positiv  : Während des Besuchs von Präsident Nasarbajew im Iran (Oktober/November 1992) unterschrieben er und Präsident Ali Achbar Haschemi Rafsandschani eine Deklaration über die weitere Zusammenarbeit beider Länder. Ein Jahr später besuchte Rafsandschani Kasachstan. Im Mittelpunkt standen Vereinbarungen über den Bau neuer Transportverbindungen (Eisenbahn, Straße, Luftfahrt und Seewege). In dieser Perspektive könnte der Iran zudem einer der größten Importeure von landwirtschaftlichen Produkten aus Kasachstan werden. Tatsächlich vereinbarten beide Staaten eine Zusammenarbeit bei Petrochemie und Pipeline-Bau, auch die Erweiterung des Seehafens Aktau wurde anvisiert. Dabei geht es darum, eine neue Infrastruktur für den Transport größerer Mengen von Öl, Getreide, Fleischprodukten und Industriewaren über das Kaspische Meer zu schaffen. Der Iran interpretiere die Beziehungen zu Zentralasien auf seine Weise, notierte Präsidentenberater Umirserik Kasenow. „Der Iran legt großen Wert darauf, seine Rolle bei der Wiedergeburt der islamischen Zivilisation zu betonen. Für Kasachstan und andere zentralasiatische Staaten ist vor allem die geopolitische Lage Irans im Mittleren Osten wichtig, insbesondere seine Bedeutung für den Zugang der zentralasiatischen Staaten zu den Welthan-



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delswegen und damit zum Weltmarkt.“28 Von daher betonte Präsident Nasarbajew immer die Offenheit und den wirtschaftlichen Charakter des Verhältnisses zum Iran, während er kategorisch dagegen war, die Beziehungen „auf einem ethnischen oder religiösen Fundament aufzubauen“. Die Außenpolitik der jungen unabhängigen Republik Kasachstan ist, abgesehen von einigen Besonderheiten, exemplarisch für diejenige der anderen zentralasiatischen Republiken. Die Suche nach engen Kontakten, selbst mit der gefürchteten Islamischen Republik Iran, und das Streben nach Mitgliedschaft in internationalen Organisationen dienen als wichtiger Schutzmechanismus zur Bewahrung ihrer Unabhängigkeit gegenüber Russland. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kasachstan – wie auch die übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken der Region – großen Wert darauf legte, den wirtschaftlichen Charakter der Beziehungen zum Iran zu betonen. Deshalb besteht Kasachstan darauf, dass in den Verträgen die religiöse (islamische) Komponente nicht erwähnt wird. Den US-Amerikanern wurden die Beziehungen zum Iran dadurch schmackhaft gemacht, dass die jungen Staaten somit einen von Russland unabhängigen Zugang zu den Weltmärkten erhielten. Schließlich liege es auch im Interesse Washingtons, dass Kasachstan unabhängig bleibe. Tatsächlich behandelte Präsident Nasarbajew seinen „kaspischen ­ Nach­barn“ Iran mit großem Respekt. Obwohl Washington Druck ausübte, keine Beziehungen nach Teheran zu unterhalten, folgten Kasachstan ebenso wie Kirgistan und Turkmenistan ihren nationalen Interessen und hielten am Ausbau der Beziehungen fest. „Für uns wird der Iran immer ein strategisch wichtiger außenpolitischer Partner sein“, so Nasarbajew. Erstens handele es sich um einen kaspischen Anrainerstaat, ohne den über die Nutzung des Meeres und seiner Bodenschätze nicht entschieden werden könne. Und zweitens sei der Weg über den Iran eine aussichtsreiche Möglichkeit, kasachische Waren und Energieträger auf den Weltmarkt zu bringen. Das wäre „ein weiteres Fenster zur Welt“. Mehr noch  : Nasarbajew bezeichnete den Iran „als einen überaus angesehenen und entscheidenden Akteur im wirtschaftlichen und politischen Geschehen der Region und der islamischen Welt“. Zugleich äußerte er Ver28 Umirserik Kasenov, Osnovnye itogi vnešnepolitičeskoj dejatel’nosti Respubliki Kazachstan (= Die wichtigsten Ergebnisse des außenpolitischen Handelns der Republik Kasachstan), in  : Kazachstan i mirovoe soobščestvo, hg. vom Institut für strategische Forschungen beim Präsidenten der Republik Kasachstan, Almaty 1994, Nr. 1, S. 12–34.

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ständnis für Irans „Werte“  : „Die Iraner sträubten sich gegen den gewaltsamen Umbruch ihres Bewusstseins, gegen fremde Werte und Lebenseinstellungen, die ihnen aufgezwungen werden sollten und mit denen unter anderem auch Sittenverfall, Drogensucht und Prostitution einhergingen […] Den schiitischen Gottesdienern gelang es, die gegen den Schah gerichtete antiimperialistische Bewegung anzuführen und die Macht zu übernehmen […] Der Iran machte sich an den Aufbau einer Islamischen Republik.“ Das Scheitern der „Modernisierungspolitik“ des Schahs und seines Versuchs, „fremde Werte“ im Iran zu verankern, benutzte Nasarbajew geschickt als Argument gegen seine Kritiker in Kasachstan und im Ausland. Es diente ihm als Vorwand, gegen die „wilde Demokratie“ und eine fremde politische Kultur vorzugehen. Schon während der ersten zwölf Monate nach der Unabhängigkeit führte sein erster Staatsbesuch Präsident Nasarbajew am 31. Oktober 1992 nach Teheran. „Ich muss der Ehrlichkeit halber bemerken, dass die internationale Presse diesen Staat lange als mittelalterlich-reaktionäres Bollwerk dargestellt hatte, das die Wiederherstellung aggressiver theokratischer Staatstraditionen aus dem Mittelalter anstrebe. Oft malte man uns Schreckensbilder hinsichtlich der islamischen Atombombe, dem zunehmenden islamischen Fundamentalismus. Ich möchte nicht verheimlichen, dass diese Stereotypen bei der Entwicklung meiner Einstellung gegenüber Iran eine Rolle gespielt haben. Die Realität sah jedoch ganz anders aus.“29 Wie bereits dargelegt, waren Nasarbajew und Rafsadschani vor allem an der bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit interessiert. Konkret vereinbarten beide Staaten, bis zu fünf Millionen Tonnen kasachischen Erdöls über das Kaspische Meer in den Nordiran zu transportieren. Dafür wurde eine entsprechende Menge iranischen Erdöls über die südlichen Häfen verkauft. Außerdem beschlossen die Staatschefs den Bau von Eisenbahnlinien über Turkmenistan, die zusammengeführt und bis zum Persischen Golf verlängert werden sollen. Bereits 1996 sollten die neuen Verbindungen in Betrieb genommen werden. Von dieser Strecke aus kann eine Abzweigung zum Bosporus und nach Südeuropa geschaffen werden.30 Mit Bewunderung beschreibt Nasarbajew die Traditionen der Islamischen Revolution und seine Treffen mit Ayatollah Sayed Ali Khamenei. Er staunte „über die Bescheidenheit dieser Menschen und ihren aufrichtigen Glauben an die Ideale der Islamischen Revolution“. Rafsandschani dagegen 29 Nursultan Nazarbaev, Na poroge 21 veka, S. 233 f. 30 ebenda, S. 236f.



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„gehört dem Teil der iranische Führungsspitze an, der nicht von den Vorgaben des Koran und den Vermächtnissen Khomeinis ausgeht, sondern auch pragmatisch denkt“, merkt Nasarbajew an. So habe der Iraner beispielsweise während seines Besuches in Kasachstan im Oktober 1993 erklärt, sein Land verfolge nicht das Ziel, den neuen unabhängigen Staaten Mittelasiens die islamische Ideologie aufzudrängen. Nur im Falle einer offiziellen Bitte, im religiösen Bereich Hilfe zu leisten, könne Iran diese Frage prüfen. Der Präsident lehnte wie sein damaliger kirgisischer Kollege Askar Akajew dankend ab und betonte erneut, die Grundlage der Beziehungen zum Iran sei nicht religiöser Natur. Mit Blick auf die Geschichte des Iran propagierte Nasarbajew in seiner Heimat, eine „vorzeitige Modernisierung“ könne eine traditionsgebundene Gesellschaft zerstören und mehr noch die bestehende Kultur unterminieren, ihre Wurzeln zerstören. Damit hatte der autoritäre Präsident Kasachstans eine zweckdienliche Begründung gefunden, um den Reformprozess und die Demokratisierung seines Landes zu stoppen. Inzwischen herrscht er dort schon seit 18 Jahren.31 Nach dem „11. September“ und mit dem Irak-Krieg der USA im Jahr 2003 spitzte sich die Lage im Kaspischen Raum zu  : „Der Zeitraum der Nutzung der Hauptenergievorräte des Kaspischen Raums rückt näher“, meinte Nasarbajew. Tatsächlich verstärkte der Krieg den geopolitischen Kampf in der Region  : Die vitalen Interessen einiger „Machtzentren“ wie der USA, Russlands, Chinas, der EU, der Türkei und des Iran prallen im Kaspischen Raum ungebremst aufeinander. Nicht zuletzt die Errichtung eines US-Stützpunktes in Usbekistan änderte die politische Landkarte. Die neuen militärisch-politischen Herausforderungen zwangen Kasachstan an die Seite Russlands  : Im August 2002 führten Kasachstan und Russland die größte russisch-kasachische Kriegsflottenübung seit zehn Jahren durch. Die USA trugen nicht zur Entspannung bei, indem sie einen der größten kaspischen Anrainerstaaten, den Iran, der so genannten „Achse des Bösen“ zurechneten. Nasarbajew stellte fest, dass die strategische Stabilität in der Region mittelfristig nicht von energetischen Aspekten abhängen werde, sondern von der Entwicklung der geopolitischen Aufteilung rings um das Kaspische Meer. Er sprach nicht vom neuen Großen Spiel, sondern von der „neuen Intrige“  : vom Machtkampf zwischen Russland und den USA um Zentralasien und seine Ressourcen. 31 Ebenda, S. 238.

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Um Russland als energiepolitischen Machtfaktor zu neutralisieren, initiierten die USA den Transfer der Energieträger aus Zentralasien über Aserbaidschan und Georgien in die Türkei. Dagegen beharrte Moskau auf der Nutzung der Transportkorridore für das kaspische Erdöl, die alle über Russland führen. Auch das Gas aus Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan wird über russisches Territorium exportiert. Nachdrücklich kritisierte Nasarbajew die amerikanischen Sanktionen gegen Staaten, die mit dem Iran militärisch und wirtschaftlich zusammenarbeiteten. Zugleich plädierte er für eine aktive Friedensinitiative, da die Spannungen in der Region einen Prozess der regionalen Annäherung praktisch verhinderten. Außerdem initiierte er einen möglichen „Stabilitätspakt im Kaspischen Raum“  : zentraler Bestandteil war der Verzicht auf militärische Gewaltanwendung, die alle kaspischen Staaten zunächst auf bilateraler und danach auf multilateraler Grundlage unterzeichnen sollten.32 Als Kasachstan die Gründung einer zentralasiatischen Sicherheitskonferenz vorschlug, sagte Teheran seine Unterstützung zu. Nasarbajew ging es dabei primär um die Sicherheit seines Landes. Iran kam das zupass, denn dadurch konnte das Land engere Beziehungen nach Zentralasien knüpfen. Forderungen nach Berücksichtigung der „asiatischen Besonderheiten“ bestätigen, dass Teheran eine rein asiatische Sicherheitskonferenz anstrebte, durchaus als Gegengewicht zur OSZE, in der die USA und die Europäer den Ton angeben. Gegen eine Isolierung des Iran wandte sich auch Kirgistans Präsident Askar Akajew in seiner „Doktrin der Seidenstraße“  : In der Region der Großen Seidenstraße müsse es ausnahmslos allen Ländern erlaubt sein, ihre Probleme alleine zu lösen. Der Präsident plädierte für einen „freien Verkehr von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Arbeitskräften“.33 Wie Kasachstan, so hatte auch Kirgistan keine Berührungsängste und pflegte gutnachbarschaftliche Beziehungen zur Islamischen Republik. „Innenpolitische Fragen“, zum Beispiel in Bezug auf die Demokratisierung der Gesellschaft, waren natürlich kein Thema. „Ich meine aber, dass jeder Staat selbst entscheiden und seine inneren Angelegenheiten allein lösen sollte. Unsere asiatischen Partner mischen sich nicht in die Innenpolitik Kirgistans 32 Nursultan Nasarbaev, Kritičeskoe desjatiletie (= Das kritische Jahrzehnt), Almaty 2003, S. 178. 33 Askar Akaev, Diplomatija Šelkovowo puti, Doktrina Prezidenta Kirgizskoj Respubliki Askara Akaeva (= Die Diplomatie der Seidenstraße, Die Doktrin des Präsidenten der Kirgisischen Republik Askar Akajew), Bischkek 1999, S. 11.



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ein.“ Akajew hielt sich 1993 und 2000 zu Staatsbesuchen im Iran auf  : Am 10. Juli 2000 hielt er einen Vortrag über seine „Doktrin der Seidenstraße“ an der Teheraner Universität. Darin forderte er, dass der Iran in das Projekt der Großen Seidenstraße einbezogen werden sollte. Allerdings sollte die Seidenstraße „nicht militarisiert oder politisiert werden“. Der kirgisische Präsident machte im persischen Zoroastrismus das Fundament der euroasiatischen „Weltauffassung“ aus. „Die Völker Zentralasiens, des Irans und Chinas haben vieles gemeinsam, als Ergebnis eines ständigen Zusammenlebens, von dem wir viel profitiert haben. Diese enge Verbindung gilt es wiederaufzubauen.“ Große Hoffnungen knüpfte Kirgistan in diesem Zusammenhang an die neue Eisenbahnstrecke Meschhed-Serachs-Tedshen, die im Mai 1996 in Betrieb genommen wurde.34 Kompliziert gestalteten sich vor allem die bilateralen Beziehungen zwischen Iran und Usbekistan. Taschkent misstraute Irans Regionalpolitik, unterhielt enge Kontakte mit Israel und unterstützte indirekt die von den USA vorangetriebene Isolation des Iran. Es war kein Zufall, als das Pentagon im Jahr 2002 ausgerechnet Usbekistan aussuchte, um dort einen MilitärStützpunkt zu errichten. In der schwierigen Aufbauphase waren sich die Regierungen der neuen unabhängigen Staaten bewusst, dass ihre Politik gegenüber dem Iran zu Protesten und Gegenmaßnahmen Washingtons führen würden. Zudem wies der Direktor des Instituts für strategische Studien beim Präsidenten der Republik Kasachstan, Kasenow, bereits 1995 darauf hin, dass die weitere Stärkung der Souveränität der Staaten Zentralasiens sowie ihre außenpolitische und wirtschaftliche Umorientierung in Richtung Süden Russlands Status als „Großmacht“ schwächen werde. Moskau verliere damit nicht nur das Zugangsmonopol und die Kontrolle über die ressourcenreiche Region, sondern stehe vor der Gefahr, das Monopol über die Transportwege zu verlieren, insbesondere nach dem Bau der Eisenbahnlinie und der neuen Pipeline in südlicher Richtung. „Resultat ist die rasche Schwächung des russischen Einflusses in Zentralasien“, betonte Kasenow. Das Engagement Irans beim Ausbau der Infrastruktur habe nicht nur Russland aufgeschreckt  : Ein ernstzunehmender Gegner in diesem unerklärten Krieg ist auch die Türkei, unterstützt von Washington. 34 Askar Akaev, Pamjatnoe desjatiletie, Trudnaja doroga k demokratii (= Denkwürdiges Jahrzehnt, Der schwere Weg zur Demokratie), Moskau 2002, S. 354, Ders.  : Otkrovennyj razgvor (= Ein ehrliches Gespräch), Moskau 1998, S. 137 f.

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Die USA haben offiziell den Bau einer Pipeline aus dem Kaspischen Raum über die Türkei gefördert und darüber die Staaten der Region Zentralasien informiert. Einer der Gründe war die Feindseligkeit der USA gegenüber dem Iran. Insbesondere die Vereinbarung zwischen dem Iran und Turkmenistan über den Bau einer Pipeline war Washington ein Dorn im Auge. Dazu erklärte Christin Shelly vom US-State Departement  : „Unsere Politik verfolgt das Ziel, die Projekte zu blockieren, die aus politischer und finanzieller Sicht für Iran von Vorteil sind. Wir wollen, dass damit Druck auf Teheran ausgeübt wird, damit Iran sein Verhalten ändert. Iran unterstützt Terroristen, die den Friedensprozess im Nahen Osten torpedieren, will Massenvernichtungswaffen besitzen und unternimmt Maßnahmen zum Sturz der regionalen Regierungen.“35 Umgekehrt gingen die zentralasiatischen Staaten seit dem Jahre 2007 gegen die Politik der USA in der Region vor, indem sie ihre Beziehungen mit dem Iran intensivierten und milliardenschwere Projekte in Gang setzten. Ein international so geächteter Präsident wie Achmadinedschad ist gern gesehener Gast in Zentralasien, wo er über die „traditionelle historische Freundschaft“ parlieren darf.

Der besondere Nachbar  : Turkmenistan Eine besondere Stellung nimmt in Irans Zentralasienpolitik Turkmenistan ein. Teheran gelang es, den ersten turkmenischen Präsidenten Nijasow davon zu überzeugen, Gas nicht nur über Russland, sondern auch über den Iran zu exportieren. Der Bau der 295 km langen Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Nachbarstaaten (Tedschen-Serach-Meschched) öffnete eine Route vom postsowjetischen Zentralasien nach Iran und damit zu den Weltmärkten. Turkmenistan ist auch unter Nijasows Nachfolger, Präsident Kurbanguly Berdymuchamedov, sehr daran interessiert, sein Gas über den Iran und die Türkei – falls erforderlich via Unterseepipeline – nach Europa zu exportieren. Allerdings stellt der Weg über den Iran die kürzeste Verbindung zum Persischen Golf dar. Dabei kann das Land die vorhandene TransportInfrastruktur nutzen  : Denn seit dem Bau einer 140 km langen neuen Pipeline 35 Zit. n. Umirserik Kasenow  : Rossija, Zakavkazje i Central’naja Azija  : neft’, truboprovody i geopolitika (= Russland, Transkaukasus und Zentralasien  : Öl, Pipeline und Geopolitik). In  : Kazachstan i mirovoe soobščstvo. Almaty 1995. Nr. 2 (3) 1995. S. 22–35.



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besteht eine Verbindung zwischen dem turkmenischen und dem iranischen Gas Pipeline-Netz. Seit der Unabhängigkeit üben die USA Druck auf Turkmenistan aus und raten der Regierung von einer Zusammenarbeit mit dem Iran ab. So teilte Präsident Nijasow dem Sonderbeauftragten des US-Außenministeriums, G. Wolf, während seines Besuchs in Aschchabad mit  : „Zwingen Sie uns Ihre eigenen politischen Interessen nicht auf. Sie müssen mit den wirtschaftlichen Interessen der Projektteilnehmer, und vor allem mit Turkmenistans Interessen, vereinbar sein.“ Zugleich machte der Präsident seine Ablehnung der „Politisierung von rein wirtschaftlichen Projekten deutlich“.36 Die amerikanischen Vermittler konnten Turkmenistan nach dem IrakKrieg und ihrer dauerhaften Militärpräsenz in der Region davon überzeugen, den Streit mit Aserbaidschan über die Ölfelder im Kaspischen Meer einzufrieren. Allerdings schwelte der Konflikt weiter, obwohl Turkmenistan sein Gas und sein Öl nicht mehr über den Iran transportierte, sondern über das Kaspische Meer nach Aserbaidschan und von dort weiter in die Türkei. Ein Ausweg aus der Zwickmühle bot die Vertiefung der Beziehungen zur VR China  : Aschchabad und Peking vereinbarten eine Reihe von Öl-, Gas- und Infrastrukturprojekten in der Petrochemie. Ganz nebenbei verfolgte Turkmenistan damit das Ziel, China als neuen Spieler in die regionalen Machtkämpfe einzubeziehen, um so den Druck der USA und Russlands zu reduzieren, seine gutnachbarschaftliche Iranpolitik fortsetzen und seine autoritäre Innenpolitik beibehalten zu können. Alle Eisenbahnverbindungen und Pipelines aus Zentralasien in Richtung Iran führen über Turkmenistan, was die Position Aschchabads gegenüber seinen großen regionalen Rivalen, insbesondere Kasachstan und Usbekistan, stärkt. Aus Zentralasien und China führt über Turkmenistan der kürzeste Weg nach Europa. Dadurch wird der Iran zum Drehkreuz zwischen West und Ost, Nord und Süd. Selbst das von Präsident Bill Clinton im August 1996 unterschriebene d’Amato-Kennedy-Gesetz hielt die turkmenische Regierung nicht davon ab, ihr Engagement im Iran zu vertiefen. Das US-Gesetz fixiert Sanktionen gegenüber ausländischen Firmen, sofern sie mehr als 40 Mio. Dollar in die iranische Öl- und Gasindustrie investieren. Daraufhin ließen die Regierungen zahlreicher europäischer Länder sowie Russland, Japan, Kanada und Austra36 K.S. Gadžiev, Geopolitika Kavkaza (= Die Geopolitik des Kaukasus), Moskau 2003, S. 441 f.

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lien Washington wissen, sie würden diesem ex-territorialen Gesetz der USA nicht Folge leisten. Schließlich hatten inzwischen die EU und die USA (2006/2007) ihren Druck auf Turkmenistan verstärkt, einem Land, mit dem der Iran eine 1200 km lange Grenze teilt. Denn neben der „Abwehr“ der Politiken von USA und NATO gehört es zu Irans Hauptzielen in der Region, sich nicht nur als weltpolitisch wichtiger Öl- und Gasexporteur zu positionieren, sondern auch als Transitland für Waren aller Art – einschließlich Öl und Gas – aus und nach Turkmenistan bzw. Zentralasien. Immerhin gelang es den turkmenischen Präsidenten Nijasow und Berdymuchamedov, mit ihrer Gas-Pipeline-Politik – über Russland, Iran und demnächst China – die zentralasiatische Region zu stabilisieren und unabhängiger zu machen. Hatte die Iran-Route in der 1990er Jahren auch den Interessen Russlands entsprochen, weil Moskau an einer weiteren Schwächung des amerikanischen Einflusses in Zentralasien interessiert war, änderte sich dies seit 2007. Auch die energiepolitischen Interessen der Europäischen Union in der Region und die Nabucco-Pipeline führten zu einer neuen Lage  : Russlands Transport-Monopol und sein Anspruch auf die Gasliefermenge wollten die zentralasiatischen Staaten nicht länger hinnehmen  : Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan beschlossen, mehr Gas nach Europa und China zu verkaufen. Im Gegenzug erwarteten sie dafür politische Unterstützung gegen Moskaus traditionelle imperiale Politik in der Region. Zudem betonte Nasarbajew mit der Einladung von Präsident Achmadinedschad nach Kasachstan im April 2009 die Rolle des Iran mit Blick auf künftige Öl- und Gasexporte. Die Vereinbarungen über den Bau neuer Pipelines von Turkmenistan nach Iran sowie über den Transport von Flüssiggas und Öl mit Tankern aus Kasachstan nach Iran schlossen die Integration der Islamischen Republik in den zentralasiatischen Wirtschaftsraum ab. Die endgültige Klärung der Statusfrage des Kaspischen Meeres wird den Stabilisierungsprozess der zentralasiatischen Krisenregion weiter vorantreiben.

Gemeinsame Interessen  : Iran und Russland in Zentralasien Die russisch-iranischen Beziehungen nach 1991 sind ein weiterer Beleg dafür, dass die nationalen sicherheitspolitischen Interessen schwerer wiegen als religiöse Zugehörigkeit oder die ideologischen Orientierungen der amtierenden Regierungen. So fielen die zweifellos vorhandenen religiösen bzw.



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„kulturell-zivilisatorischen“ Unterschiede zwischen dem „islamisch-fundamentalistischen“ Iran und dem neuen „demokratischen“ Russland kaum ins Gewicht.37 Das Gegenteil war der Fall  : Beide Staaten näherten sich einander an wegen der Dominanz der USA und ihres unilateralistischen Politikkonzeptes. Das neue Russland erbte von der Sowjetunion komplizierte und durchaus wechselhafte Beziehungen zum Iran. Den Sturz von Schah Reza Pahlevi im Zuge der Islamischen Revolution 1979 hatte Moskau jedoch uneingeschränkt begrüßt und erklärt, dass man künftig „nur freundschaftliche Beziehungen“ nach Teheran unterhalten wolle.38 Allerdings führten die islamistische Ausrichtung des Umsturzes und die Unterstützung des afghanischen Widerstands gegen die Sowjetunion wieder zu einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen.39 Nach dem Zerfall der Sowjetunion spielten in den Debatten der politischen Parteien die Beziehungen Russlands zum Iran zunächst keine Rolle  : Für sie hatten die Innenpolitik, der Privatisierungsprozess sowie das Verhältnis zu den USA und zur NATO Priorität. Das alte Feindbild Iran verschwand zunehmend in der Versenkung. Neben ihrer verhaltenen Kritik am politischen System des Iran warfen die russischen Politiker und Wissenschaftler der westlichen Staatengemeinschaft vor, den „islamischen Fundamentalismus“ zu instrumentalisieren, indem sie ihn für alle Unglücke und Konflikte unserer Zeit verantwortlich machten. Der Fundamentalismus diene – anstelle des untergegangenen Kommunismus – als neues ideologisches Schreckgespenst.40 Ein guter Kenner des Orients, Russlands früherer Ministerpräsident Evgenij Primakow, ließ wissen, dass der islamische Extremismus in seiner schiitischen Variante an Bedeutung verliere, während der sehr viel gefährlichere Wahhabismus (sunnitische Glaubensrichtung) die Bühne betreten habe.41 37 Vgl. Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen, Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, Europa Verlag, München,Wien 1996. 38 Außenminister Andrej Gromyko spottete über den „Träger der Schah-Krone, der mit beneidenswerter Geschwindigkeit im Ausland verschwand und sein Lebenswerk als Verbannter beendete“, Andrej Gromyko  : Pamjatnoe (= Denkwürdiges), Bd. 2, Moskau 1990, S. 176. 39 Christopher Andrew, Wassili Mitrochin, Das Schwarzbuch des KGB, 2. Moskaus Geheimoperationen im Kalten Krieg, Berlin 2006, S. 527 f. 40 Aschot Manutscharjan, Vom „Satan“ zum strategischen Partner  : Die russisch-iranischen Beziehungen 1991 bis 2006, in  : Orient 47 (2006), Nr. 3, S. 349–370. 41 Evgenij Primakov, Vosem’ mesjcev plüs, S. 107.

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„Der Iran hat sich wegen innenpolitischer und gesellschaftlicher Veränderungen praktisch von seinem Konzept des Exports der islamischen Revolution abgewendet“, notierte Primakow. „Teheran verzichtet also darauf, das iranische religiöse Modell der Staats- und Gesellschaftsorganisation zu verbreiten […] Der Iran hat – nur wenige haben es gemerkt – die amerikanischen Operationen in Afghanistan von Anfang an unterstützt und damit in den Gebieten, in denen er über Einfluss verfügt, zu den Militärerfolgen der USA beigetragen.“ Ungeachtet dieser „positiven Tendenzen“ hätten die USA ihre Kritik an Iran verstärkt, wunderte sich Primakow. „Die Vertreter der Bush-Administration nannten den Iran nach Afghanistan als mögliches Ziel für amerikanische Anti-Terror-Operationen. Das war kontraproduktiv  : Im Iran führte dies zur Annäherung der Gruppe der Ausgewogenen und der National-Traditionalisten.“42 Der russische Orient-Experte hatte Recht  : Die anti-iranische Propaganda der US-Regierung, insbesondere während des iranischen Wahlkampfes 2005, halfen dem konservativen Präsidentschaftskandidaten Achmedinedschad indirekt dabei, an die Macht zu gelangen. Auch wenn der Iran nicht mehr als Feindstaat galt, so beobachtete Moskau dennoch aufmerksam die innenpolitische Entwicklung im Land, das eine gemeinsame Grenze mit den neuen unabhängigen Staaten der GUS im Kaukasus und in Zentralasien hatte und sich zu einem Unsicherheitsfaktor entwickeln könnte. Schließlich betrachtete Russland diese Region nach wie vor als seinen Hinterhof. Primakow freute sich darüber, dass die „komplizierten innenpolitischen Prozesse“ im Iran, insbesondere die Auseinandersetzung zwischen den immer stärker werdenden „zivilen Anfängen“ und den virulenten religiösen Ideen zu Gunsten der ersteren auszugehen schienen. Die Wahl von Präsident Chatami habe gezeigt, dass die Mehrheit der Wähler den „harten Islamismus“ in den Staatsstrukturen und in der Gesellschaft ablehne. Der Kreml war sich sicher, dass der Iran vom „Export der Islamischen Revolution“ Abstand genommen habe. Es bestanden also beste Aussichten für eine positive Entwicklung der russisch-iranischen Beziehungen nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer und militärischer Hinsicht. Dessen ungeachtet kritisierten die liberal-demokratisch und euro-atlantisch orientierten Politiker, aber auch die „patriotischen“ Kreise, Moskaus Annäherung an den Iran. Sie hielten das Land für einen gefährlichen, feindlichen Staat ganz im Sinne der USA. Nach der Unabhängigkeit träumten 42 Evgenij Primakov, Mir posle 11 sentjabrja (= Die Welt nach dem 11. September), Moskau 2002. S. 13 f.



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nur noch die neo-imperialen Politprovokateure von einem russischen Expansionskurs. Laut Žirinovskij schmiedete Teheran „Pläne für eine pan-islamische Beset­ zung großer Gebiete“ Russlands.43 Auch die „Real“-Patrioten glaubten an eine Gefahr für den russischen Süden, die von einem „islamischen Block“ unter Führung Irans und Pakistans ausgehe. Dagegen argumentierte ausgerechnet der einflussreiche Politikberater und „Geopolitiker“ Alexander Dugin, der ansonsten Verschwörungstheorien über die anti-russische Politik der „Atlantisten“ verbreitete. Seine Ansichten über Irans Politik in Zentralasien überraschen  : Als „extrem-russischer Patriot“ räumte er ein, dass ohne den Iran als Verbündeten in der Region Russland seinen Konkurrenzkampf gegen die USA nicht gewinnen könne. Dugin begrüßte also die Politik der russischen „neuen Euroasiaten“, die den Iran als strategischen Hauptverbündeten auserkoren und die russisch-islamische Allianz als Grundlage für eine anti-atlantische Strategie ausgemacht hatten.44 Er hatte die „Achse Moskau – Teheran“ als einen wichtigen Baustein des künftigen Euroasiatischen Imperiums identifiziert. Dort sollte der iranische Fundamentalismus mit seinem anti-amerikanischen und anti-atlantischen Charakter Russlands Position stärken. Großzügig wollte Dugin deshalb das ehemalige sowjetische Mittelasien an Iran abtreten. Denn nur Teheran könne die Region vor einer direkten oder indirekten Kontrolle durch die Atlantisten bewahren, zumal der iranische Islam immer noch „die beste Variante des Islams für die Ausbreitung über den Kontinent“ sei.45 So schlug Alexander Dugin in seinem Buch „Die Grundlage der Geopolitik, Die geopolitische Zukunft Russlands“ vor, dass der Iran aufgrund seiner engen Verbundenheit mit Mittelasien den südlichen Pol des von Russland geführten Eurasiens bilden könnte. Ein Fall für den Psychiater  ? Im Gegenteil  : Dugin beriet nicht nur den russischen Generalstab und hielt Vorlesungen in den Militärakademien, sondern er durfte seine Thesen auch in einer eigenen Fernsehsendung verbreiten. Folgte die russische Politik Dugins Ansatz, hätte das Land eines seiner strategischen Ziele erreicht, die es schon seit Jahrhunderten verfolgt  : einen 43 Wladimir Žirinovskij, Poslednij brosok na jug (= Der letzte Sprung nach Süden), Moskau 1995. S. 142. 44 Alexander Dugin, Osnovy geopolitiki, Geopolitičeskoe buduščee Rossii (= Die Grundlage der Geopolitik, Die geopolitische Zukunft Russlands), Moskau 1997. S. 158. 45 ebd., S. 241 f.

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Zugang zu den warmen Meeren samt Marinebasen an der iranischen Küste. Auf diese Weise könnte sich „Eurasien der Erwürgungs-Strategie des Atlantischen Paktes (NATO) erwehren“. Moskau, als Zentrum Eurasiens, sollte „Teheran im Rahmen des Neuen Imperiums die Mission für die Bildung einer Iranischen Welt (Pax Persica) übertragen. Iran könnte einen festen mittelasiatischen Block organisieren, der im Stande wäre, den atlantischen Einfluss in der ganzen Region abzuwehren. Russland geht es dabei nicht nur um die Schaffung eines iranischen Imperiums oder um die Iranisierung Zentralasiens, sondern um die Gründung eines ‚Mittelasiatischen Imperiums’, das auf der Grundlage des Föderalismus viele Völker und Kulturen in einem einheitlichen südlichen geopolitischen Block integrieren würde.“46 Neben zahlreichen russischen Politikern erwärmten sich neben Dugin auch islamische, vor allem sunnitische Geistliche und islamische Politaktivisten, für eine solche russisch-iranische Union.47 Obwohl die damalige nationale Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, wissen ließ, die USA hätten nicht vor, „Russland aus Zentralasien zu verdrängen“, schließlich erkenne Washington die russischen Interessen in der Region an, nahm in Moskau kaum jemand diese Aussage für bare Münze. Auf denselben Unglauben stießen Vertreter der US-Administration, die Außenminister Igor Ivanow versicherten, Amerika plane „keine langfristige Militärpräsenz in der Region“.48 Stattdessen wiederholte Moskau ohne Unterlass, dass die US-Militärpräsenz in Zentralasien die politischen und wirtschaftlichen Interessen Russlands bedrohe.49 Moskau akzeptierte die amerikanische Militärpräsenz in Zentralasien nur so lange, wie der UN-Sicherheitsrat dies zur Durchführung der friedenschaffenden Operationen in Afghanistan für nötig erklärte. Tatsächlich gibt es bislang kein Anzeichen dafür, wann die USA ihre Militärpräsenz in Zentralasien beenden wollen. Durch diesen Schwebezustand erfuhr der Faktor Iran in der russischen Sicherheitspolitik eine Aufwertung, da Teheran gegen die USA steht und es als ausgeschlossen gilt, dass das Land eine US-Militärpräsenz 46 Ebd., S. 244. 47 „Die Union zwischen Russland und dem Weltislam wird Russland die Möglichkeit geben, den Status einer Supermacht zurückzuerobern“, Geidar Džemal’  : Osvobozdenie islama (= Die Befreiung des Islams), Umma Verlag, Moskau 2004. S. 229. Geidar Džemal’ gehörte 1990 zu den Mitbegründern der Partei der Islamischen Wiedergeburt und wurde ihr stellvertretender Vorsitzender. 48 Izvestija, Moskau, 15.10.2001, 10.10.2002. 49 So Außenminister Igor’ Ivanov, in  : Itogi, Moskau, 28.1.2003.



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auf Dauer akzeptieren wird. So wurde der Iran zu einem strategischen Partner Russlands, ohne dass dies offiziell in Moskau so benannt worden wäre. In diesem Zusammenhang soll eine Resolution erwähnt werden, die Russland im Juli 2005 im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) mit Unterstützung Chinas durchsetzte. Darin werden die USA aufgefordert, ihre „militärische Infrastruktur“, d.h. ihre Stützpunkte zu schließen und aus der Region abzuziehen.50 Zugleich erhielt der Iran seinen Beobachterstatus bei der SOZ – auf Drängen Moskaus hin. Bereits heute steht fest, dass die US-Militärpräsenz in Zentralasien Washington nicht nur neue politische Spielräume gegenüber China, Russland und dem Iran eröffnete. Mehr noch  : Die USA erhielten die Kontrolle über eine weitere Region mit wichtigen Energiequellen. Dabei ist die wachsende Bedeutung Zentralasiens in der Weltpolitik nicht nur eine Folge der AntiTerror-Operationen der USA und ihrer Verbündeten, sondern sie ist auch dem neuen Machtfaktor China geschuldet. Russland will sich jedoch nicht auf die Beobachterrolle beschränken lassen, obgleich Moskau wirklich verlässliche Mitspieler fehlen  : denn selbst der Iran entwickelte sich zwischenzeitlich zum Konkurrenten in der Region. Um der aktiven Zentralasienpolitik des US-Präsidenten Barack Obama seit 2009 entgegentreten zu können, bleibt Russland allein auf seine eigenen Ressourcen angewiesen. Deshalb aktivierte Moskau die militärisch-technische Zusammenarbeit im Rahmen der Organisation der Kollektiven Sicherheit (Russland, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan) und versprach den durch die Weltfinanzkrise bedrängten Regimen in Kirgistan und Tadschikistan Kredite in Milliardenhöhe.

Irans Haltung zum Status des Kaspischen Meeres Bereits Anfang 1992 hatte der Iran auf einer Konferenz der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres eine Initiative vorgestellt, wonach ein Vertrag über regionale Zusammenarbeit und die Gründung einer eigenen regionalen Organisation vereinbart werden sollte. Moskau nahm diese Initiative mit Vorbehalten auf, da es vermutete, Teheran wolle Russland auf diese Weise aus dem Kaspischen Raum verdrängen. Zuvor hatten beide Staaten vergeblich 50 Deklaracija glav gosudarstv – členov Šanchajskoj organizacii sotrudničestva, (= Deklaration der Regierungschefs der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit), Astana, 5.7.2005.

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darüber verhandelt, dem Kaspischen Meer einen eindeutigen Status zu geben. Teheran und Moskau stimmten immerhin darin überein, dass über Fragen im Zusammenhang mit dem Kaspischen Raum nur die Anrainerstaaten entscheiden sollten. Insbesondere den USA wollten sie kein Mitspracherecht einräumen. Mohammad-Reza Dabiri, der stellvertretende Direktor des Instituts für politische und internationale Beziehungen (IPIS) in Teheran, plädierte für eine Atmosphäre des Vertrauens zwischen Russland und den neuen unabhängigen Staaten Zentralasiens. Außerdem machte er deutlich, dass Teheran eine Demilitarisierung des Kaspischen Meeres anstrebt, um so die Zusammenarbeit zu fördern. „Der Iran hat jahrzehntelang geschwiegen und kein Wort über die sowjetische Ausbeutung der Ölfelder in Baku verloren. Damit hat der Iran aus politischen Gründen sein eigenes Überleben gesichert und ein Maximum an Geduld gegenüber der nicht immer friedlichen benachbarten Supermacht an den Tag gelegt. Das ist heute Vergangenheit. Wir wollen die Gerechtigkeit am Kaspischen Meer durch Kondominium, also res communis, wieder herstellen“. Dabiri forderte zudem, dass das Kaspische Meer offiziell von allen Anrainerstaaten zur demilitarisierten Zone erklärt werden sollte.51 Hierbei handelt es sich um eines der wichtigsten Probleme für den Iran  : Teheran befürchtete schon 1995, dass die USA eines Tages am Kaspischen Meer militärisch vertreten sein würden. Die Versuche Washingtons, Turkmenistan zu einer engen militärischen Zusammenarbeit am Kaspischen Meer zu bewegen, lassen diese Frage aus Teheraner Sicht nur umso dringlicher erscheinen. Wie der russische Wissenschaftler Sergej Žil’cov feststellt, stimmte die iranische Haltung zum Rechtsstatus des Kaspischen Meeres in vielen Details mit der russischen überein. Da beide „formal“ seine Eigentümer seien, sei das „auch nicht weiter verwunderlich“. Die Islamische Republik teilte die russische These, wonach auf das Kaspische Meer die Regeln des internationalen Seerechts keine Anwendung finden sollten.52 Darüber hinaus bestand Teheran darauf, dass vor einer Entscheidung über den neuen Status des Kaspischen Meeres die Verträge zwischen der UdSSR und dem Iran Grundlage für die neuen Vereinbarungen sein müssten.53 Dem51 Mohammad-Reza Dabiri, Pravovoj režim kaspijskovo morja (= Der Rechtsstatus des Kaspischen Meeres), in  : Kazachstan i mirovoe soobščstvo, Almaty 1995, Nr. 1 (2), 1995. S. 89–106. 52 S. S. Žil’cov, I. S. Zonn, A. M. Uškov, Geopolitika kaspijskowo regiona (= Die Geopolitik der Kaspischen Region), Moskau 2003, S. 69, 95. 53 Eebd., S. 96.



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entsprechend unterschrieben Russland und Iran 1995 eine Erklärung in Tehe­ ran und fixierten darin, dass der Status des Kaspischen Meeres „nur im Konsens aller Anrainerstaaten definiert werden darf […] Alle Rechte in Bezug auf das Kaspische Meer und seine Ressourcen gehören allein den Anrainerstaaten und nur sie haben das Recht, über die Regeln auf dem Kaspischen Meer zu entscheiden“.54 Auf einer internationalen Tagung über die Perspektiven der Öl-Förderung im Kaspischen Meer vom Dezember 1995 in Teheran erklärte Irans Öl-Minister, Goljam Reza Aga-zade, dass „für Iran die Wirtschaftlichkeit und nicht die politische Konjunktur“ darüber entscheide, ob das Land an Öl-Förderprojekten teilnehme. Das bedeutete, dass Iran bereit war, sich von Russland als Verbündetem zu trennen, wenn sich günstigere Konditionen mit Blick auf den Status des Kaspischen Meeres erreichen ließen. So kam es denn auch. Iran erhielt einen Anteil von 10 % am Förder-Projekt Schah-Denis im aserbaidschanischen Sektor und erkannte damit de facto die Teilung des Kaspischen Meeres in nationale Zonen an. Die Änderung der iranischen Haltung war nur folgerichtig  : Mitte der 1990er Jahre schlossen Aserbaidschan und internationale Ölkonsortien große Förderverträge ab.55 Das gute Investitionsklima in Kasachstan führte dazu, dass US-Ölmultis auch dort enorme Summen in Öl- und Gas-Förderprojekte investierten. Dies beunruhigte Iran und Russland, zeigte es ihnen doch die Grenzen ihres Einflusses auf. Künftig sollten sie ihre Methoden der Zusammenarbeit ändern  : weniger Druck und mehr Diplomatie.56 Im Zuge ihres verstärkten Engagements im Kaspischen Raum drängten die USA Aserbaidschan 1996, die Kooperation mit Iran auf dem Energiesektor einzustellen. Daraufhin änderte Teheran erneut seine Prioritäten mit Blick auf den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres. Plötzlich erinnerte die iranische Regierung daran, dass sich die unabhängigen Republiken in der Erklärung von Almaty am 21. Dezember 1991 verpflichtet hatten, die Verträge der Sow­ jetunion anzuerkennen.57 Hinzu kam die Erklärung der Außenminister der

54 „Gemeinsame russisch-iranische Erklärung über das Kaspische Meer“, 30.10.1995, in  : Diplomatičeskij vestnik (= Diplomatische Nachrichten), hg. vom Außenministerium der RF, Nr. 11, Moskau 1995, S. 19. 55 S. S. Žil’cov, I. S. Zonn, A. M. Uškov, Geopolitika kaspijskowo regiona, S. 96. 56 Kaspijskij Region na sovremennom e’tape  : problemy, tendencii, perspektivy (= Die aktuelle Situation in der Kaspischen Region  : Probleme, Tendenzen, Perspektiven), Almaty 2003, S. 122. 57 S. S. Žil’cov, I. S. Zonn, A. M. Uškov, Geopolitika kaspijskowo regiona, S. 97.

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fünf Anrainerstaaten vom 12. November 1996 in Aschchabad, wonach eine Änderung des Rechtsstatus des Kaspischen Meeres nur im Konsens stattfinden dürfe. Auf dem Gipfel in Almaty vom Mai 1998 bekräftigte Präsident Said Mohammad Chatami die Position Irans, dass das Kaspische Meer als „größter See der Welt“ und als „gemeinsames Erbe“ aller fünf Anrainerstaaten betrachtet werden müsse. Außerdem sollte es eine demilitarisierte Zone werden.58 „Zurückhaltender Optimismus“ gegenüber Russland breitete sich im Iran nach dem Besuch von Präsident Chatami in Moskau (11. bis 14. März 2001) aus. Die beiden Staaten vereinbarten eine Gemeinsame Erklärung über den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres, allerdings fehlte im Dokument eine konkrete Festlegung zur Teilungsfrage. Iran erklärte sich nur bereit, russische Initiativen zu unterstützen, wonach die Teilung des Kaspischen Meeres auf einer modifizierten Mittellinie erfolgen sollte. Zugleich sprachen sich Russland und der Iran gegen die Verlegung von Öl- und Gaspipelines auf dem Grund des Kaspischen Meeres aus. Betroffen von dieser Regelung waren vor allem die Öl-Pipeline-Projekte, die Russland und Iran umgehen wollten  : die transkaspische Gaspipeline ebenso wie das von den USA politisch protegierte Pipeline-Projekt Baku-Dschehan.59 Iran war bereit, einer Teilung des Kaspischen Meeres in fünf gleich große Teile von je 20 % Wasserfläche und Meeresboden zuzustimmen. Aber auch diese Position erwies sich als nicht realisierbar, da nicht klar war, wie das Kaspische Meer in „gleich große Stücke“ aufgeteilt werden könnte, notierten die russischen Experten Žil’cov und Zonn. Schließlich unterstützte die iranische Führung, wenn auch mit Vorbehalten, das Prinzip des gemeinsamen Eigentums an den Mineralressourcen des Kaspischen Meeres. Während Russland Ausnahmen ausschloss, zeigten sich die Iraner flexibler. Teheran forderte später, dass die früheren Verträge weiter gelten sollten, wonach das Kaspische Meer einmalig sei und eine lebenswichtige Bedeutung für alle Anrainerstaaten habe. Gemeinsam würden sie Verantwortung für das Meer tragen. Der iranische Außenminister Kamal Charasi betonte  : „Es war und ist unsere grundsätzliche Haltung  : alle exklusiven Teilungen des Meeres sollen rückgängig gemacht werden. So soll erreicht werden, dass der größte Teil des Meeres von allen Staaten gleichberechtigt genutzt werden kann. Um die Verhandlungen zu erleichtern, sind wir jedoch bereit, auf der Grundlage 58 Ebd., S. 98 f. Kazachstan i mirovoe soobščestvo (= Kasachstan und die Weltgemeinschaft), Almaty 1995, Nr. 1 (2), 1995, S. 89–106. 59 S. S. Žil’cov, I. S. Zonn, A. M. Uškov, Geopolitika kaspijskowo regiona, S. 100, S. 109.



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einer Teilung des Meeres in Sektoren über ein neues rechtliches Regime zu sprechen. Für eine solche Teilung des Kaspischen Meeres müssen folgende Kriterien gelten  : 1. Konsensprinzip bei jeder Entscheidung. 2. Prinzip der gleichen Rechte der Anrainerstaaten in allen Fragen, also von der Souveränität bis zur Nutzung der Ressourcen des Meeres und des Meeresbodens. 3. Auf dem ganzen Meer soll nur ein Recht gelten. Ein Doppel-Regime ist für Iran nicht akzeptabel. 4. Es muss eine Vereinbarung über eine nicht-diskriminierende und ungehinderte Durchfahrt der Schiffe vereinbart werden. 5. Das Kaspische Meer muss zu einer demilitarisierten Zone erklärt werden und darf nur für zivile Zwecke genutzt werden. 6. Der Umweltschutz muss im Kaspischen Meer Priorität bekommen. Dafür müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden.“ Nach Ansicht der Teheraner Regierung darf die Verantwortung in ­Bezug auf das Kaspische Meer nicht nur auf provisorische Entscheidungen begrenzt werden. Die Anrainerstaaten müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch die zukünftigen Generationen die Ressourcen des Meeres für ihre wirtschaftliche Entwicklung nutzen können.60 Während der Verhandlungen erklärte sich der Iran dazu bereit, gegebenenfalls die russischen Initiativen zu unterstützen, wonach die Teilung des Kaspischen Meeres auf einer modifizierten Mittellinie erfolgen solle. Zudem waren Iran und Russland gegen die Verlegung von Öl- und Gaspipelines auf dem Grund des Kaspischen Meeres. Damit demonstrierten sie ihre Bereitschaft, allen regionalen Projekten, die ihre geopolitischen Interessen verletzten, aktiv zu begegnen. Betroffen waren vor allem die Transkaspische Gaspipeline und das Pipeline-Projekt Baku-Cehan. Infolgedessen protestierte Teheran im Jahr 2009 gegen die Pläne Kasachstans, eine Pipeline auf dem Grund des Kaspischen Meeres nach Aserbaidschan zu verlegen, um das Nabucco Projekt zu unterstützen.61 Ab Mitte 2001 vereinbarten Russland, Kasachstan und Aserbaidschan eine Etappen-Lösung zur Regelung der Status-Frage. Der Iran und Turkmenistan nahmen eine andere Haltung ein. Turkmenistan war für eine Aufteilung in Sektoren, während der Iran an der Teilung in 20 %-Abschnitte festhielt oder für ein Kondominium eintrat.62 Die politische Annäherung zwischen Washington und Moskau sowie die Beteiligung russischer Energieunternehmen in Kasachstan führten zu einer 60 Ebd., S. 100 f. 61 Viktorija Panfilova, Iranskij Korridor dlja Kasachsztana, in  : Nezavisimaaaja gazeta, 7.4.2004. 62 S. S. Žil’cov, I. S. Zonn, A. M. Uškov, Geopolitika kaspijskowo regiona, S. 101 f.

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Entfremdung zwischen Russland und dem Iran im Bezug auf den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres. Ab Mitte 2001 vereinbarte Russland mit Kasachstan und Aserbaidschan einen ersten Schritt zur Regelung der StatusFrage. Irans Proteste verhallten ungehört. Nach dem 11. September 2001 errichteten die USA in Zentralasien ihre Stützpunkte und stiegen zum wichtigsten Einflussfaktor in der Region auf, wie Moskau und Teheran feststellen mussten. Es lag im Interesse der USA, die Frage des Rechtsstatus des Kaspischen Meeres einzufrieren und ihr eher eine theoretische Dimension zu geben. Je nach Lage stand Washington damit ein effektives Instrument zur Beeinflussung des außenpolitischen Kurses der Staaten der Region zur Verfügung. Gleichzeitig versuchten die USA, die russischen und iranischen Interessen zurückzudrängen. Deshalb änderte der Kreml seinen Kurs und überzeugte die Vertreter Teherans während der 10. Sitzung der Spezial-Arbeitsgruppe der stellvertretenden Außenminister der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres am 22. Juli 2003 in Moskau, das russische Angebot endlich zu akzeptieren  : Rund um das Kaspische Meer sollte eine 15-Meilen-Zone eingerichtet werden, die unter nationaler Jurisdiktion stehen sollte. Über die Ausbeutung der Ressourcen sollte weiter verhandelt werden  ; notfalls auf bilateraler Ebene. Russland hoffte so, zu einer Verständigung mit dem Iran zu kommen.63 Dabei entsprach die fortdauernde wirtschaftliche Blockade des Iran durch die USA durchaus den Interessen Russlands, zumal die US-Energiekonzerne weder Pipelines über iranisches Territorium bauen noch den Iran als Transitland nutzen durften. Diese Vorgehensweise stärkte die Monopolstellung Russlands beim Transport der Energieträger aus Zentralasien zum Weltmarkt. Insgeheim hatte die politische Klasse Moskaus schon im Jahr 2000 befürchtet, dass das US-Embargo gegen den Iran aufgehoben und es zu einer Normalisierung der amerikanisch-iranischen Beziehungen kommen könnte. Obwohl Moskau nach wie vor die alternativen Öl- und Gasrouten über Iran fürchtet, hat Russland ein langfristiges Interesse daran, Iran als seinen Verbündeten in der Region zu behalten. Deshalb versucht der Kreml mit fast allen Mitteln, die pro-russische Orientierung Teherans zu fördern und die Anti-USA-Politik der Iraner für sich nutzen.64

63 Igor’ Ivanov, Rossija v sovremennom mire (= Russland in der Welt von heute), Moskau 2004. S. 293f. 64 S. S. Žil’cov, I. S. Zonn, A. M. Uškov, Geopolitika kaspijskowo regiona, S. 65.



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Dies hielt die zentralasiatischen Staaten nicht davon ab, Moskau mit dem Ausbau der iranischen Route beim Export ihrer Rohstoffe und Energieträger zu einer Kursänderung zu zwingen. Da sie sich jedoch im Zuge der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise (seit dem Herbst 2008) mit der Bitte um Finanzhilfen an Russland wandten, nutzte Moskau die Chance und versuchte daraus bei den Gesprächen um den Status des Kaspischen Meeres Kapital zu schlagen. Daraufhin trafen sich die Präsidenten Russlands, Kasachstans, Aserbaidschans und Turkmenistans Anfang September 2009 in der kasachischen Stadt Aktau, um eine gemeinsame Politik in Bezug auf den Kaspischen Raum abzusprechen. Irans Präsident Achmadinedschad war nicht eingeladen. Heftige offizielle Proteste Teherans ließen nicht lange auf sich warten. Schließlich hatten die Anrainerstaaten früher vereinbart, nur gemeinsam über alle Probleme des Kaspischen Meeres zu beraten.65 Eine mögliche Entspannung in den amerikanisch-iranischen Beziehungen unter Präsident Obama würde der iranischen Politik in der Region neue Spielräume eröffnen. Hinzu kommt, dass sich die zentralasiatischen Staaten schon jetzt nicht mehr an die Weisungen aus Washington oder Moskau gebunden fühlen. Stattdessen agieren sie selbstbewusst, ihre jeweiligen nationalen Interessen immer fest im Blick. Ohne Rücksicht auf die Forderungen aus Washington kooperieren sie beispielsweise eng mit dem Iran. Besonders deutlich zeigt sich diese Wende in der Iranpolitik Tadschikistans, Russlands treuestem Verbündeten in Zentralasien. Die Zusammenarbeit zwischen Duschanbe und Teheran ist enger, als es Moskau und Washington lieb sein kann. Präsident Emomali Rahmon sucht im Iran und sogar in der Türkei nach einem starken Gegengewicht zum russischen Einfluss. So errichtet Tadschi­kistan mit finanzieller Unterstützung aus dem Iran neue Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung. Nachdem Usbekistan in den Wintern 2006 bis 2008 die Gaslieferungen nach Tadschikistan mehrmals unterbrochen hatte, setzte Tadschikistan auf mehr Unabhängigkeit im Bereich der Energiepolitik. Geldgeber fand der Präsident nicht nur im Iran, sondern auch in China. Tadschikistan ist für Teheran als Teil des „persischen Raums“ wichtig  : So wollen Afghanistan, Iran und Tadschikistan ihre Zusammenarbeit in Zukunft institutionalisieren.66 Die Idee einer „persischen Union“ wird durch den Bau einer Eisenbahnverbindung von Iran nach Tadschikistan über Nord65 Nezavisimaja gazeta, 19.9.2009. 66 Viktorija Panfilova, Dušanbe menjaet prioritety (= Duschanbe ändert die Prioritäten), in  : Nezavisimaja gazeta, 17.3.2009.

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­ fghanistan gefördert. Sie ist Teil des iranischen Netzwerk-Projektes „GroA ßer Chorassan“, das Turkmenistan, Usbekistan und Afghanistan via Pipelines und Verkehrswege miteinander verbinden will. Zwar lehnt der afghanische Präsident Hamid Karsai aus Rücksicht auf die USA derzeit noch eine engere politische Zusammenarbeit mit dem Iran ab. Dennoch sind die pro-iranischen Kräfte am Hindukusch nach wie vor so mächtig, dass Teherans Einfluss in Nord- und West-Afghanistan das innenpolitische Klima dominiert. Tatsächlich ist es dem Iran gelungen, sich gegen die Isolierungspolitik der USA in Zentralasien zu behaupten, und zwar mit Duldung Russlands. Dadurch konnte sich die Islamische Republik als wichtiger wirtschaftlicher und politischer Akteur positionieren. Teheran gelang es, sich bei den postsowjetischen Staaten in Zentralasien zunächst als Transitland zu empfehlen und sich allmählich als verlässlicher wirtschaftlicher und politischer Partner zu erweisen. Damit begann die erfolgreiche Expansion in die zentralasiatische Region, die derzeit konträr zu den machtpolitischen Interessen Russlands vonstatten geht, dessen Monopolstellung als Transitland die Islamische Republik durchbrach. Zugleich bestätigt das wachsende Interesse Chinas, Japans und auch der Europäer an den Energieressourcen Irans den Annäherungskurs der zentralasiatischen Staaten. Man muss kein Prophet sein, um eine auch in Zukunft starke Stellung des Iran in der Region zu prognostizieren  : Allein die von der EU vorangetriebene Nabucco-Pipeline ist ohne die iranischen Gaslieferungen kaum rentabel. Selbst wenn Russland als Partner ausfallen sollte, mit der Unterstützung Chinas im Rücken wird der Iran ein entscheidender Akteur in Zentralasien bleiben.

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Das Buch umfasst eine Reihe von aufeinander abgestimmten Einzelstudien, die von anerkannten Experten im Rahmen eines Projektes zum Konfliktmanagement der Sezessionskonflikte in Georgien verfasst wurden. Dieses Projekt wurde im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung vom Internationalen Institut für Liberale Politik Wien durchgeführt. Dargestellt werden die Entwicklung der Sezessionskonflikte Abchasien und Südossetien, die innere Entwicklung Georgiens, die Konfliktursachen, die Interessen und die Politik Russlands und der USA, der Energieaspekt und – als ein Schwerpunkt – die Möglichkeiten der EU zum Konfliktmanagement beizutragen. Weiters wird der Kriegsverlauf behandelt und eine strategische Bewertung der neuen Gegebenheiten vorgenommen. Schließlich kommen die verschiedenen Optionen über die Weiterentwicklung der Konflikte aufgrund des möglichen Verhaltens der Akteure zur Sprache. Diese umfassende Darstellung ermöglicht ein besseres Verstehen der Sezessionskonflikte um Abchasien und Südossetien. 2009. 329 S. br. 170 x 240 mm. ISbN 978-3-205-78325-1

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