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German Pages 160 [161] Year 2012
kleine .. hauser
kleine .. hauser Zeitgenössische Japanische Wohnbauten claudia hildner
·· birkhAuser Basel
inhalt
6 Zu diesem Buch: Poesie Kleiner Häuser claudia hildner 10 Wurzeln der Zeitgenössischen Japanischen Wohnhausarchitektur Ulf Meyer
Zeitgenössische Japanische Wohnbauten
28 House with Gardens/Yokohama/Tetsuo Kondo Architects 32 Sakura House/Tokio/Mount Fuji Architects Studio 36 O House/kyoto/Hideyuki Nakayama Architecture 42 Tread Machiya/Tokio/Atelier Bow-Wow
46 Privatheit und Öffentlichkeit 48 House in Komae/Tokio/Go Hasegawa & associates 52 House in buzen/buzen/Suppose Design Office 56 Final Wooden House/Kumamoto/Sou Fujimoto Architects 60 Von Holz geprägte Kultur
62 Small House H/takasaki/Kumiko Inui 66 Dancing Living House/Yokohama/A.L.X. jun' ichi Sampei 70 Ring House/karuizawa/TNA takei nabeshima architects 74 Kondo House/Tokio/Makiko Tsukada Architects 78 Stufen und Schichten
80 Rectangle of Light/sapporo/Jun Igarashi Architects 84 Tree House/Tokio/Mount Fuji Architects Studio 88 Villa Kanousan/kimitsu/Yuusuke Karasawa Architects 94 Raum ohne Raum
96 Pilotis in a Forest/tsumagoi/Go Hasegawa & associates 100 House C/Chiba/Hiroshi Nakamura & NAP Architects 104 KCH/Tokio/KoCHI ARCHITECT'S STUDIO 108 Umgang mit dem Bestand
110 Tsui no Sumika/Uji/Kite Architecture 114 House of Trough/Hokkaido/Jun Igarashi Architects 118 Mosaic House/Tokio/TNA Takei Nabeshima Architects 122 Tower Machiya/tokio/Atelier Bow-Wow
126 Schönheit und Vergänglichkeit
128 Moriyama Haus/nagoya/Suppose Design Office 134 Minimalist House/Itoman/Shinichi Ogawa & Associates 138 Atelier Bisque Doll/Osaka/UID Architects 144 Der Garten als Teil der Architektur
146 House Tokyo/Tokio/A.L.X. Jun' ichi Sampei 150 House H/Tokio/Sou Fujimoto Architects 156 anhang
Zu diesem Buch: Poesie kleiner Häuser
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Neue Ansätze in der Architektur spiegeln sich meist zuerst in kleinen Bauten wider. So auch in Japan, wo die Bauaufgabe „Wohnhaus“ den Architekten die Chance bietet, ungewöhnliche Konzepte zu verwirklichen, mit Materialien und Formen zu experimentieren und neue Raumideen umzusetzen. Im Ausland bewundert man dabei die Konsequenz, mit welcher die japanischen Architekten diese kleinen Häuser durchkomponieren: Mit seinem „Final Wooden House“ etwa greift Sou Fujimoto das Thema Wald auf, das er nicht nur als Bild versteht, sondern bis ins Material verkörpert wissen will (S. 56). Yuusuke Karasawa hingegen arbeitet mit Algorithmen und schafft daraus nach strengen Regeln Räume, die er als „geordnetes Chaos“ bezeichnet und die auf bizarre Art natürlich erscheinen (S. 88). „Experimente“ wie diese bilden oft die Basis für andere Entwürfe sowie größere Bauaufgaben, und damit für die Weiterentwicklung der Architektur.
Schlüssel zur Architektur Japans „Kleine Häuser“ steht in diesem Buch für räumlich und gestalterisch herausragende Wohnarchitektur privater Bauherren. Während es bereits zahlreiche Publikationen gibt, die sich mit japanischen Minimalhäusern auseinandersetzen, nähert sich dieses Buch dem Thema auf einer umfassenderen Ebene: Es will aufzeigen, welche Möglichkeiten die Bauaufgabe Wohnhaus zeitgenössischen Architekten bietet, und verdeutlicht in einer baugeschichtlichen Einleitung sowie verschiedenen Vertiefungstexten, welche kulturellen und gesellschaftlichen Grundlagen den individuellen Wohnhausbau in Japan prägen. Das einleitende Essay von Ulf Meyer beleuchtet daher die Entwicklung des japanischen Wohnhausbaus seit der Moderne. Der Autor erläutert die Wohnhausarchitektur der verschiedenen Epochen unter anderem anhand herausragender Projekte, die zwischen 1940 und 2000 entstanden sind. Durch den differenzierten Überblick nähert sich der Leser den zeitgenössischen Projekten an und bekommt die Gelegenheit, Gegenwart und Vergangenheit zu vergleichen und die verschiedenen Facetten einer Bauaufgabe kennenzulernen. Die Architekten der im Projektteil vorgestellten zeitgenössischen Häuser zählen zum Großteil zur jungen Avantgarde der japanischen Architekturszene. Für einige von Ihnen sind die kleinen Wohnhäuser für private Bauherren bisher die einzige Möglichkeit, ihre gestalterischen Ideen zu materialisieren, da es für junge Architekten schwierig ist, sich auf dem japanischen Markt zu etablieren. Der Bau kleiner Wohnhäuser gibt ihnen die Chance, Bekanntheit zu erlangen und auch international wahrgenommen zu werden.
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Die Stadt aus kleinen Häusern Im Vergleich zu ihren europäischen Kollegen haben es japanische Architekten etwas leichter, ihre Visionen in Wohnhäuser umzusetzen. Zum einen gibt es kaum Gestaltungsvorschriften, zum anderen wissen japanische Bauherren, die einen Architekten beauftragen, ganz genau, worauf sie sich einlassen. Sie wünschen sich besondere Häuser, die aus der braun-grauen Masse hervorstechen; dafür nehmen sie in Kauf, dass die Architektur nicht ausschließlich als dienende Hülle funktioniert, sondern bisweilen sogar eine Symbiose, die Anpassung von Lebensgewohnheiten, fordert. Japanische Bauherren stehen unkonventionellen und gewagten Ideen aber auch deshalb offener gegenüber, weil sie kein Zuhause für die Ewigkeit erwarten. Anders als in Europa, wo sich Wohnhäuser in der Regel problemlos über mehrere Generationen nutzen lassen, wird ein japanisches Wohnhaus im Schnitt nur etwa 25 Jahre alt. Dieser Unterschied liegt u. a. darin begründet, dass in Japan ein Haus vor allem den augenblicklichen Bedürfnissen und damit einem bestimmten Lebensabschnitt gerecht werden soll. Wenn sich die Lebenssituation ändert, wird es ohne große Skrupel abgerissen und ersetzt. Nicht das Haus, sondern das Grundstück zählt als der eigentliche Wert; darauf spielt sich das Leben ab, dort werden Räume geschaffen. Dieses andere Verständnis von Bauen thematisierte auch der Länderbeitrag Japans für die Architekturbiennale 2010 in Venedig. In der von Koh Kitayama für die Japan Foundation kuratierten Ausstellung „Tokyo Metabolizing“ wurden in rascher Folge Satellitenbilder der Millionenstadt gezeigt, in denen sich die einzelnen Parzellen immer wieder veränderten und so den Wandel als grundlegenden Wesenszug Tokios offenbarten. Doch es sind weder die öffentlichen Gebäude noch die großen Apartmentblocks, die vorwiegend für diesen raschen Wandel verantwortlich sind: Es sind die kleinen Häuser, die sich den veränderten Lebensbedingungen der Besitzer einfach anpassen lassen und somit als die lebendigsten und spontansten Elemente im Stadtgefüge gesehen werden können.
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Gestalterische Unabhängigkeit Möglich sind viele der in diesem Buch vorgestellten Projekte nur, weil in Japan Nachhaltigkeit anders definiert wird als in vielen europäischen Ländern. Sie wird weniger als Leistung des Gebäudes, denn als Leistung der Bewohner interpretiert. Geheizt und gekühlt wird in Wohnungen oft nur lokal und bei Bedarf. Der Körper, nicht der Raum, soll auf eine bestimmte Temperatur gebracht werden – wenn möglich durch mehr oder weniger Kleidung beziehungsweise über Tischheizungen. Kälte und Hitze dürfen daher in den Raum gelangen und werden nicht von vorneherein „bekämpft“, sondern im Nachhinein „ausgeglichen“. Diese andere Denkweise der Japaner zum Thema Nachhaltigkeit lässt sich natürlich kritisch sehen – wer den effektiven Energieverbrauch japanischer Wohnhäuser betrachtet, kann sie jedoch nicht von Grund auf verteufeln. Den Architekten bietet die höhere Toleranz der Bauherren, etwa gegenüber Komforteinbußen, gestalterische Freiheiten. Sie können bei ihren Entwürfen mehr wagen, können kürzere Lebenszyklen ansetzen und ihre Visionen weitgehend unbeschnitten in die Architektur übertragen. Die japanische Herangehensweise an die Architektur wirkt dadurch sehr frei, während sich in vielen europäischen Ländern schon fast das umgekehrte Phänomen beobachten lässt: Statt die Architektur in den Mittelpunkt zu stellen, werden dort ökologische oder baurechtliche Aspekte zur Maßgabe für den Entwurf eines Wohnhauses. Der Architekt wirkt dadurch immer weniger als kreativer Raumschöpfer und immer mehr als Vermittler zwischen Bauamt und Energieplaner. Auch wenn historische, gesellschaftliche und baurechtliche Grundlagen sich stark unterscheiden, bieten die kleinen Wohnhäuser Japans der westlichen Welt viele Anregungen. Die in diesem Buch vorgestellten Projekte machen Lust auf mehr Architektur im Wohnbau. Diese lässt sich zwar im Westen nicht ohne Energieeffizienz und Baurecht denken, vielleicht aber mit etwas mehr Poesie. Claudia Hildner
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Wurzeln der Zeitgenössischen Japanischen Wohnhausarchitektur
Futuristische Wohnkapseln: Das „Karuizawa-Ferienhaus“ wurde von Kisho Kurokawa 1974 fertiggestellt.
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Gebäude mit innovativen Raumideen und einer ungewohnten Ästhetik lenken den Blick westlicher Architekten immer wieder nach Japan: Dort haben sich besonders in der Wohnhausarchitektur einige faszinierende Eigenheiten erhalten, in denen sich Traditionen und soziale Verhältnisse des Landes widerspiegeln. Zudem sind japanische Wohnhäuser kurzlebig, da die Anpassung an neue Lebensumstände meist nicht durch einen Umbau, sondern durch Abriss und Neubau erreicht wird. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen sowie der Wandel gestalterischer Vorlieben lassen sich an den so entstandenen Bauten gut ablesen. Wer ihre Entwicklung betrachtet, erhält daher zum einen Einblicke in die Lebensumstände der Japaner, zum anderen eine Idee von der Herkunft zeitgenössischer japanischer Wohnarchitektur. Der Beitrag widmet sich zunächst den Bedingungen, die dem Wohnhausbau in Japan zugrunde liegen, und setzt dabei einen Schwerpunkt auf gesellschaftliche und städtebauliche Faktoren. Im Anschluss wird die Entwicklung des japanischen Wohnhauses von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart anhand von Fallbeispielen chronologisch dargestellt. Dabei wird deutlich, dass der Bau von Wohnhäusern in Japan niemals im luftleeren Raum geschah, sondern sich auf eine lange Tradition der kleinen Häuser stützen kann, die es so nur im Land der aufgehenden Sonne gibt.
Grundlagen des japanischen Wohnhausbaus In Japan sind die meisten privaten Grundstücke extrem klein, knapp und stets teurer als die Häuser, die auf ihnen stehen. Dies führt immer wieder zu einzigartigen architektonischen Lösungen, denn der vorhandene Raum muss bestmöglich genutzt werden. Die Andersartigkeit japanischer Wohnhäuser rührt aber auch von den Bauvorschriften her, die in den engen japanischen Metropolen vor allem die Verschattung regulieren sollen und die zulässigen Bauhöhen in Abhängigkeit von der Straßenbreite festsetzen. Darüber hinaus sollen sie die Häuser vor Bränden schützen und dafür sorgen, dass die Gebäude Erdbeben möglichst lange standhalten. Damit determinieren die Vorschriften auch
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N
Höhenbeschränkungen im japanischen Baurecht A… Bereich, innerhalb dessen in Abhängigkeit von der Straßenbreite Beschränkungen gelten. B… Bereich, innerhalb dessen ein- und zweigeschossige Gebäude gemäß der Nordseitenregelung ohne Abschrägung gebaut werden können (von der Grundstücksgrenze aus gemessen). C… Bereich, innerhalb dessen das Gebäude verwirklicht werden kann (insofern nicht noch weitere Regeln zum Tragen kommen). 11
die Form der Wohnhäuser, vor allem aber den Städtebau: Ablesen lassen sich die Auswirkungen etwa an den „Schluchten“ zwischen den Häusern, welche sich durch die Abstandsregeln ergeben, oder die in den oberen Stockwerken wie diagonal abgeschnitten wirkenden Bauten, mit denen bei maximal möglicher Gebäudehöhe die Belichtung der Nachbarhäuser sichergestellt werden soll. Das Klima ist in weiten Teilen Japans ganzjährig vergleichsweise mild, wegen der durchgehend schlecht gedämmten und isolierten Hauswände und Fenster in japanischen Wohnhäusern kann es im Inneren im Sommer dennoch unangenehm heiß und im Winter empfindlich kalt werden. Aufgrund der Heiz- und Kühlgewohnheiten vieler Japaner – man temperiert zu Hause eher den Körper als den ganzen Raum – ist der effektive Energieverbrauch im Wohnbau dennoch relativ gering, sodass man zumindest von offizieller Seite keinen Anlass zur Verschärfung der Vorschriften zum Energieverbrauch der Häuser sieht. Weil dadurch auf eine aufwändige Dämmung verzichtet werden kann, haben die japanischen Architekten gestalterische Freiheiten, um die westliche Kollegen sie beneiden. Trotz der extremen Bevölkerungsdichte, die Japans Baukultur mehr als jeder andere Faktor prägt, finden sich in den Städten immer noch viele Einfamilienhäuser. Traditionell legt die Mittelschicht der japanischen Gesellschaft auf privaten Grund- und Immobilienbesitz – und sei er noch so klein – großen Wert.
Einfluss der städtebaulichen Entwicklung Vorschriften, Bautraditionen oder ökonomische Faktoren beeinflussen das Aussehen japanischer Wohnhäuser, den wichtigsten Faktor stellt jedoch die Stadtentwicklung selbst dar: Die größten japanischen Städte sind in den letzten Dekaden zu einer einzigen Meta-Megastadt zusammengewachsen. Da die japanischen Metropolen sich durch moderne Hochleistungs-Bahnnetze auszeichnen und der Individualverkehr trotz zahlreicher Schnellstraßen mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht konkurrieren kann, haben die zerstörerischen Tendenzen der Suburbanisierung, die man aus den USA und anderen westlichen Ländern kennt, hier weit weniger Schaden angerichtet. Es hat sich ein kulturell
Blick von der nördlichen Stadtgrenze Tokios nach Süden: ein Teppich aus Einfamilienhäusern mit vereinzelten Apartmentblöcken. 12
Wechsel der Maßstäbe: Die Hochhäuser der Stadtzentren ragen aus der Agglomeration.
reicher, fast flächendeckender, dicht geknüpfter Siedlungsteppich gebildet, der unter anderem die Grundlage für die innovative japanische Wohnbauarchitektur darstellt. Dabei ist gerade die Kontextlosigkeit meist der einzige Kontext, in dem sich Wohnbauentwürfe bewegen. Das fragmentarische Wesen der japanischen Metropolen wurde oft als „Patchwork“ beschrieben, da es – wie Botond Bognar es formuliert – „radikal heterogen“ ist. Der Architektur bleibe dabei nichts anderes übrig, als „zur Rastlosigkeit der Stadt beizutragen“ (Bognar Botond 1990, S. 14). Während in den meisten Ländern das Verhältnis zur umgebenden Landschaft den Einfamilienhausbau prägt, ist es in Japan die allgegenwärtige Stadt, eine menschengemachte Landschaft, die als urbanscape bezeichnet werden kann. Das visuelle Chaos dieser sich ständig verändernden Metropolen bietet für den Wohnungsbau meist wenige Anhaltspunkte, befreit die Architektur andererseits aber von der Pflicht, sich dem städtebaulichen Umfeld anzupassen oder gar unterzuordnen. Jedes Gebäude steht für sich, das urbane Nebeneinander wirkt für westliche Augen bisweilen wirr und wahllos. Wegen der für Japan typischen schnellen Folge von Bau und Abriss macht es für Architekten wenig Sinn, sich auf ein Nachbargebäude zu beziehen. Viele Architekten wählen deshalb eine defensive Strategie und kapseln sich vom Kontext der Stadt ab. Die Erfahrung von wiederkehrenden Naturkatastrophen, Kriegen und nicht zuletzt das explosive Stadtwachstum lassen für Sentimentalität in der japanischen Stadtgestaltung wenig Raum. Gebaut wird nicht für die Ewigkeit: Die meisten Wohnhäuser werden im Durchschnitt nach nur 25 Jahren abgerissen und neu gebaut. Was auf den ersten Blick der Herausbildung einer Architektur-Kultur zuwiderzulaufen scheint, ist in Japan tatsächlich kulturell tief verankert. Wenn es um die Physis von Bauwerken geht, hat die Traditionslosigkeit eine lange Tradition. Ursprünglich wurden Wohnhäuser in Japan nur aus vergänglichen Materialien errichtet und immer wieder abgerissen und ersetzt – lediglich die Form, aber nie das Material eines Gebäudes konnte sich über Jahrhunderte erhalten. Wer sich mit dem japanischen Städtebau beschäftigt, wird in der Veränderlichkeit der Einzelelemente auch eine essenzielle Qualität dieser Metropolen erkennen. Während sich europäische Städte durch ihre Beständigkeit auszeichnen, ist
Abbruchreifes Wohnhaus in einem Tokioter Vorort. 13
es dort der Wandel, die Dynamik. Veränderte gesellschaftliche oder wirtschaft liche Bedingungen können sich in japanischen Metropolen innerhalb eines Vierteljahrhunderts architektonisch und urbanistisch manifestieren – während sich in Städten wie Paris kaum ein Wandel im Stadtbild ausmachen lässt. Dem Mangel an Monumentalität und Permanenz setzt die japanische Stadt also ihre Allgegenwart als Stärke entgegen. Im Kontrast zur europäisch-westlichen Auffassung von Städtebau, bei dem sich ein Gebäude auf das nächste bezieht und erst im Kontext ein Stadtkörper entsteht, werden in Japans Städten Chaos, Energie und ständige Selbsterneuerung zelebriert. Das bedeutet nicht, dass städtebauliche Aspekte in Japan grundsätzlich ausgeklammert werden, sondern vielmehr, dass diese Art von Metropole oft nach anderen Lösungen verlangt als eine westliche Stadt.
Japanische Architektur bis zum zweiten Weltkrieg Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren die japanischen Wohnbauten mehrheitlich von der traditionellen modularen Holzskelettbauweise geprägt, die durch fusuma (Schiebetüren), tatami (Strohmatten) und sho ¯ ji (Schiebewände aus Reispapier) ihre genuin japanische Ausprägung erlangte. Wohnhäuser waren in Japan für Großfamilien ausgelegt und ihre Grundrisse basierten auf einem flachen, modularen System aus Räumen und Korridoren mit einem Stroh- oder Ziegeldach darüber und einem hölzernen Podest darunter. Proportionen und Dimensionen der Räume waren ein Resultat des Tatami-Moduls (das heute etwa 80 mal 182 Zentimeter misst, sich aber von Region zu Region leicht unterscheidet und auch dort im Laufe der Zeit mehrmals angepasst wurde) und des Konstruktionsrasters des Holzskeletts, das mit festen und beweglichen, nicht tragenden Wänden ausgefacht wurde. Die Grundrisse der japanischen Wohnhäuser waren traditionell nicht funktionsdeterminiert, sondern nutzungsflexibel und durch ihre Schiebewände leicht zu größeren Einheiten zusammenschaltbar. Die Futons wurden tagsüber eingerollt und in den Wandschränken verstaut, es gab also weder Betten noch Stühle oder hohe Tische. Ein („reines“) Bad und ein („schmutziges“) WC waren räumlich voneinander getrennt.
Durchdringung von Wohnen und Naturerlebnis: die „Villa Katsura“ in Kyoto 14
Blick in eines der Teehäuser der „Villa Katsura“: Die Proportionen von Tatamimatten und Schiebeelementen prägen die traditionelle Architektur Japans.
Selbst Großstädte wie Tokio bestanden bis zum verheerenden Kanto ¯-Erdbeben von 1923 noch überwiegend aus niedrigen, traditionellen Holzhäusern. Die auf das Erdbeben folgenden Brände richteten daher schlimmere Schäden an als die Erschütterungen der Erde selbst: Die Katastrophe verdeutlichte schmerzvoll die Grenzen des Holzbaus für die moderne japanische Großstadt. Auch die im westlichen Stil errichteten Backsteinbauten des Ginza-Viertels erwiesen sich als nicht ausreichend erdbebensicher, sodass in den folgenden Jahren mehr und mehr mit Stahlbeton gebaut wurde. Gleichzeitig erfuhr die traditionelle japanische Architektur im Westen verstärkt Beachtung: Den Auftakt bildete Franz Adolf Wilhelm Baltzers „Das japanische Wohnhaus“ von 1903, den Höhepunkt stellen Bruno Tauts zwischen 1933 und 1936 entstandene Schriften dar, in denen vor allem die „Villa Katsura“ in Kyoto als herausragendes Beispiel japanischer Architektur gewürdigt wird. Auch Walter Gropius erkannte, dass die traditionelle Architektur Nippons Lösungen für die architektonischen Fragestellungen seiner Zeit bereit hielt. Es überrascht daher auch nicht, dass sein „Haus Sommerfeld“, das 1921 in Berlin entstand, Ähnlichkeiten mit dem „Sho ¯ so ¯ in-Holzhaus“ in Nara aus dem 8. Jahrhundert zeigt. Während der Westen die traditionelle japanische Architektur entdeckte, waren die Japaner fasziniert von der modernen Bewegung und versuchten, mit den westlichen Protagonisten Schritt zu halten. Iwao Yamawaki (1898–1987) war einer von vier japanischen Studenten, die am Bauhaus in Dessau studierten, und unter ihnen der einzige Architekt. Nach seiner Rückkehr nach Japan errichtete er 1933 in Tokio ein Wohn- und Atelierhaus, in dem sich die Prinzipien der BauhausModerne spiegeln. Dass sich der Austausch von Ideen über Kontinente hinweg als fruchtbar für die Entwicklung einer modernen japanischen Wohnbaukunst erwies, zeigt auch das Beispiel des Hauses, das Kunio Maekawa für sich selbst errichtete.
Das „Haus Sommerfeld“ in Berlin von Walter Gropius (rechts) zeigt Anklänge an das „Sho ¯ so ¯ in-Holzhaus“ in Nara. 15
Fallstudie 1. Kunio Maekawa, Haus des Architekten, 1942 Die Materialknappheit während des Zweiten Weltkriegs zwang Kunio Maekawa beim Bau seines Hauses dazu, auf bewährte, überall erhältliche Baustoffe zurückzugreifen. Sein Entwurf für sein eigenes Wohnhaus wirkt deshalb auf den ersten Blick wie ein traditionelles Bauernhaus, wie es etwa in Zentraljapan zu finden ist. Tatsächlich birgt das Haus, das Maekawa 1942 baute, den Kern des japanischen Moderne-Verständnisses. Das mächtige Satteldach beispielsweise ist zwar symmetrisch, es bekrönt jedoch einen modernen, asymmetrischen Grundriss mit ausschließlich westlichen Bodenbelägen, Möbeln und Bädern. Maekawa verwendete moderne Glasschiebeelemente für die Fassade, hinter die eine Schicht opaker Paneele geschoben werden kann, um wie eine traditionelle Sho ¯ ji-Wand als Sicht- und Blendschutz zu dienen. Eine runde Holzstütze akzentuiert die Fassade. Das Haus wurde in das Edo-Tokyo Open Air Architectural Museum transloziert und ist bis heute erhalten. Es gilt als Keimzelle moderner Wohnbaulösungen im Japan der 1940er-Jahre.
Grundriss Erdgeschoss 16
1950er-Jahre: Besinnung auf die eigene Tradition Mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiro shima und Nagasaki und der darauf folgenden Kapitulation Japans endete der Pazifikkrieg. Danach begann der eilige Wiederaufbau der japanischen Städte nach modernen Prinzipien, jedoch auf dem althergebrachten kleinteiligen Parzellenzuschnitt. Mit dem Bau von Kenzo Tanges „Peace Center“ in Hiroshima gelang erstmals die Übersetzung der japanischen Holzbau-Tektonik und -Ästhetik in den modernen Stahlbetonbau und damit die Formulierung einer eigenständigen japanischen Formensprache der Moderne. Sie fand auch in Tanges eigenem Haus ihren Widerhall. Fallstudie 2. Kenzo Tange, Haus des Architekten, 1953 1953 lud man Kenzo Tange ein, als Architekt den 59. Wiederaufbau des Ise-Schreins zu leiten. Einem alten Brauch zufolge wird der berühmte Schrein alle 20 Jahre durch einen parallel zum bestehenden Gebäude errichteten Neubau ersetzt. Zeitgleich zu diesem traditionellen Wiederaufbau endete die amerikanische Besatzung Japans, und das Projekt wurde zum Beginn einer neuen Ära in der japanischen Architektur. Tange war von der traditionellen Baukunst schwer beeindruckt und veröffentlichte 1961 das Buch „Ise: Prototype of Japanese Architecture“, in dem er die „moderne“ Bauweise des Schreins mit den Prinzipien der westlichen Moderne verglich. Was Tange in der Tradition seines Landes wiederentdeckte, übersetzte er in eine kompromisslos moderne Formensprache und wurde so zur Leitfigur für mehrere Generationen japanischer Baukünstler.
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Die Vermählung von Tradition und Moderne spiegelte sein eigenes Haus wider: Tange nahm für Schnitt den modernen Stahlbetonskelettbau das TatamiModul als Grundlage und fachte die Konstruktion mit Holz- und Papierwänden aus. Die Stützen vor der Fassade trugen nur vertikale Lasten und waren entsprechend dünn und elegant. Der große Zentralraum konnte mit Hilfe von Schiebetüren in drei kleinere Räume unterteilt werden. Die Fassade folgte dem Muster a-b-a-a-b-a. Das Dach nahm die traditionellen Dachformen Japans auf und übersetzte sie in die Moderne der 1950er-Jahre. Tange blieb nicht lange der einzige, der eine japanische Moderne in Stahlbeton zu gestalten wusste. Auch Kiyonori Kikutake schuf mit seinem „Sky House“ in Tokio eine Ikone der japanischen Wohnbaumoderne, die bis heute bewundert und zitiert wird.
Fallstudie 3. Kiyonori Kikutake, Sky House, 1958 Kikutakes „Sky House“ besetzt das Baugrundstück nicht, sondern thront darüber. Es wird von vier schlanken Betonscheiben getragen wie der Hochsitz eines Jägers, das Erdgeschoss bleibt dabei frei. Die Wohnung befindet sich eingespannt zwischen den Betonscheiben im Obergeschoss. Trotz seiner radikal modernen Form ist das „Sky House“ eine Anspielung auf die traditionell ebenfalls aufgeständerten Wohnhäuser in Japan. Die Betonscheiben nehmen im Obergeschoss hölzerne Schiebeläden auf, mit deren Hilfe der Einraum des Hauses bei Bedarf von seiner Umgebung abgetrennt werden kann. Meist werden jedoch nur die in einer zweiten Ebene dahinter liegenden Glaspaneele herausgefahren, um die Kontinuität zwischen Innen- und Außenraum, die für traditionelle japanische Bauten essenziell ist, zu gewährleisten und den Raum visuell auszuweiten. Ein umlaufender Balkon vermittelt zwischen der inneren Glas- und der äußeren Holzpaneelfassade – er erinnert an die engawa des traditionellen japanischen Wohnhauses, einen schmalen Streifen rund um das zum Wohnen genutzte Plateau, der den Innenraum zum Garten hin erweitert. Küchenzeile und Bad finden in Kikutakes Haus ebenfalls in diesem Bereich Platz, sodass der quadratische Hauptwohnraum nichts von seiner Großzügigkeit einbüßen muss. Lediglich ein Einbauschrank deutet eine räumliche Trennung zwischen Wohn- und Schlafbereich an (siehe auch Shigeru Bans „Wall-less House“ und Ludwig Mies van der Rohes „Farnsworth House“). Der Grundriss des „Sky House“ ist auf einem regelmäßigen Quadratraster aufgebaut. Das „Himmels-Haus“ galt jahrzehntelang als einziges Einfamilienwohnhaus in Japan, das es wert war, in Architekturführer aufgenommen zu werden.1
1… Siehe: A Guide to Japanese Architecture. Compiled by The Japan Architect. Editorial Section, Nobuo Ito. Tokio, 1975. 18
Grundriss Wohngeschoss
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1960er- und 1970er-Jahre: Japans Aufstieg zur ökonomischen Supermacht Im wirtschaftlich florierenden und politisch stabilen, friedlichdemokratischen Japan der Nachkriegszeit setzte sich die westliche Denkweise durch, die jedem Raum eine bestimmte Funktion zuteilt. Die meisten Wohnungen wurden nun für Kleinfamilien geplant, die, aus den ländlich geprägten Präfekturen kommend, in den Großstädten die Wohnungsnachfrage anheizten. Die funktionalistische Architektur des International Style und kurz darauf auch der Brutalismus stießen in Japan auf große Resonanz, auch im Wohnungsbau. Mit dem Metabolismus entwickelte sich eine eigenständige Architekturströmung der Moderne, die die Wachstumsphantasien der aufstrebenden Großmacht Japan architektonisch versinnbildlichte und auch den Wohnbau nachhaltig beeinflusste. Eine Gruppe junger Architekten um Kenzo Tange, Kisho Kurokawa und Kiyonori Kikutake entwickelte Visionen für eine transitorische Stadt der Zukunft aus großen, flexiblen und beliebig erweiterbaren Infrastrukturen, in die vorgefertigte Raumzellen eingehängt werden konnten. Das bekannteste ausgeführte Projekt, das den Zeitgeist von Impermanenz und Wandel der boomenden japanischen Städte exemplarisch ausdrückt, ist der „Nakagin Capsule Tower“ von 1972. Dieser von Kisho Kurokawa entworfene Wohnturm besteht aus zwei Betonkernen mit elf und 13 Etagen, an die 140 vorfabrizierte, statisch voneinander unabhängige Module montiert wurden. Die knapp neun Quadratmeter großen Kapseln mit den charakteristischen Bullaugen-Fenstern sollten nach Kurokawas Konzept bei Bedarf ausgewechselt werden können, was jedoch niemals geschah. Im Moment droht der Ikone des Metabolismus der Abriss. Ikone des Metabolismus, vom Abriss bedroht: „Nakagin Capsule Tower“ von Kisho Kurokawa.
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In den 1960er-Jahren wurde die Architektur in Japan stark durch den technologischen Fortschritt und die serielle Vorfertigung von Bauteilen beeinflusst. Wohnhäuser werden seitdem zum Teil als Halbfertigzeuge industriell vorfabriziert und massenhaft verkauft. Diese „Häuser von der Stange“ sind jedoch schwer an die meist unregelmäßig geschnittenen, kleinen Grundstücke in den japanischen Städten anzupassen und lassen deshalb genug Raum für maßgeschneiderte Architekturlösungen.
1970er- und 1980er-Jahre: Goldene Zeiten Die 1970er- und vor allem die 1980er-Jahre waren in Japan eine Zeit großer wirtschaftlicher Prosperität und galoppierender Urbanisierung. Die Immobilienpreise stiegen so rasant, dass der Einfamilienhausbau erstmals für breitere Bevölkerungsschichten unerschwinglich wurde. Die Postmoderne kam mit leichter zeitlicher Verzögerung zur Blüte und verschaffte auch vielen amerikanischen und europäischen Architekten Bauaufträge in Japan. In den „goldenen“ 1980er-Jahren wuchsen erstmals schlanke Luxuswohntürme mit Eigentumswohnungen in den Himmel über den japanischen Metropolen. Die neuen, kleinen Stadtwohnungen oder toshi ju ¯ taku wurden als Reaktion auf die Entwertung der traditionellen gewachsenen Wohnviertel und als Alternative zum Leben in der Vorstadt interpretiert. Gestalterisch wurden sie von der Auffassung der Stadt als feindliches Umfeld und der Herausbildung einer defensiven Sichtbetonarchitektur geprägt.
Das „Sekisui Heim M1“ von 1970 ist das einzige Fertighaus, das in die Auswahl schützenswerter Bauten der Moderne „DOCOMOMO 100 Japan“ aufgenommen wurde.
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Fallstudie 4. Toyo Ito, U-House, 1976 Ito hatte das Haus 1976 für seine ältere Schwester gebaut, deren Mann kurz zuvor an Krebs gestorben war. Sie wünschte sich ein Haus, in dem ihre beiden Töchter „direkteren Kontakt zur Erde und zum Himmel“ haben. Funktionale Aspekte traten gegenüber symbolischen im Verlauf des Entwurfs in den Hintergrund. Das Sichtbetonhaus hatte die Form eines Us, dessen Enden gerade miteinander verbunden sind. Es schuf so einen geschützten Hof und einen endlosen Raum. Der lange Korridor führte zu den Kinderzimmern und zum Schlafraum der Mutter. Weiße Wände und ein weißer Boden bildeten einen universellen Raum zum Spielen, Essen und Meditieren. Durch ein Oberlicht gelangten Licht und Schatten auf die Oberflächen wie auf eine Leinwand. Der Abriss des Hauses, der 1997 vor den Augen von Ito stattfand, wurde von der Familie als Befreiung von der Trauerarbeit angesehen. Während in den 1970er-Jahren Häuser noch oft wie eine heterogene internalized city gestaltet wurden, setzte mit dem Beginn der new wave in den 1980ern endgültig die radikale Umkehr im Denken ein: Architekten gaben den Versuch auf, die Stadt als etwas zu Gestaltendes anzusehen und suchten eine introvertierte Baukunst, die sich der Stadt gegenüber defensiv verhält und eine hermetische Trennung sucht. In dieser Zeit blühte die Sichtbeton-Architektur mit strenger, primärer Geometrie, wie Tadao Ando sie zu Weltruhm gebracht hat. Grundriss Erdgeschoss
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Fallstudie 5. Tadao Ando, Sumiyoshi Nagaya, 1976 Tadao Ando nahm sich beim Entwurf des „Sumiyoshi Nagaya“ einen traditionellen Gebäudetyp als Referenz: das nagaya, also ein Reihenhaus, das besonders in der Edo-Zeit (1603–1867) weit verbreitet gewesen war und einem Großteil der Stadtbevölkerung als Unterkunft gedient hatte. Andos schmales Sichtbeton-Haus sitzt auf einem 14 Meter tiefen, aber nur 3,5 Meter breiten Grundstück. Ein schmaler Einschnitt in der sonst völlig geschlossenen, sechs Meter hohen Straßenfassade aus Sichtbeton dient als Eingang. Erst dahinter offenbart sich, dass das Haus um einen offenen Innenhof herum organisiert ist, der so breit ist wie das ganze Grundstück. Um von den vorderen zu den hinteren Räumen zu gelangen, müssen die Bewohner über den Hof gehen. Der Entwurf ging als Symbol für die radikale Introvertiertheit der japanischen Wohnhausarchitektur dieser Zeit in die Geschichte ein. Andos Architektur war sowohl antiurban als auch antihedonistisch. Die Abkehr von der feindlichen, übermächtigen, sich ewig wandelnden Stadt hat in der Folge noch viele in sich gekehrte Räume hervorgebracht.
Grundriss Erdgeschoss, 1. Obergeschoss und Schnitt
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1989 bis heute: Das Ende der Bubble-Economy Der Beginn der Heisei-Ära 1989 war in Japan vom Platzen der „Bubble-Economy“ überschattet. Faule Bankkredite und überbewertete Immobilien ließen Japan in eine Phase von Deflation und hoher Staatsverschuldung rutschen, die wirtschaftliche Stagnation auf hohem Niveau bedeutete und die Gesellschaft wie auch die Architektur bis heute prägt. Zugleich änderten sich in den 1990er-Jahren und um die Jahrtausendwende die Demografie und die ökonomische Lage der japanischen Familien radikal. Nur noch 60 Prozent der Haushalte in Japan sind Familienhaushalte. Unverheiratete, Alleinerziehende und Senioren machen einen größeren Teil aus als jemals zuvor. Die geringe Geburtenrate und die hohe Lebenserwartung führen zu immer kleineren Haushalten. Auf dem Land schrumpfen daher viele Orte. Die Grundstückspreise in den Metropolgebieten sind in Folge des Crashs gesunken – ein Wohnhaus zu bauen, ist für viele dadurch wieder erschwinglich geworden. Kleinstgrundstücke werden dabei verstärkt nachgefragt. In Tokio können sie bis zu zwei Meter schmal sein. Dies ist das Maß für die zulässige Mindestbreite bei Wohnhäusen. Die zeitgenössische Wohnbauarchitektur reagierte darauf mit der bonsai bunka, der Miniaturisierung der Bauaufgaben. Zudem beziehen sich viele japanische Architekten mit ihren Bauten auf Eigenheiten der traditionellen japanischen Bauweise. Dazu gehört etwa die Wiederentdeckung des Ephemeren, die sich in Shigeru Bans Papierarchitektur oder in Kengo Kumas beinahe immateriellem „Water/Glass House“ bei Atami widerspiegelt.
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Floor plan 3F
Fallstudie 6. Kengo Kuma, Water/Glass House, 1995 Beim „Water/Glass House“ treibt Kengo Kuma das architektonische Bestreben nach Transparenz auf die Spitze. Mit dem Entwurf bezieht sich Kuma auf die benachbarte „Kyu Hyuga Bettei Villa“ von 1936, das einzige Projekt, das Bruno Taut während seines dreijährigen Aufenthalts in Japan gebaut hat. Taut war begeistert von der Fähigkeit japanischer Architektur, die Natur zu rahmen und gleichzeitig mit ihr zu harmonieren. Dadurch inspiriert schuf Kuma ein Gebäude, das den Blick auf die Sagami-Bucht nicht durch eine traditionelle engawa, Schiebelemente oder den Dachüberstand rahmt, sondern lediglich durch zwei horizontale Flächen. Wasser beziehungsweise Boden und Deckenlamellen beschreiben einen fließenden Raum, ohne ihn zu begrenzen. Zwischen den beiden Ebenen sitzt eine nahezu immaterielle Ganzglasfassade, welche die in der traditionellen japanischen Architektur üblichen Holzstützen ersetzt und das Tragwerk quasi auflöst. Die Wasserfläche erweitert den im Obergeschoss gelegenen, ovalen Meeting-Raum zudem symbolisch bis zum Pazifik und sorgt für faszinierende Reflektionen.
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Grundriss 3. Obergeschoss
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Wohnbau heute Wie im Westen werden in Japan zwar nur die wenigsten Wohnhäuser von lizenzierten Architekten entworfen, aber der Wohnbau ist auch dort ein Sprungbrett für kleine Architekturbüros am Beginn ihrer Karriere. Niedrige Zinsen und eine hohe Erbschaftssteuer haben in den letzten Jahren die Nachfrage nach kleinen Wohnhäusern in den Ballungsräumen weiter wachsen lassen. Wer es sich leisten kann, engagiert zur Verwirklichung seines Zuhauses einen Architekten – Hilfe bei der Auswahl bieten dabei zahlreiche Periodika, die sich speziell mit dem Thema Wohnhaus beschäftigen. Im städtischen Kontext schätzt man vor allem Architekten, denen es gelingt, auch auf kleinen Grundstücken und unter widrigen Umständen gestalterisch anspruchsvoll Raumqualität zu generieren. Um Raum zu sparen, weichen manche die Grenzen zwischen den Räumen auf oder lassen die Funktionen überlappen. Fließende Raumfolgen werden oft nur von beweglichen Paravents, Vorhängen oder Schiebeelementen unterteilt. Da sich die Bauherren meist nur ihre Privatsphäre gegenüber der Außenwelt – nicht innerhalb der Familie – sichern wollen, wird mit offenen Räumen experimentiert. Im Zentrum der meisten Häuser steht dabei die Wohnküche, welche den Lebensmittelpunkt der Familie darstellt. Die Kinder schlafen oft bis zum Grundschulalter mit den Eltern in einem Raum und erhalten auch danach meist nur ein kleines eigenes Zimmer, das optisch und akustisch kaum von den anderen Wohnbereichen abgegrenzt ist. Gäste werden in Japan heutzutage nur noch selten in das eigene Heim eingeladen, das Haus soll also vor allem den Bedürfnissen der Familie gerecht werden und dient kaum repräsentativen Zwecken. Die gewünschte Abschottung gegenüber dem öffentlichen Raum und den Nachbarn führt in der dichten japanischen Stadt oft dazu, das sich – rein äußerlich gesehen – bunkerähnliche Gebäude aneinander reihen. Im Inneren offenbart sich dann meist eine völlig andere Welt: mit Oberlichtern, durch die der Blick in den Himmels schweifen kann, Splitlevel, die Vielgeschossigkeit simulieren, oder opaken Materialien, die viel Licht in die Räume lassen. Manche Häuser sind auch um einen oder mehrere Höfe herum organisiert und schaffen so einen eigenen Mikrokosmos.
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Im Stadtraum lassen diese abgeschlossenen Welten allerdings auch Resträume wie Schluchten oder tote Winkel entstehen, die viele junge Architekten nun als ungenutztes Potenzial erkannt haben. Der Versuch, diese Bereiche in die Wohnarchitektur einzuflechten und öffentlichen und privaten Raum wieder stärker zu verknüpfen, wird die Architekten städtischer Wohnarchitektur auch in Zukunft beschäftigen. Während in den Metropolen nach Möglichkeiten gesucht wird, eine StadthausKultur zu etablieren, entsprechen die Wohnhäuser in ländlicheren Gebieten noch mehr dem typischen Einfamilienhaus mit Garten. Zweit- und Ferienhäuser kennzeichnet dabei oft ein villenhafter Charakter. Da das Haus nicht durchgehend bewohnt wird, können funktionelle Aspekte noch stärker hinter die gestalterischen zurücktreten. Die Bauherren wünschen sich für ihr Feriendomizil in der Regel eine Architektur, welche den Kontrast zum dichten Leben in der Stadt deutlich macht und die Landschaft in die Wohnung mit einbezieht – vor allem junge Architekten nutzen die Chance, in diesem Zusammenhang neue Materialien oder Raumideen auszuprobieren. Wohnhäuser sind in Japan Seismographen für aktuelle Tendenzen in der Architektur. Japanische Gestalter finden – trotz aller Verwestlichung – in ihrer ganz eigenen Tradition oft Lösungsansätze, die in der westlichen Welt kein Äquivalent haben. Sowohl auf den kleinen Parzellen der japanischen Großstädte als auch in ländlichen Gebieten verwendet die junge Generation der japanischen Architekten viel Aufmerksamkeit darauf, lebenswerte und architektonisch anspruchsvolle Wohnhäuser und -räume zu schaffen. Deren Entwicklung wird weiterhin weltweit mit großer Neugierde verfolgt werden.
ulf meyer
Quellen ARCH+ 151, „Minihäuser in der Megacity Tokio“. Aachen, 2000. Bognar, Botond: The New Japanese Architecture. New York, 1990. Fackler, Martin: „Japan Goes From Dynamic to Disheartened“ in New York Times vom 17. Oktober 2010. Kitayama, Koh, Tsukamoto, Yoshiharu, Nishizawa, Ryue: Tokyo Metabolizing. Tokio, 2010. Pollock, Naomi: Modern Japanese House. Wien/London/New York, 2005. Rössler, Hannes: Minihäuser in Japan. Salzburg, 2000. TAUT, Bruno: Houses and People of Japan. Tokio, 1937. 27
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yokohama
house with gardens tetsuo kondo architects
2007
Anarchisch Leben Eine Nutzung pro Ebene, mehr ließ der Architekt Tetsuo Kondo bei seinem „House with Gardens“ in Yokohama nicht zu. Das Grundstück liegt an einem Hang, daher die SplitlevelVerteilung der Räume. Bewusst verlegte Kondo die Schlafräume in die unteren Geschosse und die Wohnräume nach oben, von wo aus man über Yokohama blicken kann. Dabei folgte er keinem strengen Schema, verzichtete auf eine durchgehende vertikale Verbindung und versteckte manche Räume geradezu. Ein winziger Studierraum im Untergeschoss etwa wird durch das Elternschlafzimmer und den angrenzenden Gartenraum
erschlossen. Vom Eingangsbereich führt eine Wendeltreppe ein halbes Geschoss nach unten in die Schlafbereiche der Kinder – oder ein halbes Geschoss nach oben ins Elternschlafzimmer. Auf der daran anschließenden Badebene endet die Wendeltreppe, von hier leitet eine weitere Treppe nach oben in den Wohnbereich über. Die Lücken, die sich durch diese Verschiebungen im Grundriss ergeben, formte der Architekt zu Gartenzimmern um. Jeder Raum schließt an einen dieser „leeren“ Bereiche an, die entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer, einer vierköpfigen Familie, gestaltet werden können. 29
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Der frei gestaltete Grundriss mag zunächst so wir ken, als gäbe es kein Konzept, doch der Verzicht auf eine strenge architektonische Ordnung hat einen ganz eigenen Reiz. Das Haus bietet Überraschungen, lässt sich nicht ohne Weiteres erfassen und schon gar nicht schematisch zu Papier bringen. Es scheint sich geradezu dagegen zu wehren, auf den ersten Blick durchschaubar zu sein. Das „House with Gardens“ nimmt manches von dem in sich auf, was auch die dichten Wohngebiete japanischer Städte bestimmt: Es gibt kaum eine konsequente Ordnung und die Wegeführung wirkt bisweilen eher willkürlich. Sowohl diese Art des Städtebaus als auch das „House with Gardens“ können im besten Sinne als anarchisch bezeichnet werden. Die „leeren“ Räume, die das Haus einschließt, unterstreichen das Konzept der Auflösung von Strukturen und Festlegungen. Von außen lässt sich das komplexe Innenleben des Gebäudes nicht erahnen: Das Haus ist in eine helle Metallfassade gehüllt, die es kompakt wirken lässt. Die Gartenräume sind dabei loggiaartig in das Haus integriert, sodass Innen- und Außenräume optisch Section1 1/250 Section2 1/250 zu einer Einheit verschmelzen.
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Ebene 4 (1.OG)
Ebene 5 (1.OG/ 2.OG)
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1 . Längsschnitt 2. Querschnitt 3. Grundriss Ebene 2 4. Grundriss Ebene 1 5. Grundriss Eingangsgeschoss 6. Grundriss Erdgeschoss 7. Grundriss Tiefparterre Maßstab 1:250 Ebene 1 (UG/ EG)
Ebene 2 (EG)
Ebene 3 (EG/ 1.OG)
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sakura house
tokio
2007
Mount Fuji
architects studio
Kirschblüten im Schnee Ein haushoher weißer Schutz wall umgibt das „Sakura House“, das sich im Süden Tokios befindet. Mount Fuji Architects Studio strebten danach, ein Wohngefühl zu schaffen, wie es etwa beim „Farnsworth House“ von Ludwig Mies van der Rohe zu finden ist. Statt mitten in der Natur befindet sich der Bauplatz allerdings in einem dichtbebauten Stadtteil der japanischen Hauptstadt. Um hier ein transparentes Gebäude entstehen zu lassen, in dem es sich ähnlich ungezwungen leben lässt, mussten die Architekten für ein passendes Umfeld sorgen.
Zwei klammerartig auf dem Grundstück platzierte Wände formen den Rahmen des Wohnbereichs. Dort, wo sie als Außenwände des Gebäudes dienen, sind sie aus Stahlbeton und damit undurchsichtig; dort, wo sie einen kleinen Vorhof einfassen, handelt es sich um eine Stahlkonstruktion, die mit weißen, blütenförmig perforierten Metallelementen bekleidet ist. Schmuckpapiere aus Ise dienten als Vorlage für das computergenerierte Muster. Die beiden Bereiche gehen ineinander über, da die Blütenperforation dort, wo die Paneele an den Beton grenzen, graduell schwächer wird. Die perforierten
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1 . Querschnitt 2. Längsschnitt 3. Grundriss Untergeschoss 4. Grundriss Erdgeschoss 5. Grundriss 1. Obergeschoss 6. Grundriss 2. Obergeschoss Maßstab 1:250
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Bereiche der Wände sind lichtdurchlässig, sodass das Gebäude nachts von innen heraus leuchtet. Vom Vorbereich aus sind der Keller mit einem Büro- und zwei Freizeiträumen sowie der Eingangsb ereich mit dem Treppenhaus zugänglich. Im Erdgeschoss befinden sich ein weiterer Büroraum sowie eine Doppelgarage. Das erste Obergeschoss beherbergt den Wohnraum, der durch einen kleinen Freibereich ergänzt wird. Das oberste Geschoss mit Schlafzimmer und Bad teilt sich in ein Splitlevel, das sowohl über das durchgehende Treppenhaus als
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auch über eine Außentreppe, die den Freibereich im ersten Obergeschoss mit der Dachterrasse verbindet, erreicht werden kann. Das „Sakura House“ wirkt auf sein Umfeld weniger wie ein Gebäude, sondern eher wie eine abgeschlossene Welt für sich. Dennoch wendet es sich nicht aggressiv gegen seine Umgebung, denn trotz der fensterlosen Wände stößt es die Passanten nicht ab. Vielmehr verleitet das zarte Blumenmuster den Betrachter dazu, von der Wohnwelt hinter dem Schleier zu träumen.
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O house Kyoto
Hideyuki Nakayama architecture
2009
Wohnkathedrale Ist es eine Kirche, ein auf geschnittenes Haus oder eine Wohnskulptur mit Schaufenster? Das „O House“ in Kyoto überrascht den Betrachter durch seine exzentrische Form: Ein hoher Baukörper schraubt sich trutzig in den Himmel, während sich zwei Seitenschiffe bescheiden wegducken. Auf der Stirnseite trennt nur eine haushohe Glasfassade das Innere vom Außenraum. Die Blicke neugieriger Passanten werden bei Bedarf von einem Vorhang abgehalten. Der Architekt Hideyuki Nakayama ordnete um den zentralen Baukörper im Erdgeschoss Wohnnutzungen und Freiräume an. Umfasst werden diese von
einer hüfthohen Betonwand, die sich – je nachdem – als Außenwand oder als Gartenmauer lesen lässt. Von außen wird das Mittelschiff als der wichtigste Teil des Hauses wahrgenommen, der Grundriss offenbart jedoch, dass es zwei vollkommen verschiedene Nutzungen beherbergt. Im Erdgeschoss dient es vor allem der Erschließung, wohingegen im Obergeschoss die Schlafräume der vierköpfigen Familie untergebracht sind. Die Bewohner betreten das Haus über den zentra- len Baukörper, der sie in die Nebentrakte mit Wohn- küche und Bad oder in den Freibereich weiterleitet. Zum oberen Geschoss gelangen sie über die 37
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Wohnküche, von der aus eine S-förmig gewendelte Treppe zurück in das Mittelschiff führt. Durch diese Wegeführung sei der Aufstieg ins Schlafzimmer für die Bewohner nicht einfach ein Gang in einen anderen Raum, so Nakayama. Er gleiche eher dem Nach-Hause-Kommen nach einem langen Tag. Innenleben und äußeres Erscheinungsbild des Hauses entsprechen sich nicht, lassen sich kaum als Einheit deuten. Durch die Glasfassade entsteht jedoch ein direkter Bezug zwischen außen und innen: Mit ihr verwandelt sich das skurrile Gebäude in eine Art Bühne mit Vorhang. Solange er geöffnet ist, können Passanten Teile des Familienlebens mitverfolgen, die Inszenierung des „Wohnens in der Stadt“ erleben. Für die Bewohner hingegen wird der sich verändernde Außenraum zu einem Teil ihres Zuhauses. Schließt sich der Vorhang, ändert sich die Wahrnehmung des Hauses – sowohl für den Betrachter, als auch für den Nutzer. In der Struktur des „O House“ deuten sich bauhistorische Bezüge an: Zum einen erinnert das geschwungene Haupthaus ein wenig an das bereits abgerissene „White U“ von Toyo Ito (siehe S. 22), zum anderen lässt die Komposition aus hohem Mittelhaus und niedrigeren Anbauten rein äußerlich Assoziationen zu einem typischen zweistöckigen Wohnhaus der Edo-Zeit (1603–1867) zu.
1 . Querschnitt 2. Längsschnitt 3. Grundriss 1. Obergeschoss 4. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250 39
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atelier bow-wow
tokio
tread machiya
Stufenweise
Mit dem Ansatz, dass die urbane Entwicklung Tokios durch die wandelbarsten Elemente der Stadt – die Einfamilienhäuser – gesteuert wird, beschäftigt sich das Atelier Bow-Wow schon lange. Eines ihrer in den letzten Jahren geschaffenen Häuser liegt im Süden von Tokio und in einer Nachbarschaft, die von giebelständigen Häusern dominiert wird. Obwohl das Wohnhaus diesem grundlegenden Muster folgt, unterscheidet es sich mit der weißen Wellblechfassade, dem auskragenden Dach und dem großen, zur Straße hin ausgerichteten Fenster deutlich von seiner Umgebung.
2008
Die Architekten haben dem Haus den Namen „Tread Machiya“ (Stufen-Stadthaus) gegeben: Die Bezeichnung machiya bezieht sich dabei auf einen Gebäudetyp, der die Stadt vor allem in der Edo-Zeit (1603–1867) prägte: ein Wohn- und Geschäftshaus, das mit seiner schmalen Front zur Straße hin ausgerichtet ist, dessen Grundriss sich aber analog zur Grundstücksform weit nach hinten ausdehnt. In den japanischen Großstädten wurde diese Gebäudeform in der Moderne nicht fortgeführt – das rundum freistehende Einfamilienhaus mit Garten war zum neuen Ideal geworden. Doch die neuen Siedlungen haben sich im Laufe der 43
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1 . Grundriss Erdgeschoss 2. Grundriss Zwischengeschoss 3. Grundriss Obergeschoss 4. Längsschnitt 5. Querschnitt Maßstab 1:250
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Zeit stetig verdichtet – heute entstehen vielerorts Einfamilienhäuser, die auf der Fläche einer machiya errichtet sind, sich aber im Kontrast zu ihr von der Straße weitgehend abschotten und sich für ihre reduzierte Größe und sparsame Erscheinung beinahe zu schämen scheinen. Mit der „Tread Machiya“ versuchen die Architekten, die urbanen Gegebenheiten nicht als Zwang, sondern als Chance zu begreifen. Das Haus faltet sich nach hinten auf, ist also nicht mehr ein langer Wohnschlauch mit integriertem Geschäft, sondern ein kompaktes Haus für eine vierköpfige Familie. Das Treppenhaus ist ein entscheidendes Element, es dient nicht nur der Erschließung der Wohnräume, sondern – zumindest zwischen Wohnraum und Küche – auch als Spielraum, zum Sitzen, Lesen oder Arbeiten. Diesen Bereich können sogar Passanten beziehungsweise Nachbarn wahrnehmen, denn anders als die Häuser in der Umgebung öffnet sich die „Tread Machiya“ zur Straße hin und erlaubt Einblicke in den Wohnbereich. Eine Terrasse im Obergeschoss, die über eine Außentreppe von der Küche aus erreicht werden kann, dient als ein weiteres Element der Verknüpfung zwischen Umgebung und Wohnraum. 45
Through the small, personal matter of dwelling units, the city, with its dual extremes of massive authority and capital, seems to be undergoing a grand reorganization. 1 Koh Kitayama
1… 2… 3… 46
Kitayama, Koh, Tsukamoto, Yoshiharu, Nishizawa, Ryue: Tokyo Metabolizing. Tokio, 2010, S. 27. ebd. Hirai, Kiyoshi: The Japanese House Then and Now. Tokio, 1998, S. 69–71.
Privatheit und Öffentlichkeit
Wenn es nach japanischen Bauherren geht, dann sollte ein städtisches Wohnhaus eine Aufgabe besonders gut erfüllen: die Abschirmung der Bewohner vor der Nachbarschaft. Dahinter steht der Wunsch nach einer Privatsphäre, wie sie in den japanischen Metropolen kaum möglich ist. Mit dem nach allen Seiten verschlossenen Haus lässt sich die Dichte, in der man lebt, halbwegs ausblenden. Zugleich vermittelt ein solches Zuhause das Gefühl, die Familie vor äußeren Einflüssen schützen zu können. Dieser Schutz der vertrauten Gruppe vor den Gefahren, die von außen kommen könnten, ist ein wesentliches Kriterium für den japanischen Wohnhausbau. Im Kontrast zum ausgeprägten Wunsch, die Privatsphäre der Familie zu bewahren, legen die meisten Japaner allerdings wenig Wert auf die individuelle Privatsphäre innerhalb ihres Zuhauses. Die meisten wünschen sich im Inneren offene Räume, die das familiäre Miteinander nicht nur ermöglichen, sondern es fast unausweichlich machen (wie zum Beispiel beim „Moriyama Haus“ von Suppose Design Office [S. 128]). Kinder schlafen oft bis zu ihrem neunten oder zehnten Lebensjahr bei den Eltern im Zimmer, und erhalten danach meist nur einen kleinen eigenen Raum, der von anderen Bereichen optisch und akustisch kaum getrennt ist. Die Anwesenheit von Familienmitgliedern spüren zu können gehört für viele Japaner zu den Qualitätsmerkmalen eines Hauses. Diese Aufteilung in eine innere Gruppe (uchi), mit der man sich uneingeschränkt identifiziert, und eine äußere Gruppe (soto), mit der der Kontakt nur gesucht wird, wenn es die Bedürfnisse der inneren Gruppe erfordern, prägt in Japan viele gesellschaftliche Bereiche. Im Städtebau ergeben sich durch die Abschottung zum öffentlichen Raum allerdings auch negative Folgen: In den Großstädten fehlt heute oft eine räumliche Verflechtung, die zufällige Begegnungen zwischen Nachbarn ermöglichen würde. Man kennt sich kaum und achtet nicht aufeinander. Durch die Abstandsregelung des japanischen Baurechts entstehen um die einzelnen Häuser zudem ungenutzte Leerräume, sogenannte Voids, für die sich niemand verantwortlich fühlt. In dem Buch „Tokyo Metabolizing“ 2, das zum japanischen Beitrag auf
der Architekturbiennale 2010 in Venedig erschien, legt Autor Koh Kitayama dar, dass viele Wohnhäuser in Tokio seit dem großen Kanto ¯ -Erdbeben von 1923 vier Stadien, beziehungsweise Generationen durchlaufen haben. Das Einfamilienhaus mit Garten, das damals im Stadtumland entstand, wurde durch die rasche Verstädterung sowie die hohen Erbschaftssteuern und die daraus folgende beständige Aufteilung des Grundstücks zum vertikalen Stadthaus, das von Restflächen umgeben ist. Statt das Gebäude aber wirklich als Stadthaus zu definieren und in den Kontext einzubinden, entstanden mehr und mehr abgeschottete Wohnhäuser, die die Illusion des Einfamilienhauses aufrechtzuerhalten versuchten. Seit einigen Jahren greifen immer mehr Architekten dieses Thema auf und versuchen, die Voids im Stadtraum in ihre Entwürfe mit einzubeziehen und das Wohnen wieder mehr mit dem Stadtraum zu verknüpfen (siehe etwa „House in Komae“ von Go Hasegawa [S. 48] oder „Tread Machiya“ von Atelier BowWow [S. 42]). In Vierteln, die noch von älteren urbanen Strukturen geprägt sind, lässt sich beobachten, dass das nachbarschaftliche Miteinander in der japanischen Stadt durchaus Tradition hat. Und auch für Stadthäuser gibt es ein Vorbild: Die sogenannten machiya, die sich schon um das Jahr 1000 in Japan finden und bis ins 19. Jahrhundert verbreitet waren. 3 Diese Geschäfts- und Wohnhäuser zeigen sich zu den Straßen hin offen und zugänglich. Je weiter man in die tiefen Grundrisse vordringt, desto privater werden die Räume. Da damals noch andere Bauvorschriften galten, waren die Voids zu dieser Zeit noch kein Problem. Viele Japaner vermissen die Qualitäten der alten Städte, was japanischen Architekten dabei helfen kann, die Bauherren von den Vorteilen einer weniger geschlossenen Bauweise zu überzeugen. Da die rasche zyklische Veränderung der japanischen Großstädte vor allem auf der geringen Lebenszeit der Wohnhäuser beruht, könnte der Paradigmenwechsel in ihrem Bau nach und nach zu einer veränderten, offeneren Stadtlandschaft führen. Die Leerräume wären dann nicht mehr nur ungenutzte Restflächen, sondern könnten die kleinen Häuser räumlich bereichern und das Wohnen in der Stadt zum erlebbaren Thema machen.
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house in komae go hasegawa & associates
tokio
2008
Mit Blick zu den Sternen Eine Terrasse mitten in Tokio: Welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn sich ein Einfamilienhaus zum öffentlichen Raum hin nicht komplett abschottet, sondern zumindest teilweise öffnet, zeigt das Haus in Komae von Go Hasegawa. Das Haus für eine dreiköpfige Familie füllt das 100 Quadratmeter große Grundstück mehr oder weniger aus. Anstatt einen eingeschossigen Bungalow zu schaffen, verteilte der Architekt die Nutzungen auf zwei Ebenen. Der Wohnbereich samt Eingang liegt im Erdgeschoss, Schlafbereiche und Bad im Souterrain. Auf diese Weise konnte das Dach des unteren Geschosses
als Terrasse gestaltet und somit ein erweiterter Wohnbereich geschaffen werden. Die Stahlbetonwände des Hauses sind mit Metallpaneelen bekleidet, welche das Gebäude matt-silbrig glänzen lassen und es damit zusätzlich von den typischen grau-braunen Einfamilienhäusern in der Nachbarschaft abheben. Die Bewohner betreten das Gebäude über einen tunnelartig geformten Eingang, der als klassischer genkan dem Wechsel der Schuhe dient und an den deutlich höher gelegenen Wohnbereich grenzt: Durch die relativ große Stufe wird der Höhenunterschied überwunden, der sich durch die Anordnung der Ebenen ergibt. 49
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Als zentraler Bereich des Hauses lässt sich ausgerechnet die Terrasse interpretieren. Diese liegt etwa einen halben Meter über dem Straßenniveau, wodurch sie sich zum öffentlichen Raum hin abgrenzt und die Wohnbereiche vor zu direkten Einblicken schützt. Sie kann über eine Fenstertür vom Erdgeschoss aus oder über eine Treppe aus dem Souterrain erschlossen werden. Das untere Geschoss wird unter anderem über aufgesetzte Oberlichter, die über den Betten der Eltern und des Kindes, dem Bad und dem Arbeitsbereich angeordnet sind, belichtet.
Die zunehmende Dichte in den Tokioter Wohngebieten hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass der ursprünglich zum Einfamilienhaus gehörige Außenraum mehr und mehr zusammenschrumpfte und schließlich zugunsten des – zumeist stark abgeschotteten – Innenraums aufgeben wurde. Das „House in Komae“ zeigt eine Möglichkeit, wie sich in der dichten Stadt bewohnbarer Außenraum schaffen lässt (siehe auch S. 47).
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1 . Südansicht 2. Schnitt 3. Grundriss Erdgeschoss 4. Grundriss Untergeschoss Maßstab 1:250
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suppose design office
house in buzen buzen
2009
Verzweigter Wintergarten Einzelne Raummodule verteilen sich über das Grundstück des „House in Buzen“. Sie lassen das Gebäude wie ein kleines Dorf wirken. Die Zwischenbereiche des Wohnhauses im Süden Japans überdachten die Architekten des Büros Suppose Design Office mit einer Glas-StahlKonstruktion. Zwischen den verschieden hohen Raumboxen entstand so eine Art verzweigter Wintergarten. Die einzelnen Raummodule sind außen mit lackiertem Holz und innen mit Gipskartonplatten bekleidet, so dass sie tatsächlich wie unabhängige kleine Häuser wirken. Sie lassen sich durch Schiebetüren zum Zwischenraum hin öffnen oder
abgrenzen – die vierköpfige Familie kann also je nach Jahreszeit selbst entscheiden, wie stark sie das zusätzliche Raumangebot nutzen will. Solch ein Übergangsbereich zwischen innen und außen findet sich auch bei traditionellen japanischen Häusern: Die als engawa bezeichnete umlaufende Veranda ermöglichte es in früheren Zeiten, sich draußen aufzuhalten, ohne das Haus wirklich zu verlassen. Besonders spannend ist die dorfartige Grundrissorganisation für die beiden Kinder der Bauherren. Die Fläche zwischen den Boxen bietet Abwechslung und abgelegene Ecken, in denen der Nachwuchs gefahrlos spielen kann. 53
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Der Ansatz, das Haus auseinanderzunehmen und die einzelnen Funktionseinheiten über das Grundstück zu verteilen, findet sich gegenwärtig bei mehreren jungen japanischen Architekten. Vorreiter ist dabei Ryue Nishizawas „Moriyama House“ von 2005, das nach Meinung einiger japanischer Architekten und Architekturkritiker 1 eine Art Wende in der Wohnhausarchitektur markierte. Während zuvor über lange Jahre Kompaktheit und Geschlossenheit als Ideale galten, verteilte Nishizawa die einzelnen Raummodule des Gebäudes so über das Grundstück, dass eine dorfartige Struktur entstand. Anders als beim „House in Buzen“ handelt es sich dabei um ein Projekt mit Wohneinheiten für mehrere voneinander unabhängige Parteien. Es gibt daher auch kein Dach, das die Einzelelemente zusammenfasst. Stattdessen sind die Außenbereiche stark mit der jeweiligen Wohnung verknüpft. Trotz dieser deutlichen Unterschiede lassen beide Projekte ein Konzept erkennen, das mit der Vereinzelung von funktionalen Einheiten spielt – und dem Zwischenraum neue Qualitäten zuschreibt. 1… ISOZAKI, Arata, ANDO, Tadao, FUJIMORI, Terunobu, ITO, Toyo: 住宅の射程 (juutaku no shatei). Tokio, 2006, S. 134, S. 181.
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1 . Längsschnitt 2. Grundriss Maßstab 1:250 55
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final wooden house sou fujimoto architects
kumamoto 2008
Fortschrittlich primitiv Bei diesem experimentellen Haus im südjapanischen Kumamoto bestehen Konstruktion, Fassade und Innenausbau aus Holz. Der Architekt Sou Fujimoto bezeichnet das im Garten eines privaten Bauherrn auf einer Grundfläche von 4,20 mal 4,20 Meter errichtete Gebäude deshalb auch als „Final Wooden House“. Der Bau eines reinen Holzhauses reizte den Tokioter Architekten aus mehreren Gründen. Zum einen, da das Material jahrhundertelang die japanische Architektur dominierte und großen Einfluss auf die bauliche Entwicklung des Landes hatte. Zum anderen aufgrund seiner Ursprünglichkeit, die es dafür
prädestiniert, die von Fujimoto angestrebte „primitive“ Architektur zu formen. Zuletzt faszinierte den Architekten auch die Vielseitigkeit des Materials, es kann in einem Gebäude von der Verkleidung über die Konstruktion bis hin zu Dämmung und Innenausbau jede erdenkliche Funktion erfüllen. Mit dem „Final Wooden House“ treibt er die Multifunktionalität von Holz auf die Spitze, indem er beinahe alle Aufgaben einem einzigen Element überträgt: 35 Zentimeter dicken Zedernbalken mit quadratischem Profil. Dass es sich um ein lebendiges, gewachsenes Material handelt, erschließt sich dem Besucher dabei ganz beiläufig durch die Jahresringe. 57
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1 . Aufsicht 2. Schnitt Maßstab 1:100
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Durch die versetzte Anordnung der Vollhölzer ergeben sich Stufen, deren Höhen als Vielfaches der Einheit 35 Zentimeter auf die menschlichen Dimensionen abgestimmt sind. Ein Element eignet sich als Sitzgelegenheit, zwei entsprechen der Höhe eines Schreibtisches, drei weitere ermöglichen das Arbeiten im Stehen. Im Grunde handelt es sich um ein Haus ohne Möbel, die im Wohnbereich japanischer Häuser ohnehin erst seit der MeijiRestauration (ab 1868) und der damit verbundenen Übernahme westlicher Wohn- und Lebensstile gebräuchlich wurden. Wände und Ebenen des „Final Wooden House“ lassen sich nicht ohne Weiteres ablesen, tatsächlich werden Raum und raumbegrenzendes Material zu einer eng miteinander verzahnten Positiv- und Negativform. In seinem Buch „Primitive Future“ schreibt Sou Fujimoto daher über das Projekt: „Bevor sich die Materie vom Raum trennte, enthielt
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die Einheit, der undifferenzierte Zustand ein unermessliches Potenzial ... wenn man die übereinander angeordneten Balken und die Räume dazwischen als gleichwertig versteht, verwischen sich die Grenzen zwischen dem durch Masse definierten Raum und der durch Raum definierten Masse“ 1 . In diesem Zitat spiegelt sich wider, was der Architekt unter „primitiv“ versteht: kein Nachahmen vergangener Bautechniken, sondern den Versuch, Raum und Architektur ganz ursprünglich zu begreifen, die für die Architektur zur Verfügung stehenden Mittel zu hinterfragen und sie so einzusetzen, dass mit dem Ergebnis eine allgemeingültige Aussage zum Bauen getroffen wird. Mit dem „Final Wooden House“ schuf der Architekt ein Wohnhaus, das gleichzeitig ein Raumexperiment ist: ein kleines Universum, das den Menschen Räume und Flächen zur Nutzung anbietet, aber keine Gebrauchsanweisung. 1… Fujimoto, Sou: Primitive Future. Tokio, 2008, S. 119: „Before matter and space separated, there was an un fathomable potential concealed in the unequivocally undifferentiated state [...] when the stacked timbers and interstitial spaces become equivalent, ambiguities blur the distinction between the space produced by mass and the mass produced by space.“ (Übersetzung ins Deutsche: Susanne Dickel).
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When Japan rebuilt the cities, it used modern materials such as iron and concrete in its buildings, but this restricted Japan's historical continuation of its own architectural style. […] For us Japanese, modernization was westernization, and that cut off our history. 1 Shigeru Ban
1… Hagenberg, Roland: 20 Japanese Architects. Interviews and Photos by Roland Hagenberg. Taiwan, 2009, S. 71. 2… Nitschke, Günther: „Architektur und Ästhetik eines Inselvolks“. In: Hg. Schittich, Christian: Im Detail: Japan. Architekten, Konstruktionen, Stimmungen. Basel, 2002, S. 26. 3… Hara, Kenya: Weiss. Baden, 2009, S. 46. 4… Henrichsen, Christoph P.: Holzkultur Japan. Bauten, Gegenstände, Techniken. Basel, 2004. 5… Siehe u. a. http://www.timberize.com. 60
Von Holz geprägte Kultur
Die frühesten Wohnbauten aus der prähisto rischen Zeit Japans waren denkbar einfach konstruiert: Die Wohnfläche wurde durch ein Erdloch definiert, in dem vier Holzstützen standen, die die Dachkonstruktion trugen. Von außen war nur das strohgedeckte, zeltförmige Dach sichtbar. Die einzelnen Elemente dieser „Dacharchitektur“ entwickelten sich über die Jahrtausende weiter, vieles blieb jedoch grundsätzlich bestehen. So bezeichnete man die Fläche, die sich zwischen vier im Quadrat angeordneten Stützen aufspannt beziehungsweise den Abstand zwischen den Stützen lange Zeit als ma (siehe auch S. 94) oder ken. Dabei handelte es sich nicht um ein starres Maß, sondern eine flexible Einheit, die später mit anderen Modulen, wie dem Tatami-Maß und vorfabrizierten Einbauelementen, in Einklang gebracht werden musste. 2 Im sakralen Bereich – also in der urjapanischen Naturreligion Shinto ¯ – verwendete man zunächst vier im Quadrat angeordnete Holzpfosten, um einen heiligen Ort zu markieren. Ihre Spitzen verband man mit einem geweihten Seil verbunden und formten so einen Bereich, von dem man annahm, dass eine Gottheit darin weilte – oder zumindest weilen konnte. 3 Später entstanden aus dieser Grundstruktur die ersten Schreine, wie der um 700 erbaute Ise-Schrein in der Präfektur Mie oder der Izumo-Taisha in der Präfektur Shimane. Diese Sakralbauten orientierten sich formal nicht an den Wohnbauten, sondern an aufgeständerten Lagerhäusern, welche errichtet wurden, um die Reisernte vor Feuchtigkeit und Schädlingen zu schützen. Der Bezug zum Baustoff Holz ist dem Shinto ¯ ismus immanent: Dieser beruht auf der Verehrung von „acht Millionen“ Göttern, welche die Natur durchwirken und in ihr weilen – etwa in Felsen, Bergen oder auch Bäumen. Holz wird dadurch zu einem Material, in dem das Göttliche wohnen kann. Wie stark die Beziehung zwischen dem Sakralen und dem Material im Shinto ¯ ismus tatsächlich ist, zeigt das Beispiel des Ise-Schreins. Er wird seit über 1200 Jahren alle 20 Jahre neu errichtet. Für den Bau verwenden die Japaner stets shiraki, also „weißes“ beziehungsweise unbehandeltes Holz, das Reinheit und Unverbrauchtheit symbolisiert. Japanische Holzbauten wurden ursprünglich weder farbig gestrichen noch bekleidet. Erst mit dem Import des Buddhismus und der dazugehörigen Architektur aus China kam die farbige Gestaltung von Holzbauten zeitweise in Mode. 4
Anders als in westlichen Ländern dominierte Holz sowohl den Wohnbau als auch sakrale und öffentliche Bauten über die Jahrtausende, wodurch sich eine Kultur entwickelte, die sich durch den kunstfertigen Gebrauch dieses Materials auszeichnete. Die komplizierten Holzverbindungen und Konstruktionen, die sich zum Beispiel bei den Tempelanlagen in Nara finden, zeugen davon, welch hohes Niveau die japanische Holzbaukunst bereits in der Antike erreicht hatte. Eines der wenigen historischen Gebäude, bei denen sich weder in der Konstruktion noch in der Fassade Holz findet, ist der in bestimmten Regionen Japans aus Tuffstein errichtete kura: Dabei handelt es sich um einen Lagerbau für materiell oder kulturell wertvolle Besitztümer wie Kimonos oder aus China importierte Kunstgegenstände. Reiche Krieger oder Kaufleute errichteten sich diese Tresore, um ihr Eigentum vor Diebstahl und Feuerschäden zu schützen. Bis ins 20. Jahrhundert hatte das jedoch kaum Auswirkungen auf die Wohnkultur, die nach wie vor von Holz geprägt war. Erst in der Nachkriegszeit gewannen Stahl und Beton aufgrund ihrer Robustheit und der Möglichkeit, mehrgeschossige Apartmenthäuser zu errichten, auch im Wohnbau an Bedeutung. Einfamilienhäuser wurden weiterhin oft aus Holz gebaut, allerdings nicht mehr traditionell japanisch, sondern mehr und mehr nach amerikanischem Muster. Wer es sich leisten konnte, wählte aber auch beim kleinen Wohnhaus eine robuste Stahl- oder Betonkonstruktion. Gegenwärtig wird Holz als Baustoff wiederentdeckt. Die strengen Vorschriften zum Brandschutz erlauben es bei größeren Bauaufgaben allerdings nicht, das Material ohne weiteres im städtischen Kontext zu verwenden. Daher arbeiten einige Ar- chitekten mit Mischkonstruktionen, etwa mit Holzbekleidungen, die vor Stahl- oder Betonbauten angebracht werden, oder mit Holzstützen, die mit Beton ausgegossen sind. 5 Bei kleinen Wohnhäusern sind die Reglementierungen weniger streng. Bei den in letzter Zeit entstandenen Holzbauten wird die – zuvor als billige Notlösung verschmähte – Konstruktionsmethode nicht mehr unbedingt mit künstlichen Bekleidungen getarnt. Stattdessen wird der Charakter des Hauses über Holzfassaden bewusst nach außen ablesbar gemacht (siehe etwa das „Final Wooden House“ von Sou Fujimoto [S. 56] oder das „Tsui no Sumika“ von Kite Architecture [S. 110]).
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kumiko inui
takasaki 2008
small house h Geordnete Wildnis Eine quadratische Fläche mit einem kreuzförmigen Grundriss und einem Zeltdach darüber – Kumiko Inuis „Small House H“ mag auf den ersten Blick an eine dreidimensionale Variante des Zeichenrätsels „Das Haus vom Nikolaus“ erinnern. Das Gebäude liegt in Takasaki in der Präfektur Gunma und ist die Erweiterung eines alten Bauernhauses, das als Ferienhaus dient. Der kleine eingeschossige Neubau umfasst gerade einmal 42 Quadratmeter und sitzt als eine Art Gartenhaus neben dem Bestandsgebäude. Für die Tokioter Architektin war der Ausgangspunkt des Entwurfes der teils verwilderte Garten
und der daran anschließende Wald. Obwohl sich dort immer wieder reizvolle Details – wie etwa ein bemooster Zaun, eine Steinlaterne oder ein kleiner Fluss – fanden, fehlte zu dieser Landschaft der Schlüssel, der sie dem Betrachter als Ganzes oder in Teilen zugänglich gemacht hätte. Mit ihrem Haus wollte Inui den Garten und seine Elemente gewissermaßen „editieren“: Der streng geometrische Bau sorgt für Ordnung, indem er durch die nach vier Seiten ausgerichteten Fenster gerahmte Blicke auf die Umgebung bietet. Damit ist das Gebäude mit seinen vier Bereichen – Bad, Wohnküche und zwei Wohnräume – nicht nur eine Unterkunft, sondern 63
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auch eine Art Wahrnehmungsfilter: Durch die dreieckigen Räume, die sich aufgrund der diagonalen Innenwände ergeben, wird der Blick auf die Landschaft jenseits der Fensterbänder fokussiert. Die ungewöhnliche Raumform regt dazu an, die einzelnen Dreiecksmodule gedanklich zum Viereck zu ergänzen und somit den Garten in die Wahrnehmung der Innenräume miteinzubeziehen. Da das aus Holz und Beton konstruierte Haus auch im Inneren sehr schlicht gehalten ist, ist es vor allem der durch die Fenster gerahmte Gartenausschnitt, der den Räumen Charakter verleiht.
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1 . Grundriss Bestand und Neubau 2. Schnitt Neubau Maßstab 1:250 65
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yokohama
A.L.X.
2008
Jun’ichi Sampei
dancing living house
Tanzend wohnen Raum zum Tanzen: Die Bauherren dieses Wohnhauses in Yokohama sind begeisterte Tänzer und wünschten sich – trotz der beschränkten Platzverhältnisse – einen entsprechenden Übungsraum für ihr neues Zuhause. Das Studio nimmt nun ein ganzes Geschoss des Gebäudes in Anspruch und dient zugleich als Küche, Ess- und Wohnzimmer. Das Eingangsgeschoss des von Jun’ichi Sampei entworfenen Wohnhauses besetzt nicht die ganze Grundfläche, sondern sitzt keilförmig am rechten Rand des Grundstücks. Damit ergibt sich ein offener Bereich, der als Carport genutzt werden kann. Links
neben dem Eingang ist das Bad untergebracht, rechts führt eine Treppe nach oben. Diese lässt sich von außen als schräge Linie ablesen, wodurch sich die Bedeutung des Aufstiegs in das Zentrum des Hauses, das Wohnzimmer beziehungsweise Tanzstudio, auch in der Gebäudeform manifestiert. Im Studio befinden sich nur wenige Möbel, die bei Bedarf auch schnell beiseitegeschoben werden können. Durch zwei verspiegelte Wände und einen robusten Parkettboden lässt sich der Raum professionell zum Tanzen nutzen. Die Spiegel können mit zwei Vorhängen verdeckt werden, falls der Bereich einmal mehr dem Wohnen dienen soll. 67
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Zum Tanzen gehört Musik – um die Nachbarschaft vor eventueller Lärmbelästigung zu schützen, entschied der Architekt, das Gebäude im Bereich des Studios von oben zu belichten und das Haus insgesamt nach außen eher geschlossen zu halten. Die beiden auf den jeweiligen Schmalseiten des Studios platzierten Oberlichtstreifen sind daher in die darüber liegenden Nutzungen, die Schlafbereiche, mit eingebunden. Eine dieser verglasten Deckenöffnungen ist Teil der Dachterrasse, die andere dient als Flur vor den Schlafzimmern und orientiert sich zu einem weiteren Oberlicht, das über der Treppe im zweiten Obergeschoss sitzt. Die Architekten interpretierten das Haus als eine Art Apparat: Das Studio im Zentrum ist der eigentliche Kern des Gebäudes, alle anderen Nutzungen ordnen sich nur begleitend über und unter diesem an. Mit der Gestaltung des Erdgeschosses wird darüber hinaus formal eine gewisse Dynamik vermittelt, die im Studio durch die Nutzer ihren tänzerischen Ausdruck findet.
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1 . Längsschnitt 2. Grundriss 2. Obergeschoss 3. Grundriss 1. Obergeschoss 4. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250
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ring house karuizawa 2008
TNA
takei nabeshima architects
Waldzauber
Wochenendhäuser im Grünen sind bei wohlhabenden Tokiotern sehr beliebt. Die Größe und Dichte der Stadt nährt den Wunsch, zumindest die Freizeit in ländlicheren Gebieten zu verbringen. Das „Ring House“ von TNA steht in Karuizawa in der Präfektur Nagano und ist von Tokio aus in etwa einer Stunde zu erreichen. Die Grundstücksgröße von etwa 1400 Quadratmetern hätte es erlaubt, die Fläche großzügig eingeschossig zu bebauen – stattdessen schufen die Architekten einen dreigeschossigen Turm von eher bescheidenem Ausmaß.
Damit reagierten sie auf die Besonderheit des Bauplatzes: In der Regel bieten ausgewiesene Ferienhausgebiete nicht den Luxus, die Freizeit dort abgeschottet von den Nachbarn verbringen zu können. Das „Ring House“ jedoch ist von einem dichten Schutzmantel aus Bäumen umgeben, der es erlaubt, das Gebäude transparent zu gestalten, und das Gefühl vermittelt, tatsächlich mitten in der Natur zu leben. Zudem handelt es sich bei dem Baugrundstück um einen Nordhang – durch die Höhe des Hauses gelangt in die oberen Geschosse mehr Licht.
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1 . Grundriss Erdgeschoss 2. Grundriss 1. Obergeschoss 3. Grundriss 2. Obergeschoss 4. Ansicht von Nordwesten 5. Schnitt Maßstab 1:250
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Die Holzrahmenkonstruktion besteht aus weiß gebitte nur strichenen Stützen aus Kiefernholz, an die – in gewissen Abständen – Vierendeelträger aus Brettverwenden schichtholz montiert sind. Außen sind diese mit dunkel gestrichenem Zedernholz bekleidet. Zwischen den Streifen mit den geschlossenen Elementen sitzen Festverglasungen aus Isolierglas. In diese transparenten Streifen haben die Architekten an einigen Stellen gelb gerahmte Fenster integriert, die den Bewohnern Querlüftung ermöglichen. Das Haus wird von Norden her über einen Steg erschlossen. Von dort gelangt man nicht direkt in eines der Geschosse, sondern auf ein Zwischen-podest der Treppe, von dem aus man nach oben in den Wohnbereich oder nach unten in das Gästezimmer steigen kann. Im obersten Geschoss befinden sich Schlafzimmer und Bad. Innenwände und Deckenelemente wurden weiß gestrichen und reflektieren das Licht. Da die geschlossenen Fassadenringe so platziert sind, dass sich die Möbel weitgehend dahinter verbergen lassen, sind die drei Geschosse von außen kaum ablesbar. Die Streifen scheinen sich dadurch um einen einzigen hohen Raum zu legen, dessen Nutzung für den Betrachter unklar bleibt. Das Gebäude wirkt dadurch – gerade in der Dämmerung oder bei Nebel – weniger wie ein Wohnhaus, sondern mehr wie ein den Wald inszenierendes Kunstwerk.
grundrisse und schnitt
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Makiko Tsukada Architects
tokio
2008
Kondo House Hängende Gärten Wie lässt sich Licht in ein Haus bringen, das auf drei Seiten von Nachbarhäusern eingeengt wird und auf der vierten Seite an eine laute Straße grenzt? Die Tokioter Architektin Makiko Tsukada löste das Problem, indem sie das „Kondo House“ weitgehend von seiner Umgebung abschottete – und das Licht von oben über Patios und versetzte Ebenen in das Haus fließen ließ. Die Architektin nutzte dafür eine Kombination aus zwei Stahlrahmenpaaren, an welchen die Wohnebenen, die Außenwände sowie zwei Patios befestigt beziehungsweise abgehängt sind. Dadurch konnten Stützen im Innenraum vermieden werden, wo-
durch die Geschosse beinahe zu schweben scheinen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch ein knapp über dem Boden liegendes Fensterband, das die Wandflächen darüber federleicht erscheinen lässt. Im Erdgeschoss des Hauses, das Tsukada für ein Grafikdesigner-Ehepaar, dessen einjähriges Kind sowie den Vater des Bauherrn schuf, ordnete die Architektin eine Wohnküche, ein dreiseitig eingehaustes Wohnzimmer sowie den Wohnbereich des Großvaters an. Einer der Patios ist vertikal durchgesteckt und dient als kleiner innerer Garten zwischen den Räumen des Großvaters und dem Wohnbereich der Bauherren. 75
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Von der Küche aus führen zwei Treppen in das Obergeschoss. Auf drei versetzten Ebenen sind dort Schlaf- und Arbeitsbereich sowie eine Spielfläche für das Kind angeordnet. Zwischen Arbeitsund Spielbereich befindet sich ein zweiter, etwas schmalerer Patio, sodass das Obergeschoss, über die Ebenenversprünge hinaus, von zwei Glasboxen gegliedert wird. Makiko Tsukada versucht, ihre Häuser so zu gestalten, dass die Bewohner sie auf mehrere Arten nutzen können: Die zwei Treppen etwa ermöglichen einen spielerischen „Rundweg“
im Haus. Auch der offene Wohnraum soll nicht als Zwang verstanden werden: Die privaten Räume lassen sich mit sho ¯ ji – den traditionellen, mit Reispapier bespannten Schiebetüren – voneinander abtrennen, was für ein wenig Privatsphäre sorgt. Es passt zu Tsukadas Konzept, dass die Fassade dunkel verputzt ist und kaum einen Hinweise auf den spektakulären Innenraum gibt. Die Abschottung gegenüber den unerwünschten Einflüssen scheint der Familie wichtiger zu sein, als die spannende Wohnwelt nach außen zu offenbaren.
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1 . Grundriss Erdgeschoss 2. Grundriss 1. Obergeschoss 3. Längsschnitt Maßstab 1:250
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In the Western architectural tradition, a building is primarily framed by means of walls and windows. […] On the other hand, in the traditional Japanese architecture, horizontal planes (that is, the floor and the ceiling) are the dominant framing devices. 1 Kengo Kuma
1… Hyatt, Peter and Hyatt, Jennifer: Designing with Glass: Great Glass Buildings. 50 modern classics. Mulgrave, Victoria, 2004, S. 18. 2… Hirai, Kiyoshi: The Japanese House Then and Now. Tokio, 1998, S. 41. 3… Casa Brutus, Sonderausgabe „Traditional Japanese Architecture and Design“ (Teil 1), 4/2008, S. 71. 78
Stufen und Schichten
Fußböden tauchten in Japan erstmals in der Antike auf. Es handelte sich dabei um leicht erhöhte Holzdielenböden, die den Wohnbereich vom umgebenden Bodenniveau abhoben. Zuvor hatten die Japaner fast ausschließlich auf gestampftem Lehm gehaust – Böden dieser Art waren zwar weiter für die „schmutzigen“ Bereiche des Hauses gebräuchlich, doch in den Wohnräumen wohlhabender Familien dominierten mehr und mehr die Holzdielenböden. Grundsätzlich diente dieser Boden als universales Möbel, das von mobilen Tatami-Matten zum bequemeren Sitzen und Liegen ergänzt wurde. Ab etwa 1200 fanden sich in den Wohnhäusern zudem vermehrt Räume, in denen Tatami-Matten fest verlegt worden waren. 2 Beschaffenheit und Höhe des Bodens zeigten dabei nicht nur, welche Funktion der Raum im Haus einnahm, sie gaben außerdem Hinweise darauf, wie formell der jeweilige Bereich war, und verdeutlichten die Rangordnung der darauf Sitzenden. Dies zeigte sich vor allem im japanischen Mittelalter: In den mit Tatami ausgelegten Empfangsräumen der Kriegerresidenzen definierten die Bodenhöhen, wo die verschiedenen militärischen Ränge sich im Verhältnis zueinander niederzulassen hatten. In repräsentativen Wohnhäusern gaben auch andere Bauteile Hinweise auf die Formalität des Raums und die damit einhergehende Etikette. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen drei verschiedene Formalitätsstufen, shin, gyo ¯ und so ¯: sehr formell, formell und informell. Vermittelt wurde dies zum Beispiel über die Bordüren der Tatami-Matten, die Gestaltung der Wände und Decken, verschiedene Holzarten und Verlegeschemata. 3 Diese formellen Ausdrucksmöglichkeiten standen dem Adel und der Kriegerklasse zur Verfügung – den unteren Schichten waren sie nicht erlaubt. Während für Handwerker und Bauern nur eine einfache Ausstattung ihrer Behausung in Frage kam, wurden die Insignien der höheren Schichten den zu Wohlstand gekommenen Kaufleuten im 18. Jahrhundert verboten, um die althergebrachte Ständeordnung aufrechtzuerhalten. Neben der Funktion als sozialer Indikator und Allzweckmöbel hatte der Boden – wie von Kengo Kuma erläutert – auch räumlich eine große
Bedeutung. Im traditionellen japanischen Haus gehörte er zusammen mit den Decken und den Holzstützen zu den wenigen unverrückbaren Elementen. Da es nur leichte Schiebtüren und kaum feste Innenwände gab, formten Boden und Decke den Raum, durch den das tägliche Leben floss (siehe auch S. 94). Auch wenn mit der Meiji-Restauration ab 1868 die westlichen Einflüsse zunahmen und sich die Japaner in ihrem Wohnstil davon beeinflussen ließen, waren es meist nur ein oder zwei Räume des Hauses, die nach westlichen Vorstellungen – oder besser gesagt, nach den Vorstellungen, die die Japaner von den westlichen Wohnweisen hatten – eingerichtet wurden. Eine entscheidende Veränderung war allerdings die Einführung von Sitz- und Liegemöbeln, die den Boden seiner universellen Aufgaben im Wohnbereich beraubten. In vielen japanischen Wohnhäusern spielen die traditionellen Funktionen des Bodens auch heute noch eine wichtige Rolle. So hat sich etwa der genkan, also der ebenerdige Eingangsbereich, in dem man sich seiner Straßenschuhe entledigt, vielerorts erhalten. Allerdings prägt ihn nicht mehr der Lehmboden, sondern meist ein leicht zu reinigendes Kunststoffmaterial oder Stein. In den erhöhten Bereichen findet sich statt des Echtholzbodens oft Parkettimitat, in Wohn- und Schlafräumen liegen in vielen Häusern aber nach wie vor Tatami-Matten, auf denen es sich tagsüber an niedrigen Tischen sitzen lässt und auf denen nur nachts ein Futon zum Schlafen ausgerollt wird. In einem japanischen Wohnhaus vermittelt der Boden immer noch Informationen zur Nutzung bestimmter Bereiche, gibt Signale, wie mit dem Raum umgegangen werden soll, und zeigt mittels Stufen und Belagwechsel, wo Schuhe erlaubt sind, wo man mit Pantoffeln vorliebnehmen sollte und ab wann man sich auch von diesen zu verabschieden hat. Bei den architektonisch anspruchsvollen Wohnhäusern der Gegenwart verzichten allerdings viele Architekten zugunsten eines starken Raumkonzepts auf diese beredten Elemente der Vergangenheit oder interpretieren diese um (siehe etwa „Kondo House“ von Makiko Tsukada [S. 74] oder „Tree House“ von Mount Fuji Architects [S. 84]).
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sapporo
2008
jun igarashi Architects
rectangle of light
Lichtfänger
Wo ein Fenster ist, bieten sich in Regel auch Ausblicke. Auf Bäume, in den Himmel, oder – wie es in Japan oft der Fall ist – auf die Wände der Nachbarhäuser. Einen solch eher unerwünschten Anblick wollte Jun Igarashi bei dem Wohnhaus „Rectangle of Light“ in Sapporo im Norden Japans vermeiden: Der ortsansässige Architekt entwarf eine fast komplett geschlossene, mit Holz bekleidete Betonkiste, deren Inneres weitgehend indirekt beleuchtet wird. Das Gebäude steht auf einem 100 Quadratmeter großen Grundstück, das allerdings gemäß einer Bestimmung des japanischen Baurechts nur ein-
geschränkt bebaut werden durfte. Auf 40 Quadratmetern und zwei Geschossen schuf Igarashi Raum für eine vierköpfige Familie. Die maximale Gebäudehöhe war vorgeschrieben – um diese auszureizen, legte der Architekt das Niveau des Erdgeschosses mit der Wohnküche 60 Zentimeter unter das Umgebungsniveau. Eine abgehängte Galerie bietet den beiden Kindern im Wohnraum Platz zum Spielen; sie lässt sich über Leitern oder das nach Norden orientierte Treppenhaus, über das man auch in das Obergeschoss mit dem Schlafzimmer gelangt, erschließen. Der Architekt nutzte den begrenzten Raum optimal: etwa im Bereich 81
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1 . Längsschnitt 2. Grundriss Tiefparterre 3. Grundriss Erdgeschoss 4. Grundriss Galerieebene 5. Grundriss Obergeschoss Maßstab 1:250
1F (GL-600) S=1/250
1F(GL+400) S=1/250
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Section S=1/250
1F(GL+1680) S=1/250
2F S=1/250
der Treppe, unter der sich im Souterrain das Bad befindet, und deren Zwischenpodest ebenso wie die kleine Galerie, die den Treppenraum nach oben abschließt, als Arbeitsbereiche dienen. Dafür setzte der Architekt die Treppe leicht von der Wand ab, sodass die Nutzer auf den Ebenen sitzen und die Füße baumeln lassen können, während sie an den vor ihnen montierten Tischen arbeiten. Die Belichtung erfolgt vor allem über eine Art Anbau, den Igarashi südlich vor das Gebäude setzte. Über zwei hochrechteckige Fenster, die an dessen Schmalseiten sitzen, gelangt Licht in das Innere. Die weißen Oberflächen reflektieren die Helligkeit und tauchen die Räume, die sich zu diesem Bereich hin großzügig öffnen, in sanftes Licht. Das bewusste Erleben heller und dunkler Bereiche soll für die Bewohner des Hauses im Mittelpunkt stehen. Igarashi sieht den vertikal durchgesteckten Raum daher nicht als Gartenersatz – er wünscht sich sogar, dass er weitgehend frei von einer Nutzung, also ein reiner Lichtfang bleibt. Dem Konzept des nahezu fensterlosen Hauses stand allerdings wiederum das japanische Baurecht entgegen, das bei Wohngebäuden einen gewissen Anteil an Fensterflächen fordert. Der Architekt löste den Konflikt mit Guckfenstern, die sich mit Kunststofffaserelementen verschließen lassen, sowie Ventilationsöffnungen, die beinahe unsichtbar in die Holzfassade integriert wurden.
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tokio
Mount Fuji
Architects Studio
tree house 2009
Stammhaus Ein Wohnhaus, das sich sanft nach oben schraubt. Das „Tree House“ im Norden Tokios sitzt auf einem Hanggrundstück und ist ringsum von Häusern umgeben. Statt das Gebäude zu einem der Nachbarn hin zu orientieren, schufen Mount Fuji Architects für das Bauherrenehepaar einen kompakten Wohnbereich, dessen Räume sich radial um ein Zentrum entwickeln. Von einer Nebenraumspange mit Eingangsbereich, Abstellraum und Bad gelangt der Besucher in den Wohnraum, den Rahmen aus 51 Millimeter breiten Furnierschichtholzbindern formen. Die Rahmen sind in der Raummitte auf einer Seite zusammengefasst,
sodass eine zentrale Säule entsteht, die dem Stamm eines Baumes gleicht. Die Träger sind dabei nicht auf gleicher Höhe angeordnet, sondern bilden eine Spirale nach oben, weshalb sich der Kreis nach 360 Grad nicht schließt. Stattdessen summiert sich die Höhendifferenz zwischen den Rahmen auf 1,70 Meter. Dadurch entsteht eine Art Galerieraum als zweites Obergeschoss. Dieser Bereich, der sich vom Wohnraum aus mit einer platzsparenden Leiter erschließen lässt, leitet über auf das Dach des Hauses. Die einzelnen Wohnräume trennt zudem jeweils eine Stufe, wodurch sich eine zweite Spirale formt, die für eine weitere Modulation der Raumhöhen sorgt. 85
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Die Architekten fügten in den Nischen zwischen den gleichmäßig angeordneten Rahmen horizontale Bretter ein, wodurch sich die Konstruktion als multifunktionales Möbel nutzen lässt. Ringsum entstanden so Regale, die entsprechend der Raumnutzung befüllt werden können und so den Charakter des jeweiligen Bereichs unterstreichen. Mit dem schirmartigen Dach wirkt das „Tree House“ ein wenig wie eine Weiterentwicklung eines Klassikers der japanischen Einfamilienhausarchitektur, des „Umbrella House“ von Kazuo Shinohara, das 1961 erbaut wurde, aber weder eine zentrale Stütze noch Höhenversprünge in der Dachkonstruktion aufwies.
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1 . Längsschnitt 2. Querschnitt 3. Dachaufsicht 4. Grundriss Galeriegeschoss 5. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250
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Yuusuke Karasawa architects
Kimitsu 2009
Villa Kanousan Sein oder NICHTSEIN Die „Villa Kanousan“ ist kein gewöhnliches Wochenendhaus, eher ein faszinierendes Raumexperiment. Das Gebäude liegt am Hang eines Berges auf der Halbinsel Boso in der Präfektur Chiba und basiert auf einer einfachen geometrischen Form – dem Würfel. Der Architekt Yuusuke Karasawa teilte diesen im Inneren durch Wände und Decken in acht ebenfalls würfelförmige Räume. Genau dort, wo die verschiedenen Bauteile aneinanderstoßen, wird diese Konstruktion von kleineren Kuben durchdrungen. Die Kuben, deren leichte Neigung jener der umgebenden Landschaft entspricht, werden den Regeln eines Algorithmus
folgend von der Grundform subtrahiert. Dadurch entstehen Hohlräume, die den eigentlichen Charakter des Gebäudes formen. Das strenge, von Wänden und Decken bestimmte Raster löst sich durch die Perforation teilweise auf, wodurch die Räume neue Bezüge zueinander eingehen und ein spannendes Gefüge entsteht. Die kubischen Hohlräume sind dabei in gleichem Abstand zueinander angeordnet, aber gegeneinander um 15 Grad verdreht. Durch die leicht voneinander abweichenden Neigungen dieser „Löcher“ lässt sich die Ordnung der Grundstruktur zum Teil kaum mehr erkennen. Im Kontrast dazu platzierte der 89
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Architekt die Nutzungen relativ rigoros: Sowohl die Wohnräume im Erdgeschoss als auch die Schlafräume im Obergeschoss nehmen je ein Viertel des quadratischen Grundrisses ein. Eine Ausnahme bildet das Bad, das nicht als offener Raum gestaltet werden sollte und sich daher etwas verschämt in eine der Ecken des Obergeschosses drückt. Alle anderen Räume des Hauses – egal ob Eingangsbereich, Küche oder Schlafzimmer – nehmen mehr oder weniger dieselbe Grundfläche ein. Im Erdgeschoss wurde Eichenparkett verlegt, im Obergeschoss heller Teppich. Die weißen Oberflächen reflektieren das Licht und sorgen, trotz der
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relativ kleinen Fenster, für angenehm helle Wohnräume. Von außen lässt sich die spannende Raumkonstellation im Inneren kaum erahnen. Der Architekt wählte für die Bekleidung der Außenwand eine Mahagoni-Art, die vor allem beim Bau von Musikinstrumenten Verwendung findet. Damit erlaubt die äußere Erscheinung die Assoziation zu Klängen und Musik. Das kann als Kontrast zur rationalen Raumkonzeption im Inneren gelesen werden, oder aber als spielerische Weiterentwicklung der Grundidee: Schließlich sorgt auch in einem Klangkörper die durchdachte Anordnung der Hohlräume für die Qualität des sinnlichen Erlebnisses.
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1 . Schnitt 2. Grundriss Erdgeschoss 3. Grundriss Obergeschoss Maßstab 1:250 91
In Japan, traditional architecture had demonstrated virtually no concern with three-dimensional, solid spacial composition and had instead preferred to sever time into instances and space into floor areas, and to organise these fragments with intervals (ma) among them. 1 Arata Isozaki
1… Isozaki, Arata: The Island Nation Aesthetic. London, 1996, S. 46. 2… Oshima, Ken Tadashi: Arata Isozaki. Wien/London/ New York, 2009, S. 7 und S. 156: „In Japan, these two concepts [of time and space, Anm. d. Verf.] are blended together. Time goes across space, creating folds in it. […] By comparison, the word ma does not differentiate between western understandings of time and space. Rather it describes both time and space through a notion of interval.“ (Übersetzung ins Deutsche: Susanne Dickel). 3… Nitschke, Günther: „Architektur und Ästhetik eines Inselvolks“. In: Hg. Schittich, Christian: Im Detail: Japan. Architekten, Konstruktionen, Stimmungen. Basel, 2002, S. 21. 94
Raum ohne Raum
Das Zeichen 間 [ma] bedeutet eigentlich „da zwischen“ und kann als ein Intervall der Zeit und/ oder des Raums gedeutet werden. In dieser Definition findet sich der Begriff in allen japanischen Kunstformen, etwa auch im No ¯-Theater und in der Malerei (To ¯ haku Hasegawas Bild „Kiefernwald“ ist das wohl berühmteste Beispiel). In der Architektur ist ma ursprünglich eine Längen- beziehungsweise Flächeneinheit, die nicht von Wänden, sondern von dem im Holzbau gebräuchlichen Stützen definiert wird (siehe auch S. 60). Im Begriff ma deutet sich ein aus westlicher Sicht grundlegend anderes Verständnis von Raum an. Arata Isozaki definiert es folgendermaßen: „In Japan werden diese zwei Begriffe (Zeit und Raum, Anm. d. Verf.) als Einheit verstanden. Die Zeit durchdringt und faltet den Raum. […] In ähnlicher Weise und im Gegensatz zum westlichen Verständnis unterscheidet das Wort ma nicht zwischen Zeit und Raum, sondern beschreibt sowohl Zeit als auch Raum durch den Begriff des ,Dazwischens‘“ 2. Räume werden nach Isozaki also nicht durch ihre äußeren Maße und Grenzen bestimmt, sondern entstehen „dazwischen“, im Zusammenklang mit der Zeit, durch vergängliche Handlungen und Stimmungen. Erst in dem Moment, in dem die leere räumliche Einheit von etwas in „Besitz“ genommen wird, verwandelt sie sich in einen Raum. Nicht nur das aktive Wirken eines Nutzers, auch Veränderungen, welche Wind, Licht und Schatten erzeugen, spielen dabei eine Rolle. In jedem Fall wird Raum intensiv durch die Vermittlung eines Zeitgefühls wahrgenommen (wie auch die Wahrnehmung der Zeit eines Raums bedarf). Die Betrachtung früher Formen des japanischen Wohnhauses zeigt, dass feste Raumgrenzen innerhalb von Gebäuden erst spät entstanden: Bei den in der japanischen Antike aufkommenden, sogenannten shinden handelte es sich ursprünglich um Einräume, die mit flexiblen Raumteilern oder Vorhängen unterteilt wurden. Räume waren stets temporär und ohne feste Nutzung. Mit der Erfindung der abgehängten Decke ließen sich die
einzelnen Bereiche etwas besser voneinander abschirmen – um die dafür nötigen Schiebewände befestigen zu können, wurden ab der späten Heian-Zeit (794–1185) quadratische statt runder Stützen verwendet. 3 Für den Einbau der Schiebewandelemente war ein regelmäßiger Stützenabstand nötig – ein erster Schritt zur Schaffung eines modularen Systems. Als im Mittelalter damit begonnen wurde, TatamiMatten als festen Bodenbelag zu verlegen, entstand ein weiteres Modul, das als Grundlage der Flächendefinition dienen konnte. Während der westliche Innenraum durch die Abmessung der Begrenzungen – in der Regel dem lichten Maß der Wände – bestimmt ist, setzte sich der japanische Innenraum aus Flächen beziehungsweise Raumeinheiten zusammen, deren Maß von Tatami-Matten oder der Summe der von vier Stützen definierten Bereiche bestimmt wird. In den traditionellen Wohnhausformen seit der Antike findet sich zudem fast immer die sogenannte engawa: eine Art Veranda, die oft mit amado, hölzernen Klapp- oder Schiebeläden, verschlossen wurde und sich damit zum Innenraum wandelte. Dieser Raum zwischen innen und außen schafft für die Bewohner einen erhöhten und durch den Dachüberstand witterungsgeschützten Bereich, der sich nutzen lässt, ohne das Haus wirklich verlassen zu müssen. Die zuvor beschriebene Raumwahrnehmung lässt es zu, in allen vorhandenen Räumen weitere Räume zu sehen, vorhandene und nicht vorhandene. Die vor allem im Zen-Buddhismus verankerte Wertschätzung der „Leere“ mag weiterhin dazu beigetragen haben, dass in Japan das Entwerfen mit der Abwesenheit von Raum beziehungsweise raumbegrenzenden Elementen bereits Tradition hat. In diesem Buch zeugen unter anderem „Pilotis in a Forest“ von Go Hasegawa (S. 96), die „Villa Kanousan“ von Yuusuke Karasawa (S. 88) und das „House H“ von Sou Fujimoto (S. 150) von der Fähigkeit japanischer Architekten, Räume auf etwas andere Art zu denken.
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go hasegawa & associates
tsumagoi
2010
pilotis in a forest Leere einfangen
Für die meisten Betrachter ist „Pilotis in a Forest“ ein aufgeständerter Pavillon. Der Tokioter Architekt Go Hasegawa hingegen sieht darin etwas anderes – die Umarmung der Leere. Diese feinen Nuancen in der Raumwahrnehmung sind typisch für japanische Architekten. In ihren Entwürfen geht es nicht nur um das Umschlossene, das Eingehauste, sondern auch um den Raum, der außerhalb davon liegt. Es zählen also nicht nur Positiv-, sondern auch Negativformen, und darüber hinaus die vielen Stadien, die das Spektrum dazwischen zu bieten hat.
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Ferienhaus in der Präfektur Gunma. Es liegt mitten im Wald und ist über eine Sackgasse mit einer größeren Straße verbunden. Dass Hasegawa den Pavillon mit dem Wohnbereich in den Himmel hob, hatte zunächst einen ganz pragmatischen Grund: Im Winter, wenn die Bäume die Blätter verlieren, können die Bauherren von dort aus durch die großen Fenster auf einen nahegelegenen Berg blicken. Gleichzeitig ergibt sich durch das Aufständern ein interessanter Raum unter der Box, der zwischen der Wildnis des Waldes und der künstlichen Wohnwelt vermittelt.
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Der Architekt möblierte diesen über sechs Meter hohen Freiraum mit einem begehbaren Schrank und einem Sitzbereich. Die aus Holz konstruierte Box darüber bietet dabei in der Unteransicht sogar eine Art Decke. Den Freibereich und die eigentliche Wohnung verbindet eine ums Eck geführte Stahltreppe, die oben in ein terrassenartiges Plateau mündet, von dem aus sich das Innere erschließen lässt. Der annähernd quadratische Grundriss der Box ist grob in drei Bereiche aufgeteilt: ein halboffenes Eingangsplateau, Schlaf-und Nebenbereiche, die jeweils grob ein Viertel des Grundrisses besetzen, und die Wohnküche, die die Hälfte der Fläche einnimmt. Das vorgelagerte Plateau und der Freiraum unter der Box sind großzügig bemessen und zeigen, dass der Schwerpunkt des Projekts auf dem Leben im Freien liegt. In der Wohnküche etwa gibt es neben zwei großen Fenstern zum Wald auch noch eine verglaste Öffnung im Boden, durch die das Treiben im unteren Geschoss beobachtet werden kann. Bis auf die Stahlstützen, auf denen der Pavillon steht, ist das Projekt weitgehend in Holz ausgeführt. Die Konstruktion der Wohnbox sowie die Inneneinrichtung sind in diesem warmen Material gehalten. Lediglich die Fassade schimmert metallisch: Wie bei seinem Projekt in Komae (siehe S. 48) wählte Hasegawa hier gewellte Metallpaneele.
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1 . Schnitt 2. Dachaufsicht 3. Grundriss Obergeschoss 4. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250
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Hiroshi Nakamura
& NAP architects
Chiba
2008
house c
In Lehm gehüllt Unter der Woche leben die Bauherren dieses Wochenendhauses in einem dichten Tokioter Stadtbezirk. Zumindest in ihrer Freizeit will sich die Familie aus dem Trubel der Großstadt zurückziehen. Auf dem für japani sche Verhältnisse relativ großen Grundstück in Minamiboso in der Präfektur Chiba wünschten sie sich von dem Tokioter Architekten Hiroshi Nakamura eine bescheidene Unterkunft, der Rest der Fläche sollte als Garten dienen. Die Gegend ist bekannt für eine bestimmte Art von Erde, aus der hochwertige Töpferware hergestellt wird. Die haptische Qualität des Materials sollte die Wände des Hauses prägen,
die damit auch die Eigenheit des Ortes widerspiegeln. Im stark erdbebengefährdeten Japan ist ein Lehmbau allerdings schwierig durchzusetzen, weshalb in Stahlbeton gebaut wurde. Auf die Wände des Hauses ließ der Architekt jedoch eine etwa fünf Zentimeter dicke Lehmschicht auftragen. Die Bewohner halfen beim Verputzen, indem sie eigenhändig die dafür nötige Tonerde aushoben. Diese wurde mit Mörtel und Kunstharz vermischt, um damit eine wetterfeste, betont unregelmäßige Außenhaut zu schaffen. Der Putz gleicht die Farbe der Hülle jener des Erdbodens an und schützt die Betonwände gleichzeitig vor Korrosion. 101
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Der Grundriss gliedert sich in zwei fast geschlossene Bereiche, in denen die Nebenräume untergebracht wurden, und in eine dazwischenliegende, nach zwei Seiten verglaste Wohnküche. Damit schottet sich das Haus von den Nachbarn zur rechten und linken ab und lässt gleichzeitig den Blick zur Küste auf der einen und zu den Bergen auf der anderen Seite frei. Die Schlafzimmer nehmen eine Art Zwischenposition ein, sie lassen sich den Nebentrakten zuordnen, sind aber zur Meerseite hin großflächig verglast. Nakamura nennt sein Werk „Erdschichthaus“. Er will bei den Betrachtern die Assoziation wecken, dass es sich aus der Erde erhoben hat. Den Eindruck des ausgeschnittenen und erhöhten Terrains soll das Gründach verstärken, das ebenfalls mit einer Schicht des ortstypischen Lehms abschließt und mit heimischen Gräsern bepflanzt wurde.
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1 . Grundriss 2. Schnitt Maßstab 1:250 103
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Kochi Architect’s Studio
kch
tokio
2009
Ente wird Schwan Der Umbau dieses Hauses lässt einen unweigerlich an die Geschichte des hässlichen Entleins denken: Ist doch die weiße, transluzente Fassade das Hauptelement der Transformation des unauffälligen Einfamilienhauses aus den Achtzigerjahren im Norden Tokios. Der Architekt Kazuyasu Kochi, der sich hier sein eigenes Wohn- und Atelierhaus geschaffen hat, hätte das Gebäude, den japanischen Gepflogenheiten entsprechend, einem Neubau zuliebe einfach abreißen lassen können. Er entschied sich dagegen und nutzte die vorhandene Struktur als Grundlage seines Entwurfs. Das zuvor zweistöckige Haus
wuchs zur Straße hin um ein Geschoss und die Putzfassade verschwand hinter einer Fassade aus gewellten, faserverstärkten Kunststoffpaneelen. Die Verbindungstreppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss wanderte aus dem Gebäudeinneren in den neuen Fassadenzwischenraum. Indem der Architekt die Innentreppe durch eine Außentreppe ersetzte, zog er eine klare Trennlinie zwischen den beiden Nutzungen Arbeiten und Wohnen und erweiterte zugleich die Nutzfläche des Hauses. Zum Arbeitsbereich im Erdgeschoss gehören eine Teeküche und ein WC sowie ein neu geschaffener Raum im Souterrain, der als Besprechungszimmer 105
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dient und über eine schmale Holztreppe erschlossen wird. Die originale Holzkonstruktion im Inneren wurde sichtbar belassen und wie die Außenwände wurden weiß gestrichen. Über einen verglasten Deckendurchbruch, der sich an der Stelle der ehemaligen Treppe befindet, kann der Architekt bei der Arbeit einen Teil des Wohnbereichs im Obergeschoss einsehen. Ebenso können Ehefrau und Tochter den Blickkontakt mit ihm halten und so den in Japan seltenen Luxus genießen, sich als Familie auch im Alltag nahe zu sein.
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Das erste Obergeschoss gestaltete Kochi als offenen Raum mit großzügiger Wohnküche. Über eine innenliegende Treppe, die ursprünglich auf das Dach des Gebäudes führte, gelangen die Bewohner in das neue zweite Obergeschoss, das aus einer Aufstockung mit Dachterrasse besteht und das Schlafzimmer der Bauherren beherbergt. Neben der Vergrößerung der nutzbaren Fläche war es dem Architekten wichtig, verschiedene Räume in den gleichförmigen Bestand zu integrieren. Der Souterrain-Raum mit seiner vier Meter hohen Decke sorgt nun ebenso für Abwechslung wie der außenliegende Treppenraum, der alle Geschosse miteinander verbindet und zudem durch Öffnungen Ausblicke erlaubt. Die Aufstockung mit dem Schlafzimmer musste sich allerdings den durch die Straßenbreite definierten lokalen Höhenbeschränkungen beugen. Mit einer Höhe von nur 1,90 Meter fällt sie eher niedrig aus. Mit seiner Umnutzung zeigt Kochi, dass sich einfache Holzhäuser, wie sie etwa im sogenannten „Holzhausgürtel“ um das Tokioter Zentrum noch in rauen Mengen zu finden sind, in raffinierte und zeitgemäße Unterkünfte verwandeln lassen. Nicht nur für Japaner, die auf ihr Budget achten müssen, könnte diese Art des „Hausrecyclings“ in Zukunft eine Alternative zum Totalabriss darstellen.
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4
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1 . Grundriss Erdgeschoss 2. Grundriss 1. Obergeschoss 3. Grundriss 2. Obergeschoss 4. Schnitt 5. Grundrisse und Schnitt vor dem Umbau Maßstab 1:250
before
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It is an ancient japanese belief that a house is only a temporary abode. If it burns down, it can easily be rebuilt. 1 Kisho Kurokawa
1… Kurokawa, Kisho: Rediscovering Japanese Space. New York/Tokio, 1988, S. 58, in Locher, Mira: Traditional Japanese Architecture. An Exploration of Elements and Forms. Tokio/Rutland (Vermont)/ Singapur, 2010, S. 18. 2… Japanische Website der Sendung: www.asahi.co.jp/beforeafter. 3… Kitayama, Koh, Tsukamoto, Yoshiharu, Nishizawa, Ryue: Tokyo Metabolizing. Tokio, 2010, S. 29. 108
Umgang mit dem Bestand
Der in Japan bis heute übliche Umgang mit bestehenden Wohngebäuden – also der Zyklus des Abreißens und Wiederaufbauens – ist historisch verankert, der Erhalt von Gebäuden spielte nie wirklich eine Rolle. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden die meisten Wohnbauten aus Holz errichtet und dabei kaum Metallelemente verwendet, daher ließen sich die Häuser lange Zeit relativ unkompliziert in ihre Einzelteile zerlegen. Die noch brauchbaren Bestandteile konnten wiederverwendet werden, der Rest ließ sich als Brennholz nutzen. Sollte ein Wohnhaus neuen Lebensumständen angepasst werden – was in der Regel der Fall war, wenn das Gebäude von einer Generation an die nächste überging – so wurde der Bestand entweder mit einem Neubau erweitert oder von Grund auf neu geplant. Zu dieser Haltung trugen wohl auch die Ideale des Shinto ¯ ismus bei. Purheit und Reinheit sowie regelmäßige Erneuerung prägen diese urjapanische Religion. Den deutlichsten Hinweis darauf, dass diese Prinzipien auch Einfluss auf die Architektur genommen haben könnten, gibt der berühmte Ise-Schrein, der alle 20 Jahre neu errichtet wird (siehe S. 60). Regelmäßige Erdbeben sorgten zudem dafür, dass die vor allem aus Holzbauten bestehenden japanischen Städte und Siedlungen häufiger abbrannten. Die Japaner reagierten auf diese Bedrohung lange Zeit eher passiv als aktiv: Sie bauten keine Schutzwälle, sondern errichteten ihre Häuser so, dass sich das Innenleben, bis hin zu Tatamimatte und Schiebewänden, bei einem Brand leicht entfernen und in Sicherheit bringen ließ. Das Haus war für sie keine Burg, kein unvergänglicher Schutzschild, sondern eine temporäre Wohnhülle. Nach dem Zweiten Weltkrieg löste die westliche „aktive“ Schadensvorsorge diese flexible japanische Haltung jedoch zunehmend ab, und das Material Holz wurde im Vergleich zu Stahl und Beton in Folge als minderwertig betrachtet. Die Wahrnehmung des Hauses als Hülle, die jeweils einem bestimmten Lebensabschnitt dient und sich
irgendwann überholt hat, änderte sich allerdings nicht. Auch deshalb kamen in den 1980ern, während der sogenannten Bubble-Economy, als der private Hausbau aufgrund der hohen Bodenpreise immer weniger erschwinglich wurde, bei Wohngebäuden mehr und mehr Billigprodukte zum Einsatz. Diese altern unappetitlich und sind oft nur mit großem Aufwand instandzusetzen. Obwohl sich die Grundstückspreise seither etwas entspannt haben, wird – gerade in großen Städten – in der Regel immer noch das Grundstück und nicht das Gebäude als der eigentliche Wert betrachtet. In den letzten Jahren stößt das Thema „Umbau und Renovierung“ aber auch im Bereich von Wohnhäusern zunehmend auf Interesse (siehe „KCH“ von Kochi Architects [S. 104]). Dabei lassen sich zwei Tendenzen beobachten: Ein Teil der Bauherren entscheidet sich aus finanziellen Gründen dazu, die alte Struktur weiter zu nutzen, ein anderer Teil fühlt sich von Vorbildern, wie sie im Moment etwa in der beliebten japanischen Fernsehshow „Before + After“ 2 gezeigt werden, inspiriert und wünscht sich einen (teuren) Radikalumbau. In dieser Serie wird einem Architekten die Transformation eines Bestandsgebäudes überlassen. Anders als bei ähnlichen Sendungen in Europa, in denen mit minimalen Veränderungen gearbeitet wird, gehen die Architekten hier radikaler vor, lassen Mauern einreißen, Dächer verändern und schaffen neue Durchbrüche. Das Ursprungsgebäude ist danach oft kaum mehr zu erkennen. Ob sich hier ein Paradigmenwechsel andeutet und sich in Japan in den nächsten Jahrzehnten eine Kultur des Umbaus entwickelt, muss sich erst noch zeigen. Ein großes Hindernis auf diesem Weg dürften in jedem Fall die gängigen Bauweisen sein, welche den langen Bestand eines Hauses nicht unbedingt fördern. Da das Stadtbild der japanischen Metropolen von der zyklischen Erneuerung der Einzelelemente, vor allem der Wohnhäuser, geprägt ist, 3 hätte ein komplettes Umdenken der Hausbesitzer im Übrigen auch einschneidende städtebauliche Folgen.
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uji
2008
kite architecture
tsui no sumika
Distanz und Nähe
Wer das „Tsui no Sumika“ im Vorbeigehen betrachtet, hat den Eindruck, das Gebäude verändere sich mit jedem Schritt ein wenig. Das vom Tokioter Büro Kite Architecture geschaffene Wohnhaus liegt auf einem unregelmäßig zugeschnittenen Grundstück in der Stadt Uji bei Kyoto. Die Architekten entwickelten einen fünfeckigen Grundriss, der von einem aus drei Flächen gefügten Zeltdach bedeckt wird. Durch diese geometrische Spielerei entstand ein raffiniertes Gebäude, dessen skulpturale Wirkung von der einheitlichen Außenhaut aus Red-Cedar-Holzlatten zusätzlich unterstrichen wird. Hinter der Lattung
verbirgt sich im Bereich der Wände ein einfacher Holzrahmenbau. Auch die Dachkonstruktion besteht aus Holz: Die Träger wurden dem geplanten Verlauf der Dachflächen folgend in verschiedenen Neigungen an die First- und Traufbalken montiert. Durch das Zusammenspiel von Dach und Wänden ergibt sich im Inneren des pavillonartigen Gebäudes ein spannungsvoller Raum mit unterschiedlichen Höhen. Die Bauherren – ein pensioniertes Ehepaar – suchten nach einer Möglichkeit, so miteinander zu leben, dass sie sich auch einmal voneinander zurückziehen können, ohne das Gefühl für die Gegenwart des anderen missen zu müssen. Die 111
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D
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A
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Querschnitte S=1/250
wenn möglich, alle Querschnitte der 1:250-Serie in einer Reihe zeigen; e
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Architekten gliederten den Raum daher mit zwei eingestellten Boxen, die Bad und Küche beherbergen. Dadurch ergibt sich von einem Ende des Hauses zum anderen eine s-förmig verbundene Raumfolge. Die beiden Endpunkte bilden dabei Orte des Rückzugs, während der zentral gelegene Wohnraum die Nähe zueinander erlaubt. So bleibt die Gegenwart des anderen trotz visueller Abschottung jederzeit spürbar. Jeder kann selbst entscheiden, in welchem Plan eventuell auf 50% skalieren Bereich er sich niederlassen will, und mit der Raumwahl signalisieren, wie viel Nähe erwünscht ist. Dass das Gebäude ohne Treppen ausgeführt wurde und auch der etwas höher gelegene Eingang barrierefrei über eine kleine Rampe erschlossen wird, war eine weitere Voraussetzung von Seiten der Bauherren. Schließlich handelt es sich um ihr „Tsui no Sumika“, ihr letztes Zuhause.
= M 1:500
1 . Querschnitte A-E 2. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250 113
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Jun Igarashi Architects
Hokkaido
2008
House of Trough
Aufweitung
Japanische Wohnhäuser sind traditionell nach Süden ausgerichtet: In den Residenzen von der Antike bis in die Edo-Zeit orientierten sich dorthin die Räume für den Empfang von Gästen, und auch der Blick zum Garten weitete sich hier. Doch im Süden des „House of Trough“ auf Hokkaido, der nördlichsten der vier Hauptinseln Japans, befindet sich eine Fabrik zur Eisenverarbeitung, und auch die anderen Himmelsrichtungen bieten keine idyllischen Ausblicke. Der Architekt Jun Igarashi entschied daher, ein introvertiertes Zuhause für das Bauherrenehepaar zu schaffen.
Auf zwei Seiten des Hauses setzte Igarashi sogenannte Pufferzonen: Im Norden befinden sich dort auf drei Ebenen Bad und Toiletten, Stauräume und ein Arbeitsbereich, im Süden auf vier Ebenen Eingang, Schlaf- und Gästezimmer. Der Wohnraum ist zwischen diesen beiden Bereichen untergebracht und wird von ihnen sandwich artig gefasst. Seine Lage im Zentrum des Hauses lässt ihn, so der Architekt, zu einer Art Forum werden. Tatsächlich erscheint das Haus, dessen Nordund Südflügel von relativ kleinen, bescheidenen Räumen geprägt werden, in diesem Bereich un-
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erwartet großzügig, beinahe villenhaft. Ein Gefühl zone aus engawa – einer umlaufenden Veranda – für die Dimension des Raumes bekommt der Be- und überstehendem Dach umgeben ist. Anstatt sucher durch die zentrale quadratische Holzstütze, die seitlichen Zonen als Übergang zum Außenauf welcher die Decke des hohen Raums schirmar- raum zu ge-stalten, interpretierte Igarashi sie tig lagert. Dabei unterscheidet sich der Dachaufbau allerdings als Bollwerk gegen die unerwünschten der Wohnküche von dem der beiden seitlichen Einflüsse. Belichtet wird der zentrale Wohnraum Zonen, da in den Randbereichen mit geringerer zum einen durch einige kleine Fenster im Osten Dämmung gearbeitet wurde. Die weniger dicke und Westen, zum anderen aber auch durch die Konstruktion wirkt wie ein Dachüberstand und er- Öffnungen zu den Pufferzonen hin. Das Licht, Section S=1/250 ground floor einfällt, S=1/250 S=1/250 und innert damit an ein traditionelles japanisches Haus,underdas dort wird über die hellen1FDecken dessen Hauptraum ebenfalls von einer Zwischen- Böden weiter ins Innere reflektiert.
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1 . Schnitt 2. Grundriss Untergeschoss 3. Grundriss Erdgeschoss 4. Grundriss Zwischengeschoss 5. Grundriss 1. Obergeschoss Maßstab 1:250
between 1-2F S=1/250
117 2F S=1/250
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tna
takei nabeshima architects
tokio
mosaic house
Sonnenanbeter Das Grundstück diente ursprünglich als kleiner Parkplatz, nun sollte dort ein Haus für ein Ehepaar mit Kind entstehen. Die Nachbargebäude verschatteten das Baufeld bereits, dennoch musste gemäß den Bauvorschriften so gebaut werden, dass den umgebenden Häusern möglichst wenig natürliches Licht genommen wird. Entscheidend sind hier imaginäre schräge Linien, welche die auf diesem Grundstück maximal erlaubten Gebäudekanten und damit auch die Höhe vorgeben (siehe auch S. 11). TNA hielten sich an alle Regeln und schufen dennoch ein lichtdurchflutetes Gebäude, indem sie das
2007
Haus nach Süden neigten und das Dach als größte Öffnung inszenierten. Durch die Krümmung des Volumens und das durchgesteckte Treppenhaus mit der Wendeltreppe gelangt das Licht von oben bis in das unterste Geschoss. Die Neigung des Daches nähert sich dabei den Neigungen der Linien an, welche die maximal möglichen Gebäudekanten definieren. Dieses Prinzip ist grundsätzlich nicht neu. In japanischen Großstädten lassen sich viele Gebäude finden, deren Obergeschosse aufgrund dieser Linien wie schräg abgeschnitten wirken. Die Lösung von TNA ist jedoch wesentlich eleganter, da die Abschrägungen kein notwendiges Übel sind, 119
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1 . Ansicht von Osten (ohne Maßstab) 2. Grundriss 2. Obergeschoss 3. Grundriss 1. Obergeschoss 4. Grundriss Erdgeschoss 5. Schnitt Maßstab 1:250
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sondern den Entwurf als zentrales Motiv prägen. Die Nutzungen verteilen sich im Haus nach Lichtbedarf: Das Schlafzimmer ist im Erdgeschoss angeordnet, das Kinderzimmer und das Bad im ersten Obergeschoss und der Wohnbereich mit Küche ganz oben unter dem Glasdach. Die große Glasfläche versorgt die Bewohner dabei nicht nur mit natürlichem Licht, sondern ermöglicht auch den Blick in den Himmel. Vorbeiziehende Wolken und das Prasseln des Regens lassen sich dabei zum Beispiel ebenso intensiv erleben wie die Lichtstimmungen zu verschiedenen Tageszeiten. Vor zu viel Sonneneinstrahlung im Sommer schützt eine innenliegende weiße Stoffmarkise, welche die Helligkeit ins Innere lässt, Blendung aber verhindert.
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nur Schnitt und Grundrisse verwenden 121
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atelier bow-wow
tokio
tower machiya Vertikaler Teegarten Ein Grundstück so groß wie ein Parkplatz – dennoch wollten sich die Bauherren hier ihr Traumhaus bauen lassen. Das Büro Bow-Wow löste die Aufgabe im Tokioter Stadtteil Shinjuku wiederum mit einer machiya (siehe auch „Tread Machiya“, [S. 42]), dieses Mal in Turmform. Die Treppe ersetzt den in den traditionell ein- oder zweigeschossigen machiya vorhandenen Flur und schlängelt sich durch die vier teilweise leicht versetzten Geschosse wie ein Gartenweg. Auf der zweiten Ebene haben die Architekten sogar eine Art Sitzbank angeordnet. Wie bei einem typischen japanischen Teegarten ist der Höhe- oder Endpunkt
2010
des Weges ein Teehaus beziehungsweise ein Teeraum. Die Bauherren sind beide in der japanischen Teezeremonie bewandert und möchten in diesem Raum später Schüler unterrichten. Der Besucher betritt die „Tower Machiya“ auf der Südostseite und gelangt über einen schmalen Eingangsbereich unmittelbar in die eine Stufe höher gelegene Wohnküche. Über eine filigrane weiße Stahltreppe, die sich deutlich vom Parkettboden abhebt, beginnt er den Aufstieg in die oberen Geschosse. Die einzelnen Räume sind dabei wie Stationen am Wegesrand an die Treppe angegliedert. Das Gebäude macht kein Geheimnis aus der Stahl123
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EG ground floor
1
1.OG first floor
2. OG second floor
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longitudinal section - Längsschnitt
cross section - Querschnitt
3. OG / Dachgeschoss third floor
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konstruktion, die es trägt: Auskreuzungen und rohe Bekleidungen bleiben sichtbar. Diese offene und klare Struktur kombinierten die Architekten mit modernen Glaselementen, traditionellen japanischen Schiebetüren und Tatami-Matten, sodass scale 1:250 durch und durch ein zeitgenössisches und dennoch japanisches Haus entstand. Das drückt auch die Außenansicht der „Tower Machiya“ aus: Den Eingangsbereich prägen traditionelle Schiebetüren aus dünnen Holzlatten, die oberen Geschosse werden von der Stahlkonstruktion und schmalen Balkonen dominiert. Die „Tower Machiya“ ist ein Beispiel für die extreme Vertikalität, die die ursprünglich horizontal geprägten Stadtstrukturen Japans heute dominiert. Statt flacher Gebäude, die sich in die Tiefe der Grundstücke hineinentwickeln, entstehen in erster Linie punktförmige, mehrgeschossige Wohnbauten. Mit dem Entwurf zeigt Atelier Bow-Wow allerdings, dass ein vertikal ausgerichtetes Wohnhaus nicht im Widerspruch zur ursprünglichen Wohnkultur der japanischen Stadt stehen muss, sondern auf ihr aufbauen kann. 1 . Grundriss Erdgeschoss 2. Grundriss 1. Obergeschoss 3. Grundriss 2. Obergeschoss 4. Grundriss 3. Obergeschoss/Dachgeschoss 5. Längsschnitt 6. Querschnitt Maßstab 1:250 125
Looking over the bay, spring blossoms and autumn leaves are as nothing Compared to those grass-thatched huts in the autumn twilight. 1 見わたせば 花も紅葉もなかりけり 浦の苫屋の秋の夕暮 1 Fujiwara Sadaie
藤原定家
(1162–1241)
1… Aus: Blyth, R. H.: Haiku. Volume 3. Summer-Autumn. Tokio, 1986, S. 900. 2… Japan Illustrated Encyclopedia: Keys to the Japanese Heart and Soul. Tokio, 2008 (19. Auflage, Erstausgabe: 1996), S. 29: „a deep, empathetic appreciation of the ephemeral beauty manifest in nature and human life“. 3… ebd., S. 31: „everything that is born must die and [...] nothing remains unchanged“ (Übersetzung beider Zitate ins Deutsche: Susanne Dickel). 126
Schönheit und Vergänglichkeit
Dass Japaner eine besondere Beziehung zu flüchtigen Augenblicken pflegen, spiegelt sich in der Aufmerksamkeit wider, die jahreszeitlichen Ereignissen wie dem Auf- und Verblühen verschiedener Blumensorten oder dem herbstlichen Verfärben der Blätter geschenkt wird. Gerade bei der Kirschblüte wird dem mankai, also dem Tag, an dem die Blüten sich ganz geöffnet haben und nur noch kurze Zeit zu sehen sind, bevor sie abfallen, entgegengefiebert. Es geht dabei zum einen um vollkommene Schönheit – zum anderen aber auch um die Tatsache, dass sie nicht festgehalten werden kann, dass Vollkommenheit kein Zustand von Dauer ist. Das dahinterstehende ästhetische Prinzip bezeichnen die Japaner als mono no aware: „das tiefempfundene Verständnis von der vergänglichen Schönheit der Natur und des menschlichen Lebens“ 2. Das Motiv taucht zuerst in den Schriften der Heian-Zeit – also um 1000 n. Chr. – auf und nimmt auch in der Literatur späterer Jahrhunderte eine bedeutende Rolle ein. Wichtig zum Verständnis des mono no aware ist mujo ¯ , die buddhistische Doktrin der Vergänglichkeit, nach der „alles, was geboren wird, auch wieder sterben muss und [...] nichts so bleibt wie es ist“3 . Da der Buddhismus die japanische Kultur schon ab etwa 700 n. Chr. beeinflusste, lässt sich vermuten, dass mono no aware unter anderem aus der Beschäftigung mit der mujo ¯ -Doktrin entstand. Mit der Verfeinerung der Teezeremonie und der Entwicklung der Lyrik im 16. und 17. Jahrhundert gewannen zwei weitere ästhetische Prinzipien an Bedeutung: wabi und sabi. Während ersteres auf den Teemeister Sen no Rikyu (1522–1591) zurückgeht und vor allem die herbe Schönheit des einfachen, von weltlichen Sorgen losgelösten Lebens preist, ist letzteres eng mit dem Dichter Bassho ¯ (1644–1694) verbunden und – über die Lyrik hinaus – dort zu finden, wo das Leben in seiner Vergänglichkeit und Unvollkommenheit in der Form von Patina oder kleinen Störungen zum Ausdruck kommt. Beiden Prinzipien wird bisweilen vollkommene Schönheit – etwa die der Kirschblüten – ge-
genübergestellt, um mit diesem Kontrast das jeweils beabsichtigte wabi- oder sabi-Bild zu stärken. Mit den Teehäusern übertrugen sich die Prinzipien des wabi und sabi auf die Architektur: Zum einen beeinflussten sie die Architektur des shoin, eines sehr formellen Gebäudetyps, der sich aus den Kriegerresidenzen des Mittelalters entwickelt hatte. Darüber hinaus stießen sie die Entwicklung eines informelleren Wohnhaustyps an: Die sukiya gilt heute als Leitbild der traditionellen japanischen Wohnarchitektur (das bekannteste Beispiel ist dabei die „Villa Katsura“ in Kyoto [S. 14]). Auch in der zeitgenössischen Architektur spiegelt sich diese traditionelle Ästhetik, etwa in der schlichten Schönheit der Konstruktion der „Tower Machiya“ des Atelier Bow-Wow (S. 122). Auch wenn mono no aware oder sabi nicht unmittelbar auf die Architektur Einfluss nahmen, stehen sie mit ihr doch in einer wechselseitigen Beziehung: Das lebendige Material Holz, das die japanische Architektur bis ins 20. Jahrhundert dominierte, altert deutlich sichtbar, historische Dachkonstruktionen aus Reisstroh oder Rinde bedürfen der regelmäßigen Erneuerung und empfindliche, kurzlebige Materialien wie Tatami und Schiebetüren aus Reispapier (sho ¯ ji) prägen bis heute viele Wohnhäuser. Mit den sho ¯ ji wird darüber hinaus der Raum selbst zu einem vergänglichen Gut, da die Grundrisse sich entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen ändern können. Diese flexible Raumeinteilung macht bis heute Sinn, da die oft relativ kleinen Häusern so kurzfristig auf neue Anforderungen reagieren können (siehe etwa das „Kondo House“ von Makiko Tsukada [S. 74]). In der gegenwärtigen Architektur werden die sho ¯ ji bisweilen durch Vorhänge ersetzt. Auch der Umgang mit Licht und die Bezüge zum Garten beziehungsweise zum Wechsel der Jahreszeiten spiegeln oft den Wunsch der Architekten wider, dem Ephemeren in der Architektur einen Platz einzuräumen beziehungsweise ein Gebäude nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich zu denken.
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suppose design office
2009
moriyama house nagoya
Grünes Herz Die Bauherren träumten von einem üppigen Garten – dem Architekten Makoto Tanijiri, Gründer des in Hiroshima und Tokio ansässigen Büros Suppose Design Office, stand für die Verwirklichung dieses Wunsches allerdings nur ein winziges Grundstück in Nagoya zur Verfügung. Da dieses darüber hinaus auf drei Seiten eng an die Nachbargebäude grenzte, schlug er der jungen Familie eine Alternative vor: Anstatt die Gebäudegrundfläche auf das absolute Minimum zu reduzieren und in dieser dispersen Umgebung einen kaum nutzbaren Garten unter freiem Himmel zu schaffen, wollte er Grünbereiche ins Innere verlegen.
In das Haus gelangt man über einen zur Straße hin ausgerichteten Vorplatz im Norden. Der mit weißem Wellblech bekleidete Bau wirkt von außen ein wenig wie ein Container, der hier vorübergehend zwischen den deutlich höheren Nachbargebäuden abgestellt wurde. Lediglich die hohe, schmale Tür deutet darauf hin, dass sich hinter der Fassade ein Wohnhaus befinden könnte. Die wenigen, eher kleinen Öffnungen sind so angeordnet, dass kaum Einblicke möglich sind. Stattdessen hat Tanijiri das Gebäude nach oben hin geöffnet: Zwei große Dachfenster, die über dem Treppenhaus und einem zweigeschossigen Patio angeordnet sind, lassen Ze129
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1 . Längsschnitt 2. Grundriss Erdgeschoss 3. Grundriss Obergeschoss Maßstab 1:250
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nitlicht ins Innere und erlauben den freien Blick in den Himmel. Eine weitere Lichtquelle bietet sich durch einen leichten Versprung der beiden Gebäudeebenen. Das Obergeschoss weicht auf der Ostseite etwas zurück, sodass das Souterrain auf einer Längsseite ebenfalls Licht von oben erhält. Den inneren Garten hat Tanijiri direkt unter den Oberlichtern angeordnet. Mit leichtem Gefälle legt er sich vom Eingangsbereich aus um die Wohnküche im Souterrain und formt zwischen Wohnbereich und Bad einen zweigeschossigen Gartenraum. Die inzwischen gewachsenen Pflanzen dürften dafür sorgen, dass die Familie beim Mittagessen nicht den Anblick der Toilette in Kauf nehmen muss. Um von einem Raum in den anderen zu gelangen, durchqueren die Bewohner in der Regel einen der Gartenbereiche, sodass sich Wohnen und Grün intensiv durchdringen und ein Haus formen, bei dem der Blick in den Garten nicht mehr der Blick nach draußen ist. Der Schlafbereich der Familie ist über die Treppe im Eingangsbereich erschlossen. Ein separates Kinderzimmer ist nur provisorisch vorgesehen, da die Betten von Eltern und Kind nur durch einen Vorhang voneinander getrennt sind. Der privateste aller Räume befindet sich jenseits des Schlafzimmers, direkt über dem Bad. Er kann nur über einen Steg erreicht werden und ist für die Familie – auch wegen der großzügigen Öffnung zum inneren Grünbereich – so etwas wie ein Gartenpavillon, in dem sich eine Tasse Tee genießen oder ein Buch lesen lässt.
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shinichi ogawa & associates
minimalist house itoman
Drei mal drei Die Stadt Itoman liegt auf Okinawa – einer Inselgruppe etwa 2000 Kilometer südwestlich von Tokio. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei etwa 25 Grad Celsius. Auf diesem an die Südsee grenzenden Archipel schuf der Architekt Shinichi Ogawa ein Haus, das sich nach außen als geschlossene, weiße Kiste präsentiert. Die Belichtung des „Minimalist House“ erfolgt von oben über eine streifenförmige Öffnung, die an der Längsseite des Hauses entlangläuft und die Dachfläche um etwa ein Drittel reduziert. Die Breite dieses Streifens kommt nicht von ungefähr, denn der in Hiroshima und Tokio ansässige Architekt
2010
wählte einige einfache mathematische Regeln und entwickelte den Grundriss rigoros aus einem Ras ter heraus. Kleinster gemeinsamer Nenner aller Maße ist dabei die Zahl drei: Das Gebäude ist drei Meter hoch, neun Meter breit und 18 Meter lang. Der Länge nach ist es in drei gleich breite Streifen geteilt, die als Nebenraumzone, Wohnzimmer und Außenbereich dienen. Die Nebenraumzone ist wiederum in drei Streifen unterteilt: Arbeitsfläche, Flur und ein multifunktionales Möbel, das in den Wohnraum überleitet. Dort sind Esstisch und Bett untergebracht. Eine Glasscheibe zwischen dem Wohnzimmer und dem Außenbereich begrenzt diesen 135
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1 . Grundriss 2. Querschnitt 3. Längsschnitt Maßstab 1:250
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zweiten Streifen nach außen. Ogawas Entwurf erinnert daran, dass japanische Räume sich traditionell über modulare Maße definierten: Stützenabstände und die Abmessungen der Tatami-Matten (siehe S. 61). Auch die Raumhöhen variierten kaum, da es im Holzbau meist gewisse Standardmaße gab. Der Architekt greift diese Eigenart japanischen Bauens auf und treibt sie mit seinen Modulen von drei mal drei Metern auf die Spitze. Während es sich bei der Grenze zwischen Nebenräumen und Wohnbereich um ein breites, nutzbares Corian Wandelement handelt, fügen sich Wohnraum und Freibereich durch die vollflächige Verglasung optisch zu einer Einheit. Dabei überlagern sich auch die Nutzungen: So können die Bauherren etwa die Begrenzungsmauer des Freibereichs bei Videoabenden durch
das Glas hindurch als Projektionsfläche nutzen. Nachts wird diese weiße Wand von Uplights in Streiflicht getaucht, sodass die wenigen Pflanzen und die Wasserfläche in diesem Außenraum für die Bewohner wie ein Kunstwerk inszeniert werden. Die strenge, lineare Komposition des „Minimalist House“ ist kein Korsett, das den Bewohnern aufgezwungen wird – die Ordnung lässt sich jederzeit aufweichen und emotionalisieren. Die völlig unterschiedlichen und scheinbar komplett voneinander abgegrenzten Bereiche des Hauses werden durch die Interaktion der Nutzer miteinander verknüpft. In der Wahrnehmung der Bewohner hat das Haus zahlreiche Facetten. Die radikale Reduktion des Hauses auf bestimmte Maße inszeniert letztlich nur umso mehr das, was im Mittelpunkt steht: das Wohnen.
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UID
Architects
osaka 2010
Atelier Bisque Doll
Schwebende Bänder Ein Garten, der mit dem dazugehörigen Haus zu einer Einheit verschmilzt. Das „Atelier Bisque Doll“ ist ein Werkstatt- und Wohnhaus für ein älteres Ehepaar, das viel Zeit zu Hause verbringt und sich daher ein Haus wünschte, in dem sich trotz Wahrung der Privatsphäre Wetter und Jahreszeiten intensiv erleben lassen. Die Bauherrin, eine Puppenkünstlerin, nutzt den nördlichen, zur Straße hin orientierten Flügel als ihr Atelier. Im südlichen, wegen der Lage an einem Hanggrundstück etwas höheren Bereich hat der aus Hiroshima stammende Architekt Keisuke Maeda die Wohnung für das Ehepaar angeordnet.
Der bereits aus dem Berufsleben ausgeschiedene Bauherr kann vom Wohnbereich aus an der Aktivität im Atelier teilhaben oder sich mit großen Schiebewänden von der Werkstatt räumlich abschotten. Beide Nutzungen scheinen mit weißen Bändern umwickelt zu sein: Der unterste umspielt das Atelier, der mittlere den Wohnbereich. Das dritte Band ist zugleich der obere Abschluss des Hauses und daher nicht wie die beiden anderen aus Sandwichpaneelen, sondern aus Stahlbeton geformt. Die unteren beiden Bänder umfassen den Garten und lassen ihn als Teil des Hauses erscheinen; sie verhindern Einblicke und suggerieren gleichzeitig 139
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die Offenheit des Grundstücks. Pflanzbeete im Bereich der bodennahen Verglasungen und Oberlichtstreifen lassen die Grenzen zwischen außen und innen zusätzlich verschwimmen. Dort, wo das Atelier in den Wohnbereich übergeht, überschneiden sich die Ringe und formen eine Art Korridor, der zwar bereits ein Teil des Hauses ist, aber dennoch zum offiziellen Zugangsweg gehört. Dieser windet sich S-förmig über die gesamte Breite des Grundstücks und wird damit zu einem der längsten auf diesem Grundstück denkbaren Erschließungswege. Er ist vor allem für die Besucher gedacht, denn die Bewohner nutzen in der Regel den deutlich praktischeren Servicezugang im Westen als Haupteingang. Für die, die den langen Weg auf sich nehmen, erscheint der Garten um einiges größer: Die Architektur kann von allen Seiten wahrgenommen werden, in Schaukästen lassen sich die Arbeiten der Puppenkünstlerin bewundern, das Gebäude wird auf dem Weg durch den Garten sogar passiert, bis man schließlich zum eigentlichen Eingang gelangt. Diese Komposition erinnert an Wege in traditionellen japanischen Gärten, die die Besucher dramaturgisch fein abgestimmt durch die (Grün-)Räume leiten und durch das miegakure, das abwechselnde „Verstecken und Sehen-Lassen“ immer wieder Neues entdecken lassen.
1 . Grundriss 2. Schnitt Maßstab 1:250 141
Was ist es aber, was das Auge hier geradezu trunken macht? [...] ohne dass man diese Anlage mit dem Verstand analysiert, fühlt man, dass hier die Kunst des Gartens menschliche Beziehungen und Zusammenhänge, und zwar in äuSSerst verfeinerter Form, wiedergibt. 1 Bruno Taut (über den Garten der „Villa Katsura“ in Kyoto)
1… Taut, Bruno: Nippon mit europäischen Augen gesehen. Berlin, 2009, S. 25. 2… Nitschke, Günther: „Architektur und Ästhetik eines Inselvolks“. In: Hg. Schittich, Christian: Im Detail: Japan. Architekten, Konstruktionen, Stimmungen. Basel, 2002, S. 26–27. 3… ebd., S. 27. 4… ebd., S. 29. 144
Der Garten als Teil der Architektur
Eine der ältesten erhaltenen Schriften zur Gartengestaltung ist das japanische „Sakuteiki“, das in der Heian-Zeit (794–1192) entstand. Repräsentative japanische Architektur ist in Japan sehr eng mit der Gartengestaltung verknüpft, oder wie Nitschke es formuliert: „In Japan ist der Garten immer Teil der Architektur und die Architektur Teil des Gartens gewesen“ 2. Schon zu den shinden, den ersten bekannten Wohnbauten mit repräsentativem Charakter aus der Heian-Zeit, gehörte ein Garten, um den sich das nördlich davon platzierte Gebäude U-förmig legte. Wichtigstes Element war ein See mit einer Insel, die von zwei flachen Holzbrücken erschlossen wurde. Die Gestaltung orientierte sich an chinesischen Vorbildern. Der Garten diente zum einen der Selbstinszenierung des Bauherrn, zum anderen der Unterhaltung von Gästen durch Spaziergänge oder Feste. Ebenso wichtig wie die tatsächliche Nutzung des Gartens war jedoch dessen Anblick: Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren die Räume, in denen die Gäste empfangen wurden, zum Garten hin ausgerichtet, und dem Besucher wurde ein Sitzplatz zugewiesen, von dem aus er den Blick ins Grüne genießen konnte. Neben den Gärten repräsentativer Wohnhäuser, die im Laufe der Zeit an Größe einbüßten, entstanden aber immer wieder auch spezielle Gartenformen: etwa im 16. Jahrhundert die Steingärten der buddhistischen Tempel (karesansui) und die Teegärten (chaniwa). Letztere wurden als essenzieller Bestandteil des Teeraums beziehungsweise der Teezeremonie betrachtet. Ausgangspunkt der Gestaltung war dabei der Weg, der zum Teehaus führt und der als „der einsame Bergpfad, über den man sich aus der alltäglichen Mühsal in die Stille und Abgeschiedenheit der Natur zurückziehen kann“ 3 interpretiert wurde. Erst später wurde der
Teegarten mit künstlerischen Elemente wie dem mie-gakure, dem dauernden Wechsel des Verborgenen und Sichtbaren, ergänzt. Eine Mischform aus dem traditionellen Villengarten und dem Teegarten findet sich bei der „Villa Katsura“, deren Harmonie zwischen Architektur und gestalteter Landschaft vor allem Bruno Taut in höchsten Tönen lobte. In seinem Buch „Nippon mit europäischen Augen gesehen“ beschreibt er es so, als ob die Architektur der Villa überhaupt nur mit dem Garten gedacht werden könne. Tatsächlich gäbe das Raumlayout ohne den Garten keinen Sinn, und die Wirkung, die Licht, Klänge und Jahreszeiten durch die dünnen Reispapierwände entfalteten, wäre eine ganz andere gewesen. Während im Villenbau eine Entwicklung von der Umarmung des Gartens hin zur Verzahnung mit dem Garten beobachtet werden konnte 4, war ein eigener Freibereich in den schmalen Stadthäusern seit dem japanischen Mittelalter kaum mehr möglich. Dort entwickelten sich daher tsuboniwa, kleine Gärten in Innenhöfen. Größere Gärten waren – zumindest in den Städten – stets ein Privileg der wohlhabenden Stände. Für die einfachen Bürger bot sich in Tokio erst im 20. Jahrhundert die Möglichkeit, ein Einfamilienhaus mit mehr oder weniger großem Garten ihr eigen zu nennen. Die rasche Verstädterung des Umlands ließ diese „Gartenstädte“ jedoch wieder verschwinden. Davon, dass der Traum vom Garten dennoch lebendig blieb, zeugen die liebevoll arrangierten Blumentöpfe vor vielen Minihäusern der japanischen Großstädte ebenso wie einige der in diesem Buch vorgestellten Projekte, bei denen die Verwirklichung eines gartenähnlichen Bereichs für die Bauherren eine große Rolle spielte (etwa beim „Moriyama House“ von Suppose Design Office [S. 128] oder beim „House with Gardens“ von Tetsuo Kondo [S. 28]).
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Jun’ichi Sampei
tokio 2010
house tokyo
Eisberg
Zwischen den braven Wohnhäusern der Nachbarschaft wirkt das Gebäude mysteriös. Wie ein Findling sitzt der weiße, sich nach oben verjüngende Bau auf einem Eckgrundstück in Mitaka im Westen Tokios. In seinem Inneren vermutet der Passant wohl eher städtische Infrastruktur als das Zuhause eines jungen Pärchens. Dass das von Jun’ichi Sampei entworfene Gebäude nach oben schmaler wird, ist den japanischen Bauvorschriften geschuldet. Der bei ausreichender Belichtung der Nachbarhäuser maximal mögliche Gebäudeumriss wird mit Hilfe von steilen Diagonalen festgelegt. Innerhalb des „House Tokyo“ bietet daher das Erd-
geschoss die größte zusammenhängende Fläche, weshalb der Architekt dort die Wohnküche unterbrachte. Der Bereich grenzt zweiseitig an Straßen und liegt damit ähnlich exponiert wie der Gästebereich eines Cafés. Die zwei Stufen, die vom Eingang in die Wohnküche hinabführen, schaffen Distanz und vergrößern den nutzbaren Raum. Eine gestalterisch auf das Notwendigste reduzierte Treppe leitet vom Eingangsbereich in das erste Obergeschoss über. Dieses besteht aus einer weiß gestrichenen Betonbox, die sich zwischen den Außenwänden aufgespannt. Darin sind zwei Nutzungen untergebracht, ein Kinderzimmer für 147
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1 . Schnitt 2. Grundriss 3. Obergeschoss 3. Grundriss 2. Obergeschoss 4. Grundriss 1. Obergeschoss 5. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250
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zukünftigen Nachwuchs und ein Freizeitraum für das Hobby des Bauherrn, das Sammeln von Figuren der japanischen Zeichentrickserie „Gundam“. Von diesem Zwischengeschoss, das von einer verglasten Galerie erschlossen wird, lässt sich über eine schmale und steile Wendeltreppe der Schlafbereich erreichen. Über verschiedene Splitlevels gelangt man in das Bad und schließlich auf die von außen unsichtbare, eingeschnittene Dachterrasse. Um die Privatsphäre der Eigentümer zu schützen, umgaben die Architekten die Stahlbetonkonst-
ruktion mit einer Hülle aus weißem Lochblech, die sich über die gesamte Außenfassade und alle Öffnungen zieht. Die Oberfläche des Gebäudes erscheint daher nahezu homogen. Passanten können die dahinter liegenden Räume nur nachts erahnen, wenn das Haus von innen heraus leuchtet und das Lochblech wie ein Schleier wirkt. Durch die von der Metallfassade überzogenen Fenster sind allerdings kaum Ausblicke möglich. Dafür bietet sich von der Dachterrasse im obersten Geschoss ein beeindruckender Blick auf die Umgebung.
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Sou Fujimoto Architects
house h tokio
Von Ast zu Ast Sou Fujimoto nahm sich für den Entwurf des „House H“ in Tokio die Struktur eines jungen Baums zum Vorbild: Das Gebäude gleicht einem Trieb, der sich nach oben hin immer neu verzweigt. Der Tokioter Architekt arbeitete dabei mit einzelnen Ebenen, die jeweils einer Nutzung dienen, und Treppen, die entweder zwei Ebenen verbinden oder selbst eine „Raumeinheit“ darstellen. Das Haus füllt das Grundstück fast komplett aus – statt eines Gartens schuf Fujimoto spannende Raumübergänge, die das Innere des Gebäudes als Einheit erscheinen lassen.
2009
Über den Carport gelangt man zum Eingang des Hauses, von dem eine massive Treppe in den Wohnbereich führt. Von dort aus erschließt eine Holztreppe die Küche. Über weitere Stufen gelangt man ins Wohn- und schließlich ins Schlafzimmer. Bis zu diesem Punkt führen die Treppen spiralförmig nach oben, nun kann man wählen, ob man weiter nach oben steigen oder das Kinderzimmer betreten möchte. Dort wartet eine der „ziellosen“ Treppen, die über einer Deckenöffnung platziert ist und der kleinen Tochter Spielraum bietet. Vom Schlafzimmer der Eltern geht es weiter nach oben, wo wiederum
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1 . Querschnitt 2. Grundriss 3. Obergeschoss 3. Grundriss 2. Obergeschoss 4. Grundriss 1. Obergeschoss 5. Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:250
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Level 3 + Dach
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zwei Optionen zur Wahl stehen. Der Weg auf die Dachterrassen oder zum Bad. Die einzelnen Räume sind über großformatige Öffnungen in Wänden und Decken miteinander verbunden, sodass die Familienmitglieder über mehreLevel 2-3 re Geschosse miteinander in Kontakt bleiben beziehungsweise die Gegenwart der anderen spüren können. Die zahlreichen Verbindungen lassen den Innenraum fast durchgehend erscheinen. Am besten würde diese vertikal gedachte Landschaft wohl ohne Außenwände funktionieren, die Nutzung als Wohnhaus und die Lage in einem dicht bebauten Tokioter Stadtbezirk sprachen allerdings für eine eher geschlossene Lösung. Eine Sichtbetonhülle Level 1-2 mit großen Öffnungen legt sich um die Wohnebenen und umschließt auch die Dachterrassen und den Carport. Während das Innere mit seinen zahlreichen Treppen ein wenig an eine verwinkelte Ruine beziehungsweise an ein Bild des Künstlers M. C. Escher erinnert, zeigt sich das Haus nach außen geordnet und zurückhaltend. Durch die großen Fenster mit den leicht schräg in den Laibungen sitzenden Festverglasungen wird der Außenraum gerahmt. EinLevel 1 und Ausblicke verbinden den privaten und den öffentlichen Bereich, sodass Außenraum und Straßenszenen in das alltägliche Leben der Familie einfließen können.
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Architekten
A.l.X. „Architect Label Xain“ Jun'ichi Sampei Sorte D-type 5-9-22 Hiroo, Shibuya-ku Tokyo, 150-0012 Phone/Fax +81-3-3280-6781 www.xain.jp
Inui, Kumiko Office of Kumiko Inui 3-57-6-303 Yoyogi, Shibuya-ku Tokyo, 151-0053 Phone +81-3-3303-2971 Fax +81-3-3373-2972 www.inuiuni.com
Atelier Bow-Wow Yoshiharu Tsukamoto, Momoyo Kaijima 8-79 Suga-cho, Shinjuku-ku Tokyo, 160-0018 Phone +81-3-3226-5366 Fax +81-3-3226-5366 www.bow-wow.jp
Karasawa, Yuusuke Yuusuke Karasawa Architects 1-9-11-103 Sendagaya, Shibuya-ku Tokyo, 151-0051 Phone +81-3-5314-3558 Fax +81-3-5314-3559 yuusukekarasawa.com
Fujimoto, Sou Sou Fujimoto Architects Ichikawa Seihon building 6F 10-3 Higashienoki-cho, Shinjuku-ku Tokyo, 162-0807 Phone +81-3-3513-5401 Fax +81-3-3513-5402 Hasegawa, Go Go Hasegawa & Associates Gaien Building 5F 2-18-7 Jingumae, Shibuya-ku Tokyo, 150-0001 Phone +81-3-3403-0336 Fax +81-3-3403-0337 mail www.hsgwg.com Igarashi, Jun Jun Igarashi Architects inc. 81 Miyamae, Saroma-tou Tokoro-gun Hokkaido, 093-0501 Phone +81-1587-2-3524 Fax +81-1587-2-3561 jun-igarashi.web.infoseek.co.jp
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Kite Architecture Eri Ishida, Aki Takagi 2-24-11-301 Tomigaya, Shibuya-ku Tokyo, 151-0062 Phone +81-3-6407-8761 Fax +81-3-6407-8762 www.kite-architecture.jp Kochi, Kazuyasu KOCHI ARCHITECT’S STUDIO 2-17-1 Zoshigaya, Toshima-ku Tokyo, 171-0032 Phone +81-3-3986-0095 Fax +81-3-3986-0304 www.kkas.net Kondo, Tetsuo Tetsuo Kondo Architects 2-24-2-1F Haramachi, Meguro-ku Tokyo, 1520011 Phone +81-3-3714-4131 Fax +81-3-3714-4132 www.tetsuokondo.jp
Mount Fuji Architects Studio Masahiro Harada, Mao Harada, Naoto Ishii Akasaka Heights 501 9-5-26 Akasaka, Minato-ku Tokyo, 107-0052 Phone/Fax +81-3-3475-1800 www14.plala.or.jp/mfas/fuji.htm Nakamura, Hiroshi Hiroshi Nakamura & NAP Architects 2-15-7-1F Sakura-Shinmachi, Setagaya-ku Tokyo, 154-0015 Phone +81-3-5426-0105 Fax +81(0)3-3428-0886 www.nakam.info Nakayama, Hideyuki Hideyuki Nakayama Architecture #204, 26 Daikyo-cho, Shinjuku-ku Tokyo, 160-0015 Phone +81-3-6273-1567 Fax +81-3-6273-1568 www.hideyukinakayama.com
TNA Makoto Takei, Chie Nabeshima 3-16-3-3F Taishidou Setagaya-ku Tokyo, 154-0004 Phone +81-3-3795-1901 Fax +81-3-3795-1902 www.tna-arch.com Tsukada, Makiko Makiko Tsukada Architects 6-12-15 Shimoshakujii, Nerima-ku Tokyo, 177-0042 Phone +81-3-5372 7584 Fax +81-3-5372 7862 www15.plala.or.jp/maaa UID Architect & Associates Keisuke Maeda mori x hako 2F Kinosho-cho, Fukuyama-shi Hiroshima, 720-0082 Phone +81-84-927-0136 Fax +81-84-927-0146 www.maeda-inc.jp/uid
Ogawa, Shinichi Shinichi Ogawa & Associates 5-33-18 Inokuchi, Nishi-ku Hiroshima, 733-0842 Phone +81-82-278-7099 Fax +81-82-278-7107 www.shinichiogawa.com Suppose Design Office Makoto Tanijiri 13-2-3F Kakomachi, Naka-ku Hiroshima, 730-0812 Phone +81-82-247-1152 Fax +81-82-298-5551 www.suppose.jp
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Zu den Autoren Claudia Hildner Claudia Hildner, geboren 1979 in München, studierte an der TU München und der Universität Tokio Architektur. Nach dem Diplom absolvierte sie ein Volontariat bei der Zeitschrift Baumeister in München, bevor sie 2007 als freie Architekturjournalistin nach Stuttgart übersiedelte. Dort verfasste sie zahlreiche Beiträge für Fachpublikationen und arbeitete als Redakteurin der Architekturzeitschrift Metamorphose und des von frei04 publizistik betreuten e-Magazins der Webseite german-architects.com. Zudem war sie als Autorin und Herausgeberin an mehreren Büchern beteiligt. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind das Bauen im Bestand und die japanische Architektur. Die Kenntnisse über die Kultur und Baukunst Japans vertiefte sie nochmals in den Jahren 2010 und 2011, während sie von Tokio aus über aktuelle japanische Architektur berichtete. Zurzeit lebt und arbeitet sie in München. Ulf Meyer Der Architekt, Autor, Kritiker und Dozent wurde 1970 in Berlin geboren und studierte an der TU Berlin und am IIT in Chicago Architektur. Nach dem Diplom 1996 arbeitete er als freier Architekturjournalist, -kritiker und -kurator. Als Stipendiat der Nippon Carl Duisberg Gesellschaft war er 2001/2002 bei Shigeru Ban Architects in Tokio tätig, 2004 arbeitete er in Berkeley/Kalifornien als Architekturkritiker des San Francisco Chronicle. Im Jahr 2008 folgte er dem Ruf an die Kansas State University als Professor für Nachhaltige Architektur und Städtebau, 2010 an die University of Nebraska-Lincoln als Distinguished Hyde Chair of Excellence. Er verfasste zahlreiche Artikel in Fachund Publikumszeitschriften in aller Welt sowie Bücher, darunter Veröffentlichungen zur japanischen Architektur und Stadt, unter anderem den Tokio Architekturführer, der 2010 erschien.
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Bibliographie A Guide to Japanese Architecture. Compiled by The Japan Architect Editorial Section, Nobuo Ito. Tokio, 1975. ARCH+ 151, „Minihäuser in der Megacity Tokio“. Aachen, 2000. Blyth, R. H.: Haiku. Volume 3. Summer – Autumn. Tokio, 1986. Bognar, Botond: The New Japanese Architecture. New York, 1990. Casa Brutus, Sonderausgabe „Traditional Japanese Architecture and Design“ (Teil 1), 4/2008. Fackler, Martin: „Japan Goes From Dynamic to Disheartened“, in New York Times vom 17. Oktober 2010. FUJIMOTO, Sou: Primitive Future. Tokio, 2008. Hagenberg, Roland: 20 Japanese Architects. Interviews and photos by Roland Hagenberg. Taiwan, 2009. Hara, Kenya: Weiss. Baden, 2009. Henrichsen, Christoph P.: Holzkultur Japan. Bauten, Gegenstände, Techniken. Basel, 2004. Hirai, Kiyoshi: The Japanese House Then and Now. Tokio, 1998. Hyatt, Peter and Hyatt, Jennifer: Designing with Glass: Great Glass Buildings. 50 modern classics. Mulgrave, Victoria, 2004. Isozaki, Arata: The Island Nation Aesthetic. London, 1996.
ISOZAKI Arata, ANDO Tadao, FUJIMORI Terunobu, ITO Toyo: 住宅の射程 (juutaku no shatei). Tokio, 2006. Japan Illustrated Encyclopedia: Keys to the Japanese Heart and Soul. Tokio, 2008 (19. Auflage). Kitayama, Koh, Tsukamoto, Yoshiharu, Nishizawa, Ryue: Tokyo Metabolizing. Tokio, 2010. Kurokawa, Kisho: Rediscovering Japanese Space. New York/Tokio, 1988. Locher, Mira: Traditional Japanese Architecture. An Exploration of Elements and Forms. Tokio/Rutland (Vermont)/Singapur, 2010. Nitschke, Günther: „Architektur und Ästhetik eines Inselvolks“. In: Hsrg. Schittich, Christian: Im Detail: Japan. Architekten, Konstruktionen, Stimmungen. Basel, 2002. Oshima, Ken Tadashi: Arata Isozaki. Wien/ London/New York, 2009. Pollock, Naomi: Modern Japanese House. Wien/London/New York, 2005. Rössler, Hannes: Minihäuser in Japan. Salzburg, 2000. Shinohara, Kazuo: Ju ¯ takuron (住宅論). Tokio, 1970. Taut, Bruno: Nippon mit europäischen Augen gesehen. Berlin, 2009. TAUT, Bruno: Houses and People of Japan. Tokio, 1937.
bildnachweis S. 10, 22: Tomio Ohashi, Tokio S. 11–14, 20: Claudia Hildner, München S. 15 rechts: Bauhaus Archiv, Berlin/Carl Rogge S. 15 links, 16: wikimedia/wiii (Creative Commons) S. 17: Hirayama Chuji, Tokio S. 19: Kawasumi Architectural Photography, Tokio S. 21: wikimedia/Peachkiller (Creative Commons) S. 23: Tadao Ando, Osaka S. 25: Mitsumasa Fujitsuka, Tokio S. 28–31, 76 oben, 77, 84–87: Ken‘ichi Suzuki, Tokio S. 32–35: Ryota Atarashi, Tokio S. 36, 38: Nakayama Hideyuki, Tokio S. 39, 40–41: Takumi Ota, Tokio
S. 42–45, 123–125: Atelier Bow-Wow, Tokio S. 48–51, 64 unten, 70–73, 110–113, 118–121: Daici Ano, Tokio S. 52–55, 128–133: Toshiyuki Yano, Tokio S. 56–58, 150–155: Iwan Baan, Amsterdam S. 62, 64 oben, 74, 76 unten, 96–98, 122: Shinkenchiku-sha, Tokio S. 66–69, 146–149: Koichi Torimura, Tokio S. 80–83, 114–117: Jun Igarashi Architects, Saroma S. 88–93, 138–143: Sergio Pirrone S. 99: Go Hasegawa, Tokio S. 100–103: Hiroshi Nakamura & NAP, Tokio S. 104–107: Kazuyasu Kochi, Tokio S. 134–137: Shinichi Ogawa, Hiroshima 159
Impressum Konzept: Claudia Hildner, Andrea Wiegelmann Autorin: Claudia Hildner Lektorat: Andrea Wiegelmann, Katharina Sommer Projektkoordination: Katharina Sommer Umschlag: Villa Kanousan, Yuusuke Karasawa Architects Foto: Sergio Pirrone Graphic Design & Book Production: ActarBirkhäuserPro Barcelona – Basel www.actarbirkhauserpro.com Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Zeichnungen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen (ISBN 978-3-0346-0744-5). Vertrieb: ActarBirkhäuserD Barcelona – Basel – New York www.actarbirkhauser-d.com
© 2011 Birkhäuser GmbH Basel Postfach, 4002 Basel, Schweiz Part of ActarBirkhäuser Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Spain ISBN 978-3-0346-0743-8
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