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German Pages 732 Year 2016
Peter Herrmann Kleinasien im Spiegel epigraphischer Zeugnisse
Peter Herrmann
Kleinasien im Spiegel epigraphischer Zeugnisse
Ausgewählte kleine Schriften Herausgegeben von Wolfgang Blümel
ISBN 978-3-11-048965-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049595-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049286-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Peter Herrmann (1927–2002), Epigraphiker und Althistoriker von höchstem internationalem Rang und Ansehen, hinterließ ein reiches und breit gefächertes Spektrum an Veröffentlichungen: Inschriftencorpora, Monographien, Aufsätze, Lexikonartikel, Rezensionen. Sie sind Zeugnisse einer außergewöhnlichen Gelehrsamkeit in allen Bereichen des Altertumswissenschaft. Im Kontakt mit Frau Dr. Eva Herrmann reifte der Plan, in Würdigung dieses Schaffens eine Auswahl der Kleinen Schriften herauszugeben. Anläßlich eines Besuchs in Buchholz nahm ich ein Konvolut mit Sonderdrucken „zu treuen Händen“ entgegen. Der vorliegende Band vereint 59 Aufsätze, die in weit gestreuten Zeitschriften, Festschriften, Kongreßakten und Akademiemitteilungen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, der Türkei, den Niederlanden, Griechenland und Rußland veröffentlicht sind. Nicht aufgenommen wurden umfangreiche Aufsätze, deren Sonderdrucke gebunden in den Bibliotheken zur Verfügung stehen, und Aufsätze, die in der Zeitschrift Chiron erschienen sind. Die einzelnen Beiträge wurden in einem einheitlichen Erscheinungsbild neu gesetzt; auf diese Weise eröffnete sich die Möglichkeit, Layout und Gliederung zu vereinheitlichen und die Zitierweise der Quellen- und Literaturangaben anzugleichen. Die Seitenzahlen der Ersteditionen sind am Rand angegeben. Interne Verweise und Hinweise auf neuere Editionen in Corpora und im Supplementum Epigraphicum Graecum sind in geschweiften Klammern ({}) eingefügt. Die Verlage, in deren Publikationen die hier versammelten Aufsätze erschienen sind, haben sich dankenswerterweise mit dem Wiederabdruck einverstanden erklärt. Urheber der abgedruckten Abbildungen war, wenn nicht anders angegeben, Peter Herrmann selbst. Die Vorlagen für die Photos und Zeichnungen sind den Erstpublikationen entnommen. Die Staatlichen Museen zu Berlin (Antikensammlung) haben die Genehmigung zum Wiederabdruck der Photos eines Inschriftsteins erteilt. Prof. Nicholas Cahill, The Archaeological Exploration of Sardis, Harvard University, hat im Gedenken an die langjährige, fruchtbare Zusammenarbeit mit Peter Herrmann großzügig neue Photos der besprochenen Inschriftsteine aus Sardeis zur Verfügung gestellt. W. B.
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Inschriften aus Lydien 1 Neue Inschriften zur historischen Landeskunde von Lydien und angrenzenden Gebieten 3 DenkschrWien, 77. Band, 1. Abhandlung, 1959, 1–17 2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien im Museum von Manisa 39 AnzWien, 98. Jahrgang 1961, Nr. 16, 1962, 119–127 51 3 Bericht über eine Reise in Nordostlydien AnzWien, 98. Jahrgang 1961, Nr. 21, 166–168 4 Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien AnzWien, 107. Jahrgang 1970, 92–103
55
5 Ehrendekret von Iulia Gordos 65 AnzWien, 111. Jahrgang 1974, 439–444 6 Men, Herr von Axiotta 73 S. Şahin – E. Schwertheim – J. Wagner (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens. Festschrift für Friedrich Karl Dörner zum 65. Geburtstag, Leiden 1978, I 415–423 7 Theoi Pereudenoi. Eine Gruppe von Weihungen und Sühninschriften aus der Katakekaumene 81 EpigrAnat 3, 1984, 1–17 8 Sühn- und Grabinschriften aus der Katakekaumene im Archäologischen Museum von İzmir 103 AnzWien, 122. Jahrgang 1985, 248–261 9 Zwei Ortsnamen in Lydien: Agatheira und Tibbai EpigrAnat 7, 1986, 17–19
119
10 Ἡ Ναειτηνῶν κατοικία. Ein Beitrag zur historischen Landeskunde des südöstlichen Lydien 125 H. Malay (Hrsg.), Erol Atalay Memorial (ADerg I), İzmir 1991, 77–85
VIII
Inhaltsverzeichnis
11 Epigraphische Forschungen in Lydien (Polybios aus Sardeis) 135 G. Dobesch – G. Rehrenböck (Hrsg.), Die epigraphische und altertumskundliche Erforschung Kleinasiens: Hundert Jahre Kleinasiatische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, DenkschrWien 236, 1993, 211–219 12 Sardeis zur Zeit der iulisch-claudischen Kaiser 147 E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien, Bonn 1995, 21–36 13 Neues vom Sklavenmarkt in Sardeis ADerg IV, 1996, 175–187
169
14 Grabepigramm aus Büyükbelen in Lydien ADerg V, 1997, 171–174
181
15 Die Karriere eines prominenten Juristen aus Thyateira Tyche 12, 1997, 111–123 16 Demeter Karpophoros in Sardeis REA 100, 1998, 495–508
185
199
17 Φιλίας ἀγαθῆς λόγος. Inschrift für einen Schauspieler in Sardeis Hyperboreus 6, 2000, 400–406
213
18 Italiker und Römer in Sardeis. Überlegungen zu zwei inschriftlichen Zeugnissen 221 J. Spielvogel (Hrsg.), Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, 36–44 19 Magier in Hypaipa 231 Hyperboreus 8, 2002, 364–369 20 Apollon de Pleura. Un sanctuaire rural en Lydie entre les époques hellénistique et romaine 237 S. Follet (Hrsg.), L’hellénisme d’époque romaine. Nouveaux documents, nouvelles approches (Ier s. a.C. – IIIe s. p.C.), Paris 2004, 277–285, mit einem Addendum von G. Petzl S. 286
Inhaltsverzeichnis
IX
Inschriften aus Milet 21 Grabepigramme von der milesischen Halbinsel Hermes 86, 1958, 117–121
249
22 Neue Urkunden zur Geschichte von Milet im 2. Jahrhundert v. Chr. IstMitt 15, 1965, 71–117
255
23 Zu den Beziehungen zwischen Athen und Milet im 5. Jahrhundert Klio 52, 1970, 163–173
303
24 Milesischer Purpur 315 IstMitt 25, 1975, 141–147 25 Eine Kaiserurkunde der Zeit Marc Aurels aus Milet IstMitt 25, 1975, 149–166
323
26 Fragment einer Senatsrede Marc Aurels aus Milet ‒ Nachtrag zu IstMitt 25, 1975, 149–166 343 IstMitt 38, 1988, 309–313 27 Kaiserzeitliche Grabinschriften mit Stephanephoren-Daten IstMitt 30, 1980, 92–98 28 Urkunden milesischer Temenitai IstMitt 30, 1980, 223–239
349
357
29 Der Kaiser als Schwurgottheit. Ein Inschriftenfragment aus Milet 377 E. Weber – G. Dobesch (Hrsg.), Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Festschrift für Artur Betz zur Vollendung seines 80. Lebensjahres, Wien 1985, 303–314 30 Die Weihinschrift der ersten römischen Bühne in Milet 385 W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven einer Ausgrabung, IstMitt Beih. 31, 1986, 175–185, mit einer Notiz von D. McCabe S. 186–189 31 Plädoyer für einen „Gespensternamen“ ZPE 68, 1987, 285–286 32 Ein Tempel für Caligula in Milet? IstMitt 39, 1989, 191–196
403
401
X
Inhaltsverzeichnis
33 Eine Mosaikinschrift aus Milet ADerg II, 1994, 89–97
411
34 Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkults 421 IstMitt 44, 1994, 203–236 35 Eine Liste mit Zeus-Epitheta aus Milet Hyperboreus 1, 1994/95, 118–127
465
36 Eine neue historische Inschrift aus Milet 473 Ch. Ulf (Hrsg.), Ideologie – Sport – Außenseiter. Aktuelle Aspekte einer Beschäftigung mit der antiken Gesellschaft, Innsbruck 2000, 265–272 (zusammen mit Joachim Ebert †) 37 Milet au IIe siècle a.C. 479 A. Bresson – R. Descat (Hrsg.), Les cités d’Asie Mineure occidentale au IIe siècle a.C., Bordeaux 2001, 109–116 38 Zur römischen Zollstation in Milet
491
Inschriften aus verschiedenen Regionen 39 Noch einmal: Knidische Richter in Smyrna ZPE 7, 1971, 69–72
499
40 Statue Bases of the Mid-Third Century A.D. from Smyrna EpigrAnat 36, 2003, 1–10 41 Zum Beschluß von Abdera aus Teos Syll.3 656 ZPE 7, 1971, 72–77
503
515
42 Eine berühmte Familie in Teos. Epigraphische Nachlese 521 C. Işık (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens und des ägäischen Bereiches. Festschrift für Baki Öğün zum 75. Geburtstag, Bonn 2000, 87–97 43 Ein ἐξηγητὴς Εὐµολπιδῶν in Eleusis ZPE 10, 1973, 79–85
533
44 Cn. Domitius Ahenobarbus ‒ patronus von Ephesos und Samos ZPE 14, 1974, 257–258
539
Inhaltsverzeichnis
45 Nochmals zu dem Brief Attalos’ II. an die Ephesier ZPE 22, 1976, 233–234
XI
541
46 Die Stadt Temnos und ihre auswärtigen Beziehungen in hellenistischer Zeit 543 IstMitt 29, 1979, 239–271 47 Chresimus, procurator lapicidinarum. Zur Verwaltung der kaiserlichen Steinbrüche in der Provinz Asia 581 Tyche 3, 1988, 119–128 48 Eine ‚pierre errante‘. Ephebenkatalog aus Iasos in Milet ADerg III, 1995, 93–99 49 Epigraphische Notizen 1–3 EpigrAnat 19, 1992, 115–117
601
50 Epigraphische Notizen 4–9 EpigrAnat 20, 1992, 69–73
605
51 Epigraphische Notizen 10–12 EpigrAnat 21, 1993, 71–75
593
611
52 Epigraphische Notizen 13 617 EpigrAnat 25, 1995, 103–105 53 Epigraphische Notizen 14–15 EpigrAnat 27, 1996, 55–61
621
54 Epigraphische Notizen 16–17 EpigrAnat 28, 1997, 145–148
629
55 Epigraphische Notizen 18–20 EpigrAnat 31, 1999, 31–34
635
Übergreifende Darstellungen 56 Kaiserliche Garantie für private Stiftungen. Ein Beitrag zum Thema „Kaiser und städtische Finanzen“ 641 W. Eck – H. Galsterer – H. Wolff (Hrsg.), Studien zur antiken Sozialgeschichte. Festschrift Friedrich Vittinghoff, Köln/Wien 1980, 339–356
XII
Inhaltsverzeichnis
57 Die Selbstdarstellung der hellenistischen Stadt in den Inschriften: Ideal und Wirklichkeit 657 Πρακτικὰ τοῦ ηʹ ∆ιεϑνοῦς Συνεδρίου Ἑλληνικῆς καὶ Λατινικῆς Ἐπιγραϕικῆς, Ἀθήνα, 3–9 Ὀκτωβρίου 1982, Athen 1984, I 108–119 58 Γέρας ϑανόντων. Totenruhm und Totenehrung im städtischen Leben der hellenistischen Zeit 671 M. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus, München 1995, 189–197 59 Das κοινὸν τῶν Ἰώνων unter römischer Herrschaft 685 N. Ehrhardt – L.-M. Günther (Hrsg.), Widerstand ‒ Anpassung ‒ Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom. Festschrift für Jürgen Deininger zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, 223–240
Schriftenverzeichnis
703
Indices Corpora, Reihen, Zeitschriften. Inventarnummern. Literarische Quellen. Sachindex. Hellenistische Könige. Römische Kaiser. Prominente Persönlichkeiten. Götternamen. Geographische Namen. Personennamen. Griechische Wörter. Lateinische Wörter 709
Inhaltsverzeichnis
XIII
Verzeichnis nach Ersteditionen ADerg II, 1994, 89–97 411 ADerg III, 1995, 93–99 587 ADerg IV, 1996, 175–187 169 ADerg V, 1997, 171–174 181 AnzWien 98, 1961, 119–127 39 AnzWien 98, 1961, 166–168 51 AnzWien 107, 1970, 92–103 55 AnzWien 111, 1974, 439–444 65 AnzWien 122, 1985, 248–261 103 A. Bresson – R. Descat (Hrsg.), Les cités d’Asie Mineure occidentale au IIe siècle a.C., Bordeaux 2001, 109–116 479 DenkschrWien 77, 1959, 1–17 3 DenkschrWien 236, 1993, 211–219 135 EpigrAnat 3, 1984, 1–17 81 EpigrAnat 7, 1986, 17–19 119 EpigrAnat 19, 1992, 115–117 595 EpigrAnat 20, 1992, 69–73 599 EpigrAnat 21, 1993, 71–75 605 EpigrAnat 25, 1995, 103–105 611 EpigrAnat 27, 1996, 55–61 615 EpigrAnat 28, 1997, 145–148 623 EpigrAnat 31, 1999, 31–34 629 EpigrAnat 36, 2003, 1–10 497 S. Follet (Hrsg.), L’hellénisme d’époque romaine, Paris 2004, 277–286 237 FS Betz, Wien 1985, 303–314 377 FS Bleicken, Stuttgart 2002, 36–44 221 FS Deininger, Stuttgart 2002, 223–240 679 FS Dörner, Leiden 1978, I 415–423 73 FS Öğün, Bonn 2000, 87–97 515 FS Vittinghoff, Köln/Wien 1980, 339–356 635 Hermes 86, 1958, 117–121 249 Hyperboreus 1, 1994/95, 118–127 465 Hyperboreus 6, 2000, 400–406 213 Hyperboreus 8, 2002, 364–369 231 IstMitt 15, 1965, 71–117 255 IstMitt 25, 1975, 141–147 315 IstMitt 25, 1975, 149–166 323 IstMitt 29, 1979, 239–271 537 IstMitt 30, 1980, 92–98 349 IstMitt 30, 1980, 223–239 357
XIV
Inhaltsverzeichnis
IstMitt 38, 1988, 309–313 343 IstMitt 39, 1989, 191–196 403 IstMitt 44, 1994, 203–236 421 IstMitt Beih. 31, 1986, 175–189 385 Klio 52, 1970, 163–173 303 H. Malay (Hrsg.), Erol Atalay Memorial (ADerg I), İzmir 1991, 77–85 125 Πρακτικὰ τοῦ ηʹ ∆ιεϑνοῦς Συνεδρίου Ἑλληνικῆς καὶ Λατινικῆς Ἐπιγραϕικῆς (Athen 1982) I, Athen 1984, 108–119 651 REA 100, 1998, 495–508 199 E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien, Bonn 1995, 21–36 147 Tyche 3, 1988, 119–128 575 Tyche 12, 1997, 111–123 185 Ch. Ulf (Hrsg.), Ideologie – Sport – Außenseiter, Innsbruck 2000, 265–272 473 M. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus, München 1995, 189–197 665 ZPE 7, 1971, 69–72 493 ZPE 7, 1971, 72–77 509 ZPE 10, 1973, 79–85 527 ZPE 14, 1974, 257–258 533 ZPE 22, 1976, 233–234 535 ZPE 68, 1987, 285–286 401
Inschriften aus Lydien
1 N eue Inschriften zur historischen Landeskunde von Lydien und angrenzenden Gebieten Josef Keil zum 13. 10. 1958 Die hier mitgeteilten Inschriften stammen aus dem Ertrag von zwei kürzeren Forschungsreisen im westlichen Kleinasien im Sommer 1956 und 1957, die im Auftrag der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zu dem Lydienband der TAM unternommen wurden. Dabei war die eine Aufgabe die weitere Sichtung der in das für diesen ganzen Raum zentrale Museum von Manisa gelangten Inschriften, insbesondere der Neueingänge. Aus diesem Material werden hier – in der Nachfolge der Publikationen von J. und L. Robert1 und F. Gschnitzer – J. Keil2 – einige interessante Neufunde bekannt gemacht. Daneben wurden mehrere lokal begrenzte Räume zum Zwecke der Revision alten und der Aufnahme eventuellen neuen Materials eingehender durchforscht. Hier konnten besonders in Nordwestlydien, im Raum der Städte Thyateira (Akhisar) und Apollonis, einige vor allem für topographisch-landeskundliche Fragen aufschlußreiche Neufunde gemacht werden. Die wichtigsten Ergebnisse beider Unternehmungen sind im folgenden nach Sachgruppen zusammengestellt. Die Arbeiten im Museum von Manisa wurden durch freundliche Unterstützung der Generaldirektion der Museen und Altertümer in Ankara sowie durch den Direktor Kemal Polatkan wesentlich gefördert. Bei der Auswertung der Ergebnisse haben L. Robert und Ch. Habicht wertvolle Bemerkungen und Ergänzungen beigesteuert, wofür an dieser Stelle herzlichst gedankt sei. Besonderer Dank gilt meinem Wiener Lehrer Josef Keil, der die Arbeit der Akademie vorgelegt und ihren Druck in jeder Weise gefördert hat.
1 Städte und städtische Einrichtungen Von den vier in dieser Gruppe vereinigten Inschriften betreffen die beiden ersten, der zur Lagebestimmung des alten lydisch-griechischen Handelsplatzes Hermokapeleia helfende Meilenstein und der seleukidische Grenzstein, das große Problem der Gebietsabgrenzung zwischen dem asiatischen Binnenlande und dem griechischen
DenkschrWien, 77. Band, 1. Abhandlung, 1959, 1–17 und 18 Abbildungen. 1 J. und L. Robert, Hellenica VI (1948), dort 123 ff. auch eine Übersicht über schon früher edierte Inschriften im Museum von Manisa; dieselben, Hellenica IX (1950) 7–28. 2 F. Gschnitzer – J. Keil, Neue Inschriften aus Lydien, AnzWien, Jahrgang 1956, Nr. 18, 219–231.
4
Inschriften aus Lydien
Küstenbereich; die dritte Inschrift gibt einen kleinen Beitrag zu der den hellenischen Charakter der Attalidengründung bezeugenden Ephebie von Apollonis, die vierte erweist den Fortbestand einer den Namen Asias tragenden Phyle von Sardeis noch in der Kaiserzeit.
Hermokapeleia Die Lokalisierung der Stadt Hermokapeleia ist eines der alten topographischen Probleme, wie sie der lydische Raum trotz der mehrfachen genauen Durchforschung auch heute noch in nicht geringer Zahl bietet. Die auf Grund von geographischen und numismatischen Kriterien erschlossene Zugehörigkeit dieser Stadt zum nordwestlydischen Raum konnte durch den Fund einer den Ort nennenden Rundbasis durch Keil und v. Premerstein epigraphisch gestützt und auch räumlich näher präzisiert werden (Zweite Reise n. 124 {TAM V 2 n. 1234}, dazu S. 57 f.). Dazu kann nun ein Neufund gleicher Art gestellt werden: 1. Sırtköy, als Stütze in der Vorhalle der Moschee, zum Teil im Boden versenkt. Rundsäule aus Kalkstein; H. mindestens 0,68, Durchmesser 0,26 m. An den Seiten moderne Einarbeitungen (Abschrift, Abklatsch). {TAM V 2 n. 1236} 2
[Τ]οὺς γ[ῆ]ς καὶ ϑαλάσ [σ]ης καὶ πάντων [ἀ]ν [ϑ]ρώπων ἔϑνους δεσ πότας ἡμῶν αὐτοκ[ράτ]ορα[ς? 5 - - - - - - - - - - - - - - - - Αὔγουστον λαμπρὰ Λυδῶν [? Ἑρμοκαπηλειτῶν πό[λις ]α Man sieht sofort, daß es sich um ein offenbar ziemlich gleichlautendes Gegenstück zu der von Keil – v. Premerstein veröffentlichten Inschrift handelt3. Leider ist die Entzifferung erschwert durch die jetzige Lage des Steins, durch die sehr poröse, rauhe Beschaffenheit seiner Oberfläche sowie durch sehr undeutliche Spuren einer zweiten (bzw. früheren?) Beschriftung. Nur Anfang und Ende konnten einigermaßen sicher gelesen werden; bei den Kaisernamen sind die Buchstabenreste zu gering, um eine Herstellung – auch im Anschluß an den früher gefundenen Text – zu erlauben. In diesem waren Konstantin I. und seine drei Söhne genannt, wodurch die Inschrift 3 Die einzigen sicher erkennbaren Abweichungen bestehen in der Variante πάντων ἀνϑρώπων ἔϑνους statt des üblichen παντός im ersten Exemplar (für die Formel vgl. L. und J. Robert, La Carie II n. 189) und in der Hinzufügung des Epithetons λαμπρά im Stadttitel. Auch die Schrift ist ähnlich; nur statt verwendet der neue Stein die runden Formen.
1 Neue Inschriften zur historischen Landeskunde von Lydien
5
in die Jahre 333–337 datiert werden konnte. Man wird nicht zögern, auch den neuen Stein – eben als so weitgehendes Parallelstück – in dieselbe Zeit zu setzen. Aber damit stellt sich auch gleich die Frage nach dem Zusammenhang beider Steine und damit nach ihrem Verwendungszweck. Keil – v. Premerstein hatten wegen des Fehlens einer Entfernungsangabe geschlossen: „Der Stein ist demnach anscheinend kein Meilenzeiger, sondern eine gewöhnliche Ehrenbasis.“ Aber in der letzten Zeile scheint hier doch der Rest einer Entfernungsangabe vorzuliegen, und auch die Ausmaße der Säule (das ältere Exemplar hatte immerhin einen Durchmesser von 51 cm) schließen eine andere Verwendung als die als Meilenstein eigentlich aus und die Tatsache des Duplikats spricht gerade für diesen Verwendungszweck. Nun ist es freilich für den Versuch der Lokalisierung eines Ortes besonders mißlich, nur von zwei Meilensteinen ausgehen zu können, bei denen nicht nur die Meilenzahl, sondern überhaupt die Herkunft, d. h. die Fundorte nicht feststellbar sind. Aber vielleicht kann man doch zu einiger Gewißheit kommen. Das erste Exemplar wurde bei der Moschee von Sindelli abgeschrieben, einem Dorf etwa 5 km südwestlich von Yayaköy und 10 km nordwestlich von Palamut, um die beiden bekanntesten Orte dieses Raumes zu nennen. Die Ortschaft liegt durchaus im „offenen“ Gelände, und die Herausgeber bemerkten mit Recht, daß der Stein auch aus größerer Entfernung verschleppt sein könnte. Das neue Exemplar nun steht in Sırtköy, das bei Keil – v. Premerstein noch unter dem Namen Isir Kjöi erwähnt wird. Dieser Ort liegt noch etwas weiter westlich, am Südrand einer kleinen Ebene, die sich als westlichster Zipfel des fruchtbaren nordwestlydischen Landes am weitesten in die Berge hineinschiebt. Ihr Hauptort ist heute das Dorf Büknüş. Diese Ebene ist an drei Seiten von recht schroffen Bergzügen eingerahmt, und auch ihre natürliche Öffnung nach Osten hin wird durch eine Reihe von Hügeln verengt, so daß eine recht abgeschlossene Beckenlandschaft entsteht. Bei dieser Lage der Dinge ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der in Sırtköy abgeschriebene neue Stein auch tatsächlich aus diesem Raume stammt. Nun ist aber als einzig gangbarer Verkehrsweg hier nur eine Straßenführung aus diesem Becken heraus denkbar, die eben gegen Osten bzw. Südosten hin in die größere Ebene von Palamut-Apollonis und weiter zum Lykostale führt. Auch die modernen Straßenverbindungen bestätigen das4. – Nach der Lage | der Fund- bzw. Aufbewahrungsorte können nun die beiden den Namen Hermokapeleias nennenden Meilensteine sehr gut gerade von einer solchen südöstlich verlaufenden Straße stammen.
4 Die heutige Straße, die auch von einem Autobus benutzt wird, führt von Akhisar über Palamut, Dereköy, Erdelli nach Büknüş und endet dann nach einer steilen Bergstrecke in dem westlich oberhalb der Ebene auf einer Hochfläche gelegenen Arabacı Bozköy. Dieses liegt schon ganz in dem unwegsamen Bereich des eigentlichen Yuntdağ. In etwa 4-stündigem Fußmarsch kann man von dort über einsame Hirtensiedlungen zu den Ruinen von Mamurt Kale gelangen, dem monumentalen Kybelealtar des Philetairos.
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Inschriften aus Lydien
Weiter ergibt sich aber aus der eben geschilderten Situation, daß man den Ausgangspunkt dieser Straße eigentlich nur in dem genannten Becken von Büknüş selbst vermuten kann. Nun gibt es hier tatsächlich eine antike Siedlungsstätte, die schon von Keil – v. Premerstein registriert und auch an erster Stelle als mögliche Ortslage von Hermokapeleia angeführt worden ist (so auch auf der beigegebenen Karte). Der neugefundene Stein kann doch wohl als eine Bestätigung des damals nur Vermuteten angesehen werden und die dort noch erwogenen anderen Möglichkeiten nunmehr ausschließen5. Der genannte Platz liegt etwa auf halbem Wege zwischen den Dörfern Süleymanköy6 und Büknüş, im Nordostwinkel des oben geschilderten Beckens, angelehnt an den Westhang des markanten Beşiktepe (,,Wiegenberg“, nach der Form), der selbst einen der diesen Raum abschließenden Querriegel bildet. Zwischen ihm und einigen niedrigeren Hügeln im Westen ist eine nahezu einen Quadratkilometer große ebene Fläche weithin übersät mit Ziegelresten und Tonscherben. Von dem etwa in der Mitte gelegenen großen Brunnen (Baklalı Çeşme) haben schon Keil – v. Premerstein erwähnt, daß er sehr viel antikes Material enthält. Noch mehr Interesse erregt ein etwas nördlich davon – noch mitten in der Siedlungsfläche – gelegenes kleines Wäldchen, wo dicht verwachsen unter dem Gestrüpp eine große Menge antiker Blöcke und zum Teil bearbeiteter größerer Architekturstücke liegt. Der Befund deutet auf eine größere Bauanlage7, wohl römischer oder byzantinischer Zeit. Außerdem gibt es noch südöstlich der genannten Siedlungslage auf einem isolierten kleineren Hügel (Cingaran tepe, d. h. Zigeunerhügel) die Ruine einer byzantinischen Kapelle. Antike Steine und Architekturteile schließlich sind in großer Zahl auch in den übrigen Dörfern dieser Ebene verbaut, besonders in Büknüş. Dabei handelt es sich meistens um einen schönen rötlichen Marmor, der in dieser Gegend viel verwendet wurde8. Alles in allem muß nach dem Eindruck dieses Platzes – der sich von den umliegenden Höhen gut überblicken läßt9 – unbedingt von einer recht bedeutenden Sied-
5 Das ist die von C. Schuchhardt (AM 24, 1899, 157) festgestellte Ortslage an der Arlak Çeşme bei Yayaköy und der ausgedehnte Siedlungsplatz bei der Kara Biber Mandra nordwestlich von Akhisar. Diese beiden Punkte liegen nun entschieden zu weit östlich. Der früher von Buresch, Aus Lydien 191 vorgeschlagene Platz bei Gökçeköy (der noch auf der türkischen archäologischen Karte von Rüstem Duyuran, İzmir 1952, für Hermokapeleia in Anspruch genommen wird) war schon durch die Entdeckung des ersten Steins ausgeschlossen worden. 6 Die in diesem Dorf abgeschriebene Inschrift für Septimius Severus, Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 123 (IGR IV 1735 {TAM V 2 n. 1232}) ist noch an Ort und Stelle. Sie kann nach Hermokapeleia oder auch nach Apollonis gehören. 7 Die Einheimischen nennen den Platz Eski Mezarlık, d. h. alter Friedhof, aber das ist er sicher nicht gewesen, weder in antiker noch in türkischer Zeit. 8 Für den südwestlich anschließenden Raum von Sarıcam vgl. die Bemerkungen bei J. und L. Robert, Hellenica VI 64; auch im Raum von Apollonis ist dieser Marmor häufig zu sehen. 9 Abb. 1 gibt die Lage der eigentlichen Siedlungsstätte wieder, mit dem charakteristischen Beşiktepe im Hintergrund. Auf Abb. 2 ist das vermutliche Zentrum der Ortslage zu sehen, das oben geschilderte Wäldchen mit den antiken Steinen.
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lung gesprochen werden. Es steht von dieser Seite sicher nichts im Wege, sie mit der gesuchten Stadt Hermokapeleia in Verbindung zu bringen. Aus den spärlichen Quellenstellen über diesen Ort (zusammengestellt bei Keil – v. Premerstein a. a. O.) geht hervor, daß er in byzantinischer Zeit eine gewisse Bedeutung gehabt hat. Das würde durchaus dem Befund entsprechen. Andererseits deutet aber gerade die in die ältere lydische Geschichte verflochtene Gründungssage, die uns ein Fragment des Nikolaos von Damaskos (FgrHist 90 F 44), vielleicht nach Xanthos, bewahrt hat, darauf hin, daß die Stadt schon früher in der lydischen Tradition eine Rolle gespielt haben muß. Ob man davon in dem auf dem neuen Stein aufgetauchten „Stadttitel“ ἡ λαμπρὰ Λυδῶν Ἑρμοκαπηλειτῶν πόλις noch einen schwachen Nachklang erkennen kann? Nach eben dieser Gründungssage hat ein Schankwirt Thyessos, vom König Ardys für sein schlaues, entschlossenes Handeln mit Atelie belohnt, dort einen Markt und ein Hermaion, ein Hermesheiligtum, gegründet. Über das Weiterbestehen dieses Heiligtums ist nichts bekannt. Immerhin mag ganz vermutungsweise die Frage aufgeworfen werden, ob nicht die oben erwähnten größeren | Architekturreste im Zentrum der Ortslage damit in Verbindung gebracht werden könnten. Schließlich noch eine andere kleine Einzelheit zu der Erzählung des Nikolaos: Dort ist die genannte Schenke des Thyessos eine Station auf dem Fluchtweg, auf dem Kerses nach der Ermordung des Usurpators Spermos von Sardeis nach Kyme zu Ardys entweichen will. Gerade auch das verträgt sich gut mit unserem Lokalisierungsversuch: Der Mörder hatte ein Interesse, nicht etwa die Hauptverkehrsader des Hermostales zu benutzen, sondern auf möglichst einsamen Wegen zu entkommen. Dafür war das Bergland nördlich dieses Tales besonders geeignet, und eben an seinem unmittelbaren Einstieg liegt ja auch die beschriebene Ortslage. Vielleicht kann doch noch einmal ein Inschriftenfund die endgültige Bestätigung für die Lage von Hermokapeleia bringen; auch Münzfunde könnten hier von Nutzen sein. Vor allem aber scheint es nach den Eindrücken an Ort und Stelle nicht ausgeschlossen, daß eine nähere Untersuchung des Ruinenplatzes selbst noch wertvolle Aufschlüsse ergeben kann.
Grenzstein des Territoriums von Aigai 2. Poröser brauner Kalkstein, unten gebrochen; H. 0,36, B. 0,40, D. 0,17 m; Buchstabenhöhe 3–3,5 cm, Zeilenabstand ca. 1,5 cm (Abschrift, Photographie: Abb. 3). Aus Çamlıcaköy, jetzt Manisa, Museum Inv.-Nr. 1172. {I.Manisa Museum 2} Συντάξαν τος βασιλέως Ἀντιόχου ὅροι τῆς Αἰγαΐδος 5 οἱ τεϑέντες ὑ πὸ Ἀπελλέους
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τοῦ Μητροδώ [ρου το]ῦ
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Bereits gelegentlich ihrer ersten lydischen Reise haben Keil und v. Premerstein am Rande des Berglandes nordwestlich von Manisa zwei späthellenistische Grenzsteine mit der Aufschrift Ὅροι Αἰγαέων gefunden (Erste Reise n. 204, 205). Zusammen mit zwei in derselben Gegend abgeschriebenen Grenzsteinen von Myrina gaben diese Funde näheren Aufschluß über die östliche Erstreckung des Territoriums der Stadt Aigai – der Αἰγαΐς, wie es die neue Inschrift bezeichnet – sowie über deren vermutliche Grenznachbarn in diesem Raum: offenbar eine landeinwärts gelegene Enklave der Küstenstadt Myrina. Auch der hier neu mitgeteilte Grenzstein stammt aus derselben Gegend: das Dorf Çamlıcaköy (bei R. Kiepert Tschamlidja) liegt noch etwas tiefer in den Bergen, etwa 10 km nördlich der Dörfer Egriköy und Çerkesköy, wo Keil – v. Premerstein i. J. 1906 die anderen Grenzsteine abgeschrieben haben, etwas westlich von dem größeren Ort Sarma. Unsere Inschrift spricht von einer Grenzregulierung, die auf Befehl des Königs Antiochos durch einen damit Beauftragten namens Apelles10 durchgeführt wurde11. Das führt zunächst auf die Frage der Datierung: welcher Antiochos ist hier gemeint? Die Antwort hängt unmittelbar zusammen mit dem Problem der Geschichte von Aigai im 3. Jhdt. v. Chr.; wir haben dafür nämlich nur ein einziges Zeugnis in der Nachricht des Polybios (V 77) über den (Wieder-)Anschluß dieser Stadt an Attalos I. im Jahre 218, nach der vorübergehenden Beherrschung durch Achaios. Es ist aber nicht überliefert, wann bzw. unter welchem Herrscher Pergamon seinen Einfluß über diese Stadt ausgedehnt hat, und in der neueren Forschung sind auch die verschiedensten Möglichkeiten vertreten worden12. In der Entscheidung dieser Frage könnte unser neuer Text, ein Dokument für die vorhergehende seleukidische Epoche von Aigai, als eine Art terminus ante quem non eine wichtige Rolle spielen. Leider versagt ein chronologischer Anschluß über die Prosopographie: der genannte Apelles, Sohn des Metrodoros, scheint anderweitig nicht | bekannt zu sein.
Man ist allein auf die Datierung nach der Schrift angewiesen und damit auf recht
10 Nach der Filiation war wohl der Rang oder die Funktion dieses Apelles genannt, in einer Konstruktion mit κατά (etwa τοῦ κατὰ Λυδίαν – oder ein engeres Gebiet – οἰκονόμου, διοικητοῦ o. ä.: L. Robert). 11 Als weitgehende Parallele in der Formulierung sei hier ein Grenzstein aus der Zeit Hadrians zitiert: MAMA V 60 [ὅρο]ι μεταξὺ Δορυλαέων [καὶ Νικ]αιέων οἱ τεϑέντες κατὰ κέλευσιν Αὐτοκράτ(ορος) Καίσ(αρος) Τραιαν(οῦ) Ἁδριανοῦ Σεβ(αστοῦ) π(ατρὸς) π(ατρίδος) διὰ Γ(αίου) Ἰουλ(ίου) Σεουήρου πρεσ β(ευτοῦ) αὐτοῦ ἀντιστρατήγου. 12 Zugehörigkeit von Aigai bereits zum Macht- oder doch zumindest Einflußbereich des Philetairos erwägt E. Meyer, Grenzen d. hellenist. Staaten 95, vgl. 102. (Er argumentiert dabei vor allem mit der Weihung des Philetairos an den Apollon Chresterios von Aigai OGI 312, vgl. L. Robert, Études anatoliennes 86). Erwerbung dieses Gebietes durch Eumenes I. nimmt an E. V. Hansen, The Attalids of Pergamon 40. C. Schuchhardt schließlich (Altertümer von Aegae, JdI Erg.-Heft 2, 64) kommt auf die Zeit Attalos’ I. (vgl. L. Robert, Études anatoliennes 83).
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schwankendem Boden. Immerhin scheint danach das letzte Jahrhundertviertel, also Antiochos III., nicht mehr in Frage zu kommen. Man wird doch bis zur Jahrhundertmitte oder auch noch etwas darüber gehen müssen13, also am ehesten auf Antiochos II. Theos (261–246) kommen. In ihren historischen Konsequenzen trifft eine solche Datierung auf das beste zusammen mit einer numismatischen Beobachtung: nämlich dem Erscheinen von Aigai unter den lokalen Münzstätten der Seleukiden gerade (und nur) unter Antiochos II.14 Durch beide Zeugnisse wird also wohl die Zugehörigkeit dieser Stadt (und ebenso des Nachbarorts Myrina, das ebenfalls Münzstätte war) zum seleukidischen Herrschaftsbereich für die Mitte des dritten Jahrhunderts gesichert.
Doch worum ging es bei dieser Grenzfestlegung im königlichen Auftrag, die unser Stein dokumentiert? Wir besitzen einige spärliche Nachrichten über die Befassung hellenistischer Könige mit städtischen Grenzfragen. Das sind in der Regel solche Fälle, wo der Herrscher in Grenzstreitigkeiten zweier Städte um eine Entscheidung gebeten wird und diese dann auch selbst trifft oder andere damit betraut, also lediglich die Rolle des Schiedsrichters in dem im Hellenismus so sehr verbreiteten Sinne übernimmt15. Die Texte, die uns gelegentliche Einblicke in dieses Verfahren gestatten, stammen in der Hauptsache aus der besonderen Dokumentengruppe der „diplomatischen Korrespondenz“, vornehmlich der Dekrete und Königsbriefe. Demgegenüber ist unser Stein ein unmittelbares Zeugnis der Ausführung eines königlichen Auftra-
13 Es ist keine Frage, daß es eine typische Schrift des 3. Jhdt.s ist, aber viele der charakteristisch scheinenden Buchstaben (verkleinerte Omikron, Theta, Omega, das Xi ohne senkrechten Mittelstrich) sind für nähere Datierung innerhalb des Jahrhunderts nicht verwendbar. Für Hinaufdatierung mindestens bis zur Jahrhundertmitte sprechen vor allem die Formen des Ny (mit der noch stark verkürzten rechten Haste), des My (Hasten noch schräg) und Pi. Auch die (sehr schwankenden) Formen des Sigma vertragen sich wohl damit. Ein sehr ähnliches Schriftbild zeigt etwa der Stein IvPergamon 18 aus der späteren Regierungszeit des Eumenes I. 14 Bereits festgestellt von Babelon, Rois de Syrie 26; neuerdings E. T. Newell, The Coinage of the Western Seleucid Mints, New York 1941, 306 ff. 15 Das berühmteste Beispiel ist der langwierige Grenzstreit zwischen Samos und Priene, in dem hellenistische Herrscher mehrfach bemüht worden sind. Wir besitzen einen Entscheid des Lysimachos in dem Brief an die Samier OGI 13 (Welles, Royal Correspondence 7 {IG XII 6,1, 155}); in dem dieselbe Angelegenheit betreffenden rhodischen Schiedsspruch (IvPriene 37 {IvPriene (2014) 132}) werden in der allerdings sehr verstümmelten Rekapitulation des ganzen Falles ebenfalls mehrere Könige erwähnt (Z. 76 f., 92, 125, 137 ff.). Ähnlich war in dem wahrscheinlich Grenzstreitigkeiten zwischen Thyateira und Hierokaisareia betreffenden Bescheid eines römischen Magistrats (Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 18 {TAM V 2 n. 859}) mit der Wendung regiis con[stitutionibus] vielleicht auch auf frühere königliche Entscheidungen, hier wohl der Attaliden, hingewiesen. Einem Attaliden zugesprochen wird auch der Herrscherbrief IvPriene 27 (Welles 46 {IvPriene (2014) 141}), der eine Grenzregulierung zwischen Milet und Priene durch Schiedsrichter aus Smyrna einleitet. Aufschlußreich für das hier gemeinte Verfahren ist schließlich auch eine Stelle ICret. IV 176, 26 ff. (IvMagnesia 65), wo es heißt: [π] ερὶ ὧν δὲ Γορτύνιοι καὶ Κνώσιοι διαφέ[ρονται, βασιλ]εῖ Πτολεμαίωι (Epiphanes) κριτᾶι ἐπιτραπόμ[εϑα, ὅπως ἁμῖν] περὶ τούτων διαλάβηι. Für diese Rolle des Herrschers vgl. A. Heuß, Stadt und Herrscher im Hellenismus in ihren staats- und völkerrechtlichen Beziehungen, Klio Beiheft 39, 1937, 143 f.
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ges, das uns jede Auskunft über die politischen Hintergründe dieser Angelegenheit versagt. Die oben erwähnten früheren Funde von Grenzsteinen von Aigai und Myrina in eben diesem Raum können leicht auf die Vermutung führen, unser Dokument gehöre in denselben Zusammenhang, habe also eine Grenzregulierung zwischen griechischen Städten zum Inhalt. Aber es fällt zunächst auf, daß über das Nachbarterritorium nichts gesagt wird16. Und die Wendung συντάξαντος βασιλέως Ἀντιόχου, „auf Befehl“17 des Königs, läßt auch nicht ohne weiteres an eine bloße Schiedsrichterrolle des Herrschers denken. Das kann auf die Annahme führen, daß es sich hier um einen ganz anderen Fall handelt, der den König viel unmittelbarer anging, nämlich um eine Abgrenzung des Stadtgebietes von Aigai gegen sein eigenes Territorium, das Königsland, womit Antiochos seinen für dieses Gebiet zuständigen Funktionär betraut hätte (so L. Robert und J. Keil). Unser Stein wäre dann ein interessantes Dokument für die Frage des Verhältnisses von Polisland und χώρα βασιλική bzw. der Festlegung und Begrenzung des städtischen Territoriums (und zwar einer alten Griechenstadt, nicht etwa einer Neugründung) durch königliche Machtbefugnis. Daß jedenfalls gerade in diesem Raume südöstlich von Aigai Grenzfragen immer wieder aktuell werden mußten, versteht sich aus der | geographischen Lage ohne weiteres: hier näherte sich das Territorium von Aigai der Hermosebene, hier konnte die tief in den Bergen gelegene Stadt am ehesten fruchtbares Land erreichen. Die hier besprochene Grenzziehung im königlichen Auftrag sowie die durch die Funde von Keil – v. Premerstein bekannt gewordene Abgrenzung gegen die Enklave der Stadt Myrina (die nach der Datierung als „späthellenistisch“ jüngeren Datums zu sein scheint als unser besprochener Stein) müssen nach den Fundorten der Inschriften noch ganz im Bergland verlaufen sein. Erst für die Kaiserzeit wird durch verschiedene Funde deutlich gemacht, daß das Territorium von Aigai sich bis an den Rand der hyrkanischen Ebene ausgedehnt hat18.
Ephebenliste von Apollonis 3. Dereköy. Marmorblock, rechts abgeschlagen (linker Rand beschädigt, aber erhalten); H. 0,28, B. ca. 0,70, D. ca. 0,70 m; Buchstabenhöhe 2,3 cm, Namen 1,8 cm (Abschrift, Photographie: Abb. 4). {TAM V 2 n. 1208} [ ca. 5 ]νης τῆς Προμένους [φι]λοπάτριδος καὶ ἀλειφούσης [γ]υμνασιαρχοῦντος δὲ Τρ [τ]ὸ τρίτον vac. ἐφηβαρχο[ῦντος 16 Vgl. dagegen etwa die Formulierung in dem S. 8 Anm. 11 zitierten Grenzstein. 17 συντάττω = iubeo im Index bei Dittenberger, OGI; vgl. auch die Indices bei Welles, Royal Correspondence 400. 18 Dazu L. Robert, Études anatoliennes 93 Anm. 5.
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[ . ]να Κέλερος οἱ ἐφηβεύσαντε[ς Μᾶρκος Μάρκου ΜΙ[ Μηνόδωρος Βοτρέους Δο[ Ἡρακλίδης Ἀλεξάνδρου Ἀπολλώνιος Μενε̣ λ̣ά̣ο̣ υ̣ Μενέμαχος Μενεμ̣ά̣χ̣[ου]? --------------------
Von den für die Geschichte der Ephebie und damit der Jugenderziehung wichtigen systematisch aufgezeichneten Ephebenkatalogen von Apollonis sind bisher sechs Bruchstücke gefunden worden: zu zwei schon früher bekannten Stücken konnten Keil – v. Premerstein zwei neue hinzufügen (Erste Reise S. 47), darunter den bisher ausführlichsten Text auf einer großen runden Trommel. Zuletzt hat dann L. Robert noch zwei weitere kleine Fragmente gefunden (Villes d’Asie Mineure 29 ff.)19. Das von ihm als f publizierte Bruchstück wurde so wie der hier mitgeteilte Text in Dereköy abgeschrieben, und näheres Zusehen zeigt, daß es sich um zwei Fragmente desselben Blockes handelt20. Im folgenden sei daher eine Zusammensetzung beider Teile versucht (links das neue Fragment g, rechts f): 5 10
[ γυναικ]ὸς δὲ Π [ ca. 5 ]νης τῆς Προμένους [φι]λοπάτριδος καὶ ἀλειφούσης [τὸν ἐνιαυ]τὸν ἐκ τῶν [ἰδίων [γ]υμνασιαρχοῦντος δὲ Τρ[ύφωνος το]ῦ Αἰσχρίω[νος [τ]ὸ τρίτον ἐφηβαρχο[ῦντος δὲ Λε]υκίου Κορν[ηλίου [ . ]να Κέλερος οἱ ἐφηβεύσαντε[ς ἐπ’ αὐ]τῶν δωρεάν· Μᾶρκος Μάρκου ΜΙ[- - - - - - - - -] Ἀσκληπιάδου Μηνόδωρος Βοτρέους Δο[- - - - - - - - -]ος Μηνοφίλου Ἡρακλίδης Ἀλεξάνδρου [- - - - - - - - - Διον]υσίου Ἀπολλώνιος Μενελάου [- - - - - - - - - - -ά]νδρου Μενέμαχος Μενεμάχου
Die ungefähre Zeilenlänge ergibt sich durch Z. 4/5, wo der Name des L. Cornelius Celer offenbar mit Filiation und Tribusangabe angeführt war. Dementsprechend können auch die vorhergehenden Zeilen aus dem Formular noch etwas erweitert werden,
19 Die zwei bedeutendsten Stücke sind noch vorhanden und sollen demnächst in das Museum von Manisa gebracht werden, nämlich die Säulentrommel a in Seyitoba (Keil – v. Premerstein, Erste Reise n. 96 {TAM V 2 n. 1203}), von der drei Aufnahmen gemacht werden konnten, und der Stein b in Palamut (BCH 11, 1887, 86 n. 6 {TAM V 2 n. 1204}). 20 Die Fragmente passen nicht aneinander, es fehlt ein Stück in der Mitte. Robert hat keine Photographie beigegeben, doch stimmen sowohl die Buchstabenformen (das E mit abgesetztem Mittelstrich) als auch die Maße ungefähr überein: Höhe von f: 26 cm; Buchstaben 2,5 bzw. 2 cm (die Schrift ist unregelmäßig).
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etwa Z. 2 ἐκ τῶν ἰδίων δαπανημάτων wie im Exemplar b, oder durch eine Iterationsangabe (τὸ τρίτον in a). Die in Zeile 1 erscheinende Frau, deren Name leider verloren gegangen ist, muß nach dem üblichen Formular als Inhaberin der Stephanephorie genannt gewesen sein21, gleichzeitig hatte sie die Ölbeschaffung übernommen (ebenso in c und d). Da Zeile 1 am Anfang nur noch Platz für ihren Namen ist, muß das zu erwartende στεφανηφορούσης in eine vorhergehende Zeile verwiesen werden, die vermutlich auf einem oben anschließenden Bauquader stand. Allerdings bleibt dann unklar, wie diese ganze Zeile zu füllen wäre. Vielleicht könnte da als zusätzliches Datierungselement noch die Roma-Priesterschaft eingesetzt werden, wie wir sie in der Inschrift Nr. 6 gerade für Apollonis ermitteln können. In Zeile 3 läßt sich der Name des Tryphon mit ziemlicher Sicherheit aus dem Parallelmaterial | einsetzen. Ein Stein der Kaiserzeit zeigt dieselbe Abfolge der Namen Tryphon und Aischrion und gehört offenbar der gleichen Familie zu22.
Eine Phyle von Sardeis 4. Giebelstele aus grauem Marmor; H. 1,90, B. 0,56, D. 0,16 m; Buchstabenhöhe 3 cm, Zeilenabstand 0,5 cm. Unter dem Giebel großes Relieffeld mit frontaler Darstellung einer Frau, zu ihrer Linken ein Vogel (Adler?), zur Rechten Spinngerät. Gefunden März 1956 in den Feldern nordöstlich der Akropolis von Sardeis, bei dem Dorf Çaltılıköy (Abb. 6: Aufnahme in situ), jetzt im Museum von Manisa, Inv.-Nr. 1156. {SEG XIX 713; I.Manisa Museum 310} vac. Ἀπολλοφάνης Ἀπολλοφάνους Ἀσι άδος ἐτείμησεν. Der Stein repräsentiert im Formular den außer in Phrygien besonders im westlich anschließenden lydischen Raum, vor allem in Maionien, häufigen Typus der Grabschrift, die als eine „Ehrung“ des Toten durch die Hinterbliebenen konzipiert ist (ἐτίμησεν bzw. -σαν)23. Auch die figürliche Darstellung, besonders von Geräten des täglichen Lebens, weist in diese Gegend. Es ist zu bemerken, daß das übrige Material an Grabschriften aus Sardeis bisher noch kein Beispiel dieses Formulars gebracht hat. Auffallend ist, daß auf dem Stein der Name der Toten fehlt; die Inschrift ist in dieser Form jedenfalls unvollständig. 21 Danach wäre Apollonis in die zuletzt bei D. Magie, Roman Rule II 1518 Anm. 50 aufgestellte Liste von Orten, in denen Frauen als Stephanephoren bekannt sind, einzufügen. 22 Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 114 (die Inschrift konnte 1957 revidiert und photographiert werden {TAM V 2 n. 1195}). Auf weitere Erwähnungen der Namen Tryphon und Aischrion in Apollonis wird von den Herausgebern verwiesen. 23 Zur Verbreitung dieser Formel vgl. L. Robert, RPhil 1939, 191.
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5. An derselben Fundstelle kam einige Zeit nach dieser Stele ein weiterer Bestandteil desselben Grabmonuments zutage, dessen Inschrift den vollen Text in dem üblichen Formular gibt. Es handelt sich offenbar um den Stirnblock der eigentlichen Grabanlage, ähnlich etwa einer Sarkophagvorderwand, die nach hinten, d. h. innen, wo der Sarg bzw. Leichnam gewesen sein muß, eine abgerundete Abarbeitung zeigt (H. 0,44, B. 0,78, D. maximal 0,24 m). In die Vorderseite, eine nach unten sich verjüngende Fläche mit nach oben gewölbter Bodenkante, ist eine tabula ansata eingearbeitet, die die Inschrift enthält (Schriftfläche 47 x 32 cm; Buchstabenhöhe 1,7 cm, Zeilenabstand 1,1 cm; Abb. 5: Photographie des Abklatsches). Der Stein steht ebenfalls im Museum von Manisa, Inv.-Nr. 1171. {SEG XIX 714; I.Manisa Museum 311} Ἀπολλοφάνης Ἀπολλοφάνους Ἀσιάδος τὸ μν ͜ημῖον κατεσκεύ ασεν ζῶν αὑτῷ καὶ Ἀντωνίᾳ Δι ογνήτου τῇ γεναμένῃ γυναι 5 κὶ αὐτοῦ μόνῃ, ζησάσῃ κοσμί ως καὶ φιλάνδρως ἔτη λαʹ, καὶ τοῖς λοιποῖς καϑὼς ἐν τῇ διαϑήκῃ δηλοῦται· ταύ της τῆς ἐπιγραφῆς ἀντί 10 γραφον ἀπετέϑη ἰς τὸ ἀρχῖον. Apollophanes hat also dieses Familiengrab zu seinen Lebzeiten errichtet, und zwar offenbar nach dem Tode seiner mit 31 Jahren verstorbenen Gattin Antonia. Für diese selbst hatte er außerdem noch die Reliefstele anfertigen lassen und sich auf ihr in der summarischen, für sich unvollständigen Form, wie sie oben mitgeteilt wurde, verewigt. Es wäre interessant, die Konstruktion der ganzen Grabanlage zu kennen, was aus diesen beiden Bestandteilen allein aber nicht möglich ist (die Stele hat unten einen großen Zapfen, war also irgendwo eingelassen). Weitere Teile davon stecken vermutlich noch unter der Erde. Das epigraphische Material hat schon eine ganze Anzahl von Phylennamen der Stadt Sardeis ergeben24. Für die hier erscheinende Asias ist unser Stein der erste inschriftliche Beleg. Sie ist aber schon durch literarische Tradition bekannt: Herodot kommt IV 45 gelegentlich der Ableitung der Namen der drei Kontinente auf die Herkunft des Begriffes Ἀσίη zu sprechen und nennt zwei Versionen: die griechische, wonach der Name von Asie, der Gattin25 des Prometheus genommen ist, und die lydische, die ihn auf Asies, Sohn des | Kotys und Enkel des Manes, zurückführt. Daran 24 Vgl. Sardis VII 1. Greek and Latin Inscriptions n. 12; 34; 124–127; S. 115. – Dazu die Herstellung des Phylennamens Μασδνίς bei L. Robert, Études anatoliennes 155 ff. 25 Die übrige mythographische Tradition des Altertums sieht in Asia die Mutter des Prometheus (die Stellen bei Roscher s. v. Prometheus Sp. 3035). Nur Steph. Byz. behält in seinem Herodotzitat (s. v.
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fügt er den Zusatz: ἐπ’ ὅτεο (d. i. Asies) καὶ τὴν ἐν Σάρδισι φυλὴν κεκλῆσϑαι Ἀσιάδα26. Diese Bemerkungen Herodots stehen am Anfang einer ausgedehnten antiken Kontroverse über die Herkunft und die ursprüngliche Ausdehnung des Begriffes Asia, die wir in ihrem Niederschlag in den antiken Lexika und in kurzen Resümees bei Strabon (XII p. 627: Demetrios von Skepsis), Stephanos von Byzanz (s. v. Ἀσία) und Eustathios (ad Dion. Perieg. 270; zitiert Hippias von Elis) noch einigermaßen greifen können. Auch die Deutung und Lokalisierung der in dem homerischen Gleichnis B 461 mit Ἀσίῳ ἐν λειμῶνι bezeichneten Örtlichkeit am Kaystros spielt hier herein27, und ebenso die Identifizierung der von Kallinos im Zusammenhang mit dem Kimmeriereinfall erwähnten Ἠσιονῆες (Strabon a. a. O.). Alle diese Hinweise konzentrieren sich auf den lydischen Raum28. Es ist interessant, daß auch die moderne Altorientalistik durch das neuere hethitische (und ägyptische?) Material hinsichtlich der Herkunft des Namens von Asien in dasselbe Gebiet verwiesen zu werden scheint (vgl. H. Th. Bossert, Asia, Literar. Fak. d. Univ. İstanbul Nr. 323, 1946). Das auffallend national-lydische Gepräge der bekannt gewordenen Phylennamen von Sardeis hat auf die Frage geführt, welches Alter diese Bezeichnungen haben mögen. Gegenüber den amerikanischen Herausgebern, die bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen wollten, ist L. Robert (Études anatoliennes 158) für eine wesentlich niedrigere Datierung eingetreten und sah in den Namen keine alte Tradition, sondern eine spätere künstliche Schöpfung. Es ist kein Zweifel, daß die Bezeichnung der Asias ebenfalls diesem „nationalen“ Namensbestand zuzurechnen ist. Dabei ist durch das Zeugnis des Herodot zumindest die Existenz dieses Begriffes für das fünfte Jahrhundert erwiesen. Der neu gefundene Stein gibt uns nun zusätzlich die Bestätigung, daß diese Bezeichnung auch unter den Phylennamen der römischen Zeit noch fortbestanden hat.
Ἀσία) dessen Version bei, während Eustathios ad Dion. Perieg. 270 Herodot im Sinne der allgemeinen Tradition stillschweigend verbessert. 26 Vgl. dazu D. Magie, Roman Rule II 1008, Anm. 48: „The old φυλή called Ἀσιάς which is mentioned in Herodotus IV 45 is not otherwise known“. – In dem Verzeichnis aller bekannten Phylennamen bei Szanto, Ausgew. Abh. 285 fehlt ’Ασιάς. 27 Dazu die Scholien und Eustathios z. St. (sowie die Lexika), mit der verbreiteten alexandrin. Erklärung von Ἀσίω als Genetiv („die Wiese des Asies“), wofür Ptolemaios von Askalon und Herodian. zitiert werden. Über die wahrscheinlich der Grammatikerschule von Nysa zuzuweisende Verlegung dieses Platzes in die Nähe von Nysa (Strabon XII p. 650) vgl. L. Robert, Hellenica I 146. 28 Vgl. dafür etwa noch: Sch. Ap. Rhod. 2, 777 Ἀσία γὰρ τὸ πρότερον ἐκαλεῖτο ἡ Λυδία; Demetrios von Skepsis fr. 41 Gaede τάχα γὰρ ἡ Μῃονία … Ἀσία ἐλέγετο; Steph. Byz. s. v. Ἠσιονία· ἡ Σάρδεων χώρα, ἣ καὶ Ἀσία. Eine andere Version kennt sogar Asia als πόλις Λυδίας παρὰ τῷ Τμώλῳ (Steph. Byz. s. v. Ἀσία, cf. Etym. Magn. s. v. Ἀσιάτις, Eust. ad Dion. Perieg. 620).
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2 Dörfliche Siedlungen Die gründliche Durchforschung von Lydien, besonders durch Buresch und Keil – v. Premerstein, hat im weiteren Rahmen der landeskundlichen Ergebnisse ein ganz besonders reiches und vielfältiges Material für die Frage der kleinen, nichtstädtischen Gemeinwesen erbringen können, für die Komen und Katoikien. Es steht außer Zweifel, daß gerade in Lydien diese dörflichen Siedlungsformen eine sehr bedeutende Rolle gespielt haben, vor allem wohl in früheren Epochen. In der Kaiserzeit, aus der unser Material zum größten Teil stammt, ist freilich die Entwicklung der Absorbierung dieser Dörfer durch die Poleis, ihre Eingliederung in die städtischen Territorien, weitgehend vollzogen, so daß uns diese Gemeinwesen meist nur noch als Unterabteilungen der städtischen Organismen mit verhältnismäßig eingeschränkten öffentlichen Funktionen entgegentreten. Zwei neue Beispiele solcher Dorfgemeinden können hier mitgeteilt werden, bei denen sowohl der Name als auch die Lage ermittelt werden konnten.
(N)Akokome 6. Üçavlu. An einem Brunnen südwestlich des Dorfes, beim Hofe des Halil Ünver. Marmorstele, oben und unten gebrochen; H. 0,75, B. 0,49, D. 0,12 m; Buchstabenhöhe 1,4 cm (Abschrift, Abklatsch, Photographie: Abb. 7). {TAM V 2 n. 1229} Lorbeerkranz Ἔτους εἰκοστοῦ καὶ πρώτου τῆς Καίσα ρος τοῦ πρεσβυτέρου Αὐτοκράτο ρος ϑεοῦ νείκης, τετάρτου δὲ τῆς Καίσαρος τ[οῦ] νεωτέρου αὐτοκράτορο[ς] 5 ϑεοῦ υἱοῦ, στεφανηφόρου δὲ καὶ ἱερέ ως τῆς Ῥώμης Ἀπολλωνίδου τοῦ Αἰσ χρίωνος, μηνὸς Δαισίου δωδεκάτῃ ἔδοξε ΝΑκοκωμητῶν τοῖς κατοίκοις τιμῆσαι ταῖς μεγίσταις τιμαῖς καὶ σ[τε] 10 φανῶσαι χρυσῷ στεφάνῳ ἀριστήῳ Ἄ[τ] ταλον Ἀπολλωνίου τὸν διὰ γένους ἱερέα τοῦ Διὸς καὶ κοινὸν σωτῆρα καὶ εὐεργέτην τοῦ τε δήμου καὶ τῶν κατοίκων διὰ τὸ καὶ πρότ̣ [ερ]ο̣ ν̣ 15 αὐτὸν εὐσεβ[ῆ - - Der Text, der leider unvollständig ist, enthält ein Ehrendekret einer dörflichen Gemeinschaft aus früher augusteischer Zeit. Mehrere Einzelheiten sind dabei von besonderem Interesse.
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Der Name der Ortschaft selbst bzw. ihrer Bewohner erscheint in Z. 8 in der Sanktionsformel. Leider kann nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob das N noch zur Verbform ἔδοξεv gehört oder zum Ortsnamen gezogen werden soll. Das Dorf kann demnach Akokome oder Nakokome geheißen haben. Sucht man nach einer Anknüpfung im Griechischen, so würde sich eventuell die letztere Form als zu dem Substantiv νάκος „(Schafs-)Fell, Vlies“ gehörig erklären lassen29. Übrigens würde gerade ein solcher aus dem Bereich des Hirtenlebens entnommener Begriff nicht schlecht in diese Berggegend passen. Aber das muß unsicher bleiben, denn es kann ebenso gut ein fremder, nichtgriechischer Namensbestandteil vorliegen. Was die Siedlungslage unserer (N)Akokome selbst betrifft, so konnte diese mit Sicherheit in einem nahe bei Üçavlu gelegenen Olivengarten festgestellt werden. Nach übereinstimmenden Aussagen der Einheimischen ist die Stele dort aus der Erde gekommen. Es findet sich der übliche Ziegelschutt, in geringer Tiefe stieß man an einer Stelle auf einen Mosaikfußboden. Den Kopf des Dekretes bildet eine sehr ausführliche Datierung. Dabei wird zunächst in doppelter Weise eine Jahreszählung vom Siege des „älteren“ Caesar und von dem des „jüngeren“ Caesar gegeben, d. h. nach der cäsarischen Ära von Pharsalos (48) und der des Octavian von Actium (31), wodurch wir hier übereinstimmend in das Jahr 28/7 v. Chr. kommen. Beide Datierungsweisen sind neben der allgemein verbreiteten sullanischen Ära schon vereinzelt in bestimmten Gegenden Lydiens festgestellt worden30. Kombiniert, so wie hier, haben sie sich bisher noch nicht gefunden31. Im übrigen macht ja gerade unser Text in seiner Ausführlichkeit klar, daß es hier noch nicht um einfach routinemäßige Jahreszählung geht, sondern daß der Eindruck der historischen Ereignisse noch sehr unmittelbar dahinter steht. Neben diese „historische“ Datierung tritt dann auch noch die lokale nach dem Eponymen, hier dem Stephanephoren und Roma-Priester. Sofort stellt sich hier die Frage, im Bereich welcher Stadt wir uns befinden. Denn es ist klar, daß hier nur ein städtischer Funktionär gemeint sein kann, eben des δῆμος, der auch Z. 13 neben den κάτοικοι genannt wird. Das Dorf Üçavlu liegt etwa ¾ Wegstunden von Yayaköy entfernt unmittelbar am Südfuß der Berge, die – in Fortsetzung des Yuntdağ – die Wasserscheide zwischen 29 Es sind einige Zusammensetzungen mit νάκος überliefert: νακοδαίμων, νακοδέψης, νακοκλέψ, νακοτίλτης bzw. -τιλτος. Vgl. auch νακοτίλης in der Inschrift aus Alaşehir, Gschnitzer – Keil, AnzWien 1956, 230 n. 9 {SEG XVII 529}. 30 Die cäsarische Ära ist nach einer Vermutung von Ramsay durch Keil – v. Premerstein, Dritte Reise 87 f. insbesondere für das obere Kaystrosgebiet nacbgewiesen worden. Sie geht, wie unser Text bestätigt, auf den Sieg von Pharsalos zurück und nicht, wie D. Magie, Roman Rule II 1261 annimmt, auf Caesars Anwesenheit in der Provinz Asia. – Die aktische Ära (Literatur bei Magie, a. a. O. 1289 Anm. 37) ist besonders im Raum von Philadelphia in Gebrauch gewesen (Keil – v. Premerstein, Erste Reise 29; vgl. J. und L. Robert, Hellenica IX 30). 31 Ein Beispiel einer kombinierten Datierung nach der aktischen und der sullanischen Ära bei Buresch, Aus Lydien n. 29 {TAM V 1 n. 623} (Daldis).
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Lykos und Kaikos bilden. D. h. es ist durchaus nach dem teils ebenen, teils hügeligen nordwestlydischen Raum westlich von Akhisar orientiert. Dort muß auch die zugehörige Polis gesucht werden. In Frage kämen nach dieser Lage Thyateira, Apollonis und Hermokapeleia. Abhängige dörfliche Siedlungen sind uns von diesen drei Orten bisher nur für Thyateira bezeugt32. Aber in unserem Falle | weist die Datierung nach dem Stephanephoren mit ziemlicher Sicherheit auf Apollonis, wo die Eponymie dieses Amtes durch die Ephebenlisten (siehe oben Nr. 3) hinlänglich bekannt ist. Alle auf unserem Stein vorkommenden Namen sind auch im Namensmaterial dieser Stadt belegt; eine prosopographische Identifizierung ist allerdings nicht möglich, obwohl wir gerade für das erste Jahrhundert v. Chr. durch die genannten Ephebenlisten von Apollonis mehr Personen kennen als gewöhnlich. Auch die geographische Lage spricht dafür, die geschilderte Dorflage dem Territorium von Apollonis zuzuweisen, das den natürlichen Hauptort dieses Raumes darstellt. Thyateira liegt doch schon sehr weit ab, und Hermokapeleia ist zwar nahe, aber durch Bergriegel deutlich von dieser Gegend geschieden (s. oben die Bemerkungen zu Nr. 1). Neu wäre bei dieser Zuweisung der Inschrift die Tatsache des Bestehens eines Dea Roma-Kultes in Apollonis – und die Aufnahme seines Priestertums unter die Datierungselemente33. Die genannten Ephebenlisten haben dafür noch kein Beispiel gebracht (vgl. aber die Vermutung zur Inschrift Nr. 3). Sonst war in diesem Raum Roma-Kult gerade nur für Thyateira bekannt (vgl. die Liste bei D. Magie, Roman Rule II 1613). Ebenfalls neu ist die Nachricht über ein Zeus-Priestertum, wie es der Geehrte innehatte. Es ist bedauerlich, daß unser Text mitten in der Motivierungsformel abbricht. Er hätte vielleicht manche Mitteilung von lokalem Interesse – oder auch darüber hinaus – machen können. Auch als Dokument des öffentlichen Lebens einer Katoikie hätte er von Bedeutung sein können34.
Kareneitai 7. Yatağan (bei Yayaköy); Mittelstück einer Marmorbasis, H. 0,75, B. 0,48, D. 0,47 m; Buchstabenhöhe 2,8 cm (Abschrift, Photographie: Abb. 8). {SEG XIX 707}
32 Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 11. – Bei der ib. n. 119 {TAM V 2 n. 1230} genannten Katoikie, die von den Herausgebern mit der Siedlungslage an der Arlak Çeşme bei Yayaköy in Verbindung gebracht wird, ist die Frage, zu welcher Stadt sie gehörte, nicht zu entscheiden (Magie, a. a. Ο. II 1023 vermutet Hermokapeleia; das wird aber durch den oben gegebenen Lokalisierungsversuch unwahrscheinlich). 33 Über die Einführung des Roma-Priesters als zweiten Eponymen in der Datierungsweise kleinasiatischer Städte L. Robert, REG 46, 1933, 441 Anm. 34 Man vergleiche etwa das Fragment eines Ehrendekrets einer Kome in der hyrkanischen Ebene bei Buresch, Aus Lydien n. 23 {TAM V 2 n. 1316} (ebenfalls aus dem 1. Jhdt. v. Chr.).
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[- - - - - - - - - - - - - - - -] 1 ἐτείμησεν Ἰόλλαν Μ̣[η] νοφάντου τὸν εὐερ γέτην καὶ φιλόπατριν ἀρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐ 5 νοίας τῆς πρὸς τὴν πατρίδα, ἀγωνοϑετή σαντα, γυμνασιαρχή σαντα καὶ τὰς λοιπὰς ἀρχὰς καὶ λειτουργείας 10 πάσας φιλοδόξως καὶ φιλοτείμως ὑπηρετή σαντα H τὸν ἀνδρι άντα ἀνέϑηκαν Καρη νεῖται εὐχαριστίας ἕ- H 15 [ν]εκεν H ἐπιμεληϑέν [το]ς Μίλωνος τοῦ Τρύφωνος. 8. Die Basis ist am Beginn des 4. Jhdt.s wiederverwendet worden zur Anbringung einer recht flüchtigen lateinischen Ehreninschrift für Licinius auf der Rückseite des Steines (Abb. 9). B(ona) F(ortuna). Providentissimum et piissimum inpera torem d(ominum) n(ostrum) 5 Valerium Licinnianum Licinnium invictum Augustum. Das Interesse der griechischen Inschrift besteht in dem in Zeile 14/15 des Textes auftauchenden Namen der Καρηνεῖται. Es ist anzunehmen, daß wir darin nicht das Ethnikon einer Polis zu suchen haben35, sondern – gerade auch nach der Formulierung – einer Unterabteilung einer Stadt, d. h. eines Demos oder einer Kome. Leider gibt der
35 Die mysische Stadt Karene im Raum von Atarneus (zur Lokalisierung vgl. Athenian Tribute Lists I p. 495) hat das Ethnikon Καρηναῖος (Steph. Byz. nach Krateros FgrHist 342 F 2). Nach den hinzugezogenen Siedlern aus dieser Stadt sollen auch die ephesischen Καρηναῖοι, eine der Phylen, benannt sein (Steph. Byz. s. v. Βέννα).
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Stein aber keinen Aufschluß, aus dem Gebiet welcher Stadt er stammt36. Mehrere Hinweise deuten darauf hin, daß er nicht dem reichen und auch lokal weit verstreuten Inschriftenmaterial von Thyateira zuzuweisen ist, sondern einer der | nördlich anschließenden Nachbarstädte des lydisch-mysischen Grenzgebietes am oberen Kaikos. Der Zusatz τὸν ἀνδριάντα ἀνέϑηκεν findet sich wieder auf einem von C. Schuchhardt in Bakır abgeschriebenen Stein37. Dieser moderne Ort – ebenso wie Kırkağaç, die größte Stadt der oberen Kaikosebene – ist bekannt als „Sammelplatz“ von Inschriften aus der ganzen Umgebung, aus den entfernteren Stratonikeia und Thyateira, vor allem aber aus den beiden Städten des oberen Kaikostales selbst, Nakrasa und Akrasos, die selbst freilich trotz vielfacher Versuche noch nicht überzeugend identifiziert werden konnten38. Als weiteres Argument zur Herkunftsfrage unseres Steines kann vielleicht bemerkt werden, daß der Name Milon uns mehrfach auf Münzen der Stadt Nakrasa um die Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts begegnet39; sonst scheint er in dieser Gegend nicht verbreitet zu sein, weder die IGR noch Keil – v. Premerstein enthalten Beispiele. Dazu kommen nun noch die Fundumstände. In dem Dorfe Yatağan sind bisher weder antike Reste festgestellt noch Inschriften abgeschrieben worden40. Nach Aus sage der Einheimischen stammt der hier mitgeteilte Stein auch nicht aus dem Ort selbst, sondern ist über eine größere Entfernung dorthin gebracht worden. Die Fundstelle ist ein etwa ¾ Stunden entfernter Platz, ein Feld ungefähr 2 km nördlich des charakteristischen Yatağan tepe (vgl. Anm. 6, Philippson a. a. O.), an dessen Südwestseite das Dorf selbst liegt. Die Stelle ist bereits an dem gegen das obere Kaikosbecken abfallenden Hang des Höhenzuges gelegen; man hat von ihr gegen Osten einen schönen Blick über das Tal auf das Bergland südlich von Gelembe. Ein Weg führt durch ein kleines Seitental hinunter nach dem wenig entfernten Bakır. Der Platz läßt sofort Spuren antiker Besiedlung erkennen: er ist übersät mit Ziegelscherben, vereinzelt liegen auch größere Baublöcke herum, darunter ein verziertes Architekturstück, ein Giebelgeison (mit Palmetten, Eierstab und Zahnschnitt) eines größeren Gebäudes römischer Zeit (Abb. 10). Aufrecht stehende Ruinen sind nicht 36 Es wäre denkbar, daß der Name der Stadt in dem auf der Oberplatte der Basis eingegrabenen Anfang der Inschrift genannt war. 37 AM 24, 1899, 217 n. 45, 16: [τ]ὸν ἀνδριάντα ἐκ τῶν [ἰδί]ων ἀνέϑηκεν ο[. . . Σ]τρατονείκη ἡ ϑυγάτ[ηρ]. 38 Vgl. zu dem Problem L. Robert, Villes d’Asie Mineure 71 ff. – Über die verschiedenartige Herkunft der in Bakır abgeschriebenen Inschriften ib. 36 Anm. 6; Hellenica VI 85. 39 Ἐπὶ στρα(τηγοῦ) Μίλωνος (BMC Lydia, 169 n. 27) bzw. ἐπὶ στρα(τηγοῦ) Μίλωνος τὸ β΄ (Mionnet IV 95) Münsterberg, Beamtennamen 142, Imhoof-Blumer, Lyd. Stadtmünzen 105 Nr. 1–2. – Ein ähnlicher Versuch einer Zuweisung einer in Bakır kopierten Inschrift an die Stadt Akrasos auf Grund einer Namensparallele in den Münzen bei J. und L. Robert, Hellenica VI 84 n. 28. 40 Das Dorf ist in neuerer Zeit besucht worden von Philippson (Petermanns Mitt. Erg.-Heft 167 S. 71) sowie auch von Keil – v. Premerstein auf ihrer zweiten lydischen Reise.
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vorhanden. Offenkundig haben wir es hier zumindest mit einer dörflichen Siedlung von einiger Bedeutung zu tun, vielleicht war auch ein kleines Heiligtum hier. Es liegt nahe, unter den Καρηνεῖται der oben genannten Inschrift eben die Bewohner dieser Siedlung zu verstehen. Angesichts der noch offenen topographischen Probleme im Raum des oberen Kaikos kann jede neue Beobachtung und jeder Neufund Bedeutung haben. Jedenfalls ergibt sich aus dem hier mitgeteilten Tatbestand, daß bei einer genaueren Durchforschung dieses Raumes nicht nur die Ostseite des Tales mit den schon bekannten Ruinenstätten des Maltepe und bei Ilyaslar Interesse verdient, sondern daß ebenso auch der Westrand des Beckens und die ihn begrenzenden Höhenzüge mit einbezogen werden müssen.
Beschwerde eines Dorfes gegen Übergriffe 9. Fragment einer Marmorplatte, oberer Rand erhalten, sonst ringsherum abgebrochen; H. 0,28, B. 0,40, D. 0,12 m; Buchstabenhöhe 1,2 cm, Zeilenabstand 0,5 cm. Aus Güllüköy (Vilayet Uşak, Kaza von Eşme), jetzt Manisa, Museum Inv.-Nr. 1209 (Abschrift, Abklatsch, Photographie: Abb. 11). {I.Manisa Museum 21}
]ε̣ ντα αὐτὰ καὶ τῷ π͜ερ̣ [ ὃ]ς̣ καὶ αὐτὸς κέκτηται ͜ ἐν τῇ͜ κ[ώμῃ ]ην διὰ τοῦτο ἀνανκαίως εΙ κακ]ὰ πάσχουσιν οἱ τὴν προδηλουμέν[ην κώμην κατοικοῦντες 5 ]τὴν γεωργίαν εἰδότες καὶ πένητε[ς ͜ ὑπάρχοντες - - - ὥστε μηκέτι τὰς ὑπηρε]σίας τὰς εἰς τὸν ϑειότατον ἡμῶν [αὐτοκράτορα, ἃς - - ὀφείλ]ουσιν, συντελεῖν δύνα̣σϑαι· δέομαι ο[ὖν σου ἐπιτάττειν ἄρχ]ουσιν καὶ εἰρη͜νάρχαις ὥστε φροντ[ίζειν ]καὶ διασειόντων ἡμᾶς καὶ ἐπεΙ[γόντων ]ν, ἵνα διὰ τὴν σὴν τύχην δυν ͜ησ[όμεϑα τυχεῖν τῆς 10 σῆς φιλα]νϑρωπίας καὶ ταῖς εἰς τὸν ϑ[ειότατον αὐτοκράτορα λειτουρ γίαις ὑπ]ηρετεῖσϑαι. μν ͜ημο 12
Das leider sehr wenig umfangreiche Inschriftenfragment vermehrt eine uns schon durch mehrere Beispiele bekannte interessante Dokumentengruppe um ein weiteres Exemplar: es handelt sich um Beschwerden der ländlichen Bevölkerung in den Provinzen wegen verschiedener Übergriffe und Erpressungen durch untergeordnete Organe der römischen Verwaltung oder auch Soldaten41. Das Überhandnehmen
41 Das sind neben den bekannten Fällen der Scaptoparener in Thrakien (Syll.3 888) und der Araguener in Phrygien (OGI 519) vor allem die durch Keil – v. Premerstein bekannt gewordenen Beispiele
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solcher Fälle von διασεισμός oder concussio – das ist die offizielle Terminologie42 – ist eine für die sozialen Verhältnisse der späteren Kaiserzeit sehr bemerkenswerte Erscheinung. Die betroffenen Gemeinden wandten sich mit der Bitte um Abhilfe an den Statthalter oder auch den Kaiser direkt und haben dann diese Eingaben zugleich mit der Erledigung in der Ortschaft öffentlich aufgestellt. Alle diese Dokumente sind einander in den erwähnten Einzelheiten wie auch in der Formulierung sehr ähnlich. So kann auch unser Fragment durch diese Parallelen in seinem Gedankengang etwas erhellt werden43. Der Adressat unserer Eingabe ist offenbar der Statthalter, jedenfalls ein hochgestellter Beamter (Z. 10 διὰ τὴν σὴν τύχην), nicht der Kaiser selbst, von dem in der 3. Person gesprochen wird (Z. 6, 11). Der Schreiber muß eine Einzelperson sein (Z. 7 δέομαι), die aber im Namen des Dorfes spricht (Z. 9 ἡμᾶς). Vielleicht erscheint er auch zu Beginn der Inschrift, entsprechend dem Formular eines Briefkopfes, in der 3. Person, indem er sich als Grundeigentümer in eben der Ortschaft, die er vertritt, bezeichnet (Z. 2)44. Im folgenden muß der Charakter der Übergriffe geschildert worden sein, unter denen die arme bäuerliche Bevölkerung des Dorfes zu leiden hatte45. Die Folge davon sei, daß sie nicht mehr imstande seien, bestimmten Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser nachzukommen – auch das ein häufig wiederkehrender Punkt in diesem Inschriftengenus46. Nach der Begründung beginnt mit Z. 7 die eigentliche Bitte (δέομαι)47. Es scheint, daß die Eirenarchen, die Befehlshaber der städtischen aus Lydien (Dritte Reise n. 9 Kastar, n. 28 Mendechora und n. 55 Agabey Köy). Dazu kommt neuerdings ein weiteres Denkmal aus Istros: I. Stoian, Studii şi cercetari de istorie veche (Akad. Bukarest) 2, 1951, 137 (ausführlich besprochen von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1958 n. 341). 42 Vgl. dazu Keil – v. Premerstein, Dritte Reise 28 sowie L. Robert, RPhil 1943, 111 ff. (über einen Brüsseler Papyrus, eine Abrechnung, in der ὑ(πὲρ) διασεισμοῦ als ein Posten unter anderen Ausgaben erscheint!). 43 Die im folgenden vorgetragenen Vermutungen gehen zum großen Teil auf briefliche Mitteilung von L. Robert zurück, von dem auch die Ergänzungsvorschläge zu Z. 4 Anfang, 5, 7, 8, 10, 11 und 12 stammen. Z. 7 ὀφείλ] J. Keil; Z. 9 ἐπει̣ [γόντων G. Maresch. 44 Auch die Eingaben der Araguener (Z. 6) und von Mendechora (Z. 7 f.) sind im Auftrag der Gemeinden von Einzelpersonen abgefaßt. – Zu κέκτηται vgl. die Bemerkung im Gesuch der Scaptoparener (14 f.) οἰκοῦμεν καὶ κεκτήμεϑα ἐν τῇ προγεγραμμένῃ κώμῃ. 45 Es ist immerhin bemerkenswert, daß die Leute als τὴν γεωργίαν εἰδότες bezeichnet werden, und nicht einfach als γεωργοί, wie es in der Inschrift von Agabey Köy (37, 50) und der der Araguener (7) heißt (πάροικοι καὶ γεωργοί), was beide Male auf die Kolonen von kaiserlichen Gütern geht. – Als [ἀνϑ]ρώπους πένητ[ας] bezeichnen sich auch die Leute im Fragment C von Istros (wo L. Robert als Fortsetzung auch [γεω]ργούς vermutet). 46 Z. 6 etwa [τὰς λειτουργίας καὶ ὑπηρε]σίας (beide Begriffe nebeneinander CIG 2786; Pap. Tebt. 302, 30, beide Male mit ἐκτελεῖν). Vielleicht waren daneben auch noch Abgaben genannt (συντελεῖν), wie in den Eingaben von Agabey Köy 28 ff. (ἀποφοραί) und der Scaptoparener 22 (φόροι und λοιπὰ ἐπιτάγματα). – Für die Konstruktion vgl. die Inschrift von Istros B 3 [ὥσ]τε ἡμᾶς μηκέτι δύνασϑε (= δύνασϑαι) ἐξυπηρετεῖν. 47 Vgl. Scaptoparene 71, Mendechora 9, Agabey Köy 30, Istros Frgt. C, wo überall im Gegensatz zu unserem Stein der Plural δεόμεϑα erscheint. Fortsetzung wohl als Infinitiv-Konstruktion δέομαι ο[ὖν
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Polizei, zusammen mit anderen Beamten beauftragt werden sollten, Abhilfe zu schaffen – zum Nutzen der Dorfbevölkerung selbst wie auch zum Vorteil der vom Kaiser verlangten Leistungen48. Mit Z. 13 muß die Erledigung der Eingabe durch den Adressaten begonnen haben49. Wenn somit der Gedankengang des neuen Textes durch Vergleich mit den verwandten Dokumenten angedeutet werden kann, bleiben | doch noch wesentliche Punkte offen, so etwa genauere Angaben über die Art der Belästigungen, unter denen das Dorf zu leiden hatte. Ebenso wird die politisch-rechtliche Stellung des Dorfes und seiner Einwohner nicht deutlich; die Erwähnung der Eirenarchen könnte auf Zugehörigkeit zu einer Polis weisen. Zu datieren ist der Text auf alle Fälle in die spätere Kaiserzeit (Ligaturen), vielleicht gehört er auch zeitlich neben die parallelen Dokumente aus Lydien, d. h. in die Regierungszeit des Septimius Severus.
Christliche Inschrift Die vorher behandelte Inschrift stammt aus dem südöstlichen Grenzgebiet von Lydien, aus dem Bergland zwischen dem oberen Kogamos und dem Oberlauf des Mäander. Das Dorf Güllüköy, von wo der Stein in das Museum von Manisa gebracht worden ist, ist schon früheren Reisenden durch antikes Material aufgefallen; K. Buresch konnte dort eine Weihung an Tiberius abschreiben50, Keil – v. Premerstein fanden eine byzantinische Inschrift51 und brachten sie in Verbindung mit einer 35 Minuten südlich der Ortschaft gelegenen Ruinenstätte, die auch Reste einer byzantinischen Kirche aufweist. Sie identifizierten die Ortslage vermutungsweise mit der Stadt Tralla, die – ebenso wie die gleichzeitig in der Literatur erwähnte Stadt Sala – in diesem Raum zu suchen war (Dritte Reise 53 f.). Dieser Ansatz ist auch von H. Kiepert übernommen worden, ist aber bisher noch durch kein neues Dokument gesichert. Immerhin kann hier noch ein zweiter Stein aus derselben Ortschaft bekannt gemacht werden, der ein neues Zeugnis für ihre Bedeutung in byzantinischer Zeit liefert. 10. Kalksteinblock, H. 0,44, B. 0,33, D. 0,29 m; linke obere Ecke abgeschlagen, über der Schriftfläche ein vielleicht absichtlicher tieferer Kratzer. Buchstabenhöhe
σου od. τῆς σῆς τύχης … ἐπιτάττειν ο. ä. … τοῖς ἄρχ]ουσιν καὶ εἰρηνάρχαις …, vgl. Agabey Köy 31 ff. (ἐπιϑέσϑαι). 48 Für die Konstruktion vgl. Scaptoparene 87 ff. ἵνα ἐλεηϑέντες διὰ τὴν ϑείαν σου πρόνοιαν … τούς τε ἱεροὺς φόρους καὶ τὰ λοιπὰ τελέσματα παρέχειν δυνησόμεϑα. Für die beiden „Ziele“ ebd. 8 ff. ἔστιν γε καὶ ἐπὶ τῇ τῶν ἀνϑρώπων σωτηρίᾳ τὸ τοιοῦτο (geordnete Verhältnisse in den Dörfern) καὶ ἐπὶ τοῦ ἱερωτάτου σου ταμείου ὠφελείᾳ. – Der Begriff der φιλανϑρωπία erscheint auch in dem Dokument von Istros. Dort wird auch mehrfach (ἐξ-)υπηρετεῖv verwendet. 49 Es scheint, daß in dem abgesetzten MNHMO in Z. 13 eine Überschrift steckt. Vgl. im Dokument von Istros ὑπ[ογραφὴ (= subscriptio) ὑπα]τικοῦ, worauf die lateinische Erledigung folgt. 50 Κ. Buresch, Aus Lydien n. 61 (IGR IV 714). 51 Keil – v. Premerstein, Dritte Reise n. 64 (H. Grégoire, Recueil 347 bis).
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ca. 2 cm. Manisa, Museum Inv.-Nr. 1206 (Abschrift, Abklatsch, Photographie: Abb. 15). {I.Manisa Museum 498} [Κοι]μητήριν Χρεισ τιανῶν καϑολι κῆς ἐκλησίας τοῦ το ἔκτισε Γεννά 5 διος Ἠλίου ἐξ ὧν αὐτῷ ὁ ϑεὸς ἔδω κε vac. Εἰρήνη αὐ τῷ παρὰ Κυρίου ἰς ἅπαντας ἐῶ 10 νας. Ein gewisser Gennadios hatte also offenbar an diesem Ort eine gemeinsame Begräbnisstätte für die christliche Gemeinde52 begründet bzw. gestiftet, mit den Mitteln, die ,,Gott ihm gegeben hat“, d. h. die er mit Gottes Hilfe erworben oder aufgebracht hat. Nach seinem Tode ist dieser Stein gesetzt worden, mit dem angefügten Wunsch für seine ewige Ruhe.
3 Domänenbesitz Neben den Problemen der städtischen Territorien und der dörflichen Gemeinden spielt in der historischen Landeskunde der Kaiserzeit auch noch die Frage des Großgrundbesitzes eine Rolle, d. h. die Inanspruchnahme größerer Landgebiete durch private Eigentümer, Angehörige der vornehmen Familien und besonders auch Mitglieder des Kaiserhauses. Auch zu diesem Thema kann das neue Inschriftenmaterial teils neue Aufschlüsse bringen, teils zumindest einige Fragen aufwerfen.
Grabstein eines Domänenverwalters 11. Palamut (Mecidiye)53, bei der Moschee. Architravförmiger Block aus Kalkstein, H. 0,21, B. 1,30, D. 0,41 m; Buchstabenhöhe 2,7 cm, Buchstaben des 2./3. Jhdt.s (Abschrift, Photographie: Abb. 12). {TAM V 2 n. 1213; I.Manisa Museum 326} 52 Für die Wendung καϑολικὴ ἐκκλησία vgl. P. Lemerle, Philippes et la Macédoine Orientale (1945) 94–101. – Beispiele aus Lydien: H. Grégoire, Recueil 333 bis (Paşaköy; vgl. L. Robert, Hellenica VI 63), 334 (Parsada). 53 Durch die Verlegung der Nahiye-Verwaltung von Palamut nach Yayaköy vor mehreren Jahren hat sich in diesem Gebiet eine Namensänderung ergeben, die leicht zu Irrtümern Anlaß geben kann: es ist nämlich gleichzeitig auch der Name Palamut offiziell auf Yayaköy übertragen worden, während
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Εὐτυχιανὸς Φλ(αβίας) Πωλλίττης ὑπατικῆς δ(οῦλος) πραγματευτὴς Πρεπούσῃ υἱοῦ γυναικὶ ψυχῇ ἀγαϑῇ μνείας χάριν καὶ ἑαυτῷ καὶ γυναικὶ καὶ τέκνοις καὶ ἐγγόνοις H.
Eutychianos, der sich und seinen Angehörigen54 den Grabbau errichtete, von dem unser Stein ein Bauglied sein muß, war πραγματευτής, d. h. Domänenverwalter55 einer vornehmen Römerin, der Konsularsgattin Flavia Pollitta. Es liegt nahe, diese mit der Flavia Pollitta zu identifizieren, die in der stadtrömischen Inschrift über die Saecularfeiern von 204 an der Spitze der zu Iuno betenden vornehmen Matronen erscheint (CIL VI 32329, 13; Pighi, De ludis saecularibus p. 157, fr. IV 13). Ihr dort genannter Gatte Manilius wiederum wird allgemein gleichgesetzt mit Ti. Manilius Fuscus (cos. II 225 n. Chr.), dessen Karriere durch einige neuere Inschriften erhellt worden ist56. Erwähnenswert ist darin seine Statthalterschaft in Syria Phoenice und – nach der verbesserten Lesung von Ramsay (CRAI 1935, 131) in der Inschrift MAMA IV 27, 17 – in Asia57. Wenn die prosopographischen Gleichsetzungen richtig sind, wird das Bild dieser stadtrömischen Aristokratenfamilie durch den neuen Text aus Palamut noch um einen weiteren charakteristischen Einzelzug bereichert: die Tatsache des Domänenbesitzes in der Provinz, mit der üblichen Form der Verwaltung durch einen actor, hier einen Sklaven. Es wäre denkbar, daß der kleinasiatische Grundbesitz der Flavia Pollitta eben aus der Zeit datiert, wo ihr Gatte die Provinz verwaltete. Das Gebiet um Apollonis, das im wesentlichen noch zur Lykosebene gehört und gegen Norden in ein welliges Hügelland übergeht, war sicher wertvolles Agrarland (heute produziert es vor allem Tabak und Oliven) und für Großgrundwirtschaft in Form des Domänenbetriebes gut geeignet. Außer diesem neuen Text hat schon eine ältere, ebenfalls in Palamut abgeschriebene Inschrift dafür einen Hinweis gebracht: der Grabstein eines σαλτάριος (saltuarius), d. h. eines Flurwächters, der ja sicher auch zu einem größeren Besitz gehörte58. Auch in dem Inschriftenmaterial von Thyateira
das Dorf Palamut den Namen Mecidiye erhielt. Im Sprachgebrauch der Einheimischen werden aber die alten Benennungen noch weitergeführt. Deshalb, und weil sie auch in der bisherigen Literatur so erscheinen, sind sie auch hier noch beibehalten worden. – Für eine ähnliche moderne Namensübertragung nach dem neuen Verwaltungszentrum vgl. L. und J. Robert, La Carie II p. 82 über den Fall von Davas-Tavas. 54 Für das Epitheton ψυχὴ ἀγαϑή Z. 2 vgl. L. Robert, REG 45, 1932, 202 Anm. 3; Bull. épigr. 1958 n. 242. 55 Die letzte ausführliche Literaturübersicht zu diesem verbreiteten Amt bei L. Robert, Hellenica X 83 Anm. 3. 56 Der neueste prosopographische Artikel bei G. Barbieri, L’albo senatorio da Settimio Severo a Carino, Rom 1952, Nr. 347. 57 In die letzte Liste der Statthalter der Provinz Asia bei D. Magie, Roman Rule II 1579 ff. ist der Name nicht aufgenommen. 58 A. Fontrier, Μουσεῖον καὶ Βιβλιοϑήκη τῆς Εὐαγγελικῆς Σχολῆς V, 1885/6, 46 n. 551 (IGR IV 1186). Der Stein ist noch in Palamut vorhanden und soll in Kürze in das Museum nach Manisa gebracht werden {I.Manisa Museum 417}.
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ist ein Domänenverwalter (hier οἰκονόμος) bekannt geworden (Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 76 {TAM V 2 n. 1149 b}).
Kaiserliche Domäne bei Thyateira? Zwei von älteren Reisenden mehrfach abgeschriebene, seither verschollene Inschriften von Thyateira aus der Zeit Caracallas nennen einen ἐπίτροπος (τοῦ) Σεβαστοῦ ἄρκης (v. l. ἀρχῆς) Λιουιανῆς (Λειβιανῆς)59 {TAM V 2 n. 913}. Man hat in diesem kaiserlichen Funktionär den Verwalter einer arca, d. h. einer besonderen Kasse, gesehen, die in Zusammenhang stehen sollte mit einem von der Kaiserin Livia her datierenden kaiserlichen Domänenbesitz in dieser Gegend60. Es scheint, daß diese Vermutungen – die zuletzt angezweifelt worden sind61 – jetzt wieder Aktualität gewinnen durch einen neuen Inschriftenfund, der freilich mehr Probleme aufwirft als löst. 12. Yayaköy, im Hause des Lehrers Salih Görünmez. Oberer Teil einer Marmorbasis, unten abgebrochen, oben stark bestoßen, H. 0,48, B. 0,40, D. 0,38 m. Auf zwei einander gegenüberliegenden Seiten beschrieben (Abschrift, Photographien: Abb. 13 und 14). {TAM V 2 n. 1210} a b Εὐτυχίδης ἀπελ(εύϑερος) Σεβ(αστοῦ) Γάλβα Λεβί καὶ Νίκη Ἐπαγάϑῳ τῷ αν τὴν ἑαυ γλυκυτάτῳ τέκνῳ τῶν δέσ μνείας χάριν· εἰ δέ [πο]ιναν - 5 τις τολμήσει ἀνε λέσϑαι τ[ ΚΛ Der Stein trägt auf der einen Seite eine Grabinschrift, auf der anderen offenbar eine Ehrung, d. h. mit der Wiederverwendung hat sich gleichzeitig der Verwendungszweck geändert: hier Grabara, dort Statuenbasis. Aber welches war die ursprüngliche Verwendung, welches die spätere, oder – mit anderen Worten – welche Inschrift ist älter? Schon diese Frage ist nicht eindeutig zu lösen, jedenfalls geben weder der Wechsel des Verwendungszwecks noch der Vergleich der Schriften an sich entscheidende Argumente an die Hand. Auffallend ist indes die sorgfältige Form der Inschrift
59 CIG 3484 (IGR IV 1204) und 3497 (IGR IV 1213; Dessau ILS 8853). Die Lesung ἀρχῆς findet sich in den Publikationen von Th. Smith, Wheler, Peyssonel sowie in Abschriften von Horst, Sherard und Chishull. Die – meistens akzeptierte – Variante ἄρκης dagegen stützt sich auf die Ausgabe von Spon und eine spätere Teilabschrift der einen Inschrift durch Prokesch-Osten. 60 Die Erklärung stammt von Cavedoni (vgl. Hirschfeld, Kl. Schr. 565). Später hat vor allem M. Rostovtzeff, Kolonat 290 Anm. 2 die Inschrift in dem genannten Sinne ausgewertet. 61 D. Magie, Roman Rule II 1426; 1548.
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a gegenüber der sehr flüchtigen, improvisierten Schrift von b; auch ist die Oberfläche bei b weniger gut bearbeitet. Nach den allgemeinen Erfahrungen (vgl. auch oben Nr. 8) würde man danach wohl geneigt sein, a als die ältere Inschrift zu betrachten. Was uns in der Inschrift a aufmerken läßt, ist die Bezeichnung des Eutychides als ἀπελεύϑερος Σεβαστοῦ, als kaiserlichen Freigelassenen. Das führt leicht dazu, an die ,,Nähe“ irgendeines Amtes oder Aufgabenbereiches im persönlichen Dienst des Kaisers zu denken. Es ist keine Frage, daß unter diesen Aufgaben die Domänenverwaltung und -bewirtschaftung eine hervorragende Rolle spielt, und tatsächlich hat man auch an anderen Orten das Vorhandensein kaiserlicher Domänen gerade aus dem Vorkommen kaiserlicher Freigelassener erschlossen62. Das führt uns auf das Problem der Inschrift b. Sie stellt offenkundig eine Ehreninschrift eines Untergebenen (man wird an einen Sklaven oder Freigelassenen denken) für seine Herrin dar, oder besser für seine und seiner Mituntergebenen Gebieterin63. Diese Frau ist eine Römerin mit dem Namen Λεβία – das kann Laevia heißen, aber ebenso wohl auch Livia64. Im letzteren Falle drängt sich natürlich die Vermutung auf, daß hier eine Beziehung bestehen könnte zu der oben genannten ἄρκη Λιουιανή. Dann ergibt sich aber vor allem eine zeitliche Schwierigkeit: die beiden thyateirenischen Texte gehören dem frühen 3. Jahrhundert an; hier ist freilich denkbar, daß der Name der Domäne bzw. die Bezeichnung der Kasse als der „livianischen“ seit den Zeiten der Livia beibehalten wurde. Aber unsere Ehreninschrift b muß doch wohl in die Lebenszeit der Geehrten gehören, und da fällt es schwer, an die Kaiserin Livia zu denken, vor allem wenn es die zweite Verwendung des Steines sein sollte. Kommt eine andere Livia in Frage? Es gibt noch eine Frau dieses Namens, die in Verbindung steht mit einem Kaiser: Livia Ocellina, die Stief- und Adoptivmutter des späteren Kaisers Galba. Das könnte sogar in unserem Falle auch den (Freigelassenen-)Namen des Dedikanten mit erklären, scheint aber doch zu wenig überzeugend, vor allem im Hinblick auf ein Weiterbestehen des Domänennamens. Lehnt man alle diese Kombinationen ab und denkt an irgendeine uns unbekannte Livia oder eher Laevia, dann bleibt doch immerhin die Frage des kaiserlichen Freigelassenen auf der anderen Seite des Steins bestehen. So wirft dieser neue Stein, so unbedeutend er zunächst scheint, doch Probleme auf, die das Interesse der Forschung verdienen.
62 Vgl. dafür etwa D. Magie, Roman Rule II 1327. 63 Aus dieser Vorstellung heraus ist wohl das ἑαυτῶν zu erklären. Jedenfalls ist nicht noch ein anderer Name ausgefallen, der den Plural rechtfertigen würde. 64 Für Beispiele der Schreibung von ε für ι in der griechischen Umschrift lateinischer Personennamen vgl. man etwa die grammatischen Indices der IGR I und III. Dort findet man z. B. Δομετιανός, Σεπτέμιος, Τεβέριος.
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4 Kultwesen 13. Marmorblock, H. ca. 0,45, B. 0,19 m, Dicke unbekannt; Buchstabenhöhe 2–2,4 cm. In dem Dorf Gökçeköy westlich von Apollonis, in der Rückwand eines Brunnens (Abschrift, Photographie: Abb. 16). {TAM V 2 n. 1185} 16
Ἀσκληπί δης Ἀπολ [λ]οδότου ϑεᾷ εὐαν 5 τήτῳ εὐ χήν. Eine Weihung an die ϑεὰ εὐάντητος ist in Lydien bisher durch ein Inschriftenfragment aus dem Raum von Kula bekannt geworden (Keil – v. Premerstein, Erste Reise n. 179 {TAM V 1 n. 265}). Für diese allgemein mit der Meter gleichgesetzte Gottheit und weitere Zeugnisse für ihr Vorkommen sei auf den Kommentar der Herausgeber verwiesen. Unsere Inschrift dürfte dem Material der Stadt Apollonis zuzuweisen sein, das sehr weit in der ganzen die Stadtlage umgebenden Ebene zerstreut ist. Zwei weitere, das Kultwesen betreffende Inschriftsteine aus dem Raume von Borlu, die ich im Sommer 1957 ebenfalls im Museum von Manisa abgeschrieben und photographiert hatte: die Weihung des Reliefbildes einer Θεὰ Λαρμηνή an Θεῷ ὑψίστῳ καὶ μεγάλῳ ϑείῳ ἐπιφανεῖ {TAM V 1 n. 186; I.Manisa Museum 183} und die Dankinschrift einer Katoikie (?) an - - - καὶ Ἀνγέλῳ ὁσίῳ δικαίῳ {TAM V 1 n. 185; I.Manisa Museum 178}, wurden ausgeschieden, weil sie in einer von L. Robert in Bälde zu erwartenden größeren Publikation über den Bereich von Borlu enthalten und behandelt sind. ____________________ Die von F. Gschnitzer und J. Keil im AnzWien 1956, 222 f. Nr. 3 und 4 veröffentlichten wichtigen Inschriften aus Karaköy und Badinca bei Philadelpheia können jetzt nach Aufnahmen P. Herrmanns auch im Bilde wiedergegeben werden. 14. (Abb. 17) {I.Manisa Museum 16}. Bauinschrift eines Laufbrunnens (κρήνη) mit der zugehörigen Wasserzuleitung (ὑδραγώγιον) in dem δῆμος Τεμψιανῶν. Die Lesung der eradierten Stellen ist auch jetzt noch nicht gelungen, doch ist am Anfang am ehesten wohl ein Gottesname zu ergänzen. Bei einem Besuche in Karaköy konnte P. Herrmann in Erfahrung bringen, daß der nahe der Paßhöhe gelegene Ort tatsächlich auf dem Boden einer antiken Siedlung steht und daß die Brunneninschrift in ihr gefunden worden ist. Es sind zwar keine aus dem Boden herausragenden Ruinen sichtbar, doch sollen bei Bauarbeiten in geringer Tiefe ausgedehnte antike Mauern bzw. Fundamente festgestellt worden sein. Einige
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antike Blöcke liegen im Dorf verstreut umher. Vgl. jetzt J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1958 n. 435. 15. (Abb. 18). Schön ausgestattete Stele aus der Frühzeit von Philadelpheia, einem Nikanor von dem κοινὸν τῶν πολιτῶν und den ihm unterstellten Epheben errichtet {TAM V 3 n. 1425}. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1958 n. 436 halten den Charakter einer (reinen) Militärkolonie für Philadelpheia durch die den makedonischen Schild zeigenden Münzen für erwiesen. Der Wortlaut der Inschrift scheint am leichtesten verständlich, wenn wir neben den angesiedelten Soldaten und Veteranen von Anfang oder von sehr früher Zeit an auch Nichtmilitärs als eine zunächst von den Soldaten getrennte Bürgergruppe annehmen. J. Keil
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Indices I. Eigennamen Αἰσχρίων 3. 6 Ἀλέξανδρος 3 Ἀντωνία Διογνήτου 5 Ἀπελλῆς Μητροδώρου 2 Ἀπολλόδοτος 13 Ἀπολλοφάνης Ἀπολλοφάνους 4. 5 Ἀπολλωνίδης Αἰσχρίωνος 6 Ἀπολλώνιος Μενελάου 3 Ἀπολλώνιος 6 Ἀσκληπιάδης 3 Ἀσκληπίδης Ἀπολλοδότου 13 Ἄτταλος Ἀπολλωνίου 6 Βοτρῆς 3 Γάλβα 12 b Γεννάδιος Ἠλίου 10 Διόγνητος 5 Διονύσιος 3 Ἐπάγαϑος 12 Εὐτυχιανός 11 a (Sklave) Εὐτυχίδης 12 (ἀπελ. Σεβ.) Ἠλίας 10 Ἡρακλίδης Ἀλεξάνδρου 3 Ἰόλλας Μηνοφάντου 7 Κέλερ s. Κορνήλιος Λεύκιος Κορνήλιος Κέλερ 3 Λεβία 12 b
Μᾶρκος Μάρκου 3 Μενέλαος 3 Μενέμαχος Μενεμάχου 3 Μηνόδωρος Βοτρέους 3 Μηνόφαντος 7 Μηνόφιλος 3 Μητρόδωρος 2 Μίλων Τρύφωνος 7 Νίκη 12 Πρέπουσα 11 Προμένης 3 Πωλλίττα s. Φλαβία Τρύφων Αἰσχρίωνος 3 Τρύφων 7 Φλ(αβία) Πωλλίττα 11
II. Geographische Namen Αἰγαΐς 2 Ἀκοκώμη (?) s. Νακοκώμη Ἀσιάς s. V (φυλή) Ἑρμοκαπηλειτῶν πόλις (ἡ λαμπρά) 1 Καρηνεῖται 7 Λυδοί 1 Νακοκώμη (?), -ῆται 6
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III. Herrscher βασιλεὺς Ἀντίοχος (II.?) 2 Καῖσαρ ὁ πρεσβύτερος αὐτοκράτωρ 6 Καῖσαρ ὁ νεώτερος αὐτοκράτωρ 6 d. n. Valerius Licinnianus Licinnius (providentissimus inperator, invictus Augustus) 8 Unbekannte Kaiser 1 (οἱ γῆς καὶ ϑαλάσσης καὶ πάντων ἀνϑρώπων ἔϑνους δεσπόται αὐτοκράτορες – Konstantin d. Gr. und Söhne?). 9 (ὁ ϑειότατος αὐτοκράτωρ). 1 (Αὔγουστος)
IV. Römisches ἱερεὺς τῆς Ῥώμης s. VI ὑπατική 11 ἀπελ(εύϑερος) Σεβ(αστοῦ) 12 a
V. Stadt- und Komenverwaltung δῆμος (Apollonis?) 6 κάτοικοι 6 (bis) (φυλὴ) Ἀσιάς (Sardeis) 4. 5 ἀλείφω (das Gymnasion) 3 (Apollonis) ἀρχαί 7 ἀρχῖον 5 (Sardeis) ἄρχοντες (?) 9 γυμνασιαρχέω 3 (Apollonis). 7 (Nakrasa?) εἰρηνάρχαι 9 ἐφηβεύω 3 (Apollonis) ἐφηβαρχέω 3 (Apollonis) λειτουργίαι 7. 9 στεφανηφόρος 6 (Apollonis?) [στεφανηφορέω 3 (Apollonis, Frau)]
VI. Kultwesen ϑεὰ εὐάντητος 13 (Apollonis?)
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ἱερεὺς τοῦ Διός (διὰ γένους) 6 (Apollonis?) ἱερεὺς τῆς Ῥώμης 6 (Apollonis?) τύχη (ἡ σή) 9 Christliches: Χρειστιανοὶ καϑολικῆς ἐκλησίας 10 ὁ Θεός 10 Κύριος (εἰρήνη παρὰ Κυρίου ἰς ἅπαντας ἐῶνας) 10
VII. Verschiedenes ἀνδριάς 7 γεωργία (τὴν γ. εἰδότες) 5 δέσποινα 12 b διασείω 9 κτάομαι 9 (κέκτηται) ὅροι (τεϑέντες) 2 πραγματευτής (Sklave) 11 συντάττω 2 σωτὴρ (κοινὸς τοῦ τε δήμου καὶ τῶν κατοίκων 6 (Apollonis?) φιλανϑρωπία 9 ψυχὴ ἀγαϑή 11 Meilenstein 1 Begräbniswesen: ἀντίγραφον (der Grabschrift) 5 διαϑήκη 5 κοιμητήριν (christl.) 10 μνημῖον 5 Kalender: Δαίσιος 6 Ära von Pharsalos (48 v. Chr.) 6 – – Actium (31 v. Chr.) 6
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Inschriften aus Lydien
Abb. 1: Antike Ortslage (Hermokapeleia?) in der Ebene von Büknüş
Abb. 2: Antike Ortslage (Hermokapeleia?) in der Ebene von Büknüş
Abb. 3: Inschrift 2
Abb. 4: Inschrift 3
Abb. 5: Inschrift 5, Abklatsch
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Inschriften aus Lydien
Abb. 6: Inschrift 4
Abb. 7: Inschrift 6
Abb. 8: Inschrift 7
Abb. 9: Inschrift 8
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Abb. 10: Gesimsblock bei Yatağan
Abb. 11: Inschrift 9
Abb. 12: Inschrift 11
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Abb. 13: Inschrift 12a
Abb. 14: Inschrift 12b
Abb. 15: Inschrift 10
Abb. 16: Inschrift 13
Abb. 17: Inschrift 14
Abb. 18: Inschrift 15
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2 G rab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien im Museum von Manisa Das Archäologische Museum von Manisa verzeichnet unter den Neueingängen der letzten Jahre zwei umfangreichere Inschriftserien aus dem nordöstlichen Lydien, die in der Hauptsache aus Grabsteinen bestehen, daneben aber auch einige interessantere Votivstelen enthalten. Dank dem freundlichen Entgegenkommen des Museumsdirektors, Herrn Kemal Z. Polatkan, können diese | von ihm sichergestellten und in das Museum gebrachten Inschriften hier abgebildet und von ihm und Herrn Dr. Peter Herrmann mit kurzen Bemerkungen veröffentlicht werden. (J. Keil)
1 Saittai Die eine Fundgruppe stammt aus dem Dorf İcikler, das in der Nachbarschaft des antiken Saittai liegt. Mit diesem Ort hat sich vor kurzem L. Robert in einer geographisch-historischen Studie beschäftigt und dabei alles zusammengestellt, was wir von ihm wissen1. Die hier mitgeteilte Serie von Grabsteinen vermag das Bild vom Leben dieser hellenisierten Landstadt, von ihren typischen Einrichtungen wie auch ihrem Namenmaterial noch um einige Einzelzüge zu bereichern. Aus Saittai stammen insgesamt 11 gut erhaltene Grabstelen von sehr einheitlicher Form (Giebelstelen mit Akroteren; über der Schrift häufig Darstellung eines Kranzes) und feststehendem Formular (Datum am Kopf, Altersangabe des Verstorbenen am Ende; der eigentliche Text mit ἐτίμησεν formuliert)2, die sich über einen Zeitraum von rund 80 Jahren verteilen. Inschriften vom selben Typ, die auch etwa in diese Zeit gehören, sind schon von früheren Reisenden in dieser Gegend abgeschrieben worden3. Die Frage der in Saittai zur Datierung verwendeten Ära ist nicht eindeutig geklärt4, auch das hier mitgeteilte Material kann darüber keinen entscheidenden Aufschluß geben. Bei der wohl nächstliegenden Annahme der sullanischen Provinzial ära würden die Inschriften in die Zeit von ca. 150 bis 230 gehören.
P. Herrmann, K. Z. Polatkan, AnzWien, 98. Jahrgang 1961, Nr. 16, 1962, 119–127 mit 16 Abbildungen. 1 L. Robert, Anatolia (Revue annuelle de l’Institut d’Archéologie de l’Université d’Ankara) 3, 1958, 123–129. 2 Vgl. L. Robert, RPhil 1939, 191; J. und L. Robert, Hellenica VI 92. 3 K. Buresch, Aus Lydien 57, n. 32–33 {TAM V 1 n. 125. 121}; Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 215–217; 219–221 {TAM V 1 n. 104. 89. 85. 146. 152. 153}. Die Inschriften Le Bas – Waddington 1667–1668 (nach Hamilton) {TAM V 1 n. 95. 134} weichen von dem gewöhnlichen Typus etwas ab. 4 Dazu Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 109.
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Inschriften aus Lydien
1. Mus. Inv.-Nr. 1254. Giebelstele mit Akroteren, Einlaßzapfen; über der Inschrift Kranz. Weißer Marmor, H. 99, B. 32–41,5, D. 10,5, BH. 1,3, ZA. 1, Zeilen vorgeritzt. Abb. 1. {TAM V 1 n. 86; I.Manisa Museum 276} Ἔτους σλϑʹ μη(νὸς) Ἀπελλαί- 239 sull. Ära = 154/5 n. Chr. ου ϑʹ Παπίαν Ἀρτεμιδώ ρου ἐτείμησεν τὸ ὁμότε χον (sic) τῶν γναφέων ζήσαν 5 τα ἔτη οεʹ. (75 Jahre) 121
Der Ausdruck ὁμότεχνον für die Handwerksgenossenschaft ist aus Saittai schon durch die Inschrift Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 217 {TAM V 1 n. 85}, belegt, einen einige Jahre älteren Grabstein, den das ὁμότεχνον τῶν λαναρίων gesetzt hat. Zu den schon bekannten Handwerkszweigen der Leder- (σκυτοτόμοι ebd. n. 219 {146}) und Wollverarbeitung kommt jetzt noch die für die antike Textilindustrie wichtige Gruppe der Walker5 hinzu. 2. Mus. Inv.-Nr. 1246. Giebelstele, ohne Kranz. H. 61, B. 25,5–33, D. 7, BH. 1,7–2, ZA. 1. Abb. 2. {TAM V 1 n. 87a; I.Manisa Museum 282} Ἔτους σνβʹ μη(νὸς) Ἀρ- 252 sull. Ära = 167/8 n. Chr. Α Α τεμεισίου Δ Ζη- Δ = δʹ ἀ(πιόντος) νόβιν Ζηνοβίου ἡ συνβίωσις ἐτεί 5 μησεν ζήσαντα ἔτη ληʹ. Χαῖρε. (38 Jahre) Der Grabstein ist – so wie der bei Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 216 {TAM V 1 n. 89} – von einer συμβίωσις gesetzt worden, einer in Lydien sehr verbreiteten Vereinsform6. 3. Mus. Inv.-Nr. 1248. Giebelstele mit Akroteren, Kranz. H. 78, B. 32,5–42,5, D. 5, BH. 1,7, ZA. 1,2. Abb. 3. {TAM V 1 n. 92; I.Manisa Museum 283}
Ἔτ(ους) σνγʹ μη(νὸς) Αὐδναίου δʹ ἡ σύνοδος τῶν νέ-
253 sull. Ära = 168/9 n. Chr.
5 Man vergleiche dafür die Übersicht von Broughton bei Tenney Frank, An economic survey of ancient Rome IV, 841 ff. Über das Gewerbe allgemein R. J. Forbes, Studies in ancient technology IV (1956) 86 ff. 6 Vgl. F. Poland, RE IV A 1, 1076; L. Robert, Études anatoliennes 93 Anm. 2; J. und L. Robert, Hellenica IX 35.
2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien
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ο δαρίων ἐτείμησε ων Π Δέσκυλον Διοφάντου 5 ζήσαντα ἔτη μγʹ. (43 Jahre)
Auch dieser Grabstein ist von einem Verein errichtet, von den νέοι, die sich hier – wie auch gelegentlich an anderen Orten7 – als σύνοδος bezeichnen. Der besondere Name νέοι ποδάριοι scheint bisher unbelegt. Vielleicht können zu seiner Aufklärung die Glossen II 410, 56 und III 240, 15 ποδοψόφοι – podarii, und (wenn eine Vermutung von Heraeus, Arch. f. lat. Lexikogr. 12, 1902, 69 zu|trifft) auch V 608, 28 podiarius inter mimos verwendet werden, die auf einen Bezug zum Theater hinweisen würden8. Auch die Inschrift CIL VI 30617 hilft nicht weiter. 4. Mus. Inv.-Nr. 1253. Stele mit Kranz, oben gebrochen. H. 57, B. 32–40, D. 7, BH. 1,5–2, ZA. 0,8. Abb. 4. {TAM V 1 n. 111; I.Manisa Museum 286} Ἔτ(ους) σνδʹ μη(νὸς) Ὑπερβερ- ταίου εʹ Εὐκαρπί δην ἐτείμησεν ἡ ϑρέψασα Ἐράστη 5 καὶ Ἱπποδαμιανὸς ὁ σύντροφος καὶ Ἐ πίτευξις ἡ σύντρ οφος.
254 sull. Ära = 169/70 n. Chr.
5. Mus. Inv.-Nr. 1255. Stele mit Kranz, oben gebrochen. H. 69, B. 31–40, D. 6, BH. 2, ZA. 1,2. Abb. 5. {TAM V 1 n. 112; I.Manisa Museum 288} 5
Ἔτ(ους) σνζʹ μη(νὸς) Ἀπελλαίου ειʹ Λούκιον ἡ γυνὴ Στρατηγὶς καὶ ἡ ϑυγάτηρ καὶ Τελέσφορος ὁ ἀδελφὸς ἐτείμησαν ζή(σαντα) ἔτ(η) μεʹ.
257 sull. Ära = 172/3 n. Chr.
(45 Jahre)
Zum Frauennamen Στρατηγίς vgl. IG II/III2 9877 (eine Milesierin), IG XII 8, 369, 2 (Thasos).
7 Vgl. C. Forbes, Neoi (1933) 38. 8 Der Hinweis auf die Glossen wird der Direktion des Thesaurus Linguae Latinae verdankt. [Neufund verbindet sie mit Dionysoskult.]
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Inschriften aus Lydien
6. Mus. Inv.-Nr. 1251. Fragment einer Giebelstele mit Kranz, oben und unten gebrochen. H. 47, B. 31, D. 6, BH. 2, ZA. 1. Abb. 6. {TAM V 1 n. 112a; I.Manisa Museum 290} Ἔτ(ους) σνηʹ μη(νὸς) Περειτίου γιʹ Αἰνείαν Κίμ̣ [βρο] υ ὑὸν τὸν [- - - - - - -] την ε̣ [
258 sull. Ära = 173/4 n. Chr.
Ζ. 2 oder Κίνβρου; so die ἐπὶ Ὀκτα. Κ. ἀρχ. geprägte Stadtmünze bei Imhoof-Blumer, Kleinas. M. II 523, 1. 7. Mus. Inv.-Nr. 1250. Unterer Teil einer Stele. H. 52, B. 37,5–45, D. 4,5, BH. 2–2,5, ZA. ca. 1. Abb. 7. {TAM V 1 n. 114; I.Manisa Museum 299} 123
Ἔ[τ(ους)] σοϛʹ μ[η(νὸς)] Πανήμ[ο]υ̣ 276 sull. Ära = 191/2 n. Chr. ἐτείμησεν Τύχη τὸν ἴδιον ἄνδρα Ἀντωνεῖνον ζήσαν 5 τα ἔτη μʹ. (40 Jahre) 8. Mus. Inv.-Nr. 1256. Giebelstele mit Akroteren, Kranz. H. 66, B. 30–37, D. 6, BH. 2, ZA. 0,8. Abb. 8. {TAM V 1 n. 90; I.Manisa Museum 329} Ἔτ(ους) σπγʹ μη(νὸς) Ξανδ[ικοῦ] 283 sull. Ära = 198/9 n. Chr. προτέρᾳ ἐτείμη[σεν] ἡ γειτοσύνη Εὐ τυχιανὸν ζήσαν 5 τα ἔτη κγʹ. (23 Jahre) Die γειτοσύνη, die diesen Grabstein gesetzt hat, ist eine auf der räumlichen Nachbarschaft beruhende ,Quartiervereinigung‘9, also einer der typisch griechischen vereinsartigen Zusammenschlüsse. Saittai scheint an solchen Gruppen reich gewesen zu sein (man vgl. die πλα[τεῖα τῶν] σκυ[τοτόμων], Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 219 {TAM V 1 n. 146}). 9. Mus. Inv.-Nr. 1257. Giebelstele mit Akroteren; über der Schrift Kamm und Spiegel. H. 81, B. 31,5–38, D. 8, BH. 2, ZA. 0,8. Abb. 9. {TAM V 1 n. 123; I.Manisa Museum 339}
9 Auch γειτ(ο)νία, γειτνίασις: vgl. L. Robert, REA 1940, 318 Anm. 2; Bull. épigr. 1953 n. 193; 1954 n. 238; RPhil 1959, 215 Anm. 10.
2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien
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Ἔτους τϛʹ μη(νὸς) Δύσ- 306 sull. Ära = 221/2 n. Chr. τρου δʹ Τρόφιμος Ἄμμιον τὴν σύμβι ον καὶ Ἑρμόφιλος ὁ 5 υἱὸς τὴν μητέρα κ(αὶ) Κράτιππος κ(αὶ) Ἐλ πὶς οἱ γονῆς τὴν ϑυ γατέρα ἐτείμησαν ζή(σασαν) ἔτ(η) κεʹ. (25 Jahre) 10. Mus. Inv.-Nr. 1247. Giebelstele mit Akroteren. H. 67, B. 26,5–36, D. 5, BH. 1,6, ZA. 1. Abb. 10. {TAM V 1 n. 124; I.Manisa Museum 346} Ἔτ(ους) τιʹ μη(νὸς) Ἀπελλαίου 310 sull. Ära = 225/6 n. Chr. ϑʹ ἀ(πιόντος) Τρόφιμος κ(αὶ) Κα̣ λανδικὴ ἐτίμησαν Δωρίδα τὴν ἑαυτῶν 5 ϑυγατέρα ζή(σασαν) ἔτ(η) ϑʹ. (9 Jahre) Der Name Καλανδική dürfte zu den bekannten Formen Κάλανδος, Καλανδίων, Καλαν δάριος gehören. 11. Mus. Inv.-Nr. 1252. Giebelstele mit Akroteren. H. 67, B. 23–31, D. 4, BH. 2, ZA. 0,8. Abb. 11. {TAM V 1 n. 126; I.Manisa Museum 351} Ἔτους τηιʹ μη(νὸς) Πε- 318 sull. Ära = 233/4 n. Chr. ριτίου ϑʹ Λυδὸς ὁ πάπος κὲ Μακε δονεία ἡ μάμη ἐ 5 τίμησαν Ἀλέξαν δρον τὸν ἑαυτῶν ἔγγονον ζήσαντα ἔτη τρία. (3 Jahre) Außerdem ist eine in Form und Schrift völlig verschiedene Votivstele aus İcikler nach Manisa gekommen: 12. Mus. Inv.-Nr. 1249. Unverzierte Stele aus weißem Marmor, oben Kyma, unten Einlaßzapfen. H. 51, B. 20–24, D. 6, BH. 1,6, ZA. 1. Abb. 12. {TAM V 1 n. 76; I.Manisa Museum 94}
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Inschriften aus Lydien
Διόδωρος ΟΔΗΝΟΣ Μητρὶ Σιμιδαληνῇ εὐχήν. Der Beiname der Meter ist neu; man kann wohl annehmen, daß er einen geographischen Namen enthält. ΟΔΗΝΟΣ in Zeile 2 bedarf noch der Deutung.
2 Maionia Eine andere Gruppe von Inschriften ist aus Menye, der Ortslage des antiken Maionia, nach Manisa gebracht worden. Darunter befinden sich schon bekannte Stücke, wie das Fragment des berühmten Kalendererlasses des Provinziallandtages von 9 v. Chr. (Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 166, jetzt Mus. Inv.-Nr. 1237 {TAM V 1 n. 516; I.Manisa Museum 5; I.Priene (2014) 14}). Neu sind folgende Texte: 13. Mus. Inv.-Nr. 1236. Fragment einer Grabstele; über der Inschrift Kranz. H. 38, B. 40, D. 5,5, BH. 1,7–2, ZA. ca. 1. Abb. 13. {TAM V 1 n. 554; I.Manisa Museum 411} Ἑρμογένης Παπίου καὶ Τάτιον Μενεκρά του Τάτιν τὴν ἑ̣ [αυ-] τῶν ϑυγατέ[ρα] 5 ἐτείμησ[αν]. Es folgen einige für das Kultwesen interessante Votivstelen: 125
14. Sabazios. Mus. Inv.-Nr. 1245. Stele mit Kyma und Einlaßzapfen; über der Inschrift Relieffeld mit Darstellung eines an einem Altar (darüber Schlange) spendenden Mannes (in der Linken hält er an einem Strick ein Schöpfgefäß). H. 57, B. 22,5–26, D. 7,5, BH. 1,8, ZA. 1,2. Abb. 14. {TAM V 1 n. 538; I.Manisa Museum 67a} Διὶ Σαβαζίῳ Ἀριους Θεοφ‹ί-› λου Σαρδιανὸς τόν τε οἶκον καὶ 5 τὸν περικείμε νον τῷ οἴκῳ ψι λὸν τόπον ἀνέ ϑηκεν.
2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien
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Ein Mann, namens Ἀριους10, aus Sardeis hat dem Zeus Sabazios ein ,Gebäude‘ errichtet und es ihm zugleich mit dem umgebenden freien, unbewachsenen Platz11 geweiht. Man hat dabei wohl an ein kleines Privatheiligtum in einfachster Form zu denken. Ein Zeugnis des in Lydien nicht so seltenen Sabazioskultes12 ist aus Maionia schon bekannt durch die Inschrift Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 168 {TAM V 1 n. 539}. 15. Hekate. Mus. Inv.-Nr. 1232. Große Stele aus weißem Marmor, mit Giebel (Akroteren), Einlaßzapfen. In der Mitte zwischen den beiden Versen Darstellung eines Kranzes im Flachrelief. H. 124, B. 37–42, D. 8, BH. 1,8, ZA. 1. Abb. 15. {TAM V 1 n. 523; I.Manisa Museum 84; Merkelbach – Stauber, SGO I 04/22/01} Εἰνοδία σκυλάκαινα ϑε/ὰ πότνια σεμνὴ ἔξο/χε πασῶν / σῷζέ με τόνδ’ ἀνα/ϑέντα καὶ εἱλέως / ἴσϑι βροτοῖσιν. / Ἰούλιος εὐχήν. Der Name der Gottheit, der Iulius mit zwei Hexametern (von denen der erste etwas verunglückt ist) diese große Votivstele dar|gebracht hat, geht aus ihren Epitheta εἰνοδία und σκυλάκαινα13 hervor: es ist Hekate. Die Inschrift bringt das erste inschriftliche Zeugnis ihres Kults in Lydien; bisher war er nur durch Reliefs und Münzbilder im besonderen für den mäonischen Raum nachweisbar14. Außer dieser Stele sind aus Menye auch zwei kleine inschriftlose Hekataia (Mus. Inv.-Nr. 1240, 1241) in das Museum von Manisa gelangt. Durch diese Dokumente, zusammen mit den Münzbildern, kann das Vorhandensein eines Hekate-Heiligtums in Maionia als gesichert angesehen werden. Die Votivstele des Iulius, die etwa aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammen dürfte, zeigt nach einem auch sonst in Lydien verbreiteten Brauch15 das Reliefbild eines Lorbeerkranzes.
10 Gehört der Name mit dem besonders in Ägypten belegten Ἄρειος (L. Robert, Études anatoliennes 140) zusammen? In Ägypten erscheint auch mehrfach ein Name Ἁρηοῦς, -οῦτος (vgl. Preisigke, Namenbuch). In Sparta kommt der Frauenname Ἀριοῦσα vor (IG V 1, 767), wozu Wilamowitz auf die Ἀριουσία genannte Gegend von Chios hinweist bzw. auf den nach ihr benannten Wein. 11 Für ψιλὸς (oder καϑαρὸς) τόπος vgl. H. W. Pleket, The Greek Inscriptions in the ,Rijksmuseum van Oudheiden‘ at Leyden (1958) 24 n. 8. An den dort angegebenen Stellen erscheint der Ausdruck in der Beschreibung von Grabanlagen. 12 J. Keil, Die Kulte Lydiens (Anatolian Studies Ramsay, 1923) 258 führt 10 Belege an. Man vgl. auch J. und L. Robert, Hellenica VI 111. 13 Über diese beiden Epitheta Heckenbach, RE VII 2, 2775 und 2776; Th. Kraus, Hekate (1960) 78 bzw. 26. 14 Dazu L. Robert, Hellenica X 115 ff., vgl. auch Th. Kraus, a. a. O. 52. 15 Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 84.
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Inschriften aus Lydien
16. [Thea] Bryze Adytene. Mus. Inv.-Nr. 1233. Große Giebelstele aus weißem Marmor, links gebrochen. Über der Schrift Relief: Opferszene an einem Altar. Rechts von dem Altar Spendender, daneben Knabe; links drei Figuren, im Hintergrund Reiter. Im Giebelfeld über einem Ornament ein (weiblicher) Kopf, auch in dem erhaltenen linken Akroter Darstellung eines Kopfes. H. 126, B. 54–60, D. 6,5, BH. 2,3, ZA. 1,2. Abb. 16. {TAM V 1 n. 532; I.Manisa Museum 88} [Ἔτους] τ̣ λεʹ μη(νὸς) Δαισίου [Θεᾷ ἁγνῇ] Β̣ρύζῃ Ἀδυτηνῇ Ἀλέ [ξανδρος Γ]αλάτης καὶ Ἰουλία [ἡ γυνὴ αὐτο]ῦ εὐξάμενοι μετὰ 5 [τοῦ γαμβρο?]ῦ Κάσστορος Ἐξξα [ca. 6 σὺν τῷ] τέκνῳ Ἀλεξάν [δρῳ καὶ 4–5]Ιου καὶ Ἀνδρονεί [κου τῶν υἱῶν? κ]αὶ Παλλαδίου τῆς [ϑυγατρὸς?? εὐχα]ρισστοῦντες 10 [ἀνέστησαν?].
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335 sull. Ära = 250/1 n. Chr.
Die Weihung hatte die Form einer Danksagung (εὐχαριστοῦντες) für die Erfüllung einer Bitte, welcher der Galater Alexandros und, so darf wohl angenommen werden, seine Frau Iulia in der Form eines Gelübdes (εὐξάμενοι) an die Göttin gerichtet hatten16. Mit | μετά waren den Erstgenannten als Teilnehmer an dem Gelübde fünf Personen angeschlossen, deren Verwandtschaftsverhältnis zu ihnen auf dem verlorenen Stück der Stele angegeben war: Kastor, Sohn eines Exa[kestos?], mit dem ein vielleicht noch unmündiges Kind (τέκνον) Alexandros durch ein die μετά-Konstruktion unterbrechendes σύν eng verbunden gewesen zu sein scheint, dann – die μετά-Konstruktion fortsetzend – zwei männliche Personen, die eine mit nicht voll erhaltenem Namen, dann ein Androneikos und eine weibliche Person Palladion(?). Eine andere Möglichkeit wäre, die drei Letztgenannten nicht als durch μετά gekennzeichnete Teilnehmer an dem Gelübde, sondern als durch ὑπέρ dem Schutze der Göttin Anempfohlene zu verstehen. Die eingesetzten Ergänzungen, von denen aber ab Z. 4 keine einzige gesichert ist, wollen ein mögliches Verwandtschaftsbild der Familie geben. Bei dem Versuch einer Identifizierung der in der Inschrift genannten mit den im Relief dargestellten Personen ist von großem Interesse, ob der auf der Abbildung undeutliche, auf dem Stein aber sicher zu erkennende Reiter hinter dem Altar als das etwa schon verstorbene und zum Heros erhobene Familienoberhaupt Alexander der Galater zu deuten ist.
16 Für diesen Gebrauch von εὐχαριστεῖν vgl. L. Robert, Hellenica X 55 ff. Unter den dort angeführten Beispielen erscheint auch mehrfach die Verbindung εὐξάμενος … εὐχαριστῶν (55 Anm. 3; 56 Anm. 2 mit Beispielen aus Lydien).
2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien
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Die Göttin, die wir durch diese Weihung kennenlernen, muß eine der vielen Lokalgottheiten des mäonischen Gebietes gewesen sein. Nach der Zusammenstellung von J. Keil, Die Kulte Lydiens (Anatolian Studies Ramsay, 1923) 261 hat sich ihr Name (ἁγνὴ Ἀδυτηνή) auf zwei unveröffentlichten, von Ramsay in Menye und Gölde abgeschriebenen Inschriftfragmenten gefunden17 {TAM V 1 n. 533 und 358}.
17 Nur in der Weihung aus Menye ist der volle Name im Dativ als Θεᾷ Βρυζι (nicht Βρυζίᾳ!) ἁγνῇ Ἀδυτηνῇ enthalten. Zusammen mit einem Neufunde veröffentlicht, werden sich die beiden Fragmente auch für die Beurteilung der großen Familienweihung als wichtig erweisen. J. Keil.
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Inschriften aus Lydien
Abb. 1: Inv.-Nr. 1254
Abb. 2: Inv.-Nr. 1246
Abb. 3: Inv.-Nr. 1248
Abb. 4: Inv.-Nr. 1253
2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien
Abb. 5: Inv.-Nr. 1255
Abb. 6: Inv.-Nr. 1251
Abb. 7: Inv.-Nr. 1250
Abb. 8: Inv.-Nr. 1256
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Inschriften aus Lydien
Abb. 9: Inv.-Nr. 1257
Abb. 10: Inv.-Nr. 1247
Abb. 11: Inv.-Nr. 1252
Abb. 12: Inv.-Nr. 1249
2 Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien
Abb. 13: Inv.-Nr. 1236
Abb. 14: Inv.-Nr. 1245
Abb. 15: Inv.-Nr. 1232
Abb. 16: Inv.-Nr. 1233
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3 Bericht über eine Reise in Nordostlydien In der Zeit vom 15. September bis 15. Oktober 1961 habe ich im Auftrag der Klein asiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eine epigraphische Nachbereisung im Bereich des nordöstlichen Lydien unternommen. Dank der wirksamen Hilfe und Unterstützung durch türkische Behörden und Privatpersonen konnte die Reise ohne Behinderungen dem Programm entsprechend durchgeführt werden. Nach einem kurzen Besuch im Archäologischen Museum von Manisa, das nach wie vor im Umbau befindlich und daher in seinen epigraphischen Beständen zum größten Teil nicht zugänglich ist, habe ich von dem Zentrum Kula aus in einer Serie aufeinanderfolgender Exkursionen die nähere und zum Teil auch weitere Umgebung durchforscht und dabei die meisten Dörfer dieses Gebietes besucht. Das waren zunächst im Raum westlich von Kula die Orte Menye/Maionia (mit einer großen Zahl neuer Inschriften), Görnevit, Emre, Kenger, Yağbasdı, sodann nordwestlich die Dörfer Gölde, Ayazviran (viele Neufunde), Holoz-Karaoba, Ayvatlar, Hamidiye, woran sich ein Abstecher über den Hermos hinaus nach Norden anschloß, über Encekler, Çayköy bis İcikler mit zweimaligem Besuch der Sidasharabeleri, des Stadtgebietes des antiken Saittai. Im Norden von Kula habe ich die Orte İbrahimağa, Şeremet, Kavaklı besucht sowie den Badeort Hamam (Thermai Theseos) mit dem Dorf Şehitlioğlu (Fund einer kleinen Statue mit Epigramm auf Attis, das die Deutung der Felsreliefs bei dem Bad bestätigt) und bin dann durch das Bergland nördlich des Hermos über Tahtacı, Kalburcu, Köleköy, Avlaşa bis Karaselendi und Selendi (Silandos) vorgestoßen. Nordöstlich und östlich von Kula führten Exkursionen in die Dörfer Körez, Kalınharman, Yeniköy und Manaklar sowie in den Raum von | Davala mit Besuch des nahen Kale sowie der Orte Yukarı Davala und Burgaz, wobei die antike Stadt Tabala mit großer Wahrscheinlichkeit in unmittelbarer Nähe des letztgenannten Dorfes lokalisiert werden konnte; weiter hermosaufwärts habe ich noch Adana und Sirke besucht. Eine Fahrt in die südöstlich von Kula gelegene Burçak Ovası (Kastolu pedion) mit den Hauptdörfern Bebekli und Başıbüyük konnte wider Erwarten keine Neufunde erbringen. Zum Abschluß der Reise habe ich noch von Uşak aus die Orte Güre (Bagis), Beylerhan und Aktaş besucht. Die Reise hat in erster Linie eine beträchtliche Zahl von epigraphischen Neufunden erbracht; die Möglichkeiten der Feststellung und Nachprüfung bzw. photographischen Aufnahme schon bekannter Steine waren – wie sich schon bei einem ersten informatorischen Besuch dieser Gegend im Jahre 1959 gezeigt hatte – demgegenüber recht begrenzt: etwa 130 Neufunden stehen nur rund 25 ältere Steine gegenüber, die wiedergefunden wurden und zum Teil revidiert und photographiert werden konnten. Das neue Material enthält etwa 70 Grabsteine (mit 7 Grabepigrammen), mehr als 20
AnzWien, 98. Jahrgang 1961, Nr. 21, 166–168.
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Weihungen und 7 zum Teil interessantere Sühninschriften sowie 10 Ehreninschriften. Die Steine sind in der Regel Zufallsfunde, dürften aber zu einem gewissen Teil auch aus privaten Raubgrabungen stammen, die in diesem Raum in letzter Zeit stark zugenommen haben, angeregt durch das Auftreten von Antikenhändlern. So ist etwa die Nekropole von Saittai geradezu systematisch ausgeplündert worden. Gerade in diesen Fällen ist die Erfassung des Inschriftenmaterials – abgesehen von den üblichen durch die Ignoranz der Bevölkerung verursachten Verlusten und Zerstörungen – vielfach noch sehr eingeschränkt durch Furcht und Mißtrauen der Finder, so daß der Fremde sicher sehr viele Steine gar nicht zu sehen bekommt. Durch die neuerliche Bereisung und das dabei gefundene Material haben sich in topographischer Hinsicht verschiedene neue Aufschlüsse ergeben: außer der Lokalisierung der Stadt Tabala konnten vor allem einige neue Ortslagen festgestellt und mehrere neue Ortsnamen – meistens von Katoikien – gewonnen werden, so z. B. Siedlungen namens Koresa und Tarsi (danach dürfte der Apollon Tarsios benannt sein, von dem bei Tabala ein Lokalheiligtum nachgewiesen werden konnte) im mäonischen Raum, eine Katoikie Lyendos bei Aktaş, das von Keil und v. Premerstein vermutungsweise für Temenothyrai in Anspruch genommen worden war. Besonders interessant und aufschlußreich ist sodann die | Gruppe der Weihungen und Sühninschriften mit verschiedenen neuen Beispielen für die besonderen und zum Teil eigentümlichen Formen der ‚göttlichen Gerichtsbarkeit‘ in diesem Raum, die, wie sich zeigt, auch auf den Bereich des Grabschutzes ausgedehnt worden ist. Die Weihungen haben eine größere Anzahl neuer Belege schon bekannter Lokalgottheiten gebracht, insbesondere der Anaeitis, des Men mit verschiedenen Beinamen, des Apollon Nisyreites und Apollon Tarsios; dazu kommen einige noch nicht belegte Namen oder Beinamen. Historisch interessant scheinen einige leider jedoch recht verstümmelte Fragmente (meistens von Ehrungen) aus späthellenistischer Zeit und möglicherweise den Anfängen der römischen Provinz zu sein; für die Kaiserzeit hat sich ein neuer Prokonsul gefunden.
4 Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien Die am Nordrand Lydiens an den südlichen Ausläufern des Temnos gelegene antike Landstadt Iulia Gordos ist im Rahmen der archäologisch-epigraphischen Erforschung Kleinasiens in den vergangenen zwei Jahrhunderten nur relativ selten von Reisenden besucht worden. Durch Inschriftenfunde konnte um das Jahr 1850 der Belgier A. Wagener die Stadt, deren Name in dem modernen Ortsnamen Gördes weiterlebt, sicher identifizieren, gelegentlich einer Reise, die er als Begleiter des damaligen preußischen Konsuls in Smyrna, Spiegelthal, unternahm und deren eigentlicher, durch das wissenschaftliche Vorhaben nur getarnter Zweck die Erkundung der ,Geheimnisse‘ der damals in Gördes in Blüte stehenden Teppichindustrie war1. Wagener hat mehrere in Gördes abgeschriebene Inschriften veröffentlicht2; nach ihm ist das Material dann gelegentlich der Besuche von P. Paris3, von K. Buresch im Jahre 18954 und vor allem von J. Keil und A. v. Premerstein im Jahre 1906 weiter vermehrt worden5. Dazu | kommen noch mehrere aus Gördes in das Museum von Manisa gelangte Steine, die von J. und L. Robert publiziert worden sind6. Da Gördes seit der Reise von Keil – v. Premerstein vor nunmehr 64 Jahren von keinem Epigraphiker mehr aufgesucht worden zu sein scheint, habe ich gelegentlich einer im Herbst 1969 im Auftrag der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit cand. phil. R. Bernhardt unternommenen Reise in Lydien den Ort besucht und einige Fahrten in seine Umgebung unternommen. Dabei konnten wir zunächst als ein bemerkenswertes Faktum konstatieren, daß das moderne Gördes vor etwa 12 Jahren eine vollständige Verlegung erfahren hat: da die Ortslage am Fuße eines steilen Abhanges im Tal des Kum Çay (Hyllos) durch Erdrutsche gefährdet war, hat man sich entschlossen, sie aufzugeben und die Stadt auf der Hochfläche nördlich oberhalb des Tales ganz neu zu errichten. Vom alten Ort, der sich über den ganz spärlichen Überresten des antiken Iulia Gordos erhoben hatte, sind außer wenigen noch bewohnten Häusern und einigen Moscheen
AnzWien, 107. Jahrgang 1970, 92–103 mit 3 Abbildungen. 1 Vgl. A. Wagener, Inscriptions grecques recueillies en Asie Mineure, Acad. Royale de Belgique. Mémoires couronnés et mémoires des savants étrangers, Tome XXX (1859) 1. 2 A. a. O. 26–36 n. VIII–XII. 3 BCH 8 (1884) 380–390 n. 1–9. 4 Vgl. Karl Buresch, Aus Lydien (Leipzig 1898) 139. Publikation der Inschriften durch A. Körte, Inscriptiones Bureschianae, Wiss. Beilage z. Vorl.-Verz. Greifswald, Ostern 1902, 15–19 n. 19–22. 5 Josef Keil – Anton von Premerstein, Bericht über eine Reise in Lydien und der südlichen Aiolis, DenkschrWien 53 (1908) 68–81 n. 146–174 (166–174 aus der Umgebung von Iulia Gordos, vgl. auch Zweite Reise 66–76 n. 137–158). 6 Jeanne und Louis Robert, Hellenica VI (1948) 89–100 n. 33–38 (die Nummern 34, 35 und 38 waren schon veröffentlicht).
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Inschriften aus Lydien
nur noch Ruinen vorhanden7. In Verbindung mit der Verlegung des Ortes hat Herr Hayrı Büke, ehemaliger Abgeordneter der türkischen Nationalversammlung, dankenswerterweise eine größere Anzahl von Antiken, darunter besonders Inschriften, sichergestellt und in sein Haus im neu erbauten Ort gebracht, wo sie, an den Wänden des Gartens aufgestellt oder eingemauert, ein sehr ansehnliches und interessantes Lapidarium bilden. Dank des freundlichen Entgegenkommens des Besitzers konnten wir die dort aufbewahrten rund 20 Inschriften (darunter einige aus der Umgebung von Gördes) aufnehmen; es sind zumeist Grabsteine des in Iulia Gordos verbreiteten Typus, darunter auch einige schon bekannte. Aus diesem Material heben sich aber zwei aus hellenistischer Zeit stammende Weihungen heraus, weil sie – von ihrem prosopographischen Gehalt abgesehen – auch für die ältere Lokalgeschichte des Ortes Bedeutung zu besitzen scheinen. An ihre Veröffentlichung in diesem kurzen Bericht möchte ich die Mitteilung von zwei Neufunden aus der nördlichen Umgebung von | Gördes anschließen, die aus einer dort neu ermittelten, zum Territorium von Iulia Gordos gehörigen Katoikie stammen.
1 Weihungen an Zeus Porottenos 1.1 Der Hegemon Arkesilaos für Apollophanes, den Leibarzt Antiochos’ III. Große Stele aus weißem Marmor, oben Profil (zum Teil abgeschlagen). Über dem etwas erhöht herausgearbeiteten Schriftfeld in einem etwas vertieften Rechteck Darstellung eines Kranzes im Flachrelief, in seiner Mitte eine große Blume (Rosette). H. ca. 140, B. 60, D. 15 cm; Buchstabenhöhe 1,5–2 cm; Buchstaben der Zeit um 200 v. Chr.: A mit gebrochener Querhaste, Π mit rechts verkürztem Fuß, Σ mit nahezu parallelen Schenkeln, O etwas kleiner als die übrigen Buchstaben (eine photographische Aufnahme des Steines war leider wegen ungünstiger Aufstellung nicht möglich). {TAM V 1 n. 589} Διὶ Ποροττηνῶι ὑπὲρ ⟦ 5–6 ⟧ ἰατροῦ ⟦ 3 ⟧ βασιλέως 4 Ἀπολλοφάνου τοῦ Ἀπολλοφάνου Σελευκέως τῆς ἀπὸ Πιερίας Ἀρκεσίλαος Ἀρκεσιλάου ἡγεμὼν χαριστήρια.
7 Vgl. Abb. 1: Blick von Süden über das Tal des Kum Çay auf die Reste des alten Ortes; oben auf der Höhe einige Gebäude der modernen Stadt.
4 Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien
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Die von Arkesilaos errichtete Weihung zugunsten8 des königlichen Arztes Apollophanes aus dem nordsyrischen Seleukeia in Pierien legt die Vermutung nahe, daß damit ein im Dienste eines Seleukidenkönigs stehender Mann gemeint ist. Tatsächlich ist der durch die Weihung Geehrte eine uns auch sonst bekannte Persönlichkeit: es ist der Leibarzt Antiochos’ III., der in den Jahren 220/219 eine auch politisch einflußreiche Stellung unter | den Höflingen des jungen Seleukidenkönigs innehatte. Er war nach der Darstellung des Polybios die treibende Kraft bei der Palastintrige, die zur Ermordung des Wesirs Hermeias führte (V 56, 1 Ἀπολλοφάνης ὁ ἰατρός, ἀγαπώμενος ὑπὸ τοῦ βασιλέως διαφερόντως)9, und verstand es auch, den König im folgenden Jahr zu seinem Angriff auf das in ptolemäischer Hand befindliche Seleukeia, seine Heimatstadt, zu bewegen (V 58, 3 Ἀπολλοφάνης, ὑπὲρ οὗ καὶ πρότερον εἴπαμεν, τὸ γένος ὢν Σελευκεύς): gerade diese Herkunftsangabe ist der sichere Beweis für die Identität des Mannes mit dem in unserer Inschrift Genannten. Wie zahlreiche Erwähnungen in der medizinischen Literatur zeigen, ist Apollophanes auch in seinem Beruf eine Zelebrität gewesen und scheint darüber hinaus auch als Literat hervorgetreten zu sein10, wenn auch wohl nicht, wie neuerdings sogar behauptet wurde, als Hofhistoriograph und damit Quellenautor für Polybios11. Über die von Polybios erwähnten Vorgänge in den Jahren 220/219 hinaus haben wir über das weitere Leben des Apollophanes keine Nachricht12; eine ältere Vermutung, wonach er noch für das Jahr 192 als Gesandter im Dienste des Antiochos bezeugt wäre, erweist sich nun als Fehlkombination13. 8 Zur Konstruktion läßt sich etwa vergleichen OGI 170 (= Durrbach, Choix d’inscriptions de Délos 125 = Inscr. de Délos 2037) Ὁ ἱερεὺς Μᾶρκος Ἐλευσίνιος ὑπὲρ βασιλέως Πτολεμαίου Σωτῆρος … Ἄμμωνι χαριστήριον (116–81 ν. Chr.; in der Übersetzung von Durrbach: „… pour le roi Ptolémée Soter … en hommage de reconnaissance à Ammon“ bzw. im Kommentar: „une offrande faite pour lui, en son honneur“). In der Regel werden mit diesem Wort (zum Plural s. Dittenberger, OGI 280 A. 5 und 654 A. 16) Dankesweihungen (besonders etwa für Siege, so in Pergamon) bezeichnet, wofür später der Begriff εὐχαριστήριον bzw. das Verb εὐχαριστεῖν eingetreten ist (dazu L. Robert, Hellenica X [1955] 55–58). 9 Dazu Η. H. Schmitt, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos’ des Großen und seiner Zeit, Historia Einzelschriften Heft 6 (1964) 156. 10 Vgl. M. Wellmann, Apollophanes 15, RE II (1896) 165; F. W. Walbank, A historical commentary on Polybius I (Oxford 1957) 584 zu 56, 1. 11 T. S. Brown, Apollophanes and Polybius, Book 5, Phoenix 15 (1961) 187–195; dagegen H. H. Schmitt a. a. O. 179 A. 4. 12 Vgl. H. H. Schmitt a. a. O. 157: „… aber von da an hören wir nichts mehr von ihm. Er hat es also offenbar nicht vermocht, die Stelle des Hermeias einzunehmen.“ – [Korrekturzusatz: Ch. Habicht weist mich freundlicherweise darauf hin, daß R. Herzog, Arch. Anz. 1905, 11 unter dem Inschriftenmaterial von Kos einen Brief Antiochos’ III. erwähnt, „in welchem er einen Apollophanes, gewiß seinen bekannten Leibarzt, … den Koern empfiehlt“. {IG XII 4, 250}] 13 Paul Liman, Foederis Boeotici instituta (Diss. Greifswald 1882) 47 hatte vermutet, daß das Proxeniedekret aus Tanagra IG VII 518, das drei Männern aus Antiocheia am Orontes gilt, mit der bei Polybios XX 2 genannten Gesandtschaft Antiochos’ III. an die Böoter von 192 zu kombinieren sei und daß danach der dort genannte Ἀπολλοφάνης Ἀϑηνοδότου mit dem Leibarzt des Königs identisch sei. Maurice Holleaux, BCH 16 (1892) 470 Nr. X hat dem beigepflichtet (wobei er in der abweichenden Her-
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Inschriften aus Lydien
Wenn wir von der neuen Inschrift ausgehen, so ergibt sich | als zeitlicher Rahmen für die Errichtung der Weihung des Arkesilaos die Spanne von 216 bis 190, d. h. vom Eintreffen des Antiochos in Kleinasien gelegentlich seines Kampfes gegen Achaios bis zu seinem Rückzug aus diesem Raum nach der Niederlage von Magnesia. Dabei liegt der Gedanke nahe (wenn er auch nicht zwingend ist), daß die Stele zu einer Zeit aufgestellt wurde, wo nicht nur der ἡγεμών Arkesilaos, sondern auch der auf ihr genannte Arzt sich im Raum von Iulia Gordos – oder besser: des späteren Iulia Gordos – befand, und damit dann wohl auch der König selbst, zu dessen enger Begleitung der Arzt ja gezählt haben wird. Auf der Suche nach einem historischen Anhaltspunkt kommt man dann am ehesten auf die Jahre von 216 bis 213, d. h. in die Zeit der Kriegsführung des Antiochos gegen Achaios, die mit der Einschließung und Gefangennahme des Usurpators in Sardeis endete14. Daß der Seleukide auch gelegentlich seiner kurzen politischen und militärischen Aktivität in Ionien und Karien in den Jahren 204 und 203 wieder den Raum des nördlichen Lydien berührt hat, ist weniger wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen15, und ähnliches gilt auch für den dritten kleinasiatischen Feldzug dieses Herrschers, die große Offensive von 197/6, die zur Gewinnung der Südund Westküste führte und dann den Vorstoß bis zum Hellespont brachte16. Aber auch die Ereignisse der letzten Phase | des Krieges gegen die Römer haben Antiochos noch einmal in unsere Gegend geführt: vor der Schlacht von Magnesia befand sich das königliche Lager circa Thyatiram (Liv. XXXVII 37, 6; vgl. 8, 7; 38, 1), also westlich des Berglandes, in dem Iulia Gordos liegt.
kunftsangabe bei Polybios keine Schwierigkeit sah) und darüber hinaus den Namen dieses Mannes auch in dem Fragment eines Proxeniedekretes des Böotischen Bundes IG VII 2864 ergänzt. Nun zeigt sich, daß nicht nur das Ethnikon abweicht, sondern auch der Vatersname. 14 Aus der Zeit nach der Einnahme von Sardeis stammen zwei dort gefundene noch unpublizierte Briefe des Antiochos und einer der Königin Laodike: s. Louis Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I (Paris 1964) 58 {Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes II n. 1–3}. 15 Dazu aufgrund der Neufunde aus Teos zuletzt P. Herrmann, Anadolu (Anatolia) 9 (1965 [1967]) 110–118. Immerhin wäre möglich, daß Antiochos auch bei dieser Gelegenheit über Sardeis, den Sitz des Statthalters (ὁ ἐπὶ τῶν πραγμάτων) Zeuxis (s. L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I 11–14) gekommen ist. 16 Zu diesen Ereignissen zuletzt H. H. Schmitt a. a. O. 262–295; E. Will, Histoire politique du monde hellénistique II (Nancy 1967) 155–158. Bei diesen Operationen hatte Antiochos das Landheer mit seinen beiden ältesten Söhnen und den Generalen Ardys und Mithridates (dazu M. Holleaux, Études d’épigraphie et d’histoire grecques III [Paris 1942] 183–193) nach Sardeis vorausgeschickt mit dem Auftrag, ihn dort zu erwarten (Liv. XXXIII 19, 9 iussisque se Sardibus opperiri), während er selbst mit der Flotte an der Küste entlangfuhr. Nachrichten über den genaueren Verlauf der Operationen (besonders ein eventuelles Zusammenwirken von Flotte und Landheer bei dem Angriff auf Ephesos) fehlen uns aber, so daß wir nicht wissen, ob der König auch diesmal wieder nach Sardeis gekommen ist. An dem nur zu erschließenden späteren Marsch des Landheeres zum Hellespont (Schmitt a. a. O. 272–273), der immerhin über Thyateira, die westliche Nachbarstadt von Iulia Gordos, geführt haben kann, hat Antiochos aber wohl nicht teilgenommen.
4 Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien
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In Verbindung mit diesen Datierungsfragen besitzt die neue Inschrift auch Bedeutung für das Problem der Ausdehnung des seleukidischen Herrschaftsbereiches in diesem Raum und besonders seine Abgrenzung gegenüber dem attalidischen Gebiet in der Zeitspanne von 218 bis 190. Der 40 km westlich von Gördes gelegene wichtige Stützpunkt Thyateira scheint ab 218 längere Zeit in der Hand der pergamenischen Könige gewesen bzw. geblieben zu sein und ist spätestens erst 190 gelegentlich der Kriegsereignisse von Antiochos besetzt worden17. Das Bergland östlich davon könnte aber durchaus schon ab 216 wieder unter seleukidische Oberherrschaft gekommen sein, so daß einer Datierung unserer Weihung in die Zeit des Kampfes gegen Achaios nichts im Wege zu stehen scheint. Eigenartig und nicht leicht erklärbar sind die in der 2. und 3. Zeile der Inschrift feststellbaren Rasuren. Nach dem verfügbaren Raum wäre es möglich, als ursprünglichen Text eine Fassung ὑπὲρ τοῦ ἀρχιατροῦ18 τοῦ βασιλέως zu rekonstruieren. Aber aus welchem Grunde wäre dann die Tilgung vorgenommen worden? Weder scheint mir die Annahme wahrscheinlich, daß sich dahinter eine Art ,Degradierung‘ des u. U. in Ungnade gefallenen Hofarztes zu erkennen gibt, noch wäre die Erklärung mit einer späteren ,Neutralisierung‘ der seleukidischen Inschrift nach dem Übergang unter attalidische Herrschaft besonders plausibel. Immerhin ist das Fehlen der Artikel sowohl vor ἰατροῦ wie auch βασιλέως auffallend. In die Zeit nach 190/189 führt uns nun aber gleich die zweite aus dem Lokalheiligtum des Zeus Porottenos stammende Weihung und bekundet damit zugleich die Kontinuität der Bedeutung des Platzes auch nach der Gewinnung durch die Pergamener.
1.2 Der Hegemon Kleon für König Eumenes II. und seine Familie Große Stele aus weißem Marmor, oben Profil (abgeschlagen), rechts abgebrochen. Über dem Schriftfeld in einem etwas vertieften Rechteck Darstellung eines Kranzes im Flachrelief. H. 126, B. 47, D. 16 cm; Buchstabenhöhe 1,3–1,5 cm. Buchstabenformen: A mit durchgebogener Querhaste, Π rechts verkürzt, waagerechter Strich nach beiden
17 Vgl. Louis Robert, Villes d’Asie Mineure (Paris 1935) 37–40 (dazu 2. Aufl. Paris 1962, 260; vgl. auch H. H. Schmitt a. a. O. 265 A. 4): Wiedergewinnung von Thyateira durch Attalos I. 218; 201 noch in pergamenischer Hand; keine sicheren Anhaltspunkte für eine Besetzung durch Antiochos vor dem Beginn der Kampagne von 190. Demgegenüber hat H. H. Schmitt a. a. O. 273 vermutet, daß Thyateira schon gelegentlich des seleukidischen ,Einbruches ins pergamenische Reich im J. 198 v. Chr.‘ (der nur in der annalistischen Überlieferung erwähnt wird), den Attaliden verloren gegangen ist. 18 Der Titel ἀρχιατρός ist bei den Seleukiden erst für das spätere 2. Jahrhundert bezeugt (OGI 256 = Durrbach, Choix d’inscriptions de Délos n. 110 = Inscr. de Délos 1547 mit der Datierung 129–117), aber „on ne sait pas, du reste, si ce … titre est une innovation des derniers rois ou s’il existait déjà au IIIe siècle“ (Elias Bikerman, Institutions des Séleucides [Paris 1938] 37).
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Seiten herausragend, Σ mit parallelen Schenkeln (wie bei Nr. 1 war eine photographische Aufnahme nicht möglich). {TAM V 1 n. 690} Διὶ Ποροττηνῶι ὑπὲρ βασιλέως Εὐμέν[ους] Σωτῆρος καὶ Εὐεργέτ[ου] 4 καὶ τῶν ἀδελφῶν αὐ[τοῦ] καὶ βασιλίσσης Ἀπολλων[ίδος] Κλέων Ἀττίνου ἡγεμὼν Μυ̣[σῶν]. Ζ. 6 Ende: hinter dem Μ schwacher Ansatz eines schräg nach rechts führenden Striches, der für ein nachfolgendes Y spricht.
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Die Weihung des Kleon ist ein neuer Beleg für die bekannte, sich auch in den offiziellen Dokumenten widerspiegelnde Betonung des engen Familienzusammenhalts zwischen Eumenes II., seinen Brüdern und ihrer gemeinsamen Mutter, der Königin Apollonis19. Für die Datierung wird in Anbetracht des Soter-Beinamens des Königs nach den Feststellungen von L. Robert vom Jahre 183 als terminus post quem auszugehen sein20. Der terminus ante quem ergibt sich aus dem Todesdatum der Königin Apollonis, das zwischen den Jahren 175/4 und 159 liegen muß21. Wie die vorhergehende Weihung aus seleukidischer Zeit stammt auch dieses attalidische Dokument von einem Offizier, einem ἡγεμών, der hier aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kontingent von Mysern befehligt hat, dieser für das pergamenische Heerwesen sehr wichtigen ethnischen Gruppe22. Der hier genannte Kleon, Sohn des Attinas, ist uns anderweitig nicht bekannt. Ein vielleicht noch prominenterer Namensvetter und Zeitgenosse unseres Hegemon ist der langjährige pergamenische Gouverneur von Ägina Κλέων Στρατάγου (OGI 329). Unter dem Namen Attinas, der außer in Makedonien und Thessalien gerade auch in Pergamon gut bezeugt ist23, kennen wir aus der Zeit Eumenes’ I. einen ἱππάρχης (OGI 266, 22).
19 Dafür vgl. zuletzt Louis Robert, Villes d’Asie Mineure (2. Aufl. Paris 1962) 258 A. 1. 20 Louis Robert, RPhil 3e série 8 (1934) 283 A. 5 und 284 A. 1 (OMS II 1182 f.); vgl. Études anatoliennes 73; Villes d’Asie Mineure2 260 A. 1. 21 Dazu Louis Robert, Villes d’Asie Mineure2 260 A. 1, wo darauf hingewiesen wird, daß die frühere Abgrenzung zwischen 167 und 159 hinfällig geworden ist. Als lebend genannt wird die Königinmutter, soweit ich sehe, zum letzten Mal in dem athenischen Beschluß für Eumenes von 175/4 OGI 248, 58 (vgl. A. 33 von Dittenberger). 22 Vgl. Marcel Launey, Recherches sur les armées hellénistiques (Paris 1949) I 438–440. Ein Πολέμων Περγαμηνὸς τῶν Μυσῶν ἡγεμών erscheint auf dem Monument von Lilaia von ungefähr 208 v. Chr. FDelphes III 4, 134 II 23. 23 Louis Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure gréco-romaine I (Paris 1963) 211; ders., Berytus 16 (1966) 25. Zwei Belege für Ἀττίνας auch in Iulia Gordos: Körte, Inscriptiones Bureschianae 18 n. 21 {TAM V 1 n. 751}; Keil – v. Premerstein, Erste Reise n. 158 {TAM V 1 n. 710}.
4 Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien
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Abgesehen von den allgemein historischen Aspekten der beiden hier vorgelegten Inschriften besteht ihr Wert im Bereich der Lokalgeschichte darin, daß sie uns gerade in ihrem Nebeneinander auf die Vermutung führen, daß der Platz von Iulia Gordos in hellenistischer Zeit eine gewisse Bedeutung als Militärstützpunkt besessen hat. Beide Stelen sollen nebeneinander in den Hausruinen von Gördes selbst zum Vorschein gekommen sein; dabei ist es in Anbetracht ihrer Größe nicht sehr wahrscheinlich, daß sie von weit her verschleppt worden sind. Wenn sich, wie es naheliegt, hinter dem Beinamen des Zeus, Porottenos, ein Ortsname verbirgt (etwa Porotta o. ä.), könnte damit vielleicht eine ältere Siedlung an der Stelle oder jedenfalls in der Nähe von Gordos bezeichnet gewesen sein. Die Belege für die Stadt (Iulia) Gordos sind ja alle erst jüngeren Datums und reichen nicht über das 1. Jhdt. n. Chr. zurück24.
2 Υσσηνῶν κατοικία Durch zwei inschriftliche Belege hatten wir schon seit längerer Zeit Kenntnis davon, daß der Demos von Iulia Gordos zu einer bestimmten Zeit verbunden war mit einem als ὁ Λορηνῶν δῆμος bezeichneten Gemeinwesen25. Der Vermutung von Karl Buresch (Aus Lydien 185 A.), daß es sich hierbei um ein Sympolitieverhältnis handeln könnte, hat Louis Robert zugestimmt und im übrigen darauf verwiesen, daß uns die Loreni auch durch zwei lateinische Quellen bezeugt sind, Plin. n. h. V 111 (als zum conventus von Sardeis gehörig) und Cic. pro Flacco 526. Alle Versuche einer Lokalisierung des Ortes Lora sind aber bisher ergebnislos gewesen, man konnte dafür bis jetzt alle im Umkreis von Gördes gelegenen und noch nicht identifizierten antiken Ortslagen in
24 Belege für die Bezeichnung ὁ δῆμος ὁ Ἰουλιέων Γορδηνῶν bei Louis Robert, Hellenica VII (1949) 214. Das älteste Zeugnis stammt aus dem Jahre 76/7: J. und L. Robert, Hellenica VI (1948) 92 n. 35. Münzen scheinen erst mit der Zeit Trajans einzusetzen. Die Bezeichnung Γορδηνός allein ist auch nicht durch ältere Zeugnisse belegt: Robert, Hellenica VII 215 A. 1 verweist auf Münzen aus der Zeit Trajans; dazu kommt jetzt eine in Gördes abgeschriebene Grabinschrift von 239/40 für einen Γορδηνὸς βουλευτής {TAM V 1 n. 739} und eine zwei Γορδηνοί nennende Grabara aus Kıhra = Çiçekli (s. unter Nr. 2.1) von 244/5 {TAM V 1 n. 759}. Ältere Belege gibt es nur für die Nennung eines δῆμος ohne Namensbezeichnung: Hellenica VI 89 n. 33 {TAM V 1 n. 700} aus dem 1. Jhdt. ν. Chr.; Keil – v. Premerstein, Erste Reise n. 149 {TAM V 1 n. 812} aus dem Jahre 12/3. 25 A. Wagener a. a. O. 27 n. VIII aus dem Jahre 36/7 (der Stein ist noch in Alt-Gördes im Minarett einer Moschee vermauert und konnte von uns 1969 revidiert und photographiert werden); BCH 8 (1884) 381 n. 1 (ohne Datum). 26 Louis Robert, Villes d’Asie Mineure 58. Zur Plinius-Stelle daselbst A. 7 und S. 83 (der Name erscheint nur in Zusätzen zweier zur ,älteren Klasse‘ gerechneter Handschriften und ist in vielen Textausgaben ausgelassen), zur Cicero-Stelle Anatolia 3 (1958) 109, A. 20 (OMS I 408), vgl. Villes d’Asie Mineure2 272 A. 4 (der in dem von Angelo Mai edierten Fragmentum Mediolanense erhaltene Name ist häufiger durch Konjektur beseitigt worden, besonders durch Mommsens Dorylenses, das auch bei Clark aufgenommen ist).
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Inschriften aus Lydien
Betracht ziehen27. Ein Neufund von unserer Reise von 1969 versetzt uns nun immerhin in die Lage, eine dieser bisher festgestellten Ortslagen für Lora insofern auszuscheiden, als wir nun deren antiken Namen durch eine Inschrift kennenlernen.
2.1 Bauinschrift von einem Bad Tabula ansata aus weißem Marmor, in dem Dorf Kıhra = Çiçekli nordnordwestlich von Gördes in einen Brunnen vermauert. H. 55, B. 111, Buchstabenhöhe ca. 2 cm. Abb. 2. {TAM V 1 n. 758}
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Ἀγαϑῇ τύχῃ. Θεοῖς πατρίοις καὶ Αὐτοκράτορι Καίσαρι Μ. Αὐρ. Σεουή ρῳ ⟦ ⟧ Εὐσεβεῖ Εὐτυχεῖ Σεβ. καὶ τῷ σύμπαντι 4 οἴκῳ αὐτοῦ καὶ τῇ γλυκυτάτῃ Υσσηνῶν κατοικίᾳ Αὐρ. Αἰλ. Φοίβη, ϑυγάτηρ Αὐρ. Ἰόλλα Ἐφεσιανοῦ ἑκατοντάρχου, ἐγγόνη δὲ Αἰλ. Φοίβης ματρώνης στολάτης, κατεσκεύα σεν ἐκ ‹β›άϑ‹ρ›ων τὸ περιστῷον τοῦ βαλανείου σὺν παντὶ τῷ 8 κόσμῳ αὐτοῦ ἐκ τῶν ἰδίων σὺν καὶ τοῖς τροφεῖσιν αὐτῆς Τ. Αἰλ. Ἐπαφροδείτῳ καὶ Αἰλ. Καλλιτύχῃ, προνοησαμένων τῆς τοῦ ἔργου κατασκευῆς Τ. Αἰλ. Ἀλεξάνδρου τοῦ συντρόφου αὐτῆς καὶ Αὐρηλίων Διοδώρου Τυράννου καὶ Μητροφάνους 12 Λύδου καὶ Διονυσίου βʹ, συντελεσϑέντος τοῦ ἔργου ἐπὶ ἀνϑυ πάτου Ἀμείκου, ἔτους τιεʹ, μη(νὸς) Ὑπερβερταίου ιβʹ. Τῆς ἐπιγρα φῆς ταύτης ἀντίγραφον ἀπε[τέϑη] εἰς τὸ ἐν Ἰουλίᾳ Γόρδῳ ἀρχεῖον, ἧς καὶ ἀντίγρ[αφον ἀπόκειτα]ι̣ παρ’ αὐτῇ. Ζ. 7: auf dem Stein ΚΑΘΙΩΝ.
Die Bauinschrift stammt nach der in Z. 13 erhaltenen Datierung aus dem Jahre 230/1, womit die Nennung des später der damnatio memoriae verfallenen Kaisers Severus Alexander übereinstimmt28; auch die schon festgestellte Tatsache, daß in Iulia Gordos die sullanische Ära verwendet worden ist, erfährt damit eine neue Bestätigung29. Für dasselbe Jahr 230/1 lernen wir nun auch den Namen – oder besser: einen Namen – des amtierenden Prokonsuls von Asia kennen: allerdings besteht, soweit ich sehe, keine 27 Vgl. Louis Robert, Villes d’Asie Mineure 58 A. 7; Anatolia 3 (1958) 132 A. 117 und 135 A. 125. 28 Zu der Nennung der ϑεοὶ πάτριοι in Verbindung mit dem Namen des Kaisers s. P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien, DenkschrWien 80 (1962) 10 A. 26 (zwei der dort angeführten Belege stammen aus Iulia Gordos. Bei Bürchner, Lydia, RE XIII (1927) 2144 s. v. Γόρδος Ἰουλία sind daraus durch eine Verdrehung Θεοὶ Πατουιοι geworden!). 29 S. schon Keil – v. Premerstein, Erste Reise 74 zu n. 156.
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Möglichkeit, den hier genannten Amicus in irgendeiner Weise prosopographisch näher zu bestimmen. Die Inschrift gibt Auskunft über die Erweiterung eines in der Υσσηνῶν κατοικία bestehenden Bades30 durch eine als περιστῷον bezeichnete Bauanlage, vermutlich also eine Säulenhalle oder einen Säulenumgang, die durch eine gewisse Aurelia Aelia Phoibe gestiftet worden ist. Diese war, wie sie angibt, Tochter eines (aus Ephesos stammenden?) Centurionen und Enkelin einer Aelia Phoibe, die den nun auch schon mehrfach inschriftlich belegten Ehrennamen einer matrona stolata führte31. Offensichtlich ein | Nachkomme (vielleicht ein Sohn) unserer vornehmen Stifterin ist der auf Münzen von Iulia Gordos unter Valerian und Gallien bezeugte Αὐρ. Αἴλ. Φοῖβος, der als ἱππικός und συγγενὴς συγκλητικῶν bezeichnet wird32: Beleg für den Aufstieg dieser Familie in den Reichsadel. Daß die in der Inschrift erwähnte Katoikie zum Territorium von Iulia Gordos gehörte, ist aus der Angabe über die Deponierung der Kopie der Urkunde im Archiv dieser Stadt zu erschließen. Der Fundort des Steines war nicht zu ermitteln, da er schon längere Zeit in dem Brunnen eingebaut ist. Das Dorf Kıhra, nach neuerer Bezeichnung Çiçekli, liegt rund 20 km nordnordwestlich von Gördes, etwa in der Mitte der Luftlinie zwischen Gördes und Sındırgı33. Es ist offensichtlich von neueren Forschungsreisenden noch nicht besucht worden, sowohl K. Buresch (Aus Lydien 139) wie auch J. Keil und A. v. Premerstein (Erste Reise, s. die Karte) sind über das ca. 3 km vor Kıhra gelegene Dorf Tutluca in dieser Richtung nicht weiter vorgestoßen. Zwischen beiden Dörfern ist aber von Buresch bei seiner Reise von 1895 am Fuße eines Felskegels eine antike Ortslage festgestellt worden34. Es spricht viel dafür, daß unsere Inschrift von dort verschleppt ist, so daß wir damit die Katoikie von Hyssa oder Yssa lokalisieren können. Aus demselben Ort stammt auch noch eine andere Inschrift, die bei dieser Gelegenheit mitgeteilt werden soll. 30 Für Bäder in Dörfern Lydiens vgl. die Belege bei Jeanne und Louis Robert, Hellenica IX (1950) 30 A. 5. 31 Dazu Emil Hübner, Commentationes Philologae in honorem Th. Mommseni (Berlin 1877) 104–110; ders., Hermes 13 (1878) 425–426. Belege aus griechischen Inschriften bei A. Cameron, AJPh 52 (1931) 250, darunter auch ein Text aus dem von Iulia Gordos nicht sehr weit entfernten Gediz (Körte, Inscriptiones Bureschianae 28 n. 50); dazu ist noch das wichtige Zeugnis aus Aphrodisias MAMA VIII 514 zu stellen, das zeigt, daß die Verleihung dieser Ehre durch den Kaiser vorgenommen wurde (τειμηϑεῖσαν ὑπὸ ϑεοῦ Ἀλεξάνδρου ματρώνης στολῇ). Auch in den Papyri ist der Ausdruck häufiger belegt (vgl. Friedrich Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden II [Berlin 1927] 55), wobei auffällt, daß alle Zeugnisse in das 3. Jhdt. fallen. 32 Rudolf Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griechischen Münzen 137. 33 Es wird bei Karl Buresch, Aus Lydien 139 A.*** unter den Wegestationen zwischen Gördes und Sındırgı unter der Form Kyhra genannt, auf der beigegebenen Karte sowie bei R. Kiepert ist es als Köhere verzeichnet, wobei es offensichtlich etwas zu nahe an Sındırgı herangerückt ist. 34 A. a. O. 139. Die S. 140 von Buresch mitgeteilte Felsinschrift des Flaccus mit dem Weihepigramm an das Theion (vgl. Louis Robert, Anatolia 3 [1958] 113 A. 37 = OMS I 412) ist auch von uns noch gesehen worden {TAM V 1 n. 761}.
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2.2 Ehreninschrift einer Phratrie Platte aus weißem Marmor, H. 15, B. 30, D. 7 cm; Buchstabenhöhe 1,2–1,5 cm. Am Wege zwischen Kıhra und Tutluca an einem Brunnen verbaut. Abb. 3. {TAM V 1 n. 762} 103
Οἱ φράτορες Ἀσκληπίδην Ξενάρχου τὸν ἑαυτῶν συνπολείτην ἀρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐνοίας τῆς εἰς ἑαυτού[ς.]
Die in recht feiner Schrift vermutlich zu Beginn der Kaiserzeit, wenn nicht noch früher, eingegrabene Inschrift gibt uns einen neuen Beleg für die Institution der Phratrie in Kleinasien, die seit K. Buresch als Form eines Kultvereins erklärt zu werden pflegt35. Im Raum von Iulia Gordos war eine φράτρα auch schon durch eine Grabinschrift aus dem Dorf Jen Owa (jetzt Yeğenoba, 15 km nordwestlich von Gördes, ca. 10 km von Kıhra entfernt) bekannt geworden (Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 147 {TAM V 1 n. 806}). Es ist immerhin bemerkenswert, daß die φράτορες, von denen unsere Ehrung ausgeht, den Geehrten als ihren συνπολείτης bezeichnen. Sollte das ein Hinweis darauf sein, daß der Begriff der Phratrie hier ausnahmsweise nicht einen Kultverein, sondern in der älteren Bedeutung eine politische Gruppierung bezeichnet, d. h. eine Unterabteilung der Bürgerschaft? Auf jeden Fall wird es sich auch bei dem hier genannten ,Mitbürger‘ um einen Bürger der Stadt Iulia Gordos handeln.
35 Dazu zuletzt P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien, DenkschrWien 80 (1962) 42 mit A. 157; L. Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure gréco-romaine I (Paris 1963) 247 A. 2.
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5 Ehrendekret von Iulia Gordos Vor vier Jahren konnte ich in einem kurzen Beitrag „Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien“ einige Ergebnisse eines Besuches dieser Stadt und ihrer Umgebung mitteilen und im besonderen auf die im Hause von Herrn Hayrı Büke aufbewahrte Sammlung antiker Inschriften hinweisen, als deren interessanteste Stücke sich zwei hellenistische Weihungen an Zeus Porottenos erwiesen1. Nach einem erneuten Besuch von Gördes im Herbst 1973 kann ich nun die in der Publikation leider fehlende photographische Abbildung der beiden Stelen nachliefern (Abb. 1). Der bei dieser Gelegenheit angestellte Versuch, hinter das Geheimnis der Rasur im ersten Text zu kommen, hat allerdings nicht zum Erfolg geführt2. Bei meinem zweiten Besuch konnte ich dank des freundlichen Entgegenkommens des Besitzers einige von ihm neu erworbene Inschriften aufnehmen. Eine von ihnen scheint mir noch vor der Einarbeitung in das Corpus eine gesonderte Publikation zu verdienen. Hohe Stele aus weißem Marmor; oben (zum Teil abgeschlagenes) Profil, rechter Rand etwas beschädigt. Im oberen Teil Reliefdarstellung eines Kranzes mit zwei herabhängenden Bändern. Höhe etwa 225 cm, Breite 73 cm, Dicke 18 bis 20 cm; Buchstabenhöhe 2,5 cm (Abb. 2). Nach den Angaben von Herrn Büke wurde die Stele an einem zwischen der Stadt Gördes und dem Dorf Olduk3 gelegenen Platz als Deckel eines Grabes gefunden. {TAM V 1 n. 687} Ἔτους ρʹ καὶ ξʹ, μη(νὸς) Ὑπερβερταίου τρειακάδ̣ ι̣ . (Kranz) Εἰσανγειλάντων τῶν στρατηγῶν Ἀϑη νοδώρο̣ υ̣ τ[ο]ῦ Ἀ̣[ϑ]ηνοδώρου νεωτέρου 4 καὶ Μενάν[δ]ρ̣ ου τοῦ Μενάνδρου Που πλίου καὶ Θυνείτου τοῦ Διονυσίου· γνώ μη γραμματέος (sic) τοῦ δήμου Μενάν δρου τοῦ Δ̣ ημ̣ητρίου. Ἔδοξεν τῇ βουλῇ 8 καὶ τῷ δήμῳ τῷ Ἰουλιέων Γορδηνῶν καὶ τοῖς AnzWien, 111. Jahrgang 1974, 439–444 mit 2 Abbildungen. 1 AnzWien 107 (1970) 92–103 {hier S. 53–64}. 2 Wie die nähere Nachprüfung gezeigt hat, hat die Rasur die ganze erste Zeile nach ὑπέρ umfaßt, das heißt, auch das Wort ἰατροῦ steht auf Rasur. Daraus ergibt sich, daß die a. a. O. 97 geäußerte Hypothese, es könnte vorher ὑπὲρ τοῦ ἀρχιατροῦ τοῦ βασιλέως dagestanden haben, hinfällig wird. Es dürfte vorher ein ganz anderer Titel am Stein gestanden haben; daß eine andere Person genannt war, ist vom Befund her wohl kaum möglich. 3 Der Ort liegt etwa 10 km nördlich von Gördes. Karl Buresch, Aus Lydien (Leipzig 1898) 184 (wo der Ort Oguldoruk genannt wird) hat erwogen, dort den δῆμος Λορηνῶν anzusetzen (dazu zuletzt Herrmann a. a. O. 100 {hier S. 59/60}; ein Besuch des Dorfes im Jahre 1973 hat nichts Neues erbracht).
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παρ’ ἡμῖν πραγματευομένοις Ῥωμαίοις. Ἐπεὶ Θεό[φι]λος Θ̣ο̣ ινείτου (?) εὐγενέστατος ἀπὸ προγόνων π̣ᾶσαν εὔνοιαν εἰσενηνεγμένος εἰς τὴν πατρίδα, οἰκοδεσπότην ζήσα̣[ς] βίον, πολλὰ̣ παρασχόμενος τῇ πατρίδι διά τε στρατηγίας καὶ ἀγορανομίας καὶ πρεσβειῶ̣[ν] ἄχρι Ῥώμης καὶ Γερμανίας καὶ Καίσαρος, προσαι̣ νῆ (?) γενόμενον πρὸς τοὺς πολείτας καὶ συνπαϑῆ πρὸς τὴν γυναῖκα Ἀπφίαν, τὰ νῦ̣ν̣ δεδόχϑαι τὸν Θεόφιλον τειμηϑῆναι εἰκόνι γραπτῇ καὶ εἰκόν{κον}ι χρυσῇ καὶ ἀγάλ̣ματι μαρμαρίνῳ. Ὁμοίως δεδόχϑαι Θεόφιλον προπενφϑῆναι ἄχρι τοῦ τά̣[φου] ἀναγνωσϑῆναί τε τοῦτο τὸ ψήφισμ[α] ἵνα πάντες εἰδῶσιν ὅτι οἱ τοιαῦτον (sic) ἀσκήσαντες βίον ὑπὲρ τῆς πατρίδος τοιαύτης τυνχάνουσι μαρτυρίας.
Ζ. 10: Im Vatersnamen sind die beiden ersten Buchstaben stark beschädigt, man kann aber Reste zweier kleiner Rundbuchstaben erkennen, von denen der zweite deutlicher ist als der erste. Der Name Θοινίτης müßte dann wohl eine orthographische Variante zu dem in Iulia Gordos mehrfach bezeugten Namen Θυνίτης, Θυνείτης darstellen (so auch Z. 5 unserer Inschrift): s. J. und L. Robert, Hellenica VI (1948) 93. Z. 16: Der Buchstabe zwischen A und N kann nur I oder allenfalls P sein. Mit προσαινής wäre wohl προσηνής gemeint, wobei möglicherweise eine Vermengung mit dem Stamm αἶνος, αἰνέω vorliegt. Sollte doch προσαρνῆ dagestanden haben, könnte man die von Latte mit der crux versehene Hesychglosse (A 7356) ἀρνυτός· [εὔπνους] εὔνους heranziehen. Für προσηνής gibt es jedenfalls Parallelen: vgl. Anm. 14.
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Schon Josef Keil und Anton von Premerstein hatten gelegentlich ihrer Reise von 1906 ein kaiserzeitliches Psephisma der Stadt gefunden (Bericht über eine Reise in Lydien und der südlichen Aiolis, DenkschrWien 53 (1908) 79 | n. 170 {TAM V 1 n. 688}). Sein Formular kehrt in annähernd der gleichen Form in dem neuen Text wieder: der in diesem Fall von dem Sekretär des Demos abgefaßte Antrag ist über das dreiköpfige Strategenkollegium eingebracht worden4. Neu ist, daß in der Rat und Volk von Iulia Gordos5 nennenden Beschlußformel auch noch die in der Stadt ansässigen Römer
4 Die Formel εἰσαγγειλάντων τῶν στρατηγῶν ist besonders in Pergamon, aber etwa auch in Synnada bezeugt: s. Adolf Wilhelm, Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde I, SBWien 166,1 (1911) 58. 5 Zum Namen zuletzt Herrmann a. a. O. 99, Anm. 24 {hier S. 59}. Unser neuer Beleg stammt aus demselben Jahr wie das bisher älteste Zeugnis J. u. L. Robert, Hellenica VI (1948) 92 n. 35 {TAM V 1 n. 704}.
5 Ehrendekret von Iulia Gordos
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angefügt werden, wofür es in diesem Ort bisher noch keinen Beleg gab6. Im übrigen ist zum Aufbau des Beschlusses darauf hinzuweisen, daß in ihm die ἐπεί-Konstruktion nicht durch ein verbum finitum abgeschlossen wird, sondern nur Partizipien enthält (die überdies durch ein Versehen in Z. 16/7 in die Akkusativ-Konstruktion übergehen): Genau so ist auch der oben erwähnte, schon länger bekannte Beschluß aufgebaut. Gemeinsam ist beiden Texten auch, daß die Ehrung eine εἰκὼν γραπτή, das heißt ein gemaltes Porträt7, und ein ἄγαλμα μαρμάρινον enthält, wozu in der neuen Inschrift noch eine εἰκὼν χρυσῆ, ein Standbild aus vergoldeter Bronze8, tritt. In der älteren Inschrift für eine gewisse Stratonike verrät der Zusatz διά … τὴν τῆς κατοιχομένης σοφροσύνην (sic), daß die Ehrung einer Verstorbenen gilt. Auch in unserem Beschluß ist ab Zeile 20 eine posthume Ehrung hinzugefügt (s. unten). Nun ist es freilich nicht ungewöhnlich, daß in griechischen Ehrenbeschlüssen an Ehrungen eines Lebenden Bestimmungen angeschlossen werden, die erst mit seinem Tode (ὅταν μεταλλάξῃ) wirksam werden9. Vielleicht ist aber die Parallelität zwischen beiden Beschlüssen von Iulia Gordos doch als Hinweis darauf anzusehen, daß auch die Ehrungen des Theophilos unter dem Eindruck seines Todes beschlossen worden sind10. Die Qualitäten und Verdienste, die an Theophilos hervorgehoben werden, berühren den familiären und den öffentlichen Bereich, Vorzüge des Charakters und Verdienste in Ausführung staatlicher Aufgaben11. Was das erste betrifft, so werden seine Qualitäten als Hausherr hervorgehoben, womit sich wieder eine Berührung mit dem Beschluß für Stratonike ergibt, von der es hieß, sie habe sich durch ἀρετή und σωφροσύνη ausgezeichnet, ὥστε κα[ι]νὸν ὑπογραμμὸν εὑρηκέναι αὐτὴν ο[ἰ]κοδεσποσύνης, daß sie geradezu ein neues Vorbild an Hausfrauentugenden gebo
6 Liste der bezeugten „Groups of resident Romans“ bei David Magie, Roman Rule in Asia Minor II (Princeton 1950) 1615 f. 7 Dazu zuletzt Horst Blanck, Porträt-Gemälde als Ehrendenkmäler, Bonn. Jahrb. 168 (1968) 1–12. 8 Zur εἰκὼν χρυσῆ L. u. J. Robert, La Carie II (Paris 1954) 110 mit Anm. 2. Einige Beispiele von Kombinationen von Denkmälertypen wie in dem vorliegenden Fall bei A. Wilhelm, Hermes 41 (1906) 70 f. 9 Man vgl. dafür L. Robert, RPhil 3e série 33 (1959) 218; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1966 n. 272. 10 Im besonderen ist auch das am Ende von Z. 17 unserer Inschrift erscheinende τὰ νῦν eine in posthumen Ehrenbeschlüssen oder Trostbeschlüssen häufig verwendete Formel zur Bezeichnung des eingetretenen Todesfalles (τὰ νῦν μετήλλα(κ)χεν, ἀνήρπασται u. ä.): man vgl. z. B. MAMA VIII 407, 7; 408, 8; L. u. J. Robert, La Carie II 163 n. 40, 14; IG XII 7, 51, 4; 54, 12; 408, 9; 409, 13; 410, 13. Die Wendung kann die ἐπεί-Konstruktion abschließen und der Beschlußformel unmittelbar vorausgehen, wie z. B. MAMA VIII 407: ἐπεὶ Ἀπφιὰς … τὰ νῦν μετήλλα[κχε] τὸν βίον, δεδόχϑαι … Vielleicht hat man danach auch in unserer Inschrift Ausfall von μετήλλαχεν oder einem ähnlichen Wort nach τὰ νῦν anzunehmen. 11 Als ein umfangreicheres Beispiel dieser Art kann eine vor einigen Jahren in Kaunos gefundene posthume Ehreninschrift angeführt werden: P. Herrmann, OpAth 10 (1971) 36 {IvKaunos 30} mit der im Kommentar genannten Literatur.
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ten habe12. Theophilos war seiner Gattin Apphia gegenüber συμπαϑής13, seinen Mitbürgern gegenüber προσηνής, „freundlich“, wie doch wohl gemeint ist14. An den öffentlichen Funktionen, die Theophilos übernommen hat, sind von besonderem Interesse die Gesandtschaftsreisen, die ihn „bis nach Rom und nach Germanien und zum Kaiser“ geführt haben (Z. 15). Dabei wird man normalerweise annehmen, daß die Reise bis in das ferne Germanien eben den Zweck hatte, dort den Kaiser zu erreichen. Welcher Kaiser kann das gewesen sein? Das am Kopf der Inschrift genannte Datum führt uns auf der Grund|lage der für Iulia Gordos bezeugten sullanischen Ära15 in das Jahr 75/6. Da wir damit vor den Germanenkriegen Domitians wären, müssen wir nach einem früher liegenden kaiserlichen Aufenthalt in Germanien suchen, wobei ich keine andere Möglichkeit sehe, als bis zu der Episode der germanischen Expedition Caligulas im Jahre 39/40 zurückzugehen16. Theophilos wäre also von Rom aus hinter dem Kaiser bis an den Rhein hergereist17, während vermutlich andere oder später ankommende Gesandtschaften in der Hauptstadt auf seine Rückkehr warteten, darunter aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Gruppe um Philo von Alexandria, die ihre erste Audienz beim Kaiser erreichte τοσούτων ὄντων πρεσβευτῶν σχεδὸν ἀπὸ πάσης γῆς ἀφιγμένων (leg. ad Gaium 182). Das Ereignis lag dann bei der Abfassung unseres Beschlusses schon 35 Jahre zurück; es wäre aber gut verständlich, daß es gerade etwa anläßlich des Todes des Theophilos, der demnach ein hohes Alter erreicht haben muß, noch einmal ins Gedächtnis gerufen wurde. Vielleicht ist im Hinblick auf Caligula auch die zurückhaltende Bezeichnung
12 Beispiele für rühmende Hervorhebung der οἰκοδεσποσύνη bzw. Qualitäten eines οἰκοδεσπότης bei L. Robert, Collection Froehner I: Inscriptions grecques, Paris 1936, 111; Hellenica XIII (1965) 34–5. 13 L. Robert, REA 62 (1960) 326, Anm. 3 (OMS II 842) bezeichnet συμπαϑία und dazugehörige Begriffe als „caractéristique(s) du style de l’époque impériale“. Eine besondere, hier vermutlich auszuschließende Verwendung des Wortes ist die in den sogenannten Trostbeschlüssen: s. L. Robert, AntCl 37 (1968) 411–2. 14 Man vgl. oben den Apparat zu Z. 16. Wenn man annimmt, daß in unserem Text προσηνής gemeint ist, kann man dazu als Parallele auf ein Epigramm aus Pantikapaion verweisen: Peek, GV 843 Λυσίμαχον μύϑοισι προσηνέα πᾶσι πολίταις καὶ ξείνοις (man vgl. πᾶσι … προσηνότατος in dem Epigramm GV 1468, 8 aus demselben Ort). Das Wort begegnet z. B. auch IG V 2, 268, 29; IvPergamon 167, 11; IvDidyma 234 B I 5 – die Belege ließen sich sicher vermehren. In allen diesen Fällen wird es mit dem Dativ konstruiert. 15 Dazu zuletzt Herrmann a. a. O. 101 {hier S. 60}. 16 Zu der Chronologie J. P. V. D. Balsdon, JRS 24 (1934) 16–24. Die Frage ist verquickt mit der Datierung der Audienzen der philonischen Gesandtschaft: s. auch E. M. Smallwood, Philonis Alexandrini legatio ad Gaium, Leiden 1961, 47 ff. 17 Man würde damit etwas an die interessante Inschrift aus Ephesos erinnert, die Josef Keil behandelt hat: Ein ephesischer Anwalt des 3. Jh.s durchreist das Imperium Romanum, SBMünchen 1956, Heft 3 {IvEphesos 802}.
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des Kaisers nur mit Καῖσαρ erklärbar, die in flavischer Zeit sonst eigentlich nicht mehr das Normale ist18. Zu den Ehren für Theophilos wurde in einer Art Nachtrag noch die Bestimmung hinzugefügt, daß sein Begräbnis öffentlichen Charakter erhalten sollte dadurch, daß man ihn im Trauerzug bis zu seiner Grabstätte geleiten sollte und daß dort dieser Ehrenbeschluß öffentlich verlesen werden sollte. Das ist hinsichtlich des Trauerzuges ein vielerorten bezeugter griechischer Brauch19; auch | die Bekanntmachung öffentlicher Ehren, besonders etwa einer Kranzverleihung, anläßlich des Begräbnisses, kommt häufiger vor, wenn auch eine engere Parallele für die Vorschrift der Verlesung des Psephismas noch zu fehlen scheint20. Dem Vorgang wird hier ausdrücklich ein ,hortativer‘ Charakter zugesprochen, indem die hierin sich bekundende μαρτυρία21 die Nachkommenden zur Nachahmung anspornen soll.
18 Man kann hier an die Diskussion über die Datierung des berühmten Διάταγμα Καίσαρος aus Palästina erinnern und das bei dieser Gelegenheit für die Verwendung des Namens Καῖσαρ beigebrachte Material: z. B. F. Cumont, Rev. hist. 55 T. 163 (1930) 245 ff.; L. Wenger, Sav. Zschr. 51 (1931) 375–7; F. De Zulueta, JRS 22 (1932) 186 f.; S. Lösch, Diatagma Kaisaros, Freiburg 1936, 45. 19 L. Robert, AntCl 37 (1968) 414: ,,συνακολουϑεῖν est technique pour le cortège des enterrements officiels“, mit Beispielen vor allem aus Priene (παρακολουϑεῖν in Aigiale auf Amorgos: IG XII 7, 395, 26); daneben wird z. B. in Olbia παρέπεσϑαι verwendet (Syll.3 730, 24), in Messene ἀπαντᾶν (IG V 1, 1427, 8). Auf Amorgos findet sich wiederholt παραπέμψασϑαι bzw. παραπέμψαι (IG XII 7, 52, 9; 53, 19; 54, 14; 399, 9; man vgl. παρεῖναι ἐπὶ τὴν παραπονπήν 239, 31). Das hier gebrauchte προπέμπειν ist mir nur noch aus einem posthumen Ehrenbeschluß von Aizanoi bekannt, den W. Günther veröffentlichen wird. – Für den ganzen Komplex der honneurs funèbres vgl. man allgemein L. Robert, REA 62 (1960) 337 (OMS II 853). 20 Zu dem Brauch der Kranzverleihung nach dem Tode L. Robert, RPhil 3e série 33 (1959) 218 f.; ebd. 219, Anm. 4 Hinweis auf eine rhodische Inschrift, in der die ἀναγόρευσις der Kranzverleihung ἐπὶ τῶν τάφων sowie jährliche Erneuerung dieser Prozedur angeordnet werden. Für öffentliche Verlesung von Psephismen hat H. W. Pleket, The Greek Inscriptions in the ,Rijksmuseum van Oudheiden‘ at Leyden, Leiden 1958, 76 zu Nr. 63 einiges Material zusammengestellt (man vgl. auch R. Etienne, ZPE 12 (1973) 246, wozu als Beispiel jährlicher Wiederholung noch auf IvMagnesia 100 b 31 verwiesen werden kann), aber ein Fall der Verlesung anläßlich des Begräbnisses ist nicht darunter. Verbreitet sind dagegen Hinweise auf Aufzeichnung von Ehrenbeschlüssen an Grabanlagen: dazu zuletzt L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée, 1969, 266, Anm. 2; P. Herrmann, OpAth 10 (1971) 38; s. auch die folgende Anm. 21 Zur Bedeutung der μαρτυρία L. Robert, Hellenica XIII (1965) 207 mit Anm. 5. Zum ,hortativen‘ Charakter vgl. man z. B. die Formulierung in dem Beschluß aus Silandos P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien, DenkschrWien 80 (1962) 18 n. 14, 9 {TAM V 1 n. 48, 9} ἀναγράψαι δὲ τόδε τὸ ψήφισμα καὶ [ἐπὶ τ]οῦ ἐσομένου μνημείου … [ὅ]πως ἡ τοῦ δήμου ἐπισημασία εἰς τοὺς εὖ ποιοῦντας εὐκατανόητος πᾶσι γίνηται. Auch das hier zweimal gebrauchte τοιοῦτος (τοιαῦτον βίον – τοιαύτης μαρτυρίας) ist charakteristisch für Hortativformeln: man vgl. die Beispiele für die Wendung τοὺς τοιούτους (τῶν ἀνδρῶν) bei L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 96 f.; Bull. épigr. 1965 n. 221.
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Abb. 1: Weihinschriften an Zeus Porottenos aus Iulia Gordos
Abb. 2: Ehrendekret aus Iulia Gordos
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6 Men, Herr von Axiotta Unter den vielfältigen Namensformen, mit denen der Gott Men im kaiserzeitlichen Inschriftenmaterial in Lydien in Erscheinung tritt, steht der Zahl nach bei weitem an erster Stelle der Beiname Axiottenos. Als J. Keil im Jahre 1923 seine Materialsammlung „Die Kulte Lydiens“ zusammenstellte, konnte er 10 Belege registrieren1. In dem 1971 erschienenen 1. Band des „Corpus monumentorum religionis Dei Menis“ (CMRDM I) hat E. Lane die Zahl der epigraphischen Denkmäler, die den Gott mit diesem Beinamen nennen, auf 23 erhöhen können. Mir selbst sind aus unpubliziertem Material dazu noch 3 weitere Belege zur Hand. Das Verbreitungsgebiet der Zeugnisse über den Men Axiottenos ist räumlich eng und relativ klar begrenzt: Es beschränkt sich auf den Raum des nordöstlichen Lydien und umfaßt mehrere beiderseits des Oberlaufs des Hermos gelegene Fundorte im Bereich der sogenannten Katakekaumene (des Vulkangebietes bei Kula) und ihrer nördlichen Nachbarschaft. Einige Belege (4) stammen aus der Grenzzone zwischen den Städten Silandos und Saittai, d. h. aus Dörfern, die zwischen den parallelen Flußläufen des Selendi Çay und des İlke Çay liegen2. Die Hauptmasse der Zeugnisse (14) verteilt sich jedoch auf das Dorf Gölde und einige Nachbarorte (Ayazviran, Hamidiye, Karaoba); schon an der Peripherie liegen die Exemplare aus Kula (3 Steine, die dorthin verschleppt sein können3) und Menye/Maionia (2)4, noch weiter ab 2 in Sardeis auf|gefundene Belege5. Ergänzend zu dem epigraphischen Befund tritt der S. Şahin – E. Schwertheim – J. Wagner (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens. Festschrift für Friedrich Karl Dörner zum 65. Geburtstag, Leiden 1978, I 415–423. 1 Anatolian Studies pres. to Sir W. M. Ramsay, Manchester 1923, 256. 2 CMRDM I (= EPRO 19), Leiden 1971, n. 69–71 {TAM V 1 n. 159. 173. 172}, dazu noch ein neues Beispiel mit der in n. 70 erscheinenden Formel. – Für die Lage der Orte kann auf die Kartenskizze bei P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien, DenkschrWien 80, 1962, – künftig: Nordostlydien – S. 3 verwiesen werden. 3 Die von G. Keppel (1830) und anderen abgeschriebene Inschrift in Kula (CMRDM I n. 58 {TAM V 1 n. 251}) soll nach den von W. J. Hamilton (1837) gemachten Angaben bei dem Dorf Tefen Kieui gefunden worden sein, womit das am Selendi Çay gelegene Aşağı Tefen gemeint sein dürfte. Damit käme man wieder in das Grenzgebiet zwischen Silandos und Saittai. 4 Aus Menye stammt der im folgenden mitgeteilte Text A. Philippsons sowie die Altarweihung im Museum von Manisa (CMRDM I n. 85 {TAM V 1 n. 524; I.Manisa Museum 170}: vgl. 164 f. 169). Die Herkunft wird bestätigt durch einen Abklatsch, den Selahattin Kantar, damals Direktor des Museums in İzmir, 1941 in Menye von dem Stein genommen und J. Keil übersandt hat. Von dem Dedikanten, dem τοπιάριος (J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1970 n. 522, ebenso G. E. Bean brieflich) Artemon, stammen übrigens auch zwei weitere Statuenweihungen (Kybele und ‚ephesische‘ Artemis), die mit der Herkunftsangabe Selendi im neuen Museum von İzmir aufgestellt sind. Die zweite bei R. Fleischer, Artemis von Ephesos und verwandte Kultstatuen aus Anatolien und Syrien [= EPRO 35], Leiden 1973, 279 ff. {TAM V 1 n. 54}, wo als Text der Inschrift [Ἀρτ]έμων [τοπιάρις κα]τ̣ ’ ἐπιτα[γ]ὴν ἀνέϑηκεν herzustellen ist. 5 CMRDM I n. 77 (dazu ist übersehen L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I, Paris 1964, 32 Anm. 2) und 80.
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Tatbestand hinzu, daß der Beiname AƵIOTTHNOC auch auf Münzen der Stadt Saittai, und nur dieser, neben dem Bildnis des Gottes erscheint6, das sonst ohne Beischrift auch auf Münzen anderer lydischer Städte vorkommt7. Von der Form der Namensbildung her lag es nahe, den Beinamen des Gottes (der einmal übrigens auch auf die Göttin Anaitis übertragen ist8) als von einem Ortsnamen abgeleitet zu erklären. Dafür sind in der Literatur immer wieder Formen wie Ἀξίοττα bzw. Ἀξιόττη, Ἀξίεττα9, zuletzt von mir selbst Ἄξιττα10 vorgeschlagen worden, wobei sich die Varianten auf die seltener bezeugten Schreibungen Ἀξιεττηνός bzw. Ἀξιτ(τ)ηνός gründen konnten11. Der am nächsten liegende Name Ἀξίοττα ist nun aber seit | mehreren Jahren durch ein bisher auch von mir übersehenes Zeugnis eindeutig bestätigt, das dem Sammeleifer von E. Lane verdankt wird. Es ist die Aufschrift auf der Basis einer 67 cm hohen Terrakottastatue einer weiblichen Gewandfigur, die sich im Privatbesitz in Beirut befindet12: Δεσκυλὶς Δεσκύλου Μηνὶ Ἀρτεμιδώρου Ἀξι οττα κατέχοντι ὑπὲρ τῶν τέκνων εὐχήν. Lane gibt zur Herkunft der Statuette an: „Lydia, exact provenience unknown“. Man kann aber, glaube ich, auf Grund der Eigennamen durchaus eine Einengung vornehmen. Die Namensformen Δέσκυλος und vermutlich auch Δεσκυλίς sind in Lydien bisher allein durch 4 Belege aus dem Gebiet der Städte Saittai und Silandos bezeugt13,
6 Vgl. E. Lane, CMRDM II (= EPRO 19), Leiden 1975, 35 f. n. 4–6. 7 Bagis, Iulia Gordos, Maionia, Sardeis, Silandos: vgl. E. Lane, CMRDM II 14–47. 8 C. Leemans, Grieksche opschriften uit Klein-Azie …, Amsterdam 1886, 13 n. VII; vgl. H. W. Pleket, The Greek Inscriptions in the ,Rijksmuseum van Oudheiden‘ at Leyden, Leiden 1958, 85 mit Pl. XV. 9 Vgl. die Zusammenstellung bei F. Steinleitner, Die Beicht im Zusammenhange mit der sakralen Rechtspflege in der Antike, Leipzig 1913, 36; dazu z. B. RE XIII (1927) 2142 s. v. Lydia (Bürchner). 10 P. Herrmann – K. Z. Polatkan, Das Testament des Epikrates und andere neue Inschriften aus dem Museum von Manisa, SBWien 265,1, 1969, 40; aufgenommen von E. Lane, CMRDM I 164 und II 36. Wie die Überprüfung der zuverlässigen Kopien J. Keils in seinen Smyrnäer Skizzenbüchern ergeben hat, ist die von mir erwogene Möglichkeit, daß auch der in den beiden Texten CMRDM I n. 43, 1. 7 {TAM V 1 n. 317} und 44, 24 {TAM V 1 n. 318} erscheinende Ortsname Ἀξιτ(τ)α statt Ἀζιτ(τ)α zu lesen sein könnte, hinfällig: Keil hat an allen Stellen Z ohne Mittelstrich notiert. 11 Ἀξιεττηνός: CMRDM I n. 31 {TAM V 1 n. 344} und 72 {TAM V 1 n. 442}; Ἀξιτ(τ)ηνός: ibid. n. 46 {TAM V 1 n. 455} und 65 {TAM V 1 n. 252}. 12 E. N. Lane, A Re-Study of the God Men. I. The Epigraphic and Sculptural Evidence, Berytus 15, 1964, 50 = CMRDM I n. 86 mit Taf. XXXVI {TAM V 1 n. 526}. 13 P. Herrmann – K. Z. Polatkan, Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien im Museum von Manisa, AnzWien 98, 1961, 121 n. 3 {hier S. 38/39} Δέσκυλον Διοφάντου {TAM V 1 n. 92}; Herrmann, Nordostlydien 15 n. 11 Νεικηφόρον Δεσκύλου {TAM V 1 n. 81}; dazu ein weiterer noch unpublizierter Stein aus Saittai: Μηνόφιλος Δεσκύλου {TAM V 1 n. 141}. Ein in dem Dorf Avlaşa zwischen
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d. h. aus der kleinen Zone nördlich des Hermos, die – wie oben angegeben – auch einige der Nachweise für unseren Men Axiottenos geliefert hat. Der von Lane bekannt gemachte Neufund ermöglicht nun aber auch die, wie ich meine, zuverlässige Herstellung eines Textes aus Menye/Maionia, wo der Gott offensichtlich genau in derselben Form wie auf der Terrakottastatuette als ,Herr von Axiotta‘ bezeichnet wird. Ich habe diesen aus den Skizzenbüchern von A. Philippson ,ausgegrabenen‘, heute vermutlich verschollenen Stein bisher nur einmal in seiner Anfangspartie zitiert und dabei für den Ortsnamen die Ergänzung Ἄξ[ι]ττα vorgeschlagen14. Zugleich mit der mir nach der obigen Parallele notwendig scheinenden | Berichtigung sei hier nun der ganze Text bekannt gemacht und kurz besprochen. Die Kenntnis der Inschrift beruht, wie gesagt, auf einer offenbar etwas flüchtigen Abschrift, die A. Philippson 1901 bei seinem Besuch des Dorfes Menye von dem unten abgebrochenen Stein genommen hat. Am linken Rand scheint jeweils etwa ein Buchstabe abgeschlagen gewesen zu sein, ähnlich ist auch der rechte Rand zum Teil verstümmelt. Die Maße des Steines hat Philippson nicht notiert. Ich gebe ein Faksimile nach dem Skizzenbuch Philippsons und setze darunter die von mir vorgeschlagene Textherstellung: {TAM V 1 n. 525; Petzl, Beichtinschriften 79}
Saittai und Silandos von mir 1961 und 1969 aufgenommener Grabstein führt auf die Lesung Καρπίων Δεεσ̣[κυ]λίδι / πενϑεριδίσσῃ / μνείας χάριν {TAM V 1 n. 65}. 14 Herrmann – Polatkan, Testament des Epikrates 39 f. mit Anm. 60; übernommen von Lane, CMRDM I 162 n. A 1. Die Kopie aus dem Skizzenbuch von A. Philippson ist mir unter freundlicher Mithilfe von E. Kirsten durch F. Lapp vermittelt worden.
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Μ̣έγας Μὶς Ἀρτεμιδώρου Ἀξ[ι-] [ο]ττα κατέχων καὶ ἡ δύνα[μ]ις αὐτοῦ. Ἐπὶ Τατια Νεικηφό̣ ρου Μοκαδδην‹ὴ› ἐδάνεισε Γα[ΐ]ῳ καὶ Ἀφφιᾳ τῇ γυναικὶ αὐτοῦ Μ[ο-] [κ]‹α›δδηνοῖς χαλκὸν ‹π›ροειποῦσα [ ․ ]ΤΗ ․ ΡΟΝ ‹δ›ανίζω· ὁ Γάϊος οὖν ἐχρ[ε-] [οκ]ό‹π›ησεν αὐτήν· ἡ Τατιας οὖ[ν χρε-] [οκ]οπ‹η›ϑ‹ε›ῖσα ἐπεκαλέσετ[ο κατ’ αὐ-] [τοῦ τὸ]ν ϑεόν. Μέγας οὖ[ν ] [ τ]ὸν Γάϊον καὶ ε[ ] [ ]ΛΡΚΟΝΟ[ ]
Der Text gibt uns ein neues Exemplar der für Nordostlydien und die dort bis in die Kaiserzeit bewahrte spezifische Religiosität aufschlußreichen Dokumentengruppe der Sühninschriften. Der in der üblichen schlichten Sprache vorgetragene Bericht, durch das in diesen Urkunden geradezu stereotype ἐπεί (ἐπί Z. 3) eingeleitet und unter häufigem durch οὖν markierten Subjektwechsel weitergeführt15, schildert eine Affäre, die sich zwischen drei aus der nordostlydischen Nachbarlandschaft Mokaddene16 stammenden Personen abgespielt hat. Es ist, wie in diesen Texten häufiger, kein sakrales Vergehen, sondern ein Eigentumsdelikt, genauer gesagt ein Fall der Schädigung einer Gläubigerin Tatia (Z. 3) bzw. Tatias (Z. 8). Diese hatte ihren Landsleuten Gaius und Aphphia unter bestimmten Bedingungen17 vermutlich einen mit dem Wort χαλκός summarisch bezeichneten Geldbetrag18 geliehen, konnte | dann aber dessen Rück15 Vgl. zum Stil L. Robert, op. cit. (Anm. 5) 31. 16 Dazu jetzt Ch. Habicht, New Evidence on the Province of Asia, JRS 65, 1975, 72 auf Grund der in der neuen Städteliste von Asia erhaltenen Nennung der Μοκαδηνοί unter Anführung sämtlicher Belege. Aus den Zeugnissen ergibt sich, daß die Landschaft von Temenothyrai über Silandos bis zu dem Badeort Thermai Theseos nahe des Hermos gereicht haben muß, also der Katakekaumene unmittelbar benachbart war. 17 Eine Angabe dieser Art scheint am Anfang von Z. 7, den ich noch nicht herzustellen vermocht habe, gestanden zu haben. Man könnte u. a. an Nennung einer Frist denken, wie sie in der in Anm. 18 erwähnten Inschrift ähnlichen Charakters mit der Wendung ἰς προϑεσμίαν gemeint zu sein scheint. 18 Zu der verbreiteten Verwendung des Wortes χαλκός für ‚Geld‘ einige Belege bei H. Stephanus, Thesaurus Graecae Linguae VIII 1280 und bei Liddell – Scott – Jones s. v. χαλκός II 4. Instruktiv ist Pollux IX 92: ἡ δὲ τῶν πολλῶν καὶ ἰδιωτῶν χρῆσις τὸν χαλκὸν τὸ ἀργύριον λέγει, οἷον ‚οὐκ ἔχω χαλκόν‘ καὶ ‚ὀφείλω χαλκόν‘. Offensichtlich im selben Sinn wird χαλκός in einer anderen lydischen Sühninschrift gebraucht, die ebenfalls eine – wenn auch kompliziertere – Geldaffäre, Veruntreuung oder unterlassene Schuldenrückzahlung, zum Inhalt hat: CMRDM I n. 51 {TAM V 1 n. 440; Petzl, Beichtinschriften 54} (die Ergänzungen Z. 1–6 sind ganz unsicher), wo es in Z. 6 ff. heißt: εἶτα ἀπαιτοῦντος τοῦ Ἀπολλωνίου τὸν χαλκὸν παρὰ τοῦ Σκόλλου. Der Betrag ist vorher genannt worden: [- - χαλκ]οῦ 𝈂 μʹ, also 40 Drachmen, gewiß nicht (δηνάρια) μ(ύρια), wie von Buckler bis Lane geschrieben wird (vgl. Herrmann, Nordostlydien 58 Anm. 226). W. H. Buckler, Some Lydian Propitiatory Inscriptions, BSA 21,
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zahlung nicht durchsetzen19. In ihrer Bedrängnis rief sie den Zorn des Gottes Men auf den zahlungsunwilligen Schuldner herab20. Der fehlende Schluß des Textes muß dann in der üblichen Weise von der Bestrafung des Übeltäters durch den Gott und von der Sühnung des Vergehens, d. h. wohl der Rückzahlung der Schuld, eventuell auch des Doppelten21, berichtet haben. Vorangestellt ist dem Bericht eine auch sonst in diesen Texten häufiger vorkommende Prädikation des Gottes, in der seine Größe22 und seine Macht (δύναμις23) gerühmt werden. Er selbst wird genau so wie auch in der Inschrift aus Beirut als „Men (bzw. M(e)is) des Artemidoros“ bezeichnet, der „Axiotta beherrscht, in seiner Gewalt hat“. Beide Elemente sind Eigentümlichkeiten der Götterbenennung im nordostlydischen Raum, in denen sich spezifische | Aspekte der dortigen Religiosität und Kultorganisation auszudrücken scheinen. Das eine ist die Vorstellung von einer ,Herrschaft‘ des Gottes über einzelne Ortschaften, was in anderen Beispielen statt des hier verwendeten κατέχωv durch den Terminus βασιλεύων noch verdeutlicht wird24. Ausmaß und Möglichkeiten dieser Theokratie im ‚geistlichen‘ Bereich werden ja gerade durch die vielfältigen Berichte der Sühninschriften beleuchtet. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, wie weit hier auch ‚weltliche‘ Elemente einer Herrschaftsausübung impli-
1914/6, 178 hatte dabei sogar angenommen, daß es sich überhaupt nicht um Geld, sondern um Kupfer im Gewicht von ca. 40 kg handelte! 19 Ob das erst nach längerem Suchen von mir gefundene, den Sinn erhellende Wort χρεωκοπέω mit o oder ω geschrieben war, muß offen bleiben. Die beiden bei F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden II, Berlin 1927, 749 verzeichneten Papyrusbelege haben die Schreibung mit o. Beide Stellen weisen die transitiven Gebrauch anzeigende passive Verwendung auf, wie es auch aus unserem Text hervorgeht. Man vgl. dazu etwa auch Phalar. Ep. 81, 2 Φαλάριδος ἐπ’ ὀνόματι δωρεᾶς χρεωκοπηϑέντος … 20 Man vgl. für die Konstruktion z. B. die Inschrift aus Mopsuhestia (V. W. Yorke, Inscriptions from Eastern Asia Minor, JHS 18, 1898, 307 n. 3; dazu J. Zingerle, Heiliges Recht, ÖJh 23, 1926, Beibl. 54 ff.) Z. 10 ff. ἐπικαλοῦμαι κατὰ Τρύφωνος τοῦ ἀδελφοῦ μου καὶ τῶν τέκνων αὐτοῦ τοὺς ἐνουρανίους ϑεοὺς καὶ τοὺς καταχϑονίους. – Zu der Aoristbildung ἐπεκαλέσετο gibt es im lydischen Material viele Paral lelen: vgl. J. Keil – A. v. Premerstein, Bericht über eine zweite Reise in Lydien, DenkschrWien 54,2, 1911, 107. 21 Rückzahlung oder Zahlung des duplum wird erwähnt in der verstümmelten Sühninschrift Herrmann, Nordostlydien 57 n. 51 {TAM V 1 n. 510; Petzl, Beichtinschriften 46}; vgl. dazu auch Zingerle, op. cit. (Anm. 20) 36. Es ist möglich, daß im Falle unserer Inschrift die Höhe der Summe auch erst gelegentlich der Rückzahlung genannt wurde. 22 Dazu Herrmann, Nordostlydien 32 mit dem Hinweis auf die Bibliographie von L. Robert (jetzt OMS I 427 Anm. 101). 23 Vgl. Herrmann, Nordostlydien 31 Anm. 106; Zingerle, op. cit. (Anm. 20) 10–12. Ähnlich wie unsere Inschrift scheint die schon in Anm. 18 als Parallele zitierte, am Anfang verstümmelte Sühninschrift CMRDM I n. 51 mit der Akklamation einer oder mehrerer Gottheiten als μεγάλοι und Preisung ihrer δύναμις begonnen zu haben. 24 Man vgl. dazu etwa Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 105; Steinleitner, op. cit. (Anm. 9) 14 und 77; F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom III, Wiesbaden 1961, 445 ff.
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ziert waren. Als konkretes Problem stellt sich dabei auf Grund der Inschriften besonders etwa das Verhältnis zwischen sakraler und weltlicher Gerichtsbarkeit in diesen lydischen Dorfgemeinden dar: die (zum Teil leider verstümmelten) Texte haben da auf recht divergierende Deutungen geführt25. Nicht ohne weiteres verständlich – gerade angesichts eines solchen theokratischen Anspruchs der Gottheit – ist das in der Benennung sich äußernde andere Element: die Bezeichnung und, wie wir sehen, auch Differenzierung eines Gottes durch Hinzufügung eines Personennamens im Genetiv (oder durch die Konstruktion mit ἐκ). Hier hat wohl immer noch die seinerzeit von J. Keil und A. v. Premerstein vorgetragene Deutung am meisten für sich, daß wir in diesen zugefügten Namen ,am ehesten Stifter von lokalen Familien- und Vereinskulten des Men‘ zu erkennen haben26. Das würde freilich auf eine eigenartige Aufsplitterung oder gar ‚Privatisierung‘ des Kultes führen, in der man zumindest eine Art Gegenbewegung gegen überlokales Ausgreifen oder gar universellere Ausprägungen des Kultes zu erkennen hätte. Gerade an unserem Men Axiottenos und den Varianten in seiner Benennung wird, wie ich meine, diese sich weitgehend einer konkreten Deutung entziehende Problematik erkennbar: Der Μὴν (Μὶς) Ἀρτεμιδώρου Ἀξιοττα κατέχων der beiden Inschriften wäre nach der gängigen Deutung ein Men, dessen besonderer, lokaler Kult irgendwann von einem Artemidoros begründet worden ist und der als spezifischer Herrscher und Schutzherr eines (für uns nicht näher lokalisierbaren27) Ortes namens Axiotta galt. Für Ἀξιοττα κατέχων konnte dann aber offenbar der vom Ethnikon gebildete Beiname Ἀξιοττηνός eintreten. Wenn uns so in einer Inschrift aus Gölde ein Μὴν Ἀρτεμιδώρου Ἀξιοττηνός begegnet28, so wird man geneigt sein, Identität mit dem oben genannten Men anzunehmen. Aber gerade das Epitheton Ἀξιοττηνός 25 Im Anschluß an die Untersuchungen von Steinleitner, op. cit. (Anm. 9) 100 ff. hat besonders Zingerle, op. cit. (Anm. 20) 29 ff. (Maionische Tempelgerichtsbarkeit) die Auffassung vom eigenständigen Charakter der Tempelgerichtsbarkeit, von einem ‚einheitlich geschlossenen Rechtszug sakralen Charakters‘ (S. 47) verfochten. Dagegen hat O. Eger, Eid und Fluch in den maionischen und phrygischen Sühne-Inschriften, in Festschrift P. Koschaker III, Weimar 1939, 286–293 die Vorstellung von einem ‚Priestergericht‘ erheblich einzuschränken versucht. 26 Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 104. 27 Ausgehend von der Veröffentlichung einer aus Menye stammenden Inschrift des 2. Jh.s v. Chr., die einen Ort Atetta nennt (Herrmann – Polatkan, Testament des Epikrates 37 n. 3 {TAM V 1 n. 543}), habe ich seinerzeit die Möglichkeit erwogen, die Ortsnamen Atetta und Axitta als Varianten desselben Namens zu betrachten und für den Vorläufer der späteren Stadtgründung Maionia anzusehen. Da nach den hier vorgebrachten Argumenten aber die Form Axitta aufgegeben werden zu müssen scheint, vielmehr ein Nebeneinander der Ortsnamen Atetta, Azitta, Axiotta bestehen bleibt, würde ich hinsichtlich einer Kombination jetzt größere Zurückhaltung üben. Das gilt auch für die Fixierung von Axiotta, da nach dem oben vorgelegten Befund und dem Paralleltext aus Beirut auch das Gebiet nördlich des Hermos in Betracht kommt, vielleicht am ehesten das Territorium von Saittai, wo der Axiottenos ja als Münzlegende erscheint (s. Anm. 6). Daß Axiotta der Name einer ganzen Gegend gewesen sein sollte (vgl. Lane, CMRDM II 36; III 32; 72), halte ich nicht für wahrscheinlich. 28 CMRDM I n. 33 {TAM V 1 n. 342}.
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ohne den Personennamen des Artemidoros zeigt dann ja eine weitere Verbreitung. Ist hieran nun eine Ausweitung des Kultes abzulesen, die Einrichtung lokaler Heiligtümer abseits von Axiotta, und was hat das Fehlen des Namens des Artemidoros zu bedeuten? Der Befund kompliziert sich dadurch, daß offenbar derselbe ‚Men des Artemidoros‘ auch als Herr von anderen Ortschaften erscheint: wir kennen einen Μὶς Ἀρτεμιδώρου Δόρου κώμην βασιλεύων29, einen Μὴν Ἀρτεμιδώρου Ἀξιοττηνὸς Κορεσα κατέχων30, schließlich einen Μεὶς Ἀξιοττηνὸς | Ταρσι βασιλεύων31, bei dem nun freilich der Name des Artemidoros wiederum fehlt. Man könnte geneigt sein, das als eine Ausweitung des besonderen von Artemidoros gegründeten Kultes auf andere Orte dieser Gegend zu interpretieren. Daneben gibt es aber nun wieder Benennungen des Men Axiottenos, in denen statt des Artemidoros andere Personennamen erscheinen, im Unterschied zu diesem aber in der Konstruktion mit ἐκ an den Gottesbeinamen angefügt sind: der in Gölde mehrfach bezeugte Μὴν Ἀξιοττηνὸς ἐξ Ἐπικράτου32, der einmal belegte Μὴν Ἀξιοττηνὸς ἐξ Ἀπολλωνίου33, möglicherweise der Μὴν ἐγ Διοδότου34, sofern man annimmt, daß dort der Beiname Ἀξιοττηνός weggelassen wurde. Konnte oben eine Art Expansion des auf Artemidoros zurückgehenden MenKultes vermutet werden, so wäre hier eher an Abspaltung von Sonderkulten, fast so etwas wie Konkurrenzgründungen, zu denken. Aus all dem ergibt sich zweifelsohne ein irritierendes Bild. Daraus so etwas wie eine Genesis oder ein Stemma der Kultentwicklung unseres Men Axiottenos gewinnen zu wollen, dürfte ein aussichtsloses Unterfangen sein. Dafür fehlen uns ja nicht nur explizite, über die bloßen Namensformen hinausführende Hinweise (etwa in Form von Berichten über Kultgründungen), sondern ebenso auch Ansatzpunkte chronologischer Art. Man wird sich bei allem Materialzuwachs, den gerade die letzten Jahrzehnte gebracht haben, damit bescheiden müssen, daß in dem eigenartigen Mikrokosmos des religiösen Lebens, den uns die Inschriften des nordostlydischen Berglandes erkennen lassen, immer noch viele Rätsel bestehen bleiben. Ein neuer Beleg für den Ortsnamen Axiotta erscheint in dem Aufsatz von G. Petzl, unten Seite 755.
29 CMRDM I n. 42 {TAM V 1 n. 461}. In diesem Falle wird der Gott allerdings nicht allein genannt, sondern mit einer Meter [ ]ne und Mis Labanas kombiniert; daher auch nicht βασιλεύων, sondern βασιλεύοντες. 30 CMRDM I n. 47 {TAM V 1 n. 460}. 31 CMRDM I n. 69 {TAM V 1 n. 159}. 32 CMRDM I n. 31 {TAM V 1 n. 344} und 37 {TAM V 1 n. 343}, dazu ein noch unpubliziertes Exemplar. 33 CMRDM I n. A 2 {TAM V 1 n. 253}. 34 CMRDM I n. 66 {TAM V 1 n. 254}.
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7 Theoi Pereudenoi Eine Gruppe von Weihungen und Sühninschriften aus der Katakekaumene Die herkömmlicherweise mit „Nordostlydien“ bezeichnete Landschaft der Κατακε καυμένη im Bereich des oberen Hermostales1 liefert, seitdem sie verkehrsmäßig gut erschlossen ist und das Interesse am Antikenhandel sich dort in ebenso intensiver wie bedenklicher Weise ausgebreitet hat, Jahr um Jahr reiche epigraphische Neufunde wie kaum eine andere Gegend Anatoliens. Man kann nur wünschen, daß es der Aufmerksamkeit und dem Spürsinn vieler interessierter Wissenschaftler im Lande und außerhalb gelingt, einen möglichst großen Teil dieses Materials noch zu erfassen, bevor es – auf welchen Wegen auch immer – für eine wissenschaftliche Auswertung verloren geht oder aus dem Blick gerät. Hin und wieder heben sich aus dieser vorwiegend aus Grabsteinen bestehenden Materialfülle einzelne Gruppen heraus, für die sich gemeinsame Herkunft nachweisen läßt. Das sind vor allem Weihinschriften, bei denen die übereinstimmende Nennung eines Götternamens auf ehedem gemeinsame Aufstellung in einem lokalen P. Herrmann, E. Varinlioğlu, EpigrAnat 3, 1984, 1–17. 1 In einem kürzlich erschienenen Aufsatz (ZPE 44, 1981, 11–44) hat Ch. Naour die Auffassung vertreten, das ganze „Bassin des mittleren Hermos“ bis zu der Bergkette nördlich des Kogamostales habe zur Mysia Abbaitis gehört. Grundlage dafür sind neuere Funde von Inschriften, aus denen sich eine Bezeugung der Μυσοὶ Ἀβαῖται im Raum südlich des bisher als Grenzscheide betrachteten TemnosGebirges (Simav Daği) ergibt (l. c. 12 Anm. 5; vgl. jetzt auch H. Malay, EpigrAnat 1, 1983, 27). Naour hat diese Auffassung im weiteren durch den Hinweis auf Aspekte der physikalischen Geographie sowie kulturelle Zusammenhänge mit dem Gebiet nördlich des Simav Daği bekräftigt. Der beklagenswert frühe Tod dieses jungen, in besonderer Weise für solche Feldforschung begabten Wissenschaftlers im Jahre 1982 hat ihn mitten aus dieser Arbeit herausgerissen und seinen Plan zunichte gemacht, seine Forschungen in einer Monographie über diesen Raum zusammenzufassen, in der auch das umfangreiche neue Material vorgelegt werden sollte. – Es ist hier nicht der Ort, zu der hier mitgeteilten Auffassung Stellung zu nehmen, zumal dafür erst die Veröffentlichung des Inschriftenmaterials die Voraussetzung bilden könnte. Es sei nur darauf hingewiesen, daß schon den antiken Autoren ein spezifischer Übergangs- oder Mischcharakter der in Rede stehenden Landschaft aufgefallen war, der zur Unsicherheit führte, ob sie zu Mysien oder Lydien zu rechnen sei. Man hat dem durch den Hinweis auf gemeinsame Besiedlung durch Lyder und Myser Rechnung getragen (vgl. besonders die literarischen Testimonia über die Κατακεκαυμένη TAM V 1 p. 79) bzw. durch die Verwendung des eigenen Landschaftsnamens Maionia für diesen Raum (Ptolem. Geogr. V 2, 21 Μαιονίας ἐν μεϑορίοις Μυσίας καὶ Λυδίας καὶ Φρυγίας). Wenn in dem Corpus-Band TAM V 1 im Anschluß an die Arbeiten von J. Keil und A. v. Premerstein sowie an die von J. Keil seinerzeit vorgenommene Abgrenzung der Landschaft Lydien (Anatolian Studies Ramsay, 1923, 241 Anm. 1) dieser ganze Raum unter der Bezeichnung Nordostlydien erfaßt wurde, so vor allem auch deshalb, weil in den byzantinischen Listen, die vielfach die einzigen Testimonia für dort gelegene Orte liefern, durchgehend die Einordnung unter Lydien vorgenommen ist.
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Inschriften aus Lydien
Heiligtum führt. Die Lokalisierung der Herkunftsorte wird heute angesichts der Verschleierungstaktiken der Finder wie der Zwischenhändler nur in den seltensten Fällen noch möglich sein. Aber auch ohne eine solche gewinnen natürlich diese Gruppen durch ihre Zusammengehörigkeit und eine dabei sich ergebende Einheitlichkeit in ihrer äußeren Erscheinung wie den inhaltlichen Aussagen ein spezifisches Interesse als (mehr oder weniger vollständige) individuelle Hinterlassenschaft eines der vielen kleinen Heiligtümer, deren Vorhandensein ja ein Charakteristikum dieser Landschaft im Altertum gewesen sein muß. In dem folgenden Beitrag wird der Versuch gemacht, eine solche Gruppe aus dem heute erreichbaren Material zusammenzufügen, selbstverständlich in dem Bewußtsein, daß mit ihr vielleicht nur ein sehr zufälliger und unvollkommener Ausschnitt geboten wird. Aber die Chance, daß sich noch weiteres Dazugehöriges anfindet, sollte nicht als aussichtslos angesehen werden. Es geht um eine Gruppe gut erhaltener Stelen, die einem Heiligtum der – bisher ganz unbekannten – Θεοὶ Περευδηνοί entstammen, wobei durch die in einigen Texten erscheinende Variante οἱ ϑεοὶ οἱ ἐν Περεύδῳ deutlich wird, daß das Epitheton von einem Ortsnamen Pereudos oder Pereudon abgeleitet ist. Neun dieser Stelen sind in das inzwischen reich bestückte Museum von Uşak gelangt, zwei konnten im Lande und damit möglicherweise in der Nähe ihres Fundorts registriert werden, so daß sie einen Anhaltspunkt in der Frage der Lokalisierung des Heiligtums liefern könnten. Die ersten 5 Texte konnte P. Herrmann gelegentlich eines Besuchs in Uşak im Jahre 1973 aufnehmen und dank der freundlichen Genehmigung durch den damaligen Direktor, Herrn Savaş Savcı, zur Publikation vorsehen, die dann aber angesichts des Auftauchens weiterer Exemplare liegen blieb (Nr. 1–5). E. Varinlioğlu, der das gesamte inzwischen in das Museum gelangte Material aufgenommen hat1a und seine Veröffentlichung vorbereitet, kann hier weitere vier Stücke hinzufügen (Nr. 6–9). Die beiden letzten Texte schließlich (Nr. 10–11) werden G. Petzl verdankt, dem 1979 Photographien der Steine sowie ein Abklatsch vermittelt wurden2. 1. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren und Einlaßzapfen; H. 87, B. 39,5, D. 5 cm; Buchstabenhöhe 1,8–2 cm; über der Inschrift ein Augenpaar (Abb. 1). {Petzl, Beichtinschriften 16}
1a Für die vielseitige Unterstützung der Arbeiten im Museum ist E. Varinlioğlu Herrn Aytaç Taşyürek, dem jetzigen Museumsdirektor von Uşak, zu Dank verpflichtet. 2 Für die freundliche Überlassung dieser Texte sowie für wertvolle Anregungen zu diesem Aufsatz danken die Verfasser G. Petzl herzlich. – E. Varinlioğlu hatte im Sommer 1982 durch ein Stipendium des Deutschen Archäologischen Instituts Gelegenheit, in Hamburg an den Inschriften aus dem Museum von Uşak zu arbeiten, wofür er ebenfalls seinen Dank ausdrücken möchte. Die gemeinsame Bearbeitung der hier zusammengefaßten Texte ergab sich bei Gelegenheit dieses Aufenthalts.
Ἔτους σοϑʹ, μ(η)ν(ὸς) Αὐ- δνέου. Ἀγαϑόποδα ἐπὶ (= ἐπεὶ) ἐπεζήτησαν οἱ 4 ϑεοὶ οἱ ἐν Περεύδῳ διὰ τὸ ἐνλιπέσϑε ἡ- μέρας ἐκολάσοντο εἰς τοὺς ὀφϑαλμοὺς καὶ ’γὼ 8 εὐλογῶν ἀποδεί- δω.
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279 sull. Ära = 194/5 n. Chr. Im Jahr 279, im Monat Audnaios. Da die Götter von Pereudos (-on) den Agathopus verfolgten, weil (er) tagelang weggeblieben war, bestraften sie ihn an den Augen, und ich errichte unter Lobpreisung (diese Stele).
Die Inschrift berichtet von einer göttlichen Intervention gegenüber einem Mann namens Agathopus wegen eines Vergehens, dessen Charakter freilich nicht ganz deutlich wird: διὰ τὸ ἐνλιπέσϑαι ἡμέρας. Zu dieser Wendung bringt der unten folgende Text Nr. 6 möglicherweise eine Parallele, wo eine Frau namens Markia ihr Vergehen mit den Worten ausdrückt ἐπὶ (ἐπεὶ) λειπούσης ἡμέρας εἰσῆλϑα. Allerdings sind beide Konstruktionen sprachlich nicht eindeutig und tragen nicht ohne weiteres zu gegenseitiger Aufhellung bei: Während im Falle der Markia λειπούσης ἡμέρας einen Genetivus absolutus bilden kann, möchte man bei Agathopus eher annehmen, daß διὰ τὸ ἐνλιπέσϑαι αὐτὸν ἡμέρας gemeint war, wobei ἡμέρας Akkusativ objekt (Tage = tagelang) oder auch Genetivbestimmung (bei Tage) sein könnte. Das ließe dann am ehesten an einen Fall der Vernachlässigung religiöser Pflichten durch „Wegbleiben“ denken. Man könnte dafür an den Fall der Trophime erinnern, die mit Wahnsinn gestraft wurde κληϑεῖσα ὑπὸ τοῦ ϑεοῦ ἰς ὑπηρεσίας χάριν μὴ βουληϑοῦσα ταχέος προσελϑεῖν, also wegen Verweigerung von Dienstleistungen gegenüber dem Gott3. In dem vorliegenden Fall bestand dann die göttliche Strafe für das Vergehen bzw. die Pflichtverletzung in einer Augenkrankheit. Dieser Tatbestand ist uns in Inschriften dieser Art auffallend häufig bezeugt, desgleichen die bildliche Darstellung von Augen auf Stelen, die dann auch den Dank für Heilung von einem Augenleiden ausdrücken können4. Die Terminologie des Berichts unserer Stele enthält im übrigen die in diesem Genus stereotyp wiederkehrenden Wendungen: ἐπιζητεῖν für die „Verfolgung“ des Täters durch die Gottheit5, κολάζεσϑαι für den Vorgang der Bestrafung selbst6, εὐλογεῖν für die mit der Entsühnung verbundene Lobpreisung der
3 TAM V 1 n. 460 {Petzl, Beichtinschriften 57} mit den dort genannten Parallelen. 4 Vgl. P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien, DenkschrWien 80, 1962, 51 mit Anm. 202; L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I, Paris 1964, 27 Anm. 2. 5 Dazu P. Herrmann, Nordostlydien 49 Anm. 192. Das Verbum erscheint auch in den folgenden Inschriften Nr. 2, 4, 8 und 10. Dabei wird in Nr. 2 und 4 das Objekt nicht durch die Person des Übeltäters gebildet, sondern durch die jeweils den Inhalt des Vergehens betreffende Sache: τὴν κληρονομίαν bzw. τὰς ἀνπέλους. 6 Dazu L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes 24 f.
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Inschriften aus Lydien
Götter7‚ und ἀποδιδόναι für die Erfüllung der göttlichen Forderung, was in anderen Fällen auch Einlösung des Gelübdes bedeutet kann, konkretisiert in der Darbringung der Stele8. Desgleichen treten hier orthographische und sprachliche Besonderheiten auf, wie sie uns ebenfalls aus dieser Inschriftengattung und ihrer oft recht simplen Ausdrucksweise schon bekannt sind: hier die Aoristform ἐκολάσοντο9‚ das Konjugationsschema ἀποδίδω10‚ oder auch der charakteristische Übergang von der 3. zur 1. Person11. 4
2. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren (Mittelakroter abgeschlagen) und Einlaßzapfen; H. 89, B. 40,5, D. 6 cm; Buchstabenhöhe 1,5 cm (Abb. 2). {SEG XXXIV 1211} Θεοῖς Περευδηνοῖς κα- Für die Theoi Pereudenoi, ϑότι ἐπεζήτησαν τὴν da sie ihre Nachforschung τοῦ Γαΐου Ἰουνείτου κλη- auf die Erbschaft des Gaius 4 ρονομίαν ἣν ἀποδίδει Γλύ- Iunites richteten, welche κων ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ· τό- sein Bruder Glykon erstattet, und zwar das πον, ἐνόντα δρῦν καὶ τὰ Grundstück, die darauf befindliche Eiche σὺν αὐτῷ δένδρα καὶ τὴν und die dazu gehörigen Bäume sowie den ἀπόμοιραν τῆς οἰκίας ὡς Anteil für das Haus im Wert von 75 Denaren. 8 (δηνάρια) οεʹ. Ἔτους σπγʹ, μη(νὸς) Δείου. Im Jahre 283, im Monat Deios. 283 sull. Ära = 198/9 n. Chr. Hier wie in den beiden folgenden Sühninschriften (dazu noch in Nr. 10) scheint nicht von sakralen Vergehen die Rede zu sein, sondern von bestimmten Transaktionen, die materielle Güter betreffen: Erbschaften, Legate, Verkäufe. Gemeinsam ist den Texten auch, daß die „Entsühnung“ gegenüber der Gottheit in der „Rückgabe“ (ἀποδιδόναι) von entsprechenden Objekten bzw. Anteilen (ἀπόμοιρα Z. 8, μέρη Nr. 4, 10) bzw. in Geldzahlungen bestand. Man könnte nun vermuten, daß als Vergehen in diesen Fällen dann zwischenmenschliche Betrügereien vorauszusetzen wären, umso mehr, als uns andere Sühninschriften von ähnlichen Vorgängen berichten, wie z. B. von unterlassener Darlehensrückzahlung (TAM V 1 n. 440 {Beichtinschriften 54}; 525 {79}), von Diebstahl (ib. 159 {3}; 257) oder anderweitiger materieller Schädigung (ib. 231 {35}). Soweit wir sehen, ist aber in solchen dem Zivilrecht zuzuordnenden Fällen das strafende Eingreifen der Gottheit in der Regel durch besondere Umstände ver7 L. Robert, l. c. 28 f. 8 L. Robert, l. c. 30. 9 Hierfür genüge der Hinweis auf J. Keil – A. v. Premerstein, Bericht über eine zweite Reise in Lydien, DenkschrWien 54, 1911, 107; das Material hat sich seitdem stark vermehrt. 10 Dazu in Nr. 2 ἀποδίδει, Nr. 3 ἀποδίδουσιν. Man vgl. dazu J. Zingerle, ÖJh 23, 1926, Beibl. 28. 11 Vgl. L. Robert, l. c. 31.
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anlaßt worden: Entweder war sie – im besonderen durch die Prozedur der „Aufstellung des Szepters“ – als Garant oder Rächer angerufen worden12, oder ihr Eingreifen gründete sich auf einen in dem Verfahren geleisteten Meineid13. Das hiermit berührte Problemfeld der Formen und des Umfangs einer eigenen „Tempelgerichtsbarkeit“ soll hier allerdings nicht in den Blick genommen werden, zumal es mir noch recht gründlicher Analyse des gesamten in den letzten Jahren nicht unerheblich vermehrten Materials zu bedürfen scheint14. Es genüge hier der Hinweis, daß in den in Rede stehenden 4 Texten unserer Inschriftengruppe auch jede Andeutung einer solche göttliche Gerichtsbarkeit herbeiführenden Prozedur fehlt, so daß nach meinem Eindruck eine andere Deutung dieser Fälle größere Wahrscheinlichkeit besitzt. Es fällt auf, daß in der Inschrift Nr. 4 zusammenfassend gesagt wird τὰ λαχόντα μέρη τῶν ἀνπέλων παραδεδώκομεν τοῖς ϑεοῖς, während in | Nr. 10 auf die Nennung einer wegen eines Hauskaufs „gegebenen“ Summe von 72 Denaren die Angabe folgt ἅτινα παρέλαβαν οἱ εἱεροί (es folgen 3 Namen). Es ging also offensichtlich um Leistungen gegenüber der Gottheit bzw. dem Personal ihrer Heiligtümer. Kann man daraus schließen, daß demnach von Seiten dieser Lokalheiligtümer Ansprüche bei bestimmten Vermögens transaktionen erhoben wurden, nämlich auf „Anteile“ in Land oder in Geld, die dann so etwas wie eine sakrale „Umsatzsteuer“ darstellen würden? Die Texte, einschließlich einiger noch unveröffentlichter, scheinen mir durchaus Andeutungen in diesem Sinne zu enthalten. Als Alternative zu einer solchen Zwangsabgabe könnte allenfalls ein verbreiteter Usus „freiwilliger“ (Teil-)Zuwendungen an die Gottheit angenommen werden. Wir erhielten damit jedenfalls einige interessante Hinweise auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Existenz der so zahlreichen Lokalheiligtümer dieser Region15. Sollte die Vermutung zutreffen, wären die hier besprochenen vier neuen Texte in dem Sinne zu verstehen, daß die Götter von Pereudos (-on) hier sozusagen im eigenen Interesse strafend eingriffen, weil Versuche vorlagen, ihnen die ihnen zukommenden Anteile vorzuenthalten. In dem hier vorliegenden Fall besteht jedenfalls der Anteil, den Glykon aus der Erbschaft seines Bruders Gaius Iunites „zurückerstattet“, aus einem Grundstück mit einer darauf befindlichen Eiche und weiteren dazu gehörigen Bäumen oder Sträu-
12 TAM V 1 n. 159 und 231 mit den Literaturhinweisen (dazu jetzt auch E. Varinlioğlu, EpigrAnat 1, 1983, 84 Anm. 46); vgl. auch 525 ἐπεκαλέσετ[ο κατ’ αὐτοῦ τὸ]ν ϑεόν. 13 TAM V 1 n. 440. Zur Rolle des Meineides in den Sühninschriften E. Varinlioğlu, l. c. 78–80. 14 Zu diesem Problem und der wissenschaftlichen Kontroverse zuletzt E. Varinlioğlu, l. c. 84–5 mit den Literaturhinweisen in Anm. 45. 15 Die wirtschaftliche Rolle der Heiligtümer in Kleinasien wird ausführlich untersucht in dem Buch von P. Debord, Aspects sociaux et économiques de la vie religieuse dans l’Anatolie gréco-romaine (EPRO 88), 1982. Die in dieser Hinsicht allerdings recht bescheidenen Erkenntnisse bezüglich der Katakekaumene werden S. 165 ff. zusammengefaßt.
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chern16, dazu aus einem in Geld abgelösten „Anteil“ (ἀπόμοιρα)17 eines Hauses in Höhe von 75 Denaren18. 6
3. Giebelstele aus weißem Marmor, mit Akroteren (Mittelakroter abgeschlagen) und Einlaßzapfen; H. 95, B. 43, D. 8 cm; Buchstabenhöhe 1,5–2 cm; im Giebelfeld Halbmond (Abb. 3). {Petzl, Beichtinschriften 17}
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Ἀπολλώνις ϑεοῖς τοῖς ἐν Περεύδῳ μαρτύρειν. Ἐπεί με ἡ μήτηρ ἐπικατη- ράσετο, ἠρώτησα τοὺς ϑεοὺς καὶ ἔδωκα μετὰ τοῦ ἀδελφοῦ Εὐπελάστου ὑ- πὲρ τοῦ στεγνοῦ (δηνάρια) ρʹ τοῦ ἀγορασϑέντος παρὰ Μύρ- μηκος, ὑπὲρ τῶν λυπῶν πάντων τομαί‹ω›ν ἀνπέ- λων ἐν Προμιάσσῃ ἐπὶ τῇ πρείνῳ ἀπέδωκα ἄλλα δηνάρια νʹ· δὶς ἠρώτησα τοὺς ϑεούς, ἐπέτυχα καὶ εὐχαριστῶ.
Apolloni(o)s (errichtet dieses) Zeugnis den Göttern in Pereudos. Da die Mutter mich verflucht hatte, befragte ich die Götter und ich gab zusammen mit meinem Bruder Eupelastos für die von Myrmex gekaufte Hütte 100 Denare; für alle übrigen zurückgeschnittenen (?) Weinstöcke in Promiasse bei der Steineiche gab ich weitere 50 Denare. Zweimal befragte ich die Götter, erhielt Gewährung (Verzeihung) und bekunde (hiermit) meine Dankbarkeit.
Ζ. 10: Der Stein hat ΤΟΜΑΙΑΝ.
16 Dabei ist vorausgesetzt, daß ἐνόντα δρῦν zu verbinden ist, δρῦς hier also masculini generis ist; vielleicht bezieht sich auch das folgende σὺν αὐτῷ auf δρῦς. Bei einer solchen Konstruktion läßt sich vor allem auf die Beispiele mit Nennung von Grundstücken σὺν τοῖς ἐνοῦσι δένδροις, ἀμπέλοις etc. verweisen, wie sie A. Wilhelm, Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts, Pragm. Akad. Athen 17,1, 1951, 103 (Kl. Schr. I 3, 497) mit Verweis besonders auf das Material bei L. Robert, Le sanctuaire de Si nuri près de Mylasa I. Les inscriptions grecques, Paris 1945, zusammengestellt hat. – Zur Bezeichnung von „Liegenschaften“ durch τόπος M. Wörrle, Chiron 5, 1975, 76 Anm. 74. 17 Das Wort ἀπόμοιρα läßt an die uns verschiedentlich greifbare Steuerkategorie gleichen Namens denken, für die außerhalb des ptolemäischen Ägypten auch Beispiele in Kleinasien aufgetaucht sind: A. Wilhelm, Zu den Inschriften aus dem Heiligtum des karischen Gottes ΣΙΝΥΡΙ, SBWien 224,2, 1947, 17 (Kl. Schr. I 3, 265) „Abgabe des schuldigen Teiles eines Ertrages“; vgl. auch J. u. L. Robert, JSav 1976, 181 Anm. 110 und M. Wörrle, Chiron 8, 1978, 224 Anm. 114. Freilich scheinen die Lexika das Wort auch allgemeiner im Sinne von „Anteil“ zu kennen: Hesych. Α 6486 ἀπόμοιρα· μερίς; Sud. A 3445 ἀπόμοιρα· μέρος. 18 Nicht klar ist mir die Bedeutung des vor der Währungsangabe stehenden ὡς, das hier ja doch nicht im Sinne von „ungefähr“ stehen kann. Immerhin gibt es möglicherweise eine Parallele für solchen Gebrauch: Talanta 8–9, 1977, 91 n. 29, 7 (Hinweis von G. Petzl).
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Gemeinsamkeiten bei den Personennamen (Apolloni(o)s, Eupelastos), dem Ortsnamen Promias(s)e, auch die Nennung der ἄμπελοι sprechen dafür, daß dieser und der nachfolgende Text Nr. 4 eng zusammengehören, vermutlich nur wenige Jahre auseinanderliegen: Apolloni(o)s, von dem diese – nicht datierte – Inschrift ausgeht, war zur Zeit der Errichtung der Stele Nr. 4 (199/200) bereits gestorben, da dort von seinen Erben die Rede ist. Die Frage der möglichen Art des Zusammenhangs zwischen beiden Inschriften wird bei Nr. 4 kurz aufgenommen werden. In unserem Text will Apolloni(o)s offensichtlich ausdrücken, daß er die Stele den Göttern von Pereudos (-on) als μαρτύριον errichtet, als „Zeugnis“; das ist eine Variante für eine sonst gelegentlich verbal formulierte Aussage19. Die Affäre, um die es in dem Text dann geht, ist kompliziert und nicht ganz durchschaubar, da wohl, wie nicht selten in diesen Dokumenten, Einzelheiten übergangen werden, die man als bekannt voraussetzte oder vielleicht eher: die man nicht gern erwähnte und sich ersparen zu können meinte. Auslösender Faktor für die hier nur indirekt zu erschließende göttliche Intervention (in Form von Schädigung durch Krankheit o. ä.) war eine Verwünschung, die die Mutter des Apolloni(o)s gegen ihn ausgesprochen | hatte20. Sie führte jedenfalls zu zwei „Anfragen“ des Betroffenen an die Götter. Wir hören in den Sühn inschriften wiederholt von einer solchen Prozedur, ohne eine deutlichere Vorstellung davon gewinnen zu können, wie das vor sich ging und in welcher Form die Antwort bzw. Weisung der Gottheit vermittelt wurde21. Die Reaktion unseres Apolloni(o)s war jedenfalls zunächst, mit seinem Bruder zusammen, die Zahlung von 100 Denaren für ein von einem gewissen Myrmex gekauftes στεγνόν, also ein Haus bzw. eine Hütte, später noch die Erstattung von weiteren 50 Denaren für „alle sonstigen“ Weinstöcke,
19 Als Parallele kann die Wendung ἀνέστησε τὸ μαρτύριον in einer Inschrift aus Saittai gelten: ZPE 30, 1978, 256 n. 2, 13 = TAM V 1 n. 179 a (freundlicher Hinweis von G. Petzl {Beichtinschriften 9}), wodurch zugleich deutlich wird, daß in unserem Fall μαρτύρειν = μαρτύριν = μαρτύριον sein dürfte, und nicht, wie ich ursprünglich vermutet hatte, die Infinitivform μαρτυρεῖν, wodurch dann die Überschrift an die Formulierung eines Briefkopfes erinnert hätte. Für verbale Verwendung von μαρτυρεῖν vgl. man TAM V 1 n. 317, 22 {Beichtinschriften 68} καὶ νῦν αὐτῇ (Anaeitis) μαρτυροῦμεν καὶ εὐλογοῦμεν oder 319, 5 μαρτυροῦντες τὰς δυνάμις τῶν ϑεῶν. 20 Für das Verbum ἐπικαταράομαι gibt es Belege in der Septuaginta (z. B. Num. 22, 17 καὶ δεῦρο ἐπικατάρασαί μοι τὸν λαὸν τοῦτον); größere Verbreitung, auch in Inschriften, hat aber die davon abgeleitete Form ἐπικατάρατος: s. A. Deißmann, Licht vom Osten, 4. Aufl. Tübingen 1923, 74–5; L. Robert, Hellenica VII, 1949, 66–7; XI/XII, 1960, 437 Anm. 1; zuletzt CRAI 1978, 247 ff. mit Anm. 40. In der Sühninschrift TAM V 1 n. 492, 2 {Beichtinschriften 44} hatte W. M. Ramsay das Verbum ἐπαρᾶσϑαι ergänzt: Θεοδότη Γλύκω[νι ἐπαρᾶτο] ϑρεπτῷ, wozu jetzt in der folgenden Nr. 9 eine ganz auffallende Parallele tritt. Die Inschrift TAM V 1 n. 318, 8–10 {Beichtinschriften 69} schildert als zusammengehörigen Vorgang die Aufrichtung des Szepters und die Formulierung von ἀραί im Tempel. 21 Man vgl. für solche „Anfragen“ die Beispiele TAM V 1 n. 453, 5 {Beichtinschriften 61} und 460, 7 {57}, dazu F. Steinleitner, Die Beicht im Zusammenhange mit der sakralen Rechtspflege in der Antike, Leipzig 1913, 45 n. 18 (aus Philadelphia {TAM V 3 n. 1628}) und unten Nr. 9, 4. Einige Überlegungen zur Form der Vermittlung der Antwort: P. Herrmann, Nordostlydien 25 Anm. 83.
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wobei eine genaue Bezeichnung den Ort präzisiert22. Man hat den Eindruck, daß bei Apolloni(o)s erst eine gewisse Hartnäckigkeit überwunden werden mußte, ehe er in zwei Stufen seine Verpflichtungen einlöste und dann Erhörung oder Erleichterung erfuhr. War sein Vergehen in diesem Fall Unterschlagung von der Gottheit bzw. der Tempelverwaltung zustehenden Beträgen aus einem Kaufgeschäft gewesen, so daß beide Zahlungen jedenfalls dann auch diesem Heiligtum zugute kamen? Oder war hier eine – den Fluch der Mutter auslösende – Familienstreitigkeit der eigentliche Hintergrund des Falles? 4. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren (Mittelakroter abgeschlagen) und Einlaßzapfen; H. 95, B. 43, D. 5,5 cm; Buchstabenhöhe 1,7–2 cm; über der Inschrift im Relief liegende männliche Gestalt; links oben Halbmond (Abb. 4). {Beichtinschriften 18} 8
Ἐπεζήτησαν οἱ ϑεοὶ τὰς ἀν- πέλους τῆς Ὑγίης Μύρτου τὰς ⟦. .⟧ ληγάτους ἐν Προμι- 4 άσῃ τόπῳ λεγομένῳ Λά- κοις καὶ ἄλας (sic) κορυφήας· ἀπο- δίδουσιν σὺν ἐνκύϑροις καὶ φόρῳ Εὐπέλαστος καὶ οἱ Ἀ- 8 πολλωνίου κληρονόμοι καὶ ὁ Φιλιπικὸς Φιλίπου· ἕκαστος αὐ- τῶν τὰ λαχόντα μέρη τῶν ἀν- πέλων παραδεδώκομεν τοῖς 12 ϑεοῖς διὰ τῆς προδηλουμέ- νης κολάσεως. Ἔτους σπδʹ, μη(νὸς) Δαισίου.
Die Götter forschten nach den Weinstöcken im Legat der Hygie Myrton in Promiase auf dem Lakoi genannten Grundstück und nach den anderen auf der Höhe gelegenen (?). Eupelastos und die Erben des Apollonios und Philip(p)ikos, der Sohn des Philip(p)os, erstatten sie zurück zusammen mit dem schon gekelterten Traubensaft (?) und der Steuer. Jeder von ihnen haben wir die jeweiligen Anteile der Weinstöcke den Göttern übergeben wegen der schon erwähnten Bestrafung. Im Jahre 284, im Monat Daisios. 284 sull. Ära = 199/200 n. Chr.
Z. 3: Der Steinmetz hatte versehentlich noch einmal ἀνπέλους zu schreiben begonnen und hat die beiden Buchstaben ΑΝ dann getilgt.
22 Man könnte vermuten, daß das στεγνόν in einem Weingarten gelegen war. Die hier gemeinten ἄμπελοι liegen wie bei der Inschrift Nr. 3 in dem Ort Promias(s)e. Sie werden näher bezeichnet durch den Zusatz ἐπὶ τῇ πρείνῳ „bei der Steineiche“: man vgl. dazu den Hinweis auf vom Wort πρῖνος abgeleitete Toponyme sowie die Erwähnung von πρῖνοι besonders in Grenzbeschreibungen bei L. Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure gréco-romaine, Paris 1963, 128 mit Anm. 4. Das vor ἀνπέλων erscheinende TOMAIAN möchte ich vermutungsweise zu τομαί‹ω›ν korrigieren, womit dann zurückgeschnittene Weinstöcke gemeint sein könnten. Man vgl. den in der Inschrift TAM V 1 n. 318, 19 geschilderten tödlichen Unfall mit einem δρέπανον ἀμπελοτόμον.
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Es wurde zu Nr. 3 schon bemerkt, daß wir mit dieser Stele wahrscheinlich auf eine zeitlich etwas später liegende Episode in derselben Familie stoßen, weshalb auch vorauszusetzen ist, daß die in Z. 1 und 12 genannten Götter wiederum die von Pereudos (-on) sind. Wieder geht es um ἐν Προμιάσῃ gelegene Weinstöcke, die hier als zum Legat einer gewissen Hygie Myrton23 gehörig bezeichnet werden – mit einer interessanten Verwendung des lateinischen Terminus in adjektivischer Form24. Sie werden, über den Ortsnamen hinaus, noch näher spezifiziert einmal durch eine Flurbezeichnung Λάκ(κ)οι, d. h. die Gruben, Wasserbassins, Zisternen25, zum anderen durch das Adjektiv κορυφῆαι (= κορυφαῖαι), was vielleicht soviel wie „die auf der Höhe gelegenen“ heißen soll. Die Affäre endet wieder mit einer „Rückerstattung“ der betreffenden Anteile durch eine Mehrzahl von Personen26, wobei der schon aus Nr. 3 bekannte Eupelastos wieder erscheint, während | für seinen inzwischen offensichtlich verstorbenen Bruder Apollonios nun die Erben eintreten. Die Anteile am Weinland wurden zurückerstattet zusammen mit den ἔνκυϑρα, offensichtlich gleichbedeutend mit ἔγχυτρα (ion. κύϑρα = χύτρα) „was sich in den χύτραι befindet“, ein bisher nicht bezeugtes Wort. Das kann eigentlich nur auf den schon geernteten und wohl auch schon gekelterten Wein gehen, der nun in den χύτραι aufbewahrt wird27. Auch der φόρος wurde mit erstattet, d. h. wohl der entsprechende noch abzuführende Steueranteil. Aus Anlaß der Erwähnung der ἄμπελοι in dieser und der vorhergehenden Inschrift sei daran erinnert, daß gerade der Wein aus dieser Gegend, der Κατακεκαυμενίτης, in der Antike einen guten Ruf hatte28. 23 Es scheint sich um einen Doppelnamen zu handeln. Zum Namen Μύρτον J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1969 n. 432; L. Robert, StCl 16, 1974, 76. 24 Das Normale ist die substantivische Verwendung ληγᾶτον = legatum. A. Cameron, AJPh 52, 1931, 248 verzeichnet als Beispiel aus Kleinasien eine Inschrift aus Korakesion (IGR III 828): ἡ ϑυγάτηρ καὶ κληρονόμος ἐξ ὧν ὑφεῖλεν τοῦ ληγάτου τῆς πόλεως κατὰ τὴν τελευταίαν γνώμην καὶ σημίωσιν τοῦ πατρός. Dazu kommt ein Beleg in einer noch unveröffentlichten Inschrift, die Th. Drew-Bear 1978 gerade in unserer Gegend abgeschrieben hat: κατέλιπεν δὲ καὶ αὐτῷ καὶ ληγᾶτα τὰ ἐν τῇ διαϑήκῃ δηλούμενα {SEG XXXV 1167}. Zahlreicher sind die Belege in den Papyri: B. Meinersmann, Die lateinischen Wörter und Namen in den griechischen Papyri, Leipzig 1927, 33; S. Daris, Aegyptus 40, 1960, 235. 25 Es sei darauf hingewiesen, daß die Griechen auch eine Art Weinkeller als λάκκοι bezeichnet haben: Xen. Anab. IV 2, 22; Sud. Λ 60. Als Toponym wird das Wort bei Ptolem. Geogr. IV 5, 11 für einen See in Ägypten angeführt. 26 Für die Wendung τὰ λαχόντα μέρη kann bis auf eine Formulierung bei Platon, Leg. 745e zurückverwiesen werden (καϑιερῶσαι τὸ λαχὸν μέρος ἑκάστῳ τῷ ϑεῷ), in der allerdings noch der Vorgang des Verlosens impliziert ist. 27 E. Saglio, in Daremberg – Saglio, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines I 1140 vermutet „des emplois très divers“ für die χύτραι, vermag aber kaum Beispiele zu geben. Das die Anthesterien beschließende Fest der Chytren in Athen hat, wie man weiß, nichts mit dem Wein zu tun, sondern ist nach den Töpfen benannt, in denen die (gekochten) Spenden für Hermes Chthonios dargebracht wurden (L. Deubner, Attische Feste, Berlin 1932, 112). 28 Man vgl. die TAM V 1 p. 79 unter 1a und e zitierten Testimonia, dazu L. Robert, Villes d’Asie Mineure, 2. Aufl. Paris 1962, 277.
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Es fällt auf, daß in diesem Falle das ἐπιζητεῖν der Götter sich auf die ἄμπελοι richtet, nicht auf die Personen (vgl. Anm. 5). Damit dürfte der Tatbestand zu verknüpfen sein, daß die „Rückgabe“ der entsprechenden Anteile dann auch an die Götter erfolgte. Das ist ein starkes Indiz dafür, daß – wie oben schon ausgeführt – hier nicht etwa Besitz- bzw. Erbstreitigkeiten zugrundeliegen, sondern Ansprüche der Götter bzw. des Heiligtums auf bestimmte materielle Werte. Man könnte vermuten, daß dieselbe Angelegenheit schon bei dem Text Nr. 3 im Hintergrund stand und in irgendeiner Weise erst in Nr. 4 ihre „Erledigung“ fand, wobei Apolloni(o)s inzwischen (aus Strafe?) zu Tode gekommen war. Die beiden Stelen (vielleicht sogar noch weitere) könnten nebeneinander aufgestellt gewesen sein und dann so etwas wie eine Fortsetzungsgeschichte erzählt haben29. Man erhält dadurch immerhin auch einen Eindruck von der Intensität und Beharrlichkeit, mit der diese einfache Landbevölkerung sich unter Umständen von ihren strengen Gottheiten verfolgt fühlte. 5. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren (Mittelakroter abgeschlagen) und Einlaßzapfen; H. 106, B. 55, D. 7 cm; Buchstabenhöhe 1,5 cm; Reliefdarstellungen; im Giebel unter einem von einem Gewinde gebildeten Bogen stehender Adorant (vgl. Anm. 34), darunter in zwei Reihen übereinander insgesamt 8 Buckelrinder, die von einem Mann mit Stock am Strick geführt werden (Abb. 5). {SEG XXXIV 1214} 10
Θεοῖς Περευδηνοῖς Φιλιππικὸς Den Theoi Pereudenoi hat Philippikos auf εὐξάμενος μετὰ Βουνίωνος τοῦ Grund eines Gelübdes, das er zusammen συντρόφου ὑπὲρ τῶν κτηνῶν καὶ mit dem mit ihm aufgezogenen Bunion 4 ἐπιτυχὼν εὐχαριστῶν ἀνέϑηκεν. zugunsten der Tiere ausgesprochen hatte, Ἔτους τλβʹ, μη(νὸς) Λώου κʹ. nachdem er Erfüllung erlangt hat, in Dank barkeit (diese Stele) errichtet. Im Jahre 332, am 20. Loos. 322 sull. Ära = 247/8 n. Chr. Im Unterschied zu den vier vorhergehenden Stelen ist diese eine einfache Weihung, die in Einlösung eines Gelübdes dargebracht wurde30, keine Sühninschrift. Philippikos dankt zusammen mit seinem σύντροφος Bunion31 dafür, daß die Theoi Pereu29 Diese Vermutung geht auf eine Anregung von G. Petzl zurück. Dann könnte die in sich nicht recht verständliche Erwähnung der προδηλουμένη κόλασις in Nr. 4, 12 auf eine solche frühere Aussage auf einer anderen Stele zurückverweisen. Ob auch die ungewöhnliche Darstellung des gelagerten Mannes als bildliche Aussage über eine κόλασις, nämlich Krankheit, in Anspruch genommen werden kann, möchte ich hier offen lassen. 30 Die Formel εὐξάμενος … καὶ ἐπιτυχὼν εὐχαριστῶν ἀνέϑηκα auch in der Inschrift TAM V 1 n. 455. 31 Der Name Βουνίων, der noch nicht belegt zu sein scheint, wird wohl als Ableitung von βουνός „Hügel“ zu gelten haben und sich damit neben die Hera Βουναία von Korinth (Paus. II 4, 7) und den Pan Βουνίτης (AP VI 106) stellen. Vgl. H. Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch I, Heidelberg 1960, 260. Dazu und zu einigen weiteren Namensformen G. Laminger-Pascher, ZPE 15, 1974, 34.
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denoi seine Tiere vor Krankheit und Gefahr bewahrt haben. Die Inschrift gehört zu einer durch zahlreiche Exemplare belegten Gruppe von Weihungen ὑπὲρ τῶν ζῴων, ϑρεμμάτων, τετραπόδων etc., wobei die Tiere für sich oder in Verbindung mit den Familienangehörigen der Dedikanten genannt werden32. Als ein Beispiel für die Nennung von κτήνη kann dabei eine Weihung aus Salymbria an der Propontis angeführt werden (BCH 36, 1912, 592 n. 48), die der γεωργός Posidonis dargebracht hat περὶ αἱαυτοῦ καὶ τῶν κτηνέων. Es geschieht nicht selten, daß dabei die betreffenden Tiere dann auch im Relief dargestellt werden, Esel, Maultiere oder auch Ochsen33. Innerhalb dieses Materials scheint freilich unser Philippikos mit der getreulichen Wiedergabe seiner acht Tiere vorläufig einen Rekord zu halten. Zu den bis jetzt behandelten Texten sind nach 1973 noch die folgenden vier Steine in das Museum von Uşak gelangt. 6. Mus. Inv.-Nr. 20-21-73. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren und Einlaßzapfen (Giebel an der linken Ecke beschädigt); H. 81, B. 30–38, D. 6 cm; Buchstabenhöhe 1,7 cm; in der Giebelmitte Schild, über der Schrift im Relief Gestalt eines pflügenden Bauern; seine rechte Hand ist im Gebetsgestus erhoben34, die linke mit Stock führt den von zwei Buckelrindern gezogenen Pflug (Abb. 6). {SEG XXXIV 1215} Θεοῖς Περευδη͜νοῖς Ἀρτεμίδω- Den Theoi Pereudenoi (errichtet diese ρος Συλλᾶδος εὐχή͜ν. Ἔτους σϙηʹ. Stele) Artemidoros, Sohn des Syllas, in Einlösung eines Gelübdes. Im Jahre 298. 298 sull. Ära = 213/4 n. Chr. Für die Genetiv-Varianten der Eigennamen auf -ᾶς vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1976 n. 138: -ᾶ, -ᾶδος, -ᾶτος35. Artemidoros hier mit seiner einheimischen Bekleidung war ein Eingeborener. 7. Mus. Inv.-Nr. 33-10-75. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren (oben und rechts abgeschlagen) und Einlaßzapfen; H. 48, B. 20,5–24,5, D. 5,5 cm; Buchstaben-
32 Man vgl. die Materialhinweise bei L. Robert, Collection Froehner I: Inscriptions grecques, Paris 1936, 61; Hellenica X, 1955, 35 f. 33 Dazu J. u. L. Robert, Hellenica VI, 1948, 106; X, 1955, 165 f. mit Beispielen aus der Gegend von Kula; zuletzt Bull. épigr. 1972 n. 458 p. 473. Auf einem aus Phrygien stammenden Grabstein sind „ganz unten 6 Ochsen in flachem Relief“ dargestellt: AM 25, 1900, 469 n. 1. 34 Für andere Darstellungen von Adoranten mit erhobener Hand vgl. Ch. Naour, ZPE 22, 1976, 122, 49; G. Petzl, ibid. 30, 1978, 253 n. 1 (TAM V 1 n. 179 b {Beichtinschriften 10}); L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes 36 mit Anm. 1; Lane, CMRDM III 38 als Kennzeichen für den Gott Men. 35 Belege für den Namen Συλλᾶς TAM V 1 n. 166 a und 682, 8.
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höhe 1,3–2,3 cm; im Giebelfeld Halbmond; die Schrift, beginnend direkt unter dem Giebel, bedeckt die ganze Fläche des Steines (Abb. 7). {SEG XXXIV 1216} Ἔτους τπʹ. Εὐξέ- Im Jahre 380. Tatia- 380 sull. Ära = 295/6 n. Chr. μενος Τατια- nos (?) in Einlösung νὸ‹ς› εὐχὴν ἐν seines Gelübdes an 4 Περεύδῳ Μη- Men Ploneates in νὶ Πλονεάτῃ καὶ Pereudos (-on) und die τοῖς συνεπερχομ- mit ihm auftretenden ένοις σὺν ἑαυτῷ· (Götter?). 8 ἔσχον τὴν ‹ν›εότητα Ich behielt meine Jugend καὶ ἐν εὐχαρισ‹τ›ίαις ἀ- und habe in Dankbarkeit νέϑηκα. (diese Stele) errichtet. Z. 3: NOY auf dem Stein. Z. 8: THNEOTHTA. Z. 9: Der Stein hat εὐχαρισίαις.
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Für εὔχομαι mit dem Akkusativ des inneren Objekts kann man zuerst Liddell – Scott – Jones, Greek-English Lexicon vergleichen36. So spät am Ende des 3. Jhdt.s wäre der Wechsel des Vokals Alpha zu Epsilon nicht außergewöhnlich37. Diese späte Zeit kommt auch in der Gestaltung der Buchstaben Sigma, Epsilon und Omega mit Rundformen zum Ausdruck. Hier treffen wir zum ersten Mal Men Ploneates, der vielleicht hervorragender Gott des Heiligtums war, wo die anderen Götter möglicherweise als | σύνναοι mit ihm verehrt wurden38. Es gibt leider hier außer dem Beinamen des Gottes Men keinen Anhaltspunkt für ihre Identifizierung. Der Beiname Ploneates sieht wie ein Ethnikon aus, das von einem einheimischen Ortsnamen Πλόνεια abgeleitet sein könnte39.
36 Oxford 1961, S. 739 s. v. εὔχομαι I 1, sowie TAM V 1 n. 461 b. Das Partizip εὐξάμενος, εὐξαμένη ohne Akkusativ ist häufiger: s. oben Nr. 5; TAM V 1 n. 370; 343; Lane, CMRDM I 37; 41; 46; 50; 68; 80; mit Dativ εὐχῇ TAM V 1 n. 428. 37 Möglicherweise ist hier die Schreibung εὐξέμενος für εὐξάμενος aber auch eine Art „hybride, die Themavokale verwechselnde Aoristform“: Keil – v. Premerstein, Zweite Reise, p. 107. Weniger Wahrscheinlichkeit besitzt wohl die Annahme, daß in Εὐξέμενος eine verderbte Form des Eigennamens Εὔξενος mit nachfolgendem Patronymikon (Τατιανοῦ auf dem Stein) steckt. 38 Für einen solchen Tatbestand vgl. TAM V 1 n. 255; 264 und Kommentar v. 1–2 (= P. Herrmann, Nordostlydien 51); 317 aus dem „Sacellum deae Anaeitae et Menis Tiamu“; 318; 440 und Kommentar v. 17 sq. (= Buckler, BSA 21, 1914, 179); 459 mit Kommentar v. 2; 576 (= P. Herrmann, Nordostlydien 39 n. 27); 592 u. S. 264; A. D. Nock, ΣΥΝΝΑΟΣ ΘΕΟΣ, HarvStClPhil 41, 1930, 1–62 (Essays on Religion and the Ancient World, Oxford 1972, I 202–251, bes. 217–218); K. Scott, TAPhA 62, 1931, 103, 107. In allen diesen Beispielen werden die Götter in einem gemeinsamen Heiligtum zusammen verehrt. 39 Man vgl. z. B. Εὐμένεια – Εὐμενεάτης in TAM V 1 n. 635; Εὐσέβεια – Εὐσεβεάτης in L. Robert, Hellenica II (1946) 81 ff.; Études déliennes (BCH Suppl. I, 1973) 438 n. 14; Εὐσεβεᾶτις in IG II2 8504. Für die anderen von einem Ortsnamen abgeleiteten Beinamen des Gottes Men vgl. Lane, CMRDM III 70 ff.
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Das Verb συνεπέρχομαι wird in den Lexika im Sinne eines feindlichen Angriffs erklärt: „to attack together“40. Sollte das hier bedeuten, daß die zusammen mit Men Ploneates (σὺν ἑαυτῷ = σὺν αὐτῷ) auftretenden Götter eine offensive Rolle spielen, etwa die Menschen „mit Forderungen bedrängen“41, was dann mit dem in den Sühninschriften so häufig begegnenden ἐπιζητεῖν (vgl. Anm. 5) gleichzusetzen wäre? Freilich wäre diese Vorstellung in einem Text, der nur von der Erfüllung eines Gelübdes zu berichten scheint (vgl. oben Nr. 5), ungewöhnlich. Man müßte dann voraussetzen, daß die lebensgefährliche Krankheit (s. unten) des Tatianos von ihm als Strafe für eine Schuld angesehen wurde, von der er allerdings schweigt. Vielleicht hat aber συνεπέρχομαι hier eine im Sinne einer gemeinsamen Epiphanie zu verstehende Bedeutung (Vermutung von P. Herrmann)42. Was es auch sei, ich verstehe die dann folgende Aussage in Z. 8 so, daß Tatianos aus schwerer Krankheit genesen ist, seine „Jugend behielt“, und nicht, wie so viele in jungen Jahren Verstorbene, „verlor“43. Deshalb hat er in Dankbarkeit sein Versprechen eingelöst44. Während die beiden obigen Inschriften einfache Weihungen sind, kommen die folgenden aus dem Bereich der Sühninschriften. Nr. 8 stammt sicherlich aus Lydien, aber es gibt außer dem Halbmond kein Kennzeichen der Götter, die in der Inschrift ohne Namen erwähnt sind. Der Grund, diese Inschrift in diese Serie aufzunehmen, ist die in dem dritten Satz erscheinende Redewendung λειπούσης ἡμέρας, die in der Inschrift Nr. 1 eine Parallele zu haben scheint. 8. Mus. Inv.-Nr. 8-2-74. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren und Einlaßzapfen; H. 89, B. 27,5–37,5, D. 6,5 cm; Buchstabenhöhe 1,9–1,3 cm; im Giebelfeld Schild, über der Schrift Halbmond (Abb. 8). {Beichtinschriften 19} 4
Ἔτους σπγʹ, μη(νὸς) Ξαν- δικοῦ. Μαρκία Ἀρίου ἐπὶ (ἐπεὶ) λειπούσης ἡμέ- ας εἰσῆλϑα (sic), ἐπεζή-
Im Jahre 283, 283 sull. Ära = 198/9 n. Chr. im Monat Xandikos. Da ich, Markia, Tochter des Arios, nach Fehlen eines Tages (= nachdem ich einen Tag gefehlt hatte?) eintrat,
40 Liddell – Scott – Jones, Greek-English Lexicon, Oxford 1961, S. 1709. Vgl. auch G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1968, S. 1322: „come upon, come against together“. 41 F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden I, Berlin 1925, 537 s. v. ἐπέρχομαι 6). 42 Vgl. H. Stephanus, Thesaurus Graecae Linguae III 1490 s. v. ἐπέρχομαι „supervenio, ex inopinato venio“. 43 Für Tod in jugendlichem Alter (νεότης) vgl. zuerst TAM V 1 n. 550 sowie W. Peek, Griechische Grabgedichte, Berlin 1960, Nr. 94; 133; 313; 314; 467; dazu τ[ὴν] νεότη[τά μου in D. M. Robinson, TAPhA 57, 1926, 235 n. 70 (Septuaginta-Fassung von Psalm 42 (43) 4). νεότης ist eine der Bezeichnungen für Jugend: vgl. dafür E. Griessmair, Das Motiv der mors immatura in den griechischen metrischen Grabinschriften, Commentationes Aenipontanae XVII, Innsbruck 1966, 15. – Für ἔσχον vgl. Nr. 9 und Anm. 51 unten; für ἀνέϑηκα vgl. E. Varinlioğlu, EpigrAnat 1, 1983, 79 Anm. 16. 44 Für die Formel der Danksagung in Einlösung eines Gelübdes s. oben Nr. 5 mit Anm. 30. Hier steht aber ἐν εὐχαρισ‹τ›ίαις (= εὐχαρίστως) statt εὐχαριστῶν.
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τησαν οἱ ϑεοὶ καὶ ἐσ- τηλλογράφησα καὶ εὐχαριστῶ.
verfolgten (mich) die Götter. Ich schrieb es auf eine Stele und bekunde meine Dankbarkeit.
Es ging höchstwahrscheinlich in beiden Inschriften, Nr. 1 und 8, um ein Versäumnis gegenüber der Pflicht zum Dienst im Heiligtum45. Beide waren nicht dort zur genauen Zeit, zu der sie von den Göttern erwartet wurden. Hierauf trat die Verfolgung des Übeltäters durch die Gottheit ein (ἐπιζητεῖν: vgl. Anm. 5). Die Sünderin Markia46 konnte erst nach Entsühnung ihrer Schuld eine Stele aufstellen (vgl. S. 84/85 oben und Anm. 12), auf der sie ihre Sünde bekannte und den Göttern ihren Dank sagte. 9. Mus. Inv.-Nr. 8-5-74. Giebelstele mit Akroteren und Einlaßzapfen, H. 94, B. 28–37, D. 4,5 cm; Buchstabenhöhe 1,7 cm; im Giebelfeld Schild; über der Schrift Darstellung einer Adorantin mit erhobener rechter Hand (vgl. Anm. 34). (Abb. 9). {Beichtinschriften 20} Θεοῖς Περευδηνοῖς Ἰου- λία ἐπαρασαμένη ϑρε- πτῇ ἰδίᾳ Ὀνησίμῃ καὶ 4 μηδὲν λαβοῦσα ἠρω- τήϑη καὶ οἱ ϑεοὶ μετέ- βησαν ἰς αὐτὴν καὶ ἀπὸ νῦν εὐλογῶ. Ἔτους σϙδʹ. 14
Den Theoi Pereudenoi. Iulia sprach einen Fluch über ihr Pflegekind Onesime, erhielt aber nichts. Sie wurde befragt (vernommen?), und die Götter gingen zu ihr (Iulia?) über, und von jetzt an lobpreise ich sie. Im Jahre 294. 294 sull. Ära = 209/10 n. Chr.
Iulia fluchte auf ihr Pflegekind Onesime aus einem Grund, den sie uns in der Inschrift nicht enthüllt (für ἐπαράομαι vgl. Nr. 3 und Anm. 20). Sie hat wahrscheinlich eine
45 Es könnte auch (wie P. Herrmann und G. Petzl unabhängig voneinander vermutet haben) ein Hinweis auf eine Frist von bestimmten Tagen sein, in denen Markia nach Reinheitsvorschriften das Heiligtum nicht betreten durfte (also: „da noch ein Tag fehlte“). Zu dem Thema s. Th. Wächter, Reinheitsvorschriften im griechischen Kult (RGVV IX 1), Gießen 1910, 25 ff.; besonders über Reinheitsvorschriften von bestimmten Tagen nach Tod s. S. 43 ff., nach Menstruation s. S. 36 ff., nach Entbindung s. S. 25 ff.; vgl. auch Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 82 n. 167 und p. 83; M. Wörrle, in Altertümer von Pergamon VIII 3 S. 179. 46 Die römischen Personennamen Markia und Iulia (Nr. 9) sind häufig in diesem Gebiet Lydiens, wo grundbesitzende römische Familien wohnten. Für eine Markia, „femina Romana, cui in ea regione praedium fuisse verisimile est“, vgl. TAM V 1, 88; 628; 133 und K. Buresch, Aus Lydien 52 Nr. 30; W. M. Ramsay, JHS 4, 1883, 30. – Für Ἄριος vgl. TAM V 1, 535 „nomen Graecum“; 538; J. Sundwall, Die einheimischen Namen der Lykier 53; L. Robert, Ét. épigr. et phil. 184; Études anatoliennes 140; P. Herrmann, Nordostlydien 55 n. 49, 56 und Anm. 218; L. Zgusta, Kleinasiatische Personennamen 91 § 92; s. unten Nr. 11 und Anm. 61.
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schriftliche Klage (πιττάκιον)47 über ihre ϑρεπτή48 bei den Göttern eingebracht. Aber die Klage endete in diesem Fall entgegen ihren Erwartungen in nichts (μηδὲν λαβοῦσα), sehr ähnlich wie in TAM V 1 n. 318 und 49249. Die Verben λαμβάνω sowie τυγχάνω, ἔχω und ἀκούω (passiv) werden im Verkehr mit Göttern nach einem Gebet (Fluch ist ja ein Gebet50) verwendet51. ἠρωτήϑη hier in Z. 4 mit der Passivform ist eine Überraschung. Was man erwartet, ist das Aktivum, die – von dem Ankläger vorgenommene – Befragung der Götter52. Aber es ist hier umgekehrt: Iulia ist von den anspruchsvollen Göttern wegen ihrer falschen Klage vernommen worden53. Was demnach folgen muß, wissen wir aus vielen Beispielen in Sühninschriften, die uns berichten, daß die auf die Aufforderungen der Götter nicht Achtenden schwer bestraft worden sind. Hier erscheint aber ein neuer Ausdruck: οἱ ϑεοὶ μετέβησαν εἰς αὐτήν vor der Formel καὶ ἀπὸ νῦν εὐλογῶ, welche der Versöhnung folgt54. Ich fasse es so auf, daß „die Götter zu | Iulia übergegangen sind“ 47 Für πιττάκιον als Klage vgl. EpigrAnat 1, 1983, 84 Anm. 46. 48 Für ϑρεπτός, ϑρεπτή und darauf bezügliche Wörter s. A. Cameron, Anatolian Studies Buckler, 1939, 27–62; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1939 n. 35; T. G. Nani, Epigraphica 5/6, 1943/4, 45–84; (J. u.) L. Robert, Bull. épigr. 1946–7 n. 37; Hellenica VI, 1948, 95 Anm. 2; 96 Anm. 5; VII, 1949, 31; Nouvelles inscriptions de Sardes 35 Anm. 3; als Familienanschluß s. TAM V 1 n. 103; 119; 167 a; 168 a; 168 c; 257; 348; 457; 473 b; 475; 492; 629; 669; 711; 755; 804; 814; Roesch – Fossey, ZPE 29, 1978, 134 und Anm. 16. 49 Vgl. auch J. Zingerle, ÖJh 23, 1926, Beibl. 38 ff. Unsere Inschrift wirft ein bezeichnendes Licht auf die unklare Angelegenheit der Theodote in Steinleitner, Die Beicht 28 Nr. 7 (TAM V 1 n. 492); ihre Anklage scheint von dem Gott als nicht berechtigt angesehen worden zu sein, als sie darüber Klage führte, daß Glykon gegen sie aggressiv geworden war. Weil sie deswegen von dem Gott durch Tod bestraft worden ist (für Tod als Strafe vgl. P. Herrmann, Nordostlydien 49 und Anm. 193 sowie Zingerle, ebenda), mußte einer von ihren Hinterbliebenen das Gelübde (den Fluch) einlösen (dafür vgl. Herrmann, ebenda), denn sie selbst und ihre Angehörigen waren fluchbeladen (dafür vgl. O. Eger, Festschrift Koschaker 293: „(Tatia) hat ihre angeblichen Verleumder verflucht. Da sie nun aber selbst bald darauf stirbt, so wurde dies als Strafe für sie gedeutet, weil ihr Fluch unbegründet, sie also in Wahrheit des Schadenzaubers schuldig gewesen sei. Ihre Nachkommen lösen auf Verlangen der Gottheit das σκῆπτρον und die ἀραί.“). Die Redewendung καὶ ἀπὸ νῦν am Ende der Schrift weist sowieso auf ihre Schuldigkeit hin (s. u. Anm. 54). 50 Dazu Steinleitner, Die Beicht 85 Anm. 2: „Diese Idee vom Fluche als einem Gebete, das die Götter erhören und dessen Inhalt sie vollstrecken, ist echt griechisch.“ 51 Für λαμβάνειν vgl. eine unveröffentlichte Inschrift im Museum von Uşak, Mus. Inv.-Nr. 10-3-75: εὐ‹ξ›αμένη … | ἐὰν παρὰ τῆς μητρὸς | λήψομαι τὰ μέρη, λα|βοῦσα ἀνέϑηκα {SEG XLI 1012}; CMRDM I, 80; ἀπολαβεῖν vom Gott in TAM V 1 n. 453; für τυγχάνειν s. ο. S. 90 und Anm. 30; für ἔχειν s. o. S. 84, Nr. 2; eine unveröffentlichte Inschrift in Uşak Mus. Inv.-Nr. 10-2-75: εὐ|ξαμένη … εἰ μεταβολὴν σχῶ {SEG XXXIX 1275}; für ἀκούειν ebenda: ἀκούσαντος τοῦ ϑε|οῦ ἀπέδωκα … 52 Für Befragung der Götter (ἐρωτᾶν) s. o. S. 87 und Anm. 21. 53 Für die Gleichung ἐρωτᾶν = ἐπιζητεῖν vgl. H. W. Pleket, New Inscriptions from Lydia, Talanta 10– 11, 1978–9, 88, Nr. 13 und Kommentar auf S. 89; auch in I. Diakonoff, BABESCH 54, 1979, 151, Nr. 31; J. u. L. Robert, REG 94, 1981, 452 (Bull. épigr. 1981 n. 502). 54 Dazu TAM V 1 n. 251 {Beichtinschriften 60}: καὶ εἱλάσετο τὸν ϑε|ὸν καὶ ἀπὸ νῦν εὐδο|ξεῖ; TAM V 1 n. 317 {68}: καὶ ἱλάσαντο αὐτὴν … | καὶ νῦν … καὶ εὐλο|γοῦμεν; TAM V 1 n. 318 {69}: ἐξειλασάμενοι | τοὺς
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(Geneigtheit der Götter)55; so kam die Inschrift mit der mit der Versöhnung verbundenen Lobpreisung der Götter zu Ende. 10. Unterteil einer Stele aus weißem Marmor mit Einlaßzapfen, oben abgeschnitten; H. 85, B. 35, D. 6 cm; Buchstabenhöhe 1,7 cm; 1979 in Çalıbaşı köyü in der Umgebung von Kula aufgenommen, jetzt im Basmane-Museum İzmir (Inv.-Nr. 8792) (Abb. 10). {SEG XXXIV 1219} ––––––––––––– ου Μηνὶ Λαβάνᾳ καὶ Μη- … an Men Labanas und Men νὶ Πετραείτῃ ἐν Περεύ- Petraeites in Pereudos (-on). δῳ Ἀμμία Ζηνᾶ Ἀνκυρα- Ich, Ammia, Tochter des Zenas, aus Ankyra, 4 νὴ ὑπὲρ τῆς οἰκίας τῆς habe für das Haus, das ich ἠγόρασεν παρὰ Ἀμμίας von Ammia, der Tochter des Kallimachos, Καλλιμάχου ἔδωκα (δηνάρια) οβʹ, gekauft habe, 72 Denare gegeben, καϑὼς ἐπεσζήτησαν οἱ wie es die Götter verlangten. 8 ϑεοί, ἅτινα παρέλαβαν οἱ Diese haben die Funktionäre am Heiligtum εἱεροὶ Ἀπολλώνιος Ἀπολ- Apollonios, Sohn des Apollonios, λωνίου, Ἀντίοχος Ἀντιόχου, Antiochos, Sohn des Antiochos, Γλύκων Ποπλίου. und Glykon, Sohn des Poplios, entgegen genommen. Die Inschrift erweist sich nicht nur durch die Nennung des Ortsnamens Pereudos (-on) als wahrscheinlich zu unserer Serie hinzugehörig, sondern läßt auch in ihrer inhaltlichen Aussage eine gewisse Affinität zu einigen der oben publizierten Texte erkennen. Sie gewinnt ein Interesse auch dadurch, daß sie nicht summarisch die ϑεοὶ οἱ ἐν Περεύδῳ anführt, sondern – in dem uns erhaltenen Teil – zwei konkrete Gottheiten nennt, Men Labanas und Men Petraeites. Diese sonst auch einzeln bezeugten Götter treten nebeneinander in Erscheinung in einer schon länger bekannten Sühninschrift aus Kula mit nicht ganz sicherem Herkunftsort (TAM V 1 n. 231 {Beichtinschriften 35}) ϑεοὺς καὶ ἀπὸ νῦν εὐλογοῦ|μεν …; TAM V 1 n. 327 {73}: ἀποδεί|δι νῦν εἱλασάμε|νος καὶ εὐχαρισ|τῶν; TAM V 1 n. 328 {74}: ἀποδίδει Φῦβος, | ὑὸς αὐτῆς, νῦν εἱ|λασάμενος καὶ εὐ|χαριστῶν; TAM V 1 n. 440 {54}: ἡ ϑυγάτηρ αὐτοῦ | ἕλοισε τοὺς ὅρκους καὶ νῦν εἱλα|σαμένη εὐλογεῖ …; TAM V 1 n. 464 {34}: ἐστήσομεν τὴν στήλλην καὶ ἐνεγράψομ|εν τὰς δυνάμις τοῦ ϑεοῦ καὶ ἀπὸ νῦν εὐλ|ογοῦμεν; TAM V 1 n. 492 {44}: [καὶ ἀπέ]|δωκε καὶ ἀπὸ νῦν ε[ὐλογεῖ]; TAM V 1 n. 527 {80}: εἱλάσοντο τὸν ϑεὸν [καὶ ἀπὸ νῦν εὐλο]|γοῦσιν. 55 Hier sei aber auch auf Vermutungen von P. Herrmann und G. Petzl hingewiesen, wonach in μετα βαίνειν eine negative Bedeutung im Sinne einer Bestrafung enthalten sein könnte: sie „gingen auf sie los“ (P. Herrmann, mit Hinweis auf F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden II 81 s. v. μεταβαίνω 3), machten sie „besessen, verrückt“ (Petzl), worauf dann erst eine Heilung und dann die Lobpreisung erfolgt wäre. Das würde dann etwa dem Sinn der oben zu Nr. 7 an erster Stelle gegebenen Erklärung für συνεπέρχεσϑαι entsprechen.
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sowie in einem noch unveröffentlichten Dokument der gleichen Gattung im Museum von İzmir {hier S. 108}. Es hat den Anschein, daß man sie nicht mit einem bestimmten Ort verbinden kann. Vielleicht sind beide in die Gruppe der Θεοὶ Περευδηνοί aufgenommen worden so wie der oben in Nr. 7 erscheinende bisher unbekannte Men Ploneates. In der nur unvollständig erhaltenen Darstellung des Falles ist wiederum von einer Vermögenstransaktion, einem Hauskauf56, die Rede, den allem Anschein nach eine Frau aus Ankyra Sidera getätigt hatte. Diese Angabe ist nebenbei ein neuer Beleg für Beziehungen zu einem Ort nördlich des Simav Daği57. Wieder war daraus eine „Forderung“ von Seiten der Götter hervorgegangen, vielleicht auf der Grundlage, wie sie bei der Inschrift Nr. 2 erwogen worden ist. Auf jeden Fall ist auch hier zu erkennen, daß die vermutlich zu einem bzw. dem Heiligtum gehörigen ἱεροί die Empfänger der Zahlung von 72 Denaren waren58. 11. Giebelstele aus weißem Marmor mit Akroteren und Einlaßzapfen; über der Inschrift Darstellung eines Halbmonds; H. 75, B. 30, D. 6 cm; aufgenommen 1979 in Çalıbaşı köyü, Verbleib unbekannt (Abb. 11). {SEG XXXIV 1220} 4
Μεγάλου Θεοῖς Περευδηνοῖς Ἀρι- οις εὐξάμενος καὶ εἰσακουσϑεὶς εὐχαρισ̣στῶ.
… (?) den Theoi Pereudenoi (errichtet) Ariois (?), nachdem er ein Gelübde dargebracht hat und erhört worden ist, in Dankbarkeit (diese Stele).
Die schlichte Weihung, die zum Dank für „Erhörung“59 den Theoi Pereudenoi errichtet worden ist, stellt uns vor zwei kleine Probleme: Unklar bleibt zunächst der Genetiv μεγάλου an der Spitze des vollständig erhaltenen Textes. Man könnte annehmen, daß
56 Bemerkenswert ist die Verwendung des Artikels als Relativpronomen, hier noch zusätzlich mit Kasus-Attraktion: τῆς οἰκίας τῆς ἠγόρασεν. Vgl. dazu K. Dieterich, Untersuchungen zur Geschichte der griechischen Sprache von der hellenistischen Zeit bis zum 10. Jhdt. n. Chr., 1898 (Nachdr. 1970), 194; E. Mayser, Grammatik der griechischen Papyri aus der Ptolemäerzeit II 1, 1926, 58 ff.; F. T. Gignac, A Grammar of the Greek Papyri of the Roman and Byzantine Periods II, 1981, 179. 57 Man vgl. die von H. Malay, EpigrAnat 1, 1983, 25 veröffentlichte Stele von Yiğitler bei Demirci, auf der ὁ περὶ Ἄγκυραν δῆμος kombiniert mit drei anderen Demen dieser Region erscheint. 58 Unter den bisherigen Belegen für ἱεροί in Nordostlydien (TAM V 1 n. 182; 681) verdient vor allem ein längerer Text aus dem Gebiet von Kollyda/Gölde Interesse, wo in einer testamentarischen Stiftung vorgesehen zu sein scheint, daß im Falle der Nicht-Erfüllung entsprechende Anteile oder Beträge an die ἱεροὶ τοῦ ἱεροῦ gehen (ib. 423, 22). – Zur Stellung und Funktion der ἱεροί sei verwiesen auf die Ausführungen bei J. u. L. Robert, Hellenica VI, 1948, 49 f.; H. W. Pleket, Talanta 2, 1970, 77 f.; K.-W. Welwei, AncSoc 10, 1979, 101 ff.; P. Debord, Aspects sociaux … (vgl. Anm. 15) 78 ff. 59 Man vgl. neben dem geläufigen Epitheton ἐπήκοος die Verwendung des Verbums ἐπακούειν in einer Inschrift aus Hyrkanis: J. u. L. Robert, Hellenica VI, 1948, 24 n. 4. Zu unserem Text bildet die Weihung der Tatiane aus Ayazviran TAM V 1 n. 453 die engste Parallele: εὐξαμένη … καὶ ἀκουσϑεῖσα.
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es einfach eine Verschreibung für μεγάλοις ist. Eine andere Vermutung hat G. Petzl geäußert: Er hält es für möglich, daß das Wort ein durch die Mondsichel sozusagen bildlich wiedergegebenes Μηνός ergänzen sollte60 – wobei freilich immer noch der Kasus eine | Schwierigkeit behielte. Zum anderen bietet die Form Ἀριοις ein Problem. Dem Aufbau des Textes nach muß man in ihr eigentlich den Namen des Dedikanten vermuten, der sonst fehlen würde. Nun haben wir zwar neuerdings auch in Lydien einige Beispiele der um Ἀριης, Ἀριων zu gruppierenden Eigennamensippe kennengelernt61‚ aber eine Nominativform Ἀριοις ist darunter kaum unterzubringen. Soll man noch eine zweite Verschreibung im Text annehmen und dann den Namen Ἀριος voraussetzen (mit einem durch die vorhergehende Endung -οις veranlaßten Schreibfehler)? Es scheint jedenfalls kaum möglich, in der Form noch ein zu den Theoi Pereudenoi gehöriges Epitheton zu sehen. Die Texte Nr. 10 und 11 sollen aus einem Dorf namens Çalıbaşı köyü stammen. Wie G. Petzl in Erfahrung bringen konnte, ist das der Name des niedriger gelegenen Teiles des Ortes Topuzdamı oder Topuzdamları, der südwestlich von Saittai am nördlichen Abhang des „Mons Toma“ mit seinem Heiligtum der Meter (oder Kybele) gelegen ist (TAM V 1 p. 57). In seiner Nähe konnte Th. Drew-Bear eine Ermoddi genannte Siedlung von Mysern lokalisieren62. Es ist zu hoffen, daß weitere Forschungen an Ort und Stelle zu einer Klärung der topographischen Fragen führen können.
60 Petzl kann dafür eine noch unveröffentlichte längere Sühninschrift eines Theodoros {Beichtinschriften 5} anführen, in der eine Formulierung ὑπὸ τοῦ Διὸς κὲ τοῦ μεγάλου Ἀρτεμιδώρου erscheint, wobei auf der Stele in bzw. oberhalb einer Lücke zwischen den Wörtern τοῦ und μεγάλου ebenfalls eine Mondsichel eingegraben ist. Petzl hält es für möglich, daß damit auch das Wort Μηνός ersetzt werden sollte. 61 Ἀριοῦς TAM V 1 n. 538; Μαρκία Ἀρίου oben in Nr. 8; Διὶ Ἀριου TAM V 1 n. 535 und ZPE 44, 1981, 18 Anm. 30. Zur Namensgruppe L. Robert, BCH 101, 1977, 99 Anm. 51. 62 Vgl. Ch. Naour, ZPE 44, 1981, 17 mit Anm. 28.
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8 S ühn- und Grabinschriften aus der Katakekaumene im Archäologischen Museum von İzmir Im Vorwort des der Landschaft Nordostlydien gewidmeten Bandes V 1 der Tituli Asiae Minoris, den ich 1981 unter Verwendung der Ausarbeitungen Josef Keils herausgegeben habe, hatte ich auf die laufende Vermehrung des Materials aus diesem Raum hinzuweisen und habe für eine nicht allzu ferne Zukunft einen Faszikel mit Addenda in Aussicht gestellt (p. VIII). In der Zwischenzeit haben sich Umstände ergeben, die mich veranlassen, | das Vorhaben zu überdenken, auf jeden Fall aber hinauszuschieben. Das liegt zum einen an dem alle Erwartungen übertreffenden ständigen Materialzuwachs: In viele türkische Museen, nicht nur solche der engeren Region, sind Steine aus diesem Raum – durch ihren besonderen Charakter glücklicherweise recht gut kenntlich – verbracht worden, eine große Zahl konnte aber auch auf Erkundungsreisen im Lande aufgenommen werden. Wieviel darüber hinaus im Antikenhandel, der die Materialsuche natürlich auf seine Weise stimuliert, untergetaucht ist und damit der wissenschaftlichen Behandlung weitgehend entzogen wurde, kann nicht abgeschätzt werden. Aber allein von dem Vorhandenen und Erfaßten sind noch große Teile unpubliziert; genannt seien vor allem die reichen Bestände des Museums von Uşak, deren Veröffentlichung von Ender Varinlioğlu erwartet wird, sodann aber besonders das vielfältige Material, das der so früh der Wissenschaft entrissene Christian Naour und seitdem Thomas Drew-Bear auf ihren Reisen gewonnen haben. Trotz des dankenswerten Bemühens um eine stetige Publikation (s. Anm. 4) ist der Reichtum des Materials noch keineswegs erschlossen, und ebenso wenig ist vorderhand ein Versiegen des Stromes an Neufunden abzusehen. Zu überdenken sind aber auch Fragen der historischen Geographie, auch dieses auf Grund von Aufschlüssen und Anstößen, die das neue Material seit dem Erscheinen von TAM V 1 gebracht hat. Ich meine damit die überraschende Entdeckung, daß zumindest Teile von „Nordostlydien“ – auf jeden Fall in späthellenistischer Zeit – politisch zur Stammesorganisation der Μυσοὶ Ἀββαεῖται gehört haben1. Damit hat im Rahmen eines schon in der Antike herausgestellten Mischcharakters dieses Gebietes bzw. seiner Bevölkerung2 das mysisch-phrygische Element eine stärkere Gewichtung erhalten: Besonders Christian Naour hat in seinen letzten Beiträgen immer wieder AnzWien, 122. Jahrgang 1985, 248–261 mit 4 Abbildungen. 1 Noch unveröffentlichtes Dekret der Μυσοὶ Ἀβαῖται aus Silandos, erwähnt von Thomas Drew-Bear, La géographie administrative et politique d’Alexandre à Mahomet (Actes du Colloque de Strasbourg, 14–16 juin 1979), 119 Anm. 109 und Christian Naour, ZPE 44 (1981) 12 Anm. 5 {SEG LIII 1357}. Dekret der ἐν Γόρδῳ Μυσοὶ Ἀββαεῖται: Hasan Malay – Georg Petzl, EpigrAnat 3 (1984) 157 {SEG XXXIV 1198}; dazu die wichtigen Bemerkungen von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1984 n. 384. 2 Vgl. dazu die Testimonia TAM V 1 p. 79 sowie Malay – Petzl a. a. O. 160 und J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1984 n. 385.
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kulturelle Beziehungen nach Phrygien hin herausgearbeitet, und er wie auch Thomas Drew-Bear bezeichnen seitdem das ganze Gebiet des mittleren Hermostales und der Katakekaumene konsequent als die südliche Abbaitis, | sprechen ihm also die bisher vorausgesetzte Zugehörigkeit zu Lydien im eigentlichen Sinne ab. Gerade auch von hier ergibt sich die Notwendigkeit zum Abwarten und zu einer weiteren Klärung, bevor Entscheidungen im Hinblick auf eine eventuelle Ergänzung von TAM V 1 getroffen werden können3. Was aber keinen Aufschub erleben sollte, ist die vorläufige Materialvorlage, die glücklicherweise auch von vielen Interessierten vorangetrieben wird4. In diesem 3 Grundlegend die Feststellungen von Christian Naour, ZPE 44 (1981) 11–16. Dazu meine provisorischen Bemerkungen EpigrAnat 3 (1984) 1 Anm. 1 {hier S. 81}. 4 Angesichts der Aufsplitterung in zahlreiche Einzelaufsätze kann die folgende Bibliographie vielleicht von Nutzen sein: Elmar Schwertheim, Ein neues Weihrelief für Men und seine Mutter aus Lydien im Museum von Izmit, IstMitt 25 (1975) 357–365. Elsa Gibson, The Rahmi Koç Collection III. Grave Monuments from Northeast Lydia, ZPE 31 (1978) 237–240 n. 1–2 = SEG XXVIII 934–935. Henri W. Pleket, New Inscriptions from Lydia, Talanta 10–11 (1978/79) 88 n. 13 (Kula) = SEG XXIX 1174. Serap Bakır-Barthel / Helmut Müller, Inschriften aus der Umgebung von Saittai II, ZPE 36 (1979) 163– 194 n. 25–50 = SEG XXIX 1178–1203. (Die Nummern 1–24, veröffentlicht von Georg Petzl als Teil I des Beitrags ZPE 30 [1978] 249–276, konnten noch in TAM V 1 eingearbeitet werden.) Christian Naour, Inscriptions du Moyen Hermos, ZPE 44 (1981) 11–44 n. 1–25 = SEG XXXI 988–991. 1003–1019. 1048–1051. Hasan Malay / Yusuf Gül, New Inscriptions from Saittai, ZPE 44 (1981) 81–90 n. 1–22 (Museum İzmir) = SEG XXXI 1020–1043. F. T. van Straten, in H. S. Versnel (Hrsg.), Faith, Hope and Worship, Leiden 1981, 138 n. 47, 2 = SEG XXXI 999. Tom van Bochove / Ignace H. M. Hendriks, Eine neue Grabinschrift aus Lydien, ZPE 46 (1982) 185–187 = SEG XXXII 1235. Hasan Malay, Funerary Inscriptions from Northeast Lydia, ZPE 47 (1982) 112–118 n. 1–13 (Museum Bergama) = SEG XXXII 1222–1234. Mustafa Hamdi Sayar, Six Inscriptions from Lydia in the İstanbul Museum, ZPE 49 (1982) 191–193 n. 1–6 = SEG XXXII 1213–1218. Hasan Malay, New Inscriptions from Western Anatolia II, ZPE 49 (1982) 194–195 n. 1–4 (Museum İzmir und Manisa) = SEG XXXII 1212. 1221. Christian Naour, Nouvelles Inscriptions du Moyen Hermos, EpigrAnat 2 (1983) 107–141 n. 1–25 {SEG XXXIII 1001–1003. 1005. 1007. 1009–1011. 1014–1024. 1027–1032}. Louis Robert, Zeus des Chènes Jumeaux, BCH 107 (1983) 515–523 (2 Inschriften in Beirut) {SEG XXXIII 1012–1013}. Peter Herrmann / Ender Varinlioğlu, Theoi Pereudenoi. Eine Gruppe von Weihungen und Sühninschriften aus der Katakekaumene, EpigrAnat 3 (1984) 1–18 n. 1–11 (z. T. Museum Uşak) {hier S. 81–102}. Christian Naour, Documents du Moyen Hermos, Travaux et Recherches en Turquie II (1984) 21–78 n. 1–25 {SEG XXXIV 1199–1201. 1204–1209. 1221–1236}. Christian Naour, Nouveaux Documents du Moyen Hermos, EpigrAnat 5 (1985) 37–76 n. 1–25 {SEG XXXV 1153. 1167. 1161–1162. 1238–1250. 1257–1264}.
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Sinne ist auch der folgende Beitrag | zu verstehen, mit dem zugleich eine ältere Schuld abgetragen werden soll. Im Archäologischen Museum von İzmir befindet sich seit 1973 eine offensichtlich gemeinsam erworbene Gruppe von vier Inschriften, deren Herkunft aus dem oben genannten Raum, der Katakekaumene bzw. dem Gebiet des mittleren Hermos, sicher ist. Ich habe die Steine 1977 mit freundlicher Genehmigung durch den damaligen Direktor, Herrn Hasan Uçankuş, aufnehmen können und möchte hier endlich die mir von ihm zugestandene Publikation vornehmen. Zwei der Inschriften verdienen wegen ihrer Zugehörigkeit zu der bekannten Kategorie der Sühninschriften5 ein besonderes Interesse.
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1. Inv.-Nr. 1973-1-3. Stele aus weißem Marmor, oben mit einfachem Kyma versehen, unten Einlaßzapfen erhalten. Über der Inschrift nach oben geöffneter Halbmond. Höhe 73 cm, Breite 42 cm, Dicke 6,5 cm; Buchstabenhöhe 1,5–1,7 cm (Abb. 1). {Petzl, Beichtinschriften 36} Μηνὶ Λαβανα· ἡ Ελπὶς κατευτελίσασα Μῆνα Λαβανα ἀκατάλουστος 4 οὖσα ἐπὶ τὸ βῆμά του ἀ νέβη καὶ ἠρεύνησεν τὸ βῆμα καὶ τὰς τάβλας αὐ τοῦ· ἐπιζητήσαντος τοῦ 8 ϑεοῦ οἱ κληρονόμοι εὐ λογοῦντες ἀπέδωκαν. Ἔτους σοϛʹ, μη(νὸς) Περειτίου. Καὶ Μηνεὶ Ἀξειτηνῷ 12 ΚΑΤΑΙΜΟΛΥΝΕΜΟΥ τὸ βῆμα εὐλο‹γ›οῦτες ἀποδείδο μεν.
276 sull. Ära = 191/2 n. Chr.
Die Zeilen 11–14 sind in einer sehr viel flüchtigeren Schrift nachgetragen. Z. 12: Es ist klar, daß eine Form des Verbums καταμολύνω gemeint ist (s. Anm. 9; den entscheidenden Hinweis auf das Wort verdanke ich Th. Drew-Bear). Denkbar wäre καταμολυν‹ο›μ‹έν›ου (mit einem intendierten Genetivus absolutus?) oder καταμολυν‹ο›μ‹ένῳ› bzw. eventuell auch κατα‹με›μολυ‹μ›έ‹ν›ου oder -ῳ. Die einfachste Lesung als κατεμόλυνέ μου (αι = ε) gibt syntaktisch keinen Sinn. Nicht auszuschließen ist, daß βῆμα Objekt zu ἀποδείδομεν sein soll.
5 Grundlegend bleibt noch immer das Buch mit der Materialsammlung von Franz Steinleitner, Die Beicht im Zusammenhange mit der sakralen Rechtspflege in der Antike (Leipzig 1913). Eine neuere zusammenfassende Bearbeitung steht noch aus. Bibliographien zu dem stark vermehrten Material findet man bei E. Varinlioğlu, EpigrAnat 1 (1983) 83 Anm. 38 und Peter Frisch, EpigrAnat 2 (1983) 41 Anm. 1.
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Z. 13: Statt Γ scheint ein eckiges Sigma geschrieben zu sein. Der Ausfall des Ny in der Partizipialform ist ein verbreitetes Phänomen6.
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Der Empfänger dieser Stele mit Sühninschrift ist der in der Katakekaumene schon durch mehrere Inschriften bekannte Men Labana(s), der in der Regel mit anderen Gottheiten verbunden erscheint – besonders wie auch in der folgenden Inschrift mit Men Petraeites –, bei dem wir aber weder zu einer Lokalisierung noch zu einer Erklärung des Namens in der Lage sind7. Auch in unserem Falle wird ja durch die nachgetragene Notiz eine Kombination mit Men Axiottenos (in der Namensvariante Ἀξειτηνός) hergestellt, wobei darauf hingewiesen werden kann, daß ein noch unpublizierter Text aus Uşak die Verbindung Men Petraeites Axetenos aufweist, in einem uns auch sonst greifbaren Synkretismus der Götterbeinamen8. Das in komprimierter Form mitgeteilte Vergehen einer gewissen Elpis ist, wie so häufig in dieser Textgattung, hier eindeutig religiös-kultischer Art: Beleidigung oder Verächtlichmachung der Gottheit dadurch, daß die Frau ἀκατάλουστος οὖσα das βῆμα des Gottes bestieg und dieses und (darauf befindliche?) τάβλαι „untersuchte“. Die für das Vergehen allgemein gebrauchten Ausdrücke, κατευτελίζω und (κατα) μολύνω, sind interessanterweise schon in | anderen Inschriften derselben Gattung aufgetaucht9, das Wort ἀκατάλουστος läßt sich immerhin mit einer Anzahl weiterer Texte kombinieren, wonach es sich um eine – hier unterlassene – Prozedur ritueller Reinigung zu handeln scheint10. Neu und sachlich auch nicht eindeutig erklärbar sind das βῆμα des Gottes11 und die τάβλαι: Man kann geneigt sein, bei dem βῆμα an ein im 6 Hierzu genüge der Hinweis auf Adolf Wilhelm, Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts, Pragm. Akad. Athen 17,1 (1951) 69 (Kl. Schr. I 3, 463) und Jeanne und Louis Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I (Paris 1983) 135 mit Anm. 22. 7 Belege: TAM V 1 n. 231 {Beichtinschriften 35} (mit Men Petraeites, in der Ταζηνῶν κατοικία), 461 {40} (mit Meter Tazene und Mis Artemidoru als Herren über die Δόρου Κώμη); EpigrAnat 3 (1984) 15 n. 10 {hier S. 96} (mit Men Petraeites ἐν Περεύδῳ); dazu noch unveröffentlichte Inschriften im Museum von Uşak. Zur Frage des Namens vgl. die Hinweise zu TAM V 1 n. 461. 8 Zu den verwirrenden Varianten in der Benennung gerade des Men Axiottenos vgl. Peter Herrmann, in Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens. Festschrift F. K. Dörner (Leiden 1978) 422 f. {hier S. 78 f.} 9 Für κατευτελίζω vgl. man Georg Petzl, ZPE 30 (1978) 253 bzw. 255 Anm. 36 (TAM V 1 n. 179 b 11 f. {Beichtinschriften 10}: μή τίς ποτε κατευτελήσι καὶ κόψει δρῦν). Literarische Belege für das Wort (das bei Plut. Mor. 1097 C mit der Wendung ὑπὸ πόδας τίϑεσϑαι kombiniert wird) finden sich vor allem in der patristischen Literatur (u. a. vom Verhalten der Pharisäer): s. G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon (Oxford 1961) 731. – Zu καταμολύνω ist auf die Wendung μεμολυμένος εἶ in einer Sühninschrift aus Bulladan (?) zu verweisen: H. W. Pleket, Talanta 10–11 (1978/79) 90 n. 14 {Beichtinschriften 98}. Auch hier gibt wieder die patristische Literatur zahlreiche Belege: Lampe 712. 10 Die Belege für das Wort καταλούειν einschließlich des Kultvereins der καταλουστικοί und die Erklärungsversuche der Neueren sind verzeichnet zu TAM V 1 n. 326. 11 Zu dem auf das Neugriechische vorausweisenden possessiven Gebrauch des του vgl. Karl Dieterich, Untersuchungen zur Geschichte der griechischen Sprache von der hellenistischen Zeit bis zum 10. Jhdt. n. Chr. (Leipzig 1898) 192; Francis Thomas Gignac, A Grammar of the Greek Papyri of the Roman and Byzantine Periods II (Milano 1981) 165 f.
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Kultraum befindliches Podium zu denken12. Die τάβλαι (tabulae) waren vielleicht dort auf bewahrte Kultgeräte, etwa „Tabletts“ (für kultische | Mahlzeiten?), wofür das Wort gelegentlich Anwendung zu finden scheint13. Triebkraft der die Gottheit beleidigenden Handlung scheint ihre Neugier gewesen zu sein, und im Zusammenhang damit wäre vielleicht das ἀκατάλουστος οὖσα präziser im Sinne eines noch nicht vollzogenen Initiationsritus zu deuten. Aber hier ist vorderhand über Spekulationen nicht hinauszukommen. Die daraufhin einsetzende „Verfolgung“ durch die Gottheit wird hier ohne Details mit dem auch sonst stereotypen Begriff ἐπιζητεῖν angedeutet14, und es fällt auf, daß dann die zugleich mit dem εὐλογεῖν, der „Lobpreisung“15, erwähnte
12 Für βῆμα in Inschriften vgl. die Beispiele bei Louis Robert, Rev. Arch. 1933 II 138 (OMS III 1593). Die für dieses Wort u. a. in Anspruch genommene Bedeutung „Basis (einer Statue)“ (vgl. R. Mouterde, CRAI 1931, 143 mit Anm. 4; M. Launey zu Inscr. de Délos 2080) paßt hier nicht. Eine zu unserer Inschrift parallele Bedeutung könnte ein Passus aus einer Wunderheilung im stadtrömischen Askle pios-Heiligtum (IG XIV 966; Syll.3 1173; IGUR I 148) enthalten, wo einem Blinden aufgetragen wird: ἐλϑεῖν ἐπὶ τὸ ἱερὸν βῆμα καὶ προσκυνῆσαι … καὶ ϑεῖναι τοὺς πέντε δακτύλους ἐπάνω τοῦ βήματος … Aber hier sind die Interpreten unterschiedlicher Meinung: „Altar“ (vgl. P. Roussel, Cultes égyptiens à Délos [Paris–Nancy 1915/16] 164 mit Verweis auf Otto Weinreich), „Estrade“ (E. Maass, Die Tagesgötter in Rom und in den Provinzen [Berlin 1902] 165 Anm. 33; vgl. auch P. Perdrizet, BCH 38 [1914] 99) oder doch „Basis“ (E. J. und L. Edelstein, Asclepius I [Baltimore 1945] 250 n. 438). Wenn epigraphischer und archäologischer Befund zutreffend kombiniert worden sind, ist im Gymnasium von Pergamon ein den Theoi Sebastoi, Hermes und Herakles geweihtes βῆμα (IGR IV 318) ein „bankartiges marmornes Podium“ (H. Schrader, AM 29 [1904] 167 n. 8) von 7 m Länge, 1,7 m Tiefe und 0,7 m Höhe, dessen Verwendungszweck freilich unbekannt bleibt (W. Dörpfeld ibid. 143; von Klaus Tuchelt, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien I, IstMitt Beih. 23 [1979] 32 als „Statuenpodest“ bezeichnet). 13 Für das in den Papyri wiederholt begegnende, aus dem Lateinischen übernommene Wort τάβλα vgl. Bernhard Meinersmann, Die lateinischen Wörter und Namen in den griechischen Papyri (Leipzig 1927) 60; Sergio Daris, Aegyptus 40 (1960) 289. Bei Friedrich Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden II (Berlin 1927) 572 sind freilich nur Belege im Sinne von „Brett, Tafel“ (meist als Schriftträger) verzeichnet. Aber die Ableitung ταβλίον kommt vor in der Bedeutung „Tragbrettchen, insbesondere zum Auftragen von Speisen“: z. B. P. Lond. 964, 10 (Vorbereitungen zu einem Hochzeitsmahl), wo neben Kränzen und einem Stamnos ταβλία genannt werden (man vgl. auch P. Osl. 46, 19 mit dem Kommentar). Von Interesse im Hinblick auf unseren Text ist auch BGU 338, 8, vielleicht die Geräteliste eines Tempels, wo nach einer Serie bronzener Leuchter die Eintragung folgt τάβλα γʹ Σαράπι (τάβλα könnte Singular sein, da auch vorher immer λύχνον steht trotz nachfolgender Zahlenangaben). – Für weniger wahrscheinlich halte ich die Annahme, daß es sich bei den τάβλαι um beschriebene Tafeln oder Täfelchen in irgendeiner Form handelt, etwa Votiv- oder Fluchtafeln, wofür man wohl andere Ausdrücke zur Verfügung gehabt hätte (z. B. πιττάκιον: TAM V 1 n. 251, 6). 14 S. dazu H. W. Pleket, Talanta 10/11 (1978/79) 89; P. Herrmann, EpigrAnat 3 (1984) 3 mit Anm. 5 {hier S. 83}. 15 Vgl. Louis Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I (Paris 1964) 28 f.; CRAI 1978, 249 Anm. 47; H. W. Pleket, in H. S. Versnel (Hrsg.), Faith, Hope and Worship (Studies in Greek and Roman Religion Vol. 2) (Leiden 1981) 183–189.
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„Wiedergutmachung“16, konkretisiert zumindest in der Errichtung dieser Stele und damit öffentlichem Schuldbekenntnis, durch die Erben (κληρονόμοι) vorgenommen wurde. Das legt die Vermutung nahe, daß Elpis inzwischen zu Tode gekommen war und daß eben dies als Wirkung der Verfolgung durch die Gottheit angesehen wurde. Die in den Sühninschriften nicht ganz seltenen Fälle dieser Art werden gleich bei der folgenden Inschrift noch zu erörtern sein. 255
2. Inv.-Nr. 1973-1-1. Stele aus weißem Marmor mit Giebel und Akroteren (im Giebel eine runde Scheibe) sowie Einlaßzapfen. Höhe 109 cm, Breite 48 cm, Dicke 6 cm; Buchstabenhöhe 1,5 cm. Unter dem Giebel und über der Inschrift in vertieftem Feld Reliefdarstellung von drei frontal zum Beschauer stehenden Personen, zwei Männern (von denen der eine bärtig dargestellt ist) und einem zwischen ihnen stehenden Kind (Mädchen), die alle die rechte Hand in dem in den Weihreliefs der Katakekaumene verbreiteten Gebetsgestus erheben17 (Abb. 2). {Petzl, Beichtinschriften 37} Μέγας Μεὶς Λαβανας καὶ Μεὶς Πετραείτης. Ἐπὶ (= ἐπεὶ) Ἀπολλώνιος οἰκῶν ἐ‹ν› οἰκίᾳ τοῦ ϑεοῦ παραν 4 γελλομένῳ αὐτῷ ὑπὸ τοῦ ϑε οῦ – ἐπὶ (= ἐπεὶ) ἠπίϑησεν – ἀπετελέ σετο αὐτοῦ Εἰούλιον τὸν υἱὸν καὶ Μαρκίαν τὴν ἔκγονον αὐτοῦ 8 καὶ ἐστηλογράφησεν τὰς δυνά μις τῶν ϑεῶν καὶ ἀπὸ νῦν {ΣΥ} εὐλογῶ. Ζ. 3: Auf dem Stein steht deutlich EΛIOIKIA mit offenkundiger Verschreibung von N zu ΛI. Es bleibt unklar, ob ἐν οἰκίᾳ oder (weniger wahrscheinlich) ἐνοίκια gemeint war. Z. 8: Am Ende war wohl das ΣΥ versehentlich geschrieben worden, in Verwechslung mit dem εὐ- des folgenden εὐλογῶ.
Der Text der Stele beginnt mit der in diesen Dokumenten nicht ganz seltenen Lobpreisungsformel mit μέγας18, wobei hier als Gottheiten nun Meis (= Men) Labanas und Meis Petraeites, wie auch in anderen Fällen (s. Anm. 7), miteinander verbunden erscheinen. Die Darstellung des Falles des Apollonios läßt syntaktische Schwierigkeiten des
16 Man beachte das Nebeneinander von ἀπέδωκαν Z. 9 und ἀποδείδομεν Z. 13 im Nachtrag. Die zweite Form dürfte in das in diesen Texten verbreitete Konjugationsschema ἀποδ(ε)ίδω, -εις etc. gehören: dazu EpigrAnat 3 (1984) 3 Anm. 10 {hier S. 84}. 17 Vgl. dazu E. Varinlioğlu, EpigrAnat 3 (1984) 10 Anm. 34. 18 Zum Akklamationscharakter von μέγας und seiner Verbreitung zuletzt H. W. Pleket, Faith, Hope and Worship (s. Anm. 15) 179 f.; Louis Robert, CRAI 1982, 56 mit der Bibliographie in Anm. 21.
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Verfassers erkennen: Zu dem in solchen Texten häufigen Phänomen des wiederholten Subjekts- und auch Personwechsels19 (ἠπίϑησεν von Apollonios, ἀπετελέσετο vom Gott, ἐστηλογράφησεν und danach εὐλογῶ wieder von Apollonios gesagt) kommt hier noch hinzu, daß die Unterordnung unter die | Hauptkonstruktion ἐπεὶ ἠπίϑησεν (mit Wiederholung des ἐπεί und graphischer Heraushebung dieses Satzgliedes) nicht gelungen ist, indem zwischen die Aussagen οἰκῶν und ἠπίϑησεν die als Voraussetzung wichtige Angabe über den dem Apollonios erteilten „Befehl“ des Gottes20 in einer ungeschickten Konstruktion, die wie ein absoluter Dativ wirkt, eingeschoben und überdies der Inhalt dieser Aufforderung ganz weggefallen ist: Man denkt am ehesten an Räumung des dem Gott gehörigen Hauses, eventuell auch an die Erfüllung von mit dem Wohnrecht zusammenhängenden Pflichten gegenüber dem Gott bzw. Heiligtum. Der Ungehorsam21 des Apollonios hat jedenfalls die Bestrafung herbeigeführt, die nicht ihn selbst, sondern Sohn und Enkelin (mit römischen Namen!) betraf. Ein wesentliches Verständnisproblem liegt nun in dem hier verwendeten Ausdruck ἀπετελέσετο (statt ἀπετελέσατο22). Dazu liefert ein schon länger bekannter paralleler Text, TAM V 1 n. 326 {Beichtinschriften 72}, zwar ein willkommenes Vergleichsstück, verdeutlicht aber zugleich durch die Spannweite der bisherigen Erklärungsversuche die Schwierigkeit für unser Verständnis. Dort wurde auch wieder von einem Apollonios der Meter Anaeitis eine Stele errichtet (i. J. 162/3) „für“ (ὑπέρ) seinen Bruder Dionysios. Das Vergehen und die nachfolgende Strafe werden in diesem Falle folgendermaßen beschrieben: ἐπὶ (= ἐπεὶ) κατελούσετο καὶ οὐκ ἐτήρησε τὴν προϑεσμίαν τῆς ϑεοῦ, ἀπετελέσετο αὐτόν. Unter den im Kommentar des Corpus-Bandes angeführten Deutungsvorschlägen sei besonders auf den von Josef Zingerle vorgetragenen hingewiesen (ÖJh 23 [1926] Beibl. 27): Nachdem er zunächst das Vergehen als „sakramentale Begehung“ (nach Art eines Reinigungsritus) unter „Außerachtlassung eines heiligen Termins“ erklärt hat, deutet er dann unsere Wendung folgendermaßen (wobei er ἀπετελέσετο αὑτόν las und als Subjekt den die Stele errichtenden Bruder annahm): „Dionysios (Versehen für Apollonios!) weiht sich also für seinen sündigen Bruder der Gottheit, gibt sich ihr mit seiner eigenen Person als Unterpfand … Das ist nichts anderes als die ἐγγύη des profanen Rechtes auf das | sakrale übertragen …“23 Ohne es vom Wortgebrauch von ἀποτελέω mit einer Parallele belegen zu können, 19 Man vgl. etwa die ähnlichen Phänomene in TAM V 1 n. 460. Zum Sprachstil s. auch Louis Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I 31. 20 Zu παραγγέλλω als Terminus für den militärischen Befehl vgl. J. u. L. Robert, JSav 1976, 227; Bull. épigr. 1981 n. 241. – Man kann sich fragen, wie die Mitteilung des göttlichen Befehls erfolgte: durch einen Priester oder durch einen Traum, wobei für letzteres wohl auch das Medium eines ἄγγελος in Betracht kommt: vgl. TAM V 1 n. 159, 8. 21 Für ἀπ(ε)ιϑέω in diesen Texten vgl. die weiter unten zitierte Inschrift TAM V 1 n. 464 sowie ἀ]πιϑίας in 269, 1. 22 Zum Wechsel des Themavokals vgl. die Hinweise EpigrAnat 3 (1984) 3 Anm. 9 {hier S. 84}. 23 Dieser Aspekt gehört in den Zusammenhang von Zingerles These von der wichtigen Rolle der „sakralen Rechtspflege“, die in den Sühninschriften erkennbar werde: s. dazu unten Anm. 29.
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glaube ich gerade unter Inanspruchnahme des neuen Textes (der immerhin klarstellt, daß das Subjekt von ἀπετελέσετο die Gottheit ist), daß etwas ganz anderes, wenn man so will, Einfacheres gemeint ist: Dionysios ist umgekommen, die Göttin hat ihn „zu seinem Ende gebracht“24, und der Bruder hat „für ihn“ die Stele errichtet, um ein Weiterwirken des göttlichen Zornes zu verhindern25. In gleichem Sinne würde ich dann unseren neuen Text verstehen: Zur Strafe für das Vergehen des Apollonios brachte der Gott seinen Sohn Iulius und seine Enkelin Marcia zu Tode. Dabei könnte die komplizierte Geschichte des Hermogenes (TAM V 1 n. 464 {Beichtinschriften 34}) als Parallele und Verständnishilfe dienen: Nach einem in Unkenntnis (ἀγνοήσας) geleisteten falschen Eid strafte der Gott ihn zunächst dadurch, daß er ihm ein Rind und einen Esel tötete. Aber damit nicht genug: ἀπιϑοῦντος δὲ τοῦ Ἑρμογένου ἀπέκτινεν αὐτοῦ τὴν ϑυγατέραν. Insgesamt sind ja die Fälle nicht ganz selten, wo die göttliche Strafe eben im Tod des Sünders oder aber eines nahen Angehörigen besteht26. Bei dieser hier vorgeschlagenen Interpretation muß man dann allerdings akzeptieren, daß die Reliefdarstellung unterschiedslos den überlebenden Apollonios und die beiden Verstorbenen nebeneinanderstellt. Die Reaktion des leidgeprüften Apollonios, die die Versöhnung der Gottheit herbeiführen sollte, wird dann wieder im konventionellen Formular zusammengefaßt: ἐστηλογράφησεν τὰς δυνάμ(ε)ις τῶν ϑεῶν, er verkündete die Macht der Gottheit durch die Errich|tung dieser Stele27, und er versicherte, sie von nun an (ἀπὸ νῦν ist häufig28) zu lobpreisen (εὐλογῶ: s. Anm. 15). Wie jeder Neufund dieser Art bringen also die hier mitgeteilten Exemplare sowohl eine Bereicherung der schon bekannten Aspekte dieser für die Geschichte religiöser Mentalität aufschlußreichen Quellengruppe wie auch neue und zum Teil noch nicht sicher erklärbare Einzelheiten. Nach der hoffentlich bald erfolgenden Veröffentlichung aller einschlägigen Texte – mir sind einschließlich der unedierten über 80 Exemplare bekannt, während Steinleitner (s. Anm. 5) erst über 21 verfügte – wird eine neue Durcharbeitung und Synthese des Materials sehr wünschenswert werden. Es
24 Die mediale Form ἀπετελέσετο könnte mit Zingerle a. a. O. 27 mit „vulgärem Wechsel des Verbalgenus“ erklärt werden (wie ἐκολάσετο neben ἐκόλασε). Wie schon angedeutet, ist freilich transitives ἀποτελέω in der Bedeutung „töten“ meines Wissens nirgends belegt. Aber τέλος „Lebensende“ für „Tod“ ist geläufig (s. die Lexika); erinnert sei z. B. auch an die Hesychglosse E 7599 ἔχει τέλος· τετελεύτηκε. 25 Die bisher bekannten Sühninschriften liefern mehrere Beispiele ähnlicher Art: z. B. TAM V 1 n. 317, 19 {Beichtinschriften 68} καὶ ἱλάσοντο αὐτὴν (die Göttin) τελευτήσαντος τοῦ Ἑρμογένου ἡ γυνὴ αὐτοῦ καὶ τὸ τέκνον καὶ Ἀπολλώνιος ὁ ἀδελφὸς τοῦ Ἑρμογένου. Man vgl. etwa auch 440 {54}, 492 {44}, vielleicht auch 510 {46}. 26 Außer den in Anm. 25 aufgezählten Fällen vgl. etwa auch TAM V 1 n. 231, 15 {Beichtinschriften 35} (διέφϑειρε), 318, 22 {69} (ἀπηλλάγη), 527, 8 {80} (τετελευτηκέναι). 27 Zu στηλογραφέω Karl Buresch, Aus Lydien (Leipzig 1898) 113 f.; H. W. Pleket, Faith, Hope and Worship (s. Anm. 15) 184. Zu δύναμις derselbe 178–183. 28 Dazu Louis Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I 28.
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gibt noch manche ungeklärte Fragen, über das generelle Thema „Schuld und Sühne“ hinaus, etwa zum Komplex der (hier nicht berührten) „sakralen Rechtspflege“29, überhaupt zur Rolle der Priesterschaft und der Situation der aus den Inschriften zu erschließenden vielen kleinen Lokalheiligtümer30. Schließlich sollte man auch der Frage des Personenkreises, von dem diese spezifischen Texte herrühren, einige Aufmerksamkeit widmen: Es gibt so viele auffällige Wiederholungen derselben Personennamen (die freilich vielfach Allerweltsnamen sind), daß man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren kann, hier trete auch eine besondere Aktivität einiger Familien zutage. Dafür können die Datierungen weiterhelfen, leider meistens nicht Erkenntnisse über die Herkunft bzw. den Aufstellungsort der Stelen, da gerade darüber immer seltener präzise Angaben zu gewinnen sind31. Angeschlossen werden hier noch zwei Grabsteine, die jedenfalls mit derselben „Lieferung“ in das Museum von İzmir gekommen sind. 3. Inv.-Nr. 1973-1-2. Stele aus weißem Marmor mit Giebel (darin eine runde Scheibe) und Akroteren (z. T. abgeschlagen) sowie Einlaßzapfen. Höhe 81 cm, Breite 38 cm, Dicke 6,5 cm; Buchstabenhöhe 2 cm. Oberhalb der Schrift vertieftes Feld mit Reliefdarstellung einer stehenden Frau in Vorderansicht (Abb. 3). {SEG XXXV 1159}
29 Grundlegend bleibt Josef Zingerles Aufsatz „Heiliges Recht“ bzw. „Maionische Tempelgerichtsbarkeit“, ÖJh 23 (1926) Beibl. 5–49, trotz später formulierter Einwände. Dazu zuletzt Ender Varinlioğlu, EpigrAnat 1 (1983) 84 f. 30 Zu wirtschaftlichen Aspekten z. B. P. Herrmann, EpigrAnat 3 (1984) 4 f. {hier S. 84 f.}. Auch in unserem Text Nr. 1 ist immerhin von einer dem Gott gehörenden οἰκία die Rede. 31 Ein Beispiel einer über Namen und Datierungen hinaus auch durch den gemeinsamen Fund- bzw. Aufstellungsort gegebenen Möglichkeit der Verknüpfung zweier Inschriften bieten zwei Stelen aus der aus dem Heiligtum der Theoi Pereudenoi stammenden Gruppe (EpigrAnat 3 [1984] 6 ff. n. 3+4 {hier S. 86 ff.}). Andererseits muß man gerade auch mit der Möglichkeit rechnen, daß ein Dedikant bewußt in verschiedenen Heiligtümern Stelen errichtete, wie das etwa die drei verschiedenen Weihungen des τοπιάρις (topiarius) Artemon bezeugen (TAM V 1 n. 53, 54 und 524). So wie hier die seltene Berufsbezeichnung können u. U. auch bestimmte Sprachformeln auf Identität der Stifter führen: man vergleiche etwa den Fall der fast identischen Formulierungen zweier Sühninschriften aus Kollyda-Gölde (TAM V 1 n. 327 und 328 {Beichtinschriften 73 und 74}), die Zingerle sogar zur Annahme der Identität der Steine geführt hatten. Ob die oben behandelten einzigen Belege der spezifischen Verwendung von ἀπετελέσετο durch zwei Apollonios genannte Personen auch eine solche Verknüpfung rechtfertigen, scheint mir freilich angesichts der Häufigkeit des Namens zweifelhaft. In künftige Überlegungen dieser Art wird man über die Weihungen hinaus auch das reiche Material der Grabsteine einbeziehen müssen. Gerade unter dem hiermit berührten „prosopographischen“ Aspekt möchte ich übrigens der von Thomas Drew-Bear formulierten Kritik an dem zu knappen Schema des Namensindex (Fehlen der Patronymika) in TAM V 1 (Studies pres. to Sterling Dow [Durham, North Carolina, 1984] 63 mit Anm. 12) eine gewisse Berechtigung nicht abstreiten: Identifizierungen sind auch so möglich (für ein Beispiel zwischen Grabsteinen s. unten Nr. 4), aber die Suche ist viel mühsamer.
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Ἔτους σβʹ, μη(νὸς) Δείου. Μᾶρκος καὶ Ἀμμιας Τατιαν τὴν ἑαυτῶν 4 ϑυγατέρα καὶ Μᾶρκος ὁ ἀδελφὸς ἐτείμη σαν.
202 sull. Ära = 117/8 n. Chr.
Die Namen aller in der Inschrift genannten Personen sind in der Katakekaumene sehr häufig belegt. 4. Inv.-Nr. 1973-1-4. Unterteil einer Stele aus weißem Marmor, oben gebrochen, mit Einlaßzapfen. Höhe 63 cm, Breite 51 cm, Dicke 7 cm; Buchstabenhöhe 2 cm. Über der Inschrift ist auf einem vorspringenden Sockel der Ansatz einer Reliefdarstellung (zwei Füße) erhalten (Abb. 4). {SEG XXXV 1160}
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Τρόφιμε ποϑητὲ ζητούμενε πᾶσι βροτοῖσι · μηδὲ γὰρ δέκα τέσσαρα ἔτη τελέσας τετε 4 λεύτηκα · Εὐπέλαστος ὁ πα τὴρ καὶ Φλαβία ἡ μήτηρ καὶ Ἀπολ λώνιος ὁ πάτρων καὶ Εὐπέλασ τος ὁ πάππος · ἐτείμησαν 8 μνείας χάριν · Ἔτους σϙϑʹ, μη(νὸς) Ἀπελ- λέου γʹ.
299 sull. Ära = 214/5 n. Chr.
Die durch Interpunktionen gegliederte Inschrift beginnt offensichtlich mit zwei Versen, ehe sie in Z. 4 mit der Nennung der Verwandtschaft in Prosa übergeht. Es sind zwei Hexameter intendiert, von denen der erste am Anfang Unregelmäßigkeiten enthält, der zweite darüber hinaus durch das (in die 1. Person hinüberwechselnde) τετελεύτηκα eine Silbe zu lang ist. Für den ersten Vers liefert uns interessanterweise eine schon bekannte Inschrift aus unserer Gegend eine sehr enge Parallele (TAM V 1 n. 300, aus Kula) {Merkelbach – Stauber, SGO I 04/21/02}: Χαῖρ’ Ἕρμιπε ποϑητὲ ζητούμενε πᾶσι βροτοῖσι· εἰκοστὸν γὰρ ἔτος μὴ πληρώσαντά σε Μοῖρα ἥρπασεν ὠκύμορον, ἀΐδιος ϑάνατος. Auch hier ist der erste Vers nicht gelungen. Es ist deutlich, daß offenkundig ein geläufiges Muster übernommen ist, bei dem allerdings die Einsetzung des Namens zu Schwierigkeiten führen konnte. Auch der zweite Vers baut jedenfalls in beiden Fällen auf einem gedanklichen Schema auf. Die auf den Toten in V. 1 angewandten Begriffe
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ποϑητός und ζητούμενος sind im Formular der Grabinschriften und -epigramme nicht unbekannt32. Von Interesse ist bei dieser Inschrift aber auch, daß wir sie auf Grund der in ihr angeführten Personen unmittelbar verbinden können mit einer 1977 von Georg Petzl in Ayazviran aufgenommenen Grabinschrift (ZPE 30 [1978] 275 n. 22 = TAM V 1 n. 473 c): Dort ist im Jahre 210/1 die verstorbene Priesterin Agrippina (Ἀγρεπεῖνα) geehrt worden durch ihren Mann Eupelastos, ebenfalls als Priester herausgehoben, die Söhne Apollonios und Eupelastos sowie die νύνφη Flavia (Φλαβία). In unserem nur vier Jahre später aufgesetzten Text tauchen dieselben vier Hinterbliebenen wieder auf, diesmal zur Ehrung des jung verstorbenen Eupelastos der dritten Generation, den Enkel des Priesters (auf dem neuen Stein fehlt der Titel) | und Sohn des Ehepaares Eupelastos und Flavia. Dabei klärt sich nachträglich die Bedeutung des Wortes νύνφη: gemeint war die Schwiegertochter33. Es spricht viel dafür, daß dasselbe Ehepaar Eupelastos und Flavia uns auch noch zwanzig Jahre später begegnet in einem ebenfalls in Ayaz viran abgeschriebenen Grabstein, den sie zusammen mit dem Gatten einer verstorbenen Frau errichtet haben (der Name ist nicht sicher entziffert), die sie als ϑρεπτή aufgezogen hatten (Petzl a. a. O. 274 n. 20 = TAM V 1 n. 475 a). Wenn es noch eines Beweises bedurfte, daß die hier bekannt gemachte Inschriftengruppe tatsächlich aus der Katakekaumene stammt, so wäre er durch die eben vorgenommenen Identifizierungen und den Anschluß an den schon bekannten Grabstein als erbracht anzusehen. Und noch eines machen die hier ermöglichten Kombinationen bewußt: Wie wichtig es ist, daß zur Erfassung des reichen Materials dieses Raumes neben der Aufnahme der Museumsbestände auch möglichst viel noch durch Reisen im Lande festgestellt wird, so daß für Fragen der Herkunft und damit für die noch wichtigen topographischen Forschungen auch weiterhin noch einigermaßen zuverlässige Anhaltspunkte gewonnen werden können.
32 Zu ποϑητός vgl. auch J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1952 n. 31. Georg Kaibel hatte RhM 34 (1879) 186 zur Verwendung des Wortes im Epigramm auf Hermippos bemerkt: ,,ποϑούμενε quod metro aptum erat patet cur scribere noluerit“. Über πόϑος und ποϑέω in Grabepigrammen jetzt auch Johannes Nollé, ZPE 60 (1985) 124. – Zu ζητούμενος vgl. schon Louis Robert, Collection Froehner I: Inscriptions grecques [Paris 1936] 110 f., mit Verweis auf das ebenfalls geläufige ἐπιζήτητος (vgl. auch Hellenica XIII 141; Bull. épigr. 1967 n. 638). 33 Zu dieser – geläufigen – Bedeutung vgl. Elsa Gibson, ZPE 28 (1978) 12; Christian Naour, Travaux et Recherches en Turquie II 33. Als eine andere mögliche Bedeutung ist für das Wort die Anwendung auf die Schwägerin nachgewiesen worden (s. Naour a. a. O. 25 mit den Literaturangaben in Anm. 5).
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Abb. 1
Inschriften aus Lydien
Abb. 2
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Abb. 3
Inschriften aus Lydien
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8 Sühn- und Grabinschriften aus der Katakekaumene
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9 Zwei Ortsnamen in Lydien: Agatheira und Tibbai 1 Agatheira Gelegentlich einer im Jahre 1946 unternommenen Reise in Lydien haben Jeanne und Louis Robert bei dem Besuch der durch Aristoteles Fontrier vor genau hundert Jahren festgelegten Ortslage von Hyrkanis (vgl. Hellenica VI 16–22) in dem Dorf Halitpaşa als ältestes epigraphisches Zeugnis eine aus attalidischer Zeit1 stammende Ehreninschrift für einen Seleukos, Sohn des Menekrates, aufnehmen können (ib. 22 n. 3). Ihr besonderes Interesse besteht darin, daß sie eine Ansiedlung von Makedonen bezeugt und einen sonst nicht bekannten Ortsnamen nennt, in der uns schon mehrfach belegten Konstruktion οἱ ἐκ … Μακεδόνες. Dabei entnahmen die französischen Wissenschaftler dem stark abgeriebenen Stein sowie dem Abklatsch (der auf den Tafeln X 2 und XIII 3 abgebildet ist) die Lesung οἱ ἐγ̣ Δ̣ εχϑειρων Μακ̣ ε̣ δ[ό]νες. Im Apparat geben sie an, daß sie bei dem schwer lesbaren Ortsnamen zwischen Δ und Α als Anfangsbuchstaben geschwankt hätten; die Endung -εχϑειρων schien ihnen aber sicher zu sein. In der angegebenen Form ist der Ortsname kürzlich auch von Ladislav Zgusta in seinen „Kleinasiatischen Ortsnamen“ (Heidelberg 1984, 159 § 255) registriert worden, mit der Bemerkung: „Der Name ist nicht notwendig makedonisch, da ein bestehender Ort kolonisiert und sein Name übernommen werden konnte.“ Bei einer im Jahre 1984 unternommenen Reise im nordwestlichen Lydien zur Vorbereitung des vor dem Abschluß stehenden 2. Faszikels des Bandes TAM V haben nun Dr. Hasan Malay und ich Gelegenheit gehabt, den nach wie vor in Halitpaşa vorhandenen Stein, der inzwischen allerdings oben verstümmelt ist, erneut zu untersuchen und besonders der Lesung des Ortsnamens unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei sind wir zu einer von den Erstherausgebern abweichenden Lesung gekommen, die uns auch durch mehrere Photos (vgl. hier Abb. 3) und einen Abklatsch so gut wie sicher bestätigt zu werden scheint: οἱ ἐξ̣ Ἀγα̣ϑείρων Μακ̣ εδ[ό]νες. Dabei ist von dem Ξ der obere waagerechte Strich ganz, der untere nur in der linken Hälfte zu erkennen. Die beiden Anfangsbuchstaben des Ortsnamens halten wir für sicher (Α mit gebrochenem Querstrich); der dritte Buchstabe könnte, wenn nicht ein Α, nur ein Λ gewesen sein, Χ ist nach den von uns festgestellten Resten auszuschließen. Sollte die bei der Revision gewonnene Namensform richtig gelesen sein, hätten wir also jetzt den Ortsnamen Agatheira anzusetzen. Die Wortbildung könnte in einen epichorischen Kontext gehören: Abgesehen von den bisher | schon bekannten auf EpigrAnat 7, 1986, 17–19 und 3 Abbildungen. 1 Das Jahr der nach einem König Eumenes gegebenen Datierung ist nicht erhalten. J. u. L. Robert haben das auf Eumenes II. bezogen und dabei die Friedensregelung von Apameia 188 v. Chr. als terminus post quem angenommen, da erst durch sie Hyrkanis unter attalidische Herrschaft gekommen sein dürfte.
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-teira endenden Namensformen (Thyateira, Apateira)2 liefert eine noch weitergehende Parallele der kürzlich im Kaystrostal bekannt gewordene Ortsname Kotheira3. Daß die in diesem Raum angesiedelten makedonischen Kolonisten einen Ortsnamen der Einheimischen übernahmen, wäre nicht ungewöhnlich. Wie sich die Ortslage zu der älteren Ansiedlung der Hyrkanier verhält, die der Ebene (Strabon XIII 4, 13 p. 629) und später der städtischen Siedlung ihren Namen gegeben hat, bleibt uns allerdings unbekannt.
2 Tibbai Der nördlich von Thyateira im Grenzgebiet gegen Mysien anzusetzende antike Ort Tibbe bzw. Tibbai ist zunächst aus epigraphischen Dokumenten gewonnen worden: In dem 1969 von mir gemeinsam mit K. Z. Polatkan veröffentlichten „Testament des Epikrates“ (SBWien 265,1, 1969, 7–36 n. 1) wird der Ort zweimal genannt anläßlich der Aufzählung der von Epikrates zum Zweck der Durchführung des seinem Sohn Diophantos gewidmeten Heroenkults gestifteten Grundstücke, und zwar bei der Nennung der jeweiligen Abgrenzungen: ὁδὸς ἀπὸ Τιββων φέρουσα ἐπὶ Δεσκυλείου (Z. 13) bzw. δυσμῆς Τιββη (Z. 19) bei der Nennung der γείτονες eines Grundstücks. Dieser Neufund ermöglichte es mir, eine schon länger bekannte Architrav-Inschrift mit dem (vermutlich einer weiblichen Gottheit als Beiname hinzugefügten) Ethnikon Τιββηνή (BCH 11, 1887, 477 n. 55; Abbildung „Testament des Epikrates“ Taf. VI 18) mit dem neuen Ortsnamen zu verbinden, zumal sich aus den Fundorten eine Kongruenz er gab: Die Lage von Tibbe bzw. Tibbai konnte vermutungsweise bei dem Dorf İlyaslar im oberen Kaikostal, unweit der Stadt Kırkağaç, angesetzt werden, wobei der Ort vermutlich als dörfliche Siedlung auf dem Territorium der Stadt Nakrason (oder Nakrasos) anzusehen ist („Testament des Epikrates“ p. 20 f.). Zu den epigraphischen Zeugnissen hat dann Louis Robert in ingeniöser Weise mehrere literarische Erwähnungen eines Τιβηνός genannten Weines in Beziehung gesetzt, wobei in einem Falle auch die Benennung mit der Erklärung διὰ τὸ χωρίον ἐν ὧ γεωργεῖται Τιβας ὀνομαζόμενον versehen ist: Die bei Galen, dem Autor, bei dem sich die Belege finden, in diesem Zusammenhang zweimal hinzugefügte Bemerkung παρ’ ἡμῖν, als Hinweis auf das Umland von Pergamon zu verstehen, war ein zusätzliches Argument für die von Robert vorgenommene Identifizierung4. Für diese konnte übrigens von ihm auch noch ins Feld geführt werden, daß eben aus der Aufzählung 2 Zu älteren Erklärungen, die mit einem lydischen Wort tyr(r)a operierten, Keil – v. Premerstein, Dritte Reise p. 87. Zgusta (83 § 80 und 187 § 349) stellt nur die Namensform nebeneinander (dazu 607 § 1311 das allerdings unsichere Teira), ohne sie zu kommentieren. 3 R. Meriç – R. Merkelbach – S. Şahin, ZPE 33 (1979) 192 = IvEphesos VII,1 (IK 17,1) 3293. 4 L. Robert, A travers l’Asie Mineure (1980) 318–322 „Un vin de Pergame“ mit 6 Textzitaten aus verschiedenen Schriften Galens. Vgl. auch SEG XXX 1392.
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der Grundstücke im Testament die Bedeutung des Weinbaus in dieser Gegend hervorgeht, was auch noch für die heutige Zeit gilt. Nach meiner Reise von 1984 kann ich hier nun ein weiteres Testimonium, wieder von anderer Art, hinzufügen. Es besteht in einem Tonrohr von einer Wasserleitung, das in Akhisar in einem kleinen Depot neben dem in der Stadt gelegenen Grabungsgelände des Tepe Mezarlığı5 aufbewahrt wird. Dieses gut erhaltene Objekt, von 40 cm Länge und einem Durchmesser von 21 cm, weist an dem einen Ende eine um die Rundung herumlaufend eingestempelte und in erhabenen Buchstaben (wohl der Kaiserzeit) hervortretende Fabrikanteninschrift auf: dreimal hintereinander ist hier in linksläufiger Schrift die Eintragung Ἰουλιανοῦ Τιββων zu lesen (Abb. 1–2). Dabei ist wohl anzunehmen, daß der mit dem Namen des Herstellers im Genetiv verbundene Ortsname auf den Ort der Manufaktur hinweisen soll6. Auch zu diesem Fund kann übrigens angemerkt werden, daß das Testament des Epikrates ein in dieser Gegend gelegenes Πλινϑούλκιον, also eine Ziegelgrube, erwähnt (Z. 28), und daß eine Kontinuität dieses Gewerbezweiges darin erkennbar war, daß bei meiner Anwesenheit im Jahre 1966 dort eine Ziegelbrennerei tätig war. Der Fundort des Tonrohres war nicht zu ermitteln. Es ist aber zu vermuten, daß der Betrieb die Gegend in weiterem Umkreis beliefern konnte, so daß man am ehesten an eine nach Thyateira führende Wasserleitung denken wird. Die Genetivform des Tonrohrstempels stimmt überein mit der im Testament des Epikrates (Z. 13) verwendeten, wozu auch die bei Galen überlieferte Akkusativform Τιβας gestellt werden kann. Also scheint die gängige Form des Ortsnamens die Pluralform Τιββαι gewesen zu sein, und das einmal überlieferte Τιββη ist vielleicht nur eine Variante7. Auf jeden Fall ist das Beispiel ein interessanter Beleg dafür, wie in Fragen der antiken Topographie gelegentlich die Kombination ganz unterschiedlicher Quellen
5 Man vgl. dazu die vorläufigen Grabungsberichte von Rüstem Duyuran, Türk Arkeoloji Dergisi XVII 2 (1968) 73–76 und XX 2 (1973) 17–27. 6 Beispiele von Tonrohren mit Nennung des Fabrikantennamens im Genetiv findet man z. B. in Pergamon: IvPergamon 749–758. Für die Hinzufügung eines Ortsnamens vermag ich allerdings kein Paral lelbeispiel beizubringen. Nicht vergleichbar dürften die Fälle von gestempelten Ziegeln sein, wo nur ein Ortsname im Genetiv erscheint: so Πέλλης in Pella und Ἰαίτου am Monte Iato in Westsizilien (dazu P. Müller in Studia Ietina I [1976] 52 mit den Belegen 72 Anm. 10), wo man die Angabe als „Ziegel Eigentum der Stadt“ erklärt (Müller) bzw. „von der städtischen Ziegelei“ (IvPergamon 354, 26 zum Stempel πόλεως; vgl. auch πόλεως Κορ(ίνϑου) Hesperia 38 (1969) 101). 7 L. Zgusta, Kleinasiatische Ortsnamen 618 § 1336 erwägt die „Annahme einer itazistischen Schreibung Τιββη der monophthongischen Aussprache von Τιββαι“, führt aber dann dagegen an, daß die Inschrift dafür „nicht spät genug“ sei. Ich hatte („Testament des Epikrates“ 22 f.) mit einiger Zurückhaltung eine Datierung in die 1. Hälfte des 1. Jhdt.s n. Chr. vorgeschlagen; demgegenüber möchte J. Triantaphyllopoulos, Akten des VI. Internationalen Kongresses für Griechische und Lateinische Epigraphik, München 1972 (Vestigia Band 17, 1973) 186 f. unter Berücksichtigung von Aspekten der Rechtsentwicklung („Nomokrasie“) bis ins 2. Jhdt. herabgehen.
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Bedeutung gewinnen kann – wie es uns gerade Louis Robert immer wieder in unübertrefflicher Weise demonstriert hat. Auch wenn der Ort Tibbai, wie Galen zeigt, als zum pergamenischen Umland gehörig angesehen werden konnte, geht gerade aus dem Nebeneinander von Grundbesitzern aus Nakrason und Thyateira im „Testament des Epikrates“ (p. 20) die enge Beziehung zum lydischen Raum hervor.
Abb. 1
Abb. 2: Detail
Abb. 3
9 Zwei Ortsnamen in Lydien: Agatheira und Tibbai
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10 Ἡ Ναειτηνῶν κατοικία Ein Beitrag zur historischen Landeskunde des südöstlichen Lydien Im Jahre 1883 haben W. M. Ramsay und J. R. S. Sterrett auf einer gemeinsam durchgeführten Forschungsreise, die der Aufhellung der historischen Geographie von Phrygien gewidmet war, in einem damals Ineh genannten Dorf eine in das Jahr 88 datierte, auf einer Rundsäule angebrachte Inschrift abgeschrieben, die errichtet worden war von den ἐν Ναει κατοικοῦντες Ῥωμαῖοι τε καὶ ---1. Der volle Text, der sich abgesehen von einer Textverwirrung in den Zeilen 3–4 auch durch seine Unvollständigkeit auszeichnet, lautet: Αὐτοκράτορι ⟦Δομετιανῷ⟧ Καίσαρι Σεβαστῷ Γερμ ανικῷ τὸ διʹ, Λουκίῳ Μινουκίῳ 4 ἔτους ροβʹ, μη(νὸς) Πανήμου Ῥούφῳ ὑπ(άτοις) οἱ ἐν Ναει κατοικοῦντες Ῥωμαῖοί τε καὶ Die hier übernommene Textverteilung entspricht dem von Ramsay 1883 gegebenen Faksimile, sie hat sich im übrigen bei der Revision durch J. Keil und A. v. Premerstein bestätigt (dabei haben die beiden Gelehrten auch unter der Rasur die Spuren des Namens Domitians in der angegebenen Form festgestellt). In der Umschrift hat Ramsay die Unregelmäßigkeit mit den eigenartigerweise an das Ende von Zeile 4 geratenen beiden Namenselementen, die die Konsuldatierung in Zeile 3 abschließen, stillschweigend ausgeglichen. Ramsay bemerkte zum antiken Ortsnamen: „The old name of the place is still retained under the form Ineh.“ Heute lautet der Name des Dorfes İnay, der zugleich auch einer Station der nahebei vorüberführenden Eisenbahnstrecke im Abschnitt zwischen Alaşehir und Uşak gegeben worden ist. Wenn man die Lage des Ortes zu der nächsten uns bekannten Stadtlage in Beziehung zu setzen versucht, kommt man zu der Feststellung, daß İnay in der Luftlinie 9 km in nördlicher Richtung von den bei Sülmenli erhaltenen eindrucksvollen Ruinen der Stadt Blaundos2 entfernt liegt
H. Malay (Hrsg.), Erol Atalay Memorial (ADerg I), İzmir 1991, 77–85 und 3 Abbildungen. 1 JHS 4 (1883) 432 n. 42; Ramsay, Cities and Bishoprics of Phrygia I 2 (1897) 610 n. 511; IGR IV 713. 2 Man vgl. die Beschreibung und Diskussion bei F. V. J. Arundell, Discoveries in Asia Minor (1834, Nachdruck 1975) I 80–94 (Reise von 1826; er wollte dort Klanudda lokalisieren); W. J. Hamilton, Researches in Asia Minor (1842, Nachdruck 1984) I 127–132 (Reise von 1836; Identifizierung mit Blaundos); A. Philippson, Reisen und Forschungen im westlichen Kleinasien IV (Petermanns Mitt. Erg.-Heft 180, 1914) 61; J. Keil – A. v. Premerstein, Zweite Reise in Lydien 144–5; D. De Bernardi, ASAtene 41/2 (1963/4) 403–5.
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(s. die Karte S. 130). Dieser als makedonische Gründung anzusehende Ort wird in den antiken Listen als zu Lydien gehörig | und innerhalb der Provinz Asia dem conventus von Sardeis zugehörig ausgewiesen; freilich ist festzustellen, daß man sich hier schon im Grenzbereich zwischen Lydien und Phrygien befindet3. Nach Ramsay und Sterrett ist die Inschrift im Jahre 1894 noch von K. Buresch4 und im Jahre 1908, wie erwähnt, von J. Keil und A. v. Premerstein gesehen und verglichen worden. Das Doppeldatum, das durch die Nennung der Konsuln5 und die Zählung nach der sullanischen Ära gegeben war, sichert die Datierung auf das Jahr 88, genauer in den Mai/Juni dieses Jahres. Bemerkenswert ist an dem Text nicht nur die Nennung der in dem Ort ansässigen Römer6, sondern auch noch der Tatbestand, daß die mit den Römern hier gekoppelte Personengruppe auf dem Stein fehlt, da nach den Aussagen aller Zeugen nach dem καί der Text nicht fortgesetzt wurde, obwohl daneben und darunter freier Raum verfügbar war. Als intendierte Fortsetzung hat Ramsay (1897) ξένοι erwogen. Keil und v. Premerstein auf der im Archiv der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie in Wien aufbewahrten Schede dachten wohl zutreffender an Ἕλληνες. Sie stellten | übrigens auch fest, daß die Rundsäule oben Standspuren einer Statue enthielt, daß der Block also als Basis fungiert hat und nicht etwa verworfen worden ist (auch die Rasur des Namens Domitians ist ja ein Beweis, daß die Inschrift öffentlich sichtbar war). Man vermißt dann demnach auch den Namen des Geehrten in der zu erwartenden Akkusativ-Konstruktion.
3 In der Diözese von Sardeis: ΙvEphesos 13, 27. In den Notitiae Episcopatuum ist Blaundos immer bei Lydien verzeichnet, unter den Formen ὁ Βλάνδου oder ὁ Βλανδέων, wobei in der Notitia 10, 122 (Darrouzès) hinzugefügt ist ἤτοι Μεσοτυμόλου. Dagegen wird der Ort zu Phrygien gerechnet bei Ptolem. V 2, 17 (Βλέανδρος) und Steph. Byz. s. v. Βλαῦδος (mit Berufung auf Menekrates von Xanthos: s. FgrHist 769 F 4). Sollte sich die nicht ganz klare Notiz bei Strabon XII p. 567 (das galatische Ankyra ὁμώνυμος τῇ πρὸς Λυδίᾳ περὶ Βλαῦδον πολίχνῃ Φρυγιακῇ) auf Blaundos beziehen (so W. M. Ramsay, Hist. Geography of Asia Minor 133), käme hierin die Grenzlage zum Ausdruck. Erwähnt sei noch IGR IV 756, wo Blaundos mit drei phrygischen Gemeinden an der Errichtung einer Ehrung teilnimmt. 4 K. Buresch, Aus Lydien (1898, Nachdruck 1977) 122 und 203. 5 Dabei ist die Anführung der Konsuln im Dativ ein charakteristischer Latinismus: vgl. dazu L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 326. – Für L. Minucius oder Minicius Rufus, der als consul ordinarius mit Domitian fungiert hat, vgl. M. Fluss, RE XV 2 (1932) 1843 n. 23 (wo unsere Inschrift absurderweise als „von Musafir Oda“ stammend bezeichnet wird: das ist der seinerzeitige Aufbewahrungsort in dem Dorf, das „Gastzimmer“!) und PIR2 V 2 (1983) 296 n. 627 (wo unser Zeugnis fehlt). 6 Buresch a. a. O. 122 hat als zusätzlichen Beleg dafür, „daß dort eine bedeutende römische Colonie war“, eine am selben Ort gefundene lateinische Namensliste in Anspruch genommen (vollständiger Text bei Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 276). W. M. Ramsay, Cities and Bishoprics I 587 f. spricht von einem „conventus of Roman traders“, der von einem beachtlichen an einer Straßenverbindung gelegenen Handelszentrum zeuge. Seine weiteren Vermutungen, daß der Ort um einen dort gelegenen Tempel konzentriert war, führen freilich in die reine Spekulation. J. Keil, RE XVI 2 (1935) 1587 bringt als weiteres Argument noch den Hinweis auf in der Nähe gelegene kaiserliche Domänen (unter Verweis auf Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 278).
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Auf der Grundlage dieses Inschriftenfundes hat man gemeinhin beim heutigen İnay eine antike Siedlung fixiert, als deren Namensform man Naeis, Naïs oder Naë vorausgesetzt hat7. Die antike Ortslage selbst glaubte Buresch etwa 2 km südlich des heutigen Dorfes ausfindig gemacht zu haben (Aus Lydien 203). Als ich im Herbst 1969 gemeinsam mit R. Bernhardt das Dorf İnay aufsuchte, sind wir der Rundsäule nicht mehr ansichtig geworden. Noch vorhanden war lediglich, im alten Han des Ortes verbaut, ein von K. Buresch veröffentlichter Grabstein (Aus Lydien 121 n. 59). Dazu kommt aber als Neufund das folgende in einem Brunnen bei der Bahnstation İnay verbaute Fragment aus weißem Marmor (88 cm hoch, 21 cm breit, Buchstabenhöhe 4–5, Zeilenabstand 3,5–4 cm) (Abb. 2). {SEG XLI 1015} [ ]․ ․ ․ Σ̣[ ] [ἐπιμε]λησα[μέ] [νου] Τιβερ[ίου] 4 [Κλ. Ἀλ]εξάν[δρου] [τοῦ π]ρώτο[υ ἄρ] [χον]τος. Der Wert dieser in großen Buchstaben im Fußteil einer Basis eingegrabenen Formel mit der Nennung des für die Errichtung des Denkmals Verantwortlichen besteht darin, daß uns der hier genannte erste Archon genau mit dieser Amtsbezeichnung durch Münzen von Blaundos aus der Zeit von Elagabal und Maximinus Thrax bekannt ist, dort mit Nennung seiner zweiten | Amtszeit8. Die naheliegende Folgerung daraus wäre, daß wir uns im städtischen Territorium von Blaundos befinden, mithin die Ortslage von Nae(i)s/Naë dieser ja nicht weit entfernten Stadt zugehörte. Nun ist gelegentlich unseres Besuches von 1969 allerdings ein neues Zeugnis aufgetaucht, das einen zweiten Beleg für die besagte Siedlung enthält, das zugleich aber die eben formulierte Annahme in Zweifel zu rücken geeignet ist. Es handelt sich um einen großen Basisblock aus weißem Marmor, der sich in einem alten Friedhof nordöstlich des Dorfes Kışla oder Kışlaköy befindet. Dieses Dorf ist von İnay etwa 5 km in nordnordwestlicher Richtung entfernt; es liegt am Ostfuße eines Bergmassivs, das in dem Kışla Dağı eine Höhe von 1300 m erreicht. Der an der Vorderseite am linken und 7 Ramsay, Cities and Bishoprics I 578 f. nannte den Ort Nais; man vgl. auch J. Keil, RE (s. Anm. 6): Ναΐς? K. Buresch, Aus Lydien 122 und 203 wählte die Form Νάη/Naë. Auf der dem Buch von Buresch beigegebenen Karte von H. Kiepert ist demgemäß NAË eingetragen, während es auf R. Kieperts Karte von Kleinasien in 24 Blatt (1905) NAIS heißt. Man vgl. auch Keil – v. Premerstein, Zweite Reise 145: „Νάη oder Νάις“. L. Zgusta, Kleinasiatische Ortsnamen (1984) 418 § 878 stellt Ναις und Ναεις nebeneinander und hält es im übrigen für unsicher, „ob es sich um einen einheimischen Namen oder um entstelltes Griechisch handelt“. 8 BMC Lydia 54 n. 81 mit der Legende ἐπὶ Τι. Κλ. Ἀλεξάνδρου ἄρ. αʹ τὸ βʹ. Dieselbe Legende auch SNG Deutschland (Syll. v. Aulock) 2929, wo sich H. v. Aulock für die Zuweisung der Münzen an Elagabal ausspricht, da derselbe Mann auch noch unter Maximinus bezeugt ist.
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rechten Rand beschädigte Block ist 147 cm hoch, 44 cm breit, 40 cm dick; die Buchstabenhöhe der Inschrift beträgt 2,6–3 cm (Abb. 3). {SEG XLI 1017}
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[Ἀγ]αϑῇ τύχῃ. [Φλ.?] Α̣ὐρ̣ . Εἶλον ὑπ[α] [τικῶ]ν καὶ συνκλητ[ι] 4 [κῶν] συνγενῆ καὶ ἀ̣[ρ] [χιερ]έων ͜ τῆς Ἀσίας̣ [ἔκγ]ονον καὶ ἀπ[ό] [γον]ον, μητρὸς ἀ̣[ρ] 8 [χιερ]είας, στρατη̣ [γήσ]α̣ντα καὶ στεφ[α] [νηφ]ορήσαντα ἐν̣ [δόξ]ως ἡ Ναειτη̣ 12 [νῶ]ν κατοικία δι[ὰ] [τὴν] καὶ πρὸς τὸ κο̣ [ι] [νὸ]ν καὶ καϑ’ ἕνα στο[ρ] [γή]ν τε καὶ εὔνοια̣[ν] 16 [α]ὐ̣τοῦ (Blatt) ἐπ[ι] [μ]ε̣ λησαμένου [τ]ῆς ἀναστάσε [ω]ς Μ. Αὐρ. Τει 20 μοϑέου. (Blatt) [Ἔ]τους τʹ ἑνδε κ̣άτου, μηνὸς [Π]ανήμου τρίτῃ. Durch die Zahlenangabe nach der sullanischen Ära ist die Inschrift auf 226/7, genauer auf Ende Mai 227, zu datieren. Was die Lesung betrifft, war ich lange Zeit nicht in der Lage, den Namen des Geehrten zu erkennen, da das Erhaltene deutlich auf das unverständliche ΑΥΙΕΙΛΟΝ zu führen schien (nicht zuletzt deshalb habe ich den Neufund so lange liegen gelassen!). Erst die Erkenntnis, daß statt des ersten Iota ein Rho zu lesen ist, das in dieser Inschrift etwas eigenwillig mit einem senkrechten Strich und einem davon abgesetzten winzigen Kreis am oberen Zeilenrand geschrieben wird (am besten in Z. 10 zu erkennen), brachte die Lösung: es geht um einen Aurelier! Eine Umschau nach dem Vorkommen des seltenen Namens Εἶλος, in dem eine itazistische Variante zu dem Heroennamen Ἶλος zu sehen ist9, brachte dann die Überraschung, 9 Ilos ist der mythische Gründer von Ilion, der einmal mit der Namensform Εἶλος auch auf einer Münze dieser Stadt erscheint (Head, Hist. Num.2 547; zu ihm Kroll, RE IV 1, 1914, 1089). Er wird in der mythographischen Literatur gerade auch mit Phrygien in Verbindung gesetzt (besonders Apollod. III 142–3). So wirkt es ganz passend, daß in einer bilinguen Inschrift aus Eumeneia ein Ilus Gemelus =
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daß uns ein Mann namens Φλ. Αὐρ. Εἶλος, mit dem Distinktiv νεώ(τερος) versehen und als erster Archon bezeichnet, auf Münzen der Zeit Caracallas in der in den ostlydischen Raum gehörigen Stadt Apollonos Hieron begegnet10. Nicht nur die Zeit könnte für eine Identität mit dem Geehrten unserer Inschrift sprechen, sondern auch der Aureliername in Verbindung mit dem seltenen Cognomen in der übereinstimmenden Schreibung mit ΕΙ. Und überdies würde sich in das | am Beginn der Zeile 2 der Inschrift vorauszusetzende Spatium die Ergänzung von Φλ. genau einfügen. Der Geehrte entstammt, wie die Inschrift betont, einer in der Provinz prominenten Familie. Eine Verbindung zu uns bekannten Personen, besonders im Bereich der Provinzialpriester, läßt sich aber, wenn ich recht sehe, nicht herstellen. Für die städtische Organisation von Apollonos Hieron werden durch die Inschrift – die Richtigkeit der vorgeschlagenen Zuweisung vorausgesetzt – die Ämter des Strategen und des Stephanephoren bezeugt. In Verbindung damit ist es immerhin von Interesse, daß für eine bei R. Münsterberg mitgeteilte Münze dieser Stadt auch wieder aus der Zeit Caracallas die Legende ἐπὶ στρατηγοῦ . . ιφόρου angegeben wird11. Als Konsequenz einer Verknüpfung der neuen Inschrift mit Apollonos Hieron ergibt sich nun freilich die Frage nach der Lage dieser Stadt. Wichtigstes Indiz für die Lokalisierung des offensichtlich nach einem Apollonheiligtum benannten Ortes war bisher seine Nennung in der bei Plinius n. h. V 111 enthaltenen Städteliste des conventus von Sardeis, wo die Apollonihieritae im Anschluß an Tripolis am Mäander und vor den die Liste beschließenden Mysotimolitae angeführt werden. Die Suche nach dem Ort im Umkreis von Tripolis, mithin an die 50 km südwestlich der Dörfer İnay und Kışla, wurde zusätzlich darauf gegründet, daß man einen in den spätesten byzantinischen Bischofslisten mit ἤτοι an die Nennung von Apollonos Hieron angefügten Ort Aëtos (Ἀετός), der überdies noch im Bericht über den Kreuzzug Friedrich Barbarossas genannt zu sein scheint, in der Nähe einer anscheinend die Namenskontinuität bewahrenden Lokalität Aidos/Aidas (heute Aydoğan) sicher fixieren zu können meinte12. Dementsprechend nahm man verschiedene Ruinenplätze in diesem Raum für die gesuchte Ortslage von Apollonos Hieron in Anspruch, vor allem nach
Ἶλος Γέμελος erscheint (CIG 3902g). Im stadtrömischen Material ist der Name 4 Mal bezeugt: H. Solin, Die griech. Personennamen in Rom I (1982) 491. 10 Vgl. F. Imhoof-Blumer, Lydische Stadtmünzen (1897, Nachdruck 1978) 44 n. 3, wo auf der Basis der Legende Mionnet IV 10 n. 51 sowie BMC Lydia 24 n. 10 die Lesung ἐπὶ Φλ. Αὐρ. Εἴλου νεω. ἄρχ. αʹ hergestellt werden konnte. Daneben gibt es die Kurzfassung ἐπὶ Εἴλου νε. ἄρχ. (ibid. 44 n. 4). S. auch R. Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griech. Münzen 133, über dessen Index ich auf die Münzen von Apollonos Hieron geführt worden bin. 11 Münsterberg, Beamtennamen 133 mit der Angabe „Weber n. 3294“. 12 Notitiae Episcopatuum 10, 108 (Darrouzès) ὁ Ἀπόλλωνος ἱεροῦ ἤτοι Ἀετοῦ; Nicet. Hist. 539 Β. διὰ τοῦ Ἀετοῦ λεγομένου χώρου πορευϑέντες (zwischen Philadelphia und Laodikeia). Die Gleichsetzung mit dem modernen Aidos ist vertreten worden von W. Tomaschek, Zur histor. Topographie von Klein asien im Mittelalter, SBWien 124,8 (1891) 98. Vgl. auch J. Keil – A. v. Premerstein, Dritte Reise 52 f.; E. Eickhoff, Friedrich Barbarossa im Orient, IstMitt Beih. 17 (1977) 98.
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Karte des südöstlichen Lydien H. Kiepert, Beilage zu Karl Buresch, Aus Lydien (Nachdruck 1977)
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dem Vorgang K. Bureschs einen Platz bei dem Dorf Bozalan, das 8 km nordwestlich von Tripolis entfernt und der heutigen Stadt Buldan nahe benachbart ist (s. die Karte S. 130)13. Die Voraussetzungen haben sich | aber etwas verändert auf Grund der von Ch. Habicht 1975 publizierten ephesischen Städteliste flavischer Zeit, in der in einer sonst vielfach mit der Anordnung bei Plinius übereinstimmenden Aufzählung der zur διοίκησις von Sardeis gehörigen Städte Tripolis herausgenommen und der Diözese von Apameia zugeteilt ist, während die Ἀπολλωνιερεῖται hier zwischen die auf Philadelphia folgenden Μαίονες und die Ταβαλεῖς gerückt sind, wonach später noch Mysotimolos und Blaundos (das bei Plinius fehlt) nachfolgen14. Dieser Befund brachte schon Ch. Habicht zu der vorsichtigen Vermutung: „This fact may perhaps suggest that Apollonoshieron was indeed located more to the north, further from Tripolis than Buresch thought.“ Unter der Annahme, daß an der Identifizierung des Mannes unserer Inschrift mit dem Münzbeamten von Apollonos Hieron festzuhalten ist, möchte ich diese Vermutung nachdrücklich aufnehmen. Ich meine, daß uns der Neufund nahelegt, die alte räumliche Festlegung für Apollonos Hieron mit ihrer Stützung durch die Gleichsetzung Aidos (= Aydoğan)-Aëtos aufzugeben und die Ortslage erheblich weiter nördlich, d. h. im Umkreis von Blaundos, vielleicht im Bereich des Berglands um den Kışla Dağı, zu suchen. Ich bin mir darüber im klaren, daß davon auch andere Lokalisierungen in diesem Raum berührt werden: besonders Mysotimolos, das später einmal mit Blaundos vereinigt war, und Klanudda, das außer durch Münzen nur durch die Peutinger-Tafel bezeugt wird (zwischen Philadelphia und Akmonia). Die damit verbundenen Probleme, die eine erneute Durchforschung des ganzen Raumes als sehr wünschenswert erscheinen lassen, können hier nicht aufgenommen werden. Es möge der Hinweis darauf genügen, daß alle bisher für diese Orte vorgeschlagenen Lokalisierungen schon seinerzeit in den umsichtigen Erörterungen bei Keil – v. Premerstein als samt und sonders unsicher bezeichnet worden sind15. Vor allem für Klanudda dürfte jetzt die von K. Buresch vorgeschlagene Verbindung mit einem Ruinenfeld eben in der | unmittelbaren Nachbarschaft von Kışla (Aus Lydien
13 Buresch, Aus Lydien 205 f., übernommen z. B. von J. G. C. Anderson, JHS 18 (1898) 89. Diskussion der weiteren Lokalisierungsvorschläge bei Keil – v. Premerstein, Dritte Reise 53. Auch L. Robert hat Apollonos Hieron in der Nachbarschaft von Tripolis angesetzt: Hellenica I 151; BCH 107 (1983) 505 (Documents d’Asie Mineure 349). 14 Ch. Habicht, New Evidence on the Province of Asia, JRS 65 (1975) 64–91. Die Inschrift jetzt in IvEphesos 13; es geht dabei um Col. I 19–27. 15 Keil – v. Premerstein, Dritte Reise 48–50, wo die entsprechenden Belege gegeben und die bisherigen Lokalisierungsvorschläge referiert werden. Im Zentrum steht dabei die Frage, welchen Namen die „bedeutendste Ruinenstätte“ dieses Raumes bei dem Dorf Bey Schehir (heute Çırpıcılar), das 10 km nördlich von Kışla liegt, gehabt haben kann. Neben die von Keil – v. Premerstein erwogenen Mysotimolos und Klanudda muß man jetzt wohl auch Apollonos Hieron als möglichen Kandidaten stellen. Die einzige dort bisher gefundene Inschrift ist ein von H. W. Pleket 1975 aufgenommenes Fragment, das auf Lateinisch und Griechisch den Namen einer Frau enthält: -]a Stacte bzw. -]α Στάκτη (nach freundlicher Mitteilung durch den Finder, s. hier Abb. 1). Zum Namen vgl. L. Robert, Noms indigènes 178.
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202 f.) in Frage zu stellen sein. Der Ort kommt nun eher für die Lokalisierung der Ναειτηνῶν κατοικία in Betracht, also der Siedlung von Naeis/Nais (deren Namensform sich auch durch den Neufund nicht sicher bestimmen läßt). Wenn ich es richtig interpretiere, wird durch die hier mitgeteilte Inschrift aus Kışla aber nicht nur ein wichtiges Indiz für die Lokalisierung von Apollonos Hieron geliefert, sondern sie führt zugleich auf den Schluß, daß die Ναειτηνῶν κατοικία im territorialen Bereich dieser Stadt lag. Zur einflußreichen Nachbarschaft gehörte freilich die bedeutendere Stadt Blaundos. Wir haben oben gesehen, daß auf dem Basisfragment, das bei der Station İnay erhalten ist, ein prominenter Bürger von Blaundos als Verantwortlicher für die Errichtung des Denkmals genannt wird. Ob die Basis auch aus der Ναειτηνῶν κατοικία stammt oder ob sie dem Material der Stadt Blaundos zuzuweisen ist, muß wegen des fragmentarischen Zustands offen bleiben. Es sei hier aber mit dem Hinweis darauf geschlossen, daß auch auf der Basis für Fl. Aur. Eilos aus Apollonos Hieron möglicherweise eine Verbindung zu Blaundos hervortritt: Der am Ende des Textes genannte Μ. Αὐρ. Τειμόϑεος, der in diesem Falle die Aufstellung des Denkmals besorgte, könnte identisch sein mit einem Αὐρ. Τειμόϑεος, der auf Münzen von Blaundos in der Zeit von Septimius Severus und Caracalla als erster Archon in Erscheinung tritt16. Das würde die aus der räumlichen Nachbarschaft beider Städte sich ergebende Verbindung und Verflechtung gerade auf der Ebene der Prominenz noch weiter verdeutlichen. Die Bewohner der Ναειτηνῶν κατοικία waren offensichtlich nach beiden Seiten hin orientiert.
Abb. 1: Inschrift aus Çırpıcılar
16 BMC Lydia 55 n. 83 ἐπὶ ἄρ. αʹ Αὐρ. Τειμοϑέου; vgl. auch SNG Copenhagen n. 96; Münsterberg, Beamtennamen 134.
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Abb. 2: Inschrift aus İnay
Abb. 3: Inschrift aus Kışla
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11 Epigraphische Forschungen in Lydien (Polybios aus Sardeis) Die antike Landschaft Lydien hat in der hundertjährigen Geschichte der Kleinasiatischen Kommission nicht von Anfang an unter den für eine Corpus-Erstellung in Angriff genommenen Projekten figuriert. Hier hatte sich ja gerade in der ersten Hälfte der 90er Jahre der junge Deutsche Karl Buresch in mehreren langen Forschungsreisen ein Betätigungsfeld gesucht. Diese vielversprechenden Aktivitäten sind dann allerdings durch den frühen Tod des noch nicht einmal 34-Jährigen im Jahre 1896 jäh abgebrochen worden. Erst nach der Jahrhundertwende gab, wie man weiß, die Etablierung des jungen Josef Keil als Sekretärs des Österreichischen Archäologischen Instituts in Smyrna die Voraussetzung ab für die intensive wissenschaftliche Erforschung Lydiens auf den drei großen Reisen zwischen 1906 und 1911, die er gemeinsam mit Anton von Premerstein durchführte. Sie bilden bis heute die wesentliche Grundlage für die Ausarbeitung des Corpus-Bandes in den TAM, die Keil sein ganzes Leben über begleitet hat und die, so Gott will, in den kommenden Jahren doch noch zu einem glücklichen Abschluß kommen wird. Ich will hier freilich nicht die Probleme dieser Corpus-Arbeit in Vergangenheit und Gegenwart ausbreiten, aber doch nicht unerwähnt lassen, daß mir für den jetzt ins Auge gefaßten dritten Faszikel, der Südostlydien enthalten soll, in der Person von Georg Petzl ein ebenso qualifizierter wie tatkräftiger Helfer an die Seite getreten ist, und daß auch die Zusammenarbeit mit dem jüngeren türkischen Epigraphiker Hasan Malay, von dem wir einen epigraphischen Katalog des wichtigen Museums von Manisa erwarten {H. Malay, Greek and Latin Inscriptions in the Manisa Museum, Wien 1994}, sich seit längerem als fruchtbar und hilfreich erweist. Für unsere Zusammenkunft hier schien es mir reizvoller, Ihnen ein kleines Beispiel aus der neueren epigraphischen Arbeit vorzuführen, einen Neufund, an dem zugleich einige besondere Aspekte dieses Arbeitsfeldes hervortreten. Auf ihrer ersten Reise haben Keil und v. Premerstein auch der Ortslage von Sardeis einen Besuch abgestattet (vom 14. bis 16. Juni 1906), die sich ihnen in dem damaligen Zustand freilich als „arm an Inschriften“, wie es in dem Bericht heißt, präsentierte. Immerhin haben sie dort eine große agonistische Inschrift aufgenommen und ein erstes Fragment des dortigen Exemplars des berühmten SC de sumptibus ludorum gladiatorum minuendis von 177 als Duplikat des schon aus Italica bekannten Textes identifiziert und bekannt gemacht1. Mit dem Jahre 1910 setzten dann aber
G. Dobesch – G. Rehrenböck (Hrsg.), Die epigraphische und altertumskundliche Erforschung Klein asiens: Hundert Jahre Kleinasiatische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, DenkschrWien 236, 1993, 211–219 und 3 Abbildungen. 1 Josef Keil – Anton von Premerstein, Bericht über eine Reise in Lydien und der südlichen Aiolis, DenkschrWien 53 (1908) 15–24. Es geht um die Texte n. 27 (= Sardis VII 1 n. 79) und n. 26 (= Sardis VII
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in Sardeis die außerordentlich ergebnisreichen amerikanischen Ausgrabungen ein, die nach einer langen Unterbrechung in einer neuen Initiative ab 1958 durch George Hanfmann wieder aufgenommen wurden. Damit war freilich, von der künftigen Konzeption her, die Hauptstadt Lydiens aus der Corpus-Planung für die TAM gleichsam herausgeschnitten. Als Keil 1952 beim Epigraphiker-Kongreß in Paris seine Absicht vortrug, den Band Lydien in | zwei Faszikeln herauszugeben, setzte er hinzu: „ohne Sardes, für das die ausgezeichnete Publikation der lydischen Texte von E. Littmann, der griechischen und lateinischen von Buckler und Robinson vorliegt“2. Es sei hier gleich noch angefügt, daß Keil besonders dem einen der beiden klassischen Epigraphiker, William Hepburn Buckler, in sehr freundschaftlicher Weise verbunden war. Das Schicksal hat es nun so gefügt, daß viele Jahrzehnte später die guten Beziehungen wieder aufleben konnten und die Verbindung des lydischen Corpus-Projekts mit der Sardis-Expedition enger werden kann, dadurch nämlich, daß vor einigen Jahren der jetzige Grabungsleiter Crawford H. Greenewalt, Jr., mit der ehrenvollen Bitte an mich herangetreten ist, mich – auch, muß ich wohl sagen – des Inschriftenmaterials von Sardeis anzunehmen, das von Hanfmann zunächst Louis Robert anvertraut worden war3. Es wird dort die Erstellung eines Inschriftenbandes anzustreben sein, der im Rahmen der amerikanischen Grabungspublikation den Band von Buckler und Robinson ergänzt. Aber er soll so weit wie möglich in das TAM-Corpus eingepaßt werden, so daß in nicht zu ferner Zukunft einmal die ganze Landschaft in epigraphischen Editionen vorliegen könnte. Nun aber zu dem angekündigten Neufund von 1989. Er führt uns in den allen neueren Besuchern von Sardeis eindrucksvoll in Erinnerung stehenden „BathGymnasium Complex“, eindrucksvoll durch die Rekonstruktion des monumentalen „Marble Court“ mit der Torfassade vom Anfang des 3. Jahrhunderts, sensationell in gewissem Sinne durch die Entdeckung einer damit verbundenen großen Synagoge4. Weniger Beachtung findet in der Regel die dem Komplex vorgelagerte spätantike Straße mit ihrer langen Reihe von recht gut erhaltenen „Byzantine Shops“, Verkaufs-
1 n. 16; vgl. J. H. Oliver – R. E. A. Palmer, Minutes of an Act of the Roman Senate, Hesperia 24 [1955] 320–349). 2 Actes du deuxième congrès international d’épigraphie grecque et latine, Paris 1952 (Paris 1953) 209. Die genannten Bände sind: Sardis. Publications of the American Society for the Excavation of Sardis. Vol. VI: Lydian Inscriptions, Part I by Enno Littmann (Leyden 1916); Part II by W. H. Buckler (Leyden 1924); Vol. VII: Greek and Latin Inscriptions, Part I by W. H. Buckler and D. M. Robinson (Leyden 1932). 3 Erschienene Publikationen: Archaeological Exploration of Sardis. Nouvelles inscriptions de Sardes par L. Robert, Ier Fascicule (Paris 1964); dazu (aus dem Nachlaß von L. Robert bearbeitet) Phi lippe Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes II (Paris 1989). Man vgl. noch L. Robert, Une nouvelle inscription grecque de Sardes: Règlement de l’autorité perse relatif à un culte de Zeus, CRAI 1975 306–330. 4 Bisher erschienene Publikation: Archaeological Exploration of Sardis, Report 3: Fikret K. Yegül, The Bath-Gymnasium Complex at Sardis (Cambridge/Mass. – London 1986). Die entsprechende Publikation der Synagoge ist in Vorbereitung.
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läden und Werkstätten. In einer dieser kleinen Kammern, W 8 nach der Zählung der Ausgräber, kam 1959 ein gut erhaltenes Wasserbecken zutage, dessen durch zwei Kreuze verzierte Vorderseite aus wiederverwendeten Marmorstelen gestaltet wurde: links eine späte Grabinschrift, ihrerseits eine Wiederverwendung einer älteren Stele, zu der die beiden Kränze und der eradierte Text darunter gehören; rechts, auf dem Kopfe stehend, ein kurzer griechischer Text, der sich als Schluß eines Briefes zu erkennen gibt (Abb. 1)4a. Louis Robert hat ihn 1959 aufgenommen, aber noch nicht weiter bearbeitet. Es ist unser Text Nr. 1. 1. Stele aus bläulichem Marmor; oben gebrochen, an den Seiten erhalten. Höhe 82 (erhaltene Schriftfläche 23), Breite 54,5–59, Dicke 16 cm. Buchstabenhöhe 1,5–2, Zeilenabstand ca. 1 cm (Abb. 2). Inv.-Nr. IN 59.4. {SEG XLIII 863} ?ἱδρυ] μένῳ Ἁδριανείῳ ỊΕ̣ [ ] τα καὶ συνησϑέντες [ὑμῖν τῆς πρὸς? τὸν] ἄνδρα εὐφορίας αὐτὰ τε ˌ _ _ ˌ Ε.Α̣Μ̣ΕΝ 4 εὐχόμενοι ἀεὶ τῶν αὐτόϑεν ἐπιδημούν των ἐνταῦϑα τοιούτων πειρᾶσϑαι. Ἐρρῶσϑαι ὑμᾶς τοῖς πατρίοις ϑεοῖς εὐχόμεϑα. Z. 1 Ende: nach ΩΙ schwacher Strichansatz; von Robert als Teil eines Ω notiert, nach dem Abklatsch aber eher ein E. Z. 3: nach TE unteres Stück einer senkrechten Haste am linken Buchstabenrand (Π, N, K, Γ, kaum T), dann zwei waagerechte Striche (E oder Σ, allenfalls Ω), unteres Ende einer Senkrechten, danach vermutlich ε.αμεν. Eine sinnvolle Wortergänzung ist mir noch nicht gelungen.
Ich will zunächst nicht auf die Inschrift eingehen, sondern gleich zum Text Nr. 2 kommen. Das ist nämlich, überraschenderweise erst bei näherer Inspektion 1989 von mir entdeckt, ein Text auf der Rückseite des Brieffragments, auf der nicht ganz leicht zugänglichen Innenseite des Wasserbassins. Als Robert 1959 die Vorderseite aufnahm, war offenkundig das Becken noch nicht freigeräumt, und später ist kein Epigraphiker mehr darüber geraten. Dieser Innenseitentext ist zum Glück erheblich aussagekräftiger als der Briefschluß auf der Vorderseite; er enthält, wenn auch seinerseits wieder nur als Schlußstück, ein Dokument von reizvoller Lebendigkeit:
4a [Korrekturzusatz: Der Befund der Kammer ist beschrieben in dem Vorbericht im Bulletin of the American Schools of Oriental Research 157 (1960) 32 f. mit Fig. 18, wobei es heißt: „We assume that in its latest phase the shop was converted into a chapel or baptistry.“ Die inzwischen erschienene Publikation von J. Stephens Crawford, The Byzantine Shops at Sardis (Monograph 9, Cambridge/Mass. – London 1990) war mir noch nicht zugänglich.]
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2. Rückseite von Nr. 1, oben gebrochen. Höhe des beschriebenen Teils 43 cm. Buchstabenhöhe 2, Zeilenabstand ca. 1 cm (Abb. 3). {SEG XLIII 864}
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[ ] λ̣ειπέσϑω · ἐπερώτ[ησεν - - - - - - -] ὁ πρόεδρος · δοκεῖ γραφῆναι τ[οῖς] κρατίστοις Σαρδιανοῖς ὑπὲρ το̣ [ῦ] 4 ἀξιολογωτάτου Πολυβίου; · π̣ᾶσ̣[ιν?] · τί οἴεσϑε · ὑπομνηματισάσ̣[ϑω?] · εἰσκληϑεὶς εἶπε Πολύβιος · μεγ[α] λειοτέραν τῆς παρούσης μοι εὐ̣ 8 δαιμονίας οὐδεμίαν ἄλλην κρίν[ω], ἄνδρες Ἀρεοπαγεῖται · παρ’ ὑμῖν ε̣ [ὐ] τύχηκα καὶ στῆναι καὶ εἰπεῖν κα[ὶ] τῆς ἀφ’ ὑμῶν ἀπολαῦσαι μαρτυ[ρί] 12 ας ἧς ποτε τυχόντες μέγα ἐφ[ρό] νησαν καὶ ϑεοί · ἐξεβόησαν · ἄξιος · Ζ. 4 und 5 Ende: zum Problem der Ergänzungen siehe weiter unten im Text.
Der Text bietet den Schluß eines Sitzungsprotokolls des athenischen Areopags, was zum Glück durch die in Z. 9 erhaltene Anrede eindeutig gesichert ist. Es ist eine schon bekannte Tatsache, daß besonders seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. in griechischen Dokumenten statt des traditionellen Urkundenformulars, also vor allem des Typus der Dekrete, sich Protokolle (das französische procès-verbal ist ein noch passenderer Ausdruck) auszubreiten beginnen, in der Untersuchung der griechischen Volksbeschlüsse durch Heinrich Swoboda seinerzeit als „Ausartung des Urkundenstils“ dingfest gemacht5. Unser Text läßt mehrere charakteristische Aspekte dieser Gattung hervortreten: am Anfang bis Z. 5 die Verhandlung, mit der leitenden Rolle des Vorsitzenden (πρόεδρος), der die Versammlung befragt, und, wie ich meine, resümierenden Formen der Beantwortung durch das Kollektiv, vielleicht Zurufe6. Der „Personen5 Heinrich Swoboda, Die griechischen Volksbeschlüsse. Epigraphische Untersuchungen (Leipzig 1890) 218. Zu dem Phänomen s. auch Théodore Reinach, BCH 20 (1896) 540 ff.; Adolf Wilhelm, AEMÖ 20 (1897) 79 ff.; dens., Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde (Wien 1909) 136 und 279 f.; dens., ÖJh 17 (1914) 21 f. (Kl. Schr. II 1, 487 f.); Louis Robert, Hellenica X (1955) 62. 6 Man vgl. die Formel ἐπερώτησεν ὁ πρόεδρος in der Inschrift der athenischen Iobakchen (s. Anm. 11) IG II2 1368, 20 und in der Areopagurkunde für M. Ulpius Eubiotos bei James H. Oliver, The Sacred Gerusia, Hesperia Suppl. 6 (1941) 128 n. 31 nach der Ergänzung von B. D. Meritt, Hesperia 32 (1963) 29 (SEG XXI 506). Zur Rolle des ἐπερωτᾶν bzw. des ἐπερώτημα speziell beim Areopag vgl. Bruno Keil, Beiträge zur Geschichte des Areopags, SBLeipzig 71/8 (1919) 36–42; Daniel J. Geagan, The Athenian Constitution after Sulla, Hesperia Suppl. 12 (1967) 45–47.
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wechsel“ ist offensichtlich durch Punkte angedeutet. Allerdings muß ich gestehen, daß mir die Ergänzung der Zeilenenden 4 und 5 noch Kopfzerbrechen bereitet. In Z. 4 vermute ich die Feststellung, daß „alle“ zustimmten, was in einigen anderen Dokumenten dieser Art mit πάντες ἐπῆραν (τὴν χεῖρα) wiedergegeben ist7. Und in Z. 5 steht auf jeden Fall eine Verbform von ὑπομνηματίζω, was in einem Beschluß des Areopags auch ganz am Platze ist, denn ein Beschluß dieses Gremiums heißt terminologisch ein Hypomnematismos, wie schon eine Cicero-Briefstelle schön bezeugt (ad fam. XIII 1, 5): decretum illud Areopagitarum, quem ὑπομνηματισμόν illi vocant. Den Begriff, dessen verbale Form sonst nur einmal mit nicht ganz deutlicher Endung belegt ist, hat nach Bruno Keil vor allem Daniel Geagan in seinem Buch über die athe|nische Verfassung nach Sulla von 1967 eingehend untersucht8. Mein Übersetzungsversuch ist also noch mit Vorbehalten zu versehen: „Der Vorsitzende stellte die Frage: ,Scheint es gut (= beschließt ihr), den vortrefflichen Sardianern bezüglich des hochehrenwerten Polybios zu schreiben?‘ ,Allen!‘ ,Was ist euere Meinung? ‚Man lasse es protokollieren!‘“. Der Mann, dem der Beschluß gilt, ein gewisser Polybios, wird dann hereingerufen und tritt selbst mit einer kurzen Ansprache vor dem Areopag auf (Z. 6–13), die in ihrer gedrechselten Rhetorik und in ihren Übertreibungen ein amüsantes Beispiel gestelzter Feierlichkeit ist: „Areopagiten, ein größeres Glück als das mir eben zuteil werdende kann ich mir gar nicht vorstellen. Es ist mir vergönnt, vor euch zu stehen, zu euch zu sprechen und den Genuß der mir durch euch bezeugten Anerkennung (μαρτυρία) zu erfahren. Waren doch einst selbst Götter von Stolz erfüllt, wenn ihnen diese zuteil wurde.“ (In dieser letzten Aussage dürfte eine präzise Anspielung auf eine
7 So in der Iobakcheninschrift (s. Anm. 11) IG II2 1368, 24 und in dem athenischen Psephisma für M. Ulpius Eubiotos bei Oliver, The Sacred Gerusia n. 31, 30, wo jeweils vorausgegangen ist die Aufforderung des Vorsitzenden: ὅτῳ δοκεῖ κύρια εἶναι τὰ (ἀν)εγνωσμένα (δόγματα) …, ἀράτω τὴν χεῖρα. Man vgl. die etwas veränderte Formulierung in dem Duplikat zu letzterem bei B. D. Meritt, Hesperia 32 (1963) 27 Z. 20. Entsprechend wollte Adolf Wilhelm, Beiträge 136 [πάντες ἐπῆραν] in einem später von A. Salač, BCH 46 (1922) 184 veröffentlichten Dokument eines Kultvereins aus Athen (SEG I 52) ergänzen. In dem Fragment aus Sardeis muß die Frage in dem δοκεῖ enthalten sein, worauf als Antwort dann nach meiner Vermutung nur πάντες oder besser, auf δοκεῖ bezogen, πᾶσι folgen kann (wegen des knappen verfügbaren Raumes am Ende von Z. 4), wobei der Punkt vor Π auf den Subjektwechsel weist. Daß πᾶσι noch ein Element der Frage des Vorsitzenden bilden könnte, halte ich für weniger wahrscheinlich. 8 Zum ὑπομνηματισμός des Areopags Bruno Keil (s. Anm. 6) 14–26 und Daniel Geagan (s. Anm. 6) 41 ff. Man vgl. auch die Übersendung eines ὑπομνηματισμός in dem Trostdekret des Areopags für den früh verstorbenen T. Statilius Lamprias aus Epidauros IG IV I2, 83, 18. Die Verbform erscheint in dem Eubiotos-Dekret Oliver, The Sacred Gerusia n. 31, 56 ὑπομνηματίσα[σϑαι δὲ …, was Oliver freilich später (Hesperia 20 [1951] 353) übereinstimmend mit IG II2 1064, 13 zur aktiven Form ὑπομνηματίσαι̣ [δὲ … veränderte. Die Abbildung des Abklatsches ebenda Plate 101 läßt m. E. eine Entscheidung nicht zu. In dem Fragment von Sardeis muß die mediale Form verwendet worden sein, wobei außer dem Imperativ nur noch der Infinitiv in Betracht zu kommen scheint. Ich bin aber zu keiner sicheren Erklärung gekommen, wie der Imperativ der 3. Person hier zu verstehen ist, speziell als Antwort auf die vorausgehende Frage τί οἴεσϑε.
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mit der älteren Geschichte des Areopags verbundene Episode enthalten sein, deren ‚Entschlüsselung‘ mir allerdings noch nicht gelungen ist.) Auf die Rede des Geehrten folgt dann als Abschluß, auch dies wieder charakteristisch für dieses Genre, die Akklamation9 durch die Versammlung: ἄξιος, „Du bist dessen würdig!“ Wir kennen seit längerem ein fragmentarisches Areopag-Dekret für einen gewissen Ulpius Eubiotos von ca. 230 n. Chr., in dem in Protokollstil ähnliche Elemente enthalten sind10; noch ausgeprägter findet man sie im Eingang der bekannten Iobakchen-Inschrift aus Athen aus dem letzten Drittel des 2. Jhdt.s11, aber auch etwa ein auf Papyrus erhaltenes Protokoll einer Gemeindeversammlung in Oxyrhynchos von ca. 300 (P. Oxy. 41) bezeugt die weite Verbreitung. In Oxyrhynchos gibt es übrigens einen sehr ähnlichen Zuruf an den geehrten Prytanen: πολλῶν ψηφισμάτων ἄξιος12. Auch sonst besitzen wir in Akklamationen häufigere Belege gerade für den hier verwendeten Begriff13. Der Neufund fügt sich also gut den schon bekannten Beispielen an. Bedauerlich | ist es aber natürlich, daß der Anfangsteil des Dokuments, in dem ja die Verdienste des Polybios angeführt worden sein müssen, verloren gegangen ist. Demselben Polybios muß aber auch der Text auf der anderen Seite der Stele gelten, auf den freilich nur mit der üblichen Wendung τὸν ἄνδρα (statt αὐτόν)14 hingewiesen wird. Die Gleichheit der Schrift macht die Zugehörigkeit so gut wie sicher. Hier steht freilich noch weniger: Geäußert wird die Mitfreude über die dem Mann zuteil werdende εὐφορία. Für dieses hier verwendete Wort habe ich bisher überhaupt noch keinen inschriftlichen Beleg finden können, und die literarischen Belege (εὐφορία καρπῶν ist eine charakteristische Verbindung: ‚reichlicher Ertrag‘ an Früchten) helfen kaum zur Erschließung des hier gemeinten Wortsinnes, mit Ausnahme eines Philodem-Fragments vielleicht, wo der Begriff mit μεγάλη εὔνοια gekoppelt erscheint: ,contentment‘ nach Liddell – Scott – Jones, ἱκανοποίησις oder εὐχαρίστησις 9 Zu diesem Thema vgl. jetzt den materialreichen Aufsatz von Charlotte Roueché, Acclamations in the Later Roman Empire, JRS 74 (1984) 181–199. Dort S. 186 auch die Aussage: „They are introduced with words such as exeboēsan, standard terminology for acclamations.“ Zur Bedeutung von βοᾶν und seinen Komposita in solchem Zusammenhang s. auch A. Wilhelm, ÖJh 17 (1914) 25 f. 10 James H. Oliver, The Sacred Gerusia, Hesperia Suppl. 6 (1941) 125 ff. n. 31 und 32. Dazu die Ergänzungen von Oliver, Hesperia 20 (1951) 350–354 und B. D. Meritt, Hesperia 32 (1963) 26–30 (SEG XXI 505–6). 11 IG II2 1368; Syll.3 1109; Franciszek Sokolowski, Lois sacrées des cités grecques (Paris 1969) 95 n. 51. Zur Frage der Datierung s. zuletzt Walter Ameling, ΖPΕ 61 (1985) 133–136. 12 P. Oxy. 141 Z. 8 und 20. 13 Als neuestes Beispiel sei die von Hasan Malay veröffentlichte Inschrift der Pylitai aus dem Raum von Tralleis mit den dort verzeichneten Akklamationen der Bule aus der 2. Hälfte des 3. Jhdt.s genannt: EpigrAnat 11 (1988) 53 {SEG XXXVIII 1172; XLII 1024} Z. 11–13, wo im Kommentar S. 55 bibliographische Hinweise gegeben werden. Man vgl. etwa auch noch das bei Ch. Roueché, JRS 74 (1984) 188 wiedergegebene Zitat aus Eusebius, h. e. 6, 29 mit der Akklamation ἄξιον. 14 Für die Verwendung von τὸν ἄνδρα im Sinne von αὐτόν vgl. Maurice Holleaux, Études d’épigraphie et d’histoire grecques I (Paris 1938) 147 f.; Louis Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure grécoromaine I (Paris 1963) 489 mit Anm. 3.
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nach dem großen griechischen Lexikon von Dimitrakos15. Weiter wird in dem Brieftext der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß man immer mit von dort kommenden, hier zu Besuch weilenden Personen so gute Erfahrungen machen könne, worauf dann die Grußformel folgt. Diese Grußformel ist es nun allerdings, die für mich den Schlüssel zur richtigen Deutung des Brieffragments geliefert hat. Ich war zunächst irgendwie auf die Annahme fixiert, es sei das Ende eines Kaiserbriefes. Nun ist ja soeben das große Sammelwerk der in griechischer Sprache erhaltenen römischen Kaiserbriefe des verstorbenen James Oliver erschienen, in dem eine nützliche Zusammenstellung der Formelelemente dieser Dokumentation vorausgestellt ist. Und aus dieser geht klar hervor, daß die Grußformel ἐρρῶσϑαι ὑμᾶς εὔχομαι oder εὐχόμεϑα bei Kaisern nicht gebräuchlich ist16. Sie findet sich in den Schreiben römischer Magistrate (z. B. häufiger in der großen Dokumentation für Opramoas im lykischen Rhodiapolis TAM II 905), einmal aber auch in einem Schreiben des Archons der Panhellenen und der Panhellenen an die ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἕλληνες, also den Landtag von Asia (OGI 507)17. Das Konvolut der in Aizanoi an die Tempelwand geschriebenen Urkunden von 156–8 zugunsten des M. Ulpius Appuleius Eurykles, in den der besagte Brief hineingehört, erweist sich dann überhaupt als in mancherlei Hinsicht erhellende Parallele für den Neufund aus Sardeis. Denn dieses enthält neben zwei Briefen der Panhellenen und einem Kaiserbrief ebenfalls ein Schreiben des Areopags (in diesem Falle | freilich kein Protokoll) an die Stadt18. Ich sehe es als sicher an, daß der Absender des Briefes aus Sardeis auch die Panhellenen sind. Eine kleine Bestätigung könnte sein, daß die seltene GenetivKonstruktion mit συνήδομαι sich gerade auch in einem der Panhellenenbriefe aus
15 Philodem, περὶ παρρησίας fr. 36, 2 Olivieri: καὶ τὸ δ[ι’ ἀλ]λήλων σώ‹ι›ζεσϑαι πρὸς εὐφορ‹ί›αν καὶ μεγάλην εὔνοιαν ἐφόδιον ἡγουμένους … Im Lexicon Philodemeum von C. J. Vooys (Purmerend 1934) 137 wird der griechische Begriff mit commoditas übersetzt. Die Wiedergabe mit ἱκανοποίησις, εὐχαρίστησις bei D. Dimitrakos, Μέγα Λέξικον ὅλης τῆς Ἑλληνικῆς γλώσσης Bd. 6 (1964) 3131. Vor τὸν] ἄνδρα εὐφορίας scheint mir eine Ergänzung mit πρὸς oder εἰς wahrscheinlicher als etwa διά, womit dann die εὐφορία die der Adressaten, also der Sardianer, wäre. [Korrekturzusatz: Soeben ist bei B. İplikçioğlu – G. Çelgin – A. V. Çelgin, Neue Inschriften aus Nord-Lykien I (SBWien Bd. 584, 1992) 20 n. 7 ein Beleg für εὐφορία aufgetaucht. Ein Priester bringt eine Weihung dar ἐπὶ τῇ γενομένῃ αὐτοῦ εὐφορίᾳ, „für Segen und Erfolg bei seiner Amtsführung“. Unter dem Eindruck dieses Belegs neige ich nun doch zur Ergänzung von διά und demnach Beziehung der εὐφορία („Gedeihen“) auf Sardeis.] 16 James H. Oliver, Greek Constitutions of the Early Roman Emperors from Inscriptions and Papyri, Philadelphia 1989, 16 f. Reiche Materialsammlung aus dem Briefmaterial insgesamt bei Ferdinand Ziemann, De epistularum Graecarum formulis sollemnibus quaestiones selectae, Diss. Halle 1910, 335 ff. in dem Kapitel De formula ἔρρωσο eiusque commutationibus. 17 OGI 507; IGR IV 576; J. H. Oliver, M. Aurelius (s. Anm. 20) 115 n. 30, 12 ἐρρῶσϑαι ὑμᾶς εὔχομαι. 18 OGI 504–507; s. auch Oliver, M. Aurelius (s. Anm. 20) n. 28–30. Als neues Zeugnis für Eurykles ist seine Nennung in der von Friederike Naumann publizierten Ehreninschrift IstMitt 35 (1985) 218 Z. 24 ff. (SEG XXXIV 1365) hinzugekommen. Zur Person und Karriere des Mannes F. Naumann, a. a. O. 224–4; A. J. Spawforth – Susan Walker, JRS 75 (1985) 89 f. sowie B. Levick und St. Mitchell, MAMA IX (1988) 14 f. zu n. 31. [Korrekturzusatz: s. jetzt besonders Michael Wörrle, Chiron 22 (1992) 337–368.]
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Aizanoi wiederfindet19, und auch die ungewöhnliche Nennung der πάτριοι ϑεοί in der Grußformel von Sardeis scheint mir gut für die Versammlung der Hellenen zu passen, wo damit gleichsam ein gemeinsamer Nenner für die jeweils verschiedenen lokalen Stadtgottheiten gewählt ist. Wir treffen hier also auf die bekannte romantische, der Vergangenheit verhaftete Institution Hadrians von 132, die einen großen Teil der sich zum Hellenentum bekennenden und in dieser Auffassung anerkannten griechischen Städte umfaßt hat und deren nicht ganz wenige dokumentarische Zeugnisse ebenfalls der verdiente James Oliver 1970 zusammengetragen hat20. Ich möchte vermuten, daß Polybios, von dessen Aufenthalt in Athen ja der Brief spricht, so wie Eurykles von Aizanoi als Panhellene, also als Delegierter, seine Heimatstadt Sardeis vertreten hat. Beziehungen zwischen Sardeis und dem Panhellenion waren schon länger durch zwei kaiserzeitliche Inschriftenfragmente aus Athen bekannt (Oliver, M. Aurelius n. 45). In ihnen ist offenbar von einem der Verschönerung von Sardeis dienenden Gebäude die Rede gewesen21. Ist es eine zu kühne Vermutung, daß damit eben ein in Sardeis zu Ehren des Kaisers errichtetes Hadrianeion gemeint sein könnte, das uns – freilich in undeutlichem Zusammenhang – am Beginn des neuen Brieffragments begegnet? Es kann darauf hingewiesen werden, daß auch für das lydische Thyateira Beziehungen zum Panhellenion durch ein langes Dekretfragment in Athen bezeugt sind und zugleich die Existenz eines Ἁδριανεῖον am Ort selbst nachgewiesen ist (TAM V 2 n. 1180 bzw. 982, 19)22. Mit der Erwähnung des Ἁδριανεῖον und der Zuweisung des Brieffragments | an die Panhellenen haben wir auch einen terminus post quem für
19 OGI 504, 5 (Oliver, M. Aurelius 113 n. 28) ὑμεῖν συνήδεσϑαι τῆς τῶν τοιούτων πολιτῶν κτήσεως. 20 James Η. Oliver, The Attic Panhellenion, in M. Aurelius. Aspects of Civic and Cultural Policy in the East, Hesperia Suppl. 13 (1970) 92–138; dazu ergänzende Ausführungen von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1972 n. 139, wo auf die Notwendigkeit der „élaboration des légendes artificielles de fondation hellénique“ für die Aufnahme hellenisierter Städte des Ostens (wie auch Sardeis) hingewiesen und für die Idee der Institution auf das (im 4. Jhdt. v. Chr.?) in Plataiai angesiedelte κοινὸν συνέδριον τῶν Ἑλλήνων zurückverwiesen wird (vgl. Roland Étienne – Marcel Piérart, BCH 99 [1975] 51–75 sowie J. H. M. Strubbe, AncSoc 15–17 [1984–6] 280–284). Allgemein jetzt auch A. J. Spawforth – Susan Walker, The World of the Panhellenion, JRS 75 (1985) 78–104. 21 Oliver, M. Aurelius n. 45, 7 γε]νέσϑαι κάλλος ταῖς Σάρδεσιν. Dazu schon die auf Dittenberger zurückgehende Bemerkung in der älteren Publikation des einen Fragments IG II2 1089: „Videtur agi de aedificiis aliisque rebus quibus Sardes urbs exornata erat munificentia nescio cuius.“ 22 Ob die Parallelität zwischen beiden Städten auch auf die Existenz von Hadrian gewidmeten Agonen ausgedehnt werden kann, ist unsicher: während in Thyateira (μεγάλα) Ἁδριανὰ Ὀλύμπια sicher bezeugt sind (TAM V 2 n. 1026; IvSmyrna 668, 4), ist der in Sardeis nur unsicher nach einer von 1670 stammenden Notiz von Thomas Smith erwähnte penteterische Agon, der Hadrian als νέος Διόνυσος gewidmet gewesen zu sein scheint, vielleicht eher als ein Fest des dortigen Technitenvereins anzusehen: Sardis VII 1 n. 14 im Vergleich mit n. 13. Man vgl. im übrigen die Liste der für Hadrian eingerichteten Kulte in Kleinasien bei Marcel Le Glay, BCH 100 (1976) 359–364. Auch die Annahme, daß die Institutionen in Thyateira und Sardeis auf den Besuch des Kaisers im Jahre 123 zurückgehen (so Wilhelm Weber, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus [Leipzig 1907] 139), bleibt letztlich nur eine Vermutung (Helmut Halfmann, Itinera principum [Stuttgart 1986] 200).
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die Polybios-Dokumente gewonnen: jedenfalls nach 132, vielleicht um die Jahrhundertmitte, also zeitlich benachbart zu Eurykles von Aizanoi, was mit der Schrift gut zu vereinbaren ist. So wie für Eurykles in Aizanoi war also für Polybios in Sardeis offenbar eine aus den μαρτυρίαι, den „Zeugnissen“ oder Anerkennungsschreiben23, bestehende Dokumentation zusammengestellt worden, aus der uns gerade zwei Fragmente überkommen sind. Über Eurykles wissen wir aber noch mehr durch Funde in Ephesos und Aphrodisias: Danach ist er später noch λογιστής, also curator, der Gerusie von Ephesos geworden (IvEphesos 25), curator der Stadt auch in Aphrodisias, dazu jedenfalls zweimal Archiereus Asias (Reynolds, Aphrodisias and Rome n. 57). Wie steht es um unseren Polybios, weiß man noch mehr auch über ihn? Ich glaube ja. Es scheint mir nämlich sehr wahrscheinlich, daß er mit dem Asiarchen und zweimaligen Logisten, curator, auf einer Inschrift aus Attaleia in Nordwestlydien zu identifizieren ist (TAM V 2 n. 828 C 11), der sich dort mit einer testamentarischen Stiftung zu befassen hatte24. Die Parallele ist bezeichnend: in beiden Fällen die kaiserlichen Vertrauensämter im städtischen Bereich und die hohe Stellung beim Landtag der Provinz. Aber die Parallele geht noch einen Schritt weiter: In einer Zusammenstellung aller bekannten Archonten bzw. Mitglieder der Panhellenen haben kürzlich A. J. Spawforth und Susan Walker (JRS 75 [1985] 88) auf den schon von Oliver formulierten Eindruck hingewiesen, daß sich unter diesen Vertretern in höherer Zahl „men of culture“ befunden hätten, wie denn auch von Eurykles aus Aizanoi ausdrücklich seine παιδεία gerühmt wird. Und in der Tat haben wir auch von unserem Polybios ein charakteristisches Zeugnis seiner παιδεία in Gestalt einer schon 1914 in Sardeis gefundenen Aufschrift auf einer Basis, die ein Porträt Ciceros getragen haben muß (Sardis VII 1 n. 49 {Merkelbach – Stauber, SGO I 04/02/05}) und die von den Herausgebern etwa in die Mitte des 2. Jhdt.s n. Chr. datiert worden ist:
Σὴν ἱερὴν κεφαλήν, Κικέρων, εὑρὼν ἀνέϑηκα Ἕλλην Πουλύβιος Ῥωμαϊκῶν προκρίτου. (Nach der englischen Übersetzung: „Thy sacred head, Cicero, I procured and set up, I Polybios a Greek that of a chief among Latins.“)
23 Zur Rolle der μαρτυρία vgl. Louis Robert, Hellenica XIII (1965) 207 mit Anm. 5; André Balland, Fouilles de Xanthos. Tome VII: Inscriptions d’époque impériale du Létôon (Paris 1981) 258 mit Anm. 2; C. P. Jones, Chiron 12 (1982) 138–144. 24 TAM V 2 n. 828 C 8–13 καϑὼς καὶ ὁ ἀξιολογώτατος Ἀσιάρχης καὶ λογιστὴς τὸ βʹ Πολύβιος ἐντευχϑεὶς ἀπεφήνατο. Dazu habe ich im Kommentar noch geschrieben: „Polybius asiarcha, qui idem curam civitatis Attaliae egit, aliunde ignotus.“ Der Name Πολύβιος ist in Lydien nicht ganz selten (s. Christian Naour, Travaux et Recherches en Turquie 2 [1982] 76 Anm. 104), aber an der Identität mit dem derselben sozialen Schicht (in beiden Fällen mit dem Epitheton ἀξιολογώτατος bedacht: s. dazu Louis Robert, Hellenica III [1946] 17 Anm. 3) angehörigen Mann aus Sardeis wird nicht zu zweifeln sein.
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Der hohe Anspruch, der sich hier in der Koppelung des Hellenen Polybios mit dem römischen πρόκριτος Cicero im Pentameter des Epigramms bekundet, ist von den Herausgebern Buckler und Robinson mit der Vermutung konkretisiert worden, der Mann aus Sardeis könne mit einem Πολύβιος Σαρδιανός genannten Autor gleichgesetzt werden, von dem in verschiedenen Handschriften Fragmente mehrerer rhetorischer | Traktate erhalten sind, etwa unter dem Titel περὶ βαρβαρισμοῦ καὶ σολοικισμοῦ. Ich verweise auf den RE-Artikel von Carl Wendel, wo er mit der Charakterisierung eingeführt wird: „ein Rhetor aus Sardes, dessen Zeit nicht bestimmt werden kann“25. Die Fortschritte der Epigraphik, ihre unermüdlich sprudelnde Quelle an neuen Informationen, können uns heute wohl nicht nur die zeitliche Einordnung des Mannes ermöglichen, sondern – wenn auch immer noch fragmentarisch – auch einige Umrisse seiner Persönlichkeit vor uns erstehen lassen. Darüber hinaus – und damit kann ich zum Schluß den großzügigen Titel meines Beitrags doch noch etwas rechtfertigen – hat sich in diesem Detailfund auch wieder einmal die notwendige überregionale Dimension der epigraphischen Arbeit verdeutlicht.
Abb. 1: „Byzantine Shop“ W 8: Inschriften IN 59.3, 59.4 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College 25 Carl Wendel, RE XXI 2 (1952) 1580 n. 14. Für die Liste der mit seinem Namen verbundenen Traktate kann die alte Aufzählung von Friedrich Schoell, Geschichte der Griechischen Litteratur2 III (Berlin 1830) 180 (im Abschnitt: Byzantinische Grammatiker) zitiert werden: „Von Polybios aus Sardes, einem unbekannten Schriftsteller, besitzen wir grammatische Aufsätze Vom Soloecismus, Περὶ σολοικισμοῦ, Von dem uneigentlichen Ausdrucke, Περὶ ἀκυρολογίας, Von den Figuren der Rede, Περὶ σχηματισμοῦ, und Von den Arten der Construction, Περὶ τῶν τῆς κατασκευῆς εἰδῶν.“
11 Epigraphische Forschungen in Lydien (Polybios aus Sardeis)
Abb. 2: Brieffragment IN 59.4 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
Abb. 3: Dekretfragment IN 59.4 (Rückseite) © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
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12 Sardeis zur Zeit der iulisch-claudischen Kaiser Ein wesentliches Element im Geschäft des Epigraphikers besteht ohne Zweifel darin, von seinem Material aus zu einer Rekonstruktion vergangener Gegenwärtigkeit beizutragen, und zwar in kombinatorischem Vorgehen, das auch immer die literarische Überlieferung und ebenso die numismatische Hinterlassenschaft einbezieht. Wenn ich dieses Prinzip im Hinblick auf die Aufhellung der Geschichte von Sardeis in Anwendung bringen will, so ist zunächst von der Materialbasis her zu sagen, daß uns für die Münzprägung das Gesamtcorpus noch fehlt, das wir jedenfalls für die kaiserzeitliche Prägetätigkeit von Ann Johnston erwarten, daß uns aber für die literarische Überlieferung eine gute Grundlage zur Verfügung steht in der Sammlung der „Ancient Literary Sources on Sardis“ von John Griffith Pedley (1972). Dort wird immerhin eine beachtliche Summe von 307 Quellenstellen, die sich auf Sardeis beziehen, dargeboten. Trotzdem ist die Verdichtung auf historisch relevante Episoden und eine dafür erreichbare eingehendere Berichterstattung relativ begrenzt. Es ist vielleicht charakteristisch für das Schicksal dieser Stadt, daß es sich dabei vorwiegend um eine Serie von Katastrophen handelt. Es beginnt mit dem Untergang des Kroisos und der Eroberung von Stadt und Reich durch Kyros 547 v. Chr., worüber Herodot I 84 ausführlicher berichtet, mit dem Schlußsatz οὕτω δὴ Σάρδιές τε ἡλώκεσαν καὶ πᾶν τὸ ἄστυ ἐπορϑέετο. Derselbe Herodot ist der Gewährsmann für die nächste Katastrophe, die Sardeis als Angriffsziel der revoltierenden Ionier 500 oder 499 ereilte (V 100–101). Zwar konnte die Akropolis nicht genommen werden, aber in der von den Griechen eroberten Stadt kam es zu einem verheerenden Brand, καὶ Σάρδιες μὲν ἐνεπρήσϑησαν sind hier die abschließenden Worte des Historikers. Glimpflich ging immerhin die Eroberung durch Alexander 334 ab, da der persische Kommandeur Mithrines beim Anrücken des Makedonen kapitulierte (Arrian Anab. I 17). Der nächste Zeuge ist Polybios mit seinem ausführlichen Bericht über die langdauernde Belagerung des auf der Akropolis eingeschlossenen Achaios durch Antiochos III. 216–214 und über die im Zusammenhang dieser Operationen erfolgte Einnahme der Stadt (VII 15–18). Hierzu wieder nur das Resümee bei Polybios (Übersetzung H. Drexler): „Das übrige Heer drang von allen Seiten ein und besetzte die ganze Stadt. Nun machten die einen nieder, was ihnen in den Weg kam, andere zündeten die Häuser an, noch andere gingen daran, zu plündern und Beute zu machen, und so war das Ende die vollständige Ausplünderung und Vernichtung der Stadt“ (ἐγίνετο παντελὴς ἡ τῆς πόλεως καταφϑορὰ καὶ διαρπαγή). Hierzu besitzen wir ja nun seit wenigen Jahren in idealer Weise die epigraphische Komplementär-Darstellung in Gestalt der vom Metroon stammenden Blöcke mit der Dokumentation über die von Antiochos und Laodike gewährten Hilfen und Vergünstigungen in der Wiederaufbauphase der Stadt, für den συνοικισμὸς τῆς
E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien (Asia Minor Studien 17), Bonn 1995, 21–36 und 8 Abbildungen.
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πόλεως, wie es da heißt, bzw. die ἐπανόρϑωσις: Ph. Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes II (1989). Die Einnahme der Stadt durch die Römer, 24 Jahre später in der Auswirkung des Sieges von Magnesia, verlief dann glücklicherweise ohne Zerstörungen, da man consensu oppidanorum et militum, wie Livius XXXVII 44, 7 schreibt, dem Konsul Scipio die Übergabe der Stadt angetragen hatte. Unter der Pax Romana ereilte die Stadt dann 17 n. Chr. völlig überraschend die große Naturkatastrophe des Erdbebens, das uns durch Tacitus anschaulich geschildert wird (Ann. II 47). Damit bin ich in der Zeitspanne, der frühen Kaiserzeit, auf die ich in meinen Ausführungen et|was näher eingehen möchte.1 Bevor wir uns aber auf dieses Ereignis von 17 n. Chr. und seine Nachwirkungen konzentrieren, sei ein kurzer Rückblick auf die Haltung von Sardeis beim Eintritt in die Kaiserzeit vorgeschaltet. Es ist klar, daß die Triumviratzeit zunächst die Zugehörigkeit zum Herrschaftsbereich des Antonius brachte. Von ihr gibt es in Sardeis immerhin epigraphische Spuren. Sie beziehen sich auf die relativ unscheinbare, in Sardeis aber in größerer Zahl erhaltene Materialgruppe der Aschenkisten oder Ostotheken, cinerary chests, kleinen Behältern in Sarkophagform. Diese enthalten in der Regel auf dem Deckel eine Inschrift, die mit der Datumsangabe beginnt, dabei das Jahr durch einen Eponym bezeichnet. Das ist in Sardeis der Stephanephor oder der Roma-Priester. Die genauere Chronologie der Ablösung des einen Prinzips durch das andere ist nicht bekannt. R. K. Sherk, der ja kürzlich eine Zusammenstellung der „eponymous officials of Greek cities“ vorgenommen hat, setzt, wie schon W. H. Buckler und D. M. Robinson im Inschriftenband Sardis VII 1 von 1932 (111 u. ö.), die Aufgabe der Datierung nach dem Roma-Priester und Rückkehr zur Stephanephoren-Datierung in die Regierungszeit des Augustus (ZPE 93, 1992, 244). Ich kann hier immerhin mit einem interessanten Neufund aus der amerikanischen Grabung aufwarten: IN 69.8 mit der Inschrift für einen im Alter von 50 Jahren verstorbenen Athenaios, Sohn des Athenion2 (Abb. 1): {SEG XLV 1652}
1 Außer den Abkürzungen gemäß AA 1992, 743 ff., der Archäologischen Bibliographie sowie der Année Philologique werden hier verwendet: Hanfmann G. M. A. Hanfmann, Sardis from Prehistoric to Roman Times (1983). Sardis VII 1 W. H. Buckler – D. M. Robinson, Sardis VII 1. Greek and Latin Inscriptions (1932). Die folgenden Ausführungen gehen im Kern auf ein kurzes Referat zurück, das ich gelegentlich meines Aufenthaltes in Sardeis im Sommer 1989 vor den Teilnehmern der Sardis-Expedition gehalten habe. Ich habe erneut Veranlassung, dem Leiter der Grabung, Crawford H. Greenewalt, Jr., für die Einladung zur Arbeit an dem Inschriftenmaterial von Sardeis und für die gastfreundliche Aufnahme am Ort herzlich zu danken. Bei der Ausarbeitung dieses Beitrags kamen mir die Unterlagen und Notizen aus dem Nachlaß von Louis Robert zustatten, die mir von Jeanne Robert in großzügigster Weise überlassen worden sind. Auch dafür bekunde ich meinen aufrichtigen Dank. 2 Der Deckel hat die folgenden Maße: H. 41 cm, B. 51 cm, D. 9,5 cm; Buchstabenhöhe ca. 2 cm. Das Stück wurde nach Ausweis der Grabungsinventare zusammen mit weiteren 4 Ostotheken-Deckeln durch einen Bewohner von Sart Mustafa in das Grabungsdepot gebracht mit dem Hinweis: „from someone who reputedly brought them from ‚over the mountain‘“.
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Ἐπὶ στεφανηφόρου καὶ ἱερέως τῆς Ῥώμης Διονυσίου τοῦ Διονυσίου, φύσει δὲ Μηνογένου Ἡρακλείδου, μη(νὸς) Ξανδικοῦ ηʹ Καλ(άνδαις) Μαρτί(αις) Ἀϑήναιος Ἀϑηνίωνος ἐτελεύτησεν ἐτῶν ν̣ ʹ.
Hier fällt also die Verknüpfung der Stephanephoren-Funktion mit dem Roma-Priestertum auf, wobei ich allerdings nicht weiß, ob das das Anzeichen für eine Übergangsphase ist.3 Daß wir in | augusteischer Zeit, im Jahre 9 v. Chr. oder wenig später, sind, beweist eine auf das Monatsdatum des 8. Xandikos folgende, in schwachen Buchstaben eingegrabene Hinzufügung: Καλ(άνδαις) Μαρτί(αις). Das entspricht genau der durch den Kalendererlaß von 9 v. Chr. bewirkten Anpassung des kleinasiatischen an den römischen Kalender.4 In einer großen Zahl von Fällen wird allerdings die Jahresdatierung nur mit ἐπί, ohne Hinzufügung der Funktionsbezeichnung, gegeben, und dann können wir nicht sagen, um welches Amt es sich handelt (vgl. Sardis VII 1 n. 113). Eben das betrifft die in Sardeis greifbare Eponymie des M. Antonius. Ein Beispiel dafür war schon in einem von Buckler und Robinson veröffentlichten Fragment enthalten (Sardis VII 1 n. 129), ein weiteres vollständig erhaltenes bietet der OstothekenDeckel IN 69.105 (Abb. 2): {SEG XLV 1651} Ἐπὶ Μάρκου Ἀντωνίου τοῦ αὐτοκράτορος, μη(νὸς) Δείου Σωκράτης Ἱκεσίου ἐτῶν λϑʹ
3 Eine Doppeldatierung mit Nennung erst des ἱερεὺς τῆς Ῥώμης, dann des στεφανηφόρος, und zwar beide Male unter Angabe desselben Namens Ἀλέξαρχος, enthält auch die Inschrift Sardis VII 1 n. 93 auf einer der eigenartigen, beim Artemis-Tempel gefundenen marmornen Kugeln (balls), die von Schenkungen von Artemis-Priesterinnen Zeugnis geben (ebenda 91 f.). Auch für diesen Fall vermuteten die Herausgeber, daß Alexarchos im selben Jahr sowohl das Stephanephorenamt wie auch das Roma-Priestertum bekleidete. Man wird diesen Text wohl nicht, wie es bei Hanfmann 114 vorgeschlagen wird, in die Zeit zwischen 133 und 100 v. Chr. zu datieren haben, sondern eher so wie die oben mitgeteilte Inschrift in augusteische Zeit. Ob das Aufhören der Datierung nach dem Roma-Priester mit der Ausbildung des Kaiserkultes zusammenhängt? Vgl. auch R. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ. The Worship of the Goddess Roma in the Greek World (1975) 71 mit Anm. 294. 4 Vgl. dafür U. Laffi, StClOr 16 (1967) 5–98; dabei Zusammenstellung von Doppeldaten 75–81. Für die Gleichsetzung kann auf die Tabelle bei W. Kubitschek, Die Kalenderbücher von Florenz, Rom und Leyden, DenkschrWien 57 (1915) 44 verwiesen werden. 5 Der Deckel hat die Maße: H. 34,5 cm, B. 42,5 cm, D. 5,5 cm; Buchstabenhöhe 1,5 cm. Vorgezeichnete Ritzlinien. Für die Herkunft vgl. die Angabe zu IN 69.8 in Anm. 2.
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Buckler und Robinson haben für die Eponymie des Antonius vor allem an die Jahre 42/1 oder 33/2 v. Chr. gedacht.6 Daß wir den Triumvirn in dieser Stellung finden, ist nicht eigentlich überraschend. Später war man allerdings offiziell um Tilgung des Andenkens an Antonius bemüht, wie ich vor einigen Jahren anhand der AsylieUrkunde Caesars von 44 v. Chr. zeigen konnte, wo aller Wahrscheinlichkeit nach ein in der betreffenden Dokumentation enthaltenes Begleitschreiben des Konsuls Antonius auf dem Stein ausgemeißelt wurde (Chiron 19, 1989, 138). Die intensive Zuwendung der Sardianer an Augustus als den neuen Herrn der Welt kommt für uns in besonderer Weise in der bekannten großen Urkundensammlung für Menogenes, Sohn des Isidoros, zum Ausdruck (Sardis VII 1 n. 8), die von dem forcierten Loyalitätsbekenntnis der Stadt gegenüber dem Herrscher im Jahre 6/5 v. Chr. anläßlich der Anlegung der toga virilis durch den Prinzen Gaius Caesar kündet: Erklärung des betreffenden Tages zum Feiertag (ἱερά) und dessen jährliche Begehung durch Stephanephorie aller Bürger und Darbringung von Opfern und Gelübden durch die Strategen bzw. Opferherolde ὑπὲρ τῆς σωτηρίας αὐτοῦ (Z. 10–13).7 Die daran angeschlossene Anordnung, ein Kultbild (ἄγαλμα) des Prinzen in dem schon vorhandenen Tempel seines Vaters Augustus aufzustellen (τῷ τοῦ πατρὸς ἐνιδρύοντας | ναῶι), gibt uns Kunde von der Existenz eines munizipalen Kaisertempels in Sardeis.8 Darüber hinaus wissen wir allerdings über die Beziehungen zwischen der Stadt und dem ersten Princeps nichts, denn die Floskel im Antwortschreiben des Kaisers, er freue sich über die Bezeugung der Dankbarkeit der Sardianer für die ihnen von ihm erwiesenen Wohltaten (Z. 26 ἀνϑ’ ὧν εὐεργετῆσϑε ὑπ’ ἐμοῦ), enthält sich jeder Konkretisierung. Tatsächlich ist es erst das traurige Ereignis des großen Erdbebens von 17 n. Chr., das die besonders schwer betroffene Stadt Sardeis wieder in unseren Blick rückt. Der Hauptbericht bei Tacitus sei hier in Erinnerung gebracht (Ann. II 47): 47. Eodem anno duodecim celebres Asiae urbes conlapsae nocturno motu terrae, quo improvisior graviorque pestis fuit, neque solitum in tali casu effugium subveniebat in aperta prorumpendi, quia diductis terris hauriebantur. sedisse immensos montes, visa in arduo quae plana fuerint, effulsisse inter ruinam ignes memorant. asperrima in Sardianos lues plurimum in eosdem misericordiae traxit: nam centies sestertium pollicitus Caesar, et quantum aerario aut fisco pendebant, in quinquennium remisit. Magnetes a Sipylo proximi damno ac remedio habiti. Temnios, Philadelphenos, Aegeatas, Appolloni(d)enses, quique Mosteni aut Macedones Hyrcani vocantur, et Hierocaesariam, 6 Sardis VII 1 n. 117 unter Verweis auf C. G. Brandis, Hermes 32 (1897) 516 f. Bei seiner Reise durch Kleinasien nach der Ankunft im Jahre 41 (App. civ. V 29–31) könnte Antonius auch durch Sardeis gekommen sein: so vermutet es jedenfalls L. Craven, Antony’s Oriental Policy until the Defeat of the Parthian Expedition (1920) 27. 7 Vgl. dazu P. Herrmann, AM 75 (1960) 77 f. Eine deutsche Übersetzung jetzt bei H. Freis, Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit (1984) 19 Nr. 16. 8 Vgl. dazu S. R. F. Price, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor (1984) 259 Nr. 56; H. Hänlein-Schäfer, Veneratio Augusti. Studien zu den Tempeln des ersten römischen Kaisers (1985) 182 f. A 35.
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Myrinam, Cymen, Tmolum levari idem in tempus tributis mittique ex senatu placuit, qui praesentia spectaret refoveretque. delectus est M. Ateius e praetoriis, ne consulari obtinente Asiam aemulatio inter pares et ex eo impedimentum oreretur. Im selben Jahr stürzten zwölf bekannte Städte Kleinasiens durch ein Erdbeben ein, und zwar zur Nachtzeit: umso überraschender kam und umso schwerer war die Katastrophe. Auch die bei einem solchen Unglück gewöhnlich gebotene Möglichkeit, ins Freie zu flüchten, half nichts, weil die Leute in Erdspalten verschlungen wurden. Gesenkt hätten sich, erzählt man, gewaltige Berge, hoch aufgetürmt habe man das Land gesehen, das Ebene gewesen sei, hervorgeschossen seien unter den Trümmern Flammen. Da das Unheil die Bewohner von Sardeis am härtesten traf, brachte es ihnen auch ein Höchstmaß von Mitleid: denn zehn Millionen Sesterzen versprach der Kaiser und erließ ihnen, was sie an Staatskasse oder Fiskus zu zahlen hatten, auf fünf Jahre. Die Bewohner von Magnesia am Sipylos galten als die nächsten hinsichtlich der Größe des Schadens und der Hilfeleistung. Die Temnier, Philadelphener, Aegeaten, Apollonidenser und die sogenannten Mostener oder makedonischen Hyrkaner, ferner die Städte Hierocaesaria, Myrina, Kyme und Tmolos beschloß man für die gleiche Zeit von den Abgaben zu befreien und ein Mitglied des Senats zu entsenden, das die gegenwärtige Lage prüfen und Erleichterungen schaffen sollte. Dafür ausersehen wurde M. Ateius, ein ehemaliger Prätor, damit nicht, weil ein Konsular Asien verwaltete, Eifersucht zwischen Gleichgestellten und daraus ein Hemmnis entstehe. (Übersetzung E. Heller)
Die Schwere des Ereignisses tritt uns auch in einer Notiz des Älteren Plinius (n. h. II 200) vor Augen, wo es als das größte Erdbeben seit Menschengedenken herausgehoben wird (maximus terrae memoria mortalium motus). Ich möchte daneben ein weniger bekanntes Epigramm des zeitgenössischen Dichters Bianor stellen (AP IX 423), das die Katastrophe mit dem Untergang der achäischen Städte Bura und Helike durch Erdbeben und Flutwelle im Jahre 373 v. Chr.9 vergleicht: ΒΙΑΝΟΡΟΣ Σάρδιες αἱ τὸ πάλαι Γύγου πόλις αἵ τ’ Ἀλυάττου Σάρδιες, αἱ βασιλεῖ Περσὶς ἐν Ἀσιάδι, αἳ χρυσῷ τὸ παλαιὸν ἐπλινϑώσασϑε μέλαϑρον ὄλβον Πακτωλοῦ ῥεύματι δεξάμεναι, νῦν δὴ ὅλαι δύστηνοι ἐς ἓν κακὸν ἁρπασϑεῖσαι ἐς βυϑὸν ἐξ ἀχανοῦς χάσματος ἠρίπετε. Βοῦρα καὶ ἶσ’ Ἑλίκη κεκλυσμέναι· αἱ δ’ ἐνὶ χέρσῳ Σάρδιες ἐμβυϑίαις εἰς ἓν ἔκεισϑε τέλος. Bianor
Sardes, ehrwürdige Stadt des Gyges und Alyattes, die du dem Großkönig einst Persis Kleinasiens bedünkt, Sardes, die du die Dächer mit goldenen Ziegeln bedecktest, wie der Paktolos sie dir köstlich im Strome geschenkt,
9 S. zu diesem Ereignis auch A. Giovannini, MusHelv 42 (1985) 153 ff.
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heut hat ein einziges Unheil dich völlig verschlungen, du Arme, gähnend riß dich ein Schlund tief in den Abgrund hinab. Bura und Helike spülte die Woge des Meeres hinunter; Sardes, dich stürzte das Land nun an das nämliche Ziel. (Übersetzung H. Beckby)
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Es ist bekannt, daß die offenbar recht effektiven Hilfsmaßnahmen des Tiberius für die betroffenen Städte, von denen ja schon Tacitus spricht, in herausragenden Äußerungen der Dankbarkeit durch diese ihren Niederschlag gefunden haben. Die bei Phlegon von Tralleis (FgrHist 257 F 36 XIII) verarbeitete Notiz aus einem Grammatiker Apollonios berichtet von der Aufstellung eines κολοσσός des Kaisers sowie der ihm beigefügten Statuen der kleinasiatischen Städte auf dem Forum in Rom neben dem Tempel der Venus Genetrix.10 Auf uns gekommen ist bekanntlich eine Nachbildung des Monuments, die in Puteoli aufgestellt war.11 Ich will auf dieses iko|nographisch interessante Denkmal mit seinen 14 Städtedarstellungen (zu den 12 von Tacitus genannten Orten sind noch die etwas später betroffenen Städte Kibyra und Ephesos hinzugekommen) hier nicht eingehen, nur auf ein möglicherweise mit dem Beschluß zur Errichtung des Monuments in Rom in Verbindung stehendes epigraphisches Zeugnis aus Sardeis hinweisen. Es handelt sich um eine auf der dortigen Akropolis verbaute Inschriftentafel, auf der – nach der für die rechte Hälfte vorzunehmenden Ergänzung – die Namen je eines Vertreters der 13 Städte (einschließlich Kibyras) registriert sind, jeweils mit dem Zustimmungsvermerk ἔδοξεν (Sardis VII 1 n. 9):
10 Phlegon, περὶ ϑαυμασίων (FgrHist 257 F 36 XIII): Ἀπολλώνιος δὲ ὁ γραμματικὸς ἱστορεῖ ἐπὶ Τιβερίου Νέρωνος σεισμὸν γεγενῆσϑαι καὶ πολλὰς καὶ ὀνομαστὰς πόλεις τῆς Ἀσίας ἄρδην ἀφανισϑῆναι, ἃς ὕστερον ὁ Τιβέριος οἰκείᾳ δαπάνῃ πάλιν ἀνώρϑωσεν. ἀνϑ’ ὧν κολοσσόν τε αὐτῷ κατασκευάσαντες ἀνέϑεσαν παρὰ τῷ τῆς Ἀφροδίτης ἱερῷ, ὅ ἐστιν ἐν τῇ Ῥωμαίων ἀγορᾷ, καὶ τῶν πόλεων ἑκάστης ἐφεξῆς ἀνδριάντας παρέστησαν. (Der Grammatiker Apollonios berichtet, daß sich zur Zeit des Tiberius Nero ein Erdbeben ereignet hat und viele namhafte Städte Asiens gänzlich zerstört worden sind. Diese ließ später Tiberius auf seine Kosten wieder aufbauen. Zum Dank dafür fertigten sie für ihn eine Kolossalstatue an, die sie beim Aphrodite-Heiligtum, das sich auf dem römischen Markt befindet, aufstellten. Und sie fügten der Reihe nach Statuen jeder einzelnen Stadt hinzu.) Nach Jacoby dürfte es sich bei Apollonios um den Suda A 2634 genannten Grammatiker handeln, der unter Claudius in Rom tätig war. 11 CIL X 1624 (Dessau 156; V. Ehrenberg – A. H. M. Jones, Documents Illustrating the Reigns of Augustus and Tiberius2 [1955] Nr. 50). Für Abbildungen des Monuments vgl. H. Engelmann, Die Inschriften von Kyme (IK 5, 1976) 222; P. Mingazzini, RM 83 (1976) Taf. 148 f. Das Problem der figürlichen Darstellung und der Beischrift im Falle von Sardeis (vgl. auch Dessau III 2, CLXX; G. M. A. Hanfmann – N. H. Ramage, Sculpture from Sardis [1978] 180 f. mit Abb. 472) soll hier nicht diskutiert werden.
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Σαβεῖνος Μοστηνός· ἔδοξ[εν.] Σέλευκος Νεάρχου Κιβυράτ[ης· ἔδοξεν. ὁ δεῖνα Αἰγαιεύς(?)· ἔδοξεν.] Κλαυδιαν[ὸ]ς Μάγνης· ἔδοξεν. Χαρμίδης Ἀπολλωνίου· ἔδοξεν. [ὁ δεῖνα Φιλαδελφεύς(?)· ἔδοξεν. ὁ δεῖνα Ἱεροκαι]σαρεύς· ἔδοξεν. Μακεδὼν Ἀλεξάνδρου το[ῦ Ἰ]οκούνδου Ἀπ[ο]λλωνιδεύς· [ἔδοξεν. ὁ δεῖνα Κυμαῖος(?)· ἔδοξεν. ὁ δεῖνα] Ὑρκάνι[ο]ς· ἔδοξεν. Σεραπίων Φιλο[δ]ήμου Μυρειναῖος· ἔδοξεν. [ὁ δεῖνα Τμωλείτης(?)· ἔδοξεν.] Διογένης Διογένους Τημνείτης· ἔ[δοξε]ν.
Was nun fehlt, ist freilich gerade der vorausgegangene Haupttext, in dem es jedenfalls um die Bekundung der Dankbarkeit gegenüber Tiberius und entsprechende Ehren gegangen sein wird. Als Indiz für eine in Sardeis selbst vollzogene Form der Ehrung des Tiberius konnten Buckler und Robinson unter Nr. 34 ein seit der Aufnahme durch Thomas Smith im Jahre 1671 wieder verloren gegangenes Fragment einer Ehreninschrift für den Kaiser wiedergeben, die von der Phyle Tymolis (wahrscheinlich ist sie identisch mit der seitdem neu bezeugten Tmolis)12 ἐκ τῶν ἰδίων aufgestellt worden ist: 27 Φυλὴ Τυμωλὶς ἐτείμησεν ἐκ τῶν ἰδίων Τιβέριον Κ[αίσαρα Σεβαστόν.] Die Herausgeber fügten die Vermutung an: „It is by no means improbable that each of the city’s tribes erected to him its own special monument.“ Mit einem 1973 gefundenen relativ unscheinbaren Inschriftenfragment (IN 73.14) kann ich jetzt diese Vermutung jedenfalls durch ein weiteres Zeugnis untermauern. Es geht hier um eine offenbar mit demselben Wortlaut formulierte Ehrung durch die Phyle Dionysias13 (Abb. 3): 12 Für die Rundsäule mit der Reliefdarstellung einer gelagerten Figur und der Beischrift Φυλῆς Τμωλίδος vgl. Hanfmann – Ramage a. a. O. 146 Nr. 211 mit Abb. 371. 13 {SEG XLV 1643} Das Fragment, dessen Herkunft nicht bekannt ist, ist ein rechts abgeschnittener kleiner Marmorblock, der oben den Rest eines Profils enthält; hinten ist er schräg nach unten abgeschnitten, unten glatt (Wiederverwendung?). H. 12 cm, B. 32 cm, D. 10,5 cm; Buchstabenhöhe Z. 1 3,5 cm, Z. 2–3 2 cm.
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Φυλὴ Διον[υσιὰς] ἐτείμησεν ἐκ τ[ῶν ἰδίων] [Τιβέρ]ιον Καίσα[ρα Σεβαστόν.] Wie sich das ganze Ensemble präsentiert hat (die Zahl der Phylen in Sardeis ist noch nicht bekannt, wir haben die Namen von 7 oder 8 von ihnen)14, vermögen wir auf der Basis dieses einen bescheidenen Restes freilich nicht zu sagen. Von ganz anderen Dimensionen muß ein weiteres auf Tiberius zu beziehendes Monument in Sardeis gewesen sein, dem ich durch die Zusammenfügung von fünf zwischen den Jahren 1963 und 1967 im Bereich der Synagoge gefundenen Inschriftsplittern gelegentlich meines Aufenthalts im Jahre 1989 auf die Spur gekommen bin. Es handelt sich um eine zweisprachige Inschrift, die in zwei Zeilen einen lateinischen und in zwei bis drei Zeilen einen griechischen Text geboten hat. Der monumentale Charakter tritt durch eine Buchstabenhöhe von 9–10 cm hervor, und allein schon die vier aneinander anpassenden Fragmente ergeben eine Breite von ca. 1 m. Es ist aber deutlich, daß es eine Inschrift von ganz erheblichen Dimensionen gewesen sein muß, da wir mit den erhaltenen Fragmenten möglicherweise nicht mehr als nur ⅛ der Gesamtlänge vor uns haben. Man käme so auf eine Länge von 8 m für das ganze. Alle Fragmente sind hinten gebrochen, d. h. sind abgesplittert, und ihr Befund gibt uns leider keinerlei Handhabe für die materielle Rekonstruktion des Monuments15 (Abb. 4). Vier Fragmente lassen sich in der hier wiedergegebenen Weise durch materielle und inhaltliche Anpassung miteinander verbinden, ein fünftes kann nicht sicher eingeordnet werden:
14 Man vgl. die Zusammenstellung bei N. F. Jones, Public Organization in Ancient Greece (1987) 355–357. Unsicher ist in der Zusammenstellung die Ἀλιβαλ[ίς] aus Sardis VII 1 n. 127, zu streichen, weil nicht hierher gehörig, die Λεόντιοι. Die φυ. Συλ. von Nr. 186 ist nach H. Dedeoğlu – H. Malay, Erol Atalay Memorial (1991) 113 f. zu der jetzt neu bezeugten φυ(λὴ) Συλ(ληΐς) aufzulösen. Neu hinzugekommen ist auch die Εὐμενηΐς (s. Hanfmann 114 und 260 Anm. 33). 15 Die vier zusammengehörigen Fragmente sind die folgenden (nach der Rekonstruktionszeichnung S. 155): Oben links IN 67.12, gefunden in der Palästra West, „from an old dump 1961–1965“; H. 32 cm, B. 32 cm, D. ca. 4 cm; überall gebrochen. Oben Mitte IN 64.36, gefunden im Bereich der Synagoge; H. 33 cm, B. 37 cm, D. ca. 4 cm; überall gebrochen. Oben rechts IN 63 A 9, gefunden im Bereich der Synagoge; H. 33 cm (Schriftfläche 26), B. 66 cm (Schriftfläche 46), D. 9 cm; überall gebrochen. Unten links IN 63 A 6, gefunden im Bereich der Synagoge; H. 26 cm, B. 32,5 cm, D. 9 cm; überall gebrochen. Das nicht anpassende Fragement: IN 64.35, gefunden im Bereich der Synagoge; H. 15 cm, B. 22 cm, D. ca. 2,5 cm; überall gebrochen.
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Man erkennt, in der jeweils 1. Zeile des lateinischen und des griechischen Textes in ἔκϑεσις geschrieben, die ersten Namenselemente des Tiberius, im Lateinischen abgekürzt, im Griechischen ausgeschrieben, dann in der jeweils 2. Zeile Elemente der Titulatur: die 8. imperatorische Akklamation und danach wohl ein Konsulat in der lateinischen, die Nennung der tribunizischen Gewalt, freilich ohne erhaltene Zahl, in der griechischen Fassung. Nicht sicher unterbringen kann ich das 5. Fragment mit den Resten zweier griechischer Zeilen.16 Ein erhebliches Handicap ist übrigens auch, daß keine Kasus-Endung erkennbar ist. Sollte das ΟΣ des nicht sicher zugewiesenen Fragments eine Wortendung sein, hätte man ein Indiz für den Nominativ. Aber auch ein Genetiv ist nicht auszuschließen, wenn man Formen wie Αὐτοκράτορος oder Καίσαρος bedenkt. Zum Glück helfen uns die Parallelen weiter, und zwar solche aus anderen gleichfalls vom Erdbeben des Jahres 17 betroffenen Städten. Am wichtigsten ist ein auf einer Tafel erhaltener griechischer Text, der vor etwas über 100 Jahren in dem Dorf Haciler (heute Hacihaliller), ca. 15 km ostsüdöstlich von Manisa bzw. 5 km nördlich der Bahnstation Çobanisa am linken Hermos-Ufer gelegen, von mehreren Reisenden abgeschrieben wurde: von Fontrier, Foucart, Schuchhardt. Er enthält, freilich stark verstümmelt, eine Titulatur des Kaisers Tiberius und versieht seinen Namen mit dem
16 Ursprünglich hatte ich das Fragment rechts unten angesetzt (so auf dem Photo), mit der Vermutung, daß dann Z. 4 [ὁ] δῆμος ergeben würde. Nach den Parallelen ist aber klar, daß in Z. 4 noch die griechische Form der Kaisertitulatur weitergelaufen sein muß, also δημ[αρχικῆς ἐξουσίας]. Das Fragment an das Ende des Namens Τιβέρ[ι]ος in Z. 3 zu setzen, geht deshalb nicht, weil dann die unter dem Sigma erscheinende Rundung nicht mit der für Z. 4 vorauszusetzenden Ergänzung zu vereinbaren ist. Ich sehe danach nur die Möglichkeit, das Fragment im verlorenen rechten Teil der langen Inschrift anzusetzen, wobei man sich fragen kann, ob die unten erhaltene Rundung noch auf eine 5. Zeile verweist.
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Zusatz κτίστης ἑνὶ καιρῷ δώδεκα πόλεων τὴν πόλιν ἔκτισεν.17 Im Ausschlußverfahren kam man darauf, daß es sich um die Stadt Mostene handeln muß, die danach und nach weiteren Indizien am Nordost- bzw. Ostabhang des Sipylos gesucht wird, aber noch nicht sicher lokalisiert werden konnte.18 Dieser Text lieferte Carl Schuchhardt | den Anhaltspunkt für die von ihm vorgeschlagene Rekonstruktion einer großen, aus Architravblöcken bestehenden Inschrift, die er 1885 in den Ruinen von Aigai aufgenommen hatte und die er in der Publikation von 1889 zusammen mit der Inschrift von Mostene vorlegte.19 Hier geht es um eine lateinische Inschrift, die auf das Pendant zu der griechischen Fassung führt: conditor uno tempore XII urbium terrae motu vexatarum. Von einem dazugehörigen griechischen Text ist in Aigai ebenfalls ein Fragment aufgetaucht. Später konnte man noch zwei entsprechende Inschriften aus Kyme danebenstellen, eine 1912 von Plassart und Picard entdeckte griechische, die übrigens in 15 cm hohen Buchstaben geschrieben war, und eine schon 1888 von Baltazzi publizierte lateinische, deren Buchstaben 6–8 cm hoch sind. Engelmann hat sie in den Inschriften von Kyme unter den Nummern 20 und 21 abgedruckt und dabei um die besagten Sprachformeln vom κτίστης bzw. conditor ergänzt. Es ist offenkundig, daß alle Texte zusammengehören und in einer anscheinend vereinheitlichten Formulierung von den Hilfsmaßnahmen des Tiberius nach der Katastrophe von 17 n. Chr. Kunde geben, und zwar als vom Kaiser aus formulierte Bauinschriften. Die Datierung gibt die in der lateinischen Fassung in Kyme erhaltene Zahl XXXVI bei der tribunicia potestas des Kaisers, was auf 34/5 führt. Im Griechischen sind die Zahlen nicht ganz einheitlich gelesen worden, es gibt eine Schwankung zwischen λγʹ und λϛʹ, also 33 oder 36.20 Die XXXIII. tribunizische Gewalt würde auf 31/2 fallen. Das Datum muß wohl nicht einheitlich sein; was dabei auffällt, ist der zeitliche Abstand von rund 15 Jahren von dem Datum des Erdbebens. Ich halte es für äußerst wahrscheinlich, daß die monumentalen Inschriftfragmente von Sardeis eine weitere Parallele zu diesen kaiserlichen Bauinschriften bilden. Bedauerlich ist, daß eine präzise Datierungsangabe hier nicht greifbar ist, und mehr noch, daß das Objekt des zu ergänzenden Verbums, ἔκτισεν, restituit oder wie auch immer, nicht erhalten geblieben ist. Es dürfte fraglos eine öffentliche Bau-
17 A. Fontrier, Μουσεῖον καὶ Βιβλιοϑήκη τῆς Εὐαγγελικῆς Σχολῆς V 2 (1886) 23 Nr. 498; P. Foucart, BCH 11 (1887) 89 Nr. 9; C. Schuchhardt, in R. Bohn, Altertümer von Aegae, JdI Erg.-Heft 2 (1889) 51 (OGI 471; Dessau 8785; IGR IV 1351). 18 Zum Problem der Lokalisierung von Mostene vgl. F. Gschnitzer – J. Keil, AnzWien 1956, 220; L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 481 Anm. 1; ders., Monnaies grecques (1967) 100 Anm. 3. Auch ich selbst konnte bei einem Besuch der Gegend am östlichen Fuß des Sipylos im Jahre 1957 keine neuen Anhaltspunkte für eine Lokalisierung gewinnen. 19 Schuchhardt a. a. O. 50 Nr. 1; CIL III 7096. 20 In der Inschrift von Haciler (Anm. 17) hat Fontrier λγʹ gelesen (Dessau: „recte ut puto“), Foucart und Schuchhardt λϛʹ. In der Inschrift aus Kyme führt die Lesung von A. Plassart – Ch. Picard, BCH 37 (1913) 179 auf λ]γʹ. Engelmann a. a. O. datiert 20 (griech.) auf 31, 21 (lat.) auf 34 n. Chr.
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anlage von einiger Bedeutung gewesen sein. Den Versuch einer Rekonstruktion lege ich hier vor: {SEG XLV 1644} 4
Ti. Caesar [divi Augusti f., divi Iuli n., Augustus, pont. max., trib. pot. XXXVI?] imp. VIII, c[os. V - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] Τιβέρ[ιος Καῖσαρ, ϑεοῦ Σεβαστοῦ υἱός, ϑεοῦ Ἰουλίου υἱωνός, Σεβαστός, ἀρχιερεύς,] δημ[αρχικῆς ἐξουσίας λϛʹ, αὐτοκράτωρ ηʹ, ὕπατος εʹ, - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -]
Der Wiederaufbau der Stadt nach dem Erdbeben, dessen Wirkung George Hanfmann an einer Stelle mit dem Begriff der tabula rasa gekennzeichnet hat, muß einen langen Zeitraum umfaßt haben. Große Planierungsarbeiten sind archäologisch greifbar, so etwa Auffüllungen bis zur Höhe von 3 m im Bereich der Kolonnadenstraße und des sogenannten Bad-Gymnasium-Komplexes. Hervorgehoben wird von den amerikanischen Archäologen auch die Bedeutung des stadtplanerischen Konzepts, das sie mit dem Begriff des Master Plan charakterisieren.21 Epigraphisch greifbar ist der Prozeß des Wiederaufbaus nach dem Erdbeben in dem kleinen | Detail der Wiederherstellung eines Hera-Tempels und einer Hera-Statue, von der die Inschrift IN 63.123 berichtet. L. Robert hat sie 1978 im Rahmen einer Zusammenstellung von epigraphischen Zeugnissen über Erdbeben veröffentlicht (BCH 102, 1978, 405 = Documents d’Asie Mineure 101; SEG XXVIII 928)22 (Abb. 5): Σωκράτης Πολεμαίου Παρδαλᾶς τὸν ναὸν κατε σκεύασεν καὶ τὴν Ἥραν ἀνέ 4 ϑηκεν· Ἰουλία Λυδία ἡ ὑωνὴ αὐτοῦ μετὰ τὸν σεισμὸν ἐπεσκεύασεν. Ausfluß der Dankbarkeit der Stadt gegenüber Tiberius ist schließlich auch die Annahme des Beinamens Καισάρεια durch Sardeis, für die wir epigraphische Zeugnisse besitzen, aber auch eine interessante Münzprägung. Eine u. a. von Imhoof-Blumer registrierte Münze trägt auf der Vorderseite die Umschrift Σεβαστός, Καισαρέων Σαρδιανῶν und enthält eine Bilddarstellung, die Imhoof-Blumer so beschreibt: „Der Kaiser Tiberius in der Toga links stehend, mit der Rechten die vor ihm knieende turmge-
21 Hanfmann 141–143. Für die Auffüllungen im Bereich der Main Avenue und des Bath-Gymnasium Complex s. auch dens., BASOR 170 (1963) 50 f. mit Abb. 37 und dens., BASOR 174 (1964) 47–50 mit Abb. 29 und 30. 22 Man vergleiche auch Hanfmann – Ramage (Anm. 11) Nr. 275 mit Abb. 467 und 468.
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krönte Stadtgöttin am rechten emporgestreckten Arme erfassend und aufrichtend“.23 L. Robert hat in Hellenica II (1946) 77 f. gezeigt, daß auch andere der vom Erdbeben betroffenen Städte den Zusatz Kaisareia übernommen haben. Sardeis scheint des Beinamens allerdings wieder verlustig gegangen zu sein. Jedenfalls enthält die nur in einer Abschrift greifbare Inschrift Sardis VII 1 n. 38 an der betreffenden Stelle eine Tilgung. Es gibt, im Annuaire du Collège de France 1972/3 greifbar, eine scharfsinnige Vermutung L. Roberts, daß die Entziehung des Kaiserbeinamens mit irgendwelchen inneren Unruhen in Sardeis in Zusammenhang stehen könnte, von denen wir andeutungsweise in mehreren Briefen des Apollonios von Tyana bei Philostrat und auch bei Plutarch hören, mit den Begriffen ἀπόστασις und πόλεμος charakterisiert, Vorgänge, die irgendwann zwischen Claudius und Trajan liegen.24 Es gab unter Tiberius für Sardeis, einige Jahre nach dem Erdbeben, noch einen anderen Versuch, sich im Bemühen um kaiserliches Wohlwollen in den Vordergrund zu spielen. Ich meine die wiederum bei Tacitus ausführlicher geschilderte Episode der konkurrierenden Ansprüche von 11 kleinasiatischen Städten um den Zuschlag für die Errichtung des zweiten provinzialen Kaisertempels, für Tiberius, Livia und den Senat (Ann. IV 55–56). Hier kam Sardeis zusammen mit Smyrna sogar in die Endausscheidung, bei der dann Smyrna vorgezogen wurde. Ich will die bei Tacitus referierte eher mythologische als historische Argumentation der Sardianer hier nicht wiedergeben, höchstens den Schlußakkord zitieren: sie rühmten abschließend ubertatem fluminum suorum, temperiem caeli ac dites circum terras. Eine seit der Zeit des Cyriacus von Ancona bis ins 17. Jh. vorhandene, seitdem leider verlorene Inschrift vermutlich trajanischer Zeit (Sardis VII 1 n. 47) zählt unter zahlreichen Funktionen und Priestertümern eines prominenten Mannes, L. Iulius Libonianus, auch auf ἱερέα Τιβερίου Καίσαρος. Es hat also jedenfalls auch später noch einen Munizipalkult für Tiberius gegeben.25 Wir sehen, daß die dankbare Erinnerung der Sardianer an Tiberius sich in recht vielfältiger Weise geltend gemacht hat. Aber auch auf seine Nachfolger haben sie offenkundig die Bemühungen um Bekundung ihrer Loyalität übertragen, wie insbe-
23 F. Imhoof-Blumer, Lydische Stadtmünzen (1897) 136 Nr. 4 (Tafel V Nr. 20). Vgl. auch BMC, Greek Coins, Lydia 250 Nr. 98–101 (Taf. XXVI 4); SNG Copenhagen Nr. 515 und 516. 24 L. Robert, Annuaire du Collège de France, 73e année (1972/73) 485 f. (vgl. auch dens., HarvStClPhil 81, 1977, 25 Anm. 115). Es geht vor allem um die Ausführungen bei Plut., Praec. gerend. rei publ. 32 (J. G. Pedley, Ancient Literary Sources on Sardis [1972] Nr. 227) über die Auseinandersetzungen zwischen Pardalas und Tyrrhenos und um Anspielungen in den Briefen des Apollonios von Tyana, besonders Nr. 75 und 76, bei Philostrat (Pedley Nr. 217). Vgl. auch Hanfmann 144. 25 Die Korrektur in der Lesung des Namens des Geehrten ist von B. V. Head, BMC, Greek Coins, Lydia S. CIII Anm. 2 unter Verweis auf den 246 Nr. 75 genannten Münzbeamten vorgenommen worden. Libonianus war danach Stratege zur Zeit Trajans (s. R. Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griechischen Münzen [1911–1927, ND 1973] 148). Zu dem Priestertum für Tiberius bemerkt G. Lafaye, IGR IV 1523 Anm. 3: „Sardiani, quibus sub Tiberio non concessum erat ut templum Augustorum provinciale statuerent, municipale ei dedicaverunt ob beneficia in urbem collata.“
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sondere aus einem entsprechenden Ensemble aufwendiger, ja zum Teil monumentaler Ehrendenkmäler hervorgeht, auf dessen uns noch greifbare Reste ich jetzt noch etwas eingehen möchte. Es sind schon bekannte und publizierte Stücke, die aber um Neufunde oder neue Beobachtungen ergänzt werden können. Besonders eindrucksvoll ist ein über zwei Meter breiter Marmorblock, der 1965 freigelegt wurde, und zwar im Unterbau eines spätantiken Tetrapylon, mit dem die Kreuzung der Kolonnadenstraße und einer östlich am Gymnasiumskomplex entlanglaufenden Nord-Süd-Straße, d. h. südöstlich der Synagoge, überbaut war. Der Block liegt noch dort im Verband. Er ist links abgeschnitten, ein Profil am oberen Rand ist abgeschlagen und die Schriftfläche ist links unten durch Bearbeitung mit der Spitzhacke zerstört (IN 65.14)26 (Abb. 6). Die Inschrift läßt sich aber mit ziemlicher Sicherheit ergänzen: {SEG XLV 1645}
Die Buchstabenhöhe von 9 cm zeigt die Monumentalität. Aber wer ist der Geehrte? In provisorischen Erwähnungen sprechen die Ausgräber von Germanicus, und in einem in den Unterlagen erhaltenen Brief erklärt L. Robert die Inschrift als eine posthume Ehrung des Prinzen, „car il est divinisé, appelé ϑεός“. Aber konnte Germanicus, selbst wenn es später war, unter seinem Sohn Caligula oder seinem Bruder Claudius, als Σεβαστός, Augustus bezeichnet werden? Ich halte das für unmöglich und plädiere deshalb dafür, die Inschrift auf Caligula zu beziehen. Die Namensform ist ungewöhnlich, da er normalerweise C. Caesar Augustus Germanicus genannt wird. Aber gerade im Osten gibt es verschiedene Varianten und Verkürzungen, bei denen auch | das sonst obligatorische Element Gaius weggelassen werden kann. So nennt ihn die bekannte Dokumentation für Epaminondas von Akraiphiai in Böotien (J. H. Oliver, Greek Constitutions of Early Roman Emperors from Inscriptions and Papyri [1989] Nr. 18) mehrmals Σεβαστὸν Καίσαρα Γερμανικὸν oder Καίσαρα Γερμανικὸν Σεβαστόν. Das Θεόν der Inschrift in Sardeis verstehe ich dann als einen lokalen Akt der Vergöttlichung zu
26 Die Maße des Blockes sind: H. 118 cm, B. 206 cm, D. mindestens 26 cm. In der ersten Zeile sind die Buchstaben ON am Ende auf einer rechts noch etwas weiter reichenden Rasur geschrieben, deren Bedeutung sich mir allerdings nicht erschlossen hat. Erwähnung der Inschrift: G. M. A. Hanfmann – R. S. Thomas, BASOR 203 (1971) 14, dazu Abb. 9. Vgl. auch Hanfmann 144 (und 276 Anm. 56), wo eine Verbindung der Germanicus zugewiesenen Inschrift mit einem Besuch des Prinzen in Sardeis im Jahre 17 noch vor dem Erdbeben erwogen wird.
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Lebzeiten. Θεὸς Σεβαστός ist Caligula auch in der Inschrift A. Rehm, IvDidyma n. 148, die in den Zusammenhang der Initiative zur Errichtung eines Provinzialtempels für ihn in Milet gehört (L. Robert, Hellenica VII [1949] 206–238 „Le culte de Caligula à Milet et la province d’Asie“). In der dortigen Liste der als Vertreter der conventus-Orte fungierenden νεοποιοί erscheint auch Ἕρμιππος Ἑρμίππου Σαρδιανός. Wie lange das Monument in Sardeis gestanden hat, wissen wir nicht, es ist aber darauf hinzuweisen, daß Initiativen einer damnatio memoriae für Caligula im Osten kaum vorliegen. Ich bin übrigens im BCH 1933 auf eine interessante Diskussion des jungen Louis Robert gestoßen,27 wo er sich um die Identifizierung eines Σεβαστὸς Γερμανικὸς Καῖσαρ bemühte, dessen Geburtstag nach den Bestimmungen eines Dekrets aus Chios (IGR IV 948) jährlich begangen werden sollte. Während man das in den IGR ohne Diskussion auf Germanicus bezogen hatte, erklärte Robert: „J’inclinerais à croire que c’est Caligula.“ Eine leichte Verunsicherung empfand Robert nur darin, daß er bei Münsterberg auf eine Münze aus Lyttos auf Kreta stieß, wo auf der Vorderseite Caligula erscheint, auf der Rückseite sein Vater Germanicus, und wo beide den Titel Σεβαστός erhalten.28 Ich kann also auch in Sardeis eine Deutung der Inschrift auf Germanicus nicht völlig ausschließen, auch wenn mir Caligula näherzuliegen scheint. Der große Block kann nicht von weit her verschleppt sein, man wird am ehesten an ein an der neu ausgebauten Main Avenue, wie die Amerikaner sagen, errichtetes Monument denken. Von dort stammt nun auch ein anderes ansehnliches Denkmal, das in provisorischer Form von Clive Foss in dem Bad-Gymnasium-Band schon publiziert ist, danach in SEG XXXVI 1092 (IN 79.8)29 (Abb. 7). Es ist eine 1,61 m hohe Rundbasis, die Tiberius gilt, ihn übrigens wie die eben besprochene Caligula-Inschrift Καίσαρα Θεὸν Σεβαστόν nennt und abschließend als τῆς πόλεως κτίστην καὶ εὐεργέτην τοῦ κόσμου bezeichnet. Errichtet ist sie ihm aber als dem Onkel des Kaisers Claudius:
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Τιβέριον Καί σαρα Θεὸν Σε βαστὸν τὸν 4 αὐτοκράτορα, τὸν Τιβερίου Κλαυδίου Γερ μανικοῦ Καίσα 8 ρος Σεβαστοῦ τοῦ αὐτοκράτο27 L. Robert, BCH 57 (1933) 530 f. (OMS I 498) zur Inschrift Fustel de Coulanges, BCH 16 (1892) 323 Z. 16 f. (IGR IV 948) mit der Angabe πρ[ὸ ἡμερ]ῶν τρ[ιῶν τῆς] τοῦ Σ[εβαστ]οῦ Γερμανικο[ῦ Καίσα]ρος ἡμέ[ρας γε]νεϑλί[ο]υ. 28 Es geht um die Münze bei N. Svoronos, Numismatique de la Crète ancienne (1890) 239. Dazu Robert (1933) a. a. O. 531 Anm. 1. 29 C. Foss, in F. Yegül, The Bath-Gymnasium Complex at Sardis (1986) 169 Nr. 1 mit Abb. 32.
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ρος ϑεῖον καὶ τῆς πόλεως κτίστη‹ν› 12 καὶ εὐεργέτην τοῦ κόσμου εὐσεβεί ας καὶ εὐχαριστίας ἕνεκεν ὁ δῆμος 16 καϑιέρωσεν· ἐργεπιστατήσαντος Τιβ[ερίου Κλαυδίου] [Δημητρίου υἱοῦ Κυ-] [ρείνα Ἀπολλοφάνους.] In einem auf den Fund Bezug nehmenden Brief vom Oktober 1979 hat L. Robert dazu sicher richtig vermutet, daß dieses Denkmal ein Gegenstück gehabt haben muß in einer entsprechenden Ehrung für Claudius selbst.30 Eine solche liegt uns nicht mehr vor. Man kann sich allerdings fragen, ob eine verschollene Ehreninschrift für Claudius, die vom δῆμος ὁ Καισαρέων Σαρδιανῶν ausging und die einst in Turgutlu abgeschrieben wurde (Sardis VII 1 n. 39), dieses fehlende Exemplar gewesen sein könnte. Da uns Maße und eine Steinbeschreibung fehlen, muß man die Frage offen lassen. Es bleibt aber nicht bei Claudius und seinem Onkel Tiberius allein, denn weitere schon publizierte Fragmente führen darauf, daß es in Sardeis überhaupt eine ganze Inschriften- und entsprechend Denkmalserie für Angehörige des Claudius gegeben haben muß. Uns sind solche Familienensembles z. B. aus Ilion bekannt (P. Frisch, Die Inschriften von Ilion, IK 3 [1975] Nr. 91), wo 4 Kinder des Claudius auf einer Basis vereinigt waren (Octavia, Antonia, Britannicus und der Adoptivsohn Nero), oder von den Resten des Claudius-Bogens in Rom (Dessau 222), wo wir Reste von Basen für den Bruder Germanicus haben, die Mutter Antonia, die Gattin Agrippina, die Kinder Octavia, wahrscheinlich Britannicus, und den Adoptivsohn Nero. Zwei Fragmente einer entsprechenden Statuengruppe in Sardeis sind in dem Band von Buckler und Robinson schon aufgeführt: Nr. 37 für eine Antonia, die Mutter des Kaisers, oder eine Tochter (Claudia) Antonia, nach AE 1933, 253 eher die Tochter, weil die Mutter den Augusta-Titel geführt hätte, der hier fehlt: Ἀντω[νίαν τὴν Τι-] βερίου [Κλαυδί-] ου Καί[σαρος Σε-] 4 βαστο[ῦ Γερμα-] νικ[οῦ τοῦ αὐτο-] [κράτορος ϑυγα-]
30 Vgl. Hanfmann 275 Anm. 28.
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[τέρα ὁ δῆμος] [καϑιέρωσεν]
Etwas unklar ist die Zuweisung des Fragments Nr. 35 für einen Drusus, das nur aus einer Abschrift des 18. Jh.s bekannt ist und überdies nicht in Sardeis aufgenommen wurde, sondern wie die Claudius-Inschrift Nr. 39 in dem fast 30 km entfernten Turgutlu: Δροῦσον Καίσ[αρα, Γερ-] [μανι]κοῦ Καίσαρος υ[ἱόν,] [Σεβαστοῦ ἔκγονον,] Γε[ρ-] [μανικὸν - - - - - - - - - - - -] Wenn wir uns auf die Abschrift verlassen können, ist die Inschrift weder auf den Vater des Claudius, den Germanen-Drusus, zu beziehen, noch auf den Tiberius-Sohn, sondern eigentlich nur, wie auch ergänzt, auf den 33 n. Chr. zu Tode gekommenen Sohn des Germanicus und mithin Bruder des Caligula, der auch unter dessen Regierung durch Statuen geehrt wurde, wie Suet. Claud. 9, 1 weiß. Wir haben Inschriften für ihn auf Lesbos und in einer lateinischen Fassung in der Troas (Dessau 185).31 Im Verhältnis zu Claudius war dieser Drusus Iulius Caesar als Sohn des Germanicus ein Neffe. Man kann also nicht sicher sagen, ob das Monument, wenn es denn nach Sardeis gehörte, aus einer Familiengruppe des Claudius stammt oder eher an Caligula anzuschließen wäre. Hingegen möchte ich in Beziehung zu Claudius bringen eine 1910 in der ersten Phase der amerikanischen Grabung gefundene Inschrift, die ebenfalls recht monumentalen Charakter gehabt haben muß und die sich auch durch die Buchstabenformen als zugehörig erweist (Sardis VII 1 n. 11). Man hat sie aus zwei getrennt gefundenen Stücken zusammengesetzt, von denen das eine nördlich der Akropolis, also etwa in der Gegend der Kolonnadenstraße, auftauchte, das andere beim Artemis-Tempel, wo es in einem Wasserlauf stärkerer Verwitterung ausgesetzt war. Beide Stücke zusammen ergeben schon eine Breite von mehr als 1,70 m, durch die erforderlichen Ergänzungen kommt man aber fast noch einmal auf die doppelte Breite, also etwa 3 m. Die Herausgeber haben die Inschrift neben eine lateinisch-griechische Bauinschrift des Claudius aus dem Jahre 53/4 gestellt, die von der Fertigstellung einer Wasserleitung berichtet (Sardis VII 1 n. 10), und haben danach auch diesen rein griechischen Text für eine Bauinschrift gehalten. Sie hätte von einem Bau gestammt, dessen Herstellungszeit die Regierungen von Caligula und Claudius umfaßte, da die 31 Aus Mytilene: IG XII 2, 172 b (IGR IV 78 b; E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero [1967] Nr. 128 b): vier Geschwister des Caligula; 213 (IGR IV 75): die Brüder Nero Caesar und Drusus Caesar. Die Inschrift Dessau 185 (CIL III 380) lautet: Druso Caesari, Germanici Caesaris filio, Ti. Augusti nepoti, divi Augusti pronepoti.
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erhaltenen Reste der Kaisernamen auf diese beiden Herrscher führen. Eine Rasur in der 5. Zeile haben Buckler und Robinson auf eine Nennung des Britannicus bezogen, dessen Name unter Nero beseitigt worden sei.32 Danach gaben sie folgenden Text:
[- - - - - - ca. 18 - - - - - -]N[- - - - - ca. 19 - - - - - - - - Γαΐου] [Γερμα]ν̣ ικοῦ Κα[ίσαρ]ος Σεβα[στοῦ - - - - - ca. 19 - - - -] [. . .] Τιβερί[ου Κ]λαυδίο[υ Καίσαρος Σεβαστοῦ Γερμα-] [νικο]ῦ τοῦ αὐτ[οκρά]τορος [καὶ Τιβερίου Κλαυδίου Καί-] ⟦σαρος Βρεταννικοῦ πατρός.⟧ ἐργεπιστατ[ήσαντο]ς Τιβε[ρίου Κλαυδίου Δημητρίου υἱ-] οῦ Κυρείνα Ἀπ[ολλοφά]νους.
Ich halte diese Rekonstruktion für unwahrscheinlich und tendiere dahin, die im Genetiv stehenden Kaisernamen in die Konstruktion von Verwandtschaftsbeziehungen einzusetzen. Der Name der geehrten Person muß in der stark beschädigten 1. Zeile gestanden haben, wo nur noch ein N erkennbar ist. Nach einigen Überlegungen kann ich hier eigentlich nur an die jüngere Agrippina denken, die als Tochter des Germanicus, als Schwester des Caligula, als Frau des Claudius und als Mutter Neros bezeichnet worden sein könnte. Einen freilich hypothetischen Ergänzungsversuch möchte ich jedenfalls vorlegen: {SEG XLV 1646} 4
[Ἀγριππείνην Σεβαστή]ν, [Γερμανικοῦ Καίσαρος ϑυγατέρα,] [Γερμα]ν̣ ικοῦ Κα[ίσαρ]ος Σεβα[στοῦ τοῦ αὐτοκράτορος ἀδελ-] [φήν,] Τιβερί[ου Κ]λαυδίο[υ Καίσαρος Σεβαστοῦ Γερμα-] [νικο]ῦ τοῦ αὐτ[οκρά]τορος [γυναῖκα, ⟦Νέρωνος Κλαυδίου⟧ ⟦Καίσαρος Δρούσου Γερμανικοῦ μητέρα⟧. ἐργεπιστατ[ήσαντο]ς Τιβε[ρίου Κλαυδίου Δημητρίου υἱ-] οῦ Κυρείνα Ἀπ[ολλοφά]νους.
Danach wäre die Inschrift in den letzten Regierungsjahren des Claudius, zwischen 50 und 54, errichtet worden (in das Jahr 50 fällt sowohl die Zuerkennung des AugustaTitels an Agrippina wie die Adoption Neros durch Claudius). Die spätere Tilgung des Namens Neros ist verständlich. Bemerkenswert wäre an der Inschrift, wenn meine Zuweisung und die Ergänzungen richtig sind, die ausführliche Aufzählung der Verwandtschaft, wofür ich in dieser Form bei Agrippina sonst kein Beispiel finde.33 Der Name des ἐργεπιστάτης Ti. Claudius Apollophanes ist nach der erwähnten Wasserleitungs-Bauinschrift des Claudius von 53/4 ergänzt. Clive Foss hat ihn auch, 32 Zustimmend zu dieser Annahme: G. Klaffenbach, Gnomon 12 (1936) 213. 33 Eine Inschrift aus Caere (Dessau 223; CIL XI 3600) nennt Agrippina als Tochter des Germanicus und Gattin des Claudius, bricht dann aber ab. Auch in der Statuengruppe vom Claudius-Bogen in Rom (Dessau 222.2) war Agrippina in dieser Form aufgeführt.
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wie wir gesehen haben, in der großen Rundbasis für Tiberius aus claudischer Zeit eingesetzt. Er scheint in dieser Epoche eine wichtige Figur in Sardeis gewesen zu sein. Ob man ihn, wie George Hanfmann das an einer Stelle tut, als Mitglied des Planungsstabes oder u. U. auch Bautechniker beim Wiederaufbau-Programm von Sardeis ansehen kann, bleibe dahingestellt.34 Die uns erhaltene sicher sehr zufällige Auswahl von Ehrenmonumenten für Angehörige der Kaiser Caligula und Claudius legt die Vermutung nahe, daß man in Sardeis in besonderer Weise um eine angemessene, über Tiberius hinaus fortwirkende Bekundung der Loyalität dem Herrscherhaus gegenüber bemüht war. Die materiellen Befunde geben keine architektonische Einheitlichkeit zu erkennen, wohl aber ein durchgehendes Bestreben aufwendiger Ausgestaltung der einzelnen Monumente. Es spricht einiges dafür, daß die beim Wiederaufbau der Stadt herausgehobene Achse der Main Avenue, nach Hanfmann eines der frühesten Beispiele kaiserzeitlicher Kolonnadenstraßen,35 der Aufstellungsort dieser Kaiserdenkmäler geworden ist. Dabei sollte, wie die claudische Statuenbasis für Tiberius zeigt, gerade auch die Erinnerung an diesen neuen κτίστης τῆς πόλεως wachgehalten werden, mit dem in der Tat die urbanistische Entwicklung der alten Lyderhauptstadt auf eine neue Grundlage gestellt worden war.
34 Hanfmann 142. Die Formel mit ἐργεπιστατέω wird üblicherweise nur auf die Aufgabe der Errichtung der Statue oder der Inschrift bezogen: vgl. z. B. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1977 n. 420 (zu C. Börker – R. Merkelbach, Die Inschriften von Ephesos II [IK 12, 1979] 279): „… il a eu la responsabilité du travail de la statue: ἐργεπιστατήσαντος“. 35 Hanfmann 142 mit 275 Anm. 38 und 39.
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Abb. 1: IN 69.8 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
Abb. 2: IN 69.10 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
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Abb. 3: IN 73.14 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
Abb. 4: IN 67.12, 64.36, 63 A 9, 63 A 6, 64.35 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
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Abb. 5: IN 63.123 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
Abb. 6: IN 65.14 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
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Inschriften aus Lydien
Abb. 7: IN 79.8 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
13 Neues vom Sklavenmarkt in Sardeis Dem Text einer 1993 von mir veröffentlichten langen Ehreninschrift1 für C. Asinnius Nicomachus Frugianus, Glied einer in Sardeis und darüber hinaus hervorgetretenen prominenten konsularischen Familie2 aus der 1. Hälfte des 3. Jhdt.s n. Chr., war durch eine an seinem Ende angebrachte Notiz das interessante Detail zu entnehmen, daß es zu dieser Zeit in Sardeis vier macella, also dem Marktbetrieb dienende Plätze bzw. Baulichkeiten gab. Auf oder an diesen sollten nämlich gemäß einem Beschluß der Stadt die ihrem bedeutenden Sohn geltenden τιμαί Aufstellung finden3, wobei zu erschließen war, daß der Geehrte, der auf Drängen seiner Vaterstadt „in schwieriger Zeit“ das Amt des Agoranomen auf sich genommen hatte, in Fortführung der Tätigkeit seiner Vorfahren zur Ausgestaltung der Anlagen beigetragen hatte4. Zum Marktgeschehen in Sardeis gibt es aber nun noch ein weiteres | Zeugnis, nämlich den Hinweis auf die Existenz eines Sklavenmarktes unter der Bezeichnung στατάριον, das bisher nur durch eine provisorische Erwähnung bekannt war5 und nach dieser auch schon vereinzelt in der Literatur rezipiert wurde. Zweck meines Bei-
ADerg IV, 1996, 175–187 und 2 Abbildungen. 1 Chiron 23, 1993, 248–263 {SEG XLIII 865}. Es handelt sich um die durch die Sardis-Expedition 1982 freigelegte Inschrift IN 82.16. 2 An das aus den reichhaltigen Angaben der Inschrift rekonstruierte Stemma (a. a. O. 255) hatte ich, ohne zu klaren Ergebnissen zu kommen, Überlegungen zu eventuell damit zu kombinierenden weiteren Zweigen der Asinnii angeschlossen (bes. S. 257 und 261 f. mit Anm. 98). Der Versuch einer entsprechenden Verknüpfung ist Inhalt eines von C. Settipani erarbeiteten genealogischen Entwurfs, den dieser mir freundlicherweise zur Kenntnis gebracht hat. Einer diesbezüglichen Publikation soll hier aber nicht vorgegriffen werden. Eine wichtige Textverbesserung bringt auf jeden Fall zu S. 249 Z. 24 beim Namen der Großmutter des Geehrten die Lesung von M. Kajava, Roman Female Praenomina (1994) 147, Φρουγίλλη[ς anstelle von Φροῦγι κ̣ α̣ὶ̣ (den Hinweis verdanke ich M. Corbier). 3 Zu meinen Überlegungen, ob in der Inschrift mit τιμαί Statuen gemeint seien (vgl. unten S. 172 mit Anm. 14), hat J. Bousquet bei Ph. Gauthier, Bull. épigr. 1994 n. 506 auf die Möglichkeit verwiesen, daß es sich auch um Kopien nur der Ehreninschrift handeln könne. Zur „Vervielfältigung“ von Statuen ein und derselben Person vgl. aber immerhin die Ausführungen von W. Raeck, Der mehrfache Apollodoros. Zur Präsenz des Bürgers im hellenistischen Stadtbild am Beispiel von Priene, in M. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus (Vestigia Band 47, 1995) 231–8. 4 Z. 42 ff.: (Errichtung der Statue – ἀνδριάς) ἐν τοῖς ἰ/[δίοις α]ὐτοῦ καὶ προγονικοῖς ἔρ/[γοις, ψ]ηφι σαμένης τῆς πατρί/[δος ἀνασ]τῆναι αὐτοῦ τὰς τιμὰς / [ἐν τοῖς τέ]σ̣σαρσιν μ[α]κέλλοις. Vielleicht wird die Konstruktion glatter, wenn man in Z. 45 καὶ σ]τῆναι ergänzt, wodurch dann auch ἀνδριάς und τιμαί besser voneinander abgehoben wären. 5 J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1977 n. 422 aus Anlaß der Erwähnung der lateinischen Inschrift aus Ephesos (s. S. 174 f.; jetzt IvEphesos 646): „Signalons à ce propos une inscription inédite de Sardes: la statue d’un grand-prêtre de la province d’Asie (Ἀσίας) et de la ville est élevée par τῶν ἐν τῷ] σταταρίῳ πρ[αγματευομένων]“.
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trags ist es, diese Inschrift im vollen Umfang bekannt zu machen und ihre Aussagen zur Diskussion zu stellen6. Einer der Nebenschauplätze der ab 1958 wiederaufgenommenen Aktivitäten der amerikanischen Sardis-Expedition durch George M. A. Hanfmann war die Untersuchung der bedeutenden Baureste im äußersten Osten des Ruinenfeldes der römischen Stadt, der von früheren Reisenden als Stadttor, City Gate, angesehenen Anlage, die sich als römisches Bad entpuppte7. In unmittelbarer Nachbarschaft zu diesem Bau, aber vermutlich nicht mit ihm in direktem Zusammenhang stehend, kam eine Mauer zutage, in die eine Gruppe von 5 relativ späten, vermutlich schon der islamischen Zeit angehörigen Gräbern eingelassen war8. Für eines dieser Gräber (69.5) war als Abdeckung ein offenbar zu diesem Zweck zurechtgeschnittenes Stück einer Stele verwendet worden, das bei der Freilegung mit der Schrift nach oben noch in der ursprünglichen Lage vorgefunden wurde9. Es ist die hier vorzulegende Inschrift IN 69.14. Stele aus feinkörnigem weißen Marmor. Der durch eine 3,2 cm breite Glättung an der Schriftseite hervorgehobene linke Rand ist erhalten, desgleichen die obere Begrenzung; rechts und unten der Stein in grober Form abgeschnitten. Die Inschrift füllt etwa zwei Drittel der Höhe des Blockes aus, darunter ist ein leicht geglättetes freies Feld. H. 137,5, B. 37, D. 13,8 cm; Buchstabenhöhe 3,6, Zeilenabstand ca. 1 cm. (Abb. 1). Die in klaren Buchstaben eingemeißelte Inschrift verrät kaiserzeitlichen Charakter, wobei man besonders an das spätere 1. und das beginnende 2. Jhdt. n. Chr. denken wird10. Auffallend ist etwa die Tendenz zu Überschneidungen beim | Aufeinandertreffen schräger Hasten (bei A, Μ, Σ) sowie die Hervorhebung der Spitze der dreieckig geformten Buchstaben durch eine darübergesetzte Waagrechte (bei A, Δ, Λ). H zeigt den verkürzten, von den beiden senkrechten Hasten abgesetzten Mittelstrich. P hat eine nur kleine, vom senkrechten Strich leicht abgesetzte Schlinge, beim Φ sind beiderseits der Senkrechten ebenfalls kleine über einen Halbkreis hinausgehende Bögen angesetzt11.
6 Dem Leiter der Sardis-Expedition, Prof. Crawford H. Greenewalt, Jr., bin ich erneut zu Dank verbunden für die ehrenvolle Betrauung mit der Veröffentlichung des epigraphischen Materials der Grabung und für die Unterstützung meiner Arbeiten am Ort. 7 Vgl. George M. A. Hanfmann und Jane C. Waldbaum in dem von denselben herausgegebenen Band A Survey of Sardis and the Major Monuments Outside the City Walls (= Archaeological Exploration of Sardis, Report 1, 1975) 129 ff.: The Roman Bath CG. 8 Dazu der Grabungsbefund am Anm. 7 a. O. 165 f. mit dem Plan Fig. 335. 9 Die Fundlage ist auf Fig. 436 der in Anm. 7 genannten Publikation wiedergegeben. Ebd. 166 auch die Beschreibung des Befundes der Inschrift. 10 In der kurzen Beschreibung des Steines in der Grabungspublikation (s. Anm. 9) ist angeführt: „Approximate date: late third to early fourth century A.D. (?)“. Das ist auf jeden Fall zu spät. 11 Bezüglich des Φ „mit eingezogener Rundung“ hat kürzlich A. Rügler, AM 104, 1989, 224 mit Anm. 26 erklärt, diese Form „wäre nach der Mitte des 1. Jhdt.s n. Chr. ungewöhnlich“. Ich finde – jedenfalls im athenischen Bereich – die Form aber durchaus noch an der Wende vom 1. zum 2. Jhdt.: s. z. B.
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Der Text, von dessen ursprünglicher Breite etwas mehr als die Hälfte erhalten ist, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit in der folgenden Form hergestellt werden: {SEG XLVI 1524} Ὁ δῆμος ὁ [Σαρδια] νῶν ἐτείμ[ησεν] κατὰ ψήφισμ[α γενό] 4 μενον ἐν ἐκ̣[κλησίᾳ] πανδήμῳ (Blatt) Τ̣[ ca. 6 ] Ἰούλιον Λέπι[δον ca. 3] γενιανὸν τὸ[ν τῆς] 8 τε Ἀσίας καὶ [πόλεως], φιλοκαίσαρα [ἀρχιερέα], πρῶτον τῆς [πόλεως], διὰ φιλοδοξ[ίαν καὶ] 12 τὴν ἀσύνκρ[ιτον εἰς] τὴν πατρίδα ε[ὔνοιαν, ἀνα?] στησάντων̣ [ἐκ τῶν ἰδί] ων τὴν τειμὴ[ν τῶν ἐν τῷ] 16 σταταρίῳ πρα[γματευο] μένων. Als rechtliche Grundlage der vorliegenden Ehrung wird ein in einer ἐκκλησία πάν δημος gefaßter Volksbeschluß angeführt (Z. 3–5)12; ihre | Ausführung ist aber, wenn die vorgeschlagene Ergänzung in Z. 14/5 das Richtige trifft, durch die im folgenden noch zu behandelnde Korporation der ἐν τῷ σταταρίῳ πραγματευόμενοι auf deren
P. Graindor, Album d’inscriptions attiques d’époque impériale (1924) PI. XXIa (IG II/III2 4193), XXII (3544), XXIII (3545), alle an das Ende des 1. Jhdt.s datiert. 12 Die Wendung ἐκκλησία πάνδημος ist, wenn ich recht sehe, besonders ein Spezifikum der Inschriften von Olbia: s. IosPE I2 p. 551 (Index); I.Olbiae (1968) n. 47, 2 (dazu L. Robert, A travers l’Asie Mineure 84). Vgl. H. Swoboda, Die griechischen Volksbeschlüsse (1890) 309 mit der Vermutung: „Wahrscheinlich war … für die Beschlußfähigkeit der Versammlung eine gewisse Ziffer festgesetzt.“ Neuerdings ist ein Beleg aus Bubon dazugekommen: F. Schindler, Die Inschriften von Bubon (SBWien 278,3, 1972) 38 n. 12 mit der Korrektur der Ergänzungen durch J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1973 n. 456. Ob mit πάνδημος ein besonderer Charakter der Volksversammlung unterstrichen werden soll und dabei im Sinne von Swoboda ein Quorum für die Beschlußfassung vorauszusetzen wäre, muß offen bleiben. In der letzten Untersuchung des Fragenkomplexes von Ph. Gauthier, Quorum et participation civique dans les démocraties grecques, in C. Nicolet (Hrsg.), Du pouvoir dans l’antiquité: mots et réalités (Cahiers du Centre Glotz I, 1990) 73–99, wo allerdings die Kaiserzeit nicht einbezogen ist, wird der Begriff πάνδημος nicht diskutiert.
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eigene Kosten übernommen worden13. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß weder der Text selbst noch der materielle Befund der Inschrift erkennen lassen, in welcher konkreten Form die „Ehrung“ erfolgt ist. Bekanntlich kann der Begriff τιμή auch auf Statuen angewandt werden14, aber der Schriftträger ist hier jedenfalls keine Statuenbasis. Denkbar ist freilich, daß der stelenartige Inschriftblock Teil eines größeren Monuments gewesen ist. Der Name des Geehrten ist mit einiger Wahrscheinlichkeit als T[itus] oder T[iberius] Iulius Lepidus [-]genianus herzustellen15. Für diesen aus Sardeis gebürtigen Mann (Z. 13 τὴν πατρίδα) bietet sich eine prosopographische Kombination an: eine seit über 120 Jahren bekannte, heute noch vorhandene stark verstümmelte Inschrift (Sardis VII 1 n. 46 mit Fig. 36), mit der vermutlich die Epheben einen als ἀρχιερῆ τ̣ [ῆς Ἀσίας bezeichneten Iulius Lepidus ehrten, mag sich auf dieselbe Person beziehen16. Den Anfang mit dem Namen haben Buckler und Robinson in folgender Form ergänzt: [? Γ.] Ἰούλιον Λέπιδο̣ [ν, τὸν ἡμέτερον (?) / | πολε]ίτην. Wenn man davon ausgeht, daß derselbe Mann gemeint ist, wird man jetzt am Anfang [T.] oder [Tι.] ergänzen und könnte eventuell am Zeilenende statt der von den Herausgebern als unsicher angesehenen Ergänzung17 das jetzt zumindest mit seiner Endung bekannt gewordene zweite Cognomen [. . .]γενιανόν einsetzen. Aus der Nennung eines [Φλά]βιος Εἰσίγον[ος] als des für die Errichtung der Statue Verantwortlichen kamen die Herausgeber auf eine Datierung in flavische Zeit, da ein Mann dieses Namens unter Vespasian als Münzbeamter in Sardeis begegnet18. Die danach ergänzte Erwähnung der 32. Pentaeteris (der 13 Die Ergänzung ἀνα[στησάντων in Z. 13 wäre mit 9 Buchstaben das Maximum in dieser Inschrift. Bloßes στησάντων wird man aber andererseits ungern voraussetzen wollen, da das verbum simplex ἱστάναι ganz überwiegend auf metrische Inschriften beschränkt bleibt (s. G. Gerlach, Griechische Ehreninschriften, 1908, 47). 14 Vgl. dafür P. Herrmann, Chiron 23, 1993, 254 Anm. 74. 15 Der in Z. 5 nach dem Blatt gerade noch erhaltene Rest einer waagerechten Haste am oberen Zeilenrand schließt das sonst naheliegende Γάιον aus und führt mit recht hoher Sicherheit auf T. Man kann dann zwischen dem für die Lücke etwas zu kurzen Τ[ίτον] und dem etwas zu langen Τ[ιβέριον] schwanken. – Das aus einem griechischen Namen auf -γένης abgeleitete zweite Cognomen des Mannes wird besser unergänzt gelassen, da mehrere Möglichkeiten in Betracht kommen (Διο-, Θεο-, Ἰσι-, Νεογενιανόν bzw. noch viel mehr, wenn man den Verlust von 4 Buchstaben für möglich hält). 16 Nach den unvollständigen Lesungen H.-J. van Lenneps (RA 1875 II 54 n. V) und G. Webers (AM 25, 1900, 121) ist der Name zuerst von D. M. Robinson (AJA 14, 1910, 414) erkannt worden. Den Versuch einer vollständigen Ergänzung der Inschrift haben W. H. Buckler und D. M. Robinson, AJA 18, 1914, 358 Anm. 1 vorgelegt und in ihrem Corpus von 1932 mit einer geringfügigen Abweichnung wiederholt. 17 Das Problem ergibt sich aus der in Z. 2 vor καὶ ἀρχιερῆ erhaltenen Wortendung ]ιτην. Ich muß allerdings gestehen, daß ich in der sehr großen Zahl in Betracht kommender Wörter mit dieser Endung keinen passenden Begriff gefunden habe, durch den man das vorgeschlagene [πολε]ίτην ersetzen könnte. 18 BMC Lydia p. CII; R. Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griechischen Münzen 148. Dazu Syll. v. Aulock 3138 und 3147 (dort Verschreibung: ἐπὶ T. Φλ. Εἰσιγου). In der Legende BMC 254 n. 126 ist als Monogramm die Abkürzung στρα(τηγοῦ) beigefügt, was sich mit der Angabe der Inschrift Sardis n. 46 gut vertrüge, die Z. 7 auch das Amt des Strategen nennt.
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Provinzialspiele), für die der Oberpriester als Agonothet fungierte (Z. 3), führte sie auf eine präzise Datierung der Ehreninschrift in das Jahr 96 oder kurz danach. Auch wenn auf eine so genaue Festlegung angesichts der immer noch ungelösten Probleme der Periodizität der Provinzialfeste verzichtet werden sollte19, wäre die oben erwähnte grobe Datierung in flavische Zeit auch für unsere neue Inschrift gut zu akzeptieren. Nach der (schon von J. u. L. Robert vorgenommenen: s. Anm. 5) Ergänzung hat auch die neue Inschrift für Iulius Lepidus seine Funktion als ἀρχιερεύς genannt, den Titel außerdem noch mit dem Prädikat φιλόκαισαρ verbunden20. Die Besonderheit wäre hier aber, daß der | Geehrte das Amt des Provinzialpriesters verknüpft hätte mit der Stellung des städtischen ἀρχιερεύς, also des Priesters für den lokalen Kaiserkult, übrigens eine durchaus nicht singuläre Kombination21. Der nachfolgende Ehrentitel des πρῶτος τῆς πόλεως hebt allgemein den Rang des Mannes hervor22, und auch in der abschließenden Motivierungsformel mit Nennung seiner φιλοδοξία und des „unvergleichbaren“ (ἀσύγκριτος) Wohlwollens seiner Vaterstadt gegenüber wird uns eine Präzisierung seiner Verdienste vorenthalten23. Ein vorderhand nicht lösbares Problem stellt der Versuch einer genealogischen Einordnung unseres T[ ] Iulius Lepidus [ ]genianus dar. Wir kennen nämlich aus Thyateira eine prominente Familie, in der in drei Generationen aufeinanderfolgen ein M. Antonius Attalus Lepidus, M. Antonius Lepidus und C. Iulius Lepidus24. Von diesen 19 Buckler – Robinson waren von einem durchgehenden penteterischen Zyklus der 29 v. Chr. eingeführten Ῥωμαῖα Σεβαστά ausgegangen und hatten von daher die 32. πενταετηρίς von 96 als einzige für die flavische Zeit ergänzbare Zeitangabe der verstümmelten Inschrift angesehen: [ἀγωνοϑέτην] τῆς δευτέρας κ[αὶ λʹ πενταετηρίδος]. Inzwischen ist aber die Frage der Periodizität der Ῥωμαῖα Σεβαστά ebenso in die Diskussion geraten wie das Problem des Beginns und des Veranstaltungsrhythmus der möglicherweise diese Serie fortsetzenden oder neben sie tretenden Agone der Κοινὰ Ἀσίας: s. vor allem L. Moretti, RivFil 82, 1954, 276–289 (Tra epigrafia e storia 141–154); Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 (1969) 165 mit Anm. 6; C. Fayer, Il culto della dea Roma (1976) 114 Anm. 20 und 124 f.; B. Levy, JNG 44, 1994, 87 Anm. 35; P. Herrmann, IstMitt 44, 1994, 218 Anm. 69 {hier S. 438}. Angesichts dieser Unsicherheiten unterläßt man besser einen Ergänzungsversuch in dieser Zeile. 20 R. Münsterberg, ÖJh 18, 1915, Beibl. 315–8 erklärt φιλόκαισαρ als einen Titel. Vgl. Ch. Dunant – J. Pouilloux, Recherches sur l’histoire et les cultes de Thasos II (1975) 121; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1966 n. 368 (kein „Schmeichelepitheton“). 21 Vgl. P. Herrmann, IstMitt 44, 1994, 227 mit Anm. 108 {hier S. 449 f.}. 22 Derselbe Titel erscheint in der Inschrift für Sokrates Pardalas Sardis VII 1 n. 22, 5; vgl. L. Robert, CRAI 1975, 320 (OMS V 499). 23 Für die Bedeutungsentwicklung von φιλοδοξία und ihre Nähe zur εὐεργεσία vgl. J.-L. Ferrary, Philhellénisme et impérialisme (1988) 116 mit Anm. 235. Einen sehr materiellen Aspekt gewinnt das Wort in der folgenden Wendung der Ehreninschrift für M. Ulpius Appuleianus Flavianus von Aizanoi, wo zugleich ein Beleg für ἀσύνκριτος enthalten ist: F. Naumann, IstMitt 35, 1985, 219 Z. 18 ff. (SEG XXXV 1365) διανομαῖς καὶ φιλοδοξίαις ἀσύνκριτον παρασχόντα ἑαυτόν. Man vgl. z. B. auch die ἀσύνκριτοι εὐεργεσίαι einer Inschrift aus Apameia in Phrygien: G. Klaffenbach, MusHelv 6, 1949, 220 (dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1951 n. 212). 24 Vgl. das in Weiterführung von W. H. Buckler, RPhil 37, 1913, 296 vorgeschlagene Stemma TAM V 2 p. 343 mit den Belegen.
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war der erste ἀρχιερεὺς διὰ βίου, also Priester im städtischen Kaiserkult, während der Sohn und der Enkel es zum ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας, d. h. zur Stellung des Provinzialpriesters, brachten. Bemerkenswert ist dabei auch der Übergang aus der gens Antonia in die gens Iulia, wobei das Cognomen überdies den dritten Triumvirn Lepidus in den Blick rückt. Hier ist offenbar eine einflußreiche Familie der lokalen Aristokratie mit einer gewissen Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit durch die Wechselfälle der Übergangsphase zur Monarchie in Rom gesteuert25. Es spricht viel dafür, daß auch unser Mann aus Sardeis zumindest zu ihrer Verwandtschaft gehört, auch wenn ein Anknüpfungspunkt vorläufig fehlt.26 Der Schluß der Inschrift nennt die Korporation, die die Errichtung des von der Volksversammlung beschlossenen Ehrenmonuments für Iulius Lepidus auf eigene Kosten übernommen hat: die ἐν τῷ σταταρίῳ πραγματευόμενοι, also einen vereinsmäßig organisierten Verband von Geschäftsleuten oder Handeltreibenden27. Daß wir dabei das literarisch völlig unbekannte Wort στατάριον ohne Zögern mit „Sklavenmarkt“ wiedergeben können, verdanken wir besonders einer 1896 bekannt gewordenen Inschrift aus Thyateira, in der der Kontext mit Deutlichkeit auf diese Interpretation führt (TAM V 2 n. 932): Es ist eine Ehreninschrift, die ausgeht von οἱ τοῦ σταταρίου ἐργασταὶ καὶ προξενηταὶ σωμάτων, wobei überdies der geehrte Alexandros mit dem klärenden Funktionsbegriff σωματέμπορος versehen wird. Schon P. Wolters, der die Inschrift nach der von A. Fontrier in einer smyrnäischen Lokalzeitung vorgenommenen Erstpublikation bekannt gemacht hat (AM 21, 1896, 262), konnte ihren Aussagewert hervorheben: „Das anscheinend unbezeugte Wort στατάριον muß nach dem Inhalt der ganzen Inschrift wohl den Sklavenmarkt bezeichnen.“ Wegen ihrer Bedeutung ist die thyateirenische Inschrift auch von W. Dittenberger in seine Sammlung aufgenommen und ausführlich kommentiert worden (OGI 524) und hat Eingang in die Literatur über das Vereinswesen gefunden28. Seitdem haben sich die Beispiele
25 Die historischen Besonderheiten dieser Namensentwicklung sind von L. Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure gréco-romaine I (1963) 221 f. sowie Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 308 Anm. 4 herausgestellt worden. 26 W. H. Buckler und D. M. Robinson haben AJA 18, 1914, 358 die Möglichkeit angedeutet, daß der Antonius Lepidus der Inschrift aus Sardeis der Sohn des Thyateireners C. Iulius Lepidus war. In der Edition Sardis VII 1 n. 46 wird das etwas abgeschwächt („was probably descended“). Identität zwischen dem C. Iulius Lepidus von Thyateira (TAM V 2 n. 968, 3) und dem Mann der Inschrift Sardis n. 46 erwog auch M. Rossner, StCl 16, 1974, 132. Der Umstand, daß in unserer neuen Inschrift Sardeis als πατρίς des Geehrten bezeichnet wird, sowie auch die jetzt bekannt gewordenen weiteren Namenselemente sprechen gegen eine direkte Verknüpfung mit der thyateirenischen Familie. 27 Zu dem Gebrauch und der Verbreitung von Konstruktionen mit πραγματευόμενοι s. F. Poland, Geschichte des griechischen Vereinswesens (1909) 109 f. in dem Kapitel „Kaufleute“. 28 J.-P. Waltzing, Étude historique sur les corporations professionelles chez les Romains III (1899) 60 n. 166. Gegen dessen Übersetzung von ἐργασταί mit „ouvriers du marché aux esclaves“ und προξενηταί mit „marchands d’esclaves“ (die von H. Francotte, L’industrie dans la Grèce ancienne II, 1901, 211 übernommen wurde), wendet sich Poland a. a. O. 108 Anm. †††), der in den nebeneinander
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für στατάριον vermehrt29, wobei im besonderen eine erstmals von J. Keil publizierte Inschrift aus Ephesos von Interesse | war, da sie das lateinische Äquivalent der griechischen Formel von den πραγματευόμενοι anführte: [qui i]n statario ne[g]otiantur30. Dazu ist neuerdings ein weiteres lateinisches Exemplar aus Ephesos mit der vollständig erhaltenen Wendung getreten (IvEphesos 646). An die jetzt vorliegenden Befunde lassen sich Überlegungen und Fragestellungen anschließen, die – je nach Interessenlage – den sprachlichen Aspekt, die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung und eventuell auch topographische Gesichtspunkte ins Auge fassen. Alle drei Blickrichtungen sind in der neueren Forschung aufgenommen worden. Zur sprachlichen Seite des Phänomens liegt eine anregende Untersuchung von Paolo Poccetti vor31. Auf der Grundlage einer Eingrenzung der Wortbelege nach zeitlichen (1. Jhdt. v. bis 2. Jhdt. n. Chr.) und räumlichen Gesichtspunkten (wichtige Handelsstädte des antiken Kleinasien) kommt Poccetti zu der Erkenntnis, daß das in den Literaturen beider Sprachen völlig unbekannte32 parallele Paar στατάριον/statarium in Verbindung stehen müsse mit der Ausbreitung der römischen Herrschaft im östlichen Mittelmeerraum und vermutlich „als Terminus römisch-italischer Kaufleute im griechischen Sprachgebiet entstanden“ sei. Mit ähnlichen Überlegungen hatte F. Coarelli in diesem Sinne schon Delos als Herkunfts- oder Entstehungsort des Terminus in Betracht gezogen33. Linguistisch erklärt Poccetti die beiderseitige Wortbildung als eine spezifische Interferenzerscheinung, ohne sagen zu können, in welcher Sprache der Begriff zuerst Anwendung gefunden hatte.
stehenden Kategorien „Händler des Sklavenmarkts“ und „Makler“ sieht. Zu προξενητής vgl. auch Dittenberger, Anm. 2: „Proxeneta appellatur cuius opera inter emptorem et venditorem convenit“. 29 Die Belege sind aufgezählt im Kommentar zu TAM V 2 n. 932, sie werden vollzählig vorgeführt auch in der Wortuntersuchung von P. Poccetti (s. Anm. 31). Natürlich waren sie auch L. Robert präsent, als er 1963/4 in einer Lehrveranstaltung an der École des Hautes Études im Rahmen der Behandlung von Inschriften aus Thyateira in ihrer Wiedergabe in den IGR IV die besagte Inschrift (n. 1257) erörterte: s. OMS IV 253. 30 J. Keil, Forschungen in Ephesos III (1923) n. 25 (AE 1924 n. 72); jetzt IvEphesos 3025. 31 P. Poccetti, Gr. στατάριον / Lat. statarium „Sklavenmarkt“: Lehnwort oder Bedeutungsentlehnung?, Glotta 63, 1985, 172–180. Poccettis Ausführungen waren offensichlich angestoßen worden durch den 1982 erschienenen Beitrag von F. Coarelli (s. Anm. 33) 134 f.; er hatte auf sie auch schon Athen. 62, 1984, 650 kurz zurückgegriffen. 32 Keine Beachtung gefunden hat in der Literatur eine von W. Dittenberger, OGI 524 Anm. 1 vorgetragene scharfsinnige Überlegung, ein literarischer Beleg für statarius zur Kennzeichnung der Herkunft aus dem Sklavenstand könne möglicherweise im Panegyricus des Pacatus auf Theodosius I. (Paneg. Lat. II 31) enthalten sein, wo der geschmähte Usurpator Magnus Maximus u. a. als statarius lixa bezeichnet wird. Dittenberger hat diese Idee allerdings selbst aufgegeben zugunsten einer noch ingeniöseren Ableitung der Wendung des Panegyrikers aus einer verderbten Livius-Überlieferung (XXX 28, 3 Statorius semilixa). 33 F. Coarelli, L’ “Agora des Italiens” a Delo: il mercato degli schiavi?, in F. Coarelli, D. Musti, H. Solin (Hrsg.), Delo e l’Italia (Opuscula Instituti Romani Finlandiae II, 1982) 119–145, hier: 134–6.
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Damit sind wir schon bei der sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen | Perspektive, die die besprochenen Belege eröffnen. Zum einen kann man sich natürlich fragen, ob die auf uns gekommene Auswahl an Belegen für στατάριον/statarium insofern signifikant oder repräsentativ sein kann, als sie uns gewisse Zentren des Sklavenhandels in diesem östlichen Raum kennen lehrt. Hier sollte man vielleicht das Spiel des Zufalls bei der Erhaltung entsprechender Zeugnisse nicht unterschätzen34. Ein anderer Punkt des Interesses kann sich unter dem Aspekt der geschäftlichen Beziehungen oder der geschäftlichen Förderung auf die Personen richten, denen Ehrungen der auf dem Sklavenmarkt tätigen Händler-Korporationen galten: das sind in Ephesos bei den beiden lateinischen Inschriften römische Beamte bzw. Funktionäre; römischer Bürger ist auch der Bauherr, der in Akmonia in Phrygien aus eigenen Mitteln das στατάριον nebst einem Altar errichten ließ35. Rein griechisch ist der Name des in Thyateira geehrten σωματέμπορος Alexander, dem die Statue charakteristischerweise nach dem Ende seiner viermonatigen Amtszeit als Agoranomos errichtet wurde36. Unser Mann in Sardeis ist, wie wir gesehen haben, vermutlich einheimisch-griechischer Herkunft, aber durch Bürgerrecht und öffentliche Stellung traditionellerweise an die römische Führungsschicht attachiert. Am wenigsten können wir über die Handeltreibenden selbst erfahren, die sich anonym hinter der kollektiven Bezeichnung der ἐν τῷ σταταρίῳ πραγματευόμενοι bzw. der in statario negotiantes verbergen. Man wüßte gern, welchen Anteil unter ihnen Römer oder auch noch „Italiker“ stellten. Desgleichen wäre es interessant zu wissen, welchen Charakter ihre „Korporation“ besaß, ob sie lokal begrenzt war oder ob etwa hinter der Formulierung ihrer Inschriften eine ad hoc zusammengekommene Gruppierung von reisenden Händlern unterschiedlicher Herkunft anzunehmen ist37. Schließlich könnte bei den hier erscheinenden πραγματευόμενοι auch noch die Frage einer gewissen Kontinuität einer entsprechenden Geschäftstätigkeit in Sardeis angeschnitten werden. Wir besitzen nämlich seit einigen Jahren von dort ein interessantes, noch in die Republik zurückreichendes Zeugnis, das bisher nur in proviso-
34 Man vgl. dazu das Kapitel The Geography of the Trade im Rahmen der Untersuchung von W. V. Harris, Towards a Study of the Roman Slave Trade, in J. H. D’Arms – E. C. Kopff (Hrsg.), The Seaborne Commerce of Ancient Rome: Studies in Archaeology and History (Mem. Amer. Acad. Rome, Vol. XXXVI, 1980) 117–140. 35 Ephesos: der Prokonsul von 42/3 C. Sallustius Passienus Crispus (IvEphesos 3025); Ti. Claudius Secundus, ein Subalternbeamter (viator, accensus, lictor, IvEphesos 646); Akmonia: Γάιος Σωρνά[τιος Γαίου?] υἱὸς Οὐελίνα Β̣[- - (MAMA VI 260), bei dem keine Funktionsangabe erhalten ist. 36 Die Verknüpfung der zwei Tätigkeitsbereiche hat Th. Reinach zu dem sarkastischen Ausruf veranlaßt (REG 10, 1897, 95): „Quel joli monde!“ 37 F. Poland (s. Anm. 27) 114 hat eher an „korporatives Auftreten“ als an feste Vereine gedacht: „Ein sehr wichtiger Anlaß, der Berufsgenossen vereinte, ist die Abhaltung eines Sklavenmarktes in Thyateira …“ In einer Fußnote weist er darauf hin, daß hier Francotte aber eine „Gilde“ angenommen habe.
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rischer Form bekannt gemacht wurde, aber noch keinen Widerhall in der Literatur gefunden zu haben scheint38. Deshalb sei es hier noch einmal aufgegriffen: IN 86.2 (= NoEx 86.18). Linke obere Ecke eines Blocks aus weißem Marmor; rechts und unten gebrochen. Die Rückseite ist roh bearbeitet. H. 47, B. 30 (Schriftfläche 26), D. 16 cm. Buchstabenhöhe Z. 1–3: 4,4–5, Z. 4–6: 2,8–3 cm. Gefunden 1986 in einem Feld nördlich von dem römischen Gebäudekomplex A (Vaulted Substructure), der im Süden der modernen Straße İzmir – Ankara etwa in der Mitte zwischen dem BadGymnasium-Komplex und dem oben S. 170 genannten römischen Bad (CG) gelegen ist. Die Bauanlage ist vermutungsweise als Ort der hellenistisch-römischen Agora angesehen worden39 (Abb. 2). {SEG XLVI 1521} 4
Italic[ei quei Sardibus] nego[tiantur] L. Mun[atio C. f. Planco] Ἰταλικο[ὶ οἱ ἐν Σάρδεσιν] πραγμα[τευόμενοι] Λευκίω[ι Μονατίωι Πλάγκωι].
Die Ergänzungsvorschläge der symmetrisch angeordneten bilinguen Inschrift beruhen auf der Vermutung, daß der Geehrte identisch ist mit einem Römer, für den sich in Delos auf der „Agora der Italiker“ zwei gleichlautende lateinisch abgefaßte Inschriften gefunden haben (I. Délos 1695 und 1696), die eine bedeutsame Parallele zu dem Fund aus Sardeis darzustellen scheinen. Dort wird der Mann, dessen Namensform hier in die Ergänzungen übernommen ist, geehrt durch die Italicei et Graecei quei Deli negotiantur. Sollte es sich um dieselbe Person handeln, wäre es ein beachtliches Zeugnis für geschäftlich orientierte Verbindungen von Delos nach Asia hinein. Es gibt allerdings bezüglich der Datierung und der Identifizierung des Mannes bei den delischen Denkmälern eine offenbar noch nicht entschiedene Kontroverse, wobei als grober Anhaltspunkt die Tatsache dient, daß die eine der Basen die Künstlersignatur des Ephesiers Agasias, Sohnes des Menophilos, trägt, dessen Tätigkeit in das | ausgehende 2. und das beginnende 1. Jahrhundert v. Chr. gesetzt wird40. In der Diskussion ist vor allem die Frage einer Identität mit einem bei Appian (Mithr. 34, 133) erwähnten Μουνάτιος ventiliert worden, der als Unterfeldherr Sullas 87 bei Chalkis einen Sieg über einen Teil der mithridatischen Invasionsarmee unter Neoptolemos errang41. In der oben erwähnten provisorischen Publikation habe ich angesichts des 38 The Sardis Campaign of 1986 (BASOR Suppl. No. 26, 1990) 165 f. 39 Vgl. C. Foss – G. M. A. Hanfmann, in Hanfmann – Waldbaum, Survey (s. Anm. 7) 30. Auf dem dort enthaltenen Plan Fig. 1 ist das Building A unter Nr. 24 eingetragen. 40 Vgl. J. Marcadé, Recueil des signatures de sculpteurs grecs II (1957) 4–11. 41 Für die Identifizierung vgl. J. Hatzfeld, BCH 36, 1912, 121; F. Münzer, RE XVI 1 (1933) 544 n. 27; T. R. S. Broughton, The Magistrates of the Roman Republic II (1952) 51; A. Degrassi, Inscriptiones Latinae
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Fehlens eines Titels in den Inschriften dafür plädiert, in Munatius Plancus eher einen einflußreichen römischen Privatmann zu sehen, und im übrigen gemeint, daß die Inschrift von Sardeis in die Zeit kurz vor den dramatischen Vorgängen der „ephesischen Vesper“ von 88 v. Chr. gehören dürfte42. Neben das Zeugnis aus Sardeis kann man wahrscheinlich eine Parallele aus Ephesos rücken, eine ähnliche Ehrung eines Römers durch die Italicei quei Ephesi negotiantur, in deren materiellem Befund eine Rasur sogar möglicherweise als Hinweis auf die Turbulenzen von 88 v. Chr. zu verstehen ist43. Die historische Einordnung des Exemplars aus Sardeis und damit auch die Identifizierung des Munatius Plancus kann freilich nur als Vermutung präsentiert werden, da wohl eine spätere Entstehung der Inschrift und damit Zuweisung an einen anderen Munatius nicht ganz auszuschließen ist44. Der Zweck des Verweises auf die Inschrift IN 86.2 war hier, die Tatsache der Etablierung einer Korporation von handeltreibenden „Italikern“ für das 1. Jhdt. v. Chr. in Sardeis herauszustellen. Man könnte sich vorstellen, daß deren Tätigkeit in der Kaiserzeit bei den ἐν τῷ σταταρίῳ πραγματευόμενοι in gewisser Weise eine Fortsetzung erfahren hat – ohne daß damit behauptet werden sollte, daß die negotiantes der ausgehenden Republik sich allein auf den Sklavenhandel konzentriert hätten. Ein letzter Gesichtspunkt betrifft topographische und baugeschichtliche Fragen. Die eben erörterte Inschrift der Italiker ist nahe einer Bauanlage aufgetaucht, die vermutungweise als hellenistisch-römischer Markt gedeutet wird. Bei der Stele für Iulius Lepidus ist angesichts der späten Wiederverwendung eine Aussage zum Herkunftsort nicht möglich. Es muß also eine offene Frage bleiben, wo das jetzt bezeugte στατάριον in Sardeis gelegen hat. An anderen Orten hat man gemeint, solche Plätze
liberae rei publicae (1957) 210 zu n. 359. Zweifel an der Identifizierung äußert P. Roussel, Délos colonie athénienne (1916) 323 Anm. 2 und neuerdings F. Coarelli in dem in Anm. 33 genannten Band 128 f.; für Identifizierung und Datierung auf die Zeit nach 87 dagegen M.-F. Baslez im selben Band 58 f. und 62 f. 42 Man kann vermutlich mit dem Schicksal der durch die Vorgänge überraschten und betroffenen Italiker von Sardeis die Notiz bei Plin. n. h. II 209 verbinden, wonach sich viele Bürger auf die insulae … Calaminae retten konnten (s. J. Hatzfeld, Les Trafiquants Italiens dans l’Orient Hellénique, 1919, 119), d. h. die „schwimmenden Inseln“ der Gygaia Limne nördlich von Sardeis (vgl. L. Robert, BCH 106, 1982, 340 = Documents d’Asie Mineure 302). 43 Es geht um die Ehrung eines L. Agrius L. f. Publeianus: R. Heberdey, Forschungen in Ephesos II 173 n. 58 (jetzt IvEphesos 2058), wo die Nennung der Italiker einer Tilgung verfallen ist, aber von Heberdey nach den Spuren entziffert werden konnte. Mit den Ereignissen von 88 v. Chr. hat diesen Befund in Verbindung gebracht D. van Berchem, BCH 86, 1962, 311 Anm. 7. In den IvEphesos wird – ohne Kenntnis van Berchems und ohne Eingehen auf das Problem der Rasur – eine Identifizierung mit einem bei Cic. pro Flacco 31 erwähnten L. Agrius sowie dem L. Agrius L. f. Publeianus Bassus einer Inschrift aus Elaia (IGR IV 271) vorgeschlagen. 44 Eine vermeintliche spätrepublikanische Parallele aus Ephesos, die Ehrung des Konsuls von 36 v. Chr. M. Cocceius Nerva (IvEphesos 658) ist durch den Fund eines zugehörigen Fragments hinfällig geworden (ÖJh 59, 1989, Beibl. 235 n. 2): Die Inschrift ging nicht von den Italikern aus. Es gibt aber – besonders in Griechenland – spätere Belege für ihr Auftreten: vgl. die Liste bei M.-F. Baslez (s. Anm. 41) 63 Anm. 94.
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lokalisieren zu können. Das ist Gelegenheit, abschließend eine neuere Diskussion über die Funktion und Bedeutung der „Agora der Italiker“ in Delos in Erinnerung zu rufen: Auch wenn gerade auf dieser Insel der (angeblich dort aufgekommene: s. S. 175) Begriff στατάριον/statarium nicht bezeugt ist, wird Delos in der Literatur auf Grund einer freilich sehr summarischen Notiz bei Strabon herkömmlicherweise als „Umschlagplatz“ im Sklavenhandel von ganz erheblicher Kapazität herausgehoben45. Hier hat nun 1970 Mariagrazia Cocco die Idee präsentiert, daß die Agora der Italiker der Platz dieses Sklavenmarktes gewesen sei; gegen den nachhaltigen Widerspruch von Ph. Bruneau ist die These von F. Coarelli aufgegriffen und verteidigt worden46. Dieser glaubte auch unter Auswertung von στατάριον-Inschriften für Magnesia am Mäander und für Ephesos entsprechende Lokalisierungsvorschläge für Bauanlagen, die als Sklavenmarkt dienten, vorbringen zu können. Hier gerät man indes auf ein sehr unsicheres Feld, wie denn auch die Zweckbestimmung der delischen Agora nach wie vor durchaus umstritten bleibt47. Es zeigt sich einmal mehr, daß ein | Zusammentreffen epigraphischer Überlieferung und archäologischer Befunde ein uns nur relativ selten beschiedener Glücksfall ist.
45 Strabon XIV 5, 2 p. 668: ἡ Δῆλος, δυναμένη μυριάδας ἀνδραπόδων αὐϑημερὸν καὶ δέξασϑαι καὶ ἀποπέμψαι. Dazu D. Musti (s. Anm. 33) 14. 46 M. Cocco, Sulla funzione dell’ “Agora degli Italiani” di Delo, PP 25, 1970, 446–9; F. Coarelli in dem in Anm. 33 angegebenen Beitrag (vgl. auch Anm. 31). Die Gegenargumentation von Ph. Bruneau: BCH 99, 1975, 273–5; 109, 1985, 557–546; 111, 1987, 331–9. 47 Hinzugekommen ist die Deutung der Anlage von N. K. Rauh als „recreational facility“: BCH 116, 1992, 293–333 und in seinem Buch The Sacred Bonds of Commerce. Religion, Economy and Trade Society at Hellenistic Roman Delos, 166–87 B.C. (1993) 289–338. Zu dem Fragenkomplex s. jetzt auch Th. Hantos, Menschen in einer hellenistischen Stadt – Einheit und Vielfalt, in K. Buraselis (Hrsg.), Ἑνότητα καὶ ἑνότητες τῆς ἀρχαιότητας. Unity and Units of Antiquity (Papers from a Colloquium at Delphi, 5.–8. 4. 1992 [1994]), 137–160, besonders 140 Anm. 6 und 151 (Korrekturzusatz). Hantos bevorzugt die Deutung als „Repräsentationsplatz“. – Über „bilingue Weihinschriften der römischen Zeit“ handelt J. Touloumakos in einem soeben erschienenen Beitrag Tekmeria 1, 1995, 79–126, wo 117–124 auch die Inschriften des conventus der Italiker in Delos und Argos besprochen werden.
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Abb. 2: IN 86.2 © Archaeological Exploration of Sardis/ President and Fellows of Harvard College
Abb. 1: IN 69.14 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
14 Grabepigramm aus Büyükbelen in Lydien Die zwischen Magnesia am Sipylos und Thyateira gelegene Hyrkanische Ebene (Ὑρκάνιον πεδίον), altes Ansiedlungsgebiet der persischen und später makedonischen Machthaber (TAM V 2 p. 464), erstreckt sich mit einem Ausläufer nach Südosten, zwischen den beiden Bergzügen des höheren Çal Dağ und des niedrigeren Gür Dağ. Dort liegen, an der Geländeschwelle, die zu der nördlich von Sardeis gelegenen Hermosebene mit der Gygaia Limne (Marmara Gölü) überleitet, die beiden Orte Büyükbelen und Çullugörece. Spuren antiker Besiedlung in Verbindung mit den Aussagen dort gefundener Inschriften haben dazu Veranlassung gegeben, dort zwei möglicherweise weiter zurückreichende Katoikien anzusetzen, die die Namen Lamyana (bei Büyükbelen) und Lasnedda (Çullugörece) geführt zu haben scheinen1. Eine in Büyükbelen abgeschriebene, von βουλή und δῆμος ausgehende Ehrung für einen Stephanephoren Aur. He[rmoge]nes, der mit einem denselben Titel aufweisenden Münzbeamten der Zeit der Philippi identifiziert werden kann, scheint für die Kaiserzeit die administrative Zugehörigkeit dieses Siedlungsraumes zu der Stadt Hyrkanis zu bezeugen (TAM V 2 n. 1323)2. Das Dokument aus Büyükbelen, das die Λαμυανεῖται nennt, ist eine 1908 von J. Keil und A. v. Premerstein aufgenommene Inschrift (aus dem späten 2. oder dem 3. ADerg V, 1997, 171–174 und 1 Abbildung. 1 Λαμυανα wird bei L. Zgusta, Kleinasiatische Ortsnamen (1984) 329 § 681-5 mit mehreren ähnlich lautenden Toponymen im Raum zwischen Kappadokien, Phrygien, Bithynien und Lydien zusammengestellt (allerdings mit der irrigen Angabe „westlich von Magnesia“). Bezüglich des Namens Λασνεδδα (TAM V 2 n. 1321) übt Zgusta 333 § 694 ebenso wie J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1970 n. 516 Zurückhaltung gegenüber der bei P. Herrmann – K. Z. Polatkan, Das Testament des Epikrates (SBWien 265,1, 1969) 44 erwogenen Gleichsetzung mit dem durch TAM V 2 n. 1322 bezeugten δῆμος [. . .]σζεδδίων. Während Lamyana nur kaiserzeitlich bezeugt ist, scheint der Beleg für Lasnedda auf eine makedonische Ansiedlung der hellenistischen Zeit zurückzuführen (s. G. M. Cohen, The Hellenistic Settlements in Europe, the Islands and Asia Minor [1995] 215). Bemerkenswert ist bei Lasnedda auch das Auftauchen des sonst auf Phrygien konzentrierten Kultes des Pap(i)as (vgl. Th. Drew-Bear – C. Brixhe, Kadmos 21, 1982, 83 Anm. 45; Th. Drew-Bear – Ch. Naour, ANRW II, 18,3 [1990] 2022 mit Anm. 437). 2 J. Keil – A. v. Premerstein, Zweite Reise 6 zu n. 7. – Bei dieser Gelegenheit sei ein ärgerliches Versehen bezüglich der Zusammenstellung der Testimonia für Hyrkanis TAM V 2 p. 463 korrigiert. Dort wird unter B 6 auf eine inschriftliche Bezeugung in der Form [ἡ Μακεδόνων] Ὑρκανῶν πόλις unter Trebonianus Gallus und Volusianus (251–3) verwiesen, aber die Angabe „infra n. 1317, 6“ geht ins Leere. Es handelt sich um eine in Sevdiköy bei İzmir abgeschriebene Inschrift wahrscheinlich eines Meilensteins, die J. Keil als vermutlich aus Hyrkanis verschleppt in das Material dieser Stadt aufgenommen hatte. Unter dem Eindruck neuerer Vermutungen vor allem J. u. L. Roberts (Hellenica VI 17 f., bes. 17 Anm. 6; Fouilles d’Amyzon en Carie I [1983] 32 Anm. 16) war ich aber zu der Auffassung gekommen, es sei keine ‚pierre errante‘, sondern ein Zeugnis der auf die Gemeinde Hyrkanis entfallenen Beteiligung am Straßenbau im Raum von Smyrna, habe deshalb die Inschrift aus dem Corpus herausgenommen, aber das Testimonium irrtümlich stehengelassen. Die Inschrift ist von G. Petzl in das Corpus von Smyrna aufgenommen: II n. 882.
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Jahrhundert), mit der ein Ti. Fl(avius) Gaius mitteilt, daß er aus eigenen Mitteln für die Lamyaneitai den Zeus Phratrios „gemacht“ habe: Τι. Φλ. Γάϊ[ος] / Λαμυανε[ί]/ταις Δία Φρ[ά]/τριον ἐκ τ/[ῶ]ν ἰδίων ἐ/ποίησεν (TAM V 2 n. 1320). Das hatten die Erstherausgeber so umschrieben (Zweite Reise 6 n. 8): „In einem dieser Dorfgemeinde gehörigen Heiligtum wird ein Bild des Ζεὺς φράτριος geweiht.“ Den Beinamen des Gottes führten sie dabei auf den in Lydien verbreiteten Begriff φράτρα zur Bezeichnung von einheimischen Kultvereinen zurück. Im Anschluß daran wird der Beleg auch von K. Latte, RE XX 1 (1941) 757 registriert: „Der Zeus Phratrios … ist der Gott eines Vereins.“ Es ist interessant, daß jetzt ein Neufund aus demselben Ort Büyükbelen der Bezeugung des Zeus Phratrios an die Seite gestellt werden kann, indem er eine Gruppe von φράτορες nennt: Stele aus weißem Marmor; oben beschädigt, unten gebrochen, an beiden Seiten Rand erhalten. H. 39, B. 40, D. 8,5 cm. Buchstaben 2, Zeilenabstand 1 cm. Die Schrift führt auf die Kaiserzeit, vielleicht auf das 2. Jhdt. Im Hof eines Hauses in Büyükbelen; dort im Garten beim Ausheben von Fundamenten gefunden. Aufgenommen am 22. 08. 1995 gelegentlich eines im mittleren Lydien durchgeführten Surveys3. Der Stein ist jetzt im Museum von Manisa (Inv.-Nr. 8372). Abb. 1. {SEG XLVII 1649; Merkelbach – Stauber, SGO IV 23/07 = 04/03/02} 4 173
[Λο]ύκιος ἐνϑάδε [κεῖ]/τ̣ αι, ὃν ἔκτανε νοῦσ[ος] / ἀμειδὴς καὶ νέον εἰς /4 Ἀΐδην ἤγαγεν αἰνόμο/ρον εἴκοσι καὶ δύ᾿ ἔτη / ζωῆς βίον ἐξανύσαν/τα, σωφροσύνην αἰεὶ /8 πᾶσιν ἐνενκάμενον· / τόνδ’ ἔτι καὶ μετὰ μοῖραν / ἐ̣ τείμησαν φίλοι ἄν/δρες φράτορες ἀενάου /12 μνημοσύνης ἕνεκεν.
Übersetzung Hier ruht Lucius, den eine traurige Krankheit tötete und ihn, den unglücklichen, jung in den Hades entführte, nachdem er (nur) zweiundzwanzig Lebensjahre vollendet hatte, ihn, der allen gegenüber immer sittsames Verhalten bewiesen hatte. Ihn ehrten auch nach seinem Tode die ihm in Freundschaft verbundenen Männer, Genossen seiner Phratra, um des ewigen Gedenkens willen.
3 Für die Erlaubnis zur Durchführung des Surveys, der im wesentlichen der Vorbereitung des 3. Faszikels des Lydien-Bandes TAM V dienen sollte, bin ich dem Anıtlar ve Müzeler Genel Müdürlüğü zu Dank verpflichtet, für die Bereitstellung der finanziellen Mittel durch die Stiftungsverwaltungskommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dem Obmann der Kleinasiatischen Kommission, Prof. Dr. G. Dobesch. Die Reise erfuhr freundliche Unterstützung durch meinen Kollegen Prof. Dr. Hasan Malay in İzmir sowie die Mitarbeiter des Museums von Manisa unter dessen Direktor Hasan Dedeoğlu. Als Kommissar hat Herr Uğur Hoşgören vom Museum Uşak wirkungsvoll Hilfe geleistet. Der hier veröffentlichte Neufund wurde bei dem Grabungssymposion 1996 in Ankara kurz erwähnt: XIV. Araştırma Sonuçları Toplantısı (1997) I 93 mit Abb. 4.
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An dem mit 22 Jahren an einer Krankheit verstorbenen Lucius, der durch dieses recht konventionelle Epigramm4 von seinen Freunden geehrt wird, ist als einziges ihn charakterisierendes Detail die in seinem sozialem Verhalten bewiesene sittliche Qualität der σωφροσύνη hervorgehoben. Es ist bekannt, daß diese Charaktereigenschaft gerade auch früh verstorbenen Jünglingen oder Männern in Epigrammen zugesprochen wird5. Die Freunde nun, von denen die Errichtung des Grabsteines veranlaßt wurde, bezeichnen sich mit dem Kollektivbegriff φράτορες. Damit gewinnen wir für einen gerade in Lydien häufiger bezeugten Begriff einen neuen Beleg. Unter Bezugnahme auf Artemidor von Daldis (IV 44; V 82) sowie inschriftliche Belege hat K. Buresch, Aus Lydien (1898) 55 und 131 f. auf die Gleichsetzung von φράτρα oder φρατρία mit συμβίωσις bzw. von φράτορες mit συμβιωταί hingewiesen. Das Material ist seitdem vermehrt und weiter diskutiert worden6. In der Mehrzahl der Fälle geht es um die unspezifizierte Nennung von Vereinen, und φράτορες können dann neben den Angehörigen auch in Grabinschriften angeführt werden (z. B. TAM V 2 n. 1148 oἱ υἱοὶ καὶ oἱ φράτορες). Ein besonderer Fall begegnet im Raum von Iulia Gordos, wo nicht näher bezeichnete φράτορες einem συνπολείτης eine | Ehrung zukommen lassen (TAM V 1 n. 762). Ein anderes Mal wird eine νεωτέρα φράτρα τοῦ Ἀσκληπιοῦ genannt (TAM V 1 n. 451), woraus man präziser auf einen Kultverein schließen kann. Auch in Büyükbelen wäre diese Deutung möglich, wenn wir einen Zusammenhang der hier erwähnten φράτορες mit dem oben genannten Ζεὺς φράτριος herstellen wollten, in dem Sinne, daß es sich um einen Kultverein für Zeus gehandelt hätte. Freilich muß dieses Detail unsicher bleiben, da die in dem Epigramm erscheinenden φράτορες auch jeden anderen vereinsartigen Zusammenschluß bezeichnet haben können. 4 Den νοῦσος ἀμειδής V. 1 könnte man wörtlich wiedergeben mit „Krankheit, bei der einem das Lachen vergeht“; abgeschwächt entspricht es etwa der Glosse bei Hesych. Α 3543 Latte ἀμειδές· στυγνόν. Man vgl. etwa auch ἀμ(ε)ιδήτῳ … πένϑει in dem Epigramm Peek, GV 851, 9. – αἰνόμορον am Ende von V. 2 beziehe ich auf den Toten, stelle es also auf eine Stufe mit dem vorausgehenden νέον. Das Wort kann in Epigrammen auf den Verstorbenen bezogen werden (GV 1166, 27, dazu G. Petzl, Chiron 11, 1981, 303–8; IGUR III 1187), aber auch auf Hinterbliebene (GV 218, 2 = Hansen, CEG I 94). Daß es als Epitheton zu Hades gehören sollte, im Sinne der Bedeutung „que produce una suerte fatal“ des Diccionario Griego-Español I (1980) 91, halte ich für kaum wahrscheinlich. Man könnte dabei allenfalls auf das αἰνόμορον νόσημα bei Theokr. 30, 1 verweisen. 5 Einige Beispiele bei Th. Drew-Bear, EpigrAnat 1, 1983, 97 f.; vgl. P. Herrmann, in M. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus (1995) 191 mit Anm. 15 {hier S. 675}. H. North, Sophrosyne (1966) 131 gibt – nach Xenophon –, auf Knaben bezogen, dem Begriff die Bedeutung „obedience and orderly behaviour“ und erklärt σωφροσύνη Anm. 24 als „the virtue proper to the young, and of course to women – i.e. to all those members of society of whom obedience is required“ (dieses zitiert bei D. Whitehead, Class. et Med. 44, 1993, 71). 6 Vgl. P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien (DenkschrWien 80, 1962) 42 f.; G. Petzl, Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens (Festschrift F. K. Dörner, EPRO 66,2, 1978) 754; Ch. Naour, EpigrAnat 5, 1985, 62 mit Anm. 102; TAM V 2 n. 1148, 3; H. Malay, Greek and Latin Inscriptions in the Manisa Museum (1994) 89 zu n. 224.
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Abb. 1
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15 Die Karriere eines prominenten Juristen aus Thyateira Durch Abschriften von Reisenden des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts ist aus Thyateira als Empfänger von Ehreninschriften ein Konsular (ὑπατικός) namens M. Cn. Licinius Rufinus bekannt geworden, dazu ein offenbar gleichnamiger Sohn, bei dem die Zugehörigkeit zum Senatorenstand (συγκλητικός) hervorgehoben wurde1. Im Corpus von A. Boeckh wurden 1843 die Texte nach dem damaligen Stand erfaßt und als zusammengehörig erkannt (CIG 3499. 3500. 3502), zwei weitere kamen zu Beginn dieses Jahrhunderts hinzu (AM 27, 1902, 269 n. 1. Keil – v. Premerstein, Zweite Reise n. 55a {TAM V 2 n. 985. 988a}). Noch in dem 1927 erschienenen Band IV der Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes wird am Beginn der hier vereinigten Inschriftengruppe (n. 1214–1218) bezüglich des Vaters die lakonische Feststellung getroffen: „consularis ignotus saeculi III“. Indes war schon 1906 ein wichtiger Erkenntnisfortschritt gelungen: In einem ihm mitgeteilten Inschriftenneufund aus Thessalonike für einen Konsular (ὑπατικός) Λικίννιος Ῥουφεῖνος hatte H. Dessau den Mann aus Thyateira erkannt und überdies auf Grund seiner hier gegebenen Charakterisierung als ἐνπειρότατος νόμων seine Identität mit einem aus Zitaten in den Digesten bekannten | gleichnamigen Juristen des 3. Jhdt.s, der regularum libri XII verfaßt hatte, nachgewiesen2. Etwa 35 Jahre später hat ein Neufund in Beroia (AA 57, 1942, 176 n. 9) eine zusätzliche Bestätigung und Präzisierung der Rolle des Juristen in Makedonien erbracht, dessen Relevanz L. Robert erkannte und in einem 1948 erschienenen Beitrag herausstellte3. Hier wird von der Tätigkeit des wiederum als ὑπατικός bezeichneten Λικίνιος Ῥουφεῖνος gesagt: συναγορεύσαντα τῇ ἐπαρχείᾳ περὶ τῆς συντελείας τῶν Θετταλῶν. Das umschrieb L. Robert mit den folgenden Worten: „Le personnage honoré avait
Tyche 12, 1997, 111–123 und 1 Abbildung. 1 Hinweise auf die Abschriften durch W. Sherard (1702), van der Vecht und H. van der Horst (ca. 1718), Ch. de Peyssonnel (1750), A. v. Prokesch-Osten (1825) in den Lemmata der Edition TAM V 2 n. 984. 986. 987. 2 H. Dessau, Inschrift betreffend den Juristen Licinius Rufinus, ZSav 27 (1906) 420, nach Erhalt eines ihm durch Hiller von Gaertringen übermittelten Exemplars der Veröffentlichung des Textes durch P. N. Papageorgiou in der Lokalzeitschrift Ἀλήϑεια (danach in AE 1907 irrtümlich zweimal registriert: n. 42 [in verstümmelter Form] und 140; die Inschrift jetzt IG X 2,1 n. 142). In dem 1897 erschienenen Band II der PIR hatte Dessau noch den Juristen und den Konsular aus Thyateira unter getrennten Nummern angeführt (283 n. 163 und 164). Die Entdeckung Dessaus ist übrigens auch noch J. Keil und A. v. Premerstein unbekannt gewesen, als sie die 1908 von ihnen neu gefundene Inschrift für den Sohn veröffentlichten (Zweite Reise n. 55). Sie ist berücksichtigt im RE-Artikel von Miltner und Berger von 1926 (RE XIII 457 n. 151). Die durch Zitate erhaltenen 17 Fragmente aus den Regulae des Juristen sind bei O. Lenel, Palingenesia iuris civilis I (1889) 559 f. zusammengestellt. 3 L. Robert, Un juriste romain dans une inscription de Béroia, Hellenica V 29–34.
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plaidé pour la province de Macédoine au sujet de la contribution des Thessaliens.“4 Die Formulierung der Inschrift, zusammen mit der Tatsache, daß die Ehrung gemäß einem Beschluß des συνέδριον von dem Makedoniarchen auf dessen Kosten errichtet wurde, führte Robert zu der Annahme, daß Licinius Rufinus auf Wunsch der Provinz zu ihren Gunsten plädiert habe und daß das diesbezügliche Verfahren in Rom vor dem Kaiser stattgefunden haben müsse. H. Halfmann ging demgegenüber von einer Verhandlung vor dem makedonischen Provinziallandtag aus5. Die Charakterisierung des Rufinus als ἐμπειρότατος νόμων6 in der Inschrift aus Thessalonike bezog Robert mit Hinweis auf parallele Wendungen ohne weitere Präzisierung auf seine „qualité de juriste“. W. Kunkel, der Rufinus in seiner Prosopographie der kaiserzeitlichen Juristen behandelte, ohne allerdings die Inschrift aus Beroia einzubeziehen7, war hinsichtlich der konkreten Bedeutung des ἐμπειρότατος | νόμων unsicher: „Das kann sowohl dem lateinischen iuris consultus entsprechen, das den Träger des ius respondendi kennzeichnet, als auch dem allen Rechtskundigen zukommenden Prädikat iuris peritus.8 Was die Beziehung des Rufinus zur Stadt Thyateira betrifft, so haben die schon erwähnten dort gefundenen Inschriften (zuletzt: TAM V 2 n. 984–988) immerhin herausgestellt, daß es seine πατρίς war, er also von dort stammte, und zugleich, daß er gegenüber seiner Vaterstadt als κτίστης und εὐεργέτης hervorgetreten war9. Im Hinblick auf seine gesellschaftliche Stellung und seine Karriere hoben die bisher bekann4 L. Robert hat später, Villes d’Asie Mineure2 (1962) 393 mit Anm. 5, alternativ die Übersetzung formuliert: „… au sujet des Thessaliens rattachés à la province“, dabei auf die sich hier berührenden zwei Bedeutungen von συντέλεια = contributio hinweisend, den „sens territorial“ und den „sens financier“. Der territorialen Bedeutung im Sinne einer Untergliederung des makedonischen Koinon wollte auch M. Wörrle, in J. Borchhardt u. a. (Hrsg.), Myra. Eine lykische Metropole in antiker und byzantinischer Zeit (1975) 292 Anm. 750 den Vorzug geben. Zuletzt ist die Problematik der Bedeutungen von συντελεῖν, συντέλεια eingehend diskutiert worden von M. Corbier, in Epigrafia. Actes du colloque international d’épigraphie latine en mémoire de Attilio Degrassi, Rome 27–28 mai 1988 (Coll. de l’École Française de Rome 143, 1991) 640 ff. (freundl. Hinweis der Verfasserin). 5 H. Halfmann, in Epigrafia e ordine senatorio II (Tituli 5, 1982) 630 (in seiner Zusammenstellung der „Senatoren aus den kleinasiatischen Provinzen“). 6 Für die Verbindung ἐμπειρία νόμων u. ä. vgl. zuletzt H. Taeuber, ADerg III (İzmir 1995) 154 mit Anm. 36. 7 Kunkel, Herkunft 255 n. 69. Kunkel spricht von „zwei weitere(n) Inschriften aus Saloniki“, zitiert aber in Anm. 536 nur den einen Text. Der zweimalige Abdruck in der AE (s. Anm. 2) hat ihn offensichtlich in die Irre geleitet. 8 Kunkel 303 Anm. 645. L. Robert gab BCH 102 (1978) 436 Anm. 18 (Documents d’Asie Mineure 132) die Formel mit iuris peritus wieder. – Die von G. Barbieri, L’albo senatorio da Settimio Severo a Carino (1952) 217 f. n. 1084 geäußerte Vermutung, Rufinus könne als Prokonsul von Macedonia oder als Legat des Prokonsuls agiert haben, ist von A. Aichinger, ArhVestnik 30 (1979) 665 n. 15 mit Recht zurückgewiesen worden (s. auch Leunissen, Konsuln 179 Anm. 224). In dem Buch von J. A. Crook, Legal Advocacy in the Roman World (1995), wo die Begriffe συνήγορος, συνηγορία wiederholt diskutiert werden (49 ff., 151 ff.), kann ich keine Erwähnung des Licinius Rufinus entdecken. 9 Vgl. besonders L. Robert, Hellenica V 33 f.; die Zweifel bei Kunkel, Herkunft 78 sowie 255 Anm. 538 hinsichtlich seiner Herkunft sind unberechtigt.
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ten Zeugnisse nur zwei Aspekte heraus: den Rang des ὑπατικός und die Qualität des φίλος τοῦ Σεβαστοῦ. Die vorauszusetzende Bekleidung des Konsulats ist nicht sicher datierbar, auf der Grundlage kombinatorischer Überlegungen liegen die bisher vorgetragenen Ansätze besonders etwa zwischen 220 und 23010. Zur Herkunft und Karriere hat sich allein W. Kunkel Gedanken gemacht, dessen Worte hier angeführt seien: „Ob er von Geburt dem Senatorenstand angehört hat oder als erster seiner Familie zu diesem Rang emporgestiegen ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Immerhin liegt wohl das erste näher als das zweite, da es den Anschein hat, als ob er die Laufbahn eines ritterlichen Juristen nicht zurückgelegt habe.“11 Genau zu dieser Problematik liefert jetzt eine neu aufgetauchte weitere Ehreninschrift für den prominenten Sohn Thyateiras eine überraschende Antwort. Dieses Dokument wird hier im Interesse einer schnellen Bekanntmachung vorgelegt, durchaus in dem Bewußtsein, daß die Auswertung für die Experten noch Fragen offenläßt. Große rechteckige Statuenbasis aus Marmor, oben mit Profil versehen. Im Jahre 1994 von Hasan Malay in dem Ort Akselendi12 in der Örtlichkeit Karapullut Mevkii aufgenommen; jetzt im Museum von Manisa. H. 122, B. 56, D. 60 cm; Buchstabenhöhe 2,5 (Z. 18: 7,5) cm. Abb. 1 (Photo H. Malay). {SEG XLVII 1656} 4 8
Ἀγαϑῆι τύχηι· Μ. Γναῖον Λικίν. Ῥουφεῖνον ἱππικόν, σύνβουλον Σεβ., πράξα[ν]τα τὰς Ἑλληνικὰς ἐπι[σ]τ̣ ολάς, ἐπὶ παιδείας Σεβ., ἐπὶ τῶν καϑόλου λόγων, ἐπὶ τῶν ἀποκριμάτων, στρατηγὸν Ῥωμαίων, ἡγεμόνα ἐπαρχείας Νορικοῦ, ἱερέα σακερδωτίου Τίτου̣ Τατίου̣, ἐν τῶι συνβουλίωι τῶν εἴκοσιν [ἀν]-
10 Die Kombinationen erstrecken sich auf seine durch Dig. 40, 13, 4 bezeugte Beziehung zu dem Juristen Paulus und die bei Dig. 24, 1, 41 vermutete Nennung Caracallas, dazu die Datierungsansätze für einen anderen prominenten Thyateirener, C. Perelius Aurelius Alexander, der der Stifter einer der Ehrenstatuen für Licinius Rufinus war (TAM V 2 n. 984) und der auf Grund einer ihm selbst geltenden Inschrift aus dieser Stadt in die Zeit Caracallas zu setzen ist (TAM V 2 n. 1018). Für die neueren Ansätze für das Konsulat des Rufinus genüge der Hinweis auf L. Petersen, PIR2 V (1970) 56 n. 236 sowie Leunissen, Konsuln 179. Für ca. 230 haben Keil und v. Premerstein plädiert (Zweite Reise p. 30), für „gegen 220 und früher“ L. Robert, Hellenica V 32. S. auch den Kommentar zu TAM V 2 n. 984, wo mit der Möglichkeit eines späteren Datums gerechnet wird. 11 Kunkel, Herkunft 255. 12 Das auf der dem Faszikel TAM V 2 beigegebenen Karte unter dem Namen Selendi eingetragene Dorf wird seit einiger Zeit mit dem Namen Akselendi („Weiß-Selendi“) bezeichnet, um es von dem ca. 30 km nordöstlich von Kula gelegenen Selendi als Nachfolger des antiken Silandos, dessen Ortslage schon länger den Namen Karaselendi („Schwarz-Selendi“) führt, zu unterscheiden.
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δρῶν, ἐπιλεχϑέντα φίλον τοῦ Σεβ., πρεσβεύσαντα πολλάκις πρὸς τοὺς 12 αὐτοκράτορας καὶ πάντα τὰ δίκαια τῆι πατρίδι κατορϑώσαντα, τὸν λαμπρότατον ὑπατικὸν διά τε ἀφϑονίαν τροφῶν καὶ ἔργων πολ 16 λῶν καὶ μεγάλων κατασκευὰς κοι νῇ τε καὶ κατὰ ἕνα εὐεργέτην οἱ κηπουροί. Übersetzung Glückauf! Den M(arcus) Gnaeus Licin(ius) Rufinus, Ritter, consiliarius Augusti, ab epistulis Graecis, a studiis Augusti, a rationibus, a responsis, praetor (der Römer), praeses provinciae Norici, Inhaber des Priestertums des Titus Tatius, Mitglied des Rates der zwanzig Männer, erwählten Freund des Kaisers, der häufig Gesandtschaften zu den Kaisern übernommen und alle Privilegien für seine Heimatstadt erwirkt hat, den erlauchtesten Konsular, durch die reichliche Versorgung mit Lebensmitteln und die Errichtung vieler großer Bauwerke ein Wohltäter insgesamt und für jeden einzelnen, (haben geehrt) die Gärtner.
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Der Fundort dieser Basis (Ak-)Selendi liegt ca. 17 km südlich von Akhisar/Thyateira und ca. 10 km südöstlich der Ortslage des antiken Hierokaisareia. In dem Corpus-Faszikel TAM V 2 habe ich den Ort und das dort gefundene Inschriftenmaterial im Kapitel XXV Hierocaesarea eingeordnet, mit Ausnahme von zwei Inschriften, die ich entweder unter Zweifeln (n. 903) oder mit Zuversicht (n. 998) Thyateira zugewiesen habe. Es ist bekannt, daß der Stadt Thyateira zuzurechnende Inschriften in einem sehr weiten Umkreis in der Umgebung der Stadtlage aufgefunden worden sind13. Im hier gegebenen Fall kann man aber aus inhaltlichen Gründen mit Sicherheit | eine Zuweisung an Thyateira vornehmen, unabhängig von der Frage, ob es sich um einen aus dieser Stadt verschleppten Stein handelt oder um ein an der Peripherie des städtischen Territoriums errichtetes Denkmal. Es verdient Erwähnung, daß – wie mir H. Malay mit13 Auf die daraus sich ergebenden Probleme der Zuweisung sowie der Materialanordnung im Corpus hat P. Frei in seiner Rezension zu TAM V 2 hingewiesen: Gnomon 68 (1996) 429 f. Frei gibt zu bedenken, „ob nicht grundsätzlich eine Publikation nach Fundorten vorzuziehen wäre“. In unserem konkreten Fall würde das bedeuten, daß die neue Inschrift getrennt von den 5 in Akhisar/Thyateira selbst aufgenommenen Inschriften für Licinius Rufinus bzw. seinen Sohn unterzubringen wäre. In einem hier grundsätzlich gegebenen „Dilemma, das sich nicht beseitigen läßt“ (Frei), habe ich mich entschieden, der sachlich-inhaltlichen Zuordnung der Texte vor dem regionalen Aspekt von Fundorten und Fundumständen den Vorzug zu geben, war mir aber der hierin enthaltenen Problematik durchaus bewußt. Zur regionalen Aufgliederung wird man sich leichter entschließen, wenn man von erkennbaren antiken Siedlungslagen oder gar greifbaren Ortsnamen ausgehen kann. Gerade solche sind aber im Umkreis von Thyateira so gut wie gar nicht faßbar.
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teilt – die hier veröffentlichte Inschrift zusammen mit einer Ehreninschrift für eine Artemis-Priesterin gefunden wurde (jetzt ebenfalls im Museum von Manisa): Diese kann nach Hierokaisareia, aber ebenso auch nach Thyateira gehören (vgl. TAM V 2 n. 931. 995. 996). Unser Denkmal wurde nach Aussage der (mit größeren Buchstaben geschriebenen) letzten Zeile der Inschrift gestiftet von den κηπουροί, den „Gärtnern“, die, wie andere Berufsgruppen in dieser Stadt, in einem vereinsartigen Zusammenschluß organisiert waren. Sie sind in Thyateira bereits durch ein in seinem Charakter allerdings nicht sicher deutbares Fragment bezeugt (TAM V 2 n. 1168). Solche Berufsvereine von Gärtnern sind im übrigen schon aus einer ganzen Anzahl griechischer Städte bekannt, unter wechselnden Vereinsbezeichnungen wie στατίων, σύστημα, ἐργασία, ὁμοτεχνία14. Was den Tätigkeitsbereich solcher κηπουροί betrifft, so ist kürzlich von H. W. Pleket auf die nicht immer bedachte Möglichkeit hingewiesen worden, daß es sich hierbei um für den Markt produzierende (Blumen- und Gemüse-)Gärtner gehandelt haben kann15. Es verdient Beachtung, daß sich der Neufund als zweiter Beleg für eine Ehrung des Rufinus durch einen der städtischen Handwerkervereine neben die schon bekannte Ehreninschrift der βυρσεῖς, der Gerber, stellt (TAM V 2 n. 986), während zwei andere Ehrungen von Einzelpersonen ausgingen, die ihn als ihren persönlichen εὐεργέτης bezeichneten (984 und 985). Offensichtlich hat in der Stadt dereinst noch eine weit größere Anzahl von Ehrendenkmälern für den prominenten Konsular existiert. Die vom heutigen Leser begrüßte Besonderheit ist nun freilich der Tatbestand, daß die „Gärtner“ im Unterschied zu den bisher bekannten Inschrifttexten mit einem vollen und zugleich höchst aufschlußreichen cursus honorum aufwarten. Die folgende Einzelinterpretation möchte ich zunächst noch ohne die Diskussion chronologischer Fragen angehen. Der hier erscheinende cursus des Licinius Rufinus setzt mit einer langen Abfolge ritterlicher Funktionen ein, dem Karriere-Typ, den Kunkel in seinen oben zitierten Überlegungen gerade für den weniger wahrscheinlichen angesehen hatte. Die (ursprüngliche) Zugehörigkeit zum Ritterstand ist durch das vorausgestellte ἱππικόν | notifiziert16. Es folgt – ohne die Anführung irgendwelcher Vorstufen – die Nennung der Funktion des σύνβουλος Σεβαστοῦ, Wiedergabe des lateinischen consiliarius Augusti. Als Karrierestufe von centenarem Rang ist sie uns in beiden Sprachformen zuerst für M. Aurelius Verianus Papirius Dionysios in der Zeit Marc Aurels bezeugt17.
14 Man vgl. dafür die Belegsammlungen bei J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1971 n. 648 und 1973 n. 463 sowie Th. Drew-Bear und Ch. Naour in ANRW II 18, 3 (1990) 1984 Anm. 272. 15 H. W. Pleket im Kommentar zu SEG XL 1187 („market-gardeners“). 16 Vgl. dafür zuletzt J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1971 n. 531; W. Ameling, EpigrAnat 1 (1983) 65. 17 CIL X 6662 = ILS 1455 (Antium) centenario, consiliano Aug.; IGR I 135 = IGUR 59, 8 σύμβουλόν τε τοῦ Σεβαστοῦ (dazu AE 1938, 60 für den vollen Namen). Der in absteigender Folge gegebene lateinische cursus nennt ihn iuris peritus und beginnt mit der Angabe adsumptus in consilium ad HS LX m(ilia)
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Etwa hundert Jahre später, unter Valerian, belegt die Benennung des Caecilius Hermianus als δουκηνάριος ἐπὶ συμβουλίου τοῦ Σεβαστοῦ die inzwischen eingetretene Rangerhöhung18. Es hat den Anschein, daß die ritterliche Karriere des Rufinus mit dieser Aufnahme in das kaiserliche consilium eingesetzt hat19. Die nächstfolgende Angabe πράξαντα τὰς Ἑλληνικὰς ἐπιστολάς (Z. 3) umschreibt die Funktion des ab epistulis Graecis, die normalerweise griechisch mit ἐπὶ τῶν Ἑλληνικῶν ἐπιστολῶν wiedergegeben wird. In dieser Stellung, nach H.-G. Pflaum „réservée en général aux grands rhéteurs grecs“, ist uns schon eine größere Reihe von Amtsinhabern bekannt20. Für sie ist nach einer Erkenntnis von Pflaum seit Septimius Severus die tricenare Rangstufe vorauszusetzen21. Unsere Inschrift führt weiter zur nächsten Funktion des Rufinus: ἐπὶ παιδείας Σεβαστοῦ (Z. 4), die griechische Wiedergabe der Stellung des a studiis Augusti. Mit diesem Amt, das bekanntlich auch Sueton innehatte, war schon einmal im 2. Jh. ein prominenter Jurist betraut worden, L. Volusius Maecianus, der der Rechtslehrer Marc Aurels gewesen war (SHA Marc. 3, 6)22. In seiner griechischen Sprachform ist uns das Amt für die Zeit Hadrians und Galliens bezeugt; Pflaum hat es vermutungsweise ab Septimius Severus auf der tricenaren Stufe angesiedelt23, was unsere Inschrift zu | bestätigen scheint. Es wird angenommen, daß sich die Tätigkeit des Amtsinhabers speziell auf den juristischen Bereich erstreckte24. n(ummum); er war also schon als sexagenarius in das consilium berufen worden. Zu ihm und zu der Funktion s. Kunkel, Herkunft 222 n. 55 sowie 298 Anm. 629; J. Crook, Consilium Principis (1955) 73 f.; Pflaum, Carrières I 472 n. 181; W. Kunkel, Kleine Schriften (1974) 210 und 424 f. 18 OGI 549 = IGR III 179 = E. Bosch, Quellen zur Geschichte der Stadt Ankara im Altertum (1967) n. 288 {I.Ancyra 116}. Vgl. A. Stein, PIR2 C 48; Crook a. a. O. 94 und 99 f. 19 Über das kaiserliche consilium allgemein Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 339–342; J. Crook, Consilium Principis (1955). 20 Pflaum, Carrières II 684. Pflaum gibt dort Anm. 1 sowie III 1021 eine Liste von 12 Namen an, die im Supplément 110 um weitere 6 Namen vermehrt werden. S. dazu noch Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 (1969) p. 67; W. Eck, ZPE 91 (1992) 236; J. Nollé, IvSelge p. 82 Anm. 1; A. R. Birley, Locus virtutibus patefactus? (1992) 41–54. 21 Pflaum, Procurateurs 91; Abrégé 34. 22 Sueton: E. Marec, H. G. Pflaum, CRAI 1972, 76 ff. = AE 1973, 73. Zu Volusius Maecianus: Kunkel, Herkunft 174 n. 42; Pflaum, Carrières I 333 n. 141. 23 L. Iulius Vestinus, ἐπὶ τῆς παιδείας Ἁδριανοῦ τοῦ αὐτοκράτορος (OGI 679 = IG XIV 1085 = IGUR 62); A. Voconius Zeno, ἐπὶ τῆς παιδείας τοῦ Σεβαστοῦ (ΑΕ 1915, 51). Zur Gehaltsstufe Pflaum, Carrières II 614 und 760 f.; RE XXIII 1 (1957) 1257 mit Fragezeichen; Abrégé 35 und 40 ist das Amt für das 3. Jh. allerdings auf der ducenaren Stufe angesetzt. 24 Zu dem Amt Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 332–4 („… wird der Beamte a studiis ein Beirat der Kaiser wohl weniger in wissenschaftlichen Studien, als in ihrer Regententätigkeit und Rechtsprechung gewesen sein und ihnen das dafür notwendige wissenschaftliche Material geliefert haben“). Pflaum, Carrières II 761 umschreibt die Funktion mit „directeur des recherches d’ordre juridique“. Anders E. van’t Dack, Historia 12 (1963) 180: „L’a studiis, qui semble avoir eu la supervision de la bibliothèque privée de l’empereur“, wobei die mehrfach belegte Verbindung mit dem Amt a bybliothecis, nach van’t Dack in Form der Kumulierung, diese Deutung beeinflußt.
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Die nächste für Rufinus genannte Funktion ist die des ἐπὶ τῶν καϑόλου λόγων (Z. 5). Damit befinden wir uns im Ressort der Finanzverwaltung25, und zwar, wenn man von der zuletzt durch M. Christol und S. Demougin vorgenommenen Belegsammlung für diese griechische Sprachformel ausgeht, auf der höchsten hier in Betracht kommenden Stufe, der des a rationibus26. Hier reicht allerdings das gelegentlich Irritationen verursachende Problem herein, daß dieser Spitzenfunktionär wahrscheinlich seit Marc Aurel einen hochgestellten ritterlichen Kollegen neben sich hatte, den procurator summarum rationum, und daß die Unterscheidung zwischen beiden gelegentlich Schwierigkeiten bereitet27. Für den procurator ist die ducenare Rangstufe bezeugt, für den a rationibus die tricenare, jedenfalls in der Zeit von Commodus bzw. Septimius Severus28. Die Amtsbezeichnung und die vorher erreichten Karrierestufen dürften im Fall unseres Licinius Rufinus für das höhere Amt des a rationibus sprechen. Es ist allerdings bemerkenswert, daß er darüber hinaus noch zu einer Funktion aufgestiegen ist, deren Nennung hier eine gewisse Überraschung enthält. Nach traditionellen Regeln hätte man für einen in den zentralen Hofämtern bewährten Mann, gerade etwa einen a rationibus, mit einem Aufstieg zu einer der Präfekturen rechnen können29. Für Rufinus erscheint indes eine weitere im Bereich der | „officia palatina“ anzusetzende Funktion: die des ἐπὶ τῶν ἀποκριμάτων (Z. 6), was lateinisch mit a responsis wiederzugeben wäre. Wenn ich recht sehe, verfügen wir lediglich über zwei epigraphische Zeugnisse für dieses Amt, beide aus der Zeit des Claudius: Eine Ehreninschrift für den bekannten Leibarzt des Kaisers, C. Stertinius
25 Dazu allgemein Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 29–39. 26 M. Christol, S. Demougin, MEFRA 102 (1990) 199 f. 27 Zur Einrichtung des Amtes vermutlich zwischen 166 und 169 Pflaum, Carrières I p. 395 (L. Aurelius Nicomedes, ILS 1740); zum Verhältnis zwischen beiden Funktionären, die unter dem Begriff rationales bzw. καϑολικοί zusammengefaßt werden können, Pflaum, Procurateurs 74; Christol, Demougin a. a. O. 192 f. und 205 (zur Inschrift Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 n. 44). Ein strittiger Fall war z. B. der des Fulvius Macrianus, ἐπὶ τῶν καϑόλου λόγων unter Valerian/Gallien, wo Pflaum, Carrières II n. 350 eingehend gegen A. Alföldi (Klio 31 [1938] 340) argumentiert, daß es sich um den a rationibus, nicht den procurator summarum rationum handelt. Vgl. auch W. Eck, ZPE 25 (1977) 227 mit Anm. 4 bezüglich des Anonymus Pflaum, Carrières, Supplément n. 119A. 28 M. Aurelius Mindius Matidianus Pollio: IvEphesos 627, 9 καϑολικὸν δουκηνάριον (Pflaum, Carrières I n. 193; dazu Christol, Demougin a. a. O. 203 f., wo im griechischen Zitat allerdings gerade das καϑολικόν einmal ausgefallen ist); tricenar: Aurelius Felix nach der Formulierung ILS 8854 = IGUR 424 (Pflaum, Carrières I n. 260). Vgl. auch Pflaum, Procurateurs 74. 29 Man vgl. dafür Pflaum, Procurateurs 257 für das 2. Jh., mit 5 Beispielen des Aufstiegs vom a rationibus zum praef. annonae; dazu ders., Carrières I p. 392 (Amt des praef. annonae, „auquel les a rationibus accédaient habituellement“). Eine andere Möglichkeit bestand in der Beförderung zum praef. vigilum (M. Bassaeus Rufus: Pflaum, Carrières n. 162; Ti. Claudius Vibianus Tertullus: n. 252, wo Pflaum darauf hinweist, daß „la préfecture des vigiles comporte des compétences judiciaires“; vgl. auch F. Millar, The Emperor in the Roman World [1974] 105).
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Xenophon, aus Kos gibt den Titel ἐπὶ τῶν Ἑλληνικῶν ἀποκριμάτων30, und danach hat man in der ephesischen Inschrift für Ti. Claudius Balbillus entsprechend ergänzt ad legationes et res[ponsa Graeca]31. Dazu stellt sich auf Grund literarischer Bezeugung für die Zeit zwischen Nero und Trajan der in der Suda erwähnte Dionysios von Alexandria, von dem gesagt wird καὶ ἐπὶ τῶν ἐπιστολῶν καὶ πρεσβειῶν ἐγένετο καὶ ἀποκριμάτων32. Pflaum hat danach seine Stellung umschrieben mit „chef du cabinet impérial pour les affaires grecques“ und im weiteren ausgeführt, seine Aufgabe sei es gewesen, „à recevoir les lettres et ambassades grecques et à leur faire les réponses qu’appellaient leurs sollicitations“, was ihm zweifellos erhebliches Gewicht verliehen hätte33. Da spätere Bezeugungen fehlten, vermutete Pflaum, das Amt sei im Zuge der Reformen Hadrians, mit der Schaffung der neuen Posten a libellis et censibus, ab epistulis Latinis und ab epistulis Graecis, aufgegeben worden34. Die Hypothese ist, zumindest bezüglich der Aufteilung in epistulae Latinae und Graecae, schon in Zweifel gezogen worden35; durch unsere neue Inschrift wird überdies nun ein Weiterleben (oder Wiederaufleben?) einer Funktion a responsis für die erste Hälfte des 3. Jhdt.s bezeugt. Freilich geht aus dem knappen Titel nichts über den Umfang dieses Ressorts hervor. War es auch nur auf den Verkehr mit der griechischen Reichshälfte spezialisiert, oder galt es für alle responsa schlechthin? Daß es ein hohes Amt gewesen sein muß, läßt die Stellung innerhalb des cursus unseres Mannes vermuten, und dann könnte man ihm gut die aus den Worten von Pflaum hervorgehende gewichtige und einflußreiche Rolle zusprechen. An diesem Punkt nimmt die Karriere des Licinius Rufinus eine entscheidende Wendung: die als nächste genannte Stufe, στρατηγὸν Ῥωμαίων (Z. 6), markiert den Übergang in den Senatorenstand und die dort sich anschließende Fortsetzung der Laufbahn. Es muß ein kaiserlicher Akt der adlectio in amplissimum ordinem vorliegen. Überraschend ist dabei, daß damit die Bekleidung der Prätur verbunden gewesen sein soll, ist doch vor allem für arrivierte Angehörige des Ritterstandes die Über|nahme inter praetorios eigentlich die übliche Beförderung36. Gegenüber der Annahme eines
30 W. R. Paton, E. L. Hicks, The Inscriptions of Cos (1891) n. 345 (= Syll.3 804 {IG XII 4,2, 1143}). In der von R. Herzog, HZ 125 (1922) 226 Anm. 1 mitgeteilten Inschrift für denselben steht dafür nur ἐπὶ τῶν ἀποκριμάτων (vgl. 228 Anm. 1). Dazu Pflaum, Carrières I n. 16. 31 IvEphesos 3042, 11 (die Ergänzung mit Fragezeichen). Vgl. Pflaum, Carrières I n. 15. 32 Sud. Δ 1173 Adler. Vgl. A. Stein, PIR2 III 25 n. 105; Pflaum, Carrières I n. 46 (ducenarer Posten). 33 Pflaum, Carrières I p. 111; vgl. auch 35: „Balbillus … servait d’officier de liaison entre le monde hellénistique, auquel il appartenait par sa naissance, et le monde romain“. Carrières III 1021 gab Pflaum die Funktion des Dionysios mit ab epistulis et responsis et ad legationes wieder (bei A. Stein, PIR erscheint dieselbe Umsetzung, allerdings ohne das et vor ad legationes). 34 Pflaum, RE XXIII 1 (1957) 1251; ders., Abrégé 21. 35 G. B. Townend, Historia 10 (1961) 375–381 hat nachgewiesen, daß die Trennung zwischen den epistulae Latinae und Graecae erst ab 166 greifbar wird. 36 Vgl. Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 415 Anm. 2 sowie die Zusammenstellung bei A. Stein, Der römische Ritterstand (1927) 269 sowie 271. Pflaum, Carrières II p. 449 nennt für den [ ]lius n. 178, der
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Versehens des griechischen Redaktors der Inschrift ist aber wohl Zurückhaltung angebracht, da sich uns eventuelle personen- oder zeitgebundene Hintergründe des Vorgangs nicht erschließen37. Sollte Rufinus tatsächlich zur Prätur gelangt sein, wäre von einer adlectio inter aedilicios auszugehen, die dann in der Inschrift weggelassen worden wäre38. Die prätorische Rangstufe hat Rufinus dann jedenfalls zum Avancement in eine Provinzstatthalterschaft verholfen: er wurde ἡγεμὼν ἐπαρχείας Νορικοῦ (Z. 7), also praeses provinciae Norici, wie statt des korrekten Titels legatus Augusti pro praetore hier gesagt wird39. Unsere außerordentlich schwach besetzte Liste der Statthalter von Noricum nach der Ablösung der vorher hier amtierenden Präsidialprokuratoren durch senatorische Legaten unter Marc Aurel kann hiermit um einen neuen Namen erweitert werden; gerade in der Zeit zwischen etwa 212 und 250 weisen die diesbezüglichen Fasten noch eine Lücke auf40. Bemerkenswert ist bei dieser Promotion zweierlei: Wenn die Aussagen unserer Inschrift vollständig sind, hätte Rufinus nur ein einziges prätorisches Amt innegehabt, bevor er zum Konsulat aufrückte41. Vor allem aber: Die Statthalterschaft von Noricum schloß ja das Kommando über die in Lauriacum stationierte legio II Italica ein, verlangte also militärische Erfahrung, zumal die Provinzgrenze im 3. Jh. zunehmender Gefährdung ausgesetzt war42. Der aus dem Osten stammende und zuvor durch eine rein zivile Laufbahn ausgezeichnete Mann
u. a. die Ämter ab epistulis Graecis und Latinis bekleidet hatte, die adlectio inter praetorios ein „détail intéressant pour le rang des secrétaires palatins“. 37 Man vgl. immerhin schon die Reserve bei Pflaum, Carrières I p. 549: „… étant donné que l’allectio in amplissimum ordinem, pure faveur impériale, n’est soumise à aucune règle“. 38 Zu vergleichen wäre z. B. die als Selbstdarstellung gesetzte Inschrift des M. Arruntius Claudianus in Xanthos (ILS 8821; dazu Ch. Habicht, ZPE 13 [1974] 1–4; W. Eck, RE Suppl. XIV 59), die ihn συγκλητικός nennt, aber nur die Prätur aufführt, während die ausführliche Cursus-Inschrift IvEphesos 620 in der lateinischen wie griechischen Fassung vor der Prätur die adlectio inter aedilicios nennt (griechisch: Z. 20 καταλελεγμένον εἰς σύνκλητον ἐν τοῖς ἀγορανομικοῖς. Vgl. auch AE 1972, 572). Für die adlectio inter aedilicios oder tribunicios sowie weitere Beispiele der Weglassung der Erwähnung des „anoblissement“ vgl. H.-G. Pflaum, REL 57 (1979) 302–5. 39 Zur zunehmenden Verbreitung dieser Bezeichnung im 3. Jh. s. G. Alföldy, ZPE 34 (1979) 260 mit dem Verweis auf die Zusammenstellung epigraphischer und literarischer Belege für praeses und ἡγεμών bei G. Barbieri, L’albo senatorio da Settimio Severo a Carino (1952) 562–585. 40 Vgl. G. Winkler, Die Reichsbeamten von Noricum und ihr Personal bis zum Ende der römischen Herrschaft (SBWien 261,2 [1969]) 75–102; G. Alföldy, Noricum (1974) 248–250; B. E. Thomasson, Laterculi Praesidum I (1984) 85 f. 41 Man vgl. die Zusammenstellung der relativ begrenzten Fälle der Bekleidung des „Konsulat(s) nach einem prätorischen Amt oder nach zwei prätorischen Ämtern“ bei Leunissen, Konsuln 379 f. Für unmittelbare Beförderung von der norischen Statthalterschaft zum Konsulat kann G. Alföldy, Noricum 160 immerhin drei Fälle unter Commodus und Septimius Severus anführen; vgl. auch G. Winkler a. a. O. 75. 42 Es genüge hier der Hinweis auf G. Alföldy, Noricum 169 ff.
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aus | Thyateira, durch den genannten Posten an das Ufer der Donau verschlagen, stellt unter diesen Umständen hier eine ganz ungewöhnliche Figur dar43. Die Ämteraufzählung wird im folgenden unterbrochen durch die Nennung eines Priesteramtes, in der griechischen Formulierung unter Einfügung eines lateinischen Begriffs ausgedrückt als Funktion des ἱερεὺς σακερδωτίου Τίτου Τατίου (Z. 8). Es ist klar, daß damit die Rolle des sodalis Titius gemeint ist. Der Redaktor hat aber nicht die knappe Bezeichnung ἑταῖρος Τίτιος gewählt, wie sie in der griechischen Übersetzung der Aussage des Augustus RGDA 7 zu lesen ist, sondern spricht – vielleicht von einer lateinischen Vorlage ausgehend – von einem „Priestertum des Titus Tatius“, wobei man sich fragen kann, ob damit im Hinblick auf die schon von Tacitus gegebenen Erklärungen ein von Titus Tatius eingerichtetes (Ann. I 54) oder ein (durch Romulus) ihm gewidmetes Priestertum (Hist. II 95, 1) gemeint war44. Im übrigen ist eine Bezeugung dieses Priestertums noch im 3. Jh. nicht außergewöhnlich45. Auffallenderweise fehlt in der thyateirenischen Inschrift die Erwähnung des Konsulats, das Rufinus als ὑπατικός, wie er Z. 14 und in allen anderen Inschriften genannt wird, mit Notwendigkeit erreicht hat. Es ist, wie oben schon erwähnt, in der Forschung überwiegend in der Zeit zwischen etwa 220 und 230 angesetzt worden (s. Anm. 9). Die vorhergegangene Qualifikation durch dieses höchste senatorische Amt ist aber nun auch Hintergrund für das wohl historisch bedeutsamste Element der uns vorliegenden Inschrift. Es steckt in der Aussage ἐν τῶι συνβουλίωι τῶν εἴκοσιν [ἀν]δρῶν (Ζ. 9). Diese Stellung, die sich mit in consilio viginti virorum ins Lateinische übersetzen ließe, kann nämlich nichts geringeres bezeichnen als Mitgliedschaft in dem berühmten Senatskollegium der konsularischen Vigintiviri, die im Jahre 238, um die „Senatskaiser“ Pupienus und Balbinus gruppiert, vorübergehend an die Spitze des römischen Staates getreten waren. Diese in der Historia Augusta wiederholt erwähnte Gruppe der viginti viri (SHA Maxim. 32, 3; Gord. 10, 1–2; 14, 3), einmal auch ausdrücklich mit dem Zusatz consulares herausgehoben (Gord. 14, 4)46, erscheint in
43 Die Besonderheit kann mit Hilfe von zwei Zitaten von G. Alföldy, Noricum 160 verdeutlicht werden: „Greeks and easterners were in most cases, no doubt, still deemed to be ill-suited to administer this province.“ „It was particularly important that governors of Noricum should possess not only the qualities of a civil administrator but also talent as a general.“ – Auf einige Beispiele von Statthalterschaften und Militärkommandos im 2. Jh., die „wenig qualifizierten Generälen zufielen“, hat G. Alföldy, Römische Heeresgeschichte (MAVORS III, 1987) 404–6 aufmerksam gemacht (freundlicher Hinweis von H. Halfmann). Sie sind jedoch in der Struktur nicht mit der hier besprochenen Karriere vergleichbar. 44 Vgl. dazu St. Weinstock, RE VI A 2 (1937) 1538 f. 45 Verwiesen sei auf die Nennung des T. Clodius Aurelius Saturninus als sodalis Titius in einer ephesischen Inschrift der Zeit des Severus Alexander (IvEphesos 657, mit der Behandlung durch W. Eck, ZPE 37 [1980] 48). Übrigens hat auch der erste uns bekannte senatorische Statthalter von Noricum unter Commodus, C. Memmius Fidus Iulius Albius, dieses Priestertum bekleidet (CIL VIII 12442 = ILS 1110; vgl. L. Petersen, PIR2 V 2, 247 n. 462). 46 Vgl. auch Herodian. VIII 5, 5 ἄνδρας ὑπατευκότας.
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inschriftlicher Erwähnung in einem Fall mit der präzisierenden Angabe ex senatus consulto r(ei) p(ublicae) curandae versehen47. Die Aufgabe der Vigintiviri war nach | der Historia Augusta die Verteidigung der Regionen Italiens gegen den erwarteten Angriff des Maximinus48. In Verbindung damit ist darauf hinzuweisen, daß Zosimos XIV 2 die zwanzig Männer als στρατηγίας ἔμπειροι bezeichnet. Die uns erreichbaren Erkenntnisse über das Kollegium der Vigintiviri sind zugleich mit dem Versuch einer historischen Einordnung zuletzt von Karlheinz Dietz dargelegt und diskutiert worden49. Dabei hat Dietz auch die uns bisher mit Sicherheit bekannten 6 Mitglieder des Gremiums prosopographisch erfaßt und in ihrem jeweiligen Werdegang zu charakterisieren versucht. Danach war für ihn der Eindruck einer starken Inhomogenität vorherrschend: „Gleichheit des sozialen Standorts und weitgehende Übereinstimmung der subjektiven Erfahrungsbereiche ihrer Mitglieder fehlten“ (330). Dietz konstatierte zwar eine Mehrheit der Italiker, zog aber andererseits für mehrere von ihnen vorherige militärische Erfahrung in Zweifel. „Der Eindruck läßt sich kaum abweisen, die Zwanzig könnten einen gewählten Querschnitt durch die soziale Struktur des Senats verkörpert haben.“ Im Licht dieser Feststellungen gewinnt gerade auch unser neues Zeugnis Interesse, sofern es nicht nur die Zahl der bekannten Mitglieder des Collegiums um einen weiteren Angehörigen vermehrt, sondern zugleich hier wieder einen Mann deutlich eigenständigen Zuschnitts kennen lehrt, einen aus dem Osten stammenden Ritter, der sich durch eine lange Karriere innerhalb der officia palatina und damit in besonderer Kaisernähe bewährt hat, zugleich einen prominenten Juristen, dem man aber gleichwohl militärische Erfahrung nicht ganz wird absprechen können. Alles in allem wird man nicht anstehen, hierin einen wertvollen Kenntnisgewinn zu sehen, der im übrigen noch weitere Untersuchungen anregen mag. Die Inschrift liefert uns mit dem Jahr 238, das zugleich in der hier aufgeführten Karriere offenkundig das späteste Detail ist, zum ersten Mal ein verläßliches Fixdatum für die Biographie des Licinius Rufinus. Ob sich seine Laufbahn nach 238 noch fortgesetzt hat, wie bei einigen anderen der bekannten Vigintiviri (Dietz 328/9), muß offen bleiben. Unklar bleibt desgleichen, wie weit die Anfänge des hier mitgeteilten cursus zurückreichen, mit welcher Dauer und demgemäß unter welchen Kaisern Rufinus die einflußreichen Hofämter durchlaufen hat. Man könnte vermuten, daß sein Aufstieg 47 L. Caesonius Lucillus Macer Rufinianus nach der Inschrift CIL XIV 3902 (ILS 1186; Inscr. It. IV 1, 104). In der Inschrift für [L. V]alerius Claudius Acilius Priscillianus Maximus war die Mitgliedschaft im Vigintivirat wahrscheinlich zusammengefaßt in der Angabe [comes Augg.] nn. inter XX co(n) s(ulares) (AE 1903, 337; ILS 8979). 48 Gord. 10, 2: illos sane viginti senatus ad hoc creaverat, ut divideret his Italicas regiones contra Maximinum pro Gordianis tuendas. Vgl. Max. 32, 3: … ut … viginti viros senatus creaverit, quos opponeret Maximino. 49 K. Dietz, Senatus contra principem. Untersuchungen zur senatorischen Opposition gegen Kaiser Maximinus Thrax (1980), besonders 326 ff. Vgl. dazu weiter noch A. Lippold, Kommentar zur Vita Maximini Duo der Historia Augusta (1991) 649–659.
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noch in der Zeit Caracallas begonnen hat50. In der stark auf den Kaiserhof fixierten ritterlichen Karriere eines ausgewiesenen Juristen verkörpert er zweifellos einen für die Severerzeit durchaus charakteristischen Typus51. Die letzte Angabe im cursus, bevor der Übergang zu den Verdiensten des Rufinus um seine Vaterstadt erfolgt, faßt den uns schon bekannten Tatbestand zusammen, daß er φίλος τοῦ Σεβαστοῦ war, was hier in der verbalen Formulierung mit ἐπιλεχϑείς vorgebracht wird (Z. 10), das etwa lateinischem adlectus entsprechen könnte52. Die abschließenden Zeilen der Inschrift (Z. 11–17) fassen in summarischen Formeln die großen Verdienste des Geehrten um seine Vaterstadt Thyateira zusammen. Er hat häufig Gesandtschaftsreisen zu den Kaisern auf sich genommen und – offenbar bei dieser Gelegenheit – für die Stadt „alle“ (angestrebten) Privilegien erwirkt53. Da Rufinus den größten Teil seiner Laufbahn ohnedies an der Seite des Kaisers absolviert hat, gehören die hier erwähnten Gesandtschaften vielleicht eher an den Anfang seiner Karriere. Das wichtigste uns bekannte Privileg, das Thyateira zu Beginn des 3. Jhdt.s verliehen wurde, war die Erhebung zum Vorort eines Gerichtsbezirks, das „Geschenk“ der ἀγορὰ τῶν δικῶν durch Caracalla 214, aber das erfolgte gelegentlich eines Aufenthalts des Kaisers in der Stadt selbst54. In der Formulierung am Textende wird die zusammenfassende Charakterisierung des λαμπρότατος ὑπατικός als eines Wohltäters für die ganze Gemeinde und für jeden einzelnen begründet durch zweierlei Leistungen: sein Engagement in der Lebensmittelversorgung und bei der Errichtung vieler großer Bauwerke. Das letztgenannte hatte ihm den schon durch früher bekannte Inschriften belegten Ehrentitel des κτίστης eingebracht, für das erste hätte er das Prädikat eines τροφεύς erhalten können55. In der Tat steht dem ja die Wendung von der ἀφϑονία τροφῶν sprachlich 50 Hier kann auf die Beobachtung von Dietz 332–4 hingewiesen werden, daß viele der 238 hervorgetretenen Senatoren „in engen Beziehungen zu Kaiser Caracalla“ gestanden und zu den „treueste(n) Diener(n) der Severerdynastie“ gehört hatten. Vgl. auch Anm. 10. 51 Hierfür sei auf das zusammenfassende Kapitel bei Kunkel, Herkunft 290–304 verwiesen: Die spätklassischen Ritterjuristen und die „Verbeamtung“ der Jurisprudenz. 52 In der Materialzusammenstellung von M. Bang in L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms IV9–10 (1921) 60–76 finde ich als vergleichbar zwei Fälle mit adlectus inter comites (ILS 1353; CIL VIII 597). Vgl. z. B. auch Suet. Tit. 7, 2 amicos elegit. 53 Für die Verwendung von κατορϑόω bei der Charakterisierung erfolgreicher Gesandtschaftsreisen vgl. Th. Drew-Bear, BCH 96 (1972) 459; C. P. Jones, Chiron 13 (1983) 371. In Thyateira selbst begegnet die Verbindung TAM V 2 n. 966, 9 πρεσβεύσαντα πρὸς τὸν αὐτοκράτορα προῖκα καὶ κατορϑωσάμενον τὰ μέγιστα τῇ πατρίδι. Für δίκαια im Sinne von „Rechte, Privilegien“ vgl. P. Weiß, Chiron 21 (1991) 379 (πάντα τὰ δίκαια); J. Nollé, W. Eck, Chiron 26 (1996) 271 mit Anm. 14. 54 TAM V 2 n. 943 sowie 969, 6. Vgl. dazu W. Ameling, EpigrAnat 12 (1988) 10. 55 Man vgl. die Zusammenfassung der Ehrung für C. Licinnius Thoantianus in Oinoanda (IGR III 495, 28) τὸν τροφέα καὶ εὐεργέτην oder in der großen Ehreninschrift für Publia Aurelia Magniana Motoxaris (IvSelge 17, 2) deren Charakterisierung als κτίστρια καὶ τροφός, dazu den Kommentar von J. Nollé S. 90 und 92 Anm. 3, wo bibliographische Hinweise besonders auf Beiträge L. Roberts gegeben werden.
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nahe56. Die Formulierung läßt allerdings offen, in welcher konkreten Form diese reichlich gewährte Leistung erbracht wurde. Ein Amt wird ebenso wenig genannt (hat Rufinus überhaupt städtische Ämter bekleidet?) wie etwa auch ein Hinweis auf ephe|mere Versorgungsschwierigkeiten (σιτοδεία) fehlt. So kann man vielleicht eher mit einer Stiftung rechnen57. Die neue Inschrift hat uns einen bedeutenden Sohn der lydischen Landstadt Thyateira, der bisher nur recht schemenhaft bekannt war, mit deutlicheren Konturen nähergebracht und als einen Mann hervortreten lassen, der in einflußreichen Positionen in unmittelbarer Verbindung zur kaiserlichen Regierung tätig war und der in einer kritischen Situation sogar einmal zu einer die Staatsgeschäfte handhabenden Senatselite gezählt hatte. In seiner Heimatstadt hat er Spuren als bedeutender Wohltäter hinterlassen und sich hohe Anerkennung erworben. Offen bleibt freilich die Frage seiner Herkunft: Auch wenn er augenscheinlich im griechischen Osten verwurzelt war, mag sein rein lateinischer Name doch eher auf eine italische Herkunft der Familie hinweisen58. Danksagung: Die Publikation der in diesem Aufsatz bekannt gemachten Inschrift ist mir in großzügiger Weise durch den Finder, Prof. Dr. Hasan Malay von der Ege Üniversitesi İzmir, überlassen worden, wofür ich ihm sehr zu Dank verpflichtet bin. H. Malay führt seit 1993, durch die Kleinasiatische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Stiftungsverwaltungskommission und den Verein der Freunde der ÖAW unterstützt, erfolgreiche epigraphische Surveys in der Landschaft Lydien durch.
56 In den Belegen, die L. Robert, Hellenica VII 76 zur Erläuterung des Titels τροφεύς anführt, begeg net mehrmals die Wendung παρέχειν τροφάς und in Verbindung damit auch ἀφϑόνως und ἀφϑονία. Für den Verwendungsbereich von ἄφϑονος, ἀφϑονία vgl. A. Wilhelm, SBBerlin 1933, 849 (Kl. Schr. I 2, 427) „reichliche Verabreichung“ (hier: von Wein); Glotta 25 (1937) 270 ff. „Tatsache eines Überschusses an Gütern“. Der Hinweis auf τὴν περὶ τὸν πυρὸν ἀφϑο[νίαν in dem in Athen aufgezeichneten Dekret von Thyateira TAM V 2 n. 1180, 26 könnte sich auf einen Gunsterweis Hadrians beziehen. 57 Für Stiftungen zur Getreideversorgung vgl. J. Η. M. Strubbe, EpigrAnat 13 (1989) 110; F. Quaß, Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens (1993) 269. Die Besonderheit einer Alimentarstiftung (dazu s. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1967 n. 606; C. P. Jones, JHS 109 [1989] 189–191) wäre wohl deutlicher angegeben worden. 58 Kunkel, Herkunft 255 weist auf die „verhältnismäßige Häufigkeit des Namens“ hin (mit einigen Belegen) und äußert dann zu der in Thyateira bezeugten Familie (256): „Es könnte sich immerhin um zugewanderte Italiker handeln.“ L. Petersen, PIR2 V 1, 56 n. 236 erwog – im Anschluß an E. Kalinka – die Möglichkeit einer Abstammung von dem in Phaselis unter Hadrian begegnenden Cn. Licinnius M. f. Rufinus (TAM II 3 n. 1194–5).
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Abkürzungsverzeichnis Hirschfeld, Verwaltungsbeamte = O. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian (21905) Kunkel, Herkunft = W. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen (1952; 21967) Leunissen, Konsuln = P. M. M. Leunissen, Konsuln und Konsulare in der Zeit von Commodus bis Severus Alexander (1989) Pflaum, Abrégé = H.-G. Pflaum, Abrégé des procurateurs équestres (1974) Pflaum, Carrières = H.-G. Pflaum, Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain, I–IV (1960–1); Supplément (1982) Pflaum, Procurateurs = H.-G. Pflaum, Les procurateurs équestres sous le Haut-Empire romain (1950). Im übrigen werden die Abkürzungen nach der Archäologischen Bibliographie verwendet.
Abb. 1. Photo H. Malay
16 Demeter Karpophoros in Sardeis Résumé: Un autel trouvé en 1984 près des ruines de Sardes présente le premier témoignage du culte de Déméter Karpophoros dans cette ville, appelée “ville de Déméter” dans une lettre d’Apollonios de Tyane. Il contient deux inscriptions, pour Ti. Claudius Theogenes Lachanas, ancien agoranome, et pour sa fille (ou sa mère) Claudia, prêtresse de Déméter Karpophoros, dont on dit qu’elle “a été consacrée ici”. Des reliefs sur deux côtés de l’autel soulignent la signification religieuse par la présentation de symboles caractérisant la Karpophoros et donnent à supposer que la déesse a été objet de mystères célébrés à Sardes. Abstract: An altar found in 1984 near the ruins of Sardis presents the first testimony of the cult of Demeter Karpophoros in this city which is called “city of Demeter” in a letter from Apollonius of Tyana. It contains two inscriptions, for Ti. Claudius Theogenes Lachanas, former agoranomos, and for his daughter (or mother) Claudia, priestess of Demeter Karpophoros, who is said to have been “consecrated here”. Reliefs on two sides of the altar underline the religious meaning by presenting symbols which characterize the Karpophoros and lead to the supposition that the goddess was the object of mysteries celebrated at Sardis. In der dem Apollonios von Tyana zugeschriebenen Sammlung von Briefen finden sich sieben an die Bewohner von Sardeis gerichtete Schriftstücke, deren gemeinsamer Tenor durch heftige Vorwürfe gegenüber der in innere Kämpfe zerfallenen Bürgerschaft gebildet wird. Sie sei, wie es an einer Stelle heißt, in einen die gesamte Bevölkerung erfassenden πόλεμος ἄσπονδος verstrickt1. In diesem Zusammenhang steigert sich der Verfasser zu der sarkastischen Aussage: „Man könnte meinen, daß es eine Stadt der Erinyen sei und nicht eine der Demeter.“2 Wilamowitz, der in einem späteren Beitrag als erster die vagen Hinweise bei Apollonios mit etwas konkreteren Aussagen Plutarchs über innere Wirren in Sardeis gegen Ende des 1. Jhdt.s n. Chr. in Beziehung brachte3, schloß in einer Notiz in seinen „Lesefrüchten“ von 1925 an den REA 100, 1998, 495–508. 1 Es sind in der üblicherweise an die Vita Apollonii des Philostrat angeschlossenen Briefsammlung die Briefe 38–41, 56, 75, 76. Hierzu ist zu bemerken, daß Wilamowitz, Hermes 60, 1925, 310 (Kl. Schr. IV 398) die Stücke 38–41 als „offenbar als zu demselben Schreiben gehörig“ ansah und auch 75 und 76 miteinander kombinierte. Die Wendung vom πόλεμος ἄσπονδος steht im Brief 75, in dem dann der im obigen Text zitierte Satz folgt. Der Brief 75 ist auch aufgenommen in die Quellensammlung von J. G. Pedley, Ancient Literary Sources on Sardis, 1972, 63 n. 217. 2 Ep. 75 Ἐρινύων νομίσαι ἄν τις τὴν πόλιν εἶναι καὶ οὐχὶ Δήμητρος. 3 Hermes 62, 1927, 296 (Kl. Schr. IV 451). Zu den hier nicht zu behandelnden Vorgängen, in die die Person des einer prominenten Familie angehörenden Sardianers Pardalas verwickelt war, s. C. P. Jones, Plutarch and Rome, 1971, 117 sowie L. Robert, Ann. du Coll. de France 73, Résumé des cours
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eben zitierten Satz die Bemerkung an: „Wieso Sardes der Demeter gehört, sehe ich nicht.“4 Nun wird interessanterweise die Rolle der Demeter in Sardeis in etwas detaillierterer Form umschrieben in einem durch Robert J. Penella 1975 veröffentlichten „unpublished letter of Apollonius of Tyana to the Sardians“, den dieser Gelehrte aus 4 einen etwas abweichenden Briefbestand aufweisenden Handschriften eruiert hat5. Dort heißt es: „Ihr habt Veranlassung, der Göttin unserer Vorväter Verehrung und Wertschätzung zuteil werden zu lassen. Sie heißt ja bei den einen Mutter der Götter, bei den anderen (Mutter) der Menschen, bei allen aber (Mutter) der Feldfrüchte. Sie ist aber die eine gemeinsame (Mutter) von allen. Wie kommt es dann, daß von euch allein die Geschlechter in Feindschaft leben gegenüber dem Gesetz, der Natur, dem Herkommen (von euch), die ihr der Demeter zu eigen seid?“6 Hier wird also die besondere Bedeutung der Demeter als πάτριος ϑεά für Sardeis unterstrichen, zugleich freilich in einer synkretistisch wirkenden Verallgemeinerung als Muttergottheit mit unterschiedlichen Benennungen oder Ausprägungen charakterisiert. Das Phänomen korrespondiert durchaus mit den Schwierigkeiten, die sich auch noch der modernen Wissenschaft im Hinblick auf eine angemessene Erfassung der Identität der Demeter gerade in | Sardeis stellen: Wie steht es um ihr Verhältnis zur Göttermutter bzw. Kybele einerseits, zu der in Sardeis besonders verehrten Kore andererseits? Die uns erreichbaren Befunde ergeben kein klares Bild7. Speziell im Verhältnis zwischen Demeter und Kore gibt es Indizien, die auf Identität hinweisen könnten, auch wenn andere Zeugnisse wiederum eine Trennung nahezulegen scheinen8. Auf Kore wird gemeinhin bezogen die auf Münzen sehr häufig begegnende Darstellung eines in hieratischer Abstrahierung wiedergegebenen Idols oder Kultbildes, eine frontal aufgebaute weibliche Figur, die durch Attribute wie Kornähre und Mohnstaude charakterisiert wird9. Zum anderen galt ihr der Agon der Koreia, und auch die de 1972–3, 485 f. (vgl. auch HarvStClPhil 81, 1977, 25 Anm. 115 = OMS VI 235), der mit den Ereignissen auch den Verlust des Beinamens Kaisareia für Sardeis in Verbindung brachte. Vgl. auch P. Herrmann, in E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien (Asia Minor Studien 17), 1995, 30 {hier S. 157}. 4 Wilamowitz, Hermes 60, 1925, 310 Anm. 2 (Kl. Schr. IV 398 Anm. 1). 5 R. J. Penella, HarvStClPhil 79, 1975, p. 305–311. Penella weist nach, daß in einem Falle der Brief von der Hand des Konstantinos Laskaris als Marginalie nach der Vorlage einer anderen Handschrift nachgetragen worden ist. 6 Αἰτίαν ἔχετε τὴν πάτριον ϑεὰν σέβειν τε καὶ τιμᾶν. ἡ δὴ μήτηρ (codd. Δημήτηρ) ὀνομάζεται παρ’ οἷς μὲν ϑεῶν, παρ’ οἷς δὲ καὶ ἀνϑρώπων, παρὰ πᾶσι δὲ καὶ καρπῶν· ἡ δὲ μία κοινή τε καὶ πάντων, εἶτα πῶς μόνων ὑμῶν ἐχϑρὰ τὰ γένη νόμῳ καὶ φύσει καὶ ἔϑει, τῶν Δήμητρος ἰδίων. 7 Vgl. R. J. Penella am Anm. 5 a. O. 310 f.; G. M. A. Hanfmann, Sardis from Prehistoric to Roman Times, 1983, 92 f. 8 Die Annahme einer Identität klingt an in den Formulierungen bei L. Robert am Anm. 3 a. O. 486. Für eine Trennung spricht die auf Münzen erscheinende Szene, in der das Kultbild der Kore und Demeter nebeneinander dargestellt werden (z. B. Syll. v. Aulock 3164; vgl. Mionnet Suppl. VII n. 514 und 533; BMC Lydia 270 n. 187 und 274 n. 207). 9 Zur Kore von Sardeis vgl. im besonderen L. Robert, Monnaies grecques, 1967, 70 Anm. 2 (mit Verweis auf G. Radet, Cybébé, 1909, 69–93) und RN 18, 1976, 47 mit Anm. 103 (OMS VI 159). Als Abbildung sei
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noch reichlicher bezeugten Chrysanthina werden auf Kore bezogen und mit einem mythologischen Aition erklärt10. Demeter andererseits ist auf Münzen in stehender Haltung, mit Chiton und Peplos sowie Schleier, dargestellt, wobei sie in der Regel in der Rechten Kornähren hält und sich mit der Linken auf eine lange Fackel stützt11. Die Fackel kehrt auch wieder in einer Szene, in der Demeter diese entflammt gegen einen Erdspalt richtet, „in search of her ravished daughter“, wie B. V. Head kommentierend erklärt hat12. Auch eine auf einem von Schlangen gezogenen Wagen stehende weibliche Figur, die zwei Fackeln hält, wird vielfach als Demeter interpretiert13. Im inschriftlichen Material war Demeter bisher in Sardeis noch nicht hervorgetreten. Es gibt aber neuerdings nun einen Beleg, durch den sie in der Ausprägung als Demeter Karpophoros bezeugt wird, mithin eine Art Konkretisierung der oben zitierten Aussage in dem neuen Brief | des Apollonios von Tyana, wo die πάτριος ϑεά der Sardianer unter anderem als μήτηρ καρπῶν charakterisiert wird. Das im Jahre 1984 aufgetauchte Denkmal ist bisher nur in einem knappen Resümee von Crawford H. Greenewalt, Jr., im Rahmen eines Grabungsberichtes über die Kampagne dieses Jahres bekannt gemacht worden und hat darüber hinaus in zwei Beiträgen von Mükerrem U. Anabolu Erwähnung gefunden14. Es soll hier nun mit der freundlichen Erlaubnis des Leiters der Sardis-Expedition, C. H. Greenewalt, Jr., im vollen Umfang vorgelegt und in seiner Aussage betrachtet werden.
auf die gut erhaltene Münze Syll. v. Aulock 8256 (= P. R. Franke, Kleinasien zur Römerzeit. Griechisches Leben im Spiegel der Münzen, 1968, Abb. 368) verwiesen. Eine Besonderheit bildet die Inschrift SEG XXXVI 1095, die Κόρης παῖδας anführt. 10 Koreia: IvEphesos 1132, 16 Κόρηα ἐν Σάρδεσιν; Mionnet IV n. 754 Κόραια Ἄκτια; Suppl. VII n. 510 Κορηια Ἄκτια (zwei Preiskronen); vgl. L. Robert, RA 1934, 59 f. Anm. 6 (OMS II 1023); L. Moretti, Iscrizioni agonistiche greche, 1953, 221. Zu den Chrysanthina L. Robert, RN 18, 1976, 51 Anm. 17 (OMS VI 163) mit Übernahme einer von B. V. Head vorgeschlagenen Erklärung: „reproduisant apparemment les ‚fleurs d’or‘ remises aux vainqueurs et rappelant les fleurs que Corè cueillait dans la prairie lors de son enlèvement“; vgl. CRAI 1982, 268 mit Anm. 185 (OMS V 831). S. dazu auch P. M. Fraser, JHS 101, 1981, 136 Anm. 15 und als neuen Beleg W. Blümel – H. Malay, EpigrAnat 21, 1993, 132 Z. 13 (SEG XLIII 731) Χρυσάνϑινον ἰσοπύϑιον ἐν Σάρδεσιν. Bull. épigr. 1963 n. 234 hatten J. u. L. Robert bezüglich des Festes der Chrysanthina die Meinung vertreten: „c’est la même que les Koreia“. 11 Vgl. z. B. BMC Lydia 243 n. 60. 61; 246 n. 73. 74 (Pl. XXV 7); 256 n. 130; L. Forrer, Weber Collection III 1, 457 n. 6902; SNG Copenhagen n. 503. 506. 507. Der Gegenstand, auf den Demeter ihre Linke stützt, wird teils als Fackel, teils als Szepter gedeutet. 12 BMC Lydia 257 n. 138 (Pl. XXVI 11), dazu p. CX; SNG Copenhagen n. 527. Über dem Erdspalt („with out doubt the entrance to the lower regions“, Head) erscheint eine sich ringelnde Schlange. 13 BMC Lydia 254 n. 125; 273 n. 206. Dazu z. B. L. Robert am Anm. 3 a. O. 486. 14 C. H. Greenewalt, Jr., The Sardis Campaign of 1984 (BASOR Suppl. No. 25, 1987), 44–46 mit Fig. 31; M. U. Anabolu, in A. Bonanno (Hrsg.), Archaeology and Fertility Cult in the Ancient Mediterranean, Malta 1986, 268 sowie Akten des XIII. Internationalen Kongresses für Klassische Archäologie, Berlin 1988 (1990), 469 Anm. 4. Ich selbst konnte das Monument im April 1995 gelegentlich eines in Oxford veranstalteten Kolloquiums zum Gedenken an L. Robert kurz vorstellen.
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IN 84.1 (NoEx 84.2). Rechteckiger Pfeiler oder Altar aus weißem Marmor, oben und unten mit vorspringendem Profil versehen. An den vier Ecken oben sind Akrotere ausgearbeitet, womit das Stück sich in die Kategorie der „horned monolithic altars“ einreiht15. Das Denkmal ist bis auf geringfügige Beschädigungen vollständig erhalten. H. 97 (Schaft: 58), B. 55, D. 54 (Schaft 40 bzw. 42) cm. Auf zwei einander gegenüberliegenden Seiten (1 und 3, im Uhrzeigersinne) ist der Schaft mit Inschriften versehen; die beiden anderen Seiten (2 und 4) enthalten Reliefdarstellungen: auf S. 2 zwei gekreuzte Fackeln (?), die mit einem Band zusammengehalten werden, auf S. 4 einen von zwei Fackeln flankierten geflochtenen Korb, aus dem eine Schlange herauskommt. Die Schriftflächen sind mit dem Zahneisen geglättet und weisen unten und an den Seiten einen glatt gearbeiteten Rand von ca. 2 cm Breite auf. Buchstabenhöhe: auf S. 1 von Z. 1–11 ca. 2 cm, von Z. 12–17 1,3 cm; auf S. 3 durchgehend 1,9–2 cm: zeilenmäßig alternierende Farbspuren (dunkel-hell) in den Buchstaben (cf. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1974 n. 692). Der Altar wurde 1984 aus dem Bett eines Wadi geborgen, an einem Haci Oğlan Mevkisi genannten Platz, der nordwestlich des Dorfes Sart Mustafa und ca. 700 bis 1.000 m westlich des Paktolosflusses liegt, etwa 100 m südlich der großen Durchgangsstraße İzmir – Ankara. Unweit des Fundplatzes wurde eine aus Feldsteinen und Mörtel errichtete Mauer festgestellt. Der Fund ist im April 1985 durch Crawford H. Greenewalt, Jr., an Louis Robert mitgeteilt worden, worauf dieser sich am 17. 4. 1985 schriftlich dazu geäußert hat. Der Brief ist mir durch eine Kopie in den Unterlagen im Grabungshaus von Sardeis bekannt geworden. Das Dokument besitzt besondere Bedeutung als eine ca. 6 Wochen vor seinem Tod verfaßte Stellungnahme des großen Epigraphikers, der nach dem Wunsch von George M. Hanfmann die Inschriften von Sardeis bearbeiten sollte. Abb. 1–4. {SEG XLVIII 1472} 500
Seite 1: Ὁ δῆ͜μος ἐτείμ͜ησεν Τι. Κλαύδιον Θεογέ ν ͜η͜ν Λαχανᾶν ἄνδρα 4 καλὸν καὶ ἀγαϑόν, ἀ γορανομήσαντα λαν πρῶς καὶ γραμ͜ματεύ σαντα τοῦ δή͜μου συν 8 φερόντως καὶ ἐργε πιστατήσαντα ἐπι μελῶς καὶ ἁγνῶς καὶ ἐν πᾶσιν δη͜μωφελῶς,
15 Dazu C. G. Yavis, Greek Altars, 1949, 165 f. mit dem Hinweis auf die umfangreiche Typenzusammenstellung durch W. Deonna, BCH 58, 1934, 391–447.
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ἀναστραφέντα οὐ μόνον ἀναλογούντως ταῖς προγονικαῖς ἀρεταῖς ἀλὰ καὶ τὰς (sic) τοῦ γένους εὐπραξίας τῇ περῖ τὴ͜ν πατρίδα περισπουδάστῳ διαϑέσει κεκοσμ͜η͜κότα.
Seite 3: Ὁ δῆ͜μος ἐτείμ͜ησεν Κλαυδίαν Θεογένους ϑυγατέρα καυειν, 4 γυναῖκα δὲ Κλαυδίου Διόδωρου Λαχανᾶ, μ͜ήτη͜ρ δὲ Κλαυδίων (sic) Θεογένους καὶ Μη 8 νογένους καὶ Διοδώ ρου, ἱέρειαν Δ͜ή͜μητρος Καρποφόρου, ἥτις ἐνϑάδε καϑιέρωται. S. 1 Ζ. 8: Als 2. Buchstabe war zunächst ein Omikron vom Steinmetzen begonnen worden (ΦΟ), ist dann aber korrigiert worden. In beiden Inschriften besteht die Neigung zu Ligaturen, besonders in Verbindung mit H (MH, HN etc.). Die Schrift ist durch ausgeprägte Apices (Serifen) an den Strichenden gekennzeichnet, die etwa bei Σ und Δ an allen in Betracht kommenden Stellen angebracht sind. Bei E und H wird durchgehend der Mittelstrich deutlich abgesetzt und dann ebenfalls an beiden Enden verziert. P hat oben einen etwas tiefer ansetzenden Bogen, der sich unten nach innen krümmt und nicht bis an die senkrechte Haste zurückgeführt wird. Nach meiner Einschätzung verweisen diese Eigenheiten die Inschrift jedenfalls in das 1. Jhdt. n. Chr., etwa in dessen Mitte16.
Übersetzung Das Volk hat geehrt den Tiberius Claudius Theogenes Lachanas, einen vortrefflichen Mann, der das Amt des Agoranomen glanzvoll bekleidet, vorteilhaft als Sekretär des Demos gewirkt, sorgfältig und korrekt die Aufgabe der Bauaufsicht wahrgenommen hat und in allen Belangen in einer für den Demos nutzbringenden Weise, der in seinem Verhalten nicht nur in Übereinstimmung stand mit den Verdiensten seiner Vorfahren, sondern der auch die Leistungen seines Geschlechts (noch) verschönert hat durch seine von hohem Eifer bestimmte Einstellung seiner Vaterstadt gegenüber.
16 Die hier festgestellten Eigenheiten in den Buchstabenformen findet man besonders in Inschriften der Zeit von Tiberius bis Claudius: vgl. z. B. bei E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien (Asia Minor Studien 17), 1995, Tafel 2, 2 {Abb. 4 S. 166} (Zeit des Tiberius); 3, 2 {Abb. 6 S. 167} (Caligula ?); 4, 1 und 2 {Abb. 7 S. 168} (Claudius) sowie Sardis VII 1, p. 56 Fig. 28 (Claudius).
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Das Volk hat geehrt Claudia, Tochter des Theogenes, „kauein“ (Priesterin?), Frau des Claudius Diodoros Lachanas, Mutter von Claudius Theogenes, Claudius Menogenes und Claudius Diodoros, Priesterin der Demeter Karpophoros, die hier geweiht worden ist.
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Sowohl die Aussage der den Stein verzierenden Reliefs als auch die Wendung am Ende der Inschrift der Seite 3 sprechen dafür, daß das Denkmal, vermutlich auch von seinem Aufstellungsort her, primär der Person der Priesterin Claudia galt. Ihr männlicher Verwandter (Vater oder Sohn: s. unten) Ti. Claudius Theogenes Lachanas ist aus Gründen der Reputation der Familie und im Hinblick auf die durch ihn erworbenen Verdienste um die Heimatstadt Sardeis in die Ehrung durch eine eigene, sogar längere, Inschrift einbezogen worden. Wenn die hier vorzunehmende Interpretation an seiner Person ansetzt, geht es zunächst um die Bestimmung der prosopographischen Zusammenhänge und eine kurze Betrachtung seiner öffentlichen Wirksamkeit, bevor sich unser Augenmerk auf die Rolle der Demeter-Priesterin konzentriert. Unter den Namenselementen der in beiden Inschriften genannten Personen fällt zunächst auf, daß es sich durchgehend um Claudier handelt, was indes für Sardeis nicht ungewöhnlich ist: Claudius ist dort, neben Iulius, ein relativ häufig bezeugtes, auf das Kaiserhaus verweisendes nomen gentile17. Von spezifischerem Interesse ist das in der Familie zweimal erscheinende zusätzliche cognomen Λαχανᾶς, das der Geehrte der Seite 1 und der Ehemann der Geehrten der Seite 3 führte. Auf diese hat sich das besondere Interesse L. Roberts konzentriert, als ihm der Neufund zur Kenntnis gebracht wurde. In dem oben erwähnten Brief heißt es: „C’est exactement un surnom, un sobriquet“, und weiter: „C’est le surnom qui caractérise l’individu; c’est son nom courant … Il est donné par le milieu (camarades), le cercle | où vit le personnage.“ Dabei konnte Robert auf wiederholte eigene Äußerungen zu dieser seit dem Ende der hellenistischen Epoche sich ausbreitenden Namensbildung verweisen, in der im besonderen Berufsbezeichnungen in dem eben genannten Sinne als Personennamen Verwendung fanden18. In einem Beitrag über entsprechende Namensformen hat O. Masson gerade für das Nebeneinander der Berufsbezeichnung λαχανᾶς („cultivateur et marchand de légumes“) und des Personennamens Λαχανᾶς, der sich bis ins moderne Griechisch fortsetzt, Belege zusammengestellt19. Dazu wies
17 Vgl. B. Holtheide, Römische Bürgerrechtspolitik und römische Neubürger in der Provinz Asia, 1983, der p. 263 f. 16 Iulier und 308 f. 15 Claudier registriert. Die Belege für Claudier reichen nach seiner Liste von der Zeit von Kaiser Claudius selbst bis in das 2./3. Jhdt. 18 L. Robert, Études épigraphiques et philologiques, 1938, 153–156; Noms indigènes, 1963, 147 ff. 241 ff. und öfter; J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I, 1983, 253–255 (Λαρδᾶς). 19 O. Masson, ZPE 11, 1973, 8–9 (Onomastica Graeca Selecta I 170–171). Außer einer Notiz bei dem Grammatiker Herodian. registrierte Masson Papyrusbelege ab dem 4. Jhdt. n. Chr. Hinzugekommen sind eine Bezeugung der Berufsbezeichnung (s. D. Feissel, Bull. épigr. 1995 n. 718) und ein weiterer Beleg für den Personennamen (SEG XXXI 1494).
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Robert in seinem Brief darauf hin, daß das neue Zeugnis aus Sardeis jetzt den ältesten Beleg liefere. Vor allem stellte er aber einen Zusammenhang her zwischen diesem aus einer Berufsbezeichnung abgeleiteten Personennamen und der Tatsache, daß der Lachanas der Seite 1 sich als Agoranomos betätigte, also eine die Marktaufsicht einschließende Funktion wahrnahm, während die Claudia der Seite 3, selbst Gattin eines Lachanas, charakteristischerweise das Priestertum der Demeter Karpophoros innehatte. Er schloß daraus, daß wir hier eine Familie reicher Grundbesitzer in der Ebene von Sardeis, die sich auf den Gemüseanbau verlegt hatten, vor uns haben müßten20. Ist diese Familie noch anderweitig greifbar? Eine Umschau im Material von Sardeis führt auf eine auf der Akropolis verbaute, oben abgeschnittene Ehreninschrift für eine unbekannte Frau, die als Gattin eines Claudius Menogenes, Priesters, Strategen und Stephanephoren, bezeichnet wird (Sardis VII 1 n. 44). Die Ehrung wird begründet mit der Vornehmheit ihres Geschlechtes und den in ihrem Leben bewiesenen moralischen Qualitäten, die teils ihrer eigenen Natur, teils der Glaubwürdigkeit oder dem Ansehen ihrer Vorfahren entsprachen21. In der Nebeneinanderstellung von γένος und πρόγονοι ähnelt dieser Text übrigens demjenigen der Seite 1 unserer Inschrift. Die Ehrung bzw. Ehrenstatue wurde „wiederhergestellt“ (ἀποκαϑέστησεν) von dem Bruder der Unbekannten, Ti. Claudius Meil[etos], Provinzialpriester von Asia am Tempel in Smyrna22. Vom Namen dieses Bruders dürfte abzuleiten sein, daß die Schwester ebenfalls eine Claudia war. Wieder befinden wir uns also offensichtlich vor einer Verbindung zweier Claudier-Familien, und es spricht viel dafür, den Gatten der unbekannten Geehrten, Claudius Menogenes, gleichzusetzen mit dem an zweiter Stelle genannten | gleichnamigen Sohn der Claudia von Seite 3 der neuen Inschrift. Bei dieser Kombination würde sich folgendes Stemma ergeben (wobei aus praktischen Gründen die Abfolge der Söhne der Claudia umgestellt ist):
20 „Le surnom Λαχανᾶς est porté par un homme qui s’intéressait à l’agora marchande et qui fut agoranome. Plus encore, la fille de ce cultivateur de légumes exerçait le sacerdoce de Déméter Karpophoros! C’était une famille de riches propriétaires dans la plaine de Sardes (droit de cité romaine). Fille d’un Lachanas, elle a épousé dans la famille un autre Λαχανᾶς, qui devait lui aussi son surnom distinctif à sa profession.“ Dazu als Randnotiz: „C’est Lachanas et Lachanas junior, parce qu’ils ont la même activité agricole.“ 21 Z. 3 ff.: Διά τε τὴν τ[οῦ γέ]/νους ἀξίαν καὶ τῶν ἠϑῶν ἣν ἐπ[εδεί]/ξατο ἐν τῷ βίῳ φύσιν μὲν ἑαυ[τῆς,] / πίστιν δὲ προγόνων. 22 Für die Registrierung dieses Priesters in den neueren Zusammenstellungen der ἀρχιερεῖς von Asia vgl. P. Herrmann, EpigrAnat 27, 1996, 60 mit Anm. 26 {hier S. 627}. Auf welcher Grundlage B. Holtheide am Anm. 15 a. O. 309 den Mann in antoninische Zeit setzt, ist mir nicht erfindlich. Der terminus post quem ist jedenfalls das Jahr 26 n. Chr., das Datum der Einrichtung des provinzialen Kaisertempels in Smyrna.
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Claudius Theogenes (I) Claudia (I)
Claudius Theogenes (II)
Claudius Diodoros Lachanas
Claudius Diodoros
?
Claudius [Claudia (II)] Menogenes
Ti. Claudius Meiletos
Es wird nun deutlich, daß innerhalb dieses Stemmas der Name des Ti. Claudius Theogenes Lachanas der Inschrift auf Seite 1 unseres Monuments, unter der Annahme einer Verkürzung in der Inschrift auf Seite 3, an zwei Stellen eingesetzt werden kann: als Vater der Priesterin Claudia (Theogenes I) oder als ihr ältester Sohn (Theogenes II). Der Beiname Lachanas wäre im ersten Fall (den L. Robert annimmt: s. Anm. 20) in beiden durch die Heirat verbundenen Familien geführt worden (so Robert), im zweiten kann er dem ältesten Sohn der Claudia durch seinen Vater vererbt worden sein. Eindeutige Kriterien für eine Entscheidung im einen oder anderen Sinne sind für mich nicht erkennbar; etwas plausibler scheint mir die zweitgenannte Annahme. Innerhalb der hier greifbaren prominenten Familie aus Sardeis kann im besonderen das Namenselement Menogenes Interesse erwecken, da wir damit speziell auf einen einflußreichen Sardianer der Zeit des Augustus verwiesen werden23. Aber eine direkte Verbindung läßt sich nicht herstellen. Der durch die Inschrift auf Seite 1 geehrte Ti. Claudius Theogenes Lachanas wird durch Nennung einiger von ihm wahrgenommener Funktionen herausgehoben, wobei diese Aussagen jeweils durch positiv wertende Adverbien unterstrichen werden: λαμπρῶς, συμφερόντως, ἐπιμελῶς, ἁγνῶς, und schließlich, wohl alles zusammenfassend, δημωφελῶς, alles Begriffe, die aus einem mehr oder weniger gängigen Repertoire stammen24. Neben den konkreten und in Sardeis auch bezeugten Funktionen des ἀγορανόμος und des γραμματεὺς τοῦ δήμου bleibt nur die Angabe 23 Vgl. dafür P. Herrmann, EpigrAnat 27, 1996, 59 f. {hier S. 625 f.}. Der prominente Menogenes der augusteischen Zeit ist Sohn eines Isidoros und Empfänger der großen Urkundensammlung Sardis VII 1 n. 8. Er scheint noch nicht das römische Bürgerrecht besessen zu haben. Ein anderer Menogenes der frühen Kaiserzeit ist der Sohn des „Nomotheten“ Demetrios, der, wenn ich ein Zeugnis aus Didyma richtig auf ihn bezogen habe, unter Tiberius das römische Bürgerrecht erhalten hätte (Ti. Iulius Menogenes) und unter Caligula als ἀρχιερεύς fungierte. Die Verbindung der verschiedenen Menogeneis in einem Stemma ist aber vorderhand nicht möglich. 24 Die Adverbien συμφερόντως, ἐπιμελῶς, ἁγνῶς kommen in wechselnden Kombinationen z. B. in der Urkundenserie für Menogenes (s. Anm. 23) vor. Daß ἁγνῶς besonders den Aspekt der Integrität heraushebt, ist wiederholt bemerkt worden: s. z. B. L. Robert, StCl 16, 1974, 71 Anm. 8 (OMS VI 293); J. Η. M. Strubbe, EpigrAnat 13, 1989, 108 mit Anm. 59. Für δημωφελῶς vgl. L. Robert, Noms indigènes 97 mit Anm. 7; Laodicée du Lycos 266 f. „de façon profitable pour le peuple“.
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ἐργεπιστατήσαντα ohne Präzisierung. Vielleicht geht es um | die Betreuung mehrerer öffentlicher Bauvorhaben. Zum Schluß wird sein Verhalten generell „in Analogie“ gesetzt zu den Verdiensten seiner Vorfahren und den von seinem Geschlecht erbrachten Wohltaten25. Wenden wir uns jetzt der kürzeren Inschrift auf Seite 3 zu, die der Priesterin Claudia gilt. Sie erhält zu ihrem Namen zunächst das Distinktiv καυειν, das eine Besonderheit der Epigraphik von Sardeis darstellt. Der bisher in vier Inschriften bezeugte Begriff (Sardis VII 1 n. 51–54) findet sich, immer dem im Akkusativ stehenden Namen nachgestellt, auf Frauen angewandt, die im folgenden als Priesterinnen bezeichnet werden (ἱερατεύσασαν, einmal ἱέρειαν) und zwar „der Göttin“ (τῆς ϑεοῦ), in einem Fall konkret τῆς Ἀρτέμιδος. Er ist als ein in stereotyper Anwendung als Titel von Artemis-Priesterinnen gebrauchtes lydisches Wortelement erklärt worden, das sich neben das lydische Wort kave- in der Bedeutung „Priester“ stellt26. Von den bisherigen Belegen weicht freilich unser neues Beispiel insofern ab, als bei ihm von einem Priestertum der Artemis keine Rede ist. Man muß sich also fragen, ob sich das hier aus dem Titel allein ergäbe oder ob das Wort nur allgemein „Priesterin“ aussagen soll. Auch an einen in der Familientradition weitergegebenen Titel ließe sich denken: Es ist nämlich erwähnenswert, daß in der Inschrift Sardis VII 1 n. 51 eine Μελιτίνη Θεογένους mit diesem Distinktiv oder Titel καυειν versehen wird, bei der verwandtschaftliche Verbindung mit unserer Theogenes-Familie nahegelegt wird. Für unsere Claudia wird jedenfalls ausdrücklich am Ende der Inschrift das Priestertum der Demeter Karpophoros genannt, woran der kurze Relativsatz ἥτις ἐνϑάδε καϑιέρωται angeschlossen ist. Das führt nun auf ein schwieriges Problem der Interpretation. Eine erste Frage ist, ob der Relativsatz sich auf die Person der Priesterin bezieht oder auf die unmittelbar vorhergehende Nennung der Göttin. Für die zweitgenannte Variante ließe sich immerhin auf ein Beispiel aus Lydien hinweisen: Eine einst in Kula aufbewahrte mit einer Reliefdarstellung verzierte Stele macht die Aussage ἡ Κολοηνῶν κατοικία καϑιέρωσαν Δία Σαβάζιον (TAM V I n. 193). Das haben zuletzt J. und L. Robert so erklärt: „Ici le village a consacré l’image du dieu, sous la forme de ce relief“, wobei sie auf eine gebräuchliche Verwendung von καϑιέρωσεν in Gleich-
25 ἀναλογούντως als ein typisch kaiserzeitlicher Ausdruck: L. Robert, Études épigraphiques et philologiques 19 f.; Hellenica XIII 180–182 („lourd et prétentieux“). Für die Beziehung auf die προγονικαὶ ἀρεταί vgl. man die bei M. Holleaux, Études I 280 angeführte Wendung in einer Inschrift aus Akraiphia (IG VII 4148, 3) τῇ τῶν προγόνων ἀρετῇ … κατηκολούϑηκεν. Der kombinierte Hinweis auf die πρόγονοι und das γένος findet sich auch in der schon erwähnten Inschrift Sardis VII 1 n. 44 für die in denselben Familienzusammenhang gehörige Claudia (s. Anm. 21). 26 Zu dem Wort vgl. W. H. Buckler – D. M. Robinson, AJA 17, 1913, 362–368; O. Masson, Jahrb. f. klein asiat. Forschung 1/2, 1950, 182–188; R. Gusmani, Lydisches Wörterbuch 1964, 150 und 278. Zu καυης bei Hipponax fr. 4 O. Masson, Les fragments du poète Hipponax, 1962, 107 f. „‚devin‘ ou simplement ‚prêtre‘“. Es verdient Erwähnung, daß Gusmani unter den Belegen für lyd. kave- auch einen Priester der Demeter registriert (Sardis VI 2 n. 26, 2).
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wertigkeit zu ἀνέϑηκεν hinwiesen27. Eine solche Deutung hat im hier gegebenen Falle allerdings wenig für sich: In welcher Form sollte Demeter Karpophoros hier „geweiht“ worden sein? An Kulteinführung (wie man das bei der Inschrift der Κολοηνοί | erwogen hatte) wird man kaum denken, aber auch für Aufstellung und Weihung einer Statue als Kultbild spricht nichts: Der Inschriftträger ist nach dem materiellen Befund keine Statuenbasis. Ich neige daher mehr zu der erstgenannten Annahme, nämlich καϑιέρωται auf die Priesterin Claudia zu beziehen, auch wenn dies ebenso mit Schwierigkeiten belastet ist. Es ist bekannt, daß es durchaus auch Formen der Anwendung von καϑιεροῦν auf Personen gibt. Es kann sich dabei um Verstorbene handeln, die durch eine solche Weihung „in die sakrale Sphäre gehoben“ werden sollten, wobei es gerade auch um Personen gehen kann, die kultische Funktionen bekleidet hatten28. Nun war Claudia zwar Priesterin, aber dafür, daß die Inschrift erst nach ihrem Tode abgefaßt wurde, gibt es kein Indiz. Sieht man sich nach Formulierungen mit καϑιέρωσεν in der Anwendung auf Lebende um, so trifft man auf Beispiele, die nun wiederum Statuen„weihungen“ betreffen, und zwar bemerkenswerterweise bevorzugt Standbilder von Königen und später Angehörigen des Kaiserhauses29. In diesem Sinne finden wir das Verbum auch in Sardeis auf Monumenten und Basen für Caligula (?) und Claudius30. Da auch diese Verwendungsform für unsere Claudia ausscheiden dürfte, finde ich mich zurückverwiesen auf die einzige Parallele in Sardeis, die ich schon kürzlich mit dem hier behandelten Denkmal in Verbindung gebracht habe: die schon seit 1914 bekannte Stele zu Ehren des Sokrates Pardalas, Sohnes des Polemaios, aus dem 1. Jhdt. v. Chr., errichtet von den ϑεραπευταί des Zeus, die Zugang in das Adyton hatten, und die den Vorgang der Ehrung ausdrückten mit den Worten καϑιερώσαντες ἐστεφάνωσαν (Sardis VII 1 n. 22). Im Anschluß an eine Bemerkung 27 J. u. L. Robert, Hellenica VI 112 f. (dazu Pl. XXVI 2). Vorher hatte man erwogen, die Aussage überhaupt auf die Neueinführung des Sabazios-Kultes zu beziehen. Für die Verbindung ἀνέϑηκεν καὶ καϑιέρωσεν s. auch L. Robert, RPhil 1927, 122 (OMS II 1077); vgl. A. D. Nock, Essays on Religion and the Ancient World I 219 Anm. 84 „καϑιερῶσαι is not really distinct from vaguer terms like ἀνατιϑέναι“. 28 Das Zitat nach M. Cremer – J. Nollé, Chiron 18, 1988, 207 f.; weitere Literaturhinweise bei P. Herrmann, Chiron 26, 1996, 323 Anm. 37; G. Petzl, EpigrAnat 26, 1996, 17. Im besonderen ist hier zu nennen eine Gruppe von Grabsteinen aus dem oberen Tembris-Tal in Phrygien, deren Spezifikum darin besteht, daß die Verwendung von καϑιερόω in Bezug auf den Toten hier verbunden ist mit der Aussage, er sei von der Gottheit „geehrt“ worden, was M. Waelkens, in R. Donceel – R. Lebrun (Hrsg.), Archéologie et religions de l’Anatolie ancienne. Mélanges Paul Naster, 1984, 284 ff. unter den Begriff der „Privatdeifikation“ gestellt hatte. S. dazu auch E. Varinlioğlu, EpigrAnat 15, 1990, 75: „Die Weihung des … verstorbenen Kindes an einen Gott kann die Bedeutung haben, daß er im zukünftigen Leben dem Gott als Priester dienen sollte.“ 29 Für Könige vgl. die Hinweise bei W. Ameling, QC 9, 1987, 33 mit Anm. 66, für Kaiser und Angehörige z. B. FDelphes III 1 n. 530, 5; vgl. auch C. P. Jones, IstMitt 27/8, 1977/8, 291 im Hinblick auf die Verwendung von ἀφιεροῦν. Wie Ameling betont, steht hinter der Formel die ursprüngliche Weihung der Ehrenstatue an eine Gottheit. 30 P. Herrmann in dem in Anm. 16 genannten Band (Forschungen in Lydien) 31 und 32 f. {hier S. 158 f. und 159 f.}
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L. Roberts über die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit einer präzisen Erfassung des Terminus war auch ich hier über die Vermutung einer uns verborgen bleibenden „zeremoniellen Handlung“ nicht hinausgekommen31. Könnte man ähnliches für die Demeter-Priesterin Claudia annehmen? Es muß ergänzend betont werden, daß uns ja auch die funktionale Bestimmung des Denkmals Fragen aufgibt: Der Form nach ist es ein Altar, offensichtlich keine Statuenbasis, aber die Inschriften haben deutlich den Charakter von Ehrungen. Der sakrale Aspekt scheint sich allein in der Aussage ἐνϑάδε καϑιέρωται zu manifestieren. Auf jeden Fall liefert uns die Inschrift ein willkommenes Zeugnis für die Existenz eines Kultes der Demeter Karpophoros in Sardeis, womit sich die lydische Metropole neben die schon länger bekannten Beispiele von Pergamon und Ephesos stellt. In diesen beiden Orten war der Kult, wie es naheliegt, mit Heiligtümern bzw. Tempeln verbunden32, und dazu läßt sich noch das Sardeis näher gelegene Beispiel der Dareiu kome stellen, die τῆι διασημοτάτηι ϑεᾷ Δήμητρι Καρποφόρωι einen Tempel errichtete33. Auch für Sardeis werden wir eine entsprechende Kultanlage vorauszusetzen haben, und unter der Annahme, daß in eben dieser der Altar mit den Inschriften für Claudia und Theogenes Aufstellung gefunden hatte, hat schon C. H. Greenewalt, Jr., spekuliert, ob dann aus dem Ort der Auffindung des Monuments, der außerhalb des Stadtgebietes liegt, eine Lokalisierung des sardianischen Heiligtums versucht werden könne34. Es ist beobachtet worden, daß Demeter Karpophoros nicht selten für eine Art Identifizierung mit römischen Kaiserinnen in Anspruch genommen wurde, sei es durch direkte Anwendung des Kultbeinamens Karpophoros, sei es durch ikonographische Bezugnahme in Münzprägungen, wobei sich die Beispiele neben der Aiolis
31 Chiron 26, 1996, 323 mit Anm. 26 und 27. Vielleicht ist im Sinne einer dahinterstehenden religiösen Zeremonie auch die Verwendung von καϑιέρωσις in dem kolophonischen Dekret für einen Chresmologen zu verstehen (BCH 116, 1992, 279 Z. 12 f. {SEG XLII, 1065}): καϑήκουσαν δὲ τῆι [αὑτοῦ κα]ϑιερώσει τὴν ἀναστροφὴν τηρῶν (J. u. L. Robert: „son caractère sacré“). Varinlioğlu (s. Anm. 28) verweist im übrigen auf die Interpretation von Sext. Empir., Pyrrh. instit. 3, 324 bei Liddell – Scott – Jones: oἱ καϑιερούμενοι τῷ Διί „his priests“, was mir allerdings sehr zweifelhaft scheint (vgl. die abweichende Auffassung in der Übersetzung von R. G. Bury). 32 Pergamon: Gebälkinschrift antoninischer Zeit im Demeter-Heiligtum AM 35, 1910, 442 n. 25 mit dem Kommentar H. Hepdings. Vgl. E. Ohlemutz, Die Kulte und Heiligtümer der Götter in Pergamon, 1940, 203 ff. Ephesos: IvEphesos 10, 28 und 1210; vgl. 1228. Für die schwierige Frage der Lokalisierung des ephesischen νεώς der Göttin vgl. D. Knibbe, Der Staatsmarkt. Die Inschriften des Prytaneions (Forschungen in Ephesos IX/1/1), 1981, 58 f. und 103; H. Engelmann, in Lebendige Altertumswissenschaft. Festgabe … Hermann Vetters dargebracht …, 1985, 157 (freundlicher Hinweis von H. Halfmann). 33 TAM V 2 n. 1335, eventuell auch 1336. Der Fundort liegt ca. 40 km nordwestlich von Sardeis, zwischen Magnesia am Sipylos und Hyrkanis. 34 C. H. Greenewalt, Jr., am Anm. 14 a. O. 46, mit Hinweis auf außerhalb der Stadt gelegene DemeterHeiligtümer an anderen Orten. Er weist allerdings auch auf die Möglichkeit hin, daß der Block verschleppt worden ist.
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besonders auch auf Lydien erstrecken35. In diesem Zusammenhang ist auch auf eine Münze aus Sardeis zu verweisen, die auf der einen Seite Tiberius zeigt, wie er die vor ihm knieende Stadtgöttin aufrichtet, auf der anderen „Livia, rechtshin sitzend, die Rechte auf das Szepter gestützt, in der vorgestreckten Linken einen Ährenbüschel haltend“. Damit ist offenkundig auf die Hilfe des Tiberius nach dem schweren Erdbeben von 17 n. Chr. angespielt36. Aber es ist interessant, daß damit ein Hinweis auf die Kaiserin in einer die Demeter evozierenden Pose verknüpft wird. Unserem Altar und seinen Inschriften fehlt freilich jede Anspielung auf einen solchen das Kaiserhaus einbeziehenden Hintergrund. Man kann den auf den zwei nicht beschriebenen Seiten angebrachten Reliefdarstellungen wohl eher den Hinweis auf einen anderen Aspekt des Demeterkultes entnehmen. Die beiden gekreuzten und mit einem Band verbundenen | stabartigen Gegenstände auf der Seite 2 sind in ihrer Bedeutung nicht ganz eindeutig auszumachen: In der ersten Beschreibung im Grabungsinventar war von zwei „crossed staffs or torches (thyrsoi?)“ die Rede, wozu L. Robert in dem schon erwähnten Brief angemerkt hatte: „dans ce milieu, sûrement pas des thyrses, mais des torches“. Von Fackeln sprach dann auch C. H. Greenewalt, Jr., (s. Anm. 14). Selbstverständlich sind Fackeln ein hundertfach dargestelltes Attribut der Demeter. Aber man muß zumindest feststellen, daß die Art der Wiedergabe in dem Relief, mit dem eigenartigen, Blumenblättern ähnelnden „Kragen“ unterhalb der Spitze, nicht dem gängigen Bildtyp entspricht37. Eindeutiger ist hingegen die Bildaussage der Seite 4: Der an die „cista mystica“ erinnernde Korb, aus dem eine Schlange herausschaut, entspricht einem auch auf Münzen von Sardeis erscheinenden Motiv, das auf Prägungen der Zeit der Iulia Mamaea zu sehen ist. Dort wird der „Korb mit sich herausringelnder Schlange“ zwischen eine Mohnstaude und einen Getreidehalm
35 Man vgl. dafür die Ausführungen und Quellenhinweise von L. Robert, REA 62, 1960, 288–294 (OMS II 804–810), ausgehend von der Verehrung der beiden Agrippinae unter dem Namen ϑεὰ Αἰολὶς Καρποφόρος auf Lesbos. In Ephesos gab es eine Priesterin der Σεβαστὴ Δημήτηρ Καρποφόρος Livia (IvEphesos 4337, 18), und auch auf Münzen aus Syrien erhält Livia den Titel Καρποφόρος (Robert 291 mit Hinweis auf H. Seyrig). Was Lydien betrifft, registriert Robert 291 f. Assimilationen der beiden Agrippae mit Demeter auf Münzen aus Philadelphia und Magnesia am Sipylos. 36 F. Imhoof-Blumer, Lydische Stadtmünzen, 1897, 136 f. n. 4 mit Tafel V 20; vgl. Roman Provincial Coinage I, 1992, 489 n. 2991. In der Beschreibung bei H. W. Bell, Sardis XI 1, 1916, 29 n. 279 wird angegeben, daß auch die vor Tiberius knieende Stadtgöttin „offers him ears of corn“. 37 Für Darstellungen von Fackeln vgl. Daremberg – Saglio, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines II, 1896, 1025–1029 s. v. Fax; A. Mau, RE VI 2, 1909, Sp. 1945–1953 s. v. Fackeln; J. Hupe, Jahrb. d. Museums f. Kunst und Gewerbe Hamburg 13, 1994, 19–28 (Bronzefackeln); G. Petzl, EpigrAnat 26, 1996, 10 Anm. 46. Außer Münzen wären vor allem noch Vasenbilder heranzuziehen. Vom Bildmotiv her erinnert das Relief auf dem Altar einer Sardis XI 1, 28 n. 273 mit Pl. I registrierten Münze mit „two crossed scepters tied together with taenia“, wo auf der Vorderseite der Kopf des jungen Dionysos erscheint. Die beiden Stäbe haben allerdings Verdickungen an beiden Enden. Dieselbe Münze wohl bei F. Imhoof-Blumer, Kleinasiatische Münzen, 1901, 183 n. 2: „Zwei sich kreuzende Thyrsosstäbe mit Taenien“.
16 Demeter Karpophoros in Sardeis
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gestellt und unterstreicht damit seine Zugehörigkeit zu Demeter38. Auf unserem Altar treten an deren Stelle wiederum zwei Fackeln, die durch die gut erkennbaren Querstreifen hier wohl deutlicher als solche charakterisiert werden. Die Schlange wird auch auf anderen sardianischen Münzen der Demeter als Begleiterin beigesellt39. Hier, in der Darstellung mit dem Korb, kann man indes eine Anspielung auf einen Mysterienkult vermuten, was für Demeter ja nicht überraschend ist40. Ein gutes Beispiel dafür ist uns aus Ephesos in der Eingabe des L. Pompeius Apollonios an den Statthalter L. Mestrius Florus (88/9 n. Chr.) erhalten, wo von jährlich stattfindenden μυστήρια καὶ ϑυσίαι für Demeter Karpophoros und Thesmophoros berichtet wird41. Ähnliches dürfen wir vielleicht für Sardeis voraussetzen. Auch wenn im Detail noch offene Fragen bleiben, erweist sich mithin das neu aufgetauchte Monument sowohl durch sein Bildprogramm wie durch die inhaltliche Aussage der beiden Inschriftentexte als interessante Bereicherung unserer Kenntnis vom religiösen Leben im Sardeis der Kaiserzeit.
38 Syll. v. Aulock 8260. Derselbe Münztyp auch bei Mionnet IV n. 771 und 775. Hingewiesen sei auch auf die bei F. Imhoof-Blumer, Griechische Münzen, 1890, 722 n. 618 so beschriebene Münzdarstellung: „Zebu rechtshin stehend zwischen zwei Körben mit aufgerichteten Schlangen“. 39 Im besonderen zeigen Münzen mit dem Typus der stehenden Demeter (s. Anm. 11) gelegentlich eine Schlange: „from the ground at her feet issues a serpent“ (BMC Lydia 261 ff. n. 154; 173; 193; Sardis XI 1, 33 n. 301–305). 40 Man vgl. dafür E. Küster, Die Schlange in der griechischen Kunst und Religion (RGVV XIII 2), 1913, 147 f. 41 Syll.3 820 = IvEphesos 213. Hingewiesen sei auch auf die Demeter-Mysterien in der Almourenon Katoikia bei Tire: IvEphesos 3252, 6.
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Abb. 1: IN 84.1, Seite 1
Abb. 2: IN 84.1, Seite 3
Abb. 3: IN 84.1, Seite 2 Abb. 4: IN 84.1, Seite 4 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
17 Φ ιλίας ἀγαθῆς λόγος Inschrift für einen Schauspieler in Sardeis Im Jahre 1976 ist eine Inschriftstele in die epigraphische Sammlung beim Grabungshaus der amerikanischen Sardis-Expedition gelangt, auf der ein Grabepigramm für einen in Sardeis verstorbenen Komödiendarsteller aufgezeichnet ist. Über die Herkunft des von einem Bewohner des Dorfes Sart Mustafa überbrachten Steines ist nichts bekannt. Man kann aber davon ausgehen, daß er aus dem Bereich der Nekropolen der Stadt stammt.1 IN 76.1. Stele aus weißem Marmor, unten gebrochen. Oben ist ein Giebel ausgearbeitet, in dem sich die Darstellung einer (Komödien-)Maske befindet (mit großen, durch Pupillen markierten Augen, stark ausgeprägten Augenbrauen, einem weit geöffneten ovalen Mund, beiderseits des Gesichts herabhängenden langen Haaren). Zu beiden Seiten des Giebels je ein nach unten geöffneter Kranz. Die stark versinterte Inschriftfläche ist von einem vorspringenden Rahmen umgeben. H. 47, B. 66, D. 16 cm; Buchstabenhöhe 1,5–1,8, Zeilenabstand 1–1,3 cm (Abb. 1–2). {Merkelbach – Stauber, SGO IV 23/05 = 04/02/13; SEG L 1191 (mit einer Korrektur zu der Übersetzung)} Εἰ φιλίας ἀγαϑῆς ἐστὶν λόγος, εἴ τις ἔνεστιν αἴσϑησις φϑιμένοις, χαῖρε Προκληϊανέ, Ἀντιοχείας κόσμε, φίλων ϑάλος ἄνϑος ἀγώνων, 4 κωμῳδῶν πάντων τῶν ἐπὶ γῆς στέφανε· ἐν Λυδῇ κεῖσαι χϑονί, φίλτατε, Χρυσορόας δὲ κοσμεῖται τὸν σὸν γείτονα τύμβον ἔχων καὶ Μουσῶν ἀπέχεις δῶρον γλυκύ· τοῦτ’ ἐ 8 [vacat] π̣έ̣ γ̣ρ̣ α̣ψεν vacat –––––––––––––– Die zwischen z. T. noch erkennbaren Ritzlinien angebrachte etwas unregelmäßige Schrift mit nur wenig verzierten Buchstaben weist kaum Besonderheiten auf. A hat eine gebrochene Querhaste; beim Φ ist der senkrechte Strich weit nach oben und unten verlängert. Die runden Buchstaben O und Θ sind meistens in etwas schmalerer, ovaler Form geschrieben. Die Datierung führt in die Kaiserzeit, möglicherweise das 2. Jhdt. n. Chr.
Hyperboreus 6, 2000, 400–406. 1 Die Bearbeitung dieses Fundes erfolgt im Rahmen der vorbereitenden Arbeiten zur Veröffentlichung des epigraphischen Materials der Grabung. Für die Betrauung mit dieser Aufgabe sowie für die mir gewährte Unterstützung bin ich dem Leiter der Sardis-Expedition, Crawford H. Greenewalt, Jr., zu Dank verbunden.
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Übersetzung Wenn es eine Wertschätzung guter Freundschaft gibt, wenn bei Verstorbenen ein Empfinden vorhanden ist: (dann) sei gegrüßt, Prokleianos, du Zierde Antiochias, Freude der Freunde, Blüte der Wettkämpfe, Krone aller Komödiendarsteller auf der ganzen Erde. In lydischer Erde ruhst du, liebster Freund, der goldführende Fluß (= Paktolos) wird geziert durch dein Grab, das er als Nachbarn hat, und die süße Gabe der Musen hast du empfangen. Dieses hat aufgeschrieben [? – – –]. Die ersten drei Distichen des Epigramms sind exakt mit den Zeilen der Inschrift in Übereinstimmung gebracht. Der folgende 4. Hexameter (Z. 7) geht jedoch über das Zeilenende hinaus und scheint in einem in die Zeilenmitte gerückten Wortteil geendet zu haben (Z. 8). Man kann vermuten, daß darauf noch ein Pentameter folgte, in dem sich der Verfasser des Gedichts und Errichter des Monuments vorgestellt haben dürfte. Dem inhaltlichen Aufbau nach läuft das erste Distichon auf die Anrede des Verstorbenen in Grußform hinaus, das tausendfach in Grabinschriften begegnende χαῖρε. Im zweiten Distichon werden, eingebettet in rühmende Charakterisierungen, seine Herkunft und sein Beruf erwähnt, während das dritte auf den Begräbnisort eingeht. In den Formulierungen weist das an sich konventionelle Gedicht einige Besonderheiten oder auch Eigenwilligkeiten auf. V. 1–2: Die Einleitung mit εἰ, also einem Konditionalsatz, ist ein in der Grabpoesie beliebtes Schema, wie aus der Sammlung in W. Peeks Griechischen Vers-Inschriften (GV) hervorgeht, wo Inschriften dieses Typus in einer besonderen Gruppe zusammengestellt sind.2 Hier dient die Konstruktion gewissermaßen der Rechtfertigung der direkten Anrede des Toten: Ihm kann der Gruß χαῖρε geboten werden, wenn – so das zweite Glied der Konditional-Konstruktion – den Verstorbenen die Möglichkeit der Wahrnehmung gegeben ist. Eine bis ins Wörtliche gehende Parallele enthält das stadtrömische Epigramm auf den im Alter von drei Jahren gestorbenen Kleophoros in der Anrede durch seinen Vater Kyrillos, wobei die Apodosis hier eine andere Wunschformel einbringt: „dann möge dir die Erde leicht sein“. GV 231, 4–5 (IGUR 1253):
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ἀλλ’ εἴγ’ ἐν φϑιμένοισί τις αἴσϑησις, τέκνον, ἐστίν, κοῦφον ἔχοις γαίης βάρο‹ς› εὐσεβίης ἐνὶ χώρῳ.
Eine Besonderheit in unserem Gedicht ist das an den Anfang gestellte εἰ φιλίας ἀγαϑῆς ἐστὶν λόγος, womit offenbar auf das Weiter|bestehen einer Freundschaft von Seiten des Sprechenden (und Errichters des Grabmals?) angespielt wird, so wie etwa
2 W. Peek, Griechische Vers-Inschriften I (Berlin 1955) 505–509 B V 5 Nr. 1686–1701, Rubrik: Das Gedicht beginnt mit einem εἰ-Satz des Typus „Wenn einer, dann dieser“. Natürlich gibt es darüber hinaus mit εἰ beginnende Gedichte in weitaus größerer Zahl: Peeks Verzeichnis der Gedicht-Anfänge (Berlin 1957) registriert insgesamt 40 Beispiele.
17 Inschrift für einen Schauspieler in Sardeis
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in einem Epigramm aus Byzantion (GV 1479; IvByzantion 120) der Verfasser zu dem Toten sagt:
Λούκουλλος φιλίας τάδε σοι μνημήϊ’ ἔγραψεν.
Der Sinn des Wortes λόγος mag in dem Gedicht aus Sardeis etwa mit den Bedeutungsnuancen „esteem, consideration, value put on a person or thing“ (Liddell – Scott – Jones I 4) oder „Beachtung, d. i. Achtung, Berücksichtigung, Schätzung, Hochschätzung, Wertschätzung, Wert“ (Passow B 1 b) erfaßt sein. 3–4: Wie es in der Grabpoesie nicht selten ist, wird der Tote durch eine Aneinanderreihung rühmender Prädikate, die hier in den Vokativ gesetzt sind, gepriesen. Als ein Beispiel von vielen sei der Anfang des kürzlich veröffentlichten und diskutierten Epigramms auf den Mimen Eucharistos aus Patara zitiert (SEG XLIII 982 {Merkelbach – Stauber, SGO IV 17/09/01}):3
Tὸ στόμα τῶν Μουσῶν, τῆς Ἑλλάδος ἄνϑος ἐπαινῶ{ν}, τῆς Ἀσίης ἀκρόαμα, κλυτῆς Λυκίης προβίβασμα.
Waren dort die rühmenden Begriffe mit geographischen Namen verbunden, so ist in dem Epigramm aus Sardeis eine solche Ordnung nicht erkennbar; immerhin werden uns dabei aber der Herkunftsort und die künstlerische Tätigkeit des Verstorbenen mitgeteilt. Er wird angesprochen mit den Prädikaten κόσμος, ϑάλος, ἄνϑος, στέφανος. Für κόσμος kann auf ein Gedicht aus Thasos verwiesen werden (GV 2038, 7), das den Toten bezeichnet als τὸν εὐκλέα πατρίδι κόσμον. In prosaischer Verwendung nennt Aelian. V. h. II 13 (p. 22, 24 Dilts) Sokrates κόσμον ταῖς Ἀϑήναις ὄντα. Nicht leicht zu erfassen ist φίλων ϑάλος, wenn man von der Bedeutung von ϑάλος als „Sproß, Nachkomme“ ausgeht. Es drängt sich der Verdacht auf, daß hier eine allerdings ungeschickte Reminiszenz an die homerische Formulierung φίλον ϑάλος (X 87, an derselben Stelle im Vers) vorliegt, wo aber eben der leibliche Sohn gemeint ist (Hekabe zu Hektor: φίλον ϑάλος, ὃν τέκον αὐτή). In unserem Zusammenhang kann ϑάλος nur in ganz allgemeiner Bedeutung, etwa „Glanz, Freude, Vergnügen“, verstanden worden sein. Auch ἄνϑος ἀγώνων ist eine nicht eben glückliche Formulierung, die ihre Berechtigung aus dem Metier des Ver|storbenen bezieht. Der in den Grabgedichten häufige Gebrauch von ἄνϑος im Sinne von „Jugendblüte“, vornehmlich auf junge Frauen angewandt,4 scheidet hier aus. Etwas näher kommen unserem Text schon Formulierungen wie ἄνϑος ἑταίρων (IGUR 1217, 3) oder ἄνϑος ὁμηλικίης (GV 1543, 4; L. u. J. Robert, La Carie II, 187 n. 88), beide Male von Männern ausgesagt, 3 In der Interpretation des Versendes V. 1 folge ich dem Vorschlag von E. Voutiras, EpigrAnat 24 (1995) 65 f. gegenüber der Lesung durch den Erstherausgeber S. Şahin, ebd. 21 (1993) 84. 4 Dazu W. Peek, Griechische Versinschriften aus Kleinasien, DenkschrWien 143 (1980) 20; vgl. auch Milet VI 2 n. 752, 8.
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sowie τῆς Ἑλλάδος ἄνϑος im oben zitierten Gedicht auf den Mimen Eucharistos aus Patara. Die engste Parallele bietet wiederum ein Gedicht auf einen Schauspieler, hier den Pantomimen Crispus aus Herakleia am Pontos (S. Şahin, ZPE 18 [1975] 293–297; IvHeraclea Pontica 9 {Merkelbach – Stauber, SGO II 09/11/02}), wo es heißt:
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τὸν χειρονομοῦντα ϑαυμάσας καὶ δοξάσας ὁ κόσμος ἄνϑος χρύσεον τῶν ἰδίων εἶδε ϑεάτρων.
Der „goldenen Blüte der Theater“5 entspricht die „Blüte der Agone“ im Gedicht von Sardeis. Schließlich, und das soll wohl die höchste Steigerung sein, nennt unser Epigramm den Verstorbenen die „Krone aller Komödiendarsteller auf der Erde“. In einem so abstrahierten und personalisierten Sinne kann στέφανος vereinzelt mit Ortsbegriffen verbunden werden, so wie der Chor bei Euripides, Iph. A. 194 den einen Aias als τὸν Σαλαμῖνος στέφανον bezeichnet oder ein Epigramm aus Phrygien (GV 819, 4) den Toten στέφανον πατρίδος nennt. Auch auf eine kühne Wendung des Paulus, I Thessal. 2, 19 kann verwiesen werden, der die Adressaten als στέφανος καυχήσεως, „Ruhmeskranz“, apostrophiert.6 Im Falle unseres Gedichts soll στέφανος natürlich an den konkreten Siegeskranz erinnern, den der Schauspieler anstrebt. Die superlativische Formulierung (πάντων τῶν ἐπὶ γῆς) entspricht einer verbreiteten Tendenz der Grabdichtung. V. 5–6: Die Grabstätte des aus Antiochia stammenden Komödiendarstellers lag in der Nachbarschaft des Paktolos, des vom Tmolos herabkommenden und durch das Stadtgebiet von Sardeis dem Hermos zuströmenden, berühmten Flusses. Er wird hier nach seiner bekannten Eigenschaft als „goldführend“ bezeichnet, was in der Tat nach den Angaben antiker Autoren ein zweiter Name des Gewässers gewesen sein soll. So heißt es etwa bei Plin. n. h. V 110: ex quo (scil. Tmolo) profluente | Pactolo eodemque Chrysorroa, oder bei Solin. 40, 11: amnis Pactolus, quem aurato fluore incitum aliter Chrysorrhoam vocant.7 V. 7: Die Nennung des Μουσῶν δῶρον γλυκύ ist leicht verständlich. Sie findet eine Parallele etwa in dem athenischen Gedicht GV 588 ἐπεὶ σοφῶν / δῶρα Μουσέων μέγιστα, hier allerdings auf einen Rhetor und Philosophen bezogen. Weniger klar ist die Bedeutung von ἀπέχεις in diesem Zusammenhang: möglicherweise ist das Wort hier im Sinne der bei Liddell – Scott – Jones unter IV gegebenen Erklärung zu ver-
5 Vgl. dazu L. Robert, JSav 1981, 40 (OMS VII 502), der die Passage zitiert und übersetzt. 6 τίς γὰρ ἡμῶν ἐλπὶς ἡ χαρὰ ἢ στέφανος καυχήσεως – ἢ οὐχὶ καὶ ὑμεῖς – ἔμπροσϑεν τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ ἐν τῇ αὐτοῦ παρουσίᾳ; Man kann noch auf das homerische Epigramm XIII, 1 verweisen: ἀνδρὸς μὲν στέφανος παῖδες. Für den „übertragenen Gebrauch von στέφανος“ gibt W. Peek, ZPE 13 (1974) 203 einige Belege. 7 Beide Quellenstellen bei J. G. Pedley, Ancient Literary Sources on Sardis, Archaeological Exploration of Sardis, Monograph 2 (Cambridge/Mass. 1972) 67 n. 233 und 71 n. 252. Weiteres bei J. Keil, RE XVIII 2 (1942) 2439 s. v. Paktolos.
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stehen: „have or receive in full“. Als eine gewisse Parallele bietet sich eine Formulierung im 50. Epigramm des Kallimachos an (= AP VII 458), einem Grabgedicht auf die phrygische Amme Aischre, der Mikkos ein Grabmal wohl mit Relief gesetzt hat ἐπεσσομένοισι ὁρᾶσϑαι / ἡ γρηὺς μαστῶν ὡς ἀπέχει χάριτας („que la vieille femme a, pour le lait de ses seins, reçu juste recompense“ E. Cahen).8 In beiden Fällen handelt es sich um Verstorbene, und mit dem ἀπέχειν wird eine über den Tod hinausreichende Wirkung ausgedrückt. Das nach der Diärese einsetzende Versende, mit dem in Z. 8 in die Mitte gerückten ἐπέγραψεν, dürfte auf die Nennung des Verfassers des Gedichts hingeführt haben, wofür vermutlich noch ein Pentameter verwendet wurde. Es kann an den oben zitierten Vers des Epigramms des Lucullus aus Byzantion erinnert werden, der mit ἔγραψεν endete, oder an den Schluß eines Grabgedichts aus Thessalonike (GV 198; IG X 2,1, 588) σῆμ’ ἐπέγραψε τόδε.9 Der Name des Verstorbenen erscheint in V. 2 in der Vokativform Προκληϊανέ. Das führt auf eine den metrischen Gesetzen unterworfene Namensform Prokleianos oder Proklianos, und diese wiederum könnte eine Weiterbildung von Πρόκλος sein, ebenso aber auch vom lateinischen Namen Proculus, mit Ausfall des zweiten Vokals, hergeleitet werden, am ehesten vielleicht einer | Namensform Procul(e)ianus entsprechen.10 Eine direkte Parallele zu der hier gegebenen Namensform kenne ich im Griechischen nicht, und ebenso wenig läßt sich der hier so hoch gepriesene Künstler anderweitig nachweisen, wenn ich recht sehe. Er war seines Zeichens κωμῳδός, und eben das zeigt ja auch die im Giebel dargestellte Maske an, ein Bildelement, das sich auch anderweitig auf Grabsteinen desselben Berufsstandes findet.11 Damit wird übrigens auch der in neuerer Literatur gegebene Hinweis verdeutlicht, daß unter 8 Vgl. dazu A. S. F. Gow – D. L. Page, The Greek Anthology. Hellenistic Epigrams (Cambridge 1965) I 69 n. XLIX und II 202, wo auf das Epigramm 54, 1 (AP VI 147) verwiesen wird (II 180) τὸ χρέος … ἀπέ χεις „have received in full“, das in der Suda (A 3105) zitiert wird für die Bedeutung ἀπέχω· ἀντὶ τοῦ ἀπέλαβον. Gow – Page weisen auf die gängige Verwendung von ἀπέχω als Empfangsbestätigung in Papyrusurkunden hin: s. F. Preisigke, Fachwörter des öffentlichen Verwaltungsdienstes Ägyptens in den griechischen Papyrusurkunden … (Göttingen 1915) s. v. ἀπέχω: „ich habe empfangen“. 9 L. Robert, RPhil 48 (1974) 231 Anm. 314 (OMS V 318) zitiert diesen Vers unter den Belegen, die er für die spezifische juristische Bedeutung des Wortes ἐπέγραψε in Grabinschriften anführt: „par lui, le titulaire revendique et affirme son droit de propriété“. Ob dem Begriff auch in dem Gedicht aus Sardeis diese Intention zukommt, ist – nicht zuletzt wegen des Fehlens der Fortsetzung – nicht zu erkennen. 10 Vgl. dazu I. Kajanto, The Latin Cognomina (Helsinki 1965) 176 s. v. Proc(u)lus. Ebenda werden 153 die Namensform Proculeianus und 177 die Form Proc(u)lianus registriert. Das Cognomen des kappadokischen Statthalters von 231, Q. Iulius Proculeianus (PIR2 IV 254 n. 490), wird auf Meilensteinen zweimal Proculeianus, einmal Proclianus geschrieben. 11 Zwei Beispiele werden am Ende dieses Beitrags genannt. Ähnlich wie auf unserem Monument findet sich eine Maskendarstellung in einem Giebel auf einer Stele unbekannter Herkunft: E. Pfuhl – H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs II (Mainz 1979) n. 1193 Tafel 179. Die ausführlichste Untersuchung der Typen komischer Masken ist die Abhandlung von C. Robert, Masken der neueren attischen Komödie, 25. Winckelmann-Programm (Halle 1911).
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κωμῳδός ein Schauspieler zu verstehen ist, der „Direktor“ und „Protagonist“ seiner Truppe gewesen sein mag, aber nicht ein Komödiendichter.12 Bezüglich der aufgeführten Stücke griff man bekanntlich auf das ältere Repertoire zurück, wie denn auch ein athenisches Epigramm für einen κωμῳδός (GV 681) diesen als Μενανδρείων ἐπέων δεδαηκότα bezeichnet. Als Herkunftsort unseres Mannes wird Antiocheia genannt (V. 3). Da hier eine Präzisierung fehlt, wird man unter den vielen Städten dieses Namens am ehesten an die weitaus bedeutendste zu denken haben, nämlich Antiocheia am Orontes. Die Nennung eines Berufskollegen des Prokleianos aus dieser Stadt, die im Theater von Caesarea Maritima angebracht ist, haben J. und L. Robert seinerzeit aus einer mangelhaft gelesenen Inschrift hergestellt (Bull. épigr. 1967 n. 645): Κ(όϊντος) Καικίλλιος Α̣..ους κωμῳδὸς [πρω]τόλογος Ἀντιοχεὺς τῶν πρὸς Δάφνην, hier also mit genauer Ortsbezeichnung.13 Der Berufsstand des κωμῳδός brachte es mit sich, daß er, so wie antike Künstler, Techniten überhaupt, ein περιπολισ|τικός, „disposed for wandering“ (Liddell – Scott – Jones) war.14 So sind denn auch Fälle wie der unseres Prokleianos, den der Tod fern der Heimat auf einer seiner Reisen ereilte, gar nicht selten. Man kann z. B. auf das bei Tusculum gefundene Grabepigramm für den κωμῳδός Moschianos aus Smyrna (GV 438) verweisen oder das Gedicht für Parianos aus Paphos, der in Messina gestorben ist (GV 466).15 Auch viele Prosa-Grabschriften bezeugen das, wie beispielshalber die des Pergameners P. Aelius Hermolaos, κωμῳδὸς καὶ λυριστής, der im Alter von 25 Jahren auf Malta gestorben ist (JHS 77 [1957] 312), oder des Epigenes aus Herakleia am Pontos, den im selben Alter in Sestos der Tod ereilt hat (IvSestos 18). Beider Grabsteine zeigen neben anderen Gegenständen auch Komödienmasken. Prokleianos aus Antiocheia hat im fernen Sardeis immerhin einen uns unbekannt bleibenden Freund gefunden, der ihm zum Zeichen einer fortbestehenden φιλία ἀγαϑή dieses Grabmal mit seinem bescheidenen, aber menschlich anrührenden Gedicht errichtet hat.
12 Dazu besonders M. Wörrle, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien (München 1988) 250, mit Literaturhinweisen in Anm. 137. Vgl. auch C. P. Jones, CQ 37 (1987) 208, mit Verweis auf J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1958 n. 160 p. 223. Man kann auch auf den κωμῳδός der rhodischen Inschrift IG XII 1, 84 verweisen, dessen ὑπόκρισις besonders gerühmt wird. 13 Der Mann ist registriert in dem Werk von I. E. Stephanes, Διονυσιακοὶ τεχνῖται. Συμβολὲς στὴν προσωπογραφία τοῦ ϑεάτρου καὶ τῆς μουσικῆς τῶν ἀρχαίων Ἑλλήνων (Herakleion 1988) n. 1314. 14 Vgl. Η. A. Harris, JHS 82 (1962) 21 mit Anm. 76; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1963 n. 263 zu der Vereinsbezeichnung der περιπολιστικὴ σύνοδος. 15 Für den Personennamen Παριανός vgl. L. Robert, RPhil 48 (1974) 243 Anm. 410 (OMS V 330).
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Abb. 1: IN 76.1, Inschrift für einen Schauspieler in Sardeis © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
Abb. 2: IN 76.1, Inschrift für einen Schauspieler in Sardeis, Detail © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
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18 Italiker und Römer in Sardeis Überlegungen zu zwei inschriftlichen Zeugnissen Der Prozeß der politischen Expansion Roms in den griechischen Osten im 2. und 1. Jh. v. Chr. wird begleitet von dem ökonomisch determinierten Vorgang der Auswanderung von Menschen aus der italischen Halbinsel und ihrer Etablierung in den sich ihren wirtschaftlichen Aktivitäten erschließenden Regionen des östlichen Mittelmeers. Antiker Terminologie – in diesem Falle einer von ihnen selbst gewählten Bezeichnung – folgend pflegt man diese Personengruppe unter dem Begriff der negotiatores („Geschäftsleute“) zusammenzufassen. Gegenüber einer eher summarischen und überdies vielfach von Wertungen bestimmten Reflexion des Phänomens in der antiken Überlieferung1 vermag uns hier die epigraphische Hinterlassenschaft dieses Personenkreises detailliertere Einblicke zu verschaffen, wie denn auch die diesem Thema gewidmeten Beiträge der Wissenschaft ihm vor allem über die prosopographische Methode beizukommen versuchen2. Nichtsdestotrotz bleiben im einzelnen viele Unklarheiten und Fragen, die sich in der neueren Diskussion niederschlagen: Sie betreffen die ethnische Aufgliederung (Römer, Latiner, Italiker) und die Tätigkeitsfelder dieser Zuwanderer, ihre Organisationsformen und ihren Platz innerhalb der einheimischen Gemeinden, ihr Selbstverständnis und ihre Apperzeption durch die ansässige griechische Einwohnerschaft. Zwei im folgenden behandelte epigraphische Zeugnisse aus Sardeis, der im kleinasiatischen Binnenland gelegenen ehemaligen Lyderhauptstadt, mögen einen
J. Spielvogel (Hrsg.), Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, 36–44. 1 Bei Cicero begegnet häufiger die Gegenüberstellung von publicani und negotiatores (z. B. Cic. Verr. II 2, 7; Flacc. 38; Scaur. 35; Font. 46, wo es heißt publicani, agricolae, pecuarii, ceteri negotiatores). Beide Gruppen erfahren in der Rede Cic. Manil. 7, 18 eine positive Charakterisierung, wobei es bezüglich der negotiatores heißt: deinde ex ceteris ordinibus homines gnavi atque industrii partim ipsi in Asia negotiantur …, partim eorum in ea provincia pecunias magnas collocatas habent. Auf einen Interessengegensatz zwischen beiden geht Cic. Att. II 16, 4 ein. Vgl. dazu auch J. Bleicken, Cicero und die Ritter (NAWG 3. Folge 213, 1995) 30. 2 Nach wie vor grundlegend ist J. Hatzfeld, Les Trafiquants Italiens dans l’Orient Hellénique, Paris 1919 sowie der umfangreiche Aufsatz desselben Les Italiens résidant à Délos, BCH 36, 1912, 5–218. Die letzte neuere Zusammenfassung bietet A. J. N. Wilson, Emigration from Italy in the Republican Age of Rome, Manchester/New York 1966. Auf die Prosopographie stützt sich auch eine Regionalstudie wie der Beitrag von B. Helly, Les Italiens en Thessalie, in Les „bourgeoisies“ municipales italiennes aux IIe et Ier s. av. J.-C., Paris/Neapel 1983, 355–380, oder – mit noch stärkerer lokaler Einengung – die Untersuchung von M. Christol, Th. Drew-Bear, Une famille d’Italiens en Lydie, ADerg III, İzmir 1995, 117–132. Ein Versuch einer prosopographischen Zusammenstellung für Kleinasien auch bei C. Delplace, Publicains, trafiquants et financiers dans les provinces d’Asie Mineure sous la République, Ktèma 2, 1977, 233–252, hier: 240–241.
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Anstoß zur Diskussion einiger Aspekte des Phänomens geben, als gewissermaßen exemplarische Fälle aus einem komplexen und vielgestaltigen Themenbereich.
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1 Inschrift der Italiker für L. Mun[atius Plancus] Ein 1986 in den Ruinen von Sardeis aufgefundenes Inschriftenfragment ist von mir bisher nur in knapper Form bekannt gemacht worden3, verdient aber noch einige weiterführende Überlegungen. Es handelt sich um eine in sehr sorgfältiger Schrift und Schriftverteilung ausgeführte lateinisch-griechische Bilingue, von deren ursprünglicher Breite allerdings nur etwa ein Drittel erhalten ist. Mit dem folgenden Textvorschlag weiche ich in einigen Details, die auf Rekonstruktionsversuchen der in offensichtlicher Symmetrie angeordneten Schrift beruhen, von der Erstveröffentlichung ab4. {SEG LII 1174} Italic[eiqueiSardibus] neg[otiantur] L.Mun[atioC.f.Planco] Ἰταλικο[ὶ oἱ ἐν ?ταῖς? Σάρδεσιν] πραγματευόμενοι ?ἀνέϑηκαν?] Λευκίω[ι Μονατίωι Γαίου Πλάγκωι] Obwohl der materielle Befund des Fragments in dieser Hinsicht keinen Anhaltspunkt bietet, wird man anzunehmen haben, daß das mindestens 70 cm breite Monument als Statuenbasis gedient hat. Wie in Zeile 6 zu erkennen ist, war der Name des Geehrten im Dativ angeführt, was durch die Verwendung des „datif d’hommage“ der vorausgehenden lateinischen Inschrift veranlaßt ist5. Die Ergänzung des Namens in den Zeilen 3 und 6 basiert auf der Annahme der Identität des Genannten mit einem in Delos von den dort Handel treibenden Italikern und Griechen (Italicei et Graecei quei Delei negotiantur) geehrten Römer: Zwei auf der „Agora der Italiker“ gefundene gleichlautende lateinische Inschriften ehren
3 IN 86.2. Vgl. P. Herrmann, The Sardis Campaign of 1986, BASOR Suppl. No. 26, 1990, 165 f.; ders., Neues vom Sklavenmarkt in Sardeis, ADerg IV, İzmir 1996, 175–187, hier: 184 f. mit Tafel XXXVIII 2 {hier S. 177 mit Abb. 2}, danach SEG XLVI 1521; AE 1996 n. 1453. 4 Der griechische Text mit seinen kleineren Buchstaben erfordert der Symmetrie wegen etwas längere Ergänzungen als die in der Erstpublikation angenommenen. Deshalb sind – wenn auch nicht ohne Bedenken – hier zusätzlich eingesetzt: Z. 4 ταῖς, Z. 5 ἀνέϑηκαν, Z. 6 Γαίου. 5 Zu diesem Phänomen s. P. Veyne, Les honneurs posthumes de Flavia Domitilla et les dédicaces grecques et latines, Latomus 21, 1962, 78–81. Eine Parallele bildet die dort (79) zitierte bilingue Inschrift der Mysei Abbaeitae et Epictetes für C. Sallu(v)ius Naso, legatus pro praetore, von 73 v. Chr. aus Nemi (CIL I2 743; ILS 37; ILLRP 372).
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L. Munatius C. f. Plancus6. Für die zeitliche Einordnung gibt die auf einer der beiden Ehrungen angebrachte Signatur des ephesischen Bildhauers Agasias, Sohnes des Menophilos, einen Anhaltspunkt: Seine reichlich bezeugte Tätigkeit wird an das Ende des 2. und den Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. ge|setzt7. Eine zu dem delischen Ensemble gehörige weitere Inschrift8 mit der Erwähnung einer Reparatur durch einen anderen Künstler hat ferner die Annahme nahegelegt, daß hier eine Auswirkung der Verwüstung der Insel durch die Truppen Mithridates’ VI. im Jahre 88 v. Chr. zu greifen sei9. Auf Grund dieser Indizien hat nun schon J. Hatzfeld für den L. Munatius Plancus von Delos die Identifizierung mit einem Μουνάτιος vorgeschlagen, der bei Appian als Sieger über Neoptolemos, einen Strategen des Mithridates, bei Chalkis erwähnt wird, ein mit den Kämpfen des Jahres 87 zu verbindendes Ereignis10. Das führte allerdings zu einer Kontroverse darüber, wie die Errichtung der Statue in Delos dann zeitlich einzuordnen sei11. Im Hinblick auf die Problematik der Identifizierung des Geehrten und der Datierung des ihm auf Delos errichteten Monuments ist nun aber darauf hinzuweisen, daß in den beiden dortigen Inschriften keine Funktionsbezeichnung zum Namen des Geehrten hinzugesetzt ist, wodurch die Gleichsetzung mit dem bei Appian genannten römischen Befehlshaber fraglich wird. Unter den auf Delos gefundenen Ehreninschriften, die Römern gelten, gibt es dazu nur wenige Parallelen, die dann den Gedanken an eine zivile bzw. private Tätigkeit des jeweils Geehrten auf der Insel 6 I. Délos 1695–1696; CIL I2 830–831; ILS 8961a/b; ILLRP 359–360, vgl. Imagines 111 n. 157–158. 7 C. Picard, Le sculpteur Agasias d’Éphèse à Délos, BCH 34, 1910, 538–548; J. Marcadé, Recueil des signatures de sculpteurs grecs, Paris 1957, II 4–11. Der Text lautet Ἀγασίας Μηνοφίλου Ἐφέσιος ἐπόει. 8 I. Délos 1697. 9 Es geht um die Angabe Ἀρίστανδρος Σκόπα Πάριος ἐπεσκεύασεν, die gleichlautend auch auf den Statuenbasen für den Prokonsul C. Billienus (I. Délos 1710) und möglicherweise für den Prokonsul C. Cluvius (I. Délos 2494) begegnet (Marcadé, Recueil [Anm. 7], II 23). Beide werden mit unterschiedlichen Ansätzen in die Zeit vor 88 v. Chr. datiert: dazu zuletzt J.-L. Ferrary, Les gouverneurs des provinces romaines d’Asie Mineure (Asie et Cilicie), depuis l’organisation de la province d’Asie jusqu’à la première guerre de Mithridate (126–88 av. J.-C.), Chiron 30, 2000, 188, der Billienus als Statthalter von Asia ca. 150 v. Chr. und Cluvius als Statthalter von Asia oder Cilicia „probablement avant 88“ ansetzt (192 f.). 10 App. Mith. 34, 133. Vgl. Hatzfeld, Les Italiens (Anm. 2), 121 f.; zustimmend F. Münzer, Munatius 28, RE XVI 1, 1933, 544, zweifelnd P. Roussel, Délos colonie athénienne, Paris 1916, 323 Anm. 2. 11 Hatzfeld, Les Italiens (Anm. 2) nahm an, Plancus habe schon vor dem pontischen Überfall auf Delos „eine erste Expedition in die Kykladen“ unternommen, auf die die Errichtung der delischen Ehrung zurückgehe. Vgl. in diesem Sinne etwa auch D. van Berchem, Les Italiens d’Argos et le déclin de Délos, BCH 86, 1962, 310 f. und J. Touloumakos, Bilingue Weihinschriften der römischen Zeit, Tekmeria 1, 1995, 120. M.-F. Baslez, Délos durant la Première Guerre de Mithridate, in F. Coarelli, D. Musti, H. Solin (Hrsg.), Delo e l’Italia (Opuscula Instituti Romani Finlandiae II, 1982) 51–66, hier: 58 f. nahm hingegen im Anschluß an P. Bruneau, Contribution à l’histoire urbaine de Délos à l’époque hellénistique et à l’époque impériale, BCH 92, 1968, 673 an, die Wiederherstellung des Denkmals beziehe sich auf die Schäden des Piratenüberfalls von 69 v. Chr., so daß eine Datierung der Ersterrichtung in der Zeit nach 88 v. Chr. keine Schwierigkeiten mache.
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nahelegen konnten12. Auch in der neuen Inschrift aus Sardeis | ist kein Platz für eine Amtsbezeichnung, und der Fundort scheint zusätzlich gegen eine Identifizierung mit dem in Griechenland zum Einsatz gekommenen Μουνάτιος Appians zu sprechen. Es mag deshalb angebracht sein, zu der schon von H. Dessau gewählten Formulierung „homo praeterea ignotus“ zurückzukehren. Es bleibt festzustellen, daß uns die Familie der Munatii Planci nur sehr unvollkommen bekannt ist. Ihr prominentestes Mitglied war der L. Munatius Plancus der Zeit von Caesar und Augustus (cos. 42, cens. 22); erwähnenswert ist eine bei Porphyrio erhaltene Notiz, wonach er aus Tibur stammte13. Wenn man demnach in dem L. Munatius Plancus der Italiker-Ehrungen einen im zivilen Bereich tätig gewesenen Römer zu sehen geneigt ist, verdient seine gleichzeitige Bezeugung in so weit auseinanderliegenden Räumen wie Delos und Lydien ein eigenes Interesse. Das Fragment aus Sardeis vermehrt die nicht so zahlreichen inschriftlichen Hinweise auf die Geschäftstätigkeit von „Italikern“, die außerhalb von Delos zutage gekommen sind, um ein weiteres Exemplar, und dieses stellt zugleich den am weitesten im Osten gelegenen Beleg dar. Genaue Parallelen zu der in Sardeis erscheinenden Formulierung, nämlich Italicei quei (Ortsname) negotiantur, sind bisher in Argos und Aigion aufgetaucht, in Kleinasien nur einmal in Ephesos. Empfänger der Ehrungen sind in Argos und Aigion römische Amtsträger, in Ephesos ein Privatmann14. Die Inschriften aus Griechenland entstammen den 70er und 60er Jahren; bei dem Exem12 Auf das Fehlen einer Amts- oder Funktionsbezeichnung in den Inschriften für Munatius Plancus hat jedenfalls F. Coarelli, L’ “Agora des Italiens” a Delo: il mercato degli schiavi?, in dem Band Delo e l’Italia (Anm. 11) 119–145, hier: 129 hingewiesen. Das Fehlen eines Titels stellt man auch bei den beiden Brüdern A. und P. Gabinius (I. Délos 2002) fest, bei M. Ofellius M. f. Ferus, wo die Diskussion um den Charakter des Geehrten durch die Tatsache, daß die Statue erhalten ist, zusätzlich Auftrieb erfährt (I. Délos 1688); dazu zuletzt P. Zanker, Zur Bildnisrepräsentation führender Männer in mittelitalischen und campanischen Städten zur Zeit der späten Republik und der julisch-claudischen Kaiser, in Les bourgeoisies municipales (Anm. 2), 252–5; F. Queyrel, C. Ofellius Feras, BCH 115, 1991, 435–447; T. Hantos, Menschen in einer hellenistischen Stadt – Einheit und Vielfalt, in K. Buraselis (Hrsg.), Unity and Units of Antiquity, Athen 1994, 137–151, hier: 140–142, bei L. Orbius M. f. (I. Délos 2001), wo es um die Frage einer möglichen Identität mit dem bei Ath. 5, 214f (= Posidon. FgrHist 87 F 36, dazu I. G. Kidd, Posidonius, Cambridge 1988, II 2, 883) erwähnten Ὀρόβιος, στρατηγὸς Ῥωμαίων und Verteidiger von Delos 88 v. Chr. geht. Zu den Statuen auf der Agora der Italiker und dem Versuch der Aufgliederung in römische Amtsträger und private Geschäftsleute s. auch N. K. Rauh, The Sacred Bonds of Commerce. Religion, Economy, and Trade Society at Hellenistic Roman Delos, 116–87 B.C., Amsterdam 1993, 295–308. 13 Vgl. zur Familie F. Münzer, Munatius, RE XVI 1, 1933, 541 ff. sowie W. Drumann, P. Groebe, Geschichte Roms in seinem Übergang von der republikanischen zur monarchischen Verfassung, Leipzig 1908, IV 220 ff. Der Plancus der caesarisch-augusteischen Zeit: R. Hanslik, Munatius 30, RE XVI 1, 1933, 545. Herkunft aus Tibur: Porph. Hor. Carm. 1, 7, 21 (vgl. auch die dortige Inschrift AE 1993 n. 579). 14 Argos: CIL I2 746 (ILS 867; ILLRP 374) für Q. Caecilius Q. f. Metel(l)us imperator (Prokonsul 67 v. Chr.: Broughton, MRR II 145) und CIL I2 747 (ILS 868; ILLRP 376) für Q. Maarcius Q. f. Rex (ohne Titel; Prokonsul in Kilikien 67 v. Chr.: MRR II 146); zu beiden van Berchem, Les Italiens (Anm. 11), 305–9. Aigion: J. Bingen, Inscriptions d’Achaïe, BCH 78, 1954, 82 n. 2 (ILLRP 370; AE 1954 n. 31) für P. Rutilius
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plar aus Ephesos, in dem die Nennung der Italiker durch eine Rasur nahezu unleserlich gemacht wurde, hat D. van Berchem unter der Annahme, daß darin eine Wirkung der „ephesischen Vesper“ von | 88 v. Chr. zu erkennen sei, ein Datum vor diesem Jahr vorgeschlagen15. Die Datierung des Stückes aus Sardeis allein nach der Schrift ist unsicher; die Formen der griechischen Buchstaben mit ihrer starken Tendenz zur Anbringung von Apices scheinen eher für ein späteres Datum, nach 88 v. Chr., zu sprechen. Wie weit in Sardeis lebende Italiker und Römer von der blutigen Verfolgungsaktion dieses Jahres betroffen waren, ist nicht bekannt. Eine Notiz des Plinius16, wonach in Lydien „schwimmende Inseln“, Calaminae genannt, multorum civium Mithridatico bello salus gewesen seien, wird auf die Besonderheiten der nördlich von Sardeis gelegenen Gygaia Limne bezogen und mag deshalb vor allem Menschen aus dieser Stadt betroffen haben17. Später, im Jahre 86, hat Sardeis mit einigen anderen Städten eine Gelegenheit zum Abfall von Mithridates wahrgenommen18. Schon aus den eben erwähnten Parallelen war erkennbar, daß die Bezeichnung der Dedikanten als Italici auch nach dem Bundesgenossenkrieg und der in seinem Gefolge vorgenommenen Aufnahme der Italiker in das römische Bürgerrecht im Osten noch einige Zeit weiterlief. Erst in der letzten Lebenszeit Caesars bzw. während des 2. Triumvirats tauchen im Osten die ersten Belege dafür auf, daß in entsprechenden Inschriften von negotiantes nun cives Romani an die Stelle der Italici treten19. Wenn es richtig ist, daß die Benennung als Italici auf dem Selbstverständnis der Dedikanten beruht, während derselbe Personenkreis von den Griechen mit dem Begriff Ῥωμαῖοι erfaßt wurde, dann kann jedenfalls in der Zeit nach 88/7 v. Chr. der Terminus Italici nur eine geographische Konnotation besessen haben, aber nicht politisch oder rechtlich zu verstehen sein20. Zu der in diesem Zusammenhang viel erörterten Frage nach dem Zahlenverhältnis von Italikern und Römern innerhalb dieser Gruppierungen von P. f. Nudus q(uaestor) (74 v. Chr. unter dem Konsul Cotta: MRR II 106; III 183). Ephesos: IvEphesos 2058 für L. Agrius L. f. Publeianus (ohne Titel; s. Anm. 15). 15 Van Berchem, Les Italiens (Anm. 11), 311 Anm. 7. Andererseits wurde bei dem durch die Inschrift Genannten (s. Anm. 14) ein Zusammenhang bzw. Identität mit dem in Elaia bezeugten L. Agrius L. f. Publeianus Bassus (IGR IV 271) und ferner dem bei Cic. Flacc. 31 erwähnten römischen Ritter L. Agrius vermutet (vgl. Hatzfeld, Les Trafiquants (Anm. 2), 119), was auf eine spätere Zeit führen würde. 16 Plin. n. h. II 209. 17 Dazu Hatzfeld, Les Trafiquants (Anm. 2), 119 und besonders L. Robert, Documents d’Asie Mineure, XIX–XXII, BCH 106, 1982, 340 (Documents d’Asie Mineure 302). 18 Oros. Hist. 6, 2, 8 (vgl. J. G. Pedley, Ancient Literary Sources on Sardis, Cambridge [Mass.] 1972, 62 n. 213); dazu R. Bernhardt, Polis und römische Herrschaft in der späten Republik, Berlin/New York 1985, 59. 19 An den Anfang gehört, wenn die Ergänzung richtig ist, die auf Caesar bezügliche Inschrift aus Kos (ILLRP 408; AE 1947 n. 55 {IG XII 4,2, 1026}), die in das Jahr 44 v. Chr. gehören mag. Auf 32 v. Chr. dürfte die Inschrift von Mytilene (ILLRP 433) für den Prokonsul M. Titius zu datieren sein, die ausgeht von den cives Romani qui Mytileneis negotiantur. 20 Vgl. T. Hantos, Unity (Anm. 12), 142–146; J. Bleicken, Geschichte der römischen Republik, München 5 1999, 215. Baslez, Délos (Anm. 11), 64 spricht von einer „définition fonctionnelle“.
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negotiatores, bei der man vor allem auf der Basis des in Delos greifbaren Namensmaterials Aufschlüsse sucht, kann der Fund aus Sardeis natürlich nichts beitragen21. Auch ein spezifi|scher Grund dafür, daß der Neufund aus Sardeis sich als Bilingue darbietet, während die oben angeführten Parallelen bis auf eine Ausnahme allein eine lateinische Fassung aufweisen, ist nicht unmittelbar erkennbar22. Einer der Diskussionspunkte hinsichtlich der im Osten bezeugten Italici ist auch die Frage ihrer Organisationsform: Waren es feste Zusammenschlüsse nach Art der später bezeugten conventus civium Romanorum bzw. der (συμ)πραγματευόμενοι Ῥωμαῖοι oder waren sie, wenn sie Ehrungen vornahmen, ad-hoc-Gruppierungen? Die neuere Forschung neigt hier eher der letzteren Auffassung zu23. Mit seinem Eintreten für die erstgenannte Meinung hat indes D. van Berchem bezüglich der Italiker-Ehrungen von Argos24 die Ansicht verbunden, die dortige Gruppierung stelle eine Fortsetzung der vorher auf Delos etablierten Korporation dar, nachdem die Italiker nach der Plünderung von 69 v. Chr. die Insel verlassen hätten25. Auch wenn man gegenüber einer so direkten Verknüpfung Bedenken hegen mag, ist die Annahme einer weiteren Verbreitung von Italiker-Vereinigungen nach dem Niedergang von Delos doch erwägenswert. In diesem Zusammenhang könnte man sich fragen, ob die jetzt bekannten Ehrungen des Munatius Plancus sowohl in Delos als auch in Sardeis durch Italiker in einer gewissen Verbindung stehen: Sollten italische Geschäftsleute, die vorher auf Delos mit Plancus in Verbindung getreten waren, diese Beziehungen später nach ihrer Niederlassung in der alten lydischen Hauptstadt wieder aufgenommen und fortgesetzt haben? Dabei wäre auch eine zeitliche Differenz akzeptabel, indem die delischen Ehrungen noch in die Zeit vor 88 zurückreichen und das Zeugnis aus Sardeis einer späteren Phase, etwa den 70er Jahren, entstammen mag. Man könnte darüber besser urteilen, wenn die Persönlichkeit und die Rolle des Munatius Plancus erkenn21 Bekanntlich tendierte Hatzfeld dazu, die Zahl der Italiker höher anzusetzen, während Wilson ein Überwiegen der Römer annahm: s. dazu F. Càssola, Romani e Italici in Oriente, DArch 4–5, 1970–71, 305–322, hier: 317; P. Poccetti, Romani e Italici a Delo. Spunti linguistici da una pubblicazione recente, Athenaeum 62, 1984, 646–656. 22 Vgl. dazu die Untersuchungen von Touloumakos, Weihinschriften (Anm. 11), 117–120 und G. Siebert, Dédicaces déliennes et culture bilingue, in R. G. Khoury (Hrsg.), Urkunden und Urkundenformulare im Klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen, Heidelberg 1999, 95–101. Von den erwähnten Italiker-Inschriften (s. Anm. 14) ist nur die für den Q. Marcius Rex lateinisch-griechisch abgefaßt; auf Delos hat sie eine Parallele in der Ehrung des A. Terentius Varro (I. Délos 1698), Legaten des Murena 82/81 v. Chr. (zu dem „bilinguisme“ dieser Inschrift s. auch Baslez, Délos [Anm. 11], 59). 23 Vgl. dazu Hatzfeld, Les Trafiquants (Anm. 2), 257–281 im Gegensatz zu E. Kornemann, conventus, RE IV 1, 1900, 1180–1182; Wilson, Emigration (Anm. 2), 13, Anm. 2; Baslez, Délos (Anm. 11), 64 f. in der Auseinandersetzung mit van Berchem, Les Italiens (Anm. 11). 24 Siehe Anm. 14. 25 Van Berchem, Les Italiens (Anm. 11), 305–313; Post-scriptum: BCH 87, 1963, 322–324. Für den Weggang der Italiker aus Delos beruft sich van Berchem auf Hatzfeld, Les Trafiquants (Anm. 2), 90, der das Verschwinden der Vereinigung „vers 50“ ansetzt. Vgl. auch W. A. Laidlaw, A History of Delos, Oxford 1933, 269.
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bar wären, aber gerade hier tappen wir im Dunkeln und sollten uns deshalb vor Spekulationen besser zurückhalten.
2 Fragment eines Senatsbeschlusses Während der Grabungskampagne der Sardis-Expedition von 1961 wurde bei der Freilegung byzantinischer Gräber auf der Akropolis in sekundärer Verwen|dung das folgende Inschriftenfragment gefunden, das bisher unpubliziert geblieben ist26. {SEG LII 1175} IN 61.48. Fragment aus grobkristallinem weißen Marmor; rechter Rand teilweise erhalten, sonst überall gebrochen. H. 10,5, B. 52 (Schriftfläche 46), D. 26 cm; Buchstabenhöhe 1,7, Zeilenabstand 0,6 cm. Abb. 1. {SEG LII 1175} 4
?τῇ συγκλήτῳ] ἀ̣ρ̣ έ̣ σ̣κει vac. καὶ [ ]υσε, περὶ τούτου τοῦ πράγμ[ατος οὕτως ἔδοξεν· ] Ῥωμαίους ὑπὸ Ῥωμαίων π.[ ] ἐπιτρο̣ π̣[. .] αὐτῶ̣ν vac. καὶ̣ τ[
Z. 1: Von den ersten vier Buchstaben von ἀρέσκει sind nur die untersten Strichenden erkennbar. Z. 3: Am Ende nach Π ist noch eine senkrechte Haste erhalten. Z. 4: ἐπίτροπ[ον] oder ἐπιτροπ[ήν].
Der Befund am rechten Rand des Fragments mit teilweise abgeschnittenen Buchstaben führt auf die Annahme, daß sich der Text auf einem anschließenden Block fortsetzte. Die Zeilen können mithin eine erhebliche Länge erreicht haben. Die Buchstaben sind durch Apizierung an den Strichenden markiert. Erwähnenswert ist die Schreibung von E mit einem von der senkrechten Haste abgesetzten waagerechten Mittelstrich, was vor allem für die 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. charakteristisch ist27. Alle Kriterien zusammen legen eine Datierung der Inschrift in die letzten Jahrzehnte der Republik nahe.
26 Es handelt sich um das Grab 61.21 auf dem Plan BASOR 166, 1962, 38, an dessen Westseite das Fragment eingelassen war. Die Inschrift ist am 29. 7. 1961 gefunden worden; sie wurde am 20. 8. 1961 von J. und L. Robert aufgenommen, als Fragment eines Senatsbeschlusses erkannt und dem 1. Jh. v. Chr. zugesprochen. Die von L. Robert geplante Publikation ist unterblieben, es liegen auch keine Aufzeichnungen von ihm vor. Von M. H. Crawford, dem ich den Text mitgeteilt hatte, ist mir freundlicherweise der Versuch einer Ergänzung und Deutung zur Verfügung gestellt worden (Brief vom 2. 4. 1997). Für die Erlaubnis der Bearbeitung im Rahmen der Inschriftenpublikation der Sardis-Expedition habe ich Crawford H. Greenewalt, Jr., zu danken. 27 Vgl. dazu A. Wilhelm, Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde I, Wien 1911, 36 (Kl. Schr. I 1, 54); L. Robert, Trois inscriptions de l’Archipel, REG 42, 1929, 31 f. (OMS I 541); M. Sève, Un décret de consolation à Cyzique, BCH 103, 1979, 334, Anm. 9.
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Die bescheidenen Reste des Textes lassen erkennen, daß es sich um einen Senatsbeschluß gehandelt hat: In Z. 2 ist mit περὶ τούτου τοῦ πράγμ[ατος οὕτως ἔδοξεν das griechische Äquivalent der Formel de ea re ita censuerunt erhalten28. Auch das in Z. 1 relativ sicher erkennbare ἀρέσκει paßt dazu, pflegt doch mit ἀρέσκειν τῇ συγκλήτῳ die Wendung senatui placere wiedergegeben zu werden. Was die in dem Beschluß traktierte Materie angeht, so läßt sich dem in Z. 3 erhaltenen Ῥωμαίους ὑπὸ Ῥωμαίων lediglich entnehmen, daß irgendeine Prozedur „unter Römern“ zur Sprache kam. Daß es um Rechtsverfahren ging, die zwischen Römern stattfanden, kann nur eine Vermutung neben vielen anderen Mög|lichkeiten sein29. Einen weiteren Hinweis hätte eventuell die Zeile 4 geben können, aber hier ist gerade wegen der Lücke nicht erkennbar, ob von ἐπίτροπος oder ἐπίτροποι die Rede war, womit dann eher die Figur des Prozeßprocurators30 gemeint gewesen sein könnte als der Procurator als Verwaltungsbeamter eventuell schon der beginnenden Kaiserzeit. Nicht auszuschließen ist aber auch eine mögliche Ergänzung zu ἐπιτροπήν, was dann etwa im Sinne von tutela zu verstehen wäre, so wie ja auch ἐπίτροπος tutor bedeuten kann31. Wenn in Sardeis ein solcher Senatsbeschluß zur öffentlichen Aufzeichnung kam, in dem eine Entscheidung zu bestimmten Beziehungen von Römern untereinander getroffen wurde, dann kann man das vielleicht zumindest als einen indirekten Hinweis dafür in Anspruch nehmen, daß es in Sardeis eine solche Personengruppe erheblicheren Umfangs gab, und insofern könnte das dann ein Dokument sein, das die mit der Italiker-Inschrift angezeigte Linie der Niederlassung von Bewohnern Italiens in der lydischen Stadt weiterführt. Man könnte mithin die rhetorische Frage, die Cicero an C. Appuleius Decianus richtet: cur non (scil. negotiari libet) Pergami, Smyrnae, Trallibus, ubi et multi cives Romani sunt et ius a nostro magistratu dicitur?32, in Gedanken um die Nennung von Sardeis erweitern. Bekanntlich trifft ja auch das zweite von Cicero in dieser Aussage genannte Kriterium, als conventus-Vorort Sitz der
28 Vgl. dafür R. K. Sherk, Roman Documents from the Greek East. Senatus Consulta and Epistulae to the Age of Augustus, Baltimore 1969, 14. 29 So M. H. Crawford (vgl. Anm. 26): „Trials of Romans by Romans?“, mit der Erwägung, als Fortsetzung πρ̣ [οκρίνεσϑαι zu ergänzen. Crawford hielt es im übrigen für möglich, daß es sich um ein Edikt handelt (wohl wegen ἀρέσκει in Z. 1), was aber wegen der in Z. 2 erhaltenen Formel unwahrscheinlich ist. 30 Zu diesem s. M. Kaser, Das römische Zivilprozeßrecht, München 1996, 156–159. 31 Für ἐπιτροπή „tutela“ vgl. Dig. 27, 1, 2; Cod. Iust. 6, 4, 4, 20a; für ἐπίτροπος „tutor“ vgl. H. J. Mason, Greek Terms for Roman Institutions, Toronto 1974, 49 n. 6; A. Balland, Fouilles de Xanthos VII. Inscriptions d’époque impériale du Létôon, Paris 1981, 86. Daß ἐπιτροπή hier im Sinne der bekannten politischen Formel des διδόναι τῇ συγκλήτῳ τὴν ἐπιτροπήν (z. B. Polyb. XVIII 39, 5; Sherk, Documents [Anm. 28], n. 35, 11) gemeint sein sollte (vgl. dazu G. Freyburger, Fides et potestas, πίστις et ἐπιτροπή, Ktèma 7, 1982, 177–185), ist eher unwahrscheinlich. 32 Cic. Flacc. 71.
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Rechtsprechung des römischen Statthalters zu sein, auf die lydische Stadt zu33. Durch neuere Forschungen ist aufgezeigt worden, daß in dem damit berührten System der διοικήσεις die Verwaltungs|struktur des vorprovinzialen pergamenischen Staates weiterlebt34, womit sich für das römische Sardeis dann sogar über die Stellung der Stadt unter den Attaliden und Seleukiden eine rückwärts gewandte Perspektive bis in ihre große Zeit als Hauptstadt des Lyderreiches eröffnet.
Abb. 1: IN 61.48 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
33 Erwähnung von Sardeis in den Listen der conventus-Orte seit der späten Republik (Sherk, Documents [Anm. 28], n. 52, 45), vgl. Ch. Habicht, New Evidence on the Province of Asia, JRS 65, 1975, 70. Auf eine Gerichtsverhandlung in Sardeis vor dem Statthalter Q. Minucius Thermus führt auch die bei Cic. Fam. XIII 55, 1–2; 54, 1–2 erwähnte Kontroverse des M. Anneius, seines Legaten, cum Sardianis vom Jahre 51 v. Chr., ohne daß aus Ciceros Andeutungen klar wird, worum es dabei ging (die von B. E. Thomasson, Legatus, Stockholm 1991, 19 zitierte Auffassung von B. Bartsch, Die Legaten der römischen Republik vom Tode Sullas bis zum Ausbruche des zweiten Bürgerkrieges, Diss. Breslau 1908, 80, wonach es um die Einforderung einer Steuersumme ging, findet in den Quellen keinen Rückhalt). – Fast als ein Präludium späterer römischer Rechtsprechungstätigkeit in Sardeis kann man übrigens den skandalösen Auftritt des römischen Gesandten C. Sulpicius Galus „mitten im pergamenischen Königreiche“ (B. Niese, Geschichte der griechischen und makedonischen Staaten seit der Schlacht bei Chaeronea, Gotha 1903, III 203) von 164/163 betrachten, von dem Polybios XXXI 6, 1–5 berichtet. 34 W. Ameling, Drei Studien zu den Gerichtsbezirken der Provinz Asia in republikanischer Zeit, EpigrAnat 12, 1988, 14–18; C. Mileta, Zur Vorgeschichte und Entstehung der Gerichtsbezirke der Provinz Asia, Klio 72, 1990, 427–444.
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19 Magier in Hypaipa Unter dem Titel „Types monétaires à Hypaipa de Lydie“ hat Louis Robert 1976, von einer in das Pariser Cabinet de Médailles gelangten Münze ausgehend, in ausgreifender Form die Bedeutung des Kultes der „persischen Artemis“ für die südlich des Tmolos gelegene lydische Landstadt Hypaipa herausgearbeitet.1 Einer lange etablierten Forschungsmeinung folgend erkannte er in der auf Münzen von Hypaipa dargestellten weiblichen Gottheit die in einer Inschrift dieser Stadt erwähnte ἐπιφανεστάτη Ἀναῖτις Ἄρτεμις2 und damit eine Ausgestaltung der iranischen Anāhita, wobei er von den Münzdarstellungen her eine Verbindung zu ziehen versuchte zu Charakterisierungen dieser Göttin im Avesta.3 Zur Bedeutung der dem Kult dieser Göttin geltenden lokalen Tradition berief sich Robert auf einen berühmten Bericht des aus Lydien stammenden Augenzeugen Pausanias (V 27, 5–6).4 Dieser schildert ein die Städte Hierokaisareia und Hypaipa gemeinsam betreffendes ϑαῦμα, das sich jeweils in einem Gebäude (οἴκημα) der in beiden Orten gelegenen Heiligtümer der Ἄρτεμις Περσική5 ereignete: Ein | ἀνὴρ μάγος habe dort auf einem mit Asche bedeckten Altar trockenes Holz aufgehäuft, habe sich mit einer Tiara bedeckt und dann, in einer für Griechen unverständlichen „barbarischen“ Sprache aus einem Buch rezitierend, bewirkt, daß das Holz sich mit heller Flamme entzündete. Diese von dem kaiserzeitlichen Periegeten selbst beobachtete (ϑεασάμενος) rituelle Prozedur bildete für Robert ein Element in einer Serie von Indizien für das Weiterleben iranischer Traditionen und InstituHyperboreus 8, 2002, 364–369 mit 1 Abbildung. 1 RN 6e série 18 (1976) 25–48 (OMS VI 137–160). Die Münze aus der Sammlung Delepierre, abgebildet Pl. II n. 6, die der Regierungszeit Gordians III. entstammt, stellt die auf einem zweirädrigen Wagen stehende Göttin dar. Von den beiden den Wagen ziehenden Pferden wendet sich das eine nach der Göttin um und scheint ihr mit seinem Maul einen Zweig entgegenzuhalten: s. dazu die Beschreibung bei Robert 44. Er bezeichnet dieses Detail als „assez énigmatique“. 2 Postumes Ehrendekret des Landtages von Asia für Theophron den Jüngeren, vermutlich aus augusteischer Zeit: OGI 470 (IvEphesos 3825; M. Paz de Hoz, Die lydischen Kulte im Lichte der griechischen Inschriften, Asia Minor Studien 36 [1999] 146 n. 3. 58) Z. 7 und 20 f. 3 Am Anm. 1 a. O. 44 f. Die Gleichsetzung der Ἀναεῖτις mit Anāhita geht zurück auf S. Reinach, RA 5 (1885) 108. Vgl. dazu M. Brosius (am Anm. 8 a. O.) 228 f. 4 Vgl. dafür auch Ch. Habicht, Pausanias und seine „Beschreibung Griechenlands“ (München 1985) 116 mit Anm. 69. Vgl. auch M. Kendrick Pritchett, Pausanias Periegetes I (Amsterdam 1998) 340 (englische Übersetzung). 5 Es ist hervorzuheben, daß die Nennung der Artemis Persike nur auf einer Konjektur von Karl Buresch, Aus Lydien (Leipzig 1898) 66 Anm. *** beruht, die Robert ([am Anm. 1 a. O.] 29 mit Anm. 22 und 23) übernimmt. Buresch hat den überlieferten Text (ἔστι γὰρ Λυδοῖς ἐπίκλησιν Περσικοῖς ἱερά …) verbessert zu Λυδοῖς ‹Ἀρτέμιδος› ἐπίκλησιν Περσικ‹ῆ›ς ἱερά … Die Konjektur hat keine Berücksichtigung in den Pausanias-Ausgaben gefunden (auch nicht in der neuesten von Maria Helena Rocha-Pereira (Leipzig: Teubner 1977). Auch die Übersetzungen von E. Meyer (Artemis-Verlag), Pritchett (s. Anm. 4), Brosius (s. Anm. 8) beruhen auf dem traditionellen Text, trotz der dabei entstehenden Verständnisschwierigkeiten bezüglich des Περσικοῖς (vgl. Robert [am Anm. 1 a. O.] 29 Anm. 22).
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tionen in Lydien bis in die Spätzeit hinein und mithin einen Nachweis für die „persistance de la diaspora et de liturgie iraniennes“.6 Gegen beide Annahmen Roberts, die der Gleichsetzung der Göttin in Hypaipa mit Anāhita und die der Kontinuität einer iranischen „Liturgie“, sind allerdings in jüngerer Zeit deutliche Bedenken vorgetragen worden. So hat Pierre Briant Zweifel angemeldet an der Auffassung von der „persistance des cultes et sanctuaires iraniens“ und vermochte in Anbetracht der geänderten sozio-politischen Bedingungen in der von Pausanias geschilderten Episode nur „survivances folkloriques“, nicht aber einen von Gläubigen mit Anteilnahme verfolgten Ritus zu erkennen.7 Maria Brosius andererseits hat die Identifizierung der Artemis Anaitis mit der persischen Anāhita einer kritischen Betrachtung unterzogen.8 Sie findet keinen tragfähigen Beleg für die Praktizierung eines Kultes der Anāhita in Lydien und kann die Nachrichten über die Artemis Persike nicht als Nachweis der Hellenisierung eines persischen Kultes akzeptieren, sondern erkennt hier umgekehrt nur eine Art „Persianisierung“ eines spezifischen einheimischen Kultes der Artemis (vgl. Anm. 8). Es ist nicht die Intention dieses Beitrags, die damit angedeuteten Kontroversen aufzunehmen, sondern es soll im Anschluß an die oben referierte Pausanias-Stelle ein bisher nur beiläufig erwähntes epigraphisches Zeugnis in den Blick genommen werden. Ausgehend von der bei dem Periegeten begegnenden Erwähnung eines ἀνὴρ μάγος konnte Robert ([am Anm. 1 a. O.] 31 f.) in Erinnerung bringen, daß eben in Hypaipa schon seit längerem | (nämlich 1875) die Figur eines ἀρχίμαγος epigraphisch bezeugt ist. Er wird dort als Verantwortlicher für die Errichtung einer Statuenehrung angeführt auf einer Basis, die allem Anschein nach bei einer Wiederverwendung zwei Epigramme für den dem Anfang des 5. Jhdt.s n. Chr. zuzuweisenden Prokonsul (Flavius Anthemius) Isidorus (vgl. PLRE II 631 n. 9) aufgenommen hat.9 Dieser 6 Ibid. Anm. 18. Vgl. auch CRAI (1975) 328 (OMS V 507): „persistances cultuelles“. 7 DHA 11 (1985) 176–181 unter der Kapitelüberschrift „Survie et survivances“. Ibid. 180: „Or, plus qu’un rite suivi avec ferveur par des pratiquants convaincus, le texte de Pausanias présente les cérémonies comme un spectacle que les personnes présentes regardent avec intérêt mais dont ils ne comprennent ni les tenants ni les aboutissants“, und weiter: „Les prêtrises, les cultes et les rites se sont perpétués, mais leur sens a été investi par l’hégémonie culturelle hellénique au point d’être réduits à l’état de survivances folkloriques.“ Vgl. dazu auch P. Herrmann, Mystenvereine in Sardeis, Chiron 26 (1996) 333. 8 Maria Brosius, Artemis Persike and Artemis Anaitis, in M. Brosius, A. Kuhrt (Hrsg.), Studies in Persian History: Essays in Memory of David M. Lewis, Achaemenid History XI (Leiden 1998) 227–238. Dort das Fazit: „Instead of speaking of a hellenisation of the cult of Anahita, I suggest that we identify a persianisation of the cult of Artemis.“ 9 Erstveröffentlichung durch J. Kyriakides, Μουσεῖον καὶ Βιβλιοϑήκη τῆς Εὐαγγελικῆς Σχολῆς, Smyrna I (1875) 114 n. 10; jetzt IvEphesos 3820; R. Merkelbach, J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten I (Stuttgart 1998) 360 n. 03/04/01; de Hoz (am Anm. 2 a. O.) 145 n. 3. 57. Es geht um den Text C: προνοησαμένου τ[ῆς ἀναστάσεως] Ἀπολλωνίου ἀρχιμάγου. Die Annahme, daß die Eintragung von einer älteren Verwendung übrig geblieben ist und daß die beiden Epigramme später auf der Basis angebracht wurden, ist bei L. Robert, Hellenica VI (1948) 19 Anm. 1 entwickelt und in dem in Anm. 1 erwähnten Beitrag 32 Anm. 30 bekräftigt worden.
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für Hypaipa hierdurch bezeugte „chief of the magi“ (Liddell – Scott – Jones) hat nun durch einen 1973 aufgetauchten Zufallsfund aus eben dieser Stadt seine epigraphische Bestätigung und gewissermaßen Komplettierung erfahren durch ein von der amerikanischen Sardis-Expedition erworbenes Fragment, auf das Robert in seinem Beitrag von 1976 verweisen konnte (am Anm. 1 a. O. 32). Robert hat dort einige Passagen des Textfragments angeführt; seine bisher unterbliebene Veröffentlichung10 soll hier mit freundlicher Erlaubnis des Grabungsleiters Prof. Crawford H. Greenewalt, Jr., nachgeholt werden. IN 73.5 (NoEx 73.25). Fragment einer Platte aus Marmor, in vier Teile gebrochen; unten Rand, sonst überall abgebrochen. H. 35, B. 26, D. 1,5 cm. Buchstabenhöhe 2, Zeilenabstand ca. 0,8 cm. In dem an der Stelle des antiken Hypaipa gelegenen Dorfe Datbey Köyü (jetzt in Günlüce umbenannt) im Jahre 1973 in Wiederverwendung in einer modernen Töpferei vorgefunden und in das Grabungsdepot von Sardeis verbracht (Abb. 1). {SEG LII 1166} τ̣ ῆς ἡ ϑυσία ΙΣΑ̣ΓΕ̣ Ι̣ Ν . Ω 4 τ]ῆς δωρεᾶς AI ν καϑ’ ἕκαστον ἔτος καὶ τῆς ϑεοῦ συντ̣ [ελεῖν? ]ήσαντος δὲ τ[οῦ? 8 ]ισι καὶ μάγοις [ ]λ̣ης καὶ τῆς γ[ ] . ΟΝ τὸ εὐσε[βὲς Die relativ schmalen, etwas hochgezogenen Buchstaben mit nur geringen Verzierungen an den Strich enden verweisen am ehesten auf das 2. Jhdt. n. Chr. Die Zeilenlänge ist nicht rekonstruierbar. Z. 3: Eventuell ε]ἰσάγειν? Zwischen N und Ω ein A oder Λ. Z. 9: Denkbar wäre τῆς βου]λῆς καὶ τῆς γ[ερουσίας.
Erkennbar ist lediglich, daß das Fragment sakrale Angelegenheiten betraf: Erwähnt wird ein Opfer (ϑυσία Z. 2), das möglicherweise jährlich zu vollziehen war (Z. 5) und das einer als ἡ ϑεός bezeichneten Gottheit gegolten haben dürfte (Z. 6). Außer den μάγοι (Z. 8) war, diesen vorausgehend, noch eine andere Kategorie von (weiblichen?) Kultfunktionären erwähnt (die Dativ-Endung -ισι in Z. 8). Interesse erwecken ferner die Termini δωρεά (Z. 4)11 und τὸ εὐσε[βὲς (Z. 10). Man denkt an Kultvorschriften, und
10 Auf der Grundlage der von Robert zitierten Textpassagen hat die Inschrift Aufnahme gefunden in den Band IvEphesos VII 2 n. 3817 A sowie in die Sammlung von de Hoz (o. Anm. 2) 145 n. 3. 56. 11 Da der Zusammenhang fehlt, ist nicht erkennbar, ob δωρεά hier als terminus technicus für ‚Privilegierung‘, etwa durch den Kaiser, eingesetzt war (vgl. dafür J. Nollé, Kaiserliche Privilegien für
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die Nennung der ϑεός sowie der μάγοι führt natürlicherweise darauf, daß es um den Kult der ἐπιφανεστάτη Ἀναῖτις Ἄρτεμις ging, als deren ἱερεὺς διὰ γένου das Ehrendekret für den verstorbenen Theophron (Anm. 2) dessen gleichnamigen Vater angeführt hat. Das Bruchstück aus Hypaipa ist zumindest ein wertvoller Beleg für einen Aspekt der Kontinuität iranischer Traditionen in dieser Stadt, die bis in die fortgeschrittene Kaiserzeit führt. Über den als Einzelperson bei Pausanias genannten ἀνὴρ μάγος hinaus treten uns in ihm μάγοι als Kollektiv entgegen, und das paßt gut mit dem Befund zusammen, daß für Hypaipa bereits ein kaiserzeitlicher ἀρχίμαγος bezeugt war (Anm. 9). Die knappen Textsplitter gewähren freilich keinen Einblick in irgendwelche rituellen Details, wie sie gerade unter dem Gesichtspunkt der „persistances cultuelles“ (s. Anm. 6) von Robert anhand des Pausanias-Berichts herausgestellt worden sind. Man kann kaum mehr als von der Weiterexistenz eines iranischen „Kolorits“ in dieser Spätzeit sprechen, wie denn Robert Entsprechendes auch schon im Hinblick auf iranische Elemente im lokalen Namensmaterial selbst der spätantiken bzw. christlichen Epoche aufgezeigt hat.12 Es ist immerhin bemerkenswert, daß sich in Lydien eine gewisse Verdichtung der | Indizien ehemaliger iranischer Präsenz in diesem Raum Westkleinasiens findet, der sich mehr als andere für eine Etablierung von Siedlern in den im 6. Jhdt. hinzugewonnenen Außengebieten des Achämenidenreiches angeboten zu haben scheint.13
Gladiatorenmunera und Tierhetzen. Unbekannte und ungedeutete Zeugnisse auf städtischen Münzen des griechischen Ostens, JNG 42/3 [1992/3] 69 mit Anm. 60; N. Ehrhardt, P. Weiß, Trajan, Didyma und Milet. Neue Fragmente von Kaiserbriefen und ihr Kontext, Chiron 25 [1995] 322) oder in unspezifischem Sinne verwendet wurde. 12 Am Anm. 1 a. O. 31: Μαρδόνιος als Münzbeamter auf einer Bronzemünze von Hypaipa aus der Zeit Trajans (F. Imhoof-Blumer, Lydische Stadtmünzen [Genf 1897] 80 n. 11). Μίϑρης als Vater eines aus Hypaipa stammenden Ringkämpfers im 2./3. Jhdt. (Robert [o. Anm. 1] 35 Anm. 51). Derselbe Name Μίϑρης wurde noch von dem Bischof geführt, der Hypaipa beim Konzil von Nicaea vertrat (L. Robert, Ét. épigr. et phil. [Paris 1938] 211). 13 Dazu z. B. J. Η. M. Strubbe, Inscriptions inédites de la région du mont Dindymos en Galatie, Mnemosyne 34 (1981) 124 f.; vgl. die „considérations sur la colonisation perse“ bei Robert (am Anm. 1 a. O.) 37 f. Anm. 60; dazu auch L. Robert, Un relief des muses au Louvre, BCH 106 (1982) 373 (Documents d’Asie Mineure [Paris 1987] 373); J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I (Paris 1983) 115; neuerdings N. V. Sekunda, Achaemenid Colonization in Lydia, REA 87 (1985) 7–30 sowie Ch. Schuler, Ländliche Siedlungen und Gemeinden im hellenistischen und römischen Kleinasien (1998) 147–153. Vgl. auch P. Briant, Histoire de l’Empire Perse de Cyrus à Alexandre (Paris 1996) 518.
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Abb. 1: IN 73.5 © Archaeological Exploration of Sardis/President and Fellows of Harvard College
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20 Apollon de Pleura Un sanctuaire rural en Lydie entre les époques hellénistique et romaine On sait que la Lydie se distingue par une richesse de petits sanctuaires ruraux et par une grande variété de cultes locaux. Une documentation épigraphique toujours croissante nous révèle les traits d’une vie religieuse multiforme, singulière dans certains de ses aspects1. Pendant longtemps on ne disposait que de l’article de Josef Keil de 1923, “Die Kulte Lydiens”, pour avoir une vue d’ensemble, arrangée selon les différentes “couches” ethniques, de la tradition religieuse2. Mais actuellement le livre de María Paz de Hoz vient de nous donner une documentation complète, mise à jour, avec présentation de l’ensemble des textes3. Nous sommes beaucoup moins informés sur la situation de ces sanctuaires dans leurs relations avec le pouvoir, souverains ou cités, sur les structures administratives dont ils dépendaient4. C’est cette perspective que je voudrais développer ici, en m’appuyant sur une documentation récente qui concerne un cas singulier. Elle nous donnera, en même temps, l’occasion de suivre une ligne historique nous conduisant à travers l’époque hellénistique jusqu’à la domination romaine. Les documents que je vais traiter ne sont pas des inédits, mais, en raison d’une publication peu répandue, ils n’ont pas encore suscité beaucoup d’intérêt. Il s’agit d’une édition faite par H. Malay dans son Arkeoloji Dergisi d’İzmir | (IV, 1996), à laquelle j’ai pu contribuer par quelques suggestions. Maintenant on trouve les textes dans SEG XLVI (1996) et aussi dans le livre de M. Paz de Hoz.
P. Herrmann †, in S. Follet (Hrsg.), L’hellénisme d’époque romaine. Nouveaux documents, nouvelles approches (Ier s. a.C. – IIIe s. p.C.). Actes du Colloque International à la Mémoire de Louis Robert, Paris, 7–8 juillet 2000, Paris 2004, 277–285, mit einem Addendum von G. Petzl S. 286. 1 Une catégorie singulière consiste dans les “confessions” ou inscriptions “piaculaires” répandues dans certaines régions de Lydie et de Phrygie: G. Petzl, Die Beichtinschriften Westkleinasiens, Bonn, 1994 (Epigraphica Anatolica, 22); cf. du même, Die Beichtinschriften im römischen Kleinasien und der Fromme und Gerechte Gott, Opladen, 1998 (Geisteswissenschaften. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G 355). 2 J. Keil, Die Kulte Lydiens, dans Anatolian Studies presented to Sir William Mitchell Ramsay, W. H. Buckler et W. M. Calder éd., Manchester, 1923 (Publications of the University of Manchester), p. 239–266. 3 M. Paz de Hoz, Die lydischen Kulte im Lichte der griechischen Inschriften, Bonn, 1999 (Asia Minor Studien, 36). 4 Quelques aspects sont traités dans les livres de P. Debord, Aspects sociaux et économiques de la vie religieuse dans l’Anatolie gréco-romaine, Leyde, 1982 (Études préliminaires aux religions orientales dans l’Empire romain, 88), cinquième partie, “Les dieux et le pouvoir temporel”; L. Boffo, I re ellenistici e i centri religiosi dell’Asia Minore, Florence, 1985 (Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia dell’Università di Pavia, 37), quatrième partie, “I santuari indigeni di influenza locale”.
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Cependant, mon point de départ est la publication par Louis Robert en 1982 d’une découverte de l’expédition américaine de Sardes faite en 1964. Il s’agit d’une stèle trouvée à Kemerdamları, un village situé à l’est du Marmara Gölü, la Gygaia Limné des anciens, qui se trouve au nord de Sardes. Elle est entrée dans la collection de la maison de fouilles, où les Robert l’ont étudiée. Je dispose d’ailleurs de l’estampage fait à cette occasion. 1. L. Robert, Bulletin de correspondance hellénique, 106 (1982), p. 362 = Documents d’Asie Mineure, p. 324, avec fig. 19 et 20 (SEG XXXII 1237; M. Paz de Hoz, p. 161, n° 5. 26). Ἔτους ϑ̣ ʹ, ἐπ’ ἀρχιερέως Ἑρμογένου, Ἀπολλώνιος Καδοου ἱερεὺς καὶ οἱ μύσται 4 Ἀπόλλωνος Πλευρηνοῦ Εὔξενον Μενάν{αν}δρου Σαρδιανὸν τὸν ἐπ[ὶ] τῶν ἱερῶν προσόδων καλὸν καὶ ἀγαϑὸν γενόμενον εἰς αὐτούς. 8 Εἰσὶν δὲ Καδοας Πλυηρει, Μητρόδω ρος Μιϑρήους, Ἀπολλώνιος Καλ{ι}λι μάχου, Ἀρτεμίδωρος Ἀπολλω νίου, Ἀντίοχος Μενά‹ν›δρου, 12 Πύϑεος Χάρητος, Ὄνασος Διογνή του, Μενεκράτης Μητροδώρου, Μίϑρης Μητροδώρου, Μητρόδωρος Μενεκράτου, Ἀπελλι 16 – – Ἀντιόχου, Διονύσ̣[ιος] Ἀπ․ –, Ἀ]πολλώνιος Ἀρτε[μιδώ]ρο[υ], – – ς Ἀπολλοδώρου, Π ․ ․ ․ – –, Ἀσ]κ̣ληπιάδης Σωκρ[άτου, –] 20 – – – – – ος, Μητρόδω[ρος – – – ––––––––––––––––– L. 1: Ἔτους Fʹ Robert. Mais l’estampage montre une espèce de combinaison des lettres Γ et Θ: cela laisse supposer que le lapicide a corrigé un Γ ou peut-être E (première lettre du mot suivant ἐπὶ?) en Θ, la lettre désignant le chiffre 9. L. 6: Dans ἱερῶν, on a corrigé un K en P. L. 8: Παυηρει Robert. L’estampage montre qu’au lieu de A il y a un Λ un peu endommagé par un petit éclat sur la surface. L. 11: MENAIΔΡΟΥ sur la pierre. À partir de la ligne 15, l’écriture est irrégulière, peut-être avec changement de mains. Il doit s’agir d’additions faites ultérieurement.
La stèle a été érigée en l’honneur d’un certain Euxénos, fils de Ménandros, citoyen de Sardes, qui porte le titre de ὁ ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων. Elle est dédiée par le prêtre et les mystes d’Apollon Pleurénos, et elle contient, par la suite, la liste de ces mystes. La
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date est donnée par un chiffre et par le nom d’un ἀρχιερεύς, Hermogénès. En ce qui concerne le chiffre, il me paraît qu’au lieu du digamma (F) lu par L. Robert (= an 6), on aurait eu un théta (= an 9), établi par | correction d’une erreur précédente. Pour la datation, L. Robert se fondait sur l’écriture: “Le texte se place bien au Ier siècle avant notre ère; il se laisserait remonter au IIe siècle si l’on avait quelque raison de le faire d’après le contenu.” Écartant une date attalide, L. Robert partit d’une ère romaine, et il se décida pour celle d’Actium, arrivant ainsi à l’an 26/5. Si l’on préférait le chiffre 9, on arriverait à 23/2, en tout cas à une date augustéenne. D’après ces prémisses, L. Robert admit que le ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων, “chargé du contrôle et de la gestion des revenus sacrés”, était un fonctionnaire de la ville de Sardes5. D’autre part, l’ἀρχιερεύς (d’après L. Robert) ne pouvait être que “le grand-prêtre de l’assemblée des Hellènes d’Asie”, à savoir le grand-prêtre du culte impérial de la province d’Asie, établi en 29 av. J.-C. Comme tel, Hermogénès serait même à placer en tête de notre liste des grands-prêtres connus6. D’après l’interprétation de L. Robert, le document confirmait que notre sanctuaire dépendait de la ville de Sardes, qui en administrait et contrôlait les finances. Mais quelle est l’implication du grand-prêtre provincial dans cette affaire qui ne concerne qu’un sanctuaire local? N’est-il pas un peu étrange de le voir introduit ici, même si c’est seulement comme élément de datation? Or, l’apparition de deux autres stèles provenant du même sanctuaire7 a changé la situation. Elles avaient été achetées par le Musée de Bergama (Pergame), et c’est H. Malay qui en assura la publication en 1996. 2. H. Malay, C. Nalbantoğlu, Arkeoloji Dergisi, IV (1996), p. 76, n° 1 (SEG XLVI 1519; M. Paz de Hoz, p. 161, n° 5. 26 a). Cf. J. Ma, Antiochos III and the Cities of Western Asia Minor, Oxford, New York, 1999, p. 371, n° 49. 5 Le fait que l’ethnique Σαρδιανός est ajouté au nom d’Euxénos malgré l’appartenance du sanctuaire au territoire de Sardes fut expliqué par L. Robert ainsi: “J’imagine que les habitants de ce village éloigné, aux confins, ont rappelé l’ethnique parce que c’était un homme de l’administration de la ville même.” 6 Pour cette liste, voir dernièrement M. Domitilla Campanile, I sacerdoti del koinon d’Asia (I sec. a.C. – III sec. d.C.): Contributo allo studio della romanizzazione delle élites provinciali nell’Oriente greco, Pise, 1994 (Studi Ellenistici, 7. Biblioteca di studi antichi, 74), où d’ailleurs Hermogénès n’a pas été enregistré. Le premier grand-prêtre daté était jusqu’ici Apollonios, fils de Ménophilos, d’Aizanoi, de l’an 9 av. J.-C. (OGI 458, 31 {IvPriene (2014) 14, 31}; cf. U. Laffi, Le iscrizioni relative all’introduzione nel 9 a.C. del nuovo calendario della provincia d’Asia, Studi classici e orientali, 16 (1967), p. 34 et 56). Mais un titulaire plus ancien, Euklès, fils d’Aischrion, de Magnésie du Méandre, grand-prêtre en 17/6, est maintenant attesté par une inscription inédite de Maionia, que je publierai prochainement avec H. Malay {P. Herrmann † – H. Malay, New Documents from Lydia, Vienne, 2007, n° 58, 2–3}. 7 Pour la provenance, on ne dispose que de l’information donnée par le marchand d’antiquités: le village de Yeniköy (anciennement Hasankıranı), situé au nord-est du Marmara Gölü, à une distance d’environ 5 km de Kemerdamları, lieu de trouvaille de la stèle n° 1: voir pl. 179 dans H. Malay, Researches in Lydia, Mysia and Aiolis, Vienne, 1999 (DenkschrWien 279). Il paraît que l’emplacement exact du sanctuaire n’a pas encore été déterminé.
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Ἐπὶ Εὐϑυδήμου ἀρχιερέως καὶ ἱερέως Καδοου Πληρι · Εὐϑυδ ήμωι ἀρχιερεῖ ὑπόμνημα πα 4 ρὰ Καδοου ἱερέως τοῦ ἐν Πλευ ροις Ἀπόλλωνος, ἔχοντος τὴν ἱερητήαν ἐκ πλείονος χρόνου · ἠξ[ί] ωσα πρότερον ἐπ’ Ἀντιόχου τοῦ 8 βασιλέως Νικάνορα τὸν ἀρχιερ[έ] α ἵνα στήσω στήλην ἐν τῶι ἱερῶι, κατατάξαντός μου τὸ ἐκείνου ὄνομα καὶ τὸ ἐμὸν καὶ τῶν μυ[στ] 12 ῶν, καὶ νῦν ἀξιῶ σ’, εἰ φαίνετα[ι] συντάξαι, γράψαι Ἀσκληπιάδ[ηι] τῶι οἰκονόμωι ἵνα παραδείξῃ μοι τόπον ἐν ᾧ σ[τ]ήσω τὴν στήλην, 16 ἐν ᾗ κατατάξω τό τε σὸν ὄνομα καὶ τὸ ἐμὸν καὶ τῶν μυστῶν. Διόφαντος Ἀττίνᾳ · τῆς γραφ[εί] σης μοι ἐπιστολῆς παρὰ Εὐϑυδή 20 μου τοῦ ἀρχιερέως ὑποτέταχά σοι τὸ ἀντίγραφον. Εὐϑύδημος Ἀ σκληπιάδῃ · τοῦ ἀναδοϑέντος μου ὑπομνήματος παρὰ Καδ 24 οου ἱερήως τοῦ ἐν Πλευροις Ἀπόλλωνος γενέσϑω αὐτῶ ι καϑάπερ ἠξίωσεν. Μενεκράτης Ἑρμογένου, 28 Μητρόδωρος Μιϑρείους, ––––––––––––– L. 13: Pour la ponctuation, voir J. Ma, Antiochos III …, p. 372 note 1. L. 23: μου au lieu de μοι. L. 28: Μιϑρέους Malay – Nalbantoğlu par erreur.
Ce texte, daté de nouveau par un grand-prêtre (ἀρχιερεύς) et par un prêtre, transmet un ὑπόμνημα, une requête du même prêtre adressée au grand-prêtre Euthydémos, celui même qui était déjà nommé en tête. Nous apprenons que Kadoas, fils de Pleri, assumait depuis longtemps la prêtrise d’Apollon de Pleura (ou Pleuroi)8. Il avait
8 On voit par la double mention τοῦ ἐν Πλευροις Ἀπόλλωνος (l. 4–5 et 24–25) que l’épithète du dieu, Πλευρηνός, est dérivée d’un toponyme. L. Robert avait déjà posé cette question, en partant de la forme Πλευρηνός: “Est-ce un toponyme indigène ou tiré du grec, au flanc du lac?”
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auparavant (πρότερον) adressé une requête au grand-prêtre Nikanor, à l’époque du roi Antiochos. Celle-ci contenait la demande de pouvoir ériger dans le sanctuaire une stèle enregistrant les noms du grand-prêtre, du prêtre même et de ses mystes. À présent (νῦν), Kadoas demande au grand-prêtre Euthydémos d’ordonner que l’οἰκονόμος Asklépiadès assigne un endroit pour l’érection de ladite stèle contenant la liste des noms. La requête déclenche une petite réaction en chaîne: suit sur la stèle une lettre d’envoi d’un certain Diophantos à un certain Attinas lui transmettant la copie d’une lettre du grand-prêtre (que nous ne lisons pas), et enfin l’ordre de celui-ci donné à l’économe Asklépiadès de déférer à la demande du prêtre Kadoas. Sont conservés encore les deux premiers noms de la liste des mystes qui était jointe. C’est donc un petit dossier transcrit sur pierre comme nous en connaissons bien d’autres. Il nous introduit, même dans une affaire qui nous paraît être une bagatelle, dans un système administratif et une bureaucratie bien développés. Avec la mention du roi Antiochos et du grand-prêtre Nikanor (l. 7–8), l’inscription nous ramène au règne du Séleucide Antiochos III. La personne du grand-prêtre est connue: on en avait déjà plusieurs attestations, s’étalant entre les années 202 et 196, où Nikanor était nommé, avec sa fonction de grand-prêtre, dans l’intitulé de documents officiels9. Plus tard, en 1985, H. Malay a eu la chance de découvrir en Mysie une copie de la lettre par laquelle le roi informa, en 209 av. J.-C., son “vice-roi” Zeuxis de la nomination de Nikanor, son chambellan (ὁ ἐπὶ τοῦ κοιτῶνος), à ce poste de grandprêtre “de tous les sanctuaires dans la région au-delà du Taurus” (vu de l’Orient)10. Le roi ajouta que Nikanor serait aussi “préposé aux sanctuaires” et qu’il devrait “administrer leurs revenus”11. C’est le mérite de J. Ma d’avoir démontré, dans son livre récent sur Antiochos III12, que la fonction des grands-prêtres décrite ici se distingue de celle qui nous était déjà connue par une autre série de documents: les différents exemplaires de l’ordre d’Antiochos III par lequel, en 193 av. J.-C., étaient introduites dans les provinces des grandes-prêtresses de la reine Laodice à côté des grands-prêtres du roi déjà existants13. Il est clair que ces prêtrises se rattachaient au culte royal, qui
9 “Documents d’Amyzon et de Xanthos”: J. et L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie, I. Exploration, histoire, monnaies et inscriptions, Paris, 1983, p. 151 n° 15 et p. 154 n° 15 B, avec p. 165; H. Malay, Letter of Antiochos III to Zeuxis with two covering letters (209 B.C.), Epigraphica Anatolica, 10 (1987), p. 14–15. 10 H. Malay, art. cit. (supra n. 9), p. 7–15 (SEG XXXVII 1010; J. Ma, Antiochos III and the Cities of Western Asia Minor, Oxford, New York, 1999, p. 288–292 n° 4), l. 29–32: ἀποδεδε[ίχα]μεν ἐν τῆι ἐ[πέ]/κεινα τοῦ Ταύρου ὥσπερ αὐτὸς ἠ/ξίωσεν ἀρχιερέα τῶν ἱερῶν πάν/των. 11 L. 37–41: ὠιόμεϑα δὲ δεῖν εἶναι αὐ/τὸν καὶ ἐπὶ τῶν ἱερῶν καὶ τὰς προσόδους τούτων καὶ τἆλλα διεξάγεσ/ϑαι ὑπ’ αὐτοῦ καϑὰ καὶ ἐπὶ τοῦ πάπ/που ἡμῶν ὑπὸ Δίωνος. Le roi ajoute l’instruction par suite de laquelle le nom de Nikanor a été inséré dans des documents (l. 44–46): καταχώριζειν δὲ αὐτὸν καὶ ἐν ταῖς / συγγραφαῖς καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις / χρηματισμοῖς οἷς εἴϑισται. 12 J. Ma, op. cit. (supra n. 10), p. 26–28; p. 145. 13 Pour ces documents, voir J. et L. Robert, op. cit. (supra n. 9), I, p. 165, avec les références. Le roi dit: κρίνομεν δέ, καϑάπερ ἡμῶν ἀποδείκνυνται κατὰ τὴν βασιλείαν ἀρχιερεῖς, καὶ ταύτης καϑίσταται ἐν τοῖς αὐτοῖς τόποις ἀρχιερείας. Plus loin, il appelle ces grands-prêtres τοὺς τῶν προγόνων καὶ ἡμῶν
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comprenait aussi le culte des “ancêtres” (πρόγονοι). Or, dans la position de Nikanor telle qu’elle résulte de la lettre de 209, on ne trouve aucune mention du culte royal. Sa tâche est plutôt d’ordre administratif et concerne tous les sanctuaires de sa région, c’est-à-dire de l’Asie mineure cis-taurique. On peut s’interroger sur le caractère cultuel de cette prêtrise, qui n’est pas révélé dans ce document14. Quoi qu’il en soit, l’inscription de Pleura nous montre Nikanor occupé par une affaire administrative ne concernant qu’un petit sanctuaire local. A-t-il pris une décision? On s’étonne de voir le prêtre local intervenir à nouveau dans la même | affaire en s’adressant à un autre grand-prêtre, Euthydémos, qui ne peut être qu’un remplaçant de Nikanor après la fin de la domination séleucide: donc un fonctionnaire attalide. Je suppose que cette double démarche a été causée par le changement même de régime: le tournant de 190/188 étant intervenu avant que l’affaire n’eût été réglée, le prêtre Kadoas se trouva dans la nécessité de s’adresser au nouveau fonctionnaire attalide15. L’intérêt particulier de ce document réside dans le fait qu’il nous montre un secteur du système administratif des Attalides succédant directement à celui des Séleucides. Dans ce cas, c’est une nouveauté de trouver un ἀρχιερεύς attalide s’occupant d’un sanctuaire rural. On avait jusqu’ici seulement une faible trace de l’existence d’un ἀρχιερεύς à Pergame même, dans les fonctions exercées par Diodoros Pasparos à l’époque mithridatique, peut-être comme survie d’un culte royal16, aspect qui ne convient pas dans notre cas. Le phénomène de continuité marque peut-être aussi la figure de l’οἰκονόμος. On connaît ce fonctionnaire par plusieurs attestations chez les Séleucides; s’y est ajoutée dernièrement la mention d’une περὶ Σάρδεις οἰκονομία à l’époque d’Antiochos III. Ph. Gauthier17 a défini la position de ce fonctionnaire ainsi: “agent royal, dont la compétence s’étend au domaine royal et aux populations qui y vivent”. Pour le royaume ἀρχιερεῖς. J. et L. Robert admettent (p. 168 n. 40) que ce culte royal de l’empire “ne fut établi par Antiochos III qu’à son retour dans la capitale” (en 205 av. J.-C.). 14 J. Ma, op. cit. (supra n. 10), p. 28, comprend la grande-prêtrise comme “symbolique”: “a position of control over all the shrines in cis-Tauric Asia Minor, both in the symbolic form of the high priesthood and the actual administrative power over temple finances”. On voit du moins que le roi s’attendait à ce que Nikanor s’occupât aussi des sacrifices (l. 32–35): πεπεισμένοι καὶ διὰ τὸ ἦϑος / ἐξάξειν τά τε κατὰ ϑυσίας καὶ / τὰ λοιπὰ ἀξίως τῆς ἡμετέρας σπουδῆς. 15 Si l’on prend le texte à la lettre, on peut discerner une différence entre les deux demandes: dans la première requête il s’agit de l’autorisation d’ériger la stèle dans le sanctuaire, dans la deuxième de l’assignation d’un endroit pour l’ériger; cf. J. Ma, op. cit. (supra n. 10), p. 147. 16 Dans plusieurs inscriptions Diodoros Pasparos est pourvu du titre d’ἀρχιερεύς, dont D. Kienast a supposé qu’il concerne le culte des Attalides même après leur disparition (Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Supplement XII (1970), c. 226; cf. Ph. Gauthier, Bull. épigr., 1989, n° 279). – Je retiens la datation de Diodoros prouvée par C. P. Jones, Chiron, 4 (1974), p. 183–205, contre la tentative de D. Musti (Rivista di filologia e di istruzione classica, 126 (1998), p. 5–40) de le remonter à l’époque d’Aristonicos; cf. B. Virgilio, Studi Ellenistici, 12 (1999), p. 353–357. 17 Ph. Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes, II, Genève, 1989 (Hautes Études du monde grécoromain, 15), p. 129, n° 7, l. 3, avec le commentaire p. 132–134; cf. J. Ma, op. cit. (supra n. 10), p. 136.
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attalide, le titre d’οἰκονόμος n’était pas encore attesté. Comme il arrive, l’inscription de Pleura ne donne pas de titres aux autres fonctionnaires, subordonnés semble-t-il, qu’elle nomme: Diophantos et Attinas. Quelle compétence pouvaient-ils avoir? Surveillance du sanctuaire, gestion financière, administration locale? Je ne me risque pas à formuler des hypothèses. En tout cas, cette trouvaille nous amène à reconsidérer la stèle publiée par L. Robert (n° 1). Je crois que la possibilité, sinon la nécessité, d’en remonter la date, envisagée par L. Robert, se présente maintenant. Nous avons la même mention d’un ἀρχιερεύς dans l’intitulé comme dans le document attalide (n° 2), Hermogénès cette fois, qui pourrait avoir été un successeur d’Euthydémos. Puis, il y a aussi quelques convergences dans les noms de personnes. Le prêtre local de la stèle Robert, Apollonios, fils de Kadoas (n° 1, l. 2–3), pourrait être le fils de Kadoas Pleri de la stèle Malay (n° 2, l. 2); ce dernier rappelle le Καδοας Πλυηρει qui ouvre la liste des mystes sur la stèle Robert (n° 1, l. 8). Le second nom de cette liste, Μητρόδωρος Μιϑρήους (n° 1, l. 8–9), se retrouve sur la stèle Malay, là aussi comme le deuxième nommé dans la liste ajoutée (n° 2, l. 28). En | somme, je suis convaincu que la stèle Robert doit être rapprochée du document publié par H. Malay et présente donc un document d’époque attalide, qui doit être placé au IIe siècle av. J.-C. Mais quelle en est la date exacte? Malgré les doutes de L. Robert, il faut penser, pour le chiffre, à une année de règne d’un des Attalides18. Si c’est Eumène II, le chiffre 9 que je préfère nous amènerait en 189/8, l’année même du changement de régime, ce qui n’est pas probable. Avec Attale II, on arrive à 150/49, date qui paraît possible. Dans ce cas, on aurait une distance d’une trentaine d’années entre les deux documents (stèles 1 et 2). Avec cette datation, le Sardien Euxénos, fils de Ménandros, honoré par la stèle Robert (n° 1), devient lui aussi un fonctionnaire attalide. Son titre, ὁ ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων, se retrouve dans la loi des astynomes de Pergame, document qui remonte à l’époque attalide; il a été restitué aussi dans une inscription de Magnésie du Méandre, au pluriel où il désigne peut-être des magistrats locaux19. Si les ἱεραὶ πρόσοδοι sont bien les “revenus sacrés” ou revenus du dieu, on ne peut déterminer sûrement l’éten-
18 Il est vrai que les datations dans le royaume attalide suivent normalement le modèle βασιλεύοντος Εὐμένους ἔτους εʹ καὶ λʹ (TAM V, 1, 221; cf. 486 b; 1188; 1307, etc.), mais il y a des cas où le chiffre seul est donné: C. B. Welles, Royal Correspondence in the Hellenistic period: a study in Greek epigraphy, New Haven, 1934, n° 47, l. 14; de même dans un document attalide inédit de la région située au nord de Sardes: ἐν τῶι βʹ καὶ λʹ ἔτει. 19 Pergame: OGI 483, 165–166 (G. Klaffenbach, Die Astynomeninschrift von Pergamon, Berlin, 1954 (Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, 1953, 6), l. 178–179), προσαγγελλέτωσαν τοῖς στρατηγοῖς καὶ τῶι ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων. Magnésie du Méandre: Ch. Pélékidis, Oi epi ton ieron prosodon à Magnésie du Méandre, Bulletin de correspondance hellénique, 80 (1956), p. 480–482, corrigeant Inschriften von Magnesia, 100 B, l. 23, τῶν ἱερῶν πρ[οσό]δων. Voir aussi P. Bernard, C. Rapin, Comptes rendus de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 1994, p. 285.
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due de la compétence du dit fonctionnaire20. Dans notre cas, on penserait à une fonction s’étendant sur une certaine région, du moins aux environs de Sardes. En somme, la juxtaposition des deux documents (nos 1 et 2) nous fait voir une continuité assez étroite entre les régimes séleucide et attalide dans le domaine de l’administration d’un sanctuaire situé en province. On a l’impression que les Attalides, en acquérant un vaste territoire micrasiatique, ont adopté en principe le modèle séleucide dans leur système administratif. Nous ne savons rien, bien sûr, ni de la situation juridique ni des conditions économiques qui étaient celles de ce sanctuaire d’Apollon. Mais la surveillance étroite et le contrôle financier, tels qu’ils ressortent des inscriptions étudiées, révèlent une dépendance très stricte. Cela fait penser à une entité située sur “terre royale” (χώρα βασιλική), comprenant un sanctuaire avec certains domaines et villages environnants qui lui appartenaient21. Comme parallèle du côté de l’empire séleucide, les “villages | sacrés” (ἱεραὶ κῶμαι) viennent à l’esprit, situés dans la région d’Apollonia de la Salbakè: L. et J. Robert ont jadis discuté de leur condition juridique et des structures administratives dont ils dépendaient22. Là, une inscription fragmentaire mentionne un τεταγμένος ἐπὶ τῶν ἱερῶν, un ἐκλογιστής à côté d’un διοικητής et peut-être d’un [ἐπὶ τῶν προσόδω]ν23. Même si la documentation est très lacunaire, on croit percevoir quelques ressemblances avec la situation de notre sanctuaire lydien. La situation a changé avec la deuxième stèle publiée par H. Malay: 3. H. Malay, C. Nalbantoğlu, Arkeoloji Dergisi, IV (1996), p. 79 n° 2 (SEG XLVI 1520; L’Année épigraphique, 1996, n° 1447; M. Paz de Hoz, p. 162, n° 5. 26 b). 4
Ἐπὶ ἱερέων τῆς μὲν Ῥώμης Ἀπολλωνίου τοῦ Διονυσίου, τοῦ δὲ Διὸς τοῦ Πολιέως Φοίνικος τοῦ Φοίνικος, μηνὸς Ἀπελλαίου · Ἀπόλλωνι Πλευρηνῷ Ἑρμογένης Καδοου ἱερεὺς καὶ οἱ μύσται εὐχήν · εἰσὶν δέ Μητρόδωρος Μενεκράτου, Διονύσιος Ἀπολλωνίου (suivent encore 28 lignes avec au moins 41 noms).
20 Ε. V. Hansen, The Attalids of Pergamon, Ithaca, Londres, 2e éd., 1971 (Cornell Studies in Classical Philology, 36), p. 195–196, et R. E. Allen, The Attalid Kingdom, Oxford, 1983, p. 172–173, voient dans l’ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων un fonctionnaire nommé par le roi et exerçant sa fonction dans la ville de Pergame. Cf. P. Debord, op. cit. (supra n. 4), p. 262. 21 J. Ma, op. cit. (supra n. 10), p. 147: “the issue of property may imply that this particular shrine was built on land somehow considered the king’s own” (cf. p. 136, n. 108). Pour les problèmes concernant la χώρα βασιλική, voir en dernier lieu Ch. Schuler, Ländliche Siedlungen und Gemeinden im hellenistischen und römischen Kleinasien, Munich, 1998, p. 159–194. 22 L. et J. Robert, La Carie: histoire et géographie historique, avec le recueil des inscriptions antiques, II. Le Plateau de Tabai et ses environs, Paris, 1954, p. 285–312, n° 166. 23 Pour la restitution, déjà envisagée par L. Robert, voir Ph. Gauthier, op. cit. (supra n. 17), p. 43.
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C’est de nouveau une liste de mystes, qui se présente comme une dédicace à Apollon Pleurénos faite par le prêtre Hermogénès, fils de Kadoas, et plus de quarante mystes, liste présentée d’ailleurs dans une écriture très irrégulière. On voit que ces listes suivent une tradition observée à travers le temps. Dans ce cas aussi la liste contient quelques noms déjà connus des deux autres inscriptions24. Le prêtre Hermogénès est de nouveau fils d’un Kadoas, nom lydien qui apparaît chez chacun des prêtres du sanctuaire; H. Malay en conclut que la prêtrise était héréditaire dans une seule famille25. Mais il n’y a plus d’ἀρχιερεύς. Cette fois l’intitulé fait connaître deux prêtrises éponymes: celle de Rome et celle de Zeus Polieus. Dans ce cas, nous avons la chance de pouvoir prouver que c’est vers la ville de Sardes qu’oriente cette datation. Un document trouvé lors des fouilles de Pergame nous a conservé le texte fragmentaire d’un traité entre Éphèse et Sardes (Inschriften von Pergamon, 268; OGI, 437, repris Inschriften von Ephesos, 7). A la fin est fixée la date à partir de laquelle le traité sera en vigueur, date indiquée par les éponymes respectifs des deux contractants. Or, pour Sardes, on dit ὡς δὲ | Σαρδιανοὶ (ἄγουσιν) ἐπὶ ἱερέως τῆς μὲν Ῥώμης Σωκράτου, τοῦ δὲ Διὸς Πολιέως Ἀλκαίου (Inschriften von Ephesos, 7, II, 35). On le voit, c’est exactement la formule qui apparaît sur notre stèle. Les deux prêtres nommés dans le traité appartiennent à des familles de Sardes connues par plusieurs documents, qu’on a pu attribuer approximativement aux premières décennies du Ier siècle av. J.-C.26 Une date plus précise qu’on avait attribuée au traité, à savoir autour de 95 av. J.-C., a été ébranlée par une observation de K. J. Rigsby en 1988, qui dissocia ce document de la personne du proconsul Q. Mucius Scaevola avec laquelle on l’avait cru lié27. La prêtrise de Rome, qui est éponyme aussi pour Éphèse, suggère du moins une date après l’établissement de la province romaine d’Asie, à savoir 129 av. J.-C. Le traité et la stèle de notre sanctuaire sont les seuls exemples de cette double datation; plus tard les Sardiens se bornent à la prêtrise de Rome. Les deux documents sont liés peut-être aussi par un détail prosopographique: le prêtre de Zeus Phoinix, fils de Phoinix, de la stèle Malay (n° 3, l. 3) peut être rapproché de Φοῖνιξ Φοίνικος, un des ambassadeurs
24 Le Μητρόδωρος Μενεκράτου l. 6 rappelle Μενεκράτης Μητροδώρου (l. 13) et Μητρόδωρος Μενε κράτου (l. 15) du n° 1. On retrouve (dans d’autres combinaisons) les noms Πληρει (l. 20; cf. 1, 8; 2, 2), Μίϑρης (l. 8; cf. 1, 9 et 14; 2, 28), Καλλίμαχος (l. 16 et 24; cf. 1, 9–10). 25 H. Malay, Arkeoloji Dergisi, IV (1996), n° 77: sans doute une prêtrise obtenue διὰ γένους. Pour d’autres attestations du nom Καδοας à Sardes, voir L. Robert, Bulletin de correspondance hellénique, 106 (1982), p. 362; idem, Documents d’Asie Mineure, Athènes, 1987 (BEFAR, 239 bis), p. 324. 26 Cf. L. Robert, Revue des études anciennes, 62 (1960), p. 342–346 (OMS II, p. 858–862). Pour Sokratès (Σωκράτης Πτολεμαίου Παρδαλᾶς), un nouveau document s’est ajouté: L. Robert, Bulletin de correspondance hellénique, 102 (1978), p. 405 (Documents d’Asie Mineure, p. 101; SEG XXVIII 928). Les identités ne sont pas assurées dans tous les cas concernés. 27 K. J. Rigsby, Transactions of the American Philological Association, 118 (1988), p. 141–149 (cf. SEG XXXVIII 1267); cf. P. Herrmann, Mystenvereine in Sardeis, Chiron, 26 (1996), p. 324 n. 29, et p. 325 n. 32.
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sardiens nommés dans le traité28: mais est-ce le père ou le fils? Sans se perdre dans des spéculations, on retiendra donc pour la date de notre troisième document la fin du IIe ou le début du Ier siècle. Que peut-on déduire de cette inscription? Si la datation est celle de Sardes, on est amené à supposer que le sanctuaire appartient au territoire de cette cité, dont l’expansion dans cette direction, au-delà de la Gygaia Limné, se laisse suivre aussi par d’autres indices29. Est-ce un fait établi en rapport avec l’organisation de la province romaine? On manque de détails, et l’inscription ne suffit pas pour connaître exactement la situation administrative du sanctuaire. La séquence de ces trois inscriptions provenant d’un même sanctuaire nous a révélé quelques aspects de son histoire à travers les changements de régime, des Séleucides à l’époque romaine. On a pu constater une continuité remarquable dans la succession des fonctionnaires royaux conduisant des Séleucides aux Attalides, puis peut-être une rupture marquée par l’intégration du sanctuaire dans le territoire d’une ville. D’autre part, nous restons dans l’ignorance en ce qui concerne l’origine et le caractère de cet Apollon, les particularités de son culte, le rôle des mystes et tous les détails relatifs aux bases économiques de l’existence de ce sanctuaire rural. Malgré son insuffisance, notre matériel apporte un jour nouveau sur l’histoire de la Lydie romaine que de nouvelles données, espérons-nous, viendront par la suite éclairer davantage.
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Addendum Depuis la remise du manuscrit, les deux inscriptions SEG XXXII 1237 et XLVI 1519 ont été de nouveau étudiées. Sans entrer dans tous les détails, on peut signaler ceci. Pour la datation de SEG XXXII 1237, notamment d’après la mention de l’année 6 (Ἔτους Fʹ) l. 1, corrigée par P. Herrmann en “9” (Ἔτους ϑ̣ ʹ), H. Müller, Der hellenistische Archiereus, Chiron, 30 (2000), p. 519–542, adopte une date au IIe siècle a.C., “époque de la domination attalide sur la région située au nord-est de Sardes” (p. 523); B. Dignas, Economy of the Sacred in Hellenistic and Roman Asia Minor, Oxford, 2002, p. 53, place par conjecture la date de composition sous le règne d’Attale II, ce qui est très proche de la conclusion de P. Herrmann. Les arguments avancés par P. J. Thonemann, Hellenistic Inscriptions from Lydia, Epigraphica Anatolica, 36 (2003), p. 103, n. 42, pour une datation au Ier siècle a.C. (pour laquelle s’était aussi prononcé le premier éditeur, L. Robert), au vu des remarques présentées ici par P. Herrmann, n’emportent pas l’adhésion. (G. Petzl)
28 Inschriften von Ephesos, VII, 2, R. Meriç éd., Bonn, 1981 (Inschriften griechischer Städte aus Klein asien, 17, 2), 38. 29 H. Malay, Arkeoloji Dergisi, IV (1996), p. 81, avec la note 18 se référant à des inscriptions récemment découvertes.
Inschriften aus Milet
21 Grabepigramme von der milesischen Halbinsel Aus der Nekropole von Milet (mit Didyma) ist bisher schon eine ganze Reihe von Grabepigrammen bekannt geworden. Neben älteren Funden brachten vor allem die Ausgrabungen neues Material, besonders in Form von Spolien aus spätantiken Mauerstücken (vgl. Milet II 3: Die Stadtmauern, 1935, S. 129). So konnte W. Peek in seinen ersten Band der „Griechischen Vers-Inschriften“ (Berlin 1955) zahlreiche Inedita aus den Abschriften von A. Rehm aufnehmen und erstmalig bekannt machen1. Hier sollen zwei neue Stücke mitgeteilt werden, die gelegentlich eines zweimaligen Besuches der Halbinsel im März und September 1956 abgeschrieben werden konnten. Es sind zwei Basisblöcke, beide mit einer Einlassung auf der Oberseite, die das eigentliche Grabmonument trug2. Sie befinden sich in dem etwa ½ Stunde östlich von Akköy gelegenen Dorfe Yeniköy3 und stammen aus den zu dieser Ortschaft gehörigen Feldern. Näheres war leider nicht in Erfahrung zu bringen, doch ist nicht unwahrscheinlich, daß sie von Grabmonumenten an der Heiligen Straße stammen4, die wohl zwischen Akköy und Yeniköy durchgegangen ist. 1. Block aus grauem Kalkstein; H. 33 cm, B. 62 cm, D. 48 cm; auf der Ober- und Unterseite je eine quadratische Einlassung. Buchstabenhöhe 1,1–1,4 cm, Zeilenabstand 1 cm. Sorgfältige Schrift des 4. Jhdt.s5, Strichenden mit leichten Verdickungen; Schriftfläche sehr abgerieben (Abschrift, Abklatsch, Photo). {Milet VI 2 n. 742} Αἰαῖ, σεῖ̣ ο, Κ̣Ο . ΑΛΛΙΣ̣, ἀποφϑιμένης ἀκάχηνται μάτηρ ϑ’ ἁ μελέα κουρίδιός τε πόσις, πᾶσά τε συγγενέων πληϑὺς ἁδινὸν στεναχίζει 4 δρυπτόμενοι χαίτας τοῦδε πάροιϑε τάφου· ἦ γὰρ δαίδαλά τε ἔργα χεροῖν καὶ σώφρονα κόσμον ἤσκησας, μῶμος δ’ οὔ τις ἐπῆν ἐπί σοι.
Hermes 86, 1958, 117–121. 1 Es sind die Nummern 427, 432, 756, 825, 1536, 1890, 2081. Bereits bekannt waren: 307, 1174, 1264, 1286, 1344, 1485, 1829, 2018. 2 Ähnlich ist der im 6. Milet-Bericht (AbhBerlin 1908, Anhang 1) S. 46 publizierte Stein aus Didyma. Auch das übrige milesische Material besteht zum großen Teil aus Basen. 3 Es ist ein erst nach der türkischen Neubesiedlung der Halbinsel emporgewachsenes Dorf. Die älteren Karten (Milet I, 1906. Karte der milesischen Halbinsel; Milet III 5, 1936, Das südliche Ionien) verzeichnen an seiner Stelle Jassilkö bzw. Jassilkiöj. 4 Es sei erwähnt, daß im selben Dorfe auch zwei Exemplare der schon mehrfach bekannt gewordenen, archaischen weiblichen Sitzstatuen stehen (vgl. Hdb. d. Archäol. III 53, Anm. 9), wie sie von Newton, Rayet – Thomas und in den deutschen Grabungen bei Didyma und auch Milet gefunden wurden. 5 Das zierliche Schriftbild erinnert an die Schrift von Milet I 3 (Delphinion) n. 135, Abb. 76, ist aber zweifellos noch um einiges älter.
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V. 1: Für αἰαῖ am Beginn eines Epigramms vgl. Peek, Griech. Vers-Inschr. I 332; 1673; 1678; AP VII 122, 298, 488, 515. – Es ist anzunehmen, daß | in V. 1 die Tote mit Namen angeredet war, worauf auch die Endung -αλλις weist. Der erste Buchstabe könnte auch X oder N sein, der dritte weist auf N, M oder X. Als bekannte Namensform bietet sich am ehesten Κομαλλίς an (IG II2 11888; 12824; vgl. Bechtel, Att. Frauennamen 22). Κοράλλις (vermutet von O. Lendle; es gibt Κοράλλιον) scheint nicht möglich. V. 3: Die συγγενεῖς neben den Eltern: Peek 1796, 3. – Das Versende nach Ψ 225, ω 317 (ἁδινὰ στεναχίζων). V. 4: Das Raufen der Haare als Trauergestus (vgl. R. Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaphs, Illinois Stud. in Language and Literature XXVIII, 1–2, 1942, 202) ist in griechischen Epigrammen selten. Dabei ist das gewöhnliche Verbum (wie schon bei Homer) τίλλειν: z. B. Peek 1981, 5; AM 4, 1879, 20 n. 5 (WSt 56, 1938, 64); AP VII 574, 7. Dagegen ist das hier verwendete δρύπτειν (δρύπτεσϑαι) für einen anderen Trauergestus gebräuchlich: das Zerkratzen der Wangen (παρειά, z. B. Hes. sc. 243; Eur. Hec. 655; Ap. Rh. 3, 672; AP VII 487, 3; absolut bei Xen. Cyr. 3, 1, 13; 3, 3, 67). Für die Ähnlichkeit der beiden Ausdrücke in diesem Bereich vgl. auch die Hesychglosse δρύπτεταί· ὅταν τις ἑαυτὸν κατατίλλῃ ἐπὶ ϑρήνου. V. 5: Fertigkeit in der Handarbeit und σωφροσύνη stehen schon bei Homer als spezielle Tugenden der Frau nebeneinander (ἔργα und φρένες, dazu gehört dann noch κάλλος). Vgl. auch Peek 1490: σώφρων καὶ χρηστὴ καὶ ἐργάτις. V. 6: Die Verbindung σωφροσύνην ἀσκεῖν ist in Grabepigrammen häufig: Peek 492; 930; 1105; 1106; 1337a; vgl. 1986, 5. Für σώφρονα κόσμον vgl. Peek 1963, 6 ἀσκήσας κόσμον σωφροσύνη[ς. Für μῶμος vergleiche man die verbreitete Charakterisierung des Toten als ἄμωμος, ἀμώμητος, ἄμεμπτος, ἀμεμφής (in Prosa: Tod, BSA 46, 1951, 182, mit der Bemerkung J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1952 n. 31). Das Epigramm vereint in ansprechender Schlichtheit die Klage mit dem Lob der Toten und weist auch durch diese Qualitäten wie durch die Schrift in gute nachklassische Zeit. Wesentlich jünger ist das zweite Grabepigramm: 2. Block aus Kalkstein; H. 31,5 cm, B. 58,5 cm, D. 58 cm; in der Mitte der Oberseite eine quadratische Einlassung, darum runde Standspur. Buchstabenhöhe 1,2 cm, Zeilenabstand 3 mm; leicht vorgeritzte Zeilenlinien. Kräftig eingegrabene Buchstaben, mit betonten Apices. Buchstabenformen: A mit gebrochener Querhaste, Π noch mit verkürztem rechten Schenkel, M mit schrägen, Σ mit parallelen Schenkeln, O kleiner (Abschrift, Abklatsch, Photo). {Milet VI 2 n. 738 mit Taf. 31, 188} [ ca. 17 ]_ΕΔ̣ [ ca. 8 ]_Ε̣ ΠΙ[ca. 3–4] ἑβδομάδας γενέταις δάκρυα χευαμέναν, Ἀντιπάτρωι καὶ μητρὶ Φιλιστιάδι· στυγερὸν δὲ ἔκλαγον ὡς ἄφνωι πνεῦμ’ ἔλιπες βιότου, 5 σὸς δὲ πόσις ποϑέων, Δημήτρια, οὔποτε πλήσϑη ϑρήνων οἰκτρὸν ἰδὼν λέκτρον ὑπὸ χλανίδι.
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Οὐχ ἡδὺν μοι ϑρῆνον ἐγείρετε, λήξατε δ’ ἤδη· οὐ γάρ μ’ ἀϑανάτην τίκτε Διὸς ϑυγάτηρ ἀφρογενὴς Κυϑέρεια, βροτοὶ δὲ τλῆτε ἄπειροι (?) 10 οὐκ ἄτερ (?) ἐγ Μοιρῶν νήματος ἀϊδίου· ὥστ’ ἐπ’ ἐμοὶ μῆτερ σὺ Φιλιστιὰς αἶρε τὸ πένϑος, ἄντομ’ ἐγὼ πατρός τ’ Ἀντιπάτρου λίτομαι· λ]εί̣ πω γὰρ τέκνον Διονυσίου, ὅς μ’ ἔτι παῖδα νυμφεύσας ὥραν οὐκ ἀπέλαυσεν ἐμάν· 15 ἐ̣ ς̣ πόντον πλεύσας δ’ οὐχ εἶδέ με τοὔνπαλιν ἐλϑώ̣ [ν], ἀ̣λ̣λ̣’ ἔτλη βρυχίαν Νηρέος ἄφνωι ἅλα. τοῦτον δ’ ἀντίψυχον ἔχοντες σῶμα τὸ τερπνὸν ca. 8 Ρ̣ ca. 3 Α̣ΤΟ ca. 6 ΦΙΛΟΚ̣FΑ̣Τ̣Ξ̣ Dem Typus nach gehört das vorliegende Epigramm in die verbreitete Gruppe der Grabgedichte in Wechselrede (vgl. Peek S. 550 ff.: Dialog-Gedichte), wobei die beiden Teile auch auf dem Stein durch einen Zwischenraum deutlich abgesetzt sind. In den ersten 3 Distichen wird die Tote – von einer dritten Person, aber im Sinne der Hinterbliebenen – angeredet, darauf wendet sie sich in Distichen an ihre Angehörigen selbst. Die Verstorbene ist eine Demetria (V. 5), Tochter des Antipatros und der Philistias (die Namensform scheint neu). Die Interpretation wird nicht nur durch die Verstümmelung am Anfang und am Schluß erschwert (die erste und letzte Zeile sind durch Abstoßung der Kanten fast ganz zerstört), sondern auch durch sprachliche Ungeschicklichkeiten und offenkundige Solözismen. V. 1/2: Der Gedankengang des ersten Distichons bleibt unklar, ἑβδομάδας läßt an eine Altersangabe denken (etwa 3 oder 4 mal 7 Jahre)6. Aber was soll die akkusativische Konstruktion δάκρυα χευαμέναν (dieselbe Vershälfte: Peek 759, 4), die man so eigentlich nur auf die Tote beziehen kann (während das δάκρυ χέειν etc. sonst immer nur von den Hinterbliebenen ausgesagt wird)? Und wie steht dazu der Dativ γενέταις etc. („Tränen vergießend über …“?)? V. 4: ἄφνωι (ebenso V. 16): ein Beispiel der häufigen Verwechslung der Adverbialformen auf -ω mit Dativen (vgl. G. Meyer, Griech. Gramm.2 188; Mayser, Gramm. d. griech. Papyri I 136 γ); eine andere falsche Bildung von ἄφνω ist das mehrfach überlieferte ἄφνως (etwa Peek 1130, 2; 1541, 1; 472, 1 in der Ergänzung von A. Wilhelm). Für die zweite Vershälfte vgl. etwa Peek 922, 4 [πνεῦμα λιπόντα βίου, ähnlich 1233, 6; 1253; 1817, 2). V. 5: Derselbe Versanfang Peek 1678, 5 (auch im Thema ähnlich).
6 Zu dieser Zählweise vgl. P. Charneux, BCH 80, 1956, 615 (in der Aufzählung fehlt τετράς Peek 709). Für die 7-Zahl wird neben ἑπτάς, das er allein anführt, vor allem ἑβδομάς verwendet: Peek 759, 7; 873, 4; 1517, 5. Daneben kann es auch für den Zeitraum von 7 Tagen, die Woche, stehen: 731, 4; 1350, 9.
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V. 6: Wohl eher ϑρήνων (gen. pl.) als ϑρηνῶν (part.); vgl. Peek 924, 13 οὔπο[τε ϑυμὸν] αἰνοπαϑῆ δακρύων πλήσουσιν γενέτ[αι. – Die χλανίς hier als Bettdecke – homer. χλαῖνα –, vgl. Plut. Mor. 989 F χλανίσι καὶ τάπησιν; AP V 173, 2 ἄλλος ἐπεὶ Δημοῦς ϑάλπετ’ ὑπὸ χλανίδι (derselbe Versschluß). V. 8 ff.: Das Argument ist klar: Es ist letztlich das so verbreitete οὐδεὶς ἀϑάνατος, das der Totenklage der Hinterbliebenen entgegengehalten wird. Hier erscheint es nur in der Antithese: nicht unsterblicher Göttersproß (ἀϑανάτην), sondern wie alle βροτοί dem Wirken der Moiren unterworfen, d. h. also sterblich (vgl. etwa Peek 784, 6 ὡς εἰδώς, ὅτι πᾶσι βροτοῖς τὸ ϑανεῖν ἀπόκειται, 1245, 9 οἰκτρὸν μὲν τὸ ϑανεῖν, πᾶσιν δὲ βροτοῖς ἐπεκλώσϑηι τοῦτο, φυγεῖν δ’ οὐδεὶς ϑνητὸς ἐὼν δύναται). Im ersten Glied ist die Erwähnung der Aphrodite7 merkwürdig. An ein bestimmtes mythologisches Beispiel (Harmonia) kann kaum gedacht sein8. Oder sollte nur die personifizierte „Liebe“ als Mutter aller Menschen|kinder gemeint sein (so wie V. 16 Nereus für das Meer bemüht wird)9? Das zweite Glied wird noch schwieriger. Offenbar verschiebt sich hier auch der Gedanke, indem nun die Tote nicht mehr von sich spricht, sondern sich wieder an die Hinterbliebenen bzw. die „Sterblichen“ generell wendet: „ihr Sterbliche (bzw. als Sterbliche) aber duldet (imp. τλῆτε oder ἔτλητε als gnom. Aorist, so O. Lendle), unwissend (ahnungslos), nicht ohne das ewige Gespinst von den Moiren her“ (d. h. οὐκ ἄτερ τοῦ νήματος τοῦ ἐγ Μοιρῶν). So muß der letzte Vers (10) wohl verstanden werden, so holprig das im Griechischen auch klingt. Der Konstruktion nach wird man ihn, der als eine Art freier Apposition in der Luft schwebt, wohl doch von dem τλῆτε mit abhängen lassen müssen, also als eine zusätzliche Aussage über die βροτοί10. Offenbar ist οὐκ ἄτερ eng zusammenzufassen, geradezu als ein Begriff: „nicht ohne“ = „mit“, d. h. „mit dem Willen“ bzw. „in Abhängigkeit von“11. Andererseits ist dann auch ἐγ Μοιρῶν wieder eine feste Verbindung12. V. 11 f.: Aus dieser allgemeinen Sentenz wird nun die Folgerung (ὥστε) für den eigenen Fall gezogen, mit der namentlichen Anrede an die Eltern: auch sie müßten sich mit ihrem Tode abfinden. – Für πένϑος αἴρειν („tragen, auf sich nehmen“) vgl.
7 Die beiden Epitheta nebeneinander stehen auch in dem Zusatzvers Hes. Th. 196 sowie in dem Epigramm Hesperia 10, 1941, 63 n. 29. 8 Natürlich sind solche mythologische Hinweise in dieser Argumentation in Grabepigrammen sehr häufig. Aber dann geht es eigentlich immer darum, gerade umgekehrt darauf hinzuweisen, daß auch diese Götterkinder einmal sterben mußten. Ein ausführliches Beispiel ist etwa das lange Gedicht aus Alexandria Peek 1935. 9 W. Peek vermutet in dieser Stelle eine Herkunftsangabe: Die Tote stamme aus Kypros oder Kythera. 10 Eine andere Möglichkeit wäre, die Anrede an die βροτοί als Einschub, Parenthese, zu nehmen und V. 10 wieder als Aussage der Demetria über sich selbst aufzufassen (Vorschlag von M. Fuhrmann). Dann fehlt aber eigentlich ein Verbum (J. Keil: „mein Schicksal ist nicht abweichend – ἄτερ ἐκ als Tautologie verstanden – vom ewigen Faden der Moiren“). 11 Als Parallele für οὐκ ἄτερ ließe sich etwa Pi. P. 5, 75 nennen: ἵκοντο Θήρανδε φῶτες …, οὐ ϑεῶν ἄτερ, ἀλλὰ Μοῖρά τις ἄγεν. 12 Man vergleiche dafür etwa Peek 708, 5 ὑστάτιον τελέσασα τὸν ἐγ Μοιρέων ἐνιαυτόν.
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etwa Soph. OR 1225; Eur. Her. 147; Ap. Rh. 4, 65. Die Konstruktion von λίτομαι mit Genetiv ist ohne Parallele; Elision einer Präposition – ὑπέρ, vgl. β 68 – kommt hier nicht in Frage. V. 13 ff.: Der folgende Abschnitt klärt uns über die Familienverhältnisse auf, freilich ist auch hier der Ausdruck nicht immer eindeutig. Die Tote erwähnt, daß sie ein Kind eines Dionysios hinterlasse, der (ὃς auf Διονύσιου zu beziehen) sie jung geheiratet hatte und „ihre Jugend nicht auskosten konnte“. Er fuhr aufs Meer hinaus, doch: „wiederkehrend sah er sie nicht, sondern er erduldete unvermutet die tiefe (aufgewühlte) See“. Was soll das heißen? Man kann es wohl kaum anders erklären, als daß Dionysios „wider Erwarten“13 in einen Seesturm geriet, d. h. daß sich dadurch seine Rückkehr verzögerte und er Demetria nicht mehr unter den Lebenden antraf14. Seine Totenklage vor dem | verwaisten Lager, dem οἰκτρὸν λέκτρον, ist ja oben V. 5/6 dann schon geschildert worden15. V. 17 ff.: Zum Schluß jedenfalls kommt Demetria nochmals auf den kleinen Sohn dieses Dionysios zurück (τοῦτον als constructio κατὰ σύνεσιν = παῖδα auf τέκνον V. 13 zu beziehen) und hat ihn offenbar in dem letzten Verspaar als ein sie vertretendes, ersetzendes Vermächtnis (ἀντίψυχον) hingestellt16 und zugleich der Fürsorge der Hin-
13 ἄφνω muß ja nicht unbedingt „plötzlich“ heißen, sondern kann ebenso auch „unerwartet“ bedeuten, etwas, womit man nicht gerechnet hat; vgl. z. B. Eur. Alc. 420 (der Chor versucht, Admet zu trösten: wir müssen alle sterben. Darauf dessen Antwort:) ἐπίσταμαί γε, κοὐκ ἄφνω κακὸν τόδε προσέπτατ’· εἰδὼς δ’ αὖτ’ ἐτειρόμην πάλαι. Hier korrespondiert οὐκ ἄφνω mit εἰδώς; d. h., Admet mußte immer mit dem Tod der Alkestis rechnen, er kam ihm nicht „unerwartet“ – aber natürlich trotzdem „plötzlich“. 14 Eine schöne Parallele zu dieser Situation zeigt ein Gedicht der Anthologie AP VII 735 (Peek 1207): Theano aus Phokaia spricht sterbend: ,,οἴμοι ἐγὼ δύστηνος· ’Απέλλιχε, ποῖον, ὅμευνε, ποῖον ἐπ’ ὠκείῃ νηὶ περᾷς πέλαγος; αὐτὰρ ἐμεῦ σχεδόϑεν μόρος ἵσταται· ὡς ὄφελόν γε χειρὶ φίλῃ τὴν σὴν χεῖρα λαβοῦσα ϑανεῖν.“ Einen etwas anderen Fall schildert die Tote in dem Epigramm aus dem äol. Kyme, Peek 1095 {Merkelbach – Stauber, SGO I 05/03/03}: [ἀ]νέρα δ’ οὐχ ἰδόμαν, ὅτ’ ἀπέπνεον, ἀλλ’ ἐνὶ Ῥώ[μᾳ] [πρ]εσβεύων πυμάταν οὐκ ἐνέπλησε χάριν. 15 Die Alternative in der Erklärung wäre, daß man aus V. 16 unter dem Eindruck des ἄφνω doch schließt, Dionysios wäre auf See umgekommen (τλῆναι dann ganz ungewöhnlich), hätte also Demetria „nicht wiederkehrend gesehen“ (V. 15). Dann könnte man aber die Klage des Gatten V. 5 f. nur auf einen zweiten Mann der Demetria beziehen. Das ist wenig wahrscheinlich. 16 Das kommt ähnlich in einem Epigramm aus Teos zum Ausdruck: Peek 775 {Merkelbach – Stauber, SGO I 03/06/08} νήπιον ἀνϑ’ αὑτοῦ παῖδα λιπόντα δόμοις. – ἀντίψυχον ist, was für ein anderes Leben gegeben oder empfangen wird; vgl. Sch. Aristoph. Ran. 333 (Hades ist bereit, die Seele der Semele an Dionysos herauszugeben, unter der Bedingung): τοῦ Διονύσου τῶν μάλιστα τερπόντων αὐτῷ ἀντίψυχον ἀντ’ ἐκείνης πέμψαντος.
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terbliebenen empfohlen17. – So wie der Hinweis auf die Unabwendbarkeit des Todes ist auch die Erwähnung der Nachkommenschaft, der Hinterlassung von Kindern – besonders bei Frauen – ein verbreiteter Topos des Grabepigramms18. Das Besondere an unserer Stelle ist nur, daß er so unmittelbar (γάρ!) mit dem „Verbot“ der Trauer verknüpft wird und damit gleichberechtigt neben das erste Argument (γάρ V. 8) tritt. Alles in allem kann man dem Gedicht kaum besondere poetische Qualitäten zusprechen. Verwendung „handwerklichen“ Formulars und ein gewisses Streben nach Originalität stehen nebeneinander und tragen nicht eben zum Verständnis bei. Es ist ein Produkt der Spätzeit und wohl auch nach der Schrift ins frühe 2. Jahrhundert zu setzen. Es überrascht, in der alten Metropole Ioniens ein Epigramm von so zweifelhafter Gräzität zu finden.
17 Vgl. dafür etwa Peek 1068, 15 κούρην δ’, ἣν τέκομεν, γεραροὶ κομέουσι τοκῆες, 1078,5 ἀνδρὶ δὲ τέκνα ἔλιπον Λυσιξένῳ ἠδὲ γονεῦσιν ὀρφανὰ ταῦτα τρέφειν ματρὸς ἔρημα νέας, 2028,11 (παῖδες), οὓς ἀντ’ ἐμεῖο Τα[ίναρ]ος φίλη πατρὶς μήτηρ τε κλεινὴ καὶ σύνευνος, καὶ φίλοι [ἄγοιεν] εἰς βίοιο γηραιὸν μέτρον. Es scheint übrigens, daß in den Resten der letzten Zeile noch der Name dieses Knaben erhalten ist: Philokrates (Lesung von W. Peek). 18 Ein ephesisches Epigramm (Peek 1645 {Merkelbach – Stauber, SGO I 03/02/58}) beruft sich dafür auf den Homervers γ 196 ὡς ἀγαϑὸν καὶ παῖδα καταφϑιμένοιο λιπέσϑαι (ἀνδρός). Andererseits finden sich Klagen, wenn kein Kind zurückgeblieben ist (z. B. Peek 1121; 1346). In dem Typus der Kurzdialoge zwischen Wanderer und Totem hat nach dem „Wer“ und „Woher“ die Frage nach Kindern einen traditionellen Platz (etwa Peek 1858; 1859; 1861; 1863; 1870; allgemeiner 1864; 1869).
22 N eue Urkunden zur Geschichte von Milet im 2. Jahrhundert v. Chr. Der folgende Aufsatz behandelt zwei sachlich zusammengehörige Inschriftenfunde aus Milet, die ich gelegentlich der Grabungskampagne 1963 der Milet-Grabung aufnehmen und bearbeiten konnte. Sie stellen eine wertvolle Bereicherung unserer Kenntnis der Geschichte von Milet in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. dar, indem sie uns einerseits für die Beziehungen der Stadt sowohl zu Eumenes II. wie auch zu Antiochos IV. neue interessante Details vermitteln, andererseits für die damalige Situation der von Milet absorbierten Nachbarstadt Myus wichtige Aufschlüsse gewinnen lassen.
1 Rundmonument für den milesischen Politiker Eirenias In dem südöstlich von Milet gelegenen Dorf Yeniköy1 wurden Mitglieder der Milet-Grabung im Jahre 1960 auf einen in einem Garten nahe dem Dorfe gelegenen Ziehbrunnen aufmerksam gemacht, in dem ein antiker Inschriftstein verbaut war. Ch. Habicht und W. Müller-Wiener konnten bei einem Besuch des etwa 1 km nördlich des Dorfes gelegenen Brunnens im Oktober 1960 feststellen, daß es sich um einen großen, von einem Rundmonument stammenden Marmorblock handelte, der den Anfang eines hellenistischen Volksbeschlusses enthielt, von dem Ch. Habicht eine erste Abschrift nahm (Block I). Wie sich zeigte, waren in der darunterliegenden Schicht der Brunnenwandung noch sieben weitere offensichtlich von demselben Runddenkmal stammende Blöcke verbaut, und zwar mit der ehemaligen Außenseite nach außen gerichtet, so daß zu näherer Untersuchung erst die Freilegung des Brunnens von außen nötig war. Diese Untersuchung konnte während der Grabung im September 1963 durchgeführt werden2. Es stellte sich heraus, daß sieben der insgesamt acht in dem Brunnen verbauten Blöcke von der obersten Schicht des Denkmals stammen, da sie sämtlich am oberen Rand ein vorspringendes Profil aufweisen. Ihre Vermessung und die danach vorgenommene Rekonstruktion ergaben, daß damit aber noch nicht die Gesamtzahl der Blöcke dieser obersten Schicht erhalten ist, sondern daß aller Wahrscheinlichkeit IstMitt 15, 1965, 71–117 und 4 Abbildungen. 1 Über die Lage dieses Dorfes vgl. Hermes 86, 1958, 117 {hier S. 249}, wo zwei dort abgeschriebene Grabepigramme mitgeteilt worden sind. 2 Für die Betrauung mit dieser Aufgabe sowie die Überlassung der Publikation der Inschrift habe ich G. Kleiner zu danken. Bei der Freilegung haben die türkische Kommissarin der Grabung, Frl. Lale Anar, wertvolle organisatorische Hilfe, Herr Ing. A. Hochleitner sehr umsichtige und geschickte technisch-praktische Hilfe geleistet.
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nach noch zwei Blöcke fehlen. Das Denkmal hatte den beachtlichen Durchmesser von ca. 2,65 m, war also wesentlich stattlicher als das ungefähr zur selben Zeit in Milet errichtete ähnliche Rundmonument des Ionischen Bundes für Eumenes II. mit seinem Durchmesser von 1,74 m. Auf diese oberste Steinlage war nach oben hin eine etwa 25 cm zurückspringende Schicht oder Stufe aufgesetzt, so daß man sich als eigentlichen Unterbau der Statue wohl noch einen stufenförmig sich verjüngenden Aufsatz zu denken hat. Aus der mit dem Profil versehenen obersten Steinlage sind zwei Blöcke mit einer Inschrift beschrieben (der schon früher sichtbare Block I und ein neu gefundener Block II), und zwar sind es zwei aneinander anschließende Steine, wie durch das genaue Anpassen und die deutliche Übereinstimmung der Klammerspuren gesichert ist. (Ein weiterer einwandfreier Beweis für die Zusammengehörigkeit der beiden Blöcke ist übrigens auch die Tatsache, daß ein auf der Oberseite der beiden Blöcke eingekratztes Alphabet, wohl die Kritzelei eines Jugendlichen, sich über die Steinfuge hinweg genau fortsetzt.) Die Inschrift ist auf zwei Kolumnen verteilt, die dicht nebeneinander liegen und nur durch die Steinfuge sowie einen ganz leichten, etwa 1,5 cm breiten Saumschlag an der linken Kante des rechten Steines getrennt sind. Außerdem fand sich in dem Brunnen ein dritter Block, der die Enden bzw. ungefähr das letzte Drittel von sieben Zeilen derselben Inschrift enthält. Da er keinen profilierten Rand aufweist, gehört er nicht der obersten Steinschicht, sondern einer tieferen Lage an. Nun ergibt sich aus dem Inhalt, daß er einmal den Schluß der Inschrift enthält, zum anderen aber sachlich unmittelbar an den Text von Block II, also der zweiten Kolumne, anschließt. Er stammt also aus der zweitobersten Schicht, deren Fugen gegenüber der obersten Schicht versetzt waren, woraus sich erklärt, daß er nur Zeilenenden enthält. Der Befund ergibt somit, daß 1. die ganze Inschrift nur zwei Kolumnen umfaßt hat, und 2. die rechte Kolumne jedenfalls nur bis zur zweitobersten Schicht gereicht hat. Da bei der recht sorgfältigen Ausführung des Denkmals mit einer gewissen Symmetrie in der Verteilung der Inschrift zu rechnen ist, wird auch die linke Kolumne der Schrift etwa die gleiche Länge gehabt haben, also noch mit etwa sieben oder etwas mehr Zeilen auf die zweitoberste Schicht gereicht haben und nicht etwa noch bis zur dritten Schicht gegangen sein. Mithin dürften nur zwei Blöcke mit Teilen der Inschrift fehlen, ein Block, der links unter Block I saß und die Zeilenanfänge vom Schluß der ersten Kolumne enthielt, und der rechts daran anschließende Block, auf dem die Zeilenenden der ersten und die Zeilenanfänge der zweiten Kolumne gestanden haben müssen. Die drei beschriebenen Blöcke des Runddenkmals sind aus dem Brunnen her |ausgenommen worden und haben im Hof des neuen Museums in Milet eine provisorische Aufstellung gefunden. – Über die Herkunft der Blöcke war leider gar nichts in Erfahrung zu bringen: nach Auskunft der Einheimischen stammt der Brunnen noch aus der „griechischen“ Zeit vor der Wiederbesiedlung dieses Gebietes durch türkische Rückwanderer um die Mitte der Zwanzigerjahre. So kann man nur mit einiger Sicherheit annehmen, daß sie aus dem ja nicht sehr weit entfernten Stadtgebiet von Milet verschleppt worden sind.
22 Neue Urkunden zur Geschichte von Milet im 2. Jahrhundert v. Chr.
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Block I: Bogenlänge 95, Höhe 38, Dicke 65 cm Block II: Bogenlänge 102,5, Höhe 38, Dicke 65 cm Block III: Bogenlänge 131,5, Höhe 35,5, Dicke 60 cm Buchstabenhöhe 0,8–1,4 cm; Zeilenabstand 0,5–1 cm. Block I (Abb. 1) {Milet VI 3 n. 1039 I} Ἔδοξε τῶι δήμωι· οἱ πρυτάνεις καὶ οἱ εἱρημένοι ἐπὶ τῆς φυλακῆς εἶπαν· ἐπει δὴ Εἰρηνίας Εἰρηνίου τὴν καλλίστην διὰ παντὸς ὑπὲρ τῶν συμφερόντων τῆι πόλει ποιούμενος ἐκτένειαν καὶ ἀεί τι τῶν πρὸς ἐπιφάνειαν καὶ δόξαν ἀνηκόν4 των συγκατασκευάζων τῆι πατ‹ρ›ίδι, ἐντυχὼν δὲ καὶ βασιλεῖ Εὐμένει κατὰ τὴν δο ϑεῖσαν ὑπὸ τοῦ πλήϑους αὐτῶι συγχώρησιν καὶ διὰ τῆς ἰδίας συστάσεως προτρεψάμενος αὐτὸν δοῦναι τῆι πόλει δωρεὰν πυρῶν μεδίμνων μυριά δας δεκαὲξ εἰς κατασκευὴν γυμνασίου καὶ ξύλωσιν εἰς τὰ δεδηλωμένα 8 τὴν ἱκανήν, τοῦ δὲ δήμου ψηφισαμένου τὰς ἁρμοζούσας ἐπὶ τοῖς προειρη μένοις τιμὰς τῷ βασιλεῖ καὶ πρεσβευτὴν ἐξαποστείλαντος Εἰρηνίαν δια λεγεὶς μετὰ πάσης φιλοτιμίας καὶ παραστησάμενος αὐτὸν προσεπαυ ξῆσαί τε τὰ κατὰ τὴν ἐπαγγελίαν καὶ τὰς δαπάνας τὰς εἰς τὴν συν12 τέλειαν τῶν τιμῶν ἀναδέξασϑαι παρ’ αὑτοῦ ὥστε τὴν μὲν τοῦ πλή ϑους εἰς τοὺς εὐεργέτας εὐχαριστίαν φανερὰν πᾶσιν καταστῆσαι, τὰς δὲ εἰς τὰ δεδηλωμένα χορηγίας ἐκ τῶν τοῦ βασιλέως ὑπηρετηϑῆ ναι, καλὴν καὶ συνφέρουσαν οὐ μόνον ἐπὶ τοῦ καϑήκοντος, ἀλλὰ [ circa 7 Zeilen ] Block II + III (Abb. 2) {Milet VI 3 n. 1039 II + III mit Taf. 5} Ἀντιόχου καὶ παραστησάμενος αὐτὴν εἰς τὸ λαβεῖν παρὰ τοῦ ἀδελφοῦ βασιλέως Ἀντιόχου ἀτέλειαν τῶι δήμωι πάντων τῶν ἐκ τῆς Μιλησίας εἰσ αγομένων γενημάτων εἰς τὴν βασιλείαν, ὥστε διὰ τῆς γεγενημένης 4 συγχωρήσεως ἔνδοξον μὲν τὴν δωρεὰν εἰς ἅπαντα τὸν χρόνον γεγονέναι, πρὸς ἐπαύξησιν δὲ ἀνήκουσαν τῶν τε τῆς πόλεως καὶ τῶν ἑκάστου τῶν ἰδιωτῶν προσόδων, καὶ ἐν ἅπασιν καὶ λόγωι καὶ ἔργωι σπεύδων ὑπὲρ τῆς πατρίδος καϑότι προσήκει τὸν ἀγαϑὸν πολίτην· 8 ὅπως οὖν καὶ ὁ δῆμος τὰς ἁρμοζούσας ἀπονέμων φαίνηται τιμὰς τοῖς καλοῖς καὶ ἀγαϑοῖς τῶν ἀνδρῶν καὶ τῆς εἰς τὸ πλῆϑος φιλοδοξίας καὶ εὐνοίας τὰς μεγίστας ἀποδείξεις διὰ πληόνων πε‹π›οιημένοις δι’ αὐτῶν τῶν ἔργων περὶ τῶν ἐνδοξοτάτων ἀγωνισταῖς γινομένοις· δεδόχϑαι Μειλησίοις 12 Εἰρηνίαν μὲν ἐπῃνῆσϑαι ἐπὶ τούτοις καὶ εἶναι ἐν ἐπιμελείαι παρὰ τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμῳ, στῆσαι δὲ αὐτοῦ καὶ εἰκόνα χρυσῆν ἐν ὧι ἂν ὁ δῆμος ἀποδείξῃ τόπωι· τῆς δὲ τιμῆς ἐπικυρωϑείσης ἐν τῶι δικαστηρίωι [– – – – – – – – – – ποιήσασϑαι τὴν ἀναγ]γελίαν τοὺς μὲν ἀγωνοϑέ16 [τας – – – – – – – – – – – – – – – τοὺς δὲ] βασιλεῖς Διονυσίων ἐν τῆι κατὰ [– – – – πανηγύρει?, τοὺς δὲ ἀνατάκτας] ἐξελεῖν τὸ ἱκανὸν διάφο [ρον – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]νος· ἑλέσϑαι δὲ καὶ ἐπιστάτας
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[τρεῖς? οἵτινες ἐπιμελήσονται τῆς το]ῦ ἀνδριάντος συντελείας 20 [– – – – – – – – – – – – – – – – – – ἀναγ]ράψαι τὸ ψήφισμα [τόδε εἰς τὴν βάσιν τῆς εἰκόνος. ] I 4 ΠΑΤΕΙΔΙ ΙΙ 10 ΠΕΙΤΟΙΗΜΕΝΟΙΣ. Mehrfach ist in der Inschrift der Querstrich des A vergessen worden (I 10 αὐτόν, 11 δαπάνας, 14 δεδηλωμένα, II 18 ἑλέσϑαι).
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Die Schrift ist an sich ganz sorgfältig ausgeführt, wirkt aber durch die stark wechselnde Buchstabengröße, durch sehr unterschiedliche Ausführung der Buchstaben im einzelnen sowie allgemein durch den Schriftcharakter recht unruhig und wenig ausgewogen. Die recht kräftig und breit eingegrabenen Buchstaben sind an fast allen Strichenden mit bereits zu Apices entwickelten Verdickungen versehen, die bei der Kleinheit der Buchstaben besonders hervortreten und die Klarheit der Zeichen beeinträchtigen. Die besonders für das spätere 2. Jahrhundert bekannte Tendenz zu einer gewissen manierierten Überwucherung der Schrift ist hier schon deutlich zu spüren. Zu den Buchstabenformen im einzelnen: A wird durchgehend noch mit gerader, nicht gebogener oder gebrochener Querhaste geschrieben3. Das Z erscheint dagegen schon in der jüngeren Form mit dem schrägen Mittelstrich, was für diese Zeit bemerkenswert ist4. Θ hat noch den Punkt in der Mitte, der allerdings meistens zu einem kleinen dreizackigen Stern verziert ist5. Die äußeren Hasten beim M gehen deutlich auseinander. Das N weist häufig, aber nicht durchgehend, die ältere Form auf, wo die rechte Haste noch nicht den | unteren Zeilenrand erreicht. Ξ hat den senkrechten Mittelstrich, also die ältere Form6. Das O ist, ähnlich wie auch Θ und Ω, zum Teil kleiner als die übrigen Buchstaben, es „hängt“ manchmal, aber nicht immer, am oberen Zeilenrand7. Beim Π greift der waagerechte Strich nach beiden Seiten über die senkrechten hinaus und ist an den Enden verziert;
3 A. Rehm hat Milet I 3 p. 122 und IvDidyma p. 97 und 252 das A neben dem Π als einen in Milet recht zuverlässigen „Leitbuchstaben“ für die Datierung bezeichnet. Danach erfolgte die Ablösung von A mit geradem durch A mit gebrochenen Querstrich etwa um die Wende vom 3. zum 2. Jahrhundert. Aber ebenso wie die Laodike-Urkunde IvDidyma 492 die jüngere Form des A mit gebogenem Querstrich schon für die Mitte des 3. Jh.s zeigte, gibt nun die Eirenias-Inschrift andererseits einen sehr späten Beleg für die alte Form, so daß wir doch auch in Milet wie anderwärts mit einer längeren Übergangszeit zu rechnen haben werden. 4 Man vgl. die Literaturhinweise bei L. Robert, Hellenica XI/XII 540 Anm. 3. 5 Ähnlich auch in den übrigen Eumenes-Inschriften Milet I 9 n. 306 und 307, IvDidyma 488 sowie unten Nr. 2 b. 6 So auch Milet I 9 n. 306, IvDidyma 142 und 488 sowie unten Nr. 2 b, während Milet I 9 n. 307 beide Formen nebeneinander aufweist. Daß Ξ kein „Leitbuchstabe“ ist, betont A. Rehm, IvDidyma p. 252. 7 Man vgl. dafür M. Holleaux, Études III 169.
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die rechte Haste ist noch verkürzt8. P weist eine verhältnismäßig große Schleife auf. Die äußeren Hasten beim Σ stehen ganz oder annähernd parallel; die inneren Hasten zeigen eine Tendenz zu bogenförmiger Rundung. Das T ist, wie man das für späthellenistische Inschriften auch anderweitig notiert hat, gelegentlich kleiner als die übrigen Buchstaben9. Das Y hat häufig die sich dem lateinischen V annähernde weit geöffnete Form. Beim Φ begegnet wiederholt, wenn auch nicht durchgehend, die „Bogenform“, wie sie in Milet aus derselben Zeit z. B. auch sehr schön in der Architrav-Inschrift vom Propylon des Rathauses zu sehen ist10. In der Orthographie gibt es kaum Besonderheiten: für εἱρημένοι I 1 statt ᾑρημένοι s. den Kommentar. II 10 erscheint πληόνων, II 11 Μειλησίοις (gegenüber Μιλησίας II 2). Das Iota adscriptum fehlt II 14 beim Konjunktiv ἀποδείξῃ und zweimal in Dativ endungen (I 9 τῷ, II 13 δήμῳ), in denen es sonst regelmäßig geschrieben wird. II 11 steht ἐνδοξοτάτων ohne Längung des o. In Fragen der Assimilation bei Komposita ist man inkonsequent: I 5 συνχώρησιν gegenüber II 4 συγχωρήσεως, I 15 συνφέρουσαν gegenüber I 2 συμφερόντων. Übersetzung Block I Beschluß des Volkes. Die Prytanen und die zum Schutz (der Stadt) Gewählten haben folgenden Antrag gestellt: Eirenias, Sohn des Eirenias, bemüht sich jederzeit in vortrefflicher Weise um das Wohl der Stadt und wirkt stets mit, seiner Heimat Glanz und Ruhm zu verschaffen. Als er gemäß der ihm vom Volk erteilten Erlaubnis bei König Eumenes eine Audienz erhielt, hat er ihn dank seines guten Verhältnisses (zu ihm) dazu bewogen, der Stadt als Geschenk 160.000 Medimnen Weizen zum Bau eines Gymnasiums zu geben sowie die zu dem genannten Zweck ausreichende Holzausstattung. Als daraufhin das Volk wegen dieser genannten Dinge entsprechende Ehren für den König beschlossen und Eirenias als Gesandten zu ihm geschickt hatte, da unterhielt er sich mit ihm voll Eifer und erreichte es, daß der König die versprochene Stiftungssumme noch erhöhte und außerdem die Kosten für die Aus|führung der (ihm zugesprochenen) Ehren selbst übernahm, so daß einerseits die Dankbarkeit des Volkes seinen Wohltätern gegenüber für alle deutlich erkennbar wird und andererseits die Aufwendungen für den angegebenen Zweck aus den Mitteln des Königs bestritten werden. Eirenias hat aber nicht nur da, wo man es von ihm erwarten konnte, eine erfreuliche und [für die Stadt] vorteilhafte [Tätigkeit entfaltet], sondern [auch - - -]
8 Hier entspricht der Befund den Feststellungen, die A. Rehm für diesen „Leitbuchstaben“ getroffen hat (s. oben Anm. 3). 9 M. Holleaux, Études II 79. 10 Milet I 2 p. 73 Abb. 98. Diese Form des Φ auch IvDidyma 488 und unten in Nr. 2 b.
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Block II + III … des [Königs] Antiochos und bewog sie, von ihrem Bruder, dem König Antiochos, zugunsten des Volkes (von Milet) Zollfreiheit zu erwirken für alle aus dem Territorium von Milet in das Königreich eingeführten Produkte, so daß durch die Gewährung dieses Privilegs der Stadt ein für alle Zeit rühmenswertes Geschenk zuteil geworden ist, das eine Vermehrung der Einkünfte der Stadt wie auch jedes einzelnen Privatmannes mit sich bringt. In allen Fällen setzt sich Eirenias in Wort und Tat mit Eifer für seine Vaterstadt ein, so wie es sich für den guten Bürger geziemt. Um deutlich zu zeigen, daß das Volk verdienten Männern, die zu wiederholten Malen die größten Beweise ihrer eifrigen und wohlwollenden Gesinnung dem Volke gegenüber erbracht haben und durch ihre Taten selbst zu Vorkämpfern für Ruhm und Ehre (der Stadt) geworden sind, die ihnen gebührenden Ehren zuteil werden läßt, mögen die Milesier folgendes beschließen: Man soll Eirenias aufgrund dieser Leistungen belobigen und es soll ihm die besondere Fürsorge von Rat und Volk zuteil werden. Man soll auch ein goldenes Standbild von ihm errichten an einem vom Volke zu bestimmenden Platz. Nach der Bestätigung dieser Ehren in dem Gerichtshof [… sollen für die öffentliche] Bekanntgabe [sorgen] die Agonotheten [bei den …], die Könige an den Dionysien bei der [… Festversammlung? Die Kommission für das städtische Budget] soll die dafür ausreichende Summe bereitstellen […] Man soll auch [drei?] Aufseher wählen, [die] für die Fertigstellung des Standbildes [zu sorgen haben … soll] diesen Beschluß aufzeichnen [auf der Basis des Standbildes.]
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Bevor wir den Text im einzelnen betrachten, sei eine kurze Bemerkung zur Person des Geehrten vorausgeschickt. Der hier genannte Eirenias ist eine uns durch eine ganze Anzahl inschriftlicher Zeugnisse bekannte vermögende und einflußreiche Persönlichkeit im Milet der 1. Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts (s. zuletzt A. Rehm, IvDidyma p. 130). Er entstammte einer angesehenen milesischen Familie, in der mehrere Propheten und Stephanephoren erscheinen, und wurde wohl schon in jungem Alter innerhalb der näheren Verwandtschaft von einem Eirenias, der ein Vetter seines leiblichen Vaters Hekataios gewesen sein kann (vgl. das Stemma von Rehm, IvDidyma p. 164), adoptiert. Daß die Fa|milie vermögend war, konnte man schon aus der Namensliste der milesischen Stadtanleihe von 205/4 ersehen, wo der Vater Hekataios gleich für zwei Söhne, darunter unseren Eirenias, den vorgeschriebenen Betrag von je 3.600 Drachmen zeichnete (Milet I 3 n. 147, 87 f.). Dazu kam nun unter den Inschriften von Didyma ein leider sehr stark verstümmelter Ehrenbeschluß für Eirenias selbst (n. 142), in dem vornehmlich von finanziellen und materiellen Leistungen zugunsten des Staates und seiner Bürger in schwierigen Situationen die Rede gewesen zu sein scheint. Besonders bekannt ist uns aber von Eirenias seine Wirksamkeit für Milet im politisch-diplomatischen Bereich als schon mehrfach bezeugter Gesandter der Milesier (und einmal des Ionischen Bundes) an König Eumenes II., woraus schon A. Rehm (Milet I 9 p. 149) geschlossen hatte, daß er geradezu „der ständige Mittelsmann zwi-
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schen seiner Vaterstadt und dem König, ja der Träger der pergamenerfreundlichen Politik Milets“ gewesen sei. In eben diesen Bereich seiner Tätigkeit führen nun unser neuer Text und die weiter unten folgende Inschrift 2 b, wobei sie unser Wissen von der Person des Eirenias wie auch den damaligen politischen Beziehungen Milets in gleicher Weise durch interessante Details bereichern. Kommentar I 1: Nach der hier verwendeten Formel des Präskripts handelt es sich bei diesem Text um einen Volksbeschluß, der aufgrund eines Antrags der Prytanen und des Kollegiums der ᾑρημένοι11 ἐπὶ τῆι φυλακῆι (hier in der bisher nicht belegten abweichenden Genetiv-Konstruktion ἐπὶ τῆς φυλακῆς12) zustande gekommen ist. Genau dieselbe Form des Präskripts steht auch in dem Ehrenbeschluß für Eumenes II. (Milet I 9 n. 307) und scheint auch in dem recht verstümmelten Dekret für Eirenias aus Didyma (IvDidyma 142, 4) zu ergänzen zu sein, also in zwei Urkunden, die unserem Text zeitlich und sachlich ganz nahestehen (s. unten S. 294 f.). Welche besonderen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen hinter diesem Dekretformular stehen, ist allerdings nicht mit Sicherheit zu ermitteln13, so wie auch die genaue Funktion der ᾑρημένοι ἐπὶ τῇ φυλακῇ unbekannt ist14.
11 Die Schreibung εἱρημένοι begegnet auch Milet I 3 n. 149, 3 und 53; 150, 7 und 91; I 9 n. 307, 1 (vgl. B. Bondesson, De sonis et formis titulorum Milesiorum Didymaeorumque, Diss. Lund 1936, 58); welche Form IvDidyma 142, 4 stand, ist ungewiß: die Lesung N[ nach καὶ οἱ läßt die Wahl zwischen H und E offen. 12 Belege für die dativische Form im Index Milet I 3 p. 313, dazu noch IvOlympia 52, 29 (Syll.3 683). In dem Dekret für Eumenes Milet I 9 n. 307, 1 ist der Stein unmittelbar nach ἐπὶ τῆ zerstört, so daß neben dem bisher ergänzten Dativ auch der Genetiv möglich wäre (so wie auch in dem noch stärker zerstörten Eirenias-Dekret IvDidyma 142 – s. Anm. 11). 13 In mehreren anderen hellenistischen Volksbeschlüssen erscheinen neben diesen beiden Körperschaften noch die (ἀποδειχϑέντες) σύνεδροι im Präskript: vgl. die Zusammenstellung und Untersuchung von F. W. Schehl, TAPhA 82, 1951, 117 ff. Schehl nimmt an (p. 124), daß in bestimmten „foreign affairs“ Prytanen und ᾑρημένοι ἐπὶ τῇ φυλακῇ allein den Antrag stellen konnten, in anderen Fällen der „foreign“ sowie der „domestic policy“ aber die σύνεδροι hinzugezogen werden mußten (Verträge mit auswärtigen Staaten; Bürgerrechtsverleihungen; städtische Anleihe). Möglicherweise haben wir aber gar nicht ein Nebeneinander zweier Möglichkeiten vor uns, sondern ein zeitliches Nacheinander: der späteste Beleg für Mitwirkung der σύνεδροι ist der Vertrag mit Herakleia am Latmos (Milet I 3 n. 150 = Syll.3 633), von Rehm zuletzt (SBMünchen 1923, 8, p. 13; vgl. IvDidyma p. 254) auf Frühjahr 173 datiert. Die auf Eumenes II. und Eirenias bezüglichen Urkunden, die uns Prytanen und ᾑρημένοι ἐπὶ τῇ φυλακῇ allein in Funktion zeigen (bei IvDidyma 142 ist leider die Zeilenlänge nicht bekannt, doch scheint Rehms Ergänzung vor allem aus Gründen der Symmetrie richtig zu sein und eine Nennung der σύνεδροι somit auszuschließen), sind demgegenüber vermutlich in etwas spätere Zeit zu setzen (s. S. 296 f.). 14 Schehl a. a. O. macht es mit guten Gründen glaubhaft, daß die ᾑρημένοι ἐπὶ τῇ φυλακῇ im hellenistischen Milet die Rolle der vorher (bis zur Zeit Alexanders d. Gr.: Syll.3 273, 36) und nachher (in augusteischer Zeit: IvDidyma 199, 3) belegten Strategen übernommen haben.
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I 3–4: Für die verbreitete Verbindung τὰ πρὸς (εἰς) … ἀνήκοντα vgl. die Belegsammlungen von M. Holleaux, Études I 319; A. Wilhelm, AnzWien 1920, 49; L. Robert, Villes d’Asie Mineure 32 Anm. 2. Gerade συγκατασκευάζειν wird in diesem Zusammenhang häufig gebraucht. Die ganze hier erscheinende Wendung begegnet in fast wörtlicher Übereinstimmung in dem Brief Eumenes’ II. an den Ionischen Bund (Milet I 9 n. 306, 19 = OGI 763), wo der König das ihm übermittelte Dekret des Bundes weitgehend wörtlich referiert. Es ist schön, daß sich diese Floskel durch den Neufund von Yeniköy nun geradezu als milesisch erweist. ἐπιφάνεια, verbunden mit εὐδαιμονία, findet sich in Milet auch in dem Beschluß für Ptolemaios II. (Milet I 3 n. 139, 25). I 4–5: Eirenias ist mit König Eumenes zusammengetroffen „gemäß der ihm vom Volk erteilten Erlaubnis bzw. Ermächtigung (συγχώρησις)“. Das läßt vermuten, daß er hier weitgehend in eigener Initiative gehandelt hat und für sein Vorhaben nur die Zustimmung der Milesier eingeholt hatte, also nicht eigentlich, wie sonst entsprechende Gesandte, „im Auftrag“ seiner Stadt verfahren war15. Was ihm dabei zum Erfolg verhalf, war seine eigene σύστασις, seine „guten Beziehungen“ zum König. So kann man wohl diesen Ausdruck wiedergeben, dessen Verwendung im politischen und besonders „höfischen“ Bereich einige Stellen bei Polybios gut illustrieren können16. I 6: In der Bedeutung „jem. bewegen, veranlassen, etwas zu tun“ wird in der Inschrift außer dem hier erscheinenden προτρέπομαι (mit dem bloßen Infinitiv17)
15 Man vgl. dafür das delphische Dekret Syll.3 671 B (Pouilloux, Choix d’inscriptions grecques 12), wo die delphischen Gesandten die zweite Schenkung des Eumenes erwirken (Z. 10) παρακαλέσοντες κατὰ τὰς δεδομένας αὐτοῖς ἐντολάς. – Ein freiwilliges Anerbieten des Eirenias im Zusammenhang mit den späteren Beziehungen zu Eumenes wird möglicherweise auch in der folgenden Inschrift 2 b 15 erwähnt. 16 Z. B. Polyb. IV 82, 3: Philipp hört besonders auf den älteren Aratos διὰ τὴν πρὸς Ἀντίγονον σύστασιν. XX 5, 14 τὰ μὲν οὖν κατὰ τὴν οἰκίαν τὴν Νέωνος (böot. Hipparch) τοιαύτην ἔλαβε τὴν ἀρχὴν … τῆς πρὸς Μακεδόνας συστάσεως. XXVII 15, 1 Κέφαλος ἧκεν ἐξ Ἠπείρου, ἔχων μὲν καὶ πρότερον ἤδη σύστασιν πρὸς τὴν Μακεδόνων οἰκίαν (vgl. ib. 8). Diese Beziehungen können schon von den Vorfahren her stammen, wie im Falle des Naravas gegenüber den Karthagern (Polyb. I 78, 1 οὗτος ἀεὶ μὲν οἰκείως διέκειτο πρὸς τοὺς Καρχηδονίους πατρικὴν ἔχων σύστασιν) oder des Aratos gegenüber den Ptolemäern (XXVI 6, 6 … διὰ τὰς προγονικὰς συστάσεις πρὸς τὴν βασιλείαν). Instruktiv ist auch eine Stelle bei Plutarch Mor. 533 E (de vitioso pudore 12), wo es heißt: „Aus dem Unvermögen, Nein zu sagen, versprechen wir hartnäckigen Bittstellern selbst viele uns unmögliche Dinge, ὡς συστάσεις ἐν αὐλαῖς καὶ πρὸς ἡγεμόνας ἐντεύξεις, also Beziehungen bei Hofe und Audienzen bei hochgestellten Persönlichkeiten (Kaiser, Statthalter?).“ 17 Man vgl. z. B. Syll.3 717, 79 προτρεψάμενος τοὺς [δυ]ναμένους τῶν ἐφήβων συνε[πιδ]ο[ῦ]ναι ἑαυτούς; Sardis VII 1 n. 20, 27 ἐδίκτῳ προτραπέντες ποιή[σασϑαι] τὴν ἰδίαν ἐμφάνιαν. L. Robert, Hellenica ΧΙ/ΧΙΙ 205 Ζ. 19 (ὅπως) … προτρέπωνται δὲ καὶ οἱ [λοιποὶ εἰς τὰ παρα]καλούμενα προϑύμους ἑαυτοὺς ἐπι[διδόναι]. Über die häufige Verwendung dieses Ausdrucks in Ehreninschriften L. Robert, Anatolian Studies Buckler 236 f., Hellenica XI/XII 213. In der Inschrift Latyschew IosPE I2 356, 6 = IV 69 ist vor dem Infinitiv noch ein εἰς ergänzt worden: προτρεπόμενοι πλεί[ους εἰς τὸ καλοὺς κἀγα]ϑοὺς εἶμεν ἄνδρας.
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zweimal παρίσταμαι gebraucht: I 10 mit dem bloßen Infinitiv konstruiert18, II 1 mit εἰς verbunden. Ein Bedeutungsunterschied ist hier nicht erkennbar19. I 6–8: Über die Art und Weise, wie die Getreidespende zum Bau eines Gymnasiums verwendet werden konnte, gibt uns der Bericht des Polybios über ein ganz ähnliches Geschenk desselben Eumenes an die Stadt Rhodos Aufschluß: XXXI 31, 1 (163–160 v. Chr.) ἐπεδέξαντο γὰρ (sc. οἱ Ῥόδιοι) σίτου μυριάδας ὀκτὼ καὶ εἴκοσι παρ’ Εὐμένους χάριν τοῦ τὸ λογευϑὲν ἐκ τούτων δανείζεσϑαι, τὸν δὲ τόκον εἰς τοὺς μισϑοὺς ὑπάρχειν τοῖς παιδευταῖς καὶ διδασκάλοις τῶν υἱῶν. Es handelt sich also um eine echte Stiftung20, bei der der aus dem Verkauf des Getreides stammende Erlös als Stiftungskapital diente. Während in Rhodos aus den eingehenden Zinsen die Lehrer besoldet werden sollten, waren diese Erträge in Milet für den Bau des Gymnasiums selbst vorgesehen. In beiden Fällen war also in überlegter Weise die Stiftung selbst kombiniert mit einer für diese Städte sicher sehr willkommenen größeren Getreidelieferung. Der Reichtum des pergamenischen Reiches an Cerealien ist bekannt und wird gerade auch durch mehrere anderweitige Nachrichten über Getreidegeschenke der Attaliden illustriert21. Die | 160.000 Medimnen Weizen entsprechen nach unserer Rechnung einer Menge von 6–7.000 Tonnen. Der daraus erzielte Erlös kann je nach der Höhe des Verkaufspreises eine Summe von ungefähr 100 bis zu 290 Talenten gewesen sein22. Bei dem damals verbreiteten Zinssatz von 18 Beispiele für diese Konstruktion bei M. Holleaux, Études II 196. 19 M. Holleaux, Études II 197 gibt als Bedeutung von παρίστασϑαι „déterminer à“, von προτρέπεσϑαι „inciter à“ an. 20 B. Laum, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike (1914) II 42 n. 40. Vgl. vorher schon E. Ziebarth, Zeitschr. f. vergl. Rechtsw. 19, 1906, 307 (ders., Aus dem griech. Schulwesen2 46), der darauf hinweist, daß laut Diodor XXXI 36 beim Tode des Eumenes noch 30.000 Medimnen der versprochenen Getreidemenge ausstanden. 21 Die Belege bei M. Rostovtzeff, Anatolian Studies Ramsay (1923) 377 Anm. 1 und in der Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt III 1214 Anm. 330 (vgl. E. V. Hansen, The Attalids of Pergamon 193): OGI 748, 18 ff. ein Getreidegeschenk des Philetairos im Galaterkrieg an die Stadt Kyzikos, das aus Weizen und Gerste bestand (die Mengenangaben sind nicht erhalten); das in Z. 23 dieser Inschrift gelesene κ]ατασκευήν könnte übrigens vermuten lassen, daß es sich wie in Milet um eine Stiftung zur Errichtung eines Gebäudes handelt. Polyb. XVIII 16, 3 (Liv. XXXII 40, 8) ein Geschenk Attalos’ I. von 10.000 Medimnen Weizen an die Stadt Sikyon (198 v. Chr.). Man vgl. auch in dem Korragos-Dekret von Bursa die Angabe, daß durch Vermittlung des Geehrten der durch Krieg geschädigten Stadt vom König Getreide als Saatgut und zur Ernährung der Bevölkerung geschenkt wurde (M. Holleaux, Études II 75 Z. 17 u. S. 103) sowie die Inschrift aus Apollonis Keil – v. Premerstein, Bericht über eine zweite Reise in Lydien 53 n. 113, 6 mit der Ergänzung von L. Robert, Villes d’Asie Mineure 32 Anm. 2 {TAM V 2 n. 1187}. 22 Der Weizenpreis in Delos scheint in der Zeit von etwa 190 bis 170 v. Chr. bei 10–11 Drachmen pro Medimnos gelegen zu haben (vgl. F. Heichelheim, Wirtschaftliche Schwankungen … 133 f.; ders., RE Suppl. VI 890; J. A. O. Larsen bei Tenney Frank, An economic survey of ancient Rome IV 384). Der Preis von 3–4 Drachmen, von dem wir gelegentlich der Stiftung des Massinissa 180/79 erfahren (I. Délos 442 A 101), dürfte ebenso wie der von 4 Drachmen, der in Priene für die Zeit nach 129 belegt ist (IvPriene 108, 46 {IvPriene (2014) 64, 46}), ein besonders niedriger, ermäßigter Preis gewesen sein
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10 %23 könnte dieses Kapital also einen jährlichen Zinsertrag von 10 bis 29 Talenten erbracht haben, der für den Bau des Gymnasiums zur Verfügung stand. Zum Vergleich damit sei darauf hingewiesen, daß das Kapital, das einige Jahre später für die Finanzierung der jährlichen Geburtstagsfeier für Eumenes II., insbesondere die damit verbundene Getreideverteilung, bereitgestellt wurde (dazu unten S. 288), 30 Talente betrug (IvDidyma 488, 25), während die berühmte Schulstiftung des Eudemos von etwa 200 v. Chr. aus einem Kapital von 10 Talenten bestand (Milet I 3 n. 145, 4). Weniger klar ist, was im folgenden mit der ξύλωσις εἰς τὰ δεδηλωμένα gemeint ist, die vom König außerdem „in ausreichender Menge (ἱκανή)“ der Stadt gegeben worden sein soll24. Wenn man nicht annehmen will, daß es sich um eine Spende für ein von diesem Gymnasiumsbau unabhängiges, anderes (Bau-)Vorhaben handelt, das sich hinter dem unbestimmten εἰς τὰ δεδηλωμένα verbergen müßte, liegt es am nächsten, dabei an eine gleichzeitig für diesen Gymnasiumsbau zugesagte Materiallieferung für bestimmte Holzkonstruktionen25 zu denken, von Bau|holz also, das der (vgl. vor Larsen a. a. O. schon A. Jardé, Les céréales dans l’antiquité grecque 180). Es ist die Frage, ob man in Milet das von Eumenes gestiftete Getreide zu einem so reduzierten Preis verkaufen konnte. 23 Mit 10 % wurde in Milet auch das Kapital der Eudemos-Stiftung verzinst (Milet I 3 n. 145; vgl. E. Ziebarth, Aus dem griech. Schulwesen2 16), ebenso das von der Stadt als Anleihe bei ihren Bürgern 205/4 aufgenommene Geld (Milet I 3 n. 147, 16–18). G. Billeter, Geschichte des Zinsfußes im griech.röm. Altertum … 88 hat (noch ohne Kenntnis der milesischen Urkunden) den Zinsfuß für das 2. Jh. auf durchschnittlich 7–8 % angesetzt. 24 Hierbei ist vorausgesetzt, daß ξύλωσιν ein 2. Objekt zu δοῦναι darstellt (was mir auch durch das nachfolgende τὴν ἱκανήν bekräftigt zu werden scheint) und nicht, wie auch möglich wäre, parallel mit κατασκευήν von εἰς abhängig ist. 25 Mit ξύλωσις scheint schon Thuk. II 14, 1 allgemein alle Holzteile an einem Gebäude zu bezeichnen: Die attische Landbevölkerung verläßt beim Ausbruch des Krieges ihre Wohnsitze unter Mitnahme der Kinder und Frauen und aller κατασκευή, ᾗ κατ’ οἶκον ἐχρῶντο, καὶ αὐτῶν τῶν οἰκιῶν καϑαιροῦντες τὴν ξύλωσιν. In den Scholien, die darauf hinweisen, daß ξύλωσις eine ἰδία λέξις des Thukydides sei, wird das mit τὴν ἀπὸ ξύλων κατασκευήν erklärt; man vgl. auch A. W. Gomme z. St. Dabei kann man vor allem an Dachkonstruktionen denken (man vgl. schon die Interpretation der Thuk.-Stelle bei Pollux VII 124: ἐρέψιμα ξύλα), wie eine solche ja auch in dem bisher bekannten inschriftlichen Beleg aus Milet gemeint sein muß (Milet I 3 n. 32, 1. 2), wo bei der neuen Halle des Delphinions (καινὴ στοιή) die Anbringung von πίνακες ,,πρὸς τὴν ξύλωσιν“ verboten wird (dazu die Erklärung p. 13 „Holzwerk der Decke“ und G. Roux, BCH 80, 1956, 511 f.). Auf verschiedene Arten von Holzkonstruktionen scheint der Begriff ξύλωσις in der delischen Inschrift I. Délos 1416 B I 6 ff. angewandt zu sein, wo unter den Pachtbedingungen bestimmter zum Heiligtum gehörender Gebäude die Auflage erteilt wird, schadhaft gewordene Holzteile zu ersetzen: ὅσα μὲν ἂν εἶ (εἲ edd.) τῆς ξυλώσεως ἐν τοῖς οἴκοις εἴτ’ οἰκήμασιν εἲ δοκοῖς [εἲ] ἐπιβλῆσιν εἲ σανίσιν κατεστρωμένα (Kommentar: „bois de construction“; dem wird im folgenden gegenübergestellt: „boiseries“ ὅσοι δ’ ἂν τῶν οἴκων ὦσιν εἲ τῶν οἰκημάτων φατνώμασιν εἲ σφηκίσκοις εἲ ἐμ‹β›λῆτι εἲ καλύμματι εἲ κατεσπασμένα εἲ …). Man kann wohl gerade auch an Holzverkleidungen senkrechter Wände denken, wie sie G. Roux kürzlich (BCH a. a. O. 507 ff.) unter der Bezeichnung ξύλωμα für den Asklepios-Tempel auf Delos nachgewiesen hat. Er stellt S. 513 einige (archäologische) Belege für solche Holzverkleidungen zusammen. Dazu kann noch an die Angabe einer pergamenischen Inschrift erinnert werden, wo in einem der Ehrendekrete für Diodoros Pasparos bei der Aufzählung verschiedener Arbeiten, die der Geehrte zur Wiederherstellung des Gymnasiums
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pergamenische Herrscher aus den reichen Vorräten seines Landes leicht beschaffen konnte26. Durch den Neufund ist somit die bisher nur indirekt erschlossene27 und auch nicht unbestritten gebliebene28 Annahme, daß Eumenes II. den Milesiern ein Gymnasium gestiftet hat, zur gesicherten Tatsache geworden, und der Name Milets kann eingereiht werden in die beträchtliche Zahl griechischer Städte, | deren Jugendbildung durch die Munifizenz der Attaliden in Form von Beiträgen zum Bau oder zum Betrieb von Gymnasien gefördert wurde29. – Über die chronologische Einordnung dieser Stiftung in den Gesamtkomplex der Beziehungen zwischen Milet und Eumenes wird später noch zu sprechen sein (S. 294). I 10–15: Bei seiner neuerlichen Unterredung mit dem König hat Eirenias ihn bewogen, τὰ κατὰ τὴν ἐπαγγελίαν προσεπαυξῆσαι, womit eine Erhöhung der Stiftungssumme gemeint sein dürfte30. Des weiteren hat Eumenes, wie es oft geschah, sich bereit erklärt, auch die Kosten der für ihn beschlossenen Ehrungen von sich aus
der νέοι übernommen hatte, auch ein marmornes Bad (λουτρόν) erwähnt wird, mit der zusätzlichen Angabe, daß er dessen Decke streichen und bestimmte Wände mit Holzplatten verkleiden ließ (AM 32, 1907, 259 n. 8 a I 22 …, καὶ τὰ κύκλωι τῶν τοίχων σανίσιν ἐξασφαλισάμενον, dazu ebd. S. 267, vgl. J. Delorme, Gymnasion (1960) 184). – In der vorliegenden Inschrift bezeichnet ξύλωσις wohl freilich nicht konkret solche „Holzkonstruktionen“, sondern einfach das dafür nötige Material, so wie der Ausdruck auch einmal bei Athenaeus verwendet zu sein scheint, wenn die Konjektur von Villebrune richtig ist: V 206 f. (vom Bau eines Schiffes durch Hieron) εἰς ὕλην μὲν ξύλωσιν (codd. ξύλων) ἐκ τῆς Αἴτνης παρεσκεύαστο … (man vgl. ξυλικὴ ὕλη IG XII 3, 324, 15). – Die hier besprochenen Stellen sind größtenteils zusammengestellt bei A. K. Orlandos, Τὰ ὑλικὰ δομῆς τῶν ἀρχαίων Ἑλλήνων κατὰ τὰς συγγραφεῖς, τὰς ἐπιγραφὰς καὶ τὰ μνημεῖα I (1955) 16. 26 Für die wirtschaftliche Bedeutung der Waldgebiete des Pergamenischen Reiches, insbesondere des Ida-Gebirges vgl. man etwa M. Rostovtzeff, Anatolian Studies Ramsay 365 f., E. V. Hansen, The Attalids of Pergamon 195 f. – Über den Umfang der Holzreserven von Milet selbst wissen wir aus dem Altertum nichts. Es gibt lediglich die vereinzelte Nachricht des Athenaeus (V 205 b), daß bei dem Prachtschiff des Ptolemaios Philopator außer Zedernholz auch Zypressenholz aus Milet verwendet worden sei (vgl. K. Krause, Milet II 2, 39 über die Verbreitung der Zypresse auf der milesischen Halbinsel. Derselbe nimmt S. 43 an, daß der Wald im Altertum auf der Halbinsel größere Verbreitung hatte als heute). 27 Th. Wiegand im 7. Milet-Bericht (AbhBerlin 1911, Anhang 29) gelegentlich der Erstveröffentlichung der Inschrift über die Feier des Geburtstages Eumenes’ II. (IvDidyma 488); A. v. Gerkan, Milet II 1, 40; A. Rehm, Milet I 9 p. 143. 28 E. Derenne, BCH 54, 1930, 241 ff. 29 Man vgl. dazu die Zusammenstellung des Materials von L. Robert, Études anatoliennes 85 Anm. 3. Dazu dürfte auch noch Ephesos zu zählen sein: Bull. épigr. 1953 n. 178. 30 Für den Gebrauch von ἐπαγγελία im Zusammenhang mit Stiftungen vgl. E. Ziebarth, Aus dem griech. Schulwesen2 11 mit Anm. 1; A. Mannzmann, Griechische Stiftungsurkunden (1962) 57.
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zu übernehmen31. Es scheint, daß diese beiden Leistungen in umgekehrter Reihenfolge auch in dem anschließenden ὥστε-Satz gemeint sind32. I 15: Mit καλὴν καὶ συμφέρουσαν … scheint ein neuer Gedanke zu beginnen, indem offenbar in einer allgemeineren Wendung ausgedrückt war, daß Eirenias seine gute und (für die Milesier) vorteilhafte Einstellung (Gesinnung, Wirksamkeit) nicht nur ἐπὶ τοῦ καϑήκοντος, in dem „ihm gemäßen“ Bereich bewiesen habe, sondern auch bei anderen, ferner liegenden Gelegenheiten, bei denen man nicht von vornherein mit ihm rechnen konnte. Sollte damit schon der Übergang zu den in der rechten Kolumne geschilderten Beziehungen des milesischen Politikers zum seleukidischen Hof markiert sein? Wenn man eine Verteilung des Textes auf zwei ungefähr gleich lange Kolumnen voraussetzt, wären ja vom Ende der ersten Kolumne nur etwa 7 Zeilen verloren gegangen, so daß tatsächlich schon aus Raumgründen nicht mehr viel über die Beziehungen zu Eumenes gesagt worden sein könnte. In dieser Textlücke muß dann auch – am ehesten in dem angedeuteten Überleitungssatz – das vielleicht einzige Verbum finitum des langen ἐπειδή-Satzes gestanden haben; die uns erhaltenen Partien weisen stets nur bei- bzw. untergeordnete Partizipialformen auf. II 1–6: Während wir über die Beziehungen des Eirenias zu Eumenes II. schon durch mehrere Zeugnisse unterrichtet waren, ist die hier erscheinende Nachricht über seine gleichzeitigen guten Verbindungen zum seleukidischen Hof | ganz neu. Der in Z. 2 genannte König Antiochos kann aus chronologischen wie auch sachlichen Gründen, über die noch zu sprechen sein wird, kein anderer sein als Antiochos IV. Epiphanes (175–164). Wie wir aus Z. 1 erfahren, hat Eirenias das Privileg der ἀτέλεια nicht direkt vom Herrscher erhalten, sondern eine weibliche Person (αὐτήν) hat es „von ihrem Bruder, dem König Antiochos“ erwirkt. Ihr Name muß unmittelbar vorher in dem verlorenen unteren Ende der 1. Kolumne gestanden haben, und es scheint, daß das als erstes Wort der 2. Kolumne erhaltene Ἀντιόχου noch zu einer an ihren Namen angeschlossenen Nennung des Vaters oder Gatten gehört, wobei von der Formulierung her aber a priori zu vermuten ist, daß dieser Antiochos nicht identisch ist mit dem in Z. 2 genannten König, da sonst eine so umständliche Wiederholung des Namens kaum verständlich wäre. Da nun, wie wir wissen, auch bei den Seleukiden die Königin die Bezeichnung „Schwester“ als Ehrentitel geführt hat33, kann es sich bei der hier genannten Vermittlerin der königlichen Gunst außer um eine leibliche
31 Einige Beispiele für die Verbindung παρ’ αὑτοῦ bei M. Holleaux, Études II 101. – Auch gegenüber dem Ionischen Bund hat Eumenes II. die Kosten der ihm dekretierten Ehren übernommen (Milet I 9 n. 306, 51 ff.), und ebenso hat er es in Delphi getan (Syll.3 671 B 11 = FDelphes III 3, 239 = Pouilloux, Choix d’inscriptions grecques 12). Man vgl. dazu die Hinweise von B. Laum, Stiftungen … II 35 Anm. 5. 32 Mit den εἰς τὰ δεδηλωμένα χορηγίαι wären also die Leistungen – sowohl an Geld als auch an Material – für den Bau des Gymnasiums gemeint. Für χορηγίαι in der Bedeutung „fournitures“ vgl. G. Daux, FDelphes III 3 p. 212 zu Nr. 239 (Pouilloux, Choix … p. 57); L. Robert, Hellenica XI/XII 123 Anm. 2. 33 M. Holleaux, Études III 180; vgl. E. Bikerman, Institutions des Séleucides 26.
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Schwester des Königs auch um die königliche Gemahlin handeln. Als solche wird für Antiochos IV. eine Laodike genannt34. Es ist vermutet worden, daß diese Laodike identisch ist mit der gleichnamigen Tochter Antiochos’ III., die erst mit ihrem ältesten Bruder Antiochos, dem zeitweiligen Mitregenten und vorgesehenen Thronfolger Antiochos’ III., vermählt war und nach dessen frühem Tode den tatsächlichen Nachfolger Seleukos IV. geheiratet hatte35. Sie hätte demnach also auch noch ihrem dritten Bruder als Gattin angehört, nachdem er die Herrschaft übernommen hatte36. Wäre das Ende der 1. Kolumne unserer Inschrift erhalten geblieben, so hätten wir dort möglicherweise Klarheit über diese Frage gewinnen können. Zweifellos liegt es nahe, in dem Ἀντιόχου des Beginns der 1. Zeile von Kolumne II die Nennung des Vaters, nämlich Antiochos’ III. zu vermuten. Dann bleibt aber immer noch die Frage offen, ob es „nur“ die Schwester oder auch die königliche Gemahlin war, die hier als Vermittlerin auftrat37. Da wir nicht nur von | der Person oder den Personen keine nähere Kenntnis haben, sondern auch von der Voraussetzung und dem Anlaß, die Eirenias zu diesem Einfluß gerade auf ein weibliches Mitglied des Herrscherhauses verhalfen, nichts wissen, wird man hier kaum zu einer sicheren Entscheidung kommen können. Das Privileg nun, das Eirenias durch diese Vermittlung beim König für Milet erwirkte und das in seinen vorteilhaften Auswirkungen auf die Finanzen der Stadt wie auch ihrer Bürger besonders gerühmt wird, war eine ἀτέλεια für milesische Produkte, die nach dem seleukidischen Königreich eingeführt wurden. Es handelt sich nach dieser Formulierung deutlich um eine Befreiung von Einfuhrzöllen, deren Umfang
34 OGI 252 = Bingen, BCH 78, 1954, 395 n. 7 (zur Datierung Ch. Habicht, Hist. 7, 1958, 376); wahrscheinlich auch SEG VII 15 (mit der Ergänzung von L. Robert, RPhil 10, 1936, 140). 35 Auch die Laodike, die in der Inschrift von Nehavend-Laodikeia im Iran als die im dortigen Raum fungierende Priesterin für den Staatskult der Laodike, der Gemahlin Antiochos’ III., nominiert wird, dürfte mit der oben genannten Tochter Antiochos’ III. identisch sein (L. Robert, Hellenica VII 18). 36 Zu dieser Hypothese zuletzt A. Aymard, Hist. 2, 1953/4, 52 Anm. 5. 37 Die Frage läuft dann darauf hinaus, ob vor dem Namen der Laodike der Königinnentitel erschien, was sie – zusammen mit der Nennung des Antiochos III. als ihres Vaters – als Schwester und zugleich königliche Gemahlin Antiochos’ IV. auswiese, oder ob er fehlte: dann könnte es – wenn es eine Laodike war – nur die leibliche Schwester, die Witwe Seleukos’ IV., gewesen sein, die demnach nicht auch noch Gemahlin Antiochos’ IV. geworden wäre. Zu ergänzen wäre danach also etwa [… συντυχὼν o. ä. βασιλίσσηι Λαοδίκηι τῆι βασιλέως μεγάλου] Ἀντιόχου bzw. nur [… συντυχὼν Λαοδίκηι etc.]. Man könnte u. U. erwägen, ob nicht die ausdrückliche Nennung des Vaters Antiochos eher für die bloße Schwester als für die schwesterliche Gemahlin und Königin sprechen könnte. – Ob zur Regierungszeit Antiochos’ IV. noch andere Schwestern des Königs am Hofe lebten, wissen wir nicht. Da Kleopatra, die Gemahlin Ptolemaios’ V., und Antiochis, die Gemahlin Ariarathes’ IV. von Kappadokien, hierfür ausscheiden, kämen allenfalls noch eine oder zwei weitere uns unbekannte Töchter Antiochos’ III. in Betracht: die Tochter, die Antiochos Demetrios, dem Sohn des Euthydemos von Baktrien, versprochen hatte (Polyb. XI 34, 9; vgl. W. W. Tarn, The Greeks in Bactria & India2 201 Anm. 1) bzw. die, die er mit Eumenes II. verheiraten wollte (App. Syr. 5). Man vgl. dafür M. Holleaux, Études III 187 Anm. 3. S. jetzt auch H. H. Schmitt, Untersuch. z. Gesch. Antiochos’ des Großen u. seiner Zeit (1964) 23 ff.
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und genaue Benennung wir freilich nicht anzugeben vermögen38. Wir kennen eine solche auf das ganze Seleukidenreich sich erstreckende Atelie aus der berühmten Aufzählung der den Rhodiern nach dem schweren Erdbeben gegen Ende des 3. Jahrhunderts von den damaligen Königen gewährten Geschenke und Hilfen bei Polybios V 88–8939: Ähnlich wie auch Hieron und Gelon (88, 7) gewährte Seleukos II. ἀτέλειαν τοῖς εἰς τὴν αὑτοῦ βασιλείαν πλοϊζομένοις (89, 8)40, wobei indessen der Charakter dieser Atelie nicht ganz deutlich ist41. In unserem Falle wird ausdrücklich angegeben, daß sich die Atelie auf γενήματα erstreckt, die aus dem Territorium von Milet (ἐκ τῆς Μιλησίας) eingeführt werden. Es sind also einheimische Produkte, keine von anderswoher stammenden Handelsgüter, und zwar – auffallenderweise – anscheinend nur Agrarerzeugnisse, wenn wir den | Begriff γενήματα in seiner üblichen Bedeutung fassen42. Nun ist an Getreide in Milet sicher kein Überschuß gewesen, so daß hier eigentlich nur Wein und Öl in Betracht kämen43. Man fragt sich nun freilich, ob der 38 Für unsere sehr spärlichen Kenntnisse von den Zöllen im Seleukidenreich vgl. E. Bikerman, Institutions des Séleucides 115 ff.; S. de Laet, Portorium 48 Anm. 1. In den griechischen Städten war bekanntlich die Pentekoste ein allgemein verbreiteter Ein- und Ausfuhrzoll in den Häfen (de Laet a. a. O. 47 Anm. 1; Ch. Habicht, Hermes 85, 1957, 106 Anm. 1). Wie aus einer neueren Inschrift aus Kaunos hervorgeht, scheint es neben den reinen Zollgebühren auch noch spezielle Hafengebühren (ἐλλιμένιον) gegeben zu haben (G. E. Bean, JHS 74, 1954, 97 n. 38 = SEG XIV 639; dazu H. W. Pleket, Mnemosyne 11, 1958, 128 ff. {IvKaunos 35}). 39 Zu diesem Bericht und der Datierung des Erdbebens M. Holleaux, Études I 445–462; M. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt III 1195 Anm. 254. 40 Möglicherweise ist eine spätere Bestätigung dieses Privilegs gemeint mit der etwas unklaren Bestimmung in dem Friedensvertrag von Apameia bei Polybios XXI 43, 17 ἀτελῆ δὲ ὁμοίως (ὡς) καὶ πρὸ τοῦ πολέμου τὰ πρὸς τοὺς Ῥοδίους ὑπαρχέτω (fehlt bei Liv. XXXVIII 38). 41 Vgl. besonders E. Ziebarth, Mélanges G. Glotz (1932) II 920; E. Bikerman, Institutions des Séleu cides 115. Rostovtzeff a. a. Ο. I 360 denkt an eine Befreiung von den Zollgebühren. 42 Für die hellenistische Neubildung γένημα, die von dem älteren γέννημα auch in der Bedeutung deutlich geschieden ist (und übrigens auch von den Attizisten abgelehnt wurde: Phrynichos p. 348 frgt. 251 Rutherford s. v. γεννήματα· πολλαχοῦ ἀκούω τὴν λέξιν τιϑεμένην ἐπὶ τῶν καρπῶν, ἐγὼ δὲ οὐκ οἶδα ἀρχαίαν καὶ δόκιμον οὖσαν. Χρὴ οὖν ἀντὶ τοῦ γεννήματα καρποὺς λέγειν ξηροὺς καὶ ὑγρούς), vgl. man W. Bauer, Griech.-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments (19585) 307; Blaß – Debrunner, Grammatik des neutestamentl. Griechisch (19316) § 11, 2; C. B. Welles, Royal Correspondence … 323. Sehr zahlreiche Belege aus den Papyri bei Preisigke, Wörterbuch der griech. Papyrusurkunden I 286. Das Wort erscheint in der Literatur bei Polybios (I 71, 1; 79, 6; III 87, 1) und anderen, in der Septuaginta, im Neuen Testament und charakteristischerweise recht häufig in den Geoponica. In weitaus den meisten Fällen wird es für Getreide und ähnliche Ackerfrüchte verwendet (Luk. 12, 18 neben der Lesart τὸν σῖτον die Varianten τὰ γενήματα, τοὺς καρπούς), so wohl auch in den Inschriften (IG V 2, 515 B b 14: der Geehrte hat in einer [καρ]πῶν ἐνδίᾳ τὰ γενήματα zu billigerem Preis verkauft; vgl. Sardis VII 1 n. 1 II 8. 16 ὑπὲρ τῶν γενημάτων καὶ τῶν καρπῶν; Welles, Royal Correspondence n. 70, 9 σὺν τοῖς τοῦ ἐνεστῶτος ἔτους γεν[ν]ήμασιν). 43 Also die ὑγροὶ καρποί nach der Formulierung des Phrynichos (s. Anm. 42). Für Anwendung des Begriffes γένημα auf Erzeugnisse des Weinbaus gibt es aus Milet selbst einen Beleg: Milet I 3 n. 149, 40 (Sympolitievertrag mit Pidasa) ἀπὸ τοῦ γεινομένου οἰνικοῦ γενήματος (es darf nicht zu γεν‹ν›ήματος „verbessert“ werden!). οἰνικὸν (oder οἴνου) γένημα kommt auch wiederholt in den Papyri vor (Belege
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Export gerade dieser Produkte in das in der hellenistischen Zeit ja auch recht gut entwickelte Agrarland Syrien einen so beträchtlichen Umfang erreicht haben kann, daß die Auswirkungen der genannten Atelie wirklich stark ins Gewicht fielen44. Andernfalls könnte man doch versucht sein, den Begriff γενήματα hier auszuweiten etwa auch auf die berühmte Wollproduktion Milets oder noch andere Industrieerzeugnisse, von deren Export wir anderweitig hören45. Die Frage soll hier nur aufgeworfen werden; vielleicht kann sie von kompetenterer Seite eindeutiger geklärt werden, wenn sie in den weiteren Rahmen der Handelsbeziehungen zwischen Milet bzw. Kleinasien und Syrien eingeordnet wird. Es bleibt als Tatsache jedenfalls die interessante Einzelheit, daß wir hier eine zum attalidischen Einflußbereich gehörende griechische Stadt in einer durch be|sondere Privilegien geförderten wirtschaftlichen Verbindung mit dem Seleukidenreich sehen. Das könnte über die sicher vorauszusetzenden guten Beziehungen der beiden Herrscher46 im Politischen hinaus auf eine engere Verbindung und Durchdringung gerade im wirtschaftlichen Bereich hindeuten. Hierbei ist es nun von besonderer Bedeutung, daß tatsächlich M. Rostovtzeff schon vor längerer Zeit auf einer ganz anderen Basis, nämlich der Beobachtung des Münzumlaufs in dieser Zeit, d. h. im besonderen der Feststellung der starken Verbreitung kleinasiatischer städtischer Prägungen im syrischen Raum, auf das Bestehen einer beide Staaten umfassenden gemeinsamen Wirtschaftspolitik geschlossen hat, „eine Art Entente cordiale zwischen den Seleukiden einerseits und den Attaliden sowie den unabhängigen Städten Kleinasiens andererseits“ (II 520)47. Der Neufund von Milet scheint also in einem kleinen Detail geradezu eine Bestätigung dieser bedeutsamen Vermutung Rostovtzeffs zu erbringen.
bei Preisigke a. a. O.), während im Alten (Is. 32, 12) und Neuen Testament (Matth. 26, 29; Marc. 14, 25; Luk. 22, 18) von dem ἀμπέλου γένημα die Rede ist. – Auf Oliven ist der Ausdruck zweimal in den Geoponica angewendet (IX 17, 2. 5). Für den Export von milesischem Olivenöl nach Ägypten vgl. J. Röhlig, Der Handel von Milet, Diss. Hamburg 1933, 36; F. Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums I 466, für die große Ölproduktion allgemein K. Krause, Milet II 2, 40. 44 Für die Bedeutung Syriens als Agrarland im 3./2. Jh. vgl. man etwa die Schilderung bei Rostovtzeff a. a. Ο. I 350. Derselbe nimmt II 1007 an, daß der Export von Wein und Olivenöl aus Griechenland nach Syrien keinen großen Umfang erreicht haben kann und sich auf besondere Qualitätserzeugnisse beschränkt haben dürfte. 45 Einzelmaterial über den Handel von Milet – allerdings nicht sehr übersichtlich geordnet – findet sich in der Anm. 43 genannten Dissertation von J. Röhlig; dort S. 22 über den Wollhandel Milets, vgl. auch R. J. Forbes, Studies in Ancient Technology IV 13. 46 Bekanntlich hat Eumenes II. bei der Rückkehr Antiochos’ IV. nach Syrien und dem Antritt der Nachfolge des ermordeten Seleukos IV. aktiv mitgewirkt, wie uns besonders ein in Pergamon gefundenes athenisches Dekret berichtet (IvPergamon 160 = OGI 248; als athenisch erkannt von M. Holleaux, Études II 127–147). Dort heißt es Z. 17 f. ausdrücklich von den Monarchen (Eumenes und seine Brüder bzw. Antiochos) πίστεις ποιησάμενοι πρὸς ἀλλήλους (Holleaux 130: „échangea avec lui des serments d’amitié“). 47 M. Rostovtzeff, Anatolian Studies Buckler (1939) 277–298, besonders 295 ff.; vgl. Gesellschaftsund Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt II 517 ff. mit der Anmerkung III 1248, 71. Auf die
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Der Name Antiochos’ IV. ist in Milet bekanntlich mit dem Bau eines berühmten und wichtigen Gebäudes verbunden: dem Buleuterion, das nach Aussage der Architravinschrift des Sitzungsgebäudes wie auch des Propylon von Timarchos und Herakleides, den Söhnen des Herakleides, dem Apollon Didymeus, der Hestia Bulaia und dem Demos geweiht wurde ὑπὲρ βασιλέως Ἀντιόχου Ἐπιφανοῦς (Milet I 2 n. 1 und 2). Die Dedikanten sind zwei bekannte Milesier48, die am Hofe bzw. im Reiche des Antiochos sehr einflußreiche Stellen bekleideten (vgl. Milet I 2 p. 74). Wie immer man sich die Errichtung und Finanzierung dieses Baus nach der Weiheformel vorzustellen hat49, es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß er | jedenfalls das Bestehen guter Beziehungen zum Seleukidenreich und -hof dokumentiert. Es ist schön, daß unser neuer Text nun einen konkreten Bereich solcher Beziehungen kennen lehrt und zugleich zeigt, daß für die Milesier außer den beiden einflußreichen Brüdern auch noch andere Mittelsmänner am Hofe von Antiocheia wirksam werden konnten. II 8–11: Die „Hortativformel“, die hier etwas schwülstig geraten ist. Für die Wendung ἀπόδειξιν (ἀποδείξεις) ποιεῖσϑαι hat M. Holleaux, Études III 92–94 reiches Belegmaterial zusammengestellt. Über den Gebrauch von ἀγωνιστής im übertragenen Sinn für die Tätigkeit zugunsten einer Stadt etc. vgl. man zuletzt L. Robert, Hellenica XI/XII 138 Anm. 1 Ende, mit Hinweis auf die Belegsammlungen von A. Wilhelm und einigen Ergänzungen dazu. II 11: δεδόχϑαι Μιλησίοις ist die in Milet übliche Formel des „Sanktionsantrags“: vgl. M. Holleaux, Études III 105 Anm. 2. II 12–14: Die Formel εἶναι ἐν ἐπιμελείᾳ παρὰ τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ, die sich außer in Milet (I 3 n. 138, 15; 143, 15; 145, 6) auch in der Nachbarstadt Priene findet (IvPriene 83, 5 nach A. Wilhelm, WSt 29, 1907, 15 {IvPriene (2014) 48, 5}; 99, 11 {57, 11}; 108, 318 {64, 318}; [109, 245 {65, 245}]), soll nach A. Wilhelm, AnzWien 65, 1928, 135 in allgeWichtigkeit dieser These weist Ch. Habicht, Vierteljahrschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 46, 1959, 240 besonders hin, der mich gerade auch im Zusammenhang mit diesem milesischen Neufund darauf aufmerksam gemacht hat. S. zuletzt auch F. Kiechle, Gesch. in Wiss. u. Unterr. 1963, 162 f. 48 Wilamowitz, GGA 1914, 97 Anm. 3 macht darauf aufmerksam, daß nicht unbedingt die beiden Brüder selbst aus Milet zu stammen brauchen, sondern daß es sich um eine ehemals milesische Familie handeln könnte. 49 Gegenüber der verbreiteten Formulierung, daß Antiochos IV. „den Milesiern ein neues Rathaus baute“ (Wilamowitz, GGA 1914, 97; vgl. schon Wiegand, Milet I 2 p. 75; Hiller v. Gaertringen, RE XV 2, 1610), weist E. Bikerman, Institutions des Séleucides 123 Anm. 9 darauf hin, daß nach der Inschrift die beiden Milesier das Gebäude lediglich zu Ehren des Königs errichteten. M. Rostovtzeff, Gesellschaftsund Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt II 528 und 553 sieht in dem Bau ein Geschenk der beiden reichen Milesier, das einerseits ein Zeichen ihrer Anhänglichkeit an ihre Stadt sei, andererseits aber auch dem Zweck politischer und kommerzieller Propaganda gedient habe. Die Weihung für das Wohl des Königs („für die Sicherheit“ p. 528 ist eine etwas unglückliche Übersetzung) sei gewiß mit seiner Kenntnis und Billigung erfolgt. – Es sei immerhin darauf hingewiesen, daß unter den verschiedenen königlichen Wohltätern, die in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts im besonderen das Heiligtum von Didyma durch Geschenke und Stiftungen gefördert haben, Antiochos IV. bisher nicht in Erscheinung getreten ist (vgl. Ch. Habicht, GGA 1960, 151).
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meiner Form „weitere ehrende Fürsorge“ versprechen, ähnlich wie in Athen schon vom 5. Jahrhundert an in Ehrenbeschlüssen in einer entsprechenden mit ἐπιμελεῖσϑαι formulierten Klausel bestimmten Behörden die künftige Fürsorge für den Geehrten übertragen wird. Neben dieser allgemeinen Formel wird hier als konkrete und sofort oder doch demnächst zu realisierende Form der Ehrung die Errichtung eines goldenen (vergoldeten) Standbildes des Eirenias beschlossen, zweifellos eine relativ hohe und bedeutsame Auszeichnung49a. Leider wird die Bestimmung des Aufstellungs|ortes einer späteren Entscheidung durch den Demos überlassen; eine konkrete topographische Angabe wäre uns angesichts der Tatsache, daß der Herkunftsort der Steine nicht bekannt ist, hier von ganz besonderem Wert gewesen. II 14: τῆς δὲ τιμῆς ἐπικυρωϑείσης ἐν τῶι δικαστηρίωι [… Die Wendung entspricht in ihrer Formulierung einer in griechischen Dekreten recht verbreiteten Klausel, die innerhalb des Beschlusses auf eine noch ausstehende „Bestätigung“ durch eine dafür maßgebende Instanz hinweisen soll. Man verwendet dabei in der Regel den Terminus κυρόω bzw. ἐπικυρόω, wobei die Konstruktion häufig wie in unserem Falle die des Genetivus absolutus ist (κυρωϑέντος τοῦδε τοῦ ψηφίσματος)50. Dabei kann es sich entweder um die notwendige Sanktionierung des Probuleumas durch die Volksversammlung handeln, die entsprechend der Formulierung des Beschlusses vom Antragsteller her in dem Dekrettext verewigt worden ist (die sogenannte „Bescheidenheitsformel“ bei Swoboda nach Hug bzw. „Ergebenheitsformel“ nach Larfeld), oder aber um die auch nach der Sanktionierung durch das Volk noch erforderliche Bestätigung durch eine weitere Instanz; die Fälle sind nicht immer klar zu scheiden51.
49a Eirenias wurde also in derselben Form geehrt, wie – wahrscheinlich einige Zeit vorher (s. S. 298) – Eumenes II. durch die Aufstellung seiner εἰκὼν χρυσῆ in dem ihm geweihten milesischen Temenos durch den Ionischen Bund (Milet I 9 n. 306, 26. 56–60; s. unten S. 286 Text I). Es ist kaum daran zu zweifeln, daß beide Ehrungen aufeinander zu beziehen sind, wie ja auch schon durch die Übereinstimmung der Form des Runddenkmals nahegelegt wird (wobei das Denkmal für Eirenias sogar noch größer ausgefallen ist als das des Königs: s. oben S. 256 f.). In Milet ist, soweit ich sehe, die Ehre goldener Statuen dann erst in der römischen Zeit, insbesondere der frühen Kaiserzeit, häufiger bezeugt, vor allem für Propheten und Hydrophoren (s. IvDidyma, Index s. v. χρυσοῦς). – Die Tatsache, daß die Errichtung der goldenen Statue für Eirenias hier sicher eine profane, nicht eine kultische Form der Ehrung darstellt, bringt einen neuen Beleg gegen die wohl auch vom sonstigen Material her problematische Annahme von Kenneth Scott, daß Statuen aus Edelmetallen in hellenistischer Zeit als eine Form göttlicher Ehren zu betrachten seien (TAPhA 62, 1931, 101 ff., zustimmend Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte 143 Anm. 18). 50 H. Swoboda, Die griech. Volksbeschlüsse 15–22; W. Larfeld, Handbuch der griech. Epigraphik I 527–8; W. Dittenberger, Syll.3 931 Anm. 2; L. Robert, BCH 50, 1926, 514–5. – Zu der Formulierung τῆς τιμῆς ἐπικυρωϑείσης der milesischen Inschrift findet sich eine Parallele in Rhodos (IG XII 1, 155, 15 = Riv. Ist. Arch. 9, 1942, 16 n. III): κυρωϑεισᾶν τᾶνδε τᾶν τιμᾶν. 51 Η. Swoboda a. a. O., besonders 17–22, meint (gegen K. Schumacher, De republica Rhodiorum commentatio, Diss. Heidelberg 1886), daß es sich in allen Fällen um die „Bescheidenheitsformel“, also die erste Möglichkeit, handelt. Robert a. a. O. 514 Anm. 2 weist auf das Bestehen beider Möglichkeiten hin.
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Bei dem neuen Text von Milet ist dank der Tatsache, daß am Ende von Block II gerade noch die Angabe ἐν τῶι δικαστηρίωι erhalten ist, mit Sicherheit zu erkennen, daß es sich um die zweite der angegebenen Möglichkeiten handelt: die vom Volk beschlossene Ehrung bedarf noch der ἐπικύρωσις in einem Gericht. Ein solches Verfahren ist uns insbesondere in Athen vom ausgehenden 4. Jahrhundert an in Form der bei Bürgerrechtsverleihungen erforderlichen Dokimasie bekannt52; es scheint auch vereinzelt bei Verleihung der Isotelie angewandt worden zu sein53. Außerhalb Athens ist es aus zwei Dekretfragmenten für Oropos zu erschließen54 und nach deren Beispiel von | A. Wilhelm auch in einem Beschluß aus Halikarnass ergänzt worden55. Dazu stellt sich jetzt dieser sichere Beleg aus Milet. Leider bleibt bei der Singularität dieses Zeugnisses der institutionelle Hintergrund ganz unklar: wir wissen nicht, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen in Milet eine solche ἐπικύρωσις eines Ehrenbeschlusses erforderlich war, geschweige denn, welcher Art das dafür zuständige δικαστήριον gewesen ist56. II 15–20: Diese auf Block III erscheinenden Zeilenenden enthalten – im Anschluß an die eben besprochene ἐπικύρωσις-Klausel – einige mit der Ehrung in Zusammenhang stehende Ausführungsbestimmungen: 15–17: Zunächst wird die ἀναγγελία der Ehrung des Eirenias verfügt. Dabei scheinen, wie die Formulierung τοὺς μὲν ἀγωνοϑέτας nahelegt, zwei verschiedene Organe beauftragt zu werden; es wird sich demnach auch um zwei verschiedene Anlässe bzw. Gelegenheiten für die Verkündung dieser Ehrung handeln. Das andere neben den Agonotheten hiermit befaßte Kollegium können nur die in Z. 16 erscheinenden βασιλεῖς sein, die an irgendeiner mit den Dionysien in Zusammenhang stehenden Feier (πανήγυρις, πομπή?, auch ἡμέρα wäre möglich) diese Aufgabe zu übernehmen haben. Wir erhalten damit einen neuen wertvollen Beleg für das Vorhandensein und einen bestimmten Tätigkeitsbereich des Kollegiums der βασιλεῖς in Milet, die uns bisher nur in zwei leges sacrae der 2. Hälfte des 2. vorchristlichen und des 1. nachchristlichen Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Verkauf von Priestertümern
52 Busolt – Swoboda, Griech. Staatskunde II 946 mit Anm. 3. Die übliche Formel (vgl. W. Larfeld, Handbuch der griech. Epigraphik II 790) ist: τοὺς δὲ ϑεσμοϑέτας εἰσαγαγεῖν αὐτῶι τὴν δοκιμασίαν τῆς πολιτείας εἰς τὸ δικαστήριον. 53 F. Chapouthier, BCH 48, 1924, 274 (die Inschrift jetzt bei J. Pouilloux, La forteresse de Rhamnonte 118 n. 7) unter Hinweis auf IG II2 802, 8–11; vgl. dazu A. Wilhelm, Attische Urkunden III 10. 54 IG VII 399 und 400 mit dem – allerdings nur fragmentarisch erhaltenen – Ratifikationsvermerk ἐκυρώϑη ἐν βουλῇ …, ἐπὶ δὲ τὸν δικαστήριον …, wobei die jeweiligen Daten angegeben sind. 55 Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde VI (SBWien 183,3, 1921) 8: Nach der Angabe der in der Ratsversammlung und der in der Volksversammlung abgegebenen Stimmen folgt ein Datum mit dem Vermerk εἰσεδώκαμεν ε[ἰς τὸ δικαστή]ριον καὶ ἐδόϑη [παμψηφεί]. 56 Bei den drei oben angeführten außerattischen Belegen ist – abgesehen davon, daß es Ehrendekrete zu sein scheinen – nicht zu erkennen, um welche Ehren es sich im einzelnen gehandelt hat. Die Bezeichnung als Proxenieverleihung bei Dittenberger in der Anmerkung zu IG VII 399 ist nur eine Vermutung.
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bezeugt waren57. Es ist interessant, daß in Mytilene auf Lesbos, wo wir ebenfalls ein Kollegium der βασιλεῖς kennen, gerade auch die Bekanntmachung staatlicher Ehrungen gelegentlich der Dionysien unter ihren Aufgaben erscheint58. 17–18: Hier geht es um die Bereitstellung der für die Ausführung der Ehrung nötigen Geldsumme. Die Verwendung des Terminus ἐξαιρεῖν (ἐξελεῖν) läßt darauf schließen, daß diese Aufgabe den ἀνατάκται zufiel, den mit der Aufstellung des städtischen Budgets betrauten Beamten, die auch in den Ehrenbeschlüssen für Antiochos I. und seine Mutter Apame mit der Bereitstellung der Geldsummen für die Errichtung der für beide beschlossenen Standbilder betraut werden59. Den Anfang von Z. 18 vermag ich nicht zu ergänzen; hier könnte angeführt worden sein, aus welchem Fonds die besagten Gelder genommen werden sollten60. 18–19: Im Antiochos-Dekret (IvDidyma 479, 44) werden drei Männer mit der Errichtung des Standbildes beauftragt. Auch im Apame-Dekret (480, 26) werden am Schluß drei ἐπιστάται angeführt. 20: In welcher Formulierung die Verfügung über die Aufzeichnung des Beschlusses angefügt war und wer damit beauftragt wurde, ist nicht festzustellen. Daß die Aufzeichnung auf der Basis des Standbildes vorgeschrieben wurde, liegt auf der Hand.
57 Milet I 7 n. 203 b 5 (Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure n. 49; Gesetz über den Kult des römischen Demos und der Roma) und 204a 11 (Sokolowski n. 52; über das Priestertum des Asklepios). In beiden Gesetzen wird die Nominierung des betreffenden Priesters πρὸς τοὺς ταμίας καὶ βασιλεῖς vorgeschrieben. Daraus hat A. Rehm (p. 298) auf eine Personalunion von ταμίαι und βασιλεῖς geschlossen, indem die Schatzmeister, soweit sie mit Angelegenheiten der Tempelverwaltung zu tun gehabt hätten, als βασιλεῖς amtierten. Die in unserer neuen Inschrift erscheinende Aufgabe der βασιλεῖς kann man aber wohl nicht gut mit dem Aufgabenbereich der ταμίαι in Verbindung bringen. – Für die gelegentliche Erwähnung des βασίλειον in (unedierten) kaiserzeitlichen Grabsteinen von Milet, also wohl des Amtslokals der βασιλεῖς, vgl. P. Hommel, JdI Erg.-Heft 23, s. auch Th. Pekáry, hier S. 124 Nr. 6 Z. 15. {Milet VI 2 n. 602, 15; 642, 6; 649,2; 677,3; 692, 7; 695,6; 700, 4} 58 IG XII 2, 8 [… καὶ στεφάνω]σαι ἐν τοῖς Διονυσίοισι χρυσί[ω στεφάνω τῶ] καττὸν νόμον, τοὶς δὲ βασίλε[ας ἀνακάρ]υξαι ὄτι …, vgl. IG XII Suppl. 3, 21 sowie SGDI 215, 45 (Schwyzer 623): τᾶς δὲ ἀναγγελίας τῶν στεφάνω[ν ὤσκε γέ]νηται ἐπιμελήϑην τοὺς βασιλέας καὶ πρυτάνεις. 59 IvDidyma 479, 33 (Antiochos) τὸ δὲ ἀργύριον τὸ εἰς [τὴν εἰκόνα] ἐξελεῖν τοὺς ἀνατάκτας το[ὺς ἐπὶ τοῦ μετὰ Ἀϑήναιον] στεφανηφόρου, ἐπειτὰν καὶ τὰ [ἄλλα ἀναλώματα μερί]σωσιν. In 480, 18 ff. (Apame) ist die entsprechende Angabe größtenteils ergänzt (vgl. Anm. 60). Man vgl. auch die Angabe in der Eudemos-Stiftung Milet I 3 n. 145, 19 (Syll.3 577) τοὺς δ’ ἀνατάκτας τοὺς διο[ι]κοῦντας τὰς τῆς πόλεως προσόδους ἐξαιρεῖν καϑ’ ἕκαστον ἔτος ἐν τῆι ἀνατάξει στατῆρας τριακοσίους … καὶ μερίζειν … Zu der Tätigkeit der ἀνατάκται s. E. Ziebarth, Aus dem griech. Schulwesen2 14; A. Rehm in IvDidyma p. 281 und besonders J. u. L. Robert, Hellenica IX 16 f. 60 Man vgl. die Angabe im Apame-Dekret IvDidyma 480, 20 [τοὺς δὲ ἀνατάκτας … ἐξελεῖν εἰς τὴν εἰ]κόνα ἐξ ἁπάσης τῆς προσόδου τῆ[ς - - - τὸ ἀργύριον].
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2 Antenblock vom Tempel des Apollon Termintheus in Myus
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In der Terrassenstützmauer unterhalb der östlichen Theaterparodos in Milet, etwa 15 m östlich von dem archaischen Turm (vgl. A. v. Gerkan, Milet II 3, 87 und ebendort Abb. 56, wo der Fundort unseres Steines rechts außerhalb des Bildes liegt), war neben mancherlei anderen Spolien ein großer Marmorquader verbaut, der an zwei aneinanderstoßenden Seiten je eine Inschrift enthält. Wie im folgenden gleich zu zeigen sein wird, geht aus einem der beiden Texte eindeutig hervor, daß es sich dabei um ein von der παραστάς, d. h. vermutlich der Ante, des Tempels des Apollon Termintheus in Myus stammendes Bauglied handelt, um einen der sehr zahlreichen aus der verlassenen Nachbarstadt nach Milet verschleppten Steine. Der Block ist bei der Freilegung dieses Teiles des Theaters laut Tagebucheintragung am 21. 3. 1903 gefunden und in situ belassen worden, wo er auch 1963 noch | vorhanden war; er wurde während der Grabungskampagne dieses Jahres geborgen und in den Hof des Museums gebracht. Abklatsche beider Inschriften fanden sich in der milesischen Abklatschsammlung aus dem Nachlaß von A. Rehm (Inv.-Nr. 462). Als Belege für den Apollon Termintheus von Myus hat W. Ruge, RE XVI 2, 1436 nach einer Mitteilung von Th. Wiegand auf den Stein verwiesen; davon abgesehen ist er aber merkwürdigerweise auch von A. Rehm im Zusammenhang mit dem Komplex „Eumenes II. und Milet“, zu dem er ein wichtiges Parallelzeugnis abgegeben hätte, nie erwähnt bzw. berücksichtigt worden. Er soll aber nun, anläßlich der Publikation des neuen Eirenias-Dekrets, nicht länger im Verborgenen gelassen werden. Es handelt sich um einen großen Block aus weißem, etwas brüchigem Marmor, von dem alle Seiten, zum mindesten in kleinen Flächen, noch erhalten sind (H. 83, B. 11,5, D. 73,5 cm). Die Rückseite und eine Seitenfläche sind zum großen Teil durch eine spätere Abarbeitung verloren gegangen, bei der man aus dem Block vermutlich einen Sessel für das Theater machen wollte. Die Oberseite des Blockes zeigt Anathyrose sowie ein Klammerloch für Anschluß nach hinten und ein quadratisches Dübelloch für Anschluß nach oben. Die Inschrift a auf der Stirnseite steht auf einem leicht vorstehenden Spiegel, dessen Saum seitlich zweifach abgestuft ist (der obere Rand, der stark beschädigt ist, scheint auch zumindest eine leichte Abstufung aufgewiesen zu haben). Die rechte Seitenfläche, die die Inschrift b trägt, ist wahrscheinlich durchgehend geglättet und weist keine erkennbare Randbearbeitung auf. Wenn man annimmt, daß der ältere Text a auf der Stirnseite stand und die spätere Inschrift b auf die dem Eingang zugewandte Innenseite gesetzt wurde, würde es sich mithin um die linke Ante (vom Beschauer her gesehen) des ursprünglichen Gebäudes handeln. a. Inschrift auf der Stirnseite des Blockes (Abb. 3) {Milet VI 3 n. 1029} Buchstabenhöhe 1,3–2 cm; Zeilenabstand 1,2–1,6 cm.
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[ · ἐπειδὴ] ca. 15 τῶι δή] Ἀπολλόδωρος Μητροφάνου προαιρ[ούμενος μωι ἔν τε τοῖς πρότερον χρόνοις εὔνου[ν ἑαυτὸν διε]τέ[λ]ει παρεχό[μ]ε4 νος κοινῆι τε καὶ ἰδίαι τοῖς ἀπαντῶσιν αὐτῶι Μυησίων καὶ νῦν τὴν αὐ τὴν αἵρεσιν ἔχων ἀνατίϑησι τῶι Ἀπόλλωνι τῶι Τερμινϑεῖ φιάλας τέσ σερας ὁλκὴν ἄγουσαν ἑκάστην δραχμὰς Μιλησίας ἑκατόν, δε [δό]χϑαι τῶι δήμωι Ἀπολλόδωρον μὲν ἐπῃνῆσϑαι τῆς τε πρὸς τὸν 8 [ϑε]ὸν εὐσεβήας ἕνε‹κ›εν κα vacat Ζ. 1: Ob vom Kopf des Dekrets nur diese eine Zeile oder noch mehr verloren gegangen ist, läßt sich nicht sagen, da wir das hier verwendete Formular nicht kennen. Wenn nur eine Zeile fehlt, könnte sie vielleicht gerade noch am oberen Rand unseres Blockes (unmittelbar unterhalb der leichten Abstufung des Saumes) gestanden haben, wofür bei der starken Beschädigung dieser Kante allerdings keine | sicheren Spuren nachzuweisen sind. Im anderen Falle müßte die Inschrift schon auf dem darüberliegenden Block begonnen haben, und dann dürfte wohl auch mehr als nur eine Zeile verloren gegangen sein. Z. 8: ENEBENKA, dann bricht der Text ab, ohne daß auf dem Stein irgendwelche Spuren einer Rasur oder Abarbeitung erkennbar wären: offensichtlich hat der Steinmetz hier seine Arbeit abgebrochen und nicht mehr fortgesetzt. Außer der etwas problematischen Vermutung, daß die Feststellung des Schreibfehlers im Wort ἕνεκεν ihn dazu veranlaßt haben könnte, vermag ich keinen erkennbaren Grund für diesen Tatbestand anzugeben. Die Inschrift ist in klarer und recht sorgfältiger, aber im einzelnen durch die sehr unterschiedliche Buchstabenhöhe etwas unregelmäßiger Schrift geschrieben. Außer Ο, Θ und Ω sind besonders Π und T meistens kleiner als die übrigen Buchstaben; am größten ist das B. Die Strichenden sind mit leichten Verdickungen verziert. A hat gerade Querhaste, Σ durchgehend divergierende Außenhasten, ebenso das M. Beim Π ist der waagerechte Strich über die beiden senkrechten hinausgeführt, die rechte Haste reicht etwa bis zur halben Buchstabenhöhe herab. Die Charakteristika der Schrift dürften für eine Datierung in das ausgehende 3. Jahrhundert v. Chr. sprechen. Übersetzung [- - - In Anbetracht der Tatsache, daß] Apollodoros, der Sohn des Metrophanes, bestrebt, dem Demos [zu Gefallen zu sein o. ä.], schon in früheren Zeiten im öffentlichen wie im privaten Bereich gegenüber den Myesiern, die mit ihm in Berührung kamen, stets seine hilfreiche Gesinnung bewiesen hat und nun in der gleichen Einstellung dem Apollon Termintheus vier Phialen als Weihung darbringt, eine jede im Gewicht von hundert milesischen Drachmen, möge der Demos beschließen: man soll Apollodoros belobigen wegen seiner Frömmigkeit dem Gott gegenüber und …
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Das von einem nicht näher genannten Demos ausgehende Ehrendekret erwähnt als frühere Verdienste des Apollodoros seine Fürsorge für die Bewohner von Myus, die ihm „begegnet“ sind. Das zusammen mit der Angabe über die Weihung der Phialen61 an den Apollon Termintheus62 macht es sehr wahrscheinlich, daß wir | ein Dekret eben der Bewohner von Myus vor uns haben. Der Geehrte kann selbst nicht nach Myus gehören, wird aber andererseits auch nicht durch Hinzufügung seines Ethnikons als „Ausländer“ gekennzeichnet. Nun kennen wir in Milet einen Stephanephoren desselben Namens, Ἀπολλόδωρος Μητροφάνου (Milet I 3 n. 46, 1), der nach der Liste (Milet I 3 n. 124, 27) in das Jahr 206/5 gesetzt wird. Von der zeitlichen Einordnung der neuen Inschrift her ist eine Identifizierung durchaus möglich. Dann ergäbe sich also, daß die Bewohner von Myus einen Milesier wie einen Mitbürger ehren. Dieser zunächst etwas paradoxe Tatbestand kann erklärt werden, wenn wir uns kurz die Geschichte von Myus in der hellenistischen Zeit vergegenwärtigen, soweit wir über sie unterrichtet sind. Wie man weiß, ist Myus, eine der alten 12 ionischen Städte, das Opfer seiner ungünstigen Lage im Schwemmlandbereich der antiken Mäandermündung geworden. Die Geschichte des Untergangs der Stadt, die infolge der Mückenplage von ihren Bewohnern verlassen wurde, ist noch in der Notiz des Pausanias eindrucksvoll nachzulesen63. Aber diesem physischen Ende muß in einer gewissen konsequenten Entwicklung der politische Niedergang vorausgegangen sein, und eben der scheint sich in der hellenistischen Epoche, genauer gesagt im 3. und 2. Jahrhundert, vollzogen zu haben. Seit dem ausgehenden 3. Jahrhundert erscheint das Territorium von Myus als ein Objekt fremder Politik. Aus der Kombination verstreuter und fragmentarischer Nachrichten, bei denen überdies die Beziehung auf Myus nicht immer gesichert ist, hat A. Rehm (Milet I 3, 200 ff., vgl. 347 ff.) erschlossen64, daß Myus schon im 3. Jahrhun-
61 Für die Frage der „milesischen Drachme“ als Gewichtseinheit vgl. man F. Hultsch, RE V 2, 1625 sowie A. Rehm, IvDidyma p. 40 und 152. 62 Diese Gottheit von Myus – vielleicht der Hauptgott der Stadt – war uns bisher nur aus dem Vertrag zwischen Milet und Herakleia am Latmos (von 173/2, nach Rehms letzter Chronologie) unter der Form Ἀπόλλων Τερβινϑεύς bekannt (Milet I 3 n. 150, 79 = Syll.3 633). Durch den hier mitgeteilten Stein ist nun zweimal die andere Form Τερμινϑεύς belegt, die auch in dem Beinamen des Ζεὺς Τερμινϑεύς auf einer noch unpublizierten Weihung aus Milet (vgl. 6. Milet-Bericht: AbhBerlin 1908, Anhang 27 {Milet VI 3 p. 157}) wiederkehrt. Vgl. zu den beiden Formen gr. Kruse, RE V A 1, 576. Die Schreibungen Thermintheus bzw. Therbintheus bei Ruge, RE XVI 2, 1436 f. müssen ein Versehen sein, das möglicherweise auf Th. Wiegand zurückgeht. 63 Paus. VII 2, 11 Μυοῦντος δὲ οἱ οἰκήτορες ἐπὶ τύχῃ τοιᾷδε ἐξέλιπον τὴν πόλιν. κατὰ τὴν Μυουσίαν χώραν ϑαλάσσης κόλπος ἐσεῖχεν οὐ μέγας· τοῦτον λίμνην ὁ ποταμὸς ἐποίησεν ὁ Μαίανδρος, ἀποτεμό μενος τὸν ἔσπλουν τῇ ἰλύι· ὡς δὲ ἐνόστησε τὸ ὕδωρ καὶ οὐκέτι ἦν ϑάλασσα, οἱ κώνωπες ἄπειρον πλῆ ϑος ἐγίνοντο ἐκ τῆς λίμνης, ἐς ὃ τοὺς ἀνϑρώπους ἠνάγκασαν ἐκλιπεῖν τὴν πόλιν. ἀπεχώρησαν δὲ ἐς Μίλητον Μυούσιοι τά τε ἄλλα ἀγώγιμα καὶ τῶν ϑεῶν φερόμενοι τὰ ἀγάλματα, καὶ ἦν κατ’ ἐμὲ οὐδὲν ἐν Μυοῦντι ὅτι μὴ Διονύσου ναὸς λίϑου λευκοῦ. 64 Vgl. auch W. Ruge, RE XVI 2, 1432 ff.; D. Magie, Roman Rule in Asia Minor II 883 Anm. 81.
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dert seine Unabhängigkeit an Milet verloren haben muß65, bevor es 201 von Philipp V. an Magnesia gegeben wurde | (Polyb. XVI 24, 9 nach Athen. III 78 E; dazu M. Holleaux, Études IV, 230 ff.). Bald darauf sei aber schrittweise die Rückgewinnung des Territoriums durch Milet vor sich gegangen, zunächst durch den Gewinn des Gebietes bis zum Hybandos durch den 196 zwischen Milet und Magnesia geschlossenen Frieden (Milet I 3 n. 148, 28 ff. = Syll.3 588 {IvPriene (2014) T 3})66, sodann in weiterem Umfang und offenbar endgültig durch die Regelung im Zusammenhang mit dem Frieden von Apameia 188 v. Chr. (Polyb. XXI 46, 5 = Liv. XXXVIII 39, 9)67. – Gelegentlich des Vertrages zwischen Milet und Herakleia am Latmos von 173/2 sehen wir jedenfalls, daß bei der Frage der Zugehörigkeit eines zwischen beiden Städten umstrittenen Berglandes die Milesier ihren Anspruch damit begründen, daß dieses Gebiet nach Myus
65 Als terminus post quem kann, wie Ruge a. a. O. 1434 bemerkt, das Jahr 289/8 gelten: in diesem Jahr bestand der Ionische Bund, wie aus dem smyrnäischen Exemplar der Ehrung des Hippostratos von Milet hervorgeht, noch aus 13 Städten, zu denen Myus gehören muß (AM 25, 1900, 102, vgl. Syll.3 368 Anm. 1 {IvSmyrna 577}). Daß die nicht näher bezeichnete Landschenkung Ptolemaios’ II. an die Milesier von 279/8 das Gebiet von Myus zum Inhalt gehabt haben könnte, ist eine ganz unsichere Vermutung von A. Rehm (zu Milet I 3 n. 123, 38 ff.; vgl. dazu L. Robert, Hellenica II 88 Anm. 3 und Magie a. a. O.). Leider ist auch das Zeugnis, das die Zugehörigkeit zum Territorium von Milet für das Jahr 228/7 belegen soll, etwas problematisch: unter den Dokumenten über die Aufnahme kretischer Söldner in Milet heißt es (Milet I 3 n. 33 e 12) Μυο[υσίων δὲ τοὺς κ]ε[κτημ]ένους τὰς οἰκίας ἐν τῶι χωρίωι δέ[ξασ]ϑαι αὐ[τούς]. Die von Hiller von Gaertringen ergänzte Form des Ethnikons (die sich nur bei Autoren wie Strabon, Pausanias, Stephanos von Byzanz findet) entspricht nämlich nicht der offiziellen Schreibung, die gerade auch wieder durch die neuen Texte 2 a und b bestätigt wird: Μυήσιος (vgl. L. Robert, Hellenica II 71). Leider konnte ich weder das Original in Milet noch einen Abklatsch des Steines ausfindig machen, um daran die Lesung zu überprüfen; Rehm gibt nur an, daß statt Mυο[ auch Mυθ[ gelesen werden könnte. Eine gewisse Stütze erfährt diese auf Myus bezogene Ergänzung allerdings durch den Umstand, daß in einem ähnlichen Fragment (Milet I 3 n. 33 d 12) von der wohl im selben Raum anzusetzenden [Ὑβ]ανδίς (vgl. Anm. 66) die Rede zu sein scheint. 66 Τῆς δὲ χώρ[ας τ]ῆς περαίας, ὑπὲρ ἧς διεφέροντο Μάγνητες καὶ Μιλήσιο[ι, ὅρ]ον ὑπάρχειν αὐτοῖς τὸν Ὕβανδον ποταμόν· καὶ ἀπὸ το[ῦ πο]ταμοῦ τούτου τὴμ μὲν ὑπεράνω πᾶσαν εἶναι Μαγνήτων, τὴ[ν δ’ ὑπ]οκάτω πᾶσαν ἕως θαλάσσης εἶναι Μιλησίων. Myus oder die Μυησία werden also nicht genannt, worauf besonders M. Holleaux, Études IV 231 Anm. 1 aufmerksam macht. Der Hybandos, der ebenso wie die Hybandis natürlich in direkte Verbindung zu setzen ist mit der nordöstlich von Myus auf dem Hügel Özbaşı lokalisierten Ortschaft Hybanda (über den ganzen Komplex zuletzt L. Robert, Anatolia 4, 1959, 15–24), ist nach der Annahme von Rehm (Milet I 3, 349) und F. Mezger (Inscriptio Milesiaca de pace cum Magnetibus facta, Diss. München 1913, 21) einer der Wasserläufe östlich von Myus. Th. Wiegand (Milet III X, 3) hat ihn konkret mit dem heutigen „Gargyntschay“ identifiziert (Kargyn-Tschai auf der Karte des südlichen Ionien in Milet III 3. Es ist nicht der noch weiter östlich liegende Kısır Çay, wie L. Robert a. a. O. 19 Anm. 61 annahm, da er den Gargin Çay auf keiner Karte finden konnte). Auf jeden Fall ist, wenn der Hybandos östlich von Myus verläuft, dieser Ort selbst bei der angegebenen Teilung an Milet gefallen. 67 Μιλησίοις δὲ τὴν ἱερὰν χώραν ἀποκατέστησαν, ἧς διὰ τοὺς πολέμους πρότερον ἐξεχώρησαν. Auch hier wird also Myus nicht namentlich genannt.
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gehöre, und zwar zum Landbesitz des Apollon Terbintheus (Milet I 3 n. 150, 78 ff. = Syll.3 633)68. Über die politisch-staatsrechtliche Form, in die diese Abhängigkeit der Stadt von Milet gekleidet war, wissen wir bisher so gut wie nichts. Doch dürfte in der knappen und unklaren Notiz Strabons (XIV p. 636) … πόλις Μυοῦς, … ἣ νῦν δι’ | ὀλιγανδρίαν Μιλησίοις συμπεπόλισται immerhin der zutreffende Terminus stecken, unter dem die Vorherrschaft von Milet über die in seinen Einflußbereich geratene kleinere Nachbarstadt konstituiert wurde: nämlich in Form einer Sympolitie. Daß unter dem Namen der Sympolitie gerade auch solche Absorptionen oder Annexionen schwächerer Nachbarn vor sich gehen konnten, ist bekannt und durch eine ganze Anzahl von Beispielen belegt69, und gerade in Milet kennen wir schon einen Musterfall dafür in der Urkunde (von 176/5?) über die Eingliederung des kleinen Ortes Pidasa in den milesischen Staatsverband (Milet I 3 n. 149)70. Was nun Myus betrifft, so hat W. Ruge (RE XVI 2, 1433 f.) versucht, für das Aufgehen dieser Stadt in Milet drei aufeinanderfolgende Stufen zu rekonstruieren, indem der Ort zunächst nur die politische Selbständigkeit verloren, aber im Inneren seine eigene Existenz gewahrt habe, dann aber durch die Übernahme der inneren Verwaltung durch Milet auch diese begrenzte Selbständigkeit eingebüßt habe und zuletzt schließlich durch einen richtigen Synoikismos aufgegeben worden sei. Das wäre eine konsequente und auch glaubhafte Entwicklung, die wir im einzelnen indessen weder zu belegen noch auch einigermaßen durch Daten zu fixieren vermögen. Es ist aber sehr naheliegend, daß schon der erste, entscheidende Schritt, der des Verlustes der politischen Selbständigkeit, gerade durch einen Sympolitievertrag vollzogen wurde.
68 περὶ δὲ τοῦ μέρους τῆς χώρας τῆς ὀρεινῆς τῆς ἀμφισβητουμένης, ἣν Μιλήσιοι μὲν ἀποφαίνουσιν εἶναι τῆς Μυησίας ἱερὰν ὑπάρχουσαν τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Τερβινϑέως … Die Tatsache, daß einige Jahre später in dem Grenzstreit zwischen Magnesia und Priene die auf Veranlassung des Praetors M. Aemilius (nach T. R. S. Broughton, The Magistrates of the Roman Republic I 444 Anm. 2 M. Aemilius Lepidus, Praetor 161 v. Chr.) berufene Schlichtungskommission aus Mylasa ἐν] τῶι ἱερῶι τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ ἐμ Μυοῦντι tagte (IvMagnesia 93 a 11 = Syll.3 679 {IvPriene (2014) T 4 a 11}), kann sicher nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß Myus damals wieder von Magnesia abhängig gewesen wäre: s. A. Rehm, Milet I 3, 202; anders D. Magie, Roman Rule … II 884 Anm. 81. 69 Man vgl. die Übersicht bei L. Robert, Villes d’Asie Mineure 54–64 sowie 272 der 2. Aufl. Dazu kann noch die Einverleibung von Kyrbissos durch Teos genannt werden (ders., REG 1959 XIII {J. und L. Robert, JSav 1976, 153–235; SEG XXVI 1306}) sowie die unter dem Namen einer ὁμοπολιτεία am Ende des 3. Jh.s vollzogene vorübergehende Vorherrschaft von Kos über Kalymnos (M. Segre, Tituli Calymnii 9 n. XII, dazu G. Klaffenbach, Gnomon 25, 1953, 455 ff.). Man vgl. auch das von Ch. Habicht, Gnomon 31, 1959, 709 zusammengestellte Material über uns bekannte Expansionen stärkerer Städte auf Kosten schwächerer in der hellenistischen Zeit. 70 L. Robert hat a. a. O. 55 schon darauf hingewiesen, daß man sich die Bedingungen der Eingliederung von Myus wohl analog zu denen von Pidasa vorzustellen hat. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß wir von den grundlegenden Bedingungen der Sympolitie zwischen Milet und Pidasa konkret kaum etwas wissen, da die uns erhaltene Urkunde, wie schon A. Rehm, Milet I 3, 355 festgestellt hat, „nur einen ergänzenden Akt“ mit verschiedenen Einzelbestimmungen darstellt.
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Nun ist eines der Grundelemente solcher durch Sympolitie zusammengeschlossener Staaten das gemeinsame Bürgerrecht, das bei Zusammenschlüssen mit ungleicher Gewichtsverteilung natürlich das des präponderierenden Staates zu sein pflegt71. So sind auch die Bewohner von Pidasa durch den genannten Vertrag Milesier geworden72. Durch ein solches gemeinsames Bürgerrecht erklärt sich aber nun gerade auch der oben für unsere neue Inschrift festgestellte Befund: der Geehrte, Apollodoros aus Milet, war eben aufgrund der Sympolitie Mitbürger der Myesier. Zugleich scheint die Inschrift aber auch für die von W. Ruge zunächst noch vorausgesetzte begrenzte Eigenexistenz von Myus in der ersten Phase der Abhängigkeit von Milet eine Bestätigung zu liefern: wir haben oben gesehen, daß der vorliegende Beschluß von den Myesiern ausgeht, die also in irgendeiner Weise als Demos noch ein beschlußfähiges politisches Organ dargestellt haben müssen. Wir werden auf diese Frage im Zusammenhang mit der folgenden Inschrift b noch genauer zurückkommen. Wenn die Datierung der Inschrift noch in das 3. Jahrhundert richtig ist, so wäre sie überdies auch ein Beleg für die Zugehörigkeit von Myus zu Milet aus der Zeit vor der vorübergehenden Abhängigkeit von Magnesia. Aber man wird auch die ersten Jahre nach der Rückgewinnung (ab 196) nicht ganz ausschließen können. Hingegen scheint sie mir zumindest ein sicherer Beleg dafür, daß zu der damaligen Zeit die Myesier jedenfalls noch in Myus saßen. b. Inschrift auf der linken Seitenfläche des Blockes (Abb. 4) {Milet VI 3 n. 1040 mit Taf. 6} Buchstabenhöhe 1–1,3 cm; Zeilenabstand 0,6–0,9 cm. [. . .]ΔΗΜΟ[ 5–6 ]ΕΣ . [ . ]ΑΕ . [ ca. 6 ]ΟΝΕΧ . . ΣΑ[ ] φιλοδοξίαν· τὸ δὲ συναχϑὲν π[λ]ῆϑος ἐγδανείσουσιν, ὅπως ἡ πίπτουσ[α ἀπ’ αὐτοῦ] πρόσοδος ὑπάρχῃ εἰς τὰ διὰ τοῦ ψηφίσματος ἀποτεταγμένα· τὸν δὲ [ ] 4 τον γραμματέα προνοιῆσαι ἐν ἀρχαιρεσίαις ὅπως ἱερωσύνη πραϑ[ῇ ἡ] Εὐμένους ϑεοῦ, αἱρεϑῶσι δὲ καὶ ἄνδρες οἵτινες διαγραφήν τε εἰσοίσου[σιν περὶ τῆς] ἱερωσύνης καὶ τὰ ἐψηφισμένα εἰς τοὺς νόμους κατατάξουσιν τοὺς [ ] ὑπάρχοντας Μυησίοις, ἀναγραφῇ δὲ καὶ τόδε τὸ ψήφισμα εἴς τε τὸ βῆ[μα ἐφ’ οὗ] 8 σταϑήσεται ἡ τοῦ βασιλέως εἰκὼν καὶ εἰς τὴν παραστάδα τοῦ ναοῦ [τοῦ Ἀπόλλω] νος το[ῦ Τ]ερμινϑέως· τὸ δὲ ἐσόμενον εἰς ταῦτα ἀνήλωμα ὑπηρετῆσ[αι τὸν τα] μίαν ἀ[πὸ ἁ]πάσης τῆς προσόδου καὶ ἐγγράψασϑαι εἰς τὸν λόγον· ἑλέ[σϑαι δὲ δύο] πρεσβ[ευτ]άς, τοὺς δὲ αἱρεϑέντας ἀφικομένους πρὸς τὸν [βασιλέα τό τε ψήφισ]12 [μα] ἀποδοῦναι καὶ παρακαλεῖν τὸν βασιλέα ὅπως προν[οησάμενος τῶν ἑαυ] [τοῦ] τιμῶν καὶ τῶν τοῦ δήμου ἐνδόξων ἀεί τινος ἀγαϑοῦ [παραίτιος γένηται ἡ]71 Man vgl. dafür besonders die bei E. Szanto, Das griechische Bürgerrecht 104 ff. aufgeführten Beispiele. 72 Milet I 3 n. 149, 10: εἶναι Πιδασεῖς Μιλησίων πολίτας καὶ τέκνα καὶ γυναῖκας, ὅσαι ἂν ὦσιν φύσει Πιδασίδες ἢ πόλεως ‘Ελληνίδος πολίτιδες.
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[μῖν]· προνοιῆσαι δὲ καὶ ὅπως ἀνασταϑῇ ὑπ’ αὐτοῦ ὁ περὶ τ[ 15–18 ] [καϑ]ότι καὶ διὰ τοῦ πρότερον ψηφίσματος ὁ δῆμος τὴμ π[ ] 16 [. . . .]ο καὶ Εἰρηνίας δὲ τοὺς καϑήκοντας λόγους πράσσει[ν ὑπέσχετο, καὶ ποιεῖν] 10 [ὅτι ἂν] ἀγαϑὸν δύνωνται τῶι δήμωι. ᾙρέϑησαν Εἰρηνίας Εἰ[ρηνίου, ] [. . . . . . .]ίδου.
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Die Inschrift hat auf dem darüberliegenden Block begonnen. Die erste Zeile unseres Textes, die unmittelbar unter der Kante des Steines stand, ist bis auf ganz geringe Reste abgeschlagen. Die ungefähre Zeilenlänge der Inschrift kann durch die sicheren Ergänzungen der Zeilen 8–11 ermittelt werden; sie beträgt danach 58 bis 61 Buchstaben. Da der rechte Rand der Inschrift (der der rückwärtigen Kante des Blockes in seiner ursprünglichen Verwendung als Ante entspricht) in den Zeilen 1–10 noch erhalten zu sein scheint, ergibt sich damit, daß die Schrift | jedenfalls bis zu etwa 10 Buchstaben auch noch auf den rechts anschließenden Block hinübergereicht haben muß. Dabei können die Zeilenlängen – bei der erkennbaren Tendenz zur Beachtung der Silbentrennung – freilich recht unterschiedlich gewesen sein; so dürften in Z. 4 kaum mehr als die ergänzten zwei Buchstaben auf dem Anschlußblock gestanden haben, und in Z. 6 fehlt unter Umständen gar nichts vom ursprünglichen Text (s. Anm. 82). Die Schrift ist sorgfältig und recht regelmäßig eingegraben, mit nur geringeren Schwankungen in der Buchstabenhöhe. Die Strichenden weisen kräftige Verdickungen auf, die teils noch knopfartig sind, teils in deutlich betonte „Schwalbenschwänze“ auslaufen. A hat eine mehr oder weniger stark nach unten durchgebogene Querhaste. Θ weist in der Mitte den dreieckigen Punkt auf (s. Anm. 5). Die äußeren Schenkel beim M sind leicht divergierend. Ξ hat noch den senkrechten Mittelstrich (s. Anm. 6). Der waagerechte Strich des Π ragt nach beiden Seiten über die senkrechten hinaus; die rechte Haste hängt noch etwas in der Luft. Die Außenhasten des Σ sind meistens noch etwas divergierend, vereinzelt aber auch schon parallel. Φ hat die Bogen- bzw. Armbrustform (vgl. Anm. 10). Übersetzung … Die zusammengekommene Geldsumme sollen sie ausleihen, damit die [daraus] anfallenden Einkünfte für den durch den Beschluß festgelegten Fonds zur Verfügung stehen. Der [ ] Sekretär soll bei den Beamtenwahlen dafür sorgen, daß das Priestertum des vergöttlichten Eumenes zum Verkauf gestellt wird, daß Männer gewählt werden, die die Ausschreibung des Priestertums einreichen und den Inhalt des Beschlusses unter die Gesetze [ ? ] der Myesier aufnehmen, und daß dieser Beschluß auf der Basis, [auf der] das Standbild des Königs errichtet werden soll, aufgezeichnet wird, sowie auf der Ante des Tempels des Apollon Termintheus. Den dafür nötigen Betrag soll der Schatzmeister aus den Gesamteinkünften zur Verfügung stellen und in die Abrechnung eintragen. Ferner soll man [zwei] Gesandte wählen, die sich zum [König] begeben, ihm [den Volksbeschluß] überreichen und ihn bitten sollen, [in der Fürsorge für die ihm selbst zufallenden] Ehrungen und das Gedeihen
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und Ansehen des Demos [uns auch weiterhin] stets seine Wohltaten [zuteil werden zu lassen]. Sie sollen sich auch darum bemühen, daß von ihm der [ ] errichtet wird, [so] wie der Demos auch durch den früheren Volksbeschluß [… bestimmt hat?] und [gemäß dem Versprechen?] des Eirenias, die Sache in angemessener Weise zu vertreten, [indem sie] soweit als möglich zum Vorteile des Demos [handeln]. Es wurden gewählt: Eirenias, Sohn des Ei[renias, N. , Sohn des ---]ides. Kommentar Wir haben den Schlußteil eines Psephismas vor uns mit einer Anzahl von Ausführungsbestimmungen. Der Anfang, d. h. insbesondere die gesamte „Motivierung“ (die ἐπειδή-Konstruktion) und ein mehr oder weniger großer Teil der Ver|fügungen selbst sind verloren gegangen. Aus dem Erhaltenen ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, von wem dieses Psephisma beschlossen worden ist. Bevor wir auf diese Frage eingehen, seien kurz eine Gliederung des Textes und einige Einzelbemerkungen zu seiner Interpretation vorangestellt. 2–3: Bestimmungen über die Verwendung einer Geldsumme Der Text bleibt durch den Verlust des Vorhergehenden73 leider sehr unklar. So wissen wir weder, auf welche Weise die erwähnte Summe „zusammengekommen“74 ist, noch, zu welchem konkreten Zweck75 die Zinsen aus dem dann auszuleihenden Kapital verwendet werden sollten. Nach dem ganzen folgenden Zusammenhang 73 In welchem konkreten Zusammenhang das erste erhaltene Wort φιλοδοξίαν mit dem Folgenden steht, vermag ich nicht zu erkennen. φιλοδοξία ist eine der typischen Qualitäten des öffentlichen Wohltäters, und insbesondere im Zusammenhang mit Stiftungen wird das Wort häufig verwendet: z. B. in Milet bei der Eudemos-Stiftung (Syll.3 577, 2. 81), in Teos bei der Stiftung des Polythrus (Syll.3 578, 5); besonders charakteristisch ist auch die Stiftungsurkunde Laum n. 100, wo neben φιλοδοξία auch das Verbum φιλοδοξέω im Sinne von „stiften“ erscheint (dazu Laum I 122). Die oben ausgesprochene Vermutung, daß es sich auch in unserem Text um eine Stiftung handelt, wird gerade durch das Erscheinen dieses Ausdrucks gestützt. Es scheint also irgendwie im Zusammenhang mit der Regelung über die Verwaltung und Verwendung der Stiftung von der φιλοδοξία des Stifters selbst gesprochen worden zu sein. 74 Für die Wendung τὸ συναχϑὲν πλῆϑος vgl. man die Inschrift auf einem Opferstock aus Thasos BCH 64/5, 1940/1, 176 Z. 8 ff. (= Sokolowski, Lois sacrées des cités grecques n. 72): (Der Hieromnemon erhält jeweils den Jahresertrag aus dem Opferstock) τὸν δὲ φυλάσσειν, ἕως ἂν συναχϑῶσιν δραχμαὶ χίλιαι· ὅταν δὲ τὸ προγεγραμμένον πλῆϑος συναχϑῇ, βουλεύσασϑαι τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον … 75 Das Psephisma, auf das verwiesen wird, kann das uns vorliegende sein (in seinen verlorenen Partien) oder ein früher gefaßtes. – Der Ausdruck τὰ … ἀποτεταγμένα bezeichnet im Zusammenhang mit finanziellen Angelegenheiten einen für einen bestimmten Zweck „abgesonderten“, d. h. reservierten Fonds oder Betrag: s. J. u. L. Robert, Hellenica IX 15; L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I (1964) 16 (vgl. auch IG XII 7, 515, 91 im Eid der Epimeleten eines Agons in Aigiale auf Amorgos: ἐδαπανήσαμεν τὸ ἀργύριον πᾶν τὸ ἀποτεταγμένον εἴς τε τὴν δημο[ϑο]ινίαν καὶ τὸν ἀγῶνα, oder IvMagnesia 92 b 14 in einem Ehrendekret: τὸ δὲ ἀνάλωμα τὸ ἐσόμενον εἰς τὴν εἰκόνα ὑπηρετῆσαι Δημήτριον ἐκ τῶμ πόρων τῶν ἀποτεταγμένων εἰς τὴγ κατασκευὴν τοῦ ϑεάτρου τῶμ προσεψηφισμένων). Dabei scheint es sich allerdings in dem hier vorliegenden Falle nicht wie sonst meistens um die Festlegung einer Summe
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liegt die Vermutung nahe, daß es sich um eine Stiftung handelt (vgl. Anm. 73), deren Kapital aber anscheinend erst durch eine bestimmte finanzielle oder geschäftliche Transaktion bereitgestellt werden mußte. Gerade aus der neuen Eirenias-Inschrift Nr. 1 haben wir ein solches Verfahren kennengelernt, wo das Kapital der Gymnasiumsstiftung des Eumenes erst aus dem Verkauf des von ihm gespendeten Getreides gewonnen wurde. Was den Zweck dieser Stiftung betrifft, so kann man jedenfalls vermuten, daß er mit dem gleich in der nächsten Bestimmung genannten Priestertum des Eumenes in Beziehung zu setzen ist, d. h. daß | damit bestimmte, mit der kultischen Verehrung des Königs in Zusammenhang stehende Aufwendungen bestritten werden sollen: das könnte der Bau oder die Ausstattung eines entsprechenden Heiligtums sein oder auch die Durchführung bestimmter kultischer Feiern oder Feste. Wie wir weiter unten sehen werden, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Stifter auch hier der König Eumenes selbst ist. 3–9: Aufgaben des (bzw. eines bestimmten76) γραμματεύς: 1) Verkauf des Priestertums des Eumenes; 2) Wahl einer Kommission, die a) die διαγραφή über das Priestertum „einreichen“, b) für die Aufnahme des Beschlusses unter die Gesetze von Myus sorgen soll; 3) Veranlassung der doppelten Aufzeichnung des Beschlusses, auf der Basis der dem König zu errichtenden Statue und auf der Ante des Tempels des Apollon Termintheus. 5: Es wird nicht klar, bei welcher Instanz die διαγραφή des Priestertums, womit die die Pflichten und Rechte des Priesters enthaltenden Verkaufsbedingungen gemeint sein müssen77, „eingereicht“ werden soll78. Die Formulierung und Bekanntmachung dieser διαγραφή muß natürlich dem Verkauf selbst vorausgehen: also gehörte der Punkt 2 a eigentlich vor den Punkt 1 gestellt. 6: Für das Verfahren der „Aufnahme“ (κατατάσσειν, καταχωρίζειν) von Psephismen „unter die Gesetze“ hat H. Francotte, Mélanges de droit public grec (1910) 34 ff. das seinerzeit erreichbare Material zusammengestellt79. Er hat dabei darauf hingeaus dem städtischen Budget zu handeln, sondern nur um die durch das Psephisma festgelegte „Reservierung“ des Stiftungskapitals für den vorgesehenen Zweck. 76 Das ]τον am Anfang von Z. 4 muß zu einem den γραμματεύς näher spezifizierenden Ausdruck, am ehesten wohl einem Adjektiv, gehören. Es ist mir nicht geglückt, eine passende Ergänzung zu finden. Ch. Habicht vermutet τὸν δὲ [--- καὶ] τὸν γραμματέα. 77 Man vgl. für den Ausdruck L. Robert, BCH 52, 1928, 436 Anm. 1; P. Fraser, BArchAlex 40, 1953, 43 mit Anm. 2 (ἱερὰ διαγραφή = lex sacra in Kos); F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure 34, 24; 37, 1 {IvPriene (2014) 144, 1} (Διαγραφὴ Διονύσου Φλέου als Überschrift). 78 Man denkt vor allem an eine Vorlage an die Volksversammlung, wie das mit εἰσφέρειν (ψήφισμα) häufiger ausgedrückt wird: vgl. L. Robert, Le sanctuaire de Sinuri près de Mylasa I 32 Anm. 3 (Hellenica XI/XII 516). 79 Vgl. auch G. Busolt, Griechische Staatskunde I3 464 Anm. 1.
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wiesen, daß diese Vorsorge besonders häufig bei Beschlüssen getroffen wird, die religiöse Feste betreffen, bei denen auf diese Weise die bleibende Gültigkeit gesichert werden sollte. Das scheint gerade auch in unserer Inschrift der Fall zu sein. Hierbei sei daran erinnert, daß in dem in Didyma gefundenen milesischen Beschluß (IvDidyma 488), der Einzelheiten über die Feier des Geburtstages König Eumenes’ II. enthält (und dessen sachlicher Zusammenhang mit unserem neuen Text noch zu erörtern sein wird), gerade auch auf einen diesbezüglichen στεφανηφορικὸς νόμος (Z. 14) verwiesen wird. – Auf die beson|dere staatsrechtliche Problematik der „Gesetze der Myesier“ (in Verbindung auch mit der Frage der Vollständigkeit von Z. 6) kann ich erst weiter unten eingehen. 8: Für die Aufzeichnung von Urkunden auf παραστάδες in Heiligtümern oder an Amtsgebäuden vgl. man die bei L. Robert, Le sanctuaire de Sinuri près de Mylasa I 54 f. aufgeführten Beispiele. Nach F. Ebert, Fachausdrücke des griech. Bauhandwerks, I. Der Tempel (1910) 18 können mit παραστάς außer Anten und Mauerwangen verschiedenerlei pfeilerartige Architekturteile bezeichnet werden. Daß es sich hier wirklich um die Ante des Tempels handelt, wird durch den materiellen Befund des Blockes und seiner Beschriftung nahegelegt. 9–10: Bereitstellung und Verrechnung der für die Aufzeichnung des Beschlusses nöti gen Summe Der Tamias soll die benötigte Summe ἀ[πὸ ἁ]πάσης τῆς προσόδου nehmen, also den „Gesamteinkünften“, wobei man hier natürlich in erster Linie an die Erträge der oben vorausgesetzten Stiftung denkt, die ja auch in Z. 3 mit πρόσοδος bezeichnet werden80. 10–17: Absendung einer Gesandtschaft an den König und Aufträge an diese 12–14: Es ist bemerkenswert, daß bei den Aufträgen an die Gesandten neben der Übergabe des Psephismas gleich verschiedene Bitten an den König erscheinen, aber keine ausdrücklichen Äußerungen der Dankbarkeit für erwiesene Wohltaten. Diese können aber im Psephisma selbst angeführt worden sein und demnach in dem verlorenen ersten Teil unseres Textes gestanden haben. Zunächst wird der König in ganz allgemeiner Form um seine weitere Gunst und Hilfe gebeten, wobei in der Formulierung in geschickter Weise vor seine Wirksamkeit zum Ruhme des Demos noch seine Fürsorge für seine eigenen τιμαί gestellt ist. 14–17: Die mit dem Infinitiv προνοιῆσαι weitergeführte Konstruktion muß dem Inhalt nach noch zu den Instruktionen an die Gesandten gehören: es ist offenbar 80 Die Wendung hat eine Parallele in der Apame-Inschrift IvDidyma 480, 20, wo die Kosten für das Standbild der Königin ἐξ ἁπάσης τῆς προσόδου τῆ[ς … angewiesen werden sollen. Dort bleibt allerdings unklar, was für Einkünfte das sind, da die im gleichen Dekret erwähnte Stiftung des Seleukos, eine noch zu errichtende Stoa, dafür gerade nicht in Betracht kommt (M. Holleaux, Études III 103 Anm. 4 und danach A. Rehm, IvDidyma p. 281).
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nun eine ganz konkrete Bitte oder, nach der Formulierung, fast schon Aufforderung an den König. Leider ist die entscheidende Partie am Ende von Z. 14 verloren gegangen, und man kann nur allgemein vermuten, daß es sich um die Errichtung, Erstellung oder Weihung irgendeiner Bauanlage handelt. Sollte damit etwa konkret das weiter oben genannte noch zu errichtende Standbild des Königs selbst gemeint sein? Dabei scheint als Richtlinie oder Motivierung einerseits ein früherer81 Volksbeschluß genannt zu sein, andererseits ein Anerbieten des Ei|renias, die Sache entsprechend beim König zu vertreten. Wir hatten schon oben bei der Inschrift Nr. 1 erschlossen, daß die Gymnasiumsstiftung des Eumenes auf eine ähnliche eigene Initiative desselben Eirenias zurückging. 17–18: Tatsächlich erscheint Eirenias auch als erster der beiden gewählten Gesandten. Er ist hier, wie in der Inschrift Nr. 1, als Sohn des Eirenias bezeichnet, der, wie wir wissen, sein Adoptivvater war. Daß der Eirenias auch unserer Inschrift der bekannte milesische Politiker ist, scheint mir außer Zweifel zu stehen. Der zweite Gesandte könnte der Sohn eines Apollonides gewesen sein. Bei der Inschrift a waren wir zu dem Schluß gekommen, daß das vorliegende Ehrendekret von dem in Sympolitie mit Milet verbundenen Demos von Myus ausging. Trifft das auch für die Inschrift b auf der Seitenfläche desselben Blockes zu? Auf Myus verweist zunächst ja deutlich der als Aufstellungsort der einen Abschrift genannte Tempel des Apollon Termintheus, dann aber besonders die Verfügung, den Inhalt des Beschlusses unter die Gesetze der Myesier aufzunehmen. Kann man aber auch alle sonstigen in dem Text erscheinenden Einzelheiten für Myus in Anspruch nehmen? Daß die Myesier als Gesandten zum König ihren milesischen Mitbürger Eirenias delegierten, wäre bei dessen bekannt guten Verbindungen zum Hofe von Pergamon natürlich sehr verständlich, vor allem, wenn er sich dazu vorher schon selbst angeboten hätte. Wir wissen ja, daß er auch als Gesandter des Ionischen Bundes fungiert hat. Bei den im Text genannten staatlichen Einrichtungen und Organen wie ἀρχαιρεσίαι, γραμματεύς, ταμίας wird man kaum etwas für oder gegen Myus sagen können, da wir ja die Organisation von Myus nicht kennen. Daß eine in Sympolitie einem mächtigeren Nachbarn angegliederte Stadt politische Organe dieser Art für sich behielt, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, so wie Myus ja jedenfalls auch noch eigene νόμοι hatte. Äußerst problematisch erscheint mir aber eine Beschränkung auf Myus bei den sachlichen Einzelheiten, die wir aus dem Dekret über die Beziehungen zu Eumenes erfahren: die aus dem Zusammenhang erschlossene Stiftung zum Zweck der Errichtung eines Heiligtums oder zur Durchführung eines Festes zu Ehren des Königs, die Einrichtung eines Priestertums für ihn, vor allem aber die Tatsache eines selbständigen diplomatischen Verkehrs mit dem Herrscher überhaupt. Wir wissen, daß Milet – als erste unter den ionischen Städten – die Errichtung eines Temenos für
81 Für den Gebrauch des Adverbs πρότερον statt des Adjektivs (τοῦ πρότερον ψηφίσματος Z. 15) vgl. man A. Wilhelm, AEMÖ 20, 1897, 56 und GGA 1898, 207.
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den König beschlossen hat (Milet I 9 n. 306, 59 ff.), und wir haben durch eine Bemerkung in einem milesischen Dekret Kenntnis davon, daß in Milet ebenfalls eine den König betreffende περὶ τῆς ἱερεωσύνης διαγραφή existiert hat (IvDidyma 488, 14). Bei diesem Tatbestand drängt sich m. E. die Annahme auf, daß die in dem Text aus Myus erwähnten Einzelheiten in Bezug auf das Verhältnis zu Eumenes keine Parallelen (oder „Nachahmungen“) zu den milesischen Verhältnissen darstellen, sondern daß sie als Beschlüsse und Maßnahmen des milesischen Gesamtstaates einfach mit ihnen identisch sind bzw. in ihren Zusammenhang einzuordnen sind. Das somit festgestellte Nebeneinander von Milet | insgesamt und Myus im besonderen betreffenden Einzelheiten in dem Dekret vermag ich nun nicht anders zu erklären, als daß wir hier einen von Milet ausgehenden und in der Sache auch ganz Milet betreffenden Beschluß in einer auf Myus zugeschnittenen und vielleicht sogar in Myus gesondert ratifizierten Ausfertigung vor uns haben. Deshalb wird verfügt, daß außer auf der Basis einer noch zu errichtenden Statue des Königs (in Milet) eine Abschrift des Beschlusses auch im Hauptheiligtum von Myus angebracht werden soll, und daß der Inhalt des Beschlusses unter die (noch) bestehenden eigenen Gesetze der Myesier aufgenommen werden soll. Gerade die Formulierung εἰς τοὺς νόμους τοὺς [ ] ὑπάρχοντας Μυησίοις scheint mir (unabhängig davon, ob in der Lücke vor ὑπάρχοντας noch etwas zu ergänzen ist82) deutlich auf den hier vorliegenden Sonderfall hinzuweisen: in einem „normalen“ souveränen Staat genügte die Verfügung der Aufnahme „unter die Gesetze“ ohne jeden Zusatz, so wie es auch die Parallelbeispiele zeigen. Die Inschrift kann mithin als ein weiteres Zeugnis für das Fortbestehen von Myus als einer „Unterabteilung“ des milesischen Staates in der 1. Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts gelten. Wie schon gelegentlich der Inschrift a festgestellt wurde, liegt die Vermutung nahe, daß Myus unter der Form eines Demos in diesen Staat eingefügt war, so wie es in Milet selbst auch anderen angegliederten Außengemeinden wie Teichiussa und Leros widerfahren ist83 und wie es bei ähnlichen Zusammenschlüssen bzw. Annexionen auch anderweitig vielfach geschehen ist84. Wo die Grenzen der noch vorhandenen „kommunalen“ Autonomie von Myus verliefen, vermögen wir nach den dürftigen Angaben der Inschrift nicht zu bestimmen. Als einziges sicheres Faktum liefert uns der Text den Hinweis auf das Weiterbestehen bestimmter eigener Gesetze 82 Wie schon oben angedeutet wurde, ist es nicht ausgeschlossen, daß die Z. 6 schon mit τούς endete, daß also zwischen τούς und ὑπάρχοντας gar nichts fehlt. Sollte doch etwas verloren gegangen sein, kann es eigentlich nur ein nicht zu langes Wort gewesen sein, wobei wohl am ehesten an ein zu ὑπάρχοντας gestelltes Adverb zu denken wäre. Natürlich könnte das den Sinn der Aussage verändert oder auch eingeschränkt haben. Kaum möglich ist aber jedenfalls aus Raumgründen die Annahme eines Doppelgliedes, in dem die Aufnahme unter die Gesetze von Milet und die von Myus verfügt worden wäre (εἰς τοὺς νόμους … τοὺς [Μιλησίους καὶ τοὺς] ὑπάρχοντας Μυησίοις oder auch τοὺς [παρ’ ἡμῖν καὶ τοὺς] – so Ch. Habicht). 83 Vgl. zuletzt F. Gschnitzer, Abhängige Orte im griechischen Altertum 122 mit Anm. 6. 84 Man vgl. dafür Ch. Habicht, Gnomon 31, 1959, 708. Bei der Sympolitie zwischen Stiris und Medeon in Phokis wurde Medeon eine Phratrie von Stiris (Syll.3 647, 77).
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der Myesier85. Sie werden in gewissen Grenzen auch noch eigene Beamte gehabt haben und vermutlich auch eine eigene Volks- oder Demenversammlung, aus der die uns vorliegende In|schrift in letzter Instanz hervorgegangen sein kann86. All das setzt wohl voraus, daß die Myesier damals auch noch räumlich getrennt von den Milesiern in ihrer alten Siedlung wohnten, so wie ja nach den Angaben der Inschrift auch der Apollon-Tempel noch in Benutzung war. Wenn die Annahme richtig ist, daß die wesentlichen in dem Text enthaltenen Details nicht speziell Myus, sondern Milet betreffen, ist diese Inschrift ebenso wie der Text Nr. 1 ein weiteres wichtiges Zeugnis in einer nun schon umfangreicheren Dokumentation über die Beziehungen dieser Stadt zu König Eumenes II. Es bleibt daher im folgenden zu untersuchen, wie die neuen Einzelheiten mit dem uns bisher Bekannten kombiniert werden können und insbesondere, ob sich für die Frage der Chronologie dieser Beziehungen neue Gesichtspunkte gewinnen lassen. Hierbei ist es notwendig, zunächst die schon bekannten Urkunden aus diesem ganzen Komplex kurz in Erinnerung zu bringen: I. In Milet errichtete Rundbasis des Ionischen Bundes für Eumenes II., enthaltend einen Brief des Herrschers an den Bund. Veröffentlicht nach Abschrift von Th. Wiegand und Abklatsch durch W. Dittenberger, OGI 763; nach derselben Abschrift und einem neuen Abklatsch von A. Rehm, Milet I 9 n. 306; nach Vergleich des in Berlin befindlichen Originals von C. B. Welles, Royal Correspondence in the Hellenistic Period n. 52. Vgl. A. Wilhelm, Griech. Königsbriefe (Klio Beiheft 48) 43–46 (neue Ergänzung der Zeilen 13–16).
85 Das ist bemerkenswert, wenn man daneben etwa die Bestimmungen aus der Sympolitie zwischen den phthiotischen Städten Melitaia und Peraia stellt (Syll.3 546 B 28): νόμοις δὲ χρήσϑων Πηρεῖς τοῖς αὐτοῖς καὶ Μελιταεῖς oder aus dem Vertrag zwischen den Smyrnäern und den Bewohnern von Magnesia (OGI 229, 64): καὶ πολιτεύσομαι μεϑ’ ὁμονοίας ἀστασιάστως κατὰ τοὺς Σμυρναίων νόμους καὶ τὰ ψηφίσματα τοῦ δήμου. W. Feldmann, Analecta epigraphica ad historiam synoecismorum et sympolitiarum Graecorum 8 stellt die legum communio geradezu als eines der Charakteristika der Sympolitie heraus. 86 Man kann für die hier möglicherweise vorauszusetzenden Verhältnisse an das Verfahren des διαψηφίζειν erinnern, der Bestätigung von Dekreten durch den anderen Teil der offenbar in Sympolitie vereinigten beiden Kolophon, auf das L. Robert aufmerksam gemacht hat (Villes d’Asie Mineure 62; RPhil 10, 1936, 165 f.). Auch bei dem kretischen Hafenort Lato πρὸς Καμάρᾳ in seinem Verhältnis zu der binnenwärts gelegenen Stadt Lato selbst könnten ähnliche Voraussetzungen vorgelegen haben, die dazu führten, daß in der Serie der Anerkennungsdekrete der teischen Asylie neben dem Dekret der Stadt Lato ein damit im Text übereinstimmendes, aber eben gesondert ausgefertigtes Dekret der Λάτιοι oἱ πρὸς Καμάραι erscheint (ICret. I 131 n. 15, dazu zuletzt F. Gschnitzer, Abhängige Orte im griech. Altertum 49 ff.). Es würde also für Milet und Myus nicht unbedingt das συνεκκλησιάζειν καὶ συναρχοστατεῖσϑαι gelten, das in der Sympolitie von Stiris und Medeon in Phokis verfügt wird (Syll.3 647, 13).
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Inhalt: Der König bestätigt das ihm von den Gesandten Eirenias und Archelaos in Delos überreichte Psephisma (1–5), in dem der Bund zum Dank für die Fürsorge des Königs für die griechischen Städte (5–22) folgende Ehren für den Herrscher beschlossen hatte (23–29): 1. Bekränzung mit einem goldenen Kranz; 2. Errichtung einer goldenen Statue an einem vom König zu bestimmenden Ort in Ionien; 3. Bekanntmachung der Ehren an den Agonen des Bundes und denen der einzelnen Städte; 4. allgemeine Wünsche für den Herrscher und Bitte um weitere Fürsorge (30–37). Die Antwort des Königs enthält folgende Punkte: 1. „Annahme“ der Ehren und Zusage weiterer Hilfe (41–50); 2. Zusicherung, dem Bund Geldmittel (πρόσοδοι ἱκαναί) zur Feier einer ἡμέρα ἐπώνυ μος des Königs gelegentlich der Panionien zur Verfügung zu stellen (51–56); 3. Errichtung der Statue des Königs auf seine eigenen Kosten (56–58) und Aufstellung in Milet in dem von den Milesiern für ihn beschlossenen Temenos (59–60), und zwar aus folgenden Gründen (60–68): a) die Ehren für den König sind in Milet gelegentlich der dort abgehaltenen Pane gyris beschlossen worden; b) Milet ist bis jetzt die einzige Stadt in Ionien, die die Errichtung eines Temenos für den Herrscher beschlossen hat; c) Milet steht – auf dem „Umweg“ über seine Tochterstadt Kyzikos (und die von dort stammende Königin-Mutter Apollonis) – im Verhältnis der συγγένεια zum Herrscher; d) Milet hat viele ruhmvolle Taten zugunsten der Ioner vollbracht. Datierung: Nach der eindringenden Interpretation von M. Holleaux, REG 37, 1924, 305–330 (= Études II 153–178) gehören der Brief und das ihm vorausgehende Dekret, in dem von Kämpfen gegen die Barbaren (8–10), aber noch nicht vom Sieg die Rede ist, in die Zeit der Galaterkriege, und zwar aufgrund der Erwähnung der Begegnung in Delos in den Winter 167/6, wo der König auf der Rückkehr von seiner vergeblichen Reise nach Italien Station gemacht haben muß. Diese Datierung ist, soweit ich sehe, allgemein akzeptiert worden. II. Antenblock vom Propylon des Stadions in Milet mit dem Anfang eines milesischen Volksbeschlusses für Eumenes II. Veröffentlicht von Th. Wiegand im 7. Milet-Bericht (AbhBerlin 1911, Anhang) 26; nach neuer Lesung des Abklatsches von A. Rehm, Milet I 9 n. 307.
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Inhalt: Der Block enthält nur den Anfang der Motivierung des Beschlusses in der üblichen ἐπειδή-Formel, der Beschluß selbst ist nicht erhalten. Hinweis auf die zahlreichen Beweise des königlichen Wohlwollens gegenüber allen Griechen und auf die daraufhin dem König zuteil gewordenen Ehren (4–11). In dem Wunsche, die von seinen Vorfahren herstammenden guten Beziehungen zu Milet zu vermehren und auch den Nachfahren ein würdiges Denkmal seiner | wohlwollenden Gesinnung dem Volk von Milet gegenüber zu hinterlassen, hat der König (der Z. 2–4 als συγγενής, φίλος, εὔνους und εὐεργέτης διὰ προγόνων bezeichnet wird) an Rat und Volk von Milet ein Schreiben (γράματα, so der Stein) gerichtet, in dem er unter Hinweis auf die ihm gemachten Darlegungen des Eirenias (τὰ ὑπὸ Εἰρηνίου ἐμφανισϑέντα αὐτῶι ἐχϑέμενος …) und seine Einstellung dem Demos gegenüber [- - (hier bricht der Text ab). Datierung: Der Text enthält in sich keine Angabe, die eine absolute Datierung ermöglicht87. Die relative Datierung hängt an der Frage des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der oben besprochenen Urkunde I und der folgenden Inschrift III. Darüber kann erst im Anschluß an diesen Text gesprochen werden. Unabhängig von dem eventuellen Zusammenhang mit den anderen Texten geht aber wohl aus der Formulierung der Inschrift hervor, daß sie an den Anfang der Beziehungen des Herrschers zu Milet gehört: Es fehlt jedenfalls jeder Hinweis auf frühere Wohltaten des Königs gegenüber der Stadt, wie er sonst in der verbreiteten Gegenüberstellung des πρότερον μέν – νῦν δέ zusammengefaßt zu werden pflegt88. III. Stelenbruchstücke aus Didyma mit einem milesischen Ratsbeschluß über die Feier des Geburtstages Eumenes’ II., insbesondere die Regelung und Finanzierung einer damit verbundenen Getreideverteilung. Veröffentlicht von Th. Wiegand im 7. Milet-Bericht (AbhBerlin 1911, Anhang) 27 (danach B. Laum, Stiftungen in der griech. u. röm. Antike II 159 n. 129 b); unter Hinzufügung eines kleinen Bruchstückes A. Rehm, IvDidyma 488 (ohne Kommentar, zu dem Rehm nicht mehr gekommen ist). Inhalt: Der Text ist oben und unten verstümmelt, insbesondere fehlt – bis auf das Ende des letzten Satzes – die gesamte Motivierung. Bestimmungen des Beschlusses: 1. Wahl von 2 Männern in der Volksversammlung, die für die Beschaffung des am 6. Lenaion, dem Geburtstag des Königs, an die Bürger zu verteilenden Getreides verantwortlich sind sowie für Opfer (ϑυσία) und Bewirtung (ἑστίασις) gemäß den 87 Man wird höchstens annehmen können, daß der Text nicht in die allererste Regierungszeit des Königs gehört, wenn man die Erwähnung seiner zahlreichen Wohltaten gegenüber den Griechen einigermaßen wörtlich nehmen kann. 88 Zu dieser Formel vgl. Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte 162 Anm. 4.
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Bestimmungen über die πομπαί, die ϑυσίαι und den καϑοπλισμὸς τῶν ἐφήβων und den anderen Verfügungen nach dem στεφανηφορικὸς νόμος und der περὶ τῆς ἱερεωσύνης διαγραφή (4–15). 2. Künftige Wahl der für die Getreidebeschaffung zuständigen Leute am 12. Taureon (15–19). 3. Regelung über die Bereitstellung des für die Getreideverteilung notwendigen Kapitals: einmalige Überweisung einer Summe von 30 Talenten aus den fälligen ἐμπορικὰ δάνεια (kaufmännische Darlehen) durch die mit dem Bau des Gymnasiums Beauftragten (Eirenias und Zopyros) an die Vorsteher der öffentlichen Bank. Überweisung der eingehenden Zinsen an die Getreidekommission; Übergabe des Kapitals an die Amtsnachfolger; Einzelheiten über Garantien und die Abrechnung (verstümmelt) (19–36). 4. Bestimmungen gegen Zweckentfremdung der genannten Gelder, im Interesse der dauernden Bewahrung der μνήμη gegenüber dem König und zur Bekundung der dankbaren Einstellung des Volkes auch gegenüber den Brüdern des Königs, König Attalos und Athenaios, sowie seinem Sohn Attalos (36–52). 5. Bestimmungen über die Aufzeichnung des Beschlusses (52–57). Infolge des Verlustes des Anfangs der Urkunde stößt das Verständnis des Textes auf beträchtliche Schwierigkeiten. So ist insbesondere die Herkunft der Geldsumme, die als Stiftungskapital für die künftigen Geburtstagsfeiern des Königs bzw. die Getreideverteilungen dienen soll, nicht klar zu erkennen. Man pflegt seit der Erstpublikation der Inschrift durch Wiegand allgemein von einer Stiftung des Eumenes zu sprechen, nimmt also an, daß das Kapital vom König selbst stammt, was freilich im Text an keiner Stelle ausgesprochen ist89. Nun geht aber aus der uns erhaltenen sehr genauen Regelung hervor, daß die Kapitalsumme von 30 Talenten aus fällig werdenden Darlehensrückzahlungen90 genommen werden soll, d. h. also vermutlich aus einem schon vorhandenen wesentlich größeren Kapital, und daß die Überweisung dieser Summe merkwürdigerweise durch zwei „mit dem Bau des Gymnasiums Beauftragte“ vorgenommen werden soll. Das hat E. Ziebarth auf die Annahme geführt, daß das Grundkapital ein von Eumenes für den Bau des Gymnasiums gestifteter Betrag gewesen sei, von dem durch die uns vorliegende Regelung eine kleinere Summe zur Finanzierung
89 Man hat vielfach die Angabe in Z. 2/3 des Textes als Stütze für diese Annahme angeführt: Λη]ναι ῶνος τῆι ἕκτῃ ἀπὸ [τῶν πρ]οσό[δων τῶν ἐκ τῶν δεδωρ]ημένων χρημάτων (z. Β. Derenne, BCH 54, 1930, 243; Welles, Royal Correspondence 214); aber δεδωρημένων ist eine unsichere Ergänzung Wiegands, die Rehm durch das näherliegende εἰρ]ημένων ersetzt hat. 90 Es handelt sich wahrscheinlich um (kurzfristige) Darlehen an Kaufleute nach Art der bekannten „Seedarlehen“: so E. Ziebarth an den in Anm. 91 genannten Stellen. Laum (II 159) hatte den Ausdruck ἐμπορικὰ δάνεια mit „Hafenzöllen“ übersetzt, was sicher falsch ist.
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der Geburtstagsfeiern für den König abgezweigt worden sei91. Dieses etwas eigenartige Verfahren hat den Widerspruch von E. Derenne herausgefordert, der in gewissem Sinne in einer Umkehrung der bisherigen Hypothesen annahm, hier sei sehr wohl von einer primär für die Geburtstagsfeiern bestimmten Stiftung des Königs die Rede, die nur in einer besonderen finanziellen Schwierigkeit der Stadt provisorisch zur Deckung | laufender Kosten des Gymnasiumsbaues eingesetzt worden sei; die erhaltene Regelung solle die Rückerstattung der gleichsam geliehenen Summe nach Eingang der Darlehensbeträge und ihre künftige zweckentsprechende Verwendung sichern (BCH 54, 1930, 241–4). Nun ist allerdings ein Hauptargument Derennes, daß wir keinen Beleg für die Stiftung eines Gymnasiums durch Eumenes in Milet besäßen, durch den oben veröffentlichten Text Nr. 1 eindeutig widerlegt, und es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß das laut Inschrift 1 von Eumenes auf Veranlassung des Eirenias gestiftete Gymnasium und das Gymnasium, dessen „Kurator“ derselbe Eirenias nach dem Text III 21 gewesen ist, identisch sind. Die Erkenntnis, daß ein Zusammenhang zwischen der Gymnasiumsstiftung und der Stiftung für die Geburtstagsfeier bestehen muß, ist also nicht von der Hand zu weisen. Ein anderer Fragenkomplex hat, soweit ich sehe, bisher kaum noch Beachtung gefunden: Nach der hier vorgeschriebenen Prozedur der Bereitstellung des Kapitals für die Getreideverteilung konnte vom Zeitpunkt der Beschlußfassung an noch geraume Zeit vergehen, bis die ersten für den Zweck verfügbaren Gelder eingingen. Sicher sollte aber doch der nächste fällige Geburtstag des Königs schon entsprechend gefeiert werden. Hat man da irgendwie das erste Jahr durch eine Improvisation überbrückt92? Damit hängt auch die Frage zusammen, ob dieser Beschluß tatsächlich, wie Rehm, Milet I 3, 233 meint, kurz vor dem Geburtstag des Königs gefaßt worden ist. Ist nicht auch denkbar, daß er zu irgendeinem anderen Zeitpunkt des Jahres zustande kam? Über den Anlaß dieser Beschlußfassung erfahren wir ja aus dem erhaltenen Teil der Inschrift gar nichts. Und noch ein weiterer Punkt: Ist es ganz sicher, daß mit dem uns vorliegenden Dekret die γενέϑλιος ἡμέρα des Königs überhaupt erst eingerichtet wurde93, oder kann es sich auch nur um die Bereicherung eines schon bestehenden Festes durch die künftig vorgesehene Getreideverteilung handeln? Und sind die Bestimmungen über die πομπαί, die ϑυσίαι, den καϑοπλισμός der Epheben, nach denen man bei der künftigen Feier verfahren soll, sowie die Vorschriften des στεφανηφορικὸς νόμος und der διαγραφή über das Priestertum, auf die verwiesen wird, alle erst im Zusammenhang mit der uns vorliegenden Regelung erlassen
91 E. Ziebarth, Aus dem griech. Schulwesen2 26; ZNum. 34, 1924, 45; Beiträge zur Geschichte des Seeraubs und Seehandels im alten Griechenland 55–7. 92 Eine entsprechende Bestimmung könnte in einer der Textlücken gestanden haben, etwa Z. 32/3, wo, wie schon Rehm im Apparat anmerkt, die Serie der präsentischen Infinitive durch einen Aorist ]τῆσαι unterbrochen wird, der einen einmaligen Vorgang bezeichnen muß. Aber zwei Zeilen sind etwas knapp für eine solche Ergänzung. 93 Das hat M. Holleaux, Études II 173 Anm. 2 jedenfalls mit Sicherheit dem Text entnehmen wollen.
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worden, oder ist nicht vielmehr dieser Verweis auf zu beachtende Richtlinien hier ein Verweis auf schon bestehende Einrichtungen? Das ist zumindest für die διαγραφή, wie unten noch zu zeigen sein wird, äußerst wahrscheinlich. Wir werden die hier angedeuteten Fragen bei dem Problem der Datierung des Textes gleich noch einmal aufgreifen können. Datierung: Der Text selbst enthält eine Jahresangabe bei der Nennung des Amtsjahres der nächsten Bankvorsteher (26). Danach ist der Beschluß zustande gekommen unter dem „zweiten Gott nach Menekrates“, d. h. während der zweiten Stephanephorie des Apollon nach dem Amtsjahr des Menekrates. Dieser Stephanephor gehört nun in die hinsichtlich der Chronologie, d. h. genauer gesagt der Rekonstruktion der Eponymenliste, äußerst problematischen ersten drei Jahrzehnte nach dem Jahre 184/3, mit dem eine der inschriftlichen Stephanephorenlisten endet (die nächste beginnt erst mit dem Jahre 89/8). Die Kompliziertheit dieser Fragen, die zu den mehrfach voneinander abweichenden Ansätzen Haussoulliers und Rehms geführt hat, hat Ch. Habicht, GGA 1960, 153 f. zuletzt klar herausgestellt und zugleich hervorgehoben, daß bei dem Stand der Dinge einfach noch keine Sicherheit zu gewinnen ist. Was unsere „Menekrates-Gruppe“ betrifft, d. h. die Stephanephorie des Menekrates und die sich an diese anschließenden sechs Eponymenjahre des Gottes, so ist deren Einordnung in die Chronologie bisher immer gerade von der Datierung eben dieser Eumenes-Urkunde abhängig gemacht worden. Es bleiben also die Kriterien der bisherigen Datierungsvorschläge der Urkunde selbst zu untersuchen. Bei diesen Vorschlägen hat der Versuch der Verknüpfung dieses Textes mit den Urkunden I und II wiederholt eine wichtige Rolle gespielt. Nachdem Wiegand (7. Milet-Bericht 27) und nach ihm Laum (II 159 Anm. 1) den Text III zeitlich vor den Text I gestellt und ausgehend von der damaligen Datierung des Eumenes-Briefes auf die Zeit vor 166 angesetzt hatten, hat zuerst A. Rehm (Milet I 3 n. 245) aus der Nennung des Königssohnes Attalos das Jahr 16794 als terminus post quem gewonnen und bei gleichzeitiger Kombinierung der Stephanephorie des Menekrates mit dem Jahr eines Galatereinfalls von 167 unsere Urkunde auf 165/4 datiert. Aufbauend auf seiner neuen Datierung des Eumenes-Briefes (I, s. dort), hat dann M. Holleaux durch enge sachliche Verknüpfung auch für die Urkunden II und III eine Datierung gewinnen zu können geglaubt (vgl. seine zusammenfassende Tabelle Études II 176), indem er von der Annahme ausging, daß Eirenias im Winter 167/6 König Eumenes zugleich als Gesandter des Ionischen Bundes und der Milesier gegenübertrat und ihm Ehrenbeschlüsse beider Körperschaften überreichte. Der milesische Beschluß habe möglicherweise die Errichtung des Temenos zum Inhalt gehabt, von dem wir ja aus I 60 erfahren (Études II 175 Anm. 1), und sei jedenfalls mit dem in dem Text II 17 genannten mündlichen Referat des Eirenias direkt zu kombinieren (ib. Anm. 2). Die dann ergangene Antwort des Königs sei wiederum der Anlaß gewesen für ein
94 Rehm gibt 166 an, was von Holleaux, Études II 174 Anm. 1 auf 167 berichtigt wird.
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neues Dekret der Milesier ihm zu Ehren, dessen Beginn wir in dem Text II besäßen. Was aber der König den Milesiern in der (uns ja nicht erhaltenen) Antwort mitgeteilt habe, könne hinwiederum aus dem Text III, der die Vollendung des Temenos | voraussetze und daher der späteste dieser Gruppe sei, erschlossen werden: parallel zu seiner Zusage an den Ionischen Bund, die Kosten der Feier seiner ἐπώνυμος ἡμέρα bei den Panionien selbst zu übernehmen, habe Eumenes den Milesiern eine Stiftung zur Feier seiner γενέϑλιος ἡμέρα in Aussicht gestellt. Als diese Stiftung dann einige Zeit später erfolgt sei, sei in Milet der Beschluß III mit den Einzelbestimmungen zu ihrer Verwendung und Verwaltung erlassen worden. Holleaux nahm dafür zunächst etwa das Jahr 166/5 als Datum an, war aber in seinem Addendum (ib. 177) auch bereit, im Anschluß an die neue Chronologie von Haussoullier und Rehm bis 163/2 herabzugehen. Rehm selbst hat allerdings bald darauf gegenüber dieser Kombinierung der Dokumente durch Holleaux Bedenken angemeldet (Milet I 9, 150 f.)95 und den Text II aufgrund des Fundortes mit einer ganz anderen Aktion des Eumenes zu verbinden vorgeschlagen, nämlich mit der aus dem Text III erschlossenen Gymnasiumsstiftung des Königs96; Text II sei also von I zu trennen und gehöre in zeitliche Nachbarschaft zu Text III, den Rehm zwischen 163/2 und 160/59 datierte. Die Notwendigkeit der Trennung der milesischen Dokumentation von dem Eumenes-Brief an den Ionischen Bund hat dann auch G. Daux noch einmal verfochten (BCH 59, 1935, 227). Daux kam zu einem ganz neuen datierenden Indiz für das didymäische Dekret III in der dort Z. 39 erscheinenden Nennung des Bruders des Eumenes, Attalos, mit dem Königstitel. Ausgehend von einer neuen Datierung der in Delphi gefundenen Urkunden über Stiftungen der Könige Eumenes II. und Attalos II. (zuletzt bei Pouilloux, Choix d’inscriptions grecques n. 10–13) und in Kombination mit einem athenischen Dekret (IG II2 953), in dem der Akt der Beteiligung des Bruders an der Regierung möglicherweise direkt erwähnt wurde, gewann er die Überzeugung, daß Attalos II. seit der ersten Hälfte des Jahres 160/59 neben Eumenes den Königstitel geführt habe97. In dieses Jahr 160/59 setzte er demnach auch unseren Text III, nachdem er den kurz erwogenen Gedanken, daß das Dekret vielleicht sogar erst in die Zeit unmittelbar nach dem Tode des Eumenes gerückt werden könnte, wieder aufgegeben hatte. In dem letzten Datierungsvorschlag unserer Urkunde bei Rehm in den Inschriften von Didyma ist (S. 254) das Jahr 159/8 95 Rehm weist vor allem darauf hin, daß in der Urkunde II nur von mündlichen Eröffnungen des Eirenias beim König die Rede sei, aber kein ihm überreichtes Psephisma erwähnt werde; ein solches werde aber von Holleaux vorausgesetzt, insbesondere bei der Annahme, daß es die Errichtung des Temenos für den Herrscher zum Gegenstand hatte (vgl. in I 59 [ἐν τῶι ἐψη]φισμένωι ἡμῖν ὑπὸ Μιλησ[ίων τε]μένει). 96 Vgl. dazu auch oben S. 265 mit Anm. 27. Der Text II steht, wie oben angeführt wurde, auf einer Ante des westlichen Stadionpropylons. In dem diesem Propylon gegenüberliegenden Gebäudekomplex hat man in Übereinstimmung mit der oben angedeuteten Kombination dann das Eumenes-Gymnasium erkennen wollen (A. v. Gerkan, Milet II 1, 39 f.; s. auch unten S. 295). 97 BCH 59, 1935, 220–30. Vgl. auch E. V. Hansen, The Attalids of Pergamon 120; D. Magie, Roman Rule in Asia Minor II 771 Anm. 75.
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angegeben, wobei zu erkennen ist, daß Rehm bei der Ansetzung der „MenekratesGruppe“ in seiner | letzten Stephanephorenliste eben von unserem Dokument ausgegangen ist (vgl. 255 Punkt 3), für das er den „spätest möglichen Ansatz gewählt“ hat (276 zu Nr. 471). Da der Kommentar zu der Inschrift fehlt, ist leider nicht zu erkennen, mit welchen Argumenten Rehm diesen Ansatz gestützt hat, doch spricht alles dafür, daß er dabei unter dem Eindruck der Ausführungen von Daux gestanden hat. Man kann sogar vermuten, daß Rehm bei dieser Spätdatierung die Möglichkeit einer Abfassung des Dekrets erst nach dem Tode des Eumenes einbezogen hat98. Tatsächlich scheint mir gerade diese Annahme durchaus erwägenswert: die im Text erscheinende Motivierung für die Strafbestimmungen gegen Zweckentfremdung der Stiftung erweckt in ihrer Formulierung99 doch sehr stark den Eindruck, daß Eumenes selbst zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben war100. Könnte nicht gerade etwa das Eintreffen der Todesnachricht die Milesier veranlaßt haben, die – in diesem Falle sicher schon bestehende – Geburtstagsfeier des Königs101 durch weitere Ausgestaltung, insbesondere die Einführung der großzügigen Getreideverteilung, zu einem Fest des bleibenden Gedenkens an den wohltätigen Herrscher auszugestalten? Man wird so jedenfalls bei der Datierung dieses Beschlusses zwischen der Alternative kurz vor oder kurz nach dem Tode des Eumenes schwanken können, aber sicher nicht gut über die durch die Beobachtungen von Daux gegebene Eingrenzung von 160–158 zurückgehen können. Neben diese uns bisher vorliegende Dokumentation102 stellen sich nun die beiden neuen Texte 1 und 2 b. Die für die Beziehungen zwischen Eumenes und Milet aus ihnen zu gewinnenden Angaben seien noch einmal kurz herausgestellt: 98 Vgl. IvDidyma p. 130. Zum Datum des Todes des Eumenes vgl. man zuletzt die Erörterungen von D. Magie, Roman Rule in Asia Minor II 771 Anm. 75, der zu der Annahme kommt, daß der König im Herbst 159 oder spätestens im Winter gestorben ist. 99 Z. 36 ff. ὅπω[ς δὲ τῆς ἁρ]μοζούσης τηρήσεω[ς] / τυγχάνηι τὰ ἐ[ψηφισμένα κ]αὶ ἡ εἰς τὸμ βασιλέα / μνήμη διαφυλά[σσητ]αι εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον, ἐπ[ι]/γνῶσι δὲ καὶ οἱ ἀ[δε]λφοὶ αὐτοῦ βασιλεύς τε Ἄτ/ταλος καὶ Ἀθήναιος καὶ ὁ υἱὸς Ἄτταλος τὴν τοῦ / δήμου καὶ ἐν τούτοις προαίρεσιν … 100 Man vgl. dafür G. Daux a. a. O. 228 f., der allerdings die Argumente für nicht entscheidend erklärte, μνήμη könne sich ebensogut auf Lebende wie auf Verstorbene beziehen (eine Anwendung auf eine Lebende enthält die Wendung in einem neu gefundenen teischen Ehrenbeschluß für Antiochos III., wo für die Königin Laodike Ehren gefordert werden μὴ μόνον χ[άριν] ἔχουσαι τὴμ παραυτίκα, ἀλλὰ καὶ μνήμην ποιοῦσαι τὴν εἰς τὸ[ν ἅ]παντα χρόνον {SEG XLI 1003 II, 65–67}). Aber warum sollen nur die Brüder und der Sohn des Königs, aber nicht er selbst von der Gesinnung der Milesier erfahren? 101 Da die Annahme der posthumen Einrichtung einer Geburtstagsfeier unwahrscheinlich ist (vgl. Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte 17 mit Anm. 5), impliziert also die Datierung des Beschlusses auf die Zeit nach dem Tode des Königs zugleich das Bestehen der Geburtstagsfeier schon zu seinen Lebzeiten. 102 Die in Didyma gefundene Ehreninschrift für Eirenias IvDidyma 142 muß wegen ihres außerordentlich schlechten Erhaltungszustandes außer Betracht bleiben, zumal nicht zu erkennen ist, ob in ihr von den Beziehungen zu Eumenes die Rede war.
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Text 1: Rundmonument für Eirenias: Audienz des Eirenias bei Eumenes, dabei (offenbar aus eigener Initiative) Erwirkung einer Stiftung des Königs zum Bau eines Gymnasiums; Ehrenbeschluß der Milesier für den König, überreicht durch Eirenias; Gelegentlich dieser neuen Audienz Erhöhung der Stiftungssumme und Übernahme der Kosten der für ihn beschlossenen Ehren durch den König. Text 2 b: Antenblock aus Myus: Bestimmungen über die Verwendung einer (gestifteten) Summe (zu einem mit der kultischen Verehrung des Eumenes zusammenhängenden Zweck?); Ausschreibung und Verkauf eines Priestertums des Eumenes; Aufnahme des Beschlusses unter die Gesetze von Myus; Aufzeichnung des Beschlusses auf einem noch zu errichtenden Standbild des Königs und im Tempel von Myus; Absendung einer Gesandtschaft (erster Teilnehmer: Eirenias) an den König, mit der Bitte um Ausführung eines Baues durch ihn und unter Hinweis auf einen früheren Beschluß der Milesier. Welche Gesichtspunkte gibt es nun, um diese uns nunmehr vorliegenden Einzelzeugnisse miteinander zu verbinden zu einer Rekonstruktion der Beziehungen zwischen Milet und dem pergamenischen Herrscher? Wenn ich richtig sehe, ist an den Beginn dieser Beziehungen die Inschrift 1 zu setzen, die von der Erwirkung der Gymnasiumsstiftung durch Eirenias berichtet. In der Motivierungsformel dieses Ehrenbeschlusses ist nur allgemein von seinem beständigen Einsatz und Wirken zum Wohle der Stadt, aber nicht von bereits ausgeführten diplomatischen Missionen beim König die Rede. Vielmehr wird der Schritt deutlich als eigene Initiative des Eirenias bezeichnet, die er aufgrund seiner guten Beziehungen beim Hofe den Milesiern anbot und für die er sich nur ihre Zustimmung (συγχώρησις) sicherte. Gerade das scheint aber sehr gut an den Anfang der Beziehungen zwischen der Stadt und dem Herrscher zu passen, indem diese Beziehungen eben durch diese Vermittlung des Eirenias erst eigentlich „in Gang“ kamen. Eirenias kehrte mit vollen Händen nach Milet zurück: der Bau des Gymnasiums war durch die großzügige Getreidespende des Königs gesichert. Zweifellos wurde die Zusage dieser Schenkung den Milesiern durch einen Brief des Königs mitgeteilt, den er Eirenias mitgab. Wie es naheliegt, beschloß daraufhin der milesische Demos „entsprechende“ Ehren für den König und ließ ihm diesen Beschluß durch denselben Eirenias in einer neuen Audienz überreichen, die zu weiteren Gunstbeweisen des Herrschers führte. Dieser erste Ehrenbeschluß der Milesier für Eumenes wurde sicher auch in Milet an öffentlicher Stelle, d. h. in inschriftlicher Form, aufgezeichnet. Als Ort dieser Aufzeichnung konnte nach dem üblichen Verfahren außer einem bestehenden Heiligtum (Delphinion) vor allem auch die Basis einer dem König etwa zu errichtenden Statue in Betracht kommen oder aber der | Gegenstand der königlichen Stiftung selbst, d. h. hier irgendein Bauteil des Gymnasiums bzw. der dazu gehörigen Anlagen.
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Es spricht alles dafür, daß wir den Anfang dieser milesischen Aufzeichnung tatsächlich in der Inschrift II besitzen, dem Antenblock vom Stadionpropylon. Schon oben bei der Besprechung dieses Textes wurde darauf hingewiesen, daß in ihm ebenfalls nicht von früheren Wohltaten des Königs gegenüber Milet gesprochen wird, und daß er somit an den Anfang der Beziehungen zu gehören scheint. Eine weitere Verknüpfung von Text 1 mit II bietet sich an: im Ehrenbeschluß für Eumenes wird ein Brief des Königs an Bule und Demos von Milet erwähnt, in dem er „das ihm von Eirenias Vorgebrachte dargelegt (d. h. also rekapituliert) habe“ (II 16 ff. γράματα …, δι’ ὧν τά τε ὑπὸ Εἰρηνίου ἐμφανισϑέντα αὐτῶι ἐχϑέμενος …). Es ist also nur von mündlichem Vortrag, nicht von der Übergabe eines Psephismas die Rede103, und das stimmt genau überein mit dem aus dem Text 1 vorauszusetzenden Vorgang, wo Eirenias ja in eigener Initiative nur mit Billigung der Milesier, also offensichtlich auch ohne Psephisma, beim König auftrat. Mithin ist durch den neuen Text 1 nicht nur die alte Annahme einer Gymnasiumsstiftung des Eumenes überhaupt auf das schönste bestätigt worden, sondern überdies durch die Verknüpfung dieses Textes mit der Propyloninschrift II auch die Vermutung Rehms und Wiegands, daß diese Propyloninschrift den Dank der Milesier für die Gymnasiumsstiftung enthielt, und daß wir demnach tatsächlich bei dem dem Stadion gegenüberliegenden Baukomplex das Eumenes-Gymnasium zu lokalisieren haben werden. Wo wir nun wissen, daß das Eumenes-Gymnasium sein Entstehen ganz wesentlich der Initiative des Eirenias verdankt, wird auch die schon bekannte Tatsache, daß Eirenias zu einem der beiden Kuratoren für den Bau dieser Anlage gemacht wurde (III 20), um so besser verständlich. Eine andere Einzelheit aus dem Ablauf der Beziehungen zwischen Milet und dem pergamenischen Herrscher ist dank des neuen Fundes 2 b nun ebenfalls besser bezeugt: es ist die Zuerkennung göttlicher Ehren für den König. Aus dem Brief an den Ionischen Bund wissen wir schon lange, daß die Milesier als erste der ionischen Städte die Errichtung eines Temenos für Eumenes beschlossen hatten (I 59. 64). Ein Priestertum des Königs war aus der Erwähnung der diesbezüglichen διαγραφή im Zusammenhang mit der Regelung über die Geburtstagsfeier des Eumenes bekannt geworden (III 15). Von der Einbringung eben dieser διαγραφή, d. h. der Verkaufsbedingungen, und dem Verkauf des Priestertums selbst ist nun aber gerade in dem neuen Text die Rede, der mit den Vorschriften über die Verwendung einer in diesem Zusammenhang gemachten Stiftung geradezu das oder zumindest eines der maßgebenden Dokumente über die Einführung des Herrscherkultes für Eumenes darzustellen scheint. Aus dem Text geht hervor, daß dieser Beschluß in eine ganze Abfolge diplomatischer Schritte hineingehört, in|dem ihm ein früherer Beschluß der Milesier sowie eine Zusage des Königs auf eine bestimmte noch von ihm übernommene Leistung vorausgegangen zu sein scheinen und eine neuerliche Gesandtschaftsreise des Eirenias zum König nachfolgte, bei der Eumenes offenbar gerade auch an dieses
103 Darauf hatte schon Rehm, Milet I 9, 150 gegen Holleaux hingewiesen (vgl. oben Anm. 95).
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frühere Versprechen erinnert werden sollte. Wir haben oben schon auf die Möglichkeit hingewiesen, daß damit die Errichtung eines Denkmals für den König gemeint sein könnte, das nach Aussage eben dieser Inschrift vorgesehen, aber noch nicht fertiggestellt war. Nun ist es sehr verlockend, den hier gewonnenen „Komplex“ über die Zuerkennung göttlicher Ehren an den König direkt mit der oben genannten Gymnasiumsstiftung zu verknüpfen, indem nämlich diese Ehrung des Königs eben der Dank der Milesier für das großzügige Geschenk des Eumenes gewesen wäre. Wie der Ablauf der Ereignisse dann aus den verschiedenen Texten zu kombinieren wäre, möge die folgende Übersicht andeuten: Gymnasiumsstiftung (1) Audienz des Eirenias bei Eumenes (1, 4–5; Rückverweis darauf in II 17: τὰ ὑπὸ Εἰρηνίου ἐμφανισθέντα) Gymnasiumsstiftung durch den König (1, 6–8) Mitteilung in einem Brief an Rat und Volk (II 16–17) Ehrenbeschluß der Milesier für den König (1, 8–9) Aufzeichnung dieses Beschlusses in Milet am Stadionpropylon = Text II
Bestellung des Eirenias zum Kurator des Gymnasiumsbaues (III 20) 2. Audienz des Eirenias bei Eumenes (1, 9–10) Erhöhung der Stiftungssumme und Übernahme der Kosten der Ehrung durch den König (1, 10–12}
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Kultische Ehren (2 b)
(= τὸ πρότερον ψήφισμα 2 b 14) Inhalt des Beschlusses: Errichtung einer Statue (2 b 7) und Einführung göttlicher Ehren für Eumenes (vgl. das ἐψηφισμένον ὑπὸ Μιλησίων τέμενος I 59)
(Überweisung eines Stiftungskapitals zur Finanzierung der kultischen Ehren durch den König) Beschluß der Milesier über die Verwendung dieses Kapitals (2 b 1–3), über Ausschreibung und Verkauf des Priestertums für Eumenes (2 b 4–6), über Aufnahme des Beschlusses unter die Gesetze (von Myus: 2 b 6–7;
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in Milet als στεφανηφορικὸς νόμος? III 14), über neue Gesandtschaft an den König, zu der Eirenias sich bereit erklärt hat (2 b 10–17) 3. Audienz des Eirenias bei Eumenes (2 b 17), dabei Bitte um Errichtung des vom König zugesagten Standbildes (? 2 b 14) Aufzeichnung des obigen Beschlusses auf der Basis der Statue des Königs in Milet (verloren) und auf der Tempelante in Myus (= Text 2 b). Das wäre die Kombination aller Zeugnisse in der „komprimiertesten“ Form. Freilich ist daneben die Möglichkeit nicht ganz auszuschließen, daß die Beziehungen Milets zum König sich doch noch etwas „langsamer“, d. h. über einige uns in unserer Dokumentation nicht mehr faßbare Zwischenstufen entwickelt hätten, etwa in der Weise, daß die Ehrungen für den König sich schrittweise ergaben und daß der Beschluß zur Einrichtung eines Kultes erst am Ende der Entwicklung stand. Als Anhaltspunkt für die Datierung des ganzen Komplexes haben wir den wertvollen Hinweis auf den milesischen Beschluß der Errichtung eines Temenos für Eumenes in seinem Brief an den Ionischen Bund. Wie schon M. Holleaux, Études II 172 f. gezeigt hat, ist der Formulierung zu entnehmen, daß der Bau zu diesem Zeitpunkt beschlossen, aber noch nicht ausgeführt war. Der Beginn der Beziehungen zwischen Milet und Eumenes, insbesondere die Gymnasiumsstiftung, muß demnach also einige Zeit vor das Datum des Briefes, den Winter 167/6, gesetzt werden. Über welchen Zeitraum die einzelnen Etappen dieser Beziehungen, wie sie oben rekonstruiert wurden, zu verteilen sind, wissen wir nicht. Es ist aber gut denkbar, daß die einzelnen Schritte unmittelbar aufeinander folgten, wie wir das ja auch aus der entsprechenden Urkundensammlung für die Beziehungen zwischen Eumenes (und Attalos) und Delphi wissen, wo innerhalb eines kurzen Zeitraumes des Jahres 160/59 mindestens drei delphische Gesandtschaften an den | König bzw. die Könige vorauszusetzen sind104. Bei einer so dichten Abfolge der Missionen des Eirenias gewinnt nun auch die Vermutung Holleaux’s wieder viel Wahrscheinlichkeit, daß Eirenias einmal gleichzeitig als Gesandter der Milesier und des Ionischen Bundes beim König auftrat: das könnte nach unserem Schema gelegentlich der 2. Audienz der Fall gewesen sein, 104 FDelphes III 3, 237–239 und G. Daux, Delphes au IIe et au Ier siècle 686 (J. Pouilloux, Choix d’inscriptions grecques n. 10–13). Man vgl. die chronologische Übersicht FDelphes p. 208. Die dritte delphische Gesandtschaft ergibt sich aus 238, 23. Aber auch bei dem noch etwas späteren Text 239 ist es sehr wahrscheinlich, daß er dem König durch eine neuerliche Gesandtschaft zugeleitet wurde.
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die dann durch den Brief an den Ionischen Bund auf Delos zu lokalisieren und genau in den Winter 167/6 zu datieren wäre. In die Zeit nach 167/6 dürfte dann auch die milesische Ehrung des Eirenias gehören. Nun scheint dort die Schilderung seiner diplomatischen Tätigkeit gegenüber Eumenes nicht über die zweite Gesandtschaftsreise hinausgereicht zu haben. Andererseits wäre für die Aktivität am Seleukidenhof, wenn sie zeitlich danach anzusetzen ist, wie es der Reihenfolge im Dekrettext entspricht, noch die Zeit bis gegen Ende 164, dem Todesdatum Antiochos’ IV.105, verfügbar. Die dritte Gesandtschaftsreise zu Eumenes ist also möglicherweise von der zweiten zeitlich etwas weiter abzurücken. Sie setzte ja auch erst die Überweisung des Stiftungskapitals durch den König voraus, und die kann sich gegenüber der Zusage um einige Zeit verzögert haben, etwa bis nach dem Ende des Galaterkrieges 165106. Die didymäische Urkunde über die Getreideverteilung am Geburtstag des Königs (Text III) mußten wir bei diesem Rekonstruktionsversuch außer Betracht lassen: sie ist bei der oben vertretenen Datierung in das letzte Lebensjahr bzw. wahrscheinlich sogar in die Zeit unmittelbar nach dem Tode des Königs nicht direkt mit den anderen Urkunden kombinierbar. Wohl aber vermag auch sie uns für Einzelheiten der Beziehungen der Milesier zu Eumenes einige Hinweise zu geben, indem gewisse Details dieser späten Regelung bis in die Anfangszeit dieser Beziehungen zurückzuverweisen scheinen. Das hat sich hinsichtlich der διαγραφή über das Priestertum durch den neuen Fund aus Myus als wahrscheinlich erwiesen, kann aber auch für den den Kult regelnden στεφανηφορικὸς νόμος gelten und ebenso vielleicht auch für die sonstigen Einzelheiten, die wir über die Geburtstagsfeier des Königs erfahren: die Bestimmungen über die Prozession, Opferhandlungen, die Waffenparade der Epheben, auf die hier als Richtschnur verwiesen wird. Es ist sehr gut denkbar, daß auch die Feier des Geburtstages des Herrschers zugleich mit dem Beschluß der göttlichen Verehrung begründet wurde107. Andererseits erfahren wir aus diesem späten Text, daß die Kommission zum Bau des Gymnasiums noch bestand. Die Anlage war also wohl noch nicht fertiggestellt, aber offenbar doch so weit gediehen, daß man einen Teil des Kapitals für die künftige Ausgestaltung der Geburtstagsfeier des Königs abzweigen konnte, eine Form der Ausgestaltung übrigens, die wohl der Form nach dem bleibenden Gedenken an den Herrscher diente, der Sache nach aber als umfangreiche Getreideverteilung an die
105 Vgl. dazu A. Aymard, REA 57, 1955, 112; H. Bengtson, Historia 4, 1955, 113. 106 Eine solche Verzögerung bei der Auszahlung der Stiftungssumme hatte auch schon M. Holleaux, Études II 175 und besonders 177 für möglich gehalten, wobei er (unter dem Eindruck der letzten Datierung der didymäischen Inschrift) bis 163/2 herabzugehen bereit war. 107 Man vgl. einige Beispiele für Einrichtung der Geburtstagsfeier zugleich mit der Begründung des Kultes bei Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte 148 Anm. 41.
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Bevölkerung zugleich eine bemerkenswerte soziale und wirtschaftliche Maßnahme war108. Wir gewinnen somit aus der kombinierenden Betrachtung aller dieser Texte ein recht detailliertes Bild von der Abfolge der Beziehungen zwischen den Milesiern und Eumenes II., das sich als ein aufschlußreiches Pendant neben die oben schon genannte delphische Dokumentation (s. Anm. 104) stellt. Hier wie dort sehen wir die griechische Stadt in geschickter Ausnutzung und Weiterführung einmal geknüpfter Beziehungen zum Herrscher, unterstützt durch die immer neue Vermittlungsbereitschaft eines beim Hofe einflußreichen Mitbürgers109, in einem sich steigernden Wechselspiel von Ehrungen und Lobpreisungen des Königs und neuen Bitten oder geradezu Forderungen an ihn110 als erfolgreiche Nutznießerin einer politischen Situation, in der der Monarch gegenüber den ihm nicht untertanen Städten mehr als früher auf diesen Weg der „Politik der Versöhnung oder Bestechung im großen Stil“111 verwiesen ist, um sich ihre Loyalität und seinen Einfluß in ihnen zu sichern.
Korrekturzusatz Wie ich nach der Drucklegung des Aufsatzes erfahre, ist Ch. Habicht, dem ich wertvolle Bemerkungen zu der Arbeit zu verdanken habe, in der Frage der Einordnung des Textes 2 b zu einer abweichenden Auffassung gekommen: In Anbetracht der Bezeichnung des Eumenes als ϑεός (Z. 5) tritt er für Datierung des Beschlusses erst in die Zeit nach dem Tode des Königs ein. Der im Text – ohne Namensnennung – erwähnte König, an den die milesische Gesandtschaft gehen soll, sei dann der Nachfolger Attalos II., und die Einrichtung des Priestertums für Eumenes sei als eine Form posthumer Ehren neben die Bestimmungen des Textes von Didyma (Inschrift III) zu stellen, der ebenfalls sicher in die Zeit kurz nach dem Tode des Herrschers zu setzen sei. Es kann nicht bestritten werden, daß diese Kombination viel für sich hat. Indes mag doch die Frage aufgeworfen werden, ob einerseits die allgemein für die Attaliden (seit E. Kornemann, Klio 1, 1902, | 85 ff.) angenommene Regel, daß erst der tote König als ϑεός bezeichnet wurde, auch für Eumenes II. mit Sicherheit gilt (OGI 302 wäre nach der Interpretation von W. S. Ferguson, ClPh 1, 1906, 231 ff. zumindest eine Ausnahme, davon abgesehen, ob die Verbindung der Divinisierung mit dem Attentat von 172 und der Totmeldung zutrifft), und ob andererseits nicht die eigenen Gegebenheiten des munizipalen Kultes hier eine Abweichung von der offiziellen Regel erklä-
108 Vgl. dazu Th. Wiegand, 7. Milet-Bericht 29 f., der aus den Angaben der Inschrift die damalige Bevölkerungszahl Milets zu errechnen versucht. 109 Was Eirenias für Milet war, scheint in dieser Hinsicht Πραξίας Εὐδόκου für Delphi gewesen zu sein, der jedenfalls zwei aufeinanderfolgende Gesandtschaften anführte. 110 Man vgl. dazu die Bemerkungen von G. Daux, Delphes au IIe et au Ier siècle 508. 111 M. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt II 508 (statt „Versöhnung“ hieße es besser „Gewinnung“: conciliation im engl. Text).
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ren könnten, besonders, wenn man bedenkt, daß gerade die Milesier wahrscheinlich auch schon Ptolemaios I. (Milet I 3 n. 139, 24; vgl. Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte 114) und sicher jedenfalls Antiochos II. (Appian, Syr. 65; vgl. Habicht 103) noch zu Lebzeiten als ϑεός bezeichnet hatten. Es ist zu hoffen, daß eine spätere Diskussion diese Fragen klären kann.
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Abb. 1: Rundmonument für den milesischen Politiker Eirenias. Block I
Abb. 2: Rundmonument für den milesischen Politiker Eirenias. Block II
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Abb. 3: Antenblock vom Tempel des Apollon Termintheus in Myus. Stirnseite (Inschrift a)
Abb. 4: Antenblock vom Tempel des Apollon Termintheus in Myus. Linke Seitenfläche (Inschrift b)
23 Z u den Beziehungen zwischen Athen und Milet im 5. Jahrhundert Als vor nunmehr 70 Jahren in der Anfangsphase der von den Berliner Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet die südliche Stadtmauer über eine lange Strecke aufgedeckt wurde, fand sich unter den sehr zahlreichen Spolien, die die Bauepoche der sogenannten ‚Gotenmauer‘ charakterisieren, neben einer großen Menge von Grabsteinen eine vollständig erhaltene Urkundenstele, die A. Rehm als „Unikum und Glanzstück“ aus diesem Fundmaterial herausgehoben hat (Milet II 3, 129): Es ist die Aufzeichnung einer die milesische Artemis-Priesterin betreffenden lex sacra, die später durch den Fund der Stephanephorenlisten auf das Jahr 380/79 datiert werden konnte (SBBerlin 1901, 911; SGDI 5496; F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure, Paris 1955, 118 Nr. 45 {Milet VI 3 n. 1220}). Das Präskript dieser Urkunde ist von spezifischem Interesse für eine besondere Phase der milesischen Verfassungsgeschichte:
Ἐπὶ Παρ[ϑ]ενοπαίο, μηνὸς Ἀρτεμισιῶνος, Κεκροπὶς ἐπρυτάνευεν, Φιλιννῆς Ἡροδότο ἐπεστάτει, ἔδοξεν τῆι βολῆι καὶ τῶι δήμωι, Ἡράκλειτος εἶπεν·
Hier erscheint nicht nur der attische Phylenname Kekropis, sondern das Präskript überhaupt verrät eine deutliche Anlehnung an das athenische Formular und läßt damit auch das Bestehen einer Demokratie nach athenischem Muster vermuten. Daß es in Milet, und zwar auch noch in wesentlich späterer Zeit, Phylen mit athenischen Namen gab, war auch schon durch frühere Funde bekannt geworden,1 der Beleg für die Imitation des athenischen Dekretformulars war indessen eine Neuheit. Es lag nahe, diesen Tatbestand als eine Art Relikt aus der Zeit der athenischen Vorherrschaft über die Stadt anzusehen, die im Jahre 412 geendet hat. Als | Datum der Begründung der von Athen in Milet etablierten Demokratie wurde in der früheren Forschung gemeinhin das Jahr 450/49 angesehen (s. unten S. 311), und danach tendierte
Klio 52, 1970, 163–173. 1 Vgl. B. Haussoullier, Dèmes et tribus, patries et phratries de Milet, RPhil 21, 1897, 38–49, mit Belegen für die Phylen Oineis (jetzt IvDidyma 228), Pandionis (ebd. 228), Akamantis (ebd. 257); dazu ist inzwischen noch die Theseis gekommen (ebd. 256). Die Belege reichen vom frühen 1. Jh. v. Chr. bis in die Kaiserzeit. Daneben ist noch ein nicht-attischer Phylenname, Asopis, bezeugt (IvDidyma 463, 20), der böotischer Herkunft sein könnte und vielleicht auch mit Theben an der Mykale zusammenhängt (so schon Haussoullier 47 f.). Man hat danach vermutet, daß die für die Kaiserzeit bezeugte Gesamtzahl von 12 milesischen Phylen (IvDidyma 269. 270. 288) sich aus den 10 attischen und zwei nicht-attischen zusammengesetzt hat (A. Rehm, Milet I 3, 159 Anm. 1).
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man auch dazu, die Einführung der attischen Phylenordnung möglichst nahe an den Anfang dieser Epoche zu rücken.2 Nur Wilamowitz war in dieser Hinsicht zurückhaltender: „Sie (die Neuorganisation des Volkes) gehört also in die Demokratie, zwischen 449 und 412; damit müssen wir uns begnügen“ (GGA 1914, 82). Gegen diese Annahmen hat nun aber vor einigen Jahren G. Dunst einen Gegenbeweis beibringen zu können gemeint in Gestalt von zwei offensichtlich zusammengehörigen milesischen Inschriften, die die Namen älterer ionischer Phylen nennen und die nach Dunst in die Zeit um 400 v. Chr. zu setzen sind: einen schon früher erwähnten „horos-artigen Stein“ mit der Inschrift Ἀργαδέων πρώτη3 und eine von ihm publizierte Aufschrift auf der Rückseite einer spätarchaischen Doppelstatue sitzender Frauen in den Staatlichen Museen in Berlin: Ὀπλήϑων δεοτέρης.4 Daraus gehe hervor, daß die Einführung der neuen Phylenordnung „vielmehr um 400 v. Chr. anzusetzen“ sei. Aber wäre eine solche Maßnahme nach 412 überhaupt noch denkbar? Und hätte sie andererseits über das Ende der athenischen Vorherrschaft hinaus noch Bestand gehabt, wenn sie ein Oktroi der unmittelbar vorhergehenden Zeit gewesen wäre?5 Diese hier angeschnittene Frage der Chronologie und der damit zu verbindenden politischen Zusammenhänge erfährt eine Bereicherung und in gewisser Hinsicht zusätzliche Komplikation durch eine noch unveröffentlichte Inschrift aus Milet, die hier bekannt gemacht werden soll. Es handelt sich um einen größeren Block aus weißem Marmor (H. 85, B. 56,5, D. 20 cm; die rechte untere Ecke ist abgeschlagen, bei einer vielleicht sekundären Verwendung ist der Stein oben schräg abgeschnitten und außerdem durch eine stufenförmige Abarbeitung links oben verstümmelt worden), der auf der leider stark beschädigten Vorderseite eine in großen, breit eingegrabenen (bzw. | durch Verwitterung eingefressenen?) Buchstaben aufgezeichnete Inschrift in Stoichedon-Anordnung trägt (Buchstabenhöhe 2, Zeilenabstand 0,5 cm). Der Stein ist im Jahre 1957 von
2 Da das Kultgesetz der Molpoi von 450/49 (Milet I 3 n. 133) noch drei Phylen der alten Ordnung nennt, muß die Einführung der attischen Phylenordnung jedenfalls danach liegen: s. A. Rehm, Milet I 3 p. 159. F. Hiller v. Gaertringen, RE XV 1599 f. denkt an Einführung der neuen Ordnung nach der Niederwerfung des samischen Aufstandes 440/39: „Schwerlich findet sich später als jetzt ein geeigneter Anlaß.“ 3 Erwähnt im 3. Milet-Bericht, SBBerlin 1904, 85 (dort unter den hellenistischen Inschriften aufgeführt; von A. Rehm, Milet I 3 p. 159 in das frühe 5. Jhdt. gesetzt!). Die Inschrift (Inv.-Nr. 451) wurde nach den Angaben von Th. Wiegand auf der Schede am 26. 2. 1903 im Theater 2½ m über dem Orchestraboden gefunden; sie befindet sich jetzt im Museum von İzmir (Inv.-Nr. 2917; s. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1964 n. 444). {Milet VI 3 n. 1380 mit Taf. 37} 4 FuF 35, 1961, 272. Nach der Angabe auf der von Th. Wiegand stammenden Inschriftschede (Inv.-Nr. 808) ist die Figurengruppe im Frühjahr 1905 gefunden worden, „in einem türkischen Brunnenhaus verbaut, am Nordende der Theaterthermen“. {Milet VI 3 n. 1381} 5 Vgl. J. P. Barron, JHS 82, 1962, 2: „Such a constitution must have been introduced before the end of Athenian supremacy in 412. And if it was retained after the end of this dominion, then it cannot have been a novelty in 412.“ Das zweite Argument auch schon bei G. Glotz, CRAI 1906, 527.
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Mitgliedern der Milet-Grabung im sogenannten Heroon an der Theaterbucht beim Westmarkt6 in seldschukischem Mauerwerk entdeckt worden und befindet sich jetzt in dem Lokalmuseum von Milet. {Milet VI 3 n. 1218 mit Taf. 21}
[ – 10 – ] . [ – – 12 – – ] [ – 9 – Ε]ὐδήμ̣ο, Λεω̣ντ̣ [ὶς ἐ-] [πρυτά]ν̣ ε̣ υεν, Τήλαγ[ρ]ος̣ ἐγρα̣[μ-] 4 [μάτευ]εν, Τήμ̣εν[ος] ἐ̣ [πεστ]άτε[ . ] [ 5 ]ς εἶπεν· [ 8 ]ΘΙΕ[ . ] [ἐν τῶι] ἱ̣ ερῶι τ[õ] Π̣ο̣ [σε]ι̣ [δέω]νος [τ-] [õ Ἐλικ]ωνίο μή̣ [τε – 10 – – ] 6 Dazu G. Kleiner, Die Ruinen von Milet, Berlin 1968, 131 f.
Στοιχ. 23
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8 [ 5 ]κα μήτ̣ [ε – – 13 – – ] [ 5 ]ν̣ μηδε[ – – 13 – – ] [ 5 ]εος ΘΙ . [– – 12 – – ] [ 6 ]νηι Γ[ – – 13 – – ] 12 [ 6 ]ΝΕΛΙ[ – – 13 – – ] [ 4 ἠ]μίεκτο̣ ν [ – – 11 – – ] [ 5 ]α̣ς τῶι τ̣ [ – – 12 – – ] [ 4 ] . ΔΟΛ̣Ε[– – – 14 – – ] 16 [ 4 ]ΗΓ̣ ΑΣΠΕ[ – – 13 – – ] [ 3 τ]ούτων . [ – – 13 – – ] [ 4 ]ς τὸν Ο[– – – 14 – – ] [ 4 ]Ιος δε[– – – 14 – – ] 20 [ 5 ]Ρ[ . ]ΜΕΝ[ – – 13 – – ] [ 6 ]νοι Π[ – – 13 – – ] [ 6 ]δὲ πρὸς τὸν ἰέρε[ω τõ . ] [Ποσει]δ̣έωνος τόν [τ]ε̣ ἰέρ[εω τõ] 24 [ 6 ]εν̣ . . ο . . . [τὸς] δὲ [ 4 ] [ 6 ]ΕΚ[ 8 ]ΟΝΤ[ 4 ] [ . ἀποδõ]ναι τοῖς νεωποί[ηισι-] [ν, ἢν] δ̣[ὲ] μ̣ή, αὐτὸς ὀφείλεν̣ · [ταῦτ-] 28 [α] δ̣ὲ ἢν̣ δόξει τῶι δήμωι [ἀναγρ-] [άψαι] ἐστήλην τὸς νεωπ[οίας ἔ-] [ως] τῆς νεομηνίης τõ μην̣ [ὸς τõ] [Τ]α̣υρεῶνος καὶ ϑεῖναι [τõ τεμ] 32 [έ]νεος ἴν’ ἂν δοκῆι τοῖς [νεωπο-] [ί]ηισιν· ἢν δὲ μὴ ἀναγρά̣ [ψωισι-] [ν] καὶ ϑέωισιν τὴν στή[λην . . . ] [ 3 ]ο̣ [ 8 ]Ρ̣Λ̣[ 9 ] Ζ. 1/2: zur Frage der Ergänzung s. S. 308. Z. 3: Der Name Τήλαγρος ist in Chios belegt (SEG XIX 583, 4). Z. 4: Τήμενος, ein dorischer Name, in Kos (SGDI 3642c 45). Z. 5 Ende: eher Θ als O, der Punkt ist aber nicht ganz deutlich; man könnte an ἐσ]ϑίεν denken. Z. 6: Bei der Ergänzung ist vorausgesetzt, daß das 5. Buchstabenspatium zwei Iota enthält; tatsächlich steht auch das auf dem Stein erhaltene untere Ende eines senkrechten Striches am rechten Rande des Buchstabenfeldes. Für Parallelen vgl. man Milet I 6 n. 187 Z. 11 und 12. Z. 10: ϑία[σον?, vgl. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure Nr. 48, 4 (Milet) {Milet VI 3 n. 1222, 4}. Z. 12: Ἐλι[κώνιος nicht möglich, da der senkrechte Strich nach Λ am linken Rand des Buchstabenfeldes steht. Z. 15: vielleicht δ]εδομε[ν-? Z. 16: nach H könnte auch Π gestanden haben, T scheint auszuscheiden.
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Z. 22–23: zum Akkusativ ἰέρεω A. Scherer, Zur Laut- und Formenlehre der milesischen Inschriften, Diss. München 1934, 30 § 47 und 64 § 111; B. Bondesson, De sonis et formis titulorum Milesiorum Didymaeorumque, Diss. Lund 1936, 150 § 58, 6. Z. 25: vielleicht ein Zahlwort auf -κοντα; danach wäre Platz für μνᾶς. Z. 27: man vgl. die Parallele Milet I 6 n. 187, 6–7. Z. 29: Belege für ἐστήλην in ionischen Inschriften im Index SGDI IV 1, 930. Z. 31/2: zur Konstruktion vgl. Syll.3 635, 19 (Delphi). Z. 33–34: für die Konjunktivbildung mit Iota vgl. SGDI 5653 b 16 λάβωισιν (Chios), wo die Form als Äolismus erklärt wird.
Soviel dem sehr verstümmelten Text zu entnehmen ist, handelt es sich um eine lex sacra, die ein Heiligtum des Poseidon Helikonios betrifft, daneben möglicherweise noch den Kult einer zweiten Gottheit (Z. 23). Poseidon hat einen Priester, aber offenbar nur ein Temenos, keinen Tempel. Für Poseidon Helikonios, der ja auch der Gott vom Panionion ist und der in der Regel auf den Helikon in Griechenland zurückgeführt wird,7 waren in Milet bisher nur durch literarische Notizen ein Altar (Pausanias VII 24, 5: am Weg zur Quelle Biblis vor der Stadt) bzw. ein Heiligtum und daselbst stattfindende jährliche Opfer bezeugt (schol. B zu Homer Y 404); auch sein Kult in Sinope ist sicher ein Ableger von Milet (F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure Nr. 1 {IvSinope 8}).8 Nach der für Milet angeführten Zeremonie war das dortige Opfer ein Stieropfer, und in Sinope fiel ein Festtermin des Gottes in den Monat Taureon. Das gilt, wie wir nun sehen, augenscheinlich auch für die Mutterstadt Milet, denn die in unserer Inschrift erhaltene Vorschrift, den Inhalt des Beschlusses bis zum Monatsbeginn des Taureon auf einer Stele aufzuzeichnen, wird eben die Tatsache zum Hintergrund haben, daß in diesem Monat das Fest des Gottes stattfand.9 Was der milesische Beschluß im einzelnen verfügt hat, ist nicht mehr zu erkennen,10 da erst mit der Publikationsformel ein zusammenhängender Text einsetzt. Als zuständiges Kollegium werden in diesem Schlußteil dreimal die νεωποῖαι genannt. Ein solches Kollegium bzw. sein Amtslokal (νεωποιεῖον) waren uns bisher nur in Didyma in hellenistischer Zeit bezeugt (IvDidyma 444, 11 bzw. 39, 57 und 40, 9), wobei sich seine Tätigkeit 7 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Panionion, SBBerlin 1906, 46; T. Lenschau, Klio 36, 1944, 226; P. Hommel, Panionion und Melie, JdI Erg.-Heft 23, 1967, 56. 8 Vgl. F. Bilabel, Die ionische Kolonisation, Leipzig 1920, 90–92. 9 Man wird die Angabe also nicht für die strittige Frage verwerten können, ob das milesische Jahr auch schon in früherer Zeit mit dem Monat Taureon begonnen hat: s. dazu Bilabel 68 ff., gegen A. Rehm, Milet I 3 p. 110 ff. 10 Sollte am Ende von Z. 5 wirklich ein Verbum gestanden haben, könnte es nur ein Infinitiv des Präsens gewesen sein, mithin also einen sich wiederholenden Vorgang wie die Einführung bestimmter, regelmäßig zu vollziehender Zeremonien bezeichnet haben. Bei der Anordnung über die Bereitstellung eines Geldbetrages Z. 26 ist die Verbform nicht erhalten. Die hier aus Raumgründen und im Hinblick auf die Parallele Milet I 6 n. 187, 6 eingesetzte Aoristform würde einen einmaligen Vorgang betreffen. Beides verträgt sich: es könnte in dem Text zunächst die Einführung eines Festes oder regelmäßiger Kulthandlungen angeordnet worden sein, woran sich dann z. B. der Beschluß über eine bauliche Ausgestaltung des bestehenden Heiligtums angeschlossen haben könnte (Befassung der νεωποῖαι mit der Angelegenheit!).
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speziell auf den dortigen Tempelbau bezogen zu haben scheint, so wie später auch die Aufsicht über den Bau eines Kaisertempels für Caligula durch die Provinz Asia einem eigenen Kollegium von νεοποιοί als Vertretern einzelner Städte übertragen wurde (IvDidyma 148, 2–3).11 So werden wohl auch die νεωποῖαι unserer In|schrift eine besondere Aufgabe gehabt haben und nicht eine ständige Behörde gewesen sein. Auffallend ist aber auch in dieser Inschrift wieder die Verwendung des athenischen Dekretformulars im Präskript – und damit werden wir zu dem Thema unserer Untersuchung zurückgeführt. In diesem Falle geht die Angleichung noch weiter als in dem bisher angeführten Beispiel von 380/79, indem zwischen die Nennung der Prytanie und des Epistaten auch noch der Name des amtierenden Sekretärs eingeschoben ist. Wäre nicht die Verwendung des ionischen Dialekts so deutlich erkennbar, könnte man den Text fast für die Aufzeichnung eines athenischen Beschlusses halten. Es steht aber außer Frage, daß wir ein in Milet entstandenes und auf Milet bezügliches Dekret vor uns haben, das mithin einen noch deutlicheren Beleg für diesen Aspekt der Abhängigkeit der ionischen Küstenstadt von der mutterländischen Hegemonialmacht darstellt. Bei diesem Befund gewinnt die Frage nach der Datierung des Beschlusses ein besonderes Interesse. Sie verbindet sich hier zunächst mit dem Problem der Ergänzung der ersten beiden Zeilen der Inschrift.12 Es ist nach den erhaltenen Resten sicher, daß vor der Nennung der Phyle Leontis im Genetiv der Name Eudemos angeführt war. Also ist offensichtlich eine datierende Jahresangabe mit Nennung des Eponyms vorausgegangen. Die große Stephanephorenliste Milet I 3 n. 122, die von 525/4 bis 314/3 reicht, nennt nun – nach der Einordnung von A. Rehm – einen Εὄδημος Ἀριστοδήμο für das Jahr 437/6, einen Εὄδημος Ἡγέμονος für das Jahr 404/3.13 Für den Fall, daß der Eponym unter Hinzufügung des Patronymikons angeführt war, wäre dazu noch der Ἡγέμων Εὀδήμο von 413/2 in Betracht zu ziehen. Allerdings ist es nicht ganz einfach, mit diesem oder diesen Namen eine exakt die Lücke füllende Ergänzung zu finden,14
11 Dazu L. Robert, Hellenica VII (1949) 211 f. Für die Neopoiai bzw. Naopoioi in der griechischen Welt ist immer noch wichtig die Materialzusammenstellung von G. P. Oikonomos, Ναοποιοὶ καὶ Ἐσσῆνες, Ἀρχ. Δελτ. 7, 1921/2, 258–346. 12 Daß oberhalb der Zeile 1 des hier gegebenen Textes noch eine weitere Zeile verloren gegangen sein sollte, ist sehr unwahrscheinlich. 13 Der Εὄδηλος Ἐγδήλο von 401/400, an den man auch denken könnte, dürfte im Hinblick auf die Buchstabenreste in Z. 2 der Inschrift auszuscheiden sein: zwar ist das M von Εὐδήμο nicht voll erhalten, aber die unteren Enden der schrägen Hasten sind doch weiter voneinander entfernt als bei einem Λ, und überdies meine ich gerade auch noch eine Spur des unteren Endes der Mittelhasten des M auf dem Abklatsch erkennen zu können. 14 Es ist wohl davon auszugehen, daß in der 1. Zeile die Beschlußformel stand: ἔδοξε τῆι βολῆι καὶ τῶι δήμωι, oder allenfalls nur ἔδοξε τῆι βολῆι oder ἔδοξε τῶι δήμωι. In diesen Fällen wäre der oberhalb des Y von Εὐδήμο erkennbare schräge Strich entweder zu Λ oder zu M zu ergänzen, was beides gut passen würde. Die volle Formel würde die 1. Zeile um einen Buchstaben überschreiten und ließe dann bis zum Beginn des Namens Εὐδήμο noch 8 Buchstaben frei (bzw. 9, wenn das Iota von δήμωι
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da die normalerweise zu erwartenden Formeln der Nennung des Eponyms sich nicht recht fügen wollen und die Vermutung aufdrängen, daß das Formular irgendeine Besonderheit aufwies.15 Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten ist es wohl bis auf weiteres nötig, alle drei oben genannten Jahre in Betracht zu ziehen (437/6, 413/2, 404/3) und die Frage nach anderen die Inschrift datierenden Kriterien zu stellen. Sowohl im Hinblick auf die sprachlich-orthographische Seite16 wie auch bezüglich der Schriftanordnung und Buchstabenformen steht uns für Milet für die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts aber leider kein sicher datierbares Vergleichsmaterial zur Verfügung. Unbestreitbar ist die noch in die erste Zeile genommen war). Bei Verwendung von einer der beiden kurzen Formeln betrüge des Spatium vor Εὐδήμο 19 Buchstaben. 15 Wir haben aus Milet selbst nur zwei Belege mit Nennung des Eponyms aus dem 5. und 4. Jh.: in dem Kultgesetz der Molpoi von 450/49 (Milet I 3 n. 133) heißt es Ἐπὶ Φιλτέω τõ Διονυσίο μολπῶν αἰσυμνῶντος – aber das ist kein Psephisma, sondern ein Beschluß der Kultgenossenschaft. Im oben angegebenen Beschluß von 380/79 steht nur ἐπὶ Παρϑενοπαίο. Wenn man demgemäß in unserer Inschrift ἐπὶ Εὐδήμο (oder ἐπ’ Εὐδήμο) einsetzt, bleibt zwischen Beschlußformel und ἐπί eine Lücke von 5 (oder 6) Buchstaben bzw. – bei der kurzen Beschlußformel – 16 (oder 17) Buchstaben. Da könnte man allenfalls eine Monatsnennung unterbringen, die aber wie in dem Beschluß von 380/79 eigentlich eher hinter den Stephanephorennamen gehörte. Die später in Milet übliche Datierungsformel ἐπὶ στεφανηφόρου τοῦ δεῖνος paßt ebenso wenig wie etwa die Fassung στεφανηφοροῦντος τοῦ δεῖνος, oder auch eine entsprechende Ersetzung durch αἰσυμνήτου bzw. αἰσυμνῶντος. Bei Einsetzung des Namens des Eudemos sehe ich eigentlich nur zwei Ergänzungsmöglichkeiten, die aber beide Anlaß zu Bedenken geben: Ἔδοξε τῆι βολῆι, ἐπὶ στεφανη φορέοντος Εὐδήμο κτλ. oder unter der hypothetischen Annahme, daß auch der Stephanephor in dieser Zeit den athenischen Beamtennamen Archon trug: Ἔδοξε τῆι βολῆι καὶ τῶι δήμω ι, ἄρχοντος Εὐδήμο κτλ. Sollte es sich um den Stephanephoren Hegemon, Sohn des Eudemos handeln, gäbe es etwa die Möglichkeiten: Ἔδοξε τῆι βολῆι, ἐπ’ ἄρχοντος ἐπ’ αἰσυμνήτο (1 Buchstabe mehr) Ἠγέμονος τοὐδήμο κτλ. Die Krasis τοὐδήμο für το͂ Εὐδήμο scheint im Ionischen noch keine Parallele zu haben, man kann aber an den Πέλεϙος Οὑδάμο in der Söldnerinschrift von Abu Simbel (von der Hand eines Dorers, vielleicht aus Rhodos) erinnern: s. zuletzt A. Bernand – O. Masson, REG 70, 1957, 5–10. 16 Dazu die beiden Dissertationen von A. Scherer, Zur Laut- und Formenlehre der milesischen Inschriften, Diss. München 1934, und B. Bondesson, De sonis et formis titulorum Milesiorum Didymaeorumque, Diss. Lund 1936. Wie auch im Sachlich-Historischen bieten sprachliche Parallelen zu unserem Text vor allem die „Blutinschrift“ vom Nordmarkt (Milet I 6 n. 187 – s. oben im Text) und das (später aufgezeichnete) Kultgesetz der Molpoi von 450/49 (Milet I 3 n. 133). Dafür wären im besonderen zu nennen: zum Dat. plur. νεωποίηισιν (Z. 26. 33) Ὀνιτάδηισι in n. 133, 31 und 37; zum Infinitiv ὀφείλεν (Z. 27) mehrere Belege in n. 187: s. Scherer 9 § 10; zur Konjunktivform δόξει (Z. 28) mit kurzem Themavokal κατ[ακτείν]ει in n. 187, 3, ἐξομόσει SGDI 5496, 15 {Milet VI 3 n. 1220} (380/79): s. Scherer 35 § 59, Bondesson 178 § 68, 1 b.
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Affinität des neuen Textes zu der berühmten „Blutinschrift“ vom Nordmarkt (Milet I 6 n. 187 „Volksbeschluß über Ächtung politischer Verbrecher“ = SGDI IV 1 p. 861 Nr. 35 = Syll.3 58 = Tod 35): Auf Anklänge im Formular und in der Sprachform war hier schon hinzuweisen, beide Inschriften sind in Stoichedonordnung geschrieben, und auch in den Buchstabenformen steht der neue Text der Inschrift vom Nordmarkt sehr nahe; er könnte danach gleichzeitig oder vielleicht eher etwas | jünger sein.17 Über das Problem der Datierung des Ächtungsbeschlusses wird im folgenden gleich zu sprechen sein; sie beruht jedenfalls auf sachlich-historischen, nicht auf epigraphischen Kriterien. Dieselben Charakteristika der Buchstabenformen und der Stoichedonordnung weist außerdem auch das im 6. Milet-Bericht (mit Photographie) publizierte Fragment einer anderen lex sacra auf, aber dort gibt es keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Datierung.18 Wir finden uns mithin zurückverwiesen auf die Frage, ob eine Datierung des neuen milesischen Textes auf Grund historischer Gesichtspunkte möglich ist bzw. ob durch solche Gesichtspunkte bestimmte Daten ausgeschlossen werden. Diese Frage erweist sich insofern als problemreich, als – wie gleich zu zeigen sein wird – praktisch gegen alle drei auf Grund der Stephanephorenliste in Betracht kommenden Jahre – 437/6, 413/2 und 404/3 – bestimmte Gegenargumente vorgebracht werden können bzw. vorgebracht worden sind, so daß es fast darum geht, sich für das „geringste Übel“ zu entscheiden. Zunächst sprechen immerhin einige Gründe dafür, daß von den angegebenen drei möglichen Jahresdaten entweder das letzte oder eventuell auch das vorletzte aus historischen Rücksichten auszuscheiden hat. Das Jahr 404/3 dürfte nämlich gerade in die kurze Zeit einer oligarchischen Herrschaft in Milet fallen, die im Frühjahr 405 durch einen von Lysander angestifteten Putsch errichtet wurde und die die Flucht von etwa tausend Demokraten zu dem Satrapen Pharnabazos zur Folge gehabt haben soll.19 Es erscheint undenkbar, daß in dieser Zeit in Milet noch das System der athenischen Verfassung, wie es uns die Inschrift zeigt, Bestand gehabt haben sollte. Andererseits wäre aber vorstellbar, daß die einige Zeit später von Tissaphernes zurückgeführten Demokraten (Polyaen VII 18, 2) diese Ordnung wieder eingerichtet haben, und es muß darauf hingewiesen werden, daß nach einer von E. Cavaignac in diesem 17 Von dem Text Milet I 6 n. 187 stand mir abgesehen von der nicht sehr guten Photographie in der Publikation ein Abklatsch zur Verfügung. Die Übereinstimmung zwischen beiden Schriften bezieht sich auf die Buchstabenform des Μ, Σ, Ω und des P (mit recht großem Bogen). Etwas jünger wirken hingegen die Formen des N, wo die rechte Haste in der neuen lex sacra in der Regel etwas weiter herabreicht als in der Ächtungsinschrift, und des E, wo in der neuen Inschrift eine leichte Verkürzung der Mittelhaste feststellbar ist. 18 AbhBerlin 1908, Anhang 20 (SGDI IV 1 p. 863 Nr. n36; Syll.3 1002; F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure n. 44 {Milet VI 3 n. 1219}). Wiegand datierte die Inschrift in das 5. Jhdt., bei Dittenberger heißt es „c. a. 400“, bei Sokolowski „vers 400 av. J.-C.“ 19 Diodor XIII 104, 5–6; vgl. Plutarch Lys. 8, 1–3, Polyaen I 45, 1. Zu den Vorgängen zuletzt D. Lotze, Lysander und der Peloponnesische Krieg, AbhLeipzig 57,1 (1964) 27–29.
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Punkte vorgenommenen leichten Umdatierung der milesischen Stephanephorenliste Εὔδημος Ἡγέμονος gerade in dem auf die Rückkehr der Demokraten folgenden Jahr 402/1 amtiert hätte.20 Folgen wir übrigens dieser Umdatierung, so müßte | auch der Ἡγέμων Εὐδήμου (wohl der Vater des eben Genannten) entsprechend herabgerückt werden, nämlich in das Jahr 410/9: dann wäre es wiederum für dieses Datum unsicher, ob wir da noch das Weiterbestehen der Demokratie nach athenischem Muster in Milet voraussetzen können, da wir damit nun in die Zeit kurz nach dem durch Alkibiades veranlaßten Abfall von Milet im Jahre 412 gerieten (Thukydides VIII 17). So sind also, je nach der Chronologie, der man sich anschließt, die beiden späteren Daten für unseren Beschluß wechselseitig anfechtbar. Ehe wir nun zur Betrachtung des früheren Datums (437/6) übergehen, sei an dieser Stelle im Anschluß an die Erwähnung des oligarchischen Umsturzes in Milet von 405 am Rande noch kurz auf die Möglichkeit hingewiesen, daß im Rahmen dieser kurzen Epoche der Reaktion vielleicht auch eine vorübergehende Wiederbelebung der alten milesischen Phylenordnung angenommen werden könnte, wie sie die oben erwähnten, von G. Dunst in die Zeit um 400 gesetzten Zeugnisse aus Milet zu bekunden scheinen. Freilich könnte diese Reaktivierung auch schon 412 erfolgt sein. Auf jeden Fall können die Zeugnisse aber nicht als Beweis dafür dienen, daß die attische Phylenordnung vor ihnen in Milet noch nicht existiert hat. Für die Frühdatierung unserer neuen lex sacra – auf 437/6 nach Rehm21 – scheinen zunächst bessere oder klarere Bedingungen gegeben zu sein als für die eben behandelten beiden späteren Daten. Hier ist zurückzuverweisen auf den oben erwähnten Ächtungsbeschluß vom Nordmarkt, der ja aus sprachlichen und epigraphischen Gründen als unserer neuen Inschrift nahestehend zu bezeichnen war. Die Frage nach der Datierung dieses Textes führt uns in den Komplex der Begründung der athenischen Vorherrschaft über Milet bzw. der Einrichtung der Demokratie nach athenischem Muster und der damit verbundenen chronologischen Probleme. Seitdem Gustave Glotz 1906 den Text vom Nordmarkt einer scharfsinnigen Interpretation unterzogen hatte,22 galt als ausgemacht, daß diese eine Vertreibung von Tyrannen oder Oligarchen, d. h. wahrscheinlich der Neleiden, bezeugende Urkunde in die Nähe des fragmentarischen athenischen Volksbeschlusses IG I2 22 {IG I3 21} zu rücken sei, in dem eine Kommission von συγγραφεῖς Maßnahmen zur Ordnung der
20 E. Cavaignac, Rev. Et. Hist. 90, 1924, 311–314, danach auch Lotze 28. Zur Verschiebung der Jahresdaten in der ersten Stephanephorenliste (Milet I 3 n. 122) kommt Cavaignac durch eine von Rehm abweichende Interpretation der beiden dort erhaltenen Eintragungen von 2 Namen in einer Zeile, die er nicht wie Rehm für zwei aufeinanderfolgende Jahre, sondern für ein und dasselbe Jahr in Anspruch nimmt. Danach würde gerade durch eine solche Doppeleintragung der Verfassungswechsel des Jahres 403 markiert (bei Rehm sind es die Jahre 406/5 und 405/4). 21 Bei der von Cavaignac vertretenen Verschiebung kämen wir auf das Jahr 435/4, was im Hinblick auf die historischen Voraussetzungen keinen Unterschied ausmacht. 22 G. Glotz, Une inscription de Milet, CRAI 1906, 511–529.
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Verhältnisse in Milet vorgeschlagen hat.23 Dieser Beschluß aber wurde auf Grund des Archontennamens (wobei allerdings gegenüber der Überlieferung Diodors eine Konjektur notwendig ist) in das Jahr 450/49 datiert. So rückten das athenische Psephisma über Milet, der milesische Ächtungsbeschluß und dazu auch noch die durch den Aisymneten-, d. h. Ste|phanephoren-Namen ebenfalls auf 450/49 datierten berühmten „Satzungen einer milesischen Sängergilde“,24 das Kultgesetz der Molpoi (Milet I 3 n. 133 = Syll.3 57 = Sokolowski n. 50), zu einem Urkundenkomplex zusammen, der in verschiedenen Brechungen den einen Vorgang der Unterwerfung von Milet unter eine direkte Herrschaft Athens widerzuspiegeln schien.25 In neuerer Zeit sind dann freilich Ansätze zu einer differenzierteren Auffassung von der Entwicklung des athenisch-milesischen Verhältnisses in den 50er und 40er Jahren des 5. Jahrhunderts gemacht worden, in denen man die Aussagen der genannten Urkunden vor allem auch mit dem Befund der Tributlisten zu kombinieren versuchte.26 Dabei gab eine kurze Nachricht des Autors der pseudo-xenophontischen Ἀϑηναίων πολιτεία (III 14) die Handhabe, für Milet eine stufenweise Entwicklung des Verhältnisses zu Athen anzunehmen, indem die Demokratie nach athenischem Muster erst eingeführt worden sei, nachdem ein vorheriger Versuch der Athener, sich an die in Milet herrschenden Oligarchen (βέλτιστοι) zu halten, gescheitert war. Bei dieser Erklärung gehören die athenischen συγγραφαί von 450/49 noch in die erste, oligarchische Phase, wofür auch die Nennung der συνέταιροι und vermutlich auch des Aisymneten auf milesischer Seite zu sprechen scheinen. Erst eine (neuerliche) milesische Revolte habe dann in den 40er Jahren die Einführung der demokratischen Staatsform durch die Athener zur Folge gehabt. Diesen Schritt hatte Russell Meiggs auf das Jahr 447/6 datiert, während zuletzt A. J. Earp und J. P. Barron mit gewichtigen Argumenten für das Jahr 443/2 eingetreten sind, in das sie dann auch die Urkunde über die Vertreibung der milesischen Oligarchen setzen (s. Anm. 26). Da aber auch diese Urkunde noch als Exekutivorgan die in der athenischen Verfassung unbekannten ἐπιμήνιοι aufweist, wurde angenommen, daß deren – vielleicht nur terminologische – Ersetzung durch die Prytanen eine etwas spätere, letzte Stufe der Angleichung an die athenische Verfassung darstellt.27 Danach wäre also ein Dekretformular wie das uns in der neuen Inschrift vorliegende in Milet ab 442 oder spätestens vielleicht 23 Neuedition nach dem Fund eines dazugehörigen Fragments durch J. H. Oliver, TAPhA 66, 1935, 177–198 (SEG X 14; ATL II D 11; H. Bengtson, Staatsverträge II Nr. 151; weitere Ergänzungsvorschläge: SEG XIV 4; XIX 4; XXI 17). 24 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, SBBerlin 1904, 619–640. 25 Man vgl. dafür z. B. die Zusammenfassung bei Wilamowitz, GGA 1914, 80; J. H. Oliver, TAPhA 66, 1935, 182. Etwas zurückhaltender R. Meiggs, JHS 63, 1943, 27 Anm. 30. 26 R. Meiggs, JHS 63, 1943, 25–27; A. J. Earp, Athens and Miletos ca. 450 B.C., Phoenix 8, 1954, 142–147; J. P. Barron, Milesian Politics and Athenian Propaganda ca. 460–440 B.C., JHS 82, 1962, 1–6. 27 R. Meiggs bei Barron 5 Anm. 32 vermutet, daß die Einführung des Terminus πρυτάνεις statt ἐπιμήνιοι in die Zeit nach der Niederwerfung des samischen Aufstandes fällt, als Athen Milet sicher in der Hand hatte. Es sei daran erinnert, daß schon Hiller v. Gaertringen, RE XV 1599 daran gedacht hat,
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ab 439 möglich, womit sich die oben auf Grund der Stephanephorenliste genannte erste Datierung auf 437/6 gut vertrüge. Nun würde allerdings auch diese Datierung in Frage gestellt durch die Konsequenzen der bekannten Attacke, die vor einigen Jahren Η. B. Mattingly gegen einige als gesichert betrachtete Fixpunkte der athenischen Chronologie der Jahrhundertmitte geführt hat (Historia 10, 1961, 148–188). Innerhalb der | von Mattingly vertretenen Umdatierung wichtiger Urkunden in die 20er Jahre spielt gerade das Dokument mit den athenischen συγγραφαί für Milet (IG I2 22 {IG I3 21}) eine zentrale Rolle. Mit einer ganzen Serie kombinierter Argumente hat Mattingly für eine Datierung der Inschrift in das Jahr 426/5 plädiert,28 von anderer Seite ist die herkömmliche Datierung auf 450/49 mit Nachdruck verteidigt worden.29 Da der athenische Milet-Beschluß auch nach Mattingly noch nicht die Einrichtung einer Demokratie in Milet zum Inhalt hat, sondern nur die Entwicklung zu einem solchen Schritt anbahnen sollte, müßte unsere neue Inschrift auf jeden Fall später liegen: also schiede bei Annahme von Mattinglys These die Datierung auf 437/6 aus. Die Diskussion scheint bis auf weiteres festgefahren, alle verfügbaren Argumente sind vorgebracht. Als ihr Fazit muß man wohl immerhin mit Mattingly feststellen: „The Miletos Decree should surely be regarded as at least of doubtful date.“30 Hier ist genau der Punkt, wo der Epigraphiker wie der Historiker es als bedauerlich empfinden müssen, daß die neue Inschrift aus Milet auf Grund ihres Erhaltungszustandes nicht die Funktion eines womöglich entscheidenden Beweises zu erfüllen vermag. Wären in ihren ersten beiden Zeilen auch nur wenige Buchstaben mehr erhalten, könnte eine dadurch gesicherte Datierung u. U. als zwingendes Argument in die Kontroverse um die Chronologie und darüber hinaus um die Entwicklungsstufen der athenischen Seebundsherrschaft überhaupt eingeführt werden. Aber auch wenn uns die Einführung der athenischen Phylenordnung in Milet in die Zeit nach dem samischen Aufstand zu setzen. 28 Historia 10, 1961, 174–181; 12, 1963, 265–266; ClQ N. S. 16, 1966, 189–190; Ancient Society and Institutions. Studies presented to Victor Ehrenberg, 1966, 207–209. Mattingly hatte in seinem Aufsatz von 1961 angenommen, daß so wie IG I2 22 auch der milesische Ächtungsbeschluß Milet I 6 n. 187 in die 20er Jahre gehöre. Unter dem Eindruck der Darlegungen von Barron neigt er jetzt aber dazu, den Beschluß über die Vertreibung der Neleiden den 40er Jahren zu belassen (Studies Ehrenberg 222 Anm. 92). Dann wäre für Milet eine längere Zwischenepoche einer „mixed constitution“ (Historia 10, 1961, 180 Anm. 144) zwischen der Vertreibung der Oligarchen und der Einrichtung der Demokratie anzusetzen. 29 B. D. Meritt – H. T. Wade-Gery, JHS 83, 1963, 100–102; R. Meiggs, HarvStClPhil 67, 1963, 24–25; ders., JHS 86, 1966, 95 n. 18. Das schwerwiegendste Gegenargument gegen Mattingly ist, abgesehen von dem Schweigen des Thukydides über entsprechende Vorfälle in den 20er Jahren, die Feststellung, daß die durch ATL II D 11 für Milet zu erschließende oligarchische Ordnung in der Zeit Kleons schwer vorstellbar sei. Dazu wird dann noch Thuk. I 115, 2–3 (Unterstützung Milets durch Athen im Konflikt mit Samos um Priene; Einführung einer Demokratie in Samos durch die Athener) als Hinweis darauf angesehen, daß schon im Jahre 440 ein demokratisches Regime in Milet bestanden hat. 30 Studies Ehrenberg 213.
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diese wichtige Aussage vorenthalten wird, ist der Neufund doch auf seine Weise ein wertvoller Beitrag nicht nur für die milesische Lokalgeschichte, sondern auch ein Dokument von charakteristischer Aussagekraft und typischer Bedeutung für einen der vielen politischen Aspekte, unter denen sich die athenische Vorherrschaft im 5. Jahrhundert im staatlichen Leben der abhängigen und wohl speziell der nach einem Abfall unterworfenen Bündner niederschlagen konnte.31
31 Man vgl. dafür das Kapitel „Democracy in the Allied Cities“ in den Athenian Tribute Lists III (1950) 149–154.
24 Milesischer Purpur Im Wirtschaftsleben des antiken Milet hat, wie wir durch eine Vielzahl von Nachrichten wissen, die Wollproduktion eine besonders hervorragende Rolle gespielt1. Zu den günstigen Bedingungen, die die weite Fläche der milesischen Halbinsel der Schafzucht bot, kam aber noch ein besonderer Vorteil der Küstenlage hinzu: durch die reichliche Verbreitung von Purpurschnecken in diesem Abschnitt der karischen und ionischen Meeresküste2 waren die Milesier instand gesetzt, im Bereich der Wollverarbeitung auch einen eigenen Industriezweig der Wollfärberei, und zwar eben der Purpurfärberei, zu entwickeln, der in hohem Ansehen gestanden hat. Vergil hebt in den Georgica III 306 f. den hohen Preis der Milesia … vellera … Tyrios incocta rubores hervor, wozu Servius in seinem Kommentar anmerkt: lanae pretiosissimae; nam Miletus civitas est Asiae, ubi tinguntur lanae optimae. Diese Aussagen werden auf das beste bestätigt durch entsprechende Angaben im Warenkatalog des diokletianischen Höchstpreisediktes von 301, wo in Kapitel 24 in der Rubrik περὶ πορφύρας an hervorragender Stelle die „echte doppelt gefärbte milesische Purpurwolle bester Qualität“ und danach noch „milesische (Purpurwolle) zweiter Qualität“ mit den hohen Preisangaben von 12.000 bzw. 10.000 Denaren je Pfund aufgeführt werden3. Die antiken Nachrichten haben eine Bekräftigung erfahren auch durch eine Feststellung der modernen Ausgräber: Th. Wiegand verweist an einer Stelle darauf, daß (der Zoologe) Prof. (Julius) Vosseler aus Stuttgart in Milet „meterdicke Schichten von Purpurmuscheln“ beobachtet habe, „die einen sichtbaren Beweis des blühenden Gewerbes sowohl der Muschelfischer als der πορφυροβάφοι darstellen“4. Alle diese Hinweise können nunmehr um ein wertvolles epigraphisches Zeugnis bereichert werden, das vor einigen Jahren aufgetaucht ist: Block aus weißem Marmor, links und hinten gebrochen; oben abgeschlagenes Profil, auf der Oberseite rechter vorderer Teil einer runden Einarbeitung, die von einem etwas erhöhten Kreisring eingefaßt wird (von M. Ueblacker errechneter äußerer Durchmesser: 75,3 cm): danach handelt es sich wahrscheinlich um die Bekrönung
IstMitt 25, 1975, 141–147 und 1 Abbildung. 1 Belege: T. R. S. Broughton bei Tenney Frank, An economic survey of ancient Rome IV 817. 2 Belege: ebenda 627. 3 24,6 πορφύρας Μειλησίας καλλίστης διβάφου ἀληϑινῆς, 7 Μειλησίας δευτέρας, dazu die Kommentare von H. Blümner (1893) 165 und S. Lauffer (1971) 271. Durch die neuen Funde aus Aphrodisias ist jetzt auch die lateinische Fassung bekannt geworden: Erim – Reynolds, JRS 60, 1970, 126 mit den Bemerkungen von J. P. Wild (dessen Annahme „Milesian purple was hardly known before the fourth century“ nun gerade auch durch unsere Inschrift entkräftet wird). 4 3. Milet-Bericht (SBBerlin 1904) 87; vgl. auch L. Robert, CRAI 1968, 596. Ein ähnlicher Befund ist neuerdings in Delos beobachtet und ausgewertet worden: Bruneau, BCH 93, 1969, 765 ff.
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einer Grabara, nicht einer Statuenbasis5. H. 36, B. 62, D. 36 cm; Buchstabenhöhe ca. 3 cm. Herkunft nicht bekannt, zwischen den Jahren 1964 und 1966 in die Inschriftensammlung beim Museum von Balat verbracht, vermutlich aus einer Mauer des zerstörten Dorfes (Inv.-Nr. 1679; Abb. 1). {Milet VI 2 n. 666} [ca. 6 Τιβ]ε̣ ρίου [Κ]λαυδίου Νέρω [νος Καίσ]α̣ρος ἐπάνω τῶν πορφυ ρῶν. Z. 1: Vom Ε in Τιβερίου ist der untere waagerechte Strich ganz, vom mittleren das Ende erhalten. Z. 2: Am Anfang schwacher Rest eines schrägen Striches, wodurch die Ergänzung zu A als sicher gelten kann.
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Für die Rekonstruktion der ursprünglichen Breite des Textes ist von der Stellung der Silbe ΡΩΝ in Z. 3 auszugehen, die ungefähr in der Mitte der Zeile gestanden haben wird. Danach ist für den verlorenen Anfang der ersten Zeile, der von einem Eigennamen eingenommen worden sein muß, ein Spatium von nur etwa 6 Buchstaben verfügbar. Für die Deutung des Monuments (s. oben) wäre es wertvoll, wenn dieser Name bzw. wenigstens seine Kasus-Endung erhalten geblieben wären. Bei der vom materiellen Befund her wahrscheinlicheren Erklärung, daß das Fragment Teil einer Grabara ist, wäre der verlorene Name im Nominativ anzusetzen. Eine Ehrung ließe den Akkusativ erwarten; indes wäre dann auch das Fehlen des Namens des Dedikanten störend (wofern dieser, etwa ὁ δῆμος ὁ Μιλησίων, nicht auf dem jetzt abgeschlagenen Profil gestanden hätte). Eine Deutung als Ehreninschrift hat überdies auch von dem sachlichen Hintergrund des Textes aus, auf den gleich einzugehen sein wird, wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Es ist auch auf den sehr „schlampigen“ Charakter der Schrift hinzuweisen, der dem Denkmal den Aspekt des Flüchtigen und Improvisierten verleiht. Der Mann, dem diese Inschrift gilt, hat an seinen Personennamen den bloßen Genetiv Tiberii Claudii Neronis Caesaris angefügt. Damit wird wahrscheinlich, daß es sich um einen zum Kaiserhaus gehörigen Sklaven handelt, bei denen diese | Form der Benennung gang und gäbe war. Aber wer war sein Herr? Der Name Ti. Claudius Nero ist von mehreren Prinzen des julisch-claudischen Hauses geführt worden, nämlich von Tiberius bis zu seiner Adoption 4 n. Chr., von Claudius bis zur Thronerhebung, von Nero nach vereinzelten Zeugnissen zwischen der Adoption durch Claudius und
5 Die Art der Aushöhlung spricht jedenfalls gegen die Annahme, daß es sich um eine Einarbeitung zur Aufnahme einer Statuenplinthe handeln könnte. Man wird eher an die auf Grabaltären häufig festgestellten „schalenartige(n) Vertiefungen auf der Oberfläche zur Aufnahme der Spenden“ zu denken haben: W. Altmann, Die römischen Grabaltäre der Kaiserzeit (1905) 33; man vgl. z. B. auch Saglio bei Daremberg – Saglio, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines I 352 mit Abb. 426.
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dem Regierungsantritt, d. h. von 50 bis 54. Caesar ist von ihnen zu dieser Zeit indes allein der junge Nero gewesen6. Nun empfiehlt es sich aber, die hier erscheinende Namensform im besonderen mit der sonst belegten Nomenklatur kaiserlicher Sklaven zu konfrontieren, wie sie seit einigen Jahren in der eingehenden Untersuchung von H. Chantraine aufgearbeitet ist7. Da stellt man fest, daß eine volle Parallele augenscheinlich fehlt. Auszuscheiden sind zunächst Beispiele, in denen Sklaven eines Ti. Claudius Nero erscheinen, der nicht den Caesarnamen führt: sie werden teils Tiberius, teils Claudius in ihrer Zeit noch als privati zugesprochen8. Mit Caesarnamen gibt es fünf Belege für die Genetivform Neronis Caesaris, ohne weitere Namenselemente: sie sind wiederholt Nero zugesprochen, von Chantraine aber nun samt und sonders auf den Prinzen Nero Iulius Caesar, den Sohn des Germanicus, bezogen worden9. | Wenn das richtig ist, scheiden auch sie als Parallelen für unseren Fall aus. Für Nero in seiner Zeit als Caesar vermag Chantraine keinen Beleg einer Sklavennomenklatur anzuführen; in seine Regierungszeit verweist er drei stadtrömische Inschriften, wo Sklaven sich als Neronis Caesaris bzw. Neronis Claudii Caesaris (servi) bezeichnen10. Daß in unserer milesischen Inschrift Nero gemeint ist, scheint mir festzustehen. Aber geht es um Nero den Prinzen oder Nero den Kaiser? Die Namensform führt, wie
6 Für Tiberius vgl. PIR II2 219 n. 941, für Claudius ib. 225 n. 942. Bei Nero (PIR III2 34 n. 129) ist die Namensform Ti. Claudius Nero Caesar, in der Tiberius als Praenomen geführt wird statt des gebräuchlicheren Nero, vor allem durch die neapolitanische Inschrift CIL X 932 (Dessau 224; E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero n. 103 „probably from Pompeii“) belegt: Ti. Claudio, / Ti. Claudi Caesaris / Augusti Germanici / p. p. f., Neroni / Caesari / d. d. (von Dessau in die Zeit kurz nach der Adoption datiert). Dazu tritt eine Nachricht bei Zonaras XI 10 (Dio 60,33,22), daß Claudius Nero nach der Adoption umbenannt habe in Ti. Claudius Nero Drusus Germanicus Caesar. Eine Mischform des Namens, Nero Tiberius Claudius Caesar Germanicus, ist Nero in der ihn als νέος Ἥλιος bezeichnenden Weihung von Sagalassos IGR III 345 gegeben (P. Riewald, De imperatorum Romanorum cum certis dis et comparatione et aequatione, Diss. Halle 1912, 315 n. 91; E. M. Smallwood, Documents … n. 146). Sie dokumentiert die Unsicherheit über die Namensform im griechischen Osten und mag im übrigen schon in die Regierungszeit des Kaisers gehören. Daß Nero nämlich auch nach 54 noch gelegentlich den Namen Tiberius erhielt, bekunden Beispiele wie CIL XIII 3013 (aus Metiosedum): Tib. Claudio Neroni Druso Germanico Augusto. Nach einer Vermutung von W. Eck ist auch in der aus Lydai in Lykien stammenden Ehrung des Sex. Marcius Priscus, der als Legat Vespasians καὶ πάντων [Αὐτ]οκρατόρων ἀπὸ Τ[ι]βερίου Καίσαρος bezeichnet wird (TAM II 131), mit Tiberius Caesar der Kaiser Nero gemeint (ZPE 6, 1970, 69 Anm. 22). 7 H. Chantraine, Freigelassene und Sklaven im Dienst der römischen Kaiser. Studien zu ihrer Nomenklatur, Forschungen zur antiken Sklaverei Bd. 1 (Wiesbaden 1967). Vgl. auch P. R. C. Weaver, Familia Caesaris (Cambridge 1972), besonders Part I: Nomenclature and Chronology. 8 CIL VI 4949: Eros Ti. Claudi Neronis, von Mommsen auf Tiberius bezogen (Chantraine a. a. Ο. 36). CIL IX 1456 = Dessau 3806 von 11 n. Chr.: Tricunda Ti. Claudi Neronis ser., von Mommsen mit Bedenken auf Tiberius, von Dessau auf Claudius bezogen (Chantraine a. a. Ο. 38 mit Anm. 85). 9 Chantraine a. a. Ο. 37 mit Anm. 81. 10 Ebenda 22: NSc 1950, 89 ]nus / [Ner]onis Claud. / [Ca]is. corp(oris) cust(os); AE 1959, 299 Nunnius Neronis / Clau. Caes. ser(vus) saltuar(ius); AE 1959, 300 Verecundiae / Neronis Caesar. / ancill(ae).
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gezeigt, besonders auf die Jahre zwischen 50 und 54; sie ist indessen aber auch für die Zeit nach dem Regierungsantritt nicht auszuschließen (vgl. oben Anm. 6). Daß andererseits auch das Fehlen des Augustusnamens kein Gegenargument gegen eine Datierung in die Regierungszeit ist, steht seit M. Bangs grundlegendem Aufsatz von 1919, „Caesaris servus“ (Hermes 54, 1919, 174–186), fest. Die genauere Bezeichnung des Herrn durch einen vollen Namen, die beim Freigelassenen oder Sklaven eines Prinzen aus Gründen der Deutlichkeit naheliegt11, ist bei den Sklaven der Kaiser selbst nicht minder verbreitet, sie „gehört von Hause aus der Sklavennomenklatur an“ (Chantraine 34). Wenn ich es bei unserer Inschrift für höchst wahrscheinlich halte, daß sie einem Sklaven des regierenden Kaisers Nero gilt, so gründet sich das in erster Linie auf Stellung und Funktion des in Milet Genannten, über die nun kurz zu sprechen ist. Unser Anonymus wird als ἐπάνω τῶν πορφυρῶν bezeichnet. Die ungewöhnliche Konstruktion mit dem präpositional verwendeten ἐπάνω ist seit 1924 als schon kaiserzeitliche Wendung zur Wiedergabe des lateinischen praepositus bezeugt, als die Veröffentlichung der Photographie einer schon länger bekannten Inschrift aus Uşak im lydisch-phrygischen Grenzgebiet an einer vorher noch anders ergänzten Stelle die Lesung ἐπάνω εἴλης ἱππέων Σεβαστῆς Διδύμου in dem militärischen cursus eines gewissen L. Egnatius Quartus ermöglichte12. Später hat der Ausdruck in der byzantinischen Ämterterminologie größere Verbreitung gefunden13. Der Mann unserer Inschrift könnte demnach eine Funktion wahrgenommen haben, die wir hypothetisch mit der lateinischen Bezeichnung praepositus purpu|rarum14 wiedergeben wollen. Der Titel erscheint hier insofern passend, als er tatsächlich im Bereich des kaiserlichen Haus- und Hofdienstes und später in kaiserlichen Manufakturen eine besondere Verbreitung gefunden hat15. Dabei ergibt sich aber gleich eine Schwierigkeit im Hinblick auf unseren Mann aus Milet: Es geht 11 Bang a. a. O. 178; Chantraine a. a. Ο. 40. 12 BCH 48, 1924, 510 f. (nach L. Robert, Hellenica X 252 ist der Verfasser der ohne Namen erschienenen Chronique des fouilles H. Seyrig) = SEG VI 167 nach einer von K. Kuruniotis veröffentlichten Photographie des Steines BCH 19, 1895, 557 n. 3. In dieser auf einer Edition von Kontoleon fußenden Publikation war an der Stelle ἔπα[ρχον] εἴλης ergänzt worden. 13 BCH 1924, 511; vgl. H. Stephanus, Thesaurus Graecae Linguae III 1425; E. A. Sophokles, Greek Lexicon of the Roman and Byzantine Periods I 492; G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon (1961) 510. 14 Mit πορφύραι bzw. purpurae müßten dann konkret die Purpurmanufakturen gemeint sein. Derselbe Genetiv des Plurals erscheint übrigens auch in der im Text zitierten Inschrift aus Korinth: ratio purpurarum (nicht purpuraria). Sonst wird im Bereich kaiserlicher Hofämter und Manufakturen auch häufig von einem praepositus des betreffenden Personals gesprochen (pr. velariorum, pr. argentariorum); dann wäre aber im Griechischen πορφυρέων (Purpurfischer) oder πορφυροβάφων (Purpurfärber) zu erwarten gewesen. Daß πορφυρῶν etwa der Genetiv des Plurals der Berufsbezeichnung πορφυρᾶς sein sollte, halte ich für unwahrscheinlich (zu diesen Bezeichnungen zuletzt J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1970 n. 622. 625). 15 Vgl. Enßlin, RE Suppl. VIII (1956) 540 n. 2 (praepositus im kaiserlichen Haus- und Hofdienst) und 543 (praepositus in kaiserlichen Manufakturen).
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nämlich aus dem Material mit Deutlichkeit hervor, daß dieser im Gefolge der Hierarchisierung des Hofdienstes seit Domitian verbreitete Titel so gut wie ausschließlich von Freigelassenen geführt wird16. Diese Rechtsstellung scheint aber für den in Milet Geehrten nach den obigen Darlegungen ausgeschlossen zu sein, er war offenkundig kaiserlicher Sklave17. Dann wäre eine Erklärung für den auffälligen Tatbestand vielleicht darin zu finden, daß der Beleg eine frühe Anwendung des Titels praepositus erkennen läßt, wo er noch nicht auf Freigelassene eingeschränkt und in die Hofhierarchie eingefügt war. Oder der Begriff ἐπάνω ist doch nicht das Äquivalent für praepositus, sondern entspricht etwa einem lateinischen präpositionalen Ausdruck mit a(b): dafür ließen sich dann als eine gewisse Parallele kaiserliche Sklaven anführen, die unter Titeln wie ab marmoribus oder a lapicidinis einzelne Bergwerke beaufsichtigten18. Gerade für unseren Sklaven in Milet wäre es dann angemessen anzunehmen, daß er in dem lokal begrenzten Bereich der Stadt in entsprechender Weise die Purpurproduktion zu überwachen hatte. Damit aber wird unsere Inschrift ein wertvoller neuer Beleg für den bisher nur äußerst spärlich bezeugten Tatbestand der Übernahme der Purpurindustrie in kaiserliche Regie. Wir besaßen bisher dafür ein ausdrückliches Zeugnis allein aus der Zeit des Alexander Severus: Eine in Korinth gefundene lateinische Inschrift für | den kaiserlichen Freigelassenen Theoprepes, der eine große Anzahl spezifischer Hofämter innegehabt hat, nennt an erster Stelle seine (offenkundig zuletzt bekleidete) Funktion als proc(urator) domini n(ostri) M. Aur(elii) Severi Alexandri Pii Fel(icis) Aug(usti) provinciae Achaiae et Epiri et Thessaliae rat(ionis) purpurarum (CIL III 536 = Dessau 1575). Damit konnte eine Aussage über denselben Kaiser in der Historia Augusta kombiniert werden, wonach er nämlich ein „gravissimus exactor“ der berühmtesten Purpursorten gewesen sei, nicht, um diese für die eigenen Bedürfnisse zu verwenden, sondern um sie den Matronen, „si quae aut possent aut vellent“, zum Verkauf anzubieten. Der Verfasser knüpft daran die Bemerkung, daß von daher auch eine Purpursorte nun nach Alexander benannt worden sei, die sonst unter dem Namen Probiana lief, „idcirco quod Aurelius Probus bafiis praepositus id genus muricis repperisset“ (SHA Alex. Sev. 40, 6). Auf diese Quellengrundlagen gründet sich die in der Literatur mit einigen Varianten gemeinhin verbreitete Auffassung, daß Alexander Severus einen eigenen 16 Vgl. G. Boulvert, Esclaves et affranchis impériaux sous le Haut-Empire romain. Rôle politique et administratif (Neapel 1970) 239 f. mit den Belegen. Auch die beiden in die Zeit von Claudius und Nero zurückreichenden Belege beziehen sich auf Freigelassene (ebenda 183). 17 Einen Erklärungsversuch der Art, daß der bloße Genetiv des Kaisernamens nicht den Sklavenstatus bezeichne, sondern dem folgenden Titel unterzuordnen sei, wodurch unser Mann dann Freier oder Freigelassener gewesen sein könnte (vgl. dazu P. R. C. Weaver, Familia Caesaris 52 f.), halte ich für unwahrscheinlich. 18 Vgl. CIL XI 3199: Hermeros Ti. Claudii Caisaris Aug. Germanici ser. Thyamidianus ab marmoribus; VI 8486: Hymenaeus Caesaris ser. Thamyrianus a lapicidinis Carystiis, dazu O. Hirschfeld, Kaiserliche Verwaltungsbeamte2 167; Boulvert a. a. O. 223. Neben diese Belege wird in der Literatur die griechische Inschrift aus Paros gestellt (IG XII 5, 253): Ἔρως Καίσαρος ἐργεπιστάτης τοῦ λατομείου.
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Verwaltungszweig der ratio purpurarum geschaffen habe, dem die Überwachung der kaiserlichen Purpurfabriken oblag; auch die Kontrolle über die Färbereien, also die Stellung des bafiis praepositus, habe zu diesem Verwaltungskomplex gehört19. Damit verbunden wurden Hinweise auf ein kaiserliches Monopol hinsichtlich der Purpurerzeugung und auf die Durchsetzung eines dem Kaiserhaus vorbehaltenen Standesprivilegs in der Verwendung von Purpur20. Es ist bemerkenswert, daß uns der Neufund aus Milet nun bereits für das 1. Jahrhundert einen Beleg über kaiserliche Ingerenz auf dem Gebiet der Purpurfabrikation bringt, die hier wohl als Übernahme einer lokalen Produktionsstätte in kaiserliche Regie zu deuten ist. Das Beispiel steht für uns ganz allein, man wird daraus vorderhand keinen Schluß auf ein bereits bestehendes Verwaltungssystem ableiten können, wie es uns erst die Inschrift aus dem 3. Jh. bezeugt. Es ist aber eine eigenartige Koinzidenz, daß, so wie im oben angeführten Fall des Alexander Severus der dokumentarische Beleg der Inschrift durch eine Bemerkung des Kaiserbiographen ergänzt werden konnte, gerade auch für Nero neben unser epigraphisches Zeugnis eine Notiz des Sueton gerückt werden kann, in der das Interesse dieses Kaisers an besonderen Purpursorten im Sinne eines Alleinanspruchs herausgestellt wird: Unter den Beispielen für die luxuria und avaritia des Kaisers berichtet der Biograph davon, daß Nero den Gebrauch amethystfarbenen und tyrischen Purpurs untersagt habe. Er habe dann aber einen Händler dazu anstiften | lassen, an einem Markttag nur wenige Unzen zu verkaufen, und habe eben diesen Fall zum Anlaß genommen, nun auch den Handel überhaupt zu unterbinden21. Als er bei einem Auftritt als Sänger eine Matrone in einem verbotenen Purpurgewand erblickte, habe er ihr nicht nur dieses Kleid abnehmen lassen, sondern darüber hinaus ihr ganzes Vermögen konfisziert22. In der Gegenüberstellung mit dieser Nachricht gewinnt unser bescheidener Beleg aus Milet, wie man sieht, eine weiterreichende Bedeutung: über den lokalen Rahmen
19 Besnier bei Daremberg – Saglio IV 776; O. Hirschfeld, Kaiserliche Verwaltungsbeamte2 308 Anm.; K. Schneider, RE XXIII 2 (1959) 2012; Boulvert a. a. O. 330. Zum praepositus bafiis A. Reintjes, Untersuchungen zu den Beamten bei den Scriptores Historiae Augustae (Diss. Bonn 1961) 71–74, die darauf hinweist, daß der Titel auf das 4. Jh. führt. 20 Literatur bei M. Reinhold, History of Purple as a Status Symbol in Antiquity (Coll. Latomus Vol. 116, 1970) 58. (Zu diesem Buch Kolb, Gnomon 1973, 50–58, der 56 zu unserer Stelle bemerkt, daß Reinhold die Angaben der Historia Augusta zu ernst nehme.) 21 Suet. Nero 32, 3 et cum interdixisset usum amethystini ac Tyrii coloris summisissetque qui nundinarum die pauculas uncias venderet, praeclusit cunctos negotiatores (die Deutung des praecludere ist umstritten; vielfach denkt man auch an Konfiskation der im Handel befindlichen Bestände: vgl. H. Ailloud in der Budé-Ausgabe II 117 Anm. 1). Mit amethystinus und Tyrius color sind offenbar nur zwei besonders hochwertige Purpurfärbungen gemeint (Reinhold a. a. O. 50; vgl. Plin. n. h. IX 139); es scheint nicht um ein generelles Purpurverbot gegangen zu sein, wie etwa Schneider RE XXIII 2, 2012 meint. 22 Ib. quin etiam inter canendum animadversam matronam in spectaculis vetita purpura cultam demonstrasse procuratoribus suis dicitur detractamque ilico non veste modo sed et bonis exuit.
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der Wirtschaftsgeschichte des antiken Milet hinaus öffnet er den Blick auf ein interessantes, im einzelnen noch wenig bekanntes Detail in der langen Geschichte herrscherlicher Ansprüche auf den kostbaren und begehrten Tyrius color.
Abb. 1: Grabstein eines kaiserlichen Sklaven aus Milet
25 E ine Kaiserurkunde der Zeit Marc Aurels aus Milet Gelegentlich der Aufräumungs- und Anastylosearbeiten und damit verbundener Untersuchungen im Bereich der Heiligen Straße in Milet ist in den letzten Jahren ein Zufallsfund gemacht worden, der für das Inschriftenmaterial der Stadt eine interessante Bereicherung bietet: eine zweisprachige Urkunde, bestehend aus einem Kaiserbrief und einem Auszug aus einer Kaiserrede, die sowohl für die milesische Lokalgeschichte wie auch für einige Aspekte der Reichsregierung aufschlußreiche Details enthält. Für die genaueren Fundumstände der Stele kann ich auf die Angaben zurückgreifen, die ihr Finder, Herr Willi Real, mir dafür zur Verfügung gestellt hat1: „Der Stein wurde im Jahre 1971 bei den Arbeiten an der Heiligen Straße gefunden. Diese Arbeiten sollten über den Zustand der Straße zwischen Delphinion und Südmarkt in den verschiedenen Epochen und über ihren Verlauf, der sich möglicherweise im Laufe der Zeit, bedingt durch die Bebauung, verändert haben konnte, Aufklärung bringen. In diesem Zusammenhang wurde unmittelbar vor dem großen Tor des Südmarktes, parallel zu seiner Außenfront verlaufend, ein breiter und tiefer Hauptkanal für Abwässer freigelegt, der durch Platten abgedeckt war, die zum großen Teil noch in situ lagen. Einige Platten waren in den Kanal gestürzt. Unter diesen befand sich auch der Block mit der Inschrift, der offensichtlich in späterer Zeit als Abdeckplatte für den Kanal mißbraucht worden war.“ Es handelt sich um eine unten abgebrochene Marmorstele, bei der oben in flachem Relief ein Giebel mit Eckakroteren herausgearbeitet ist, während das Schriftbild als tiefer gelegene Fläche von einem vorspringenden Rand eingefaßt wird (ähnlich ist die Stele mit dem Macrinus-Brief Milet I 7 n. 274). Der Stein ist 107 cm hoch, 80,5 cm breit, 18 cm dick; die Buchstaben der griechischen wie der lateinischen Schrift sind 1,2–1,6 cm hoch (Ritzlinien für den lateinischen Text). Die Rückseite ist rauh, die Seitenflächen nur bis zu einer Tiefe von 3–5 cm | glatt bearbeitet. Die Stele wird vor einer Wand gestanden haben, wobei man am ehesten an die Hallen des Südmarkts denkt (Abb. 1–3). {Milet VI 3 n. 1075 mit Taf. 9}
Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ, ϑεοῦ Ἀντωνίνου υἱός, ϑεοῦ Οὐήρου Παρϑικοῦ μεγίστου ἀδελφός, ϑεοῦ Ἁδριανοῦ υἱωνός, ϑεοῦ Τραιανοῦ Παρϑικοῦ
IstMitt 25, 1975, 149–166 und 4 Abbildungen. 1 Dafür, daß er mir die Publikation der Inschrift überlassen hat, möchte ich an dieser Stelle Herrn W. Real von der Deutschen Milet-Grabung meinen herzlichen Dank aussprechen. – Im April 1974 hatte ich Gelegenheit, den Text in einem Vortrag vor der Mommsen-Gesellschaft in Trier erstmalig bekannt zu machen.
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ἔκγονος, ϑεοῦ Νέρουα ἀπόγονος, Μᾶρκος Αὐρήλιος Ἀντωνῖνος Σεβα4 στὸς Γερμανικὸς Σαρματικός, ἀρχιερεὺς μέγιστος, δημαρχικῆς ἐξουσίας τὸ λαʹ, αὐτοκράτωρ τὸ ϑʹ, ὕπατος τὸ γʹ, πατὴρ πατρίδος καὶ Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ Λούκιος Αὐρήλιος Κόμμοδος Σεβαστός, Αὐτοκράτο ρος Ἀντωνίνου Σεβαστοῦ υἱός, ϑεοῦ Εὐσεβοῦς υἱωνός, ϑεοῦ Ἁδριανοῦ ἔκγονος, ϑεοῦ Τραιανοῦ Παρϑικοῦ καὶ ϑεοῦ Νέρουα ἀπόγονος, Γερ8 μανικὸς Σαρματικός, δημαρχικῆς ἐξουσίας τὸ βʹ, αὐτοκράτωρ τὸ βʹ, ὕπατος, πατὴρ πατρίδος Μιλησίων τοῖς ἄρχουσι καὶ τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι χαίρειν. 12 Ἐντυχόντες οἷς ἐπεστείλατε περὶ τοῦ ἀγῶνος προσήκειν ἡγη σάμεϑα διαλεχϑῆναι πρὸς τὴν ἱερὰν σύγκλητον βουλήν, ὅπως συγχωρήσειεν ὑμῖν ὅπερ ἠξιοῦτε. Ἐδέησεν δὲ καὶ περὶ ἑτέρων πλειόνων ποιήσασϑαι πρὸς αὐτὴν τοὺς λόγους. Ἐπεὶ τοίνυν οὐκ ἰδίᾳ καϑ’ ἕκαστον ὧν εἴπομεν ἐπεκύρωσεν, ἀλλὰ κοινῇ καὶ 16 συλλήβδην περὶ τῶν λεχϑέντων ὑφ’ ἡμῶν ἐκείνης τῆς ἡμέρας τὸ δόγμα ἐγένετο, αὐτοῦ τοῦ ῥηϑέντος λόγου τὸ συντεῖνον μέ ρος πρὸς τὴν ὑμετέραν ἀξίωσιν ὅπως εἰδείητε ὑποτέτα20 κται τῇ ἀποκρίσει ταύτῃ. Ἐπρέσβευον Αἰλιανὸς Ἀσκλη πιάδης Πολίτης, Κλαύδιος Σωτέλης, Φλάουιος Ἀνδρέας, Κλαύδιος Ἀγχαρηνός, οἷς τὸ ἐφόδιον δοϑήτω, εἰ μὴ προῖκα ὑπέ [σ]χηνται. 24 Εὐτυχεῖτε.
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[ ca. 5 ] p. c., quod hisce subiungemus, ad religionem consci [entiam]que divinae rei spectare hau difficulter intellegetis [ 9–11 ] Milesiorum petitioni iucundissimum filium [ 9–11 ?v]os suffragari vel me velle quod meus filius velit 28 [ ca. 15 ]ịtur. Desiderant autem Milesii certamen [ ca. 16 sa]c̣ rum antiquitus dicatum in eo constitui iure [quo ca. 12 certam]iṇạ ex quibus victores reduces patriam suam 32 [ ca. 22 ] Excusavimus sane civitatibus aliis [ ca. 25 ]ṛem surgentibus quae civitates f̣ [․ ․] [ ca. 22 solli]c̣ ịtudine aliqua praestant. [ ca. 28 ]ṿenia cum causa pr[o]prii [ ca. 5 ] 36 [ ca. 30 ]ẹ ọṇus civitatium q̣[u ca. 7 ] [ ]ṣ rennui ṃ[ ] — — — — Zum lateinischen Text: Z. 29 Anf. ]itur?: vor -ur zwei senkrechte Hasten, die beide oben einen leichten Querstrich haben; allenfalls ]etur, sicher nicht ]ntur Z. 30 Anf. ]crum: vom ersten Buchstaben nur oben leicht schräges Strichende
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Z. 33 Anf. ]rem: vor e schwacher Rest eines Bogens Ende: oben Kurve, vom Mittelstrich und unteren Kurvenende Ansätze erkennbar, dadurch G ausgeschlossen Z. 34 Anf.: vor T schwacher Rest einer senkrechten Haste mit leichtem Querstrich oben, davor Bogen Z. 35 Anf.: 1. Buchstabe V oder N Ende: nach dem ersten I oberes Ende einer hochgezogenen senkrechten Haste, ähnlich wie Milesii Z. 29 Z. 36 Anf.: obere Enden eines E, dann eines Rundbuchstabens, danach zweier geschwungener Buchstaben (N oder U, nicht M); möglich wäre nach den Resten auch a]equus Ende: etwas schräg gestellte Rundung, eher Q als O oder C Z. 37 Anf.: S als erster Buchstabe so gut wie sicher. Im Hinblick auf die Orthographie des lateinischen Textes sind zwei Details bemerkenswert: Z. 26 hau difficulter mit Ausfall des d. Dieses schon von den antiken Grammatikern besprochene Phänomen (Zitate im TLL VI 2558, 29 ff.)2 war bisher außer in handschriftlicher Überlieferung (Plautus), soweit ich sehe, nur in zwei carmina epigraphica bezeugt, einem des 2. Jh.s v. Chr. (52, 2 Bücheler = CIL I2 1211 sepulcrum hau pulcrum) und einem christlichen (686, 4 Bücheler: hau parvis), beide Male vor anlautendem p. Für Ausfall vor d kennt man aus dem Grammatiker Caper das Beispiel hau dolo, aus Plautus z. B. hau dudum (Persa 498). Z. 37 rennui mit Verdoppelung des n. Das ist eine orthographische Besonderheit, die erst von der neueren Forschung aus handschriftlichen Lesarten entdeckt worden ist und die als Beeinflussung von dem Gegenbegriff annuo (adnuo) | erklärt wird3. Sie breitet sich speziell in nachklassischen Autoren aus, „ja sie ist im Spätlatein überhaupt als völlig legitim anzuerkennen“4. Meines Wissens bringt unser Text den ersten epigraphischen Beleg. Auch für die Paläographie besitzt der lateinische Text einiges Interesse. Man sieht deutlich, daß die lateinischen Buchstaben- und Schriftformen eine starke Anlehnung
2 Belege besonders bei F. Neue – C. Wagener, Formenlehre der lat. Sprache II3 667; Bibliographie: TLL VI 2558; M. Leumann, Lateinische Laut- und Formenlehre (1963) 177. Den Hinweis auf dieses Phänomen verdanke ich G. Markwald. 3 Niedermann, Glotta 1, 1909, 267 n. 9; W. Heraeus, Kleine Schriften 127 Anm. 3; Leumann a. a. O. 144 § 132 f., vgl. 193 § 166 a. 4 E. Löfstedt, Arnobiana (1917) 15.
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an eine Schrift kursiven Charakters aufweisen5. Das geht offenkundig auf die recht getreue Übertragung einer handschriftlichen Vorlage durch einen der lateinischen Monumentalschrift unkundigen Steinmetz zurück. Die etwa gleichzeitige Aufzeichnung einer römischen Senatsurkunde aus Sardeis (Sardis VII 1, p. 35 Fig. 10; s. S. 337) ist in dieser Hinsicht zurückhaltender, ebenso wie die Schrift auf der ebenfalls aus dem Jahre 177 stammenden Bronzetafel aus Banasa (CRAI 1971, 471). Bei der Übersetzung möchte ich mich auf den Text des Kaiserbriefes beschränken: Imp. Caesar … M. Aurelius Antoninus Augustus … und Imp. Caesar L. Aurelius Commodus Augustus … grüßen die Beamten, den Rat und das Volk von Milet. Nach Kenntnisnahme Euerer Eingabe bezüglich des Agons hielten wir es für angebracht, (darüber) mit dem Hohen Senat zu verhandeln, auf daß er Euch gewähre, was Ihr erbeten habt. Es ergab sich aber die Notwendigkeit, vor ihm auch über eine Anzahl anderer Angelegenheiten Bericht zu erstatten. Da der Senat infolgedessen nicht einzeln den von uns vorgetragenen Themen zustimmte, sondern an diesem Tag ein zusammenfassender Beschluß über das von uns Referierte zustande kam, ist zu Euerer Unterrichtung der auf Euere Bitte bezügliche Abschnitt der vorgetragenen Rede selbst dieser Antwort unten angefügt. Gesandte waren: Aelianus Asklepiades Polites, Claudius Soteles, Flavius Andreas, Claudius Ancharenus. Diesen soll das Reisegeld ausgezahlt werden, sofern sie nicht zugesagt haben, die Kosten selbst zu übernehmen. Lebt wohl!
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Datierung Der durch die Angabe trib. potest. XXXI in der Kaisertitulatur M. Aurels gegebene zeitliche Rahmen vom 10. XII. 176 bis 9. XII. 177 wird stark eingeengt durch die Nennung der 9. imperatorischen Akklamation, der die Angabe imp. II bei Commodus entspricht. Es ist schon seit langem besonders aufgrund des Münz|materials festgestellt, daß mit dieser Akklamation auf ein Ereignis Bezug genommen sein muß, das später lag als der Übergang zur Zählung trib. pot. II im Titel des Commodus sowie seine Erhebung zum Mitkaiser durch Verleihung der Titel Augustus und pater patriae6. Zuletzt hat es J. Dobiáš sehr wahrscheinlich gemacht, daß dieser Akklamation der Sieg des M. Bassaeus Rufus im sogenannten Zweiten Germanenkrieg am Ende der Sommerkampagne des Jahres 177 zugrunde liegt7. Danach dürfte unser Brief am ehesten in die Zeit von etwa Anfang Oktober bis Anfang Dezember 177 zu datieren sein.
5 Für Schriften mit einer ähnlichen Tendenz könnte man aus dem Album of Dated Latin Inscriptions von A. E. Gordon (II 1964) die Beispiele Nr. 96, 218, 237 nennen. Dazu auch J. und A. Gordon, Contributions to the Palaeography of Latin Inscriptions (1957) 75 ff. 6 Vgl. besonders Heer, Der historische Wert der Vita Commodi in der Sammlung der Scriptores Historiae Augustae (Philologus Suppl. IX 1, 1904) 29 f.; Dodd, NumChron 1914, 40 ff. 7 Atti del terzo congresso internaz. di epigrafia greca e latina (Rom 1959) 7, unter Heranziehung der Inschrift Dessau 1326 (schon erwogen bei Dodd, NumChron 1913, 310 Anm. 176); vgl. auch Oliver, Mar-
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Diese Feststellung ist insofern von Interesse, als im Inschriftenmaterial von Milet bereits ein anderes, allerdings sehr stark verstümmeltes Exemplar eines Kaiserbriefes aus der Samtherrschaft von M. Aurel und Commodus aufgetaucht ist, das, wie sich nun herausstellt, kurz vor unseren hier veröffentlichten Text gehört: Das 1909 in der Justiniansmauer beim Südmarkt gefundene Bruchstück von 26 cm Höhe und 18 cm Breite enthält nur einige Elemente aus der Titulatur der beiden Kaiser, vom Brief selbst ist nichts erhalten geblieben (Milet I 7 n. 273). Dabei ist bei M. Aurel noch die 8. imperatorische Akklamation genannt, während Commodus den Augustus-Namen hat und die Titel trib. pot. II und consul (ὕ̣ [πατος) führt8. Für die Übernahme des Augustus-Namens hat man in der Forschung besonders aufgrund numismatischer Kriterien einen Zeitpunkt im Frühjahr bzw. Frühsommer des Jahres 177 angenommen9. Damit ergibt sich jedenfalls, daß die beiden Kaiser bereits etwa drei bis sechs Monate vor dem uns erhaltenen Schreiben einen Anlaß gehabt hatten, einen Brief an die Stadt Milet zu richten, vermutlich so wie in unserem Falle in Beantwortung eines von milesi|schen Gesandten überbrachten Anliegens. Die Fundorte beider Briefe können nicht sehr weit auseinanderliegen und führen auf den Südmarkt als Aufstellungsort. Die Bedeutung der Urkunde für die milesische Lokalgeschichte Bei der Interpretation des neuen Textes soll zunächst untersucht werden, was sich aus ihm für die Seite des Adressaten gewinnen läßt, die Stadt Milet. Dabei wird besonders der lateinische Teil der Urkunde auszuwerten sein. Vorausgeschickt seien aber, im Anschluß an die Datierungsfrage, noch ein paar Bemerkungen zur milesischen Prosopographie, da uns hierfür die Liste der Gesandten10 Z. 20–22 einige interessante Details liefert. Es zeigt sich nämlich, daß zwei der hier genannten Männer mit milesischen Beamten zu identifizieren sind, deren Namen just auf Münzen der Zeit von M. Aurel cus Aurelius (Hesperia Suppl. XIII 1970) 69. Wir wissen jetzt übrigens durch die Tabula Banasitana, daß Bassaeus Rufus am 6. Juli 177 noch in Rom war (CRAI 1971, 485). 8 In der Filiation des Commodus wird Z. 7/8 nach dem neu gefundenen Exemplar Αὐτο[κράτορος Ἀντωνίνου Σεβαστοῦ / υἱός, ϑ]ε̣ οῦ Εὐσεβο̣ [ῦς υἱωνός zu ergänzen sein, nicht [Ἀντωνεί]ν̣ ου Εὐσεβο[ῦς. Der mir vorliegende Abklatsch führt tatsächlich eher auf ein E, von dem der obere Querstrich noch erhalten ist, als auf N. 9 Dodd, NumChron 1914, 58: ca. Juni 177; J. Schwendemann, Der historische Wert der Vita Marci bei den Scriptores Historiae Augustae (1923) 191: „… die Verleihung des Augustustitels kann man ungefähr in den April bis Mai setzen“ (nach Angaben in Papyri und auf alexandrinischen Münzen); J. Vogt, Die alexandrinischen Münzen (1924) I 135: „vor Mitte August 177“. Die Angabe bei Oliver a. a. O. 84 unter dem Jahre 177 „Commodus raised to position as co-emporer on November 27“ beruht auf einem Versehen: zum 27. XI. 176 berichtet die Historia Augusta von der Verleihung des Imperator-Titels an den Thronerben (SHA Comm. 2, 4; 12, 4; vgl. Marc. 16, 1); vgl. dazu Tandoi, StCO 19/20, 1970/1, 473 f. 10 Zum Thema „Gesandtschaftsreisen“ kann jetzt auf den umfangreichen Artikel Presbeia von Kienast, RE Suppl. XIII (1973) 499–627 verwiesen werden; ebendort 580 Bemerkungen zur ἐφόδιον-Formel.
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und Commodus erscheinen; auf beide hatte erst unlängst L. Robert unsere Aufmerksamkeit gelenkt: Flavius Andreas (Z. 21), der auf Münzen zwischen 175 und 180 unter der Form ἐπὶ Φλ. Ἀνδρέου genannt wird11, ist (mit vollem Namen: T. Flavius T. f. Quir. Andreas) aus mehreren Inschriften in Didyma als Mitglied einer prominenten milesischen Familie bekannt (Stemma: IvDidyma p. 196 zu n. 286). Er war Prophet (IvDidyma 219, 1; 238 II; 352, 10) und hat die eponymen Ämter (219, 3) der Stephanephorie und Archiprytanie bekleidet. Seine richtige chronologische Einordnung ist erst von L. Robert eben aufgrund der Münzen vorgenommen worden12. Auch der unter den Gesandten an erster Stelle genannte Aelianus Asklepiades Polites (Z. 20/1) ist offensichtlich mit einem Mann zu identifizieren, der auf milesischen Münzen des M. Aurel, der Faustina und des Commodus erscheint. Aus den Legenden ἐπὶ Αἰλι. Πολείτου oder nur ἐπὶ Πολι. hat zuletzt L. Robert den Namen Αἴλιος Πολείτης gewonnen13. Nun zeigt sich, daß der Name zu Αἰλιανός zu erweitern ist14 und daß der Mann überdies noch den Namen Asklepiades ge|führt hat. Im übrigen hat L. Robert hinsichtlich unseres Polites die interessante Hypothese aufgestellt, daß er zu einer Familie gehört, die außer in Milet auch in dem karischen Keramos bezeugt ist, wobei er diese Verbindung insbesondere an dem in dieselbe Zeit gehörigen Αἴλ(ιος) Πρωτολέων (s. u. S. 333), Sohn des in Milet und Keramos bezeugten Asiarchen Αἴλ. Θεμιστοκλῆς, evident machen konnte15. In Milet selbst rückt andererseits Polites auch dadurch in eine besondere Nähe zu dem oben genannten Mitgesandten Flavius Andreas, als auf den Münzen beider das uns auch von anderen Münzen (seit Nero) und einem späten Theaterrelief bekannte Bild des auf einem Felsen sitzenden Apollon Delphinios erscheint16. – Der Name Polites begegnet in Milet schon im 1. Jh. v. Chr. mit zwei prominenten Vertretern, die möglicherweise derselben Familie angehören17. Zu dem Polites unserer Inschrift führt aber keine direkte Verbindung. 11 R. Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griech. Münzen 98/9: Inv. Waddington 1862 (M. Aurel); 1864 (Commodus; Abbildung: L. Robert, Monnaies grecques [1967] Taf. 1, 10), dazu ein weiteres Exemplar aus Paris: n. 1897 (ebenda Taf. 1, 11, vgl. S. 48 Anm. 5). 12 Gnomon 31, 1959, 673; vgl. L. Robert a. a. O. 44 Anm. 2. 13 Ebenda 44 mit den Belegen Anm. 4–6. 14 Dementsprechend dürfte die Münzlegende Mionnet III 170 ἐπὶ Αἰλ. ΙΠΠΟΛЄΙΤΟΥ nicht mit Münsterberg 98 in Αἰλι. Πολείτου, sondern in Αἰλια. Πολείτου zu verbessern sein. Der Fall liegt damit parallel zu dem des milesischen Münzbeamten Αἰλιανὸς Ποπλᾶς, wo L. Robert, Gnomon 31, 1959, 672 ebenfalls durch Kombination mit inschriftlichen Zeugnissen gezeigt hat, daß das Αἰλ. einer Münze mit Αἰλιανοῦ aufzulösen ist, und die erweiterte Form Αἰλια. dann auch in einer anderen bisher falsch gelesenen Legende wiederfand. Immerhin könnten in Milet aber auch die Namen Αἴλιος Αἰλιανός kombiniert vorgekommen sein: s. Münsterberg, NumZ 1927, 71 im Nachtrag zu Beamtennamen 99 Z. 14–6. 15 L. Robert, Monnaies grecques 42–44, vgl. 56–58 (Polites in Keramos). 16 Milet I 3 p. 286 f. mit Abb. 100 und 101; L. Robert a. a. O. 48 f. sowie Taf. 1, 9–14. 17 Natürlicher Vater des Ἀπολλώνιος Καλλικράτου, Stephanephoren von 85/4 (Milet I 3 n. 125, 6, vgl. IvDidyma 266, 1; vielleicht derselbe 231 II als Prophet), sodann ein Μ. Ἀντώνιος Πολίτης Τρύβλιχος, der 19/8 Tamias, 17/6 Prophet war (Stammbaum mit Belegen IvDidyma p. 220). Da der Sohn des Pro-
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Die beiden anderen in der Inschrift genannten Gesandten, Claudius Soteles und Claudius Ancharenus, sind, soweit ich sehe, in Milet bisher nicht bekannt. Was das römische Cognomen18 des letzteren angeht, so kann in Milet auf die durch drei Inschriften bezeugte Hydrophore Λαιλία Ἀγχαρηνή hingewiesen werden (IvDidyma 269, 15; 271, 5; 403, 7). Zu dem Thema bzw. Anliegen der Milesier, das das kaiserliche Schreiben veranlaßt hat, sagt der Kaiserbrief selbst lediglich aus, daß es in dem durch die milesische Gesandtschaft übermittelten Ansuchen19 um einen Agon ging (Z. 12). Die näheren Einzelheiten brachte der lateinische Wortlaut der angefügten oratio Marc Aurels, die hier an die Stelle des Senatsbeschlusses getreten ist (s. u. S. 338 f.). Leider ist gerade hier durch die zunehmende Textverstümmelung das Verständnis sehr erschwert. Der Kaiser, in diesem Falle offensichtlich M. Aurel allein, beginnt mit | dem Hinweis, daß das von ihm anschließend (s. S. 337) zu behandelnde Thema20 in den Komplex des Kultwesens21 gehöre. Das verdeutlicht die antike Auffassung von der religiösen Grundlage agonistischer Veranstaltungen. Dann folgt erst der Übergang zum eigentlichen Thema, mit Nennung des Gesuches der Milesier in Z. 27. Man erkennt im weiteren, daß der Inhalt dieses Gesuches in dem von Z. 29 bis 32 reichenden Satz, der am Anfang und am Ende durch ‚vacat‘ abgesetzt ist, zusammengefaßt war. Es geht darum, für einen seit alters her bestehenden Agon (certamen … antiquitus dicatum) eine bestimmte wohl neue oder veränderte Rechtsstellung zu „konstituieren“22 (in eo pheten von 17/6 wieder Apollonios heißt, hat A. Rehm angenommen, daß der Stephanephor Apollonios sein Großvater war, wodurch auch die beiden Politai in die direkte Relation Großvater-Enkel kämen (IvDidyma p. 184 Anm. 1). 18 Zum Namen und seiner Verbreitung zuletzt L. Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure grécoromaine I (1963) 42–44; Hellenica XIII (1965) 25. 19 Das Gesuch wird im griechischen Text Z. 19 ἀξίωσις genannt (vgl. ἠξιοῦτε Z. 14), im lateinischen Z. 27 petitio. Die Terminologie dieser Eingaben weist, wie man weiß, einige Variationsmöglichkeiten auf. Vom Stamm ἀξιόω ist neben ἀξίωσις, das etwa in der Bittschrift der Scaptopareni an Gordian III. wiederkehrt (Syll.3 888, 106, neben δέησις Z. 2, ἔντευξις Z. 103) auch ἀξίωμα in diesem Sinne verwendet worden: s. L. Robert, Hellenica XI/XII, 1960, 103. In dem auf die 3. Neokorie bezüglichen Brief Caracallas an Ephesos ist neben dem Verbum ἀξιόω das Substantiv αἴτησις verwendet: ÖJh 45, 1960, Beibl. 81/2 Z. 18/9, dazu L. Robert, RPhil 1967, 56 mit der Anm. 3 genannten Literatur {IvEphesos 212}. 20 Der Anrede an die Senatoren in Z. 25 muß ein kurzes Wort vorausgegangen sein, auf das sich das folgende quod bezieht. Man denkt an einen Begriff für „Einzelthema“ o. ä. Da argumentum oder negotium (vgl. Suet. Aug. 35, 4) für die Lücke zu lang sind, möchte ich caput erwägen, was ja jedenfalls wie bei anderen Urkunden (vgl. RE Suppl. VI 806) auch gelegentlich zur Bezeichnung von Abschnitten aus Senatsbeschlüssen oder Kaiserreden gebraucht worden ist: vgl. CIL XIV 2112 I 10 Kaput ex s.c.p.R.; SHA Macrin. 6, 2 capita ex oratione Macrini et Diadumeni imperatorum. Freilich geht es dabei um schon schriftlich fixierte „Kapitel“. 21 Zum terminologischen Gebrauch von res divina s. TLL V 1622, 27 ff. 22 constituere ist in solchem Zusammenhang offensichtlich terminus technicus; vgl. Plin. epist. X 118, 1; 119; IvPergamon 269, 11. 19; Mattingly – Sydenham, Roman Imperial Coinage I (1923) 171–4 (Nero): CER(tamen) QUINQ(uennale) ROM(ae) CO bzw. CON oder CONS(titutum).
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constitui iure), wobei als Modell eine Kategorie von Agonen genannt zu sein scheint, bei denen den heimkehrenden Siegern in ihrer Vaterstadt besondere Ehren oder Privilegien zustanden (Z. 31/2). Diese Formulierung über die victores reduces suggeriert geradezu die Vorstellung, daß hiermit das bekannte Institut des εἰσελαστικὸς ἀγών umschrieben wird, d. h. der Spiele, in denen die Sieger das Recht erlangen, einen triumphalen Einzug in ihre Heimatstadt zu feiern, für den u. U. sogar eine Bresche in die Stadtmauer gelegt wurde23. In lateinischen Texten wird der Terminus teils griechisch wiedergegeben, teils in lateinischer Umschrift24; wenn man übersetzt, ist die Wiedergabe des εἰσελαύνειν durch invehi üblich, was auch hier als Ergänzung am Anfang von Z. 32 naheliegt25. Wie man speziell aus dem Briefpaar 118–9 der PliniusKorrespondenz mit Trajan weiß, schloß sich daran die Berechtigung an, bestimmte Prä|mien von seiten der Heimatstadt zu empfangen26. Vielleicht stand eine derartige Angabe auch in der Lücke von Z. 32 unserer Inschrift27. Wenn die Annahme richtig ist, daß es in unserer milesischen Urkunde um die Rechtsstellung eines eiselastischen Agons geht, dann ist auf jeden Fall als eine sehr interessante Parallele eine in Pergamon gefundene Dokumentensammlung heranzuziehen: Eine oben, links und unten verstümmelte umrahmte Platte (die in der Form also der milesischen Inschrift ähnelt) trägt die Reste von vier Schriftstücken trajanischer Zeit, die sich auf die Rechtsstellung eines neu gestifteten eiselastischen Agons beziehen. Textherstellung und Interpretation beruhen auf der grundlegenden Behandlung durch Th. Mommsen, CIL III Suppl. 7086 (danach IvPergamon 269; IGR IV 336; Abbott – Johnson, Municipal Administration in the Roman Empire 389 n. 73). Die Dokumentensammlung umfaßt 1) das (griechische) Begleitschreiben eines Prokonsuls, 2) einen (lateinischen) Senatsbeschluß, 3) einen (lateinischen) Auszug aus den kaiserlichen mandata (an den Prokonsul), 4) einen (griechischen) Brief Trajans an Pergamon (aus der Zeit zwischen 113 und 116). Daraus ergibt sich als Vorgang: Der bekannte pergamenische Konsular und Wohltäter A. Iulius Quadratus hatte in seiner Vaterstadt einen penteterischen eiselastischen Agon zu Ehren des Zeus Philios
23 Vgl. dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1961 n. 221; P. Herrmann, Anadolu (Anatolia) 9, 1965 (1967), 68 Anm. 40; A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny (1966) 729. 24 Im Briefpaar Plin. epist. X 118–9 wiederholt iselastica certamina, daneben die griechische Verbform εἰσήλασαν (-σεν). In der pergamenischen Urkunde IvPergamon 269 steht im Senatsbeschluß Z. 11 εἰσελαστικόν, im Mandat Trajans Z. 21 iselas[tici]. 25 Vitruv IX praef. ,uti … in moenia et in patrias invehantur‘ sowie besonders Plin. epist. X 118, 1 ,quando sint patriam invecti‘; ,… certamine … ex quo invehi possint‘. Die Konstruktion in der Rede M. Aurels scheint ganz parallel zu sein: certam]ina ex quibus victores reduces patriam suam [invehi possunt bzw. invehuntur o. ä. 26 obsonia bei Plinius, vectigalia bei Vitruv, [praemium] nach Mommsens Ergänzung in der pergamenischen Inschrift (s. Anm. 24). 27 Eine Ergänzung [invehuntur et praemia capiunt] ist für die Lücke wohl schon etwas zu lang; dann könnte man an eine Partizipialform denken: patriam suam [invecti praemia (ibi) capiunt oder etwas ähnliches.
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und Trajans gestiftet, wozu ihm der Kaiser durch eine constitutio die Erlaubnis erteilt hatte. Dazu stellt der Senatsbeschluß fest, daß das neu gegründete Fest (die Τραιάνεια Δειφίλεια28) denselben Rechtsbedingungen unterliegen solle ([eiusdem con] dicionis sit Z. 12, vgl. Z. 20) wie das schon bestehende zu Ehren der Roma und des Augustus gefeierte (die Ῥωμαῖα Σεβαστά), wobei die impendia auf Iulius Quadratus (und seine Nachkommen) fallen sollen. In seinem Mandat an den Statthalter setzt der Kaiser hinzu, daß die Sieger in dem neuen Agon auch dieselben Preise erhalten sollen wie in dem älteren. Sein Brief an die Pergamener schließlich scheint in Beantwortung eines Ansuchens (Z. 27 ἀξίωμα) der Stadt dieser für das Fest bzw. einen damit verbundenen Markt Steuererleichterungen gewährt zu haben29. Die Urkundensammlung ist zunächst interessant für das Zusammenspiel von Kaiser und Senat bei dem Vorgang der Einführung des Agons, der im Statthalterschreiben Z. 5 als [ἀγὼν δεύτ]ερος παρ’ ὑμεῖν ἱερός bezeichnet zu sein scheint: Wäh|rend der Kaiser die grundsätzliche Erlaubnis seiner Einführung erteilt30, dem Statthalter Anweisung über die Preise gibt31 und gegenüber der Stadt vermutlich ein Steuerprivileg hinzufügt, ist die Frage der Rechtsstellung und möglicherweise Finanzierung dem Senat anheimgegeben. Es kommt aber etwas anderes hinzu: Die Formulierung im Senatsbeschluß zeigt, daß der Agon in Pergamon sich anschloß an einen dort errichteten Tempel des Zeus Philios und Trajans, d. h. des großen Trajaneums auf dem Burgberg32. Das hat schon M. Fränkel zu der Annahme veranlaßt, daß eine Korrelation besteht zwischen der Einführung des pergamenischen Agons und der
28 GIBM 605 sowie Forschungen in Ephesos IV 1, 14, 7 {IvEphesos 4114}; dazu L. Robert, RPhil 1930, 38 Anm. 7 (OMS II 1138); ders., Monnaies antiques en Troade (1966) 50; L. Moretti, Iscrizioni agonistiche greche 214. 29 Daran läßt jedenfalls … τῶν ἐν ἀγοραίοις Z. 30 denken. Für Atelie in Verbindung mit Festen vgl. die letzten Literaturhinweise bei L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 470 Anm. 3; J.-P. Rey-Coquais, Inscr. Syrie VII (1970) 62 Anm. 11; Triantaphyllopoulos, Scritti in onore di E. Volterra V (1971) 717 Anm. 57. Atelie für einen eiselastischen Agon in Ephesos: ÖJh 45, 1960, Beibl. 81/2 Z. 4–5, dazu L. Robert, RPhil 1967, 62 {IvEphesos 212}. 30 Daß der Kaiser die Sache zunächst an den Senat verwiesen hat, wie Abbott – Johnson 390 meinen, geht aus dem Text in keiner Weise hervor. Die kaiserliche Zuständigkeit bei Einführung eines eiselastischen Agons ergibt sich auch aus Plin. epist. X 118, 2 (Plinius an Trajan) pro eo agone qui a te iselasticus factus est. Grundsätzlich zur Bewilligung von Agonen der Kategorie ἱερός oder στεφανίτης durch den Kaiser s. zuletzt L. Robert, CRAI 1970, 6 f. mit Literaturhinweisen. Interessant ist darunter besonders der Fall der Genehmigung eines Agons in Thyateira durch Elagabal (Keil – v. Premerstein, 2. Reise 35 n. 64 = IGR IV 1251 {TAM V 1 n. 1018}: Der Geehrte hat eine Gesandtschaftsreise zum Kaiser übernommen καὶ ἐπιτυχόντ[α] παρὰ τῆς ϑείας τύχης αὐτοῦ ἱερὸν [ἀγῶ]να εἰσελαστικὸν Αὐγούστ[ειον ἰσο]πύϑιον εἰς ἅπασαν [τὴν οἰκουμένην] (dazu L. Robert, Études anatoliennes 119 ff.). 31 Ebenso hinsichtlich der obsonia im Briefpaar Plin. epist. X 118–9; vgl. 118, 1: athletae … ea, quae pro iselasticis certaminibus constituisti, deberi sibi putant. 32 Z. 9 f.: certamen] quod in honorem templi Iovis Amicalis et [Imp. Caes … Ner]vae Traiani Augusti … [… est const]itutum. Zur Frage von Kult und Tempel s. E. Ohlemutz, Die Kulte und Heiligtümer der Götter in Pergamon (1940, Nachdruck 1968) 79 ff.
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Zuerkennung der zweiten Neokorie an die Stadt, die auf der Errichtung des Kaisertempels beruhte. Er meinte geradezu, daß die uns erhaltene Dokumentation nur ein Ausschnitt sei aus einer Sammlung, die eigentlich diese 2. Neokorie betraf33. Die Reste des neuen milesischen Dokuments scheinen a priori nicht auf einen ähnlich komplexen Zusammenhang zu führen, wofern nicht im verlorenen Teil noch weitere Schriftstücke angefügt waren. Nach dem Satz, in dem er den Inhalt des milesischen Anliegens referiert, ist der Kaiser in seiner Rede offenbar gleich zu den Gesichtspunkten übergegangen, an denen sich sein Entscheidungsvorschlag orientierte. Soweit man sieht, spielte dabei der Hinweis auf andere Städte (Z. 32 civitatibus aliis, vgl. auch 33 und 36) eine Rolle, also wohl auf Präzedenz- oder Analogiefälle. Einige Ausdrücke lassen vermuten, daß im besonderen die Frage | von Belastungen, die sich hieraus für die städtischen Budgets ergaben, erörtert wurde (Z. 34 ?solli]c̣ ịtudine aliqua praestant, 35 pr[o]prii[s, 36 ọṇus34). Das wäre um so verständlicher, wenn damit auf eventuell in Z. 32 schon erwähnte praemia zurückverwiesen würde, die zu Lasten der Städte gingen (vgl. Anm. 27 und 31). Freilich scheint mir angesichts der spärlichen Zeilenreste eine Wiederherstellung des Gedankengangs nicht mehr möglich. Bei der Frage, welches der seit alters her bestehende Agon ist, dessen Qualität bzw. Rechtsstellung die Milesier verändern wollten, drängt sich verständlicherweise der Gedanke an die Didymeia auf, das berühmteste Fest der Stadt. Für die Geschichte dieses Agons besitzen wir in einer hellenistischen Inschrift aus Kos ein wertvolles Dokument, das von der am Ende des 3. Jh.s erfolgten Ausgestaltung eines älteren einjährigen zu einem panhellenischen Fest, und zwar zu einem penteterischen ἀγὼν στεφανίτης Kunde gibt35. Das Fest hat nach einer Unterbrechung im 1. Jh. v. Chr. noch bis in das 2. und 3. Jh. der Kaiserzeit hinein eine große Bedeutung bewahrt36. In Z. 30 unserer Inschrift fügt sich eine entsprechende Ergänzung certamen / [Apollini Didymaeo sa]c̣ rum sehr gut in die Lücke ein, und der Begriff [sa]crum wird dann wohl direkt als Hinweis auf den Charakter des Agons als ἱερός anzusehen sein.
33 M. Fränkel, IvPergamon II p. 206 f.; ähnlich auch D. Magie, Roman Rule in Asia Minor II 1451 Anm. 7; Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3, Die Inschriften des Asklepieions (1969) 42. Eine Dokumentation über die Verleihung einer Neokorie ist uns seit einigen Jahren für den Fall der 3. Neokorie von Ephesos bekannt: Keil – Maresch, ÖJh 45, 1960, Beibl. 80 n. 7 {IvEphesos 212}, dazu die ausführliche Behandlung von L. Robert, RPhil 1967, 44–64, der für das 3. Schriftstück, ein Schreiben Caracallas, plausibel macht, daß es an den für die Beantragung der Neokorie zuständigen Provinziallandtag gerichtet war. In diesem Zusammenhang hat L. Robert übrigens auch eine Untersuchung über die Neokorie von Milet angekündigt (55 Anm. 1; vgl. L. Robert, Monnaies grecques 43 Anm. 3). 34 onus findet sich auch in der pergamenischen Urkunde IvPergamon 269, 14. 35 Syll.3 590 {IG XII 4, 153}; vgl. P. Herrmann, Anadolu (Anatolia) 9, 1965 (1967), 122 Anm. 159 und 124 Anm. 170. Zuletzt ausführlich W. Günther, Das Orakel von Didyma in hellenistischer Zeit, IstMitt Beih. 4 (1971) 100 ff. 36 Ebenda 107 ff.
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Nun verbindet sich aber mit der durch Inschriften reichlich bezeugten Existenz dieses Agons im 2. und 3. Jh. der Tatbestand seiner Umbenennung in (μεγάλα) Διδύμεια Κομ(μ)όδεια, also eine spezifische Ehrung für Commodus, wie sie in ähnlicher Form auch für mehrere Feste anderer Städte bekannt ist37. Da die überwiegende Zahl der Belege für dieses umbenannte Fest (vor allem etwa aufgrund des Vorkommens des Aurelier-Namens) in das 3. Jh. führt, war man lange unsicher über die Datierung des Vorgangs; es war mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Umbenennung überhaupt erst nach der Rehabilitierung des toten Commodus durch Septimius Severus 197 vorgenommen wurde38. Hier hat erst vor einigen Jahren ein inschriftlicher Beleg, in dem der Bestandteil Κομμόδεια ausgetilgt ist, den Beweis erbracht, daß der Name bis in die Regierungszeit des Commodus selbst zurückreichen muß39. Ich glaube aber, daß man, aufbauend auf einer Entdeckung | von L. Robert, hier noch einen Schritt weiter gehen kann. Robert hat nämlich in seinem Beitrag ,Monétaires et types à Milet sous l’Empire‘ (in: Monnaies grecques, 1967, 38–52), auf den hier für die prosopographischen Fragen unseres Briefes schon zu verweisen war, in einer scharfsinnigen Kombination aus zwei milesischen Münzen den Namen eines Archiprytanen Αἴλιος Πρωτολέων gewonnen, der Sohn eines Asiarchen Αἴλιος Θεμιστοκλῆς war und, wie oben schon erwähnt, auch aus Keramos bekannt ist (ib. 42–4). Die beiden milesischen Münzen gehören offensichtlich in dasselbe Jahr, in dem Protoleon zum zweiten Male das eponyme Amt bekleidete (ἐπὶ Αἰλ. Πρωτολέοντος τό βʹ). Nun ist aber auf einer der Münzen in einem Lorbeerkranz die Legende Διδύμεια Κομόδεια Μιλησίων angegeben, die Vorderseite zeigt den Kopf des jugendlichen Commodus40. Das zweite Exemplar des Protoleon trägt auf der Vorderseite, wenn die Deutung richtig ist, die einander zugewandten Köpfe des M. Aurel und des Commodus, die beide einen Panzer tragen41. Aufgrund dieser Münze ist der Spielraum für die Amtszeit des Protoleon offensicht37 Vgl. Magie, Roman Rule in Asia Minor II 1538 Anm. 19; L. Moretti, Iscrizioni agonistiche greche 198. 213. 227 f.; L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 283–6. 38 A. Rehm, IvDidyma p. 136 zu n. 154. 39 Pekáry, IstMitt 15, 1965, 121 n. 5 Z. 15 (mit Taf. 35, 6) {Milet VI 3 n. 1140}. Es ist die einzige mir bekannte Rasur des Namens Κομμόδεια in Milet, denn auf der Inschrift auf dem Architravbalken des Delphinions Milet I 3 n. 121 für Non. Andreas, Agonothet τῶν με(γάλων) Κ̣ομοδεί̣ ω̣ν̣ , auf deren unklaren Befund L. Robert, Laodicée du Lycos 286 Anm. 3 hingewiesen hat, ist sicher keine Rasur vorgenommen worden: man vgl. die Abbildung 4 (man hätte hier in der Edition wohl überhaupt auf die Punkte unter den Buchstaben verzichten können). Robert nimmt a. a. O. an, daß als ein aus der Zeit des Commodus stammender Beleg auch die Inschrift aus Tlos TAM II 587 anzusehen ist, wo das Fest ebenfalls nur Κομμόδεια allein heißt. Zur Frage einer Trennung von den Διδύμεια Κομμόδεια L. Moretti, Iscrizioni agonistiche greche 259. 40 SNG Deutschland, Syll. v. Aulock 2109; die Rückseite auch bei P. R. Franke, Kleinasien zur Römerzeit (1968) n. 244. 41 BMC Ionia 200 n. 158; die Angabe M. Aurelius and Commodus ist mit einem Fragezeichen versehen. Von der Kaisertitulatur des Commodus ist auf der Münze Αὐτ. Και. Λ. Αὐρ. zu lesen, eine Abbildung ist nicht gegeben. Die Kriegskleidung könnte ein Hinweis auf den Aufbruch beider Kaiser zur expeditio Germanica secunda im Jahre 178 sein.
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lich auf die Jahre der gemeinsamen Regierung von M. Aurel und Commodus einzuengen, also 177–180. Das aber bedeutet wiederum, daß auch die Umbenennung des Festes der Didymeia zu Ehren des Commodus noch in die Zeit seiner Samtherrschaft mit dem Vater zurückreichen muß. Von dieser Erkenntnis aus drängt sich die Frage auf, ob unser neues Dokument aus Milet, das ja in den genannten Zeitraum gehört, etwas mit der Umbenennung des Festes zu tun haben kann. Wir sind in der Interpretation bisher nur auf die Deutung geführt worden, daß es um die Ausgestaltung der Didymeia zu einem eiselastischen Agon geht. Nun fällt aber auf, daß in der Eingangspartie der Senatsrede M. Aurels zweimal in Verbindung mit der petitio der Milesier ausdrücklich sein Sohn genannt wird (Z. 27 u. 28). Leider werden Konstruktion und Gedankengang nicht hinreichend deutlich, man vermag nur zu erkennen, daß in irgendeiner Weise von Unterstützung (suffragari) des milesischen Gesuches wohl durch den Senat42 und von der Übereinstimmung des Willens des Kaisers mit dem des | Sohnes die Rede war43. Diese betonte Herausstellung des iucundissimus44 filius könnte sehr dafür sprechen, daß das Anliegen der Milesier auf eine Ehrung des Commodus abzielte und damit eben die Umbenennung des Didymeenfestes zum Thema hatte. Dem stellt sich indes die erhebliche Schwierigkeit entgegen, daß ich keine Möglichkeit sehe, ein solches Anliegen in den kurzen Textlücken des kaiserlichen Resümees (Z. 30–32) der milesischen Petition neben dem Thema der Rechtsstellung, an dem m. E. ein Zweifel kaum möglich ist, noch unterzubringen. Eine Aushilfslösung wäre vielleicht die Annahme, daß die Umbenennung schon in einem früheren Akt erfolgt war (und damit könnte man dann u. U. das Fragment des Kaiserbriefes Milet I 7 n. 273 in Verbindung bringen, von dem oben gezeigt wurde, daß er wenige Monate vor unserem Dokument abgefaßt worden ist) und daß die Milesier daraufhin dann erst in einem zweiten Schritt um die Aufwertung der Rechtsstellung des Agons nachgesucht haben. Indes würde man auch hierbei in dem Resümee eigentlich zumindest einen Hinweis auf den vorausgehenden Tatbestand erwarten. Der Text scheint mir in dieser Frage ein noch zu lösendes Rätsel zu enthalten.
42 suffragari ist hier offensichtlich nicht in dem engeren Sinne der Wahlhilfe gebraucht (dazu Paladini, Athen. 37, 1959, 15 ff.), sondern in der in der Kaiserzeit sich ausbreitenden Bedeutung „zustimmen“: s. dazu de Ste. Croix, BritJourn of Sociology 5, 1954, 38 ff. 43 Die Glieder v]os suffragari vel me velle quod meus filius velit sind offensichtlich Teile einer AcIKonstruktion, die von einem am Satzende stehenden Verbum - -]ịtur abhängig sein dürfte. Zu suffragari mag petitioni Z. 27 als Dativobjekt gehören. Unklar ist, ob iucundissimum filium Z. 27 schon das erste Subjekt der AcI-Konstruktion bildet (etwa mit einem eigenen Verbum am Beginn von Z. 28, z. B. assentiri), wonach dann Commodus, der Senat und M. Aurel nebeneinander genannt worden wären, oder ob die Wendung in einen anderen Konstruktionszusammenhang gehört. 44 Das Epitheton entstammt der familiären Atmosphäre des Briefstils. Man kann vor allem auf seine Verwendung als Anrede in Briefen des Augustus an C. Caesar (Gell. XV 7, 3) und Tiberius (Suet. Tib. 21, 4) verweisen.
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Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß seinerzeit schon A. Rehm im Corpus der Inschriften von Didyma zu einem kleinen uns nur durch Abschriften bekannten Fragment (IvDidyma 491) die Vermutung geäußert hat, es könnte von einem Beschluß für Commodus stammen, in dem es um die Umbenennung der Didymeia ging. Die Basis dafür ist allerdings äußerst schmal: ein in der 2. Zeile gelesenes ]v τὸ σεβαστό[ν45, was nicht zur Kaisertitulatur gehören kann und hinter dem Rehm eine Wendung wie προσϑεῖναι (προσάψαι) τὸ σεβαστὸν ὄνομα τοῖς Μεγάλοις Διδυμείοις vermutete. Von der Schwierigkeit der Textherstellung bei einem so kleinen Fragment abgesehen, dürfte nun auch die Datierung gegen die Hypothese | sprechen: die Nennung des Siegerbeinamens Germanicus maximus in Z. 1 führt nämlich erst auf die Zeit der Alleinherrschaft des Commodus46. Wenn soeben die Umbenennung der Didymeen zu Recht in die Umgebung des Jahres 177 zurückdatiert worden ist, in dem der junge Commodus eben erst 16 Jahre alt war, so bietet sich als Anknüpfungspunkt für die Ehrung der Milesier am ehesten die 176 erfolgte Rückreise M. Aurels mit seinem Sohn aus dem Osten an, bei der der Kaiser, von Antiochia kommend, jedenfalls Smyrna besucht, vielleicht auch Ephesos und Pergamon berührt hat47. Im Jahre 177 selbst konnte dann natürlich die Erhöhung des Prinzen zum vollen Mitregenten den Anlaß für Ehrenbeschlüsse abgeben. Zwei wohl später dem Commodus errichtete Statuen in Milet bzw. Didyma sind in ihrer Zuweisung nicht ganz sicher48. In die Zeit nach der Rehabilitierung des Toten durch Septimius Severus (197) schließlich wird dann eine noch unveröffentlichte Statuenbasis beim Theater gehören, die dem Θεὸς Κόμοδος {Milet VI 3 n. 1110} gilt. Mit derselben Namensform erscheint der Kaiser auch in einem gelegentlich in der Literatur erwähnten, noch nicht bearbeiteten „Opferkalender“, in dem Daten von Opfern für eine Anzahl milesischer Wohltäter verzeichnet zu sein scheinen49. Ebenso bedeutet natürlich die Blütezeit des Agons der Didymeia Commodeia im 3. Jh. eine Perpetuierung des Andenkens des Kaisers. Mit dieser späteren Geschichte des Festes „tief im 3. Jahrhundert“ (Rehm) verbindet sich schließlich noch eine interessante Notiz in einer Hydrophoreninschrift aus Didyma (IvDidyma 332, 7), durch die wir von einer neuerlichen Gesandtschaft der Milesier nach Rom [ὑπὲρ τ]οῦ ἀγῶνο[ς τ]ῶν Διδυμ[είων 45 Diese Lesung bei Le Bas – Waddington n. 1570 bis nach einer Abschrift von H. P. Borrell. Die bei J. K. Bailie, Fasc. Inscr. Graec. II (1846) 66 n. LXXXVII b wiedergegebene Abschrift hat stattdessen ]H τῷ Σεβαστῷ[. Man vgl. aber für die geringe Zuverlässigkeit der von Bailie gegebenen Texte L. Robert, RPhil 1958, 20 Anm. 2 (das von Waddington als suspekt bezeichnete ,descriptum habui‘ erscheint gerade auch bei der Inschrift aus Didyma); Hellenica XIII (1965) 152. 46 Vgl. dazu Th. Mommsen zu CIL III 11965. 47 J. Schwendemann, Der historische Wert der Vita Marci bei den Scriptores Historiae Augustae (1923) 186; vgl. R. Herzog, SBBerlin 1934, 764 (die Inschrift jetzt Altertümer von Pergamon VIII 3 n. 145). 48 Milet I 7 n. 239, eventuell auch 240; IvDidyma 154 (Kaisername getilgt, nicht mehr lesbar). 49 A. Rehm, Milet I 9 p. 158; IvDidyma p. 133 b; vgl. L. Robert, Gnomon 1959, 674 (OMS III 1639); Habicht, GGA 1960, 163. Es handelt sich um etwa 15 vermutlich von einer Wand stammende Fragmente, deren gesonderte Publikation von mir vorbereitet wird.
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Κομμο]δείων erfahren, die nach der überzeugenden Verbesserung von L. Robert von dem Propheten Sellius Andreas übernommen wurde50. Wir wissen nur, daß die Gesandtschaft Erfolg hatte (Z. 10 εὐτυ[χήσαντος]), kennen aber nicht ihr besonderes Anliegen. Es ist übrigens auffallend, daß dieser Gesandte des 3. Jh.s denselben Namen Andreas trägt, den auch ein Teilnehmer der milesischen Delegation von 177 geführt hat (Flavius Andreas Z. 21, vgl. o. S. 328)! Und durch eine Inschrift unbekannter Zeit aus dem Delphinion (Milet I 3 n. 121; vgl. Anm. 39) wird schließlich noch ein dritter Träger dieses Namens, Non(nius) Andreas, mit den Commodeia | verbunden, indem er als deren Agonothet fungierte. Alle drei unterscheiden sich durch ihre Gentilnamen, aber sie können natürlich trotzdem verwandtschaftlich miteinander verbunden gewesen sein und würden dann so etwas wie eine besondere Affinität der Familie zu dem Fest des Commodus dokumentieren. Kaiser und Senat Von den bisher erörterten Fragen der milesischen Lokalgeschichte abgesehen erweist sich der Neufund aber auch als ein recht aufschlußreiches Dokument im Hinblick auf das Verhältnis Marc Aurels zum Senat. Aus dem griechischen Kaiserbrief geht ja zunächst hervor, daß die milesische Gesandtschaft sich an den Kaiser gewandt hatte, daß dieser aber es für angemessen erachtete (προσήκειν ἡγησάμεϑα51), die Sache vor den Senat, die ἱερὰ σύγκλητος βουλή52 zu bringen, damit dieser das Erbetene gewähre (συγχωρήσειεν53). Das sieht danach aus, als ob es sich nicht eigentlich um eine Kompetenzfrage54 handelte, als vielmehr um einen Akt kaiserlichen Entgegenkommens, wie er sich sicher gut mit der Herrscherauffassung M. Aurels vertrüge, von dem in der Vita der Historia Augusta 50 L. Robert, REA 62, 1960, 350 (OMS II 866). Bezüglich der zweiten Gesandtschaft des Mannes, in der es um eine Frage der Atelie ging, hat L. Robert, Hellenica XI/XII, 1960, 469 f. als Namen des Festes die milesischen Πανιώνια Πύϑια eingesetzt. 51 Zu dieser Wendung, besonders in kaiserzeitlichen Dokumenten, vgl. L. Robert, RPhil 1967, 63 f. 52 Das Material für diese Benennung ist in der Monographie von G. Forni, Ἱερὰ e ϑεὸς σύνκλητος, MemAccLinc Ser. VIII Vol. V Fasc. 3 (1953) zusammengestellt (S. 163–68 die inschriftlichen Belege); vgl. ergänzend auch Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3: Die Inschriften des Asklepieions p. 61. Belege in Kaiserbriefen aus Delphi: FDelphes III 4, 314 IX (M. Aurel und L. Verus?) und Aphrodisias: JRS 59, 1969, 56 (Gordian III.) {IAph2007 8.100}, in einem Statthalterschreiben aus Ephesos: ÖJh 45, 1960, Beibl. 83 {IvEphesos 217}. 53 Zum Begriff συγχωρέω zuletzt J.-P. Rey-Coquais, Inscr. Syrie VII (1970) 61 Anm. 5. 54 Das oben als eine gewisse Parallele für unseren Text zitierte Beispiel aus Pergamon wird von Mommsen, StR II 860 Anm. 3 innerhalb des Komplexes der Wahrnehmung kaiserlicher Befugnisse in senatorischen Provinzen als Beispiel für Ermessensregelungen angeführt: „Der Gemeinde Pergamon wird … die Constituierung eines certamen εἰσελαστικόν vom Kaiser Traianus bewilligt, die diesem Fest zukommenden Privilegien dann durch Senatsbeschluß normirt.“ Zur Kompetenzfrage (i. a. Bewilligung von Agonen durch den Kaiser, von Kaisertempeln durch den Senat) vgl. auch Fränkel, IvPergamon II p. 205 f.; s. auch oben S. 331 Anm. 30.
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nicht nur festgestellt wird, daß er, sooft er nur konnte, den Senatssitzungen beiwohnte55, sondern ausdrücklich gerühmt wird (10, 2): neque quisquam principum amplius senatui detulit. Es ist klar, daß M. Aurel mit einer solchen Haltung als betont senatsfreundlicher Kaiser eine Linie vertritt, die seit Augustus als eine Art Kontrapunkt die Entwicklung der Herrschaftsformen des Prinzipats begleitet und die bei den Kaisern des 2. Jh.s eine besondere Verdeutlichung erfährt. Freilich sind die Überweisung von Angelegenheiten an den Senat und eine selb|ständige Meinungsbildung und Entscheidung im Senat zwei verschiedene Dinge, und eben diese Divergenz tritt in eklatanter Weise in unserem Dokument zutage. Interessanterweise besitzen wir seit längerem vermutlich aus demselben Jahre 177, in das der milesische Brief gehört, ein aufschlußreiches Originaldokument über eine Senatssitzung unter Marc Aurel: die durch Exemplare aus Italica und Sardeis {Sardis VII 1 n. 16} teilweise erhaltene Senatsurkunde über das Thema ,de sumptibus ludorum gladiatorum minuendis‘, die zuletzt durch J. H. Oliver und R. E. A. Palmer einer gründlichen Neubehandlung unterzogen worden ist56. Das Dokument enthält umfangreiche Partien der Rede eines Senators, in der man die nach der kaiserlichen relatio abgegebene sententia prima zu erkennen hat. Dazu kommen in dem Exemplar aus Sardeis auch einige Reste aus der vorausgegangenen oratio principis. Ein interessanter Aspekt des Dokuments besteht dabei in dem Bestreben des uns unbekannten Senators, trotz des recht engen Anschlusses an die kaiserliche Vorlage ein gewisses Maß an Selbständigkeit zu bekunden. In diesem Zusammenhang findet sich die für uns aufschlußreiche grundsätzliche Äußerung (Aes Italicense Z. 27 ff.): „Quamquam autem non nulli arbitrentur de omnibus, quae ad nos maximi principes rettulerunt, una et succincta sententia censendum, / tamen, si vos probatis, singula specialiter persequar, verbis ipsis ex oratione sanctissima ad lucem sententiae translatis, ne qua ex parte pravis in/terpretationibus sit loc‹u›s.“ Anschaulicher kann die Problematik kaiserzeitlicher Senatsarbeit kaum verdeutlicht werden. Den positiven Aspekt, die Ermutigung zu freier Meinungsäußerung und gewissermaßen echten Partnerschaft mit dem Kaiser hat Oliver zurückverfolgt bis zu den berühmten Worten des Claudius, mit denen er in einer Senatsrede zu einer Gerichtsreform die hohe Körperschaft ermahnt hat: „Mini[me] enim dec[o]r[um] est, p. c., ma[iestati] huius or[di]nis hic un[um ta]ntummodo consule[m] designatum [de]scriptam [ex] relatio[n]e consulum a[d ve]rbum dicere senten[tia]m, ceteros unu[m] verbum dic[ere] ,adse[nt]ior‘, deinde c[um e]xierint ,di[ximus]‘.“57
55 SHA M. Aurel. 10, 7 semper autem, cum potuit, interfuit senatui, etiamsi nihil esset referendum, si Romae fuit; si vero aliquid referre voluit, etiam de Campania ipse venit. Vgl. Schwendemann, Der historische Wert der Vita Marci 30 und 32. 56 Minutes of an Act of the Roman Senate, Hesperia 24, 1955, 320–349. 57 BGU 611 Col. III 17 (Bruns7 53; Riccobono2 44; R. Cavenaile, Corp. Pap. Lat. n. 236; E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero n. 367). Man vgl. dazu Stroux,
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Genau das, was Claudius hier als bedenkliche Praxis tadelt, ist aber wohl als Routineform der Senatsarbeit gerade hinter unserem neuen Dokument von 177 deutlich erkennbar: Das Schwergewicht ist ganz auf die kaiserliche relatio verlagert. Diese hat in dem uns betreffenden Fall eine Mehrzahl von heterogenen Themen umfaßt, die vom Kaiser offensichtlich nacheinander in einem Zuge vorgebracht (vgl. auch Z. 25 quod hisce subiungemus) und gleich mit den entsprechenden Entscheidungsvorschlägen versehen wurden. Der Senat beschränkte sich auf Zu|stimmung (ἐπεκύρωσεν), wobei aber gar keine Einzelbeschlüsse (ἰδίᾳ καϑ’ ἕκαστον) mehr zustande kamen, sondern die kaiserlichen Vorschläge in summarischer Form (κοινῇ καὶ συλλήβδην) uno actu bekräftigt wurden58. Die Prozedur läßt an die eben zitierten Worte in dem Dokument von Italica denken: „de omnibus quae ad nos maximi principes rettulerunt, una et succincta sententia censendum“. Aber man muß sich fragen, ob es in dem Verfahren, von dem unser Brief spricht, überhaupt noch zur Formulierung einer sententia kam. Die Vermutung liegt nicht fern, daß der Senat sich auf eine kollektive Form der Zustimmung beschränkte, womit wir dann schon eine Spielart des so entwicklungsträchtigen Phänomens der Senats-Akklamationen vor uns hätten59. Es ist aber eine offenkundige Konsequenz eines derartigen Verfahrens, daß bei ihm die urkundliche Substanz für einen eigenen Senatsbeschluß als Ergebnis der Prozedur praktisch hinfällig wird. Und genau das bekundet der in unserer Inschrift zutage Eine Gerichtsreform des Kaisers Claudius, SBMünchen 1929, Heft 8, besonders S. 70–80 „Kaiser und Senat“. 58 Man weiß, daß im Senat bei der Formulierung der sententiae u. U. auch disparate Einzelheiten für den Beschlußvorschlag zusammengefaßt werden konnten und daß dagegen den Senatoren das Recht zustand, durch den Zuruf ,divide‘ auf Trennung und gesonderte Abstimmung über die Einzelpunkte hinzuwirken. Dieses uns durch Asconius (p. 43, 27 Clark) für Ciceros Zeit erläuterte Verfahren hat auch in der Kaiserzeit noch Anwendung gefunden, wie aus Plin. epist. VIII 14, 15 ff. zu ersehen ist (s. dazu Mommsen, StR III 2, 987 f.; O’Brien Moore, RE Suppl. VI 716). P. Willems, Le sénat de la république Romaine II 214–6 hat angenommen, daß der in uns erhaltenen Senatsbeschlüssen gelegentlich am Ende jedes Abschnitts wiederkehrende Vermerk ἔδοξεν (censuere) eine solche nach dem divide-Verfahren durchgeführte Prozedur der Einzelabstimmung bezeugt (contra: O’Brien Moore a. a. O. 803; vgl. R. K. Sherk, Roman Documents from the Greek East 8 Anm. 14). Ein lateinischer Terminus zur Bezeichnung einer summarischen Beschlußfassung, der dem griechischen κοινῇ καὶ συλλήβδην entspricht, ist meines Wissens nicht bekannt (in den Glossaren wird συλλήβδην mit summatim übersetzt: Corp. Gloss. Lat. II 441, 31; cf. 192, 26). Die Formulierung im schol. Bob. 70, 11 Hildebrandt ,per saturam de multis rebus unam sententiam dixisse‘ dürfte eine terminologische Verwechslung mit dem Verfahren der Einbringung von Gesetzen per saturam enthalten (Willems II 196 Anm. 1). 59 Über das Aufkommen der Akklamation „gleichsam als eine(r) zweite(n) Beschlußform“ Mommsen, StR III 2, 951, dazu 980 Anm. 2 Beispiele aus der Historia Augusta, wo die Akklamation an die Stelle der Umfrage tritt. Besonders charakteristisch ist Valer. 5, 4: ubi primum praetor edixit ,quid vobis videtur, p. c., de censore deligendo?‘ atque eum, qui erat princeps tunc senatus, sententiam rogasset … omnes una voce dixerunt interrupto more dicendae sententiae …; aus Vorgängen solcher Art geht dann der mehrfach belegte Zuruf ,omnes‘ hervor. Zu den Akklamationen vgl. auch O. Hirschfeld, Kl. Schr. 682–702 „Die römische Staatszeitung und die Akklamationen im Senat“; O’Brien Moore a. a. O. 774 f.; A. Alföldi, RM 49, 1934, 84 ff. = Die monarch. Repräsentation im römischen Kaiserreiche (1970) 84.
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tretende Tatbestand, daß der Kaiser nämlich, um die Milesier über die Entscheidung des Senats in ihrer Angelegenheit zu informieren, den entsprechenden Ausschnitt seiner Senatsrede statt des Senatsbeschlusses mitschickt. Wir haben damit also ein sehr konkretes und vom Verfahren her verständliches Beispiel für das bekannte Phänomen der Ablösung des senatus consultum durch die oratio principis vor uns, wie es uns durch die Zitierpraxis römischer Juristen schon | längst bekannt ist60. Die Belege zeigen, daß gerade das 2. Jahrhundert als die Blütezeit dieser Erscheinung hervortritt. Es ist schön, daß wir dazu nun auch ein konkretes Beispiel aus der kaiserlichen Kanzlei besitzen. Gerade das einen offenkundigen Routinevorgang bezeichnende Verfahren ist es also, das unserer milesischen Urkunde damit so etwas wie symptomatische Bedeutung im Rahmen der kaiserzeitlichen Senatsgeschichte verleiht.
60 Dazu E. Cuq, Mémoire sur le consilium principis d’Auguste à Dioclétien (Mémoires présentés par divers savants à l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 1ère série IX, 1884) 424 ff. (Liste); Radin, RE XVIII 1 (1939) 869–73 (Liste); vgl. auch L. Wenger, Die Quellen des römischen Rechts (1953) 387, 11; M. Hammond, The Antonine Monarchy (1959) 334–6.
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Inschriften aus Milet
Abb. 1: Kaiserurkunde aus Milet
Abb. 4: Milet, Delphinion n. 121
Abb. 2: Kaiserurkunde aus Milet
Abb. 3: Kaiserurkunde aus Milet
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26 Fragment einer Senatsrede Marc Aurels aus Milet Nachtrag zu IstMitt 25, 1975, 149–166 Zusammenfassung: Als Nachtrag zu einem in dieser Zeitschrift 1975 erschienenen Aufsatz mit der Veröffentlichung einer Milet betreffenden Urkunde der Kaiser Marc Aurel und Commodus vom Jahre 177 wird ein inzwischen als zugehörig erkanntes Bruchstück vorgelegt, das den lateinischen Text der dort wiedergegebenen Senatsrede Marc Aurels um die Reste weiterer 12 Zeilen ergänzt. Es war von A. Rehm als „Brief (?) einer römischen Behörde“ publiziert worden (Milet I 9 [1928] n. 337). Durch das Fragment wird bestätigt, daß es in der Urkunde um die Aufwertung der Didymeia zu einem eiselastischen Agon ging. Eine 1971 in Milet gefundene Stele hat uns den Text eines gemeinsamen Briefes von Marc Aurel und Commodus an die Stadt Milet aus dem Jahre 177 geliefert, an den ein leider von der ersten Zeile an zunehmend verstümmelter Auszug aus einer Senatsrede Marc Aurels in lateinischer Fassung angeschlossen war (Inv.-Nr. 1700; veröffentlicht: IstMitt 25, 1975, 149–166 mit Taf. 31,2 und 32,1–2 {hier S. 323–341}; vgl. AE 1977, 225 n. 801 {Milet VI 3 n. 1075}). Der Text der Rede soll in diesem Falle an die Stelle eines entsprechenden Senatsbeschlusses treten, da, wie in dem griechisch abgefaßten Kaiserbrief erläutert wird, an dem betreffenden Tag im Senat vom Kaiser über verschiedene Materien referiert und vom Senat nicht zu jeder einzeln (ἰδίᾳ καϑ’ ἕκαστον), sondern in zusammenfassender Form (κοινῇ καὶ συλλήβδην) Beschluß gefaßt worden sei. In meiner Veröffentlichung habe ich die sich hier abzeichnende Prozedur einer summarischen Beschlußfassung wohl durch Akklamation und der Ersetzung des Textes eines senatus consultum durch die oratio principis in den Rahmen der Entwicklung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Senat im 2. Jh. einzuordnen versucht. Die im konkreten Fall behandelte Materie, im Kaiserbrief nur mit der Wendung περὶ τοῦ ἀγῶνος resümiert, war nur aus den erhaltenen Partien der lateinischen Rede zu erschließen. Es war zu erkennen, daß es um die Bewilligung der Aufwertung eines in Milet von alters her gefeierten Agons – certamen – ging, der nach der gegebenen Umschreibung nun die Rechtsstellung eines εἰσελαστικὸς ἀγών erhalten sollte1. Aus der zweimaligen Erwähnung des Sohnes des Kaisers | glaubte ich die Vermutung ableiten zu können, daß mit eben dieser Veränderung der rechtlichen Qualität des Agons auch seine Umbenennung zu Ehren des Commodus verbunden war, d. h. daß dadurch die milesischen Didymeia zu Didymeia Commodeia wurden, von denen wir zahlreiche Zeugnisse besitzen. Die Stellungnahme des Kaisers vor dem Senat scheint IstMitt 38, 1988, 309–313 und 2 Abbildungen. 1 Zu dieser Kategorie von Agonen vgl. L. Robert, Études anatoliennes, 1937, 119 Anm. 3; ders., Bull. épigr. 1961 n. 221; ders., RPhil 41, 1967, 18; ders., HarvStClPhil 81, 1977, 33; P. Weiß, ZPE 48, 1982, 125 Anm. 2.
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sich in einem Vergleich mit anderen Städten vor allem auf die Frage der Belastung – onus – der städtischen Budgets konzentriert zu haben, die sich aus den an die Sieger in eiselastischen Agonen zu zahlenden Prämien ergeben konnten2. Ein als eine gewisse Parallele herangezogenes Dokument mit mehreren Schriftstücken aus Pergamon, die dort neu eingerichteten Τραιάνεια Δειφίλεια betreffend, führt für die Zeit Trajans auf eine ähnliche Thematik (CIL III 7086; IvPergamon 269), und eben dieser Kaiser ist ja durch eine Anfrage des Plinius auch mit bestimmten Problemen in Zusammenhang mit der Gewährung von Prämien (obsonia) an Sieger in eiselastischen Agonen befaßt worden (Plin. epist. X 118–9)3. Nach Revisionsarbeiten im Inschriftendepot von Milet im Jahre 1984 bin ich nun in der Lage, das Bruchstück der Kaiserrede um ein weiteres Fragment ergänzen zu können, dessen Zugehörigkeit mir erst bei dieser Gelegenheit klar wurde. Der Text ist seit längerem bekannt, aber da er ohne Abbildung veröffentlicht war, hat erst die Beobachtung des materiellen Befundes und vor allem die ins Auge springende Besonderheit der lateinischen Schrift in ihrer starken Annäherung an Kursivformen diese Entdeckung ermöglicht. Die Bestätigung ergab eine Anpassung: das neu hinzugefügte Fragment weist eine gemeinsame Bruchfläche mit der großen Stele auf (vgl. Abb. 2). Der Textgewinn ist freilich nur geringfügig und verhilft nicht zur Vervollständigung der auf der Stele erhaltenen Textpartien, da das Fragment an den rechten unteren Rand gehört und uns nur die Enden von 11 weiteren Textzeilen liefert. Es bringt aber immerhin, wie ich meine, die erwünschte Bestätigung, daß der Rückschluß auf einen eiselastischen Agon richtig war. Das an die Stele anzufügende Fragment (Inv.-Nr. 1474; hier Abb. 1) ist von A. Rehm im Band Milet I 9 (1928) unter Nr. 337 als „Brief (?) einer römischen Behörde“ ohne weitere Erläuterungen veröffentlicht worden. Es war 1913 im Capito-Gymnasium 2 Man vgl. die in der Année épigraphique zur Inschrift geäußerte Vermutung, daß der Kaiser in Hinblick auf die finanziellen Belastungen andere Städte von einer Nachahmung abhalten wollte. Möglicherweise hat er in seinen Ausführungen aber auch auf schon erfolgte Ablehnungen hingewiesen: Das könnte hinter der Wendung Z. 32 excusavimus sane civitatibus aliis stecken, wenn dort excusare im Sinne von recusare verwendet sein sollte (vgl. Thesaurus Linguae Latinae V 2, 1306, 23). Auf Beschränkung zur Schonung der städtischen Finanzen zielt auch ein entsprechender Ratschlag in der Maecenas-Rede bei Cassius Dio 52, 30, 4–7 ab. Präziser hat H. W. Pleket in einem „Games and Prizes“ betitelten Kapitel (Stadion. Zeitschrift für Geschichte des Sports und der Körperkultur 1, 1975, 54 ff.) die Frage angeschnitten, ob es um die Belastung der den Agon veranstaltenden Städte durch dabei vergebene (einmalige) Geld-Prämien ging oder um die Verpflichtung der Heimatstädte der siegreichen Athleten, ihnen laufende Zuwendungen (obsonia bei Plinius, σίτησις bei Cassius Dio, vectigalia bei Vitruv IX praef. 1; vgl. auch J. D. Thomas, Collectanea Papyrologica. Texts published in honor of H. C. Youtie II, 1976, 472) zu leisten (ebenda S. 62 f. mit Anm. 59). In meinem Verständnis des Textes hatte ich das letztere im Auge, wobei dann freilich der Ergänzungsvorschlag praemia für Z. 32 als unpassend angesehen werden muß. Zum Problem der Belastung der Heimatstädte der Sieger und der restriktiven kaiserlichen Politik auch P. Weiß a. a. Ο. 126. 3 Zum Problem der Textherstellung von 118, 1 vgl. den wichtigen Beitrag von P. Weiß, ZPE 48, 1982, 125 ff.
26 Fragment einer Senatsrede Marc Aurels
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gefunden worden, also nicht sehr weit von dem späteren Verwendungsort der Stele Inv.-Nr. 1700 entfernt, die in der Heiligen Straße vor dem Südmarkt einen Abwasserkanal abdeckte. Bereits Rehm hatte zur lateinischen Schrift bemerkt: „Die lateinischen Formen z. T. der Kursive nahe“. {SEG XXXVIII 1212; Milet VI 1 p. 212} Der Text der Stele Inv.-Nr. 1700 endet für uns mit der Zeile 37. Der erste dürftige Rest des anpassenden Fragments Inv.-Nr. 1474 gehört danach an das Ende der folgenden Zeile 38. Wir gewinnen mit ihm nun Zeilenenden bis Z. 49 hinzu. Die Erkenntnis, daß die Ausführungen des Kaisers mithin doch recht ausgreifend waren, läßt uns freilich noch mehr bedauern, daß die Substanz seines Referats für uns verloren ist, sofern nicht noch ein glücklicher Zufall uns weitere Fragmente beschert. Ich gebe im folgenden den Text des Fragments in der von Rehm veröffentlichten Form und setze meine eigene Lesung daneben:
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Rehm (Milet I 9 n. 337) Herrmann ––––––––––––– – – – – – – – – – – – – o ]o – – – – – – – – – – que ]que – – – – – – – ṃin quod certa]men quod – – κον [f]acimus εἰσελαστι]κὸν [f]acimus 4 5 – – ent municipibus ]ent municipibus – – αστικει εἰσελ]αστικεί (?) – – aicentibus (so) vi]ncentibus – – sed etiam quae ]sed etiam quae 8 [– – iam d]udum sum ]ḷudum sum 10 [– – – – – – i]ntentionis co]ntentionis – – – – – – – – – – . ovi solu ]. ovi solu – – – – – – – – – – ḷoci – ]ḷoci 12 ––––––––––––––– Z. 3 Zwischen M und N eine senkrechte Haste, an der kurz nach rechts führende Striche angesetzt sind, von denen der mittlere am deutlichsten erkennbar ist. Das E zeigt auch sonst in der Inschrift gelegentlich diese äußerst schmale Form, die in der Tat zur Verwechslung mit I führen kann. Z. 4 Die in etwas größer ausgeführten griechischen Buchstaben erhaltene Wortendung KON führt nach meiner Meinung mit Sicherheit auf εἰσελαστικόν. Als treffende Parallele bietet sich die oben erwähnte Dokumentation aus Pergamon an (CIL III 7086, 20 = IvPergamon 269), wo das griechische Wort ebenso in den lateinischen Text eingefügt ist: [certamen] quod … [est const]itutum εἰσελαστικόν in civitate [Pergamenorum] (danach auch in Z. 8 entsprechend ergänzt). In der Überlieferung der Plinius-Briefe (X 118–9) ist zwar iselastica certamina ins Lateinische umgeschrieben, aber die Verbformen εἰσήλασαν (bzw. -σεν) sind griechisch eingesetzt (vgl. IstMitt 25, 1975, 156 Anm. 24 {hier S. 330}). Z. 6 Auch die griechische Wortendung dieser Zeile ΑΣΤΙΚΕΙ bestätigt wohl die Vermutung, daß es um eiselastische Agone ging, denn die erhaltene Wortpartie kann kaum anders als mit dem Anfang dieses Wortes εἰσελαστικ- ergänzt werden. Zugleich ergibt sich aber als neues Problem die Deutung des am Zeilenende deutlich erhaltenen EI. Es hat schon Rehm irritiert, der als Vermutung -γυμν]αστικ(ῆ)ι? ἀστικῆι? notierte. Eine Verschreibung | oder Verwechslung zwischen E und H halte ich allerdings für
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sehr unwahrscheinlich. Ich sehe nur die Möglichkeit, die Form als eine neu auftauchende Ableitung oder Weiterbildung zu dem Begriff εἰσελαστικός zu verstehen4. Dafür käme in Betracht eine adverbiale Bildung mit der Endung -εί, die immerhin in einigen Termini des Wettkampfwesens vorkommt (ἀμαχ(ε)ί, ἀκονιτ(ε)ί u. a.)5, wenn auch die Anbringung dieser Endung bei einer mit -ικός gebildeten Adjektivform ein Novum wäre. Zu erwägen wäre andererseits eine adjektivische Weiterbildung bzw. Variante zu εἰσελαστικός mit der Endung -εῖος. Als Parallele vermag ich hier allerdings nur die neben νομικός einmal belegte Form νομικεῖος (Cat. Cod. Astrolog. Graec. I 95,26) beizubringen. Für den ersten Vorschlag könnte sprechen, daß nach dem EI in der Inschrift noch etwas freier Platz bis zum Rand gelassen ist, was gerade bei Wortende gut verständlich wäre. Z. 7 Das von Rehm nach dem Bruch notierte AI, das auch schon auf dem Schedenblatt von M. Schede so wiedergegeben ist, ist eindeutig als N in der hier verwendeten, etwas geschwungenen Form zu lesen. Z. 9 Vor dem ersten U ist insbesondere auf dem Abklatsch noch der schwache Rest des oberen Teils einer senkrechten Haste zu erkennen. Damit dürfte dudum ausgeschlossen sein. Die Ergänzung ludum bietet sich der Sache wegen an. Z. 11 Vor dem O (das auch ein Q sein könnte) läßt der Abklatsch das obere Stück einer senkrechten Haste erkennen: möglich wäre Iovi, oder auch qui.
Zum Abschluß sei hier noch einmal der ganze jetzt gewonnene Text des Redefragments wiedergegeben, wobei ich als Verständnishilfen einige der in der Erstedition oder seither erwogenen Ergänzungen in den Text aufnehme. {Milet VI 3 n. 1075} 313
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[Caput], p. c., quod hisce subiungemus, ad religionem consci[entiam]que divinae rei spectare hau difficulter intellegetis. [ 9–11 ] Milesiorum petitioni iucundissimum filium [honoranti? v]os suffragari vel me velle quod meus filius velit [ ca. 15 ]ịṭur. Desiderant autem Milesii certamen [Apolloni Didymaeo sa]c̣ rum antiquitus dicatum in eo constitui iure [quo constituta sunt certam]iṇạ ex quibus victores reduces patriam suam Excusavimus sane civitatibus aliis [invecti obsonia accipiunt.] [ ca. 25 ]ṛem surgentibus quae civitates f̣ [․ ․] [ ca. 22 solli]c̣ ịtudine aliqua praestant. [ ca. 28 ]ṿenia cum causa pr[o]prii [ ca. 5 ] [ ca. 30 ]ẹ ọṇus civitatium q̣[u ca. 7 ] ] [ ]s rennui ṃ[ [ ]. . .[ ]o
4 Für Beratung und Hilfe in dieser Frage habe ich M. Meier-Brügger vom Thesaurus Linguae Graecae in Hamburg herzlich zu danken. Herr Meier-Brügger neigt zu der ersten im Text angeführten Erklärung der Wortform. 5 Zu den beiden Begriffen L. Robert, AEphem 1966, 110. Zu ἀμαχεί gibt es noch die erweiterte Form ἀμαχητ(ε)ί. In der Regel kommen bei der Wortendung die Schreibungen -εί und -ί nebeneinander vor. Für die Wortbildung vgl. E. Schwyzer, Griechische Grammatik2 I, HdA II 1,1, 1953, 623; E. Risch, MusHelv 29, 1972, 65–73 = Kl. Schr. 167–175. Eine Abweichung wäre allerdings bei einer Form εἰσελαστικεί, daß sie nicht wie die Parallelbildungen ein mit α privativum beginnender Begriff wäre.
26 Fragment einer Senatsrede Marc Aurels
[ ]que 40 [ certa]men quod [ εἰσελαστι]κὸν [f]acimus [ ]ent municipibus [ εἰσελ]αστικεί [ vi]ncentibus 44 [ ] sed etiam quae [ ]ḷudum sum [ co]ntentionis 48 [ ]. ovi solu [ ]ḷoci.
Abb. 1: Inv.-Nr. 1474. Photo P. Herrmann
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Abb. 2: Inv.-Nr. 1474 mit Inv.-Nr. 1700 (Anpassung). Photo P. Herrmann
27 K aiserzeitliche Grabinschriften mit Stephanephoren-Daten Während der Kampagne von 1979 konnte dank eines Neufundes aus zwei zu ganz verschiedenen Zeiten aufgetauchten Fragmenten ein von einer Grabanlage stammender Inschriftenblock zusammengesetzt werden, dessen Text die Namen von zwei Stephanephoren des 3. Jahrhunderts n. Chr. nennt. Ich möchte die Gelegenheit der Veröffentlichung dieser Inschrift zum Anlaß nehmen, einige weitere Texte bisher unpublizierter Grabinschriften aus Milet bekannt zu machen, in denen ebenfalls Jahresdatierungen in ähnlicher Form enthalten sind. Es kann gleichzeitig ein kleiner Beitrag zu Besonderheiten des milesischen Formulars der Sepulkralinschriften sein. 1. Zwei aneinanderpassende Fragmente eines Blockes aus weißgrauem Marmor, der als Türsturz einer Grabanlage gedient zu haben scheint (in der Mitte des Blockes ist ein plastisch hervorspringender, nach unten offener „Rahmen“ mit vertieftem Mittelfeld herausgearbeitet, unterhalb dessen man sich eine Türanlage denken kann). Der Block hat an allen Seiten Rand, die Rückseite ist nur roh bearbeitet. Das rechte Stück muß bereits 1903 gefunden worden sein und wird seitdem im Lapidarium der Grabung aufbewahrt (Inv.-Nr. 642); das links anpassende Stück fand sich 1979 in einem Steinhaufen, der zur Anlegung und Auskleidung eines Brunnens am Weg zwischen Balat und Akköy angefahren worden war (Inv.-Nr. 1733). H. 23, B. 129, D. 28 cm; Buchstabenhöhe 2–3, Zeilenabstand ca. 0,5 cm. Abb. 1. {Milet VI 2 n. 613} Τὸ ἡρῷον ἐπρίατο διὰ τῶν ἀρ[χεί]ων̣ Τ̣. Νώ(νιος) Καρ̣ π̣οφόρος ἐπὶ στεφα(νηφόρου) Φαβιανοῦ Ἀγχαρηνοῦ, μη(νὸς) ηʹ. Ἔσται τῶν ἐκγόνων αὐτοῦ· εἰ δέ τις ἀφ’ ἑα̣υ̣τοῦ̣ ϑάψει, δώσ[ε]ι τῷ Διδυμεῖ 𝈂 αʹ. Τῆς ἐπιγραφῆς ἁπλοῦν ἀπετέϑη εἰς τὸ ἀρχεῖον ἐπὶ στεφανηφ(όρου) Αἰλ(ιανοῦ) Ποπλᾶ, μη(νὸς) ιʹ. Die Schrift zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß das Ε meistens, nicht immer, wie ein Θ geschrieben wird. Z. 1: Das Praenomen könnte auch Γ. sein; von den Abständen der senkrechten Hasten her hat aber Τ. mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Im Cognomen sind von Ρ und Π nur die unteren Teile der senkrechten Hasten erhalten. Ein neben dem 3. Strich erhaltener schwacher Rest eines Bogens könnte auf die Vermutung führen, daß nicht Καρποφόρος, sondern Καπροφόρος geschrieben worden sein könnte. Da | ich indessen keinen mit κάπρος gebildeten Namen kenne, würde ich dazu neigen, eine solche Form als Verschreibung anzusehen.
Wenn die Auflösung des in abgekürzter Form gegebenen Gentilnamens richtig ist, haben wir die Inschrift der Grabanlage eines T. Nonius Karpophoros vor uns, damit eines Angehörigen einer in Milet auch anderweitig belegten gens (deren Namen mit IstMitt 30, 1980, 92–98 und 3 Abbildungen.
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Ω oder O geschrieben werden konnte)1. Näher einordnen läßt sich der Mann nicht, zumal sein Cognomen hier bisher noch nicht bezeugt ist. In der Inschrift werden zwei mit dem Grabrecht in Zusammenhang stehende Vorgänge durch Nennung des jeweiligen Jahres- und Monatsdatums herausgehoben: der Zeitpunkt des käuflichen Erwerbs der Grabanlage und der damit verbundenen Registrierung im städtischen Archiv sowie das Datum der Deponierung einer Abschrift des Textes der Grabinschrift im ἀρχεῖον. Auf beide Vorgänge und die dafür gebrauchten Termini soll weiter unten noch kurz eingegangen werden. Für die beiden vermutlich nicht sehr weit auseinanderliegenden Jahresdaten werden nun im ersten Falle ein Stephanephor Fabianus Ancharenus, im zweiten Ail(ianos) Poplas genannt. Während sich hinsichtlich des Erstgenannten nur darauf hinweisen läßt, daß der Name Ancharenus in Milet nicht ganz unbekannt ist2, der hier genannte Stephanephor aber bisher nicht in Erscheinung getreten ist, stoßen wir bei dem zweiten Stephanephoren gewissermaßen auf einen alten Bekannten. Für diesen Ailianos Poplas haben sich zunächst in Didyma mehrere Belege gefunden, die ihn als Propheten bezeugen, dann aber vor allem eine die von ihm bekleideten Ämter aufzählende umfangreichere Ehreninschrift, die O. Rayet angeblich im Theater von Milet gefunden und in den Louvre gebracht hat3. Die verschiedenen Belege haben Rehm die Rekonstruktion eines Familienstammbaums ermöglicht (IvDidyma p. 192 zu Nr. 277), wobei er für die Einordnung unseres Mannes auf die Zeit um 230 n. Chr. kam. Die Datierung ist aber dann durch L. Robert präzisiert worden, indem er denselben Mann in dem Archiprytanis Αἰλ. Ποπλᾶς auf milesischen Münzen der Iulia Maesa und des Caracalla wiederfand, wodurch er für seine „Akmé“ auf die | Jahre 212–222 geführt wurde4. Und schließlich hat der Scharfsinn L. Roberts unseren Mann auch noch als Adressaten zweier in der sogenannten Tübinger Theosophie überlieferter Orakel1 Man vgl. Milet I 7 n. 263, eine Ehreninschrift vermutlich spätseverischer Zeit für einen unbekannten Stephanephoren, der Sohn eines Νώνιος war. Rehm verwies dabei auf den aus einer Inschrift vom Architrav der Delphinionwand bekannten Stephanephoren Νόν(ιος) Ἀνδρέας („die abweichende Orthographie wäre in dieser Spätzeit sicherlich kein Hindernis“), der ebenso wie der in Nr. 263 Geehrte Agonothet der Commodeia war (Milet I 3 n. 121; dazu IstMitt 25, 1975, 162 und 159 mit Anm. 39 und Tafel 32,3 {hier S. 336 und 333 und Abb. 4 S. 340}). In Didyma sind mehrfach die von Νώνιος abgeleiteten Cognomina Νωνιανή und Νωνιανός bezeugt. Schließlich soll zumindest noch auf ein Sarkophagbruchstück aus Didyma mit der Lesung Γάϊος Νο̣ [ hingewiesen werden (IvDidyma 574, allerdings mit dem Hinweis: „o ganz unsicher“). 2 Auf die Belege habe ich IstMitt a. a. O. 155 mit Anm. 18 {hier S. 329} hingewiesen gelegentlich des Bekanntwerdens eines Claudius Ancharenus in dem neu gefundenen Kaiserbrief von 177. Dazu wäre noch nachzutragen ein noch unpubliziertes Fragment einer Sarkophagwand aus Milet (Inv.-Nr. 1647), das einen ἀρχιτέκτων Αὐρ. Ἀγχαρηνός nennt {Milet VI 2 n. 515}. 3 IvDidyma 363; Neuedition nach Vergleich am Original bei L. Robert, Hellenica XI/XII, 1960, 475 mit Tafel X. 4 L. Robert, Gnomon 31, 1959, 672 (vgl. Monnaies grecques, 1967, 39 Anm. 1; CRAI 1968, 573–6). Es ist bemerkenswert, daß wie auf den meisten Münzen jetzt auch in der neu gefundenen Inschrift der erste Namensbestandteil mit Αἰλ. abgekürzt ist, was verständlicherweise zu der falschen Auflösung
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sprüche erkannt und diese damit zugleich als Orakel des didymäischen Apollon gesichert5. Auf Grund dieser Identifizierungen wird also auch für unsere Inschrift eine Einordnung in das zweite oder dritte Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts möglich. Von den zwei durch Stephanephoren-Nennung datierten Vorgängen war der erste die Registrierung des Verkaufs der Grabanlage διὰ τῶν ἀρχείων6. Offensichtlich dasselbe ist mit etwas anderer Formulierung gemeint in einer anderen milesischen Grabinschrift, die hier angeschlossen werden soll. 2. Block aus grobkörnigem weißen Marmor, alle Seiten erhalten (die Oberseite ist rauh, die Unterseite glatt bearbeitet, mit Klammern nach rechts und links), rechts ist der Rand des Blockes etwas abgeschrägt. Inv.-Nr. 59, d. h. bereits 1899 gefunden bzw. in das Lapidarium gebracht. H. 21, B. 98, D. 41 cm; Buchstabenhöhe 2–3, Zeilenabstand 0,5–1 cm. Abb. 2. {Milet VI 2 n. 528} Τ‹ὸ› ἡρῷον Κλαυδιανοῦ Λ̣ . Ο̣ . . ο̣ ς καὶ Αὐρη λίου Εὐτυχέους βʹ, καϑὼς ἡ ἀποτεί μησις αὐτοῦ ἐν τοῖς ἀρχίοις ἀπόκιτε ἐπὶ στεφανηφόρου Ἀντωνίας Τύχης – – (vestigia litterarum) – – Z. 1: Die Inschrift hat deutlich T𝈢. Der Name nach Κλαυδιανοῦ ist so stark verstümmelt, daß mir aus den unsicheren Buchstabenresten noch keine Lesung geglückt ist.
Der Besitzanspruch auf das Heroon wird hier durch Verweis auf eine in den ἀρχεῖα aufbewahrte Registrierung bekräftigt, die als seine ἀποτείμησις bezeichnet wird. Es ist bei diesem in einem solchen Zusammenhang meines Wissens noch nicht | aufgetauchten Terminus nicht ganz deutlich, ob es sich um eine „Schätzung“ im Sinne einer Preisfestsetzung oder eventuell um eine auf der Grundlage einer Schätzung
Αἰλ(ίου) geführt hatte. Man vgl. dazu die Parallele beim Fall des Ailianos (Asklepiades) Polites: IstMitt 25, 1975, 154 Anm. 14 {hier S. 328}. 5 L. Robert, Trois oracles de la Théosophie et un prophète d’Apollon, CRAI 1968, 568–599. Es handelt sich um die Nummern 22 und 23 der Sammlung (H. Erbse, Fragmente griechischer Theosophien, Hamburg 1941). 6 Für die Konstruktion mit διά vgl. man die Formulierung in einer Inschrift aus Didyma (111, 6) … καϑ’ ἃ / ἐν τῷ δι’ ἀρχείου ἐγ/γράφῳ δεδήλωται. Über die Formel und ihre Bedeutung handelt ausführlicher M. Wörrle, in J. Borchhardt (Hrsg.), Myra. Eine lykische Metropole in antiker und byzantinischer Zeit (IstForsch 30, 1975) 266–269. In denselben Zusammenhang gehört offenkundig auch das milesische Fragment eines Grabsteins, das AM 18, 1893, 269 n. 3 (= BCH 18, 1894, 18 n. 4) veröffentlicht ist: ἐκχώρησις δ[ιὰ τῶν ἀρ]χείων - - (der Stein ist heute noch an einem Brunnen am Nordfuß des Kalabaktepe vorhanden, Inv.-Nr. 1675 {Milet VI 2 n. 689}). Zu ἐκχώρησις vgl. man die Ausführungen von Wörrle a. a. O. 266 Anm. 568.
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erhobene Abgabe handelt7. Ich halte es aber für äußerst wahrscheinlich, daß damit auf den Vorgang des Eigentumserwerbs und seine Registrierung im städtischen Archiv angespielt wird. Dafür wird dann, wie in unserem Text Nr. 1, die Datierung durch Nennung des Stephanephoren gegeben. Das ist hier eine Frau, Antonia Tyche, die uns sonst freilich ganz unbekannt ist. Was die Datierung angeht, so wird man durch den Aurelier-Namen in Z. 1/2 am ehesten in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts nach der Constitutio Antoniniana verwiesen. Eine gewisse Parallele zu den hier besprochenen Fällen bietet eine von Th. Pekáry veröffentlichte Grabinschrift aus Milet (IstMitt 15, 1965, 125 n. 8 {Milet VI 2 n. 593}), die mit der Wendung schließt τὸ ἀγορασϑὲν ψειλὸν ἐπὶ στεφανηφόρου ϑεοῦ. Hier wird, wenn auch verkürzt, wohl auch auf die Registrierung des Grundstückskaufs Bezug genommen. Häufiger sind freilich in Grabinschriften die Hinweise auf Hinterlegung einer Abschrift des Grabtextes im Archiv, wobei es natürlich auch um den Eigentumsanspruch geht, zugleich aber auch um Absicherung der im Text ausgesprochenen Strafdrohungen. Im Falle der Inschrift Nr. 1 ist hierbei für die Abschrift der ungewöhnliche Ausdruck ἁπλοῦν gebraucht, der nach meiner Kenntnis zur Bezeichnung einer „einfachen Ausfertigung“ nur in Papyrustexten geläufig ist8. Es wäre interessant zu wissen, ob seine Anwendung hier bedeutet, daß es sonst auch die Möglichkeit gab, mehrere Exemplare anzufertigen bzw. zu hinterlegen. Eine terminologische Variante zu dieser eben besprochenen Formel bringt eine dritte hier anzuschließende Grabinschrift aus Milet, die zugleich wiederum eine Stephanephoren-Datierung enthält. Mit ihrer Veröffentlichung wird einem alten Desiderat entsprochen, da es sich um einen bisher in den Vorberichten nur erwähnten Text handelt, der auf Grund der Nennung eines Prokonsuls von Asia schon länger das Interesse der Forschung erregt hat.
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3. Großer Block aus grauem Marmor, der in Form einer tabula ansata ausgearbeitet ist, oben und links abgeschlagen. (Auf der Rückseite Abarbeitungen und Dübellöcher vermutlich von einer späteren Verwendung.) Gefunden in Milet | i. J. 1907, Fundum7 An inschriftlichen Belegen für ἀποτίμησις konnte ich nur die auch bei Liddell – Scott – Jones verzeichnete Inschrift aus Dorylaion AM 19, 1894, 306 (OGI 476; IGR IV 524) ausfindig machen, wo die Statue eines Prokonsuls errichtet ist ἐκ τ]ῶν τῆς πολειτείας ἀποτειμήσεων. Das hat Th. Preger unter Verweis auf Bekker, Anecdota Graeca I 437,30 ἀποτίμησιν· τέλος ἢ φόρον wiedergegeben mit „aus den Staatsabgaben, d. h. wohl aus den Überschüssen derselben bestritten“ (dazu Dittenberger Anm. 2 „haud inepte“). Bei Preisigke, Wörterbuch der griech. Papyrusurkunden I (1925) 198 wird ein byzantinischer Beleg mit der Bedeutung „Erlös“ zitiert (P. Cair. Masp. 312, 65). Die Glossare bringen das Wort normalerweise als Äquivalent für census (vgl. die Indices Corp. Gloss. Lat. VI 198 und VII 467; II 241, 28 ἐπὶ ἀπογραφῆς χωρίων); einmal steht es für aestimatio (II 241, 29 ἐπὶ διατιμήσεως). Eine Verwendung im Bereich des Hypothekenwesens wie bei Demosth. 31, 11 dürfte für unser Beispiel ausscheiden. 8 Vgl. F. Preisigke, Fachwörter des öffentlichen Verwaltungsdienstes Ägyptens (1915) 26; Wörterbuch der griech. Papyrusurkunden I (1925) 164 n. 1.
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stände nicht bekannt (Inv.-Nr. 1087a), jetzt im Archäologischen Museum von İzmir (Basmane-Museum) aufbewahrt (Inv.-Nr. 2958), wo ich den Stein 1963 mit freundlicher Genehmigung des damaligen Direktors, Herrn Hakki Gültekins, aufnehmen konnte. H. 53, B. 102, D. 27 cm; Buchstabenhöhe 2,2, Zeilenabstand 0,3 cm. Die Inschrift wurde kurz erwähnt im 6. Milet-Bericht (AbhBerlin 1908, Anhang) S. 20. Abb. 3. {Milet VI 2 n. 564} 4 8 12
Τὸ ἡρῷον Φλαβίας Ὑγίας ζῇ καὶ κληρονόμων αὐτῆς, εἰς ὃ ϑέσεις Κορβουλῶνι Κατάπλοος καὶ Αἰλιανῷ Ἀγαϑοκλεῖ καὶ τῇ γυναικὶ αὐτοῦ Αἰλιανῇ Ἡροῖ καὶ Ἀγαπήματι καὶ Σωτηρίδι ταῖς Διομήδους καὶ Ἀπολλωνίῳ καὶ Ἀπελλᾷ τοῖς Ἡρᾶ καὶ τοῖς ἐξ αὐτῶν καὶ Ἐπιγόνῃ Ἀρίστωνος καὶ Δυνάμει καὶ Καλλιρόῃ καὶ Εὐπόρῳ κα‹ὶ Ἰ›ουλιανῷ Κορβουλῶνι καὶ Σωστράτῃ· ἑτέρῳ δὲ οὐδενὶ ἐξέσται ταφῆναι, ἐπὶ ὁ ϑάψας ἀποδώσει τῷ κυριακῷ φίσκῳ 𝈂 βφʹ καὶ τῇ ἱερωτάτῃ Μιλησίων βουλῇ βφʹ καὶ ἔσται τῷ τῆς τυμβωρυχίας ἐνκλήματι ὑπεύϑυνος. Περὶ τούτων ἔνγραφον ἀπόκειται εἰς τὸ ἀρχεῖον ἐπὶ στεφανηφόρου Ἰουλίας τῆς Φιλέρωτος ‹μ›ηνὸς Ληναιῶνος κεʹ, ἐπὶ ἀνϑυπάτου Φλ. Σουλπικιανοῦ μη(νὸς) Ληναιῶνος ιʹ.
Z. 1: Die Wörter Φλαβίας Ὑγίας ζῇ stehen auf Rasur und sind in abweichender Schrift geschrieben (C statt Σ; vgl. die Bemerkung zu Z. 13–14). Z. 7: Der Stein hat ΚΑΠΟΥ. Z. 13: verschrieben in ΝΙΗΝΟΣ. Z. 13–14: Die Eintragung mit Nennung des Prokonsuls ist offensichtlich ein Nachtrag von anderer Hand (rundes E und Σ; vgl. Anm. 12).
Die von Flavia Hygia zu ihren Lebzeiten9 für sich und ihre Erben errichtete Grabanlage10 war für einen größeren Personenkreis bestimmt, in dem verwandtschaftliche Zusammenhänge nur sehr unvollkommen erkennbar werden. Vom Namensmaterial her, das einen auffallend hohen Anteil an bisher in Milet nicht bezeugten Personennamen aufweist11, ist keinerlei prosopographische Anknüpfung möglich. Für die zeitliche Einordnung der Stephanephorie der uns ebenfalls | unbekannten Iulia, Tochter
9 Für die Formel ζῇ oder ζῶσιν vgl. zuletzt L. Robert, AntCl 35, 1966, 379 Anm. 5; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1971 n. 644. 10 Zur Bedeutung von ϑέσις Th. Drew-Bear, Glotta 50, 1972, 199. In Milet ist das Wort z. B. auch belegt in Le Bas – Waddington 217 {Milet VI 2 n. 491} (συνχώρησιν ϑέσεως). 11 Von den selteneren Namen sei auf folgende hingewiesen: Κατάπλους (vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1958 n. 206 p. 237), Ἡρώ (vgl. L. Robert, RA 1933 II 125 = OMS III 1580; der Dativ Ἡροῖ in dem thasischen Epigramm IG XII 8, 441, 15 = Peek GV 2038), Ἀγάπημα (A. Wilhelm, Beiträge zur griechi-
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des Phileros, muß man daher von der vermutlich auf dasselbe Jahr zu beziehenden12 Nennung des Prokonsuls Flavius Sulpicianus ausgehen. Für diesen hat bereits H. Dessau (bei Th. Wiegand, 6. Milet-Bericht) Identität mit dem aus der literarischen Überlieferung sowie den Arvalakten bekannten Konsular T. Flavius Sulpicianus angenommen, der es als Schwiegervater des Pertinax zum praefectus urbi brachte, nach dessen Untergang sogar gegen Didius Iulianus als Konkurrent um die Kaiserwürde auftrat und schließlich unter Septimius Severus hingerichtet wurde13. Die schon von Dessau vertretene Datierung des Prokonsulats des mit vollem Namen möglicherweise T. Flavius Claudius Sulpicianus zu nennenden Mannes in die (spätere) Zeit des M. Aurel oder (eher) des Commodus hat sich auch in neueren Untersuchungen nicht näher präzisieren lassen, trotz des zuletzt von H.-G. Pflaum unternommenen Versuchs, den cursus honorum einer Inschrift von der Via Appia, die den Prokonsulat von Asia nennen könnte, auf ihn zu beziehen14. Auch die schon wiederholt monierte Veröffentlichung der milesischen Inschrift kann hier, soweit ich sehe, nicht weiterhelfen. Die im Archiv hinterlegte Abschrift wird in diesem Falle als ἔγγραφον bezeichnet, so wie in dem in Anm. 6 genannten Stein aus Didyma. Es zeigt sich, daß das milesische Material in dieser Hinsicht eine gewisse Reichhaltigkeit der Termini aufweist: außer dem oben in Nr. 1 belegten ἁπλοῦν haben andere Inschriften ἀποσημείωσις15, ἀντίτυπον16 und natürlich das übliche ἀντίγραφον. Auf weitere Fragen des Formulars soll hier nicht eingegangen werden, da sie erst nach Vorlage des gesamten Materials der Grabinschriften sinnvoll behandelt werden können: etwa die Varianten der gängigen τυμβωρυχία-Formel17 oder die Unterschiede in den Strafsummen sowie den Empfängern von Grabmulten, wo uns Fiscus, Bulé, der didymäische Apoll, aber auch das Basileion18 begegnen. Auch die Ersetzung der Monatsnamen durch Buchstaben, d. h. Zahlen (wie oben in Nr. 1), müßte noch untersucht werden unter der Fragestellung, ob sie sich zeitlich eingrenzen läßt und eventuell ein Datierungskriterium abgibt.
schen Inschriftenkunde 220; L. Robert, RPhil 1974, 206), Δύναμις (Bull. épigr. 1970 n. 389; vgl. U. v. Wilamowitz-Moellendorf, SBBerlin 1904, 629 im Hinblick auf Milet I 3 n. 133, 29). 12 Auffallend und für mich nicht verständlich ist der Tatbestand, daß in den Zeilen 13 und 14 jeweils verschiedene Tagesdaten innerhalb des Lenaion genannt werden, wobei hinzukommt, daß die Eintragung mit der Nennung des Prokonsuls eine Hinzufügung sein dürfte. Soll man annehmen, daß es unterschiedliche Registrierungsdaten sind, entsprechend der Nennung von Fiscus und Bulé bei den Strafsummen? 13 E. Groag, RE VI 2, 1909, 2617 n. 185; ders., PIR III2 173 n. 373. 14 H.-G. Pflaum, Les Sodales Antoniniani de l’époque de Marc-Aurèle, 1966, 54–60; vgl. W. Eck, RE Suppl. XIV, 1974, 122 n. 185. 15 Th. Pekáry, IstMitt 15, 1965, 124 n. 6 Z. 15 (unten Nr. 7), danach von ihm ergänzt in n. 9, 6. 16 IvDidyma 576 sowie 575 nach der Ergänzung von L. Robert, Gnomon 31, 1959, 671 (vgl. Hellenica XIII 197). 17 Dazu vorläufig M. Wörrle (Anm. 6) 276 Anm. 645. 18 S. u. die Inschriften Nr. 4, 6, 7. Vgl. auch P. Hommel, Panionion und Melie (JdI Erg.-Heft 23, 1967) 60.
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Zum Abschluß sei noch auf zwei weitere noch unpublizierte und mir nur durch Abklatsche bekannte fragmentarische Grabinschriften aus Milet hingewiesen, in denen ebenfalls Datierungen mit Nennung von Stephanephoren erhalten sind; dazu möchte ich noch zwei bereits publizierte Texte in Erinnerung bringen. 4. Inv.-Nr. 576. Ende einer längeren, oben verstümmelten Inschrift: {Milet VI 2 n. 695} Ταύτης τῆς ἐπιγραφῆς τὸ ἀντίγραφον κεῖται / ἐπὶ τὸ βασίληον ἐπὶ στεφανηφόρου Φλ. Ἀπολλωνίου, / μη(νὸς) Ἀπατουριῶνος. Auch der hier genannte Stephanephor Flavius Apollonios, der nach der Schrift in das 2. oder den Anfang des 3. Jahrhunderts gehören dürfte, ist anderweitig nicht bekannt. 5. Inv.-Nr. 177. Offenbar aus zwei aneinanderpassenden Fragmenten bestehender, oben und unten verstümmelter Inschriftenblock. Ende der Inschrift nach der τυμβωρυχία-Formel: {Milet VI 2 n. 697} Τούτων / τὸ ἀντίγραφον ἀπετέϑη ἐπὶ στε‹φανη›φόρου / [. ?] Ἀντωνίου ΚΛ̣ . . . . . ο̣ ς, [μη(νὸς)] Ἀ̣νϑεστη̣ρ̣ [ι]ῶ̣[νος]. Der Stein hat (durch Haplographie) ΣΤΕΦΟΡΟΥ. Der hier genannte Stephanephor ist aller Wahrscheinlichkeit nach der durch IvDidyma 329, 18 bekannte M. Antonius Hadrianus Capito. Die dort vorgeschlagene Datierung in das 2. Jahrhundert würde auch gut zu unserer Inschrift passen. 6. Le Bas – Waddington n. 220. Die in Akköy kopierte Grabinschrift des M. Valerius Demetrios schließt mit der Formel: {Milet VI 2 n. 642} Τῆς ἐπιγραφῆς ἀντίγραφον ἀπόκειται / εἰς τὸ βασίληον ἐπὶ Ἐπ[ή]ου το[ῦ Ἀρ] τεμισιανοῦ. Waddington hat angenommen, daß Ἐπήου für Ἐπείου geschrieben war (gemeint wohl: Ἐπειοῦ). Ich frage mich, ob man die Buchstabenreste zu Ἑρμίου ergänzen könnte. Der Stephanephor ist auf jeden Fall sonst unbekannt. 7. Th. Pekáry, IstMitt 15, 1965, 124 n. 6 (Inv.-Nr. 1684). Grabinschrift auf einer tabula ansata, die mit der Formel endet: {Milet VI 2 n. 602} Ταύτης τῆς ἐπιγραφῆς ἀποσημείωσις ἐτέϑη ἐπὶ τὸ βασίληον (weitergeführt auf den beiden ansae): ἐπὶ Ἀπολλωνίου τοῦ Διονυσίου, μη(νὸς) Τι(βερίου) λʹ.
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Inschriften aus Milet
Für den Stephanephoren, nach dem hier datiert wird, hat Pekáry bereits auf IvDidyma 353, 17 verwiesen, womit man vermutlich in flavische Zeit käme.
Abb. 1: Inv.-Nr. 1733+642
Abb. 2: Inv.-Nr. 59
Abb. 3: Inv.-Nr. Milet 1087a = İzmir 2958
28 Urkunden milesischer Temenitai Unter dem Inschriftenmaterial von Didyma hat A. Rehm in der Gruppe der Dekrete unter Nr. 486 den fragmentarischen Text eines Beschlusses vorgelegt, dessen Problematik durch seine Bemerkungen: „Die Schriftfläche in übelstem Zustand“ und „Keine andere Inschrift von Didyma hat der Lesung am Abklatsch solche Schwierigkeiten geboten“ hinreichend charakterisiert wird. Die von K. Tuchelt unlängst veröffentlichte Photographie des im Stationshaus von Didyma aufbewahrten Steines (Inv.-Nr. E 32) vermag den außerordentlich schlechten Erhaltungszustand nur zu bestätigen1. Die auf einem ehedem zu einem Verband gehörenden Quader2 aufgezeichnete Inschrift stellt den aus dem Jahre 188/7 v. Chr. stammenden Ehrenbeschluß für einen sonst unbekannten Athenagoras, Sohn des Paionios, dar, gefaßt von einem Verein, der sich nach Rehms Lesung als κοινὸν τῶν τ̣ εμε[νι]ζόντων τῆι Ἀ̣φ̣ρ̣ ο̣ δ̣ ίτηι3 καὶ τῶι Ἀπόλλ̣[ω]ν̣ ι τῶι Διδ̣ υμ[εῖ] (Ζ. 3–5) bezeichnet. Der Herausgeber sah darin einen privaten „Verein zur Einrichtung einer Kultstätte, an einen modernen Kirchenbauverein gemahnend“. Sein eigentliches Anliegen sei die Gründung eines Temenos für Aphrodite in Didyma gewesen, als „Gegenstück“ zu dem schon älteren, durch Theokrit 28, 4 für das 3. Jh. bezeugten Heiligtum der Aphrodite in oder bei Milet4. Der an zweiter Stelle genannte Apollon Didymeus sei bei der | Benennung des Vereins nur „sozusagen ehrenhalber, und weil die Gründung sich an sein großes Heiligtum anlehnt, hereingenommen“. Die Verdienste des Athenagoras, den Rehm als „eigentliche(n) spiritus rector des Vereins“ charakterisiert, bestanden nach den hier freilich besonders stark verstüm-
IstMitt 30, 1980, 223–239 und 5 Abbildungen. 1 K. Tuchelt, Vorarbeiten zu einer Topographie von Didyma. Eine Untersuchung der inschriftlichen und archäologischen Zeugnisse, IstMitt Beih. 9 (1973) Tafel 12; dazu im Text S. 39 f. Nr. 21. 2 Ebenda 40 in Berichtigung der Angabe Rehms, der von einer Stele gesprochen hatte. 3 Rehm notierte im Apparat: ,,Ἀ̣φ̣ρ̣ ο̣ ganz schattenhaft“ und bemerkte, daß nur ΔΙΤΗΙ oder ΛΙΤΗΙ deutlich sei: „Ich finde keinen anderen Namen als Aphrodite.“ Bei einem Nachvergleich am Stein im September 1979 habe ich ΡΟΔ sicher gelesen. Die Lesung wird nun auch durch die unten mitgeteilte Inschrift 1 aus Milet bestätigt. 4 Rehm, IvDidyma p. 286. Vgl. Chiron 1, 1971, 294 Anm. 7. Die von mir dort S. 293 f. angeführten Vermutungen zur Erklärung der schwer verständlichen Verse 10–13 des auf Saturnina bezüglichen Apollon-Orakels, in denen mit einer Gegenüberstellung zwischen Athena und Aphrodite operiert wird, sind durch die Textkorrekturen bzw. Interpretationen von R. Merkelbach, ZPE 8, 1971, 95 und, darüber hinausführend und sprachlich wie sachlich überzeugend, Th. Drew-Bear und W. D. Lebek, GrRomByzSt 14, 1973, 68–71, hinfällig geworden. Danach muß die Inschrift als Zeugnis für den AphroditeKult in Milet ausscheiden. Hingegen ist als Beleg nachzutragen die Aphroditeweihung Milet I 7 n. 303, die sowohl bei Rehm als auch in meiner Anmerkung übersehen ist. Das unpublizierte Material aus Milet enthält des weiteren noch einen (kaiserzeitlichen) Altar der Tyche und Aphrodite (Inv.-Nr. 1551 {Milet VI 3 n. 1311}) und den schon im 6. Milet-Bericht 27 erwähnten Altar der Aphrodite Urania (Inv.Nr. 197 {Milet VI 3 n. 1284}); beide Altäre befinden sich jetzt im Basmane-Museum in İzmir (Inv.-Nr. 2920 und 2930).
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Inschriften aus Milet
melten Textpartien zuvörderst in der Beschaffung der für das Temenos benötigten Grundstücke (Z. 13 ff.). Dabei scheint aus den erhaltenen Angaben übrigens hervorzugehen, daß sein Platz bei einem ἱερὸν (?) ἐμπόριον, also vielleicht in Hafennähe, lag und an ein Temenos des Zeus angrenzte5. Die weiterführende Bemerkung Rehms, daß Athenagoras für diesen Grunderwerb Einkünfte aus einem von ihm selbst bekleideten Priestertum eingesetzt habe und daß dieses Priestertum dann wohl nur das der Aphrodite in Milet gewesen sein könne, ist indessen nicht mehr aufrechtzuerhalten6. Im Zusammenhang mit der Erwähnung des „Zukaufs“ eines weiteren Grundstücks (Z. 25) taucht in der Inschrift der Begriff χρυσονομία auf, dessen Bedeutung Rehm dunkel blieb. Hierzu hat aber L. Robert darauf aufmerksam gemacht, daß uns die Funktion eines χρυσονόμος gerade auf milesischem Territorium schon bekannt ist, durch Inschriften von den Inseln Patmos und Leros7. Wir werden im weiteren sehen, daß es ein Begriff ist, der eben die ganze Gruppe der Inschriften von τεμενίζοντες und Τεμεν(ε)ῖται in Milet heraushebt und untereinander verbindet. Es stellt sich nämlich heraus, daß sich aus dem Inschriftenmaterial von Milet der Urkunde aus Didyma nunmehr insgesamt sechs Dokumente an die Seite stellen lassen, durch die wir von der Existenz und der Wirksamkeit ähnlich benannter Vereine Kunde erhalten. Diese bisher unbekannten Urkunden sollen hier vorgestellt werden8. 1. Zwei aneinanderpassende Fragmente eines großen Blockes aus grauem Marmor, H. 72, B. 52, D. 26 cm; Buchstabenhöhe ca. 1,5, Zeilenabstand 0,7 cm. Linkes Fragment (Inv.-Nr. 957): H. 68, B. 19,5 cm. Rechtes Fragment (Inv.-Nr. 240): H. 72, B. 51 cm; die Schriftfläche ist zum Teil stärker beschädigt. Nach einer Notiz im Grabungstagebuch ist der Stein am 12. 10. 1900 nördlich vom Buleuterion gefunden worden. Abb. 1. {Milet VI 2 n. 797} 225
Χρυ̣/σο[νομοῦντ]ος Μητ/ρο[ ] τοῦ Ἑρμίου καὶ γ[ρ]/αμμ[ατε]ύοντος
5 Z. 19: . . το[ῦ ἱ]ε‹ρ›οῦ (Rehm las am Abklatsch EIOY) ἐ̣ μ̣πορίου κα[ὶ] / τῶν προσόντων . . 8–9 . . άτω[ν] (man könnte ergänzen [αὐτῶι οἰκημ]άτων – zu οἴκημα A. Wilhelm, ÖJh 12, 1909, 126), dazu Tuchelt (Anm. 1) 50 f., der an Lokalisierung am Hafen von Panormos denkt. Z. 29: πρὸς τὸ Διὸς τ[έμ]ε[νος], dazu Tuchelt (Anm. 1) 39. 6 Gegen Rehms Ergänzung Z. 8–12 ἐπειδὴ Ἀϑηναγόρας … ἀπὸ τῆ[ς ἱ]ε̣ ρεί̣ [α]ς ἐπιδ[εδ]ω̣κ̣ ὼ̣ς̣ τυγχάνει εἰ[ς] τὸ συναυξῆσαι τάς τε τῶν ϑεῶν τιμὰς καὶ τὰς τοῦ κοινοῦ προσόδους hat L. Robert, Gnomon 31, 1959, 669 Einspruch erhoben und dafür die am Beginn der „considérants“ häufige Wendung ἀπὸ τῆς ἀρχῆς vorgeschlagen. Die Konjektur konnte ich bei dem Vergleich am Stein als richtig bestätigen: PX sind sicher zu erkennen, davor der untere Teil der rechten Schräghaste des A. 7 Robert, Gnomon a. a. O. 669; s. Anm. 9. 8 Ich habe Chiron 1, 1971, 294 Anm. 7 die Vorlage dieser Inschriftengruppe angekündigt. Zu den mir damals bekannten 4 Stücken sind 1977 zwei weitere gekommen (2 und 3), die das Verständnis erheblich gefördert und damit den Anstoß zu dieser Publikation gegeben haben.
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4 Ἀνδρ/ο̣ νίκου τοῦ Μυωνίδου vac. οἱ τεμενίζοντες τῶι τ/ε Ἀπόλλωνι καὶ Διὶ κα/[ὶ] Ἀφροδίτηι· 8 Ζήν/ων̣ [Ἀ]σκληπιάδου Ἰσίων̣ / Ἀπολλοδώρου Ζήνω/ν̣ Δημητρίου Θέων / Ζήνωνος 12 Ἀρτεμ[ί]/δωρος Ἑρ[ ] Δαμᾶ/ς Διονυσ[ ] Οἴαξ Ἑκ/ατό[μνω] Ἑκαταῖο/ς Ἑκατό[μνω] 16 Ἑκατόδ/ωρος Ἀπολ̣[λ ] Die Inschrift, deren 1. Zeile nach dem Formular des folgenden Textes 2 ergänzt werden kann, enthält eine Namensliste von τεμενίζοντες, wobei als Gottheiten Apollon, Zeus und Aphrodite genannt werden. Das stellt eine sachliche Nähe zu dem oben erwähnten Beschluß aus Didyma von 188/7 her, in dem Aphrodite und Apollon Didymeus direkt mit dem κοινὸν τῶν τεμενιζόντων verbunden waren, Zeus als Gottheit eines angrenzenden Temenos erwähnt zu werden schien. Der materielle Befund kann darauf führen, daß wir es mit einem Wandquader zu tun haben und daß der Text dann so etwas wie eine Jahreseintragung darstellt, wie uns das auch die folgenden Dokumente zum Teil erkennen lassen. Ob die Eintragung wie in den nachfolgenden Dokumenten durch Nennung des Stephanephoren datiert war, ist nicht zu sagen, da Reste einer vorausgehenden ersten Zeile jedenfalls nicht mehr erkennbar sind. Von den bei der Flüchtigkeit der Schrift freilich wenig ausgeprägten Buchstabenformen her kann man eine Datierung in das 2. oder vielleicht eher 1. Jh. v. Chr. erwägen. Wenn der in Z. 4 genannte γραμματεύς identisch ist mit dem Träger desselben Namens in der nachfolgenden Liste 2, 12, wäre auch diese Inschrift in das 1. Jh. v. Chr., vielleicht in die 40er Jahre, zu datieren. Aber es kann sich natürlich auch um Gleichnamigkeit innerhalb verschiedener Generationen einer Familie handeln. Weitere prosopographische Kombinationen sind nicht möglich. So ist das zeitliche Verhältnis zu der eben besprochenen Inschrift aus Didyma von 188/7 leider nicht sicher bestimmbar. Es sieht aber jedenfalls danach aus, daß uns durch diese Inschrift die Existenz und die Tätigkeit des bisher aus Didyma belegten Vereins nunmehr auch für Milet bezeugt wird. Das führt auf die Frage, ob der dort erschlossene Vereinszweck, nämlich die Einrichtung eines Aphrodite-Heiligtums in oder bei Didyma, u. U. noch durch | andere Aktivitäten zu erweitern wäre. Sie soll vorläufig offen gelassen werden, bis das ganze Material vorgeführt ist. 2. Großer Block aus hellgrauem Marmor, alle Seiten erhalten; rechts und unten auf Anschluß gearbeitet. (Nach einer von W. Koenigs geäußerten Vermutung war der
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Block ursprünglich im Verband auf dem Kopf stehend verwendet worden, wonach die Anbringung der Inschrift mit einer sekundären Verwendung zu verbinden wäre.) H. 55, B. 118, D. 24 cm; Buchstabenhöhe 2,5, Zeilenabstand 1–1,5 cm. Der Block ist nach den Angaben des seinerzeitigen Museumsdirektors zusammen mit dem weiter unten angeführten Türsturz von einer Grabanlage vom Değirmentepe in das Museum gebracht worden (Inv.-Nr. 1716). Abb. 2. {Milet VI 2 n. 798} Ἐπὶ στεφανηφόρου Ἀντιόχου, χρυσονομοῦντος Σιλανοῦ, γραμματεύοντος Ἀρτέμωνος τοῦ Ἀλεξάνδρου Ἀντιοχέως συνή{ι}χϑησαν Τεμενεῖται οἵδε· Ἀρτέμων Ἀλεξάνδρου 4 Σιλανὸς Σφαίρου Ἐπίνικος Ἀπολοδώρου (sic) Ἡρακλέων Ἡρακλέωνος Σίνδης Νόμου Ἀπολλώνιος Δημητρίου Ἀπολλόδωρος Ἀπολλοδώρου Μηνόκριτος Διονυσίου Ἡρακλείδης Νόμου 8 Ζώπυρος Σατύρου Νόμος Ἡρακλείδου Ἀρίστων Θέωνος Δαμᾶς Ἐπινίκου Ἀπολλώνιος Ἀπολλωνίου Ἡρακλεώτης Θέανος Ἱεροκλείους Ἐπίκουρος Νόμου 12 Δημήτριος Διονυτᾶ Ἀνδρόνικος Μυονίδου (sic) Φιλότιμος Ἡρακλίτου Ζμύρνα Αἰσ vacat
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Der letzte Name der linken Kolumne und die beiden letzten Namen der rechten Kolumne sind in etwas flüchtigerer und z. T. kleinerer Schrift nachgetragen. Die Inschrift enthält wieder eine Namensliste von Mitgliedern eines diesmal Τεμενεῖται genannten Vereins, wobei ein aus 3 Elementen bestehendes Präskript vorausgeschickt ist: Auf die Nennung des eponymen Stephanephoren folgen wie im Text 1 zwei Funktionäre des Vereins, der χρυσονόμος, in dem wir sicher den Schatzmeister zu sehen haben9, und der γραμματεύς. Die Nennung des Stephane|phoren Antiochos ohne Patronymikon läßt freilich drei mögliche Daten zur Wahl: 79/8, 43/2 oder 41/0
9 Die χρυσονόμοι waren bisher bekannt im Rahmen der staatlichen Organisation der milesischen Gemeinde auf Leros (Λερίων οἱ κατοικοῦντες ἐν Λέρῳ): BCH 19, 1895, 552 Z. 30 = AM 21, 1896, 34 = G. Manganaro, ASAtene 41/2, 1963/4, 304 n. 2. Dazu kommen nun weitere Belege von derselben Insel: Manganaro a. a. O. 306 n. 3, 26. 30; 308 n. 4, 11; 310 n. 5, 10. Es sind den ταμίαι entsprechende, als Kollegialorgan auftretende „fonctionnaires du dème“ mit den Aufgaben von „trésoriers-payeurs“ (B. Haussoullier, RPhil 26, 1902, 129), die im besonderen mit der Aufzeichnung von Beschlüssen und der Finanzierung dieser Prozedur befaßt sind. Hingegen ist auf Patmos ein χρυσονόμος als Funktionär eines Vereins bezeugt, nämlich des κοινὸν τῶν λαμπαδιστῶν τῶν ἐν Πάτμῳ καὶ μετεχόντων τοῦ ἀλείμματος: Syll.3 1068, 11 = Manganaro 331 n. 32 (dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1966 n. 321). Speziell hierzu treten nun die Parallelen aus Milet (vgl. auch F. Poland, Geschichte des griechischen Vereinswesens, 1909, 378). Zu dem Begriff hat B. Keil seinerzeit bemerkt (Anonymus Argentinensis, 1902, 277): „Die χρυσονόμοι von Leros werden doch wohl ihren Namen daher haben, daß sie die großen Zahlungen in Gold machten.“
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v. Chr.10 Wenn man sich an den datierten Paralleltexten orientiert (3: 47/6, 4: 22/1, 5: 49/8), wird man eher ein Datum der 40er Jahre in Erwägung ziehen. Ein Name der Liste, Ἀνδρόνικος Μυ‹ω›νίδου11 Z. 12, läßt eine Verknüpfung mit der Inschrift 1 zu, wo derselbe Mann (oder jedenfalls ein Träger desselben Namens) als γραμματεύς fungiert. Weitere prosopographische Hilfen vermag ich nicht beizubringen; außer bekannten Namen, die aber häufiger sind, enthält die Liste auch einige bisher in Milet nicht bezeugte12. Das viermalige Auftreten des Namens Νόμος führt darauf, daß mehrere Mitglieder einer Familie verzeichnet sind, wobei es sich in Z. 8–9 um Vater und Sohn zu handeln scheint. Der Vereinscharakter wird übrigens auch verdeutlicht durch die Nennung von zwei Auswärtigen und einer Frau13. Die hier erscheinende Vereinsbezeichnung Τεμενεῖται wird man als eine Variante zu dem bisher belegten τεμενίζοντες anzusehen haben, ohne daß damit gleich auf eine Identität beider Vereine geschlossen werden soll: auf diese Frage wird unten noch einzugehen sein. Das Wort Τεμεν(ε)ῖται wird uns auch in den nachfolgenden Texten 3, 4 und 6 begegnen, während im Text 5 der Erhaltungszustand eine Entscheidung zwischen τεμενίζοντες oder Τεμενεῖται nicht zuläßt. Das Verbum τεμενίζειν ist schon durch eine Anzahl epigraphischer wie literarischer Belege bekannt. Es bezeichnet im engeren Sinne den Vorgang der Abgrenzung eines Temenos14, wird dann aber auch allgemeiner für die Einrichtung von | Heiligtümern gebraucht, wodurch es dann geradezu ein Synonym besonders von ἀνατιϑέναι werden kann15. Τεμενεῖται ist dagegen bisher ein seltener Ausdruck. Zwar taucht 10 Die Stephanephorenlisten verzeichnen z. J. 79/8 Ἀντίοχος Ἀντιόχου τοῦ Ἀντιόχου τοῦ Εὐμένους (Milet I 3 n. 125, 14), z. J. 43/2 dessen gleichnamigen Sohn (n. 126, 15), z. J. 41/0 Ἀντίοχος Αἰσχίνου (n. 126, 19). Nach dem Letztgenannten sind in Didyma drei Inschriften datiert, wobei immer das Patronymikon hinzugefügt ist (IvDidyma 391 A III 3; 395; 396). 11 Zum Namen Μυωνίδης können die Belegsammlungen von Ch. Habicht, 7. Olympia-Bericht, 1961; 219 und T. Schwertfeger, Der Achaiische Bund von 146 bis 27 v. Chr. (Vestigia Band 19, 1974) 45 Anm. 78 genannt werden, wo vor allem auf die Verbreitung im Umkreis von Karien hingewiesen wird. 12 Das sind nach meinen Aufstellungen: Σιλανός, Σφαῖρος, Σίνδης (dazu L. Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure gréco-romaine I, 1963, 511 f.; Bull. épigr. 1966 n. 248: angesichts des milesischen Belegs ist die Verbreitung des Namens im Schwarzmeergebiet von Interesse), Νόμος, Μηνόκριτος, Θέανος, Διονυτᾶς, Φιλότιμος, Ζμύρνα. 13 Ζ. 2–3: Der γραμματεύς Artemon, Sohn des Alexandros, wird als Ἀντιοχεύς bezeichnet: Es wird die Stadt am Mäander sein, so wie der Ἡρακλεώτης Z. 10 natürlich aus Herakleia am Latmos kommt. Bei der an allerletzter Stelle genannten bzw. nachgetragenen Ζμύρνα ist auffallend, daß die Schrift mitten im Patronymikon ohne erkennbaren Grund abbricht. 14 Man vgl. dafür besonders im Brea-Dekret (IG I2 45, 11 = Meiggs – Lewis, Greek Historical Inscriptions n. 49 {IG I3 46}) [τὰ δὲ τεμ]ένε τὰ ἐχσειρεμένα ἐᾶν καϑά[περ ἐστί, καὶ ἄλ]λα μὲ τεμενίζεν, oder in einer Inschrift aus Samothrake (Hesperia 37, 1968, 220 Z. 5 ff.; vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1969 n. 441) τὴν ἱερὰν χώρα/[ν …] ἣν οἱ βασιλεῖς Φί/[λιππ]ος καὶ Ἀλέξανδρος ἐτεμένι/[σαν το]ῖς ϑεοῖς καὶ ἀνέϑεσαν, dazu an literarischen Belegen Plat. Leg. 738c, Dion. Hal. 3, 70. 15 In diesem Sinn etwa die bei Ps.-Aristot. Mir. 843 b 27 mitgeteilte Weihinschrift (Th. Preger, Inscr. Graecae metricae ex scriptoribus … collectae, 1891, 79 n. 95) Ἡρακλέης τεμένισσα Κυϑήρᾳ Πασιφα έσσῃ. Cassius Dio verwendet das Wort wiederholt in Nachrichten über Einrichtung von Kaisertempeln
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τεμενίτης mit großer Regelmäßigkeit in den Beispielsammlungen der Grammatiker auf, wenn es um die Zusammenstellung von Wörtern auf -ίτης, -είτης geht, und dabei wird uns im übrigen eingeschärft, daß nur die Schreibung mit Iota richtig sei16. Desgleichen ist Τεμενίτης als topographischer Begriff und durch eine Mehrzahl von Belegen als Beiname von Göttern bezeugt, wobei es eine Diskussion über die Grundbedeutung und die Zusammenhänge zwischen beiden Verwendungen gibt17. Aber in konkreter Anwendung auf eine Personengruppe vermochte ich nur einen Beleg zu ermitteln, der im Corpus Hermeticum begegnet und es leider offen läßt, was für Leute damit bezeichnet werden (Tome IV, edd. Nock – Festugière, p. 134 Fr. 29, aus Cyrill. Alex., c. Iulian. I 33, p. 553 A): ὡς ἐρομένου τινὸς τῶν ἐν Αἰγύπτῳ τεμενιτῶν καὶ λέγοντος …18 Die älteren Übersetzer gaben das Wort mit sacerdos wieder19, Festugière spricht von desservants de sanctuaire, unter Hinweis darauf, daß es in dieser Verwendung ein hapax zu sein scheine20. Soviel sei hier zunächst zu den bisherigen Belegen gesagt. Auf die Frage, wie wir die Vereinsbezeichnung in Milet zu verstehen haben, will ich erst nach Vorlage des ganzen Materials zurückkommen. Die Namensliste der Τεμενεῖται wird in unserer Inschrift mit dem Verb συνήχ ϑησαν eingeführt. Das ist ein gut bekannter Terminus aus dem Bereich des Vereins |lebens, bei dem nur jeweils die Wahl zwischen den beiden Bedeutungen „im allgemeinen Sinn von der Gründung des Vereins oder der Vereinigung der Genossen“ offen bleibt21. Bei unserem Text führt, vom Formular (das einen schon bestehenden (die Belege im Index Graecitatis von W. Nawijn bei Boissevain Vol. V 1931). Ein später Beleg noch: Clem. Alex. Protr. II 31. 16 Herodian. (Gramm. Graeci III) II 436, 6. 31; vgl. 479, 22 (Choerob. 169, 7); 589, 19 (Choerob. 264, 3); Steph. Byz. s. v. Βορυσϑένης (Herodian. II 866, 41); Etym. Magn. 570, 25 s. v. Λόχος. An anderen Stellen geht es um den Akzent: Herodian. I 75, 28; Arcadius 27, 2 (Herodian. II 851, 32). 17 Topographischer Begriff: ὁ Τεμενίτης in Syrakus (Thuk. VI 75, 1; 100, 2; vgl. VII 33 τὴν ἄκραν τὴν Τεμενῖτιν καλουμένην); vgl. Steph. Byz. s. v. Τέμενος, der hinzufügt ἔστι καὶ Τεμενίτης λόφος ἐν τῇ Θρᾴκῃ πρὸς τῇ Τριβαλλῶν. Für den Götterbeinamen Τεμενίτης sei auf die Zusammenstellungen von gr. Kruse, RE V A 1, 1934, 435 und G. Redard, Les noms grecs en -της, -τις (Études et Commentaires 5, 1949) 213 hingewiesen. Ein Zusammenhang zwischen Ortsnamen und Götterbeinamen ist jedenfalls in Syrakus gegeben, wo durch Cicero, Verr. II, IV 119 und Sueton, Tib. 74 ein Apollo Temenites bezeugt ist. Zum Götterbeinamen Τεμενίτης (dem sich als weibliche Form Τεμενία an die Seite stellen läßt: IvErythrai 201 a 26, c 30 Hestia; BCH 71/2, 1947/8, 440 Artemis in Naxos) wird allgemein die Erklärung von W. Dittenberger, Syll.3 963 Anm. 25 zitiert: „dei intellegendi videntur quorum τεμένη erant sine templis“. Davon abweichend die Deutung bei L. Ziehen, RE III A 2, 1929, 1505 f., ausgehend von dem spartanischen Heros Temenios (nach S. Wide, Lakonische Kulte, 1893, 297): „Stifter oder Hüter eines τέμενος“ bzw. „der ἐν τῷ τεμένει Begrabene, Verehrte“. 18 Vgl. auch W. Scott, Hermetica I, 1924, 544 fr. 29; IV (1936) 204. Nock schreibt übrigens in seiner Ausgabe τεμενειτῶν, offenbar nach Vergleich der Cyrill-Handschriften M und V. 19 So Oecolampadius in der Übersetzung von 1528; Aubert in der von 1638 (MG 76). 20 Corp. Herm. IV 134 mit Anm. 1. Bei Redard (Anm. 17) ist übrigens dieser Beleg nicht erfaßt. 21 F. Poland, Geschichte des griechischen Vereinswesens 248 Anm. *; vgl. auch schon A. Wilhelm, AEMÖ 17, 1894, 45, der bei der zweiten Bedeutung u. a. auf Athen. 8, 365 c verweist: ἔλεγον δὲ συνάγειν καὶ τὸ μετ’ ἀλλήλων πίνειν. Belege besonders bei Poland 272 Anm. *, wo auch zu sehen ist,
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Verein erkennen läßt) abgesehen, auch gerade die aus den folgenden Fragmenten zu erschließende Serie von Eintragungen aus verschiedenen Jahren auf die zweite Bedeutung, wofür sich übrigens auch Paralleltexte von anderwärts finden22. Man kann an eine Jahresversammlung denken, der besonderes Gewicht zukam, so daß darüber eine Eintragung auf Stein vorgenommen wurde. Als Anbringungsort könnte man sich dann ein bestimmtes Vereinslokal vorstellen. Freilich wird dieser Sachverhalt in Frage gestellt durch das Problem der Herkunft unseres Blocks: Er soll von einer Grabanlage am Değirmentepe stammen, wobei indessen die Schrift bei einer zweiten Verwendung des Steins angebracht worden zu sein scheint (s. oben). Daß Vereine in Verbindung mit dem wichtigen Anliegen der Totenehrung für verstorbene Mitglieder auch mit der Errichtung von Grabanlagen befaßt waren, ist vielfach bezeugt, und die Erwähnung einer solchen scheint auch in dem μνημεῖον des nachfolgenden Textes 3, 7 zu stecken23. Aber die Verewigung einer Liste anwesender Mitglieder an einem Grabbau (etwa anläßlich einer jährlichen Gedenkfeier) wäre doch ein recht ungewöhnlicher Tatbestand. Leider führt in dieser Frage auch ein weiteres hier einzubringendes Bauglied mit seiner Inschrift nicht weiter, das vom selben Fundplatz stammen soll, das auch inhaltlich sicher mit unseren Τεμενεῖται zu verbinden ist, freilich vom materiellen Befund her nicht unmittelbar mit dem eben behandelten Block zusammengefügt werden kann: (Inv.-Nr. 1717) Block aus hellgrauem Marmor, der als Türsturz gedient hat. Der insgesamt 1,12 m lange Block ist vorn glatt gearbeitet und wird an seiner Oberseite durch ein einfaches krönendes Profil abgeschlossen, das auch auf beiden Seiten ca. 4–5 cm herumgeführt ist. An der Unterseite sind ein Falz zum Anschlag der Tür, Reste eines Angelloches sowie ein in Blei vergossener Flachdübel (Bronze 5 x 40 mm | Querschnitt) erhalten, dazu beiderseits glatte Flächen zum Auflegen auf die Türleibungsquader; die beiden Schmalseiten sind bossiert, so daß hier mit Anschluß von Bruchsteinmauerwerk zu rechnen ist. Von seinen Maßen sowie vom Typus her könnte der Sturz zu einem Grab der Art gehört haben, wie sie 1977 aufgemessen wurden (vgl. IstMitt 29, 1979, 174 ff., spez. Abb. 7). H. 19,5, B. 112, D. 42 cm. Inschrift in ca. 3 cm hohen Buchstaben: {Milet VI 2 n. 799} daß in ein und derselben Inschrift beide Bedeutungen nebeneinander stehen können, etwa im Testament der Epikteta aus Thera (IG XII 3, 330 = B. Laum, Stiftungen II 43 n. 43) Z. 26: καὶ τὸ κοινεῖ{ν}/ ον συναγαγοχεῖα (Laum: „gegründet“) τῶν συγγενῶν, ὧν καὶ τὰ ὀνό/ματα ὑπογέγραπται, ὥστε συνάγεσϑαι („zusammentreten wird“) τὸ κοινὸν ἐν τῶι Μουσείωι. 22 AEMÖ 6, 1882, 19 n. 39 (Weihung eines Vereins an einen Heros aus Tomoi) Z. 16: εἰσὶν δὲ oἱ συναγόμενοι οἵδε σὺν τοῖς φιλοτείμοις (die schon vorher angeführt waren), gefolgt von einer Namensliste. IGR I 732 (Bauinschrift aus Philippopolis): [Ἐπι]μελητεύοντος Μαξίμου Σουσίωνος, γραμματ/ [εύ]οντος Αὔλου Λυκίου Φροντίνου τὸ κοινὸν τῶν ἐ[πὶ / Θράικης Ἑλλή]νων κατεσκεύασεν. Συναγό μεν[οι / δέ εἰσιν οἵδε], es folgt eine Namensliste. 23 Vgl. Poland (Anm. 21) 503–513; dort S. 504 Anm. *** Zusammenstellung der Belege mit dem Terminus μνημεῖον.
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Ἐπισστατοῦντος Σιλανοῦ τοῦ Σφαίρου.
Der hier genannte Silanos ist ganz offenkundig derselbe, der im Text 2, 2 als χρυσονόμος erscheint und mit seinem Patronymikon am Kopf der Liste in Z. 4 erneut aufgeführt wird. Wenn er hier als ἐπιστάτης fungiert, dann wird man unter dem breiten Spektrum der diesen Begriff kennzeichnenden Bedeutungen24 wohl nicht die einer öffentlichen Funktion25, sondern eben im Rahmen des Vereins die der Beaufsichtigung einer konkreten Maßnahme, und zwar eines Bauvorhabens, herauszuheben haben, wie das anderweitig mit der Nennung des ἐργεπιστάτης ausgedrückt werden kann26. Silanos wird, u. U. im selben Jahr oder zur selben Zeit, wo er auch χρυσονόμος war, einen Bau ausgeführt haben, von dem eben dieser Block stammt. Der Text kann eine Fortsetzung gehabt haben, in der die Anlage genannt war. Der Befund und die Herkunftsangaben sprechen stark dafür, daß es sich um einen Grabbau gehandelt hat. 3. Fragment einer Platte oder Stele aus grauem Marmor; oben Rand, unten schräg abgeschnitten; links unten und rechts oben seitliche Begrenzung erhalten, aber Schriftfläche an den Rändern stärker beschädigt. H. 31, B. 46, D. 12 cm; Buchstabenhöhe 1,7, Zeilenabstand 1–1,5 cm. Von einem unbekannten Fundort in die Inschriftenhalle des Museums in Balat gebracht (Inv.-Nr. 1715). Abb. 3. {Milet VI 2 n. 800} 231
[Ἐπὶ στεφα]ν̣ ηφόρου Μενεστράτου̣, [μηνὸς Με]ταγειτνιῶνος, συ̣ν̣ ή[χϑη] [σαν Τεμ]ε̣ ν̣ εῖται τοῦ Ἀπόλλω̣[νος τοῦ] 4 [Διδυμέ]ως καὶ τῆς Δήμητ[ρος τῆς] [Καρπο]φόρου, χρυσον[ομοῦντος . . .] [. . ., γρ]αμματεύοντο[ς 8–10 ] [. . . .]τος τοῦ μνημήου̣ [ 8–10 ]
24 Vgl. L. Robert, CRAI 1974, 519. 25 In Milet sind die ἐπιστάται als Kollegium im besonderen durch die Formel γνώμη ἐπιστατῶν im Dekretformular der hellenistischen Zeit bezeugt, womit „der Vorgang der Prüfung, Billigung und Übernahme eines Antragsvorschlages“ bezeichnet wird (H. Müller, Milesische Volksbeschlüsse, Hypomnemata 47, 1976, 59–83). Des weiteren kennen wir die Funktion des Epistates beim Tempelbau in Didyma aus den Formeln der Bauurkunden [ἐπιστατοῦντος] τῶν ἔργων bzw. ἐπιστατήσαντος τῆς οἰκοδομίας τοῦ ναοῦ …: s. Rehm, IvDidyma p. 14. Nicht die Bauleitung, sondern den Schutz des Tempels, der Mauern und des Hafens betrifft der Auftrag des Biares wahrscheinlich in mithridatischer Zeit (Milet II 3 n. 400): ἐπιστατήσας τοῦ ναοῦ … καὶ τειχῶν καὶ πύργων καὶ τῆς περὶ τὸν κλειστὸν λιμένα ἀσφαλήας. Unbestimmbar ist die Funktion des Epistates in einer von O. Rayet bei den Grabungen im Theater gefundenen Inschrift auf einer kleinen Marmorplatte, die das Relief eines Buckelstiers trägt: ἐπιστατοῦντος / Διείους τοῦ Γλαύκου (RA 1874 II 109, mit der Bemerkung von L. Robert, Hellenica XI/ XII, 1960, 484 {Milet VI 3 n. 1383}). In der Formulierung ist dieser Text eine genaue Parallele zu dem oben behandelten. 26 Vgl. Poland (Anm. 21) 367.
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8 [. . .]τος καὶ τοὺς νομ[ 9–11 ] [. .]ΞΤΟΥ τοῦ Δημη̣[ ] Ζ. 2 Ende: Nach Σ Reste der Gabel des Y, danach vom N ein Teil des Schrägstrichs und oberer Teil der rechten Haste. Z. 7 Anfang: vor T wahrscheinlich Spuren eines runden Buchstabens: O? Z. 9 Anfang: das Zeichen vor T kann E oder Σ gewesen sein. Ende: Hinter M ist am oberen Rand noch der Rest eines senkrechten Striches erhalten.
Die Inschrift weist im Formular Berührungen mit der vorausgehenden auf: sie nennt zur Datierung den Stephanephoren, was uns ihre Fixierung auf das Jahr 47/6 v. Chr. ermöglicht27, dazu hier auch noch den Monat, sie führt als Vereinsfunktionäre den χρυσονόμος und den γραμματεύς auf, und sie berichtet offenbar auch wieder von einer „Zusammenkunft“ des Vereins (συνήχϑησαν). In den letzten drei Zeilen folgt allerdings eine besondere Eintragung, möglicherweise ebenfalls noch in der Konstruktion des Genetivus absolutus angeschlossen28, aus der sich die Erwähnung eines μνημεῖον, d. h. doch wohl einer Grabanlage29, heraushebt. Schon bei der vorhergehenden Inschrift war zu erwägen, ob sie ebenso wie diese von der Eintragung an einer Grabanlage stammen könnte. Da der Text unten abbricht, ist es durchaus möglich, daß wie auch bei den Inschriften 1 und 2 noch eine Liste von Vereinsmitgliedern folgte. Das interessanteste Detail dieser Inschrift ist (im Unterschied zu 2) der an den Vereinsnamen Τεμενεῖται angefügte Zusatz, der Apollon Didymeus und Demeter Karpophoros nennt, also nicht wie die beiden Dokumente der τεμενίζοντες neben Apollon Aphrodite (und Zeus). Kult der Demeter Karpophoros ist uns bisher aus Milet nur durch relativ späte Zeugnisse bekannt: Eine didymäische Orakelinschrift diokletianischer Zeit betrifft die Errichtung eines Altars der Kore neben dem der Demeter Karpophoros im πάνϑεος περιβωμισμός des Apollon30. Für Milet selbst kennen wir 27 Es ist Μενέστρατος Δημητρίου: Milet I 3 n. 126, 9. Der andere Eponym mit diesem Namen, Μενέ στρατος Ἀναξίλεω im Jahre 193/2, ist sicher zu früh. 28 Die Endung ]τος am Beginn der Zeilen 7 und 8 könnte zu Genetiv-Formen von Partizipien gehören (sollte in Z. 7 tatsächlich ein O vorausgehen, wäre an eine Perfektform zu denken), und dementsprechend könnte auch in Z. 9 der Rest eines Namens mit Patronymikon gesehen werden, der in die Konstruktion einzubeziehen wäre. Dabei würde allerdings das Nebeneinander eines Genetivs in Z. 7 und eines Akkusativs in Z. 8 einen Wechsel in der Konstruktion, d. h. wohl die Verwendung zweier verschiedener Verben, voraussetzen. 29 Dazu o. Anm. 23. Man könnte an einen Hinweis auf die Errichtung oder die Pflege des μνημεῖον denken. – Die Schreibung mit η statt ει ist wie anderwärts auch in Milet besonders im 2. und 1. Jh. v. Chr. verbreitet: s. die Beispiele bei A. Scherer, Zur Laut- und Formenlehre der milesischen Inschriften, Diss. München 1934, 44 § 76, 2; B. Bondesson, De sonis et formis titulorum Milesiorum Didymaeorumque, Diss. Lund 1936, 46 f.; vgl. auch A. Wilhelm, Ephem. 1892, 157. 30 IvDidyma 504, 11 παρὰ τὸν τῆς Καρποφόρου Δήμητρος βωμόν (in Ζ. 23 steht dafür Καρποτρόφου Δήμητρος), s. dazu Tuchelt (Anm. 1) 46 Nr. 33 mit Abbildung der Inschrift auf Tafel 15, 2. Zum περιβωμισμός unten Anm. 35.
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hingegen schon durch literarische Nachrichten den Kult der Demeter Thesmophoros31, und deren Priesterin ist wiederum durch eine aus Milet stammende Orakelinschrift des 2. Jh.s n. Chr. bezeugt32. In einem der dort wiedergegebenen Orakel33 wird auf die für Demeter und Kore begangenen ὄργια hingewiesen, zu denen die Milesier in besonderer Weise verpflichtet waren. Die umfangreiche Charakterisierung der Göttin hebt aber eindeutig ihre Rolle als Karpophoros hervor, wofür sie mit den neuen Epitheta καρποϑάλεια und φερέπυρος bedacht wird. Leider ist die eigentliche Weisung des Orakels nicht mehr erhalten, so daß man nicht sagen kann, ob u. U. gerade eine Aktivierung des Kultes der Karpophoros damit intendiert war. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß in Milet schließlich auch noch eine Demeter mit dem Beinamen Argasis bekannt ist, deren Beiname mit dem Namen des Demos der Argaseis in Zusammenhang stehen muß, von dem durch Fund von Grenzsteinen im Südteil der milesischen Halbinsel gerade auch ein Temenos bezeugt ist (s. u. 371 f.)34. Auf jeden Fall werden wir nun für Milet schon für das 1. Jh. v. Chr. die Existenz eines Temenos der Demeter Karpophoros anzunehmen haben, wobei freilich weder | über seine Lage noch über die Art der Assoziierung mit dem Apollon Didymeus Sicheres ausgesagt werden kann35.
31 Vgl. Rehm, IvDidyma p. 299: „Der Kult der Demeter ist in Milet sicher sehr alt.“ Die beiden dort zitierten Textstellen Parthen. VIII 1 und Steph. Byz. s. v. Μίλητος erwähnen beide die in Milet gefeierten Θεσμοφόρια, wobei die bei Parthenios erzählte Geschichte in die Zeit des Kelteneinfalls datiert wird (d. h. 277/6 v. Chr.: s. Rehm, IvDidyma p. 260; M. Wörrle, Chiron 5, 1975, 63). Parthenios spricht von dem ἱερόν, ὃ βραχὺ τῆς πόλεως ἀπέχει. 32 IvDidyma 496 mit den wichtigen Neulesungen und Textergänzungen von W. Peek, ZPE 7, 1971, 207 n. 8 (dazu vorher schon Helikon 4, 1964, 563, wo die Berichtigung καρποϑάλειαν in B 3 vorweggenommen ist). Die Datierung in das 2. Jh. ergibt sich aus den dafür charakteristischen schmalen und hochgezogenen Buchstabenformen. Rehm fügt aber hinzu: „Beide Orakel können viel älter sein als die vorliegende Aufzeichnung.“ 33 Es geht um das Orakel B, zu dem die diesbezügliche Anfrage nicht erhalten ist. Daß die Fragestellerin auch hier die in A 2 genannte ἱέρεια τῆς Θεσμοφόρου Δήμητρος Alexandra war, legt die Anrede in V. 11 des Orakels nahe. Man vgl. auch die beiden aufeinanderfolgenden Anfragen des Propheten Damianos in der Inschrift IvDidyma 504. 34 L. Robert, Gnomon 31, 1959, 673 und Hellenica XI/XII, 1960, 483 mit Pl. XIX 2. Zu den Horoi τεμένους Ἀργασέων und der Lokalisierung des Demos derselbe RPhil 32, 1958, 64 Anm. 4. 35 Eine lokale Verknüpfung des durch den Vereinsnamen bezeugten Temenos mit dem Altar der Demeter Karpophoros der Art, daß das Temenos dann in Didyma zu lokalisieren wäre, ist wohl auszuschließen: Wie wir durch die Orakelinschrift IvDidyma 504, 3–4 erfahren, lagen die dort genannten Altäre von Demeter und Kore in dem ἱερὸς καὶ πάνϑεος περιβωμισμός Apollons, also in einem mit einer Vielzahl von Götteraltären besetzten Bezirk des Heiligtums (vgl. dazu die Ausführungen von O. Weinreich, DLZ 1913, 2958 f. = Ausgew. Schr. I 230, auf die L. Robert, Gnomon 31, 1959, 670 verwiesen hat; durch eine neu gefundene weitere Orakelinschrift aus Didyma erfahren wir nun auch von der Versetzung eines Altars der Tyche in dieses Areal: W. Günther, IstMitt 21, 1971, 99–105 {Merkelbach – Stauber, SGO I 01/19/06}). Zwar kennen wir weder die Lage noch die Ausdehnung dieses περιβωμισμός (ihn im Umkreis des Hauptaltars vor dem Tempel zu lokalisieren, macht Schwierigkeiten: Tuchelt (Anm. 1) 47–49 Nr. 36), aber es ist von der Sache her schwer vorstellbar, daß hierbei für die
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4. Bruchstück einer Platte aus grauem Marmor, links, rechts und unten gebrochen. H. 17–24, B. 22,5, D. 11 cm; Buchstabenhöhe 2, Zeilenabstand 0,6 cm. Gefunden 1905 in den Thermen (gemeint sind die römischen Thermen im Bereich des „EumenesGymnasions“ westlich vom Stadion). Publiziert: Milet I 9 n. 308 als „Präskript einer Beamtenliste“ (Inv.-Nr. 896). Abb. 4. {SEG XXX 1342; Milet VI 1 p. 210} [Ἐπὶ στεφ]α̣νηφόρου Ἡ[ρα] [κλέωνος] τ̣ οῦ Μηνοδότ[ου], [γραμματ]εύοντος δὲ τ[οῦ] 4 [ cα. 7 ] τεμένους Λυ[. .] [. . . τοῦ Ἀ]πολλωνίου οἵδ[ε] [συνήχϑ]ησαν Τεμενεῖ̣ [ται] [- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] Ζ. 1–2: ergänzt von Rehm. Z. 3–6: von Rehm unergänzt gelassen. Z. 4/5: Λυ[σή/ους oder Λυ[σί/ου Rehm im Kommentar. Z. 6: τεμενευ̣(?) Rehm, mit der Bemerkung: „von υ̣ nur ein winziger Rest der 1. Schräghasta erhalten … Auch die immerhin mögliche Lesung τεμενει̣ hilft nicht weiter.“
Während für Rehm der Charakter der Inschrift unklar blieb und er bekennen mußte: „Vollends für die Ergänzung der verbalen Ausdrücke in Z. 3 und 6 fehlen alle Anhaltspunkte“, sind wir gerade auf Grund dieser beiden Wortreste heute in der Lage, das Fragment mit Sicherheit in die Dokumentengruppe von Τεμενεῖται-Inschriften einzureihen. Es scheint wieder eine Liste von versammelten Mitgliedern zu sein, wenn die Ergänzung [συνήχϑ]ησαν in Z. 6 richtig ist. Durch die Nennung des Stephanephoren ergibt sich die Datierung auf das Jahr 22/1 v. Chr. An der | weiteren Formulierung des Präskripts fällt auf, daß jedenfalls im erhaltenen Teil die Erwähnung des χρυσονόμος fehlt. Von größerem Interesse ist der Tatbestand, daß bei der Nennung des γραμματεύς ein Zusatz gemacht war, in dem vermutlich das Temenos, auf das sich die Aktivitäten des Vereins bezogen, spezifiziert war36. Leider wird uns durch die Verstümmelung des Steins gerade dieses Detail vorenthalten. 5. Fragment einer Stele aus grauem Marmor; rechts und oben Rand (oben abgeschlagenes Profil), links und unten gebrochen. H. 43, B. 25, D. 11 cm; Buchstabenhöhe ca. 2, Zeilenabstand 0,5–1 cm, Ritzlinien. Der in Milet an unbekannter Stelle gefundene
einzelnen Gottheiten gesonderte Temene abgegrenzt waren, deren Pflege dann besonderen Vereinen anvertraut wurde. 36 Rehm hatte im Hinblick auf die Fundstelle τ[οῦ Εὐ/μένους] erwogen, freilich die Schwierigkeiten bezüglich der Datierung hervorgehoben. Die Ergänzung dürfte auch für das Zeilenende zu lang sein.
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Stein befindet sich jetzt im Basmane-Museum von İzmir (Inv.-Nr. Milet 807 = İzmir 2823). Abb. 5. {Milet VI 2 n. 802} [Ἐπὶ? ca. 12 ?στ]εφανηφόρου Ἀντι [ χ]ρυσονομῶν [ ]ε̣ ίου ἀνέστησεν τὴν 4 [ ]ΙΑ τῶν Τεμε?νειτῶ]ν. [ vacat? [Ἐπὶ στεφανηφόρου Ἀ]ρτέμωνος τοῦ Ἀ [φροδισίου, χρυσονομο]ῦντος Τιμοσϑέ 8 [νους , γραμματ]εύοντος Διονυσι̣ [ ] Ἀπατουρίου καὶ [ ]ωνος ἠγοράσϑη{ι} ὁ̣ ]τηι τοῦ χρυσονόμ[ου] [τόπος? Ζ. 3 Anfang: vor I sind Reste waagerechter Striche oben und unten erhalten; wegen der durchgehenden Verwendung des lunaren Sigma ist E wahrscheinlicher. Sollte man im Hinblick auf 3, 7 an μνημ]είου denken? Z. 4 Anfang: der Rest eines senkrechten Striches vor A kann zu einem breiteren Buchstaben gehört haben. Z. 4/5: hier wäre auch τεμε[νιζόντων möglich. Z. 10 Ende: Nach H deutlich ein I, danach Rest einer ganz kleinen Rundung.
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Die ungefähre Zeilenlänge ergibt sich aus der Ergänzung in Z. 6, wonach dann auch der ergänzte Vatersname des Stephanephoren gut in den verfügbaren Platz paßt. Man erhält damit eine Datierung auf das Jahr 49/8 v. Chr.37, die in die Nachbarschaft der Eintragung 2 führen könnte. Wenn man dieselbe Textbreite auch für die darüberstehende Eintragung der Zeilen 1–5 voraussetzt, ergeben sich allerdings Schwierigkeiten für den Aufbau des Formulars: Es wäre ganz ungewöhn|lich, daß in der Datierungsformel unter Umkehrung der üblichen Wortfolge ἐπὶ τοῦ δεῖνος στεφανηφόρου gesagt würde; den auf στεφανηφόρου folgenden Namensanfang möchte man aber u. U. lieber zu dem nachfolgenden χρυσονομῶν ziehen. Eine Erklärung ist hier wohl nur unter Annahme eines irgendwie abweichenden Aufbaus der Eintragung möglich38. 37 Milet I 3 n. 126, 7 Ἀρτέμων Ἀφροδισίου. Man vgl. IvDidyma 307 B I, wo er zusammen mit seinem Amtsvorgänger Apollonios genannt wird. 38 Die Schriftanordnung zeigt jedenfalls, daß bei der Eintragung der Zeilen 1–5 die Zeilenenden variieren, so daß man an symmetrische Verteilung (vgl. oben die Eintragung a) denken könnte. Um eine Umkehrung der Abfolge in der Stephanephoren-Nennung zu vermeiden, tendiere ich dahin, doch die Konstruktion ἐπὶ στ]εφανηφόρου Ἀντι[ vorauszusetzen. Dann wäre entweder die Zeile 1 links kürzer anzunehmen (was wenig wahrscheinlich ist), oder vor ἐπί noch irgendetwas anderes anzusetzen. Man könnte vielleicht erwägen, ob der Name des χρυσονόμος an die Spitze gestellt war, obwohl er dann von der Funktionsangabe durch das Datum getrennt war. Ist Ἀντι[ der Anfang eines Stephanephorennamens, böte sich dafür Ἀντιφῶν Δοκίμου τοῦ Ἀντιφῶντος an, der 55/4 v. Chr. im Amt war
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Abweichend von dem uns bisher geläufigen Formular ist ja auch sonst der Charakter dieser zwei Eintragungen. In der ersten wird von der Aufstellung oder Errichtung einer Anlage berichtet, die ein amtierender χρυσονόμος vielleicht zusammen mit den Τεμενεῖται vorgenommen hat, in der zweiten geht es um einen Kauf, vielleicht eines Grundstücks. Für den zweiten Fall kann auf eine ähnliche Formulierung in dem didymäischen Dekret zu Ehren des Athenagoras verwiesen werden, die von Rehm auf den Erwerb von Grundstücken zur Einrichtung des Temenos bezogen worden ist39. Bei unserem Fragment muß freilich in beiden Fällen die Frage, um was für einen Platz bzw. um was für eine Anlage es sich gehandelt hat, offen bleiben, umso mehr, als auch über die Herkunft des Steines nichts bekannt ist. 6. Fragment einer Inschrift auf einem im Archiv der IG in Berlin40 erhaltenen Blatt mit der Überschrift „Prope Miletum“. Schedae Cossoni Cuperianae (bibl. Haag.). Es handelt sich danach um eine von dem holländischen Kaufmann Daniel Cosson († 1689) angefertigte Abschrift, die in der Bibliothek von Den Haag unter den Collectanea von Gisbert Cuper aufbewahrt ist41. Ich gebe links die Berliner Abschrift wieder und setze daneben den Versuch einer Umschrift. {Milet VI 2 n. 803} 4 8
. . . . ΕΠΙΣΣΤΕΦΑΝ . . . . . . . Ἐπὶ{σ} στεφαν[ηφόρου . . . . ΙΦΟΡΟYΦΙΛΟΞΙ . . . . . Ιφόρου(?) Φιλοξέ̣ [νου? . . . . ΟΥΧΡΥΣΟΝΟ . . . . . . . ου χρυσονο[μοῦντος . . . . ΕΥΠΟΡΟΣ . . . . . . . . . . Εὔπορος [ . . . . ΓΑΡΥΛΑΣ . . . . . . . . . . Γαρύλας (?) [ . . . . ΤΙΜΑΡΧΟΣ . . . . . . . . Τίμαρχος [ . . . . ΑΝΤΙΠΑΤΡΟΣ . . . . . . Ἀντίπατρος [ . . . . . ΕΥΜΕΩ . . . . . . . . . ? . . . . ΤΗΣΩΝ . . . . . . . . . . [Κ]τήσων [ . . . . ΤΕΜΕΛΗΤΩΝ . . . . . . Τεμε‹νι›τῶν [
(Milet I 3 n. 125, 46). Eine Ergänzung Ἀντι/[φῶντος τοῦ Δοκίμου] würde sogar die Zeile 2 etwa auf dieselbe Länge bringen wie die Zeilen 6–7. 39 IvDidyma 486, 25: [προ]σηγόρασε τὸμ πρ[οσ]εχῆ τόπον …, wobei unmittelbar vorausgeht … πᾶσαν τῆς χρ[υ]σονομί[α]ς. 40 Ich konnte das dortige auf Milet bezügliche Material im Jahre 1965 dank der freundlichen Erlaubnis und Mithilfe von G. Klaffenbach durchsehen und aufnehmen. 41 Zu Daniel Cosson s. Th. Mommsen, CIL III 2 (1873) p. 770: „Daniel Cosson mercator natione Batavus Leida oriundus, per multos annos Smyrnae degens ibique a. 1689 interfectus a piratis …“ Wie Mommsen CIL III 1 p. XXI mitteilt, sind ihm die unter den Papieren Cupers befindlichen Abschriften Cossons von der Bibliothek in Den Haag nach Berlin übersandt worden. Bei dieser Gelegenheit ist offensichtlich die Abschrift des obigen Textes (zusammen mit mehreren anderen Inschriftenkopien) dem Archiv der IG einverleibt worden. [S. jetzt I. H. M. Hendriks, ZPE 40, 1980, 187–206.]
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Daß auch dieser Text unserer Inschriftengruppe zugehört, wird durch das Auftauchen des χρυσονόμος in Z. 3 erwiesen. Dann erkennt man unschwer in der letzten Zeile eine leicht entstellte Lesung des Wortes Τεμενιτῶν (das einzige unter unseren Beispielen, das damit die nach den Grammatikern korrekte Schreibung mit Iota bietet). Dazwischen erscheint eine Namensliste42, so daß man an eine Eintragung nach Art der Texte 1 und 2 zu denken hat. Freilich ergeben sich dann wieder Schwierigkeiten im Hinblick auf die Rekonstruktion des Präskripts. Obwohl die Abschrift andeutet, daß links und rechts Textverlust eingetreten ist, hat man den Eindruck, daß mit ἐπί in Z. 1 der Text beginnt. Aber wo ist der Stephanephorenname, der vor χρυσονομοῦντος in Z. 3 zu erwarten wäre? Die Reste der Zeile 2 sind in dieser Hinsicht schwer zu deuten, und man könnte vermuten, daß sich in die Abschrift irgendein Versehen eingeschlichen hat. Vielleicht war auch das Präskript breiter angelegt und die Namensliste darunter auf zwei Kolumnen verteilt wie oben im Text 243. Man wird die Fragen offen lassen müssen, es sei denn, daß durch einen glücklichen Zufall eines Tages der Stein selbst oder eine weitere Abschrift auftaucht.
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Soweit das mir im Moment bekannte Material, das sich mit Sicherheit dieser Inschriftengruppe zuweisen läßt. Was kann man daraus nun an Erkenntnissen für die Geschichte milesischer Kulte und Kulteinrichtungen ableiten? Die Zusammengehörigkeit des Materials auf Grund der gemeinsamen Elemente des Formulars ist wohl deutlich geworden. Ebenso wird als sicher anzusehen sein, daß wir durch diese Inschriften in den Bereich der Vereinsorganisation geführt werden, also nicht Elemente der unmittelbaren staatlichen Kultorganisation vor uns haben, sondern der privaten Initiative auf der Grundlage eines entsprechenden Zusammenschlusses von Bürgern und, wie in einem Fall (Text 2) zu sehen war, unter Beteiligung von Fremden und Frauen. Besteht aber auch Gemeinsamkeit der Sache nach, mit anderen Worten: sind alle diese Dokumente auf die Tätigkeit eines und desselben Vereins zu beziehen? Hier ist zunächst das Nebeneinander der Vereinsbenennungen τεμενίζοντες und Τεμεν(ε)ῖται zu bedenken, zusammen mit der zeitlichen Verteilung der Texte zwischen dem frühen 2. und dem ausgehenden 1. Jh. v. Chr. Wenn A. Rehm 42 Diese Namensliste enthält neben dem für Milet seltenen Namen Εὔπορος (bezeugt durch die jetzt in İzmir befindliche Grabinschrift Inv.-Nr. 1087 a 7, die in diesem Band S. 96 Nr. 3 veröffentlicht wird {Milet VI 2 n. 564}; vgl. auch IG II2 9603) eine, soweit ich sehe, überhaupt unbekannte Namensform Γαρυλας – wenn das Wort richtig gelesen ist – und einen nicht deutbaren Namensrest in Z. 8. 43 Sollte der Stephanephorenname in Z. 2 stecken, müßte man einen Namen auf -φορος suchen. Aber Ἐλπιδηφόρος, das in Milet einmal belegt ist, führt nicht weiter; überdies wäre der Anschluß des Patronymikons Φιλοξέ̣ [νου ohne τοῦ störend. Sehr viel glatter ginge es, könnte man Z. 2 mit Z. 1 als deren unmittelbare Fortsetzung verknüpfen: Ἐπὶ στεφανη̣φόρου Φιλοξε[… Es gibt zwar keinen uns bekannten Stephanephoren Philoxenos, aber man könnte dann u. U. Verlesung für Φιλοσ̣τ̣ [ράτου annehmen, womit man auf 24/3 v. Chr. käme, ein Jahr in der Nachbarschaft der Eintragung 4. Es macht aber Schwierigkeiten, diese Spekulation – ausgehend von der uns vorliegenden Abschrift – in den materiellen Befund des einmal vorhandenen Steines umzusetzen.
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τεμενίζοντες als „Verein zur Errichtung einer Kultstätte“ interpretiert hat, so kann der jetzt hinzugekommene Begriff Τεμεν(ε)ῖται doch von dieser Vorstellung abführen und an eine Verbindung von Leuten denken lassen, die sich nicht die Neuanlage, sondern die Pflege eines bestehenden Temenos angelegen sein lassen44. Man könnte sich vorstellen, daß der eine Vereinstyp sozusagen in den anderen übergeht, wenn die Aufgabe der Einrichtung des Temenos erfüllt ist. Freilich scheinen sich die aus dem Beschluß von 188/7 bekannten τεμενίζοντες auch im 1. Jh. noch ebenso genannt zu haben, wenn der Text 1 auf Grund der im Kommentar erwähnten prosopographischen Beziehung zu 2 so weit herunterzudatieren ist. Andererseits haben alle anderen sicher in das 1. Jh. zu datierenden Texte immer Τεμεν(ε)ῖται. Die Frage der Identität des Vereins ist von diesen Begriffen her nicht zu lösen. Immerhin kann bei der Organisation der τεμενίζοντες möglicherweise eine recht lange Kontinuität vom 2. in das 1. Jh. v. Chr. konstatiert werden. Das eigentliche Problem der Zusammengehörigkeit der Urkunden unter dem Blickpunkt der Identität des Vereins wird indessen durch die Frage nach den Gottheiten, auf deren Temenos sich die Tätigkeit der τεμενίζοντες oder Τεμεν(ε)ῖται bezieht, aufgeworfen. Wir sahen, daß die Inschrift der τεμενίζοντες aus Didyma (IvDidyma 486), die Aphrodite und Apollon Didymeus anführt, nur in der Inschrift 1 durch Nennung derselben Götternamen (mit Umkehrung der Reihenfolge, Wegfall des Beinamens Didymeus, Hinzufügung des Zeus) eine annähernde Parallele findet, wobei das gleichzeitig der einzige deutliche Paralleltext mit der Form τεμενίζοντες ist. Dem stehen im Text 3 die Τεμενεῖται gegenüber, die als ihre Gottheiten Apollon Didymeus und Demeter Karpophoros angeben. In den übrigen Inschriften ist kein Göttername erhalten; er braucht auch, wie der Text 2 zeigt, gar | nicht immer aufgeführt worden zu sein. Man könnte danach an ein Nebeneinander von zwei Vereinen denken: von τεμενίζοντες, die sich im 2. Jh. v. Chr. zunächst auf Aphrodite bezogen, später auch Zeus mit erfaßten, und von Τεμενῖται, bei denen es um Demeter Karpophoros ging, wobei dann in beiden Fällen noch der Apollon Didymeus – um mit Rehm zu sprechen – „ehrenhalber hereingenommen“ wurde. Vielleicht ist aber über diesen Vorschlag hinaus für Milet noch eine größere Reichhaltigkeit an Temeniten-Vereinen anzunehmen, die irgendwie parallel organisiert, aber im Hinblick auf die jeweiligen Gottheiten differenziert waren. Es ist immerhin darauf hinzuweisen, daß wir durch Inschriften nicht aus Milet selbst, sondern vom Südteil der Halbinsel, Kunde haben von mehreren als Temenos bezeichneten und durch eigene Grenzsteine abgetrennten Anlagen, die zumindest eine gewisse Vielfalt 44 Hier sei an die Erklärung „Stifter oder Hüter eines τέμενος“ erinnert, die S. Wide, Lakonische Kulte 297 für den Namen des spartanischen Heros Temenios gegeben hat und die dann von Ziehen (RE III A 1505) und gr. Kruse (RE V A 1 434) auch auf den Götterbeinamen Τεμενίτης übertragen worden ist (s. o. Anm. 17). – Es ist natürlich nicht nötig, für die im Corpus Hermeticum für Ägypten genannten Τεμενῖται genau dieselbe Bedeutung im Sinne eines Vereins anzunehmen. Dort könnten damit durchaus „zu einem Temenos Gehörige“, also am ehesten Kultpersonal, gemeint sein, s. o. S. 362.
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solcher heiliger Bezirke erkennen lassen. Ich meine die IvDidyma 66–71 zusammengestellte Gruppe von Horoi, in der mit vier Exemplaren ein τέμενος Ἀργασέων, also eines Demos45, mit je einem ein τέμενος Ἀπόλλωνος Πεδανασσέως46 und ein nur als ἱερόν bezeichnetes Temenos belegt sind. Dazu ist vor einigen Jahren durch einen Neufund in Didyma ein ὅρος τεμένους τῶν Ἀριστοδήμου προσεταίρων aus frühhellenistischer Zeit gekommen, bei dem von der Formulierung her nicht mit Sicherheit auszumachen ist, wer hier „Inhaber“ des Temenos (und damit Empfänger eines Kultes) ist und wer die „Pfleger“ desselben sind47. Von daher wäre nicht auszuschließen, daß der Vereinsname Temenitai in Milet eine noch größere Verbreitung hatte, daß er sich auf unterschiedliche Kultstätten, die u. U. bis in den Bereich des Heroenkultes hineinreichten, bezog und dann, wenn es sich nicht aus der Anbringung der Inschrift ergab, in den jeweiligen Dokumenten durch entsprechende Angaben spezifiziert werden mußte48. Mit der Frage der ursprünglichen Anbringung der auf uns gekommenen Inschriften ist ein letztes Problem angeschnitten, das uns durch diese Gattung von Aufzeichnungen gestellt wird. Es sind, soweit wir erkennen konnten, Listen von „versammelten“ Vereinsmitgliedern, aufgezeichnet gelegentlich einer besonderen, vermutlich jährlichen Zusammenkunft. In einem Falle (5) waren es zwei Eintragungen, die von (Grundstücks?-)Kauf und Einrichtung oder Errichtung einer bestimmten Anlage berichten. Man könnte – vermutlich unter Beibringung von mancherlei Parallelen – die Meinung äußern, daß Eintragungen dieser Art am ehesten an einem Bauglied des betreffenden Temenos selbst angebracht waren, u. U. auch an den Wänden eines
45 IvDidyma 66–69; dazu o. S. 365 f. mit Anm. 34; unten Anm. 47. Ob dieses Temenos der Demeter Argasis geweiht war, muß dahingestellt bleiben. 46 IvDidyma 70 mit der Schreibung Πιδανασσέως („Das Iota sicher nach dem Abklatsch“). Indes habe auch ich im September 1956, als ich den immer noch an der alten Stelle befindlichen Stein – ohne Kenntnis der älteren Publikationen – abschrieb, die Schreibung mit E notiert, wie auch schon G. Cousin – G. Deschamps, BCH 18, 1894, 19 n. 6 und B. Haussoullier, RPhil 20, 1896, 95 n. 1, der sich auch auf die gleichlautenden Lesungen seiner Begleiter J. Delamarre und E. Pontremoli sowie einen Abklatsch beruft. Auch ein von mir angefertigter Abklatsch führt eher auf E als auf I. 47 Tuchelt (Anm. 1) 28 Nr. 1 h mit Tafel 8 {IvDidyma 101}. Die Interpretationsfrage ist die, ob es sich um ein durch die προσέταιροι eingerichtetes und gepflegtes Temenos für den heroisierten Stephanephoren Aristodemos von 306/5 v. Chr., eine für Milet wichtige Persönlichkeit der Diadochenzeit, handelt, oder ob die προσέταιροι um Aristodemos hier als Stifter und möglicherweise Nutznießer des Temenos einer ungenannten Gottheit zu verstehen sind. Unter dem Aspekt der „Nutzung“ könnte das τέμενος Ἀργασέων dazu eine Parallele bilden. 48 Es sei daran erinnert, daß eine Spezifizierung des τέμενος offensichtlich auch in der Inschrift 4 enthalten war. – Wenigstens am Rande soll hier auch noch auf die in Milet mehrfach belegten ἐντεμένιοι ϑεοί hingewiesen werden, d. h. offensichtlich Gottheiten, die in einem Temenos einer anderen Gottheit Aufnahme gefunden haben, etwa durch die Aufstellung von Altären, wie wir es aus dem Delphinion kennen (Milet I 3 n. 159, 2; I 7 n. 204 a 7: Asklepios πρὸ πόλεως; Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure n. 46, 4 {Milet VI 3 n. 1221, 4}).
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dort anzusetzenden „Vereinslokals“49. Das wird bei unserem milesischen Material allerdings in Frage gestellt durch den irritierenden Befund, daß zumindest bei zwei Exemplaren – einmal von den Fundangaben her (2), das andere Mal auf Grund einer Erwähnung im Text der Inschrift (3, 7) – ein Zusammenhang mit Grabanlagen angedeutet zu werden scheint. Wenn man daraus nicht einen Hinweis auf die Existenz eines dem Vereinsgründer gewidmeten Heroon ableiten will, wäre an die Möglichkeit zu denken, daß hier allgemein die Pflege und Erhaltung der Grabstätten verstorbener Vereinsangehöriger in die Aktivitäten unserer Temenitai einbezogen waren. Bei beiden Alternativen ließe sich die Abhaltung jährlicher Zusammenkünfte an Gedenktagen vorstellen50. Doch käme man damit auf jeden Fall schon in Bereiche, die von den ursprünglichen Intentionen von Vereinen, die den Begriff des Temenos und entsprechender Götternamen in ihrem Titel führen, abzulenken scheinen. Wie so oft bei unserem lückenhaften epigraphischen Material: Es bleiben viele Fragen. Aber angesichts der Tatsache, daß die hier zusammengetragene „Dokumentation“ sich erst durch Neuentdeckungen in den allerletzten Jahren zusammengefügt hat, ist in diesem Falle die Hoffnung auf weitere diesen Fragenkomplex erhellende Funde vielleicht doch etwas mehr als nur ein frommer Wunsch.
49 Dafür ist noch einmal auf die Zusammenstellungen bei F. Poland, Vereinswesen hinzuweisen: dort S. 456 f. die Belege für die Nennung eines Temenos bei Vereinen, S. 459 ff. Zusammenstellung des Materials über „Häuser“, die besonders als Orte der Zusammenkünfte und Bankette dienen. Der häufigste Begriff dafür ist einfach οἶκος: s. dazu nach M. N. Tod, JHS 54, 1934, 147 f. zuletzt L. Robert, BCH 102, 1978, 424. 50 Zur Abhaltung von Gedächtnisfeiern im Rahmen des Vereinswesens Poland a. a. O. 510 ff.
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Abb. 1: Milet Inv.-Nr. 957+240
Abb. 2: Milet Inv.-Nr. 1716
Abb. 3: Milet Inv.-Nr. 1715
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Abb. 4: Milet Inv.-Nr. 896
Abb. 5: Inv.-Nr. Milet 807 = İzmir 2823
29 Der Kaiser als Schwurgottheit Ein Inschriftenfragment aus Milet Schwurhandlungen und Eidesleistungen haben im politischen Leben der Alten Welt, besonders Griechenlands, eine wesentlich größere Rolle gespielt, als uns das heute geläufig ist1. Im besonderen kam dem in verschiedenen Situationen von Bürgern oder Beamten zu leistenden „promissorischen“ Eid, in dem ein bestimmtes künftiges Verhalten zugesichert wurde, eine hohe Bedeutung zu. Neben den inhaltlichen Aspekten der Eide verdient bei einer Betrachtung dieses Gegenstandes von Fall zu Fall auch die Frage Interesse, auf welche Gottheiten als Garanten bzw. Rächer ein Eid abgelegt wird. Ein kleines Detail aus diesem Komplex, das zugleich in den weiteren Zusammenhang des römischen Kaiserkultes hineinführt, soll auf den folgenden Seiten anhand der Veröffentlichung eines Inschriftenfragments in den Blick gerückt werden. In dem verdienstvollen RE-Artikel „Eid“ von E. Ziebarth findet sich im Anschluß an die Feststellung, daß die griechischen Staaten auch unter der römischen Herrschaft an den alten Stadtgottheiten als Schwurgöttern festhielten (V 2, 1905, 2079), die folgende Aussage: „Nur mußten sie den Umständen ein Zugeständnis machen, nämlich eine Gottheit in ihre Formeln auf|nehmen, den Genius Caesaris (…), was ihnen um so leichter wurde, als man schon vorher in dem ὅρκος βασιλικός die Gottheiten der Ptolemaeer, Seleukiden usw. unter die Schwurgötter aufgenommen hatte (…).“ Als ich mich vor mehr als 15 Jahren in der Untersuchung über das von mir als „Kaisereid“ bezeichnete Phänomen der Ablegung von Loyalitätseiden dem Princeps gegenüber mit dem dort begegnenden Tatbestand der „Nennung des Monarchen unter den Schwurgöttern“ zu befassen hatte2, kam ich zu der Erkenntnis, daß bei genauerer Betrachtung dieser von Ziebarth (und anderen) behauptete Traditionszusammenhang nicht nachgewiesen werden kann: Der βασιλικὸς ὅρκος der ptolemäisch-ägyptischen Ausprägung führt nur den Herrscher als Schwurgottheit an, nennt also keine traditionellen Gottheiten, und der Eid beim Genius des Kaisers kann zwar mit einem Beispiel der Nennung der Τύχη eines Seleukidenherrschers am Ende einer Serie von herkömmlichen Schwurgöttern3 verglichen werden, weicht aber von den E. Weber – G. Dobesch (Hrsg.), Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Festschrift für Artur Betz zur Vollendung seines 80. Lebensjahres, Wien 1985, 303–314 und 1 Abbildung. 1 An wichtigerer Literatur seien genannt: E. Ziebarth, De iureiurando in iure Graeco quaestiones, Diss. Göttingen 1892; G. Glotz, Jusjurandum (Ὅρκος) – Grèce, in Daremberg – Saglio – Pottier, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines III, 1900, 748–769; R. Hirzel, Der Eid, Leipzig 1902; J. Plescia, The Oath and Perjury in Ancient Greece, Tallahassee/Florida 1970. 2 P. Herrmann, Der römische Kaisereid. Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung (Hypomnemata Heft 20), Göttingen 1968, 45–49. 3 OGI 229, 61 = Th. Ihnken, Die Inschriften von Magnesia am Sipylos (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 8), Bonn 1978, n. 1 mit dem Kommentar S. 92.
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von Ziebarth beigebrachten Beispielen, eben den „Kaisereiden“, gerade darin ab, daß dort der Kaiser (Augustus) selbst, nicht seine Τύχη oder sein Genius, nach anderen Schwurgöttern aufgeführt wird. Demgegenüber konnte ich darauf hinweisen, daß neben den drei inschriftlich erhaltenen Exemplaren der „Kaisereide“ in griechischer Fassung (Assos, Phazimon-Neapolis, Palaipaphos) zwei weitere Inschriftenfragmente augusteischer Zeit Eidesformeln | belegen, in denen der Kaiser nach anderen Gottheiten als Schwurgott erscheint. Das führte mich zu der Folgerung, „daß diese Einzelheit jedenfalls kein Spezifikum des Kaisereides ist, sondern daß sie in den weiteren Rahmen eines bestimmten Aspektes der (kultischen) Ehrung des Kaisers überhaupt gehört“. Auf die damals nur beiläufig erwähnten Beispiele möchte ich heute zurückkommen und bei dieser Gelegenheit das dort genannte noch unpublizierte Exemplar aus Milet im vollen Umfang vorlegen. Schon länger bekannt ist ein stark verstümmeltes in Mytilene auf Lesbos gefundenes Psephisma, das seinerzeit durch C. Cichorius in eindringender Interpretation als Ehrenbeschluß für Augustus aus dem Jahre 27 v. Chr. oder kurz danach gedeutet wurde4. Es ist allerdings nicht zu erkennen, von welcher Stadt der Beschluß ausgeht; gegen die Zuweisung an Mytilene bleiben auf jeden Fall berechtigte Zweifel5. Soweit zu erkennen ist, geht es in dem Dekret um die Einrichtung von penteterischen (?) Spielen, ἀγῶνες ϑυμελικοί (Z. 8), zu Ehren des Augustus, um deren öffentliche Bekanntgabe in vielen Städten des Reiches (von Antiochia in Syrien bis Massilia und Tarraco im Westen: Z. 10–14), weiter um die monatliche Feier des Geburtstages des Kaisers (Z. 19–28). In diese Bestimmungen eingeschoben ist nun die Anordnung einer Eides|leistung, bei der offenbar hinzugesetzt wird, daß als Schwurgottheit neben die πάτριοι ϑεοί der Kaiser treten solle (Z. 15 f.): ὅρκον δὲ εἶναι τῶν ΔI/[- - - Lücke von ca. 50 Buchstaben - - ὀμν]υ̣ομένων σὺν τοῖς πατρίοις ϑεοῖς καὶ τὸν Σεβασ/[τόν. Ein – wenn vielleicht auch nur summarischer – Hinweis auf den Inhalt des Eides ist möglicherweise in der großen Lücke verloren gegangen. Was den zur Eidesleistung verpflichteten Personenkreis angeht, so ist man seit Cichorius auf die Ergänzungen δι[καστῶν] oder δι[καζόντων] fixiert, obwohl damit eine sachlich schwer verständliche Unterbrechung des Zusammenhangs in Kauf genommen werden muß6. Angesichts der vielfältigen Ergänzungsmöglichkeiten der am Zeilenende erhaltenen Silbe δι[ meine ich indes, daß die Lösung in einer ausgreifenderen Nennung der zuständigen Beamtenschaft bzw. der für die (künftige) Durchführung des Beschlusses Verantwortlichen zu
4 C. Cichorius, Rom und Mytilene, Leipzig 1888, 30–41. Neuere Abdrucke des Textes: IG XII 1, 58 (vgl. XII Suppl. p. 13); OGI 456; IGR IV 39. 5 Vgl. besonders W. R. Paton in IG XII 1: „cuiusnam ex Asiae urbibus hoc decretum sit, statuere nequeo“; L. Robert, REA 62, 1960, 318 Anm. 5 (OMS II 834). Für Herkunft aus Mytilene selbst haben sich nach Cichorius Dittenberger (OGI) und Lafaye (IGR) ausgesprochen. 6 Vgl. Dittenberger, Anm. 1: „Quod contra quo pacto praeceptum de iureiurando iudicum medio inter iciatur sacrificiorum ordini non perspicio.“
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suchen ist7, ohne daß ich einen ganz überzeugenden Ergänzungsvorschlag machen kann8. Festzuhalten ist jedenfalls, daß hier die Hinzufügung des Kaisers zu den traditionellen (πάτριοι) städtischen | Schwurgottheiten in einem auf ein Kaiserfest bezüglichen Zusammenhang erfolgt. Dazu besteht in dem betreffenden Ort offenbar auch bereits ein dem Kaiser geweihter Tempel, der unmittelbar vor dem oben zitierten Passus (Z. 15) als Ort von Opfern oder eben der Eidesleistung genannt gewesen zu sein scheint: - -]ς καὶ ἐν τῷ τοῦ Σεβαστοῦ9. Das heißt, man kann wohl die bei Glotz (s. Anm. 1, S. 749) ausgesprochene „règle générale: on ne jure point par une divinité qui n’a pas de sanctuaire dans la cité“ auch auf unseren Fall anwenden. Von der inhaltlichen Begründung abgesehen setzt die Aufnahme des Kaisers als Schwurgottheit die Existenz einer Stätte des Kaiserkultes voraus, und tatsächlich ist in dem Fragment aus Mytilene auch zweimal vom ἀρχιερεύς die Rede (Z. 9 u. 24). Auf der Rückseite derselben Stele ist in besserer Erhaltung der Schlußteil eines Dekrets zu lesen, das sich auf eine Dankgesandtschaft an den Kaiser bezieht, wobei übrigens erbeten werden soll, Abschriften des Beschlusses in seinem Hause und auf dem Kapitol anbringen zu lassen. In sehr emphatischen Formulierungen wird dabei zum Ausdruck gebracht, daß eine angemessene Würdigung der geradezu gottgleichen Leistungen des Geehrten eigentlich nicht möglich sei, daß man aber bereit sei, in Zukunft jede Möglichkeit einer weiteren Steigerung seiner göttlichen Ehren | wahrzunehmen10. Das gibt einen Hinweis auf die Bedeutung des ganzen Vorgangs in der Sicht der betreffenden Stadt. Ich lasse nun die Vorlage des Inschriftenfragments aus Milet folgen: Zwei aneinanderpassende Fragmente aus grauem Marmor, rechts Rand, sonst auf allen Seiten gebrochen; gefunden in Milet, jetzt im Archäologischen Museum von İzmir aufbewahrt (Abb. 1). 7 Man vgl. schon die Vermutung von Cichorius a. a. O. 36: „… Aufnahme des Kaisernamens in die Eidformel τῶν δι[καστῶν], jedenfalls auch in die der anderen Behörden“. 8 Zu erwägen wären eventuell Wendungen wie τῶν δι[αδεχόμενων (z. B. τὰς ἀρχάς) oder auch τῶν δι[οικούντων … Möglicherweise ist auch schon der vorhergehende Satz τὰς δὲ κατ’ ἐνιαυτόν [- - nicht auf Opfer (ϑυσίας) zu beziehen, sondern die jährlich wechselnde Beamtenschaft (συναρχίας: dazu zuletzt R. Merkelbach, ZPE 8, 1971, 103 und H. W. Pleket, Talanta 10/11, 1978/9, 81 mit Verweisen auf Beiträge L. Roberts). 9 Paton und Dittenberger beziehen die Aussage auf jährlich durchzuführende Opfer (ϑυσίας: s. Anm. 8) und ergänzen dann ἐν τῷ ναῷ τοῦ Διὸ]ς κτλ. Zeus (als Hauptgottheit der Stadt?) erscheint in dem Fragment auch sonst (Z. 21, dazu Z. 8 ὁ Διακὸς νόμος). L. Robert (vgl. Anm. 5) vermutet, daß dem Beschluß die Assimilation des Augustus mit Zeus Eleutherios zugrunde liegt. 10 IG XII 2, 58 b 9–15 εἰ δέ τι τούτων ἐπικυδέστερον τοῖς μετέπειτα χρόνοις εὑρεϑήσεται, πρὸς μη[δὲν] τῶν ϑεοποιεῖν αὐτὸν ἐπὶ [πλέ]ον δυνησομένων ἐλλείψειν τὴν τῆς πόλεως προϑυμίαν καὶ εὐσέβειαν. Vgl. dazu die englische Übersetzung bei S. R. F. Price, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984, 55, wo auf die ähnlichen Formulierungen in der bekannten Dokumentation über den Kalendererlaß für die Provinz Asia vom Jahre 10/9 v. Chr. hingewiesen wird (OGI 458; s. U. Laffi, StClOr 16, 1967, 5–98 {IvPriene (2014) 14}).
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a: Inv.-Nr. Milet 477 = İzmir 2960. Höhe 16,5 cm, Breite 24,5 cm, Dicke 6 cm; gefunden 25. 9. 1903 „an der Gotenmauer“. Der Fund wurde erwähnt im 4. Milet-Bericht (SBBerlin 1905, 535): „das Fragment eines Schwures an Apollon“. b: Inv.-Nr. Milet 716 = İzmir 2898. Höhe 13 cm, Breite 20 cm, Dicke 6 cm; gefunden 11. 10. 1904 „beim Athena-Tempel in einer türkischen Mauer“. Die Buchstabenhöhe beträgt ca. 1 cm. In dem folgenden Textabdruck ist die Grenze zwischen den Fragmenten a und b durch das Zeichen / markiert. {Milet VI 3 n. 1044 mit Taf. 6} 309
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a b ἡμέραι ΜΕ . . ] π̣ρὸ τοῦ π . . . /. . . ϑ̣ ῆν[α]ι ἢ ἀποδειχϑῆ ναι – – –] εἰσόδους ἵστασϑαι π/α̣ρὰ τῶι βωμῶι ἐπανα[ . ] 4 ὁρκίζ]εσϑαι ὑπὸ τοῦ ἀρχιέρε/ω καὶ τῶν ἐξιόντω[ν] ] διὰ τοῦ ἱεροκήρυκος ἐπ/ὶ ἱερῶν ἐνπύρων το[ . ] ὅρκο]ν̣ · ὀμνύω τὸν Ἀπόλλ[ω]ν[α] / τὸν Διδυμέα κα[ὶ . . ] Κ]αίσαρα φυλάξειν τὴν̣ ἐψ/ηφισμένην̣ [ ] 8 τῶν ἐγκ]υκλίων τελῶν καὶ πάντ/[α] πράξε̣ [ιν ] ] κα]ὶ ἀμυνεῖν τῶι ψηφίσμα̣τ̣ ι /[ ]οδοσίαν ποιήσεσϑ̣ [αι ] τῆς πόλεως ἀπ̣[ 12 Ε̣ ΙΝ̣Ε̣ Auf eine Ergänzung des Textes verzichte ich vor allem auch deshalb, weil ich die Zeilenlänge als ungeklärt betrachte. Es ist nicht auszuschließen, daß es sich um eine Stele von größerer Breite gehandelt hat11. Was die Datierung angeht, so scheinen mir | Inhalt, Buchstabenformen und orthographische Aspekte deutlich auf die augusteische Zeit zu weisen12.
11 Für die Zeilen 4–8 ließe sich immerhin ein Text mit relativ kurzer Zeilenlänge herstellen: ὁρκίζ]εσϑαι ὑπὸ τοῦ ἀρχιέρεω καὶ τῶν ἐξιόντω[ν] [ἀρχόντων] διὰ τοῦ ἱεροκήρυκος ἐπὶ ἱερῶν ἐνπύρων τό[ν][δε τὸν ὅρκο]ν· ὀμνύω τὸν Ἀπόλλ[ω]ν[α] τὸν Διδυμέα κα[ὶ Σε][βαστὸν Κ]αίσαρα φυλάξειν τὴν ἐψηφισμένην [διάτα][ξιν τῶν ἐγκ]υκλίων τελῶν … Ich habe aber das Gefühl, daß für die vorhergehenden Zeilen längere Ergänzungen erforderlich wären. Die Zeilenlänge wird entsprechend erhöht, wenn man im Übergang von Z. 6 auf 7 zwischen die Nennung des Apollon Didymeus und des Augustus auch noch die Artemis Pythie einschiebt (dazu N. Ehrhardt, Milet und seine Kolonien. Vergleichende Untersuchungen der kultischen und politischen Einrichtungen [Europ. Hochschulschr. III 206], 1983, 148). 12 Zu beachten ist die durchgehende Schreibung des Iota adscriptum. Auch die von einem Nominativ ἀρχιέρεως abzuleitende Genetivform ἀρχιέρεω Z. 4 macht einen älteren Eindruck, besonders, wenn man sie mit der im 2. Jhdt. v. Chr. bezeugten Form ἰέρεω in Verbindung setzt (vgl. A. Scherer, Zur Laut-
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Der Zusammenhang, in den uns das arg verstümmelte Fragment hineinführt, läßt detaillierte Regelungen über eine Eidesleistung erkennen: angeführt werden die Lokalitäten (Z. 3), das zur Schwurhandlung gehörige Opfer (Z. 5)13, die zu beteiligenden Funktionäre (Z. 4–5), wobei die Nennung des ἀρχιερεύς an erster Stelle Beachtung verdient. Die Erwähnung von abtretenden Beamten (Z. 4) zusammen mit der Angabe, daß die Eidesleistung offenbar vor Amtsantritt, ja vor der „Ernennung“ bestimmter Personen zu erfolgen habe (Z. 2), läßt an einen von Beamten zu leistenden Eid denken. Ich halte es aber für möglich, daß der Personenkreis noch weiter reichte: Wir haben nicht ganz wenige Fälle, wo ganze Bürgerschaften und gerade auch die jährlich nachwachsenden Jungbürger (Epheben) auf für den Staat grundlegende Prinzipien oder Regelungen eingeschworen wurden14. Für sehr wichtig wurden nun | offensichtlich auch in Milet die zu beschwörenden Regelungen angesehen, die – soweit sich erkennen läßt – speziell in einem Psephisma enthalten waren, zu dessen Bewahrung und Verteidigung der Schwörende sich verpflichten mußte (Z. 7–9)15. Das einzige uns erkennbare Detail betrifft Steuer- bzw. Finanzdinge, eine Regelung bezüglich der ἐγκύκλια τέλη (Z. 8). Es ist zu vermuten, daß der Begriff, der in Milet immerhin schon einmal mit der Nennung der ταμίαι τῶν ἐγκυκλίων in hellenistischer Zeit belegt war, hier eine sehr generelle Bedeutung im Sinne „laufender Staatseinnahmen“16 besitzt. Wie ist nun mit diesen der Inschrift entnommenen Hinweisen die Tatsache zu kombinieren, daß auch in diesem milesischen Eid der Kaiser, wie ich meine: Augustus, als Schwurgottheit mit dem Apollon von Di|dyma verbunden wird? Vermutlich doch
und Formenlehre der milesischen Inschriften, Diss. München 1934, 30 f.; B. Bondesson, De sonis et formis titulorum Milesiorum Didymaeorumque, Diss. Lund 1936, 150 f.). Ich finde in Milet sonst nur die Form ἀρχιερεύς, ἀρχιερέως belegt, schon bei dem wohl ältesten Beleg für C. Iulius Eukrates (Milet I 2 n. 7, 4). 13 Für Eidesleistungen κατὰ ἱερῶν καιομένων bzw. νεοκαύτων vgl. Glotz (s. Anm. 1) 751; J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I, 1983, 215 Anm. 8. Für ἔμπυρα vgl. Polyb. XVI 31, 7, App. Iber. 34. 14 Man vgl. dazu E. Ziebarth, Aus dem griech. Schulwesen, 21914, 163–4 (mit Verweis auf ÖJh 13, 1910, 108, wo ich die Ergänzung für besser halte als in IvEphesos 1382); P. Herrmann, Der römische Kaisereid 32 ff. Gerade aus Milet haben wir das Beispiel einer Vereidigung der Bürgerschaft und der Epheben auf die Loyalität gegenüber Ptolemaios II. (Milet I 3 n. 139, 44–51, dazu Herrmann, Kaisereid 37–40). Das in Z. 1 unserer Inschrift erhaltene ἡμέραι ließe sich leicht zu einer entsprechenden Wendung ergänzen: vgl. AM 75, 1960, 71 B 2–4 {IG XII 6,1, 7, 33–35}. 15 Ob zu demselben Detail auch eine Verpflichtung [μὴ πρ]οδοσίαν ποιήσεσϑαι (Z. 10) gehörte, muß dahingestellt bleiben. Ich halte es für möglich, daß ein anderes Kompositum von -δοσία zu ergänzen ist. 16 So die Übersetzung des Beleges von E. Ziebarth (a. Anm. 14 a. O. 3) in der Schulstiftung des Eudemos von 200/199 (Milet I 3 n. 145, 10 = Syll.3 577); man vgl. auch A. Rehm, IvDidyma p. 281b. Sonst, besonders bei den Belegen aus Delos (IG XI 2, 161 A 36; 203 A 29; 287 A 39; I. Délos 368, 40), hat man den Eindruck, daß die auch bei Ps.-Aristot. Oecon. II 1, 4 (1346 a 5) begegnende Steuerkategorie der ἐγκύκλια eher nur eine eingeschränkte Form von Spezialsteuern darstellt (vgl. Th. Homolle, BCH 14, 1890, 455 Anm. 2; A. Andreades, Gesch. d. griech. Staatswirtschaft I, 1931, 157–9). In generellem Sinne zu verstehen ist vielleicht auch die in Syros bezeugte ἐνκύκλιος διοίκησις (IG XII 5, 653, 56. 63).
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wohl auf Grund der Annahme, daß auch die zu beschwörenden Regelungen einen wesentlichen Bezug zur Person des Kaisers hatten, wobei es naheliegt, an das komplexe Thema des Kaiserkultes zu denken. Da es um regelmäßig anfallende Leistungen zu gehen scheint, kommt am ehesten ein jährliches Fest zu Ehren des Kaisers in Betracht, mit Opfern und eventuell auch Wettkämpfen. Es scheint mir nun sehr wahrscheinlich, daß die Regelung, auf die sich die Inschrift bezieht, in irgendeinem sachlichen Zusammenhang steht zu einigen Andeutungen über die Frühgeschichte des Kaiserkultes in Milet, die wir einem schon länger bekannten Text von der Wand des Sitzungsgebäudes des Rathauses entnehmen können. Es geht dort um die Ehrung einer prominenten milesischen Familie, die seit Caesar den regierenden Kreisen Roms eng verbunden war, des C. Iulius Apollonios und seiner Söhne Eukrates und Epikrates17. In einem vermutlich auf C. Iulius Eukrates bezüglichen Dekretfragment werden die Verdienste des Geehrten um die Stadt wortreich geschildert, die in Zuwendungen und Wohltaten bestanden, besonders aber auch der Wahrnehmung seiner guten Beziehungen zu den ἡγούμενοι in Rom, seinem „unaufhörlichen“ (ἀδιαλείπτως) Engagement in der Übernahme von Gesandtschaften und Rechtsvertretungen der Stadt (πρεσβεῖαι und ἐγδικίαι). „Dadurch“, heißt es dann, „haben die Einnahmen des Gottes und des Volkes durch ihn eine Vermehrung erfahren und konnten der Tempel des Apollon von | Didyma wie (der) des Augustus und die Stadt durch Weihungen ausgeschmückt werden“ (ἐξ ὧν συμβαίνει εὐξῆσϑαι μὲν τὰς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ δήμου προσόδους ὑπ’ αὐτοῦ καὶ κεκοσμῆσϑαι ἀναϑήμασι τόν τε νεὼ τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Διδυμέως καϑὼς τοῦ Σεβαστοῦ καὶ τὴν πόλιν). Hier finden wir also die Erwähnung einer Kultstätte des Augustus, wie sie auch bei unserem neuen Dekretfragment vorauszusetzen ist18. Mehr noch: die Erwähnung des ἀρχιερεύς in dem neuen Text dürfte unmittelbar damit zu kombinieren sein, daß auch in den Fragmenten der Ehreninschrift vom Buleuterion dieser Titel erscheint (Milet I 2 n. 6 de; 7 c 3). Die in der Literatur häufiger vertretene Meinung, C. Iulius Eukrates sei der erste Priester des Kaiserkults in Milet gewesen, ist deshalb unsicher, weil die Aufteilung der Fragmente auf die beiden Brüder unklar bleibt und weil W. Günther auf Grund eines noch unveröffentlichten Fragments einer Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates {Milet VI 3 n. 1130} eher diesen für den ersten milesischen ἀρχιερεύς hält. Vielleicht haben beide Brüder nacheinander diese Funktion wahrgenommen. Auf jeden | Fall 17 Milet I 2 n. 7. Zur Familie s. besonders A. Rehm, Milet I 7 p. 326; L. Robert, AntCl 35, 1966, 421 mit Anm. 8; F. Quaß, Historia 31, 1982, 210. 18 Ob der Tempel des Augustus ein eigenes Gebäude war oder ob der Kaiser zunächst evtl. nur in Kultgemeinschaft mit Apollon verehrt wurde, ist nach der sprachlichen Formulierung der Inschrift nicht mit Sicherheit zu entscheiden: s. K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 97 Anm. 33. Nicht aufrechtzuerhalten ist auf jeden Fall die seinerzeit vorgeschlagene Lokalisierung des milesischen Σεβαστεῖον unmittelbar neben dem Rathaus (dazu Tuchelt, a. a. O. 96 Anm. 27a): Die Lage eines entsprechenden Tempels ist nach wie vor unbekannt. Eine neue Lösung hat kürzlich K. Tuchelt vorgeschlagen, indem er das „Heroon“ im Rathaushof, das zuletzt L. Robert als Grabanlage der Familie des C. Iulius Apollonios gedeutet hatte (vgl. Hellenica VIII 96), als eine monumentale Ara Augusti interpretiert (a. a. O. 120–140).
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wäre es gut vorstellbar, daß ein Zusammenhang besteht zwischen der in der Rathaus inschrift erwähnten Vermehrung der öffentlichen Einnahmen zum Zwecke der Ausgestaltung der Kultstätten des Apollon von Didyma sowie des Augustus und unserem eine bestimmte finanzielle Regelung absichernden Dekretfragment mit der Eidesleistung eben bei Apollon und Augustus. Das dürfte dann ein wichtiger Schritt in der Ausgestaltung des Kaiserkultes in Milet gewesen sein, und die Söhne des C. Iulius Apollonios werden bei beiden Vorgängen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Das – mit aller Vorsicht zu ziehende – Fazit aus der Betrachtung der Inschriften von Mytilene und Milet ist die Erkenntnis, daß die Inanspruchnahme des Kaisers als Schwurgottheit nicht nur eine am Ort schon etablierte Form des Kaiserkultes voraussetzt, sondern gerade auch die kontinuierliche Aufrechterhaltung der regelmäßigen Kultausübung auf ihre Weise mit absichern sollte. Es ist charakteristisch, daß beide Beispiele in die Zeit des Augustus führen, unter dem der Herrscherkult in den Städten des griechischen Ostens sowohl aus der Tradition wie aus der unmittelbaren politischen Erfahrung heraus vielfältige Formen spontaner Ausgestaltung erlebt hat. Gerade das besser erhaltene Fragment aus Mytilene gehört in eine Serie sehr aufschlußreicher Dokumente, bei denen die Ergebenheits- und Loyalitätsbekundung griechischer Städte gegenüber dem neuen Herrn der οἰκουμένη in oft sehr intensiven Formen und emphatischen Äußerungen ihren Niederschlag gefunden hat19.
Abb. 1: Photomontage der Inschrift aus Milet Linkes Fragment Inv. İzmir Nr. 296, Milet 477; Photo G. Petzl Rechtes Fragment Inv. İzmir Nr. 2898, Milet 716; Photo P. Herrmann
19 Vgl. dafür AM 75, 1960, 73 mit Anm. 9; Ch. Habicht, Le culte des souverains dans l’empire romain (Fondation Hardt, Entretiens XIX), 1973, 85–88.
30 Die Weihinschrift der ersten römischen Bühne in Milet Bei der Erfassung und Aufarbeitung des zum Theater gehörigen Inschriftenmaterials für den Band IV 2 der Milet-Publikation1 stellt sich für den Epigraphiker die Notwendigkeit ein, über die 1902 einsetzende Freilegung des Theaters durch die Mannschaft Wiegands in die ältere Grabungsgeschichte zurückzugehen. Es ist nämlich bekannt, daß der bald wieder aufgegebene Versuch von Olivier Rayet im Jahre 1872, sich in die Trümmermassen des milesischen Theaters hineinzuarbeiten, zu ersten wichtigen Inschriftenfunden geführt hat. Soweit damals interessante und zugleich transportable epigraphische Fundstücke in den Louvre gelangt sind, hat sie Rayet in der Revue Archéologique 1874 veröffentlicht2. Anderes ist aber liegen geblieben, was sowohl die Steine selbst wie die Publikation betrifft, doch konnte Bernard Haussoullier für sein 1902 herausgegebenes Buch „Études sur l’histoire de Milet et du Didymeion“ auf die Papiere Rayets, die in der Bibliothek der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres in Paris aufbewahrt werden, zurückgreifen. In diesem Buch Haussoulliers findet sich denn auch, fast etwas versteckt, eine erste auf die Weihung des römischen Bühnengebäudes bezügliche Aussage bzw. Materialvorlage. Gelegentlich von Ausführungen über die Beziehungen zwischen Kaiser Augustus und Milet heißt es dort S. 260: „Si j’en crois Rayet, Milet lui dédia son théâtre“, und das wird belegt durch den Abdruck einer Weihinschrift, die nach der Bemerkung Rayets auf seiner Kopie die des Theaters ist: Vac. Καίσαρι Σεβαστῶ[ι, [Ἀπόλλ]ωνι Διδυμεῖ καὶ τῶι δήμ[ωι τῶι Μιλησίων]. Die Rezeption der auf diese Inschrift gegründeten These, daß das römische Theater Milets dem Augustus geweiht worden sei, war, soweit ich sehe, nicht gerade nachhaltig. Magie in seinem gründlichen Handbuch hat sie mit einem „apparently“ regi|striert3, sie fehlt aber etwa schon völlig in dem RE-Artikel Hiller von Gaertringens von 1932. Über den Verbleib der Inschrift gibt es bei Haussoullier keine Angabe, wie denn auch die materielle Beschreibung des Stückes absolut unzureichend ist: „Bloc de marbre, cassé à gauche et à droite, trouvé dans les fouilles du théâtre. Grands W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven einer Ausgrabung, IstMitt Beih. 31, 1986, 175–185 und 4 Abbildungen, mit einer Notiz von D. McCabe S. 186–189. 1 Milet IV 2, Das Theater von Milet. Die römischen Bühnen und die Theaterterrasse, ist E. Altenhöfer übertragen worden: vgl. F. Krauss im Vorwort (S. VIII) von Milet IV 1. 2 O. Rayet, RA N. S. 28, 1874, 103 ff. 3 D. Magie, Roman Rule in Asia Minor I (1950) 469: „At Miletus a building, apparently the theatre, was dedicated to Augustus, Apollo and the demos …“
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caractères bien tracés. Copie et estampage“ Rayet. Dazu folgt die Angabe: „J’ai retrouvé l’estampage et la copie dans les papiers de Rayet; les lettres, très soignées, ont près de 0m,10 de haut“. Die aus der Phase der Freilegung des ganzen Theaters ab 1902 stammenden Funde führen gegenüber dieser älteren Auffassung indessen in eine andere Richtung. Ausgangspunkt hierfür muß das heute noch vorhandene, im Umkreis des Theaters abgelegte Material sein, sofern es mit Sicherheit dem Theater bzw. genauer dem Bühnenbau zuzuweisen ist. Da stößt man nun neben anderem Material auf einem Werkplatz an der östlichen Parodos auf drei zueinander gehörige Gebälkfragmente mit Resten einer monumentalen Inschrift: Zwei Stücke enthalten Zeilenanfänge, eines ein Zeilenende. a. Fragment vom linken Ende eines Gebälkblockes; rechts gebrochen, Profil oben z. T. beschädigt. H. 38,4; B. 73; D. 72 cm. Buchstabenhöhe 10, Zeilenabstand 1,5 cm. Abb. 3. AYTO[ KAI[ b. Fragment vom linken Ende eines Gebälkblockes; rechts gebrochen, oben, links und unten stärker beschädigt. Über der Schriftfläche (abgeschlagenes) Profil, darunter eine 1,6 cm vertiefte Faszie. H. 55; B. 70; D. 45 cm. Buchstabenhöhe 10, Zeilenabstand 2 cm. Abb. 6. OYE[ KAI[ Das E als 3. Buchstabe der ersten Zeile ist dadurch gesichert, daß vom waagerechten Mittelstrich der Ansatz gerade noch erhalten ist, wodurch etwa Γ oder Π ausgeschlossen werden. In Z. 2 folgt auf das Iota noch der apizierte Ansatz einer schräg nach oben führenden Haste: also A, Λ oder M, sicher nicht Σ, wodurch eine Ergänzung zu Καίσ̣[αρι ausgeschlossen wird.
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c. Fragment vom rechten Ende eines Gebälkblockes; links gebrochen. Über der Schriftfläche (stärker beschädigtes) Profil, darunter eine 1,6 cm vertiefte Faszie | von 17 cm Höhe. H. 55; B. 67; D. ca. 50 cm. Buchstabenhöhe 10, Zeilenabstand 2 cm. Abb. 6. ]TOY ]I Bei der senkrechten Haste in Z. 2 ist infolge der Beschädigung nicht klar zu erkennen, ob eine Verbindung nach links bestanden hat. In Betracht käme außer I vor allem H.
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Bei dem einen der Stücke mit Zeilenanfang (a) macht das erhaltene ΑΥΤΟ wahrscheinlich, daß es der Anfang einer Kaiserinschrift ist; die Fragmente b und c führen vom materiellen Befund darauf, daß sie vom selben Block stammen. Aber welche Länge hatte dieser und wie wären dann die Fragmente a und b + c miteinander zu kombinieren? Hier war der Punkt, wo ich als Epigraphiker elementar auf die Hilfe des Bauhistorikers und Architekten angewiesen war, bevor ich wie auch immer geartete Erwägungen hinsichtlich der Aussage bzw. der Rekonstruktion der Inschrift aufnehmen konnte. Und E. Altenhöfer konnte denn auch nicht nur die Zugehörigkeit der Fragmente zur Fassade der ersten römischen Bühne mit Sicherheit nachweisen, sondern darüber hinaus in seiner Rekonstruktion den beiden übereinander gesetzten Gebälkblöcken, auf die der materielle Befund führt, einen zentralen Platz über dem Mitteljoch des Untergeschosses des Bühnengebäudes zuweisen. Aus dieser Rekonstruktion ergibt sich nicht nur, daß die Inschrift wegen ihrer zentralen Anbringung wirklich als die eigentliche Weihinschrift des Bauwerks anzusehen ist, sondern der Epigraphiker konnte nun auch Maßangaben erhalten für den Versuch einer Textrekonstruktion (Abb. 1). Für diese blieben freilich noch genügend Variationsmöglichkeiten, wenn man sich klar macht, daß wir von zwei jeweils ca. 3 m langen beschriebenen Gebälkpartien gerade drei Fragmente mit ungefähr je 30 cm Schriftbreite haben oder, anders gesagt, daß wir vier Textzeilen von jeweils 3 bis 6 erhaltenen Buchstaben auf eine Gesamtlänge von ungefähr je 30 bis 35 Buchstaben zu ergänzen haben. Wo gibt es nun ein für einen Zuweisungs- und Ergänzungsversuch verwertbares Indiz bei diesen dürftigen Bruchstücken? Konkreter: Ist irgendwo ein Kaisername zu erkennen? Hier bleibt allein das Fragment b, das nach der Rekonstruktion von E. Altenhöfer den Anfang der Zeilen 3 und 4 erhalten hat. Das hier erkennbare OYE kann nur auf einen Kaisernamen führen: Vespasianus. Also wäre für die Inschrift ein flavisches Datum gewonnen. Der Versuch der Einsetzung geläufiger Namensformen bzw. Titulaturen verbindet sich aber nun gleich mit der Schwierigkeit, daß der Bestandteil Vespasian- erst in der 3. Zeile erscheint; bei ‚normaler‘ Titelabfolge wäre er viel früher, vermutlich schon in der ersten Zeile, zu erwarten. Ein Erklärungsansatz bietet sich darin, daß man das Element Vespasian- in Z. 3 mit einer Filiation verbin178
Abb. 1: Erste römische Bühnenfassade, Gebälk über dem Mitteljoch
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det, wobei dann die Inschrift Titus oder Domitian als Sohn Vespasians genannt haben kann. Aber selbst damit kommt man nicht recht aus, da | auch dann Vespasiani filio in Z. 3 auffallend spät käme bzw. sich Schwierigkeiten ergäben, die ersten beiden Zeilen zu füllen. Der von mir in meinen Rekonstruktionsversuchen gewählte Ausweg war der, die Nennung von zwei Mitgliedern des flavischen Hauses in der Inschrift anzunehmen, also vor allem etwa Vespasians und des Titus, eventuell auch der beiden Brüder Titus und Domitian. Trotzdem haben zwei von mir vorgenommene Rekonstruktionsversuche dieser Art nicht voll befriedigende Resultate erzielen können: a. Zuweisung an Vespasian und Titus:
Αὐτο[κράτορι Καίσαρι Οὐεσπασιανῷ Σεβαστῷ] καὶ [Αὐτοκράτορι Τίτῳ Καίσαρι Σεβαστῷ] Οὐε̣ [σπασιανῷ, υἱῷ Οὐεσπασιανοῦ Σεβασ]τοῦ καὶ Ἀ̣[πόλλωνι Διδυμεῖ καὶ Ἀρτέμιδι Πυϑί]ῃ.̣
Hier liegt die Schwierigkeit in der – aus Raumgründen veranlaßten – Ausstattung beider Kaiser mit dem Augustusnamen4. b. Zuweisung an Titus und Domitian:
Αὐτο[κράτορι Τίτῳ, ϑεοῦ Οὐεσπασιανοῦ υἱῷ,] Καί[σαρι Σεβαστῷ καὶ Δομιτιανῷ, ϑεοῦ] Οὐε̣ [σπασιανοῦ υἱῷ, Καίσαρι, τῷ ἀδελφῷ αὐ]τοῦ καὶ Ἀ̣[πόλλωνι Διδυμεῖ καὶ Ἀρτέμιδι Πυϑί]ῃ.̣
Dieser Text befriedigt aus Raumgründen nicht ganz, auch die Nennung des Domitian als Bruders des Titus wäre zumindest ungewöhnlich5.
4 Man vgl. die Inschrift für Vespasian und Titus aus Pessinus IGR III 223 (M. McCrum – A. G. Woodhead, Select Documents of the Principates of the Flavian Emperors [1961] Nr. 88 {IvPessinous 29}), die in das Jahr 79, aber vor den 23. 6., das Todesdatum Vespasians, datiert wird, weil Titus noch ohne Augustus-Namen erscheint. Die in meiner Ergänzung gewählte Namensabfolge für Titus ist angelehnt an die Weihung aus Laodikeia am Lykos CIG 3935 (H. C. Newton, The Epigraphical Evidence for the Reigns of Vespasian and Titus [1901] Nr. 107. – IGR III 845 {IvLaodikeia 15}) aus der Zeit nach dem 23. 6. 79. Vespasian und Titus zusammen, und beide mit dem Augustus-Namen versehen, wären bezeugt auf der samischen Weihung AM 75, 1960, 121 Nr. 21 {IG XII 6,1, 501}, wenn die von mir vorgenommene Ergänzung richtig ist. 5 Für eine ähnlich aufgebaute Weihung an Titus vgl. IGR III 690 aus Aperlai; für eine Kombination von Titus und Domitian CIL III 12218 (McCrum – Woodhead a. a. O. Nr. 117) von der Straße zwischen Derbe und Lystra.
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Es lohnt sich aber auch gar nicht mehr, auf dieser Basis weiter zu spekulieren, denn sie ist durch eine spätere Entdeckung hinfällig geworden. Von den Ergänzungsproblemen abgesehen, habe ich mich nämlich auf dem eben geschilderten Stand der Überlegungen gefragt, ob die hier in diesen Fragmenten greifbare spezifische Form | der Monumentalschrift nach unserer Kenntnis auch sicher als flavisch angesehen werden kann. Besonders die Form des Alpha ist hier bemerkenswert, mit der sehr spitz nach unten gezogenen gebrochenen Querhaste, die mit einer bogenförmigen, aus der Apizierung entwickelten Verzierung versehen ist (vgl. Abb. 3. 5). Nun findet sich genau diese Form wieder auf einem im Rathaus-Band veröffentlichten größeren Fragment, das dort unter die Inschriften der nördlichen Hallenwand aufgenommen ist und als oben bestoßener Block des Paneelgesimses bezeichnet wird. In der Publikation wird es als Ehreninschrift für Kaiser Augustus gedeutet (Milet I 2 n. 5; ebenda Abb. 101 Photographie des Abklatsches): Αὐτο[κράτορι] Καίσαρι Σεβαστῶ[ι καὶ] [Ἀπόλλωνι Δι]δυμεῖ καὶ τῶι Δήμ[ωι]. Diese Inschrift ist neben anderen seinerzeit offensichtlich von den Ausgräbern als wesentliches Indiz dafür in Anspruch genommen worden, daß die nördlich an den Rathauskomplex anschließende, zwischen diesen und den Nordmarkt eingeschobene Bauanlage mit dem Fundament eines kleinen ‚römischen Tempels‘ als das milesische Sebasteion, also Augustus-Tempel, gedeutet wurde6. Als dieser Tempel sich dann als jünger erwiesen hatte, wurde durch A. v. Gerkan dieses Sebasteion auf ein Temenos reduziert, mit einer an die Rathaushofwand angelehnten hellenistischen Aedicula zur Aufnahme einer Kaiserstatue, was dann schon Zweifel bei A. Rehm hervorrief7. Von K. Tuchelt ist kürzlich diese Annahme noch stärker in Zweifel gezogen worden, wobei er bekanntlich eine Kultstätte für Augustus sozusagen direkt in den Rathaushof hineinnahm, in Gestalt eines Augustus-Altars, als den er das sogenannte Ehrengrab deutete8. Der Inschriftblock Milet I 2 n. 5 hatte also durch diese Thesen schon weitgehend seinen Indizienwert für einen milesischen Augustus-Tempel eingebüßt. Was aber nun im Hinblick auf unsere Theater-Inschrift das entscheidende ist, ist die folgende Ent6 Milet I 2, 87 f. Der Name Σεβαστεῖον ist aus der Inschrift für C. Iulius Eukrates (Milet Ι 2 n. 7 b 19) abgeleitet worden: κεκοσμῆσϑαι ἀναϑήμασι τόν τε ν[ε]ὼ τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Διδυμέως καϑὼς τοῦ Σεβαστοῦ κ[αὶ] τὴν πόλιν. 7 Α. ν. Gerkan, Milet I 6, 51 f.: „In jedem Falle entbehrte das Sebasteion in Milet, wenn es hier richtig lokalisiert ist, ursprünglich eines Tempels und war auf einem (!) Temenos beschränkt.“ A. Rehm, Milet Ι 9, 162: „… denn auf den bezeugten νεὼς τοῦ Σεβαστοῦ kann das Fundament an der Nordwand des Buleuterion, das vielleicht eine Aedicula mit dem Standbild des Kaisers trug, nicht bezogen werden“. 8 K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 91 ff. bes. 97 f. (dort und 96 Anm. 27a ist bereits auf meine hier begründete Zuweisung von Milet I 2 n. 5 an das Theater hingewiesen).
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deckung, die sich mir vor einigen Jahren bei der Beschäftigung mit diesem Block, der jetzt in der Inschriftenhalle liegt, ergab: Der besagte Block Milet I 2 n. 5 hat überhaupt nichts mit dem Buleuterion und seiner nächsten Umgebung zu tun, vielmehr ist er ein weiteres, und zwar von seinen Maßen her sehr viel größeres | Fragment vom oberen Gebälkblock der Weihinschrift der ersten römischen Bühne. Und er ist des weiteren identisch mit dem von Rayet im Theater gefundenen Architravstück, dem er den Hinweis auf die Weihung des Theaters an Augustus entnommen hatte9. Daß der Block mit den Architrav-Fragmenten vom Theater zu verbinden ist, und zwar mit dem oberen Block nach der Rekonstruktion von E. Altenhöfer, ergibt sich aus der Übereinstimmung in den Maßen und der Schrift. Daß aber dieser Block dann auch der von Rayet freigelegte ist, konnte ich durch Vergleich mit dem in Paris aufbewahrten Abklatsch Rayets eindeutig erhärten10. Man muß demnach annehmen, daß der 1872 von Rayet aus dem Theater herausgeholte Block auf irgendeine Weise im Laufe der nächsten drei Jahrzehnte bis in die Gegend des Buleuterions transportiert worden ist, so daß die Ausgräber ihn mit der dortigen Bauanlage verbanden. Man sieht daran zugleich, welche Verwirrung eine solche ‚pierre errante‘ auch innerhalb eines und desselben Grabungsgebietes stiften kann! Was ergibt sich nun aber aus der Einfügung dieses neu gewonnenen Fragments für die Frage der Datierung und Rekonstruktion der Theater-Weihinschrift? Vor allem: Wie verhalten sich nun die Zuweisung des Rayetschen Fragments an Augustus und die aus dem Fragment c ermittelte Datierung in die Zeit der Flavier zueinander? Hier tat sich zunächst ein neues Problem auf durch den Tatbestand, daß das Fragment Rayets seit seiner Auffindung in zwei Phasen verstümmelt worden ist, bis zu dem heutigen Erhaltungszustand, und daß diese Verstümmelung auf der linken Seite gerade den für unsere Frage entscheidenden Textbefund tangiert. Nach Rayet – Haussoullier war auf dem Block vom Theater nämlich in der ersten Zeile vor Καίσαρι Σεβαστῷ ein ‚vacat‘, ein nicht beschriebener freier Raum, und zwar, wie ich am Abklatsch in Paris nachprüfen konnte, von größerer Ausdehnung, nämlich etwa 65 cm bis zur damaligen linken Bruchkante. Als der Block 1899 beim Buleuterion wiedergefunden wurde, lag der Bruchrand links nur noch wenige cm vor dem Beginn des Wortes Καίσαρι, wie die Photographie des Abklatsches im Rathaus-Band bestätigt. Als ich schließlich in den 60er Jahren das Gebälkstück auf dem Lagerplatz vor dem
9 Dank freundlicher Vermittlung durch L. Robert konnte ich 1973 in der Bibliothek des Institut de France Einsicht in den Nachlaß O. Rayets nehmen und dabei durch Übereinanderlegen der Abklatsche seines Blocks aus dem Theater und von Milet I 2 n. 5 die Identität eindeutig festlegen. Ein im Nachlaß von A. Rehm erhaltenes Blatt mit Notizen über die 1942 von ihm vorgenommene Durchsicht des Rayetschen Materials enthält eine nach dem Abklatsch vorgenommene Abschrift, läßt aber nicht erkennen, daß Rehm der Identität dieses Steines mit Milet I 2 n. 5 auf die Spur gekommen wäre. 10 Man kann sagen, daß C. Fredrich als Bearbeiter der Inschriften im Rathaus-Band dieser Entdeckung schon ganz nahe war, als er zu seinem Text just als Parallele die bei Haussoullier veröffentlichte Inschrift zitierte, von der ja freilich keinerlei Abbildung existierte.
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seldschukischen Bad wiederentdeckte, war links noch mehr abgeschlagen, indem nun der Text überhaupt erst mit dem ersten I von Καίσαρι einsetzte (Abb. 5). Nun mußte ich freilich von dem vollständigsten Befund aus der | Zeit Rayets ausgehen, der auch durch den erhaltenen Abklatsch belegt wird, und ihn in den Versuch der Rekonstruktion des oberen Gebälkblockes, denn nur zu diesem kann das Rayetsche Stück gehören, einbringen. Da ergab sich dann freilich die eigenartige Lösung, daß in der ersten Zeile zwischen den Namenselementen Αὐτοκράτορι und Καίσαρι durch Freilassen eine Lücke klaffte, die kaum zu erklären war: (Fragment a, kombiniert mit Haussoullier 260 = Milet I 2 n. 5) Αὐτο[κράτορι] vac. Καίσαρι Σεβαστῶ[ι] καὶ [Ἀπόλλ]ωνι Διδυμεῖ καὶ τῶι Δήμ[ωι]. Für die zweite Zeile gab es die Überraschung, daß der Text nicht im Sinne einer Filiation oder weiterführenden Kaisertitulatur weiterlief, wie ich es in den Ergänzungsvorschlägen vor der Einbringung des großen Rayetschen Fragments vermutet hatte, sondern daß an den Kaiser der Apollon Didymeus und der milesische Demos angeschlossen waren. Der Kaiser, der in Zeile 1 herauskam, mußte oder konnte eigentlich nur Augustus sein. Wie man sich von diesem Ergebnis her dann den Übergang zu dem OYE[, d. h. Vespasian-, des unteren Gebälks vorstellen sollte, war nun völlig rätselhaft. Als ich in dieser Aporie steckte, kam nun 1973 die letzte Überraschung in dieser Frage. Da tauchte nämlich vor dem seldschukischen Bad in Verbindung mit der Freiräumung des in die Hafenstraße hineinragenden, als Inschriftenlagerplatz benutzten Erdsockels das nach 1899 abgesplitterte Fragment von dem Rayetschen Architravblock wieder auf, das in Milet I 2 n. 5 noch vorhanden war (Abb. 4). Und das ermöglichte nun die Feststellung eines wichtigen Befundes, der ebenso von Rayet wie später von Fredrich völlig übersehen worden war und der auch an den Abklatschen einfach nicht erkennbar war: Vor dem K von Καίσαρι ist zwar ganz knapp, aber mit Deutlichkeit der Rest einer Rasur, einer mit dem Zahneisen vorgenommenen Tilgung, zu erkennen. Nicht ein rätselhafter freier Raum war also hier, sondern es hatte ein Name bzw. Namensbestandteil dagestanden, der der damnatio memoriae verfallen war. Damit kommen aber nun mehrere Kaiser ins Spiel, während Augustus endgültig ausscheidet. Gemeint sein konnten Caligula, Nero oder Domitian. Von ihnen dürfte Caligula wegfallen wegen einer dann sehr ungewöhnlichen Form der Titulatur: Das Praenomen Imperatoris (Αὐτοκράτορι) vor seinem Namen Gaius kommt nur ganz ausnahmsweise vor, ebenso vermißt man den wichtigen Beinamen Germanicus. Domitian, der wegen des OYE[ am Beginn des unteren Blockes interessant sein könnte, scheidet aus wegen Überlänge des Namens, der die verfügbare Lücke übersteigt. Es bleibt, das ist jedenfalls mein letztes Ergebnis, Nero, mit folgender Textrekonstruktion: {Milet VI 2 n. 928}
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Αὐτο[κράτορι Νέρωνι] Καίσαρι Σεβαστῶ[ι] καὶ [Ἀπόλλ]ωνι Διδυμεῖ καὶ τῶι Δήμ[ωι]. 183
Parallelen zum Befund unserer Inschrift, nämlich Tilgung gerade nur des Namens Nero in Kaiserinschriften für ihn, lassen sich finden, zugleich mit der auch bei ihm noch seltenen Verwendung des Praenomen Imperatoris11. Bei dem hiermit gewonnenen Ergebnis, daß nämlich die Fassade der ersten römischen Bühne Milets ursprünglich Kaiser Nero geweiht war, kommt aber nun eventuell eine interessante Parallele aus der Nachbarschaft mit in die Diskussion hinein. In Ephesos ist aus 34 Fragmenten einer Architravinschrift aus dem Theater eine lange Weih- bzw. Bauinschrift rekonstruiert worden, die am ersten Geschoß der römischen Bühnenwand als durchlaufender Text angebracht war, und zwar nach der in den Forschungen in Ephesos II erscheinenden Rekonstruktion von R. Heberdey eine Weihung an die Artemis von Ephesos und Kaiser Nero aus dem Jahre 66, wobei freilich der Name Neros auch hier später praktisch bis zur Unkenntlichkeit getilgt wurde12. Kann man für Milet und Ephesos demnach eine parallele Bauzeit bei den Bühnenhäusern voraussetzen? Die Frage ist nach meiner Meinung für Ephesos nicht sicher zu entscheiden, da auf Grund von scharfsinnigen Überlegungen zu den ephesischen Neokorie-Daten J. Keil beharrlich, aber mit keiner sehr eindeutigen Wirkung, eine Spätdatierung der Bühneninschrift in die Zeit Domitians, auf 85/6, verfochten hat13. Erst in der neuesten Wiedergabe der Architravinschrift ist sein Vorschlag übernommen worden14. Vielleicht kann das Problem nun, wo für Milet neronische Zeit feststeht, auf der Basis eines Vergleichs mit neuen Überlegungen angegangen werden. Auf jeden Fall hat man in Ephesos in flavischer und noch späterer Zeit am Theater noch tüchtig weitergearbeitet, wie die durch Inschriften gesicherte Datierung des nördlichen Analemma auf 92, in die Zeit Domitians also, die des südlichen sogar bis in trajanische Zeit beweist. Auch für das milesische Theater wird eine längere Bauzeit an der Bühnenfassade vorauszusetzen sein, und nur in dieser Annahme sehe ich einen Weg zur Lösung der Schwierigkeiten, in die uns die endlich geglückte Zuweisung der oberen 11 Man vgl. die athenische (Altar?)Weihung an Nero IG II2 3278 (E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero [1967] Nr. 145) oder die Propylon-Weihung aus Nais IGR IV 712. Die Tilgung nur des Namensbestandteils Nero ist häufig: z. B. IGR IV 1090; 1097; 1124. 12 R. Heberdey, Forschungen in Ephesos II (1912) 157 Nr. 34. Der Anfang lautete nach der Ergänzung Heberdeys [Ἀρτ]έμι[δι Ἐφεσίαι καὶ Ν̣έ̣ ]ρ̣ [ω̣ν̣ ι̣ Κ̣λ̣α̣υ̣δ̣ ]ί̣ ω̣ι̣ [Καίσαρι Σεβαστῶι Γερμανικῶι. Etwas abweichend war die Rekonstruktion von H. Hörmann, JdI 38/39, 1923/24, 309 (SEG IV 563). 13 J. Keil, NumZ 52, 1919, 116 Anm. 5. – Vgl. die Anm. zu SEG IV 563. – J. Keil, Führer durch Ephesos 3 (1955) 74. Die Zuweisung an Domitian war übrigens die ursprüngliche gewesen: R. Heberdey, ÖJh 3, 1900, Beibl. 85 f. – O. Benndorf, Forschungen in Ephesos I 94. An der neronischen Datierung wird noch festgehalten bei W. Alzinger, RE Suppl. XII (1970) 1629 s. v. Nachträge Ephesos, unter Hinweis auf die abweichende Meinung Keils. 14 R. Merkelbach – J. Nollé, Die Inschriften von Ephesos VI (IK 16, 1980) Nr. 2034.
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Archi|travinschrift an Nero sogleich wieder stürzt, wenn wir nun deren Verbindung mit der darunter sitzenden Inschrift des zweiten Architravblocks, von dem wir mit den Fragmenten b und c Anfang und Ende haben, in Betracht ziehen. Die neronische Inschrift wirkt mit ihren zwei Zeilen abgeschlossen, auch wenn sie nur Dative enthält und kein Dedikant genannt ist. Wie kann nun damit eine zweizeilige Inschrift auf dem unteren Block, die mit OYE[, also einem Namensbestandteil Vespasian-, beginnt, überhaupt kombiniert werden? Es kommt hinzu, daß Zeile 2 des unteren Blocks mit recht hoher Wahrscheinlichkeit den Text der Zeile 2 des oberen Blocks noch einmal wiederholt hat, also die Weihung an Apollon Didymeus und den Demos. Die Vorstellung, daß man eine Weihinschrift neronischer Zeit, die durch Austilgung des Kaisernamens ‚anonym‘ geworden war, und die man aus Raumgründen auch nicht einfach auf den Nachfolger ‚umschreiben‘ konnte, durch eine darunter angebrachte Neufassung ersetzte, scheint vielleicht noch plausibel. Schwierigkeiten macht aber der Tatbestand, daß dieser jüngere Text mit dem Namenselement Vespasian-, also ohne ein vorausgehendes titulares Element (Αὐτοκράτορι Καίσαρι), begonnen haben sollte. Die beiden Ergänzungsvorschläge, die ich folgen lasse, sind denn auch Verlegenheitslösungen, die mich nur bedingt befriedigen: a
Οὐε[σπασιανῶι Σεβαστῶι καὶ τῶι οἴκωι αὐ]τοῦ καὶ Ἀ̣[πόλλωνι Διδυμεῖ καὶ τῶι Δήμω]ι̣ .
b
Οὐε[σπασιανῶι ϑεῶι καὶ τοῖς υἱοῖς αὐ]τοῦ καὶ Ἀ̣[πόλλωνι Διδυμεῖ καὶ τῶι Δήμω]ι̣ .
Parallelen für eine dermaßen reduzierte Weihung an Vespasian sind nicht leicht zu finden15. Andererseits scheint eine Lösung der Art, daß die Inschrift länger war und etwa schon auf einem links benachbarten Architravblock begann (wo dann die vermißten Anfangselemente der Kaisertitulatur gestanden haben könnten) und sich nach rechts noch fortsetzte (wo dann noch die Söhne genannt sein konnten), vom Baubefund her nicht möglich. Ich sehe vorderhand keine andere Möglichkeit, als dieses Problem offen zu lassen. Die Forschungsgeschichte im Hinblick auf die Weihinschrift und damit Datierung der römischen Bühnenfassade war, wie zu zeigen war, so reich an überraschenden Wendungen, daß auch hier vielleicht noch einmal eine Lösungsmöglichkeit auftaucht. Immerhin wird man die nach meiner Mei|nung zuverlässige Erkenntnis, daß die milesische Bühne in neronische bzw. neronisch-flavische Zeit zu 15 Eine Parallele zu b hätte, wenn gesichert, die Inschrift aus Ilion IGR IV 211 b (Newton a. a. O. [s. o. Anm. 4] Nr. 215. – McCrum – Woodhead a. a. O. [s. o. Anm. 4] Nr. 136) bilden können, in der – freilich innerhalb einer Familiengruppe – [Οὐεσπασιαν]ὸν ϑεόν gelesen wurde. Aber P. Frisch, Die Inschriften von Ilion (IK 3, 1975) Nr. 92 hat, wahrscheinlich zu Recht, diese Ergänzung aufgegeben. Eine mit dem Namenselement Vespasianus beginnende Inschrift scheint jedenfalls die (Altar?-)Weihung aus Nauplia IG IV 670 zu sein.
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datieren ist, als einen Gewinn betrachten können, der in seiner Bedeutung weiterführende Konsequenzen für die kleinasiatische Baugeschichtsforschung der frühen Kaiserzeit enthalten dürfte.
Addendum (1984) Der obige Text gibt den 1980 in Frankfurt gehaltenen Vortrag in unveränderter Form wieder und entspricht damit dem damaligen Stand meiner Überlegungen. Inzwischen hat mir ein Aufenthalt am Institute for Advanced Study in Princeton Gelegenheit gegeben, die Probleme der Inschrift im Januar 1984 im Rahmen eines dort veranstalteten epigraphischen Kolloquiums zur Diskussion zu stellen. Dabei hat Herr Donald McCabe, durch seine Arbeit an einem Projekt der Erstellung epigraphischer Indices unter Einsatz eines Computers mit dem milesischen Inschriftenmaterial gut vertraut, einen sehr interessanten und bedenkenswerten Ergänzungsvorschlag zu der TheaterInschrift beigebracht, der die oben festgestellten Schwierigkeiten der Textherstellung beheben könnte und zugleich für die Geschichte der kaiserzeitlichen Bautätigkeit in Milet eine neue Erkenntnis von erheblichem Gewicht enthält. Er bedarf noch einer Überprüfung sowohl vom materiellen Befund her wie besonders auch aus der Sicht der baugeschichtlichen Forschung, soll aber hier als eine sehr attraktive Lösungsmöglichkeit angesichts der in dem Vortrag hervorgehobenen Schwierigkeiten in einer Notiz D. McCabes vorgestellt werden.
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Donald McCabe
Note
A reconstruction of lines 3 and 4 which avoids the problems presented by a repetition of text is provided by the inscription of Miletus in which Cn. Vergilius Capito dedicated the baths which he had constructed to the reigning emperor, normally identified as Claudius16. With Mitteis – Wilcken’s preferable supplements17, this inscription, on the architrave of the Ionian Portico, reads as follows: Αὐτοκράτορ[ι Τιβερίωι Κλα|υδίωι Καίσαρι Σεβαστῶι Γε|ρμανικῶι Γναῖος Οὐεργίλι|ος Καπίτων ἔπαρχος τῆς Αἰγ]|ύπτου18 καὶ τῆς Ἀσίας ἐπίτ[ρο]|πος3 τὸ βαλανεῖον ἀνέϑηκεν. Much in this inscription consists of supplements. That Capito was indeed the dedicator is rendered certain by the fact that we know that he was both praefectus Aegypti and procurator of the emperor Claudius in Asia19, when with this we combine the additional fact that he is known to have been involved in public construction in Miletus20. From various documents, both papyri and inscriptions, he is known to have been prefect of Egypt from 47 or 48 until 52 or slightly later21. Because of Capito’s chronology, it was natural that Claudius’s name should have been inserted as a supplement in the dedication of the baths. Cn. Vergilius Capito was probably from Miletus, although the view that he came from Italy has been defended22. He is first attested in an inscription from Didyma as |
16 Milet I 9, 158 no. 328. 17 L. Mitteis – U. Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde 11 (1912) 375 note 3. 18 According to the first publication of the inscription (Th. Wiegand, AbhBerlin 1908 Anh. I 12) followed by Mitteis – Wilcken (op. cit.) and H.-G. Pflaum (Carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain I [1960] 32 no. 13 ff. text 3), slightly more of the text was preserved: [… τῆς Αἰγ]|ύπτου … ἐπίτ̣ [ρ]ο|πος … It makes no difference for the case presented in this note which text is correct. 19 A. Rehm, Didyma II (1958) 133 no. 149, an honorary inscription for him found at Didyma, calls him both ἐπίτροπος of Claudius and [ἔ]παρχος Ἀσίας καὶ Αἰγύπτου (the latter title is presumably inexact in falsely suggesting that he was ἔπαρχος rather than ἐπίτροπος in Asia). Pflaum, op. cit. text 4, from Amyzon, is additional testimony to the having been ἐπίτροπος under Claudius. 20 Rehm, op. cit. 114 no. 84 (= CIG II 2881), of c. AD 200, shows that there was a Καπιτώνειον (sc., γυμνάσιον) in Miletus. Milet Ι 9, 159 no. 329 (see further below) suggests that a Vergilius of about the same date as the inscription concerning the bath (no. 328) was involved in the construction of the nearby palaestra. 21 The dated documents are listed in G. Bastianini, ZPE 17, 1975, 272 (the one additional document added in ZPE 33, 1980, 76 is undated). 22 Italian origin was argued for by A. Stein (Die Präfekten von Ägypten in der römischen Kaiserzeit [1950] 30–31) and Stiglitz (RE VIΙ A [1958] 2423 s. v. Valerius). Their arguments are that Tacitus, Hist. ΙΙΙ 77 and IV 3 show that a slave of Capito’s lived in Terracina and that A. Rehm, Didyma II (1958) 133 no. 149, besides making no mention of Capito’s being Milesian, shows that he was a member of the tribe Falerna, to which Capua belonged. None of these arguments is decisive. The arguments adduced for a Milesian origin (by L. Robert, Hellenica VII, 1949, 209. – H.-G. Pflaum, Carrières procuratori-
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archiereus of Asia for the third time and of the temple of Caligula for the first time23. We have various documents, just mentioned, from his tenure as procurator in Asia and as prefect of Egypt. His building activity has normally been dated in the reign of Claudius, when he is known to have occupied these offices24. Until now, nothing has been known about his later life. What is left of lines 3 and 4 of the dedication of the theater
Οὐε[– – – – – – –]του καὶ . [– – – – – –]|25
makes it very attractive to restore Capito’s name and titles as found in the dedication of the baths in these lines also Οὐε[ργίλιος Καπίτων ἔπαρχος Αἰγύπ]του καὶ Ἀ̣[σίας ἐπίτροπος –] . . If the remains of the last letter of line 4 permit reading as nu, we can then read26 {I.Milet VI 2 n. 928} Οὐε[ργίλιος Καπίτων ἔπαρχος Αἰγύπ]του καὶ Ἀ̣[σίας ἐπίτροπος ἀνέϑηκε]ν̣ . If this reconstruction is correct, then the dedications of both the baths and the theater were made by Capito to the reigning emperor. Since the dedication of the baths is itself an architrave inscription in large letters27, the appearance of the name of a ennes équestres sous le Haut-Empire romain I [1960] 33, and R. Bennet, Prefects of Roman Egypt [1971] 93–94) are more persuasive: Capito was later the object of a cult in Miletus (s. note 13); a presumably related man of exactly the same name lived in Miletus under Hadrian (Milet I 2, 119 f. no. 20); most importantly, Rehm, op. cit. 132 f. no. 148 does not identify the citizenship of Capito (or of another Milesian mentioned in the same context) whereas it does so identify a non-Milesian. 23 Rehm, op. cit. 132 f. no. 148. – Cf. L. Robert, Hellenica VII, 1949, 206–238. 24 Indeed, Ch. Habicht, GGA 213, 1959, 162–163, followed by L. Robert, BCH 102, 1978, 401, has attempted to date the honorary inscription for Capito from Didyma (Rehm, op. cit. 133 no. 149) more precisely by arguing that it should have been set up when Capito was leaving Asia and his position of procurator to take up office as prefect of Egypt, in 47. With this inscription, Habicht connected inscriptions showing that Claudius had a temple destroyed by an earthquake on Samos rebuilt in 47 (M. Schede, AM 37, 1912, 217–218 no.’s 19–20 {IG XII 6,1, 482–483}) and a notice in Malalas (p. 246) that Claudius contributed to the restauration of Ephesus, Smyrna and many other cities in Asia after an earthquake. 25 See above: after KAI: Α, Λ, or Μ. 26 The full text of these supplements was suggested by Marc Waelkens, who also produced the drawing (Abb. 2). 27 8 cm, as opposed to the 10 cm of the theater inscription.
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Abb. 2: Erste römische Bühne, Gebälk über dem Mitteljoch (Rekonstruktion D. McCabe – M. Waelkens)
private individual, Capito, in the theater inscription cannot be considered objectionable. Capito was no ordinary private individual, as in later times he was the object of an official cult in Miletus28. Nor does chronology need to be a problem. If Capito came from Miletus, he can well have returned to it after leaving office in Egypt. The fact that his family apparently survived in Miletus into the next century suggests that he did so29. We do not have to lengthen his life by any inordinate amount: the full text of the theater inscription, as now reconstructed, merely requires that Capito should have survived into the reign of Nero. We already knew, however, that he was governing Egypt at least as late as 24 April 5230. If Capito dedicated the theater to Nero, it no longer seems necessary to insert Claudius’s name into the dedication of the baths. Nero’s name must now also be considered a possibility in this inscription (Milet I 9 no. 328). Αὐτοκράτορ[ι Νέρωνι Κλαυδίωι Καίσαρι Σεβαστῶι Γερμανικῶι], being only two letters shorter than Claudius’s name in the Mitteis – Wilcken text, is surely also possible.
28 A. Rehm, Didyma II (1958) 192 f. no. 278 (mentioning games called Καπιτώνεια) and the „sacred calendar“ Inv. 55 referred to by Rehm, Milet I 9, 158. – N. Ehrhardt, IstMitt 34, 1984, 390 f. 29 Milet I 2, 119 f. no. 20. 30 M. Bastianini, ZPE 17, 1975, 272. Indeed the first attestation of his successor as prefect of Egypt, L. Lucius Geta, comes from January or March 54, and thus Capito may have governed Egypt several months longer. As for Habicht’s dating of Rehm, op. cit. 133 no. 149 to 47 (s. note 9) his argument, based on analogy, is not decisive even for the dating of the inscription. The massive building activity with which Capito is associated may well have been a result of the earthquake to which Malalas refers, but it may have extended over several years. Even if Rehm, op. cit. 133 no. 149 was set up in 47 (or at some other time in the reign of Claudius), Capito may by that time already have done enough to be called the εὐεργέτης of Miletus. We could not conclude with certainty from this event that the baths were dedicated before the erection of this inscription, still less that the theater was. It is, however, not even certain that Rehm, op. cit. 133 no. 149 could not have been erected after Capito’s presumed return from Egypt, in the 50’s.
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A difficulty in the text of the theater inscription suggested in this note is the absence, at least so far, of Capito’s praenomen Gnaeus. Perhaps it appeared (probably abbreviated) at the end of line 2: καὶ [Ἀπόλλ]ωνι Διδυμεῖ καὶ τῶι Δήμ[ωι. Γν.]
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The split between Capito’s praenomen and nomen may, however, seem objectionable. Alternatively, the praenomen may have been left out. A number of early impe|rial honorary inscriptions from Didyma omit praenomina31. More pertinently, the surviving fragment of the architrave inscription from the palaestra of the complex of buildings built by Capito reads32
Οὐεργίλ̣[– – – –].
The drawing of this inscription in „Milet“33 makes it clear that this fragment was, at the least, the beginning of a part of an inscription which was physically separated from any text that was meant to precede it. More likely, it was the very beginning of the inscription. Princeton, March 1984
Nach kurzer Diskussion um die Ergänzung des Inschriftteiles OYE durch „theos“ (Frau Radnoty-Alföldy, Herrmann) zur Frage von nicht wieder ausgefüllten Rasuren, bei denen u. a. durch die Rasur politische Loyalität dokumentiert werden sollte (Radnoty-Alföldy); die Rolle des Demos als Stifter bleibt noch unklar (Herrmann, Tuchelt). Danach zu der nun früher datierten Bühne, für deren Gebälkformen es – außer in der Palästra der Capito-Thermen – keine Parallelen gibt: mit ihrer Profilierung und ihren ornamentlosen Formen mit flavischen Bauten in Ephesos nicht vergleichbar, dagegen aber spät-hellenistische Traditionen. Bemerkenswert die Gesimskonsolen im Obergeschoß, die in Rom an augusteischen Bauten vorkommen, doch sicher aus dem Osten stammen; daraus die Frage, ob an der milesischen Bühne stadtrömische Einflüsse oder nicht eher Aufgreifen einer (auch in Ephesos nachweisbaren) heimischen Bauform (Heilmeyer, Tuchelt, Drerup, Voigtländer, Altenhöfer).
31 A. Rehm, Didyma II (1958) 132 no. 147; 176 no. 237 II; 186 f. no. 264; 188 no. 268; 189 no. 272. 32 Milet I 9, 159 no. 329. 33 Milet I 9, 30 Abb. 36.
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31 Plädoyer für einen „Gespensternamen“ In dieser Zeitschrift 56, 1984, 54 hat R. Merkelbach eine kurze Notiz veröffentlicht, in der er „einen Gespensternamen eliminieren“ will. Es handelt sich um die Lesung Θευκυ̣λίδου, die in dem in das 1. Viertel des 2. Jahrhunderts v. Chr. zu datierenden1 Vertrag zwischen Milet und Herakleia am Latmos (Milet I 3 n. 150, 5 = Syll.3 633) im Dekretkopf in der Liste der milesischen σύνεδροι erscheint. Unter der Annahme, daß das Λ auf dem Stein beschädigt sei oder daß der Steinmetz den unteren Querstrich eines Δ einzumeißeln vergessen (und wahrscheinlich mit Farbe nachgetragen) habe, nimmt Merkelbach eine Konjektur vor: „Der korrekte Name ist zweifellos Θευκυ̣δ̣ ίδου.“ Nun liest man aber schon im Apparat der Edition von A. Rehm: „Man erwartet Θευκυδίδης; aber hier und Z. 9 steht die Lesung fest; Z. 31 wäre auch Δ möglich.“ Die Notiz enthält also auch den Hinweis, daß derselbe Name noch an zwei weiteren Stellen derselben Inschrift vorkommt, wodurch die Lesung abgesichert wird. Das Problem der Namensform hat schon bald nach der Veröffentlichung den ausgezeichneten Friedrich Bechtel beschäftigt, er hat ihm in seinen 1917 erschienenen „Namenstudien“ (wiederabgedruckt als 1. Beitrag in den 1981 herausgegebenen „Kleinen onomastischen Studien“, Beitr. z. Klass. Philologie Heft 125) S. 27 eine kurze Behandlung gewidmet. Deren Kernsatz ist: „Daß Θευκυλίδης der gleiche Name ist wie Θουκυδίδης, ist ebenso wenig zweifelhaft, wie daß er sein Dasein nicht einer dreimaligen Verschreibung, sondern der lebendigen Rede verdankt.“ Dann wird erklärt, daß die Ersetzung des Dentals durch eine Liquida vorgenommen worden sein dürfte, weil der „Gleichklang im Anlaut zweier benachbarter Silben“ als unangenehm empfunden worden sei. Bechtel konnte keine direkte Parallele vorbringen (und ich weiß nicht, ob inzwischen eine bekannt geworden ist), aber auf ähnliche Fälle der Ersetzung von ν – ν durch λ – ν hinweisen (Musterbeispiel: λάρναξ aus νάρναξ; im Bereich der Eigennamen gehört hierher das häufige Σατορνεῖλος). Es ist die Erscheinung, die E. Schwyzer, Griechische Grammatik I 258 als „Distanzdissimilation von Konsonanten“ beschrieben hat. Unser Beispiel ist dort nicht genannt, aber es wird mit Verweis auf Bechtel in zwei gleichzeitig entstandenen Dissertationen über die Sprache der milesischen Inschriften registriert.2 Wir sollten | also die Form auf jeden Fall beibeZPE 68, 1987, 285–286. 1 Zum Problem der Datierung der Inschrift, die mit derjenigen einer Inschrift aus Herakleia am Latmos (SEG II 536; Tit. Calymnii n. XXIII) verbunden ist, hat sich L. Robert mehrmals andeutungsweise geäußert und dabei eine Höherdatierung gegenüber dem letzten Ansatz von A. Rehm, Zur Chronologie der milesischen Inschriften des 2. Jhdts. v. Chr. (SBMünchen 1923, 8) 13 auf 173/2 vertreten: Études de numismatique grecque (1951) 174 Anm. 4; BCH 102, 1978, 510 Anm. 35; Fouilles d’Amyzon en Carie I (1983) 188 Anm. 163. Leider ist Robert nicht mehr dazu gekommen, seine Argumente in extenso vorzulegen. 2 A. Scherer, Zur Laut- und Formenlehre der milesischen Inschriften (Diss. München 1934) 58; B. Bondesson, De sonis et formis titulorum Milesiorum Didymaeorumque (Diss. Lund 1936) 121 § 50, 1.
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halten, gerade weil sie auf ein interessantes sprachliches Phänomen hinweist. Im übrigen sei zum Schluß erwähnt, daß schon Wilamowitz (GGA 1914, 104) zwar nicht auf unseren Fall, aber auf verschiedene in dieser Inschrift auftretende Vulgarismen aufmerksam gemacht hat.
32 Ein Tempel für Caligula in Milet? Im Zusammenhang der Aufzählung von Beispielen exzessiver Formen der (Selbst-) Vergöttlichung des Kaisers Caligula ist uns durch die späten Exzerptoren die folgende Aussage des Historikers Cassius Dio erhalten (59, 28, 1): „Gaius befahl, daß ihm in der Provinz Asia in Milet ein heiliger Bezirk (Temenos) eingerichtet werde. Diese Stadt hatte er nämlich ausgewählt, weil – wie er vorgab – Ephesos schon durch Artemis, Pergamon durch Augustus, Smyrna durch Tiberius in Anspruch genommen seien; in Wahrheit aber trug er danach Verlangen, sich den großen und überaus prächtigen Tempel anzueignen, den die Milesier für Apollon bauten.“1 Für diese Nachricht, deren erster Satz auch noch in einer Bemerkung bei Zonaras bewahrt ist2, meinte B. Haussoullier in einem 1899 veröffentlichten Beitrag „Caligula et le temple d’Apollon Didyméen“3 durch die Kombination zweier 1896 in Didyma gefundener Inschriften eine epigraphische Bestätigung erhalten zu haben. Im besonderen diente ihm die Ehreninschrift für den Hieroniken und dreifachen Didymäensieger Meniskos (jetzt: IvDidyma 107) als Beweis für eine tatsächlich durch Caligula in Gang gesetzte Bautätigkeit am Didymeion, mit Ausführung und Finanzierung durch die Provinz Asia, da die Dedikanten sich in ihr bezeichnen als [οἱ] ἀπὸ τῆς Ἀσίας τεχνεῖται οἱ ἐργαζόμενοι τὸν ἐν Διδύμοις ναόν. Über die Nachricht Dios hinaus glaubte Haussoullier aus der Verknüpfung der beiden Inschriften (IvDidyma 107 und 391) noch eine durch Gaius in diesem Zusammenhang vorgenommene Erweiterung des Asylie-Bezirks von Didyma damit verbinden zu können, so daß die sich steigernden kaiserlichen Forderungen mit einem Gunsterweis kompensiert worden wären. Wesentlich ist, daß sich nach Haussoullier alle Einzelheiten, von der Abgrenzung des Temenos angefangen, auf Didyma bezogen4 und daß das Ziel also die auch von Sueton5 als Plan erwähnte Fertigstellung des dortigen Riesentempels und seine ‚Aneignung‘ durch den jungen Kaiser war: „Puisqu’il projetait de mettre la main sur le Didymeion, ou tout au moins de le partager avec Apollon, il lui importait d’achever sa future | demeure et de la
IstMitt 39, 1989, 191–196. 1 Cassius Dio 59, 28, 1: Γάϊος δὲ ἐν τῇ Ἀσίᾳ τῷ ἔϑνει τέμενός τι ἑαυτῷ ἐν Μιλήτῳ τεμενίσαι ἐκέλευσε· ταύτην γὰρ τὴν πόλιν ἐπελέξατο, λόγῳ μὲν εἰπὼν ὅτι τὴν μὲν Ἔφεσον ἡ Ἄρτεμις, τὴν δὲ Πέργαμον ὁ Αὔγουστος, τὴν δὲ Σμύρναν ὁ Τιβέριος προκατειλήφασι, τὸ δὲ ἀληϑὲς ὅτι τὸν νεὼν ὃν οἱ Μιλήσιοι τῷ Ἀπόλλωνι καὶ μέγαν καὶ ὑπερκαλλῆ ἐποίουν ἰδιώσασϑαι ἐπεϑύμησε. 2 Zonaras XI 7 D: Οὕτω δ’ ἐξεμάνη ὁ Γάϊος ὡς καὶ τοῖς ἐν τῇ Ἀσίᾳ τέμενος ἑαυτῷ ἀνεγεῖραι κελεῦσαι κατὰ τὴν Μίλητον. 3 B. Haussoullier, RPhil 23, 1899, 147–164; danach mit einigen Änderungen: Études sur l’histoire de Milet et du Didymeion (1902) 263–279. 4 Vgl. die Übersetzung von τέμενος … ἐν Μιλήτῳ τεμενίσαι: „… de lui consacrer une enceinte à Milet (entendez: à Didymes)“. 5 Suet. Calig. 21: Destinaverat … Mileti Didymeum peragere …
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rendre enfin digne de lui.“6 In dem Exemplar einer unter Caligula geprägten milesischen Münze, auf der ein sechssäuliger Tempel dargestellt ist, wollte Haussoullier denn auch eine numismatische Bestätigung seiner These erkennen, indem er das Münzbild als „représentation sommaire du Didymeion“ bezeichnete7. Die Deutung Haussoulliers hat die Zustimmung Dittenbergers8 und auch anderer gefunden9, bis ein neuerlicher Inschriftenfund in Didyma ihr einen Stoß zu versetzen schien: Auf einer während der deutschen Grabung an der Südseite des Tempels gefundenen Statuenbasis für Caligula, errichtet von sich als φιλοσέβαστοι bezeichnenden Vertretern von Städten der Provinz in ihrer Funktion als νεοποιοί, wird der bekannte Milesier Cn. Vergilius Capito10 als ἀρχιερεὺς τοῦ ἐν Μειλήτωι ναοῦ Γαΐου Καίσαρος angeführt. Das veranlaßte Th. Wiegand (7. Bericht über die … in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1911, Anhang 66) zu der Feststellung: „Wenn die von Dio Cassius dem Caligula untergeschobene Absicht, sich den Apollotempel von Didyma weihen zu lassen, wirklich bestand, so ist ihre Ausführung jedenfalls mißlungen, denn wir sehen hier deutlich, daß man dem Kaiser in Milet selbst einen besonderen Tempel geweiht hat.“ Alles, was auf die Aussage des ersten Satzes bei Dio folgt, sei nur „übele Nachrede“. Auf den sechssäuligen Gaiustempel in Milet bezog Wiegand dann auch die von Haussoullier angeführte Münze, gegen deren Verbindung mit dem zehnsäuligen Didymeion ohnedies Bedenken bestanden hätten. Diese Auffassung Wiegands hat sich in der Literatur seitdem allgemein durchgesetzt11; ihr folgt auch A. Rehm in seinen Kommentaren zu den beiden Inschriften IvDidyma 107 und 148. Als Begründung für die Tatsache der Aufstellung der Kaiserstatue in Didyma, nicht in Milet (dem Ort der Wirksamkeit der νεοποιοί), griff Rehm auf eine Vermutung Wiegands (a. a. O.) zurück: „Es scheint, als ob Caligula sich für die Stiftung (scil. des Tempels in Milet durch die „asiatischen Philosebasten“) dadurch erkenntlich zeigte, daß er Gelder zum Fortbau des Didymeion anwies.“ Eben
6 RPhil a. a. O. 159 = Études 275. 7 RPhil a. a. O. 161 = Études 277 f. Die Münze, auf die er sich bezog, findet sich bei B. V. Head, BMC Ionia (1892) 198 n. 143. Man vgl. auch SNG Copenhagen, Ionia n. 1007. 8 OGI 472 Anm. 1: „Ceterum vides inter scriptores convenire de Didymei perficiendi conatu.“ Dittenberger setzte allerdings hinzu: „Cui rei quod adiungit Dio, aedem si perfecta esset ab Apolline Didymeo ad se ipsum translaturum fuisse principem, id quam fidem habeat in medio relinquendum est, quandoquidem intra brevem Gai principatum non contigit ut opus absolveretur.“ 9 Z. B. H. Willrich, Klio 3, 1903, 443; RE X 1 (1917) 409 (M. Gelzer); vgl. noch RE XV 2 (1932) 1615 (G. Hiller v. Gaertringen); G. Gruben, Die Tempel der Griechen4 (1986) 366. 10 Über ihn zuletzt N. Ehrhardt, IstMitt 34, 1984, 390 sowie besonders D. McCabe in W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980, IstMitt Beih. 31, 1986, 186 f. {hier S. 395 f.} mit dem interessanten Vorschlag, in ihm auch den Stifter der ersten römischen Bühne des Theaters von Milet zu sehen. 11 Vgl. z. B. J. P. V. D. Balsdon, The Emperor Gaius (1934) 162; J. A. Maurer, A Commentary on C. Suetonii Tranquilli vita C. Caligulae Caesaris (Diss. Univ. of Pennsylvania 1949) 106 f.; D. Magie, Roman Rule in Asia Minor (1950) II 1366 Anm. 46; S. R. F. Price, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor (1984) 257.
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dies konnte dann auch als Hintergrund für die oben erwähnte Inschrift für Meniskos vorausgesetzt werden (Rehm zu IvDidyma 107). In Verbindung mit der auf Grund der Inschrift IvDidyma 148 vorgenommenen ‚Verlegung‘ des Gaius-Tempels nach Milet war dann freilich die Feststellung notwendig, daß sich dort bisher keine dafür in Betracht kommende Bauanlage gefunden hat12. Die von Haussoullier zur Stützung | seiner Didyma-These noch hinzugenommene Inschrift (IvDidyma 391) über die Erweiterung des Asylie-Bezirks ist von Rehm übrigens auch aus der Argumentation eliminiert worden, indem er sie mit guten Gründen auf die Zeit des Dictators Caesar zurückdatierte. Nun hatte Rehm allerdings keine Kenntnis mehr von einer grundlegenden Neuinterpretation der Inschrift der Caligula-Basis durch Louis Robert, die im Jahre 1949 erschien: Unter dem Titel „Le culte de Caligula à Milet et la province d’Asie“ führte Robert in ausgreifender Argumentation den Nachweis, daß die in der Inschrift IvDidyma 148 genannten νεοποιοί weder auf der Grundlage „freiwillige(r) Beiträge einzelner Städte“ (Rehm) noch als Mitglieder eines „großen, über die Provinz sich ausbreitenden Philosebastenkultes“ (Wiegand) aufgeführt werden, sondern als offizielle Vertreter der Provinz, und daß ihre Entsendung auf der Grundlage des conventusSystems durch die jeweiligen Vororte erfolgte13. Durch die Interpretation Roberts ist nicht nur der offizielle Aspekt des Dokuments verdeutlicht worden, sondern auch seine Verknüpfung mit der eingangs zitierten Dio-Stelle wird enger, weil nun in beiden Texten der Charakter des Gaius-Kultes bzw. des Bauvorhabens als einer von der Provinz Asia, d. h. ihrem Landtag, vertretenen Einrichtung zutage tritt14. Ebenso wird man dann aber auch dazu neigen, in der Inschrift IvDidyma 107 die ἀπὸ τῆς Ἀσίας τεχνεῖται im Sinne von Haussoullier als „von der Provinz Asia gestellte und bezahlte Werkleute“ zu verstehen15 und nicht, wie Rehm im Anschluß an E. Ziebarth
12 A. Rehm, IvDidyma p. 132 Anm. 1: „Gefunden ist er nicht.“ Vgl. RE XV 2 (1932) 1655 (M. M. Mayer). Milet I 6, 53 wies A. v. Gerkan nach, daß der nördlich vom Buleuterion gelegene kleine Tempel nicht auf Gaius bezogen werden könne, da er frühestens am Ende des 1. Jh.s n. Chr. errichtet sei. Inzwischen haben sich die Gesichtspunkte dafür verstärkt, daß die Bauanlage jedenfalls nicht das milesische Σεβαστεῖον sein kann und vielleicht gar nichts mit dem Kaiserkult zu tun hatte: s. P. Herrmann, in W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980, IstMitt Beih. 31, 1986, 180 {hier S. 389}; vgl. auch den Beitrag von W. Günther in diesem Band. W. Müller-Wiener glaubt jetzt (1989) allerdings, unter der ‚Großen Kirche‘ ein Fundament entdeckt zu haben, das er dem Caligula-Tempel zuweisen möchte. 13 L. Robert, Hellenica VII 206–238; vgl. auch Gnomon 31, 1959, 663; Ch. Habicht, Le culte des souverains dans l’empire romain (Fondation Hardt, Entretiens XIX, 1973) 64 sowie JRS 65, 1975, 70; G. P. Burton, ebenda 93. 14 Vgl. J. Deininger, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit von Augustus bis zum Ende des 3. Jh.s n. Chr. (Vestigia Band 6, 1965) 37 mit Anm. 6. 15 Auf die offizielle Beteiligung der Provinz scheint mir auch die Erwähnung in Z. 14 hinzudeuten, daß Meniskos auch ὑπὸ τῆς Ἀσίας geehrt worden sei. – Ein Beispiel für die Verwendung des Begriffs τεχνεῖται für beim Tempelbau eingesetzte Handwerker bietet jetzt auch die Inschrift IvEphesos 295, 8.
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vorschlug, als „eine Art Provinzialverband“ der „Bauhandwerker Asiens“ (IvDidyma p. 120). Unter dieser Voraussetzung scheint es mir aber nun äußerst wahrscheinlich, daß beide Inschriften, die der τεχνεῖται (IvDidyma 107) und die der νεοποιήσαντες (IvDidyma 148), als Zeugnisse der auf Provinzebene unternommenen Aktivitäten eng zusammengehören und sich dann auch beide, wie es a priori naheliegt, auf den gemeinsamen Fundort Didyma beziehen. Daß die Formulierung der Inschrift IvDidyma 148 nicht dazu zwingt, den Bau des Gaius-Tempels in das Stadtgebiet von Milet zu ‚transponieren‘, kann schon mit Verweis auf eine leicht übersehene Anmerkung L. Roberts begründet werden, der Hellenica VII 208 Anm. 6 darauf aufmerksam machte, daß die in der Inschrift zweimal begegnende Formulierung ἐν Μειλήτωι sich nicht auf einen Gegensatz Milet – Didyma beziehe, sondern Stadt und Territorium von Milet der Provinz Asia gegenüberstelle. Das wird ganz handgreiflich in der ersten Angabe, wo an die Nennung des Cn. Vergilius Capito als ἀρχιερεύς die beiden unterschiedlichen hinter dem gleichsam ‚ἀπὸ κοινοῦ‘ gesetzten Titel stehenden Funktionen einander gegenübergestellt werden: τοῦ μὲν ἐν Μειλήτωι ναοῦ Γαΐου Καίσαρος τὸ πρῶτον, τῆς δὲ Ἀσίας τὸ τρίτον. Capito war also in einem und demselben Jahr gleichzeitig zum ersten Mal ἀρχιερεύς des im Gebiet von Milet zu errichtenden provinzialen Gaius-Tempels und zum dritten Mal Oberpriester des Provinzialkultes | nach traditioneller Weise an einem der schon bestehenden Tempel16. Dementsprechend wird auch bei dem zweiten genannten ‚Eponymen‘ der Inschrift, Ti. Iulius Menogenes, der ἀρχιερεύς zum 2. Mal und νεωκόρος war, die Beziehung seiner Stellung auf den ‚milesischen‘ Tempel von der Ebene der Provinz abgehoben17. Und ebenso sind die bei dem an dritter Stelle genannten Protomachos aus Iulia (Ipsos) aufgeführten, zum Teil neuartigen Funktionsbezeichnungen als ἀρχινεοποιός, σεβαστόνεως und σεβαστολόγος offensichtlich auf die lokale Neugründung des Provinzialkultes zu beziehen18. Sie sind zugleich Zeugnis „d’une grande recherche dans la création des titres hiérarchiques du culte de Caligula“ (Robert a. a. O. 210). Den hinter der Nachricht des Cassius Dio stehenden Vorgang hatte sich seinerzeit H. Willrich so vorgestellt, „daß die Provinz Asia ihm (Caligula) wie seinen Vorgängern einen Tempel angeboten hatte, und daß Gaius unter den um die Ehre streiten-
16 Vgl. L. Robert, Hellenica VII 209. Entsprechend ist Capito auch registriert in den Listen bei D. Magie, Roman Rule II 1603 und M. Rossner, StCl 16, 1974, 138. 17 Der Zusatz τοῦ ἐν Μειλήτωι ναοῦ Z. 8 gilt auf jeden Fall für das davorstehende νεωκόρου. Ob er auch auf ἀρχιερέως τὸ δεύτερον zu beziehen ist, bleibt unsicher: Rehm nahm es an und sah dann in Menogenes den Nachfolger Capitos, während Robert a. a. O. 209 es bezweifelte und an einen Provinzialkult bzw. noch eher an den städtischen Kaiserkult von Milet dachte. Zu den Anfängen eben dieses städtischen Kultes s. in diesem Band den Beitrag von W. Günther. 18 σεβαστόνεως ist vermutlich eine Neubildung. Für σεβαστολόγος vgl. auch L. Robert, REA 62, 1960, 321 (OMS II 837); Th. Drew-Bear, Glotta 50, 1972, 92.
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den Städten Milet mit dem unvollendeten Prachttempel bevorzugte“ (Klio 3, 1903, 443). Die Formulierung des Historikers dürfte freilich eher nahelegen, hier von einer Willensäußerung des Kaisers selbst auszugehen19. Aber die dabei von Dio referierten Argumente, mit denen Caligula andere Orte ausschloß und sich für Milet entschied, erinnern in auffallender Weise an eine Szene des Jahres 26, in der es um den Plan der Errichtung eines Provinzialtempels für Tiberius (gemeinsam mit Livia und dem Senat) gegangen war (Tac. Ann. IV 15, 3; 55–56). Damals waren Gesandte der kleinasiatischen Städte vor dem Senat aufgetreten, „ambigentes quanam in civitate templum statueretur“. Nach mehrtägiger Verhandlung in Anwesenheit des Princeps traf der Senat unter den elf konkurrierenden Städten seine Wahl, wobei zuletzt aus der engeren Auswahl Pergamon wegen des dort schon bestehenden Augustus-Tempels, Ephesos und Milet wegen ihrer ‚Inanspruchnahme‘ durch die Kulte für Artemis und Apollon20 ausgeschieden worden waren und die letzte Entscheidung zwischen Sardeis und Smyrna zugunsten der letztgenannten Stadt fiel. Man hat den Eindruck, daß die damals geäußerten Argumente bei der Entscheidung Caligulas noch nachwirkten, daß aber gerade der im Jahre 26 gegen Milet ins Feld geführte Ablehnungsgrund jetzt den Ausschlag dafür gab, daß sich der Kaiser für diesen Ort als Sitz des Provinzialtempels entschied: weil sich dort der halbfertige Apollon-Tempel als Ansatzpunkt für den geplanten Ausbau anbot. Wenn der von Cassius Dio referierte Wunsch des Kaisers in der Einrichtung eines Temenos bestand (τεμενίσαι), so entspricht das wohl nicht nur terminologisch dem mit der Entscheidung Octavians vom Jahre 30/29 v. Chr. für den Provinzialkult in Kleinasien geschaffenen ‚Modell‘21, sondern gibt auch im Hinblick auf die bauliche Gestaltung den Hinweis auf eine als Temenos | zu bezeichnende Anlage, zu der wohl „ein Altar, aber nicht notwendig ein Tempel“ gehörte22. Schon dieses Temenos ist nach meiner Meinung in Didyma zu lokalisieren, und man kann vermuten, daß die Caligula-Statue mit der Inschrift der provinzialen νεοποιοί (IvDidyma 148) in ihm Aufstellung gefunden hat. Aber diese Einrichtung des Temenos ist, wenn wir hier Cassius Dio folgen, nur als erster Schritt bzw. als Provisorium angesehen worden, bis der Ausbau des didymäischen Tempels im Hinblick auf die Aufnahme des Monarchen 19 Darauf macht Ch. Habicht a. a. O. (s. o. Anm. 13) 56 aufmerksam, indem er gerade den Gegensatz zu den Nachrichten über die Einrichtung des Provinzialkultes unter Octavian 30/29 v. Chr. hervorhebt. 20 Tac. Ann. IV 55 „Pergamenos – eo ipso nitebantur – aede Augusto ibi sita satis adeptos creditum. Ephesii Milesiique, hi Apollinis, illi Dianae caerimonia occupavisse civitates visi.“ 21 Dazu K. Tuchelt, IstMitt 31, 1981, 182 f. mit Verweis auf Ch. Habicht a. a. O. (s. o. Anm. 13) 55 ff. und 63 f. 22 Tuchelt a. a. O. 184; vgl. auch H. Hänlein-Schäfer, Veneratio Augusti (1985) 5–10. Für Milet selbst kann hier übrigens auf einen älteren Fall aus dem 2. Jh. v. Chr. verwiesen werden: Auch bei der Einführung eines Kultes für Eumenes II. hatten die Milesier die Errichtung eines Temenos beschlossen, in dem dann nach dem Wunsch des Königs die ihm vom Ionischen Bund zuerkannte goldene Statue aufgestellt werden sollte (Milet I 9 n. 306 = OGI 763, Z. 59 f. und 64; vgl. IstMitt 15, 1965, 103 f. {hier S. 286 f.}; J. Kleine, in Milet 1899–1980 [s. Anm. 10] 138 f.).
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in ihn erfolgt wäre23. Es ist vorstellbar, daß damit nicht eigentlich eine ‚Aneignung‘ durch Caligula (Dio: ἰδιώσασϑαι), sondern eine Form der Kultgemeinschaft, mit Caligula als σύνναος ϑεός Apollons, beabsichtigt war24. Für diese Bauarbeiten mag dann im Sinne der Notiz bei Sueton, Caligula 21 Geld vom Kaiser in Aussicht gestellt worden sein. Ob allerdings nennenswerte Bauarbeiten am Tempel selbst in Gang gekommen sind, für die die Provinz τεχνεῖται bereitgestellt und das Aufsichtsgremium der νεοποιοί eingesetzt hatte, muß angesichts der Kürze der Regierung des Gaius dahingestellt bleiben25. Daß sich aus dem Befund eine Bautätigkeit in dieser Zeit nicht erkennen läßt, braucht jedenfalls kein Gegenargument zu sein. Ebenso wenig kann nach meiner Meinung ein Einwand gegen die hier vorgeschlagene Deutung aus der nicht exakt mit dem didymäischen Bau korrespondierenden Tempeldarstellung der oben erwähnten Caligula-Münze abgeleitet werden, da sich ‚Abbildungen‘ dieser Art bekanntermaßen durch ein gewisses „Maß an Unverbindlichkeit“ auszeichnen26. Das Ergebnis meiner hier vorgetragenen Überlegungen wäre also eine aus dem Inschriftenmaterial abgeleitete ‚Rehabilitierung‘ Dios im Hinblick auf die Korrektheit der eingangs zitierten | Nachricht. Damit würde auch die seinerzeit von Haussoullier vorgetragene Interpretation im Prinzip wieder zur Geltung kommen. Als der geplante provinziale Caligula-Tempel sollte in der Tat der unvollendete Riesentempel von
23 Man vgl. dafür die oben S. 403 referierte Rekonstruktion des Ablaufs durch Haussoullier. In entsprechendem Sinne auch noch Rehm, IvDidyma p. 132 (wenn auch unter der Voraussetzung, daß die Bauanlagen in der Stadt Milet geplant waren): „… wofern wir annehmen, daß der Tempel, nach dem ein solcher Heiliger Bezirk doch rief, hernach, natürlich alsbald, errichtet wurde“. 24 Die Frage ist freilich nicht sicher zu entscheiden: vgl. schon oben die ambivalente Formulierung Haussoulliers. H. Willrich, Klio 3, 1903, 443 scheint an Kultgemeinschaft gedacht zu haben: „Natürlich wünschte Gaius seinem Kult an der betreffenden Stelle die erste Rolle.“ Es ist bekannt, daß die Ausbildung des Kaiserkultes gerade im städtischen Bereich sich in der Form einer Kult- bzw. Tempelgemeinschaft vollziehen konnte, wobei allerdings Differenzierungen in der Interpretation des Materials notwendig sind: s. dazu die grundlegenden Ausführungen von A. D. Nock, HarvStClPhil 41, 1930, 27–42 (Essays on Religion and the Ancient World I 223–235). Nock führt gerade unser Beispiel mit Caligulas Plan in Didyma unter den Fällen einer Aneignung, nicht einer Kultgemeinschaft auf (a. a. O. 25 = 221). – Ob es in Milet selbst schon den Präzedenzfall einer (vorübergehenden?) Tempelgemeinschaft des Augustus mit dem didymäischen Apollon gegeben haben könnte, wie nach einer Formulierung im Ehrendekret für C. Iulius Eukrates (Milet I 2 n. 7 b 18 f.) vermutet worden ist, muß ganz offen bleiben: s. dazu jetzt W. Günther in diesem Band Anm. 22 mit Text. Ich möchte die Möglichkeit eher bezweifeln (vgl. bei K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 97 Anm. 33 den Hinweis auf M. Wörrle). 25 Das Datum der diesbezüglichen Entscheidung Caligulas ist nicht zuverlässig bekannt. Sollte sie entsprechend der Einordnung der Nachricht bei Dio in das Jahr 40 n. Chr. gehören (so Ch. Habicht und G. P. Burton an den in Anm. 13 angegebenen Stellen), wäre in der Tat kaum Zeit für Bauarbeiten geblieben. 26 So G. Fuchs, Architekturdarstellungen auf römischen Münzen der Republik und der frühen Kaiserzeit, AMuGS I (1969) 118, der im besonderen darauf hinweist, daß bei der Darstellung von Tempelfronten häufig „auf den Münzbildern die Anzahl der Stützen mehr oder weniger drastisch vermindert“ wird. Vgl. auch Th. Drew-Bear, MusNotAmSoc 19, 1974, 27 ff., wo 33 Anm. 21 eine milesische Münze angeführt wird, auf der der didymäische Tempel tetrastyl dargestellt ist.
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Didyma in Anspruch genommen werden, nicht ein in der Stadt Milet überhaupt erst in Angriff zu nehmender Neubau. Freilich spricht alles dafür, daß der anspruchsvolle Plan des jungen Autokraten für Didyma durchaus eine Episode ohne bemerkenswerte Nachwirkungen geblieben ist27.
27 Mit der Errichtung des provinzialen Kaisertempels wäre, worauf mich W. Günther freundlicherweise hinweist, für Milet der Erwerb des Ehrentitels der Neokorie verbunden gewesen. Es ist zu bedauern, daß die von L. Robert mehrfach in Aussicht gestellten Ausführungen zum Problem der Neokorien von Milet (RPhil 41, 1967, 55 Anm. 1; vgl. Monnaies grecques [1967] 43 Anm. 3; Laodicée du Lycos. Le Nymphée [1969] 283) nicht mehr erschienen sind. – Zu der hier behandelten Frage s. jetzt auch St. Pülz, Untersuchungen zur kaiserzeitlichen Bauornamentik von Didyma, IstMitt Beih. 35 (1989) 7–9.
33 Eine Mosaikinschrift aus Milet Im Herbst des Jahres 1900 wurde bei den Grabungen in Milet ein Mosaik aufgedeckt, von dem in den vorläufigen Berichten nur ganz summarisch Kunde gegeben wurde, so von Th. Wiegand, AA 1901, 198 in folgender Formulierung: „Ein andermal stießen wir auf einen Mosaikfußboden mit den fein umrankten Brustbildern der neun Musen mit Namensbeischriften in der hesiodeischen Reihenfolge.“1 Trotz der interessanten Thematik ist eine Veröffentlichung des Mosaiks bedauerlicherweise unterblieben, so daß es in neueren Zusammenstellungen zwar registriert worden ist, aber zugleich als „verschollen“ bezeichnet werden mußte2. Nach meiner Kenntnis sind Aufnahmen des Mosaiks, die in den Grabungsmaterialien existiert haben müssen, bisher nicht aufgefunden worden3. Glücklicherweise ist aber der Text einer mit dem Mosaik verbundenen „Bauinschrift“ festgehalten worden, zum einen mit vollem Text im Grabungstagebuch vom 28. 9. 1900, zum anderen auf einem Schedenblatt im Rahmen der Inschrifteninventare unter der Inv.-Nr. 239 (vermutlich in der Handschrift von C. Fredrich), wobei als Fundort (von anderer Hand) angegeben ist: „In einem Acker des Mollah Mahmud. Zugedeckt.“ Vor allem aber enthält das Schedenblatt zwei vergilbte Photos, von denen das eine (das unten abgeschnitten ist) die Inschrift mit der Rankenumrahmung wiedergibt und offenkundig eine photographische Aufnahme der auf der Schede erwähnten Zeichnung (s. Anm. 3) darstellt, die andere vom Original selbst den Anfang des Schriftfeldes (mit den ersten 5–6 Buchstaben) wiedergibt. Der im Tagebuch und auf der Schede gleichlautend überlieferte Text soll hier zugleich mit einer Vergrößerung der die Zeichnung wiedergebenden Photographie der über 90-jährigen Vergessenheit entrissen werden (Abb. 1). {Milet VI 3 n. 1400 mit Taf. 38} Ἐπὶ στρατηγοῦ Θεοπόνπου γρ[α]μ̣ματέως καὶ τοῦ στρατηγοῦ διὰ βίου Φιλομούσου, προ[νοησ]αμένου Ἡδίστου α̣ὖτε Παυλείνου στρα‹τη›γοῦ, ἐκ χρήμ[ατ]ο̣ ς [βουλ]ευτῶν πανγε[νεὶ?] 𝈂 ρʹ.
ADerg II, 1994, 89–97 und 1 Abbildung. 1 Mit leichter Abweichung findet sich derselbe Text im 2. Milet-Bericht (SBBerlin 1901) 912, wo Wiegand das Mosaik als „einen besonders schönen Boden“ bezeichnet. 2 So E. Theophilidou in ihrer Zusammenstellung der „Musenmosaiken der römischen Kaiserzeit“, Trierer Zeitschr. 47, 1984, 266 (mir durch einen freundlichen Hinweis von Carsten Schneider, Mainz, bekannt). Die Verfasserin konnte dabei rückverweisen auf K. Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland (1959) 142 n. 13. 3 Mitteilung von C. Schneider. Auf der im folgenden bekannt gemachten Inschriftenschede Inv. 239 erscheint ein Vermerk „Zeichnung von Hr. Grosse“, ohne daß eine solche beiliegt. Auch eine Randbemerkung 1:33½ könnte auf die Zeichnung verweisen. Der deutlichste Beleg für die erfolgte Aufnahme sind die beiden auf der Schede aufgeklebten Photos (s. oben im Text), von denen eines vom Original, eines eben von der Zeichnung genommen ist.
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Zum Text ist zu sagen, daß in Z. 2 vom A des αὖτε nur eben die obere Spitze als erhalten wiedergegeben ist. In Z. 3 ist das ΣΤΡΑΓΟΥ ganz offenkundig eine „Verschreibung“ für στρατηγοῦ. Am Ende von Z. 3 hatte nach der Schede (und entsprechend im Grabungstagebuch) Wiegand παντε[. . .] notiert, „also παντε[λῶς, -λη?]“. Die Zeichnung gibt aber deutlich πανγε[. . .], wie es auch in Fredrichs Abschrift erscheint. Dazu ist als vermutete Ergänzung [νεί?] notiert. Die Inschrift ist schon für sich genommen, auch ohne die bedauerlicherweise (noch) nicht erreichbare Hinzuziehung des Mosaiks, ein interessantes und mit einigen Interpretationsproblemen behaftetes Dokument. Sie führt insofern in einen offiziellen Zusammenhang, als in ihr städtische Beamte und für die Anfertigung Verantwortliche genannt werden und eine Angabe über die Bestreitung der Kosten angefügt wird. Das legt die Annahme nahe, daß es sich um die Ausschmückung nicht einer privaten Bauanlage, sondern doch wohl eines öffentlichen Gebäudes gehandelt hat. Man wird zuerst an ein Amtslokal der Strategen, das στρατήγιον4, denken, sich aber gegenüber Vermutungen lieber zurückhalten, zumal auch der Fundplatz und seine Situation innerhalb der Stadtanlage leider nicht mehr zu eruieren sind. Zunächst ist eine Besonderheit die Nennung von insgesamt drei (bzw. vier?) Strategen mit unterschiedlichen Zusätzen. Dabei ist vorweg in Erinnerung zu bringen, daß die Erwähnungen von Strategen (im Plural, d. h. als Kollegium) im milesischen Inschriftenmaterial „eine sehr bescheidene Rolle“ spielen5. In älterer Zeit nennt allein der noch dem 4. Jhdt. v. Chr. angehörige Vertrag mit Sardeis (Milet I 3 n. 135, 36; Staatsverträge III n. 407) „die auf lange ganz verschwindenden Strategen als Vertreter der Stadt im diplomatischen Verkehr“6. Nach einer summarischen Erwähnung in augusteischer Zeit (IvDidyma 199, 3) gibt nur die etwa der Mitte des 1. Jhdt.s n. Chr. entstammende lex sacra von der „Ante des Asklepieion“, die den Verkauf des Priestertums des Asklepios πρὸ πόλεως regelt (Milet I 7 n. 204a, 1–5)7, eine Namensliste der στρατηγοὶ τῆς πόλεως, aus der zu entnehmen ist, daß das Kollegium mit sechs Personen besetzt war. Darüber hinaus enthält eine Topos-Inschrift vom | Südmarkt
4 Man vgl. das den Bau eines στρατήγιον betreffende hellenistische Dekret aus Laodikeia am Lykos MAMA VI 5, dazu L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 249 {IvLaodikeia 2}. 5 A. Rehm, Milet I 7 p. 300. 6 A. Rehm, Milet I 3 p. 164=288 mit Anm. 4. Zu dem in der Anmerkung gegebenen Hinweis auf einen „nach langer Pause“ begegnenden und „kriegerischen Zeitläuften“ entstammenden Beleg, nämlich in dem Sympolitievertrag mit Pidasa (Milet I 3 n. 149, 38; letzter Datierungsvorschlag auf 188/7 bei R. M. Errington, Chiron 19, 1989, 288), ist darauf hinzuweisen, daß L. Robert, Villes d’Asie Mineure 62 Anm. 7 und BCH 102, 1978, 515 (Documents d’Asie Mineure 211) hier unter den στρατηγοί römische Konsuln und Prokonsuln versteht, womit der Beleg für die milesische Institution entfiele. Auch auf die Aufführung der Inschrift IG IX 2, 508, 42 als eines Belegs für ein milesisches Strategenkollegium im 2. (nicht: 1.) Jhdt. v. Chr. durch W. Schwahn, RE Suppl. VI (1935) 1113 sollte man wegen der ganz unsicheren Ergänzung und des unklaren Zusammenhangs besser verzichten. 7 Zum Asklepios-Tempel vgl. zuletzt W. Müller-Wiener, IstMitt 40, 1990, 77 mit Anm. 10.
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eine summarische Erwähnung der Strategen8. An die Sechserzahl anknüpfend hat A. Rehm seinerzeit folgende Überlegung angestellt (Milet I 7 p. 300): „Zu erwägen ist auch, ob diese sechs Strategen etwas zu tun haben mit dem sechsköpfigen Kollegium des Archiprytanis und der Prytanen, das von der trajanischen Zeit an die politische Vertretung der Stadt in Händen hat.“ Gemeint ist damit die vornehmlich auf Kaiserbasen erscheinende Eintragung, wonach als Verantwortliche für die Errichtung jeweils ein ἀρχιπρύτανις und fünf συνάρχοντες genannt werden bzw. in der Zeit Hadrians vorübergehend sechs ἄρχοντες, von denen einer als κοσμόπολις bezeichnet wird9. Für Rehms Erwägung, die Kollegien der Strategen und der Prytanen mit ihrem Archiprytanis zueinander in Beziehung zu setzen, könnte man immerhin auch auf die auffallende Aussage in einer Inschrift der milesischen „Kolonie“ in Aigiale auf Amorgos verweisen, in der es heißt γνώμη στρατηγῶν καὶ δεκαπρώτων, ἐχόντων δὲ καὶ τὴν πρυτανικὴν ἐξουσίαν (IG XII 7, 396 = Syll.3 866)10. Auf Samos wiederum ist etwa in severischer Zeit der ἀρχιπρύτανις als Vorsteher eines Kollegiums von vier Strategen bezeugt, und genau wie im Falle Milets wird auch von den Strategen der samischen Katoikie in Minoa auf Amorgos ausgesagt, daß sie die πρυτανικὴ ἐξουσία ausübten11. Unsere Mosaikinschrift gibt nun freilich zu diesem Problem keinen Hinweis, aber sie führt immerhin auch auf die Existenz eines Kollegiums von Strategen: Zumindest Theopompos und Philomusos müssen ja gleichzeitig im Amt gewesen sein, und wenn die weiter unten anzustellenden Überlegungen hinsichtlich des Verhältnisses von Hedistos und Paulinus zutreffen, dürften auch diese als Strategen danebenzustellen sein. Theopompos erhält als Zusatz die Bezeichnung γραμματεύς, was innerhalb eines Kollegiums ja eine sinnvolle Spezifikation ist12. Ganz ungewöhnlich ist aber bei dem nachfolgenden Philomusos seine Bezeichnung als στρατηγὸς διὰ βίου. Es ist mir nicht gelungen, einen weiteren Beleg für eine solche „lebenslängliche“ Wahrnehmung des Strategenamtes ausfindig zu machen, nachdem ein in der Literatur längere Zeit mitgeführtes Beispiel, eine Münzaufschrift aus Smyrna, sich als unzutreffend
8 Milet I 7 n. 211b: Τόπος / Διοφάντ[ου] / στρατηγῶ[ν], wozu Rehm bemerkt: „Στρατηγῶν soll wohl besagen, daß der τόπος von den Strategen zugewiesen ist?“ 9 S. dazu A. Rehm, IvDidyma p. 190, der die Neuerung (Einführung der Archiprytanie) mit der Wiedergewinnung der πάτριοι ἀρχαί durch Milet im Jahre 39/8 v. Chr. (Milet I 3 n. 126, 21–5 sowie IvDidyma 342, 7) in Verbindung setzen möchte. Dasselbe Datum hatte er schon Milet I 3 p. 164=288 Anm. 4 für die Wiedereinführung des Strategenkollegiums in Anspruch genommen. Zu den Formeln vgl. Th. Pekáry, IstMitt 15, 1965, 120 sowie F. Gschnitzer, RE Suppl. ΧΙΙΙ (1973) 764 f. 3 d. Zum Titel κοσμόπολις, den Rehm Milet I 7 p. 313 als „eine vorübergehend auftauchende Amtsbezeichnung für den ἀρχιπρύτανις“ auffaßte, vgl auch L. Robert, RevNum 1977, 11 Anm. 28 (OMS VI 173). 10 Dazu bemerkt L. Robert, Monnaies grecques (1967) 41: „C’est le correspondant des prytanes de Milet avec leur archiprytane.“ Vgl. auch F. Gschnitzer, RE Suppl. ΧΙΙΙ 765 f. 11 Samos: P. Herrmann, AM 75, 1960, 125 f. mit Anm. 198 {IG XII 6,1, 422}; Minoa: IG XII 7, 239–240. Vgl. F. Gschnitzer, RE Suppl. XIII 770 f. 12 So enthält auch eine Strategenliste aus dem benachbarten Iasos (IvIasos 264, 7) neben dem γραμ ματεὺς βο[υλῆς] einen γραμματεὺς [στρα]τηγῶν.
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erwiesen | hat13. Das milesische Beispiel scheint also durchaus singulär zu sein. Geht man von dem naheliegenden Prinzip einer einjährigen Amtsführung bei dem Strategenamt aus, kann es sich bei einer Bekleidung auf Lebenszeit m. E. nur um eine durch besondere Umstände bedingte Ausnahme handeln, die eine ungewöhnliche Ehre darstellte oder sich eventuell auf besondere finanzielle Leistungen gründete. Ein Argument für Amtswechsel als normales Prinzip möchte ich jedenfalls auch aus der Angabe für den Verantwortlichen für die Erstellung unseres Mosaiks ableiten: Das in Prosa ganz ungebräuchliche αὖτε, das hier zwischen den beiden Namen Hedistos und Paulinus erscheint, kann ich nur in dem Sinne verstehen, in dem das poetische Wort schon bei Homer erscheint: mit der ursprünglichen „Bedeutungs-Komponente des Abwechselns, d. h. der Wiederholung einer Handlung bei Wechsel der Person“14. Das würde also bedeuten, daß Paulinus als Stratege dem Hedistos nachgefolgt ist: Dann hätte die Anfertigung des Mosaiks sich über einen Amtswechsel hinweg hingezogen. Wenn die hier angestellten Überlegungen das Richtige treffen, wäre für das milesische Strategenkollegium zugleich eine gewisse Kompetenzen- oder Aufgabenverteilung bezeugt. Andernorts kennen wir solche Spezifikationen besonders durch die gelegentlich auftauchenden Titel στρατηγὸς τῆς πόλεως bzw. ἐν ἄστει, στρατηγὸς ἐπὶ τῆς χώρας, στρατηγὸς διὰ νυκτός15. Die Frage, ob auf Grund eines Münzzeugnisses noch eine weitere Spezialfunktion eines milesischen Strategen belegt sein könnte, soll in einem Anhang zu diesem Aufsatz erörtert werden. Im letzten Teil der Mosaikinschrift ist offenkundig von der Finanzierung des Kunstwerks die Rede. Aber auch diese Angabe ist nicht frei von Interpretationsproblemen. Die geringste Schwierigkeit macht die Verwendung des Singulars ἐκ χρήματος anstelle des normalerweise zu erwartenden Plurals: Hier kann auf | eine Zusammenstellung von A. Wilhelm verwiesen werden, in der er den Gebrauch des Singulars an 13 Es geht um die bei T. E. Mionnet, Description de médailles antiques et romaines, Supplément VI (1883) 340 n. 1689 mitgeteilte Münzlegende Πολέμων στρα διὰ βίου ἀνέϑηκε, auf die sich z. Β. I. Lévy, REG 12, 1899, 263 Anm. 3; W. Liebenam, Städteverwaltung im römischen Kaiserreich (1900) 563; B. V. Head, Historia Numorum (21911) 510, aber auch noch W. Schwahn, RE Suppl. VI (1935) 1111 sowie K. W. Harl, Political Attitudes of Rome’s Eastern Provinces in the Third Century A.D. (Diss. Yale 1978) 648 beziehen. R. Münsterberg hatte in den Beamtennamen 105 diese Lesung auch zitiert, sie aber später nach einer Angabe in den Nachträgen „getilgt“ (264 sowie Nachträge 34). Sie fehlt dementsprechend in seiner Zusammenstellung der „Münzen der Sophisten“, NZ 48, 1915, 120 und vor allem bei D. Ο. A. Klose, Die Münzprägung von Smyrna in der römischen Kaiserzeit (1987) 248 f., wo eine große Zahl von Prägungen bzw. Exemplaren mit der Beischrift Πολέμων στρατηγῶν ἀνέϑηκε registriert ist. Aus H. Jüttner, De Polemonis rhetoris vita operibus arte (1898, Nachdruck 1967) 31 f. ist die Angabe aber noch bei W. Stegemann, RE XXI 2 (1952) 1329 übernommen. 14 K. Alpers im Lexikon des frühgriechischen Epos I 1581. Ebendort sind auch die in den Lexika begegnenden Erklärungen des Begriffs mit μετὰ ταῦτα verzeichnet. 15 Für den στρατηγὸς τῆς πόλεως vgl. besonders die Belege in Tralleis (IvTralleis 80, 2; 89, 3; 92, 1), für ἐν ἄστει J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1946/7 n. 156 (Rhodos), für στρατηγὸς ἐπὶ χώρας (z. B. IvIasos 264, 5) und διὰ νυκτός L. und J. Robert, La Carie II (1954) 42 Anm. 5; L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 261 ff.
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nicht ganz wenigen Beispielen nachgewiesen hat16. Die Wendung ἐκ χρήματος mit der nachfolgenden Nennung der Buleuten17 erinnert an eine Formulierung ἐκ χρημάτων λογιστείας in einer Inschrift aus Maionia, die ich seinerzeit im Sinne einer ‚summa honoraria‘ zu erklären versucht habe18. Wir wissen ja, daß in der Kaiserzeit auch im griechischen Osten die Zahlung einer „Eintrittssumme“ in den Rat verbreitet war, die Plinius (epist. X 112–3) als honorarium decurionatus bezeichnet und an anderer Stelle (epist. X 39, 5) mit den Worten umschreibt pecunia, quam buleutae … obtulerunt ob introitum19. Ein besonderer Fall liegt in einer ephesischen Inschrift vor (IvEphesos 3057, 8), wo eine Ehrenstatue errichtet wurde ἀπὸ τῶν τῆς βουλῆς χρημάτων ἐκ πόρων βουλαρχίας Πο. Κορνηλίου Ἰταλοῦ νεωτέρου. Hier dürfte es um eine der βουλή zur Verfügung stehende Summe gehen, die als summa honoraria für die Bekleidung der Bularchie erlegt worden war20. In unserer Mosaikinschrift wird man eher an eine von den Buleuten insgesamt aufgebrachte Summe denken, wobei hier allerdings das Problem des auf [βουλ]ευτῶν folgenden Wortes hereinspielt. Wenn man sich auf die Zeichnung und die Abschrift auf der Schede verlassen kann, daß auf das ΠΑΝ ein Γ folgte, ist kaum eine andere Ergänzung als die zu πανγε[νεί] möglich. Das Wort müßte dann hier wohl die Bedeutung von „insgesamt“ haben, unter Vernachlässigung der in dem Wort normalerweise immer noch wirksamen Komponente γένος („mit dem ganzen Geschlecht“)21. Auch wenn man dem Wiegandschen Vorschlag παντε[λῶς] folgte, wäre der Wortgebrauch hier ungewöhnlich. In beiden Fällen könnte wohl nur gemeint sein, daß die Kosten korporativ von den Buleuten getragen wurden und sich auf 100 Drachmen beliefen. Warum die Buleuten für diese Summe aufkamen, wird nicht erkennbar; es könnte mit der Zweckbestimmung des | Gebäudes zusammengehangen haben. Desgleichen sehe ich keine rechte Möglichkeit, von der genannten Geldsumme aus irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen. Die Beantwortung der Frage, ob damit die Gesamtkosten des Mosaiks gemeint sein könnten, stößt zum einen auf 16 A. Wilhelm, Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts (1951) 97 f. (Kl. Schr. I 3, 491 f.). 17 Zwar gibt es, wie man aus dem rückläufigen Wörterbuch (Kretschmer – Locker 249 f.) ersehen kann, eine große Zahl von Nomina mit Endung -ευτής, es scheint mir aber kein Begriff außer βουλευτής hier in Betracht zu kommen. Wenn die Zeichnung den Befund exakt wiedergibt, muß der erste Teil des Wortes recht gedrängt geschrieben gewesen sein, was aber gerade bei ΟΥ in der Inschrift mehrmals vorkommt. 18 P. Herrmann, Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien (DenkschrWien 80, 1962) 10 zu der Inschrift TAM V 1 n. 517. 19 Vgl. dazu auch L. Robert, BCH 60, 1936, 197 (OMS II 904), mit dem Hinweis auf den Brief Hadrians an die Ephesier (jetzt: J. H. Oliver, Greek Constitutions of Early Roman Emperors n. 82). 20 Vgl. die erklärende Bemerkung von J. Keil, Forschungen in Ephesos III zu n. 57, der von einer „für das Amt festgesetzte(n) Geldsumme“ spricht. 21 Charakteristisch sind Verfluchungsformeln wie ἐκριζωϑήσεται παγγενεί (IG II2 13209, 10; 13210, 17; vgl. auch Hesych. K 4146 Latte παγγενεὶ ἀπολέσϑαι). Auch in Zusammensetzungen von παγγενεί (παγγενῆ) mit πανδημεῖ (Xanthos, FgrHist 765 F 19; Aelian. nat. anim. 17, 27; cf. Pollux IX 143), πανοικεῖ (Euseb. h. e. V 21, 1), ἡβηδόν (Cels. ap. Orig. Cels. 7, 18), πρόρριζος (Dionys. Alex. ap. Euseb. h. e. VII 23, 1) wirkt die Ableitung von γένος noch mit hinein.
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die Schwierigkeit, daß uns der materielle Befund, z. B. die Flächengröße des Mosaiks, ja nicht bekannt ist, zum anderen verfügen wir auch, soweit ich sehe, nicht über ausreichende Daten über Löhne und Preisverhältnisse im Bereich der Mosaikherstellung22. Natürlich hätte man gern Indizien für die Datierung des Mosaiks und seiner Inschrift, nicht zuletzt auch wegen der mit der Inschrift verbundenen institutionellen Fragen. Ein hier denkbarer Aufschluß mit Hilfe der Prosopographie ist allerdings nicht zu gewinnen: Für keine der vier genannten Personen ist eine Identifizierung möglich. Wenn man von dem einmaligen Vorkommen des Namens Φιλόμουσος in einer der Kritzeleien am Stadiontorbau absieht23, lassen sich nur für den Namen Paulinus einige Belege in Milet und Didyma ausmachen, die indes auch keine Hilfe bieten24. Ein Datierungsversuch auf Grund der Buchstabenformen erscheint mir angesichts der besonderen Bedingungen der Mosaikschrift riskant. Von den Erfahrungen mit der Steinschrift aus würde man jedenfalls vornehmlich an das 2. oder 3. Jahrhundert denken. Der Versuch einer Datierung nach archäologischen Kriterien stößt wieder auf die Schwierigkeit, daß man dafür beim Fehlen der Mosaikbilder selbst zu wenige Anhaltspunkte hat. Immerhin hat mir Klaus Parlasca auf eine Anfrage freundlicherweise mitgeteilt, daß gegen einen Ansatz im 2. Jahrhundert aus seiner Sicht „keine Bedenken“ bestehen. Vom historischen Standpunkt kommt der Mosaikinschrift sicher vor allem wegen der hier greifbaren Aspekte hinsichtlich des Strategenamtes in Milet Bedeutung | zu. Angesichts unserer besonders spärlichen Kenntnisse zu diesem Thema wäre freilich eine präzisere zeitliche Einordnung besonders erwünscht gewesen. Zu der aus ihr ableitbaren Spezifizierung beim Strategenamt könnte indes möglicherweise die Heranziehung eines milesischen Münzzeugnisses noch ein weiteres Detail beibringen, das deshalb in einem Anhang noch besprochen werden soll. 22 Die Angabe im Maximaltarif Diokletians von 301 (7, 6–7), wonach auf einen musaearius (μουσιάριος κεντητής) neben der Verköstigung ein Tagelohn von 60 Denaren, auf einen tessellarius (ψηφοϑέτης) ein Lohn von 50 Denaren entfiel, hilft nicht weiter (zu dem Unterschied s. M. Donderer, Die Mosaizisten der Antike und ihre wirtschaftliche und soziale Stellung, 1989, 23). Ein im Kommentar von S. Lauffer angeführtes Papyrus-Zeugnis (P. Tebt. ΙΙ 686 = CPL 315) aus dem 2./3. Jhdt. über eine Zahlung von 6 Drachmen, 13 As an Mosaiksetzer (musarii) ist nicht auswertbar, da ohne Detailangaben. Es ist demgemäß auch bei H.-J. Drexhage, Preise, Mieten/Pachten, Kosten und Löhne im römischen Ägypten bis zum Regierungsantritt Diokletians (1991) nicht herangezogen, wo überhaupt in den Zusammenstellungen über Baukosten (109 ff.) und Löhne im Baugewerbe (402 ff.) Angaben über Mosaikarbeiten fehlen. Für οἰκοδόμοι etwa kann Drexhage dort aufzeigen, daß die Tageslöhne im 2. Jhdt. um 2 Drachmen lagen und bis zur Mitte des 3. Jhdts. auf 4 Drachmen stiegen. 23 Milet I 9 n. 318. Zum Namen vgl. eine Belegsammlung bei L. Robert, Hellenica XIII, 1965, 56 f. 24 Eine noch unveröffentlichte Grabstele (Inv.-Nr. 1709 {Milet VI 2 n. 531}) nennt einen Ti. Claudius Paulinus, der vermutlich der Sohn des aus IvDidyma 335 und 336 bekannten Ti. Claudius Sopolis war. Aus IvDidyma 349, 12 kennen wir einen Ulpius Paulinus. Bei einem Paulinus auf einem Fragment eines Familiengrabsteins (Inv.-Nr. 989 {Milet VI 2 n. 616}) ist vermutlich ein vorhergehender Namensbestandteil weggefallen. Alle Zeugnisse dürften in das 2. Jhdt. führen.
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Anhang: Ein πομπαῖος στρατηγός in Milet? Schon oben war auf die Spärlichkeit von Belegen für das Strategenamt und speziell von Strategenkollegien im Inschriftenmaterial von Milet hinzuweisen. Wie verhält es sich da mit den Münzprägungen, sind bei ihnen eventuell irgendwelche Erkenntnisse zu diesem Amt zu gewinnen? Ein in der älteren Literatur registrierter Beleg schien hier zumindest eine Nennung dieses Amtes zu bezeugen: Mionnet (s. Anm. 13) III 174 n. 810, eine Münze der Zeit Galliens, die z. B. in der Zusammenstellung der Zeugnisse für das Strategenamt von W. Liebenam, Städteverwaltung im römischen Kaiserreich (1900) 562 unter den Belegen für Milet genannt wird25. Aber in der Zusammenstellung der Beamtennamen von R. Münsterberg 99 ist (mit dem „Warnungszeichen“ C = Cousinéry) für dieselbe Münze die Legende ἐπὶ [ἀ]ρχ Α[ὐρ] Δ[ι]ο[γ]ένου[ς angegeben, also die Nennung des Strategen beseitigt. Einen neuen Beleg schien dann eine Münze der Iulia Domna in der Sylloge v. Aulock 2112 zu bringen: ἐπὶ στρ Οὐλ Ἡγησάνδρου wurde dort gelesen26. Doch hier hat L. Robert in den Monnaies grecques (1967) 39 ff. die Lesung der Amtsbezeichnung des Strategen eliminiert, unter Hinzuziehung einer Pariser Bronzeprägung, auf der ἐπὶ Πο. Οὐλ. Ἡγησάνδρου zu lesen ist, wobei er zugleich den Mann als einen auch aus Inschriften bekannten Οὐλ(πιανὸς) Ἡγήσανδρος identifizierte27 und überdies zeigte, daß in Milet allgemein, auch unter der Abkürzung ἀρχ., der ἀρχιπρύτανις als der eponyme Beamte auf den Münzen erscheint. Nach dem Wegfall dieser zwei möglichen Belege kommt aber nun ein eigenartiges drittes Exemplar als mögliches numismatisches Zeugnis in Betracht. Es geht allerdings wieder um ein nur bei Mionnet (Suppl. VI 280) registriertes Exemplar, das überdies bei Münsterberg, Beamtennamen 99 durch den Hinweis S (= Sestini) problematisiert wird. Hier wurde auf einer Münze Elagabals gelesen ἐπὶ ἀρχ Πομπ στρατηγ Σαμίου. Doch auch hierzu hat Münsterberg später (Beamtennamen 264 sowie in den Nachträgen 30) eine Korrektur erwogen mit seiner Bemerkung: „lies ἐπὶ ἀρχ Πομπ Στρατηγ? Homonoia mit Samos?” Er vermutete hier also offensichtlich einen Eigennamen Πομπ(ήϊος) Στράτηγ(ος) (vgl. den Index 230). Die hiermit angestoßene Frage berührt sich interessanterweise mit einem Interpretationsproblem bei einer | smyrnäischen Grabinschrift: In dem nur durch Kopien von Daniel Cosson28 überlieferten Text (CIG 3348) werden die Inhaber eines ἡρῷον κοινόν genannt, Claudius Melampos (vermutlich mit dem Beinamen Eutyches) und Claudia Tryphosa. An den
25 Vermutlich aus Liebenam ist das (inzwischen obsolet gewordene) Zitat noch bei W. Schwahn, RE Suppl. VI (1935) 1113 übernommen. 26 Auch in dem 1981 erschienenen Index zur Syll. v. Aulock ist die Legende noch in dieser Form registriert (106. 136. 147); s. dazu P. Weiß, JNG 33, 1983, 96. 27 Zu diesem und seiner Familie s. auch W. Günther, IstMitt 35, 1985, 184 mit Anm. 20. 28 Zu Daniel Cosson und seinem Schicksal s. I. Η. M. Hendriks, ZPE 40, 1980, 195 f.; G. Petzl, IvSmyrna I (1982) VIII mit Anm. 5.
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im Genetiv stehenden Namen des Melampos ist angefügt: ὑμνῳδοῦ καὶ ϑεολόγου καὶ πομπαίου στρατηγοῦ. Die Inschrift ist als Beleg für die Existenz eines πομπαῖος στρατηγός in Smyrna in die Literatur eingegangen29. Aber in einem „Le prétendu πομπαῖος στρατηγός“ betitelten Beitrag hat E.-Ed. Briess, REG 26, 1913, 47–52 gegen diese Auffassung Stellung genommen und aus der Inschrift vielmehr die Nennung eines dritten Grabinhabers, zwischen Melampos und Tryphosa, herausgelesen: καὶ Πομπηΐου Στρατήγου Εὐτύχους30. Dabei führte er einige Belege für das Vorkommen des Personennamens Στράτηγος an31. Wir scheinen also eine Duplizität des Problems vor uns zu haben: Ist sowohl für Smyrna wie für Milet die Existenz eines Pompeius Strategos belegt, wobei dann eventuell die Frage nach der Identität zu stellen wäre, oder haben wir im Gegenteil zwei unabhängige Belege für die Funktion eines πομπαῖος στρατηγός in beiden Städten vor uns? Was die Inschrift aus Smyrna betrifft, so hat G. Petzl bei der Wiedergabe in seinem Corpus (IvSmyrna I n. 500) die Schreibung πομπαίου στρατηγοῦ vorgezogen (allerdings mit einem Fragezeichen versehen), wobei er sich auf eine in den Papieren von Gisbert Cuper in Den Haag aufbewahrte eigenhändige Kopie Cossons stützte und vor allem geltend machte, daß eine Änderung der Überlieferung zu Πομπηΐου „nicht unbedenklich“ sei. Infolge der Nennung des Titels neben denen eines ὑμνῳδός und ϑεολόγος vermutete Petzl, daß die Funktion eines πομπαῖος στρατηγός „möglicherweise … im Kaiserkult ihren Platz hatte“. Sollte man die milesische Münzlegende als Parallelbeleg für einen solchen πομπαῖος στρατηγός in Anspruch nehmen können, was mir sehr verlockend erscheint, wäre hier allerdings das Nebeneinander der Titel ἀρχ(ιπρύτανις) und πομπ(αῖος) στρατηγ(ός) bemerkenswert. Immerhin ist ja aber in dem obigen Beitrag auf die Affinität, wenn nicht Identität zwischen Strategenkollegium und Prytanengruppe nebst ihrem Archiprytanis in Milet hingewiesen worden. Das würde im Falle unserer Münzaufschrift besagen, daß der Archiprytanis als Stratege zugleich als „Leiter der öffentlichen Feste und Aufzüge“ (W. Schwahn, RE Suppl. VI 1111), eben der πομπαί, fungierte. Der Name dieses | milesischen Beamten wäre dann Σάμιος gewesen32; für ihn lassen sich aus Milet immerhin einige Belege aus hellenistischer Zeit beibringen33. 29 Vgl. dafür E.-Ed. Briess, REG 26, 1913, 47 f. sowie G. Petzl, IvSmyrna I 208 Anm. 1. 30 Zustimmend P. Roussel, REG 27, 1914, 464 (Bull. épigr.) „c’est probable“; vgl. auch noch J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1941 n. 9 p. 233: „la radiation du πομπαῖος στρατηγός de Smyrne“. 31 Man vgl. dafür auch die Erwähnung von Stratégos unter den als Eigennamen verwendeten Amtsbezeichnungen bei L. Robert, Actes du VIIe Congrès international d’épigraphie grecque et latine, Constantza 1977 (Bukarest–Paris 1979) 35 (OMS VI 689), mit dem Hinweis: „Cela cause souvent des erreurs dans la transcription de l’inscription, dans un sens ou dans l’autre.“ 32 Die Vermutung Münsterbergs in den Nachträgen „Homonoia mit Samos?” ergab sich offensichtlich daraus, daß er mit der Deutung des vorausgehenden Πομπ. Στρατηγ. als Eigennamen bereits den Beamtennamen ‚vergeben‘ hatte. 33 Ein Σάμιος Ἀνδρίου begegnet in der Liste der σύνεδροι des ersten Kreterdekrets (Milet I 3 n. 33, a4) von 234/3 (M. Wörrle, Chiron 18, 1988, 444 Anm. 86) und im Volksbeschluß für Kios (Milet I 3 n. 141,
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Sollte die hier vorgetragene Vermutung das Richtige treffen, könnten wir also für Milet die aus der Mosaikinschrift entnommenen Erkenntnisse über die funktionale Aufgliederung des Strategenkollegiums noch um eine weitere Spezifikation bereichern.
Abb. 1
3). Man hat ihn vermutungsweise mit einem auf milesischen Münzen erscheinenden Beamten Σάμιος gleichgesetzt: B. Deppert-Lippitz, Die Münzprägung Milets vom 4. bis 1. Jhdt. v. Chr. (1984) 166. 171. 174, dazu 88; Ph. Kinns, NumChron 1986, 256. Ein Δάϊππος Σαμίου war Stephanephor (Milet I 3 n. 124, 13) im Jahre 226/5 (nach der Chronologie von M. Wörrle, Chiron 18, 1988, 431–7).
34 Milet unter Augustus C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkults In memoriam Wolfgang Müller-Wiener 17. 5. 1923 – 25. 3. 1991 Zusammenfassung: Eine in Milet neu gefundene Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates gibt wertvolle Aufschlüsse über die Beziehungen der Stadt zu Augustus und durch Vermittlung des Geehrten für sie erwirkte Vergünstigungen. Gleichzeitig führen Angaben der Inschrift über die Priester-Funktionen des Epikrates auf eine Diskussion zur Anfangsphase des Kaiserkults auf munizipaler und provinzialer Ebene. Unter Einbeziehung schon bekannter Inschriften vom Buleuterion werden neue Deutungsvorschläge zu prosopographischen Fragen vorgebracht und damit verbundene Probleme des Heroenkults erörtert. Der Ausprägung des Kaiserkults in den Provinzen des römischen Reiches ist in den letzten Jahren ein intensives Interesse in der wissenschaftlichen Forschung zuteil geworden. So bemühte sich S. R. F. Price mit seinem 1984 erschienenen Buch „Rituals and Power“ um eine ausgreifende Deutung des Phänomens unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens von Religion, Politik und Macht, blieb aber von der Materialgrundlage her auf Kleinasien beschränkt, was sich u. a. in einem sehr nützlichen Katalog aller hier bezeugten Kultanlagen niederschlägt. Unter einem primär archäologischen Interesse steht die 1985 erschienene „Studie zu den Tempeln des ersten römischen Kaisers“ von Heidi Hänlein-Schäfer, wo unter dem Titel „Veneratio Augusti“ eine das gesamte Imperium umfassende Katalogisierung vorgenommen wird. Der architektonischen Ausgestaltung der frühesten Kultstätten hatte schon vorher ein kürzerer Beitrag „Zum Problem ‚Kaisareion – Sebasteion‘“1 von Klaus Tuchelt gegolten, in Fortsetzung seiner auf Milet bezogenen eingehenden Untersuchung „Buleuterion und Ara Augusti“2 von 1975, deren Hauptanliegen die Deutung des im Vorhof des milesischen Rathauses gelegenen Baues als Augustus-Altar gewesen war. Auch im Fall von Ephesos ist eine neuere Diskussion zur Frage der Lokalisierung | der frühesten Kultstätte(n) für Augustus in Gang gekommen3. Schließlich sei noch auf die bemerkenswerten Funde aus dem in Aphrodisias aufgedeckten Sebasteion verwie-
IstMitt 44, 1994, 203–236 und 8 Tafelabbildungen. 1 IstMitt 31, 1981, 167–186. 2 IstMitt 25, 1975, 91–140. 3 Vgl. W. Jobst, IstMitt 30, 1980, 241–260; P. Scherrer, ÖJh 60, 1990, 87–101; H. Engelmann, ZPE 97, 1993, 279–289. Dazu jetzt SEG XL 1001.
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sen, mit ihren vor allem unter ikonographischen Gesichtspunkten interessanten Aufschlüssen4. Was Milet betrifft, so verbinden sich hier mit der Frage der Lokalisierung und baulichen Deutung wichtige epigraphische Befunde, und auf diesen soll das Hauptgewicht des nachfolgenden Beitrags liegen. Es geht dabei zugleich um eine sukzessive entwickelte Auffassung in einer prosopographischen Frage, zu der jetzt ein Neufund einen wichtigen Erkenntnisfortschritt bringt. Zunächst ist hier aber eine kurze Rekapitulation vonnöten. Auf die Spur der Entstehung des Kaiserkults in Milet sah man sich durch Inschriftenfunde in Verbindung mit der Freilegung des Rathauses verwiesen. In der Publikation der Inschriften durch Carl Fredrich im Band Milet I 2 „Das Rathaus von Milet“ von 1908 ist dazu eine die Folgezeit bestimmende kombinatorische Interpretation vorgelegt worden. Vor allem aus den Fragmenten eines ansehnlichen Ehrendekrets (Milet I 2 n. 7) und den vermeintlichen Resten von vier Weihinschriften (I 2 n. 6) gewann Fredrich die Umrisse einer prominenten milesischen Familie der caesarisch-augusteischen Zeit: des literarisch bezeugten Epikrates als eines Vertrauten Caesars5, seines Sohnes C. Iulius Apollonios und der beiden Enkel C. Iulius Epikrates (auf den auch noch die Weihung I 2 n. 15 bezogen wurde) und C. Iulius Eukrates. In Apollonios sah Fredrich den Mann, der sich „um das erste Σεβαστεῖον in Milet hochverdient gemacht“ habe, während der Sohn Eukrates „erster Oberpriester der neuen Gottheit“ wurde6. Beide Aussagen entnahm der Herausgeber dem besagten Ehrendekret (I 2 n. 7), das den Geehrten mit dem Titel ἀρχιερεύς (a 4) versieht und von der Ausschmückung des Tempels des Apollon Didymeus „sowie des Augustus“7 berichtet. Die damals schon bekannten,
4 Dazu R. R. R. Smith, JRS 77, 1987, 88–138; ders., JRS 78, 1988, 50–77. 5 Der Milesier Epikrates wird in dem Bericht des Polyaen (VIII 23, 1) über die berühmte Episode der Gefangennahme Caesars durch die Seeräuber im Jahre 76 oder 75 v. Chr. als derjenige genannt, der dem Römer die als Lösegeld benötigte Summe verschaffte: Καῖσαρ Ἐπικράτη Μιλήσιον οἰκέτην πέμπει πρὸς Μιλησίους παρακαλῶν χρήματα ἐπιδανεῖσαι· οἱ δὲ παραχρῆμα ἔπεμψαν. (Es folgt der Bericht von der Überwältigung der Piraten durch eine List und ihrer Hinrichtung, mit dem Abschluß: … παραυτίκα τοῖς Μιλησίοις ἀπέδωκε τὰ χρήματα.) Da der Vorfall auf der vor der milesischen Küste gelegenen Insel Pharmakussa lokalisiert wird (Val. Max. 6, 9, 15; Suet. Caes. 4; Plut. Caes. 1, 7), lag es nahe, daß die Hilfe aus Milet kam (so auch Plut. ohne Namensnennung). In Verbindung mit der Identifizierung des Epikrates als Angehörigen einer bekannten milesischen Familie hat C. Fredrich, Milet I 2, 111 die Verbesserung von οἰκέτην zu οἰκεῖον im Polyaen-Text vorgeschlagen. Vgl. dazu auch W. Günther, IstMitt 39, 1989, 174 mit Anm. 8–10. 6 Milet I 2, 111. 7 Milet I 2 n. 7 b 18 (συμβαίνει … ὑπ’ αὐτοῦ …) κεκοσμῆσϑαι ἀναϑήμασι τόν τε ν[ε]/ὼ τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Διδυμέως καϑὼς τοῦ Σεβαστοῦ. Zu dem Problem, ob damit ein und derselbe Tempel gemeint ist (d. h. Augustus in Kultgemeinschaft mit dem Apollon Didymeus) oder ob daraus auf einen gesonderten Tempel für Augustus zu schließen ist, s. K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 97 mit Anm. 33; P. Herrmann, in Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Festschrift für Artur Betz (1985) 313 mit Anm. 18 {hier S. 382}; H. Hänlein-Schäfer, Veneratio Augusti (1985) 176 (auf den Apollon-Tempel zu beziehen); W. Günther, IstMitt 39, 1989, 175.
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1914 durch Albert Rehm publizierten Eponymenlisten vom Delphinion gaben dazu willkommene chronologische Ergänzungen. Nach ihnen war Ἐπικράτης Ἀπολλωνίου, κατὰ ποίησιν δὲ Αἰσχύλου 83/2 ν. Chr. Stephanephor (was gut zu dem für 76/5 bezeugten Caesar-Freund paßt), während der Sohn Ἀπολλώνιος Ἐπικράτους das eponyme | Amt 58/7 bekleidete, und dessen Sohn Ἐπικράτης Ἀπολλωνίου wiederum für 40/39 in dieser Funktion bezeugt ist8. Übrigens wurde auch der nachfolgende Stephanephor des Jahres 39/8 Ἀπολλώνιος Ἀπολλωνίου ὁ χρηματίζων Στρατόνικος als dritter Bruder dem Paar Epikrates und Eukrates beigesellt, für dessen Amtszeit eine wichtige historische Notiz angeführt wird: ἐπὶ τούτου ἡ πόλις ἐλευϑέρα καὶ αὐτόνομος ἐγένετο (Milet I 3 n. 126, 21–25), was als eine Belohnung für den Widerstand gegen die Parther invasion unter Labienus gedeutet zu werden pflegt9. Der so gewonnene Stammbaum der prominenten Familie, zu dem noch eine kleine Ergänzung nach oben möglich war, ist von Rehm und Späteren übernommen worden10. Eine Modifikation brachte 1937 Louis Robert ein, indem er in einer fragmentarischen Inschrift aus Aigiale auf Amorgos den Namen des C. Iulius Epikrates einsetzte, der dort mit dem Titel ἀρχιερεύς registriert wird11. Leider hat Robert seine Ankündigung „j’explique ailleurs mes restitutions“ nicht mehr ausführen können, was umso bedauerlicher ist, als uns damit seine Argumente für eine sich jetzt als
8 Milet I 3 n. 125, 9 (83/2); 125, 43 (58/7); 126, 20 (40/39). Es ist bemerkenswert, daß in den Listen die römische Namensform (C. Iulius) bei Apollonios und Epikrates nicht angeführt wird (s. dazu auch Anm. 10). 9 Vgl. L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 308 Anm. 3. A. Rehm hat in seiner „Mile sische(n) Chronologie von Sulla bis Tiberius“, SBMünchen 1939, Heft 8, 11–14 die parallelen Erwähnungen dieses Ereignisses (jetzt IvDidyma 218 II 4 und 342, 6) zusammengestellt und seinen chronologischen Ansatz gegen W. Kolbe (Philologische Wochenschrift 56, 1936, 1199 Anm. 1) verteidigt. S. dazu auch D. Magie, Roman Rule in Asia Minor (1950) 1432 und II 1282 Anm. 15. 10 A. Rehm, Milet I 3, 249; I 7, 326. Durch die Inschriften I 9 n. 331 und 332 konnte Rehm zu dem Stephanephoren Epikrates von 83/2 noch einen Großvater Epikrates, Sohn eines Pylon, hinzugewinnen, der nach Milet I 3 n. 107, 2 im ausgehenden 2. Jh. v. Chr. ebenfalls Stephanephor gewesen sein dürfte. – Zu der Familie s. auch F. Quaß, Historia 31, 1982, 210; W. Günther, IstMitt 39, 1989, 174 f. Es ist festzuhalten, daß entgegen anderslautenden Auffassungen (B. Holtheide, Römische Bürgerrechtspolitik und römische Neubürger in der Provinz Asia [1983] 26 f.) das römische Bürgerrecht erst für C. Iulius Apollonios bezeugt ist, noch nicht für dessen Vater Epikrates (s. auch die neue Ergänzung der Inschrift Milet I 2 n. 15 unten S. 454 f.), so daß man die Verleihung der Civität vielleicht erst mit Octavian-Augustus zu verbinden hat: zu der Frage s. Günther a. a. O. 174 Anm. 11 u. 13; F. Quaß, Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens (1993) 141 Anm. 325. 11 Es geht um die Weihung eines Kollegiums von Molpoi (und mithin um einen Beleg für die milesische ‚Kolonie‘) in Aigiale (IG XII 7, 418, 17 ff.; IGR IV 998), wo L. Robert, Études anatoliennes (1937) 53 f. Anm. 5 ab Z. 19 die hier wiedergegebene Namensergänzung vorgenommen hat: ὑπὲ]ρ τῆς σωτηρί/ [ας τοῦ ἀ]ρχιερέως Γαΐ/[ου Ἰουλί]ου Ἀπολ/[λωνίου] ἥρωος υἱοῦ / [Ἐπικράτ]ους φιλο/[πάτριδ]ος. W. Ruppel, Klio 21, 1927, 336 Anm. 4 hatte sich Gedanken gemacht über die Stellung des ἀρχιερεύς der μολποί. Zu der Inschrift und ihrer Bedeutung im Zusammenhang mit der milesischen Ansiedlung vgl. zuletzt P. M. Nigdelis, Πολίτευμα καὶ κοινωνία τῶν πόλεων τῶν Κυκλάδων κατὰ τὴν ἑλληνιστικὴ καὶ αὐτοκρατορικὴ ἐποχή (Thessalonike 1990) 20 mit Anm. 32.
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ingeniös erweisende, zu ihrer Zeit aber keineswegs sich anbietende Ergänzung unbekannt bleiben. Auf der Grundlage dieser Ergänzung waren nun, wie es von Robert bei späterer Gelegenheit formuliert wurde, beide Brüder, Eukrates und Epikrates, als „fondateurs du culte impérial“ in Milet anzusehen12. Der letzte Erkenntnisfortschritt wird Wolfgang Günther verdankt, der 1989 ein 1910 in Milet gefundenes, seitdem verloren gegangenes Fragment einer Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates dahingehend ergänzte, daß dieser als „erster Archiereus“ Milets bezeichnet war: - - - πρῶτ]ον ἀρχιερέα γενόμεν[ον]13. Damit hatte Epikrates den Bruder Eukrates gewissermaßen ‚überrundet‘: Epikrates war nun als „Stifter und | erste(r) Priester des milesischen Kaiserkults“ anzusehen, während Eukrates dann nur eventuell sein Nachfolger gewesen sein konnte. Über eben diesen C. Iulius Epikrates und seine Bedeutung für Milet in der Zeit des Augustus erhalten wir aber nun durch einen 1992 aufgenommenen Neufund sehr aufschlußreiche weitere Informationen, die auch zu einer Revision bisheriger Annahmen Anlaß geben. Der historischen Interpretation der neuen Inschrift ist der erste Teil dieses Beitrags gewidmet. In einem zweiten Abschnitt sollen einige weitere sich jetzt als zugehörig erweisende Dokumente in die Untersuchung einbezogen und sich daraus ergebende Fragen der Frühgeschichte des Kaiserkults in Milet und in der Provinz Asia diskutiert werden. Der dritte Teil wird dann unter Berücksichtigung archäologisch-topographischer Probleme auf Aspekte der Heroisierung und des Heroenkults eingehen.
1 Posthume Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates Die im folgenden zu behandelnde Inschrift ist mir zunächst durch freundliche Vermittlung von Wolf Koenigs im Sommer 1991 in einer flüchtigen Abschrift bekannt geworden, die sich in den nachgelassenen Papieren Wolfgang Müller-Wieners gefunden hatte, leider ohne jede nähere Angabe außer dem Vermerk „Nur sehr schwer zu lesen, aber bei richtiger Beleuchtung machbar“. Bei meinem Besuch in Milet 1992 fand ich den Stein in dem von Müller-Wiener in seinen letzten Jahren neu ausgebauten Inschriftenhof des Museums von Balat vor. Durch den plötzlichen und viel zu frühen Tod des langjährigen Leiters der Milet-Grabung ist leider die Möglichkeit, nähere Auskunft über die Herkunft des Steines zu erhalten, abgerissen. Es kann nur vermutet werden, daß er, wie die meisten anderen Neuzugänge im epigraphischen 12 L. Robert, AntCl 35, 1966, 421 (OMS VI 45). 13 W. Günther, IstMitt 39, 1989, 177 f. (SEG XXXIX 1255 {Milet VI 3 n. 1130}). Der Text lautete nach den von Günther vorgeschlagenen Ergänzungen: [Ὁ δῆμος ὁ Μιλησί]ων Γάϊον Ἰούλιον [Ἰουλίου Ἀπολλωνίου ἥ]ρωος υἱὸν Ἐπικρατέα [τοῦ Σεβαστοῦ πρῶτ]ον ἀρχιερέα γενόμενον.
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Bereich, als Streufund von irgendwoher aus dem weitläufigen Stadtgelände zu der Inschriftenhalle gebracht worden ist. Eine topographische Auswertung ist bei diesen Voraussetzungen in der Regel ohnedies nicht möglich. Rundsäule aus weißgrauem Marmor. Oben Profil; auf der Oberseite Dübelloch mit Gußkanal. Rechts neben dem Ende der Inschrift von oben nach unten senkrecht verlaufende (sekundäre?) Einarbeitung von ca. 2 cm Tiefe und 6,5 cm Breite, möglicherweise zur Aufnahme einer Schranke. Unten ganz leichtes Profil. Höhe 90 cm, Durchmesser (oben) 56,5 cm; Buchstabenhöhe 1,5–2 cm, Zeilenabstand 0,8–1 cm. Die Inschrift ist in ihrem linken Teil durch Verwitterung bzw. Versinterung stärker beeinträchtigt, wobei besonders von Z. 2–7 einige Probleme der Textherstellung bleiben, auf die im Kommentar einzugehen ist (Abb. 4–5). {Milet VI 3 n. 1131 mit Taf. 15} [Γ]άϊον Ἰούλιον Ἐπικράτη ἥρωα φιλόπατριν, πατέρα [Ἰ]ουλίας [τῆς ϑε]ίης Γν. Οὐεργιλίου Καπίτωνος, φίλον [ 5–7 ]ον γενόμενον Αὐτοκράτορος 4 Καίσα[ρος ϑε]οῦ υἱοῦ ϑεοῦ Σεβαστοῦ καὶ αἰτη σάμεν[ον τή]ν τε ἀσυλίαν τοῦ Ἀπόλλωνος καὶ τὴν ἀπ[ο]γ̣α̣ι̣ [ου]μένην χώραν ὑπὸ τοῦ Μαιάνδρου καὶ τοὺς γαι̣ ε̣ῶνας καὶ τὴν ἀ̣[τ]έ̣ λ̣ειαν τῶν Διδυ 8 μείων καὶ τῶν νήσων, ἀρχιερέα Ἀσίας καὶ τῶν Ἰώνων διὰ βίου καὶ ἀγωνοϑέτην διὰ βίου καὶ γυμνασίαρχον πάντων τῶν γυμνασίων καὶ πάσας τὰς λειτουργίας ἐπιτελέσαν 12 τα καὶ διά τε λόγων καὶ ἔργων καὶ ἀναϑη μάτων καὶ δωρεῶν κοσμήσαντα τὴν πα τρίδα καὶ ἐπιχ[ορηγή]σαντα, εὐεργέτην τῆς πόλεως κ[αϑὼ]ς τὰ περὶ αὐτοῦ ψη 16 φίσματα περιέχει Γάϊος Ἰούλιος Διαδούμενος τὸν ἀνδριάντα ἐμπρησμῷ διαφορη ϑέντα ἐν τῷ γυμνασίῳ ἐπισκευάσας 20 ἀποκατέστησε α̣ἰ̣ τ̣ησάμενος ἀπὸ τῆς βουλῆς ψήφισμα περὶ τούτου. Übersetzung (Ehrung für) Gaius Iulius Epikrates, Heros, den Vaterlandsliebenden, den Vater der Iulia, der Tante(?) des Gnaeus Vergilius Capito, der ein [ ] Freund des Imperator Caesar, Sohnes des Vergöttlichten, Gott Augustus geworden ist und der (die folgenden Privilegien) erbeten hat: die Asylie (für den Tempel) des Apollon, das durch den Mäander (angeschwemmte und) festgewordene Land sowie die Flußbänke, die
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Abgabenfreiheit für die Didymeen und für die Inseln, den Oberpriester von Asia und der Ioner auf Lebenszeit, Agonotheten auf Lebenszeit, Gymnasiarchen aller Gymnasien, der alle Leiturgien übernommen hat und der durch Worte und Taten, durch (Gebäude-)Weihungen und Geschenke seine Vaterstadt ausgeschmückt und gefördert hat, den Wohltäter der Stadt, so wie es die hinsichtlich seiner Person gefaßten Volksbeschlüsse zum Inhalt haben. Gaius Iulius Diadumenos hat die durch Brand zerstörte Statue im Gymnasium wiederherstellen lassen, nachdem er diesbezüglich einen Ratsbeschluß erbeten hatte.
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Die am Fuß der Rundsäule angebrachte Eintragung des sonst unbekannten C. Iulius Diadumenos belehrt uns, daß es sich bei dem Fundstück um eine ehedem in einem der milesischen Gymnasien14 aufgestellte Statuenbasis handelt, und zwar um die Erneuerung eines durch Brand zerstörten Denkmals15. Die Einheitlichkeit der Schriftformen legt die Annahme nahe, daß die | ganze Basis bei dieser Gelegenheit erneuert wurde, wobei nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob der Text der Ehreninschrift dabei unverändert übernommen wurde oder möglicherweise eine Neufassung erfuhr. Wie auch immer: Auf jeden Fall spricht schon die Erwähnung des Cn. Vergilius Capito in Z. 2 der Inschrift, wie zu zeigen sein wird, für eine Abfassung des Textes kaum vor der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. (s. S. 428). Interessant ist übrigens der Tatbestand, daß Diadumenos seine Aktion auf einen vorher erwirkten diesbezüglichen Ratsbeschluß gründete16.
14 Zur Frage der Zahl und Identifizierung der milesischen Gymnasien s. unten S. 439. Da durch die Angaben in Z. 2 der Inschrift eine Verbindung der Familie des Epikrates mit dem prominenten Cn. Vergilius Capito (dazu unten S. 428) erkennbar geworden ist, kann man sich fragen, ob der Aufstellungsort unserer Statue dann nicht auch das Capito-Gymnasium (IvDidyma 84, 19) gewesen sein kann, das man im Zusammenhang mit dem von demselben Mann gestifteten βαλανεῖον (Milet I 9 n. 328; vgl. auch 329) mit dem hinter der Ionischen Halle, d. h. östlich der vom Delphinion zum Markttor führenden ‚Prachtstraße‘, gelegenen Baukomplex identifiziert hat (Milet I 9, 23 ff.). Vgl. RE XV 2 (1932) 1615 s. v. Miletos (Hiller v. Gaertringen); ebenda 1640 f. (M. Mayer); G. Kleiner, Die Ruinen von Milet (1968) 93–97. Für Identität von βαλανεῖον und γυμνάσιον des Capito: J. Delorme, Gymnasion, 1960, 246. 15 Für die Erwähnung einer Zerstörung durch Brand (ἐμπρησμός) vgl. z. B. die von W. Vollgraff rekonstruierte Bauinschrift aus dem Theater von Argos BCH 68/9, 1944/5, 400 n. 9. διαφορέω wiederum wird z. B. bei der Nennung eines unbrauchbar gewordenen Sonnensegels (πέτασος) im Theater von Ephesos verwendet (IvEphesos 2040, 7), oder in Zusammenhang mit einer in Verfall geratenen Stoa in Thera (IG XII 3, 325, 32). Mehrfach begegnet die Anwendung auf Grabanlagen, speziell in Smyrna (IvSmyrna 259–261, wobei Petzl unter n. 260 auch die in Manisa abgeschriebene Inschrift TAM V 2 n. 1375 als smyrnäisch ansieht). 16 Hier haben wir ein klares Beispiel der Verwendung von αἰτησάμενος bei einem an ein städtisches Gremium gerichteten Ansuchen, wie es zuletzt P. Weiß, Studien zum antiken Kleinasien II (Asia Minor Studien 8, 1992) 174 entgegen der Deutung L. Roberts auch für die αἰτησάμενος-Formeln in der kaiserzeitlichen Münzprägung vertreten hat (vgl. Anm. 29). Weiß verwies dabei auf eine bevorstehende Untersuchung von J. Nollé (jetzt: RItNum 95, 1993, 491–3). Ich finde αἰτησάμενος in Bezug auf den Rat der 500 angewandt in der athenischen Inschrift B. D. Meritt, Hesperia 32, 1963, 48 n. 71 (SEG XXI 761).
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Die Ehrung galt dem oben schon genannten C. Iulius Epikrates. Sie ist offensichtlich nach seinem Tode vorgenommen worden, da sie ihn als ἥρως bezeichnet17, und faßt die von ihm wahrgenommenen Funktionen sowie seine Verdienste um die Stadt in einer recht summarischen Form zusammen, wodurch sich für uns einige Verständnisschwierigkeiten ergeben. Detaillierte Angaben waren den auf Epikrates bezüglichen Volksbeschlüssen zu entnehmen, auf die in einer Schlußbemerkung ausdrücklich verwiesen wird. Darauf ist später noch zurückzukommen (S. 440). Ein erster Erkenntnisgewinn, den die Inschrift vermittelt, liegt im prosopographischen Bereich. Wir erfahren, daß Epikrates, der hier mit dem Ehrentitel φιλόπατρις versehen wird18, über seine Tochter Iulia mit dem in Milet inzwischen recht gut bezeugten Cn. Vergilius Capito und damit mit einer anderen Familie von besonderer Prominenz verbunden war19. Auf gewisse Ähnlichkeiten in der politischen Rolle und in der städtischen Wirksamkeit bei Epikrates und Capito soll im weiteren Verlauf noch eingegangen werden. Hier ist zunächst von der Chronologie her die Art der verwandtschaftlichen Verbindung zu bedenken, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der entscheidende Begriff in Z. 2 durch Textzerstörung verloren ist. Wir haben für (C. Iulius) Epikrates das feste Datum seiner Stephanephorie im Jahre 40/39; später – nach Rehm zwischen 33/2 und 27/6, möglicherweise sogar erst 20/19 v. Chr. – ist für ihn noch die Bekleidung des Prophetenamtes bezeugt20. Wie weit seine Lebenszeit dann noch in die Regierung | des Augustus, als dessen Freund ihn die neue Inschrift bezeichnet, hineinreicht, muß vorderhand offen bleiben. Für Cn. Vergilius Capito andererseits, der außer durch seine Bautätigkeit in Milet durch zwei Etappen seiner ritterlichen Laufbahn bekannt ist, nämlich die Funktionen des procurator Asiae und des praefectus Aegypti (47–52), liefern uns Inschriften von Didyma und Milet eine Erstreckung der Lebenszeit zumindest von Caligula (IvDidyma 148) bis möglicher-
17 Es sei hier an die grundsätzlichen Bemerkungen L. Roberts zur Verwendung des Begriffs ἥρως erinnert (Hellenica XIII, 1965, 207): „Il est souvent méconnu et considéré comme un titre honorifique décerné à des vivants; il signifie, ici comme d’ordinaire, ‚défunt‘.“ Vgl. auch dens., Laodicée du Lycos (1969) 265. 18 Zu diesem Ehrentitel und seiner Zuerkennung vermutlich auf dem Wege der Akklamation vgl. L. Robert, Hellenica XIII, 1965, 215; Th. Drew-Bear, Nouvelles inscriptions de Phrygie (1978) 74; J. Nollé, IvSelge n. 1, 5 mit dem Kommentar S. 70 Anm. 9 und 10. Vgl. auch in Milet selbst die Aussage (IvDidyma 248, 12) διά τε ταῦτα ἀποδει[χ]ϑεὶς φιλόπατρις καὶ εὐ[εργέ]της τῆς πόλεως (zum εὐεργέτηςTitel s. unten Anm. 76). 19 Zu Cn. Vergilius Capito s. RE VIII A 2 (1958) 2419–23 s. v. Vergilius 6a (R. Stiglitz); N. Ehrhardt, IstMitt 34, 1984, 390; D. McCabe, in W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980, Kolloquium Frankfurt 1980, IstMitt Beih. 31 (1986) 186–9 {hier S. 395–398}; S. Demougin, Prosopographie des chevaliers romains julio-claudiens (1992) 569 ff. n. 679; vgl. auch F. Quaß, Historia 31, 1982, 199; J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I (1983) 267. 20 In die Zeit zwischen 33/2 und 27/6 setzt A. Rehm seine Prophetie IvDidyma 159 (vgl. 385) auf Grund seiner Nennung in der Inschrift n. 205. In einer Alternativergänzung zu n. 399, 1 hält er eventuell auch eine Datierung auf 20/19 für möglich.
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weise noch Nero21. Man wird also auf einen Lebensabstand zwischen beiden Personen von etwa 60 bis 70 Jahren geführt. Unter dieser Voraussetzung gewinnt die mir von W. Günther vorgeschlagene Ergänzung [τῆς ϑε]ίης in Z. 2 eine gewisse Plausibilität. Wenn Iulia, Epikrates’ Tochter, als ‚Tante‘ des Capito bezeichnet war, hätte man anzunehmen, daß eine (vielleicht jüngere) Schwester von ihr mit dem Vater des Vergilius Capito verheiratet war, wofern nicht, was ich sogar für wahrscheinlicher halten möchte, die Verbindung über eine Schwester des Epikrates lief, deren Tochter dann durch ihre Heirat die Mutter des Capito wurde (d. h. ‚Tante‘ im Sinne von Kusine der Mutter)22. Im ersten Falle wäre Epikrates dann als Großvater des Vergilius Capito anzusehen (was aber auffallenderweise nicht angegeben wäre), bei der – möglicherweise vorzuziehenden – zweiten Annahme wäre er der Großonkel gewesen23. Nicht auszuschließen ist freilich auch die Möglichkeit, daß der verwandtschaftliche Zusammenhang durch eine Adoption zustande gekommen ist, wie sie in den prominenten Familien Milets nicht ganz selten ist. Wenn Iulia aber als ‚Tante‘ gegenüber der ungenannt bleibenden Mutter Capitos herausgehoben wird, dürfte das in ihrer Bekanntheit und Prominenz begründet sein. Tatsächlich konnte ich schon vor Jahren auf eine Vermutung Ch. Habichts zurückgreifen, wonach eine Iulia, Tochter eines C. Iulius Epikrates ἥρως, der im Heraion von Samos eine Ehrung zuteil wurde, eben mit der milesischen Familie zu verbinden sei24. Man wird jetzt mit großer Sicherheit von Identität mit der Iulia unserer neuen Inschrift ausgehen können. Daß sie weiterhin identisch sein könnte mit der Stephanephorin von 31/2 n. Chr., Ἰουλία Γλυκων̣ ὶ̣ ς̣ [Γαΐ]/ο̣ υ̣
21 Die Erstreckung bis in die Zeit Neros ergäbe sich aus der Hypothese D. McCabes (s. Anm. 19), daß Vergilius Capito als ‚Bauherr‘ der römischen Bühne in deren auf Nero zu beziehender Weihinschrift genannt war (s. auch SEG XXXVI 1057 {I.Milet VI 2 n. 928}). Demougin a. a. O. bezieht auch noch zwei Stellen bei Tacitus (Hist. III 77, 1; IV 3, 2) zum Jahre 69, die einen servus Vergili Capitonis erwähnen, auf den milesischen Cn. Vergilius Capito (vgl. auch H. Heubner, Kommentar III [1972] 179). 22 Eine vorher von Günther und mir erwogene Ergänzung in Z. 2 zu [μάμ]μης würde zu dem weniger wahrscheinlichen Abstand von 4 Generationen zwischen Epikrates und Capito führen, außerdem ist der Buchstabe vor Eta ziemlich sicher als Iota zu erkennen. Eine Verwandtschaftsbezeichnung ϑείαν (bzw. besser ϑεία‹ς›) πρὸς πατρός begegnet IvDidyma 372, 10, wozu Rehm auf Grund unterschied licher genealogischer Konstruktionen zwischen „ϑεία im strengen Sinn“ und einer möglichen Verwendung „im weiteren Sinn“ (d. h. Tante in der Anwendung auf die Kusine der Mutter) schwankt. 23 Zur Verdeutlichung seien die beiden hypothetischen Verwandtschaftsverbindungen hier nebeneinandergestellt: C. Iulius Epikrates Iulia
(Schwester)
(Vergilius)
C. Iulius Epikrates Iulia
(Tochter)
(Schwester) (Vergilius)
Cn. Vergilius Capito Cn. Vergilius Capito 24 AM 75, 1960, 156 n. 52: Ἡ βουλὴ καὶ ὁ δῆμος / Ἰουλίαν Γαΐου Ἰουλίου / Ἐπικράτους ἥρωος / ϑυγα τέρα Ἥρηι {IG XII 6,1, 318 II}.
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Ἰ̣ ο̣υ̣λ̣ί̣ ο̣υ̣ - - - (der Stein ist hier abgebrochen), ist eine ansprechende, aber vorderhand nicht beweisbare Vermutung von W. Günther25. Nach der Nennung der Verwandtschaftsverhältnisse wird an Epikrates als erstes hervorgehoben, daß er zu den amici des Augustus zählte (Z. 3 f.), wobei der verwendete Begriff φίλος noch | durch ein weiteres Wort verstärkt gewesen zu sein scheint26. Einen entsprechenden Einfluß unserer Familie beim Kaiserhaus hat kürzlich schon W. Günther vermutet im Hinblick auf den Tatbestand, daß dessen Angehörige mehrmals in der milesischen Eponymenliste der augusteischen Zeit, d. h. als Stephanephoren, in Erscheinung treten27. Erst jetzt wird aber die maßgebliche Rolle des C. Iulius Epikrates in deutlicher Weise erkennbar, wird die für dieses Nahverhältnis zum Herrscher charakteristische Vermittlerrolle zugunsten der Heimatstadt herausgestrichen. Eine seinerzeit von G. Kleiner gewählte Formulierung: „Die Beziehungen Milets zu Octavian-Augustus gehen nicht über das übliche Maß hinaus“28, ist jetzt in dieser Abschwächung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Allerdings müssen wir feststellen, daß dem resümierenden Charakter unserer Inschrift gemäß die Aufzählung der durch seine Intervention (αἰτησάμενον Z. 4/5)29 beim Kaiser oder überhaupt in Rom erwirkten Vergünstigungen nur sehr summarisch erfolgt (Z. 5–8). Die Angaben seien im folgenden kurz kommentiert.
1.1 τὴν ἀσυλίαν τοῦ Ἀπόλλωνος Über den Asylie-Anspruch des Apollontempels von Didyma besitzen wir schon mehrere über die Zeit verteilte Nachrichten. Neu ist in diesem Zusammenhang die Nennung des Augustus, wenn denn, wie es naheliegt, die aufgezählten Privilegien tatsächlich mit seiner Regierungszeit zu verbinden sind. Wir haben in Milet den Vorteil, mit Hilfe eines Inschriftenfundes aus Kos bis an den Anfang der Asylie-Bestrebungen hinsichtlich des Apollontempels geführt zu werden: an eine in die Zeit gegen
25 Milet I 3 n. 128, 17; dazu W. Günther, IstMitt 39, 1989, 178 sowie in mündlicher Mitteilung. 26 Die von mir erwogene Ergänzung φίλον [καὶ οἰκεῖ]ον ist möglicherweise für den verfügbaren Raum etwas zu lang. Sie könnte im übrigen daran denken lassen, daß wohl schon der Großvater unseres Epikrates als οἰκεῖος Caesars bezeichnet worden war (s. Anm. 5). Unter einem solchen zurückreichenden Aspekt könnte man vielleicht auch eine Ergänzung [πατρῷ]ον erwägen. 27 Nach Rehms Chronologie (s. Anm. 9) hat Augustus das Stephanephorenamt in den Jahren 17/6 (Milet I 3 n. 127, 2 Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ ϑεοῦ υἱός: der Beginn einer neuen Liste) und 7/6 übernommen (127, 13 Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ ϑεοῦ υἱὸς τὸ δεύτερον), im Jahr 1/2 der Prinz C. Caesar (127, 22 Γάϊος Καῖσαρ), im Jahr 8/9 der Prinz Tiberius (127, 31 Τιβέριος Καῖσαρ). Dazu W. Günther, IstMitt 39, 1989, 178. 28 G. Kleiner, Das römische Milet, Sitz.-Ber. d. Wiss. Gesellsch. Frankfurt/M. 8, 1969, Nr. 5 (1970) 122. 29 Vgl. dazu L. Robert, Hellenica XI/XII, 1960, 58: „Le participe αἰτησάμενος s’applique à une faveur demandée à l’empereur par un ambassadeur“; s. auch Bull. épigr. 1961 n. 176. Ähnlich P. Weiß, Studien zum antiken Kleinasien II (1992) 174 „… für Anträge beim Kaiser bzw. den römischen Behörden“, der allerdings in der Deutung der αἰτησάμενος-Legende auf Münzen zu einer von Robert abweichenden Interpretation gelangt (vgl. auch Anm. 16).
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200 v. Chr. zu setzende Initiative, mit der für die Umwandlung der Didymeen zu einem penteterischen ἀγὼν στεφανίτης in der griechischen Welt um Zustimmung angesucht wurde, wobei zugleich auf die (schon vorher) in Anspruch genommene bzw. schon akzeptierte καϑιέρωσις und ἀσυλία für das ganze Territorium von Milet, πόλις und χώρα, hingewiesen wurde. Die mythologische Begründung dafür war die „ingeniöse Erfindung“30, die Vereinigung von Zeus mit Leto, der die göttlichen Zwillinge Apollon und Artemis entsprangen, sei in Didyma erfolgt31. Dieses in einer bewegten Phase der hellenistischen Geschichte ersonnene ‚Modell‘, wo mit der Asylie eine weitreichende Schutzwirkung angestrebt wurde32, war unter den Bedingun|gen der römischen Herrschaft zu einem auch räumlich eingegrenzten Privileg geschrumpft, das durch einen Verwaltungsakt römischer Feldherren und später der Kaiser gewährt werden konnte33. Und in dieser Form tritt es für Milet ab Caesar wieder in Erscheinung: In die letzten Lebensmonate Caesars, d. h. den Beginn des Jahres 44 v. Chr., hat A. Rehm eine in einer Inschrift von Didyma erhaltene Notiz datiert, wo von einem ταμίας Philodemos ausgesagt wird, daß während seiner Amtszeit „von Caesar zu der bereits bestehenden Asylie des Heiligtums zwei Meilen hinzugefügt wurden“34. Zum anderen wurde durch Rehm in einer anderen didymäischen Inschrift eine Bezugnahme auf die uns durch Tacitus eingehend geschilderte Aktion der Überprüfung der Asylierechte unter Tiberius im Jahre 22/3 gesehen, wo unter den Verdiensten eines gewissen Meniskos eine Gesandtschaftsreise zum Kaiser „bezüglich der Asylie des didymäischen Apollon und der Rechte der Stadt“ hervorgehoben wird35. Die Bemühungen des C. Iulius Epikrates um das Asylrecht oder um den Asylbezirk, die unsere Inschrift ohne weitere Detailan-
30 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, GGA 1914, 96 (Kl. Schr. V 1 [1937] 451). 31 R. Herzog, SBBerlin 1905, 979–993 (Syll.3 590). S. dazu W. Günther, Das Orakel von Didyma in hellenistischer Zeit, IstMitt Beih. 4 (1971) 100–107 (mit Einwänden gegen Wilamowitz, der später sogar von einer „frivole(n) Verlegenheitserfindung“ gesprochen hatte). 32 Vgl. Günther a. a. O. 81–85; P. Herrmann, Anadolu (Anatolia) 9, 1965 (1967), 121–138. 33 S. dazu P. Herrmann, Chiron 19, 1989, 127–158. Wir erwarten von Kent J. Rigsby in naher Zukunft die Vorlage seines Corpus der Asylieurkunden (vgl. Chiron 19, 1989, 128 Anm. 3 sowie K. J. Rigsby, TAPhA 118, 1988, 151 Anm. 107). {Kent J. Rigsby, Asylia. Territorial Inviolability in the Hellenistic World, Berkeley/Los Angeles/London 1996} 34 IvDidyma 391 II 7 ἐφ’ οὗ καὶ προσεδόϑη ὑπὸ Καίσαρος πρὸς τῆι προϋπαρχούσῃ ἀσυλίᾳ τοῦ ἱεροῦ μίλια δύο. Zur chronologischen Einordnung s. A. Rehm, Milesische Chronologie von Sulla bis Tiberius, SBMünchen, 1939, Heft 8, 11. 24. 26 mit Anm. 1 und 35 f. n. VII b. An das Ende von Caesars Lebenszeit ist jetzt auch die neue Asylieurkunde aus Sardeis datiert: P. Herrmann, Chiron 19, 1989, 139–141; vgl. 154 f. {SEG XXXIX 1290} 35 IvDidyma 107, 9 [πρεσβ]εύσαντα πρὸς τὸν Σεβασ[τὸν] ὑπὲρ τῆς ἀσυλίας τοῦ Διδυμέως Ἀπόλλωνος καὶ τῶν τῆς πόλεως δικαίων. Die Verbindung der Nachricht mit der Überprüfungsaktion unter Tiberius (Tac. Ann. II 60–63, IV 14, dazu P. Herrmann, Chiron 19, 1989, 127 ff.) hat Rehm von B. Haussoullier übernommen; sie beruht auf der Datierung der Ehreninschrift für Meniskos in die Zeit des Caligula (vgl. P. Herrmann, IstMitt 39, 1989, 191 {hier S. 403}). Bei Tacitus wird bezüglich Milets zum Jahre 22 nur gesagt, daß die Milesier ihr Privileg bis auf Dareios zurückführten (Ann. III 63 neque minus Milesios Dareo rege niti).
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gaben anführt, dürfte danach in die Zwischenzeit zwischen den genannten beiden Episoden gehören.
1.2 τὴν ἀπογαιουμένην χώραν ὑπὸ τοῦ Μαιάνδρου καὶ τοὺς γαιεῶνας Zu diesen m. Ε. zusammengehörigen Angaben ist zunächst eine kurze sprachliche und sachliche Erläuterung erforderlich. Das in Z. 6 in eine Textlücke fallende Verbum hatte ich zunächst nicht erkannt, wenn auch der Zusammenhang darauf schließen ließ, daß es irgendwie mit der das „Land“ (χώρα) betreffenden Wirkung des Mäander zu tun haben mußte. Auf den hier verwendeten Begriff wurde ich durch eine freundliche Mitteilung von A. Hohlweg geführt, der mich wissen ließ, daß in einer von ihm bearbeiteten neu gefundenen iustinianischen Inschrift aus Didyma von ἀπογεωϑέντες τόποι die Rede sei {SEG LIV 1178}. Danach glaubte ich entsprechende Spuren dieses Wortes auch auf dem Abklatsch unserer Inschrift ausmachen zu können. In der Tat scheint mir der Begriff ἀπογαιόω in seiner Bedeutung in terram verto (Stephanus) bzw. im Passiv „to be changed into earth“ (Liddell – Scott – Jones) hier ganz treffend zu stehen, zumal sich für das Wort gerade auch ein paralleler Beleg in der Anwendung auf die Schwemmlandbildung durch einen Fluß ausmachen läßt36. In Milet ist genau ein solcher Vorgang ja über Jahrhunderte hinweg zu | verfolgen. Er wird uns zuerst greifbar in einer negativen Wirkung, nämlich dem Niedergang der Milet benachbarten Kleinstadt Myus, die eben durch diese Schwemmlandbildung vom Meer abgeschnitten, durch Verlanden des verbliebenen Sees einer schweren Mückenplage ausgesetzt war und dann von ihren Bewohnern verlassen wurde, wie es Pausanias eindrucksvoll schildert37. Gerade für die Zeit des Augustus ist für Myus durch Strabon (XIV p. 636) der Tatbestand des Bevölkerungsrückgangs (ὀλιγανδρία) bezeugt, der politisch 36 Es geht um die Landanschwemmung an den vor der ätolischen Küste gelegenen Echinai-Inseln, die durch die gegenüberliegende Mündung des Flusses Acheloos verursacht wird (vgl. Steph. Byz. Ἐχῖναι· νῆσοι περὶ τὴν Αἰτωλίαν, αἷς Ἀχελῷος ὁ ποταμὸς προσβάλλει ἰλύν). Unter verschiedenen ‚Etymologien‘ wird dazu im Etymologicum Magnum 405, 10 die Erklärung gegeben: ἢ ἐπειδὴ ἰλὺς ἐκ τοῦ Ἀχελῴου ποταμοῦ κατερχομένη ἐκεῖσε ἐνέχεται καὶ ἀπογαιοῦται („oder [sie werden davon benannt,] weil der von dem Fluß Acheloos dorthin mitgeführte Schlamm [dort] hängen bleibt und zu festem Land wird“). Um Schlamm (ἰλύς) geht es auch in der Pausanias-Stelle in der folgenden Anmerkung. 37 Paus. VII 2, 11 Μυοῦντος δὲ οἱ οἰκήτορες ἐπὶ τύχῃ τοιᾷδε ἐξέλιπον τὴν πόλιν. κατὰ τὴν Μυουσίαν χώραν ϑαλάσσης κόλπος ἐσεῖχεν οὐ μέγας· τοῦτον λίμνην ὁ ποταμὸς ἐποίησεν ὁ Μαίανδρος, ἀποτεμό μενος τὸν ἔσπλουν τῇ ἰλύι· ὡς δὲ ἐνόστησε τὸ ὕδωρ καὶ οὐκέτι ἦν ϑάλασσα, οἱ κώνωπες ἄπειρον πλῆ ϑος ἐγίνοντο ἐκ τῆς λίμνης, ἐς ὃ τοὺς ἀνϑρώπους ἠνάγκασαν ἐκλιπεῖν τὴν πόλιν. ἀπεχώρησαν δὲ ἐς Μίλητον Μυούσιοι τά τε ἄλλα ἀγώγιμα καὶ τῶν ϑεῶν φερόμενοι τὰ ἀγάλματα, καὶ ἦν κατ’ ἐμὲ οὐδὲν ἐν Μυοῦντι ὅτι μὴ Διονύσου ναὸς λίϑου λευκοῦ. Übersetzung Ε. Meyer: „Die Bewohner von Myous verließen ihre Stadt wegen des folgenden Schicksals: Im Gebiet von Myous erstreckte sich ein nicht großer Meerbusen ins Land. Diesen machte der Fluß Maiandros zu einem See, indem er die Einfahrt mit Schlamm abschnitt. Als das Wasser Süßwasser wurde und nicht mehr Meer war, entwickelten sich die Mücken in unendlicher Menge aus dem See, bis sie die Menschen zwangen, die Stadt zu verlassen. Die Myousier zogen sich nach Milet
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in einem zeitlich nicht genau rekonstruierbaren Ablauf zum Verlust der Eigenständigkeit der Stadt und ihrem Aufgehen in einer Sympolitie mit Milet führte38. Auf der anderen Seite konnte dieser Prozeß freilich auch im positiven Sinne einen Landgewinn zum Ergebnis haben, vor allem wenn er durch technische Maßnahmen von Menschenhand unterstützt wurde. Von solchen Aktivitäten haben wir speziell aus der Zeit der Spätantike Kunde. Es ist das Verdienst L. Roberts, dies besonders anhand der Fragmente der 25. Rede des Himerios, die an den um 343 als vicarius Asiae tätig gewesenen Prokonsul von Achaia Skylakios gerichtet ist, anschaulich gemacht zu haben39. Die Wirksamkeit des Flusses wird hier u. a. in der folgenden Passage geschildert: „Er nahm das Meer den Seefahrern und gab es den Landarbeitern, auf daß sie statt der Wogen mit ihren Pflügen die Schollen teilten. Man könnte als eine Ebene ansehen, was vorher Meer war …“40 Neu hinzugewonnenes Land mag auch in einem späteren milesischen Epigramm auf der Basis der Statue des Hesychios, des Erneuerers der Faustina-Thermen, mit der Erwähnung einer ἀρτιπαγὴς γαίη gemeint sein41, während das neu gefundene Epigramm für den Statthalter Vitianus wiederum mit der Aussage von der Errichtung eines Dammes (γέφυρα) zum Schutz vor den winterlichen Fluten einen negativen Nebeneffekt der Landveränderungen im Mäanderbereich erkennen läßt42. Die γαιεῶνες von Z. 7 scheinen mir in einem sachlichen Zusammenhang zu stehen mit der vorher genannten ἀπογαιουμένη χώρα. Das Wort ist, wenn ich recht sehe, nur zweimal im unteritalisch-sizilischen Raum bezeugt, und zwar unter den Formen γαιών und γαεών, nämlich | auf den Tafeln von Herakleia und in einer späthellenistischen Katasterinschrift aus Halaisa43. Die als nicht ganz sicher angesehene Bedeutung wird in der Regel mit ‚Erdhaufen‘, ‚sepes terrae‘, ‚levée de terre‘ angegeben44. Nach einem freundlichen Hinweis von Nicholas Purcell dürfte es sich hier um zurück und nahmen alles Tragbare und auch die Götterbilder mit, und zu meiner Zeit war nichts mehr in Myous als ein Marmortempel des Dionysos.“ 38 S. dazu P. Herrmann, IstMitt 15, 1965, 93–95 {hier S. 276–278}. 39 L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 345–349. 40 Himer. or. XXV Z. 75 ff. Colonna: ὁ δὲ πλωτῆρας ἀποσυλήσας τὴν ϑάλασσαν γηπόνοις σχίζειν ἔδωκεν ἀντὶ κυμάτων τοὺς αὔλακας. Ἴδοις ἂν πεδίον μὲν τὴν πρόσϑεν ϑάλασσαν … 41 Milet I 9 n. 343, 9; dazu Robert a. a. Ο. 348 Anm. 1. 42 Η. Philipp, IstMitt 29, 1979, 199–203 und 31, 1981, 187–189, vgl. SEG XXIX 1139 und XXXI 979; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1980 n. 460. Für Vitianus vgl. jetzt Ch. Roueché, Aphrodisias in Late Antiquity (1989) 106 n. 65. 43 Tab. Heracl. 1, 136 (= IG XIV 645) vom Pächter eines Landgebietes: οὐδὲ γαιῶνας ϑησεῖ πὰρ τὼς ὑπάρχοντας οὐδὲ σαρμευσεῖ (R. Dareste – B. Haussoullier – Th. Reinach, Recueil des inscriptions juridiques grecques I (1891) 207 „il ne fera ni tas de terre ni trous“; IG XIV 352 II 83 (Halaisa, Beschreibung zu verpachtender Äcker) Grenzverlauf ἔστε τὸ ῥοείδιον τὸ ῥέον ἀνὰ μέσον τῶν γαεώνων (ebenso Ζ. 85). 44 Η. Collitz – Ο. Hoffmann (Hrsg.), Sammlung der Griechischen Dialekt-Inschriften IV 2 (1915) 731 (Index) „Erdhaufen“; V. Arangio Ruiz – A. Olivieri, Inscriptiones Graecae Siciliae et infimae Italiae ad ius pertinentes (1925, Nachdr. 1965) 25 „sepes terrae, aggeres; tumuli (manu facti) Schwyzer“; L. Du-
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‚Flußbänke‘ oder ‚Sandbänke‘ handeln, wie sie im Mündungsbereich häufig entstehen. Aber worauf richtete sich hier die Intervention des Epikrates beim Kaiser, um welche Art von Privileg oder Konzession ging es? Dieses Detail mit der vorausgegangenen Asylie-Bestätigung zu verbinden, scheint mir nicht sinnvoll45. Ich möchte eher vermuten, daß es um die Bestätigung eines territorialen Anspruchs der Milesier auf solches neu hinzuwachsendes Schwemmland geht, und daß dabei vielleicht Kontroversen mit einer der Nachbarstädte hereinreichten, wie es sie in dieser Gegend, mit dem Zusammentreffen der Territorien von Milet, Priene, Magnesia, Herakleia, häufiger gegeben hat46. Man könnte sogar daran denken, daß hier eben die vorhin erwähnten Veränderungen im Raum von Myus ins Spiel kamen, im Zusammenhang mit der in Gang gekommenen ‚Eingemeindung‘ der untergehenden Stadt. Auf jeden Fall ist gut vorstellbar, daß die durch den Mäander bewirkte fortschreitende Umgestaltung der Landschaftsform von Zeit zu Zeit neue Entscheidungen der Reichsregierung notwendig machte, und daß Epikrates eine solche zugunsten von Milet erwirken konnte47.
1.3 τὴν ἀτέλειαν τῶν Διδυμείων Das auf eine alte lokale Tradition zurückreichende Fest der Didymeia ist schon oben (S. 430) berührt worden, wo in Verbindung mit der gegen 200 v. Chr. durch die Milesier erstrebten Asylie-Anerkennung von der Umwandlung eines bisher jährlich gefeierten Festes zu einem penteterischen Kranzagon (ἀγὼν στεφανίτης) die Rede war. In der dort schon beigezogenen Urkunde aus Kos (Syll.3 590 {Milet VI 3 n. 1052; IG XII 4, 153}) wird darauf hingewiesen, daß der Demos von Milet in Didyma gemäß einer von den Vätern ererbten Tradition (κατὰ τὰ πάτρια) für Apollon Didymeus τάς τε πανηγύρεις καὶ τοὺς ἀγῶνας durchführte. Die Verbindung von Panegyris und Agon ist dabei wichtig und wird uns noch begegnen. Nun können wir aus einem späteren Zeugnis erschließen, | daß den Milesiern für einige Zeit durch römischen Eingriff die Abhaltung von Panegyris und Agon untersagt worden war. Nach der Rekonstruktion von A. Rehm, die von der Forschung übernommen worden ist, geschah das 84 v. Chr. durch Sulla im Rahmen einer weitgehenden Minderung ihrer politischen Rechte bois, Inscriptions grecques dialectales de Sicile (1989) 246 zu n. 196 „le sens de ‚levée de terre‘ n’est pas certain“. 45 Zwar sind die Glieder durch die Konstruktion mit τε … καί enger aneinandergebunden, aber das könnte vielleicht so verstanden werden, daß die beiden unterschiedlichen Themen in einer Verhandlungsrunde bzw. bei einer Gesandtschaft von Epikrates zusammengefaßt wurden. 46 S. dazu z. B. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, GGA 1914, 93–95 (Kl. Schr. V 1 [1937] 448—450). 47 W. Günther macht mich freundlicherweise auf die Dokumentation mit Kaiserbriefen aus Koro neia aufmerksam (J. H. Oliver, Greek Constitutions of Early Roman Emperors [1989] n. 108–118; SEG XXXII 460–471), in der es um Fragen der Landgewinnung im Bereich des Kopais-Sees geht. Allerdings scheint der dabei erwähnte territoriale Konflikt zwischen Koroneia und Thisbe nicht solches neugewonnenes Land betroffen zu haben (vgl. J. M. Fossey nach der Anmerkung zu SEG XXXII 468).
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durch Entzug des Freiheitsprivilegs als Strafe für die Hinwendung der Stadt zu Mithridates von Pontos, die für uns in der Eintragung dieses Herrschers als Stephanephoren des Jahres 86/5 (Milet I 3 n. 125, 5) augenfällig wird48. Was die Didymeen betrifft, so ist die genannte Strafmaßnahme aus der Nachricht über ihre Rücknahme erschließbar: Sie ist in einer in das Jahr 63, d. h. die Zeit des Aufenthalts des Pompeius im Osten, datierte Nachricht einer didymäischen Hydrophoreninschrift greifbar, wo gesagt wird, daß in deren Amtszeit die Panegyris und der Agon der Didymeia „wiederhergestellt“ wurden wegen der Frömmigkeit den Göttern gegenüber und (möglicherweise) der Loyalität gegenüber den Römern49. Wenn nun durch die Epikrates-Inschrift für die Zeit des Augustus die Gewährung der Atelie für das Fest bezeugt wird, so könnte es sich um einen weiteren Schritt der Aufwertung des wiederhergestellten Festes handeln. Freilich haben wir keine Nachricht aus der Zwischenzeit, so daß immer auch mit der Möglichkeit nur einer erneuten Bestätigung eines schon früher gewährten Privilegs zu rechnen ist. Was nun den Inhalt und die Bezugsrichtung der Atelie, der Steuer- oder Abgabenfreiheit, betrifft, so wird durch eine Vielzahl von Beispielen nahegelegt, daß es um die Panegyris geht, nämlich um ihre einem Markt oder einer Messe vergleichbaren kommerziellen Begleiterscheinungen50. Im frühen dritten Jahrhundert hat Epikrates übrigens unter diesem Aspekt einen Nachfahren gehabt in der Person des Sel(lius) Andreas, der erfolgreiche Gesandtschaftsreisen nach Rom unternommen hatte „wegen des Agons der Didymeia Commodeia und wegen der Atelie des höchst ruhmvollen Agons der Panionia Pythia“51.
48 A. Rehm, Milet I 3, 394 f. sowie besonders ders., Milesische Chronologie von Sulla bis Tiberius, SBMünchen 1939, Heft 8, 16–24. Vgl. Günther a. a. O. (Anm. 31) 107 f. Zum Freiheitsentzug s. auch R. Bernhardt, Imperium und Eleutheria (Diss. Hamburg 1971) 124, zur Wiederverleihung 39/8 v. Chr. ebenda 174. 49 IvDidyma 367, 6: ἀποκατεσ/τάϑη δὲ ἐπὶ ταύτης ἥ τε πανήγ[υ]ρις καὶ ὁ τῶν Διδυμή/ων ἀγὼν διὰ τὴν / [πρὸς τοὺς ϑεοὺ]ς εὐσέβηαν κ[αὶ τὴν πρὸς Ῥωμαίους εὔνοιαν?]. Vgl. auch IvDidyma 230 I 7. 50 Vgl. A. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde (1909) 196: „Πανηγύρεις pflegen mit ‚Messen‘ verbunden zu sein … und für eine solche außerordentliche Gelegenheit wird Freiheit von den sonst eingehobenen Abgaben gewährt“; L. Robert, RPhil 41, 1967, 62 (OMS V 402) mit der auf die Artemisia von Ephesos bezogenen Bemerkung: „l’ateleia … c’est l’exemption d’impôts sur les transactions de la panégyrie“. Ebenda Anm. 3 bibliographische Hinweise (Wilhelm, Feyel). Weitere Literatur bei P. Herrmann, IstMitt 25, 1975, 157 Anm. 29 {hier S. 331}; M. Wörrle, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Klein asien (1988) 210 Anm. 158; Ph. Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes II (1989) 109 mit Anm. 77. 51 IvDidyma 332, 5 mit der verbesserten Ergänzung von L. Robert, Hellenica XI/XII, 1960, 469 f.: [… τοῦ / καὶ πρ]εσβεύσαντος [δὶς εἰς Ῥώ/μην ὑπὲρ τ]οῦ ἀγῶνο[ς τ]ῶν Διδυμ[εί/ων Κομμο]δείων [κα]ὶ ὑπὲ[ρ] τῆς ἀτε/[λείας τοῦ ἐ]ν[δοξ]οτάτου ἀγῶνος / [τῶν Πανιωνίω]ν Πυϑίων καὶ εὐτυ/[χήσαντος ἀ]μφοτέρας τὰς πρεσβεί/[ας. Robert erwägt 470 Anm. 3 die Möglichkeit, daß die Atelie hier die Befreiung der Sieger von Abgaben betreffen könnte, zieht aber dann doch die Erklärung vor, daß es um die Atelie der Panegyris geht. – Die Erklärung des abgekürzten nomen gentile Σέλ(λιος) hatte L. Robert, REA 62, 1960, 350 (OMS II 866) vorgetragen (vgl. auch noch SEG XXX 1287).
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1.4 (τὴν ἀτέλειαν) τῶν νήσων Nicht so leicht zu erklären ist die Angabe von der Atelie der Inseln, die unmittelbar an die Nennung der Didymeen angeschlossen wird. Zwar ist klar, was in Milet mit den Inseln gemeint | sein muß, nämlich die zum Territorialbesitz der Stadt gehörige Gruppe der küstennah gelegenen Inseln Lepsia, Leros und Patmos52. In einer auf den Dionysoskult bezüglichen lex sacra von 276/5 v. Chr. wird bei einer sich auf das gesamte Territorium erstreckenden Bestimmung die Formulierung gewählt ἐν τῆι πόλει ἢ ἐν τῆι χώραι ἢ ἐν ταῖς νήσοις53. Und wie L. Robert zu einem in Aptera auf Kreta gefundenen Inschriftfragment, das die Bestätigung des Asylie-Ansuchens vom Ende des 3. Jh.s enthält, gezeigt hat, konnten bei der in diesem Zusammenhang beanspruchten ‚Heiligkeit‘ des ganzen Territoriums von Milet auch die Inseln gesondert angeführt werden, wenn auch die koische Urkunde (Syll.3 590, 8) sich auf die Nennung von Polis und Chora beschränkt54. Interessanterweise begegnet die Erwähnung einer ἀτέλεια für ein Fest und für einen Hafen in dem kürzlich edierten großen „Zollgesetz der Provinz Asia“, und zwar in einer in die Zeit nach 5 n. Chr. zu datierenden Entscheidung des Augustus: im § 57, den die Herausgeber mit der Angabe „Abgabenfreiheit bei den Romaia Sebasta zu Pergamon“ überschrieben haben, wobei sie bei dem erwähnten Hafen an Elaia dachten55. Das gibt für einen zu einer im Binnenland gelegenen Stadt gehörenden Hafen Sinn, aber im Falle von Milet ist eine Einbeziehung der Inseln in eine auf das Fest der Didymeia bezogene Atelie nicht recht vorstellbar. Man wird deshalb doch eher an eine nicht mit den Didymeia in Zusammenhang stehende ‚Steuerfreiheit‘ vermutlich anderer Art zu denken haben. Wie wir schon durch inschriftliche Zeugnisse wußten, und wie es das besagte Zollgesetz bestätigt hat, war Milet eine der Zollstationen für das portorium Asiae56. Eine mögliche Erklärung für die Erwirkung der ἀτέλεια τῶν νήσων durch Epikrates ist dann vielleicht der vorausgehende Versuch 52 S. dazu den Aufsatz von B. Haussoullier, RPhil 26, 1902, 125–143. Die Inschriften der Inseln hat G. Manganaro, ASAtene 25/6, 1963/4, 293–349 zusammengestellt. 53 F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure (1955) n. 48, 19 {Milet VI 3 n. 1222}. Dazu L. Robert, Hellenica I, 1940, 115: „L’État milésien comprenait trois parties: la ville, le territoire (continental), les îles.“ 54 L. Robert, Hellenica I, 1940, 113–115 zu ICret. II, III 16, 2 ff. mit dem Ergänzungsvorschlag τὰν πόλιν καὶ τὰγ χώρ]αγ καὶ τὰς νάσος ἱερὰς [- - - Ἀπόλλων]ος τοῦ Διδυμέως. 55 Η. Engelmann – D. Knibbe, EpigrAnat 14, 1989, 125–129 (Ζ. 128–133). Die von den Gesandten vielleicht im Namen des Koinon von Asia an den Kaiser herangetragene Bitte (αἰτησαμένων: vgl. Anm. 29) richtete sich darauf, ὅπως [- - -]τηρίδα ἀτέλεια ὑπάρχῃ ἡμερῶν τριάκοντα, von den Herausgebern in der Lücke versuchsweise ergänzt zu [Περγάμῳ κατὰ τὴν τῶν Ῥωμαίων Σεβαστῶν πεντε]τηρίδα. Bezüglich des Hafens ergänzen sie [ὅπως - - - Ἐλαί]α ἀτελείᾳ τοῦ λιμένος τούτου ὑπεξαιρῆται („daß … Elaia mit Abgabenfreiheit seines Hafens ausgenommen sei“). 56 Eine seit langem bekannte zweisprachige Inschrift aus Milet nennt einen Primio und bezeichnet ihn als XXXX port(uum) Asiae vilic(us) Mil(eti): CIL III Suppl. 7149 = H. Dessau, ILS 1862 {Milet VI 2 n. 563}; dazu kommt ein ähnliches, noch unpubliziertes Fragment (Inv.-Nr. 1567 {Milet VI 2 n. 667}). In der Zollinschrift erscheint Milet in der Hafenliste in Z. 25 (Μειλήτῳ).
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der Steuerpächter, den Warenverkehr zwischen dem Festland und den Inseln, nach dem Verständnis der Milesier ein binnenländischer Transfer, der Abgabenpflicht zu unterwerfen. Das sei zumindest als Hypothese hingestellt. Mit der eben besprochenen Einzelheit ist in Z. 8 die Aufzählung der von Epikrates vermittelten Privilegien beendet. Es folgen Angaben über von ihm wahrgenommene Funktionen, möglicherweise auch nur in Auswahl und in sprachlich knapper Fassung. An der Spitze steht die Stellung des ἀρχιερεύς mit der Formulierung ἀρχιερέα Ἀσίας καὶ τῶν Ἰώνων διὰ βίου. Hierin ist zugleich eine der wesentlichen Überraschungen des neuen Fundes enthalten. Als ἀρχιερεύς war uns Epikrates schon bezeugt, in L. Roberts Ergänzung der Inschrift aus Aigiale auf Amorgos (vgl. Anm. 11) und zuletzt in dem von W. Günther veröffentlichten Fragment (Anm. 13), bei dem nach seiner Ergänzung herausgehoben wurde, daß Epikrates der erste in dieser Funktion | gewesen sei. Aber das wurde bisher natürlicherweise auf den munizipalen Kaiserkult bezogen. Die Formulierung ἀρχιερεὺς Ἀσίας verweist uns jedoch eindeutig auf den Provinzialkult, der im Jahre 30/29 von Augustus den Provinzialen in der Form gemeinsamer Verehrung seiner Person und der Dea Roma ‚gewährt‘ worden war und der in Pergamon seinen Tempel erhielt57. Der für die Durchführung dieses Kultes eingesetzte Oberpriester führte den offiziellen Titel ἀρχιερεὺς ϑεᾶς Ῥώμης καὶ Αὐτοκράτορος Καίσαρος ϑεοῦ υἱοῦ Σεβαστοῦ, wurde aber schon im 1. Jh. n. Chr. häufig in verkürzter Form als ἀρχιερεὺς (τῆς) Ἀσίας bezeichnet, womit er dann gegenüber den ἀρχιερεῖς der munizipalen Kaiserkulte abgesetzt werden konnte58. Bemerkenswert ist an der Aussage der neuen Inschrift ferner, daß sie uns für Epikrates die Verknüpfung der Funktion des ἀρχιερεὺς Ἀσίας mit der des ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων bezeugt. Mit den Ἴωνες werden wir in die Spätphase der uralten, d. h. bis in die archaische Epoche zurückgehenden Einrichtung des Ionischen Bundes oder κοινὸν τῶν Ἰώνων geführt, mit seiner uns nur recht sporadisch greifbaren, über die hellenistische Zeit hinweg bis in die römische Kaiserzeit des 2./3. Jahrhunderts hinein fortbestehenden Existenz59. Gerade für Milet, die Stadt, in der der Ionische Bund einst ein Temenos für König Eumenes II. eingerichtet und seine vergoldete Statue aufgestellt hatte, deren ansehnliche Rundbasis heute noch in Berlin erhalten 57 Tac. Ann. IV 37 und Cass. Dio 51, 20, 6–9. S. dazu Ch. Habicht, Le culte des souverains dans l’empire romain (Fondation Hardt, Entretiens XIX, 1973) 55–64; C. Fayer, Il culto della dea Roma (1976) 107 ff. 58 Zur Entwicklung des Titels vgl. W. H. Buckler, RPhil 9, 1935, 177–188; Fayer a. a. O. 112–123. Für die Differenzierung zwischen provinzialem und munizipalem Kaiserpriestertum durch die an den Titel des ἀρχιερεύς angefügten Zusätze τῆς πόλεως oder πατρίδος bzw. τῆς Ἀσίας s. L. Robert, AntCl 35, 1966, 414 f. Anm. 3 (OMS VI 38); W. Günther, IstMitt 39, 1989, 176 Anm. 27 . 59 Vgl. dazu D. Magie, Roman Rule in Asia Minor (1950) 65–67; J. Deininger, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit (1965) 10–12. Von der älteren Literatur ist immer noch wichtig der Aufsatz von M. O. B. Caspari, JHS 35, 1915, 173–188, dazu für die Münzprägung J. U. Gillespie, RBelgNum 102, 1956, 31–53 (Nachtrag: 105, 1959, 211–213). Caspari weist 187 auf eine Reaktivierung des Bundes durch Augustus hin; die dafür angeführten Quellenzeugnisse erweisen sich indes nur sehr bedingt als tragfähig (Ioseph. Ant. Iud. XII 125).
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ist60, besitzen wir auch eine auffallend große Zahl von Bezeugungen kaiserzeitlicher ἀρχιερεῖς τῶν Ἰώνων oder τῆς Ἰωνίας bzw., wie es auch formuliert werden konnte, τῆς τρισκαιδεκαπόλιδος61. Daneben treten uns auch die Funktionen des βασιλεύς und des ἀγωνοϑέτης des Koinon entgegen62. Es gibt im übrigen dabei auch Fälle der Kumulierung der Priestertümer im ionischen Koinon und im Kaiserkult, freilich wohl dem städtischen63. Eine Verknüpfung der Funktion des ἀρχιερεύς im Koinon mit einer Stellung auf der provinzialen Ebene belegt vor allem in einer Serie der Münzprägungen des Bundes die Titulatur des dort genannten Verantwortlichen, M. Cl(audius) Fronto, ἀσιάρχου καὶ ἀρχιερέως γιʹ πόλεων aus der Zeit des Antoninus Pius64. Es muß aber hervorgehoben werden, daß uns die für die Person des Epikrates in Milet | bezeugte Kumulierung auf jeden Fall bis in die Anfangs- oder Entstehungsphase des provinzialen Kaiserkults zurückbringt und dafür u. U. signifikante Bedeutung besitzt. Schon J. Deininger in seiner Untersuchung der Provinziallandtage hat auf besondere Affinitäten und Ähnlichkeiten zwischen der Organisation des ionischen Koinon und des kaiserzeitlichen Provinziallandtages von Asia hingewiesen65. Möglicherweise wird hier in der Person des Epikrates und in seiner Doppelfunktion eine Verbindungsstelle zwischen den beiden Institutionen sichtbar. Von der Verbindung der beiden Priestertümer abgesehen enthält die neue Inschrift aber auch noch eine Besonderheit in der Hinzufügung der Angabe διὰ βίου. Schon allein auf das Oberpriestertum im Ionischen Bund bezogen ist eine solche Lebenslänglichkeit der Stellung, soweit ich sehe, ganz ohne Parallele. Subsumiert man unter diese Angabe aber auch noch das Oberpriestertum von Asia, also den Pro-
60 Milet I 9 n. 306. Dazu jetzt die technischen Beobachtungen zu dem Rundmonument von V. Kästner, in Bautechnik der Antike, Kolloquium Berlin 1990 (1991), 116–122. 61 ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων IvDidyma 287, 6. 13; Milet I 7 n. 265, 6; τῆς Ἰωνίας IvDidyma 279 a 13; 281, 9; 301, 5; τῆς τρισκαιδε[καπό]λιδος τῶν Ἰώνων IvDidyma 356, 6; vgl. dazu auch die Ergänzung zu IvDidyma 198, 3 bei L. Robert, Gnomon 31, 1959, 664 (OMS III 1629). 62 IvDidyma 339, 12 (πατρὸς καὶ πάππου …) ἀγωνοϑετησάντων τοῦ κοινοῦ τῶν Ἰώνων καὶ βασιλευ σάντων, άρχιερατ[ευσάντων … Trotz des Einwands von Rehm würde ich hier die Funktion des βασι λεύς auch auf das Koinon beziehen (vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1956 n. 213). 63 IvDidyma 287, 6 (T. Flavius Dionysodoros) ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν καὶ τῶν Ἰώνων; vgl. auch 279 a 10 und 13. Milet I 7 n. 265, 5 (von einer unbekannten Frau) τῶν Σεβα[στ]ῶν ἀρχιερατεύσασαν κ[αὶ τῶ]ν Ἰώνων. 64 Die Münzen bei Gillespie a. a. O.; vgl. auch H. Engelmann, ZPE 9, 1972, 188–192. Auf ein neues Exemplar mit dem Bild der Faustina minor macht mich W. Günther freundlicherweise aufmerksam: Münzen und Medaillen Basel, Auktion 41, 1970, n. 379 (non vidi). – Wenn in der Ehreninschrift für L. Iulius Libonianus (W. H. Buckler – D. M. Robinson, Greek and Latin Inscriptions, Sardis VII 1 [1932] n. 47) die Funktionen des ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας (am Tempel in Sardeis) und des ἀρχιερεὺς τῶν τρισ(καίδεκα) πόλεων genannt werden, so dürfte es eher um ein zeitliches Nacheinander, nicht um Kumulierung gehen. 65 J. Deininger, Provinziallandtage (1965) 10–12. Andererseits läßt sich keine direkte Kontinuität zwischen dem republikanischen κοινὸν τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων und dem späteren kaiserzeitlichen Provinziallandtag herstellen: vgl. Th. Drew-Bear, BCH 96, 1972, 447 mit Anm. 71.
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vinzialkult, wie es die sprachliche Formulierung nahelegt, so gerät man gerade auch hier in Schwierigkeiten: Nach den vorliegenden Indizien ist die Forschung bisher einhellig von der Annuität bei der Bekleidung dieses Priesteramtes ausgegangen66, und auch unter chronologischen Gesichtspunkten ergeben sich, wie zu zeigen sein wird, Probleme. Die Diskussion der komplexen Frage kann aber erst weiter unten aufgenommen werden, wenn weitere einschlägige Zeugnisse in die Erörterung einbezogen werden (S. 447). Ich fahre zunächst in der Analyse der Aussagen der Epikrates-Inschrift fort. Auf die Nennung der beiden Oberpriestertümer folgt in Z. 9 eine weitere durch διὰ βίου herausgehobene Funktion, die des ἀγωνοϑέτης. Auch hier läßt eine Umschau in dem milesischen Material sogleich das Ungewöhnliche hervortreten: So oft auch die Funktion bezeugt ist, sie wird nie mit dem Zusatz διὰ βίου versehen. Hingegen taucht diese Formel charakteristischerweise in Verbindung mit dem Provinzialpriestertum auf, und zwar schon bei den frühesten Bezeugungen, sofern der betreffende ἀρχιερεύς gleichzeitig mit der Durchführung der vom Koinon veranstalteten Ῥωμαῖα Σεβαστά befaßt war67. Es scheint mir viel dafür zu sprechen, daß auch in unserer Inschrift eben diese Aufgabe auf der provinzialen Ebene gemeint war, die mithin mit der vorher genannten Stellung des Epikrates als ἀρχιερεὺς Ἀσίας verknüpft war68. Bezüglich der Frage der Periodizität des Festes der Ῥωμαῖα Σεβαστά besteht immer noch eine ungelöste Kontroverse, nämlich in der | Annahme entweder eines penteterischen Zyklus oder jährlicher Veranstaltung69. Aber unabhängig davon bleibt es bemerkenswert, daß der ἀρχιερεύς, auf den jeweils die Abhaltung des Festes entfällt, trotz der vorauszusetzenden Einmaligkeit den Titel ἀγωνοϑέτης διὰ βίου erhält. Dieser Gesichts-
66 s. J. Deininger, Provinziallandtage (1965) 153 mit Anm. 5. Auf der Grundlage der vorauszusetzenden Einjährigkeit des Amtes argumentiert Fayer a. a. O. (Anm. 57) 137 Anm. 15 gegen die Möglichkeit, in dem ἀρχιερεὺς διὰ βίου ϑεᾶς Ῥώμης καὶ τῶ Σεβάστω C. Claudius Diaphenes in Mytilene einen Priester des Provinzialkultes zu sehen. 67 Dazu Fayer a. a. O. (Anm. 57) 113–118 mit den Belegen. Das früheste bekannte Beispiel ist der ἀρχιερεύς M. Antonius Lepidus aus Thyateira, dessen durch die Inschrift Sardis VII 1 n. 8, 99 bezeugte Tätigkeit in das Jahr 2/1 v. Chr. gesetzt wird. In augusteische Zeit gehört auch noch C. Iulius Pardalas (OGI 470, 10 = IGR IV 1611; vgl. Fayer a. a. O. 118 Anm. 35). 68 Als Parallele ist vielleicht die ebenfalls verkürzte Formulierung der Inschrift aus Thyateira TAM V 2 n. 968, 4 τὸν ἀρχιερέα τῆς Ἀσίας καὶ ἀγωνοϑέτην διὰ βίου anzusehen, die dem C. Iulius Lepidus gilt, vermutlich einem Sohn des in Anm. 67 genannten M. Antonius Lepidus (s. das Stemma und den Kommentar zu TAM V 2 n. 934). Die dort S. 315 vorgenommene Einordnung dieser Agonothesie unter die städtischen Funktionen halte ich jetzt nicht mehr für richtig. 69 Zu diesem Problem s. Fayer a. a. O. (Anm. 57) 114 Anm. 20 mit der Annahme eines penteterischen Zyklus; dagegen Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3: Die Inschriften des Asklepieions (1969) 165 sowie a. a. O. (Anm. 57) 64 mit Anm. 2 mit dem Eintreten für jährliche Durchführung des Festes. Wenn die in Anm. 55 wiedergegebene Ergänzung von Z. 130 im ephesischen Zollgesetz der Provinz Asia das Richtige trifft, hätten wir damit einen Beleg für penteterische Veranstaltung des Festes in augusteischer Zeit.
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punkt wird später bei der Behandlung des Problems des ἀρχιερεὺς διὰ βίου noch von einigem Interesse sein. Mit der Fortsetzung ab Z. 10 kommt in unserer Inschrift mit Sicherheit wieder die städtische Ebene in den Blick. Es beginnt mit der Angabe, daß Epikrates γυμνασίαρχος πάντων τῶν γυμνασίων war. Dieses Faktum ist für Milet keine Seltenheit: Speziell den Inschriften von Didyma lassen sich 8 Belege entnehmen (s. den Index). Wo die Zahl konkretisiert wird, ist von drei Gymnasien die Rede (IvDidyma 263, 3; 296, 2), und bei Aufzählungen im einzelnen gibt es entweder die Reihe einer Gymnasiarchie τῶν νέων, τῶν πολειτῶν, τῆς γερουσίας bzw. τῶν πρεσβυτῶν (IvDidyma 258, 4; 339, 14) oder τῶν νέων, τῶν πατέρων, τῶν πολειτῶν (Milet I 7 n. 265). Es ist allerdings bisher keine Identifizierung mit den drei IvDidyma 84 genannten Gymnasien, nämlich dem Φαυστίνειον, dem Καπίτωνος und dem μέγα γυμνάσιον, möglich, und ebenso stößt der Versuch der topographischen Fixierung (einschließlich des von Eudemos und des von Eumenes II. gestifteten Gymnasions) auf Schwierigkeiten70. Nach einer ebenso summarischen Feststellung von der „Erfüllung aller Leiturgien“ durch Epikrates wird in den folgenden drei Zeilen (12–14) sein Beitrag zur Verschönerung (κοσμήσαντα) und zur Ausgestaltung seiner Vaterstadt herausgehoben71. Das hat er getan „durch Worte und Taten“72, und zwar in Form der Errichtung von Bauwerken73 und in Form von Stiftungen oder Geschenken74 – wenn man die δωρεαί hier in Anbetracht der vorher erwähnten λόγοι nicht vielleicht besser als durch ihn vermittelte kaiserliche Gunsterweise oder Privilegien zu verstehen hat75. 70 Zu den Fragen s. A. Rehm, Milet I 7, 337 und besonders J. Delorme, Gymnasion. Étude sur les monuments consacrés à l’éducation en Grèce (1960) 126–133. Vgl. auch Ph. Gauthier – M. B. Hatzopoulos, La loi gymnasiarchique de Béroia (Meletemata 16, 1993) 72 Anm. 2 gelegentlich des Verweises auf Delorme: „discussion assez laborieuse et finalement décevante (pour la topographie)“. 71 Für das in Z. 14 ergänzte ἐπιχ[ορηγή]σαντα vgl. z. B. TAM V 2 n. 1197, 5 τὸ τῶν πρυτανειῶν τίμημα (d. h. die summa honoraria) ἐπιχορηγήσαντα εἰς ἔργων κατασκευάς. 72 Geläufiger ist die Formel καὶ λόγῳ καὶ ἔργῳ: s. dafür L. Moretti, RivFil 104, 1976, 390 mit Anm. 1 (Tra epigrafia e storia 70). 73 Für die verbreitete Wendung κοσμεῖν ἀναϑήμασιν vgl. L. Robert, Études anatoliennes (1937) 349 Anm. 1; ders., Bull. épigr. 1974 n. 494 (zu IvEphesos 638, 6). La Carie II (1954) 323 Anm. 4 verweisen L. u. J. Robert darauf, daß neben dem Dativ die Konstruktion διὰ ἀναϑημάτων (wie sie auch unsere Inschrift aufweist) seltener ist; als Beispiel zitieren sie Milet I 9 n. 309 (πατρὸς καὶ προγόνων …) διὰ ἀναϑημάτων κοσμησάντων τήν τε πόλιν καὶ τὸ ἱερὸν τοῦ ϑεοῦ Ἀπόλλωνος Διδυμέως. CRAI 1974, 178 Αnm. 3 (OMS V 671) stellt L. Robert die alternative Verwendung von ἀναϑήμασι „offrandes, consécrations“ und ἔργοις „bâtiments“ heraus. 74 Für das hier Gemeinte kann auf L. Robert, CRAI 1969, 44 f. Anm. 4 (OMS V 563) verwiesen werden: „Le verbe κοσμεῖν s’applique certes … à des constructions dont un bienfaiteur orne la ville (ἔργοις, ἀναϑήμασιν …) … Mais le verbe peut s’appliquer à autre chose. On peut ‘orner’ une ville par toutes ‘générosités’ … Les ‘libéralités’ peuvent être jointes aux constructions.“ Für δωρεά als geläufigen Terminus zur Bezeichnung von Stiftungen vgl. B. Laum, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike (1914) I 126. 75 Für δωρεά im Sinne von „kaiserlicher Gnadenerweis“ s. F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden I (1925) 404. Als ϑεῖα δωρεά konnte später auch die constitutio Antoniniana von 212
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Als letztes wird schließlich gleichsam alles Vorhergehende zusammenfassend Epikrates die Qualität eines εὐεργέτης τῆς πόλεως zuerkannt76, wobei Bezug genommen bzw. geradezu verwiesen wird auf die bezüglich seiner Person gefaßten Volksbeschlüsse, die demnach wohl andernorts noch öffentlich ausgestellt und für jedermann zu lesen waren77.
2 C. Iulius Epikrates und der Kaiserkult An die zuletzt referierte Aussage, den Hinweis auf die zugunsten von Epikrates verfaßten ψηφίσματα, soll hier sogleich die Frage angeschlossen werden, ob uns von diesen Dokumenten etwas erhalten geblieben ist. Das wären dann ja Texte, die das in der Ehreninschrift nur recht summarisch Zusammengefaßte in ausführlicherem Detail dargelegt haben müssen. Hier ist Veranlassung gegeben, die im Rathausband Milet I 2 unter n. 7 veröffentlichten „Ehreninschriften für C. Iulius Eukrates und seine Familie“ einer erneuten Betrachtung zu unterziehen. Die drei längsten Partien dieser fragmentarischen Texte, a–c, hat Fredrich dem Eukrates zugewiesen, während er von den weiteren sehr dürftigen Fragmenten e–i meinte, sie hätten sich vielleicht auf seinen Vater C. Iulius Apollonios und seinen Bruder C. Iulius Epikrates bezogen. Aussagekräftiger sind allein die längeren Textpartien a und b, die beide auch heute noch in Milet vorhanden sind (Abb. 6; 7). Für sie kann auf das von W. Günther formulierte Resümee78 zurückgegriffen werden: „Hier wird der Sohn des Ἀπολλώνιος ἥρως als ἀρχιερεύς vorgestellt und seine außerordentlich prominente Stellung nicht nur in der Heimatstadt, sondern auch auf provinzialer Ebene emphatisch hervorgehoben. In der sehr ausführlichen Würdigung seiner Verdienste, die bei der Lückenhaftigkeit des Textes nicht mehr in allen Einzelheiten faßbar sind, stehen seine für die Interessen Milets sich äußerst
bezeichnet werden (Ägyptische Urkunden aus den königl. Museen zu Berlin. Griechische Urkunden 655, 6; danach der Titel der Untersuchung von K. Buraselis, Θεῖα δωρεά. Μελέτες πάνω στὴν πολιτικὴ τῆς δυναστείας τῶν Σεβήρων καὶ τὴν constitutio Antoniniana [Athen 1989]). Spezifisch ist die Anwendung des Begriffs δωρεά auf einen vom Kaiser bewilligten Agon: s. dazu L. Robert, HarvStClPhil 81, 1977, 33 mit Anm. 160 (OMS VI 243). 76 Hier ist zu erinnern an den Versuch L. Morettis, RivFil 105, 1977, 5–11 (Tra epigrafia e storia [1990] 79–85), für Milet wie auch besonders für einige milesische Kolonien ein Verfahren der Ernennung eigener Bürger zu εὐεργέται zu belegen, gegen den sich indes Ph. Gauthier gewandt hat (Les cités grecques et leurs bienfaiteurs, BCH Suppl. XII [1985] 10–14). Die von Gauthier festgestellte Unterscheidung „entre le fait et le droit“ dürfte auch für unsere Inschrift gelten bzw. noch treffender seine Feststellung „la cité reconnaît de facto la qualité générale de ‘bienfaiteur’“. 77 Zu der geradezu terminologischen Bedeutung von περιέχει, „wenn auf den Inhalt von schriftlichen Aufzeichnungen oder Urkunden verwiesen wird“, s. A. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde (1909) 179 und zuletzt K. Dietz, Chiron 23, 1993, 299 Anm. 36. 78 IstMitt 39, 1989, 175.
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günstig auswirkenden freundschaftlichen Beziehungen zu den ἡγούμενοι, den führenden politischen Kreisen in Rom, im Mittelpunkt.“ Es steht außer Frage, daß manche Elemente dieser Charakterisierung an Aspekte erinnern, die wir auch in der neuen Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates kennengelernt haben. Das geht bis zu sprachlichen Anklängen, etwa wenn in 7 b 15–20 erwähnt wird, daß durch das Wirken des Geehrten speziell in Gesandtschaften und der Übernahme von Rechtsvertretungen79 die sakralen | und öffentlichen Einkünfte eine Vermehrung erfahren hätten und „der Tempel des Apollon Didymeus sowie des Augustus und die Stadt durch Weihungen geschmückt worden“ seien (κεκοσμῆσϑαι άναϑήμασι)80. Das führt uns darauf zu überprüfen, wie sicher die Zuweisung des Ehrenbeschlusses an C. Iulius Eukrates ist. Da ist nun gleich festzustellen, daß ausgerechnet in der Namensnennung in a 4–5 das Cognomen des Geehrten durch eine kleine Lücke, ein in die Schriftfläche hineinreichendes Loch, dezimiert ist: ἐπεὶ ὁ ἀρχιερεὺς Γά[ϊος Ἰο]ύλιος [Ἰ]ο̣ υλίου Ἀπολ/λωνίου ἥρωος υἱὸς Ε̣ [ὐ]κ̣ ράτης [φιλ]όπατρις … lautet Fredrichs Text. Die Kontrolle am Stein (Abb. 6) ergibt, daß von dem E vor der Lücke und dem K nach der Lücke praktisch nichts mehr zu erkennen ist; was aber noch wichtiger ist: daß der verfügbare Raum ebenso eine Ergänzung zu Ἐ̣ [πι]κ̣ ράτης wie zu Ε̣ [ὐ]κ̣ ράτης ermöglicht81. Die Ergänzung zu Ε̣ [ὐ]κ̣ράτης hat sich Fredrich aufgedrängt, weil er in der zweiten Zeile des Fragments, symmetrisch in die Mitte gerückt, die Angabe υἱοῦ Εὐκρά[τους] gelesen hat, die der in Z. 3 stehenden Beschlußformel ἔδοξε τοῖς συνέδροις· γνώμη ἐπιστατῶν unmittelbar vorausgeht. Er hielt also die vorhergehende Angabe offenkundig für eine Art Überschrift, in der der Name des Geehrten vorausgeschickt war82. Sieht man sich im milesischen Material um, so findet man in ähnlicher Plazierung vor der Beschlußformel indes nur zweimal Datierungsangaben
79 Für die Kombination beider Funktionen vgl. F. Quaß, Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens (1993) 137 Anm. 304; dazu z. B. noch eine von J. Nollé publizierte Inschrift aus Etenna: Forschungen in Pisidien (Asia Minor Studien 6, 1992) 123 Z. 11 ἔν τε ἐγδικίαις καὶ πρεσβείαις καὶ ἐν ταῖς λοιπαῖς τῆς πόλεως χρείαις εὔχρηστον γεγονότα. Ebenda 125 Anm. 406 bibliographische Hinweise zu ἔκδικος/ἐκδικία. 80 Beide Begriffe stehen auch in Z. 20 f. unmittelbar nebeneinander, allerdings in einer nicht mehr erkennbaren Konstruktion: δι’ ὧν τε πεποίηται ἐκ τῶ[ν ἐκ τοῦ] βίου ἀναϑη[μά]/των κεκοσμημένης ε[- - -. Ich schlage abweichend davon die Ergänzung ἐκ το[ῦ ἰδίου] βίου vor, womit im Unterschied zu dem Vorhergehenden hier auf seinen Beitrag aus eigenen Mitteln verwiesen würde. Man vgl. für die Formel P. Herrmann, Chiron 19, 1989, 138 Anm. 21; L. u. J. Robert, Claros I (1989) 22 Anm. 39. 81 Das Y ist in der Inschrift, wie insbesondere in Z. 2 zu erkennen ist, mit einer recht breit ausladenden Gabel geschrieben. Demgegenüber kann das Π, wie z. B. in Z. 4, etwas schmaler ausfallen, so daß Y und ΠΙ etwa dieselbe Breite beanspruchen können. 82 Damit hängt Fredrichs im Apparat gegebene Überlegung zusammen, ob sich das am Ende von Z. 1 erhaltene H zu ἥρωος ergänzen lasse, was ihm Schwierigkeiten bereitete [Korr.-Zus.: Nach dem Abklatsch vermutlich nicht H, sondern PI]. „Der Schluß eines anderen Dekretes für den Vater oder Bruder kann die Zeile aber nicht sein, da in der folgenden τοῦ fehlt.“ Ich glaube indessen, daß in Z. 2 τοῦ auf dem Stein zu lesen ist (s. Anm. 85).
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mit Nennung des das Jahr bezeichnenden Stephanephoren83. Auf dieser Beobachtung aufbauend kann ich in der Tat die von Fredrich notierten Buchstabenspuren84 unter Einschluß eigener Beobachtungen ohne Zwang zu einer StephanephorenDatierung, und zwar einer der augusteischen Zeit, verwenden: [ἐπὶ] σ̣τεφ[ανηφόρου] Δ̣[ημητρίο]υ το[ῦ Δημ]η[τρί/ο]υ τοῦ Εὐκρά[τους85. Die Liste Milet I 3 n. 127, 14 verzeichnet für das Jahr 6/5 | v. Chr. als Stephanephoren Δημήτριος Δημητρίου τοῦ Δημητρίου τοῦ Εὐκράτους. Die einzige Einschränkung gegenüber diesem Vorschlag kann darin bestehen, daß eine Δημήτριος-Nennung in der Genealogie des Stephanephoren in Milet I 2 n. 7 a 1 ausgelassen worden wäre, was aber vielleicht als ein verstehbares Versehen akzeptiert werden kann86. Ich halte die angegebene Ergänzung jedenfalls für in hohem Maße wahrscheinlich. Die Ergebnisse der hier vorgetragenen Revision führen zu folgenden Konsequenzen: Die Dekretfragmente Milet I 2 n. 7 stammen aus einem Ehrenbeschluß für C. Iulius Epikrates und bringen mithin Einzelheiten und sachliche Ergänzungen zu seinen in der neuen Ehreninschrift nur summarisch erfaßten Verdiensten. Die Erwähnung eines Eukrates in Z. 2 gehört in die Genealogie der Stephanephoren-Nennung, also der Jahresbezeichnung, und hat nichts mit dem Empfänger des Ehrendekrets zu tun. Zugleich wird damit eine Datierung der Urkunde auf das Jahr 6/5 v. Chr. ermöglicht. Da im übrigen kein einziges der der Familie Epikrates – Apollonios – Epikrates zuzuweisenden inschriftlichen Zeugnisse eine Namensnennung des Eukrates enthält, ist dieser Name überhaupt aus dem Familienstemma87 zu eliminieren. Nicht 83 Milet I 3 n. 33 a 1 (in einer um 3 Stellen eingerückten Zeile) [Ἐπὶ τ]οῦ ϑεοῦ τοῦ δευτέρου τ̣ ο̣ ῦ μ̣ε̣ τ̣ ὰ Ἀ̣ϑ̣ η̣ν̣ [αγ]όρα̣[ν (234/3 nach M. Wörrle, Chiron 18, 1988, 444 Anm. 86). Milet I 3 n. 150, 1 (symmetrisch in die Mitte gerückt) Ἐπὶ στεφανηφόρου Με̣ ν̣ [ά]νδρου Ταυρεῶνος (nach dem Vorschlag von M. Errington, Chiron 19, 1989, 288 das Jahr 185/4). 84 Z. 1 in folgender Form: . \τει̣ . . . . . . . . σ̣ . . . . . . . υτο . . . . . η. Die Reste können auf dem Photo Abb. 6 kontrolliert werden, allerdings nicht im rechten Teil der Zeile, da das von Fredrich dort angepaßte Fragment Inv.-Nr. 75c nicht mehr vorhanden ist. 85 In dieser Ergänzung ist vor dem T in στεφ[ανηφόρου ein am unteren Zeilenrand erkennbarer Strich als Rest von Σ aufgefaßt, wo Fredrich eine Schräge notiert hatte. Anstelle von σ̣ in der Zeilenmitte glaube ich deutlicher den Rest eines Δ zu erkennen. Als Bestätigung der hier vorgeschlagenen Ergänzung in Z. 1 nehme ich, daß sie in den Buchstabenzahlen genau den von Fredrich durch Punkte bezeichneten Lücken entspricht. Bezüglich des Zeilenendes gibt Fredrich an: „… selbst wenn η nicht der letzte Buchstabe gewesen sein sollte, was mir ziemlich sicher erscheint, können nur zwei hinter ihm fehlen“ (vgl. auch Anm. 82). In meiner Ergänzung sind am Ende von Z. 1 noch drei Buchstaben angesetzt (TPI), da sie kaum in der Lücke am Anfang von Z. 2 untergebracht werden können. In dieser 2. Zeile lese ich allerdings, von Fredrich abweichend, mit Sicherheit YTOY und nicht υἱοῦ: Der Buchstabe zwischen Y und O ist deutlich breiter als ein Iota, kann demnach nur T sein, da für ein Y der tiefe Ansatz der Gabel erhalten sein müßte. Vor dem ersten Y ist der Stein beschädigt, so daß sich dort ein O unterbringen läßt. 86 Die Divergenz kann nicht dadurch behoben werden, daß man hinter der ersten oder zweiten Angabe Δημητρίου ein B als Zeichen der Homonymie mit dem Vater einsetzt und damit einen weiteren Demetrios gewinnt, da hier gerade die Namensenden mit dem nachfolgenden Artikel erhalten sind. 87 Zuletzt Milet I 7, 326.
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zwei Brüder stehen am Anfang der Ausgestaltung des Kaiserkults in Milet, sondern allein die Person des C. Iulius Epikrates bleibt für diese Rolle übrig. Da nach meiner Überzeugung die Reste des Dekrets Milet I 2 n. 7 nunmehr als eines der ψηφίσματα angesehen werden sollten, deren die neue Ehreninschrift Erwähnung tut, erscheint es mir angebracht, hier den Text nebst einer deutschen Übersetzung einzufügen, damit der Leser die hier gegebenen Einzelheiten über Person und Leistungen des C. Iulius Epikrates vor Augen hat. Bei dem griechischen Text folge ich dabei, abgesehen von den oben schon besprochenen Abweichungen, dem Text C. Fredrichs aus dem Rathausband. {Milet VI I p. 156; SEG XLIV 940} a [Ἐπὶ] σ̣τεφ̣[ανηφόρου] Δ̣[ημητρίο]υ το[ῦ Δημ]η[τρί] [ο]υ τοῦ Εὐκρά[τους]. ἔδοξε τοῖς συνέδρο[ι]ς̣· γνώμη ἐπιστα[τ]ῶν· 4 ἐπεὶ ὁ ἀρχιερεὺς Γά[ϊος Ἰο]ύλιος [Ἰ]ο̣ υλίου Ἀπολ λωνίου ἥρωος υἱὸς Ἐ̣ [πι]κ̣ράτης [φιλ]όπατρ[ι]ς ἀνὴρ καὶ τἆλλα καλὸς καὶ ἀγαϑ̣ [ὸς] ὑπάρχων̣ , εὐγενήᾳ τε καὶ λαμπρότητ[ι καὶ δό]ξῃ κεκοσ 8 μημένος, διὰ πᾶσάν τε ἀρε[τὴν τί]μιος, οὐ μόνον ἐπὶ τῆς πα[τρ]ίδος ἀλλ[ὰ καὶ ἐ]π̣[ὶ] τ̣ ῆς σ̣υνπάσης Ἀσίας π̣ρ̣ ωτεύω̣[ν, ἅμα δὲ δι]ά̣ [τ]ε τὸν ἀπὸ τῆς πρώτης ἡ̣[λικίας γενόμε] 12 [νον ζ]ῆλον καὶ παρεσκε̣ [υασμένος - - -] [. . . .]τ̣ ος αἱρούμε[νος - - - - - - - - - - - - -] b . . . . . . . . .ΙΝ||. . . . . . . . . . . δι’ ὧν̣ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ων ἐκ π . . . . . . . . . . . ν δικα̣ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . σ̣ια τῆς πο . . . . . . . . . . ας τὸ πα̣ . . . . . . . . . . . . . 4 . . . ο τὰς συνπ . . . . . . . . . . . . ανοις κα̣ . . . . . . . . . . . . [χρ]ημάτων ποιούμ[ενος . . . . .]υ τοιουτ . . . . . . . . . . . [ἐ]πιτίμους πεφυλ[α . . . . . .] ͟͞ οὐδὲ οι . . . . . . . . . . . . [τ]ῆς κοινῆς ὑποστά[σεως, ἃ μὲν τούτ]ων παρ’ ἁτοῦ προ[δα] 8 [νε]ίζων ἄτοκα, ἃ δὲ χαρ̣ [ιζόμενος ἀν]απόδοτα· ἔτι δὲ [τ]ὴν ἰδίαν ἐπιχρῶν ἑν [ταῖς διεγγυήσ]εσιν πίστιν, δι’ ὧ[ν] [π]ολλὰ καὶ μεγάλα συμβαίνει καὶ κοινῇ καὶ κατ’ ἰδίαν ἕκα[σ] [τ]ον συναίσϑησιν λαμβάνειν τῶν ἐξ αὐτοῦ γεινομένω[ν] 12 [ε]ὐεργεσιῶν, ταῖς τε τῶν ἡγουμένων φιλίαις τε καὶ ξενία[ις] [κα]ταχρώµενος εἰς τὰ τῆς πατρίδος συμφέροντα, καϑότι [ἓ]ν ἕκαστον τῶν πρασ‹σ›ομένων ἐπ’ εὐποίᾳ ὑπ’ αὐτοῦ συμβαί ν̣ ει ἑκάστοτε τῶι δήμωι φανερὰ καϑίστασϑαι, δι’ ὧν τε τε 16 λεῖ ἀδιαλείπτως πρεσβειῶν τε καὶ ἐγδικιῶν, ἐξ ὧν συμβαί νει εὐξῆσϑαι μὲν τὰς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ δήμου προσό δους ὑπ’ αὐτοῦ καὶ κεκοσμῆσϑαι ἀναϑήμασι τόν τε ν[ε]-
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ὼ τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Διδυμέως καϑὼς τοῦ Σεβαστοῦ κ[αὶ] τὴν πόλιν, δι’ ὧν τε πεποίηται ἐκ το̣ [ῦ ἰδίου] βίου ἀναϑη[μά]των κεκοσμημένης ε[. . . . . . . .]υτου καὶ τοῦ ν[εὼ] τοῦ ἐν Διδύμοις ἅτινα [. . . . . . .]ˉΟΥΑΡΠΙ[. . . . . .] π̣ων τῶν τε τῆς πόλ[εως . . . . . . . .]ΙΝΑ[. . . . . . . .] ἀνέϑεσαν φιλο[- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] νων καὶ ὀφιλον[τ- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] φος ἐλϑεῖν ἰ μὴ[- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - πο]λυδαπάνου [ ] νας τας [ ] . . ον ἐπ[ ] . . . Σεβα[στ- ]
a 12: eventuell παρεσκε̣ [υακὼς ἑαυτὸν ἄξιον o. ä.: vgl. J. Vanseveren RPhil 10, 1936, 255. b 20: vgl. Anm. 80. b 21: vielleicht ἐ[πὶ πλέον τῆς πόλεως ὑπ’ α]ὐτοῦ.
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Übersetzung a) [Im Jahr des] Steph[anephorenJ D[emetrios], Sohnes des [Dem]e[trios], des Sohnes des Eukra[tes]. Beschluß der Ratsmitglieder, Antrag der Vorsteher88. In Anbetracht der Tatsache, daß der Oberpriester C. Iulius Ẹ[pi]ḳrates, Sohn des Iulius Apollonios Heros, ein Patriot und auch sonst bewährter Mann, ausgezeichnet durch edle Abkunft, Glanz und Ansehen, geachtet auf Grund aller seiner Vorzüge, nicht nur in seiner Vaterstadt, sondern in der ganzen (Provinz) Asia zu den Ersten zählend, durch seinen von der frühesten Jugend an bewiesenen Eifer und in der Bereitschaft [– – – – – – b) (ab Z. 6) – – –] und nicht [– –] aus dem gemeinsamen Vermögen, indem er von sich aus teils zinslose Darlehen gab, teils (die Gelder) ohne Verpflichtung zur Rückzahlung gewährte. Und dazu gab er bei [den Bürgschaften] selbst die Sicherheitsgewähr, wodurch in hohem Maße öffentlich und privat jedem die von ihm kommenden Wohltaten ins Bewußtsein treten. Seine Beziehungen der Freundschaft und Gastfreundschaft zu den Regierenden setzt er ein zum Nutzen der Vaterstadt, so daß jedes Mal jede einzelne der von ihm erbrachten hilfreichen Leistungen dem Volk deutlich erkennbar wird, einerseits durch seinen beständigen Einsatz in der Übernahme von Gesandtschaften und Prozeßvertretungen, wodurch bewirkt wurde, daß die Einnahmen des Gottes und des Volkes durch ihn vermehrt wurden und daß der Tempel des Apollon von Didyma sowie des Augustus und die Stadt durch (Gebäude-)Weihungen ausgeschmückt wurden, andererseits durch die aus seinem eigenen Vermögen von
88 Für die Beschlußformel vgl. H. Müller, Milesische Volksbeschlüsse (1976) 81.
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ihm vorgenommenen Stiftungen, wobei [die Stadt noch zusätzlich von ihm?] ausgeschmückt wurde und der Tempel in Didyma [– – – – –] Die Inschrift beginnt, wie es einem häufig verwendeten Schema entspricht, mit der Betonung der edlen Abkunft des Geehrten89 sowie seiner prominenten Stellung sowohl in seiner Vaterstadt wie in der ganzen Provinz Asia90. Dann wird, ebenfalls in konventioneller Weise, sein Engagement bis auf die früheste Jugendzeit zurückverfolgt91, worauf eine detaillierte Schilderung seiner Verdienste gefolgt sein dürfte, die allerdings einem vielleicht längeren Textverlust zum Opfer gefallen ist92. Wo der Zusammenhang mit dem Fragment b wieder erkennbar wird, geht es um finanzielle Belange (b 5 χρημάτων). Auf eine Erwähnung des „öffentlichen Vermögens“ folgt die summarische Nennung von Zuwendungen (oder Vorauszahlungen), die Epikrates teils zinslos, teils unter Verzicht auf Rückzahlung vorgenommen hatte (b 7–8)93. Auch in Bürgschaftsangelegenheiten hatte er offenbar sein Vermögen als Sicherheit eingesetzt (b 8–9). Die Erwähnung der von ihm in sichtbarer Weise bewirkten εὐεργεσίαι leitet über zu der Hervorhebung seiner freundschaftlichen Beziehungen zur römischen Führungsschicht94, die er zum Nutzen seiner Vaterstadt einsetzen konnte (b 12–13). Die im weiteren folgenden Hinweise auf die „Ausschmückung“ des ApollonTempels sowie der Stadt durch ἀναϑήματα (vgl. Anm. 73) sind offensichtlich zwei gliedrig formuliert: Die Errichtung der Bauanlagen war teils durch eine Vermehrung der | sakralen und profanen Einkünfte möglich, die er durch Gesandtschaftsreisen und Prozeßvertretungen (s. Anm. 79) bewirkt hatte, teils durch Einsatz seiner eigenen Mittel (s. Anm. 80). Das letzte in dem dann verstümmelten Text erkennbare Wort,
89 Zur εὐγένεια bemerkt L. Robert, A travers l’Asie Mineure (1980) 246: „qualité … qui se place excellemment au début d’un éloge“. Vgl. dens., Études anatoliennes (1937) 259; M. Wörrle, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien (1988) 196 Anm. 73. 90 Für die Hervorhebung durch πρωτεύων vgl. W. Günther, IstMitt 39, 1989, 175 Anm. 17; M. Wörrle, Stadt und Fest … 56; F. Quaß, Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens (1993) 54 mit Anm. 162. 91 Für die Wendung ἀπὸ τῆς πρώτης ἡλικίας (a 11) vgl. W. Günther, IstMitt 25, 1975, 353. 92 Fredrich macht keine Angaben über den möglichen Abstand zwischen den Textfragmenten a und b. Es fällt immerhin auf, daß in a die Buchstabenzahl je Zeile im Durchschnitt etwa 33 beträgt, während in b im Durchschnitt ungefähr 44 Buchstaben erreicht werden. Das spricht gegen einen Versuch, b unterhalb von a anzusetzen. Vielleicht befinden wir uns mit b in einer zweiten Textkolumne der Inschrift. 93 Die Zeilen b 7–8 sind aufgenommen in die Dokumentensammlung von L. Migeotte, L’emprunt public dans les cités grecques (1984) 311 n. 98, allerdings mit der Bemerkung „leur portée exacte est impossible à établir“. Migeotte gibt Hinweise zu den Begriffen ὑπόστασις und προδανείζειν und hebt im übrigen hervor, daß wir hier eines der wenigen Beispiele für emprunts publics in der Kaiserzeit vor uns hätten. Für das Nebeneinander von ἄτοκα und ἀναπόδοτα kann auf L. Robert, RPhil 1, 1927, 128 (OMS II 1083) verwiesen werden, zu ἀναπόδοτος speziell auch auf A. Wilhelm, ÖJh 11, 1908, 60 (Kl. Schr. II 1 [1984] 292). 94 Für den Begriff der ἡγούμενοι vgl. W. Günther, IstMitt 39, 1989, 175 Anm. 9 mit weiteren Hinweisen.
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Σεβα[στ- (b 30), könnte ein Hinweis sein, daß dann auch von dem Freundschaftsverhältnis des Epikrates zu Augustus die Rede war. Man sieht aus diesen Andeutungen, worin die Berührungen mit den Angaben der neuen Ehreninschrift bestehen, in welchen Details das Dekret zusätzliche Einzelheiten bringt, welche Elemente der neuen Inschrift andererseits in den erhaltenen Dekretpartien fehlen. Wir erfahren nichts über Ämter und Funktionen des Geehrten im städtischen Bereich, und seine priesterliche Stellung im Kaiserkult wird allein durch das seinem Namen generell vorangestellte ὁ ἀρχιερεύς (a 4) zum Ausdruck gebracht. Für unsere Untersuchung ist aber damit der Punkt erreicht, wo die bisher aufgeschobene Diskussion über den Charakter der Oberpriesterwürde des Epikrates nunmehr aufgenommen werden sollte. Wenn die oben abgeleitete Datierung in das Jahr 6/5 v. Chr. das Richtige trifft, könnten wir also immerhin die Funktionsbezeichnung ἀρχιερεύς in einem Falle mit einem Datum verbinden. Mit dem bloßen Titel ἀρχιερεύς war Epikrates übrigens auch in der oben erwähnten Inschrift aus Aigiale (IG XII 7, 418) genannt, die L. Robert auf ihn bezogen hatte (s. Anm. 11). Und wenn man sich an die von W. Günther vorgeschlagene Ergänzung des von ihm veröffentlichten Fragments (Inv.-Nr. 1295) hält, war dort die wichtige Angabe enthalten, daß Epikrates als erster diese Funktion innegehabt hätte: [τοῦ Σεβαστοῦ πρῶτ]ον ἀρχιερέα γενόμενον (s. Anm. 13). Von Fredrich bis Günther95 war dabei verständlicherweise immer an das städtische Kaiserpriestertum gedacht worden. Bevor ich diese Angaben mit den Aussagen der neuen Inschrift konfrontiere, ist noch ein Verweis auf einen weiteren Beleg für einen ἀρχιερεύς augusteischer Zeit aus Milet aufzunehmen. In einem Aufsatz von 1985 konnte ich zwei aneinanderpassende Fragmente eines milesischen Dekrets bekannt machen (Inv.-Nr. 477 und 716), in dem eine (regelmäßige?) Eidesleistung vor dem ἀρχιερεύς und den abtretenden [Jahresbeamten] angeordnet wurde, wobei in der Schwurformel neben Apollon Didymeus offensichtlich Augustus als Schwurgottheit angeführt wurde96. Ich hielt es für möglich, daß die Eidesleistung (durch die Beamten oder die Bürgerschaft) sich auf den Kaiserkult betreffende finanzielle Regelungen bezog und dachte schon bei dieser Gelegenheit daran, daß sich hinter dem ἀρχιερεύς einer der Söhne des C. Iulius Apollonios verbergen könnte. Auch hier würde man vom Kontext her auf den Bereich des städtischen Kaiserkults geführt. Zögern möchte ich allerdings – wegen der vielen hier bestehenden Unsicherheiten – gegenüber einem Versuch, aus der oben gewonnenen Datierung des Epikrates-Dekrets auf 6/5 v. Chr. auch für die besagte Eidesleistung dieses Datum zu übernehmen, auch wenn sich gerade für dieses Jahr einige bemer95 Die von K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 136 Anm. 188a in dieser Hinsicht geäußerten Zweifel sind von W. Günther, IstMitt 39, 1989, 176 Anm. 27 entkräftet worden. 96 P. Herrmann, in E. Weber – G. Dobesch (Hrsg.), Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigra phik. Festschrift für Artur Betz (1985) 303–314 {hier S. 377–383} (SEG XXXV 1130 {Milet VI 3 n. 1044}). Vgl. W. Günther, IstMitt 39, 1989, 176 Anm. 27.
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kenswerte historische Anhaltspunkte beibringen ließen97. Wir wissen ja gar nicht, welche zeitliche Erstreckung die ganz generell angeführte Funktion des ἀρχιερεύς bei Epikrates hatte. Das führt nun auf das Problem der Aussage der neu gefundenen Rundbasis für unseren Mann: seine Bezeichnung als ἀρχιερεὺς Ἀσίας καὶ τῶν Ἰώνων διὰ βίου (Ζ. 8 f.). Schon oben S. 438 habe ich dafür plädiert, das διὰ βίου gewissermaßen ‚ἀπὸ κοινοῦ‘ auf beide Priestertümer zu beziehen. Das belastet freilich, wie schon gezeigt, die Interpretation in besonderer Weise, da eine ‚lebenslängliche‘ Bekleidung des provinzialen Oberpriestertums, um das es hier ja gehen muß, allen bisherigen Vorstellungen widerspricht (s. Anm. 66). Eine im dritten Teil dieses Aufsatzes vorzulegende neue Zusammenfügung der Fragmente Milet I 2 n. 6 zu einer Weihinschrift für unseren C. Iulius Epikrates (S. 456) bringt mit der Formulierung τῶι δι̣ [ὰ βί]ου ἀρχιερεῖ zwar eine grundsätzliche Bestätigung der Angabe der Rundsäule, hilft aber durch den Verzicht auf jegliche Spezifizierung nicht eigentlich weiter. Die Amtsausübung διὰ βίου ist bei städtischen Priestertümern verbreitet98, und wohl von daher ist es auch zu erklären, daß sie schon von den Anfängen an nicht selten auch im Bereich des munizipalen Kaiserkults begegnet in der Figur eines ἀρχιερεὺς διὰ βίου99. Was die provinzialen Priestertümer betrifft, so konnten im griechischen Osten bisher nur einige Beispiele aus Macedonia100 und für eine längere
97 Auf das Jahr 6/5 v. Chr. glaubte ich auf Grund verschiedener Indizien AM 75, 1960, 70–83 ein samisches Dekret augusteischer Zeit {IG XII 6,1, 7} datieren zu sollen, das u. a. Bestimmungen über eine durch die Bevölkerung und besonders auch die nachwachsenden Epheben und hinzukommenden Neubürger zu vollziehende Eidesleistung enthält. Den Vorgang habe ich später (Der römische Kaiser eid [1968] 95 f.) in die Entwicklungsgeschichte des Loyalitätseides für den Kaiser einzuordnen versucht. Das Jahr 6/5 dürfte dabei herausgehoben sein durch die Tatsache, daß in ihm der ‚Kronprinz‘ C. Caesar in das politische Leben eingeführt wurde (Anlegung der toga virilis), wobei Augustus in Verbindung damit nach langer Zurückhaltung wieder ein Konsulat, sein 12., übernommen hatte. In dieses Jahr und in diesen Zusammenhang gehört auch die bekannte Urkundenserie I–VI innerhalb der Dokumentation für Menogenes aus Sardeis (Sardis VII 1 [1932] n. 8; Ehrenberg – Jones, Documents Illustrating the Reigns of Augustus and Tiberius [21955] n. 99). Vgl. jetzt auch P. Herz, Klio 75, 1993, 273. 98 Vgl. A. Balland, Fouilles de Xanthos VII. Inscriptions d’époque impériale du Létôon (1981) 35 (zu einem διὰ βίου νεακόρος): „Le fait est banal et tout naturel pour les prêtrises et les fonctions qui, comme celle de la néocorie impliquent que leur titulaire possède l’expérience et des compétences précises.“ 99 Man vgl. beispielsweise in Thyateira M. Antonius Attalos Lepidas (TAM V 2 n. 934, 5), C. Iulius Iulianus Tatianos (966, 6) und Ti. Claudius Sokrates Sacerdotianos (980, 3), in Mytilene C. Claudius Diaphenes (IG XII 2, 656 = IGR IV 95, dazu oben Anm. 66). 100 Es geht um zwei als διὰ βίου ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν καὶ ἀγωνοϑέτης τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων bezeichnete prominente Personen des 1. Jh.s n. Chr., Ti. Claudius Pierion und Q. Popillius Python: s. jetzt A. B. Tataki, Ancient Beroia. Prosopography and Society (Meletemata 8, 1988) 199 n. 725 und 259 n. 1114. Dazu dies. 450: „for life, on account of the various services he had rendered to his native city and the province“.
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Abfolge aus Achaia beigebracht werden101, die dann aber gegenüber dem allgemein festgehaltenen Prinzip jährlicher Funktionsdauer als Ausnahmeerscheinungen zu erklären waren. Gegenüber einer mehrfach vertretenen Deutung, man habe in diesen Fällen die Bezeichnung διὰ βίου als eine Art ‚Ehrentitel‘ zu verstehen, der über die begrenzte Amtszeit hinaus geführt werden konnte102, ist neuerdings auf einer dem Wortsinn entsprechenden Interpretation insistiert worden: Es müsse von einer ‚auf Lebenszeit‘, d. h. auf unbegrenzte Dauer übertragenen oder übernommenen Funktion ausgegangen werden, wobei freilich die Möglichkeit einer Niederlegung etwa aus Alters- oder Gesundheitsgründen gegeben gewesen sei103. Innerhalb der Entwicklung des provinzialen Oberpriestertums von Asia wird man den jetzt bekannt gewordenen Fall des C. Iulius Epikrates gewiß als Ausnahmeerscheinung anzusehen haben, dann aber doch in dem Sinne verstehen müssen, daß hier eine auf Dauer angelegte Wahrnehmung der Funktion vorliegt. Es geht darum, Erklärungen für diesen Tatbestand zu finden. Wie oben schon angedeutet wurde, legen es chronologische Gesichtspunkte nahe, die Wirksamkeit des Epikrates als ἀρχιερεὺς Ἀσίας in die Frühphase des provinzialen Kaiserkults zu rücken, vielleicht sogar an die Spitze überhaupt zu stellen. Ob dafür die von W. Günther veröffentlichte Ehreninschrift (Anm. 13) eine Bestätigung liefern könnte, muß freilich wegen der dort bestehenden Unsicherheit der Textergänzung offengelassen werden104. Es ist aber daran zu erinnern, daß wir ja überhaupt für die ersten zwanzig Jahre der 29 v. Chr. begründeten Kultorganisation keinerlei Nachricht haben, daß der erste namentlich 101 Dazu jetzt B. Puech, Grands-prêtres et helladarques d’Achaïe, REA 85, 1983, 15–43 (vgl. 21: „Les titulaires de cette prêtrise seront tous dia biou“). Ein neuer Beleg für einen ἀρχιερεὺς διὰ βίου τοῦ κοινοῦ τῶν Ἀχαιῶν bei G. A. Suris – Th. Spyropoulos, in A. D. Rizakis (Hrsg.), Achaia und Elis in der Antike (Meletemata 13, 1991) 127. 102 So besonders J. A. O. Larsen in Tenney Frank, An economic survey of ancient Rome IV (1938) 451 Anm. 14: „The use of διὰ βίου does not mean the office was held for life but rather, as in Macedonia, that the title was retained after the expiration of the term of office so that ἀρχιερεὺς διὰ βίου practically means former high-priest“. An diese Vermutung hat sich L. Moretti, ArchCl 5, 1953, 257 angeschlossen. Vgl. auch D. Kanatsulis, Μακεδονικά 3, 1953–5, 54 „τιμητικὸς τίτλος“ und J. Deininger, Provinziallandtage (1965) 153 Anm. 5 „bloßer Ehrentitel“. 103 S. besonders B. Puech, REA 85, 1983, 21 ff., mit der Bemerkung: „Le titulaire pouvait démissioner si son âge ou son état de santé ne lui permettait plus d’assumer pleinement ses obligations.“ Puech konnte sich auf S. Follet, Athènes au IIe et au IIIe siècle (1976) 147 beziehen: „La possibilité de démissions ou d’intérims existe … sans doute à toutes les époques, mais l’expression dia biou a sûrement son plein sens dans la majorité des cas.“ Vorher hatte schon J. A. Notopoulos, Hesperia 18, 1949, 23 sich in diesem Sinne geäußert: „Their tenure διὰ βίου would be subject to termination either by retirement, resignation, or refusal to continue office.“ 104 Schon die Ergänzung πρῶτ]ον bei Günther, IstMitt 39, 1989, 177 wird zwar durch Parallelen plausibel gemacht, kann aber nicht als absolut sicher angesehen werden. Statt des vor πρῶτον ergänzten τοῦ Σεβαστοῦ sind auch andere Angaben vorstellbar, aber wohl kaum ein die obige Hypothese stützendes [τὸν τῆς Ἀσίας πρῶτ]ον ἀρχιερέα γενόμενον, da diese verkürzte Formel jedenfalls noch nicht für die augusteische Zeit belegt ist (vgl. Anm. 58; in der neuen Inschrift ist diese Wendung ein zusätzliches Indiz für Abfassung gegen die Mitte des 1. Jh.s).
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bezeugte Inhaber des Oberpriestertums der Provinz erst 9 v. Chr. begegnet, und daß eine jährliche Abfolge in der Wahrnehmung der Funktion dann erst für die Zeit von 5/4 bis 2/1 v. Chr. bekannt ist105. Es ist also vorstellbar, daß die Annuität nicht von Anfang an für diese priesterliche Stellung galt, sondern erst mit der Systematisierung der Organisation des Koinon von Asia etabliert wurde. Man kann sich weiter fragen, ob die zeitliche Unbegrenztheit der Oberpriesterfunktion bei Epikrates auch in dem Tatbestand begründet war, daß er sein Kaiserpriestertum mit der Stellung des ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων kombinierte. Die Übernahme einer solchen Dauerfunktion war über die darin enthaltenen Elemente des Prestiges und des Einflusses106 vermutlich auch durch nicht unerhebliche finanzielle Implikationen gekennzeichnet107. Nicht zuletzt reicht hier ja auch die Ausrichtung des Festes und Agons der Romaia Sebasta herein, und gerade dies dürfte Epikrates ja auch den in der neuen Inschrift erscheinenden Titel des ἀγωνοϑέτης διὰ βίου eingebracht haben, so wie er oben S. 437 f. interpretiert wurde. Wenn man also voraussetzt, daß Epikrates in der Tat provinzialer Oberpriester ‚auf Lebenszeit‘ im wörtlichen Sinne war, steht man freilich noch vor einigen weiteren Problemen der | Deutung: Oben ist das Ehrendekret Milet I 2 n. 7, das ihn ἀρχιερεύς nennt, auf ihn bezogen und zugleich in das Jahr 6/5 v. Chr. datiert worden. Die Annahme einer kontinuierlichen Wahrnehmung der provinzialen Oberpriesterfunktion durch ihn bis in diese Zeit stößt aber auf die Schwierigkeit, daß zumindest schon für das Jahr 9 v. Chr. ein anderer Amtsinhaber bekannt ist (s. Anm. 105). Man müßte also mit einem Fall der ‚Demissionierung‘ rechnen, wie sie neuerdings als Möglichkeit in die Diskussion um die διὰ βίου-Funktionen eingebracht worden ist (s. Anm. 103). Aber wäre dann die Anwendung des Titels ἀρχιερεύς auf Epikrates im Jahre 6/5 105 Für 9 v. Chr. ist durch den ‚Kalendererlaß‘ Apollonios, Sohn des Menophilos, aus Aizanoi als provinzialer Oberpriester bezeugt (vgl. U. Laffi, StClOr 16, 1967, 21 n. VI 3 und 23 n. VII 78 {IvPriene (2014) 14, 31. 78}). Die Abfolge von 5/4 bis 2/1 wird den Dokumenten n. VII–X der Urkundenserie für Menogenes von Sardeis entnommen (Sardis VII 1 [1932] n. 8). Vgl. dazu auch die Liste bei W. H. Buckler – D. M. Robinson, Sardis VII 1 (1932) p. 27 (bei der allerdings der an die Spitze gestellte L. Volcacius Tullus zu streichen ist: er war Prokonsul, s. Laffi a. a. O. 22 Z. 41 mit S. 59–62). Bei dem von Buckler – Robinson zwischen 27 und 5 v. Chr. angesetzten C. Iulius Xenon aus Thyateira (TAM V 2 n. 1098) ist, von der Datierungsfrage abgesehen, unsicher, ob er überhaupt Provinzialpriester war: s. Fayer a. a. O. 141 f. (Anm. 57) (zu ihm unten S. 458 Anm. 134). Dieselben Zweifel äußert Fayer a. a. O. 142 Anm. 42 gegenüber dem von L. Robert genannten C. Iulius Hybreas aus Mylasa. Keine Akzeptanz gefunden hat der Versuch von M. Grant, From Imperium to Auctoritas (1946) 363. 377 f., Augustus selbst als ἀρχιερεὺς Ἀσίας für die Jahre 29 und 19 v. Chr. anzusetzen: vgl. Habicht a. a. O. (Anm. 57) 81 Anm. 3; Fayer a. a. O. 115 Anm. 24. 106 Th. Drew-Bear, BCH 96, 1972, 447 Anm. 71 weist darauf hin, daß der ἀρχιερεύς „en sa qualité de premier magistrat avait seul le pouvoir de proposer des décrets“. 107 Vgl. dazu Balland a. a. O. (Anm. 98) 35: „Parfois aussi on constate que des raisons financières n’ont pas été étrangères à la transformation d’une dignité annuelle en charge perpétuelle“, wobei er auf das charakteristische Beispiel des in Aussicht gestellten Titels διὰ βίου νεωκόρος bei der verdienten Epie von Thasos verweist (SEG XVII 343, 53).
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doch im Sinne eines ‚Ehrentitels‘ zu verstehen? Ich halte es für möglich, daß noch eine andere Lösung in Betracht kommt: Epikrates könnte von seiner Stellung im Provinzialkult abgesehen durchaus auch im Ausbau des munizipalen Kaiserkults in Milet selbst eine Rolle gespielt und hier ebenfalls das Oberpriestertum übernommen haben, wie es ja bisher überhaupt angenommen worden ist. Fälle einer Kumulation von städtischem und provinzialem Kaiserpriestertum sind nicht ganz selten bezeugt108. Aus der hier geführten Diskussion geht hervor, daß eine definitive Klärung der Stellung und Rolle des C. Iulius Epikrates im Zusammenhang des Ausbaus des Kaiserkults in der Provinz wie in Milet selbst auf der Basis der bisher erreichbaren Zeugnisse nicht möglich ist. Nicht nur deren Lückenhaftigkeit ist dafür verantwortlich, sondern möglicherweise auch noch das Fehlen der nötigen Präzisierung in der Anwendung des ἀρχιερεύς-Titels, das auch in anderen Fällen Unklarheiten läßt109. Festzuhalten ist aber trotzdem wohl an der Erkenntnis, daß Epikrates in der Zeit des Augustus bei der Ausbildung des Kaiserkults in Asia eine bedeutsame Rolle gespielt haben muß. Von daher drängt sich eine milesische Parallele auf, die geradezu eine Fortführung der ‚Politik‘ des Epikrates darstellen könnte. Ich meine die diesbezügliche Initiative, die sich mit der Person des Cn. Vergilius Capito verbindet, von dem wir jetzt erfahren haben, daß er ein Verwandter des Epikrates, vielleicht sein Großneffe, war (S. 428). Grundlage unserer Erkenntnis sind hier die Aussagen der Inschrift IvDidyma 148, deren Bedeutung als wichtiger Quelle für den – dann steckengebliebenen – Ansatz zur Erweiterung der provinzialen Kaiserkultstätten um einen auf Initiative des Provinziallandtages einzurichtenden Tempel für Caligula L. Robert in einer grundlegenden Interpretation erschlossen hat110. In dieser als Ehrung des Caligula gestalteten Inschrift, die von den „zum ersten Mal amtierenden νεοποιοί“ und gleichzeitig Vertretern der conventus-Orte der Provinz ausgeht, erscheint als Datierungsformel (Z. 4): ἐπὶ ἀρχιερέως Γναίου Οὐεργιλίου Καπίτωνος τοῦ μὲν ἐν Μειλήτωι ναοῦ Γαΐου Καίσαρος τὸ πρῶτον, τῆς δὲ Ἀσίας τὸ τρίτον. Capito kombinierte also die Stellung des Provinzialpriesters an dem in Milet111 entstehenden oder vorgesehenen Caligula-Tempel, die er das erste Mal und mithin wohl auch als erster bekleidete, mit dem traditionellen Provinzialpriestertum von Asia, wo er diese Funktion schon zum dritten Mal innehatte. Dazu heißt es bei Robert: „c’est donc un personnage de grande renommée que l’on a choisi pour le sacerdoce de Caligula ou qui s’est présenté“112. Man kann jetzt hinzufügen, daß Capito auch in der Person seines Großonkels in dieser Hinsicht ein gewisses | Vorbild hatte. Zu den von Milet ausgehenden Initiativen in der Entwicklungsphase
108 Man findet einige Beispiele gleichzeitiger Bekleidung provinzialer und munizipaler Priestertümer bei M. Rossner, StCl 16, 1974, 103 Anm. 10. In Thyateira wird dabei betont: κατὰ τὸν αὐτὸν καιρόν (TAM V 2 n. 950, 4; vgl. 976, 9). 109 Vgl. dazu die Anm. 58 angeführte Literatur (Robert, Günther). 110 L. Robert, Hellenica VII 206–238. Vgl. auch IstMitt 39, 1989, 193 mit Anm. 13 {hier S. 405}. 111 Dazu P. Herrmann, IstMitt 39, 1989, 191–196 {hier S. 403–409}. 112 L. Robert, Hellenica VII 209.
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des provinzialen Kaiserkults ist schließlich auch der gleichfalls gescheiterte Versuch des Jahres 26 hinzuzunehmen, wo Milet sich unter den Aspiranten für die Errichtung des zweiten Provinzialtempels für Tiberius in Gemeinschaft mit Livia und dem römischen Senat befunden hatte113. Den Abschluß dieses Kapitels soll der Hinweis auf eine weitere Spur eines unseren Epikrates betreffenden Ehrendekrets bilden, den ich der Findigkeit von Wolfgang Günther verdanke. Es geht um einen im ersten Jahr der Milet-Grabung aufgenommenen Inschriftblock mit den Resten eines in zwei Kolumnen geschriebenen Textes (Inv.-Nr. 45). Der schräg aus einem größeren Block herausgeschnittene Stein war in der Wand eines türkischen Hauses nahe der Stadtmauer verbaut. Er ist nicht mehr auffindbar, wir besitzen aber die Kopie Fredrichs und einen Abklatsch. Danach kann ich in meinem Vorschlag nur disiecta membra des ursprünglichen Textes wiederzugeben versuchen, wobei die Zuweisung an unseren Epikrates durch die Namensnennung in a 6 nahegelegt wird. Inv.-Nr. 45. Stück eines Blockes aus blauem Marmor. Höhe 26, Breite 100 cm; Buchstabenhöhe 1,8, Zeilenabstand ca. 1 cm. {Milet VI 3 n. 1045} Linke Kolumne [ ]I [ ]ΟΥΣΙ [ ] Σ̣εβαστοῦ 4 [ τ]οῖς Ἴωσιν σπου [δ]ως ὑπὲρ τῶν τιμέ [ων? ]ων μάλιστα Ἐπικράτει [ ]ν ὠφελίην δὲ τῆι τε πα 8 [τρίδι καὶ τῆι Ἰω]ν̣ ίῃ τῆι τε ξυμπάσῃ ἐπαρ [χείᾳ ]ων τὴν ἐπ’ ἀρετῆς τει [μὴν τ]ῇι συνκλήτωι καὶ Αὐτ̣ [ο] [κράτορι Καίσαρι Σεβα]στῶι πάντοτε Π[-] 12 [ ]ον τῶν διεΓ̣ [- - - - - -] [ ]ΣΤΑΣ̣ΑΠ[- - - - - - - -] [ ]ΟΧ[- - - - - - - - - - -] Die rechte Kolumne war außerordentlich stark abgerieben, so daß nur schwache Buchstabenreste erhalten waren. Erkennbar ist lediglich in Z. 2 ]ω φιλοπάτρι[δι. Danach könnte es ebenfalls um Epikrates gegangen sein.
113 Vgl. IstMitt 39, 1989, 194 {hier S. 407} (Tac. Ann. IV 55–56).
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Der Zusammenhang des Dekretfragments ist nicht mehr deutlich erkennbar. Man sieht aber, von der Namensnennung des Epikrates in Z. 6 abgesehen, daß von „Nutzen“ (ὠφελίη) die Rede war, der der Vaterstadt, Ionien und der ganzen Provinz zugute kam, während im folgenden der Senat und Augustus erwähnt waren. Die Nennung Ioniens (Z. 8), die durch die Lesung τ]οῖς Ἴωσιν (Z. 4) gestützt wird, könnte darauf schließen lassen, daß wir den Rest eines Beschlusses des Ionischen Bundes vor uns haben114, was mit der Funktion des Epikrates als ἀρχιερεύς des Koinon | gut zu erklären wäre. Auch die anachronistische Verwendung ionischer Formen (ὠφελίη, τιμέων?) ist wohl ein zusätzliches Indiz dafür. Der Wandblock mag also ein weiterer Rest einer umfangreichen auf C. Iulius Epikrates bezüglichen Dokumentation sein.
3 Heroenehren für C. Iulius Apollonios und C. Iulius Epikrates In einem Beitrag zu den Inschriften von Aphrodisias hat L. Robert 1966, ausgehend von den Figuren des C. Iulius Zoilos in Aphrodisias115 und C. Iulius Hybreas in Mylasa, folgende zusammenfassende Charakterisierung eines „groupe de figures caractéristiques au Ier siècle a.C.“ gegeben: „Les Gaii Julii dans les cités grecques, sauveurs de leur patrie par les armes ou les négotiations et qui lui ont assuré la liberté, souvent lettrés (…), qui, intimes avec les autorités romaines, ont reçu le droit de cité romaine et ont été souvent les premiers grand-prêtres de Rome et d’Auguste, et qui, enterrés souvent à l’agora ou au gymnase comme de nouveaux fondateurs, jouissent d’un culte, ont un prêtre, des sacrifices, des concours.“116 Man sieht jetzt, wie diese Beschreibung in wesentlichen Aspekten auch auf die uns beschäftigende Gestalt des C. Iulius Epikrates von Milet zutrifft. Gilt das auch für den letztgenannten Gesichtspunkt Roberts, den Heroenkult? Der französische Gelehrte hat hierfür gerade auch das Beispiel unserer milesischen Familie in Anspruch genommen117: „A Milet, j’attribue la tombe de héros élevée dans le bouleutérion à une famille de Gaii Julii de Milet; un Apollonios était ami de César et ses fils Épikratès et Eukratès furent les fondateurs du culte impérial.“118 Wir müssen jetzt als Modifikationen dazu anbringen, daß der Freund Caesars nicht Apollonios, sondern sein Vater Epikrates war (s. Anm. 5), und daß von den beiden Brüdern allein C. Iulius Epikrates übrig geblieben ist. 114 Die uns erhaltenen Beschlüsse und Ehrungen durch den Ionischen Bund hat P. Hommel zusammengestellt in: G. Kleiner – P. Hommel – W. Müller-Wiener, Panionion und Melie, JdI Erg.-Heft 23 (1967) 52 f. Anm. 118. 115 Zu der Person des C. Iulius Zoilos s. zuletzt J. Reynolds, Aphrodisias and Rome (1982) 156–164. 116 L. Robert, AntCl 35, 1966, 420 (OMS VI 44). 117 Ebenda 421. 118 Vgl. dafür schon L. Robert, Études anatoliennes (1937) 50 Anm. 1, besonders aber das Resümee L. Robert, Hellenica VII, 1949, 96 (OMS IV 103). Wahrscheinlich bezieht sich hierauf auch Roberts Ankündigung Gnomon 31, 1959, 666 (OMS III 1631) bezüglich der „nouveaux fondateurs à l’époque de César et d’Auguste à Milet …“
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Die Deutung der Bauanlage im Vorhof des Rathauses als Heroengrab der prominenten milesischen Familie hat Robert auf der Grundlage der damals vorliegenden Publikation und der in ihr gegebenen baugeschichtlichen Interpretation vorgetragen, in der von einem „Ehrengrab“ gesprochen worden war119. In einer gründlichen Neubehandlung des gesamten Baukomplexes hat allerdings vor etwa 20 Jahren Klaus Tuchelt eine zunächst auch von den Ausgräbern vorgenommene Deutung, nämlich als Altaranlage, wieder zur Geltung gebracht und zugleich als neues Ergebnis herausgearbeitet, daß es sich um einen Altar für den Kaiserkult, eine Ara Augusti, gehandelt habe120. Diese Interpretation Tuchelts hat, soweit ich sehe, gemeinhin Zustimmung gefunden121. Ohne die | Kompetenz zu besitzen, zu den baugeschichtlichen Fragen und den archäologischen Argumenten Stellung nehmen zu können, sehe ich mich doch veranlaßt, auf Grund epigraphischer Beobachtungen einige neue Überlegungen zu der hier berührten Thematik vorzulegen. Die Deutung der Anlage im Rathaushof als Heroengrab bei Robert konnte sich – wenn auch unausgesprochen – auf den Tatbestand stützen, daß in der Tat die wichtigsten Zeugnisse über die Epikrates-Familie bei der Freilegung des Buleuterion zutage gekommen sind und in der Publikation durch C. Fredrich (im Band Milet I 2 von 1908) teils als „Inschriften der nördlichen Hallenwand“ (n. 6), teils als „Inschriften von der Wand des Sitzungsgebäudes“ (n. 7) eingeordnet wurden. Für Fredrich schob sich indes ein anderer Deutungszusammenhang in den Vordergrund: Da er einen ebendort gefundenen und gleichfalls den „Inschriften der nördlichen Hallenwand“ zugeordneten Block eines „Paneelgesimses“ als „Ehreninschrift für Kaiser Augustus“ (n. 5) interpretierte, wurde er dazu geführt, in kombinatorischer Auswertung der Aussage der Inschrift Milet I 2 n. 7 b 19 (s. oben S. 422 sowie Anm. 7) und des architektonischen Befundes ein unmittelbar nördlich vom Rathaus gelegenes Fundament als Σεβαστεῖον, als Augustus-Tempel zu deuten122. Danach folgerte er: „So kann man auf die Vermutung kommen, daß die Inschriften der Nordhalle (n. 5–6) sowohl, wie die vom Rathaus selbst (n. 7) auf den nördlichen, dem kleinen Bezirk jenes Tempels zugekehrten Außenseiten standen“123. Dieses Σεβαστεῖον an dieser Stelle hat sich
119 H. Knackfuß, in Milet I 2, 78 f. 120 K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 91–140. Später hat Tuchelt seine These allerdings noch etwas modifiziert (IstMitt 31, 1981, 180 Anm. 75): „Denkbar ist, daß der Altar im Rathaushof nicht für Augustus allein bestimmt gewesen ist, sondern ihm zusammen mit den im Rathaus verehrten Gottheiten Apollon Didymeus und Hestia Bulaia errichtet wurde.“ 121 Vgl. S. R. F. Price, Rituals and Power (1984) 257 n. 39; H. Hänlein-Schäfer, Veneratio Augusti (1985) 64 (die sich Anm. 71 gegen die These von A. Linfert, Kunstzentren hellenistischer Zeit [1976] 180–184 wendet, der Altar sei gleichzeitig mit dem Rathaus errichtet worden); W. Günther, IstMitt 39, 1989, 176. 122 Milet I 2, 111. 123 Vgl. auch S. 108 zu den „Reste(n) von vier Weihinschriften der Familie des Apollonios“ n. 6: „Die Inschriften standen auf der Hinterwand der nördlichen Halle, vermutlich auf der Außenseite, so daß sie von dem Platz vor dem Sebasteion aus zu lesen waren.“
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aber unterdessen in ein Nichts aufgelöst: zuerst durch eine von A. v. Gerkan vorgetragene Spätdatierung des besagten Tempels, wodurch für das Σεβαστεῖον allenfalls ein Temenos mit einer Kaiserstatue in einer Aedicula übrig blieb124, dann aber vor allem durch den 1980 von mir geführten Nachweis, daß das Architravstück mit der vermeintlichen Augustus-Inschrift in Wahrheit ein Fragment der Weihinschrift der ersten römischen Bühne des großen Theaters darstellt und im übrigen auf Nero zu beziehen ist125. Epigraphische Anhaltspunkte für die Existenz einer wie auch immer gearteten Kaiserkultstätte im unmittelbaren Bereich des Rathauses sind nach diesen Erkenntnissen nicht mehr gegeben126. Der Neufund der Epikrates-Rundbasis war für mich im Jahre 1992 Anlaß, die der nördlichen Hallenwand des Rathauses zugewiesenen „Reste von vier Weihinschriften der Familie des Apollonios“ (Milet I 2 n. 6) sowie die an der Ostseite des Gebäudes gefundene „Weihung für C. Iulius Epikrates“ (n. 15) einer Überprüfung zu unterziehen. Diese Inschriften zeichnen sich durch einen gewissen monumentalen Charakter aus, nämlich eine Buchstabenhöhe von 9–12 cm. Fred|rich hat auf die Ähnlichkeit hingewiesen, dabei die Schrift von n. 15 gegenüber der von n. 6 als „weniger stark und sorgfältig“ bezeichnet. Der Schriftduktus ist in der Tat feiner; als weniger sorgfältig würde ich die Schrift allerdings nicht bezeichnen (vgl. Abb. 8). Hervorzuheben ist die etwas älter wirkende Form des Π mit der rechts noch etwas verkürzten Haste, die in der Inschrift n. 6 bis auf den unteren Zeilenrand herabreicht. Die „Weihung für C. Iulius Epikrates“ n. 15 hat Fredrich in folgender Form ergänzt: [Ὁ δῆμος / Γαΐωι Ἰου]λίωι Ἐπ[ικράτει / Ἰουλίου Ἀπο]λλων̣ [ίου ἥρωος / υἱῶι καϑι] έρωσ[εν]. Hier erregt allerdings Anstoß, daß die Filiation nachgestellt wäre und nicht den üblichen Platz zwischen dem nomen gentile und cognomen einnähme, wie das z. B. in n. 7 a 4–5 (oben S. 443) der Fall ist. Der Anstoß wird behoben, wenn man nicht Epikrates, sondern seinen Vater Apollonios als Empfänger der Weihung ansieht, wobei sich, wie auch die Rekonstruktionszeichnung (Abb. 1) zeigt, eine symmetrisch befriedigende Verteilung ergibt: {Milet VI 1 p. 159; SEG XLIV 942}
124 A. v. Gerkan, Milet I 6, 51 f.; vgl. Herrmann a. a. O. (Anm. 125) 180 Anm. 7. 125 P. Herrmann, D. McCabe, in W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980, IstMitt Beih. 31 (1986) 175–189: „Die Weihinschrift der ersten römischen Bühne in Milet“ {hier S. 385–399}. 126 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Deutung der Milet I 2 n. 4 veröffentlichten „Listen von Schenkungen und Vermächtnissen“, die an den Innenseiten der Ostanten des Propylon angebracht sind, als „vermutlich für den Kaiserkult bestimmt(e)“ Stiftungen (die dann auch mit der Nennung von zwei Angehörigen der Epikrates-Familie begonnen hätten) allein auf der Hypothese Fredrichs mit der Lokalisierung des Σεβαστεῖον unmittelbar nördlich vom Rathaus beruhen: „Die Stiftungen gelten also dem Kult der julischen Kaiser, von dem die Rathauswände auch sonst zeugen, deren Kultstätte dem Rathause benachbart war“ (Milet I 2, 105). Es ist deshalb methodisch bedenklich, diese Listen, deren Charakter aus sich heraus nicht erkennbar ist, als Argument für die Lokalisierung einer AugustusKultstätte in Anspruch zu nehmen, wie es noch bei K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 136 geschieht.
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Abb. 1: Weihinschrift für C. Iulius Apollonios (Rekonstruktion). Zeichnung P. Herrmann
[Ὁ δῆμος] [Γαΐωι Ἰου]λίωι Ἐπι[κράτους] [υἱῶι Ἀπο]λλων[ίωι ἥρωι] 4 [καϑι]έρωσ[εν] Die etwas ältere Form des Π ließe sich mit dieser Zuweisung gut vereinbaren. Größer war die Überraschung hinsichtlich der Inschriften n. 6. Hier ergab nämlich die Überprüfung der Inschriftblöcke, soweit sie heute noch in der Inschriftenhalle des Museums von Balat vorhanden sind (Abb. 9), daß sie sich mit großer Sicherheit zu einer einzigen dem C. Iulius Epikrates gewidmeten Inschrift zusammenfassen lassen. Dabei wird deutlich, daß es sich um eine über mehrere Blöcke einer aus einer Binderund einer Läuferschicht gebildeten Wand laufende Inschrift gehandelt haben muß, die es auf eine Breite von ca. 1,80 m gebracht hat127. Der Text lautete nach meiner Rekonstruktion, für die auf die maßstabgerechte Zeichnung | (Abb. 2) verwiesen sei128, folgendermaßen: {Milet VI 1 p. 156; SEG XLIV 942}
127 Für die Plazierung von Inv.-Nr. 76a (Z. 1–2) oberhalb von 76b (Z. 3–5) spricht, daß beide Blöcke auf Anschluß gearbeitet sind und daß sich bei ihrer Verbindung über die Steinfuge hinweg derselbe Zeilenabstand ergibt wie zwischen den auf den Blöcken erhaltenen Zeilen. Wenn man Inv.-Nr. 76d+e (Z. 4–6) rechts von 76b ansetzt, stimmen wiederum die unteren Ränder der Steine überein, wobei auf 76b die letzte Zeile freibleibt, da das in die Mitte gerückte καϑιέρωσεν erst später beginnt. Zwischen 76b und d muß eine senkrechte Steinfuge gelegen haben, da 76d links Rand hat. Das Steinschema der Wand erinnert etwas an den Milet I 2, 106 Abb. 100 wiedergegebenen Aufbau der Propylon-Anten. 128 In der Zeichnung sind die nicht mehr auffindbaren Fragmente Inv.-Nr. 76c (ἥ̣ ρ̣ ωος) und 76f (ει) nicht mit berücksichtigt. Wenn man 76f, wie schon von Fredrich erwogen, als Endung von ἀρχιερεῖ ansieht, hätte man damit gleichzeitig einen Hinweis darauf, daß auf den Titel keine Angabe mehr folgte, da Fredrich dazu angibt: „rechts von der Schrift 0,15 frei“.
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Abb. 2: Weihinschrift für C. Iulius Epikrates (Milet I 2 n. 6; Rekonstruktion). Zeichnung P. Herrmann
Ὁ δῆμ[ος] Γαΐωι Ἰουλίωι Ἰου[λίου Ἀπολ] λωνίο[υ] ἥ̣ ρ̣ ωος [υἱῶι ? ] 4 Ἐπικρά[τει φιλο]πά[τριδι] τῶι δι̣ [ὰ βί]ου ἀρχιερεῖ [κ]αϑιέρωσεν
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Den Anstoß für diese Herstellung habe ich durch die Angabe der neuen Inschrift, Epikrates sei ἀρχιερεὺς διὰ βίου gewesen, erhalten, was zur Herstellung von Z. 5 verhalf (wo Fredrich mit τῶι Δή̣[μωι operiert hatte). Wenn ich das (nicht mehr erhaltene) Fragment f mit den Buchstaben EI richtig als Ende der Zeile angesetzt habe, würde es die auch von der Symmetrie her nahegelegte Bestätigung dafür liefern, daß tatsächlich die Stellung des ἀρχιερεύς hier nicht spezifiziert war (s. Anm. 128). Eine Beeinträchtigung der Symmetrie stellt lediglich die gegenüber den anderen verkürzte 3. Zeile dar. Ich frage mich, ob man hier das sonst fehlende ἥρωι – an einem allerdings etwas ungewöhnlichen Platz – einsetzen sollte. Eine andere Möglichkeit wäre hier die Ergänzung eines Tribus-Namens (etwa des relativ kurzen Φαβία), der sonst für die Angehörigen der Familie allerdings nicht bezeugt ist. Treffen die hier gegebenen Ergänzungsvorschläge das Richtige, so haben wir zwei einander ähnliche monumentale Weihinschriften für C. Iulius Apollonios und seinen Sohn C. Iulius Epikrates gewonnen, die an einer Wand angebracht waren. Für die daraus zu ziehende Folgerung wäre es allerdings von entscheidender Wichtigkeit zu wissen, nach welcher Seite hin diese Wand orientiert war, oder anders: von wo aus die Inschriften zu lesen waren. Auf die Aussage Fredrichs zu n. 6, daß die Inschriften „vermutlich auf der Außenseite“ der nördlichen Hallenwand der Rathausanlage standen, „so daß sie von dem Platz vor dem [von ihm dort angenommenen] | Sebasteion aus zu lesen waren“, habe ich schon hingewiesen. Tuchelt wiederum kam zu der Vermutung, „daß sich … die Inschriften n. 6 und 7 auf den Hof der Rathausanlage bezogen
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haben“, „nicht aber auf den nördlich angrenzenden Platz“129. Beide Annahmen sind in den jeweils vorgetragenen Interpretationszusammenhang eingebunden; objektive Hinweise durch Beobachtung der Fundumstände scheinen nicht vorzuliegen. Die beiden Inschriften dürften von ihrer Formulierung her – mit der Dativ-Konstruktion und dem Verbum καϑιέρωσεν – mit ziemlicher Sicherheit als Weihinschriften zu verstehen sein130. Was war aber dann jeweils das Objekt, auf das mit καϑιέρωσεν Bezug genommen war? Statuen kommen, gerade auch angesichts der Anbringung der Texte an einer Wand, kaum in Betracht. Auch gegenüber der Annahme eines Zusammenhangs mit Grabanlagen wird man Bedenken haben: Wollte man zu der These von dem „Ehrengrab“ im Rathausvorhof zurückkehren, würde man ja eher mit einer an dem Grabbau selbst angebrachten Inschrift rechnen, nicht mit einem an der Rückwand der flankierenden Halle aufgezeichneten Text. In dem zwischen Rathaus und Nordmarkt gelegenen Platz andererseits, wo Fredrich sein Sebasteion ansetzte, sind keinerlei Spuren einer Grabanlage zutage gekommen131. Es stellt sich die Frage, ob es eine dem Heroenkult gewidmete Lokalität gegeben haben kann, die nicht in einer Grabanlage bestand, eine Gebäude- oder Platzanlage mit einer spezifischen architektonischen Gestaltung, etwa auch ein bloßes Temenos132. Dann spräche vielleicht doch mehr für den Platz zwischen Buleuterion und Nordmarkt, den A. v. Gerkan als „heiligen Bezirk“ bezeichnet hat: Er wies in späthellenistischer Zeit ein an die Mauer zum Rathaus hin angelehntes „Monument“ von ca. 4,25 x 3,80 m auf, dessen Unterbau 129 K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 98 bzw. 136. Der Begründungszusammenhang ist aber dabei der Verweis auf die am Propylon, „also am Eingang zum Rathaushof“ angebrachten „für den Kaiserkult bestimmte(n) Schenkungslisten“ (136); vgl. dazu den kritischen Vorbehalt Anm. 126. 130 A. D. Nock, Essays on Religion and the Ancient World I 219 Anm. 84 erklärt zu der Inschrift IvPergamon 246, 7 (OGI 332) mit der Formulierung καϑιερῶσαι … ἄγαλμα: „καϑιερῶσαι is not really distinct from vaguer terms like ἀνατιϑέναι“ (vgl. auch L. Robert, RPhil 1, 1927, 122 [OMS II 1077] zu der Verbindung ἀνέϑηκεν καὶ καϑιέρωσεν). Immerhin erinnert das von Nock beigebrachte Beispiel R. Herzog, Koische Forschungen und Funde (1899) 135 n. 212 {IG XII 4, 1156} [Ὁ δᾶμος ὁ Ἁλασαρνιτᾶν] καϑιέρωσεν Νικαγόρᾳ Εὐδάμου φιλοπάτριδι, Δάμου υἱῷ, ἥρῳ φιλοκαίσαρι an unsere Weihinschriften (wobei allerdings Herzogs Spekulationen über Zuerkennung des Titels ἥρως schon zu Lebzeiten aufzugeben sind: vgl. oben Anm. 17). Für eine engere Parallele vgl. die Weihung des Ξενώνειον an C. Iulius Xenon von Thyateira: Anm. 134. 131 Man vgl. die Baubeschreibung bei A. v. Gerkan, Milet I 6, 51–53 sowie den Plan Taf. 12. – Von der Situation her hätte man bei der Existenz einer Grabanlage an dieser Stelle auf einen interessanten neuen Beleg verweisen können, den J. Reynolds gelegentlich des X. Internationalen EpigraphikerKongresses 1992 in Nîmes bekannt gemacht hat: dort wird bezüglich eines verdienten Mannes aus Aphrodisias verfügt, daß er ἐν τοῖς ἄντικρυς τοῦ βουλευτηρίου δημοσίοις ἐργαστηρίοις beigesetzt werden sollte {IAph2007 11.16, 4–5}. 132 Zur Frage der baulichen Ausstattung von Heroa und der eventuellen Gestaltung in Form eines Temenos s. W. Radt, AvP XV 1, Das Heroon (1986) 113 mit Anm. 324. Die angeführten Beispiele sind freilich nicht wirklich gesichert, ebenso wenig wie die Deutung der in Pergamon aufgedeckten Bauanlage als des inschriftlich bezeugten, Διοδώρειον genannten τέμενος ἐν Φιλεταιρείαι für Diodoros Pasparos (H. Hepding, AM 32, 1907, 247 Z. 40 f.; IGR IV 292). Aus der Inschrift geht jedenfalls hervor, daß die Grabanlage an anderer Stelle, nämlich auf der Agora, vorgesehen war (Z. 52).
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erhalten ist und das von v. Gerkan als Aedicula gedeutet wurde. Hier könnte man sich u. U. einen Standplatz für Statuen von Apollonios und Epikrates vorstellen133. Später ist der Bau | allerdings unter dem Fußboden einer entlang der Mauer errichteten Halle verschwunden, die der Anlage des trajanisch-hadrianischen Tempels an der Rückseite des Platzes unmittelbar vorausging (s. Anm. 131). Sicherheit ist in diesen Fragen der Lokalisierung und der Deutung, soweit ich es beurteilen kann, mit den uns erreichbaren Befunden nicht mehr zu gewinnen. Auch wenn uns mithin weitere Indizien fehlen, kann man wohl die Vermutung aufstellen, daß es in Milet eine Heroen-Kultstätte für Apollonios und Epikrates gab, ein Ἀπολλώνειον bzw. Ἐπικράτειον, so wie die Pergamener ihr Διοδώρειον für den (sogar schon zu Lebzeiten verehrten) großen Wohltäter Diodoros Pasparos besaßen (vgl. Anm. 132) oder wie – sachlich und zeitlich näherstehend – in Thyateira ein Ξενώνειον existierte, das dem C. Iulius Xenon, ἥρως, εὐεργέτης, σωτήρ und κτίστης, gewesenem ἀρχιερεύς unter Augustus (vgl. Anm. 105), zum Dank für seine Wohltaten für die Provinz und seine Vaterstadt vom Demos geweiht und von den Iuliastai errichtet worden war134: Die Parallelität zu der Rolle des milesischen Epikrates drängt sich hier geradezu auf. Während die Gestalt des C. Iulius Epikrates für uns jetzt durch die Neufunde beträchtliches Relief gewonnen hat, wissen wir auffallenderweise nichts über die Person seines Vaters C. Iulius Apollonios, der doch eine Art Vorläufer für ihn gewesen zu sein scheint. Zum Abschluß dieses Aufsatzes kann aber doch noch ein Neufund beigebracht werden, der uns zumindest auf seine Spur führt. Es handelt sich um ein eigenartiges Architekturglied (Inv.-Nr. 1806), das ebenfalls ohne überlieferte Herkunftsangabe in dem von W. Müller-Wiener gestalteten Inschriftenhof des Museums von Balat aufgestellt ist (Abb. 10, 11). Der als Rest eines Architravs zu deutende links abgeschnittene Block weist das Ende einer Inschrift auf, die in ihrer recht feinen Ausführung gut in die augusteische Zeit datiert werden kann: {Milet VI 3 n. 1409}
- - -] Ἰουλίου Ἀπολλωνίου
133 Vgl. Anm. 124. Die ‚Aedicula‘ hatte v. Gerkan als eventuellen Aufstellungsort einer Kaiserstatue in Anspruch genommen (so auch A. Rehm, Milet I 9, 162). Im Hinblick auf die Deutung des ‚Kultraumes‘ im Heroon von Pergamon mit seiner Statuennische hat M. N. Filgis, AvP XV 1, Das Heroon (1986) 60 f. Beispiele für „Kulträume mit Wandnischen“ zusammengestellt. 134 TAM V 2 n. 1098 (mit dem Kommentar): Ὁ δῆμος / τὸ Ξενώνηον καὶ τὴν ἐντο/[μ]ὴν [κα]ϑιέρωσεν Γαΐωι Ἰουλίωι Ἀπο[λ/λωνί]δου υἱῶι Ξένωνι, ἥρωι εὐερ/γέτηι, γεγονότι ἀρχιερεῖ τοῦ / [Σ]ε[βαστοῦ Καίσαρος καὶ ϑεᾶς Ῥώ/μης καὶ εὖ πεποιηκότι πᾶσαν τὴν] / Ἀσίαν τὰ μέγιστα καὶ κατὰ πά[ν]/τα σωτῆρι καὶ εὐεργέτηι καὶ κτ[ί/στη]ι καὶ πατρὶ γεγονότι τῆς πα/[τρί]δος, πρώτῳ Ἑλλήνων. Κατ[ε]/σ[κεύα]σαν οἱ Ἰουλιασ[ταί]. Hier scheint jedenfalls die Kultanlage des Ξενώνειον mit der Grabstätte (ἐντομή) verbunden gewesen zu sein.
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Für eine sachgemäße Beschreibung des Bauteiles kann ich auf die hier folgende, mir freundlicherweise von Herrn Stefan M. Greger zur Verfügung gestellte Ausarbeitung verweisen, dazu auf die von ihm angefertigte Zeichnung (Abb. 3). Danach könnte es sich um ein Bauglied von einem Naiskos oder einer mehrsäuligen Halle handeln. Wegen der relativen Kleinheit der Inschrift würde ich allerdings eher für ein Gebäude mit bescheideneren Dimensionen plädieren. Die Genetiv-Form des Namens würde gut zur Annahme eines Grabbaues passen. Da es aber keine Hinweise zur ursprünglichen Länge des Architravs gibt und mithin auch Aufbau und Abfolge der Inschrift im Dunkeln bleiben, empfiehlt sich bei der Deutung grundsätzliche Zurückhaltung. Immerhin erhält damit die in diesem Beitrag behandelte aufschlußreiche Dokumentation über eine der prominentesten Figuren Milets in der beginnenden Kaiserzeit noch eine Bereicherung durch den Rest einer möglicherweise auf den Vater C. Iulius Apollonios zu beziehenden Bauanlage.
Stefan M. Greger
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Marmorbauteil mit Inschrift Nr. 1806135 Beschreibung Das Bauteil ist 87,5 cm lang, 42,7 cm breit und 31,7 cm hoch. Da es auf der linken Seite wahrscheinlich grob für eine Zweitverwendung zugerichtet wurde, war der Block ursprünglich länger. Das Material ist weißer bis hellgrauer Marmor, homogen ohne Adern und Einschlüsse. Die Oberfläche der Vorderansicht ist mit dem Zahneisen geglättet und gut erhalten. Sie zeigt einen 31,7 cm hohen Architrav mit 7 cm hohem Kopfprofil. Dieses ist grob abgeschlagen. Darunter befindet sich die noch 44 cm lange Endung einer 2,4 cm hohen Inschrift. Der untere Rand der Ansichtsfläche ist in seiner linken Hälfte bestoßen und gerundet. Die obere Lagerfläche ist rauh gespitzt und mit dem Zahneisen nur grob geglättet. An der vorderen rechten Ecke ist ein Dübelloch (3,7/3,8 cm) 3,0 cm tief eingearbeitet, an der hinteren, | rechten Seite eine 4 cm tiefe Bettung einer U-Klammer, deren Dorn (2,3/3,7 cm) 7,0 cm tief eingreift. Auf der Fläche befindet sich ein Numerierungszeichen. An der Rückseite ist 8,3 cm breit, 11,5 cm tief und noch 53,6 cm lang ein Auflager ausgenommen. Bis auf ein 1,8 cm breites, auskragendes Profil sind seine Oberflächen grob gespitzt. 135 Der Verfasser dankt dem Grabungsleiter, Herrn Prof. Dr. V. v. Graeve, Bochum, für die Möglichkeit, dieses Bauglied während der Kampagne 1992 aufzunehmen, und Herrn Dr.-Ing. B. F. Weber, München, für freundlich gewährte Unterstützung.
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Inschriften aus Milet
Abb. 3: Architravfragment Inv.-Nr. 1806. Zeichnung St. M. Greger
Die Rückseite weist eine Anschlußfläche von 35,4 cm Breite auf. Die Anathyrose der Stoßfuge zeigt einen äußeren 3,4 cm breiten Saum, einen vertieften, grob gespitzten Spiegel und einen gezahnten, inneren Saum. Rechts neben der Anathyrose folgt unter der Einarbeitung eine fein gezahnte Ansichtsfläche mit 2,5 cm hohem Kopfprofil. Zwischen der Anathyrose und der glatten Ansichtsfläche befindet sich eine grob gespitzte, senkrechte Kerbe von 4,3 cm Breite. Von den beiden Seitenflächen ist die linke eine bearbeitete Bruchfläche, die rechte weist die Oberflächenbearbeitung der Frontansicht und den Ansatz des gleichen, zerstörten Kopfprofiles auf. Die Untersicht ist fein gezahnt. Sie trägt an der linken Seite eine Soffitte, die über die Bruchfläche weiterlief. Die Breite der mittig eingesetzten Soffitte beträgt 8,7 cm, umsäumt von einem lesbischen Kymaprofil von 1,2 cm Höhe. Auf der rechten Seite befinden sich 3 Vertiefungen, die als Dübellöcher oder sekundäre Einarbeitungen zu deuten sind. Deutung Die glatte Vorderseite mit dem Kopfprofil weist in Verbindung mit der Soffitte an der Unterseite das Bauteil als Architravblock aus. Wegen der Klammer- und Dübel-
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löcher auf der rechten Seite der Lagerflächen und der rechten Seitenansicht, die der Frontansicht entspricht, ist der Block als Eckarchitrav zu deuten, der rechts auf einer Ante aufgelegt gewesen sein muß. Die Rückseite zeigt einen nur 20,5 cm hohen Innenarchitrav, die darüber folgende Einarbeitung ist als Auflager für eine Kassettendecke zu sehen. Die ursprüngliche Länge des Architraves kann nur approximativ ermittelt werden. Die Lage der Soffitte läßt ein Auflager für eine ca. 40 cm breite Ante zu. Bei einer unteren Breite des Architravs von 39,6 cm ist mit einem Interkolumnium von ca. 0,8–1,2 m und einem Achsmaß von 1,2–1,6 m zu rechnen. Da die linke Seite des Blockes zerstört ist, muß die Frage, ob der Architrav hier von einer Säule oder der gegenüberliegenden Ante getragen wurde, offen bleiben. Der Architrav könnte folglich die ganze Front eines 1,6–2,0 m breiten Naiskos überspannt haben, oder von der Ante bis zur Mittelachse einer Säule gereicht haben. In diesem Fall wäre neben der sehr wahrscheinlichen Annahme eines kleinen Grabbaues mit 2 Säulen in antis auch die Rekonstruktion einer mehrsäuligen Halle möglich. Obwohl der Architrav nicht durch Faszien gegliedert ist, zeigen das hohe Kopfprofil des Außenarchitravs wie auch die Soffitte der Unteransicht, daß das Bauwerk in ionischer oder korinthischer Ordnung entworfen gewesen ist.
Abkürzungen IvDidyma IvEphesos IvSelge IvSmyrna Milet I 2 Milet I 3 Milet I 7 Milet I 9 OMS
A. Rehm, Die Inschriften, Didyma II (1958) R. Merkelbach u. a., Die Inschriften von Ephesos I–VIII 2 (1979–1984) J. Nollé – F. Schindler, Die Inschriften von Selge (1991) G. Petzl, Die Inschriften von Smyrna I–II 2 (1982–1990) H. Knackfuß, Das Rathaus von Milet, Milet I 2 (1908) G. Kawerau – A. Rehm, Das Delphinion in Milet, Milet I 3 (1914) H. Knackfuß, Der Südmarkt und die benachbarten Bauanlagen, Milet I 7 (1924) A. v. Gerkan – F. Krischen, Thermen und Palästren, Milet I 9 (1928) L. Robert, Opera Minora Selecta I–VII (1969–1990).
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Inschriften aus Milet
Abb. 4–5: Posthume Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates. Photos P. Herrmann
Abb. 6: Ehrendekret für C. Iulius Epikrates (Milet I 2 n. 7 a). Photo P. Herrmann
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Abb. 7: Ehrendekret für C. Iulius Epikrates (Milet I 2 n. 7 b). Photo P. Herrmann
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Abb. 8: Weihinschrift für C. Iulius Apollonios (Milet I 2 n. 15). Photo P. Herrmann
Abb. 9: Weihinschrift für C. Iulius Epikrates, Anfang (Milet I 2 n. 6). Photo P. Herrmann
Abb. 10: Architravfragment Inv. 1806. Photo P. Herrmann
Abb. 11: Architravfragment Inv. 1806 (Draufsicht). Photo P. Herrmann
35 Eine Liste mit Zeus-Epitheta aus Milet „Constat late olim apud Graecos patuisse studium epitheta deorum colligendi et explicandi“ – mit diesen Worten hat Wilhelm Studemund einst seine Einleitung zu den von ihm edierten „Anonymi Laurentiani duodecim deorum epitheta“ (Vol. I der „Anecdota Varia Graeca et Latina“, Berlin 1886, 257–283) begonnen. Das von ihm gleich im folgenden Satz geäußerte Bedauern, daß es noch an einer modernen Zusammenstellung der Götter-Epitheta fehle, die bei Dichtern und Prosaschriftstellern, in Inschriften und griechischen Lexika begegnen, gilt heute freilich nicht mehr. Schon wenige Jahre nach Studemunds Edition veröffentlichte C. F. H. Bruchmann seine sehr nützliche Zusammenstellung der „Epitheta deorum, quae apud poetas Graecos leguntur“ als Supplementband zu Roschers „Lexicon der griechischen und römischen Mythologie“ (Leipzig 1893). Und was den Gott mit den sicher zahlreichsten Beinamen betrifft, nämlich Zeus, auf den uns der gleich zu besprechende Neufund führt, so brachte zum einen der diesen Gott betreffende Artikel im 6. Band des Roscherschen Lexicons (Leipzig und Berlin 1924–1937) in der Bearbeitung Eugen Fehrles eine Zusammenstellung aller Beinamen (mit Ausschluß der bei Bruchmann registrierten), in der vor allen auch epigraphische Belege verarbeitet sind (Sp. 592–671), zum anderen hat Hans Schwabl sich erst in jüngerer Zeit in seinem monumentalen REArtikel „Zeus“ unter dem Begriff Epiklesen um eine auf den letzten Stand gebrachte Erfassung des Materials bemüht (RE X A, 1972, Sp. 253–376 sowie Suppl. XV, 1978, Sp. 1441–1447). Bei den folgenden Ausführungen im Anschluß an die Bekanntmachung einer eigenartigen Inschrift aus Milet sind die hier erwähnten Zusammenstellungen eine unschätzbare Hilfe gewesen. Das hier zu besprechende Inschriftenfragment war zuerst vor einigen Jahren durch ein mir von einem Mitglied der Milet-Grabung ausgehändigtes, kleinformatiges Photo in meinen Gesichtskreis getreten, ohne daß ich zunächst das Original eruieren konnte. Während meiner Anwesenheit in Milet im Herbst 1992 wurde es aber glücklicherweise wieder aufgefunden, als nämlich auf der Fläche des byzantinischen Kastells oberhalb des Theaters Säuberungs- und Planierungsarbeiten vorgenommen wurden. Dabei wurde dank der Wachsamkeit der die Arbeiten beaufsichtigenden Ingenieure Gerhard Gresik und Hartmut Olbrich der auf | einem Steinhaufen mit der Schrift nach unten liegende Block entdeckt und konnte so von mir in der gebührenden Form aufgenommen werden. Block aus grauem Marmor; oben, links und unten Rand, rechts schräg abgebrochen. Oben Reste einer Klammer für Verbindung nach rückwärts. Auf der Rückseite an der Kante vertieft abgearbeiteter Rand, nach innen rauh. Höhe 53, Breite 52, Dicke 21,5 cm. Buchstabenhöhe ca. 5, Zeilenabstand 1,3 cm. Die Schriftfläche zeigt Spuren der Bearbeitung mit dem Zahneisen. 1992 auf einem Steinhaufen bei dem byzanti-
Hyperboreus 1, 1994/95, 118–127 und 1 Abbildung.
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nischen Rundturm im Nordosten des Vorwerkes des Theaterkastells vorgefunden. Abb. 1. {Milet VI 3 n. 1395 mit Taf. 38} ἈΙ̣ [ Ἀρ . [ Ἀγ . [ 4 Ἀνώλε̣ [ϑρος] Ἀγοραῖος̣ Αἰγίοχο[ς] Ἄφϑιτος 8 Ἀποβατή̣[ριος] Z. 1: Nach dem A schwache Spuren der linken unteren Ecke eines Buchstabens, am ehesten E oder 𐅝. Z. 2: Nach dem P Rest eines waagerechten Striches am unteren Zeilenrand. Z. 3: Nach dem Γ ein zerstörter Buchstabe, der mit einem senkrechten Strich begann.
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Auf den ersten Blick ist erkennbar, daß es sich um eine Serie von Wörtern handelt, die alle mit A beginnen, d. h. um eine nach den antiken Prinzipien alphabetisch geordnete Liste, bei der nur der erste Buchstabe, nicht aber die folgenden, für die Einordnung zählen.1 Sodann springt in die | Augen, daß es um Adjektive in maskuliner Form geht, die als Epitheta von Gottheiten Anwendung gefunden haben oder finden könnten. Die Festlegung auf Zeus ergibt sich durch den in Z. 6 erscheinenden Begriff αἰγίοχος: „Nur er trägt dieses Epitheton“ (Schwabl, RE Suppl. XV 1020).2 Die Auflistung solcher Götterbeinamen läßt an Parallelen denken, die in später handschriftlicher Überlieferung auf uns gekommen sind. Die beiden in unserem Falle wichtigsten hat W. Studemund in der am Beginn dieses Beitrags genannten Publikation vorgelegt und kommentiert: eine nur Ἐπίϑετα Διός enthaltende Liste im Codex Ambrosianus C 222 und eine sich auf die 12 olympischen Gottheiten erstreckende Liste von Ἐπίϑετα im Codex Lauren-
1 Wir besitzen als eindrucksvolle Beispiele dieses Prinzips vor allem größere Namenslisten aus Rhodos aus der 1. Hälfte des 1. Jhdt.s v. Chr.: IG ΧΙΙ 1, 46 und 1442, dazu neuerdings Vassa Kontorini, Ἀνέκδοτες ἐπιγραφὲς Ῥόδου II (Athen 1989) 32 n. 2 (SEG XXXIX 732). Kontorini gibt S. 34 weitere Hinweise zu alphabetischen Listen κατὰ γράμμα, die Hiller von Gaertringen im Lemma zu IG ΧII 1, 46 so charakterisiert hatte: „Ordo est alphabeticus quatenus primas nominum litteras spectas“. Vgl. auch F. Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie (Leipzig–Berlin 1922) 148. Für die Anwendung des Prinzips im antiken Schulunterricht liefert der Papyrus Bouriant n. 1 (3./4. Jh.) eine schöne Illustration: s. E. Ziebarth, Aus der antiken Schule (Bonn 1910) n. 29 f. I–V. Auch die unten in den Anm. 21 und 22 angeführten Bibliothekskataloge aus dem Bereich hellenistischer Gymnasien folgen diesem alphabetischen Ordnungsprinzip. 2 Eine Ausnahme liegt zumindest in der Überlieferung eines Weihepigramms aus Halai in Lokris vor (P. A. Hansen, Carmina Epigraphica Graeca I (Berlin–New York 1983) n. 348), wo W. Peek (WZHalle 4 (1954/5) 229 f.) jedenfalls Ἀ[ϑά]ναι αἰγιόχοι sicher gelesen zu haben angibt. Hansen korrigiert hier allerdings zu Ἀ̣[ϑα]ναία̣ι̣ ‹πολ›ιόχοι, mit der Bemerkung „lapidarius … epitheton Iovis perperam Minervae addidit“.
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tianus LIX 16, nach Auskunft des Herausgebers aus dem 12. Jh. stammend. Die erstgenannte Liste enthält, alphabetisch nach dem oben genannten Prinzip geordnet, 100 Epitheta des Zeus, die zweitgenannte in abweichender, aber ebenfalls alphabetischer Reihenfolge 103 auf diesen Gott bezügliche Beinamen. Dabei hat der Ambrosianus (A) insgesamt 21 mit A- beginnende Epitheta des Zeus verzeichnet, der Laurentianus (L) bringt es auf 17 Epiklesen. Immerhin drei Epitheta aus diesen Listen finden sich in unserem Inschriftenfragment wieder: Ἀγοραῖος (A: n. 4; L: n. 2), Αἰγίοχος (L 7; in L 5 und A 10: Αἰγιδούχου) und Ἀποβατήριος (A 18). Die in recht klar eingemeißelten Buchstaben erstellte Inschrift ist sicher kaiserzeitlich, man wird am ehesten an das 2. Jh. n. Chr. denken. Da ist es denn nicht uninteressant, daß Studemund im Anschluß an Untersuchungen Karl Krumbachers entsprechende Listen von Götterbeinamen auf die im Anfang des 3. Jh.s entstandenen „Interpretamenta (Ἑρμηνεύματα) Pseudodositheana“ zurückführt (a. a. O. 259). Wir würden uns demnach möglicherweise mit dem Inschriftenbruchstück in zeitlicher Nachbarschaft zur Abfassung der literarisch tradierten Listen befinden. Über den spezifischen Zweck der Anfertigung eines solchen Katalogs in inschriftlicher Form sind weiter unten noch einige Überlegungen anzustellen, nachdem die Elemente dieser Liste im einzelnen kurz besprochen sind. Zunächst ist anzumerken, daß die erhaltenen 5 Beinamen keiner einheitlichen Kategorie angehören: Sie sind teils der poetischen Sprache entnommen, teils aber in dieser nicht bezeugt, sie sind zum Teil auch inschriftlich belegbar, in anderen Fällen ist ihre Anwendung auf Zeus bisher noch gar nicht bekannt. Man hat also den Eindruck einer etwas willkürlichen Mischung. Hier nun einige Hinweise im Detail: Z. 4 Ἀνώλεϑρος: Der Begriff ist nicht nur in der Anwendung auf Zeus singulär, sondern überhaupt zur Charakterisierung von Gottheiten nicht gebräuchlich. Er entstammt, wie die Belegstellen der Lexika erkennen lassen, speziell der philosophischen Diskussion, wo er in Kombination mit ἀϑάνατος oder ἀγέν(ν)ητος auftritt; von daher konnte er dann auch in die christliche Literatur zur Charakterisierung des Wesens Gottes Eingang finden.3 In der Aussagerichtung berührt sich das Wort innerhalb unserer Liste (Z. 7) mit dem ebenfalls sonst wenig gebräuchlichen ἄφϑιτος. Auf Zeus angewandt findet sich in der epischen Sprache in diesem Sinne nur das bei Homer mehrmals belegte ἀϑάνατος.4 3 Die Verbindung mit ἀϑάνατος findet sich bei Anaximandros B 3 DK (nach Aristot. Phys. 203 B 14), sie wird dann bei Platon zur Charakterisierung der Seele übernommen (Phaedo 88 b ὅτι ἔστι ψυχὴ παντάπασιν ἀϑάνατόν τε καὶ ἀνώλεϑρον, vgl. 95 b und 105 e). Mit ἀγένητος konfrontiert den Begriff Parmenides 8, 3, und diese Kombination nimmt Platon Tim. 52 a auf (vom ἕν: ἀγέννητον καὶ ἀνώλεϑρον). Für die christlichen Schriftsteller vgl. G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon (Oxford 1961) 166 (im besonderen etwa Clem. protr. 6 [p. 52,5 Stählin]: ϑεὸν ἀνώλεϑρον καὶ ἀγέννητον). 4 Es geht um die viermal belegte Formel τὸν ἀϑάνατος τέκετο Ζεύς: vgl. dazu Schwabl, RE X A 260; M. Bertheau, Lexikon des frühgriechischen Epos I (1979) 199. Einen vermeintlichen epigraphischen Beleg der Anwendung auf Zeus haben J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1974 n. 288 durch einen abweichenden Ergänzungsvorschlag eliminiert.
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Z. 5 Ἀγοραῖος: Dieses Epitheton führt uns im Gegensatz zum vorhergehenden in konkrete Bereiche des städtischen Lebens der Antike, und dementsprechend finden sich für diesen mit den Funktionsbereichen des „Marktes“ verbundenen kultischen Aspekt des Gottes nicht wenige epigraphische Belege.5 Die Epiklese wird freilich auch anderen Gottheiten zuerkannt, so besonders etwa Hermes.6 Z. 6 Αἰγίοχος: Mit dem Zeus als demjengen, „der die Aigis bewegt“, wird eine offensichtlich sehr weit zurückreichende erstarrte epische Formel erfaßt, die schon bei Homer zahlreich belegt ist, aber auch in der späteren Dichtung weitergeführt wird. Dabei ist vor allem die Genetiv-Konstruktion Διὸς αἰγιόχοιο verbreitet, und eben diese lebt auch in der älteren Epigraphik in Weihepigrammen weiter.7 Es ist verständlich, daß Belege in anderem Zusammenhang, etwa dem der städtischen Kulte, hier aber völlig fehlen. Z. 7 Ἄφϑιτος: Wie schon oben ausgeführt, berührt sich dieses Epitheton in seiner Aussage mit dem Z. 4 erscheinenden Ἀνώλεϑρος. Immerhin begegnet Ζεὺς ἄφϑιτος einmal bei Pindar (Pyth. IV 291), während bei Homer nur die Gedanken und Pläne des Gottes als ἄφϑιτα bezeichnet wurden. Es verwundert nicht, daß das Wort auch zur Charakterisierung anderer „unvergänglicher“ Gottheiten verwendet werden konnte.8 Z. 8 Ἀποβατήριος: Die letzte in dem Fragment erhaltene Epiklese findet sich außer auf Zeus auch auf andere Gottheiten angewandt: auf Apollon, Asklepios, Artemis.9 Was Zeus betrifft, so kann ein inschriftlicher Beleg aus Olympia, wo in einem Dekret des Achaischen Bundes aus hadrianischer Zeit Opfer an ihn erwähnt werden, als sicher gelten (IvOlympia 57, 36: καὶ ϑύειν Διὶ Ἀποβατ[ηρίῳ]), während eine nur von François Lenormant mitgeteilte Altarweihung Διὸς Ἀποβατηρίου aus Methana mit vielem sonstigen von diesem „érudit déconcertant“ veröffentlichten Material dem Verdacht einer Fälschung bzw. Erfindung ausgesetzt bleibt.10 Am weitesten zurück 5 Die Belege findet man bei Schwabl, RE X A 256–8 sowie Suppl. XV 1441 zusammengestellt. Bei Fehrle (Roscher VI 594) wird dazu Arat Phaen. 2 zitiert: μεσταὶ δὲ Διὸς πᾶσαι μὲν ἀγυιαί, πᾶσαι δ’ ἀνϑρώπων ἀγοραί, und R. Etienne – D. Knoepfler, BCH Suppl. 3 (1976) 152 sprechen unter Übernahme eines Zitats von R. Martin von der „divinité la plus importante de la vie politique des cités grecques“. 6 Vgl. dafür M. Sayar, Tyche 7 (1992) 194 mit Anm. 60. 7 Zu dem Epitheton Schwabl, RE Suppl. XV 1020; D. Matthes, Lexikon des frühgriechischen Epos I 251–3. Belege in Epigrammen: P. A. Hansen, Carmina Epigraphica Graeca 197; 297; 377; 415. Für die (irrtümliche?) Anwendung auf Athena vgl. oben Anm. 2. 8 Zu dem Epitheton Schwabl, RE X A 284; für Homer vgl. B. Mader, Lexikon des frühgriechischen Epos I 1707 n. 3. 9 Vgl. Schwabl, RE X A 274 f. Aus Kyrene stammt eine Weihung aus der Zeit Neros (GIBM IV 1056 = IGR I 1034); bei den italienischen Grabungen in Iasos fand sich eine von einem „Asklepiaden“ Menes dargebrachte Weihung Ἀπόλλωνι Ἀποβατηρίῳ (IvIasos 227); in einem Opferkalender des 2. Jh.s v. Chr. aus Erythrai wird ein Opfer Ἀσκληπιῶι Ἀποβατηρίωι vorgeschrieben (IvErythrai 207, 17). 10 F. Lenormant, RA (1864) ΙΙ 66; vgl. Le Bas n. 159j. M. Fraenkel hat die Inschrift in IG IV 1575 unter die „tituli spurii vel suspecti“ eingereiht und eine Fabrikation im Anschluß an Arrian Anab. I 11, 7 (s. oben) für möglich gehalten. Zum Problem der Zuverlässigkeit oder Glaubwürdigkeit Lenormants vgl. im besonderen L. Robert, RPhil 33 (1959) 186 Anm. 7 (OMS V 216), sowie zuletzt ausführlicher
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kommen wir mit einer Nachricht | Arrians (Anab. I 11, 7), wonach Alexander bei der Überquerung des Hellesponts an beiden Ufern Altäre errichtet habe für Zeus Apobaterios, Athena und Herakles. Die sich hier aufdrängende Erklärung bezieht das Epitheton auf den Schutz des Seefahrers oder sieht präziser Zeus hier in der Rolle des „protector of persons landing“ (Liddell – Scott – Jones).11 Die Tatsache, daß die Epiklese, einschließlich der Varianten ἐπιβατήριος und ἐμβατήριος, aber auch auf Herrscher und deren Angehörige übertragen werden konnte, beginnend mit der pergamenischen Königin Apollonis, hat in der Literatur zu Diskussionen darüber geführt, inwieweit dann mit dem Begriff eine auf eine präzise Episode eingeengte Bedeutung gemeint sein könnte, nämlich die glückliche Landung der jeweils mit dem Epitheton apostrophierten Person, wobei die Aufstellungsorte entsprechender Weihungen dann auch konkret den Platz dieser Landung oder Ankunft markiert haben könnten.12 Erst in jüngerer Zeit hat dagegen François Richard (s. Anm. 12) konsequent die Auffassung vertreten, daß es bei den mit ἀποβατήριος, ἐπιβατήριος oder ἐμβατήριος bezeichneten Gottheiten und auch den ihnen angeglichenen Herrschern immer um deren Rolle als „dieux des navigateurs“ gegangen sei, wobei bestimmte mit dem Hafen verbundene Riten und Kulte den Hintergrund gebildet haben können.13 Es leuchtet ein, | daß die Aufnahme der Epiklese Ἀποβατήριος in unsere Liste eben diese ganz allgemein zu verstehende Schutzfunktion des Gottes ausdrücken sollte. Nach dieser Betrachtung der in der Inschrift erhaltenen Zeus-Epitheta sei noch kurz die Frage aufgenommen, ob in den ersten drei Zeilen des Fragments aus der O. Masson, François Lenormant (1837–1883), un érudit déconcertant, MusHelv 50 (1993) 44–60. Die Rechtfertigungsversuche, die bei W. M. Ramsay, JHS 38 (1918) 124 Anm. 2 sowie, auf die hier gemeinte Inschrift bezogen, bei G. Pugliese Carratelli am Anm. 12 a. O. zum Ausdruck kommen, können nicht als fundiert angesehen werden. 11 Vgl. A. B. Bosworth, A Historical Commentary on Arrian’s History of Alexander (Oxford 1980) 101: „The cult epithet denotes successful protection of the seafarer.“ 12 Die Belege sind zuletzt zusammengestellt von François Richard in seinem Aufsatz Les souverains en ‘Theoi Epibaterioi’, CH 33 (1988) 441–452. Die Bezugnahme auf den Ort der Landung ist speziell von L. Robert in der Kommentierung der teischen Inschrift OGI 309, 14 herausgearbeitet worden, wo es vermutlich um die Errichtung eines Altares ϑεᾶς Ἀπολλωνίδος Εὐσεβοῦς Ἀποβατηρίας geht (Études anatoliennes [1937] 20 mit Anm. 1). Vgl. weiter dens., REA 65 (1963) 314–6 (OMS III 1509–11) sowie Bull. épigr. 1978 n. 559. Robert sah hier eine Verbindung zwischen der eigenen „Ankunft“ einer Gottheit und ihrer dann übernommenen Schutzfunktion: „Si Asclépios à Iasos est Apobatérios, c’est sans doute qu’il protège le débarquement dans le port, parce que lui-même y débarqua.“ Im Prinzip ähnlich lautet die Erklärung bei G. Pugliese Carratelli, Theoi Apobaterioi, Studi in onore di Luisa Banti (Roma 1965) 281–4 (Scritti sul mondo antico [Neapel 1976] 513–8). Vgl. noch E. M. Smallwood im Kommentar zu Philo, Leg. ad Gaium 151 (τὸ λεγόμενον Σεβαστεῖον, ἐπιβατηρίου Καίσαρος νεώς in Alexandria) sowie A. Balland, Fouilles de Xanthos, Tome VII. Inscriptions d’époque impériale du Létôon (Paris 1981) 70 Anm. 217. 13 Man vgl. dafür schon die Feststellungen L. Roberts, Hellenica V (1948) 76 zu einem ἐπιβατήριος benannten Agon in Side: „Ce concours devait comporter des cérémonies pour l’heureux débarquement, l’heureuse arrivée dans le port de Sidè, des ἐπιβατήρια; sur cette arrivée devaient veiller les dieux poliades, dominant le port, bien plutôt qu’on ne célébrait leur arrivée à eux.“
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Kenntnis der oben erwähnten Listen heraus noch Ergänzungen möglich sind. Für Z. 1 könnte man, unter der Annahme, daß auf A ein (eckiges) Sigma folgte, die Epiklesen Ἀστραπαῖος bzw. Ἀστράπιος oder auch Ἀστεροπητής erwägen.14 In Z. 2 ließe sich, wieder unter Berücksichtigung des nach dem P erhaltenen Buchstabenrestes, an Ἄρειος denken.15 Die Spuren in Z. 3 schließlich könnten auf die Form führen, ein Epitheton, das nach Homer zu Kronos gehört, das aber in den Listen auch auf Zeus Anwendung findet.16 Freilich käme hier auch anderes, etwa Ἁγνός oder Ἀγήτωρ, in Betracht, wie denn überhaupt diese Überlegungen nur Vermutungen sein können. Wenn man die Liste, soweit sie erhalten ist, insgesamt beurteilt, muß man, wie schon erwähnt, von einer Mischung aus gängigen und weniger gebräuchlichen Epitheta sprechen, mit einigen Elementen aus der epischen oder jedenfalls dichterischen Sprache. In Milet hat sich bisher keine der hier vorkommenden Epiklesen in der Anwendung auf Zeus gefunden, und es hat ja auch eher den Anschein, daß in der Liste ohne eine eigentlich lokale Beziehung Epitheta des Göttervaters zusammengetragen und alphabetisch geordnet worden sind. Das führt auf die sich natürlicherweise aufdrängende Frage nach dem Charakter bzw. dem Zweck der vorliegenden Inschrift. In welchem Zusammenhang könnte ein Interesse an einer Zusammenstellung dieser Art und an inschriftlicher Aufzeichnung in immerhin nicht ganz kleinen und klar eingegrabenen Buchstaben aufgekommen sein? Wenig wahrscheinlich scheint mir eine Erklärung, die einen irgendwie gearteten sakralen oder kultischen Charakter der Aufzeichnung | voraussetzen würde, d. h. etwa eine Anrufung des Gottes nach Art einer Litanei. Zwar hat sich gerade in der Form des alphabetisch geordneten Akrostichs hier eine gewisse in die christliche Literatur hineinführende Tradition gebildet, als deren Zweck Ernst Vogt in einer Untersuchung des Gegenstandes neben mnemotechnischen Zwecken auch die Intention einer „erschöpfende[n] Vollständigkeit der Anrufung“ herausgehoben hat, mit der für uns interessanten Feststellung: „In Götterepiklesen ist es wichtig, keinen in Betracht kommenden Gott zu übergehen, beziehungsweise, bei der Anrufung eines einzelnen, keinen Kultnamen und keine Kultstätte unberücksichtigt zu lassen …“17 Das Cha-
14 Beide Epitheta kommen in den Formen ἀστραπαίου und ἀστεροπητοῦ in den am Beginn dieses Aufsatzes erwähnten Listen des Ambrosianus und Laurentianus vor. Für ἀστραπαῖος bzw. ἀστράπιος vgl. Bruchmann 125; Fehrle 605 f.; Schwabl 282. Für das homerische und danach dichterisch verwandte ἀστεροπητής Bruchmann 125; Fehrle 605; Schwabl 281; H. W. Nordheider, Lexikon des frühgriechischen Epos I 1445. 15 Auch dieser Beiname ist in der Form ἀρείου in die Listen des Ambrosianus und Laurentianus eingegangen. Vgl. dazu Fehrle 603; Schwabl 276 f. 16 ἀγκυλομήτεω im Ambrosianus und Laurentianus sowie bei Niketas: Studemund p. 274 und 282. Vgl. auch Schwabl 256 und Suppl. XV 1441. Zu dem Wort und seiner Verwendung bei Homer s. E. Risch, Lexikon des frühgriechischen Epos I 71. 17 E. Vogt, Das Akrostichon in der griechischen Literatur, A&A 13 (1967) 80–95. Wichtig ist der Beitrag von Ralph Marcus, Alphabetic Acrostics in the Hellenistic and Roman Periods, JNES 6 (1947) 109–123 mit der Ableitung aus der hebräischen Literatur. Dort werden im Rahmen einer Aufteilung auf
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rakteristikum solcher Produkte ist aber die Vers- oder Strophenform, wie denn auch zwei „heidnische“ akrostichische Listen von Götterepiklesen des Dionysos und des Apollon, die in der Anthologia Palatina auf uns gekommen sind, in Versen abgefaßt sind.18 Ich glaube nicht, daß eine Deutung unserer Liste in dieser Richtung zu suchen ist. Vielmehr möchte ich vermutungsweise einen anderen Kontext und einen spezifischen Anbringungsort der Inschrift vorschlagen: ein didaktisches Anliegen der Aufzeichnung und mithin ihre Aufstellung in einem Gymnasion. Zwar vermag ich dazu keine einschlägige Parallele zu präsentieren, doch dürfte die Erstellung vielleicht einige Plausibilität für sich haben, daß im dortigen Lehrbetrieb eine solche Sammlung von Götterepitheta für nützlich gehalten wurde. Nach dem materiellen Befund scheint es sich bei dem Schriftträger um einen ehedem in ein bauliches Ensemble eingefügten Block, vielleicht von einer Wand, zu handeln. Sollte die Sammlung der Epitheta durch das ganze Alphabet durchgelaufen sein, müßte man mit einer beschriebenen Wand von erheblichen Ausmaßen rechnen. Wir besitzen immerhin einige Spuren von schriftlichen Aufzeichnungen in Gymnasien, die sich zumindest entfernt zum Vergleich | hier anführen lassen. Man könnte zunächst vor allem an zwei inschriftlich erhaltene Exemplare mit vulgarisierten Maximen „der Sieben Weisen“ angeblich delphischer Herkunft erinnern, die ähnlich wie unsere Epitheta-Liste ihr Pendant in der literarischen Überlieferung haben und die traditionellerweise zu Gymnasien in Beziehung gesetzt wurden:19 in Miletupolis und in Thera20. Hier ist freilich durch den überraschenden Fund eines dritten Exemplars in Ai Khanoum in Baktrien {Iscrizioni dello Estremo Oriente Greco 383}, an der äußersten Peripherie des Hellenentums, ein anderer Aufstellungsort bezeugt worden, nämlich das Temenos für den Kult des Stadtgründers Kineas. In seiner meisterhaften den dortigen Funden gewidmeten Untersuchung „De Delphes à l’Oxus“ (CRAI 1968, 416–457 = OMS V 510–551) hat Louis Robert nicht nur die Zusammenhänge verdeutlicht, sondern auch Zweifel anklingen lassen, ob die früher gefundenen Stücke wirklich mit Gymnasien und einer entsprechenden didaktischen Funktion verbunden werden müssen (a. a. O. 440 f.). Von anderer Art sind wieder Reste von Bücherkatalogen, die aus dem Gymnasionsbetrieb zugeordneten Bibliotheken stammen dürften: 4 Klassen (didactic, liturgical, oracular, Gnostic) bei der Besprechung der liturgischen Beispiele auch „lists of divine attributes“ als eine eigene Untergruppe herausgehoben. 18 Es geht um die als ἀδέσποτα überlieferten Gedichte AP IX 524 und 525, in denen in je 26 nach dem Alphabet geordneten Versen für den angesprochenen Gott Dionysos bzw. Apollon je Vers vier mit dem gleichen Buchstaben beginnende Epitheta aufgeführt werden. Als Entstehungszeit der „Hymnen“ wird die Zeit um 500 n. Chr. angenommen (Vogt a. a. O. 94), und sie werden vermutungsweise auf orphischen Ursprung zurückgeführt (Marcus a. a. O. 112). 19 Zusammenstellung der Überlieferung von H. Diels in der Einleitung zu dem Abdruck der Inschrift aus Miletupolis Syll.3 1268. 20 Miletupolis: E. Schwertheim, Die Inschriften von Kyzikos und Umgebung II (IK 26, Bonn 1983) n. 2; Thera: IG ΧΙΙ 3, 1020.
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Hier hat Rhodos ein Beispiel geliefert,21 und neuerdings ist der interessante Fund einer aufgemalten Bibliotheksinschrift aus dem Komplex des Gymnasions von Tauromenion hinzugetreten, wo in alphabetischer Ordnung angeführte Autoren mit kurzen Charakterisierungen versehen sind.22 Wieder etwas anderes ist eine an einer Wand im unteren Gymnasion von Priene entdeckte Aufzeichnung unter der Überschrift τῶν ἐφόρων, wo allerdings eine Phantasieliste von 15 mehr oder weniger prominenten spartanischen Namen folgt, so daß Hiller von Gaertringen die an sich ordentlich geschriebene Inschrift für das Elaborat eines uninformierten Jungen hielt, dessen „historische[r] Wert … minimal ist“ (IvPriene 316a {IvPriene (2014) 322II}).23 Sollte die hier vorgetragene Vermutung, daß auch das in Milet aufgetauchte Inschriftenfragment einem Gymnasion | entstammt, das Richtige treffen, würden die hier vorgeführten sehr unterschiedlichen Beispiele um eine interessante neue Variante bereichert.
Abb. 1
21 A. Maiuri, Nuova silloge epigrafica di Rodi e Cos (Firenze 1925) 14 n. 11; dazu M. Segre, RFIC 13 (1935) 214–222; M. Guarducci, Epigrafia greca II (Roma 1969) 576 f. Zu dem Gymnasion und seiner Bibliothek s. auch I. Papachristodoulou, Akten des XIII. Internationalen Kongresses für Klassische Archäologie Berlin 1988 (Mainz 1990) 500 f. 22 Giacomo Manganaro, Una biblioteca storica nel ginnasio di Tauromenion e il P. Oxy. 1241, PP 29 (1974) 389–409. 23 Die Inschrift ist auch Syll.3 1265 abgedruckt unter der Überschrift „Puerorum ludibria“.
36 Eine neue historische Inschrift aus Milet Vorbemerkung: Der von J. Ebert in Innsbruck präsentierte Beitrag hatte ein aus drei erhaltenen Fragmenten zu rekonstruierendes spätantikes Epigramm zum Gegenstand, dessen schwierige Probleme ihn fast ein ganzes Jahrzehnt lang beschäftigt und zu immer neuen Ergänzungs- und Interpretationsversuchen angeregt haben. Bedauerlicherweise existiert kein den Vortrag enthaltendes Manuskript, sondern allein die von Ebert vorgelegte Textfassung des Epigramms zusammen mit einer Rekonstruktionszeichnung, dazu eine schriftlich festgehaltene Übersetzung. Die epigraphische Publikation des Denkmals war für den in Vorbereitung befindlichen dritten Band der „Inschriften von Milet“ vorgesehen, für den ich mir einen entsprechenden Beitrag Eberts erhofft hatte. Zu dieser Ausarbeitung ist er leider nicht mehr gekommen. Der folgende Versuch einer Verdeutlichung der Gedanken und Argumente, die hinter der von ihm gebotenen Rekonstruktion des Textes stehen, stützt sich auf einen längeren brieflichen Gedankenaustausch mit Joachim Ebert sowie auf die mir von Frau Marianne Ebert in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellten Materialien und Notizen aus dem Nachlaß ihres Mannes. Ich hoffe, daß diese Ausarbeitung trotz ihrer Unvollkommenheit den Überlegungen Eberts gerecht wird und daß mit ihrer Vorlage zugleich dem Andenken dieses von mir aus langjähriger freundschaftlicher Verbundenheit hochgeschätzten Kollegen gedient wird. Peter Herrmann Milet Inv.-Nr. 1663 + 411 + 1750. Drei nach dem materiellen Befund zusammengehörige, aber nicht unmittelbar aneinanderpassende Fragmente aus weißem Marmor. Oben ursprünglich ein (jetzt abgeschlagenes) vorspringendes Profil, unten eine zurückspringende Faszie; dazwischen die leicht geschwungene Vorderseite (Schriftfläche). Daß die Blöcke als Architrav gedient haben, ist vom materiellen Befund her wenig wahrscheinlich; Ebert brachte den Begriff „Geison“ in Vorschlag. a
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Inv.-Nr. 1663. Entdeckt 1959 im Gelände zwischen dem Museum und der seldschukischen Moschee, Herkunft nicht bekannt. Links und rechts auf Anschluß gearbeiteter Block; auf der Oberseite langgestrecktes Dübelloch. Höhe 30, Breite 67, Dicke 76 cm. Veröffentlicht: Th. Pekáry, IstMitt 15 (1965) 133 n. 28 mit Tafel 37,6 (= ders., Ausgewählte Kleine Schriften [1994] 38 und 40 [Nachtrag]). Inv.-Nr. 411 = 560. Gefunden Herbst 1902 beim Abbruch eines Hauses; nicht mehr vorhanden. Zwei aneinanderpassende Bruchstücke; oben Rand, sonst überall gebrochen, auch rückwärts. Höhe 23, Breite 38, Dicke 16 cm.
Joachim Ebert † – Peter Herrmann, in Ch. Ulf (Hrsg.), Ideologie – Sport – Außenseiter. Aktuelle Aspekte einer Beschäftigung mit der antiken Gesellschaft (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 108), Innsbruck 2000, 265–272.
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Milet Inv.-Nr. 1663
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Inv.-Nr. 1750. 1979 im Feld rechts von der Straße zwischen dem Museum und dem Theater liegend vorgefunden, Herkunft nicht bekannt. Großer links gebrochener Block, rechts Rand erhalten. Höhe 30, Breite 103 (Schriftfläche 77), Dicke ca. 70 cm. Die Buchstabenhöhe beträgt 4,5–5 cm, der Zeilenabstand 1,7–2 cm.
Die Buchstaben sind klar und im wesentlichen ohne Verzierungen eingegraben. Epsilon und Sigma weisen die lunare Form auf; bei Alpha ist die Schrägstellung des Querstrichs erwähnenswert. Innerhalb der milesischen Epigraphik kann man eine gewisse Ähnlichkeit mit der Schrift des Epigramms für Hesychios (Milet I 9 n. 341 Abb. 137; vgl. Milet VI 1 Tafel 24,1 {Merkelbach – Stauber, SGO I 01/20/19}) konstatieren, die A. Rehm so charakterisiert hatte: „Späte, stark kursive, aber kräftige und nicht ohne Sorgfalt ausgeführte Schrift“. Deren Datierung ist unsicher; ein Ansatz im 4./5. Jh. n. Chr. mag einige Wahrscheinlichkeit für sich haben (s. Milet VI 1 p. 213). Auch für das hier behandelte Epigramm wird man am ehesten an das 4. Jh. denken und jedenfalls zögern, noch weiter zurückzugehen.
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a b c ] ἀπαγγέλλουσ ΑΙ[ ].των ἱερ[ ]φϑένξατο φωνήν ] σαόπτολι κοίραν[ε ]ναετῆρε[ς ὑπ]ὸ ζυγὸν αὐχένα ϑῆκα[ ]ντες ἐς ἠέρα το[ ]ελεσσα[ ] οὐρανὸν ἔς τε ϑάλασ[σαν vac. μηκέτι ΘΩ[ Die Abfolge der Fragmente ist von Ebert festgelegt worden, der im besonderen erkannt hat, daß das Fragment b in nur kurzem Abstand vor Fragment c anzusetzen ist. Zugleich hat Ebert ermittelt, daß die Fragmente von einem nur aus Hexametern bestehenden Gedicht stammen und daß die Bruchstücke bei einem Rekonstruktionsversuch mit hoher Wahrscheinlichkeit so angeordnet werden müssen, daß sich drei Textzeilen ergeben, in denen jeweils zwei Hexameter aufeinander folgten, während eine nur auf Fragment a erhaltene | eingerückte vierte Zeile den in die Mitte gesetzten Schluß des Gedichtes, nämlich den 7. Vers enthielt, dessen Reste auf Fragment b verloren sind und der nicht bis zum Fragment c gereicht hat, da dort die Faszie unbeschriftet geblieben ist. Das Schema der Versverteilung war danach das folgende:
1 ________________ 2 ________________ 3 ________________ 4 ________________ 5 ________________ 6 ________________ 7 ________________
Da a einen eigenen Block bildet, dessen Seiten erhalten sind, bei Fragment b unsicher bleibt, ob es mit c einen Block bildete oder von einem gesonderten Bauglied stammt, sind für die Rekonstruktion des Ganzen vier bis fünf Blöcke vorauszusetzen, die zusammen eine Länge von rund 4 Metern gehabt haben können. Man wird mithin auf ein Monument von beachtlichen Dimensionen geführt, was auch immer konkret der bauliche Zusammenhang und die architektonische Funktion des Ensembles war. Aus dieser Befundlage hat Ebert in der letzten von ihm erstellten Fassung die folgende Rekonstruktion versucht, die er zugleich durch die beigegebene Zeichnung veranschaulicht hat: {Milet VI 3 n. 1401 mit Taf. 39} [Νίκη τοῖσδ᾽ ἔπεσίν ποτ’] ἀπαγγέλλουσ’ ἀπ᾽ [ἀγῶνος] [κυδάλιμ᾽ ἔργ᾽ ἀσ]τῶν ἱερ[ὴν ἐ]φϑένξατο φωνήν· »[καρτεροὶ οὐκ ἐχϑροῖσι,] σαόπτολι κοίραν᾽ [Ἄπολλον], 4 [δουλοσύνης] ναετῆρε[ς ὑπ]ὸ ζυγὸν αὐχένα ϑῆκα[ν].« [τοὔνεκα νῦν τεύξα]ντες ἐς ἠέρα τό[νδε πυλῶνα] [εὐχὴν ἐξετ]έλεσσα[ν ἐς] οὐρανὸν ἔς τε ϑάλασ[σαν]. μηκέτι ϑω[ρήσσοιντ᾽ ἐπὶ πατρίδα δήϊοι ἄνδρες].
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Übersetzung Als Nike einst vom Schlachtfeld die Meldung von rühmlichen Taten der Bürger überbrachte, ließ sie mit diesen Worten ihre heilige Stimme erschallen: „Die Bewohner (der Stadt) erwiesen sich tapfer, stadtschirmender Herrscher Apollon, und beugten nicht vor den Feinden ihren Nacken unter das Joch der Sklaverei.“ Deshalb haben sie jetzt in luftiger Höhe diesen (Tor-)Bau errichtet und (dadurch) gegenüber (den Gottheiten) des Himmels und des Meeres ein (bzw. ihr) Versprechen erfüllt. Mögen sich nie mehr feindliche Männer gegen die Vaterstadt rüsten!
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Folgende Textelemente haben Ebert zu seinem Rekonstruktionsversuch des ungewöhnlichen Denkmals, das als „historisches Epigramm“ zu bestimmen wäre, geführt: In Z. 1 lassen die Wendungen ἀπαγγέλλουσ(α) und ἱερ[ὴν ἐ]φϑέν ξατο φωνήν darauf schließen, daß in den ersten beiden Versen von einer „Meldung“ die Rede war, die durch die „heilige Stimme“ einer weiblichen Gottheit erstattet wurde. Dazu das Zitat aus einem Brief Eberts vom 14. 9. 1991: „Bei der Frage, welches Femininum am Anfang seine heilige Stimme erschallen läßt, bin ich (die Zettelversuche sind zahlreich), da offensichtlich doch von einer erfolgreich abgewendeten Gefahr die Rede ist, immer wieder auf Nike zurückgekommen.“ Die Anrede σαόπτολι κοίραν(ε) in Z. 2 von Fragment a, mithin im 3. Vers des Gedichts, hat Ebert, wie es in Milet naheliegend ist, auf Apollon bezogen. Das vom Erstherausgeber des Fragments noch nicht erkannte Epitheton σαόπτολις wird in einem spätantiken Epigramm aus Samos auf Hera angewandt und steht dort wie auch in anderen Bezeugungen überdies an derselben Stelle im Vers.1 Im folgenden Vers 4 bringt neben dem von Ebert auf die Bewohner von Milet bezogenen ναετῆρες das Glied ὑπ]ὸ ζυγὸν αὐχένα ϑῆκα[ν ohne Frage eine Kernaussage des Gedichts. Die formelhafte Wendung findet sich im besonderen in dem in der Kranzrede des Demosthenes zitierten Epigramm auf die Kämpfer von Chaironeia (18, 289): diese hätten ihr Leben eingesetzt οὕνεκεν Ἑλλήνων, ὡς μὴ ζυγὸν αὐχένι ϑέντες / δουλοσύνης στυγερὰν ἀμφὶς ἔχωσιν ὕβριν „um der Griechen 1 M. Schede, AM 44 (1919) 45 B 1 (SEG I 405), dazu W. Peek, ib. 66 (1941) 78 Anm. 1 (vgl. L. Robert, Hellenica IV 55–59) {IG XII 6,2, 584} εἵλαϑι κἀμὲ φύλαττε, σαόπτολι, σὸν λάτριν ἁγνόν, von Hiller von Gaertringen (bei Schede) in die Zeit Iulians datiert. – In Milet erscheint σαόπτολις auch im Epigramm SEG XXIX 1139 {Merkelbach – Stauber, SGO I 01/20/15; Milet VI 3 n. 1129}, hier allerdings in der Anwendung auf eine hochgestellte Persönlichkeit, den Statthalter (?) Vitianus (5. Jh.?); in solcher Verwendung steht das Wort auch IG V 2, 153 und IGUR I 65 (beide vom Ende des 4. Jh.s).
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willen, damit sie nicht unter dem Joch der Knechtschaft schlimmen Frevel zu erdulden | hätten“.2 Ebert hat in seiner Ergänzung, die von diesem Epigramm inspiriert zu sein scheint, dementsprechend in V. 3 die notwendige Negation οὐκ eingesetzt. Auf das Problem des historischen Kontextes wird gleich zurückzukommen sein. Die Frage, was die Aussage der Verse 5 und 6, mithin der 3. Zeile der Inschrift, gewesen sein könnte, hat Ebert besonderes Kopfzerbrechen bereitet, sind doch die hier erkennbaren einander ähnlichen Aussagen ἐς ἠέρα in V. 5 und ἐς] οὐρανὸν ἔς τε ϑάλασ[σαν in V. 6 nur schwer inhaltlich zu deuten. Wie die – nach manchen ganz anderen Versuchen – in seinem Vortrag dargebotene Version zeigt, hat Ebert hier den zu erwartenden Bezug auf das Bauwerk, das die Inschrift trug, vermutet, dazu eine Aussage zu den Umständen seiner Errichtung. Dabei ist das am Ende von V. 5 ergänzte πυλῶνα „(Tor-)Bau“ sicher nur eine Hypothese.3 Aus den Notizen geht hervor, daß er auch τό[νδε πρόνηον], τό[νδε σοὶ οἶκον], eventuell τὸ [προπύλαιον] bzw. το[ῦτο τροπαῖον] in Erwägung gezogen hatte. Die Frage hängt hier natürlich mit dem Problem der Rekonstruktion bzw. des Charakters des ganzen Monuments zusammen, wofür die sachkundige Hilfe des Bauforschers vonnöten wäre. In V. 6 war dann nach der Textergänzung von Ebert die Errichtung des Bauwerks mit der Erfüllung eines Gelübdes (εὐχή) in Zusammenhang gebracht. Der letzte, auf der Faszie angebrachte und eingerückte Vers enthielt dann nach seiner Deutung einen in die Zukunft gerichteten Wunsch. In knappster Form hat Ebert in einem Brief vom 20. 6. 1992 den hinter dem Epigramm stehenden Vorgang so zusammengefaßt: „Vor 100 Jahren (? ποτε) hat man einen bedrohlichen Angriff siegreich abgewehrt. Jetzt (νῦν) sind auch die damals entstandenen Bauschäden wieder behoben. Der Wunsch, das möge nie wieder geschehen, beschließt das Ganze.“ Dieses Resümee weist hin auf die Problematik der Datierung und zugleich der historischen Interpretation der Aussagen des Gedichts. Auf Grund der Buchstabenformen und des Schriftduktus ist oben eine Datierung in das 4. Jh. n. Chr. vertreten worden. Dem kann man hier aber einen Satz von Albert Rehm, der sich auf ein anderes spätantikes Epigramm aus Milet bezog, entgegenhalten (Milet I 9 p. 165): „Aber wir kennen aus nachkonstantinischer Zeit kein kriegerisches Ereignis, das Milet könnte bedroht | haben.“ Es ging dort um die Datierung eines der sogenannten Makarios-Epigramme aus den Faustinathermen in Milet (Milet I 9 n. 339; jetzt auch: R. Merkelbach – J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten [1998] p. 132), wo Rehm am verstümmelten Anfang die Aussage ergänzt hatte Μακάριος [δ]ηΐων δ[ῆριν ἀλεξάμενος] ἀνδροφόνων. Er kombinierte das mit Erwähnungen in drei Parallel-Epigrammen aus Didyma (IvDidyma 159; Merkelbach – 2 Das Epigramm auch bei Peek GV 29; dazu H. Wankel, ZPE 21 (1976) 97–115, von dem auch die Übersetzung genommen ist. Zu der Sprachformel und ihren Bezeugungen ebd. 108 f. 3 Zur Bedeutung von πυλών vgl. L. Robert, Hellenica XI/XII 118 Anm. 2; P. Chantraine, Classica et Mediaevalia Francisco Blatt … dedicata (1973) 659–661; D. Knoepfler, MusHelv 50 (1993) 32 mit Anm. 21 (zum ἱερὸς πυλών in Amyzon).
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Stauber p. 108), die von der Erneuerung einer im Heiligtum befindlichen Quelle durch den Prokonsul Festus berichten und dabei auf deren lebensrettende Hilfe anspielen (13): ἡνίκ’ Ἄρης βάρβαρος / συνέκλῃσεν ἀστούς. An anderer Stelle heißt es von denselben Ereignissen (II 1): ἐν πολέμῳ μὲν σώσεν ἑοὺς ἀστούς ποτ’ Ἀπόλλων / δίψῃ τειρομένους, und im 3. Gedicht (III 2) wird die Episode ἐν Σκυϑικῷ πολέμῳ lokalisiert. Das hat Rehm auf den bekannten Einfall der Goten im 3. Jahrhundert bezogen, und J. und L. Robert sind ihm darin gefolgt, indem sie auf Grund eines Neufundes aus Lydien die Ereignisse präzise in das Jahr 262/3 datieren zu können meinten (Hellenica VI 119–121). Die Vermutung drängt sich auf, daß auch unser Epigramm, das vom erfolgreichen Widerstand gegen ungenannt bleibende Feinde spricht und den „Stadtschirmer“ Apollon apostrophiert, mit eben diesen Vorgängen zu verbinden ist. Aus der literarischen Überlieferung sind dafür keine Details zu gewinnen, ist doch etwa eine Bemerkung wie die bei Synkellos I p. 716 τὰς Ἰωνίδας πόλεις διέφϑειραν viel zu summarisch. Das schließt einen Abwehrerfolg der Milesier, wie ihn unser Epigramm rühmt, sicher nicht aus. Wenn diese Deutung des historischen Hintergrundes des Textes das Richtige trifft, dann muß die uns vorliegende Aufzeichnung der Inschrift als ein im Abstand von etwa einem Jahrhundert erfolgter Akt der Rückerinnerung verstanden werden, und eben das hat Ebert mit der oben wiedergegebenen Äußerung gemeint, wobei er noch hinzufügte: „Jubiläendenken ist ja in dieser Zeit nichts so Fremdes.“4 Nun ist aber bei diesem dem 4. Jahrhundert zugesprochenen Gedicht bemerkenswert, daß es sich – besonders mit der Anrede an Apollon – völlig in die heidnische Tradition stellt und keinerlei christliche Elemente enthält. Auch wenn man gegenüber der Idee von einem 100-Jahr-Jubiläum Zurückhaltung übt, kann man doch nicht leugnen, daß gerade die Zeit des Kaisers Iulian (361–3) für eine solche traditionalistische Prägung der | Gedichtaussage geeignet erscheint. So neigte Ebert denn auch einer Datierung unseres Denkmals in die Regierungszeit eben dieses Herrschers zu.5 Wie immer man die hier vorgetragene Deutung beurteilt, es bleibt der Eindruck, daß die auf uns gekommenen disiecta membra Reste eines bedeutsamen historischen Monuments aus der Spätzeit Milets darstellen, und das macht es verständlich, daß sie für Joachim Ebert eine Herausforderung und Gegenstand immer neuer Bemühungen um einen verlorenen Kontext waren.
4 Immerhin ist bemerkenswert, daß im milesischen Epigramm für Hesychios als Wiederhersteller der Faustinathermen (Milet I 9 n. 341, 6) darauf hingewiesen wird, dieser habe das Bad ἐτῶν ἑκατὸν μετὰ κύκλα renoviert. 5 In seinen Notizen hat Ebert sich auf Aussagen über Iulian bezogen wie die bei Ammian 22, 5, 2 (aperiri templa arisque hostias admoveri et reparari deorum statuit cultum) oder bei Libanios, or. 18, 126 (… τὴν εὐσέβειαν κατήγαγε νεὼς τοὺς μὲν ποιῶν, τοὺς δὲ ἐπισκευάζων, εἰς δὲ τοὺς εἰσάγων ἕδη).
37 Milet au IIe siècle a.C. Quel est l’intérêt d’insérer un rapport sur Milet dans le cadre général de notre sujet? Je crois qu’on peut répondre à cette question par une série d’affirmations que je voudrais développer brièvement. S’agissant des sources, il existe, tout d’abord, une situation relativement favorable. Je pense, bien sûr, à l’apport considérable qui ressort des trouvailles épigraphiques faites sur place, et avant tout, de la documentation retrouvée au début de ce siècle (1903) lors du dégagement du Delphinion, centre d’exposition publique ou “archives lapidaires” de la ville. Il s’agit d’une vingtaine de stèles bien conservées (aujourd’hui placées dans les réserves du Pergamon-Museum de Berlin), ensemble qui illustre l’histoire locale surtout pour un espace s’étendant entre le IVe et Ier siècle a.C. Parmi celles-ci, il y a particulièrement un groupe de textes très développés du début du IIe siècle dont nous nous occuperons plus tard. On dispose, pour toute cette documentation, de la publication exemplaire présentée par Albert Rehm dans le volume sur le Delphinion, paru en 1914. Il convient de signaler aussi le compte-rendu détaillé qui en a été donné aussitôt par Wilamowitz dans les Anzeigen de Göttingen. Et qu’il me soit permis de mentionner enfin le volume tout récent des Inschriften von Milet, Teil 1, où j’ai essayé de procurer des addenda bibliographiques et des traductions allemandes de l’ensemble de ces textes1. Il faut ajouter que, naturellement, la moisson épigraphique qu’a livrée le sanctuaire de Didymes enrichit nos connaissances des affaires milésiennes de sa manière, publiée elle aussi par les soins du même A. Rehm, travail qui avait été précédé, on le sait bien, par les recherches pénétrantes de B. Haussoullier2. Enfin, des trouvailles faites depuis la reprise des fouilles à Milet, dans les quatre dernières décennies, sont venues accroître notre compréhension de ce IIe siècle dont nous traitons. Si cette documentation épigraphique a enrichi considérablement une tradition littéraire assez maigre, subsistent néanmoins des problèmes d’ordre chronologique. Le hasard, la chance qui nous ont permis de disposer de toute une série de stèles contenant les listes des stéphanéphores éponymes, formant un repère chronologique de premier ordre, nous ont privés en même temps de ces données exactement pour
A. Bresson – R. Descat (Hrsg.), Les cités d’Asie Mineure occidentale au IIe siècle a.C., Bordeaux 2001, 109–116. 1 Milet, I.3. Das Delphinion in Milet, Berlin, 1914. II. Die Inschriften von A. Rehm (p. 162–442); U. von Wilamowitz-Moellendorff, c.-r. Milet, Heft III, GGA, 1914, 65–109 (Kl. Schr., V 1, 1937, 417–466); Milet, VI.1. Inschriften von Milet, Berlin – New York 1997. B. Nachträge und Übersetzungen zu den Inschriften n° 1–406 (p. 155–217) par P. Herrmann. 2 Haussoullier 1902; Th. Wiegand (éd.), Didyma. II. Teil: Die Inschriften von A. Rehm, herausgegeben von R. Harder, Berlin 1958. Cf. le c.-r. de Ch. Habicht, GGA, 213, 1960, 145–166.
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l’époque allant de 190 à | 89 a.C., c’est-à-dire le IIe siècle presque tout entier3. On va voir que certains flottements dans les datations résultent de ce fait. C’est l’ensemble de toutes ces sources que je viens de mentionner qui, d’après moi, nous met en état de souligner une particularité propice à notre entreprise. Celle-ci consiste en une remarquable multiplicité et complexité de la situation de Milet, un croisement de facteurs très variés qui caractérisent ce siècle protéiforme, cette charnière entre les époques hellénistique et romaine. Milet nous offre, à mon avis, la possibilité d’étudier, à différents niveaux, les embarras et les avantages qu’une vieille cité grecque, située dans la zone côtière et au carrefour des intérêts les plus variés, pouvait éprouver dans le cours de ce siècle. En fait, j’estime qu’on devrait disjoindre différents niveaux dans les relations extérieures de Milet pendant le IIe siècle: relations avec les grandes puissances en déclin à cette époque, relations avec les nouveaux états de taille moyenne surgis récemment (Rhodes, Pergame), relations dans le microcosme du voisinage immédiat de la ville, à savoir dans la région du Bas Méandre avec sa physiognomie géographique particulière, relations enfin avec la puissance nouvelle venue, Rome. Aux relations politiques proprement dites se mêlent, on le sait bien, des facteurs d’ordre économique, démographique, militaire, idéologique aussi, etc. Avec tout cela, on aimerait percevoir aussi des répercussions intérieures, touchant au fonctionnement des institutions civiques, à la constitution, au rôle des notables au sens le plus large. Ce sera mon propos d’analyser surtout les éléments politiques de cet ensemble, en m’appuyant sur des exemples qui me paraissent appropriés et significatifs. Mon fil conducteur sera la chronologie, dans ses grandes lignes. Je ne m’étendrai pas trop sur mon premier aspect, relations avec les grandes puissances, à savoir Ptolémées, Séleucides, Antigonides, car c’est plutôt le IIIe siècle pour lequel nous possédons quelques données concernant Milet. Seule, au tournant du siècle, la mainmise de Philippe V sur la ville se détache dans nos sources, des fragments de Polybe dans ce cas: celui-ci mentionne, après le combat naval de Ladé en 201, l’attaque du roi, à laquelle les Milésiens terrifiés se sont pliés. Au demeurant, la domination éphémère du roi Antigonide s’exprime, pour nous du moins, dans une perte sensible pour Milet, l’attribution du territoire de Myonte à Magnésie du Méandre4. Cela dirige notre attention une première fois sur cet entrelacement d’intérêts territoriaux dans le bassin du Bas Méandre qui nous occupera encore. On sait, 3 II s’agit de la lacune entre la liste Milet, I.3 (Delphinion), n° 124 qui finit avec l’année 190/189 (d’après les résultats de Wörrle 1988, 428–437) et la liste n° 125 qui commence par l’année 89/88. A. Rehm a jadis essayé de restituer autant que possible la chronologie milésienne du IIe s. a.C. (Rehm 1923); mais voir les réserves formulées par Ch. Habicht 1960, 153 sq. 4 Attaque de Philippe V, Pol. 16.5.6: ἔτι δὲ τοὺς Μιλησίους, καταπλαγέντας τὸ γεγονός (scil. la bataille de Ladé), οὐ μόνον τὸν Φίλιππον, ἀλλὰ καὶ τὸν Ἡρακλείδην (l’amiral de Philippe) στεφανῶσαι διὰ τὴν ἔφοδον, avec l’interprétation de A. Mauersberger, Polybios-Lexikon, I, 1064 concernant le sens de ἔφοδος: “aus Angst vor dem Angriff” (cf. Wörrle 1988, 442; pour l’ambiguïté de l’expression voir Holleaux 1952, IV, 222, n. 4). Territoire de Myonte: Pol. 16.24.9 Φίλιππος … ὅτε τὴν Ἀσίαν κατέτρεχεν, ἀπορῶν τροφῶν τοῖς στρατιώταις, παρὰ Μαγνήτων, ἐπεὶ σῖτον οὐκ εἶχον, σῦκα ἔλαβε. διὸ καὶ Μυοῦν
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d’ailleurs, que l’épisode de l’invasion de la Carie par Philippe V est | illustré par des trouvailles récentes dans le voisinage immédiat de Milet, à Héraclée du Latmos et à Eurômos5. Il est assez paradoxal que, pour la grande invasion d’Antiochos III en 197/196 en Asie Mineure, qui succéda à la domination antigonide, nos sources restent muettes en ce qui concerne le sort de Milet. Tandis que, dans les dernières décennies, des trouvailles épigraphiques ont livré une mosaïque de plus en plus élaborée sur l’étendue et l’organisation de la domination séleucide dans les zones environnantes, Milet reste une tache blanche dans ce tableau. Est-ce que ce silence nous autorise à conclure que Milet a été épargnée, est restée “libre”6? On constate du moins que dans la Guerre Antiochique, en 190, les Milésiens étaient prêts à verser des subsides à la flotte romaine et furent énumérés parmi les socii7. En tout cas, les Milésiens ont regardé l’événement de 190, avec la défaite d’Antiochos à Magnésie, comme une coupure historique, puisqu’ils ont inauguré, avec cette date, une nouvelle liste des stéphanéphores éponymes, comme il a été prouvé récemment8. Dans le traité de paix d’Apamée (188), pour autant que nous en connaissions les clauses, Milet apparaît parmi les privilégiés: Polybe nous informe que les Milésiens récupérèrent un “terrain sacré” dont ils avaient été dessaisis auparavant “à cause des guerres”9. On admet qu’il s’agit du territoire de Myonte, comme on l’a vu attribué aux
τος κυριεύσας τοῖς Μάγνησιν ἐχαρίσατο τὸ χωρίον ἀντὶ τῶν σύκων. Pour les vicissitudes concernant Myonte voir p. 483 f. et n. 17. 5 Héraclée du Latmos: M. Segre, TCal, n° XXIII avec l’interprétation de Wörrle 1988, 433–436; Eurômos: Errington 1986, n° 1, l. 5 et 8 (SEG XXXVI, 973) où les habitants d’Eurômos sont appelés Φιλιππεῖς. L’évacuation d’Eurômos par Philippe, avec Pedasa (Pidasa), Bargylia, Iasos, est une des stipulations du traité de paix de 196 (Pol. 18.44.4; Liv. 33.30.3). 6 Les conquêtes ou plutôt acquisitions d’Antiochos, effectuées dans plusieurs cas par son vice-roi Zeuxis, concernent Iasos (W. Blümel, IK, 28-Iasos, n° 4; cf. Crowther 1989 et 1995, 112–117), Eurômos (Errington 1986 et 1993, 24 n. 5), Héraclée du Latmos (Wörrle 1988, 421–470), Priène (IPriene, 59, 3–4 {IPriene (2014) 113, 3–4} et 82, 16–17 {46, 16–17} d’après Crowther 1993, 41–69 et Gauthier 1994, 178– 195). Haussoullier 1902, 149 et Schmitt 1964, 281 supposent une mainmise d’Antiochos sur Milet. Que la ville n’est pas tombée dans les mains du Séleucide est admis, d’autre part, par Holleaux 1952, 330; Günther 1971, 92 sq.; Wörrle 1988, 446, n. 97. Toutefois, l’argument mis en jeu pour prouver la ‘liberté’ de Milet, le traité entre Milet et Magnésie du Méandre (Milet, I.3 Delphinion, n° 148, d’après Rehm de 196 a.C.), n’est plus valable avec la nouvelle datation introduite par Errington (voir infra p. 482). 7 Liv. 37.16.2: Ciuitates quas prateruectus est (sc. le préteur de 191, C. Livius Salinator), Miletus, Myndus, Halicarnassus, Cnidus, Cous, imperata enixe fecerunt; ibid., 17.3 (la flotte sous L. Aemilius Regillus) Miletum et ceteram oram sociorum praeteruecti in Bargylietico sinu escensionem ad Iasum fecerunt. Les villes qui ont appuyé la flotte romaine sont regardées comme alliées de Rhodes par Wörrle 1988, 429. 8 Wörrle 1988, 437: terminaison de la liste Milet, I.3 (Delphinion), n° 124 “mit dem Ende der seleukidischen Herrschaft über Kleinasien”, début de la liste subséquente (perdue) “mit der neuen, römischen Epoche”. 9 Pol. 21.46.5 Μιλησίοις δὲ τὴν ἱερὰν χώραν ἀποκατέστησεν, ἧς διὰ τοὺς πολέμους πρότερον ἐξεχώ ρησαν (cf. Liv. 38.39.9).
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Magnètes par Philippe V, et que le terrain sacré fait référence à Apollon Terbintheus, divinité principale de Myonte. Cette zone controversée continuera d’être en litige10. Le traitement favorable de la part des Romains laisse supposer qu’ils ont accordé à Milet le statut de “ville libre”, tout en attribuant aux Rhodiens la région qui s’étend jusqu’au Méandre11. En fait, pendant les deux décennies entre la paix d’Apamée et le début de la guerre contre Persée, on voit bien la politique de Milet se conformer plus ou moins à la | volonté de Rhodes, relation qui est mise sous l’étiquette d’une alliance. En témoigne, par exemple, une clause dans le traité entre Milet et Héraclée du Latmos (peut-être de 185/184), où les contractants s’engagent “à ne rien entreprendre qui soit à l’encontre de la symmachia conclue avec les Rhodiens”12. Et plus tard, pour le traité de paix entre Milet et Magnésie du Méandre et leurs alliés respectifs, les Rhodiens paraissent avoir été les médiateurs décisifs. Cela est souligné par la directive qu’une copie scellée doit être délivrée aux ambassadeurs rhodiens (Milet, I.3, n° 148, 92). Une coopération entre Milet et Rhodes ressort aussi d’un document trouvé en deux exemplaires en Grèce et datant, à ce qu’il semble, des premières décennies du IIe siècle, à savoir l’arbitrage entre Hermionè et Epidaure où des juges milésiens sont associés à ceux des Rhodiens (Moretti, ISE, 43; SEG XXXI, 328). D’autre part, dans cette même période de “surveillance” rhodienne se range une suite de documents qui donne la preuve d’une activité remarquable de Milet pour établir ou élargir son influence dans le voisinage immédiat, dans le microcosme du bassin du Bas Méandre, comme je l’ai dit plus haut. Si nous en apercevons maintenant mieux la logique, c’est grâce aux rectifications chronologiques apportées par les recherches de M. Wörrle et R. M. Errington13. On discerne par cela que c’est incontestablement le refoulement de la domination séleucide qui a fait naître, tout de suite après Apamée, des ambitions expansionnistes chez les Milésiens, faisant suite à des tendances qu’on saisit déjà auparavant. Je crois que, dans ce contexte, on peut distinguer plusieurs lignes de force dans la politique milésienne: 1) On constate des efforts des Milésiens pour s’assurer la sécurité militaire. Je pense avant tout à l’engagement et à l’établissement de mercenaires crétois déjà au IIIe s. (234/233 et 229/228), phénomène qui comprend aussi un aspect de colonisation et qui s’exerce sur le territoire contesté de Myonte. De plus, il me paraît significatif
10 Voir n. 4 et plus loin p. 483 f.; Walbank 1979, 169 sq. 11 Pol. 21.46.8 μετὰ ταῦτα Ῥοδίοις ἐχρημάτισαν, διδόντες Λυκίαν καὶ Καρίας τὰ μέχρι Μαιάνδρου ποταμοῦ πλὴν Τελμεσσοῦ (cf. Liv. 38.39.13). Pour le statut de Milet voir e. g. Bikerman 1937, 238 (“reconnue libre”); Bernhardt 1971, 58 sq.; Mastrocinque 1979, 202. 12 Milet, I.3 (Delphinion), n° 150 (Syll.3 633), 35, μηϑὲν ὑπεναντίον πρασσόντων τῶν δήμων τῆι πρὸς Ῥοδίους συμμαχίαι. Cf. Schmitt 1957, 130; Berthold 1984, 67; Ager 1991, 28. 13 Wörrle 1988, 428–439; Errington 1989, 279–288.
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que les collèges des ᾑρημένοι ἐπὶ τῆι φυλακῆι et des τειχοποιοί sont les plus en vue à cette époque à Milet14. 2) Une série de documents atteste l’extension de l’influence de Milet par des traités d’isopolitie, déjà vers la fin du IIIe s. Ce ne sont pas des voisins immédiats, mais des voisins au second degré, pour ainsi dire: Séleucie/Tralles (218/7), Mylasa (215/4), peut-être Antioche du Méandre15. 3) Le plus caractéristique est la tendance à élargir le territoire de la ville par des incorporations ou des conquêtes. C’est dans ce domaine que les conditions géo-politiques particulières de la vallée du Bas Méandre entrent en jeu. Dans un article pénétrant, où il étudia le territoire d’Héraclée du Latmos sous l’aspect de la géographie historique, L. Robert a caractérisé la situation complexe par des mots qui s’adaptent aussi bien à Milet: “On voit | par là l’imbrication des intérêts de ces cités voisines, leurs accords et leurs conflits, comme aussi le caractère changeant de leur statut avec le système des sympolities …”, ou encore: “Tout ce chapelet de villes, depuis Héraclée et Milet jusqu’à Mylasa chacune dans sa plaine fertile, mais petite, cherchait à s’agrandir.”16 L’exemple le plus évocateur, dans ce sens, nous est présenté par Myonte, ancienne ville ionienne et voisine de Milet à travers le golfe Latmique. Son sort est connu à grands traits: physiquement, séparation progressive de la mer par un procès de transformation en marais, puis dessèchement, causé par les alluvions du Méandre, dépeuplement et transfert de la population à Milet attestés pour le temps de Pausanias au plus tard; politiquement, incorporation dans le territoire de Milet déjà au IIIe siècle, survie, à ce qu’il paraît, sous un statut politique particulier, apparenté à celui d’un dème. Le territoire cultivable, qui était comme une peraia pour Milet et Magnésie du Méandre, devient objet en litige entre ces deux cités. En 201, je viens de le dire, il fut donné par Philippe aux Magnètes, puis revendiqué à plusieurs occasions par Milet.
14 Engagement et établissement de mercenaires crétois en 234/233 et 229/228 (d’après la chronologie de Wörrle): Milet, I.3 (Delphinion), n° 33 et 37; cf. I.2 (Rathaus), n° 12a (épigramme pour Lichas) et I.3, n° 39 (décret pour un commandant de mercenaires crétois). Problèmes des Crétois établis sur le territoire de Myonte touchant plus tard les Magnètes: ICret, I, VIII-Cnossos, 9, 22–32 et IV, 176, 29–41 (cf. Chaniotis 1996, 281–5: 184 a.C.). Pour le rôle des ἡιρημένοι ἐπὶ τῆι φυλακῆι et des τειχοποιοί, voir Müller 1976, 39–57. 15 Traités d’isopolitie avec Séleucie/Tralles: Milet, I.3 (Delphinion), n° 143 {ITralleis 20 (Z. 46–74)} (de 218/7), Mylasa: ibid. n° 146 {IMylasa T 51} (215/4); Antioche du Méandre (?): ibid. n° 144 (d’après une suggestion de J. et L. Robert, Bull. épigr., 1970, n° 502). 16 Robert 1978, 517 et 515 (Doc. Asie Mineure, 1987, 213 et 211). A part l’illustration par des photographies, L. Robert a enrichi sa démonstration par la reproduction des cartes de Kiepert, Philippson, Lyncker. La dernière, élaborée par K. Lyncker en 1908/1909 et publiée dans le fascicule Milet, III.5, “Das südliche Ionien” par A. Philippson en 1936 est la plus détaillée et la plus significative.
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La situation est compliquée par l’établissement de mercenaires crétois effectué par Milet sur ce territoire17. On aura à y revenir ici même. Mais c’est exactement dans la suite des règlements d’Apamée qu’on observe des traits caractéristiques de la politique milésienne, grâce à un ensemble de trois documents successifs dont la connexité a été mise en évidence sur la base de la nouvelle chronologie (voir n. 13). Ils se répartissent comme suit: a) Traité de sympolitie avec Pidasa (Milet, I.3, n° 149; date: 188/7); b) Traité d’alliance avec Héraclée du Latmos (Milet, I.3, n° 150 = Syll.3, 633; date: 185/184?); c) Traité de paix avec Magnésie du Méandre (Milet, 1.3, n° 148 = Syll.3, 588 {IPriene (2014) T 3}; date: deuxième moitié des années 180).
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J’essaierai d’en dégager les aspects les plus significatifs. a) La sympolitie avec Pidasa, petite cité située sur une hauteur en contrefort du Grion, en saillie au-dessus de la plaine d’Eurômos18, marque une extension du territoire milésien vers le sud-est. Le traité prévoit l’établissement d’une garnison milésienne sur cette place forte19, alors qu’une partie de la population indigène se déplacera vers Milet. Abstraction faite de règlements détaillés concernant le statut politique (voir infra Ph. Gauthier p. 117–|127) et les conditions fiscales (voir L. Migeotte p. 129–135) on peut en déduire des conséquences qui relèvent de cette “imbrication des intérêts” dont parle Robert. Il est nécessaire d’introduire des dispositions concernant les Pidaséens possédant une propriété foncière dans l’Eurômide: les Milésiens promettent la construction d’une route carrossable conduisant à Ioniapolis, port milésien situé sur la côte sud du golfe Latmique20, et ils soutiendront le droit des Pidaséens dans des procès éventuels concernant
17 Pour le sort de Myonte, cf. Herrmann 1965, 93–96 {p. 276–280} et 101–103 {p. 284–286}. Pour les mercenaires crétois voir n. 14. 18 Le site de Pidasa a été identifié par Cook 1961, 91–95 (avec pl. 15a–d, 16a–c) et décrit plus tard par Radt 1973–74, 170–174 (avec pl. 77 et 78). Pour l’analyse des hypothèses antérieures et ses propres recherches voir L. et J. Robert 1976, 193–194, n. 165 (OMS, VII, 337–338) et Robert 1978, 491–500 (Doc. Asie Mineure, 187–196). Cependant, l’affirmation de Robert (p. 494) selon laquelle l’endroit appelé Cert Osman Kale “est sûrement le point marqué 320 m” sur la carte de Lyncker (voir sa fig. 28) repose sur un malentendu: la cote 320 marque le col entre les vallons de Kurudere et Aydere. Or, Cert Osman Kale se trouve sur la crête, d’après Cook à une hauteur d’environ 500–600 m au sud de Danişment (c’est-à-dire à peu près à l’endroit de la dernière lettre “h” de la légende “Tamischmanli Dagh” sur la carte de Lyncker. 19 Une tour hellénistique située sur une des deux acropoles a été mise en relation avec la garnison milésienne par W. Radt (n. 18). Celle-ci est attestée aussi par une inscription trouvée sur place en 1964: du texte très effacé on reconnaissait que c’était une dédicace à Ἀπόλλων Διδυμεὺς Σωτήρ, offerte par des στρατευσάμενοι. 20 Milet, I.3 (Delphinion), n° 149, 39–45 (§ 9). Pour la localisation d’Ioniapolis voir Robert 1978, 508– 514 (Doc. Asie Mineure, 204–210).
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un territoire qui leur avait été rendu lors des règlements d’Apamée21. En somme, on a l’impression que Milet agit en position de force, en face d’une communauté plongée dans un certain embarras22. b) Le traité conclu entre Milet et Héraclée du Latmos comprend des stipulations introduisant une alliance et l’isopolitie entre les deux cités. Mais il laisse entendre qu’il met fin à un conflit surgi de différends territoriaux ayant trait à la région de Myonte et d’Ioniapolis. Incapables de parvenir eux-mêmes à un accord, les deux contractants décident d’avoir recours à l’arbitrage “d’une cité libre et démocratique”23. Si la date proposée, 185/184, est exacte, on est à quelques années de distance de l’incorporation de Pidasa, et on constate que les zones disputées sont toujours les mêmes. Que l’enchevêtrement d’intérêts subsiste malgré la conclusion de la paix se laisse discerner par des clauses concernant le passage de bétail des Milésiens à travers le territoire des Héracléotes, ou l’utilisation du bac allant d’Ioniapolis à Milet par les Héracléotes24. c) Le traité de paix avec Magnésie du Méandre, négocié quelques années plus tard sur intervention d’ambassadeurs provenant de Rhodes, Athènes et plusieurs cités micrasiatiques et péloponnésiennes, mit fin à une véritable guerre de coalition: Milet et Héraclée contre Magnésie et Priène, où, au reste, la coalition anti-milésienne paraît avoir eu plus de succès25. Un détail important de ce document est constitué par la délimitation de la frontière entre Milet et Magnésie dans la χώρα περαία. Elle est fixée par le cours du fleuve Hybandos, qui était évidemment la petite rivière qui se jette actuellement dans le Méandre quelques kilomètres à l’est de Myonte, donc de nouveau dans la région disputée depuis longtemps26. Wilamowitz trouva ce long argumentaire de plus de 90 lignes “ergötzlich”, amusant, supposant que les frais de cet arbitrage surpassaient le rendement annuel du territoire controversé. Pourtant, du point de vue économique, ces querelles paraissent avoir eu de l’importance, si l’on pense aux questions de ravitaillement
21 Ibid., 37–39 (§ 8), avec l’interprétation de L. Robert, loc. cit., 514 sq. qui admet que les στρατηγοί mentionnés sont les consuls et proconsuls romains. 22 Voir les réflexions de Piérart 1985, 293 sq., n. 77. 23 Milet, I.3 (Delphinion), n° 150, 78–87 (§ 10). La guerre précédente est mentionnée dans la clause concernant l’amnistie (36–39; § 5). Ager 1991, 28, considère que Rhodes n’était pas seulement la médiatrice de la paix, mais que cette cité était aussi considérée comme une arbitre pour la future décision. 24 Ibid., 72–77 (§ 9) et 99–105 (§ 12). 25 Milet, I.3 (Delphinion), n° 148. Le rapport avec le traité précédent Milet-Héraclée et, sur cette base, la datation, ont été élucidés par Errington 1989, 279–288. La supériorité de la coalition anti-milésienne est déduite du fait que le chiffre des prisonniers de guerre milésiens dépasse celui des autres belligérants (64–72; § 10). 26 Ibid., 27–38 (§ 3). Pour la localisation du fleuve Hybandos, voir Robert 1959, 15–24 (OMS, III, 1437– 1446). Il correspond au Kargın Çay moderne, proposé par Th. Wiegand et reporté (pace Robert) sur la carte de Lyncker. Pour la délimitation cf. aussi Daverio Rocchi 1988, 126–129, n. 11.
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ou d’impôts; au reste, elles concernèrent aussi la situation des colons crétois établis dans cette contrée27. 115
Pour compléter cette mosaïque de conflits territoriaux dans la région du Bas Méandre, il faut ajouter que des inscriptions trouvées, cette fois, à Priène, nous ont transmis encore des traces attestant de démêlés de longue durée, à ce qu’il semble, entre Milet et Priène. Dans ce cas aussi, il doit s’agir des contestations regardant une peraia, c’està-dire quelque territoire situé “de l’autre côté” du golfe Latmique, puisque les deux cités n’étaient pas des voisines directes28. La “surveillance” rhodienne dont j’ai parlé n’a pu s’exercer sur Milet que jusqu’à la guerre de Persée, épisode désastreux pour cet ancien allié des Romains qui s’était compromis, à leurs yeux, par une politique douteuse et équivoque. Avec le reflux de l’influence rhodienne sur le continent qui en résulta, ce fut la dynastie pergaménienne qui passa au premier plan dans la politique extérieure des Milésiens. Je me borne à résumer très brièvement des faits bien connus. Une série de divers documents découverts à Milet a fait ressortir le rôle déterminant du Milésien Eirénias comme ambassadeur fréquentant la cour attalide. A son engagement correspond, de l’autre côté, une activité ‘évergétique’ déployée par le roi Eumène II, en somme un rituel de réciprocité entre d’une part donations ou subventions accordées par le monarque, d’autre part une intensification des honneurs accordés par la cité allant jusqu’à des célébrations cultuelles (posthumes)29. Déjà Wilamowitz n’avait pas hésité à caractériser le rôle d’Eumène par l’expression “Landesherr” (souverain)30. Cependant, un décret en l’honneur du dit Eirénias a révélé qu’en même temps les Milésiens ont réussi à établir de bonnes relations avec le roi séleucide Antiochos IV aussi. Celui-ci leur accorda l’atélie pour les produits (γενήματα) milésiens importés dans son royaume. Déjà auparavant, la publication de la dédicace du bouleutérion milésien avait montré que l’édifice avait été dédié par deux courtisans bien connus ὑπὲρ βασιλέως Ἀντιόχου
27 Wilamowitz 1914, 94 (= Kl. Schr., V.1, 449). Pour l’affaire des Crétois, voir la n. 14. 28 Voir A. Rehm, Milet, I.3 (Delphinion), p. 348 qui suppose que les controverses se sont concentrées sur la région de Thèbes du Mycale. Une guerre entre les deux cités est mentionnée dans IPriene, 26 {IPriene (2014), 32}, qui date du IIIe s. (cf. Crowther 1996, 209), une délimitation de la frontière par Smyrne, faite sur l’impulsion d’un souverain (attalide?), résulte de IPriene, 27 (Welles, RC, 46 {IPriene (2014), 141}) datée du IIe s. (Hiller v. Gaertringen: “bald nach 200 v. Chr.”), un traité détaillé se laisse reconnaître dans les fragments IPriene, 28 {IPriene (2014), 8}, de la même époque. La continuation des querelles dans le Ier siècle est attestée par IPriene, 111, 143 sq. {IPriene (2014), 67, 143 sq.} et 120 {74}. 29 Pour l’ensemble voir Herrmann 1965 (SEG XXXVI 1046–1081); Hopp 1977, 6–13; Kleine 1986, 129– 140; Ameling 1995, 346–357. Je suis maintenant convaincu que les honneurs cultuels accordés à Eumène II sont à reporter à la situation après sa mort en 158, comme l’avait déjà suggéré Ch. Habicht (voir le même, 1998). 30 Wilamowitz 1914, 97 (= Kl. Schr., V.1, 453): “Er wird nun so gut wie als Landesherr geehrt.”
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Ἐπιφανοῦς, ce qui souvent a été interprété comme un don émanant de la personne du roi31. En fin de compte, sur le plan des relations extérieures, des documents concernant des théores milésiens envoyés aux Panathénées d’Athènes ont fait connaître un nouvel attachement de la cité ionienne envers sa “métropole”, phénomène diplomatique et idéologique (qui d’ailleurs n’est pas isolé) qui caractérise aussi une tendance de ce siècle32. Si j’arrive enfin au chapitre “Milet et Rome”, on retombe, pour le IIe siècle, dans une ombre éclaircie seulement par de très rares lumières. Que les Milésiens, après Apamée, | soient restés attachés à une loyauté fondamentale envers la nouvelle puissance mondiale se comprend facilement. Nous en avons trace dans une notice chez Tite Live où, dans la guerre contre Persée en 170, ils assurent le Sénat de leur bonne volonté à leur prêter assistance33. Plus tard, dans la deuxième moitié du siècle, on voit les Milésiens chargés par le Sénat d’agir en arbitrage – comme ils faisaient ailleurs: entre Messéniens et Lacédémoniens, où la décision a été confiée à 600 juges tirés au sort parmi le peuple entier; plus tard entre Lato et Olonte en Crète, où une commission d’ὁροϑέται milésiens fut engagée34. Mais le document le plus détaillé et illustratif quant aux rapports avec Rome est constitué par la loi prescrivant la vente de la prêtrise du Peuple Romain et de Rome, trouvée dans la région du Südmarkt en 190935. Cette loi fixe toute une gamme de sacrifices réguliers à offrir au Peuple Romain et à Rome personnifiée, règle en grand détail des concours appelés Ῥωμαῖα concentrés sur le gymnase et la participation des adolescents. Les prix consistant en armes de guerre devront être dédiés dans un sanctuaire de Rome en état de construction, le Ῥωμαῖον. Cette cérémonie marquait l’expression de la “reconnaissance envers les Romains” (τῇ πρὸς Ῥωμαίους εὐχαριστίᾳ). Rehm, interprétant ce document comme signe de “rattachement le plus étroit, sans réserve, à Rome”, l’a mis en rapport avec l’issue de la guerre d’Aristonicos et le ménagement dont Milet avait bénéficié. En vérité, le comportement de Milet pendant cet épisode nous reste inconnu36. Même si
31 Atélie: Herrmann 1965, 73 blocs II et III 1–6 {p. 257} (SEG XXXVI 1046; NChoix, 55 n° 7); dédicace du bouleutérion: Milet, I.2 (Rathaus), 1 et 2 (voir VI.1, p. 155; Schmidt-Dounas 1995, 514–515). Cf. Herrmann 1987, 171–175. 32 Habicht 1991; Günther 1992. Cf. Habicht 1995, 241 avec la n. 72; Günther 1998. 33 Liv. 43.6.4 Milesii nihil, (quod) praestitissent, memorantes, si quid imperare ad bellum senatus uellet, praestare se paratos esse polliciti sunt. 34 Arbitrage entre Messéniens et Lacédémoniens: IOlympia, 52 = Syll.3, 680, c. 138 a.C.; entre Latô et Olonte: Chaniotis 1996, 330, testimonium b, 111/110 a.C. Comme ‘cité libre’, engagement de Milet pour arbitrer à Méthymna/Érésos (Milet, I.3 [Delphinion], n° 152), Byzance (153), Érétrie (154), Thessalie (IG, IX.2, 508), Smyrne (IK, 24/1-Smyrna, 583), toujours dans le courant du IIe siècle. 35 Milet, I.7 (Südmarkt), n° 203 (Sokolowski, LSAM, 126, n° 49). Cf. Mellor 1975, 53 sq.; Fayer 1976, 47–49 {Milet VI.1, p. 199 sq.}. 36 Milet n’apparaît pas dans les récits sur la guerre assez comprimés, à vrai dire. Dans Milet, VI.1 (1997), p. 211, je me suis demandé si le fragment Milet, I.9 (Thermen und Palästren), n° 333, honorant
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l’on est justifié à accorder à Milet le statut de “ville libre” dans le cadre de la province d’Asie établie en 12937, subsiste l’impression d’une dépendance assez stricte: le même document dont je viens de parler atteste l’existence d’un collège de 50 archontes à Milet, détail extraordinaire dans le cadre constitutionnel, qui a été considéré comme le signe d’une réforme oligarchique inspirée par les nouveaux maîtres38. Le sort de Milet dont on a suivi les vicissitudes au cours du IIe siècle s’intègre certes assez bien dans le tableau général de cette époque. Mais il a peut-être l’avantage de nous rendre plus attentifs à la complexité des rapports mutuels dans cette région et à la multiplicité de facteurs politiques qui caractérisent ce siècle de transition en Asie Mineure occidentale.
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38 Zur römischen Zollstation in Milet Das 1989 von Helmut Engelmann und Dieter Knibbe veröffentlichte „Zollgesetz der Provinz Asia“ (EpigrAnat 14), zweifellos einer der sensationellsten Neufunde der kleinasiatischen Epigraphik in neuerer Zeit, enthält in dem dem Jahre 75 v. Chr. entstammenden grundlegenden Gesetzestext, dem νόμος τέλους ’Ασίας (Z. 7), auch eine umfangreiche „Hafenliste“ (Z. 22–26), d. h. ein Verzeichnis aller Stationen, wo für die Einfuhr oder Ausfuhr bestimmte Waren gegenüber dem Zöllner zu deklarieren sind (πρὸς τὸν τελώνην ἀπογραφέσϑω). In der dem Küstenverlauf folgenden Aufzählung erscheint auch Milet (Z. 25 Μειλήτῳ), das zwischen Priene („an der Mündung des Mäander“) und Iasos aufgeführt wird. In den knappen kommentierenden Bemerkungen der Herausgeber wird für Iasos auf inschriftliche Belege für „eine Station der Publicani in dieser Stadt“ verwiesen (Blümel, IvIasos n. 415–417). Bezüglich der nördlichen Nachbarstadt Milet fehlt ein entsprechender Hinweis, obwohl auch hier ein gleichartiger Beleg seit langem bekannt und natürlich auch in der entsprechenden Literatur registriert ist.1 Er soll hier kurz in Erinnerung gebracht und durch ein weiteres Fragment ergänzt werden. Das diesbezügliche milesische Beispiel hat Mommsen seinerzeit im CIL III 447 vorgelegt, und zwar als aus den „Cuperi schedae Hagenses“ stammend. Die dortige Abschrift gehört in ein Konvolut von Inschriftenkopien, die Gisbert Cuper von dem bis zu seiner Ermordung durch algerische Piraten 1689 in Smyrna lebenden holländischen Vizekonsul Daniel Cosson mitgeteilt worden waren. Das in Den Haag befindliche Manuskript ist kürzlich von G. Petzl und besonders I. Η. M. Hendriks erneut ausgewertet worden (ZPE 40, 1980, 187–208). Dank der Freundlichkeit der beiden Genannten kann ich hier das Faksimile aus dem Haager Manuskript (Inscriptiones Graecae, Kat.-Nr. 72 C 11, Blatt 167, 3: vgl. ZPE a. a. Ο. 200) wiedergeben:
Der Epigraphiker Hasan Malay (İzmir), mit dem Peter Herrmann vielfach zusammengearbeitet hat (siehe u. a. S. 119, 135, 182 Anm. 3, 197, 239 Anm. 6, 503), hat darauf aufmerksam gemacht, daß ein Manuskript Herrmanns unveröffentlicht geblieben ist. Es war eingereicht worden für die Festschrift Taşlıklıoğlu, von der ein Band erschienen ist (Anatolian & Thracian Studies in Honour of Zafer Taşlıklıoğlu, Vol. 1 = Zafer Taşlıklıoğlu Armağanı: Anadolu ve Trakya Çalışmaları, Cilt 1, edited by Nezih Başgelen, Güler Çelgin, A. Vedat Çelgin, İstanbul 1999). Den intensiven Bemühungen von Mustafa Hamdi Sayar (İstanbul) und dem Einverständnis von Nezih Başgelen (Arkeoloji ve Sanat Yayınları, İstanbul) ist es zu verdanken, daß der für einen weiteren Band der Festschrift vorgesehene Aufsatz hier aufgenommen werden konnte. 1 Z. B. R. Cagnat, Étude historique sur les impôts indirects chez les Romains jusqu’aux invasions des barbares d’apres les documents littéraires et épigraphiques, Paris 1882 (Nachdruck Rom 1966) 79 (vgl. 5 Anm. 6); S. J. de Laet, Portorium. Étude sur l’organisation douanière chez les Romains, surtout à l’époque du Haute-Empire, Brugge 1949, 279; D. Magie, Roman Rule in Asia Minor II (1950) 1424; F. Vittinghoff, RE XXII 1 (1953) 373.
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Das von Daniel Cosson „prope Miletum“ abgeschriebene Stück galt seitdem als verschollen. Es ist aber interessanterweise etwas mehr als 200 Jahre später, in der Anfangsphase der Milet-Grabung im Jahre 1899, allerdings sehr verstümmelt und in zwei Teile gebrochen, wieder aufgefunden worden, „bei einem Brunnen und Feigenbaum im Westen der Stadtmauer“, wie auf der von Carl Fredrich angefertigten Schede vermerkt ist (Inv. 92). Daraus geht hervor, daß es sich um den Rest eines Rundaltars aus weißem Marmor handelte, der bei der Wiederauffindung noch 61 cm hoch war und einen Durchmesser von 41 cm aufwies. Die Buchstabenhöhe beträgt 2,5 cm bei der griechischen, 3 cm bei der lateinischen Schrift. Außer der Schede existiert ein Abklatsch; der Stein selbst ist seit 1899 erneut und nun offenbar endgültig verschwunden (auf der Schede ist notiert: „1912 nicht gefunden“). Ich gebe das Faksimile der Fredrichschen Schede und setze daneben die auf dieser Basis jetzt mögliche Wiederherstellung des Textes (im Jahre 1899 nicht mehr vorhandene Partien sind mit Halbklammern gekennzeichnet): {Milet VI 2 n. 563}
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⸤Felici Primioni‹s› XXXX⸥ ⸤port. Asiae vilic. Mil. se‹r›⸥. ⸤Φ⸥ήλικι Πρειμίων⸤ος κοιν⸥. μ΄ λιμέν. Ἀσίας ο⸤ἰκον. Μει⸥λή̣τ̣ . δούλ⸤ῳ⸥. Τυράνιο̣ ς Φήλικι τὸν βω̣μὸν καὶ τὸ μνημῖον.
Erst der Fund der Restfragmente hat eine exakte Herstellung der Zeilenverteilung, die in Cossons Abschrift nicht berücksichtigt war, möglich gemacht. Vor allem ist aber auf ihrer Grundlage eine Berichtigung beim Namen des Stifters der Grabanlage vorzunehmen: Es war nicht der Frauenname Τυραννίς, sondern eine griechische Form des lateinischen Gentilnamens Turranius:
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Τυράνιος.2 Zur Datierung läßt sich kaum mehr sagen als: 1./2. Jhdt. n. Chr. (vgl. auch Anm. 7 und 12). Die Tatsache, daß in Z. 4 im Wort Ἀσίας das zweite Sigma lunar geschrieben ist, könnte etwas stärker für das Ende des 1. bzw. das 2. Jhdt. sprechen. Geht man der Rezeption dieser Inschrift in der wissenschaftlichen Literatur nach, stößt man auf ein interessantes Problem, das sich daraus ergibt, daß in der Bilingue sowohl der lateinische wie der griechische Text fast durchgehend Abkürzungen aufweisen. Mommsens Herstellungsversuch (CIL III 447) hatte gelautet: Felici Primion[is], quadragesimae port(oriorum) Asiae vilic(i) Mil(eti), se[r](vo) bzw. Φήλικι Πρειμίωνος, κοιν(οῦ) τεσσερακοστῆς λιμεν(ικῶν) Ἀσίας οἰκον(όμου) Μειλήτ(ῳ), δούλῳ. Demgegenüber haben dann F. Durrbach und G. Radet auf der Grundlage einer als Parallele anzusehenden griechischen Inschrift von Syme, die aus Iasos stammt3 (jetzt IvIasos 416; s. Anm. 6), einige Berichtigungen in der Auflösung der Abkürzungen vorgenommen und dem milesischen Text (ohne die letzten Zeilen) folgende Form gegeben (BCH 10, 1886, 268):
Felici, Primioni(s), XXXX port(uum) Asiae vil(l)ic(i) Mil(eti), servo. Φήλικι, Πρειμίωνος, κοιν(ωνῶν) μ΄ λιμέν(ων) Ἀσίας οἰκον(όμου) Μειλήτ(ῳ), δούλῳ.4
Diese in der Regel von den Späteren übernommene Textherstellung enthält zugleich einen folgenreichen Interpretationsansatz, der freilich m. E. in die Irre geführt hat. Es wird bei Durrbach – Radet nämlich ausdrücklich von der milesischen Inschrift gesagt: „qui fait mention d’un esclave aux ordres d’un vilicus“. Das hat später de Laet, Portorium 279 Anm. 4 mit seinem Resümee der Inschrift aufgegriffen: „inscription bilingue érigée par Felix, esclave de Primio qui était ‚quadragesimae portoriorum Asiae vilicus Mileti‘ ...“ Freilich kommt de Laet an späterer Stelle, wo er „l’administration douanière à l’époque du Haut-Empire“ behandelt (363 ff.), damit dann in Schwierigkeiten. Dort stellt er nämlich, auf das Material gestützt, fest (380), daß man unter den subalternen Beschäftigten der Publikanen keinen Freien, ja nicht einmal einen Freigelassenen anträfe: „tous sont de condition servile et appartiennent en propre à la societas“. Wenn dem so ist, kann man in dem Falle unserer milesischen Inschrift nur „une exception remarquable“ erkennen (380 Anm. 4), nach der ja der vilicus Primio
2 Für den Namen Turranius vgl. W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer Eigennamen (1904) 429. Die Namensform Turanius CIL V 1011a; vgl. auch CIL VI 27831 Turania, Corinth VIII 1 n. 131 Τυρανία Σωσιπάτρα. – Mit der Eliminierung des Frauennamens Τυραννίς aus der Grabinschrift des Felix erledigt sich auch die Annahme von K. Schneider, RE VIII A 2 (1958) 2141: „Seine Gattin errichtete ihm ein Grab.“ 3 Vgl. dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1950 n. 36; 1964 n. 160; 1971 n. 624. 4 Die auf οἰκον(όμου) folgende Angabe Μειλήτ(ῳ) ist in dem Abdruck bei Durrbach – Radet durch einen Irrtum ausgefallen. Mommsen hat im Supplement CIL III 7149 auf die Textform bei Durrbach – Radet verwiesen.
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Inschriften aus Milet
selbst einen Sklaven, Felix, besessen habe: „Il devait donc être de condition libre. Peut-être était-il un affranchi.“5 Dementsprechend findet man dann auch im Kommentar von W. Blümel zu dem von Durrbach – Radet als Parallele zu dem milesischen Beispiel in Anspruch genommenen Beleg aus Iasos, wo bei einem οἰκονόμος der dortigen Zollstation eine Statusangabe fehlt, die Bemerkung: „Der οἰκονόμος ist Sklave oder Freigelassener der Steuerpächter der Provinz Asia und fungiert wohl als deren Kassenbeamter (Landvogt).“6 Auf die meines Erachtens richtige Interpretation führt indes eine kleine in der Regel übersehene Anmerkung, die H. Dessau dem Abdruck der milesischen Inschrift in seinen Inscriptiones Latinae Selectae (n. 1862 Anm. 2) beigefügt hat: „servi vocabulum minus accurate positum“. In der Tat macht allein schon die dort gegebene Auswahl an Inschriften von „servi et liberti publicanorum“ deutlich, daß die normale Wortfolge servus vilicus wäre, wie diese sich denn auch in einem lateinischen Fragment aus Iasos findet.7 Das hat aber dann für unseren milesischen Text die Konsequenz, daß grammatisch auch die Abkürzung οἰκον. zu der Dativ-Form οἰκον(όμῳ) – und entsprechend vilic(o) – aufzulösen ist, daß sachlich aber sich mithin ergäbe, daß Felix als Sklave nicht Untergebener eines vilicus bzw. οἰκονόμος war, sondern daß er diese Funktion, bei der man dann wohl an die Leitung der Zollstation überhaupt zu denken hat, selbst wahrgenommen hat. Im übrigen wird diese Auffassung auch durch die Form, in der unsere Inschrift an den entsprechenden Stellen in den Indices des CIL III registriert ist, bestätigt.8 Wenn demnach der Titel des vilicus auf den Sklaven Felix zu beziehen ist – welche Funktion hat dann der Genetiv Primioni[s] bzw. Πρειμίωνος in der Inschrift, der auf den Namen des Felix folgt? Da die Deutung als Patronymikon ausscheidet und auch die Annahme, es gehe hier um den seltenen Fall der Abhängigkeit eines Sklaven von einem anderen,9 kaum plausibel sein dürfte, sehe ich nur die folgende Erklärungs5 Vgl. auch F. Vittinghoff, RE XXII 1, 385: „In den Zollwachen war selbst der Leiter (vilicus) ein Sklave (als Ausnahme in der Kaiserzeit ein Freigelassener CIL III 7149“ – das ist unsere milesische Inschrift!). 6 Die Inschrift IvIasos 416 lautet: Ποῦλχερ κοινωνῶν λιμένων Ἀσίας οἰκονόμος ἐν Ἰάσῳ. Die Formulierung von Blümel ist wörtlich aus P. Landvogt, Epigraphische Untersuchungen über den οἰκονόμος, Diss. Straßburg 1908, 30 übernommen, der sie dort gemeinsam auf die Inschriften von Milet und Iasos angewendet hatte. Zu dem οἰκονόμος vgl. im übrigen die weiterführenden bibliographischen Hinweise bei L. Robert, Hellenica X, 1955, 83 mit Anm. 3; BCH 102, 1978, 429 (Documents d’Asie Mineure 125 mit Anm. 13). 7 IvIasos 415, 3: - - s]ocior. p. p. A. ser. vil. Iasi, aufgelöst zu socior(um) p(ublici) p(ortuum) A(siae) ser(vus) vil(icus) Iasi. Diese Inschrift ist interessanterweise in das Jahr 26 n. Chr. datiert. 8 CIL III 2 p. 1135 und Suppl. III 2 p. 2471: quadragesimae port[oriorum] Asiae vilicus Mileti servus. Übrigens hatte auch schon V. Chapot, La province romaine proconsulaire d’Asie, Paris 1904 (Nachdruck 1967) 330 οἰκονόμος und δοῦλος verbunden. 9 Man vgl. die von A. Oxé, RhM 59, 1904, 135 erwogene Möglichkeit, daß bei einigen Namensformen „Sklaven von Sklaven“ angeführt waren. Von „Untersklaven“ spricht H. Chantraine, Hermes 98, 1970, 254, wo die beigebrachten Beispiele allerdings immer sogenannte vicarii betreffen. Vgl. dafür in unserem Zusammenhang auch R. Cagnat, a. a. O. 99.
38 Zur römischen Zollstation in Milet
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möglichkeit: Primio als Herr des Sklaven Felix war selbst Teilhaber der Pächtergesellschaft, der κοινωνοὶ τεσσαρακοστῆς λιμένων Ἀσίας, wobei in der lateinischen Version der Äquivalentbegriff für κοινωνῶν, nämlich sociorum – vielleicht versehentlich – ausgelassen ist.10 Wenn in Inschriften dieser Art die Begriffe servus vilicus aufeinander folgen (vgl. IvIasos 415: Anm. 7), ist servus in der Regel auf einen vorhergehenden Genetiv zu beziehen. Damit sehe ich für unseren Fall zwei Möglichkeiten: Entweder ist dieses Bezugswort Primionis und das folgende (sociorum) quadragesimae portuum Asiae dann ein die Stellung des Herrn verdeutlichender Genetivus (partitivus: d. h. „Sklave des Primio, von den Teilhabern ...“ bzw. „eines der Pächter der quadragesima p. A.“), oder der Begriff servus ist unmittelbar mit der vorhergehenden Nennung der (socii) bzw. κοινωνοί zu verbinden, was der durch viele Belege bezeugten Annahme entspräche, daß das für die Erhebung und Verwaltung des portorium benötigte Personal von „gesellschaftseigenen Sklaven“ gestellt wurde (Vittinghoff, RE XXII 1, 385; vgl. auch de Laet 380: „... appartiennent en propre à la societas“). In dem zweiten Falle wäre dann anzunehmen, daß Primio als Pächter seinen Sklaven Felix in einer bestimmten Form in die Gesellschaft „eingebracht“ hätte – eine Möglichkeit, für die immerhin in der Literatur einige Indizien angeführt worden sind, ohne daß es hier darum gehen kann, die rechtlichen Implikationen einer solchen Konstruktion zu diskutieren.11 Es gibt in Milet aber noch ein zweites bisher nicht veröffentlichtes Zeugnis für die dortige Zollstation. Das ist das 1913 gefundene Fragment einer tabula ansata, genauer gesagt die rechte untere Ecke einer solchen, offenkundig ebenfalls der Rest einer Grabinschrift (Inv. 1567). Eine Schede mit Angaben über die Fundumstände existiert nicht, sondern nur ein Abklatsch. Aber im Unterschied zu dem bisher besprochenen Exemplar ist hier das Fragment noch vorhanden (22 cm hoch, 39,5 cm breit, 11 cm dick, mit einer Buchstabenhöhe von ca. 3 cm: s. Abb. 1). Man liest: {Milet VI 2 n. 667 mit Taf. 26}
[- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] [- - - - - - - - -] · XXXX · P · A [- - - - - - - - -]ṬI · sibi · et · [- - - - - - et h]eredibus
Auffallend ist in der letzten Zeile das Eindringen kursiver Buchstabenformen: so bei dem D und vor allem der sehr eigenartigen Schreibung des B. An der Lesung ist aber wohl kein Zweifel möglich. 10 Für die Bedeutung von κοινωνοί im Sinne von socii in diesem Zusammenhang vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1964 n. 160. 11 Man vgl. dafür die Ausführungen von M. Rostovtzeff, Geschichte der Staatspacht in der römischen Kaiserzeit bis Diokletian (Philologus Erg.-Bd. IX, 1902) 398 f. und entsprechend O. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian, 21905 (Nachdruck 1975) 86 f.
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Inschriften aus Milet
Es ist sicher, daß hier wieder die (quadragesima) p(ortuum) A(siae) genannt war, und demnach in der zweiten erhaltenen Zeile wieder die Ortsangabe Mile]ti stand. Gegenüber dem naheliegenden Versuch, die Lücke zwischen p(ortuum) A(siae) und Mile]ti mit Hilfe unseres bisher besprochenen milesischen Beispiels zu ergänzen, also etwa mit [serv. vilic.], dürfte aber Vorsicht angebracht sein, da die in der obigen Diskussion vertretene Auffassung vom Sklavenstatus dieses vilicus dem Tatbestand einer Erbeinsetzung, wie er sich aus der Nennung der heredes in der letzten Zeile ergibt, ja an und für sich widerstreitet. Immerhin wäre vorstellbar, daß die Testierfähigkeit sich aus dem Status der zwischen sibi und heredibus genannten Person ergab, wenn dies etwa eine mit römischem Bürgerrecht ausgestattete Frau des vilicus war.12 Doch sollen bei dem dürftigen Erhaltungszustand Hypothesen dieser Art nicht weiter verfolgt werden. Die behandelten Inschriften sind auf jeden Fall wertvolle Zeugnisse nicht nur für die Existenz der römischen Zollstation in Milet, sondern sie beleuchten auf ihre Weise auch die fortdauernde Bedeutung von Milet als Hafenort, die S. J. de Laet in seiner Monographie über das portorium paradoxerweise nachdrücklich in Abrede stellen zu müssen meinte.13
Abb. 1
12 In diesem Falle würde sich gemäß M. Kaser, Das römische Privatrecht I2 (1971) 683 eine Datierung der Inschrift frühestens ab Hadrian ergeben. 13 De Laet a. a. O. 279: „Quoiqu’à l’époque imperiale l’antique port de Milet eût subi un déclin catastrophique, un bureau douanier continuait à y taxer le commerce.“ Die von de Laet beigebrachten (modernen) „Belege“ vermögen diese Behauptung keineswegs zu stützen.
Inschriften aus verschiedenen Regionen
39 Noch einmal: Knidische Richter in Smyrna H. Engelmann hat in dieser Zeitschrift 5, 1970, 289–291 die von E. Schwarzenberg in den Bonner Jahrbüchern 169, 1969, 82–92 publizierte Schiedsrichterinschrift aus Knidos mit einer Anzahl von Textverbesserungen vorgelegt, die sich mit Evidenz entweder aus dem Parallelmaterial oder aus dem sonstigen Sprachgebrauch hellenistischer Inschriften ergeben. Trotzdem kann der Text noch nicht an allen Stellen als gesichert und verständlich gelten. Wenn ich hier noch einmal auf diese Inschrift zurückkomme, so vor allem auch deshalb, weil ich seit 1966 durch Vermittlung von P. Hommel von der Deutschen Milet-Grabung Photographien des Steines besitze (Abb. 1), nach denen ich unabhängig von Schwarzenberg den Text herzustellen versucht hatte. Dabei ergaben sich etliche abweichende Lesungen. Einiges davon ist durch H. Engelmann inzwischen richtiggestellt, anderes mußte ihm auf der Grundlage der Edition, die ohne Abbildung erfolgt war, entgehen. Mehrere Textabweichungen ergeben sich auch dadurch, daß Schwarzenberg die Zeilenlängen bzw. die Größe der Lücken am Zeilenanfang und Zeilenende nicht immer richtig angesetzt hat: Der Stein ist links oben schräg gebrochen, er hat rechts Rand, wobei nur von Z. 1–10 und 33–35 die äußersten Zeilenenden abgeschlagen sind. Ich verzichte darauf, den Wortlaut der ganzen Inschrift erneut anzuführen, und lasse vielmehr nur die Lesungen und Ergänzungen folgen, mit denen ich vom Text (oder auch von der Zeilentrennung) Engelmanns abweiche (mit dessen Zeilenzählung): Z. 2/3: στῆσαι δὲ κα̣ὶ̣ ἑ[κα|τέρου αὐτῶν εἰκόνα] χαλκῆν. Z. 3/4: wahrscheinlich aus Gründen des Raumes nicht ἐν τ[ῶι τεμέ|νει . . . .], son dern ἐν τ[ῶι | ἱερῶι τῆς Ἀφροδί]της, wie es auch OGI 229, 83 {IvSmyrna 573} heißt. Z. 6–8: καὶ Ἁγησικράτ[ην | - - ca. 11 - - τ]οὺς πεμφϑέντας πρὸς αὐτὸν ὑπὸ Κ̣ν̣ [ι]δί[ω]ν [δι|καστὰς ἀρετῆ]ς ἕνεκεν … Die Einfügung des Artikels vor πεμφϑέντας scheint mir ebenso unerläßlich wie die Nennung der Qualifikation oder Funktion, deretwegen die beiden Knidier „geschickt“ worden sind: δικαστάς. Dafür, daß der Vater des an zweiter Stelle genannten Hagesikrates denselben Na|men führte wie sein Sohn, gibt es keinerlei Anhaltspunkt. Z. 8/9: wahrscheinlich nur τοὺς [στρα|τηγοὺς καὶ ἄ]λλων πολιτῶν τὸν βουλόμενον. Z. 10: [γνώμην γράψ]αντας, was Engelmann als mögliche Variante im Apparat anführt, entspricht eher dem Raum. Z. 11/2: προγε|[γραμμένω]ν ἀνδρῶν. Z. 12/3: δή|[μου πρὸ]ς. Z. 13/4 ἀποδεδειγμέ| [νους εἰς] Κνίδον. Z. 14/5: Das von Engelmann als Berichtigung hergestellte προκεκυρωμένον ist auf der Photographie vollständig zu lesen; danach ist ὑπὲρ τ[οῦ στεφά|νου] aber zu lang: vielleicht ὑπὲρ τ[ῶν | τιμῶν]? ZPE 7, 1971, 69–72 und 1 Abbildung.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
Z. 15/6: Die ganze auf die ἵνα-Konstruktion ab Z. 13 folgende Bestimmung ist in der von Engelmann hergestellten Form nicht verständlich: bei ἀνενεγκεῖν Z. 15 fehlt ein Objekt, [ἐμφανίζοντας] . . τὸ ψήφισμα καὶ ἀποδόντας αὐτὸ τοῖς ἄρχουσιν καὶ [ἐπελ] ϑόντας ἐπὶ τὸν δῆμον ist von der Konstruktion und vor allem auch sachlichen Abfolge her kaum möglich. Für [ἐμφανίζον|τας] ist auch gar kein Platz. Die ganze Konstruktion wird geheilt durch die Herstellung: (τοὺς ἀποδεδειγμένους εἰς Κνίδον πρέσβεις κατὰ τὸ προκεκυρωμένον . . . . . .) ψήφισμα ἀνενεγκεῖν εἰς Κνίδον | [καὶ τὸ]δε τὸ ψήφισμα etc. Wie es naheliegt, wird also verfügt, daß die smyrnäischen Gesandten, die für die Überbringung eines vorausgegangenen Ehrenbeschlusses zugunsten des Demos von Knidos bestimmt worden sind, nun auch den nachfolgenden Ehrenbeschluß für die Schiedsrichter selbst mitnehmen. In den Paralleldokumenten aus Kaunos (L. Robert, Hellenica VII 172 {IvKaunos 17–20}), Astypalaia (ib. 185–8) und Thasos (IG XII 8, 269, dazu L. Robert, BCH 48, 1924, 333 und Hellenica VII 181) sind die Ehrungen für die betreffende Stadt und die Schiedsrichter selbst bereits in einem Psephisma zusammengefaßt. Z. 16/7: καὶ | [ἐπελ]ϑόντας. Z. 20: ϑεάτρωι ist auf der Photographie voll zu lesen, ebenso am Zei|lenende στεφά|[ν]οις. Z. 21: οἷς ὁ δῆμος ἐψήφισται καὶ … Z. 23/4: προσαναγορευ|ϑῶσιν und ἃς ἐψήφισται ist voll zu lesen. Z. 25: καϑ’ ἕκ̣ [α]στ[ο]ν ἔτος ist deutlich, danach ist αὗται zu streichen. Z. 27: Engelmanns Text ἐ̣ [ν τ]ῶι̣ [ἐπισημ]οτ̣ [άτωι τῶ]ν τόπω[ν] ent
fernt sich stark von der Lesung des Erstherausgebers: ἐ̣ [ν] ὧ̣ι . . .τοι κ[ο]ι̣ ν̣ῶ[ι ἐ]ν τόπω[ι. Der Photographie ist mit Sicher
heit zu entnehmen: ἐ̣ ν̣ ὧ̣ι̣ ἂ̣ [ν α]ὐτοὶ κρίν[ωσιν] τόπωι. Z. 32: Ich lese ἀπὸ τοῦ ἐψηφισμένου διαφόρου. Z. 33: Nach ἀνηλώματα ist [τ]ὰ zu streichen. Z. 33/4: Die Herstellung des Zeilenendes ist auch mir noch nicht gelungen. Auf ὑπὲρ τοῦ scheint nach der Photographie Π̣ΟΡ̣ . . Μ̣ου oder . . Ν̣ου zu folgen (Schwarzenberg: Π̣ΟΝ̣ . . Ο̣Υ̣). Da ein Terminus aus dem Bereich der Geldbeschaffung oder -verrechnung zu erwarten sein dürfte, könnte man πορ[ι]σμοῦ erwägen, wofür mir allerdings keine inschriftliche Parallele zur Verfügung steht. Danach folgt jedenfalls ἐ̣ [μ μη]νὶ Λαοδικεῶνι τῶι καϑ’ ἔτος. Wir erhalten damit einen neuen Beleg für den von L. Robert, REA 38, 1936, 28 (OMS II 791) in der Inschrift B. Laum, Stiftungen II n. 88, 7 {IvSmyrna 711} hergestellten und damit für Smyrna gewonnenen Monatsnamen Λαοδικεών, der im Hemerologion von Florenz unter der Form Λαοδίκιος überliefert ist. Schon anhand der dortigen Inschrift, in der von einer Geldzahlung die Rede ist, hat L. Robert darauf hingewiesen, daß der Monat als letzter des Jahres für Finanzoperationen der Schatzmeister natürlicherweise in Betracht kommt. Unser neuer Beleg stützt diese Feststellung. Zum Aufbau des Beschlusses insgesamt {IvSmyrna 578; IvKnidos 231} ist zu sagen, daß er in der Anordnung und in den Einzelbestimmungen doch stärker von der homo-
39 Noch einmal: Knidische Richter in Smyrna
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generen Gruppe des smyrnäischen Parallelmaterials (zu den oben erwähnten Exemplaren aus Kaunos, Astypalaia und Thasos kommt ein weiteres Fragment aus Kaunos JHS 73, 1953, 27 n. 8 {IvKaunos 21} sowie ein noch unpubliziertes kleines Bruchstück aus Milet {Milet VI 3 n. 1036}) abweicht. Danach wird man auch eine entsprechende zeitliche Differenz anzunehmen haben.
Abb. 1: Schiedsrichterinschrift aus Knidos
40 Statue Bases of the Mid-Third Century A.D. from Smyrna Note: The statue bases presented in this article were discovered at Çankaya during the excavation for the subway in 1988 when Dr. Turan Özkan was serving as Director of the İzmir Museum. The work on these finds was to comprise a chapter of a joint book to be published with Prof. Peter Herrmann who sadly died in 2002. As the texts on the bases are of outstanding interest, I have decided to publish them apart in the present article. This is in strict conformity with what P. Herrmann and I agreed during his last visit to Turkey in 2002. Nos 1 and 2 have recently, without authorisation, been published and commented upon* (H. Malay).
1 L. Egnatius Victor Lollianus, proconsul Marble basis with plinth and cornice. Height 1.54, width 0.94, thickness 0.77; letter-height 0.026 to 0.033. {SEG LIII 1327}
Ἀγαϑῆι Τύχηι· Λ. Ἐγνάτιον Οὐίκτορα Λολλιανόν, 4 τὸν λαμπρότατον ὕπατον, ἁγνότατον καὶ δικαιότατον ἀνϑύπατον πολλάκις τῆς Ἀσίας, 8 ῥητόρων τὸν κράτιστον καὶ πρῶτον, ἀγωνοϑέτην τῶν πρώτων κοινῶν τῆς Ἀσίας ἀγώνων Κυιντίλιος Εὐμένης 12 πάππος συγκλητικοῦ καὶ ἀσιάρχης, συναγωνοϑέτης, καϑὰ τῇ{ς} κρατίστῃ Σμυρναίων βουλῇ ἐπὶ τῶν τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων 16 ὑπέσχετο.
P. Herrmann † – H. Malay, EpigrAnat 36, 2003, 1–10 mit 6 Abbildungen. * See M. Christol, Th. Drew-Bear and M. Taşlıalan, Lucius Egnatius Victor Lollianus, Proconsul d’Asie, Anatolia Antiqua XI, 2003, 343–359.
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Translation To Good Fortune. For L. Egnatius Victor Lollianus, the most illustrious (= clarissimus) Consul, repeatedly most honest and righteous Proconsul of Asia, most excellent and first of rhetors, agonothetes of the First Common Contests of Asia. Quintilius Eumenes, grandfather of a member of the senatorial class and asiarch, who joined him as agonothetes as he had promised to the most honourable council of the Smyrnaeans in the presence of (the assembly of) the Greeks of Asia, (honours him). 2
The person honoured on this statue base is the best documented governor of the province of Asia in the Imperial period1. Honorary monuments for him are known from several cities: Ephesus (2 in Greek, 2 in Latin), Metropolis, Miletus, Tralleis, Aphrodisias2. Also Smyrna had already yielded one (IvSmyrna, 635)3, to which two other bases can now be added (see the following number). The qualifications which are emphasized in our inscription are already known from other texts: the praise of his moral righteousness4, his ability as rhetor, his functioning as agonothetes of the Κοινὰ Ἀσίας. For the summary ἀνϑύπατον πολλάκις τῆς Ἀσίας we get in IvEphesos, 664A the precision ἐπὶ τριετές and in IvSmyrna, 635 κατὰ τὸ ἑξῆς ἐτῶν τριῶν – a detail to be discussed later. The dedicator of IvSmyrna, 635 was an asiarch (Λ. Πεσκέννιος Γέσσιος γʹ ἀσιάρ χης)5 like the Κυιντίλιος Εὐμένης mentioned in this new text. The person was unknown till now, but in the series published here he appears three times (with nos. 2 and 3), always under the same formula as πάππος συγκλητικοῦ καὶ ἀσιάρχης. The indication that a grandson of his had reached senatorial rank leads to the assumption that he was at an advanced age when he held the position of asiarch. Eumenes, in erecting this monument, fulfils a promise6 given to the Smyrnaean council on the occasion,
1 PIR2 III, E 36 (Groag); K. Dietz, Senatus contra principem (1980), 149–154, no. 35 (giving 23 testimonia); cf. B. E. Thomasson, Laterculi Praesidum I (1984), 236, no. 191. See also note 8. 2 IvEphesos, 664A and 3088 (Greek), 664 and 3089 (Latin); SEG XXXII 1158 = IvEphesos, 3436 (Metro polis); Milet I.7, 268; IvTralleis, 55; SEG XLIV 863 (Aphrodisias). 3 Found in 1916 (?) “bei der Anlage des Boulevards am Fuße des Dejirmentepe”: O. Walter, ÖJh 21–2, 1922–24, Beibl. 252, no. 10 (SEG II 652); AE 1923, no. 41), now on the left side of the entrance to the Archaeological Museum. 4 Aphrodisias: ἁγνὸν καὶ δίκαιον καὶ πάσης ἀρετῆς κόσμον. IvEphesos, 664: omni iustitia ac sinceritate innocentiaq(ue) praestantem omnib(us) praesidib(us). For ἁγνότατος καὶ δικαιότατος and related expressions see M. Christol – S. Demougin, MEFRA 102, 1990, 176 and J. Reynolds (quoted note 8), 678, note 14 with references to L. Robert. 5 Cf. M. Domitilla Campanile, I sacerdoti del koinon d’Asia (1994), 139, no. 162. He was honoured at Philadelphia (IGR IV, 1642 {TAM V 3, 1500}) where he was λογιστής. 6 For the formula (καϑ-)ὡς ὑπέσχετο cf. Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 (1969), 79, note 3.
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it seems, of a meeting of the provincial assembly7. His relations with the proconsul Lollianus are further illustrated by the following inscription.
2 L. Egnatius Victor Lollianus, proconsul Marble basis with plinth and cornice. An image of a fish is carved below the inscription (cf. EpigrAnat 2, 1983, 3 with ph. 14). Height 1.52, width 0.89, thickness 0.76; letter-height 0.043. {SEG LIII 1328} Ἀγαϑῆι Τύχηι· Λ. Ἐγνάτιον Οὐίκτορα Λολλιανόν, 4 τὸν λαμπρότατον τὸν διὰ πᾶσαν ἀρετὴν ὑπὸ τοῦ ϑεοφιλεστάτου κυρίου ἡμῶν Αὐτοκράτορος 8 Μ. Ἀντ. Γορδιανοῦ τρὶς κατὰ τὸ ἑξῆς τῆς Ἀσίας ἀνϑύπατον ἀποδεδειγμένον, 12 ῥητόρων πρῶτον Κυιντίλιος Εὐμένης, πάππος συγκλητικοῦ καὶ ἀσιάρχης τὸν ἑαυτοῦ συνήγορον 16 καὶ εὐεργέτην.
Translation To Good Fortune. For L. Egnatius Victor Lollianus, the most illustrious (man) who has been been designated three times successively Proconsul of Asia by our master, most highly favoured by the gods, Imperator M. Ant(onius) Gordianus because of his complete excellence, the first of the rhetors. Quintilius Eumenes, grandfather of a member of the senatorial class and asiarch, (honours) his advocate and benefactor. The main interest of this text is the decisive help it procures for dating the governorship of our proconsul. Till now a milestone from near Magnesia on the Maeander 7 Cf. L. Robert, Laodicée du Lycos (1969), 266: “l’ensemble des ‘Grecs de la province d’Asie’ réunis en assemblée”. Ἐπί in this context could mean “in the presence of”, “coram” (M. Holleaux, Études III, 240; M. Wörrle, Chiron 13, 1983, 321, note 202) or “on the occasion of” (cf. L. Robert, StCl 10, 1968, 79 f. [OMS VI 267]: “lors d’une fête”).
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(IvMagnesia, 257 = IvEphesos, 3164 {RRMAM 3.5 (2014) 110}) had proved that his third year fell in the reign of the emperor Philippus and his son as Caesar (244–247). But it had already been conjectured that the beginning of Lollianus’ proconsulship went back to the reign of Gordian III8. Now, if we assume that the prolongation for a third year of office was decided by Gordian in his last year, we arrive at the dates of 242/3– 244/5 for the three years’ period of this governor9. Both new inscriptions attest a close relationship between Lollianus the governor and the asiarch Quintilius Eumenes. On the one hand, Eumenes joined the proconsul as συναγωνοϑέτης in organizing the contests of the Κοινὰ Ἀσίας, following a promise given in public (our no. 1), on the other hand the proconsul gave help to the asiarch as συνήγορος in legal | proceedings10. This is a significant insight into the reciprocity of social connections and the interlacing of interests between Roman representatives and leading figures of the local elite. Now we find the asiarch Quintilius Eumenes a third time as dedicator of one of the recently discovered statue bases:
3 Appius Alexander, ducenarius Marble basis with plinth and cornice. Height 1.55, width 0.83, thickness 0.76; letter-height 0.01 (signature of the stonecutter) and 0.025. {SEG LIII 1329}
8 K. Dietz, Senatus contra principem, 153; M. Christol, Essai sur l’évolution des carrières sénatoriales dans la 2e moitié du IIIe s. ap. J.-C. (1986), 191; B. Rémy, Les carrières sénatoriales dans les provinces romaines d’Anatolie au Haut-Empire (1989), 118; J. Reynolds, in Y. Le Bohec (ed.), L’Afrique, la Gaule, la Religion à l’époque romaine. Mélanges à la mémoire de Marcel Le Glay (1994), 677. Most authors saw a connection with Gordian’s Persian war. 9 X. Loriot, in: Chastagnol – Demougin – Lepelley (edd.), Splendidissima Civitas: Études d’histoire romaine en hommage à François Jacques (1996), 221–9 pleads for the dates between July 1, 242 and July 1, 245 as Lollianus’ term of office (cf. SEG XLIV 863). 10 For the function of συνήγορος cf. L. Robert, AntCl 35, 1966, 396, note 3 (OMS VI, 20): “assistance comme avocat dans les procès”. It is often combined with the role of the ῥήτωρ (L. Robert, Hellenica XI/XII, 305, note 5), and it is normally exercised before the Roman authorities in the interest of a city (Hellenica IX, 12; cf. A. Balland, Fouilles de Xanthos VII [1981], 229 f.). But here we have the special case that the governor himself acts as συνήγορος in an individual case. It is possible that this activity went back to an earlier period when Lollianus had not yet been proconsul of Asia.
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Ἀγαϑῆι Τύχηι· Ἄππιον Ἀλέξανδρον τὸν κράτιστον φιλόσοφον 4 καὶ πολλάκις δουκηνάριον καὶ ἡγεμόνα ἐπαρχίου Λουγδουνησίας Κυιντίλιος Εὐμένης, 8 πάππος συγκλητικοῦ καὶ ἀσιάρχης, τὸν ἴδιον εὐεργέτην, καϑὰ ἀγωνοϑετῶν 12 τῶν πρώτων κοινῶν τῆς Ἀσίας ἀγώνων τὸ πέμπτον 16 ὑπέσχετο h
Ἀλφοκρατίων ἐπέγραψα
Translation To Good Fortune. For Appius Alexander, the most outstanding (= egregius) philosopher and repeatedly holder of ducenarian posts and governor of the province of (Gallia) Lugdunensis. Quintilius Eumenes, grandfather of a member of the senatorial class and asiarch, (honours) his personal benefactor, as he promised when he was for the fifth time agonothetes of the First Common Contests of Asia. (I, Alphokration, carved the inscription.) The honorand of the inscription is in this case not the (senatorial) governor, but a knight11. The man is already known from two inscriptions from Ephesus concerning him and his wife | Desidiena Cincia (IvEphesos, 616 and 617)12. Besides the formula τὸν πολλάκις δουκηνάριον and his quality as philosopher which recur in the new text, the Ephesian inscriptions indicate his position of κράτιστος ἐπίτροπος, i.e. procurator, of two emperors (τῶν Σεββ. in 617, τῶ[ν] κυρίω[ν ἡ]μῶν with following erased line in 616). Given the dates for the asiarch Quintilius Eumenes derived from the preceding two inscriptions, it seems reasonable to reconstruct the deleted line with names of
11 It is not clear whether κράτιστος in l. 3 should be understood as translating Latin egregius, “the standard term used … for middle-ranking equestrian officials” (F. Millar, JRS 89, 1999, 94). Perhaps it is unspecific and only characterising the quality of philosopher: cf. our no. 1.8 ῥητόρων τὸν κράτιστον. 12 PIR2 I, 183, no. 945 (A. Stein); cf. H.-G. Pflaum, Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain III (1961), 1101; Supplément (1982), 150.
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the two Philippi (247–9), perhaps in the form ⟦Μ. Ἰουλίων Φιλίππων Σεββ.⟧13. As for the specification of Alexander’s procuratorship, one can guess that he held the post of procurator provinciae Asiae, given his qualification as ducenarius14. At least one further step of Alexander’s career is now revealed: the governorship of Gallia Lug dunensis. It may have followed his function of procurator in Asia, and possibly the Smyrnaean monument was dedicated at the moment when he left for the new post. Since Appius Alexander was a knight, his position in the senatorial province normally governed by an imperial pretorian legate seems to have been that of a procurator et vice praesidis agens as is attested already for some of his predecessors since the 220s15. The asiarch Quintilius Eumenes who honoured Appius Alexander like Lollianus as his εὐεργέτης, refers again to a “promise” (ὑπέσχετο, cf. note 6) concerning his action. Under Lollianus he did it as συναγωνοϑέτης of the Koina Asias, now – some years later, as it seems – he was himself ἀγωνοϑέτης of these contests, and this “for the fifth time”. The case is not clear and seems to be connected with the much discussed problems of the periodicity of the Κοινὰ Ἀσίας and maybe the specific role of Smyrna in this tradition16, problems which cannot be solved here. It may be noteworthy that in Ephesus the monuments for Appius Alexander and his wife were likewise erected by an asiarch, M. Aurelius Daphnus, and, it seems, his wife Iulia Atticilla respectively, functioning as ἀρχιέρεια Ἀσίας ναῶν τῶν ἐν Ἐφέσῳ (IvEphesos, 616–7). Daphnus has his place in the stemma of a prominent Ephesian family to which the new inscription with its date in the late 240s now necessitates some correction17.
13 The editors of IvEphesos, 616 had thought of Macrinus and Diadumenianus (i. e. 217–8, comparing IvEphesos 802); cf. W. Eck, Gnomon 57, 1985, 255. The date is accepted by S. Demougin, ZPE 81, 1990, 221–2. B. İplikçioğlu, Lebendige Altertumswissenschaft. Festgabe … H. Vetters (1985), 135–7 proposed Caracalla and Geta (cf. SEG XXXV 1107; contra: Demougin, 221, note 54). The restoration proposed in the text is taken from IGR III, 1196–7 (Philippopolis in Arabia); cf. also ib. 1093. 14 Pflaum (note 12) had listed him under the heading “Procuratores nescio cuius provinciae vel rationis”, but he may belong to the category discussed by M. Christol and Th. Drew-Bear, Travaux et Recherches en Turquie 1982, 39, note 48 and M. Christol – S. Demougin, MEFRA 102, 1990, 174, note 79. 15 See B. E. Thomasson, Laterculi Praesidum I (1984), 41, nos 18–20. Cf. the discussion by M. Corbier – M. Christol, REA 73, 1971, 356–364. The title ἡγεμὼν ἐπαρχίου Λουγδουνησίας of our inscription corresponds to praeses provinciae Lugdunensis for an unknown governor of the IIIrd century (CIL XIII, 1860; Thomasson, 42, no. 25). 16 For this the article of L. Moretti, RivFil 82, 1954, 276–289 (Tra epigrafia e storia, 141–154 and 266) is fundamental; cf. G. Petzl on IvSmyrna, 635; E. Collas-Heddeland, REG 108, 1995, 426. On the title of πρῶτα, πρῶτοι claimed by Smyrna see Moretti, loc. cit., 283 with note 1. 17 Stemma in IvEphesos VII, 1, p. 71 and in M. Domitilla Campanile, I sacerdoti del koinon d’Asia (1994), p. 187, no. XV, referring to p. 124, no. 134 (where our Daphnus is dated to “prima metà del III secolo d.C.”). The dating of the whole stemma depends on the γραμματεύς of ca. 212–8, Aur. Artemidorus, son of Thrason (IvEphesos, 300.9), who is supposed to have been the brother of the asiarch Aur. Daphnus. In reality, the γραμματεύς of 212–8 is to be placed at the top of the Artemidorus-Thra-
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The name of the person, who inscribed the text on the basis, Ἀλφοκρατίων, corresponds to the more common Ἀρποκρατίων. For the spelling Ἀλφοκρατ- instead of Ἀρποκρατ- compare, e. g., the dedication from Samos: Σεράπιδι, Εἴσιδι, Ἀνούβιδι, Ἀλφοκράτῃ κτλ. (IG XII 6,2, 600); the form Alfocration is attested in Rome (H. Solin, Die griechischen Personennamen in Rom [2nd ed., 2003] I 411); see also L. Threatte, The Grammar of Attic Inscriptions I (1980), 462, 467, 469.
4 Fl(avius) Balbus Diogenianus, proconsul Marble basis with plinth and cornice. The lines 4–7 are partly erased. Height 1.52, width 0.81, thickness 0.78; letter-height 0.02 to 0.03. {SEG LIII 1330} 4 8 12 16 20
Ἀγαϑῆι Τύχηι· Φλ. Βάλβον Διογενιανόν, φίλον τῶν κυρίων ἡμῶν Γ̣ ⟦ ⟧ΟΥ ⟦ ⟧ Αὐτοκράτορος Σεβ. καὶ ⟦ ⟧ ⟦ ⟧ εὐγενεστάτου Καίσαρος, τὸν ἀνδρειότατον καὶ ἁγνότατον ἀνϑύπατον ἡ πρώτη τῆς Ἀσίας κάλλει καὶ μεγέϑει καὶ λαμπροτάτη καὶ μητρόπολις καὶ τρὶς νεωκόρος τῶν Σεβαστῶν καὶ κόσμος τῆς Ἰωνίας κατὰ τὰ δόγματα τῆς ἱερωτάτης συνκλήτου Σμυρναίων πόλις, ἀναστήσαντος τὴν τειμὴν ἐπὶ τῶν ὅπλων στρατηγοῦ Μ. Σελλίου Ἱέρωνος, ἀποδεδειγμένου ἀσιάρχου καὶ νεωκόρου τῶν Σεββ.
son-genealogy: see C. Schulte, Die Grammateis von Ephesos (1994), 144, no. 15. Then the asiarch Aur. Daphnus belongs to the second generation after him and may well have been active in the late 240s.
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Translation To Good Fortune. For Fl(avius) Balbus Diogenianus, friend of our masters G⟦...... ..........................⟧ Imperator Aug(ustus) and ⟦......................⟧ the most noble Caesar, the most courageous and righteous Proconsul. The first (city) of Asia with regard to beauty and greatness, the most brillant, metropolis and thrice temple warden of the Augusti, ornament of Ionia, according to the decrees of the most sacred senate: the city of Smyrna (honours him). | M. Sellius Hieron, general of the men-at-arms, designated asiarch and temple-warden of the Augusti, erected the monument. The proconsul honoured by this inscription was unknown till now. He was in office under an Augustus ruling jointly with a Caesar, whose names have later been deleted by an act of damnatio memoriae. Since Augustus’ first name can be read as Γ, i. e. G(aius), it is most appropriate to think of Maximinus Thrax with his son Maximus (236–8)18 or – less probably – of Decius father and son (250–1)19. As for the proconsul Flavius Balbus Diogenianus, we cannot detect a clear candidate with whom he might be identified20. In this case the dedication is made not by an individual, but by the city itself which presents proudly its full title as it had developed in the IIIrd century21. The man responsible for the erection of the monument was Μᾶρκος Σέλλιος Ἱέρων, holding the local posts of στρατηγὸς ἐπὶ τῶν ὅπλων22 and νεωκόρος of the emperors23 and at the 18 For erasures of the names of Maximinus and Maximus see e. g. IvEphesos, 1107; SEG XXXVII 600 (Augusta Traiana). Greek inscriptions for both are registered in M. Peachin, Roman Imperial Titulature and Chronology, A.D. 235–284 (1990), 139–143. The inscription could have run Γαΐου Ἰουλίου Οὐήρου / Μαξιμίνου Αὐτοκράτορος / Σεβ. καὶ Γ. Ἰουλίου Οὐήρου / Μαξίμου εὐγενεστάτου / Καίσαρος. From IvEphesos, 1107 we know Valerius Messala as proconsul under Maximinus and Maximus (cf. W. Eck, RE Suppl. XV, 653, no. 250a), but there could be a free year for our Fl. Balbus Diogenianus. 19 Names of Decius and Herennius Etruscus deleted: J. Reynolds, Aphrodisias and Rome (1982), 141, no. 25, but erasures in their case are exceptional: Reynolds, p. 142; PIR2 V 2, p. 265. Moreover, it is not clear whether there is a free year for a new proconsul under Decius: see B. E. Thomasson, Laterculi Praesidum I, 236, no. 192 (Iulius Proculus Quintilianus) and 193 (Optimus? See K.-P. Johne, PIR2 V 3, 457, no. 129). 20 The only known Flavius Balbus so far is Q. Flavius Balbus, consul suffectus under Caracalla or Elagabal, who held the governorship of Arabia in an unknown year (B. E. Thomasson, Laterculi Praesidum I, 336, no. 47; P. M. M. Leunissen, Consuln und Consulare in der Zeit von Commodus bis Severus Alexander [1989], 268: “zwischen etwa 213 und 221”). Nearer to a date under Maximinus and Maximus would be the Flav[ius - - -]ian[us] of CIL XIII, 8017 (Bonn), governor of Germania inferior in 231 (W. Eck, Die Statthalter der germanischen Provinzen vom 1.–3. Jhdt. [1985], 213, no. 56; Leunissen, 181, note 234). 21 See G. Petzl, IvSmyrna II, 1, p. 268 ad nos. 594; 603.2–6; 637.2; L. Robert (– G. W. Bowersock – C. P. Jones), Le martyre de Pionios, prêtre de Smyrne (1994), 56; E. Collas-Heddeland, REG 108, 1995, 421. 22 For this function see G. Petzl, IvSmyrna II, 1, p. 268; L. Robert (– G. W. Bowersock – C. P. Jones) 67. 23 For the νεωκόρος τῶν Σεβαστῶν in Smyrna see G. Petzl, IvSmyrna II, 1, p. 76. The references given in Archaeological Reports for 1998–1999 (1999), 147 (S. Mitchell) and Bull. épigr. 1999, no. 452 (C. Brixhe) do not concern an unpublished text, but IvSmyrna, 596.
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same time designated for the function of asiarch. Smyrnaean coins from the reigns of M. Aurelius and Commodus show the name of a στρα(τηγὸς) Μ. Σέλλιος24 who may have been an ancestor of our man.
5 Attius Rufinus Metillianus, legatus pro praetore Marble basis with plinth and cornice. Height 1.83, width 0.93, thickness 0.83; letter-height 0.025 to 0.035. {SEG LIII 1331}
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Ἀγαϑῆι Τύχηι· Ἄττιον Ῥουφεῖνον Μετιλλιανόν, τὸν κράτιστον πρεσβευτὴν καὶ ἀντιστράτηγον, ὑὸν τοῦ λαμπροτάτου ἀνϑυπάτου Ἀττίου Ῥουφείνου, Μ. Κλ. Ἀπελλᾶς, ὑὸς ἀσιάρχου καὶ ὑμνῳδοῦ̣ ναοῦ ϑεοῦ Ἁδριανοῦ, στρατηγὸς ἐπὶ τῶν ὅπλων, τὸν ἑαυτοῦ καὶ τῆς πατρίδος εὐεργέτην.
Translation To Good Fortune. For Attius Rufinus Metillianus, the most excellent legatus pro praetore, the son of the most brilliant (clarissimus) Proconsul Attius Rufinus. M(arcus) Cl(audius) Apellas, son of an asiarch and hymnodos of the temple of deified Hadrianus, general of the men-at-arms, (honours) the benefactor of himself and of his native city.
24 R. Münsterberg, Beamtennamen, 105; D. O. A. Klose, Die Münzprägung von Smyrna in der römischen Kaiserzeit (1987), 331–3.
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The inscription records two officials, father and son, who were engaged in the same province: the father as governor, the son – who receives the honour – as one of his legates. This is not uncommon as has been shown from the collection of the relevant material by B. E. Thomasson25. Whereas the proconsul is given the appropriate title λαμπρότατος (clarissimus), the son is called κράτιστος according to a tendency not unknown in Greek imperial inscriptions26. Both were certainly members of a prominent senatorial family for which Ephesian origin has been postulated and which is known from inscriptions in Rome as well as in Asia and elsewhere27. In the IIIrd century we find one senator Attius Rufinus attested in Rome around 204, and his supposed homonymous son who functioned as governor in Syria in 24128. They have been tentatively identified with members of the Attii who exhibit the additional cognomen Clementinus (see note 27). The cognomen Metillianus given to the son | in our inscription is new within this family. For this reason a prosopographical connection cannot be established, particularly since it is not possible to fix the date of the inscription29. The dedicator M. Claudius Apellas, functioning as στρατηγὸς ἐπὶ τῶν ὅπλων (see note 22), is likewise unknown, as is his unnamed father who had combined the position of asiarch with the role of ὑμνῳδός at the temple of the deified Hadrian. The creation of a group of 24 hymnodoi by this emperor in 123 is documented by two Smyrnaean inscriptions (IvSmyrna, 594.3; 697.39), and several ὑμνῳδοί are otherwise attested in this city30. A peculiarity of our inscription is that it mentions expressly the temple of Hadrian. From the document IvSmyrna, 604 we know the senator Iulius Apellas in the time of Valerianus and Gallienus who seems to be related to a prominent Pergamene family. It is not impossible that the Apellas of our inscription had some connection with that family.
6 M. Valerius Turbo, proconsul Marble basis with plinth and cornice. Upper left and lower right corners are broken. Height 1.55, width 0.94, thickness 0.83; letter-height 0.025 to 0.030. {SEG LIII 1332}
25 B. E. Thomasson, Legatus. Beiträge zur römischen Verwaltungsgeschichte (1991), 60. 65–7. 26 See W. Eck, ZPE 37, 1980, 65; W. Günther, IstMitt 35, 1985, 190; cf. F. Millar, JRS 89, 1999, 94. 27 See W. Eck, ZPE 37, 1980, 45–48, no. III (with hypothetical stemma); H. Halfmann, Epigrafia e ordine senatorio (1982) II, 628–9. 28 For Attius Rufinus around 204 see PIR2 I, 274, no. 1364; for the governor in Syria Coele: B. E. Thomasson, Laterculi Praesidum I (1984), 316, no. 80. 29 Also the question of origin cannot be settled: τῆς πατρίδος in l. 20 most probably refers to the native city of the dedicator M. Claudius Apellas. 30 See J. Keil, ÖJh 11, 1908, 108–110; G. Petzl, IvSmyrna II, 1, p. 76. For the institution in general cf. H. Halfmann, Asia Minor Studien 1 (1990), 24–26.
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Ἀγαϑῆι Τύχηι· τὸν πάσῃ ἀρετῇ κεκοσμημένον καὶ διὰ πάσης πράξεως ἐληλυϑότα ἁγνότατον καὶ δικαιότατον καὶ ἀνδρειότατον ἀνϑύπατον τοῦ λαμπροῦ τῆς Ἀσίας ἔϑνους Μᾶρκ(ον) Οὐαλέρ(ιον) Τούρβωνα, τὸν λαμπρότατον ὑπατικὸν Ἀπολλ(ώνιος) Ῥύϑμος τὸν ἴδιον καὶ τοῦ οἴκου σύμπαντος κτίστην καὶ σωτῆρα.
Translation To Good Fortune. For the (man) adorned with every virtue, who has been successful in every achievement, the most honest and most righteous and most courageous Proconsul of the brilliant nation of Asia, Marc(us) Valer(ius) Turbo, the most brilliant consularis. Apoll(onios) Rhythmos (honours) the founder and saviour of his own person and of his entire house. The proconsul honoured with some peculiar expressions31, M. Valerius Turbo, was till now absent from the fasti of the province of Asia which here is designated by the term λαμπρὸν ἔϑνος32. Nevertheless, there can be a clue as to his identity: At Canusium a list registering the community’s patroni c(larissimi) v(iri) from 223 has in its last place M. Valerius Turbo iun(ior), with L. Valerius Turbo some lines before him (CIL IX, 338.27 and 32). There are discussions whether they were father and son or two brothers33. It is conceivable that M. Valerius Turbo, whatever his age in 223, could have reached the position of proconsul Asiae around the middle of the century. So he is to
31 For the formula πάσῃ ἀρετῇ κεκοσμημένον cf. J. and L. Robert, Bull. épigr. 1967, no. 595; Ch. Roueché, JRS 71, 1981, 106. Διὰ πάσης πράξεως ἐληλυϑότα can be compared to διὰ πάσης ἥκοντα ἀρετῆς in SEG XXXI 909.6 (Aphrodisias), with L. and J. Robert’s note on πρᾶξις in Claros I (1989), 24, note 54. For the combination of ἁγνότατος, δικαιότατος, ἀνδρειότατος see above note 4. 32 This use of ἔϑνος calls to mind a remark of D. Feissel – P.-L. Gatier, Bull. épigr. 1997, no. 632 (concerning the 6th century!): “ἔϑνος, à cette époque, équivaut à ἐπαρχία et désigne, sans plus, n’importe quelle province”. 33 Cf. PIR1 III, 378, nos 145 and 146; G. Barbieri, L’albo senatorio da Settimio Severo a Carino (1952), 232, nos 1177 and 1178 with p. 514; Hanslik, RE VIII A 1 (1955), 235, nos 369 and 370.
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be added also to the consular fasti of the thirties of the third century. Other relations of the family do not appear at present34. The dedicator, Apoll(onios) Rhythmos, has no title, but seems to have profited in an exceptional way from the proconsul’s help, since he adopts quite unusually the predicates κτίστης and σωτήρ for characterising Turbo’s role in their personal relations35.
Acknowledgement I would like to record here the kind help of W. Eck and G. Petzl, who made some remarks on the earlier draft, and of M. Errington, who revised our English.
34 There is one L. Valerius Turbo in an inscription at Ulmetum in Moesia recording a family: E. Dorutiu-Boila, Inscriptiones Scythiae Minoris V (1980), no. 72 (AE 1980, no. 811), but the family there seems to be of modest origin. 35 For some similar cases with σωτὴρ καὶ εὐεργέτης cf. L. and J. Robert, La Carie II (1954), 378, note 4; Bull. épigr. 1974, no. 402 (“nous soulignons que le titre de σωτήρ n’implique nullement un culte”).
41 Zum Beschluß von Abdera aus Teos Syll.3 656 Das Ehrendekret der Abderiten für zwei Bürger von Teos, die sich vermutlich kurz nach dem Perseuskrieg auf einer Gesandtschaftsreise in Rom für die Belange von Abdera, der an der thrakischen Küste gelegenen Tochterstadt von Teos, eingesetzt haben, ist ein aufschlußreiches historisches Dokument aus dem Bereich der Entwicklung diplomatisch-politischer Beziehungen zwischen Rom und griechischen Städten des Ostens in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Der Anlaß war eine akute Bedrängnis von Abdera durch Ansprüche, die der Thrakerkönig Kotys auf das Territorium (bzw. wohl Teile des Territoriums) der Küstenstadt erhob und für die er durch die Entsendung seines Sohnes in Rom die Zustimmung des Senats zu erwirken trachtete (Z. 5–9). Gegen diese Ansprüche haben die beiden teischen Bürger Amymon und Megathymos in intensiven Bemühungen den Standpunkt der Abderiten zur Geltung zu bringen versucht.1 Der Text der Inschrift, deren Kenntnis allein auf der Publikation von E. Pottier und A. Hauvette-Besnault aus dem Jahre 1880 beruht (BCH 4, 1880, 47–59), hat schon in der Zeit von der Erstedition bis zum letzten Abdruck in der Sylloge beträchtliche Veränderungen bzw. Verbesserungen durch abweichende Ergänzungsvorschläge und Konjekturen erfahren, besonders durch die Bemühungen von W. Dittenberger, A. Wilhelm, P. Foucart und | M. Holleaux,2 er ist aber auch seitdem noch durch Beiträge von A. Wilhelm und besonders L. Robert weiter gefördert worden.3 Die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Vorschläge und der Einführung noch weiterer Textverbesserungen hat L. Robert erst kürzlich betont, indem er der Inschrift zugleich einen hohen methodischen Wert im Hinblick auf die Ausbildung zu „konstruktiver Kritik“ zuerkannte.4
ZPE 7, 1971, 72–77 und 1 Abbildung. 1 Zur historischen Erklärung hat L. Robert sich wiederholt geäußert und dabei vor allem die verbreitete Fehlinterpretation, daß es um die Gefährdung der „Freiheit“ von Abdera und ihre Bestätigung durch die Römer gegangen sei, zurückgewiesen (BCH 59, 1935, 510–3 = OMS I 323–6; Hellenica V 57; CRAI 1969, 43 Anm. 1). Robert macht BCH 1935, 513 mit Recht darauf aufmerksam, daß wir über einen für Abdera positiven Ausgang der Affäre aus dem Text der Inschrift nichts erfahren. 2 Leider fehlt in der 3. Auflage der Sylloge der Hinweis auf den brieflichen Beitrag von M. Holleaux Syll.2 II p. 816, und ebenso ist Holleaux’s Ergänzungsvorschlag zu Z. 40 REA 3, 1901, 130 = Études I 324 Anm. 3 (ἀναδό]ντες oder ἀποδό]ντες) übersehen. 3 A. Wilhelm, Neue Beiträge VI (1921) 33 (ebenso Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts, Pragm. Akad. Athen 17,1, 1951, 79) zu Z. 47 (SEG XIII 408); L. Robert, BCH 59, 1935, 507–13 zu Z. 12, 17/8, 21, 24, 26/7, 47; REA 62, 1960, 327 Anm. 2 (OMS II 843) zu Z. 22 (unvollständig SEG XIX 687). 4 L. Robert, École Pratique des Hautes Études (IVe section). Annuaire 1968/9, 161: „C’est un texte comme privilégié pour l’enseignement de la critique. Il est en effet plein de fautes (lectures ou restitutions) dans cette édition [Michel 325], et il n’est pas non plus tout à fait satisfaisant dans l’édition Sylloge3 656. La constitution du texte en y incorporant les suppléments de M. Holleaux, Ad. Wilhelm
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Die folgenden Bemerkungen sollen diesen Bemühungen der bisherigen „Konjekturalkritik“ einige am Stein (bzw. Photographien und einem Abklatsch) gewonnene Beobachtungen an die Seite bzw. gegenüberstellen. Die Inschrift ist nämlich nach wie vor an derselben Stelle vorhanden, wo die beiden französischen Herausgeber sie vor 90 Jahren abgeschrieben haben, an einem großen Schöpfbrunnen am Südausgang der Ortschaft Seferihisar, der auch heute noch von den Einheimischen Ballıkuyu („Honigbrunnen“) genannt wird.5 Dort konnte ich mich gelegentlich zweier kurzer Besuche in Teos in den Jahren 1966 und 1969 mit dem Stein beschäftigen. Von der in der Längsrichtung in zwei Hälften zerschnittenen Stele ist die linke senkrecht an der Außenseite des Brunnens verbaut und demgemäß recht gut erhalten, die rechte liegt waagerecht mit der Schrift nach oben auf der Oberseite und ist infolgedessen stärker abgetreten. Bei näherem Zusehen und besonders auch intensiverer Heranziehung von Photos (Abb. 1) und Abklatsch zeigt sich aber, daß trotz der langen inzwischen vergangenen Zeit dem Original durchaus noch Lesungen, die über die Abschrift von Pottier und Hauvette-Besnault hinausgehen, abzugewinnen sind. Soweit ich mir des Befundes sicher bin, seien diese Ergebnisse hier mitgeteilt; einige weitere mir problematische Details bedürften einer nochmaligen Nachprüfung am Stein. Z. 12: ἄνδρες καλοὶ καὶ ἀγαϑοὶ καὶ ἄξ[ιοι τῆς ἰδ]ίας πατρίδος nach L. Robert, BCH 1935, 508 Anm. 2; das auf dem Stein erkennbare ΙΑΣ führt auf die Bestätigung der Konjektur. Z. 13: καὶ εὖνοι τῶι ἡμετέρωι δήμωι ὄ[ντες τὴ]ν πᾶσαν σπουδὴν … εἰσήνεγκαν. Die Herausgeber hatten vor der Lücke ΟΙ notiert, was seit Dittenberger stillschweigend in ὄ[ντες korrigiert wurde. Auf dem Stein ist aber deutlich ΟΙΤ erkennbar, mithin muß unter Wegfall des Partizips οἵτ[ινες τὴ]ν ergänzt werden. Ζ. 14: [προϑ]υ̣μίας statt προϑυμ]ίας. Z. 17/8: Eine Bestätigung der Konjektur Roberts ἀ|ρίστην statt ἀρατήν vermag ich nach dem mir erkennbaren Befund des hier lädierten Steines nicht beizubringen. Vielleicht hilft nochmalige Nachprüfung am Original weiter. Z. 18: ὑ[πὲρ τῶ]ν ἀπορουμένων statt [περὶ … Z. 18/9: προ|τιϑέντες γνώμην. Das Zeilenende ist schwer zu erkennen, es scheint aber mehr für das Kompositum προστιϑέντες zu sprechen, wie es sich auch in den von Robert, BCH 1935, 509 beigebrachten Parallelen findet. Z. 19: A. Wilhelm hat GGA 1898, 227 das ΕΙΣΤΗ[ der Erstherausgeber in εἴς τε Ῥ[ώμην π]ρεσβεύσαντες verbessert, was allgemein übernommen wurde (Syll.3 εἴς τε [Ῥώμην). Auf dem Stein ist nicht mehr als ΕΙΣΤΙ zu erkennen, also εἴς τε̣ [Ῥώμην.
et autres, avec d’autres suppléments à introduire, est éminemment apte à former à la critique constructive.“ 5 An demselben Brunnen ist oben als Bekrönung die innen ausgehöhlte Basis CIG 3124 = Le Bas – Waddington 109 verbaut.
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Z. 20: Die Verbesserung des ἰδιοπαϑίαν der Herausgeber in οπαϑίαν durch Holleaux und Wilhelm6 wird durch den Befund κ[α]κοπαϑίαν aufs beste bestätigt. Z. 22: καὶ ἐξομηρευόμενοι διὰ τῆς καϑ’ ἡμέρα[ν προσκυν]ήσεως Pottier und Hauvette-Besnault sowie die Späteren, ἀπαντ]ήσεως Robert, REA | 1960, 327 Anm. 2. Die Spuren auf dem Stein, vornehmlich auch auf der Photographie, führen deutlich auf ]τερήσεως, wofür mir nur die Ergänzung καρ]τερήσεως geeignet erscheint. Das Kompositum προσκαρτέρησις (vgl. IG XII Suppl. 249, 8) dürfte für die Lücke zu lang sein. Z. 22/3: καταστησάμε|νοι … τοὺς πάτρωνας … εἰς τὴν … βοήϑειαν. Die Formel hätte eigentlich schon Anstoß erregen sollen. Auf dem Stein steht tatsächlich das dafür adäquate παραστησάμενοι (vgl. zuletzt IstMitt 15, 1965, 73 {hier S. 257} II 1 παραστησά μενος αὐτὴν εἰς τὸ λαβεῖν …, dazu im Kommentar S. 79 {hier S. 262 f.}). Z. 23: τοὺς πάτρωνας τῆς [πατρί]δος. Der Befund führt auf [πόλ]εως. Z. 26/7: ἐπὶ τῶν ἀτρί|ων ist sicher, wie schon von Robert, BCH 1935, 509 Anm. 1 unter Hinweis auf den Abklatsch der Erstherausgeber betont wird. Danach erscheint ebenso deutlich ἐφιλοποιοῦντο; zur Gliederung der vorausgehenden Konstruktion und sachlichen Erklärung (mit Richtigstellung der Fußnote 7 der Sylloge) ist auf Robert, BCH 1935, 512–3 zu verweisen. Z. 30: σ[τεφανοῦσ]ϑαι χρυσῶι στεφάνωι ἐν ἀγ[ῶνι. Zu lesen ist am Zeilenende vielmehr ἐς ἀεί. Ζ. 35: ἐπὶ ἱερέως Η[. . . . . . Ich erkenne ΗΡΑ[. . . . . Z. 37: ἵνα [πάντες γ]ινώσκ̣ωσιν. Die Verbesserung Wilhelms (AM 1914, 186) aus dem ΙΝΩΣΙΔΩΣΙΝ der Herausgeber wird glänzend bestätigt. Allerdings macht die gleich folgende Neulesung des Zeilenendes 38 eine syntaktische Umstellung notwendig: Der ἵνα-Satz ist nicht mit dem Vorhergehenden zu verbinden (Errichtung einer Stele in Abdera), sondern gehört zu dem nachfolgenden Gedanken (Entsendung einer Gesandtschaft nach Teos). Daher schlage ich vor: … ἀγορᾶς· ἵνα [δὲ Τήϊοι γ]ινώσκ̣ ωσιν. Ζ. 38/9: πρὸς τ[οὺς καλοὺς] καὶ ἀγαϑοὺς [τῶν] ἀν[δρῶν. Καὶ ἑ|λέσϑωσαν οἱ νομοφύλακ[ες πρεσβε]υτὰς δύο … Der Stein läßt erkennen ἀγαϑοὺς τῶν ἀνδρῶν, ἑ|λέσϑωσαν … In Ζ. 39 am Anfang scheint tatsächlich Δ zu stehen, also ἑ‹λ›έσϑωσαν. Z. 42: πρεσβευταῖς am Zeilenende ist deutlich. Z. 43: Am Ende erkenne ich ἐν ἧι καί … Z. 44/5: Es heißt (wie zu erwarten) τὸ δ]ὲ γενόμενον ἀνάλωμα εἴς τε τὴν στήλην καὶ τὴν ἀναγ[ραφὴν] τοῦ ψηφίσματος. Ζ. 45/6: ἀπο[. . .]|μενοι die Herausgeber, ἀπο[λογισά]|μενοι Wilhelm. Der Stein ergibt ἀπογραψά|μενοι. Z. 46: Das κομι[ζόμενοι der Herausgeber hat Wilhelm erst in κομι[ζόντων], später (Neue Beiträge VI, 33 und Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts 79) in
6 Dittenberger schrieb Syll.2 303 (κακ)οπάϑ(ε)ιαν: dagegen richtet sich die per se nicht verständliche Anm. 6 in der 3. Aufl. der Sylloge: „sed -ϑίαν tolerandum est“.
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κομι[σάσϑων] verbessert. Ich lese κομισ̣ά̣[σ]ϑ̣ ωσαν mit der auch sonst in der Inschrift verwendeten Pluralendung (Z. 36, 38/9). Z. 47/8: Es ist zu trennen νομοφυλά|κων, wie es dem in der Inschrift angewandten Prinzip der Silbentrennung entspricht. Zur Erklärung des Finanzierungsvorgangs, der unter Einschaltung der staatlichen Bank von Abdera erfolgt zu sein scheint, zuletzt R. Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques, Leiden 1968, 118–9. Vorher hatte L. Robert BCH 59, 1935, 509 Anm. 2 auf die Schwierigkeit der Stelle hingewiesen und dabei in der Lücke von Z. 47 statt des von A. Wilhelm, GGA 1898, 227 als sachlich nicht befriedigend bezeichneten ϑεμέν[ων αὐτοῖς] τὸ διπλάσιον die Einsetzung von ἐφόδιον] τὸ διπλάσιον erwogen, was von Bogaert nicht registriert worden ist.
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Zum Abschluß sei angemerkt, daß bei der letzten Kampagne der türkischen Ausgrabungen beim Dionysostempel von Teos im Jahre 1966 unweit der Stelle, die uns die große Dokumentation über Antiochos den Großen geliefert hat (Anadolu 9, 1965, 29–159), eine Stele mit einem weiteren Beschluß der Stadt Abdera aufgedeckt wurde, die ich 1966 nach Abschluß der Grabung gesehen habe und, weil sie noch nicht zugänglich war, 1969 freilegen lassen konnte. Unterhalb des Giebelfeldes, das von einem nach rechts gerichteten Greifen, offensichtlich dem παράσημον der Stadt Teos,7 geziert ist, steht in einem | Kranz ὁ δῆμος | ὁ Ἀβδηριτῶν | τὸν δῆμον. Der Text des folgenden, weiter unten verstümmelten Beschlusses selbst ist allerdings so verwittert, daß weder gemeinsame Bemühungen mit Herrn cand. phil. R. Bernhardt am Stein selbst noch die Heranziehung von Abklatsch und Photographien bisher zu einer Lesung geführt haben. Es wäre denkbar, daß dieser Neufund insofern eine Ergänzung des oben besprochenen Dokuments darstellt, als er vielleicht eine gleichzeitig mit der Auszeichnung der beiden teischen Gesandten vorgenommene Ehrung auch des Demos von Teos durch die Abderiten enthält.
7 Zur Abbildung von städtischen Emblemen auf Inschriftstelen (vor allem Proxeniedekreten) s. A. Wilhelm, Beitr. zur griech. Inschriftenkunde 11 f. und zuletzt L. Lacroix, Les ‚blasons‘ des villes grecques (Études d’Arch. Class. I 1955/6 = Annales de l’Est, publ. par la Fac. des Lettres de l’Univ. de Nancy, Memoire No. 19) 91–114, bes. 110–3 (dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1959 n. 30; L. Robert, Monnaies antiques en Troade (1966) 52 Anm. 4). Nun ist der Greif allerdings Wappentier sowohl von Teos als auch seiner Tochterstadt Abdera, mit dem Unterschied, daß das Tier in Teos nach rechts gewandt ist, in Abdera in der Regel nach links: s. Die antiken Münzen von Nord-Griechenland II 1,1: Die antiken Münzen von Thrakien (M. L. Strack) 1912, 5. Demnach wäre in dem vorliegenden Fall an das Wappen von Teos zu denken. Das entspräche auch der von Lacroix a. a. O. 113 erwähnten allgemeinen Regel, „selon laquelle on appose sur un décret honorifique l’emblème de la cité bénéficiaire“. Daß dabei in einer Stadt eine Stele mit dem eigenen Wappen errichtet wird, ist selten, kommt aber vor; M. Holleaux, Études II 116 Anm. 1 nennt zwei Beispiele aus Magnesia am Mäander, von denen das zweite (IvMagnesia 90) eine Parallele für unseren Fall abgeben kann: Auf einem in Magnesia aufgezeichneten Ehrenbeschluß von Antiocheia für einen Richter aus Magnesia erscheint das Wappen von Magnesia selbst.
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Abb. 1: Ehrendekret von Abdera für Bürger aus Teos (Syll.3 656, linke Hälfte)
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42 Eine berühmte Familie in Teos Epigraphische Nachlese Mit der ionischen Küstenstadt Teos verbindet sich eine Etappe in der Karriere von Baki Öğün als Ausgräber: seine dort in den Jahren 1963–1966 gemeinsam mit Yusuf Boysal in Angriff genommenen Untersuchungen am Dionysos-Tempel, am Buleuterion, am Theater. Dabei ergab sich für mich die glückliche Chance, dank eines großzügigen Angebots den spektakulärsten epigraphischen Fund dieser Jahre, die Dokumentation über die Beziehungen der Stadt zu Antiochos dem Großen, bearbeiten und in die wissenschaftliche Diskussion einbringen zu dürfen1. Einigen weiteren kaiserzeitlichen Inschriften von den genannten drei Fundplätzen ist allerdings die Veröffentlichung noch vorenthalten geblieben. Ich benutze die hier sich bietende Gelegenheit, dieses sehr alte Desiderat endlich zu erfüllen und dem Jubilar als Festgabe zu präsentieren. Es geht um einige neue Erkenntnisse, die sich aus den Inschriften für eine in Teos schon mehrfach bezeugte, sehr prominente Familie der hohen Kaiserzeit ergeben. Da einzelne ihrer Glieder zu Funktionen im provinzialen Kaiserkult aufgestiegen sind, hat diese Familie erst kürzlich in der sehr gründlichen Untersuchung von Maria Domitilla Campanile, I sacerdoti del koinon d’Asia von 1994 eine detaillierte Behandlung erfahren2. Von dieser Basis ausgehend kann ich mit Hilfe der hier vorzulegenden fünf Inschriften einige Weiterungen und Ergänzungen beisteuern.
1 Tiberius Claudius Philistes, „neuer Athamas“ Dieser Mann ist in Teos bereits durch drei seit dem 18. Jh. bekannte Inschriftentexte bezeugt, die August Boeckh in seinem Corpus zum ersten Mal zusammengefaßt hatte3. Sein Name war allerdings, wie sich jetzt zeigt, noch nicht in ganz korrekter Form erfaßt worden.
C. Işık (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens und des ägäischen Bereiches. Festschrift für Baki Öğün zum 75. Geburtstag (Asia Minor Studien 39), Bonn 2000, 87–97. 1 Antiochos der Große und Teos, Anadolu (Anatolia) 9, 1965 (1967), 29–159. Die Texte auf dem letzten Stand in SEG XLI 1003–5. 2 Die Untersuchung (Studi Ellenistici VII, 1994) trägt den Untertitel Contributo allo studio della romanizzazione delle élites provinciali nell’Oriente greco. Die in Rede stehende Behandlung betrifft 42 f. n. 18, mit dem Stemma 1, 179. 3 CIG 3081. 3082. 3083; die Texte sind wiedergegeben in IGR IV 1569. 1568. 1570 sowie in der auf Computerbasis erstellten Materialzusammenstellung von D. F. McCabe – M. A. Plunkett, Teos Inscriptions, 1985, unter den Nummern 271. 27. 38.
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1. Inv.-Nr. 10: Bekrönung einer Statuenbasis aus grauem Marmor, unten gebrochen, in zwei aneinanderpassende Stücke zerbrochen. Auf der Oberseite zwei Standlöcher sowie ein Stützloch für eine Statue. H. 37 cm (Schriftfläche 19); B. 81,5 cm; D. 89 cm; Buchstabenhöhe 3–4 cm. Gefunden 1963 bei der westlichen Parodos des Theaters. {SEG LI 1615 mit der hier befolgten Korrektur der „certainly type errors“}
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Τιβέριον Κλαύδιον Μνασιμάχου καὶ τοῦ Δήμου υἱόν, φύσει δὲ Ἑρμοϑέστου, Κυρείνα Φιλιστέα, Τηΐων νέον 4 Ἀϑάμαντα. Die Ehrung galt dem Ti. Claudius Philistes, der als römischer Bürger der Tribus Quirina angehörte. Er war Adoptivsohn eines Mnasimachos sowie „des Demos (von Teos)“, leiblicher Sohn eines Hermothestos, und er führte den Ehrentitel „neuer Athamas“. Alle diese Elemente waren durch die oben erwähnten Inschriften bereits bekannt, mit der kleinen Abweichung, daß der Name des Adoptivvaters Mnasimachos erst hier korrekt ermittelt werden konnte4, und daß für den Beinamen die richtige Form Φιλιστῆς erst durch den unter Nummer 2 folgenden Text bestätigt wird5. Die Namensform entspricht der speziell in Ionien verbreiteten Kontraktion von -έας zu -ῆς, wobei für Φιλιστῆς besonders ein häufigeres Vorkommen in Chios zu konstatieren ist6. Interesse erregt hat dieser Mann durch die Benennung als „Sohn des Demos“, die eine ehrenhalber erfolgte „Adoption“ durch die als personifiziert zu verstehende Stadtgemeinde signalisiert, wie das im besonderen L. Robert herausgestellt hat7. Daß in dem „neuen Athamas“ ein Rückbezug auf den mythischen Stadtgründer von Teos, den Minyer Athamas, enthalten ist und gleichzeitig zum Ausdruck kommen soll, daß der Geehrte sich als „neuer“ Stadtgründer hervorgetan hat, ist schon von 4 Der nur in CIG 3081 voll erhaltene Name war dort offensichtlich fehlerhaft als Μασιμάχου wiedergegeben und wurde von Boeckh und den Späteren so übernommen und auch in den beiden anderen Inschriften 3082 und 3083 ergänzt, nur bei Le Bas – Waddington 108 (CIG 3083) abweichend als Μ[ενε]μάχου eingesetzt (so auch McCabe – Plunkett). Lediglich L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée, 1969, 318 Anm. 4 hatte Anstoß genommen: „Le nom reproduit dans IGR, Μασιμάχου, me paraît impossible et n’est pas fondé.“ 5 Aus der Akkusativform Φιλιστέα hatte man den Nominativ Φιλιστεύς erschlossen, den Boeckh dann auch in CIG 3081, 3 trotz der hier richtig abgeschriebenen Form durch Korrektur herstellen wollte (ebenso: IGR, McCabe – Plunkett). Die Wiedergabe mit Philistios bei L. Robert, REG 94, 1981, 354 (OMS VI 448) ist ein Versehen. 6 Zu den Namen auf -ῆς s. L. Robert, RPhil 33, 1959, 233 Anm. 6 (OMS V 263); G. Daux, BCH 91, 1967, 20 f.; O. Masson, REG 80, 1967, 28 f. (Onomastica Graeca Selecta 194). Im Lexicon of Greek Personal Names I 463 ist Φιλιστῆς für Chios mit 6 Belegen angeführt (dazu vielleicht SEG XLI 717 A 34). Th. Ch. Sarikakis, Χιακὴ Προσωπογραφία, 1989, 453 f. verzeichnet 9 Personen dieses Namens. 7 L. Robert, Laodicée du Lycos 317–320, wo unter no. 2 das Beispiel aus Teos verzeichnet wird. Vgl. zu dem Usus auch C. P. Jones, Glotta 67, 1989, 196: „in most, perhaps all, of these cases, actual adoption seems to have occurred, however strange that may appear to modern eyes“.
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Boeckh gesehen und seitdem wiederholt aufgenommen worden8. Allerdings vermögen wir die Leistungen des Philistes in dieser Hinsicht nicht zu konkretisieren, da die beiden seine Verdienste rühmenden Ehreninschriften hier sehr vage bleiben, im einen Fall immerhin ἀναλώματα und ἀναϑήματα erwähnen9. Durch eben diesen Text waren im besonderen | Zuwendungen herausgehoben worden, die Philistes als zum 3. Mal fungierender Agonothet der in Teos veranstalteten Dionysia Kaisareia geleistet hatte10. Die folgende neue Inschrift lehrt ihn uns als Inhaber des Priestertums des Dionysos kennen. 2. Ohne Inv.-Nr.: Block aus grauem Marmor, vollständig erhalten. In die roh behauene Vorderseite ist in einem vertieften Feld in flachem Relief eine tabula ansata eingelassen. H. 58 cm; B. 108 cm; D. 32 cm; Buchstabenhöhe 3,5 cm. Gefunden 1966 südwestlich vom Dionysos-Tempel; jetzt im Archäologischen Museum von İzmir. {SEG LI 1617} Τιβέριος Κλαύδιος Μνα σιμάχου καὶ τοῦ Δήμου υἱός, φύσει δὲ Ἑρμοϑέσ 4 του, Κυρείνα Φιλιστῆς, ἱε ρεὺς Διονύσου, ἤρξατο ἱε ρητεύειν πρυτανεύον τος Μάρκου Μουνατίου 8 Κλάρου νεωτέρου. Der Block dürfte, wie ein weiteres im Jahre 1966 gefundenes Beispiel zeigt, von einer Wand stammen, auf der in der hier vorliegenden Form die Dionysos-Priester mit jeweiliger Nennung des Jahres ihres Amtsantritts registriert waren. Da Philistes nicht den Ehrentitel νέος Ἀϑάμας führt, stammt die Inschrift vielleicht aus einer etwas früheren Phase seines Lebens. Der dritte neue Beleg für unseren Mann gibt Kunde von seiner über die Heimatstadt Teos hinausreichenden Bedeutung.
8 Vgl. dazu Robert a. a. O. 318 mit Anm. 5; ders., REG 94, 1981, 354 (OMS VI 448) mit Anm. 76; R. Merkelbach, EpigrAnat 1, 1983, 29; J. H. M. Strubbe, AncSoc 15–17, 1984–86, 297 f. Zur Rolle des Athamas als Gründers von Teos s. W. Ruge, RE V A 1, 1934, 543 f.; Robert a. a. O. (1981 Anm. 76) weist auf die durch F. Imhoof-Blumer erkannte Darstellung des Athamas auf Münzen von Teos hin (s. LIMC II 2, 701 u. 12). 9 CIG 3083 (IGR 1570) sagt von ihm nur (Z. 5) πολλὰ καὶ μεγάλα καὶ καϑ’ ἕνα καὶ κοινῇ τῇ πατρίδι παρεσχημένον. CIG 3082 (IGR 1568), eine Ehrung durch die dionysischen Techniten zum Anlaß seiner 3. Agonothesie, geht vor allem auf finanzielle Aufwendungen ein, wobei allerdings der Zusammenhang sich nicht herstellen läßt (hier Z. 13 f. die ἀναλώματα und ἀναϑήματα). 10 L. Robert, REG 94, 1981, 354 (OMS VI 448) Anm. 75 mit der richtigen Ergänzung Διον[υσίων] statt Διον[υσιακῶν].
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3. Inv.-Nr. 11: Oben und unten mit Profil versehener Block aus grauem Marmor, von Beschädigungen an den Ecken, besonders rechts, abgesehen vollständig erhalten. Oben und hinten nur roh bearbeitet. Keine Einlassungen auf der Oberseite. H. 53,5 cm; B. 83 cm; D. 74 cm; Buchstabenhöhe 2–2,5 cm. Gefunden 1964 in Sturzlage an der östlichen Theater-Parodos. {SEG LI 1616} Τι. Κλαύδιον Μνασιμάχου καὶ το[ῦ Δήμου] υἱόν, φύσει δὲ Ἑρμοϑέστου, Κυρείνα Φιλισ[τέα], Τηΐων νέον Ἀϑάμαντα (vac.) ἡ Κλαζομενίω[ν] 4 ἱερὰ γερουσία ἐτείμησεν τὸν ἑαυτῆς εὐερ γέτην τῆς εἰς αὐτὸν εὐχαριστίας ἕνεκ(εν)· ἐπιμεληϑέντος Τίτου Φλαουίου Τειμοϑέου. 90
Z. 5: Nach dem K folgt trotz freien Platzes kein weiterer Buchstabe. Es ist, als ob der Steinmetz nicht gewußt hätte, ob er ἕνεκα oder ἕνεκεν schreiben sollte.
Diese von der Nachbarstadt von Teos ausgehende Ehrung enthält, wenn ich recht sehe, die erste Bezeugung einer ἱερὰ γερουσία für Klazomenai, während die γερουσία als solche schon belegt war11. Nach dem Namen des Epimeleten, ob er nun Klazomenier oder Teier war, ist als Anhaltspunkt für die Datierung die Zeit ab den Flaviern anzusetzen, also das ausgehende 1. Jh. n. Chr. Über den Adoptivvater unseres Philistes, Mnasimachos, sind keine weiteren Zeugnisse zu finden. Anders steht es um seinen leiblichen Vater Hermothestos, der einen relativ seltenen Namen führt. Von zwei Belegen aus Kolophon abgesehen ist er gerade in Teos mehrmals bezeugt12. Dazu ist ein Dokument zu stellen, das gerade für unser Thema hohes Interesse besitzt: Ein gegen 1880 in Seferihisar aufgenommener Text, der in die ominöse Gruppe der πύργος-Inschriften von Teos gehört, lautet [Τιβέρ]ιος Κλαύδιος, [ ]ωβρότου υἱός, / [φύ]σει δὲ Ἑρμοϑέστου, / [Κ]υρείνα Ζηνόδοτος τὸ βʹ, / [τ]οῦ Φιλαίου πύργου, Κυδωνίδης13. Hierzu gesellt sich nämlich 11 IvErythrai und Klazomenai n. 430 und 516 (ἡ φιλοσέβαστος γ.) Für ἱερὰ γερουσία vgl. die Bemerkung von L. Robert, Hellenica XIII 209. Kein Beleg für Klazomenai in der Zusammenstellung bei J. H. Oliver, The Sacred Gerusia (Hesperia Suppl. VI, 1941). Die Arbeit von J. A. van Rossum, De Gerousia in the Griekse steden van het Romeinse Rijk (Diss. Leiden 1988) war mir nicht zugänglich. 12 Auf Belege wird man durch eine Aufzählung bei W. H. Buckler, JHS 37, 1917, 106 geführt. Für Kolophon s. Μουσεῖον καὶ Βιβλιοϑήκη τῆς Εὐαγγελικῆς Σχολῆς V 2, 1886, 90 n. 581 Ἑρμόϑεστος Ἑστιαίου und BMC Ionia 39 n. 24 ΕΡΜΟΘΕΣ (Münsterberg, Beamtennamen 82; ca. 400–350). Teos: CIG 3064, 16 Ἑρμ[όϑ]εστος, ἐκ τοῦ Ἰσϑμίου πύργου, Λεωνίδης (s. u. Anm. 15); 3089, 8 = A. Brinck, Inscr. Graecae ad choregiam pertinentes (Diss. Halle 1885) 212 n. 103 χορηγὸς Ἑρμόϑεστος Ἑρμοϑέστου. 13 E. Pottier und A. Hauvette-Besnault, BCH 4, 1880, 174 n. 34 (McCabe – Plunkett n. 272). Anschließend folgt noch [Κλα]υδία Τιβερίου ϑυ/[γάτη]ρ, worauf der Text abbricht (möglicherweise verdeckt war).
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als enge Parallele einer der altbekannten Belege für unseren Φιλιστῆς, wo auf die demselben Schema folgende Namensnennung im Nominativ genau dieselbe Angabe τὸ βʹ und τοῦ Φιλαίου πύργου folgt14. Wir gewinnen dadurch also einen leiblichen Bruder Zenodotos zu unserem Philistes hinzu, der allerdings einem anderen Adoptivvater zugeordnet wurde. Der Tatbestand ist bereits von D. W. S. Hunt herausgehoben worden, als er (im Anschluß an Ed. Meyer und Wilamowitz) seine These von den Pyrgoi als „feudal survivals in Ionia“ entwickelte, wonach es sich um befestigte Adelssitze in der teischen Landschaft handelte, für die in den Inschriften zugleich die aktuellen | Besitzer und der Name des Geschlechts angeführt würden15. Wie immer es sich hinsichtlich des Zwecks und der konkreten Aussagen der parallel gefaßten Inschriften verhält, daß für einen und denselben πύργος zwei Brüder hervortreten, ist jedenfalls ein gut erklärbarer Tatbestand. Nun drängt sich aber für den Namen des Adoptivvaters des Ti. Claudius Zenodotos eine Ergänzung auf, die uns sogleich in der Betrachtung der prominenten Familie einen Schritt weiterführen wird: Es kann nur [Καλ]ωβρότου υἱός heißen, wie im besonderen durch die hier folgende Inschrift und weitere schon bekannte Texte erhärtet wird.
2 Tiberius Claudius Kalobrotos 4. Inv.-Nr. 23: Große Basis aus grauem Marmor, oben und unten mit Profil versehen, wobei oben an drei Seiten Giebel herausgearbeitet sind. Die Basis ist ganz erhalten, sie weist auf der Oberseite Standspuren einer Statue auf. H. 150 cm; B. 75 cm (Schaft 58–61); D. 66 cm (Schaft 58); Buchstabenhöhe 4 cm. Gefunden 1963 in der Cavea des Buleuterions in einer Sitzreihe, dort wieder aufgerichtet (Abb. 1). {SEG LI 1618} Τι. Κλαύδιον Καλώβροτον Κλαύδιος Φη 4 σεῖνος τὸν πατέρα
14 CIG 3081 (IGR IV 1569; McCabe – Plunkett n. 271) Τιβέριος Κλαύδιος / Μ‹ν›ασιμάχου υἱός, φύσει / δὲ Ἑρμοϑέστου, Κυρείνα, / Φιλιστῆς τὸ βʹ / τοῦ Φιλαίου πύργου. Auch diese Inschrift war in Seferihisar abgeschrieben worden. 15 D. W. S. Hunt, JHS 67, 1947, 68–76. Zur gleichen Dokumentation gehört noch die längere Liste CIG 3064, in der Z. 9 auch ein Ἀρτέμων, τοῦ Φιλαίου πύργου, Φιλαίδης und Z. 16 der in Anm. 12 genannte Ἑρμόϑεστος angeführt werden. Keine Erklärung habe ich allerdings für die Bedeutung der Iteration τὸ βʹ in den beiden parallelen Inschriften. – Zur Deutung der πύργοι vgl. auch J. u. L. Robert, JSav 1976, 174 (OMS VII 318): „On admet que ce sont des domaines fortifiés dans la campagne.“
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Die Inschrift ist bereits im Kommentar zu IvEphesos 232 angeführt worden und hat von daher auch schon Berücksichtigung in der neueren Literatur gefunden, wie noch zu zeigen sein wird. Der seltene Name Καλώβροτος ist auf Münzen der phrygischen Stadt Okokleia in der Zeit des Commodus bezeugt, einmal mit dem Gentile Claudius und einmal mit dem Asiarchen-Titel versehen16. Wichtiger ist aber sein Vorkommen in einem fragmentarisch erhaltenen Ehrenbeschluß aus Chios, dessen Bedeutung L. Robert in einer scharfsinnigen Untersuchung erschlossen hat17. Nach seiner Rekonstruktion gilt das in die Zeit Neros gehörige Dokument einer verdienten Frau, deren Namen Robert mit Hilfe weiterer Fragmente als Κλαυδία Μητροδώρα, Σκυϑείνου ϑυγάτηρ, φύσει δὲ Καλωβρότου hergestellt hat. Die von Robert kombinierten Bruchstücke lassen erkennen, daß Claudia Metrodora in Chios die Funktionen der (eponymen) Stephanephorie und der | Agonothesie wahrgenommen und sich durch finanzielle Aufwendungen, im besonderen in Verbindung mit dem Bau eines Bades, hervorgetan hat18. Auf die für die prosopographische Forschung wichtige Erkenntnis, daß die prominente Dame aus Chios mit hoher Wahrscheinlichkeit eben eine leibliche Tochter des durch die teische Inschrift Nr. 4 geehrten Ti. Claudius Kalobrotos ist, und daraus sich ergebende weitere Folgerungen wird sogleich einzugehen sein. Zunächst ist aber noch ein letztes epigraphisches Dokument aus Teos vorzulegen, das dem Sohn des Kalobrotos und Errichters der Ehreninschrift Nr. 4 gilt.
3 Tiberius Claudius Phesinos 5. Inv.-Nr. 22+14: Oberer Teil einer Basis aus grauem Marmor, unten gebrochen. Oben Profil und an drei Seiten ausgearbeiteter Giebel, auf der Oberseite Standspuren einer Statue. Das kleine Fragment Inv.-Nr. 14 konnte links oben an die Inschrift angepaßt werden. H. 74 cm; B. 76 cm (Schaft 61); D. 67 cm (Schaft 61); Buchstabenhöhe 3,7–4 cm. Gefunden 1964 im Buleuterion (Abb. 2). {SEG LI 1619}
16 H. von Aulock, IstMitt Beih. 25, 1980, 80, 140 f. Die Bemerkung von Aulocks, daß der Name bei R. Münsterberg, Beamtennamen fehle, trifft nicht zu: er steht dort S. 169. In den Nachträgen [47] = 88 hat Münsterberg überdies auf das Vorkommen des Namens auch in Chios und Teos aufmerksam gemacht. Der Asiarch Claudius Calobrotus ist verzeichnet bei Domitilla Campanile (s. o. Anm. 2) 74 n. 61. 17 E. Zolotas, Ἀϑηνᾶ 20, 1908, 236 n. 49 (IGR IV 946); dazu L. Robert, Ét. épigr. et phil., 1938, 128–150 „Inscriptions de Chios du Ier siècle de notre ère“ (danach D. F. McCabe – J. V. Brownson, Chios Inscriptions, 1986, n. 17). 18 Die Zuweisung eines 1955 von A. P. Stephanou bekannt gemachten Fragments durch J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1956 n. 213 ist durch die Revision des Textes durch W. G. Forrest (SEG XV 532) zweifelhaft geworden, sofern dessen Lesung Ἡδῆαν zuverlässig ist. Das ist übersehen bei R. A. Kearsley und R. van Bremen (s. u. Anm. 19). Dieselbe Vermengung zweier möglicherweise zu trennender Personen begegnet auch in dem Artikel von Th. Ch. Sarikakis, Χιακὴ Προσωπογραφία, 1989, 267 n. 96.
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Τι. Κλαύδιον Φη σεῖνον ἀρχιερέα [Ἀσ]ίας vacat [- - ? - -] Die Inschrift ist bereits (ohne die Spuren der Zeile 3) im Kommentar zu IvEphesos 232 angeführt worden. Ob sie auf dem verloren gegangenen unteren Teil des Monuments noch weiterging, muß offen bleiben. Es ist deutlich, daß die Statuenbasen Nr. 4 und 5 einander entsprechende Ausstattungsstücke des Buleuterions darstellen, daß also Vater und Sohn hier im Sitzungsraum in prominenter Weise Aufstellung gefunden hatten. Mindestens drei weitere bei der Freilegung des Buleuterions gefundene kleine Fragmente mit den Namenselementen Tiberius und Kalo[brotos] legen die Annahme nahe, daß dazu noch weitere Ehreninschriften für Angehörige der Familie vorhanden waren. Speziell die (provisorische) Mitteilung der Inschriften Nr. 4 und 5 im 2. Band der Inschriften von Ephesos hat nun zu prosopographischen Kombinationen in der neueren Literatur geführt, durch die ein aufschlußreiches verwandtschaftliches Geflecht rekonstruiert wurde: In Beiträgen von R. A. Kearsley und R. van Bremen ging dabei das Interesse von der Person der Claudia Metrodora aus Chios aus, mit der Voraussetzung, daß sie eine leibliche Tochter des Ti. Claudius Kalobrotos war19; bei M. Domitilla Campanile (s. Anm. 2) war die Aufmerksamkeit auf den ἀρχιερεὺς | Ἀσίας Ti. Claudius Phesinos konzentriert, den leiblichen Sohn desselben Ti. Claudius Kalo brotos und mithin einen Bruder der Claudia Metrodora. Um mit dem Provinzialpriester von Asia, Ti. Claudius Phesinos, zu beginnen: Sein Name wird in dieser Position in mindestens 5 der ephesischen „Tempelinschriften“ aufgeführt, mit denen Städte Kleinasiens für den entstehenden domitianischen Provinzialtempel Kaiserstatuen dediziert hatten, und zwar wird sein Name in der Formulierung ἐπὶ ἀρχιερέως τῆς Ἀσίας Τιβερίου Κλαυδίου Φησείνου viermal mit dem Prokonsulat des M. Fulvius Gillo, einmal mit dem des L. Luscius Ocr(e)a kombiniert20. Damit ergibt sich als präzise Datierung für seine Amtszeit das Jahr 89/90. In Teos selbst ist Phesinos durch eine auch schon seit dem 18. Jh. bekannte, allerdings in ihrem rechten 19 R. A. Kearsley, Women in Public Life in the Roman East: Iunia Theodora, Claudia Metrodora and Phoibe, Benefactress of Paul, in AncSoc. Researches for Teachers Vol. XV No. 3, 1985 (Macquarie Ancient History Association) 124–137, hier besonders 128–130 und 135–6 (vgl. SEG XXXVI 308 und 774; für die Hilfe, mir den Artikel zugänglich zu machen, danke ich R. A. Tybout, Ο. M. van Nijf und R. van Bremen); R. van Bremen, The Limits of Participation. Women and Civic Life in the Greek East in the Hellenistic and Roman Periods, 1996, 291 mit Anm. 57 und 309 (zu beiden Untersuchungen vgl. aber Anm. 18). 20 Es sind die Inschriften IvEphesos 232 (Aizanoi), 232 A (Aizanoi), 233 (Aphrodisias), 238 (Silandos), alle unter Gillo verfaßt, 237 (Stratonikeia) unter Ocrea. In 240 (Kyme), gesetzt unter Gillo, ist der Name des Archiereus nicht erhalten. Zu der Inschriftengruppe und ihrer Bedeutung s. zuletzt Steven J. Friesen, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, 1993, 29–49.
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Teil verstümmelte Ehreninschrift bekannt geworden21, deren Wert darin besteht, daß sie mehrere Familienangehörige anführt: Die Ehrung durch Rat und Volk gilt Claudia Tryphaina, die ἀ[ρχιέρεια] Ἀσίας und gleichzeitig Dionysos-Priesterin war. Sie wird bezeichnet als Tochter von Phesei[nos] und Stratoneike, beide ἀρ[χιερεῖς] Ἀσίας. Als Errichter der Statue fungierten ihre Söhne Καλω[ ] und Πεισωνῖνος, wobei Domitilla Campanile (unter Berücksichtigung unserer Inschrift Nr. 4) den ersten Namen überzeugend zu Καλώ[βροτος] ergänzen konnte. Zugleich hat sie nach einer weiteren teischen Inschrift den Πεισωνῖνος als Τι. Κλαύδιος Πῖος Πεισωνεῖνος, einen Asiarchen, identifiziert und seinen dort genannten Vater Ἰτα[λικός] der eben erwähnten Claudia Tryphaina als Gatten an die Seite stellen können und das so sich ergebende Stemma noch weiter um Claudia Magna, ἀρχιέρεια, als Schwester von Pisoninus und Kalobrotos ergänzt22. Bemerkenswert ist aber nun, daß nach einer Annahme der Herausgeber der Inschriften von Ephesos Glieder dieser Familie auch in der dortigen Provinzhauptstadt greifbar sind: der eben schon genannte Ti. Claudius Italicus und sein Sohn Ti. Claudius (Pius) Pisoninus, der Vater als γραμματεὺς τοῦ δήμου zwischen 124 und 130/1, der Sohn als Ergepistates. Möglicherweise kann | man die in einem Fall mit Italicus zusammen geehrte ἀρχιέρεια Claudia Tertulla als seine Tochter, mithin Schwester von Pisoninus, Kalobrotos und Claudia Magna, ansehen23. Aber auch die in Chios durch ihr besonderes Engagement hervorgetretene Claudia Metrodora scheint in der ephesischen Epigraphik auf: Eine nur in Fragmenten erhaltene große zweisprachige „Bauinschrift an der südlichen Schmalwand der Agora“, eine u. a. an Nero und Agrippina gerichtete Weihung enthaltend, nannte als Stifter ein Ehepaar, wovon indes nur der Name der Frau auf uns gekommen ist: - - ἐκ τ]ῶν ἰδίων κατασκευάσας ἀνέϑηκεν σὺν Κλαυδίᾳ Μητροδώρᾳ τῇ γυναικί24. Hier hat der materielle Textverlust uns also den Namen des Gatten der Claudia Metrodora vorenthalten, was uns möglicherweise
21 CIG 3092; J. K. Bailie, Fasc. Inscr. Graec. II, 1846, n. CLVIII; Le Bas – Waddington n. 110 (IGR IV 1571; McCabe – Plunkett n. 118), mit der Berichtigung der Ergänzung von Z. 4 f. (ἱέρει[αν τοῦ προ]/ πόλεως ϑεοῦ Δι[ονύσου]) durch L. Robert, Études anatoliennes 25. 22 Vgl. dazu oben Anm. 2. Die Namen des Pisoninus und seines Vaters Italicus sind durch Le Bas – Waddington n. 106 (IGR IV 1567; McCabe – Plunkett n. 117) bezeugt, Claudia Magna, Tochter des Italicus, erscheint in der Ehrung CIG 3093 (nicht in IGR; McCabe – Plunkett n. 115). 23 Es geht um die Inschriften IvEphesos n. 266; 280; 430; 643 c. Die Identifizierung ist, was Claudius Italicus betrifft, auch akzeptiert bei R. A. Kearsley, GrRomByzSt 27, 1986, 186 Anm. 17. Diese wollte überdies noch einen Ti. Claudius Italicus (Vater eines Ti. Cl. Erymneus) in Aspendos (IGR III 804), der u. a. ἀρχιερεύς war, in die Identifizierung einbeziehen, was ich allerdings für unwahrscheinlich halte. Bei C. Schulte, Die Grammateis von Ephesos, 1994, sind Italicus und Pisoninus allein auf der Grundlage des ephesischen Materials ohne weitere prosopographische Erörterungen verzeichnet (162 n. 63 und 163 n. 66). 24 J. Keil, FiE III n. 3 = IvEphesos 3003. Die Verknüpfung mit Claudia Metrodora von Chios ist durch R. A. Kearsley (s. o. Anm. 19) vorgenommen und von R. van Bremen (s. o. Anm. 19) 291 f. und 309 aufgegriffen worden.
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den Ansatz zu weiteren prosopographischen Erkenntnissen über die prominente Familie abgeschnitten hat. Aber auch so ist das erreichbare Ergebnis eindrucksvoll. Ich versuche es in dem beigefügten Stemma zu veranschaulichen, wobei ich von der Grundlage der Rekonstruktion durch R. A. Kearsley, M. Domitilla Campanile, R. van Bremen ausgehe und die aus den hier vorgelegten Inschriften ableitbaren Ergebnisse einbeziehe25. Dabei ist zugleich das mehrfach begegnende Wechselspiel zwischen leiblicher Vaterschaft und Adoption berücksichtigt. Wir können mithin die prominente Familie, wenn auch gewiß sehr unvollständig, über vier Generationen verfolgen, wobei ihre Bedeutung in der Besetzung des Oberpriestertums im provinzialen Kaiserkult hervortritt. Bedauerlich bleibt, daß die
25 Fernhalten sollte man nach meiner Meinung von dem hier vorgeführten Familienstemma eine Ausweitung, die Hasan Malay anhand der Neuedition einer Inschrift aus Bakır (Nakrason oder Akrasos) vorgeschlagen hat (Greek and Latin Inscriptions in the Manisa Museum, DenkschrWien 237, 1994, n. 52), und die auch bei van Bremen (o. Anm. 19) 309 und 329 aufgenommen ist. Die dort genannte Archiereia Ulpia Stratonike, Tochter eines Ulpius Antiochos Philiskos, wird kaum mit der ἀρχιέρεια Ἀσίας Stratonike, Gattin des Archiereus Ti. Claudius Phesinos, gleichgesetzt werden dürfen, da sie wohl nur Priesterin im lokalen Kaiserkult war. Auch paßt die Chronologie nicht recht zusammen: Schon der Vater der Stratonike aus Bakır war ein Ulpius, was auf trajanische Zeit schon in der vorhergehenden Generation verweist, während für Ti. Claudius Phesinos, ihren vermeintlichen Gatten, die Amtszeit auf 89/90 festgelegt ist.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
vier Männer der ersten Generation, nämlich Mnasimachos, Hermothestos, Kalobrotos und Skythinos, für uns keine klaren Konturen gewinnen. So vermögen wir auch zu der Rolle der hier gehandhabten Adoptionen keine Aussage zu machen. Aufschlußreich und in der vorliegenden Literatur schon entsprechend hervorgehoben ist der Tatbestand der überlokalen Ausbreitung der Familie: Sie ist zugleich in Chios, in Teos und in | Ephesos greifbar. Für Chios als ihren möglichen Herkunftsort sprechen onomastische Gründe. Am deutlichsten gilt das für Φησεῖνος26; aber auch für die ionische Namensform Φιλιστῆς war das oben schon zu zeigen (vgl. Anm. 6), und auch Σκυϑ(ε)ῖνος weist mehrere Belege auf der Insel auf27. Das Phänomen der Ausbreitung und Verzweigung prominenter Familien über mehrere Orte (die in unserem Falle freilich nicht sehr weit auseinanderliegen) ist gerade für die Kaiserzeit wohlbekannt. Dahinter können verschiedenerlei Ursachen oder Anlässe stehen: Heirat oder auch Adoption, Grundbesitz in mehreren Orten, Übersiedlung im Zusammenhang mit anderenorts wahrgenommenen Funktionen, etwa der Bekleidung des Provinzialpriestertums, mehrfaches Bürgerrecht auf Grund materieller Leistungen. Uns sind die Details freilich in der Regel nicht mehr zugänglich, und so wird man sich auch hinsichtlich der Rekonstruktion entsprechender „Biographien“ Zurückhaltung auferlegen müssen28. Aber daß sich hier trotzdem noch ein ergiebiges Forschungsfeld der Prosopographie der provinzialen Eliten oder Honoratiorenschicht auftut, ist nicht zu bestreiten, und speziell zu diesem sollten diese Ausführungen einen kleinen Beitrag beisteuern.
26 Zum Namen, „qui, pour une raison inconnue, est typique de Chios“ (O. Masson, Bull. épigr. 1990 n. 357) gibt das Lexicon of Greek Personal Names I 26 Belege; in der Χιακὴ Προσωπογραφία, 1989, von Th. Ch. Sarikakis sind 27 Personen dieses Namens aufgeführt, dazu noch zwei mit Namen Κλαύδιος Φησεῖνος. Vgl. auch F. Graf, Nordionische Kulte, 1985, 127–135 zur Frage eines Heros dieses Namens. Von Chios abgesehen ist erwähnenswert, daß ein Φησεῖνος Ἀνταγόρου als Münzbeamter in der Zeit der Sabina (128–138) sowohl in Teos wie in Lebedos bezeugt ist (Münsterberg, Beamtennamen 93 und 107). 27 Im Lexicon auf Greek Personal Names I 408 sind für Chios 5 Belege des Namens Σκυϑῖνος registriert, und ebenso kommt Th. Ch. Sarikakis in seiner Χιακὴ Προσωπογραφία 407 und 462 auf 5 Personen dieses Namens. Besonderes Interesse im Hinblick auf unsere Familie gewinnt ein vom Demos von Chios sowohl in Athen (IG II2 2802) als auch in Delphi (FDelphes III 4, 253) geehrter Φησεῖνος Σκυϑίνου (zu ihm s. auch Sarikakis 447 n. 76; SEG XXXVI 773). Daß es sich bei diesem Skythinos um den Adoptivvater der Claudia Metrodora handelt, und daß Phesinos dann deren Bruder, der Archiereus Ti. Claudius Phesinos, ist, der also ebenfalls von Skythinos adoptiert worden wäre (s. Kearsley [o. Anm. 19] 129; van Bremen [o. Anm. 19] 309) ist nicht beweisbar und stößt von der Chronologie her auf Schwierigkeiten. 28 Zu dem Phänomen, ausgehend von der Person der Claudia Metrodora, s. R. A. Kearsley am Anm. 19 a. O. 129 f. sowie R. van Bremen 291 f. bzw. 84 Anm. 3 mit Beispielen für ‚mobile‘ women, darunter Claudia Metrodora. Freilich führt schon die Annahme, sie sei in Teos geboren und in eine Familie aus Chios adoptiert worden, in den Bereich der Spekulation.
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Abb. 1: Marmorbasis des Ti. Claudius Kalobrotos
Abb. 2: Oberer Teil einer Marmorbasis des Ti. Claudius Phesinos
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43 Ein ἐξηγητὴς Εὐμολπιδῶν in Eleusis In dem eben erschienenen Band 1971 der Ἀρχαιολογικὴ Ἐφημερίς hat Kevin Clinton eine Anzahl neuer Inschriften aus Eleusis bekannt gemacht, die er in Verbindung mit Vorarbeiten zu einer Dissertation über die Kultbeamten der Mysterien an Ort und Stelle aufnehmen konnte. Unter diesen Neufunden ist S. 135 als Nr. 31 folgender Text abgedruckt, mit der Datierung „fin. saec. II p.“: {SEG XXVI 233} [Ἡ ἐξ Ἀρείου πάγου βουλὴ] [καὶ ἡ βουλὴ τῶν Φ καὶ ὁ δῆ] [μος] ὁ̣ Ἀϑ̣ [ηναίων ca. 5–8] [ ̣ ]α̣ Αἰολίω[νος Φλυέα ἐξηγη] 5 τὴν Εὐμο[λπιδῶν, ἄρ]ξ̣[αντα] τὴν ἐπών[υμον ἀρ]χήν, στρα τηγήσαν[τα, γυμνα]σιαρ χήσαντα [ἐκ τῶν ἰδί]ων, κηρυκε[ύσαντα τῆς ἐ]ξ [Ἀ] 10 ρείο[υ πάγου βουλῆς, - - -] [- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] Der Herausgeber hat also angenommen, daß der Name des hier geehrten ἐξηγητὴς Εὐμολπιδῶν in der Lücke der Zeilen 3–4 anzusetzen ist und in seiner Akkusativform mit dem als unsicher bezeichneten α in Z. 4 geendet hat. Von dem erhaltenen Namen des vermeintlichen Vaters ausgehend, Aiolion, hat er sodann im Anschluß an das von W. B. Dinsmoor, Hesperia 30, 1961, 189–192 aufgestellte Stemma eine Identifizierung versucht. In diesem Stammbaum einer prominenten athenischen Familie aus dem Demos Phlyeis, die sich nach Dinsmoor über 8 Generationen vom 1. vorchristlichen bis zum Ausgang des 2. nachchristlichen Jahrhunderts verfolgen läßt und in der zunächst 4 Generationen lang der Name Antipatros hervortritt, sind an 5. und an 8. Stelle Träger des Namens Aiolion eingesetzt. Nr. 5, Sohn des Antipatros Neoteros (Archon 45/6) und Vater des Sallustianos (Archon unter Hadrian), ist | nach dieser Rekonstruktion der für das ausgehende 1. Jahrhundert (nach Dinsmoor um 87/8) bezeugte Archon Aiolion (IG II2 1998)1, als Nr. 8 ist der στρατηγὸς ἐπὶ τὰ ὅπλα Aiolion
ZPE 10, 1973, 79–85. 1 Weitere Belege: IG II2 1973 (Ephebenkatalog aus claudischer Zeit; in einem Kranz:) Αἰολίωνα | Ἀντιπάτρου | Φλυέα, IG II2 1763 (Kopf eines Prytanenkatalogs der Phyle Attalis) [ἐπὶ ἄρ]χοντος Σαλλουστιαν[οῦ] | [τοῦ Αἰο]λίωνος Φλυέως. Ausgeschieden hat Dinsmoor drei Zeugnisse, in denen der Name Aiolion ergänzt worden war: IG II2 3242 als weiteren Beleg für das Archontat aufgrund der neuen Ergänzung von J. H. Oliver, The Athenian Expounders of the Sacred and Ancestral Law, 1950,
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(IG II2 1792 mit neuer Ergänzung bei J. H. Oliver, AJP 71, 1950, 174) aus der Zeit des Commodus (vermutlich 192/3) eingesetzt. Mit Hinweis auf die in der Inschrift von Eleusis erwähnte Strategie möchte Clinton nun in dem Geehrten eben den zweitgenannten Aiolion aus der Zeit des Commodus sehen. Sein Name, [Αἰολίω|ν]α̣, wäre dann in der Lücke Z. 3–4 einzusetzen, gleichzeitig könnte die Karriere dieses bisher nur als Stratege bekannten Aiolion nun um weitere Funktionen, darunter auch das Archontat, bereichert werden. Nebenbei gewänne man (was Clinton nicht ausspricht) durch die Filiation der neuen Inschrift auch Aiolion als den bisher fehlenden Namen in der 7. Generation der Familie (Dinsmoor a. a. O. 191). Der Text aus Eleusis hat mich bei erster Lektüre sogleich an ein Fragment aus dem Heraion von Samos erinnert, mit dem ich mich vor etwa 12 Jahren zu beschäftigen hatte. Es ist der AM 75, 1960, 153 Nr. 45 in folgender Form edierte Text: {IG XII 6,1, 307} ] [ Οὐ]ειψάνιον Αἰολ[ίωνα [ Οὐε]ιψανίου Λαιλια[νοῦ υἱόν,] [ ]νίου Φιλοποίμ[ενος ἔκγο-] [νον?,] ἐξηγητὴν Εὐ[μολπιδῶν?] 5 [ἐν τ]οῖς Ἀϑήνησι μυ̣[στηρίοις,] [γυμ]νασίαρχον, ἀ[γωνοϑέτην?] [ ]Η̣Σ̣ Π̣Α̣[ ] 81
Demselben Aiolion, Sohn des Laelianus, gewesenem Agonotheten, gilt das Bruchstück Nr. 46 {IG XII 6,1, 306}, wo der Geehrte überdies als ἀπόγονος εὐεργετῶν bezeichnet wird. Die Nennung des Großvaters(?)2 Philopoimen in Nr. 45 scheint den Blick auf diese Wohltäter der Samier in der Ahnenreihe des Aiolion zu öffnen, denn an diesen Namen lassen sich verschiedene, möglicherweise bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. zurückreichende Personenhinweise in Samos und vielleicht auch Milet anknüpfen (S. 152 und 154), ohne daß es möglich wäre, ein Stemma zu erstellen. Auch eine Einordnung des Vipsanius Aiolion in die athenische Prosopographie schien mir auf dem damaligen Stand des Wissens nicht möglich (S. 153): „In Athen scheint der hier genannte Vipsanius Aiolion bisher nicht bekannt zu sein.“ Ich halte es für äußerst wahrscheinlich, daß der oben wiedergegebene Neufund aus Eleusis uns nunmehr einen athenischen Beleg gebracht hat, d. h. daß er demselben Vipsanius Aiolion gilt. Das würde bedeuten, daß in Z. 3–4 der eleusinischen Inschrift sein Name zu ergänzen wäre: [ . Οὐιψάνιo]ν̣ Αἰολίω[να Φλυέα, was mit dem
85 Anm. 18 (SEG XIX 202), sodann die Belege für eine 7. Hopliten-Strategie IG II2 3182 und 3539 (vgl. B. D. Meritt, Hesperia 17, 1948, 41; SEG XVII 70). 2 Zur Bedeutung des in der samischen Inschrift ergänzten ἔκγονος s. zuletzt H. Müller, diese Zeitschr. 3, 1968, 204 ff.
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verfügbaren Raum und, wie mir nach der Photographie scheinen will, auch mit den Buchstabenspuren am Anfang von Z. 4 vereinbar wäre3. Die hier vorgeschlagene Identifizierung zieht aber noch weitere prosopographische Folgerungen nach sich: Es zeigt sich, daß auch ein weiterer Neufund aus Eleusis mit unserem Vipsanius Aiolion zu verknüpfen sein wird. Bei Clinton liest man S. 131 unter Nr. 27 folgenden Text: [Οὐιψαν]ία < Λαιλιανὴ̣ [ ca. 8 ] Λου̣[κίου Ο]ὐ̣ιψα̣νίου [ ca. 8 ] έως ἐξηγητοῦ ϑ̣ υγ̣[άτηρ τὸν] 4 υἱὸν Τίτον Οὐιψάνιον [ ca. 8 ] Φλαβιανὸν Κηφεισιέα μ[υηϑέντα ἀ] φ’ ἑστίας ἀνέϑηκεν < ἐπ[ὶ ἱερείας] Φλαουίας Λαοδαμείας [τῆς Κλεί] 8 του Φλυέως ϑυγατρός̣. [ vacat ]
init. saec. II p.
Hier erscheint nicht nur das Gentile Vipsanius im Namen eines Exegeten, sondern im Namen der Tochter wird dazu das Cognomen Laeliana (Λαιλιανή)4 eingebracht. Ein Vipsanius Laelianus ist aber nach der samischen Inschrift Nr. 45 (und 46) eben auch der Vater des Exegeten Vipsanius Aiolion gewesen. Clinton hat mit der neuen Inschrift aus Eleusis ein von W. Peek veröffentlichtes Epistylfragment aus dem Kerameikos (AbhBerlin 1956, 3: Attische Grabschriften II 40 n. 148) in Verbindung gebracht und zum Namen des [Λού]κιος Οὐειψ[άνιος | Λαι]λιανός ergänzt, hat aber betont, daß dieser Name aus Raumgründen nicht an der Stelle des Vaters der Vipsania Laeliana eingesetzt werden könne, da dann kein Platz für das Demotikon bliebe. Der Paralleltext von Samos legt es aber nun sehr nahe, in Z. 2–3 der eleusinischen Inschrift die Ergänzung Λου[κίου Ο]ὐιψανίου [Αἰολίωνος Φλυ]|έως ἐξηγητοῦ zu erwägen, auch wenn sie das von Clinton auf ca. 8 Buchstaben veranschlagte Spatium ebenfalls überschreitet. Als Konsequenz dieser Kombination ergäbe sich folgender Familienzusammenhang:
3 Nach Tafel 16c ist vor dem A von Αἰολιω[ der Stein stärker beschädigt. Auch die schräge Haste, die bis etwas unter die Zeile zu reichen scheint und die von Clinton als Rest eines A angesehen worden sein dürfte, könnte noch Teil dieser Beschädigung sein. Ich glaube am unteren Zeilenrande vielmehr den Ansatz einer nach oben gehenden senkrechten Haste zu erkennen, die Rest eines N sein könnte. Der Befund müßte am Original überprüft werden. 4 Clinton verweist zu Οὐιψανία Λαιλιανή auf die Οὐειψαν[ί]α [ in der eine obligatio praediorum verzeichnenden hadrianischen Stiftungsurkunde IG II2 2776, 27.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
? ]nius Philopoimen Samos Nr. 45 L. Vipsanius Laelianus ? Peek, Att. Grabschr. II 40 Nr. 148 Samos Nr. 45. 46 L. Vipsanius Aiolion, Exeget, Archon, Stratege Samos Nr. 45. 46 Eleusis Nr. 27. 31 Vipsania Laeliana Eleusis Nr. 27 (IG II2 2776, 27 ?) T. Vipsanius [ Eleusis Nr. 27
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] Flavianus
Hierzu ist nun freilich zu fragen, ob sich diese Kombination mit den Datierungsvoraussetzungen der einzelnen Dokumente verträgt und wie sie sich zu dem bisher rekonstruierten Familienstemma stellt. Nach Clintons Datierungsansätzen wären die hier miteinander verbundenen Inschriften aus Eleusis nicht ohne weiteres verknüpfbar: Nr. 27 „init. saec. II p.“, Nr. 31 „fin. saec. II p.“ Dabei habe ich aber den Eindruck, daß das Datum von Nr. 31 aus dem im Kommentar vorgebrachten Identifizierungsvorschlag (mit Aiolion, Hoplitenstratege 192/3) gewonnen wurde, aber nicht primär auf epigraphischen Kriterien beruht. Die sehr wenig charakteristische Schrift könnte nach meinem Gefühl im ganzen 2. Jahrhundert ihren Platz haben, also durchaus in der Nähe der gewiß andersartigen Inschrift Nr. 27 stehen. Für diese ist ein Datierungshinweis durch die Nennung der Priesterin Flavia Laodameia gegeben, die an den Anfang des 2. Jahrhunderts gehört (Clinton nach C. P. Jones, HarvStClPhil 71, 1966, 208–210). Für die sami|schen Texte Nr. 45 und 46 (AM 75, 1960 Beil. 52 Abb. 1 und 3) habe ich allgemein das 2. Jahrhundert genannt, nähere Indizien schienen mir zu fehlen. Allerdings wäre ich jetzt geneigt, die recht charakteristischen Schriftformen von Nr. 45 kombiniert mit denen von Nr. 46 eher an den Anfang des Jahrhunderts zu rücken, als in seine zweite Hälfte zu setzen5. 5 Für die kräftig eingegrabene, etwas starr wirkende Schrift von Nr. 45 habe ich aus Samos keine datierbare Parallele (etwas ähnlich ist Nr. 40, Beil. 48, 4, die aber nicht datiert ist). Sie scheint mir eine etwas nüchternere Weiterentwicklung der Schrift zu sein, die auf einer Basis für Nerva erscheint (Nr. 22, Beil. 44, 2 {IG XII 6,1, 417}). Nr. 46 enthält noch die Manier, Strichenden reichlich durch „Schwänzchen“ und Überschneidungen (besonders etwa beim A, N, Σ ) zu verzieren, die für das 1. Jahrhundert charakteristisch ist und im 2. außer Gebrauch kommt.
43 Ein ἐξηγητὴς Εὐμολπιδῶν in Eleusis
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Wenn also epigraphisch nichts gegen die Verknüpfung der 4 Zeugnisse aus Samos und Eleusis spricht und wenn die Lebenszeit des Exegeten L. Vipsanius Aiolion dann aufgrund der Datierung von Nr. 27 aus Eleusis an die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert zu setzen ist, müssen allerdings die prosopographischen Konsequenzen neu überdacht werden. Die eleusinische Inschrift Nr. 31 liefert die wertvolle Angabe, daß Aiolion auch ἄρχων ἐπώνυμος war. Ἐ[π]ὶ Αἰολίωνος ἄρχοντος ist nun ein kaiserzeitlicher Ephebenkatalog datiert (IG II2 1998), der gemeinhin in das ausgehende 1. Jahrhundert n. Chr. gesetzt wird. Freilich beruht diese Einordnung eben auf einer Kombination, die hinfällig werden muß, wenn wir – wie es naheliegt – den Archon nun mit unserem neu gewonnenen Exegeten Aiolion gleichsetzen. Die bisherige Datierung des Archontats des Aiolion stützte sich nämlich allein auf die von R. Neubauer vor über hundert Jahren vorgenommene Identifizierung des Mannes mit dem in claudischer Zeit bezeugten Epheben Aiolion, Sohn des Antipatros, aus Phlya (IG II2 1973)6, der danach seinen Platz in dem besagten Familienstemma bei Dinsmoor erhalten hat. Unser Exeget und gewesener Archon Aiolion hatte aber nach der oben vorgenommenen Rekonstruktion einen L. Vipsanius Laelianus zum Vater. Wenn wir die Hypothese vermeiden wollen, es habe an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert | in Athen zwei verschiedene Archonten mit Namen Aiolion gegeben, bleibt nur die Möglichkeit, dem Antipatros-Sohn Aiolion, Nr. 5 in dem Stammbaum von Dinsmoor, nunmehr das bisher auf ihn bezogene Archontat abzusprechen. Damit wird auch unsicher, ob der in hadrianischer Zeit ebenfalls zum Archontat gelangte Sallustianos, Sohn eines Aiolion (IG II2 1763), seinen Platz als Nr. 6 in dem Dinsmoorschen Stemma behalten kann oder nicht vielleicht eher ein Sohn des prominenteren L. Vipsanius Aiolion ist, und ähnliches gilt schließlich für den Aiolion Nr. 8, den Hoplitenstrategen von 192/3. Wenn sich also zeigt, daß unser neu gewonnener L. Vipsanius Aiolion nicht in den bisher allein linear rekonstruierten Familienstammbaum eingefügt werden kann, so wird man doch anzunehmen haben, daß er jedenfalls eine Seitenlinie derselben Familie vertritt7. Diese Seitenlinie zeichnet sich durch den Besitz des römischen Bürgerrechtes aus und führt überdies lateinische Cognomina, die auf Verschwägerung mit römischen Familien hindeuten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß gerade von diesem Zweig der Familie seit dem ausgehenden 1. Jahrhundert mehrfach das Archontat besetzt wurde: Auch der Vater des Aiolion, L. Vipsanius Laelianus, kann möglicherweise mit einem uns überlieferten Archonten Λαιλιανός gleichgesetzt werden (IG II2 1759 [ἐπὶ] Φιλοπάπ[πο]υ καὶ Λαιλι[α]νοῦ, von J. A. Notopoulos, Hesperia 18, 1949, 12 datiert auf 96/7). Eine weitere charakteristische Bereicherung des Bildes der athenischen Familie ergibt sich durch 6 R. Neubauer, Comment. epigraphicae, Berlin 1869, 149 (mir nicht zugänglich), vgl. W. Dittenberger zu IG III 1089. Übersicht über die Datierungsansätze bei W. B. Dinsmoor, Hesperia 30, 1961, 190 Anm. 31. 7 In dieser Annahme habe ich auch in den Ergänzungen der Inschriften aus Eleusis das Demotikon Φλυεύς belassen. Aus Raumgründen muß jedenfalls in Nr. 27 ein möglichst kurzes Demotikon angenommen werden, wofür Φλυέως gut paßt.
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die Erkenntnis, daß sie auch außerhalb Athens an prominenter Stelle in Erscheinung tritt: L. Vipsanius Aiolion hat nicht nur höchste athenische Ämter bekleidet, sondern auch in Samos die Gymnasiarchie und Agonothesie übernommen und damit auch dort eine Familientradition fortgeführt, die durch eine samische Linie unter seinen Vorfahren begründet worden war.
44 C n. Domitius Ahenobarbus ‒ patronus von Ephesos und Samos Bei der Publikation der Inschriften römischer Zeit aus dem Heraion von Samos habe ich vor längerer Zeit die auf zwei Fragmenten einer verstümmelten Statuenbasis erhaltene Ehreninschrift für einen Γναῖος Δ̣[- -], der als διὰ προγόνων π̣[άτρων τῆς πό]λεως κα[ὶ εὐεργέτης] bezeichnet wird, vermutungsweise auf den der Triumviratszeit angehörenden Cn. Domitius Ahenobarbus bezogen, der in der Vorphase des Aktischen Krieges 32 v. Chr. als Konsul zusammen mit seinem Kollegen Q. Sosius den spektakulären Übergang zu Antonius in den Osten vollzog, vor der Entscheidung aber dann doch wieder zu Octavian übergetreten ist (AM 75, 1960, 138 n. 32 {IG XII 6,1, 358}). Grundlage der Hypothese war eine schon länger bekannte samische Inschrift, in der im ausgehenden 2. Jhdt. v. Chr. ein Cn. Domitius geehrt wurde, von dessen Vater Gnaeus gesagt wird, er sei dem samischen Demos vom Senat als Patron „gegeben“ worden (IGR IV 968 {IG XII 6,1, 351} τοῦ δοϑέντος ὑπὸ τῆς συνκλήτου πάτρωνος τῶι δήμωι). Als Begründer des Patronatsverhältnisses der Familie konnte man danach entweder den consul suffectus von 162 ansehen, der 169 und 167 auf Gesandtschaftsreisen in den Osten gekommen ist, oder seinen Sohn, der 129 im Aristonikos-Kriege in Kleinasien im Einsatz war und 122 Konsul wurde (dazu zuletzt AM 75, 1960, 148 a {IG XII 6,1, 351}). Der oben erwähnte Nachfahre der Triumviratszeit ist nun auch auf einer neu gefundenen ephesischen Inschrift aufgetaucht, die D. Knibbe, ÖJh 49, 1968–71 (ersch. 1973), Beibl. 53 n. 21 {IvEphesos 663} mit eingehendem historischen Kommentar veröffentlicht hat. Er erhält in Ephesos den Titel αὐτοκράτωρ (was auf 42 als terminus post quem führt) und ist wie in Samos πάτρων διὰ προγόνων, und zwar τοῦ τε ἱεροῦ τῆς Ἀρτέμιδος καὶ τῆς πόλεως. Knibbe nimmt zu Recht an, daß das Patronat in Ephesos auf den Urgroßvater und seinen Aufenthalt im Osten 129 v. Chr. zurückgeht, was dann wohl auch für Samos die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat. Der ephesische Neufund scheint mir eine willkommene Bestätigung des für Samos seinerzeit nur mit Vorbehalt vorgebrachten Identifizierungsvorschlags zu sein. Dabei läßt das Nebeneinander der Fundorte Ephesos | und Samos daran denken, daß eben diese beiden Städte ja im Jahre 32 nacheinander Sitz des Hauptquartiers des Antonius waren, daß Domitius sich also auch dort aufgehalten haben muß (für Ephesos ist dies durch Plut. Ant. 56 direkt bezeugt). D. Knibbe hat freilich angenommen, daß das Fehlen des Konsul-Titels in der Inschrift aus Ephesos (so wie offenbar auch in Samos) eine Datierung in diesen Zusammenhang ausschließt. Mir ist indes nicht sicher, wie zwingend dieses Argument ist, da wir über die Stellung des Domitius nach seinem
ZPE 14, 1974, 257–258.
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Übergang zu wenig wissen.1 Sonst bliebe wohl als Anlaß vor allem die von Knibbe in Betracht gezogene mehrjährige Statthalterschaft von Bithynien (ab 40 bis mindestens 35 v. Chr.) oder ein Zeitpunkt danach.2 Übrigens ist in Samos auch noch ein anderer Antonianer als Patron der Stadt bezeugt, der Flottenbefehlshaber M. Titius (s. zuletzt AM 75, 1960, 149 d {IG XII 6,1, 359}); auch für ihn ist angenommen worden, daß er 32 mit Antonius auf Samos war und daß die Inschrift (die seiner Gattin gilt) auf diesen Anlaß zurückgeht (M. Schede, AM 44, 1919, 35).
1 Aus Strabon XIV p. 649 (Domitius läßt Menodoros von Tralleis hinrichten ὡς ἀφιστάντα τὸ ναυτι κόν) schließt man, daß er durch Antonius ein Flottenkommando erhielt. Sueton, Nero 3, 2 bezeichnet ihn als Antonio legatus. 2 Seine Statthalterstellung ist zum letzten Mal für das Jahr 35 bezeugt (App. b. c. V 567). Daß Domitius die Provinz noch bis zur Übernahme des Konsulats von 32 verwaltet habe, ist nur eine Hypothese (Broughton, Magistrates II 412; vgl. auch E. Gabba im Kommentar zu App. b. c. V 271).
45 Nochmals zu dem Brief Attalos’ II. an die Ephesier Durch einen neuen Ergänzungsvorschlag hat kürzlich H. Engelmann, diese Zeitschr. 19, 1975, 224 die Aufmerksamkeit wieder auf den interessanten Brief Attalos’ II. mit der Belobigung eines aus Ephesos stammenden Prinzenerziehers für den späteren Attalos III. gelenkt. Nach der Erstpublikation von D. Knibbe, ÖJh 47, 1964/5, Beibl. 1 ff. ist das Textverständnis durch die Behandlung bei J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1968 n. 464 wesentlich gefördert worden. {IvEphesos 202 mit Addendum S. 6} Von dem sonst offenbar noch unbekannten Ἀριστο[- wird Z. 2 f. gerühmt, daß er κριϑεὶς ἄξιος ὑφ’ ἡμῶν εἶναι τῆς Ἀττάλου ‹υ› ἀδελ[φι/δοῦ μου παιδεί]ας μετεπέμφϑη καὶ συσταϑεὶς αὐτῶι τῆς καϑηκούσης παιδείας [προέστη (das letzte Wort ergänzt von J. u. L. Robert). Das in spitze Klammern gesetzte Υ nach Ἀττάλου soll offenbar einen irrtümlich gesetzten Buchstaben kennzeichnen, was in dem sonst korrekt geschriebenen Text auffällt. Ich bin sicher, daß zu schreiben ist: τῆς Ἀττάλου τἀδελ[φοῦ / υἱοῦ. Daß dies offensichtlich die offizielle Bezeichnung des Prinzen in Dokumenten Attalos’ II. war, zeigen die Briefstellen Welles, Royal Correspondence 65, 14 Ἄ̣τ̣ τ̣ [α]λ̣ος ὁ τἀδελφοῦ υἱός und Swoboda – Keil – Knoll, Denkmäler aus Lykaonien … 75, 4 [συνμείξαντες Ἀττά]λωι τῶι τἀδελφοῦ [. Im Schreiben an die Ephesier ist dabei in der Genetivkonstruktion die Verdoppelung des Artikels vermieden worden, entsprechend dem Prinzip, an das A. Wilhelm, RhM 77, 1928, 180 im Anschluß an R. Schöll erinnert hat. Durch die Freundlichkeit von D. Knibbe war es mir möglich, den Befund an dem Latex-Abdruck zu überprüfen. Der dort zwischen Υ und Α erscheinende nicht ganz deutliche Buchstabe kann auf den ersten Blick auf Υ führen, ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach doch ein Τ, bei dem der waagerechte Strich etwas nach unten durchgedrückt ist, wie es in dem Text auch sonst gelegentlich vorkommt. Bei dieser Gelegenheit und auf der Grundlage der Überprüfung des Abdrucks seien noch drei weitere Bemerkungen zum Text angeschlossen: In Z. 3 hatte ich an der Wiederholung des Wortes παιδεία Anstoß genommen und nach der Photographie der Erstedition eine Lesung [συνου]σ̣ίας erwogen. Der Abklatsch ergibt aber mit Deutlichkeit ΕΙΑΣ, davor mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Λ, nicht ein Δ. Es | scheint also, daß παιδείας tatsächlich auszuschließen ist; vielleicht ist [ἐπιμε]λείας das gesuchte Wort. In Z. 4 haben J. und L. Robert am Anfang, dem Sinne nach sicher überzeugend, [προέστη] eingesetzt. Der Latex läßt aber vor dem folgenden πολύ ein deutliches Ε erkennen, davor Reste waagerechter Hasten, die zu einem Σ zu gehören scheinen. Es ist also ein Verbum mit der Aoristendung -σε zu suchen. [προενόη]σ̣ε würde der Lücke und wohl auch dem Sinn entsprechen.
ZPE 22, 1976, 233–234.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
Aus Raumgründen vermute ich schließlich auch, daß am Anfang von Z. 8 desselben Textes noch ein [δὴ] einzufügen ist.
46 Die Stadt Temnos und ihre auswärtigen Beziehungen in hellenistischer Zeit Die Lokalisierung der der Aiolis zugehörigen antiken Stadt Temnos ist seit 1881 in einem schrittweise sich verdichtenden und daher auch methodisch interessanten Beweisgang erfolgt. Als erster hat in dem genannten Jahr W. M. Ramsay eine zwischen Manisa und Menemen nördlich des Hermos gelegene antike Ortslage, die sich dort im Umkreis eines markant hervortretenden, die Ebene beherrschenden Bergklotzes ausbreitet, ausführlicher beschrieben und allein durch eine Kombination literarischer Nachrichten mit der Stadt Temnos in Verbindung gebracht1. Bei einem Besuch desselben Ruinenplatzes, für den sie den Namen Nemrud Kalesi überliefern, konnten J. Keil und A. v. Premerstein im Jahre 1906 die Identifizierung Ramsays durch ein numismatisches Argument weiter absichern, indem sie angaben, daß alle ihnen in dem unmittelbar benachbarten Dorf Gürice gezeigten Münzen, soweit sie sich bestimmen ließen, solche der Stadt Temnos waren. Darüber hinaus konnten sie anführen, daß eine von ihnen in Gürice aufgenommene Inschrift, ein Bürgerrechtsdekret für einen Mann aus Sardeis, zwar nicht den Namen der Stadt bot, aber doch im Formular Ähnlichkeit aufwies mit einem aus Pergamon bekannten Beschluß der Temniten (IvPergamon 5)2. Wieder etwa ein Vierteljahrhundert später hat dann ein inschriftlicher Neufund am selben Ort den endgültigen Beweis für die Richtigkeit des Ansatzes geliefert: wieder ein Bürgerrechtsdekret, diesmal für einen Mann aus Elaia, das τὰμ πόλιν τὰν Ταμ[νιτᾶν] expressis verbis nennt. Die von K. O. Dalman gefundene und auf seine Veranlassung in das Museum von İzmir | transportierte Inschrift wurde 1933 von L. Robert veröffentlicht3. Wenige Jahre später konnte L. Robert einem neuerlichen Inschriftenfund von der Ruinenstätte, der bei einer Untersuchung des Platzes durch P. Devambez gemacht worden war, einen zusätzlichen Beweis entnehmen: die
IstMitt 29, 1979, 239–271 und 7 Abbildungen. 1 JHS 2, 1881, 284–292, mit der Kartenskizze auf S. 274. Die einschlägigen Quellen sind Strabon XIV 3, 5 p. 621 (Aigai und Temnos in dem oberhalb der Territorien von Kyme, Phokaia und Smyrna gelegenen Bergland, an dem der Hermos vorbeifließt, nicht weit von Magnesia am Sipylos), Plin. n. h. V 119 (Temnos einst an der Mündung des Hermos, d. h. an der Grenze der späteren Schwemmlandebene), Paus. V 13, 7 (Temnos vom Sipylos aus auf der anderen Seite des Hermos). Die Lokalisierung durch Ramsay haben C. Schuchhardt und P. Wolters nach einem Besuch des Ortes im Jahre 1886 bekräftigt (Bohn – Schuchhardt, Altertümer von Aegae, JdI Erg.-Heft 2, 1889, 60). 2 J. Keil – A. v. Premerstein, Bericht über eine Reise in Lydien und der südlichen Aiolis, DenkschrWien 53, 1908, 94 f. mit der Inschrift Nr. 202 (vgl. unten Anm. 4). Ebenda findet sich eine Übersicht über die von Ramsay abweichenden Lokalisierungsvorschläge sowie eine kritische Behandlung der offensichtlich irreführenden Eintragungen in der Tabula Peutingeriana und im Geographus Ravennas. 3 L. Robert, Inscriptions d’Aiolide, I. Décret de Temnos, BCH 57, 1933, 492–498 mit Pl. XXXI A (OMS I 436–442 mit Pl. X A). Der Artikel ist dem plötzlich verstorbenen K. O. Dalman gewidmet. – Zur methodischen Bedeutung der Lokalisierung s. auch G. Radet, REA 36, 1934, 554.
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Nennung des lokalen Festes der Κύννεια, in einem die Stadt Smyrna betreffenden Ehrenbeschluß, ist in unmittelbare Beziehung zu setzen zu dem Κύννειος Ἀπόλλων, von dessen bei der Stadt Temnos gelegenen Temenos Polybios (XXXII 15, 12) gelegentlich des Krieges zwischen Prusias II. und Attalos II. berichtet4. Über die drei oben erwähnten Inschriften hinaus hat der Boden von Temnos uns bisher keine weiteren Texte geliefert; es sind allerdings auch keine Grabungen an Ort und Stelle unternommen worden5. Das Bild von den auswärtigen Beziehungen dieser Stadt im 3. und 2. Jh. v. Chr., zu dem alle bisher bekannten Inschriften einige Details beigetragen haben, konnte aber durch Funde an anderen Orten noch etwas bereichert werden6. Es zeigt in charakteristischer Weise, wie diese Stadt als ganze oder durch einzelne Bürger auf Grund ihrer besonderen geographischen Lage in Verbindung stand mit wichtigeren Orten in ihrem Umkreis, sowohl im Binnenland und an der Küste im Norden als auch besonders nach Süden hin zur Bucht von Smyrna und über diese hinweg zu den Städten der erythräischen Halbinsel. Das wahrscheinlich älteste Dokument in dieser Hinsicht ist eine der ersten Hälfte des 3. Jh.s entstammende, in Pergamon gefundene Urkunde, die eine gegenseitige Isopolitie-Vereinbarung zwischen den Städten Pergamon und Temnos enthält7. Historische Details treten an diesem Vorgang nicht in Erscheinung, man vermag | nur zu erkennen, daß die Initiative zu der Aktion von Pergamon ausging8. Die beiden oben 4 L. Robert, Études anatoliennes (1937) 90–96 mit Pl. III 1: Décret de Temnos {IvSmyrna 584}. Zusammen mit diesem durch P. Devambez 1934 gefundenen Stein ist auch die in Anm. 2 genannte Inschrift Keil – v. Premerstein I 202 durch denselben in das Museum von İzmir gebracht worden: vgl. Robert, Études anatoliennes 90 Anm. 1 und Pl. XVII 3. – Zu dem Krieg zwischen Prusias und Attalos zuletzt Ch. Habicht, Hermes 84, 1956, 101–110; ders., RE XXIII 1 (1957) 1117. 5 W. M. Ramsay hat seinen Bericht über den Besuch des Platzes nur durch ein paar Zeichnungen illustriert (das von ihm JHS 2, 1881, 287 abgebildete Mauer-Füllstück in Polygonalwerk kann ich jetzt in einer Photographie wiedergeben: Abb. 3). Über die Untersuchungen von P. Devambez im Jahre 1934 scheint keine Veröffentlichung vorzuliegen. – Die Lage des Ortes kann hier durch zwei Aufnahmen von meinem Besuch im Jahre 1973 veranschaulicht werden (Abb. 1 und 2). 6 Zusammenstellungen des seinerzeit bekannten Materials schon bei L. Robert, BCH 57, 1933, 494 (OMS I 438) mit Anm. 7 (Erwähnungen von Temniten in auswärtigen Inschriften) und 495 Anm. 1 (Verbreitung der Münzen) sowie Études anatoliennes 93 f. 7 IvPergamon 5 = OGI 265, dazu die wichtige Neuergänzung der letzten Zeilen durch L. Robert, REG 40, 1927, 214–219 (OMS I 204–209; SEG IV 678); letzter Textabdruck bei H. H. Schmitt, Die Staatsverträge des Altertums III (1969) n. 555. Vgl. auch W. Gawantka, Isopolitie (Vestigia Band 22, 1975) 211 Nr. 27. 8 Die Inschrift ist von M. Fränkel aufgrund der Buchstabenformen in die Zeit des Lysimachos oder Philetairos datiert worden; R. B. McShane, The Foreign Policy of the Attalids of Pergamon (1964) 52 scheint sie mit Eumenes I. zu verbinden. (Die Datierung „Ende des 3. Jhdt.s“ bei H. Bengtson, Die Strategie in der hellenistischen Zeit II (1944) 233 Anm. 1 und die Angabe bei A. Heuß, Stadt und Herrscher des Hellenismus in ihren staats- und völkerrechtlichen Beziehungen (Klio Beiheft 39, 1937) 245 Anm. 1, daß „beide (Städte) unter der Herrschaft der Attaliden standen“, beruhen möglicherweise auf Versehen.) Daß trotz des Eindrucks selbständiger städtischer Politik hinter der pergamenischen Initiative der Anstoß durch einen Herrscher oder Dynasten stehen kann, betont H. H. Schmitt, Staatsverträge III p. 332.
46 Die Stadt Temnos in hellenistischer Zeit
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erwähnten, in Temnos selbst gefundenen Bürgerrechtsverleihungen betreffen, wie schon gesagt, im einen Fall einen Bürger von Elaia (s. Anm. 3; 3. Jh.), im anderen einen Mann aus Sardeis (Keil – v. Premerstein I 202; 2. Jh.), ohne daß aus dem stereotypen Formular etwas über die konkreten Verdienste dieser Fremden erkennbar wird. Auf die offizielle Ebene und in den Bereich zwischenstaatlicher Diplomatie gehört dann wiederum der letzte Inschriftenfund aus Temnos (s. Anm. 4), der die Reste eines Beschlusses der Temniten als Antwort auf ein ihnen übermitteltes Dekret der Stadt Smyrna enthält und noch in das 3. Jh. zurückreichen dürfte9. Wenn die Ergänzungen von L. Robert richtig sind, ist dieser Austausch von Ehrenbeschlüssen veranlaßt worden durch die verdienstvolle Tat dreier Temniten, die smyrnäische Bürger, die in die Hände von Räubern gefallen waren, auf eigene Kosten freikauften. Robert hat gelegentlich dieses Schlaglichts auf gutnachbarliche Beziehungen zwischen den Städten Temnos und Smyrna auf ein Inschriftenfragment aus Smyrna hingewiesen (CIG 3214 {IvSmyrna 2}), auf dem durch die Abbildung von Kränzen mit Beischriften die Ehrungen eines Smyrnäers verzeichnet sind, die dieser durch den eigenen Demos und den der Temniten erfahren hat, dazu noch durch die Bürgerschaften von Mytilene, Erythrai und mindestens zwei weiteren Städten der Region. Schließlich haben weitere Beziehungen von Temnos noch bis Kolophon gereicht: so wurde in Kolophon ein Temnite durch das Bürgerrecht belohnt, weil er – nach der Ergänzung L. Roberts – in irgendeiner das Meter-Heiligtum betreffenden Angelegenheit eine Meldung bzw. Anzeige erstattet hat (ἐμή[νυσε)10, und eine noch unpublizierte Inschrift aus Notion berichtet von der Entsendung zweier Richter aus Kolophon nach Temnos11. Eben diese Beziehungen zwischen Temnos und Städten der erythräischen Halbinsel können nun durch zwei weitere noch unbekannte Urkunden unterschiedlicher Herkunft zusätzlich illustriert werden, die ich hier gemeinsam vorlegen möchte.
1 Isopolitiebeschluß von Temnos für Teos Bei den während der Jahre 1963 bis 1966 durchgeführten Grabungen des Archäologischen Instituts der Universität Ankara im Bezirk des Dionysos-Tempels von Teos wurde gegen Ende der Grabungstätigkeit im Bereich zwischen der Rückseite des Tempels und der Stadtmauer am Rande des Grabungsgeländes eine Inschrift gefunden, die sich jetzt noch an der Fundstelle befindet. Der Stein kann von irgendeinem
9 Datierung von L. Robert aufgrund der Schriftformen. Der Text ist in der κοινή redigiert, während die beiden anderen dem 3. Jh. zugewiesenen Inschriften noch Dialektformen haben. Robert betont Études anatoliennes 92 Anm. 3, daß er aber die chronologische Einordnung dieser Beschlüsse für schwierig hält. 10 AJPh 56, 1935, 381 n. VII mit den Ergänzungen von L. Robert, RPhil 1936, 166–168 (OMS II 1245– 1247). 11 Erwähnt bei L. Robert, Hellenica X (1955) 298.
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benachbarten Gebäude oder Monument stammen und möglicherweise in Sturzlage liegen geblieben und verschüttet worden sein. Näheres ist aber nicht feststellbar, da die Grabung nach dieser Seite nicht fortgeführt worden ist. Ich konnte den Stein gemeinsam mit R. Bernhardt bei einem Besuch im Herbst 1969 aufnehmen; für die Erlaubnis, ihn hier veröffentlichen zu dürfen, habe ich den Leitern der Ausgrabung, den Herren Professoren Yusuf Boysal und Baki Öğün, herzlich zu danken. Block aus weißem Marmor, oben gebrochen, unten mit einem noch zum Teil erhaltenen Profil versehen; linker Rand von Z. 12 an erhalten, rechter Rand im unteren Teil ebenfalls feststellbar, aber stärker verstümmelt. H. 68, B. 51, D. ca. 23 cm; Buchstabenhöhe 0,9–1,2; Zeilenabstand 1 cm. Die Schriftfläche weist Sprünge auf, ist stärker verwittert und außerdem durch Kratzer nicht unerheblich beschädigt (Abb. 4). Die Schriftformen verweisen auf die Zeit des ausgehenden 3. oder des beginnenden 2. Jh.s v. Chr. Die Hastenenden der Buchstaben sind mit knopfartigen Verzierungen versehen. A hat gebrochenen Querstrich12, Σ noch auseinandergehende, nicht parallele Außenhasten13, Z die ältere Form mit senkrechtem Mittelstrich. Beim Π ragt die waagerechte Haste rechts etwas über die senkrechte hinaus; diese ist kurz und reicht kaum bis zur Mitte der Zeilenhöhe herab. Beim N führt die rechte Haste bis zum unteren Zeilenrand herunter. M hat leicht divergierende Außenhasten. O und Θ (mit Punkt in der Mitte) sind in der Regel kleiner geschrieben und hängen häufiger am oberen Zeilenrand14. Bei dem Nebeneinander von „älteren“ (besonders Π und Σ) und „jüngeren“ (A, N) Formen sehe ich keine Möglichkeit einer weiteren Einengung über den oben gegebenen Rahmen hinaus. {SEG XXIX 1149}
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[ 6 ]Ν̣ΑΥ[ ]Ι̣ ΝΕΧΕ̣ [ ] [Πρε]σ̣βευταὶ ἐ̣ δ̣ε̣ ί̣ χϑ̣ ησαν Σάτυ[ρος Ζωΐλου, . . . ϑε-] [μις] Λυσίου, Ἡρογείτων Ἀϑηναίο[υ. ] 4 [Ἐ]γνώσϑη τοῦ αὐτοῦ μηνὸς ἕκτη̣[ι 6–8 , γνώμη τι-] [μού]χων· ἐπειδὴ Τηΐων φίλων καὶ εὐνό[ων ὄντων καὶ συγ-] [γεν]ῶν τοῦ ἡμετέρου δήμου καὶ πολλ[ὰς ἐπιδείξεις πε-] [ποι]ημένων τῆς πρὸς τὴν πόλιν ἡμῶν ε[ὐνοίας ἐψήφισται] 8 [ὁ δ]ῆμος εἰσκηρύσεσϑαι τὸν δῆμον τὸν Τ̣η[ΐων εἰς προεδρίαν] [κα]ὶ στεφανοῦσϑαι χρυσῶι στεφάνωι ἐν τ̣ ο̣ ῖ̣ ς ἀ[γῶσιν οὓς ἐ-] [πι]τελεῖ ὁ δῆμος τῶι τε Διονύσωι καὶ τοῖς βασιλ[ε]ῦ̣[σιν, διανε-] νόηκεν δὲ καὶ περὶ τῶν ἄλλων φιλαν[ϑ]ρώπων, κα[λῶς δὲ] 12 ἔχον ἐστὶν κἀκόλουϑον τοῖς προεψηφ[ισμ]ένο[ις ε]ἶν[αι πολι-] 12 Zum Aufkommen des A mit gebrochenem Querstrich im letzten Viertel des 3. Jh.s vgl. M. Holleaux, Études d’épigraphie et d’histoire grecques II 76 mit Anm. 3; L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I (1964) 10 mit Anm. 1. 13 Für die Verwendung dieser Buchstabenformen noch um die Mitte des 2. Jh.s v. Chr. vgl. man den Hinweis von M. Holleaux, Études II 79 auf IvPergamon 248. 14 Zu dieser Besonderheit M. Holleaux, Études III 169.
46 Die Stadt Temnos in hellenistischer Zeit
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τείαν Τηΐοις παρ’ ἡμῖν· δεδόχϑαι τῆι βο[υλῆι] καὶ τῶ[ι δήμωι εἶ-] ναι πολιτείαν Τηΐοις ἐν̣ Τ̣ήμνωι ἐφ’ ἴση[ι κ]αὶ ὁμοίαι [καὶ μετουσί-] αν πάντων ὧν καὶ τοῖς ἄλλοις πολίταις μέτεστιν, εἶνα[ι] 16 δὲ καὶ γῆς καὶ οἰκίας ἔγκτησιν καὶ ἐπιγ[α]μ̣ ίαν π̣α̣[ρ’] ἡ̣μῖν [Τηΐ-] οις καὶ δίκας προδίκους καὶ ἐὰν βούληται ὁ Τήϊος̣ ἐ̣ πικλ[η-] ροῦσϑαι ἐπὶ φυλὴν ἐπικληρωϑῆναι αὐτὸν ὑπὸ τῶν τιμο[ύ-] χων· ἵνα δὲ καὶ Τήϊοι εἰδήσωσιν τὴν τοῦ δήμου πρὸς αὐ̣ 20 τοὺς εὔνοιαν, ἀποστεῖλαι δὲ κα‹ὶ› πρεσβευτὰς τοὺς ἐ[πε-] λευσομένους ἐπὶ τὴν ἐκκλησίαν καὶ παρακαλέσοντ[ας] καὶ Τηΐους τὴν αὐτὴν αἵρεσιν ἔχειν πρὸς τὴν ἡμετέρα̣[ν] πόλιν. Πρεσβευταὶ ἐδείχϑησαν Σάτυρος Ζωΐλου, [. . . .] 24 ϑεμις Λυσίου, Ἡρογείτων Ἀϑηναίου. Z. 1: Die Reste können zu der Formel τὴ]ν αὐ[τὴν αἵρεσ]ιν ἔχε[ιν ergänzt werden, wie sie auch unten in Z. 22 erscheint. Z. 2: Die Namen ergeben sich aus der Aufzählung in Z. 23 f. Z. 4: Zwischen ἕκτηι und γνώμη möglicherweise ἀπιόντος (dann würde sich auch der zeitliche Spielraum zwischen diesem und dem vorausgegangenen Beschluß erweitern). Z. 20: Der Steinmetz scheint zunächst versehentlich δέκα verstanden und geschrieben zu haben, danach ist offenbar das Iota durch einen kleinen Strich über der Zeile nachgetragen; das so entstandene δὲ καὶ ist aber abundierend. Z. 23/4: Der erste Namensbestandteil ist nicht sicher zu ermitteln. Er könnte mit Φ begonnen haben: also Φιλόϑεμις oder möglicherweise Φαννόϑεμις (Lesung Φ̣Ι̣ Λ̣Ο̣ R. Bernhardt am Stein, Φ̣ΑΝΝ̣ Frau Ch. Irmer am Abklatsch; Φαννόϑεμις in Erythrai: vgl. R. Münsterberg, Beamtennamen auf griech. Münzen 91; SNG Copenhagen n. 579).
Übersetzung … Als Gesandte wurden benannt Satyros, Sohn des Zoilos, …themis, Sohn des Lysias, Herogeiton, Sohn des Athenaios. Beschlossen im selben Monat am 6. [ .] Antrag der Timuchen: In Anbetracht der Tatsache, daß unser Demos zum einen den Beschluß gefaßt hat, den Demos der Teier, die unserem Volk durch Freundschaft, Wohlwollen und Verwandtschaft verbunden sind und viele Beweise ihrer guten Gesinnung unserer Stadt gegenüber erbracht haben, an den Agonen, die der Demos für Dionysos und für die Könige veranstaltet, durch Heroldsruf auf einen Ehrenplatz einzuladen und durch einen goldenen Kranz zu ehren, daß er zum anderen aber auch Überlegungen im Hinblick auf andere Privilegien angestellt hat, und daß es angebracht ist und in Übereinstimmung steht mit den vorher gefaßten Beschlüssen, daß die Teier bei uns das Bürgerrecht erhalten, mögen Rat und Volk folgendes beschließen: Die Teier sollen in Temnos Bürgerrecht zu gleichen Bedingungen haben und Teilhabe an allem, an dem auch die übrigen Bürger teilhaben; sie sollen auch das Recht auf Erwerb von Grundbesitz und einem Gebäude haben, das Recht zur Eheschlie-
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ßung, beschleunigte Behandlung bei Prozessen, und wenn der Teier in eine Phyle eingelost werden will, soll die Einlosung durch die Timuchen vorgenommen werden. Damit aber die Teier von der wohlwollenden Gesinnung unseres Demos ihnen gegenüber Kenntnis erhalten, soll man auch Gesandte abschicken, die vor ihrer Volksversammlung auftreten und die Teier auffordern sollen, die gleiche Einstellung auch unserer Stadt gegenüber zu hegen. Als Gesandte wurden benannt Satyros, Sohn des Zoilos, …themis, Sohn des Lysias, Herogeiton, Sohn des Athenaios.
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Die Inschrift liefert ein neues Exemplar der wohlbekannten Institution der Bürgerrechtsverleihung zwischen Städten, die wir mit dem Begriff der Isopolitie zu bezeichnen pflegen. W. Gawantka, von dem seit kurzem eine neue umfassende Untersuchung dieses Phänomens vorliegt, konnte diesen Text schon berücksichtigen15. Im vorliegenden Fall stellt sich der Beschluß der Temniten zugunsten von Teos als eine einseitige Handlung dar. Er kann aber in einen größeren Zusammenhang reziproker Schritte hineingehören, von denen uns das erhaltene Fragment nur einen Ausschnitt erkennen läßt. Auf jeden Fall zeigt der in den ersten beiden Zeilen noch erhaltene Schlußteil einer zeitlich vorausgehenden Urkunde, der dieselben Gesandtennamen aufführt wie der dann voll erhaltene Beschluß, daß dem hier greifbaren Schritt der Temniten schon andere vorausgegangen sind: darauf wird offenkundig mit den προεψηφισμένα von Z. 12 verwiesen. Als deren Inhalt werden hier die Gewährung des Rechts der Prohedrie und „Bekränzung“ des Demos von Teos an den Agonen in Temnos genannt (Z. 7–10). Die Begründung für den Beschluß der Temniten, die u. U. interessantere Details über die Beziehungen | zwischen beiden Städten enthalten konnte, ist aber mit dem vorausgehenden Beschluß verloren gegangen und wird im nachfolgenden nur mit recht allgemeinen Floskeln resümiert (Z. 5–7). Wenn man innerhalb der weitgehend konventionellen Aussagen des Beschlusses der Temniten nach einem Ansatz sucht, der eine genauere zeitliche und damit u. U. sogar historische Einordnung ermöglichen könnte, so läßt sich wohl nur die in Z. 10 erhaltene Erwähnung von „Königen“, denen in Temnos neben Dionysos Agone geweiht waren, als Indiz in Anspruch nehmen. Dabei kann man sich zunächst fragen, welches Herrscherhaus gemeint ist, sodann aber, wie der Plural hier verstanden werden soll. Was die erste Frage betrifft, so ist es allein schon von der geographischen Lage von Temnos her naheliegend, vornehmlich an die Attaliden zu denken. Wir haben zwar keine genaue Kenntnis, wann die Stadt in den Einflußbereich der pergamenischen Herrscher gekommen ist. Die oben erwähnte Isopolitie-Vereinbarung zwischen Temnos und Pergamon aus dem frühen 3. Jahrhundert könnte aber eine
15 W. Gawantka, Isopolitie. Ein Beitrag zur Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen in der griechischen Antike (Vestigia Band 22, 1975). In der Liste uns erhaltener Isopolitie-Vereinbarungen bei Gawantka ist unser Dokument auf S. 214 unter Nr. 39 verzeichnet.
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gewisse Abhängigkeit gegenüber der Stadt im Norden sogar schon für die vordynastische Zeit bezeugen. Eine wichtige Bestätigung ist dann jedenfalls Polybios V 77, der gelegentlich der Rückgewinnung äolischer und ionischer Städte durch Attalos I. bei seinen Aktionen gegen Achaios im Jahre 218 Temnos ausdrücklich erwähnt, gleich im Anschluß daran übrigens auch Teos16. Die Zugehörigkeit zum attalidischen Machtbereich wird dann insbesondere durch einen allerdings nicht näher datierbaren Brief Eumenes’ II. an die Temniten aus Pergamon bezeugt, aus dessen spärlichen Fragmenten der Vorgang einer Landzuweisung durch den König, verbunden mit entsprechenden finanziellen Vorteilen für die Stadt, erkennbar scheint17. Ob die ausgreifende Expansion Antiochos’ III. in Kleinasien in den 90er Jahren auch diese ja etwas im Bergland versteckte Stadt erfaßt hat, bleibt uns unbekannt; auf jeden Fall könnte die Beherrschung von Temnos durch den Seleukiden nur eine kurze Episode gewesen sein18, während für die Partnerstadt Teos ja nun immerhin bezeugt ist, daß sie zwischen 204/3 und 190 in den Händen des Antiochos war19. Wenn aber die IsopolitieVerleihung von einem an Pergamon bzw. die Attaliden attachierten Temnos ausging, ist es vielleicht wahrscheinlicher, daß auch Teos auf dieser Seite stand und nicht gerade von Antiochos abspenstig gemacht worden war. Dann ergäben sich als Datierungsmöglichkeiten im besonderen die Zeitspannen zwischen 218 und 204/3 bzw. ab 190/89 v. Chr. Das ist aber nun mit der Frage zu kombinieren, welche Könige mit dem Plural in Z. 10 gemeint sind. Wie unten zu erörtern sein wird, läßt die Formulierung m. E. | durchaus die Möglichkeit zu, daß damit zwei aufeinanderfolgende Attalidenkönige bezeichnet werden. Das könnten dann Attalos I. und Eumenes II. sein, womit man auf eine Datierung in die Regierungszeit Eumenes’ II. käme, ab 197 bzw. unter Berücksichtigung der seleukidischen Beherrschung von Teos möglicherweise erst ab 190/89, d. h. nach Magnesia und vielleicht Apameia. Bis in die Zeit nach 159 hinabzugehen, wobei dann mit den Königen Eumenes II. und Attalos II. gemeint wären, schiene mir von den Schriftformen her nicht ausgeschlossen, aber doch wenig wahrscheinlich. Sollte aber hinter dem Plural βασιλεῖς der Tatbestand einer gleichzeitigen Herrschaft zweier Könige stehen, wäre das Jahr 160/59 zu erwägen, in dem, wie wir wissen, Attalos II. kurze Zeit neben Eumenes bereits den Königstitel führte20. Eine solche Zweierherrschaft gab es in der in Frage stehenden Zeitspanne übrigens auch 16 Polyb. V 77, 4–5 ἦσαν δ’ αἱ τότε μεταϑέμεναι πρὸς αὐτὸν πρῶτον μὲν Κύμη καὶ Σμύρνα καὶ Φώκαια· μετὰ δὲ ταύτας Αἰγαιεῖς καὶ Τημνῖται προσεχώρησαν, καταπλαγέντες τὴν ἔφοδον. ἧκον δὲ καὶ παρὰ Τηίων καὶ Κολοφωνίων πρέσβεις, ἐγχειρίζοντες σφᾶς αὐτοὺς καὶ τὰς πόλεις. 17 IvPergamon 157 = Welles, Royal Correspondence in the Hellenistic Period n. 48. 18 Vgl. H. H. Schmitt, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos’ des Großen und seiner Zeit (Historia Einzelschr. Heft 6, 1964) 283. Maximal käme der Zeitraum von 197 bis 190 in Betracht. 19 P. Herrmann, Anadolu (Anatolia) 9, 1965 (1967), 106 ff. 20 G. Daux, BCH 59, 1935, 224–230; vgl. auch P. Herrmann, IstMitt 15, 1965, 109 {hier S. 292}; J. Hopp, Untersuchungen zur Geschichte der letzten Attaliden (Vestigia Band 25, 1977) 4–6. Vgl. aber jetzt G. Petzl, ZPE 30, 1978, 265 f.
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einmal bei den Seleukiden, in der Zeit der Assoziierung seines Sohnes Antiochos durch Antiochos III. zwischen 209 und 19321. Sollte Temnos zwischen 197 und 190 tatsächlich Antiochos in die Hand gefallen sein, wäre nicht auszuschließen, daß unser Text ein Dokument aus einer solchen seleukidischen Episode der Stadt ist. Ich würde diesem Fall aber eine sehr viel geringere Wahrscheinlichkeit zusprechen als der oben vorgetragenen attalidischen Lösung. Ich lasse einige Einzelbemerkungen zu dem Text folgen: Z. 2–3 und 23–24: Von den zweimal genannten Gesandten dürfte der erste, Satyros, Sohn des Zoilos, in Verbindung zu setzen sein mit den beiden Brüdern Zoilos und Satyros, Söhnen des Polles, die der von L. Robert, Hellenica X 298 erwähnte Beschluß der Temniten aus Kolophon als Gesandte nennt. Auch für den Vatersnamen des zweiten, Lysias, gibt es in dieser Stadt schon Belege: Ἀπολλᾶς Λυσίου in Z. 4 des Dekretfragments aus Temnos bei L. Robert, Études anatoliennes 91, und wahrscheinlich auch γ[νώ]μη Λυσ[ί/ου] und nicht Λύσ[ι/δος] in dem Bürgerrechtsbeschluß Keil – v. Premerstein I 202, 5. Der dritte Gesandte, Herogeiton, führt einen Namen, der vor allem im ionischen Gebiet reichlicher belegt ist22. Der Name seines Vaters, Athenaios, ist immerhin auch der eines Gesandten der Temniten an Eumenes II. (Welles, Royal Correspondence 48, 3). Z. 4–5: Die Nennung der Timuchen als Beamtenkollegium in Temnos (vgl. auch Z. 18–19) ist eine Neuigkeit. Diese vornehmlich in ionischen Städten (vor allem Teos, Abdera, Priene, Lebedos) bezeugte Beamtenkategorie war für das äolische Gebiet immerhin schon in Methymna auf Lesbos belegt, dazu in Pergamon die Kollektivbezeichnung αἱ τιμουχίαι23. Die hier hergestellte Präskript-Formel γνώμη | τιμούχων ist aus Priene und Lebedos bezeugt (in Teos heißt es τιμούχων καὶ στρατηγῶν γνώμη); in den Präskripten von Beschlüssen aus Temnos war sie bisher nicht aufgetaucht24. Z. 5–6: Die Verbindung der drei Begriffe συγγενεῖς, φίλοι, εὔνους (meist in dieser Reihenfolge) in Texten aus dem zwischenstaatlichen Bereich ist stereotyp (vgl. z. B. L. Robert, BCH 49, 1925, 220 Anm. 1 = OMS I 14). Daß die echte oder konstruierte συγγένεια neben der οἰκειότης als Grundlage der Herstellung eines Isopolitie-Verhältnisses eine wichtige Rolle spielt, hat W. Gawantka gezeigt25. 21 Dazu zuletzt L. Robert, Nouvelles inscriptions de Sardes I (1964) 18–21. 22 L. Robert, RPhil 1967, 15 Anm. 5; Bull. épigr. 1967 n. 497; 1970 n. 257; Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 332; Études déliennes (BCH Suppl. I, 1973) 444. 23 G. Gottlieb, Timuchen. Ein Beitrag zum griechischen Staatsrecht (Sitz.-Ber. Akad. Heidelberg 1967, 3) mit der Materialzusammenstellung; dazu L. Robert, Gnomon 1971, 38–41. Neu hinzugekommen sind Belege aus Teos in der großen Sympolitie-Regelung mit Kyrbissos: J. u. L. Robert, JSav 1976, 155 f. Z. 18, 37, 55, dazu S. 222 f. mit Anm. 286. 24 In dem ins 3. Jh. datierten Beschluß L. Robert, BCH 57, 1933, 492 (OMS I 436) folgen auf γνώμα zwei oder drei Namen im Genetiv, in dem Text aus dem 2. Jh. Keil – v. Premerstein I 202 steht γνώμη mit vier nachfolgenden Namen. 25 W. Gawantka, Isopolitie 93–113. In seiner Materialsammlung zu den beiden Begriffen S. 95 Anm. 10 hat Gawantka unseren Text (Nr. 39) unter die Beispiele für οἰκειότης eingereiht, würde demnach in
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Z. 6–7: Für die Formel πολλὰς (καὶ μεγάλας) ἐπιδείξεις ποιεῖσϑαι ist bei M. Holleaux, Études III 92–4 (mit Ergänzungen von L. Robert) reichliches Material zusammengestellt. Z. 8: Einige Beispiele für die Formel εἰσκηρύσσεσϑαι εἰς προεδρίαν hat A. Wilhelm, Neue Beiträge I 25 gesammelt, dazu z. B. noch Milet I 3 n. 136, 11. Z. 9–10: Kranzverleihung an den Demos von Teos bei den Agonen, die für Dionysos und für die Könige veranstaltet werden. Es geht um ein im Rahmen des Herrscherkultes auch sonst bekanntes Phänomen, daß ein Agon oder Agone zu Ehren von Königen an ein Dionysos-Fest angeschlossen werden, sei es, weil dieser die Hauptgottheit der Stadt darstellt, sei es, weil das Fest des Gottes sich speziell für die Verbindung mit einem musischen Agon zu Ehren des Herrschers eignete26. Aber welches Fest war es hier, welche Herrscher sind gemeint? Die summarische Bezeichnung οἱ βασιλεῖς in hellenistischen Urkunden besonders aus dem Bereich der Attaliden hat schon gelegentlich zu Diskussionen geführt, ob damit zwei gleichzeitig regierende Könige gemeint sein müssen oder ob auch zwei aufeinanderfolgende Herrscher, ein schon verstorbener Vorgänger und der jetzt regierende, so zusammengefaßt werden können. Dabei zeigt sich, daß diese zweite Möglichkeit durchaus besteht27. Sie würde uns in dem vorliegenden Falle, wie schon oben bei der Frage der Datierung besprochen wurde, auf Attalos I. und Eumenes II. führen, mit geringerer | Wahrscheinlichkeit auf Eumenes II. und Attalos II., d. h. die hier vorauszusetzenden an das Dionysos-Fest angeschlossenen Agone wären aller Wahrscheinlichkeit nach Ἀττάλεια καὶ Εὐμένεια bzw. Εὐμένεια καὶ Ἀττάλεια gewesen. Unter den Belegen für Agone oder Feste zu Ehren der Attaliden gibt es immerhin Beispiele für solche Kombinationen28. Sollte sich βασιλεῖς hingegen auf die Seleukiden Antiochos III. und seinen gleich-
Z. 5/6 [οἰ/κεί]ων ergänzen. Soweit ich das Material durchgesehen habe, erscheint aber οἰκεῖος immer nur mit φίλος kombiniert, bei der dreigliedrigen Formel ist hingegen συγγενής die Regel. 26 Dazu Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte (21970) 149–151. Für Temnos hat L. Robert aus einer Angabe in dem Ehrenbeschluß für Smyrna erschlossen, daß dort das Fest für Apollon Kynneios das wichtigste der Stadt war (Études anatoliennes 93). Dionysos erscheint immerhin auch auf den Münzen von Temnos (ders., OMS I 440). 27 OGI 329 = IG IV 1 (Aigina, Ehrenbeschluß für den pergamenischen Epistates Kleon) Z. 24: καϑηκο λουϑηκ[ὼς] / ᾗ ἔχοντες οἱ βασιλεῖς [ἡ]μῶν [δια]τελοῦσιν πρὸς τὴν πό[λιν] / προαιρέσει (vgl. Ζ. 29), 37: [εὐ]νοίας, ἣν ἔχ[ων δι]ατελ[εῖ καὶ εἰς] τὸν βασιλέα Εὐμένη καὶ τ[ὸν / βα]σιλέα Ἄττ[αλο]ν [Φ]ιλάδε[λ φον] …, vgl. dazu M. Fränkel, IvPergamon p. 169. Ähnlich werden in den Beschlüssen für Kraton aus der Zeit Eumenes’ II. mehrfach oἱ βασιλεῖς genannt (Michel 1016 B 7; IG XI 4, 1061, 12. 32 = BCH 59, 1935, 211; OGI 326, 9) was G. Daux überzeugend auf (den schon verstorbenen) Attalos I. und Eumenes II. bezog (BCH 59, 1935, 220–222). 28 So die Ἀττάλεια καὶ Εὐμένεια in Aigina (OGI 329, 40 = IG IV 1) oder die bekannte Ehrung Eumenes’ II. und Attalos’ II. in Delphi durch die Feier der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen begangenen Εὐμένεια und Ἀττάλεια (J. Pouilloux, Choix d’inscriptions grecques, 1969, Nr. 11 und 13). Für eine Liste der uns bekannten Feste zu Ehren attalidischer Herrscher vgl. man G. Cardinali, Il regno di Pergamo (1906) 139–142 mit den Berichtigungen und Ergänzungen von L. Robert, RPhil 1934, 285 (OMS II 1184).
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namigen Sohn beziehen, was ich freilich für sehr viel weniger wahrscheinlich halte, dann müßte es sich um ein Fest Ἀντιόχεια in Temnos handeln29. Z. 11–12: Für die Verwendung der im hellenistischen Dekretstil sehr verbreiteten, die ἐπειδή-Formel abschließenden Wendung καλῶς δὲ (oder οὖν) ἔχον ἐστίν und ihre Varianten ist auf die Materialsammlung bei M. Holleaux, Études III 236–8 zu verweisen, dazu etwa noch Anadolu 9, 1965, 39 Z. 74 und 90 (mit folgendem καὶ ἀκόλουϑον) sowie 75 Anm. 56. Z. 12–19: Nachdem der Beschlußantrag zunächst nur in der Formel εἶναι πολιτείαν Τηΐοις παρ’ ἡμῖν zusammengefaßt worden war, erfolgt im Beschlußtext selbst die sachliche Aufgliederung (wofür hier jeweils auf die Materialzusammenstellung bei Gawantka, Isopolitie verwiesen werden kann): a) πολιτεία ἐφ’ ἴσηι καὶ ὁμοίαι (Gawantka 26); b) μετουσία πάντων (Gawantka 22: „μετέχειv-Formel“)30; c) γῆς καὶ οἰκίας ἔγκτησις (Gawantka 34); d) ἐπιγαμία (Gawantka 34 Anm. 72); e) δίκαι πρόδικοι (Gawantka 50 Anm. 19)31; f) ἐπικλήρωσις ἐπὶ φυλήν (Gawantka 73 Anm. 76)32. Die hier aufgeführten Einzelbestimmungen können bekanntlich auch Bestandteil individueller Bürgerrechtsverleihungen sein. Was Temnos betrifft, so sind uns in den beiden erhaltenen Bürgerrechtsdekreten dieser Stadt (Keil – v. Premerstein I n. 202; L. Robert, OMS I 436) denn auch entsprechende Formulierungen über die μετουσία τῶν λοιπῶν, γῆς καὶ οἰκίας ἔγκτησις und die Prozedur der ἐπικλήρωσις erhalten. Daß für das letztgenannte die Timuchen zuständig waren, lehrt uns erst der neue Text.
29 Es kann darauf verwiesen werden, daß L. Robert in der Inschrift aus Sardeis, in der er die dort erwähnten βασιλεῖς auf Antiochos III. und seinen Sohn bezog, neben der Ergänzung Z. 18 πλ]ὴν τῶν ἀποτεταγμένων εἰς [τὰς τιμὰς τ]ῶν βασιλέων καὶ τῆς βασιλίσ[σης auch εἰς [τοὺς ἀγῶνας] erwogen hat (Nouvelles inscriptions de Sardes I 18). Das wären dann (für beide Könige gefeierte) Ἀντιόχεια καὶ Λαοδίκεια gewesen. Ein solches Doppelfest kennen wir ja jetzt aus Teos (Anadolu 9, 1965, 37 Z. 6; gegen die Einfügung von Σελεύκεια durch R. Merkelbach, ZPE 3, 1968, 173 J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1969 n. 499), wobei die Ἀντιόχεια freilich nur auf Antiochos III. zu beziehen sein werden (der Sohn Antiochos tritt in Teos nicht in Erscheinung, weshalb ich auch die ib. 39 Z. 63 erwähnten τιμαὶ τῶν βασιλέων nicht mit auf ihn bezogen, sondern als „kollektiven“ Plural zu erklären versucht habe). – Belege für uns bekannte Ἀντιόχεια findet man Anadolu a. a. O. 56 Anm. 10; dazu L. Robert, Laodicée du Lycos 251–3; P. Frisch, ZPE 13, 1974, 115 (Kolophon); Z. Taşlıklıoğlu – P. Frisch, ZPE 19, 1975, 221 (Skepsis), vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1976 n. 573. 30 Für die Verbindung von πολιτεία- und μετουσία-Formel in Bürgerrechtsdekreten vgl. auch L. Ro bert, RPhil 1927, 125 (OMS II 1080), dazu noch A. Wilhelm, Neue Beiträge II 31 f.; Th. Drew-Bear, BCH 96, 1972, 438 Anm. 18. 31 Zu dem Institut der προδικία kann über die bei Gawantka zitierte Literatur hinaus noch auf A. Wilhelm, ÖJh 14, 1911, 205 verwiesen werden. 32 Dazu L. Robert, BCH 57, 1933, 495–6 (OMS I 439).
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Z. 22: Aus der den temnischen Gesandten mitgegebenen Aufforderung an die Teier, τὴν αὐτὴν αἵρεσιν ἔχειν πρὸς τὴν ἡμετέραν πόλιν, kann man vielleicht den Wunsch herauslesen, Teos möge die Isopolitie-Verleihung mit einem gleichen Beschluß erwidern. Dementsprechend hat auch W. Gawantka S. 214 hier mit der Möglichkeit eines „Psephismentausches“ gerechnet.
2 Schiedsgericht zwischen Temnos und Klazomenai Die hier anzuschließende Veröffentlichung einer zweiten die Stadt Temnos betreffenden Urkunde hat nicht einen Neufund zum Inhalt, sondern einen offensichtlich schon längere Zeit in den Staatlichen Museen in Berlin befindlichen Stein, der während der Zeit der großen Grabungstätigkeit am Anfang dieses Jahrhunderts in das Museum gebracht worden zu sein scheint, aber bisher noch keine Veröffentlichung erfahren hat. Ich vermute, daß er aus dem Stadtgebiet von Klazomenai stammt. Mir war der Text zunächst durch Abklatsche und eine Abschrift bekannt geworden, die in der Antiken-Abteilung der Staatlichen Museen der Stiftung preußischer Kulturbesitz in Berlin-Charlottenburg aufbewahrt wurden. Gelegentlich eines Besuches in den Staatlichen Museen in Berlin (Ost) im Jahre 1972 konnte ich dort den Stein selbst ausfindig machen. Für freundliche Unterstützung meiner Arbeit bzw. die Erlaubnis, die Inschrift zu publizieren, habe ich den zuständigen Instanzen und im besonderen Frau Dr. E. Rohde und Frau Dr. H. Heres vom Pergamon-Museum, Herrn Prof. K. Vierneisel vom Museum in Charlottenburg herzlich zu danken. Stele aus weißgrauem Marmor, unten schräg abgebrochen. Die Stele war oben nach beiden Seiten mit einem Profil versehen, das bei einer späteren Gelegenheit abgearbeitet worden ist. Unterhalb des Profils befindet sich auf beiden Seiten ein ca. 7 cm hohes, ganz leicht vorspringendes Band (auf der Seite A mit Zahneisen bearbeitet); die Schrift beginnt jeweils erst darunter. H. Seite A 78, Seite B 96 cm; B. | oben 52, Schaft der Stele 49,5–51,5 cm; D. oben 20, Schaft 16–17 cm. Beide Schriftflächen sind z. T. stärker beschädigt, A besonders am linken Rand, B oben und in der Mitte. Seite A: Buchstabenhöhe 0,8–1,1, Zeilenabstand 0,2–0,5 cm; Seite B: Buchstabenhöhe 0,6–0,9, Zeilenabstand 0,2–0,5 cm (Abb. 5–7). Die Schrift weist zwischen beiden Seiten der Stele schon äußerlich einen Unterschied in der Buchstabengröße auf und dürfte im besonderen wegen der verschiedenen Formen des Z (s. unten) von zwei Steinmetzen stammen. Sie ist aber sonst in den wesentlichen Charakteristika einheitlich und führt am ehesten auf das beginnende 2. vorchristliche Jahrhundert bis etwa zur Jahrhundertmitte hin. Die Strichenden sind durch knopfartige Verzierungen betont. A hat gebrochene Querhaste (vgl. Anm. 12); die äußeren Schenkel des Σ sind parallel. M hat nur ganz leicht divergierende Außenhasten, beim N reicht der rechte Strich zum Teil noch nicht bis ganz nach unten (besonders auf Seite B). Beim Π ist die waagerechte Linie nach beiden Seiten etwas vorspringend, die senkrechte Haste reicht etwa bis zur halben Höhe herunter. Z hat
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unterschiedliche Formen: auf Seite A erscheint die jüngere Form mit einem schräg gelegten Mittelstrich, während auf Seite B der älteren Form entsprechend der Mittelstrich senkrecht steht33. Ξ wird auf beiden Seiten ohne senkrechten Strich geschrieben. Θ hat einen Punkt in der Mitte. Die Rundbuchstaben Θ und O, gelegentlich auch Ω sind häufiger kleiner geschrieben. Im ganzen wirkt die Schrift etwas jünger als die der Inschrift Nr. 1, doch möchte ich mich für deren zeitliche Priorität nicht verbürgen. {SEG XXIX 1130 bis}
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Seite A [?Κρίσις ἃν ἀπεφάναν?]το οἱ αἱρεϑέντες [δικα]σ[ταὶ τῶν] Κ̣νιδίων [οἷς ἐπέτρεψαν τὰν δ]ι̣ ε̣ξ̣αγωγὰν ποιή̣σ̣α̣σ̣[ϑαι ․ ․ ․ ․ ․ .]Κ̣ ․ ․ ΙΩΝ ὑ [πὲρ τ]ῶν ἐ[γκλη]μάτ[ων] ὧν ἐξέϑηκαν Τημνῖτ̣ [αι κ]α̣ὶ Κλαζομέ4 [νιοι Θ]αλῆς, Ξ̣ ε̣ νόδ̣ο̣ τ̣ ος, Ἁ̣γ̣ησικράτης, Πύϑων̣ , [Κ]α̣φισόδωρος, [․ ․ ․ .]δωρος δι[εξάγ]οντες ὡς ἐφαίνετο αὐτοῖς δικαι[ό]τατα [καὶ σ]υμφερόντως ἕξειν τοῖς [δ]άμ̣ οις καὶ μενεῖν ἁ προϋ [πάρξ]ασα φιλία καὶ [ε]ὔ̣ν̣ οια ταῖς πόλεσι ποϑ’ αὑτὰς ἀκολο[ύ-] 8 [ϑως τ]ο̣ ῖς προγεγενημένοις φιλανϑρώποις, ἁ δὲ γενη [ϑεῖσ]α̣ περὶ τῶν διαμφισβατηϑέντων ποϑ’ αὑτοὺς διαφ[ο-] [ρὰ παύ]σειν, ὑπάρξειν δὲ ἁ ἀποκατάστασις εἰς τὰμ φιλ[ί-] [αν τα]ῖς πόλεσι βεβαία. Περὶ μὲν τῶν [κα]τὰ τὸμ πόλεμον 12 [ἐγκλη]μάτων [ὑπὲ]ρ ὧν ἐνεκάλεσαν ἀλλάλοις Τημνῖτ[αι] [καὶ Κλ]αζομένιοι, με[γά]λων ὄντων τῶν ἐγκεκλημένων [καὶ τῶ]ν ποτικατακεχωρισμένων ἐν αὐτοῖς ἀλλοτρίων [πρὸς ἀπ]οκατ[άσ]τασιν φιλίας, διατεινόντων δὲ εἰς ἔχ‹ϑ›ραν τὰν μεγ[ί-] 16 [στα]ν, καλῶς ἕξ[ειν] ὑπελάβομες ἐναντίομ μὲν μηϑὲν μηδὲ ἀνο [χὰν] τοῖς προϋπάρχουσι φιλανϑρώποις καταλείπειν, τὰν δὲ διεξα [γωγὰ]ν ποιήσασϑαι ἀκολούϑως τᾶι τε τοῦ δάμου προαιρέσει [ἃν καὶ] [αὐτ]οὶ προεϑέμεϑα καὶ τῶι συμφέροντι τῶν ἐπιτρεψάντων τὰ[ν κρί-] 20 [σιν.] Διὸ καὶ κρίνομες διαλελῦσϑαι τὰς πόλεις περὶ τῶν κατὰ τ[ὸμ] [πόλεμ]ον ἐγκλημάτων καὶ μὴ ἐξῆ{η}μιν ἔτι ἐγκαλέσαι, ἀλλὰ ὑ[πάρ-] [χειν ἀ]μναστίαν εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον. Κρίνομες δὲ καὶ ὑπὲρ τ[οῦ ἐγ-] [κλήμ]α̣τος οὗ̣ ἐνεκάλεσαν Τημνῖται Κλαζομενίοις ὑπὲρ τ[οῦ τε-] 24 [μ]έ[ν]ο̣ υς καὶ τᾶν ταφᾶν μὴ ἐνόχους Κλαζομενίους τοῖς ἐγ[κεκλη-] [μ]έ̣ ν̣ οις διὰ τὸ μηδεμιᾶι χρήσασϑαι ἀποδείξει Τημνίτας τ̣ [οῦ ἐγκλή-] [ματ]ος δι’ ἇς ἤμελλον φανερὸν ἁμῖν ποιήσειν ὅτι ἀλλοῖ[ά? ἐστιν τὰ] [ἐγκε]κλημένα ὑπ’ αὐτῶν, πᾶν δὲ τὸ ἐναντίον δηλοῦν δ̣ [ιὰ τοῦ ἐγ-] 28 [κ]λήματος ὅτι καὶ αὐτοὶ ἐπὶ τὸ ἐγκαλεῖν ἦλϑον ποταγγ[ελίαν]
33 Zu dem Aufkommen des jüngeren Z im 2. Jh. und der Verwendung der älteren Form noch bis zur Mitte des Jahrhunderts vgl. L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 540 Anm. 3 und die dort angegebene Literatur.
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[ψ]εύσαντες, ποταγγειλάντων αὐτοῖς τινῶν ἐπενβαίν̣ [ειν ] γ̣ε̣ ιτονεύοντας καὶ τᾶν σταλᾶν τινας κιν̣ ῖ̣ ν τᾶν πρ̣ [οσοριζου-] [σ]ᾶν τὸ τοῖς ϑεοῖς ἀνατεϑὲν τέμενος, ἀφαιρεῖσϑαι δ[ὲ καὶ τοῦ τε-] 32 [μ]ένους τὰ πάτρια καὶ ἀπὸ τοῦ τόπου τοῦ εἰς τὰς [ ] [․ ․]ς· ταῦτα δὲ ἀποφανάμενοι πάλιν ἐν ․ ΛΛΟ ․ [ ] ․ ․ ․ ΦΑΝΤΙ τοὺς ἀφορισμένους Τ[ ] τινας κεκινῆσϑαι καὶ συντε[τ]ρ[ίφϑαι ] 36 καὶ μετὰ ταῦτα ἐπισκ[ ] γεγενημένα Α ․ Ο[ ] [․]α ἐξ ἀρχῆς Ω[ ] ․ ․ ἐπιγνωσ[ ] 40 [․ ․ ․]ΠΩΝΚΑ[ ] [․ ․ ․ .]ΑΠ[ ] Ζ. 2 Mitte: Vom 2. Σ von ποιήσασϑαι ist die untere Schräge noch erkennbar, wodurch ποιησάμενοι ausgeschlossen wird. Z. 2 Ende: Die letzten 3 Buchstaben sind sicher; davor eine senkrechte Haste, die auch zu einem breiteren Buchstaben gehören kann. Davor 1 bis 2 zerstörte Buchstaben, davor K oder P. Auf der in Charlottenburg vorgefundenen Abschrift von unbekannter Hand ist notiert: P.IONY. Z. 15: Der Stein hat EXPAN. Z. 21: Die Lesung ΕΞΗΗΜΙΝ ist sicher. Ihr dürfte ein Versehen des Steinmetzen zugrundeliegen, der die dorische Form ἐξῆμεν mißverstanden und in ἐξῇ ἡμῖν korrigiert zu haben scheint (ἦμεν in Knidos Syll.3 187, 6 {IvKnidos 603, 6}; ἐ[ξῆμ]εν ib. 978, 7 {IvKnidos 160, 7}). Z. 26 Ende: Nach ΑΛΛΟ ist ein (etwas gekrümmter) senkrechter Strich erhalten, der Iota oder aber auch ein breiterer Buchstabe gewesen sein kann. Auf der Abschrift aus Berlin sind nach O Reste notiert, die zu KA oder ΚΛ ergänzt werden könnten (oberer Rest einer schrägen Haste und spitzer Winkel oben): sollte man | eventuell an dorisches ἄλλοκα (= ἄλλοτε, vgl. Theocr. I 37; Ap. Dysc. de adv. 193, 17) denken? Z. 30: Von der Form κινῖν sind das erste N und das zweite I durch Steinverletzung stärker beschädigt, an der Lesung kann aber kaum gezweifelt werden. Für κινεῖν reicht der Platz auf keinen Fall. Zum Vergleich kann auf das recht gehäufte Vorkommen itazistischer Schreibungen in den teischen Beschlüssen für Antiochos III. von 204/3 verwiesen werden (Anadolu 9, 1965, 50).
Übersetzung [?Entscheidung, welche bekannt gaben?] die ausgewählten Schiedsrichter der Knidier, [denen sie es aufgetragen hatten, die] Beilegung vorzunehmen [ ] bezüglich der Anschuldigungen, die die Temniten und die Klazomenier vorlegten, nämlich (Namen der Schiedsrichter) Thales, Xenodotos, Hagesikrates, Python, Kaphisodoros, [ ]doros, wobei sie die Differenzen beilegten, wie es ihnen am gerechtesten und vorteilhaft für die (beiden) Volksgemeinden zu sein schien, wie die vorher existierende Freundschaft und das gegenseitige Wohlwollen der Städte Bestand haben könnte gemäß den früheren guten Beziehungen, wie ihre Entzweiung, die aus den zwischen ihnen strittigen Fragen hervorgegangen war, aufhören, die Wiedereinsetzung in die Freundschaft für die Städte gesichert sein könnte.
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Was die in Zusammenhang mit dem Krieg entstandenen Anschuldigungen betrifft, die Temniten und Klazomenier gegeneinander vorgebracht haben, wobei die Vorwürfe selbst gewichtig sind und die in sie aufgenommenen Details der Wiederherstellung der Freundschaft abträglich sind, vielmehr zu größter Feindschaft zu führen vermögen, hielten wir es für wünschenswert, nichts bestehen zu lassen, was den früher existierenden guten Beziehungen entgegenstünde oder sie aufhielte, vielmehr die Beilegung vorzunehmen gemäß der Intention unseres Demos, die wir uns auch selbst zu eigen gemacht haben, und gemäß dem Vorteil derer, die uns die Entscheidung anvertraut haben. Deshalb entscheiden wir: Die Städte sollen ausgesöhnt sein bezüglich der aus dem Krieg stammenden Anschuldigungen, und es soll nicht gestattet sein, noch Anschuldigungen vorzubringen, sondern es soll für alle Zeiten Amnestie bestehen. Wir entscheiden auch folgendes bezüglich der Anschuldigung, die die Temniten gegen die Klazomenier vorgebracht haben hinsichtlich des Temenos und der Gräber (Bestattungen): Die Klazomenier trifft keine Schuld im Hinblick auf die Vorwürfe, weil die Temniten den Beweis für die Anschuldigung nicht erbracht haben, durch den sie uns klar machen wollten, daß das, was sie vorwerfen, von anderer Art (?) ist, weil sie ganz im Gegenteil durch ihre Anschuldigung deutlich machen, daß sie auch selbst zum Zweck der Anschuldigung kamen und unter Täuschung ihre Anzeige machten, nachdem ihnen gewisse Leute gemeldet hatten, daß Nachbarbewohner [– – | –] beträten und einige der Stelen, die den den Göttern geweihten Bezirk abgrenzen, versetzten (herausrissen), daß sie auch die angestammten Rechte des Temenos verletzten und von dem Ort [– – – –.] Als sie dies angezeigt hatten [– – –], die abgegrenzten [– – –] einige versetzt (bzw. herausgerissen) und zerschlagen worden seien [– – – – –]. Seite B – Τ Δ Σ̣ – [ ] ἐν τῶι μηνὶ Τ[ ] [ ]Ν καὶ ἐπιπέμπειν τὰς [ ] ἐσφρα-] 4 [ ] ․ δ̣εκάτης φ̣ έ̣ ροντα ἐ[π]ηκόου̣[ γισμένας τῆι δη{ι}μοσίαι σφραγῖδι ΕΝΔ[ ] ․ ωσαν τὰς δίκας οἱ ἄρχοντες ἑκατέ[ρας τῶν πόλεων ] π̣ονται ἀγορᾶς πληϑυούσης κ̣α̣ὶ ἀ̣ν̣ α̣γ̣ρ̣ αψά[τωσαν τὰ ἐγκλήμα-] 8 τα καὶ ἐχϑέτωσαν εἰς τὴν ἀγορὰν ἐφορᾶν τῶι β̣ [ουλομένωι καὶ ] ]Ο ․ ․ ․ ․ εί̣ τωσαν τὰς πόλεις καϑάπερ γέγραπται ἐ̣ ν̣ [ ὁποτέρα δ’ ἂν τῶν πόλεων μ̣ὴ̣ π̣έ̣ μψῃ τὸν ἐ[π]ή[κοον] α̣ἰτήσα̣[σ] ϑαι τὸ δικαστήριον ἀποτεισάτω τῆι ἑτέραι δραχμ[ὰς Ἀ]λεξαν12 [δ]ρείας ἑξακισχιλίας καὶ τοῖς δικαζομένοις α[ἱ δί]κ̣ αι γινέσϑωσα̣[ν] τῶι ὕστερον ἐνιαυτ̣ [ῶι· ἐὰν δ]ὲ ὁ [ἐ]πήκοος ὁ ἀποσταλ̣εὶς μὴ παραγ[έ-] νηται εἰς τὴν ἔκκλη̣[τ]ο[ν καὶ τὸ δικασ]τήριον μὴ α̣ἰ̣ τήση̣ται, ὀφειλέτω̣ δραχμὰς χιλίας, αἱ δὲ δ̣[ίκ]α[ι τοῖς δι]καζομένοις γ[ινέσϑ]ωσαν τῶ̣ι ὕ̣ σ16 τερον ἐνιαυτῶι, τὸν δὲ ἐπ̣[ήκοον ]κοινω-
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μ]ηδε[ ] ․ ει μηνεῖ δίκης μηδεμιᾶς μήτε ․ Ε ․ ․ Η̣[ ]δ̣ ικ[ά]σηι, ὁ̣ ἐ̣ δὲ συνηγορείτω μηδὲ ἄλο ἀδικ[ τ]ὰ[ς] ἀδι[κίας] πήκοος ὑπόδικος ἔστω καὶ εἰὰν [ ἀπο]τεισάτω [ὑ-] ὑπὲ[ρ ὧ]ν ἐπήκοος γεν̣ [ό]μενος Ι[ Ἐπήκο]ον δὲ πέμπὲρ αὐ[το]ῦ τὰς καταδίκας ἡ πέμ[ψασα πόλις. δι]κ̣ α[ζ]ο̣ [μ]έν[οις· ἐὰν δὲ ἀ]πειν [ἐν] ἅπασιν τοῖς κατὰ τὸν Λ[․ ․]Ο[ δύνατος γένηται ἢ τελευτήσ[ῃ πρὶν ἢ τὰς] δίκας συντ̣ [ελ]εσϑῆνα[ι], ἄλλον ἀ[π]οστελλέτω ἡ πόλις [ἐπήκοον] δ̣ικαστηρίου. Ὁρκιζέτωσαν δὲ οἱ εἰσαγωγεῖς ἱεροῖς νεοκαύ̣[τοις ἐν]αντίον τοῦ ἐπηκόου καϑ’ ἑκάστην ἡμέραν, τὰ δὲ ἱερὰ παρέχ[ειν] τ[αῖς μ]ὲν Α[․ ․ ․]Γ̣ ΕΛΩΝ δίκ̣ [αις] τὴμ πόλιν τὴν εἰσάγουσαν τὰς [δί]κας, ἐν δὲ τ[ῆι ἐ]κκλ[ήτω]ι ἀμφο[τέρα]ς τὰς πόλ̣εις. Ὁ δὲ ὅρκος ἔστω [ὅδ]ε· δικῶ τὰς δίκας [Τη]μ̣ νίταις [καὶ Κλ]αζομεν̣ ίοις καὶ τοῖς μετο[ίκοι]ς καὶ τοῖς λοιποῖς το[ῖς] κατοικ[οῦσι]ν ἐν ταῖς πόλεσιν πρὸς οὕς [εἰσι]ν αἱ δίκαι κατὰ τὰς συνϑήκας· π̣[ερὶ ὧ]ν̣ δὲ μὴ γέγραπται ἐν τῆι συνϑήκηι γνώμηι τῆι δικαιοτά[τη]ι καὶ τὰς τιμητὰ[ς] δίκας τὰς καταδικασϑείσας τιμήσω τῆς ἀξίας, καὶ δῶρα οὐκ ἔλαβον οὐδὲ λήψομαι τῶ[ν δ]ικῶν ἕνεκεν οὔτε αὐτὸς ἐγὼ οὔτε ἄλλος ἐμοὶ οὔτε ἄλλη{ι} ο[ὔτε τ]έχνηι οὔτε παρευρέσει οὐδεμιᾶι, καὶ κατὰ μάρτυρα οὐ δικῶ ἐὰ[ν] μ̣ή μοι δοκῆι τἀληϑῆ μαρτυρεῖν· ἐπομνύτω δὲ ϑεοὺς τοὺς ὁρκίους εὐορκοῦντι μέμ μοι εὖ εἶναι, ἐφιορκοῦνμὴ δικάζειν πατέρα παιδ[ὶ] τι δὲ τἀναντία. Ο[ὓ]ς οὐ δεῖ δικάζειν· μηδὲ παῖδα πατρὶ μ[ηδ]ὲ ἀδελφοὺς ἀδελφῶι μηδὲ ἀδελφιδοῦς μηδὲ πάτρωας μηδ[ὲ] μήτρωας μηδὲ γαμβροὺς μηδὲ πενϑεροὺς μηδὲ κοινωνοὺ̣[ς τῆ]ς [δί]κ̣ης μηδὲ προξένους μηδὲ τοὺς εἰσαγωγεῖς τῶν δικῶν μηδ[ὲ τοὺς τρ]ε̣ φομένους ὑπὸ τῆς πόλεως· ἐὰν δέ τις πα‹ρὰ› ταῦτα δικάσηι οὓς ἡ̣ [συνϑή]κ̣η ἀπείργει, ἀποτισάτω ὁ δικάσας τῶι δικαζομένωι τὸ πέμπ[τον μέ]ρος τοῦ ἐπιγράμματος τῆς δίκης ἣν ἐδίκασεν καὶ τῆς δίκης ὑπ̣[όδικο]ς ἔστω. Μηδὲ ἐπήκοος τούτων μηδεὶς πορευέσϑω. Ἐὰν δέ τις τῶν ἐ[ν τῆι σ]υγγενείαι τῆι προγεγραμμένηι ἐπήκοος πορευϑῆι, ἀποτεισάτω τῆς δ̣[ίκη]ς τὸ πέμπτον μέρος τῶι ἀντιδίκωι καὶ τῆς βλάβης ὑπόδικος ἔστω τῶι ἀδ̣[ικ]ουμένωι. Καϑ’ ὅτι δεῖ τοὺς ἀντιδίκους διόμνυσϑαι· διόμνυσϑαι δὲ τοὺς ἀντιδίκους ἐν τῶι δικαστηρίωι πρὶν λέγειν τὰς δί[κας] τοῖς ἱεροῖς οἷς καὶ οἱ δικασταὶ ὀμνύουσιν καὶ προσομνύτω· δῶρα οὐκ ἔδ[ωκα οὐδὲ] δώσω τῆς δίκης ἕνεκεν οὔτε αὐτὸς ἐγὼ οὔτε ἄλλος ὑπὲρ ἐμοῦ οὔτ[ε ἄλ-] λη{ι} οὐδεμιᾶι παρευρέσει καὶ ἐπαράσϑωσαν εὐορκοῦντι μὲν εὖ̣ ε̣ ἶ̣ ν̣[αι, ἐφιορ-] κοῦντι δὲ τἀναντία. Ὑπὲρ δὲ τῶν ὀρφανῶν καὶ ὧν ἄλλος κύριο[ς, τούτους ἐπο-] μόσασϑαι τοῖς κυρίοις. Ἐὰν δέ τις ἀποσταλεὶς κατὰ συνϑήκα[ς ὑπὲρ ἄλλου] δικάζηται, διομνύσϑω ἐπομόσαι αὐτῶι τὸν ἀποστείλαντα [ἐναντίον τοῦ ἐ-] πηκόου καὶ τῶν ἀρχόντων ἀληϑῆ εἶναι τὴν διωμοσίαν, προσο[μνύτω δὲ ἀληϑῆ] δοκεῖν εἶναι αὐτῶι ὑπὲρ ὧν δικάζεται ὑπὲρ οὗ ἀπεστάλη [ ] ․ ηι δίκην ὀμνύτω τοῖς ἱεροῖς οἷς καὶ οἱ δικασταὶ πρὶν λέ[γειν τὰς δίκας δο-]
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[κ]εῖν αὐτῶι δίκαιον εἶναι νικᾶν ὑπὲρ οὗ λέγει· τὴν δ[ὲ ] Ἐάν τις ϑέληι τῶν μαρτ[υρ- ω̣ς ψευδομαρτυρίων. ] ․ α ψευδῆ μαρτυρῆσαι, ἐπισκηψάσϑω πρὸ ΤΟ̣[ ] τῆς μαρτυρίας τῆς μαρτυρηϑείσης [ ] ἅμα πάντων ἐπιλαμβανέσϑω καὶ Π[ οἱ ἀντί-] [δ]ι̣ κοι δότωσαν σεσημασμένη[ν τῆι δημοσίαι σφραγῖδι ] [μα]ρτυριων, ἐν δὲ τῆι πόλε[ι ] [ ] γένωνται ΤΩ[ ]
Ζ. 7 Anfang: Der 1. Buchstabe kann Π oder N gewesen sein. Z. 9 Anfang: Der 1. Buchstabe war P oder K; vom 3. ist das untere Ende eines senkrechten Striches erhalten; außer I kommen Y, T oder P in Betracht. Z. 18 Ende: δίκ[η]ς ἦι oder δικ[ά]σηι. Z. 19 Ende: τ]ὰ[ς] ἀδι[κίας] oder κ]α[τ]αδί[κας. Z. 26: s. Anm. 75. Z. 33 und 51: ἄλλη{ι}: s. den Kommentar. Z. 41 Ende: Der Stein hat irrtümliche Haplographie: ΠΑΤΑΥ.
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Übersetzung [ ] im Monat [ ] und übersenden die [ bis zum?] Zehnten, überbringend (?) Delegierte (?) [ ] gesiegelt mit dem städtischen Siegel [ ]. Die Beamten jeder der beiden Städte sollen die Rechtsfälle [ ] wenn der Markt gefüllt ist (= vormittags), und sie sollen die Anschuldigungen [ ] aufzeichnen und auf dem Markt zur allgemeinen Einsichtnahme aufstellen, und sie sollen die Städte [benennen? anrufen?], wie es in [dem Vertrag?] geschrieben ist. Welche von den beiden Städten aber den Delegierten zur Anrufung eines Schiedsgerichts nicht abschickt, (diese) soll der anderen 6.000 Alexander-Drachmen zahlen, und die Prozesse für die streitenden Parteien sollen im darauffolgenden Jahr stattfinden. Wenn aber der abgesandte Delegierte sich nicht in die (mit der Rechtsprechung) beauftragte Stadt begibt und das Schiedsgericht nicht anfordert, soll er (eine Strafe von) 1.000 Drachmen schulden, und die Prozesse für die streitenden Parteien sollen im darauffolgenden Jahr stattfinden. Den Delegierten aber [ ] beteiligt ist, an keinem Prozeß noch [ ] noch [ ,] noch soll er Anwalt sein noch eine andere Ungerechtigkeit (?) [ ] Recht spricht, soll der Delegierte schuldig sein, und wenn er die Ungerechtigkeiten, deretwegen er als Delegierter [ ,] soll für ihn die Stadt, die ihn abgesandt hat, die Strafen entrichten [ .] Einen Delegierten soll man in allen Fällen schicken, die gemäß dem [ ] entschieden werden. Wenn er aber außerstande ist oder stirbt, bevor die Prozesse durchgeführt sind, soll die Stadt einen anderen Delegierten (zur Anforderung) des Schiedsgerichts abschicken. Es sollen die den Prozeß Einleitenden bei frisch verbrannten Opfertieren in Gegenwart des Delegierten jeden Tag den Eid abnehmen; die Opfertiere dafür soll bei
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den Rechtsfällen, die [ verhandelt werden?,] die Stadt, die die Prozesse eingeleitet hat, bereitstellen, in der (zur Entscheidung) angerufenen (Stadt) aber beide Städte. Der Eid soll folgenden Wortlaut haben: „Ich werde in den Prozessen gegenüber Temniten und Klazomeniern und gegenüber ihren Metöken und den übrigen in den Städten Ansässigen, gegen die die Prozesse geführt werden, gemäß den Verträgen Recht sprechen. In den Fällen, bezüglich derer in dem Vertrag nichts festgelegt ist, werde ich nach dem Grundsatz höchster Gerechtigkeit entscheiden, und in den durch Verurteilung entschiedenen Prozessen, in denen die Strafe (in Geld) festzusetzen ist, werde ich die Schätzung nach dem Wert vornehmen. Geschenke habe ich weder angenommen noch werde ich solche der Prozesse wegen annehmen, weder ich selbst noch ein anderer oder eine andere für mich, mit keinem Kunstgriff und mit keiner Ausflucht. In Anlehnung an einen Zeugen werde ich nicht Recht sprechen, wenn er mir nicht die Wahrheit zu bezeugen scheint.“ Und er soll als Schwur bei den Eidgöttern anfügen: „Wenn ich richtig schwöre, soll es mir gut gehen, wenn aber falsch, soll das Gegenteil eintreten.“ Wer nicht Richter sein darf: Es dürfen nicht Richter sein der Vater gegenüber dem Sohn, noch der Sohn gegenüber dem Vater, noch Brüder einem Bruder gegenüber, und ebenso nicht Neffen, Brüder des Vaters oder der Mutter, Schwäger, Schwiegerväter, auch nicht selbst am Prozeß Beteiligte, Proxenoi, die die Prozesse Einführenden und solche, die von der Stadt aufgezogen werden. Wenn aber jemand (von denen,) bei denen es der Vertrag verbietet, unter Verletzung dieser Bestimmungen Recht spricht, soll der als Richter tätig Gewesene dem von dem Prozeß Betroffenen den 5. Teil des Streitwertes des Prozesses, in dem er Recht gesprochen hat, zahlen, und er soll im Hinblick auf den Prozeß als schuldig gelten. Es soll auch keiner von diesen (Personengruppen) als Delegierter sich auf den Weg machen. Wenn aber einer, der unter die oben angegebenen Verwandtschaftsgrade fällt, als Delegierter geht, soll er dem Prozeßgegner den 5. Teil des Prozeß(wertes) bezahlen und er soll gegenüber demjenigen, der Unrecht erlitten hat, für den Schaden verantwortlich sein. Nach welcher Formel die Prozeßgegner schwören sollen: Die Prozeßgegner sollen im Gerichtshof, bevor der Prozeß durchgeführt wird, vor denselben Opfertieren wie auch die Richter den Eid leisten. Und (der Schwörende) soll hinzusetzen: „Ich habe weder Geschenke gegeben noch werde ich solche des Prozesses wegen geben, weder ich selbst noch ein anderer oder eine andere für mich, mit keiner Ausflucht.“ Und sie sollen als Fluchformel hinzufügen: „Demjenigen, der richtig schwört, möge es gut gehen, demjenigen, der falsch schwört, möge das Gegenteil widerfahren.“ Was die Waisen betrifft und diejenigen, für die ein anderer als Herr (Vormund) auftritt, so sollen [diese] gegenüber ihren Herren (Vormündern) den Eid leisten. Wenn aber einer, der abgesandt ist gemäß den Verträgen, zugunsten eines anderen prozessiert, soll er schwören, daß derjenige, der ihn abgesandt hat, in Gegenwart des Delegierten und der Beamten ihm durch Eid bekräftigt hat, daß der Gerichtseid der Wahrheit entspricht, [und er soll im Eid hinzufügen (?), daß ihm wahr (?)] zu sein scheint, wessentwegen er zugunsten desjenigen, für den er abgesandt wurde, prozes-
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siert. [ ] den Prozeß [ ,] soll er schwören vor denselben Opfertieren, vor denen auch die Richter schwören, bevor der Prozeß durchgeführt wird, daß es ihm gerecht zu sein scheint, daß derjenige, für den er spricht, gewinne. [ ] wegen falschen Zeugnisses. Wenn aber jemand von den Zeug[- ] will, [ ] falsches Zeugnis gegeben habe, soll er eine Anfechtungsklage ankündigen vor [ ] des abgegebenen Zeugnisses [ soll er] mit allen zugleich anfechten [ ] sollen die Prozeßgegner überreichen, gesiegelt [mit dem städtischen Siegel ] Zeugnisse. In der Stadt [ ].
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Die auf den beiden Seiten der Stele verewigten Urkunden liefern uns ein neues Beispiel für das durch eine reiche Dokumentation besonders für die hellenistische | Zeit bezeugte Phänomen der zwischenstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit34. Dabei enthalten unsere Texte aber eine Anzahl neuartiger Details und bisher nicht bekannter Einzelzüge. Vor dem Eintritt in die Einzelbesprechung sind jedoch einige grundsätzliche Feststellungen zum Verhältnis der auf den beiden Seiten der Stele stehenden Texte notwendig. Zunächst ist festzuhalten, daß es sich um zwei Urkunden handelt, nicht nur um die Fortsetzung eines langen Dokuments auf der Rückseite der Stele. Dafür sprechen äußere wie innere Kriterien: Auf Abweichungen in der Schrift, vermutlich sogar den Tatbestand, daß die Aufzeichnungen auf beiden Seiten von verschiedenen Steinmetzen stammen, ist schon hingewiesen worden. Dazu kommt, daß der Text auf Seite A dorischen Dialekt aufweist, auf Seite B Koine erscheint. Auf Seite A läßt sich in den ersten erhaltenen Zeilen eine Überschrift ergänzen, während man auf Seite B schon in den ersten Zeilen mitten in Detailausführungen eines längeren Textes zu stehen scheint. Daraus ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß A die Vorderseite der Stele ist, wo die Aufzeichnung begann. Der auf Seite B erhaltene Text dürfte dann schon auf Seite A in dem jetzt weggebrochenen unteren Teil der Stele begonnen haben und dann auf der Rückseite fortgesetzt worden sein. Was den Inhalt angeht, so ist das auf Seite A stehende Dokument der von knidischen Richtern abgegebene Schiedsspruch (κρίσις), mit dem bestehende Differenzen zwischen den Städten Temnos und Klazomenai beigelegt werden sollen. In dem auf Seite B stehenden Text sind auch noch die beiden Städte betroffen (Z. 28), es geht aber 34 Dazu liegen folgende einschlägige Materialzusammenstellungen und Untersuchungen vor: E. Sonne, De arbitris externis, quos Graeci adhibuerunt ad lites et intestinas et peregrinas componendas, quaestiones epigraphicae ( Diss. Göttingen 1888) V. Bérard, De arbitrio inter liberas Graecorum civitates (Paris 1894) A. Raeder, L’arbitrage international chez les Hellènes (Kristiania 1912) M. N. Tod, International Arbitration amongst the Greeks (Oxford 1913) L. Piccirilli, Gli arbitrati interstatali greci. Vol. I: Dalle origini al 338 a.C. (Pisa 1973) (= Band 1 der von G. Nenci herausgegebenen Serie „Relazioni interstatali nel mondo antico. Fonti e studi“). Piccirilli hat mit diesem Band die Neuvorlage einer vollständigen Quellensammlung (mit Übersetzung und Kommentar) in Angriff genommen, die durch eine Monographie über das Thema ergänzt werden soll.
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nicht um Beilegung aktueller, bestehender Differenzen, sondern um eine sehr detaillierte Verfahrensregelung für künftig auftretende Schwierigkeiten, auf der Grundlage einer συνϑήκη, offenbar einer zwischen beiden Städten hergestellten vertraglichen Einigung. Damit treten in den beiden Texten A und B deutlich die zwei grundsätzlichen Typen zwischenstaatlicher Schiedsgerichtsbarkeit in Erscheinung, die in der Fachliteratur mit den Begriffen kompromissarisch und obligatorisch bezeichnet zu werden pflegen35. Es läßt sich denken, daß ein aus einer bestimmten Situation entstandener einmaliger Fall der Inanspruchnahme von Schiedsrichtern das Bedürfnis nach institutionellen Vorkehrungen für die Zukunft aufkommen ließ, | und tatsächlich ist in dem uns erhaltenen diesbezüglichen Material ähnliches schon in einigen Einzelbeispielen bezeugt36. Insofern enthält also unsere Stele zwei formal getrennte, aber sachlich miteinander verbundene Urkunden. Die Interpretation der Texte kann am besten aus der Kommentierung ihrer einzelnen Abschnitte entwickelt werden. A 1–11: Präskript Die Herstellung des Textes ist ein Versuch, der allerdings etwas unsicher bleibt, vor allem im Hinblick auf die Textlücke am Ende von Z. 2, wo mir noch keine plausible Ergänzung gelungen ist. Z. 1: Da die erhaltene Endung ]το eine mediale Verbform erfordert, scheidet das sonst für Präskripte von Schiedssprüchen typische Wort ἔκριναν aus37. Das hier ergänzte ἀποφαίνεσϑαι gehört aber auch der einschlägigen Terminologie an, und der
35 Z. B. Raeder 144 ff.; Tod 53–65 und 65–69, ohne Erwähnung der Begriffe (vgl. Ph. Gauthier, Symbola. Les étrangers et la justice dans les cités grecques [1972] 314 Anm. 79); V. Martin, La vie internationale dans la Grèce des cités (1940) 492 f. 36 Dafür scheint vor allem die allerdings sehr fragmentarische Urkunde IvPergamon 268 = OGI 437 über die Beilegung eines Konflikts zwischen Sardeis und Ephesos aufgrund der Intervention des römischen Statthalters Q. Mucius Scaevola (90er Jahre des 1. Jh.s v. Chr.) ein Beispiel zu bieten: man vgl. die diesbezügliche Anmerkung Dittenbergers (Anm. 8): „Sic res ad arbitros pervenit, quorum ex sententia non modo pax et concordia restituta est, sed etiam in reliquum tempus accuratissimis pactionibus provisum, quomodo dissensiones quae inter Sardianos et Ephesios oriri possent diiudicarentur.“ Ebenso ist möglicherweise die Abfolge von zwei Urkunden über die Beziehungen zwischen Milet und Priene aus der Zeit um 200 v. Chr. zu rekonstruieren: IvPriene 27 {IvPriene (2014) 141} (Schiedsspruch der Smyrnäer) und 28 {8} (Vertrag zwischen beiden Städten mit Verfahrensregelungen περὶ δικῶν), dazu die Bemerkungen von E. L. Hicks, GIBM III p. 29. – Ein spezieller und nur zum Teil vergleichbarer Fall ist die Isopolitie-Vereinbarung zwischen Hierapytna und Priansos (ICret. III, III 4), wo jedenfalls auch von der Regelung augenblicklich noch anstehender Streitfälle (Z. 58–64) ein besonderes Verfahren für künftig sich ergebende ἀδικήματα abgehoben wird (Z. 64–71), in dem der Schiedsspruch eines Gerichts einer jährlich neu zu bestimmenden dritten Stadt entscheiden soll (dazu M. Guarducci, Epigraphica 2, 1940, 160–2). 37 Es finden sich beispielsweise als Präskriptformel Wendungen wie τάδε ἔκριναν (FDelphes III 4, 351, 3), κατὰ τάδε ἔκριναν (IG IV 12, 71, 2; vgl. 75, 1. 23) oder nur ἔκριναν (Syll.3 546 A 5, B 1); vgl. auch κρίματα ἃ ἔκριναν (IG IX 2, 7 b 5).
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Schiedsspruch kann außer als κρίσις auch als ἀπόφασις bezeichnet werden38. κρίνειν verwenden die knidischen Richter selbst zweimal in ihrem Dokument (Z. 20 und 22). Z. 2: ἐπιτρέπειν (vgl. Z. 19) bzw. ἐπιτροπή im Sinne der „Beauftragung“ und διεξαγωγὴν ποιεῖσϑαι (vgl. Z. 17) bzw. διεξάγειν (Z. 5) als Tätigkeit der Richter sind gängige Wendungen in diesen Urkunden39. Z. 3: ἐγκλήματα bzw. ἐγκαλεῖν sind wie überhaupt in diesen Inschriften so auch in unserem Text die ständig wiederkehrenden Begriffe zur Bezeichnung der anstehen|den Differenzen; nur einmal wird dafür διαμφισβητεῖν gesagt (Z. 9)40. – ἐκτίϑεσϑαι bzw. ἔκϑεσις kann von der Bekanntmachung der richterlichen Entscheidung gesagt werden41. An unserer Stelle wäre es aber, wenn die Ergänzung richtig ist, auf die Bekanntgabe (durch Anschlag?) der ἐγκλήματα durch die beiden Kontrahenten zu beziehen, so wie es künftig nach der Regelung in B 8 geschehen soll. Z. 4: Die Zahl von 6 Richtern ist ungewöhnlich, da normalerweise eine ungerade Zahl gewählt wird: s. Tod 102. – Ein knidischer Richter namens Hagesikrates taucht interessanterweise auch in einem Ehrenbeschluß der Stadt Smyrna auf, der in dieselbe Zeit gehören könnte (Bonner Jahrbücher 169, 1969, 89 Z. 7; dazu ZPE 5, 1970, 289 und 7, 1971, 69 {hier S. 493} {IvSmyrna 578, 5; IvKnidos 231, 5}). Z. 5–11: Die ganze Serie der NcI-Konstruktionen hängt offensichtlich von ἐφαίνετο ab. Die Wendungen, mit denen die Intentionen der Richter verdeutlicht werden, entsprechen weitgehend gängigem Formular, wie es vielfach auch auf Schiedsrichtertätigkeit im innerstädtischen Bereich angewandt wird. Hingewiesen sei etwa auf die Begriffe συμφερόντως, διαφορά und auf die Wendung von der Wiederherstellung der φιλία, wofür in der innerstädtischen Sphäre die ὁμόνοια zu erscheinen pflegt42. A 11–22: Beilegung von Differenzen, die auf einen Krieg zurückgehen Der Passus gewinnt dadurch besonderes Interesse, daß er von einem kriegerischen Konflikt berichtet, in den Temnos und Klazomenai verwickelt gewesen sein müssen. Hinweise auf das Vorkommen lokaler Kriege zwischen griechischen Städten
38 Z. B. ἀπόφασις δικαστᾶν IvOlympia 47, 1 = Syll.3 665; vgl. ICret. III, IV 9, 2; IvPergamon 245 B 10; IvMagnesia 93 a 21, c 5; IvPriene 37, 27 {IvPriene (2014) 132, 27}. Für das Verbum ἀποφαίνεσϑαι vgl. man IvPriene 37, 7. 13 {IvPriene (2014) 132, 13}. Zu ἀπόφασις als „décision judiciaire“ L. Robert, Noms indigènes dans l’Asie-Mineure I 473; M. Wörrle, in J. Borchhardt (Hrsg.), Myra (1975) 278. 39 Für ἐπιτρέπειν und ἐπιτροπὴν διδόναι genüge der Hinweis auf Tod 76, dazu etwa Syll.3 638, 8; ICret. I, XVI 3, 8; 4, 3. 9; weiteres jetzt im Index bei Piccirilli. – Für διεξαγωγή und διεξάγειν findet man Stellensammlungen bei L. Robert, OMS I 45–6 und II 1061. 40 Vgl. L. Robert, OMS I 35. A. Giovannini, Demetrias I (1976) 209 bezieht in einer neuen Schiedsrichterinschrift ἐγκλήματα auf Straf- und ἀμφισβητούμενα auf Privatprozesse. 41 Z. B. IvMagnesia 93 c 5; IvPergamon 245 C 19; ICret. III, IV 9, 37. 42 Zu συμφερόντως vgl. L. Robert, OMS I 37; zu διαφορά A. Giovannini, Demetrias I 209, dazu etwa noch IvOlympia 268 C 3; JRS 52, 1962, 99 n. 6, 3. – ἀποκαταστῆσαι εἰς φιλίαν z. B. Syll.3 634, 4; 685, 33; Milet I 3 n. 148, 4; ICret. IV 176, 9; ἀποκαταστῆσαι εἰς ὁμόνοιαν: L. Robert, OMS I 38.
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in hellenistischer Zeit haben uns Inschriften schon gelegentlich geliefert43, am bekanntesten ist in dieser Hinsicht der 196 v. Chr. durch Vermittlung von Gesandten verschiedener griechischer Staaten beigelegte Krieg, in dem Milet und Magnesia am Mäander sich gegenübergestanden hatten, wobei auf Seiten Milets noch Herakleia am Latmos, auf Seiten Magnesias Priene beteiligt gewesen waren (Milet I 3 n. 148 = Syll.3 588 {IvPriene (2014) T 3})44. Neben diesen „kleinen Sonderkrieg im unteren | Mäandertal“ (Rehm) haben wir nun offensichtlich auch einen uns bisher ganz unbekannten ähnlichen Konflikt am Golf von Smyrna zu stellen. Die Frage territorialer Berührungen zwischen Temnos und Klazomenai wird unten noch zu besprechen sein (zu Z. 22–41). Eben das Beispiel aus dem Mäandertal zeigt uns aber auch, daß es nicht nur eine alleinige Konfrontation zwischen den beiden Städten über den Golf von Smyrna hinweg gewesen zu sein braucht, sondern daß noch weitere Nachbarstaaten beteiligt gewesen sein können. Man wird sich vor allem fragen, ob Smyrna auf der einen oder anderen Seite in den Krieg involviert war. – Unsere Urkunde scheint vorauszusetzen, daß der Krieg selbst schon beigelegt war, daß aber aus ihm resultierende ἐγκλήματα das Verhältnis zwischen den Städten noch belasteten. Die knidischen Richter heben ausdrücklich die Schwere der Belastung durch direkt und indirekt damit verbundene Streitpunkte45 hervor und schreiten zu einer Radikallösung, die wir auch sonst in solchen Fällen finden: Annullierung aller ἐγκλήματα und Verordnung einer immerwährenden Amnestie46.
43 Man vgl. außer den im folgenden noch zu erwähnenden Beispielen auch J. Vanseveren, RPhil 1937, 338 Z. 10, wo in einem Schiedsspruch chiischer Richter zwischen Lampsakos und Parion ebenfalls ein Krieg erwähnt zu werden scheint. Auf die häufigeren Lokalkriege auf Kreta sei hier nur generell hingewiesen. 44 Streitobjekt des Krieges war nach A. Rehm das Territorium von Myus (vgl. auch IstMitt 15, 1965, 94 Anm. 66 {hier S. 277}). Ähnlich ist es etwas später dann zu einem lokalen Krieg zwischen Milet und Herakleia am Latmos gekommen, wobei möglicherweise eine Auseinandersetzung um das Gebiet von Pidasa vorlag (Milet I 3 n. 150, vgl. p. 248 und 354; zur Datierung zuletzt L. Robert, BCH 1978, 510 Anm. 35. Über Pidasa, seine Lage und seine Bedeutung zuletzt J. u. L. Robert, JSav 1976, 192–5). 45 Mit indirekt meine ich die ποτικατακεχωρισμένα ἐν αὐτοῖς. Da (προσ)καταχωρίζω vor allem vom „Einfügen“ in Urkunden gesagt wird (man vgl. außer A. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde 290 zuletzt Ch. Habicht, Hermes 85, 1957, 122 mit Anm. 1; J. Crampa, Labraunda III 1 p. 17), handelt es sich hier vielleicht konkret um Schriftstücke, die in die schriftlich formulierten ἐγκλήματα (s. oben zu Z. 3 ἐξέϑηκαν) aufgenommen bzw. an sie angefügt waren. 46 Neben dem hier verwendeten διαλύειν kommt in solchem Zusammenhang besonders αἴρειν vor (vgl. J. Vanseveren, RPhil 1937, 339 f.). Die deutlichsten Parallelen zu unserem Text finden sich in dem Vertrag zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos von 246 v. Chr. (OGI 229, 41 {IvSmyrna 573, 41}): τὰ μὲν ἐγκλήματα αὐτοῖς τὰ γεγενημένα κατὰ τὸμ πόλεμον ἤρϑω πάντα καὶ μὴ ἐξέστω μηδὲ ἑτέροις ἐγκαλέσαι περὶ τῶγ κατὰ τὸν πόλεμον γεγενημένων (vgl. Th. Ihnken, Die Inschriften von Magnesia am Sipylos, 1978, 70) und in dem Isopolitievertrag zwischen Milet und Herakleia am Latmos von ca. 180 v. Chr. (Milet I 3 n. 150, 36): εἶναι δὲ ἀμνηστίαν ὡς ἑκατέροις τῶν προγεγενημένων ἐγκλημάτων κατὰ πόλεμον καὶ ἰδίαι καὶ δημοσίαι.
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A 22–41: Entscheidung über Differenzen bezüglich eines Temenos Der ganze Abschnitt bis zum Ende des uns erhaltenen Textes bezieht sich augenscheinlich auf eine und dieselbe Affäre, die allerdings für uns wegen der Textverluste nicht ganz verständlich wird, deren Entwirrung aber auch schon den knidischen Richtern einige Mühe bereitet zu haben scheint. Gegenstand der ἐγκλήματα47 ist ein Temenos von (nicht genannten) Göttern (Z. 23 f. und 31) sowie damit in Zusammenhang stehende Gräber oder wohl besser Beisetzungen (ταφαί Z. 24). In diesem Falle waren von Seiten der Temniten Anschuldigungen gegenüber den Klazomeniern erhoben worden, die aber von den Richtern als ungerechtfertigt zurückgewiesen werden: die Temniten hätten den in Aussicht gestellten Nachweis für die Richtigkeit ihrer Darstellung48 nicht führen können (Z. 25 f.), sondern hätten | im Gegenteil mit falschen Anschuldigungen gearbeitet (Z. 27 f.). Wie die Reste ab Z. 28 erkennen lassen, hatten die Temniten offenbar mit der Meldung oder Anzeige49 irgendwelcher Leute operiert, die vom Betreten oder der Okkupation50 des Temenos durch Leute aus der Nachbarschaft, von gewaltsamer Entfernung der das Temenos begrenzenden Stelen51 und weiteren Übergriffen gegen alt ererbte (πάτρια) Rechte dieses heiligen Bezirkes berichtet hatten. Vielleicht sind damit die in Z. 24 genannten ταφαί in Beziehung zu setzen: die Vornahme von Bestattungen auf dem dem Temenos entzogenen Land. Was immer sich im einzelnen hier zugetragen hatte, man wird die Verwicklungen kaum anders erklären können als mit Reibereien, die sich durch lokale Berührung zwischen Temniten und Klazomeniern ergeben konnten. Bekanntlich besteht der allergrößte Teil der uns erhaltenen Schiedssprüche im Kern in der Beilegung territorialer Differenzen, sehr häufig durch Vornahme einer sehr detaillierten Grenzziehung. Dabei sehen wir immerhin in ein oder zwei die Stadt Delphi betreffenden Regelungen
47 Ob der jeweils an den Zeilenenden 22/3, 24/5, 25/6 und 26/7 ergänzte Begriff ἔγκλημα oder ἐγκεκλημένα immer richtig ist, muß dahingestellt bleiben. Er scheint sich aber als summarische Bezeichnung für die diffizile Materie in der Formulierung angeboten zu haben. 48 Das am Ende von Z. 26 mit Bedenken ergänzte ἀλλοῖ[α (vgl. oben den Apparat) würde bedeuten, daß die Temniten nachweisen wollten, es verhalte sich bezüglich ihrer Anschuldigungen „anders“ – zu ergänzen wohl: als die Klazomenier angaben. Auf (u. U. ebenso problematische) Gegenargumente der Klazomenier könnte auch das καί in der Formulierung ὅτι καὶ αὐτοὶ ἐπὶ τὸ ἐγκαλεῖν ἦλϑον … Ζ. 28 hindeuten. 49 Für προσαγγελία als „information laid against a person“ und προσαγγέλλω „denounce“ einige epigraphische Belege bei Liddell – Scott – Jones, vor allem die leges sacrae Sokolowski, Lois sacrées des cités grecques (1969) n. 84, 14. 18; 136, 33. Man vgl. auch OGI 483 Anm. 20. 50 Ob ἐπεμβαίνειν hier etwa schon in der übertragenen Bedeutung „mißhandeln, übel mitspielen“ gebraucht ist (vgl. OGI 515 Anm. 22 und 519 Anm. 38), läßt sich nicht sagen, da am Ende von Z. 29 möglicherweise ein dazugehöriges Objekt verloren gegangen ist. 51 Man vgl. dazu den Grenzstein des Philetairos für das dem Apollon Chresterios bei Aigai geweihte Territorium: τὰν χώραν ἀνέϑηκε ὡς αἱ στᾶλλαι ὁρίσζοισι Belleten 30, 1966, 525 mit den ergänzenden Hinweisen von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1968 n. 446 {SEG XXXVI 1110}.
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auch heilige Bezirke, τεμένη, impliziert52, die im Grenzgebiet gelegen haben werden. Da nun aber Temnos und Klazomenai durch den Golf von Smyrna und durch das Territorium dieser Stadt getrennt waren, wird ein solcher Konflikt um ein Temenos wohl nur unter der Voraussetzung verständlich, daß eine der beiden Städte auf der anderen Seite der Bucht Fuß gefaßt hatte. Das ist eher für Klazomenai vorstellbar, wenn man sich dessen besondere Lage auf einem dem Festland unmittelbar vorgelagerten bzw. mit ihm verbundenen Inselchen vergegenwärtigt und dazu noch bedenkt, daß es in seiner territorialen Ausweitung in das Hinterland offenkundig durch die mächtigeren Nachbarstädte Erythrai, Teos, Kolophon und Smyrna eingeengt war53. Man wird also unsere neue Inschrift vielleicht als | Hinweis darauf zu nehmen haben, daß Klazomenai ähnlich wie einige der großen, der Küste vorgelagerten Inseln eine Art Peraia auf der gegenüberliegenden Seite des Golfes von Smyrna gewonnen hatte, wofür sich das Gebiet um die Hermosmündung anbot. Eben dieses Übergreifen kann dann aber Reibungen mit Temnos und schließlich sogar den hier erwähnten Krieg herbeigeführt haben. Mit dem Text auf Seite B sind wir, wie schon erwähnt, in einem anderen Zusammenhang. Hier erscheinen, offenbar auf der Basis einer zwischen Temnos und Klazomenai abgeschlossenen συνϑήκη (Z. 31; der Plural Z. 30 und 53), sehr detaillierte Regelungen über das künftige Verfahren der Beilegung von Differenzen zwischen den beiden Städten. Charakteristisch sind dafür einmal die wichtige Funktion des ἐπήκοος als des städtischen Gesandten oder Delegierten, der ein Schiedsgericht in einer dritten Stadt anzufordern hat, zum anderen die Rolle eben dieser für künftige Fälle in Anspruch zu nehmenden ἔκκλητος πόλις. Dazu kommen sehr eingehende Regelungen über die Eidesleistung aller jeweils Beteiligten und detaillierte Ausschlußbestimmungen im Hinblick auf die Richterfunktion. Das Vergleichsmaterial für diese Einzelheiten ist weniger reichlich als das für den auf der Vorderseite erhaltenen Text, und einige Details führen auf schon länger diskutierte Probleme der griechischen Rechtsgeschichte. An einschlägigen Paralleltexten, auf die häufiger zu verweisen sein wird, seien hier im voraus schon die folgenden erwähnt:
52 FDelphes III 2, 89, 4 (Ehrung eines Atheners wegen Vermittlung in einem Konflikt zwischen Delphi und seinen Nachbarn): τὰν κρίσιν τὰν περὶ τῶν τεμένεων καὶ τᾶς ἀμφιλλόγου χώρας. Danach hat Ε. Bourguet auch in dem rhodischen Schiedsspruch zwischen Delphi und Amphissa (FDelphes III 3, 383, 8) ergänzt: τοὺς διακρινέοντας π[ερὶ τῶν τεμένεω]ν κα[ὶ περὶ τῶν ὅρων] τῆς χώρας ἇς ἀμφιλλέγοντι Ἀμφισσ[εῖς ποτὶ τὰμ πό]λιν. 53 D. Magie, Roman Rule in Asia Minor 79 und 896 Anm. 105. Vgl. Engelmann – Merkelbach, IvErythrai und Klazomenai II p. 481 mit Hinweis auf die niedrigen Beiträge Klazomenais in den attischen Tributlisten. Anzeichen für nicht ausreichende Größe des (anbaufähigen) Landes sind besonders auch die verschiedenen Nachrichten über Getreideknappheit in Klazomenai bzw. Abhängigkeit von Einfuhr (Syll.3 136, 18; OGI 9, 2; Ps.-Arist. Oecon. II 1348 b 17). Einiges zur Frage der Territorialverhältnisse im Hinterland jetzt bei J. u. L. Robert, JSav 1976, 171.
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a) Rechtshilfevertrag zwischen Delphi und Pellana aus dem 3. Jh. v. Chr. (erschlossen vor allem durch die grundlegende Untersuchung von B. Haussoullier, Traité entre Delphes et Pellana. Étude de droit grec, Bibl. École Htes Études, Fasc. 222, 1917; jetzt: Staatsverträge III n. 558); b) Rechtshilfevertrag zwischen Stymphalos und Aigeira aus dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. (Staatsverträge III n. 567); c) (Fragmentarische) Bestimmungen περὶ δικῶν in einem nach 200 v. Chr. geschlossenen Vertrag zwischen Milet und Priene (GIBM 414 = IvPriene 28 {IvPriene (2014) 8})54; d) Entscheidung (σύλλυσις) eines eretrischen Gerichts über ἐγκλήματα und ἀδικήματα, die zwischen den Städten Paros und Naxos bestanden, in Gegenwart der ἐπήκοοι beider Städte, aus der 1. Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. (IG XI 4, 1065, je ein Fragment aus Paros und Delos)55; e) Entscheidung (διάλυσις) eines Gerichts in Chios in ἔκκλητοι δίκαι zwischen den Städten Lampsakos und Parion, in Gegenwart der ἐπήκοοι beider Städte, | vermutlich nach einem Krieg, aus dem 3. Jh. v. Chr. (J. Vanseveren, RPhil 1937, 337–344 n. 10 = P. Frisch, IvLampsakos p. 132 T 105: „ca. 190 v. Chr. [?]“); f) Entscheidung knidischer Richter in einem Rechtsstreit zwischen der Stadt Kalymna und den Erben des Pausimachos von Kos wegen eines der Stadt gewährten Darlehens, mit ausführlichen Verfahrensregelungen, aus dem Anfang des 3. Jh.s v. Chr. (Tit. Calymnii n. 79 {IvKnidos 221}; von älteren Editionen ist wichtig: Dareste – Haussoullier – Reinach, Recueil des inscriptions juridiques grecques I n. X). (Diese Texte werden, soweit im folgenden auf sie zu verweisen sein wird, jeweils unter dem hier angegebenen Buchstaben zitiert.) Für die Interpretation empfiehlt sich auch hier wieder die Behandlung in Einzelabschnitten, wie sie sich aus der inhaltlichen Gliederung ergeben. B 1–9: Prozedur für künftige Einberufung eines Schiedsgerichts Da der nächste Abschnitt, mit Z. 10 beginnend, detaillierte Bestimmungen über alle möglichen „Verfahrensstörungen“ bei der Anforderung des Schiedsgerichts einer dritten Stadt durch die dazu beauftragten ἐπήκοοι der beiden Partnerstädte enthält, ist es naheliegend, daß im vorausgehenden diese Verfahrensregelung selbst festgelegt war. Daß auch hierbei der ἐπήκοος eine Rolle spielt, ergibt sich aus der Erwähnung dieses Begriffs in Z. 4, wenn auch gerade dort der Zusammenhang der Konstruktion nicht klar erkennbar ist. Die erhaltenen Zeilenfragmente stellen offensichtlich den Schlußteil dieser Regelungen dar, wo es um Terminfragen (Z. 2 und 4), die Zustellung 54 Vgl. dazu oben Anm. 36 mit der Vermutung, daß dort ähnlich wie auf unserer Stele einem einmaligen Schiedsspruch eine Vereinbarung über künftige Verfahrensregelung folgte. 55 Zu dieser Inschrift neue Ergänzungen bei L. Robert, Le sanctuaire de Sinuri près de Mylasa I. Les inscriptions grecques (1945) 67–8 und A. Wilhelm, Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts (1951) 44–6.
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von für das Verfahren wichtigen Schriftstücken (Z. 3 und 5) und im besonderen die öffentliche Bekanntmachung der Streitfälle in den beiden Städten (Temnos und Klazomenai: vgl. Z. 28) geht. Z. 2 und 4: Eine ähnliche Nennung von Fristen findet sich auch in dem Abschnitt περὶ δικῶν des Vertrags zwischen Milet und Priene (c), wo es sonst freilich nicht um Schiedsgerichtsbarkeit, sondern Durchführung von Prozessen in einer der beiden Partnerstädte geht: I 16 ]ας ἑκάστου μηνὸς ἀπὸ τῆς νουμηνί[ας, I 20 ]ας ἀπὸ τῆς ἑκκαιδεκάτης. Die letztgenannte Fristangabe ließe sich in Z. 4 unseres Textes ergänzen. Z. 4–5: Mit dem städtischen Siegel gesiegelte Urkunden56 werden auch in den Paralleltexten gelegentlich erwähnt: nach der umfangreichen Verfahrensregelung aus Kalymna (f) haben die Prozeßgegner in dieser Weise beizubringen (A 33) τὰ ψαφίσματα καὶ τὰς προσκλήσις καὶ εἴ τί κα ἄλλο δέ[ον ἐγ δα]μοσίο φέρηται; desgleichen ist die Versiegelung vorgesehen bei den Aussagen von Zeugen, die nicht selbst am Prozeß teilnehmen können (A 53–62). Ob in unserer Urkunde die Übergabe der Klageschriften gemeint ist oder eventuell auch die von Zeugenaussagen (in f A 49 werden auch dafür Fristen gesetzt), kann nicht sicher gesagt werden. In Verbindung mit der Tätigkeit von Zeugen wird jedenfalls auch unten in Z. 63 | noch einmal von der Übergabe einer gesiegelten Urkunde durch die ἀντίδικοι gesprochen. Nach dem Dokument über den eretrischen Schiedsspruch (d) ist die richterliche Entscheidung (σύλλυσις) beiden betroffenen Städten mit dem städtischen Siegel Eretrias versehen zuzustellen (B 28). Z. 5–8: Die eingereichten Klagen sind in beiden betroffenen Städten bekannt zu machen, offenbar zunächst am Morgen durch mündliche Verlautbarung, sodann durch schriftlichen Anschlag. Für den ersten Schritt bietet der Vertrag zwischen Delphi und Pellana (a) eine gewisse Parallele, aus der man vielleicht sogar für unseren Text zu Z. 5/6 die Ergänzung ἐξαγγειλά/τ]ωσαν gewinnen kann. Dort heißt es (II b 19): ἐξαγγέλ]λεν δὲ τὰς δίκας Πελλανεῦσι καὶ Δελφοῖς περὶ τ[– – (vgl. Haussoullier p. 46). Der zweite Teil der Prozedur, Aufzeichnung und öffentliche Aufstellung57, ist auch im Vertrag zwischen Milet und Priene (c) vorgeschrieben (I 17): ]γράψαντες αὐϑημερεὶ ἐκτιϑέτωσαν ἐ[ν …; danach wäre der Zusatz αὐϑημερεί auch für die Lücke in Z. 7 unseres Textes zu erwägen. Z. 8–9: Die Bedeutung des letzten Details der Verfahrensregelung ist mir unklar, da ich für das Verbum am Zeilenende noch keine überzeugende Ergänzung gefunden habe. 56 Einiges an einschlägigem Material zu dieser Formel ist bei A. Wilhelm, AnzWien 1924, 123 f. zusammengestellt. 57 Für diesen Gebrauch von ἐκτίϑημι sind immer noch die Ausführungen von A. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde 285 f. grundlegend. Vgl. auch M. Feyel, BCH 60, 1936, 20; A. Wilhelm, AnzWien 1948, 63; H. W. Pleket, The Greek Inscriptions in the ,Rijksmuseum van Oudheiden‘ at Leyden (1958) p. 76.
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B 10–24: Strafbestimmungen und Regelungen für Störungen des Verfahrens In dem stärker zerstörten Passus sind mindestens vier verschiedene Fälle erkennbar: a) eine der beiden Städte unterläßt die Absendung des ἐπήκοος (Z. 10–13); b) der ἐπήκοος begibt sich nicht in die ἔκκλητος πόλις (Z. 13–19?); c) eine weitere nicht mehr bestimmbare Verfehlung des ἐπήκοος (Z. 19–21); d) der ἐπήκοος ist verhindert58 oder stirbt vor Abschluß des Verfahrens (Z. 22–24).
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Für a) und b) sind Geldstrafen59, dazu Verschiebung der Prozesse auf das nächste Jahr vorgesehen. Beim Fall b) scheint sich eine längere, den ἐπήκοος betreffende Strafbestimmung angeschlossen zu haben, durch die er künftig von bestimmten Funktionen (z. B. der des συνήγορος)60 ausgeschlossen sein sollte. Bei c) fällt auf, daß die Stadt für den ἐπήκοος eine Strafe zu entrichten hat. Im Falle d), wo keine Schuld vorliegt, geht es nur um die Stellung eines Ersatzmannes. Eingeschoben ist in diese Bestimmungen zwischen c) und d), wenn die Ergänzung richtig ist, eine | generelle Klausel über die Verpflichtung zur Absendung eines ἐπήκοος in allen Rechtsfällen, die gemäß einer bestimmten Grundlage oder Regel (Z. 22 κατὰ τὸν Λ[. .]O[ , also jedenfalls nicht die sonst genannte συνϑήκη) entschieden werden. Es ist zugleich der Abschnitt, aus dem wichtige Details über die Funktion des ἐπήκοος hervorgehen, wofür uns bisher nur die Paralleldokumente aus Paros/Delos (d) und Chios (e) zur Verfügung standen. Aus unserem Text erfahren wir vor allem, daß bei Streitfällen der beiden Städte, die die Anrufung des Schiedsgerichts einer ἔκκλητος (Z. 14, zu ergänzen offensichtlich πόλιν) erforderlich machten, je ein abgesandter ἐπήκοος der betroffenen Städte das αἰτήσασϑαι τὸ δικαστήριον (Z. 10 f., vgl. 14; danach offenbar Z. 24 vereinfacht ἐπήκοος δικαστηρίου) zu übernehmen hatte. Dieser ἐπήκοος ist auch während der ganzen Dauer des Verfahrens zugegen, wie seine Nennung bei der täglich durchzuführenden Eidesleistung der Richter bezeugt (Z. 25)61. Das Dokument über das eretrische Schiedsgericht (d) hatte uns schon gelehrt, daß diese ἐπήκοοι auch auf die Zusammensetzung des in der angerufenen Stadt zu bildenden Gerichts Einfluß nehmen konnten62. Nach Abschluß des Verfah58 Für ἀδύνατος vgl. man die Hinweise von A. Wilhelm, ÖJh 12, 1909, 140 und AnzWien 1922, 66. 59 Zu den hier zweimal erwähnten δραχμαὶ Ἀλεξάνδρειαι s. M. N. Tod, NumChron 1960, 7 f.; L. Robert, RevNum 1962, 7 f. (OMS II 1034). 60 Zur Funktion des συνήγορος Hinweise bei J. u. L. Robert, Hellenica IX (1950) 12 mit Anm. 4; A. Wilhelm, Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts (1951) 14. συνάγοροι sind auch in dem Schiedsverfahren in Kalymna (f) vorgesehen (A 41 f., dazu Dareste – Haussoullier – Reinach p. 173). 61 Auch in B 54–55 ist ein Eid in Anwesenheit des ἐπήκοος und der Beamten zu leisten: wenn ich es recht verstehe, geht es um die ἐπωμοσία in der Heimatstadt, in Fällen, wo ein am Prozeß Beteiligter die Vertretung eines anderen übernimmt. 62 IG XI 4, 1065a 12: ψηφισαμένου δὲ τοῦ δήμου κληροῦν δικαστὰς τριακοσίους καὶ ἕνα, ὅσους συνεχώρησαν πρὸς αὐτοὺς οἱ ἐξ ἀμφοτέρων τῶμ πόλεων ἐπήκοοι. Offenbar betraf die Absprache der ἐπήκοοι die Zahl der Richter (vgl. B. Haussoullier, Traité entre Delphes et Pellana 18 Anm. 3).
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rens waren es wieder die ἐπήκοοι, die die Entscheidung ihren Städten zu überbringen hatten63. In dem Text aus Chios (e) werden die ἐπήκοοι der beiden Städte neben sonstigen Gesandten genannt, wahrscheinlich anläßlich einer Einladung zur Teilnahme an Opfern und Bankett in der ἔκκλητος πόλις (Z. 17, dazu p. 339). – Es wird deutlich, daß der auch in anderen Bereichen des Gerichtswesens vorkommende Terminus ἐπήκοος64 hier nicht eigentlich in der Bedeutung als „Zeuge“, sondern allgemeiner als „Delegierter“ in spezifischer Mission zu interpretieren ist65. B 24–37: Vereidigung der Richter Der Passus regelt die Prozedur einer täglichen (!) Eidesleistung der Richter in Gegenwart des (!) ἐπήκοος, vorzunehmen durch die auch anderweitig bekannte (Gerichts-)Behörde der εἰσαγωγεῖς66. Z. 26–28: Die leider verstümmelten Bestimmungen über die Bereitstellung der | dafür erforderlichen Opfertiere67 lassen eine alternative Aufteilung in zwei unterschiedliche Prozeduren erkennen, die hier auf ein Problem von grundsätzlicher Bedeutung zu führen scheint: Für einen bestimmten Typus von δίκαι hat allein die εἰσάγουσα πόλις die Opfertiere bereitzustellen, während diese Verpflichtung ἐν τῆι ἐκκλήτωι beide beteiligten Städte trifft. Ist daraus nun das Nebeneinander eines „einfacheren“ Verfahrens, in dem die beiden Städte durch eigene Gerichtsbarkeit ohne Inanspruchnahme einer dritten Streitfälle beilegen bzw. entscheiden, und eines „komplizierteren“ zu erschließen, in dem die ἔκκλητος πόλις herangezogen wird? Die Frage führt zurück auf die schon alte Diskussion über den Charakter der von einer ἔκκλητος πόλις ausgeübten Gerichtsbarkeit überhaupt, eine Diskussion, die im besonderen durch das häufigere Erscheinen der ἔκκλητος πόλις in den sogenannten Rechtshilfeverträgen angeregt worden ist. Der Streitpunkt war dabei die Frage, ob wir hier den Nachweis für die Existenz einer Appellationsgerichtsbarkeit gewinnen können. Nach den älteren Bemühungen besonders von E. Sonne und H. F. Hitzig um diese Frage hat jüngst Ph. Gauthier im Rahmen seines Buches Symbola sich intensiv unter Heranziehung des gesamten Materials mit dem Problem beschäftigt68. Sein Ergebnis ist die These, daß von einer – den Griechen auch sonst nicht geläufigen – Appellationsgerichtsbarkeit nicht die Rede sein könne, daß es vielmehr um eine 63 Ib. 29: κομίσασϑ]αι δὲ καὶ τοὺς ἐπηκόους ἑκατέ[ρας τῶμ πόλεων τὴνδε τ]ὴν σύλλυσιν. 64 Man vgl. vor allem Hesych. E 4542 ἐπήκοοι· κριταί. καὶ οἱ μάρτυρες. καὶ οἱ δικάζοντες. Inschriftliche Belege bei A. Wilhelm, Miscellanea Academica Berolinensia II 1 (1950) 197. 65 So schon B. Haussoullier, Traité entre Delphes et Pellana 18 Anm. 3; vgl. J. Vanseveren, RPhil 1937, 342. 66 Vgl. z. B. B. Laum, AM 38, 1913, 53; A. Wilhelm, ÖJh 28, 1933, 201. 67 Zu der Verwendung von παρέχειν in diesem Sinne A. Wilhelm, JRS 27, 1937, 151; L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 454. – Mit unserem Text kann verglichen werden die Formulierung im Vertrag zwischen Delphi und Pellana (a) I A 8 τὰ δὲ ἱερὰ] παρεχέτω ἁ πόλις ἐν ἇι κα ἁ δίκα ἦι. 68 Ph. Gauthier, Symbola. Les étrangers et la justice dans les cités grecques (Annales de l’Est, Mémoire n° 42, Nancy 1972) 308–338.
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„direkte“ Gerichtsbarkeit für bestimmte Fälle gehe. Im übrigen zeigt Gauthier, daß das Institut genuin aus dem Bereich der zwischenstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit stammt und in Rechtshilfeverträgen erst sekundär auf Fälle angewandt wurde, wo es um Differenzen zwischen ganzen Gemeinden oder zwischen Einzelnen und einer (fremden) Gemeinde ging (Symbola 345): „Dans ces cas, les tribunaux civiques étant incompétants, force était de recourir à une tierce partie, désignée par l’expression ekklétos polis.“ Nun waren in dem bisher bekannten Material auch schon mindestens zwei Beispiele aufgetaucht, wo ein solches ἔκκλητος-Verfahren alternativ zu einem anderen aufgeführt worden zu sein scheint, was für das sachliche Verständnis wie auch die sprachliche Ergänzung der lädierten Textstelle unserer Inschrift von Interesse sein könnte. Das eine ist im Rechtshilfevertrag zwischen Delphi und Pellana (a) in einem Passus, wo von αἱρεϑεῖσαι [πόλεις] die Rede zu sein scheint, eine Aufgliederung (II B 8) ]πομενος καὶ τὰς ἐν τᾶι προδίκωι καὶ τὰς ἐ[ν τᾶι ἐκκλήτωι, woran Β. Haussoullier zugleich mit seiner Ergänzung die These von einem Appellationsverfahren entwickelt hatte69. Dagegen will Gauthier, in Modifizierung eines | Ansatzes von A. Steinwenter70, hier nun ein zweistufiges Verfahren anderer Art erkennen: Prozesse, die einem Schiedsverfahren unterworfen werden, und (bei dessen Scheitern) solche, die vor das Gericht einer dritten Stadt gebracht werden71. Damit ist aber praktisch die bekannte Alternative von σύλλυσις und κρίσις anvisiert, die uns ja vor allem aus der innerstädtischen Tätigkeit auswärtiger Schiedsrichter bzw. Richter gut bekannt ist72. Mit eben diesen Begriffen und den dahinter stehenden Prozeduren ist aber seinerzeit durch J. Vanseveren bereits das zweite hier heranzuziehende Beispiel erklärt worden, der chiische Schiedsspruch zwischen Lampsakos und Parion (e). Dort, wo ja wie in unserer Urkunde ἐπήκοοι eine Rolle spielen, ist die Rede von δίκαι … ὅσαι ἦσαν ἔκκλητοι, offensichtlich in einer bestimmten Alternativ-Formulierung, die Van69 B. Haussoullier, Traité entre Delphes et Pellana 42–44 und 80–87. Nach seiner Erklärung ist πρόδικος πόλις „une cité qui juge la première“ (43), ἔκκλητος πόλις eine dritte Stadt, an die man sich „en cas d’appel“ (80) wendet. „Berufung an eine dritte Stadt als Schiedsrichterin“ in dem Resümee von H. H. Schmitt, Staatsverträge III p. 345; „juger en appel“ bei B. Helly, BCH 95, 1971, 558 Anm. 63. Vgl. auch S. Dušanić, BCH 102, 1978, 345 f. 70 A. Steinwenter, Die Streitbeendigung durch Urteil, Schiedsspruch und Vergleich nach griechischem Recht (Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte, 8. Heft, 1925) 151 ff.; besonders 167: „In der πρόδικος πόλις wird die Vorentscheidung gefällt und wenn sich die Parteien bei dieser nicht beruhigen, dann können sie … das Verfahren durch ἐκκαλεῖν vor das allein bindende Entscheidungen fällende, zwischen den beteiligten Staaten durch Vertrag bestellte Gericht der πόλις ἔκκλητος bringen“. 71 Ph. Gauthier, Symbola 327–330; besonders 329: „… procédure en deux étapes: 1) procès soumis à un arbitrage (sans doute sur place), 2) procès porté devant le tribunal d’une tierce cité, en cas d’échec de l’arbitrage“. Dabei ist wesentlich, daß Gauthier von der bisherigen Ergänzung πρόδικος πόλις abgeht und stattdessen πρόδικος δίκη einsetzt (vgl. auch 329 Anm. 117). 72 Man vgl. dafür z. B. L. Robert, BCH 50, 1926, 473 (OMS I 37); ders., Ξένιον. Festschrift für Pan. J. Zepos (1973) I 773; A. Giovannini, Demetrias I (1976) 211.
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severen auf den besagten Gegensatz zwischen jugement (κρίσις) und conciliation (σύλλυσις) bezogen hat, wobei sie das κρίνειν eben mit den ἔκκλητοι δίκαι verband73. Es scheint mir verlockend, die aus beiden Parallelen gewonnenen Erkenntnisse auf die Erklärung der Prozedur, die hier zwischen Temnos und Klazomenai vereinbart war, anzuwenden. Daß das aufwendige Verfahren der Entscheidung von | Streitfällen durch das (zahlenmäßig sicher große)74 Gericht einer ἔκκλητος πόλις erst in zweiter Linie vorgesehen war, leuchtet ein. Schwieriger ist es freilich, die davon abgesetzte einfachere Prozedur zu bestimmen75: War es wirklich ein Schlichtungsverfahren, und sollte es jeweils in einer der beiden betroffenen Städte in Gang gesetzt werden? Und wer waren dann die Richter? Oder war die Differenzierung zwischen beiden Prozeduren nicht von der Frage des Erfolges der Schlichtung her bestimmt, sondern eventuell doch durch Gesichtspunkte der betroffenen Personen oder der Rechtsmaterie festgelegt? Ich vermute, daß sich die Fragen beantworten ließen, wenn uns der Anfang des Textes B erhalten wäre. Denn es liegt nahe, daß in der Vereinbarung zunächst diese einfachere Prozedur festgelegt war, und dann erst die Regelung des anderen Verfahrens, der Inanspruchnahme der ἔκκλητος πόλις, angeschlossen war, mit der der uns erhaltene Text einsetzt. Auf jeden Fall scheint mir auch der folgende Passus mit den detaillierten Bestimmungen über Ausschluß von der Richtertätigkeit vorwiegend aus Gründen der συγγένεια ein deutlicher Hinweis darauf zu sein, daß ein Verfahren 73 RPhil 1937, 337 Z. 2 f.: ἠ]ξίωσε(ν) [ὁ] δῆμος ἑκάτερο[ς / κρίνεσϑαι τὰ ἀδικήματα κ]αὶ τὰ ἐγκλήματα καὶ τὰς δίκ[ας / τὰς πρότερον? γεγενημέ]νας ὅσαι ἦσαν ἔκκλητοι (dabei gibt Vanseveren 339 für die ἔκκλητοι δίκαι die Erklärung „les procès qui étaient en appel“; die Inschrift ist übrigens von Gauthier für seine Argumentation nicht herangezogen worden). Die Alternativprozedur der σύλλυσις ist nach Vanseveren in der unmittelbaren Fortsetzung des Textes angeführt worden: τάς τε δ[ί/κας λοιπὰς ἦρϑαι πάσ]ας καὶ τὰ λοιπὰ ἐγκλήματα ἢ ἀδική[μα/τα ἢ ὀφειλήματα (ou συμβόλαια) πά]ντα· ὁμοίως δὲ ἦρϑαι καὶ … Der Text scheint mir indessen in dieser Hinsicht nicht ganz deutlich. Es wäre immerhin auffallend, daß erst die κρίσις und dann die σύλλυσις erwähnt würde; vielleicht war es doch umgekehrt, wofür man dann auf das in der ersten Zeile gerade noch erhaltene δι]άλυσιν Λαμψακη[νῶν (oder -νοῖς) καὶ Παριανῶν] verweisen könnte. Für unsicher halte ich auch, ob, wie Vanseveren anzunehmen scheint, σύλλυσις wie auch κρίσις von den chiischen Richtern vorgenommen wurden. Gerade nach der neueren Untersuchung von Gauthier kann es angesichts des Terminus ἔκκλητοι δίκαι naheliegen, nur die Prozedur der κρίσις auf die Chier zu beziehen. Andererseits wird in dem Dokument aus Paros/Delos (d) gerade auch die Entscheidung der eretrischen Richter als σύλλυσις bezeichnet (a 15; b 17. 20. 27. 30). 74 Man denke an die Zahl von 301 eretrischen Richtern im Verfahren zwischen Paros und Naxos (d). Andere Gerichtshöfe von ähnlicher Größe: M. N. Tod, International Arbitration amongst the Greeks 102. 75 Die Frage verbindet sich mit dem Problem der Textergänzung in Z. 26, wo mir keine überzeugende Herstellung gelungen ist. Ich hatte erwogen τ[αῖς μ]ὲν ἀ[π’ ἀγ]γέλων δίκ[αις], was eine durch ἄγγελοι eingebrachte Klage wäre, kann dafür aber keine Parallele beibringen. Noch weniger passend scheint mir (auch wegen des Kasus) τ[ῶν μ]ὲν α[ὐτο]τ̣ ελῶν δικ[ῶν], woran einen die Notiz Anecdota Graeca Bekker p. 466, 21 denken lassen könnte: αὐτοτελὴς δίκη· ἀφ’ ἧς οὐκ ἔστιν ἐκκαλέσασϑαι ἐφ’ ἑτέραν … (vgl. Steinwenter a. a. Ο. 50).
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berücksichtigt war, bei dem primär Bewohner eben der beiden Städte sowohl betroffen waren als für die Richtertätigkeit in Betracht kamen. Z. 28–37: Der Richtereid (man vgl. auch den B 47–52 folgenden Eid der ἀντίδικοι) findet seine engste Parallele in dem Dokument aus Kalymna (f) A 27–32, wobei besonders zu bemerken ist, daß er dort von knidischen Richtern zu leisten war, so wie jedenfalls in unserer Urkunde A auch Richter aus Knidos fungiert haben. Es braucht aber natürlich kein knidisches Formular zu sein, das wir vor uns haben, sondern ein allgemein verbreitetes, zu dem uns nur weitere Parallelen fehlen. Auch in dem Vertrag zwischen Delphi und Pellana (a) wird die Eidesleistung der δικαστῆρες und der ἀντίδικοι erwähnt; vom Inhalt des Eides werden aber nur zwei Bestimmungen referiert (I A 7–10). Im übrigen liefern im Einzelfall auch die sonstigen uns erhaltenen Eide, besonders Richtereide, noch Parallelen76. Der Eid kann in folgende Einzelelemente aufgegliedert werden: a) Z. 28–30: die Zusicherung, sich bei der Ausübung des Richteramtes an die συνϑῆκαι zu halten, was der sonst gelegentlich vorkommenden Verpflichtung auf die νόμοι entspricht. Bemerkenswert ist hier neben den Temniten und Klazomeniern die Erwähnung von μέτοικοι und sonstigen κατοικοῦντες ἐν ταῖς πόλεσιν; b) Z. 30–31: für Einzelheiten, die in dem Vertrag nicht geregelt sind, soll die δικαιοτάτη γνώμη die Richtschnur sein. Eine entsprechende Wendung wird im Eid von Kalymna ergänzt und erscheint auch anderwärts; mit Recht dürfte sie M. Fränkel auch in den athenischen Heliasteneid eingefügt haben77; c) Z. 31–32: Verpflichtung, bei der Festsetzung von Geldbußen die τίμησις gemäß dem Wert vorzunehmen78; d) Z. 32–34: Ablehnung passiver Bestechung; dem entspricht im Eid der Prozeßgegner (B 49–51) der Passus über aktive Bestechung. Hier bieten der Eid von Kalymna (f I 30–32) wie auch der athenische Heliasteneid (Demosth. XXIV 150) enge Entsprechungen79. Aus ihnen geht übrigens auch mit Deutlichkeit hervor, daß die zweimalige Schreibung ἄλληι in unserer Inschrift (B 34 und 51) ein Versehen darstellt;
76 Hinweise auf Literatur und Parallelen finden sich bei Dareste – Haussoullier – Reinach I 170 und bei M. Segre, Tit. Calymnii p. 111. 77 Kalymna (f) A 28: [δικασσέω] … κατὰ γν[ώμαν τὰν οὖσαν δικαιοτάτα]ν; vgl. auch IG II2 1126, 3 = Syll.3 145 (Amphiktioneneid); IG XII 2, 526 c 17 = OGI 8, 91 (Eresos). Zum Heliasteneid (Demosth. XXIV 149–151) M. Fränkel, Hermes 13, 1878, 454 f. 78 Zu vergleichen ist die Formulierung im Eid von Eresos (IG XII 2, 526 c 17) καὶ τιμά[σ]ω, αἴ κε κατάγνω, ὄρϑω[ς] καὶ δι‹καί›ως. Eine (etwas andere) Bestimmung über die τίμασις hat auch der Eid im Vertrag Delphi-Pellana (a) I A 9 (dazu Haussoullier 13); die zwei Amphiktioneneide enthalten die Verpflichtung, für die Eintreibung von Strafsummen zu sorgen τὰ καταδικασϑέντα ἐκπραξέω): IG II2 1126, 5; FDelphes III 4, 278, 11. 79 Beide Texte werden schon bei Dareste – Haussoullier – Reinach I 170 verglichen, wobei auch darauf hingewiesen wird, daß die Eliminierung dieser Bestimmung aus dem Heliasteneid durch M. Fränkel nicht richtig sein dürfte. Eine Parallele auch im Amphiktioneneid FDelphes III 5, 278, 12, dazu weitere Hinweise bei G. Colin, BCH 27, 1903, 133.
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e) Z. 34–35: Verhalten bei einer Entscheidung aufgrund von Zeugenaussagen. Auch hier hat der Eid von Kalymna (f) eine enge Parallele (I 29–30); f) Z. 35–37: Anrufung der Schwurgötter und Wunsch- bzw. Fluchformel (vgl. B 51–52). Die Schwurgötter werden, im Unterschied zu anderen Dokumenten, etwa im Eid von Kalymna (f I 27), nicht namentlich genannt. Für die ἐπαρά Belege anzuführen, erübrigt sich. B 37–47: Ausschlußbestimmungen für Richtertätigkeit und Tätigkeit als ἐπήκοος Die sehr detaillierten Bestimmungen konzentrieren sich auf die Aufzählung von Verwandtschaftsgraden (zwischen Richtern und Prozessierenden), die der Richtertätigkeit entgegenstehen; deshalb kann der Passus mit dem Begriff συγγένεια resümiert werden (B 45), obwohl an ihn dann noch einige andere Kategorien angeschlossen sind (40–41)80. Wie schon erwähnt, läßt sich aus diesen, enge verwandtschaftliche Berührung voraussetzenden Angaben erschließen, daß hier primär ein zwischen beiden Städten ausgetragenes Verfahren gemeint war. Eine Parallele zu diesem Passus ist mir nicht zur Hand. In dem Rechtshilfevertrag zwischen Delphi und Pellana (a) begegnet zwar an einer Stelle auch eine kurze Aufzählung von Verwandtschaftsgraden. Nach der Interpretation von Haussoullier geht es dabei aber um das | Verbot der Anwesenheit von Zeugen und Verwandten bei der iudicis postulatio81. Adäquat dem Verbot der Richtertätigkeit werden die Ausschlußgründe auch auf die Funktion des ἐπήκοος angewandt, und für beide gilt im Übertretungsfalle auch die gleiche Strafbestimmung mit der Verpflichtung zur Zahlung eines Fünftels der Strafsumme82. B 47–52: Eidesleistung der Prozeßgegner (ἀντίδικοι) Für die Erklärung sei auf die Besprechung des Richtereides zu B 28–37 verwiesen. B 52–58: Bestimmungen für den Fall der Prozeßvertretung durch κύριοι Dabei spielen wieder Eide eine Rolle, wobei schon die Übergabe der Vertretung durch einen Eid des ἀποστείλας zu bekräftigen ist (vgl. Anm. 61).
80 Bemerkenswert ist besonders die Kategorie der τρεφόμενοι ὑπὸ τῆς πόλεως Z. 41, die ich in Ermangelung einer einschlägigen Parallele nicht sicher erklären kann. Das Institut der „Invaliden- und Hinterbliebenenfürsorge“ (A. A. M. Esser, Gymnasium 52, 1941, 25–9), letzteres besonders in der Form staatlicher τροφή für Kriegswaisen aus Athen bekannt (zuletzt R. Stroud, Hesperia 40, 1971, 288 f.; vgl. auch Diod. XX 84, 3 für Rhodos), ist hier nicht unbedingt passend, zumal die Fürsorge für ὀρφανοί nur bis zur Volljährigkeit gereicht zu haben scheint. 81 I A 4 μὴ παρ]εόντων δὲ τοὶ μάρτυρες μηδατέρων τῶ[ν ἀν/τ]ιδίκων μηδὲ ὅσοι τοῦ αὐτοῦ ἐνκλή[ματος μετέχοντι, μηδὲ πατὴρ] μηδὲ γυναικὸς πατὴρ μηδὲ ἀδελφός. Dazu Haussoullier 9 und 56. 82 Für ἐπίγραμμα Z. 43 vgl. man die Bemerkung von A. Wilhelm, Griechische Inschriften rechtlichen Inhalts 13: „ἐπίγραμμα ist im Prozesse die Angabe der Strafsumme, auf die der Kläger anträgt“.
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B 58–65: Bestimmungen über Zeugen bzw. Anfechtung von Zeugnissen Der Passus hat Parallelen in dem Rechtshilfevertrag zwischen Stymphalos und Aigeira (b 1–10) und besonders wieder in dem zwischen Delphi und Pellana (a I A 11–12), wozu Haussoullier auf ähnliche Verfahrensweisen und ausführlichere Regelungen hinweist, wie sie uns aus dem attischen Prozeßrecht und durch den Pap. Halensis 1 aus Alexandria bekannt sind. Es ist interessant, daß zwei für die Materie einschlägige Termini, ἐπισκήπτεσϑαι und ἐπιλαμβάνεσϑαι, gerade auch in unserem Text wiederkehren83. Am Schluß der erhaltenen Partie ist gerade noch der Hinweis auf die Übergabe der mit dem städtischen Siegel zu versehenden Zeugenaussagen erhalten (vgl. zu B 4). Da wir damit, wenn wir hierfür noch einmal die Paralleldokumente aus Delphi (a), Stymphalos (b) und Kalymna (f A 38) heranziehen, immer noch am Anfang des ganzen Gerichtsverfahrens zu stehen scheinen, kann man vermuten, daß uns mit dem weggebrochenen Unterteil der Stele noch weitere Detailregelungen von erheblichem Umfang verloren gegangen sind. Aber auch schon das Erhaltene bietet | zweifelsohne eine wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse von einer interessanten Form der „Konfliktlösung“ im hellenistischen Polissystem. Es ist zu hoffen, daß die Interpretation des schwierigen Textes durch sachkundige Beiträge besonders von rechtshistorischer Seite noch weiter vorangetrieben werden kann.
83 B. Haussoullier, Traité entre Delphes et Pellana 13–16 und 67–76. ἐπισκήπτεσϑαι ist der terminus technicus im attischen Recht (A. R. W. Harrison, The Law of Athens II, 1971, 192: „to give formal notice of an intention to prosecute a witness“), ἐπιλαμβάνεσϑαι erscheint dafür in Alexandria: außer Haussoullier 14 vgl. dazu Dikaiomata. Auszüge aus alexandrinischen Gesetzen und Verordnungen … (Pap. Hal. 1), 1913, 51 („Erklärung, eine Anfechtungsklage erheben zu wollen“).
Abb. 1: Temnos, Ortslage
Abb. 2: Temnos, Akropolis
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Abb. 3: Temnos, Füllmauer auf der Akropolis
Abb. 4: Inschrift aus Teos: Isopolitiebeschluß von Temnos für Teos
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Abb. 5: Inschrift aus Klazomenai(?): Schiedsgericht zwischen Temnos und Klazomenai, Seite A Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Antikensammlung). Inv.-Nr. SK 1935. Photo: Zentrale Photowerkstatt
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Abb. 6: Inschrift aus Klazomenai(?): Schiedsgericht zwischen Temnos und Klazomenai, Seite B Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Antikensammlung). Inv.-Nr. SK 1935. Photo: Zentrale Photowerkstatt
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Abb. 7: Inschrift aus Klazomenai(?): Schiedsgericht zwischen Temnos und Klazomenai, Seite B, Zeilen 14–44. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Antikensammlung). Inv.-Nr. SK 1935. Photo: Zentrale Photowerkstatt
47 Chresimus, procurator lapicidinarum Zur Verwaltung der kaiserlichen Steinbrüche in der Provinz Asia In memoriam Louis Robert 1 Milet Während der Grabungskampagne des Jahres 1901 wurde im Stadtgebiet von Milet südlich des Nymphäums bzw. in der Nachbarschaft des Südmarktes in einem Acker ein größerer Marmorquader gefunden, dessen Vorderseite zu einer tabula ansata ausgearbeitet ist, die eine dreizeilige griechische Inschrift trägt. Th. Wiegand hat den als Grabstein bezeichneten Fund unter der Inv.-Nr. 288 in die Inschriften-Scheden aufgenommen. Zehn Jahre später hat A. v. Gerkan, wohl in Unkenntnis der früheren Registrierung, den Stein erneut aufgenommen und von ihm unter der Inv.-Nr. 1353 im Skizzenbuch eine genaue perspektivische Zeichnung angefertigt (im Maßstab 1:10), die hier im Faksimile wiedergegeben wird (Abb. 1). Der Stein befindet sich heute in der Inschriftenhalle neben dem Museum. Es handelt sich um einen Block aus grauem Marmor, der in der Höhe 37,5, in der Breite 133, in der Tiefe 32 cm mißt. Er weist auf der Oberseite zwei Dübellöcher und auf der Unterseite zwei Klammerlöcher auf; die Seitenflächen sind alle auf Anschluß gearbeitet. A. v. Gerkan hat dazu auf der Schede vermerkt: „Ursprünglich Wandquader, umgedreht wiederverwendet (die Klammerlöcher sind unten)“. In der 22,5 x 70,5 cm großen Schriftfläche der tabula ist in 3,5 cm hohen Buchstaben die folgende Inschrift eingetragen (Abb. 1) {Milet VI 2 n. 524}: Χρήσιμος Σεβαστοῦ ἀπελεύϑερος ἐπὶ (Blatt) τῶν λατομίων. Die knappen Angaben der Inschrift erfahren eine Erläuterung und Bereicherung durch die Heranziehung von drei außerhalb von Milet gefundenen Inschriften, die auf denselben Mann zu beziehen sind.
2 Tralleis Eine erstmals im Jahre 1873 in der Smyrnäer Zeitschrift Ὅμηρος veröffentlichte Inschrift ist, nachdem sie in einem bereits stärker verstümmelten Zustand 1882 von Tyche 3, 1988, 119–128 und 1 Tafelabbildung.
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W. M. Ramsay und J. R. S. Sterrett erneut abgeschrieben worden war, durch diese in zwei nahezu identischen Editionen vorgelegt worden: AM 8, 1883, 334 n. 15 und Pap. Amer. Sch. | Athens 1, 1885, 144 n. 151. Einen verbesserten Text hat dann Th. Mommsen 1884 in der Ephem. Epigr. V 61 n. 163 geboten, der auf der Auswertung des ihm durch Ramsay übermittelten vollständigeren Textes der griechischen Erstedition beruht. In der dort gegebenen Form ist die Inschrift unverändert in das Supplement des Corpus übernommen worden: CIL III 7146. Erst durch Mommsen ist auf der Grundlage der älteren Abschrift der Name des Dedikanten, der die Identifizierung mit dem Mann aus Milet ermöglicht, richtig hergestellt worden, nachdem Ramsay und Sterrett noch mit einer falschen Ergänzung [On]esimus operiert hatten2. Ich lasse die Textherstellung Mommsens im Faksimile folgen, auf dem das 1882 noch vorhandene Kernstück durch den Rahmen verdeutlicht wird, während die wichtigen 1873 noch lesbaren Partien links und unten durch Majuskeln hervorgehoben sind:
Zu diesem Text hat Mommsen selbst für die Zeile 7 in der Ephemeris die Ergänzung templis, im CIL sacellis und entsprechend in Z. 15/16 [να]|ούς erwogen, mit der Bemerkung: „scilicet ut ea non comprehensa fuerint ipsa cella, sed ad eam aliquo modo adiuncta“. Sterrett andererseits hatte (Papers 116 Anm.) bei Z. 7 an die Ergänzung simulacris gedacht und entsprechend für Z. 16 τ[οὺς ἐν αὐτῷ δύο ἀνδριάντας προσϑείς] 1 An die Edition von Ramsay und Sterrett schließt sich M. Pappakonstantinou, Aἱ Τράλλεις ἤτοι συλλογὴ Τραλλιανῶν ἐπιγραφῶν, Athen 1895, 23 n. 15 an {IvTralleis 148}. 2 Dabei setzten sie die Identität des Onesimus mit dem durch die trallianische Inschrift Le Bas – Waddington 612 {IvTralleis 67} bekannten M. Aurelius Onesimus voraus. Die falsche, aus AM übernommene Namensform begegnet noch bei J. Delorme, Gymnasion, Paris 1960, 247.
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vorgeschlagen, was freilich den verfügbaren Raum weit überschreitet. Eine plausible Textverbesserung hat dann O. Liermann, Analecta epigraphica et agonistica (Diss. Halle 1889) 43 in seinem (allerdings noch die falsche Ergänzung [On]esimus weiterführenden) Textabdruck beigesteuert: Z. 14/15 τῆι πο[ικιλίᾳ] | λίϑων, wo Mommsen noch nach einem „vocabulum quoddam respondens incrustationi“ gesucht hatte. Die Verbindung zwischen den Texten aus Milet und aus Tralleis wird durch den Namen Chresimus hergestellt, durch den Zusatz ἀπελεύϑερος (eventuell Z. 11 in Tralleis: | ἀπε[λ. Σεβ.]) und durch die genannte Funktion, wobei offensichtlich der Titel ἐπίτροπος λατομείων als Übersetzung des lateinischen procurator lapicidinarum der in Milet verwendeten Form ἐπὶ τῶν λατομίων entsprechen soll3. Wichtig ist die durch die trallianische Inschrift zu gewinnende Datierung in die Zeit Nervas. Von besonderem Interesse ist aber auch der Aufschluß, den der Paralleltext im Hinblick auf die Rolle und die Leistungen des Chresimus gegenüber der Stadt Tralleis gewährt: Er hat die Ausgestaltung eines zum Gymnasium der Stadt gehörigen Raumes, vermutlich in dem angeschlossenen Bad (cella? caldaria), übernommen, und zwar, wenn wir Liermanns Ergänzung folgen, mit buntem Marmor. Der Gedanke drängt sich auf, daß ihm gerade seine besondere Stellung im kaiserlichen Dienst als procurator lapicidinarum dazu die Möglichkeit geboten hat. Die erwähnte zusätzliche Leistung, die er dem Gymnasium zukommen ließ, bleibt leider wegen des Ergänzungsproblems in den Zeilen 7 und 15/16 unklar.
3 Ephesos Eine von C. Curtius 1870 im Odeion von Ephesos abgeschriebene Inschrift ist aus seinen nachgelassenen Papieren durch E. Preuner, AM 49, 1924, 144 n. 30.1 veröffentlicht worden. Der rechts verstümmelte Text, der heute offenkundig verschollen ist, läßt nach einer Kaisertitulatur in Z. 4 die Angabe Χρήσιμος ἀπ[, in Z. 5 den Titel ἐπίτροπος erkennen. Von diesen Elementen ausgehend hat Preuner eine Identifizierung vorgeschlagen mit einem durch zwei Inschriften vom Mons Claudianus in Ägypten bekannten Mann, M. Ulpius Chresimus, der einerseits als kaiserlicher Freigelassener, andererseits als ἐπίτροπος τῶν μετάλλων bezeichnet wird, wobei die eine Inschrift in das Jahr 118 gehört4. Immerhin fügte er die kritische Frage hinzu: „Aber wie soll der ägyptische ἐπίτροπος τῶν μετάλλων nach Ephesos gekommen sein?“
3 Die Abweichung erinnert an eine andere in Milet begegnende ungewöhnliche Formulierung, eben falls auf einen Mann in kaiserlichen Diensten bezogen: IstMitt 25, 1975, 142 {hier S. 316}: ἐπάνω τῶν πορφυρῶν, wo ich erwogen habe, daß damit ein lateinischer Titel praepositus purpurarum wiedergegeben werden sollte. 4 OGI 678, 5 = IGR I 1255 = A. Bernand, Pan du désert, Leiden 1977, 98 n. 42; IGR I 1256 = Bernand 59 n. 21. Man vgl. PIR III 459 n. 545; G. Boulvert, Esclaves et affranchis impériaux sous le Haut-Empire romain, Neapel 1970, 227 Anm. 143; P. R. C. Weaver, Familia Caesaris, Cambridge 1972, 270.
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Trotzdem hat die von Preuner unter der Voraussetzung der Identität vorgeschlagene Textergänzung unverändert den Weg in die späteren Abdrucke des Textes gefunden: AE 1927 n. 97; SEG IV 531; IvEphesos 856. Ich setze hier den ursprünglichen Textabdruck bei Preuner und die Form der letzten Wiedergabe in den IvEphesos nebeneinander: sp. Αὐτο[κράτορι Αὐτο[κράτορι] Καίσαρι [ϑεοῦ υἱῶ Καίσαρι [Τραιανῶι Ἁδριανῶι] Σεβαστῶ Σεβαστῷ [Μᾶρκος Οὔλπιος] Χ̣ρήσιμος ἀπ 4 Χρήσιμος, ἀπ[ελεύϑερος Σεβασ] 5 . . ἐπίτροπο[ς [τοῦ,] ἐπίτροπο[ς τῶν μετάλλων?] . . ἱ]ε̣ ρωσύνη̣ [ ἱ]ερωσύνη[ . . . . του ψηφ̣ ]του ψηφ[ισ | . . . .εις sp. /\ 8 ]εις λι[ . . . .της ]της [ . . . .ϑ̣ ηκ [ἀνέ]ϑηκ[εν] 122
Die von Preuner vorgenommene Identifizierung ist indes schon von H. Chantraine, Freigelassene und Sklaven im Dienst der römischen Kaiser, Wiesbaden 1967, 168 angezweifelt worden, der den Hinweis anfügte: „Es liegt viel näher, statt ihrer (d. h. der ägyptischen Inschrift OGI 678) CIL III 7146 (aus Tralles) heranzuziehen.“ Die von Chantraine hergestellte Verbindung wird, wie ich meine, jetzt unter Hinzuziehung des neuen Textes aus Milet zur Gewißheit: Alle drei Inschriften beziehen sich auf denselben Chresimus, der auch in Ephesos als ἐπίτροπο[ς λατομ(ε)ίων] bezeichnet war und der auch kein M. Ulpius, d. h. Freigelassener Trajans, gewesen sein kann. Auch der Kaisername in IvEphesos 856 ist zu ändern; welcher Kaiser in Betracht kommt, wird später noch zu erörtern sein. Die Verstümmelung der Zeilen 6–10 der ephesischen Inschrift erlaubt leider nicht, die Leistung unseres Mannes für diese Stadt zu erkennen. Die Erwähnung eines Priestertums (Z. 6) ist irritierend (die von Preuner noch am Wortanfang und Wortende gesetzten Punkte sind in IvEphesos weggefallen); aber das Wort ist vielleicht auch anders zu zerlegen: ]ε̣ ρῳ σὺν Η̣[. Das am Ende erhaltene [ἀνέ]ϑηκ[εν läßt an eine Bauinschrift ähnlich wie in Tralleis denken. In diesem Zusammenhang ist auch eine Form ψηφ[ισ- schwer unterzubringen; die von mir erwogene Ergänzung zu ψήφ[ωσις oder etwas ähnlichem dürfte aber chronologische Bedenken gegen sich haben: Das Wort ist offenbar erst wesentlich später verbreitet5. Unsicher bleibt auch, ob man im Hinblick auf Z. 15 der Inschrift von Tralleis den in Z. 8 nach einem Spatium notierten Rest
5 Für das Wort vgl. vor allem L. Robert, RPhil 32, 1958, 48 f.; s. auch Hellenica XI/XII 493. Robert weist RPhil 49 daraufhin, daß eine Untersuchung der Terminologie und Chronologie im Bereich des Mosaikwesens noch aussteht.
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zu einer Form von λί[ϑος ergänzen kann. Bei der Verstümmelung des Textes kommt man hier nicht weiter; nur soviel läßt sich sagen, daß offensichtlich auch in Ephesos der Freigelassene Chresimus ein Zeichen seiner Munifizenz hinterlassen hat.
4 Mylasa In einem kurzen Bericht über eine im Jahre 1934 durchgeführte Reise in Karien hat L. Robert, RA 1935 II 160 f. folgende Bemerkung gebracht: „Sur la route de Mylasa à Passala (d. h. dem Hafen von Mylasa) un milliaire bilingue, avec les titres de Domitien effacés et remplacés par ceux de Nerva, mentionne un affranchi, ἐπίτροπος τῶν λατομείων, connu par ailleurs.“ {IvMylasa 929} Die Vermutung, die sich mir schon vor längerer Zeit aufgedrängt hatte, hat sich bestätigt: In der Tat ist auch der in dieser Inschrift Genannte unser schon durch drei Zeugnisse bekannte Chresimus. Ich verdanke der Liebenswürdigkeit von Mme. Jeanne Robert die Möglichkeit, die Inschrift hier nach dem Skizzenbuch L. Roberts veröffentlichen und in das Dossier einreihen zu können. Sie stellt für meine kleine Untersuchung geradezu den Angelpunkt dar. In einem Feld. Marmorsäule, oben gebrochen, 61 cm hoch. Buchstabenhöhe 3, Zeilenabstand 2 cm. Ich gebe zunächst den Text nach der Abschrift L. Roberts: [- - - - - - - - - - - - - - - - -] [ ] Aug. ⟦ 4–5 ⟧ [ ]. . maxim[us] 4 ⟦ ⟧ c̣ os. III ⟦ 9–10 ⟧ p. p. vias restituit [2–3] C̣ hresimum lib. pro[ca. 4–5] . marmoribus (vacat) 8 Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ ⟦ ⟧ ⟦ ⟧ ________Νέρουας Σεβαστός ⟦ 3–4 ⟧ ⟦ca. 5⟧ ἀρχιερεὺς μέγισ 12 τος, δημαρχικῆς ἐξουσί ας ⟦ ca. 14 ⟧ ὕπατος τὸ γʹ ⟦ ⟧ ⟦ 7 ⟧ πατὴρ πατρί 16 δος τὰς ὁδοὺς ἀποκα τέστησεν (vacat) ṂΑΥ..1ΛΣΙΜΟΥ ἀπελευϑέ [ρου κα]ὶ ἐπιτρόπου λατομίων. ______ 𐊼Z𐊼
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Ζ. 6: Vor dem nur in der oberen Hälfte erhaltenen C hat Robert nur undeutliche Buchstabenspuren erkannt. Am Rand notierte er: Ṃ. Z. 10: Zu Νέρουας bemerkt Robert: „regravé sur la rasure“. Z. 18: Die Spuren vor Σ scheinen undeutlich gewesen zu sein. Z. 18–19: Vor ἐπιτρόπου ist I notiert, davor „4 à 5“; die oben in den Text aufgenommene Ergänzung hat Robert am Rand angemerkt.
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Es ist unzweifelhaft und, wie Randnotizen im Skizzenbuch sowie die Bemerkung in RA 1935 erweisen, von Robert schon erkannt worden, daß der in dem Text des Meilensteins erwähnte Freigelassene wiederum unser Chresimus ist. Robert hat die Inschriften von Tralleis und Ephesos notiert, dazu dann angemerkt: „sur Chresimus OGI 678 (Égypte)“, unter Hinweis auf Preuner. Der dortige M. Ulpius Chresimus könnte auch zu den in Z. 6 und 18 vermuteten Lesungen Ṃ geführt haben. Ich halte es für sicher, daß aber in Z. 6 vor Chresimum ein per gestanden hat und dementsprechend in Z. 18 διά (vgl. auch Anm. 13), wobei eine Verlesung zwischen ΔΙ und Μ möglich scheint; das folgende Υ dürfte dann in Χ zu verbessern sein. Alle erhaltenen Parallelbeispiele zeigen, daß Chresimus sein nomen gentile, das Flavius gelautet haben müßte, nicht angegeben hat. Er ist mithin auch sicher von dem ägyptischen M. Ulpius Chresimus, einem Freigelassenen Trajans, zu trennen, und es zeigt sich, daß Preuners in Verbindung mit der angenommenen Identifizierung gestellte Frage berechtigt war. Hatte die Inschrift aus Tralleis schon eine Datierung der Wirksamkeit des Chresimus in die Zeit Nervas erbracht, so führt uns nun der Meilenstein von Mylasa mit seinen Rasuren und der Umschreibung auf Nerva darauf, daß Chresimus schon in den Diensten Domitians gestanden hat und dessen Freigelassener gewesen sein muß. Die auf dem Stein nach der recht gründlich vorgenommenen damnatio memoriae Domitians hergestellte Titulatur Nervas führt mit ihren Angaben auf das Jahr 976. Für die getilgte Titulatur Domitians wird man dann ein Datum aus der letzten Regierungszeit | vorauszusetzen haben. Bei ihrer Wiederherstellung ist ein Meilenstein aus Thyateira von entscheidender Bedeutung, der nämlich ebenfalls unter Domitian errichtet und dann auf Nerva umgeschrieben worden ist, aber in der Weise, daß die Titulatur Domitians stehen geblieben ist mit Ausnahme des getilgten Namens Domitianus, und die Inschrift für Nerva, die übrigens genau dieselben Elemente enthält wie der Stein von Mylasa7, daneben bzw. zum Teil darübergesetzt wurde: J. Keil – A. v. Premerstein, Bericht über eine zweite Reise in Lydien, DenkschrWien 54, 1911, 18 n. 30 (mit Faksimile-Zeichnung) = IGR IV 1194 = TAM V 2 n. 870. Die DomitianInschrift ist von Keil – v. Premerstein auf das Jahr 92 datiert worden auf der Grundlage der nicht ganz sicheren Angabe trib. pot. XI (im Bericht ι[αʹ], in der Ausarbeitung Keils
6 Wenn man den Berechnungen von M. Hammond, MemAmAc 15, 1938, 38 f. folgt, reichte die Titulatur bis zum 16. 9. 97. 7 Dieselbe Titulatur führt Nerva auch auf einem Meilenstein aus Unterpannonien: CIL III 3700 = E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Nerva, Trajan and Hadrian, Cambridge 1966, 135 n. 412.
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für die TAM: ι̣ α̣ʹ). Ich halte es für möglich, daß der Meilenstein von Mylasa noch etwas später anzusetzen ist. Abgesehen von den entsprechenden Iterationsziffern kann aber dessen älterer Text von dem Parallelexemplar her gut wiederhergestellt werden (wobei nur einige Details in den Abkürzungen und bei der Zeilentrennung unsicher bleiben): Imp. Caesar divi Vespasia ni f. Domitianus Aug. Germa nicus, pontifex maximus, 4 trib. pot. X[.?], imp. XXII, cos. XVI, (oder: XVII) cens. per., p. p. vias restituit per Chresimum lib. procur. a marmoribus. 8 Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ Θεοῦ Οὐεσπασιανοῦ υἱὸς Δομι τιανὸς Σεβαστὸς Γερμα νικός, ἀρχιερεὺς μέγισ 12 τος, δημαρχικῆς ἐξουσί ας τὸ ιʹ, αὐτοκράτωρ τὸ κβʹ, ὑπατος τὸ ιςʹ (?), τειμητὴς αἰώνιος, πατὴρ πατρί 16 δος τὰς ὁδοὺς ἀποκα τέστησεν διὰ Χρησίμου ἀπελευϑέ ρου καὶ (?) ἐπιτρόπου λατομίων. Bei dieser Textherstellung muß vorausgesetzt werden, daß in Z. 4 und 14 bei der Umschreibung die Iterationsziffer des Konsulats geändert wurde, also die auf Nerva bezügliche Zahl III bzw. Γ auf Rasur stehen müßte, was Robert nicht angemerkt hat. In Z. 19 scheint mir, trotz der von Robert notierten Spuren, das καί zweifelhaft und bliebe vielleicht besser weg. Im Anschluß an die Vorlage des Meilensteins aus Mylasa kann nun die Frage noch kurz aufgeworfen werden, welchem Kaiser die in Ephesos gefundene Inschrift des Chresimus gegolten haben kann. Oben war schon zu zeigen, daß durch die neue | Identifizierung die Einsetzung des Namens Hadrians hinfällig geworden ist. Leider hat Preuner seiner Erstveröffentlichung kein Faksimile der Abschrift von Curtius beigegeben, so daß die Aufteilung der ersten drei Zeilen nicht ganz deutlich ist. Immerhin war Αὐτο[κράτορι in Z. 1 eingerückt und damit wohl auf die ganze Zeilenbreite verteilt; Σεβαστῷ in Z. 3 ist rechts ohne Klammer geschrieben, woraus sich eventuell schließen ließe, daß der Rest der Zeile frei war. Einsetzen ließen sich bei dieser Lage der Dinge mit einigen Bedenken die Namen Domitians bzw. Nervas: bei Domitian in der zumindest etwas ungewöhnlichen Kurzform Αὐτο[κράτορι] | Καίσαρι [Δομιτιανῷ]
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| Σεβαστῷ, wobei ja auch wieder mit Tilgung zu rechnen wäre, bei Nerva freilich nur in der (auch von dem Stein aus Tralleis) abweichenden Namensfolge Αὐτο[κράτορι] | Καίσαρι [Νέρουᾳ] | Σεβαστῷ. Ich halte es wegen dieser Schwierigkeiten für möglich, daß der Name Trajans am Stein gestanden hat: Αὐτο[κράτορι] | Καίσαρι [Νέρουᾳ Τραιανῷ] | Σεβαστῷ [eventuell: Γερμανικῷ], was auch besser mit den Buchstabenzahlen der Zeilen 4–5 mit ihren wohl sicheren Ergänzungen übereinstimmen würde. Das heißt dann aber: die Tätigkeit unseres Chresimus hätte sich von den letzten Jahren Domitians bis in die Regierungsanfänge Trajans erstreckt.
5 Paros (?) Da nun durch den Meilenstein aus Mylasa Chresimus als Freigelassener Domitians erkannt ist, soll mit aller Vorsicht noch ein letztes möglicherweise auf ihn zu beziehendes Zeugnis angeschlossen werden. Unter den von L. Bruzza (vgl. Anm. 9) in Rom gefundenen Inschriften auf Marmorstücken, die er den Steinbrüchen von Paros zuweist, findet sich der folgende Text (193 n. 277), zu dem er bemerkt: „sotto uno dei trofei trasportati nel 1590 dal castello dell’acqua Giulia in Campidoglio“ (= Dubois 113 n. 267):
Imp(eratoris) Dom(itiani) Aug(usti) Germ(anici) per Chrez(imum) lib(ertum).
Sollte mit der Schreibung CHREZ tatsächlich eine Variante des Namens Chresimus gemeint sein8, läge eine Identifizierung mit unserem Chresimus zumindest nahe. Das würde gleichzeitig bedeuten, daß dessen Zuständigkeitsbereich von der Konzentration auf Ionien und Karien abgesehen auch noch bis in die Kykladen reichte (dazu unten S. 590). Freilich ist der Vorbehalt zu machen, daß die parisch-römische Inschrift nicht den Titel procurator aufweist, und daß auch der Name Chresimus nicht gerade selten ist. Denkbar wäre allenfalls auch, daß es zwar derselbe Chresimus ist, aber in einer zeitlich vielleicht vorausgehenden Verwendung, die sich nur auf Paros konzentriert hätte. Das Zeugnis kann also auf jeden Fall nur als unsicher bezeichnet werden. Die ersten vier oben vereinigten Dokumente des Freigelassenen Chresimus sind zunächst schon interessant bei einem Vergleich der Varianten, in denen sein Titel angeführt wird: proc. lapicidinarum in Tralleis, proc. a marmoribus in Mylasa, in der griechischen Fassung ἐπὶ τῶν λατομίων in Milet, ἐπίτροπος λατομ(ε)ίων in Tralleis, Ephesos und Mylasa. Man wird daraus ableiten können, daß die Terminologie (noch) nicht verfestigt war, da die Annahme, in den Varianten seien Funktions- oder Kom-
8 Man vgl. H. Solin, Die griechischen Personennamen in Rom, Berlin–New York 1982, II 936, der auch eine Form Chrezmus, Chresmus (von χρησμός) erwägt.
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petenzunterschiede enthalten, wohl wenig wahrscheinlich ist. Immerhin findet sich in entsprechenden | lateinischen Inschriften neben dem häufigeren a(b) marmoribus (z. B. CIL VI 301, 6. 8483, 5. XI 3199, 4) auch die Form a lapicidinis (CIL VI 8486, 2). Über die Frage der Titulatur hinaus führen die hier vereinigten Texte aber dann auf das Problem des Amts- und Zuständigkeitsbereiches unseres Chresimus. Leider sind unsere bisherigen Kenntnisse nicht von der Art, daß sie zu sicheren Schlüssen führen9, und auch die von Chresimus ausgehenden Texte enthalten in dieser Hinsicht keine konkreten Aussagen. Vor allem stellt sich die Frage, ob im Bereich der Bergwerksverwaltung eingesetzte Prokuratoren, die teils Ritter, teils kaiserliche Freigelassene waren, auf Provinzebene tätig waren (bzw. sogar für zwei Provinzen zuständig sein konnten) oder ob sie auf einzelne Bergwerksdistrikte konzentriert blieben10. Was speziell die Provinz Asia und die Verwaltung der Marmorbrüche betrifft, so hat man bisher Zeugnisse für Prokuratoren nur mit den phrygischen Steinbrüchen verbinden können und dementsprechend angenommen, daß Synnada der Sitz des zuständigen Prokurators war11. Die dort bezeugten Prokuratoren sind kaiserliche Freigelassene so wie unser Chresimus. Dies zusammen mit der Konzentration der Zeugnisse des Chresimus auf das enge Gebiet des südlichen Ionien und nördlichen Karien scheint mir doch zu der Annahme zu führen, daß es bei seiner Aufgabe in der Tat um die Verwaltung eines regional begrenzten Bezirks gegangen ist. Wir hätten demnach im Rahmen der Provinz Asia zumindest zwei gesonderte, für Marmorbrüche zuständige Prokuratoren vorauszusetzen, in Phrygien (mit dem Amtssitz Synnada?) und in Ionien12/ 9 Dazu kommt vor allem O. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian, 2. Aufl. Berlin 1905, 145–180; Ch. Dubois, Etude sur l’administration et l’exploitation des carrières … dans le monde romain, Thèse Paris 1908; K. Fiehn, RE III A 2 (1929) 2275–2283; man vgl. auch L. Robert, Hellenica XI/XII 27 Anm. 1. Als Zusammenstellung der Inschriften ist wichtig L. Bruzza, Iscrizioni dei marmigrezzi, Annali dell’Ist. 42, 1870, 106–205. 10 Zitiert sei hier die ältere Aussage von O. Hirschfeld (Anm. 9), 174: „Die Inschriften zeigen, daß in der Regel die Prokuratoren nicht bei einem einzelnen, sondern für die Gesamtheit der derselben Kategorie angehörigen Bergwerke einer, selten zweier kombinierter Provinzen (wie Pannonien und Dalmatien) angestellt waren, dagegen die verschiedenen Kategorien, als Gold-, Silber-, Eisenwerke oder Marmorbrüche durchaus in der Verwaltung getrennt gehalten wurden …“ Man vgl. auch ebd. 160 mit Anm. 3. Am deutlichsten sind im Sinne von Hirschfelds Aussage die Titel proc. argentariarum Pannoniarum et Dalmatiarum (IvEphesos 652) bzw. procurator metallorum Pannon. et Delmat. (CIL III 8361 = 12721), in beiden Fällen allerdings auf Ritter zu beziehen. 11 Vgl. Hirschfeld (Anm. 9), 168 und 170; Fiehn, RE 2281; M. Christol, Th. Drew-Bear, Tyche 1, 1986, 61 Anm. 91. Die teils in Phrygien selbst, teils in Rom bezeugten Personen sind kaiserliche Freigelassene, die den bloßen Titel procurator führen: z. B. der sowohl in Phrygien (CIL III 12237) wie auch in Rom (Bruzza 191 n. 258– 259 v. J. 137) erscheinende Irenaeus. Bei der mit procurator marmorum bezeichneten Funktion innerhalb des cursus des kaiserlichen Freigelassenen M. Aurelius Marcio (CIL III 348 = Dessau 1477) bleibt unklar, ob er sie in Phrygien (so Hirschfeld [Anm. 9], 170 Anm. 5) oder in Rom (so G. Boulvert, Domestique et fonctionnaire sous le Haut-Empire romain, Paris 1974, 167; Christol, DrewBear a. a. O. 80 Anm. 171) wahrgenommen hat. 12 Zu dem ionischen Gebiet könnten auch noch die Marmorbrüche von Teos gehört haben: zu ihnen Dubois a. a. Ο. 94–96; W. Ruge, RE V A 1, 1934, 568 f.
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Karien (mit einem noch nicht bekannten Amtssitz). Auf die Einbeziehung auch der Kykladeninsel Paros in den Zuständigkeitsbereich des Chresimus möchte ich wegen der zu unsicheren Zugehörigkeit der Inschrift 5 hier lieber verzichten. Daß gerade in den Bergen Kariens wichtige Marmorbrüche waren, ist durch literarische wie auch durch archäologische Zeugnisse nachgewiesen. Die erstgenannten hat Ch. Dubois in der in Anm. 9 genannten Arbeit 94 zusammengetragen: sie betreffen | Alabanda und Milet (Plin. n. h. XXXVI 62), Mylasa (Strabon XIV 2, 23 p. 658: ὄρος … λατόμιον λευκοῦ λίϑου κάλλιστον ἔχον), Herakleia am Latmos (Vitruv X 2, 15), Iasos (Paul. Silent., Ekphr. 630 f. = W. Blümel, IvIasos II 158 T 46). Archäologisch greifbar sind Marmorbrüche bei Ephesos (nicht nur für die archaische Zeit: S. Kasper, ÖJh 51 [1976/77] Beibl. 168–174) und neuerdings vor allem diejenigen im Bereich von Milet und Herakleia (A. Peschlow-Bindokat, JdI 96 [1981] 157–214). Neu, wenn auch nicht überraschend, ist die durch unsere Inschriftengruppe gesicherte Erkenntnis, daß in der Kaiserzeit die Marmorbrüche auch dieser Region kaiserlicher Verwaltung unterstanden. Aufschlußreich sind die hier vereinigten Dokumente schließlich auch im Hinblick auf die „gesellschaftliche“ Stellung des Freigelassenen Chresimus. Er war in der Lage, in Tralleis wie auch in Ephesos als Stifter bestimmter Bauanlagen aufzutreten und sich dann in entsprechenden Bauinschriften, in die Form von Kaiserweihungen gekleidet, dort ins öffentliche Bewußtsein zu bringen. Seine Munifizenz scheint ihm durch seine besondere Aufgabe im kaiserlichen Dienst erleichtert worden zu sein. An dem Meilenstein von Mylasa interessiert andererseits der Umfang dieser seiner Tätigkeit im kaiserlichen Dienst. In seinen ‚Untersuchungen zu den römischen Reichsstraßen‘, Bonn 1968, hat Th. Pekáry immerhin drei Beispiele (aus Pamphylien und Bithynien) anführen können, wo Kaiser Straßenreparaturen durch ihre Prokuratoren vornehmen ließen13. Er wies dabei nach, daß es sich aller Wahrscheinlichkeit nach immer um Finanzprokuratoren handelte. Der in unserer Inschrift bezeugte Fall der Betrauung eines procurator a marmoribus, und überdies eines Freigelassenen, ist, wenn ich nicht irre, ein Novum und als solches gewiß bemerkenswert. Das zeigt das Gewicht der Stellung des Mannes, mag freilich auch an einen gewissen Zusammenhang zwischen seiner Spezialkompetenz und der Aufgabe des Straßenbaus bzw. der Straßenreparatur denken lassen. Zum Schluß möchte ich kurz an den Ausgangspunkt diese Aufsatzes zurückkehren und die Frage nach dem Charakter des Monuments, von dem die milesische Inschrift stammt, noch einmal aufnehmen. Auch wenn eine sekundäre Verwendung vorzuliegen scheint, ist deutlich, daß der Quaderblock mit der eingearbeiteten tabula ansata aus einem architektonischen Ensemble, d. h. jedenfalls aus einem Mauerver-
13 Pekáry 79 ff.: IGR III 768 aus Attaleia; IvNikaia 13; CIL III 6993 {IvPrusa 9} und ÖJh 28, 1933, Beibl. 92 n. 62 aus der Gegend von Prusa. In allen Fällen erfolgt die Nennung des Prokurators wie in Mylasa durch die Konstruktion mit per bzw. διά.
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band, stammt. In einem solchen Fall mochte sich die Aussage der Inschrift aus dem Anbringungsort erklären. Dabei kann man im Hinblick auf die Chresimus-Inschriften von Tralleis und Ephesos auf die Frage kommen, ob es sich auch in Milet um eine Bauinschrift handeln könne, die dann von einer entsprechenden Wirksamkeit des Freigelassenen auch in dieser Stadt Kunde gäbe. Ich habe indes starke Zweifel, daß die lakonische, allein den Namen nennende Aussage der Inschrift in diesem Sinne interpretiert werden kann. Bei einer Bauinschrift, welcher Art auch immer, müßte nach meinem Gefühl doch ein den Tatbestand verdeutlichendes Verbum (κατεσκεύασε, ἀνέστησε, καϑιέρωσε o. ä.) hinzugesetzt werden, auch wenn sich das Objekt aus dem Anbringungsort ergab und nicht genannt zu werden brauchte. So bleibt wohl nur die Deutung als Inschrift einer Grabanlage, wie das ja Wiegand schon sozusagen intuitiv angenommen hatte. Wenn das richtig ist, hätten wir in dem Stein aus Milet also das letzte Dokument des Freigelassenen Chresimus vor uns: es | markierte den Ort, wo er durch den Tod aus seiner für die dortige Gegend sicher bedeutsamen Tätigkeit herausgerissen wurde – vielleicht war das dann auch sein Amtssitz. Auch seine Grabanlage kann durch eine monumentale Ausgestaltung noch die Geltung seiner Persönlichkeit verdeutlicht haben.
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Abb. 1
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48 Eine ‚pierre errante‘ Ephebenkatalog aus Iasos in Milet Inschriften von Iasos sind, wie Louis Robert einmal eindrucksvoll aufgezeigt hat1, in moderner Zeit in größerer Zahl in Orte der näheren oder weiteren Umgebung verschleppt worden. Die Küstenlage der antiken Stadt und die offenbar leichte Zugänglichkeit ihrer Ruinen haben dafür die Voraussetzung abgegeben. Von dieser Zerstreuung ist auch eine spezielle Fundgruppe in besonders hohem Maße betroffen worden, wobei die Tatsache, daß es sich so gut wie ausschließlich um leicht bewegbare Rundsäulen handelt, die Verschleppung zusätzlich gefördert haben wird. Ich meine die aus einem Gymnasion der Stadt stammenden Ephebenlisten, von denen Wolfgang Blümel im 2. Band seiner „Inschriften von Iasos“ 16 Exemplare zusammenstellen konnte2. Allein 10 von ihnen befinden sich heute in İstanbul, wohin sie 1887 in einer größeren Menge von ‚Baumaterial‘ für die Anlage einer Hafenmole in Bebek verbracht, aber durch das Eingreifen von Hamdi Bey glücklicherweise für das Archäologische Museum sichergestellt worden waren3. 3 Exemplare sind nach London in das Britische Museum gelangt. Bei ihrer Edition (GIBM 924–926) hat Gustav Hirschfeld die Angabe gemacht „found at Branchidae by Newton“, was zu ihrer Zuweisung an das Heiligtum von Didyma führte und in der Forschung eine gewisse Verwirrung auslöste4. Doch konnte durch eine von B. Wolters vorgenommene Nachprüfung in den Londoner Inventaren als präziser Herkunftsort „Karaköi“ ermittelt werden5, womit die ca. 4 km südsüdwestlich von Didyma gelegene Bucht von Karakuyu gemeint sein muß6, die heute den Rahmen des Ferienorts Altınkum bildet. Diese Bucht liegt von Iasos aus in nordwestlicher Richtung, ist von dort also über See leicht zu erreichen. Damit schien auch für diese Stücke „die | Herkunft aus Iasos auf das strikteste erwiesen“7.
ADerg III, 1995, 93–99 und 2 Abbildungen. 1 L. Robert, Collection Froehner I: Inscriptions grecques (1936) 73–75. 2 W. Blümel, Die Inschriften von Iasos (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 28,2, Bonn 1985), n. 269–284. Zu n. 282 vgl. allerdings unten Anm. 10. 3 Erstveröffentlichung durch Th. Reinach, REG 6, 1893, 190–197 n. 38–43. Ebendort 153 die Angaben über die Herkunft des Materials. Zu den von Reinach publizierten Stücken hat L. Robert noch ein weiteres ermittelt: s. W. Blümel, IvIasos 284. 4 Dafür kann auf die detaillierte Darstellung bei L. Robert, REG 70, 1957, 373 Anm. 1 (OMS ΠΙ 1490) verwiesen werden. 5 Die Nachricht über die Ermittlungen von Wolters findet sich in einer Notiz B. Laums bei E. Ziebarth, Aus dem griechischen Schulwesen2 (1914) 85 Anm. 2. 6 Für diese Bucht vgl. L. Robert, RPhil 32, 1958, 61 mit Anm. 5 (OMS I 396). 7 B. Laum am Anm. 5 a. O.; vgl. auch A. Rehm, Milesische Chronologie von Sulla bis Tiberius (SBMünchen 1939, Heft 8), 26: „… die Zuteilung der Steine an Didyma war ein Irrtum (was ich schon längst eingesehen habe). Die Steine gehören nach Iasos …“
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Es blieb ein Exemplar, das 1895 von Bernard Haussoullier in einem Haus in Didyma vorgefunden und aufgenommen worden war und das dann auch von Albert Rehm in seinem Corpus der Inschriften von Didyma (1958) unter der Nummer 580 wiedergegeben wurde. Indes hatte schon 1946 Louis Robert vermerkt, daß die damals noch unpublizierte Inschrift aus Iasos stamme und hatte ihre Edition im Rahmen des von ihm geplanten Corpus von Iasos angekündigt8. Dementsprechend kritisierte Robert auch 1959 in seiner Besprechung des Inschriftenbandes von Rehm die Aufnahme dieser Inschrift in das Corpus von Didyma9. Hierzu ist allerdings festzustellen, daß Rehm durchaus auf der richtigen Spur gewesen war, nur später bei der Redaktion seines Bandes vielleicht durch ein Versehen davon abkam: Die mir vorliegende Originalkopie Rehms, die er im Herbst 1941 in Paris nach den dort aufbewahrten Abschriften Haussoulliers angefertigt hat, trägt deutlich am Rand den Vermerk von seiner Hand „Wird nach Iasos gehören!“ Der Stein kann von der Bucht von Karakuyu in das über den Ruinen des Apollon-Heiligtums gelegene Dorf Jeronda oder Jeron verschleppt worden sein, eventuell auch aus dem etwa gleichweit von Didyma entfernt gelegenen Hafen Panormos, dem heutigen Ferienort Mavişehir. Zuversichtlich ordne ich dieser Dokumentengruppe schließlich noch das Fragment IvMylasa II (1988) 910 zu, sowohl wegen des materiellen Befundes wie auch besonders auf Grund des Vorkommens eines für Iasos typischen Σαμιάριος in Z. 15 der verstümmelten Liste (s. unten S. 597). Wolfgang Blümel hat den bei Avşar etwa auf halbem Wege zwischen Iasos und Mylasa aufgenommenen Stein „auf Grund der Lage des Fundorts unter die Inschriften von Hydai eingeordnet“, aber selbst schon Verschleppung aus Iasos nicht ausgeschlossen. Es ist bemerkenswert, daß sich bei den italienischen Grabungen in Iasos selbst bisher nur ein einziges mit Sicherheit dieser Fundgruppe zuzuweisendes Stück gefunden hat (D. Levi – G. Pugliese Carratelli, ASAtene 23/4, 1961/2, 560 n. 20 = IvIasos 283), das sich durch seinen materiellen Befund allerdings in charakteristischer Weise von den verschleppten Rundsäulen abhebt: es ist ein schwerer beweglicher Quaderblock. Bei einem zweiten schon von den Erstherausgebern dieser Serie zugeordneten Fragment hege ich erhebliche Zweifel, daß es hierher gehört10. Läge nicht die hier kurz referierte Forschungsgeschichte vor, aus der sich mit Zuverlässigkeit die Zuweisung der ganzen ja auch inhaltlich einheitlichen Gruppe an die Stadt Iasos ergibt, hätte man erneut in Zweifel geraten können angesichts eines
8 L. Robert, Hellenica II (1946) 53 Anm. 3; wiederholt REG 70, 1957, 373 Anm. 1 (OMS III 1490). 9 L. Robert, Gnomon 31, 1959, 671 (OMS ΙII 1636); vgl. auch REA 65, 1963, 317 Anm. 7 (OMS III 1512). 10 Es handelt sich um einen oben, rechts und unten gebrochenen Block (Levi – Pugliese Carratelli a. a. O. 589 n. 19 = IvIasos 282) mit 20 im Akkusativ stehenden männlichen Namen (vgl. auch L. Robert, REA 65, 1963, 317 = OMS III 1512). Die von W. Blümel übernommene Deutung der Erstherausgeber, daß es sich um eine von einem Gymnasiarchen vorgenommene Weihung („dedica“) handle, kann ich nicht überzeugend finden. Wie sollte sich daraus eine Erklärung für die Verwendung der Akkusativformen ergeben?
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1992 festgestellten Neufundes derselben Kategorie, der sich nämlich in der epigraphischen Sammlung des Museums von Milet, in Balat, befindet. Es handelt sich um eine Rundsäule, die bei der Neugestaltung des Inschriftenhofes durch Wolfgang MüllerWiener vermutlich 1990 dort in einem Areal unter freiem Himmel Aufstellung gefunden hat. Der plötzliche Tod Müller-Wieners im Frühjahr 1991 hat es verhindert, daß über die Herkunft des Steines von ihm noch eine Auskunft eingeholt werden kann. Eine diesbezügliche Notiz ist mir nicht zur Kenntnis gekommen. Daß es ein von Iasos verschleppter Stein ist, steht fest. Man wird auch hier von einem Transport über See auszugehen haben, wobei die Säule vielleicht über die Mäandermündung bis nach Balat gelangt und dort möglicherweise irgendwo verbaut worden ist. Glatte Rundsäule aus grauem Marmor. Oben Auflagenfläche mit Dübelloch. Höhe 78, Durchmesser 49,5 cm. Buchstabenhöhe der Z. 1 2–2,5, in den folgenden Zeilen ca. 1,5 cm; Zeilenabstand 0,6 cm. Die Schriftfläche ist auf der Vorderseite rechts oben durch Abnutzung, links nach unten hin durch Abplatzen der ‚Haut‘ des Steines stark verstümmelt. Ähnlich ist auch auf der Rückseite der Text der zweiten Eintragung bis auf geringe Reste verloren gegangen. Im Museum registriert unter der Nummer 2040. Abb. 1–2. a) Vorderseite: {SEG XLV 1520 A} Ἔτους ρι̣ ʹ [ ? ] ἐπὶ γυμνασιάρχων Θεο̣ [- -] τοῦ καὶ Λεωσϑένους [καὶ - -] 4 δήμου τῶν Παμφίλου [ ? ] οἵδε ἠφήβευσαν· Λέων Διονυσίου Φ̣ίλαγρος αʹ Νικόστρατος 8 Τιμάνϑης Βασιλίδου Κ̣όϊντος Σαμιάριος Ῥοῦφος [. . .]άων Ἀριστοκράτους [. . . .]ω̣ρος Ἀριστοκράτους 12 [. . . .]όμαχος Διογέν̣ ο̣ υ̣ [. . . . .]σιος Χαρμεί[ου?] [ ] Ἀντιόχου [ ]ς αʹ τοῦ Ἑρ‹μα›ΐσκου 16 [ Δι]ογένου [ ]Ι Ινείκου [ ]ο̣ υλλος Z. 1: Wegen der Steinbeschädigung ist das Iota in der Jahresangabe nicht ganz sicher: Zum einen könnte die erhaltene senkrechte Haste zu einem anderen Buchstaben ergänzt werden (etwa Gamma),
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zum anderen ist nicht auszuschließen, daß auf Iota noch ein weiterer Buchstabe als Zahlzeichen folgte. Z. 10: In Betracht kämen z. B. Ergänzungen zu [Λυκ]άων, [Ἀγλ]άων, [Ἑρμ]άων, [Μαχ]άων. Z. 11: Möglich wären [Διόδ]ωρος, [Θεόδ]ωρος, [Ἰσίδ]ωρος – alles in Iasos bezeugte Namen. Z. 12: Vielleicht [Νεικ]όμαχος; [Ἀριστ]όμαχος dürfte zu lang sein. Z. 13: Am Anfang vielleicht [Διονύ]σιος. Z. 15: Eine Namensform Ἑρμίσκου, wie sie sich auf dem Stein auf den ersten Blick darbietet, scheint kaum möglich. Es ist vorstellbar, daß der Steinmetz die Form durch Versehen so eingemeißelt hat, dann aber zu dem richtigen Ἑρμαΐσκου zu verbessern trachtete: Man glaubt in der rechten Partie des Μ Spuren einer Umwandlung zu A zu erkennen, dazu möglicherweise über der linken Hälfte des M ein Λ, das den Buchstaben wieder vervollständigen sollte. Z. 17: Durch die erkennbaren Reste zweier senkrechter Hasten werden die Ergänzungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Denkbar wäre eine Form Ἐ]π̣ι̣ νείκου (vgl. IvIasos 345, 3). Z. 18: Wenn die schwer lesbaren Buchstaben richtig erkannt sind, käme am ehesten ein lateinisches Cognomen auf -ullus in Frage (etwa [Τέρτ]ουλλος, [Λεύκ]ουλλος). Eine andere Möglichkeit wäre ein griechischer Name als Cognomen eines mit dem römischen Bürgerrecht ausgestatteten Mannes, etwa [Βά]ϑ̣ υλλος (vgl. IvIasos 271, 7 u. ö.) oder allenfalls [Βή]ρ̣ υλλος (vgl. IvIasos 278, 42 und 280, 39).
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Die Eintragung entspricht im Schema den schon bekannten Ephebenkatalogen von Iasos. Die Erklärung kann sich deshalb auf einige wenige Aspekte beschränken. Mit der Datierung auf ein Jahr 110 (vorausgesetzt, die Zahl ist richtig gelesen: s. oben zu Z. 1) rückt die neue Liste zwischen die in den bisher bekannten Verzeichnissen angegebenen Daten, genauer zwischen Listen der Jahre 89 und 120 (IvIasos 270 und 271–273)11. Das Problem liegt aber in der Frage, welche Ära hier Anwendung gefunden hat. Nach einer Diskussion der vorausgegangenen Versuche hat Wolfgang Blümel in seinen „Inschriften von Iasos“ II, 36 die Hypothese einer mit dem Jahr 167 v. Chr. einsetzenden Ära eingebracht, die von der Befreiung Kariens von der rhodischen | Vorherrschaft durch die Römer ausgegangen sei12. Dagegen hat allerdings schon L. Migeotte unter Verweis auf eine Anmerkung von Jeanne und Louis Robert Zweifel angemeldet13. In Abwägung aller Gesichtspunkte ist zuletzt Wolfgang Leschhorn in seinen „Antiken Ären“ (s. Anm. 11) 346–348 zu der Annahme gelangt, daß „für Iasos am ehesten die sullanische Ära in Frage“ komme, nach der auch in Städten des östlichen Karien datiert wurde. Damit würde sich für das Jahr 110 dieser Ära eine Datierung auf 25/6 n. Chr. ergeben. Von den Schriftformen wie auch dem Namensmaterial her wäre dagegen nichts einzuwenden. Neue Indizien vermag ich nicht zu erkennen, es bleibt allerdings die auch schon von anderen festgestellte, irritierende
11 Hier kann auf die Zusammenstellung der für Iasos bezeugten Datierungsangaben bei Wolfgang Leschhorn, Antike Ären (Historia Einzelschriften 81, 1993), 528 f. verwiesen werden. 12 Der Bezugspunkt war dabei eine Stephanephorenliste aus Amyzon (J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I [1983] 244 n. 51), deren Überschrift lautet: [στ]εφανηφόροι οἱ γεγονότες ἀφ’ οὗ [Κ]ᾶρες ἠλευϑερώϑησαν. 13 L. Migeotte, Chiron 23, 1993, 285 Anm. 54 mit Hinweis auf J. u. L. Robert, Amyzon 249 Anm. 7. Vgl. auch W. Leschhorn a. a. O. 201.
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Tatsache, daß in Iasos diese Datierungsweise allein auf den Bereich des Gymnasions begrenzt geblieben zu sein scheint, während sonst ja die Datierung nach dem eponymen Stephanephoren die Regel war14. Das könnte ein Hinweis auf einen vielleicht doch Gymnasions-spezifischen Ausgangspunkt der Ära sein, der nicht unbedingt in einem die Stadt betreffenden politischen Ereignis gesucht werden müßte. Die in den Listen übliche Nennung des Gymnasiarchen weist in der neuen Inschrift die Besonderheit auf, daß hier zwei die Funktion ausübende Brüder, Söhne eines Pamphilos, angeführt werden15. Die Liste IvIasos 277 hatte dazu schon eine Parallele geliefert: ἐπὶ γυμνασιάρχων Ἱεροκλέους καὶ Σωσιπάτρου τῶν Ἱεροκλέους. Das Namensmaterial der Ephebenliste berührt sich in vielem mit der schon bekannten iasischen Onomastik, wie ein Blick in den Namensindex des Corpus von Blümel ergibt. Herausgehoben sei jedoch der Κόϊντος Σαμιάριος Ῥοῦφος von Z. 9, weil wir mit ihm auf eine in Iasos und seiner Umgebung zahlreicher bezeugte römische Gens stoßen, auf die Louis Robert schon hingewiesen hat16. So haben uns gerade die bisher bekannten Ephebenkataloge bereits einen Σαμιάριος Σατορνεῖλος (= Saturninus; | IvIasos 270, 17), einen Κόϊντος Σαμιάριος Νάσων (271, 19; 272, 20; 273, 16), einen Μᾶρκος Σαμιάριος [ ]τράτης (? 274, 24) sowie einen Κόϊντος Σαμιάριος Χρύσερμος (278, 28; 279, 8; 280, 28) kennen gelehrt. Dazu möchte ich das Vorkommen eines [- -]ος Σαμιάριος Φαῦστος in der Hydai zugewiesenen Liste IvMylasa 910, 15 als entscheidendes Argument dafür in Anspruch nehmen, die Inschrift als aus Iasos stammend in die hier besprochene Serie aufzunehmen (s. oben S. 594). Ungewöhnlich wäre für Iasos indes, wenn richtig ergänzt, in Z. 23 der Name Χάρμειος, für den sich aber Belege auf Rhodos finden17. Wie schon in den anderen Ephebenlisten taucht auch in unserer in Z. 7 die Besonderheit auf, daß Homonymie mit dem Vater durch ein hinzugefügtes A gekennzeichnet wird, womit wir gegenüber dem sonst üblichen B eine leicht erklärbare Eigentümlichkeit von Iasos und Halikarnass zu fassen bekommen18. Im übrigen vermag ich
14 Vgl. dafür R. K. Sherk, ZPE 88, 1991, 256 f. n. 120 (mit Hinweis auf die daneben verwendete ÄrenDatierung). 15 Beider Namen sind nicht sicher herstellbar: Im ersten Falle kann man zwischen Θεο[γένης], Θεό[δοτος], Θεό[δωρος], Θεό[φιλος) schwanken, im zweiten kommt vielleicht [Μενέ]δημος, der in Iasos bezeugt ist, in Frage, aber nicht ausschließlich. Daß das τοῦ in Z. 3 nicht ein Namensende sein kann, sondern auf die Formel der Nennung eines Doppelnamens des erstgenannten Bruders führt, ergibt sich m. E. aus der Zeilenverteilung. Sonst käme man nämlich auf drei Brüder, was wohl als unwahrscheinlich anzusehen ist. Nach Παμφίλου in Z. 4 könnte allenfalls noch eine Ziffer zur Kennzeichnung einer Iteration gestanden haben (vgl. IvIasos 271–273: τὸ βʹ), unter Umständen wäre auch die Angabe [υἱῶν] möglich. Aber natürlich kann der Raum auch frei geblieben sein. 16 Vgl. Gnomon 31, 1959, 667 (OMS III 1632) mit Verweisen auf frühere Bemerkungen. Einen neuen Beleg bringt eine milesische Grabinschrift (demnächst: Milet VI 2 n. 629). 17 P. M. Fraser – E. Matthews, A Lexicon of Greek Personal Names I (1987) 483. 18 Zu diesem Problem Reinhard Koerner, Die Abkürzung der Homonymität in griechischen Inschriften (SBBerlin 1961, Nr. 2), 52–57.
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der Liste trotz des in der Regel dem Namen beigefügten Patronymikons keine prosopographischen Erkenntnisse oder Kombinationen abzugewinnen, vielleicht mit einer Ausnahme: Zu dem Tιμάνϑης Βασιλίδου von Z. 8 ließe sich möglicherweise in einem Ehrendekret einer fremden Stadt für Schiedsrichter aus Iasos (IvIasos 83) ein Vorfahre stellen, wenn man sich (Z. 9) auf die Ergänzung Βασιλείδην [Τιμάν]ϑου einläßt19. Ein weiteres Detail verknüpft unseren Neufund mit der schon bekannten Serie aus Iasos: die Tatsache, daß die Rückseite der Rundsäule eine weitere Eintragung enthält, genauer gesagt sogar zwei verschiedene Texte. b) Rückseite oben: {SEG XLV 1520 B} Διόδωρος Θαργηλίου γυμνασιαρχῶν τοῖς νέοις καὶ τῶι δήμωι.
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Diese Inschrift ist in genau gleichlautender Form schon auf zwei in Karakuyu gefundenen, Iasos zuzuweisenden Säulentrommeln bezeugt (IvIasos 255). Von ihnen ist die eine unterhalb dieser Eintragung mit der Ephebenliste des Jahres 80 (= 6/5 v. Chr.?) beschrieben (IvIasos 269) sowie einer daruntergesetzten Nike-Inschrift (IvIasos 353), auf der | gegenüberliegenden Seite trägt sie eine weitere Ephebenliste „eines unbekannten Jahrgangs“ (IvIasos 280). Die andere Säulentrommel hat auf der einen Seite ebenfalls eine Ephebenliste (IvIasos 270), in diesem Falle eine des Jahres 89 (= 4/5 n. Chr.?), auf der gegenüberliegenden Seite ist unterhalb der Weih- oder Stifterinschrift des Diodoros, Sohnes des Thargelios, ein mehr als 40 Zeilen umfassender Ehrenbeschluß für den Ephebarchen Melanion, Sohn des Theodoros, eingegraben (IvIasos 98). Es handelt sich also bei dem jetzt dreimal bezeugten Text des Diodoros um das bekannte Phänomen der Stiftung einer Anzahl von Säulen für sakrale oder öffentliche Bauten20. c) Rückseite unten: {SEG XLV 1520 C} In einigem Abstand von der Stifterinschrift des Diodoros sind auf der Rückseite der Rundsäule noch ganz schwache Spuren eines sonst infolge der Beschädigungen ganz verlorenen Textes erhalten, die immerhin noch einen gewissen Aufschluß zulassen:
19 Die Lesung Βασιλείδην [4–5]ϑου hat Y. Garlan, BCH 98, 1974, 117 gewonnen. Der Erstherausgeber G. Pugliese Carratelli, ASAtene 29/30, 1967/8, 462 n. 19 hatte Βασιλείδην [. .]Γ[. .]φο[.] notiert. Leider gibt keiner der Editoren einen Datierungshinweis, und das Photo des Erstherausgebers (Fig. 22) veranlaßt einen wegen der starken Zerstörung der Schriftfläche zur Zurückhaltung. 20 W. Blümel verweist dazu auf die Bemerkung und die Beispiele bei L. Robert, Anatolian Studies W. H. Buckler (1939) 240 Anm. 5 (OMS I 624). Für eine neuere Bibliographie vgl. Th. Drew-Bear – Ch. Naour, ANRW II 18, 3 (1990) Anm. 516.
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[Ἔδοξε] τ̣ οῖς πρεσβυτέροις̣ [- - -] [ Μελανίων Θ]ε̣ οδ̣ώρο[υ - - -]
Offensichtlich ging es um einen von der Alterskategorie der πρεσβύτεροι gefaßten Ehrenbeschluß, und der Empfänger dürfte nach den in Z. 2 erkennbaren Resten mit dem durch den oben erwähnten Beschluß (IvIasos 98) bekannten Melanion identisch sein. Dort waren seine Verdienste um die εὐκοσμία der ἔφηβοι und der νέοι hervorgehoben, die er sich als Ephebarch erwarb, wobei das Beschlußgremium in den erhaltenen Partien nicht genannt wird. Es ist gut denkbar, daß wir auf unserer Säule die dürftigen Reste eines parallelen Ehrenbeschlusses für dieselbe Person vor uns haben. Ein Ehrendekret der πρεσβύτεροι ist uns in Iasos in einer anderen Inschrift für eine andere Person, Kritios, den Sohn des Hermophantos, erhalten, das in dem Antiocheion genannten Gymnasion Aufstellung gefunden hatte (IvIasos 93). Man sieht also, wie sich der Neufund auch unter diesem Aspekt der mehrfachen Beschriftung gut in das schon bekannte Material aus Iasos einfügt. Die Möglichkeit ist durchaus gegeben, daß früher oder später diese spezifische Inschriftengruppe noch weiteren Zuwachs erhält.
Abb. 1: Vorderseite
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
Abb. 2: Vorderseite, Detail
49 Epigraphische Notizen 1–3 1 Die von Hasan Malay, EpigrAnat 11, 1988, 53–56 veröffentlichte Inschrift der Πυλεῖται aus dem Territorium von Tralleis oder Magnesia a. M., die vor allem durch die in ihr enthaltenen Akklamationen Interesse gefunden hat, enthält in dem am Anfang wiedergegebenen Schreiben des Prokonsuls Taurus eine schon mehrfach konstatierte Textschwierigkeit. Ich gebe den zuletzt SEG XXXVIII 1172 abgedruckten Text wieder: [Tὸ] εὐχάριστον ὑμῶν καὶ ἀγα ϑὴν γνώμην ἥνπερ οὖν ἐπ̣ὶ̣ το̣ [ῖς] Πυλείταις, ἀμειβόμενοι αὐτῶν 4 τὴν περὶ ὑμᾶς εὐποιίαν τε καὶ σπουδήν, ἔχοντες κεκύρωκά τε καὶ αὐτὸς σύμψηφος ὑμῶν τῇ γνώμῃ γεινόμενος βεβαιῶ· 8 [ἔ]ρρωσϑε. Schon der Erstherausgeber hat auf die Schwierigkeit der beiden parallel gestellten Partizipien ἀμειβόμενοι und ἔχοντες hingewiesen. Einen Heilungsversuch hat dann J. Nollé, EpigrAnat 15, 1990, 122 im Rahmen seiner Neubehandlung des Textes vorgenommen, indem er Z. 5 ἔχε͙ τ͙ ε͙ schrieb (besser wäre sicher ἔχ‹ετε› gewesen, so im SEG) und erklärte „ἔχοντες, das im Text steht, ist ganz offensichtlich eine Verschreibung für ἔχετε“ (vgl. auch Pleket im SEG). Ähnlich haben C. Brixhe und A. Panayotou im Bull. épigr. 1990 n. 704 ein „verbe oublié“ vermutet, zu dem die beiden Partizipien gehörten, und dabei zu Z. 2 nach οὖν hinzugesetzt: „(entendre quelque chose comme ἔχετε)“. Das vermißte verbum finitum steht aber nach meinem Verständnis da: Z. 5 f. κεκυρώκατε. Schon die (ungenannten) Adressaten des Schreibens, vermutlich die zuständigen Organe der Stadt, zu der die Pyleitai gehörten, haben ihre Dankbarkeit und ihre wohlwollende Meinung gegenüber den Pyleitai in einem Beschluß „rechtskräftig gemacht“ (Nollé 122 Anm. 7), und der Statthalter bestätigt (Nollé 122 Anm. 8: confirmare) seinerseits (καὶ αὐτός: „auch ich selbst“) die Entschließung (Z. 7 γνώμῃ, vgl. σύμψηφος) der Stadtgemeinde. Der so verstandene griechische Text enthält lediglich die Ungeschicklichkeit, daß sowohl ἔχοντες wie κεκυρώκατε als gemeinsames Objekt das εὐχάριστον und ἀγαϑὴν γνώμην von Z. 1–2 haben. Man könnte übersetzen: „Die … Gesinnung, die ihr hegt und die ihr (durch Beschluß) bekräftigt habt“. Das Glied von ἀμειβόμενοι bis σπουδήν sehe ich dabei, so wie auch Nollé es andeutet, als eine Art | Parenthese an. Die hier vorgeschlagene Interpretation käme ohne einen
EpigrAnat 19, 1992, 115–117.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
Eingriff in den Text aus und hätte auch den Vorteil, daß das Nebeneinander zweier sonst nahezu als synonym zu verstehender Begriffe, κεκύρωκα und βεβαιῶ (mit unterschiedlichen Tempusformen!), in der Selbstaussage des Statthalters entfiele.1
2 EpigrAnat 12, 1988, 108 f. n. 42 hat Ender Varinlioğlu den Text einer auf einem Grabaltar aus Stratonikeia in Karien erhaltenen Inschrift mitgeteilt in der Form Γαΐως Ἐλίῳ / ’Ονησίμῳ / μνίας χάριν (= IvStratonikeia II 2 n. 1342; SEG XXXVIII 1117). Dabei ist angemerkt „Z. 1 Γαΐως statt Γάϊος“. Ἐλίῳ wurde dann als Schreibung für Αἰλίῳ verstanden. Beide Annahmen sind unnötig, der Text ist ohne jede Änderung verständlich: Γαΐῳ Σελίῳ ’Ονησίμῳ. Der Verstorbene trägt das nomen gentile Sel(l)ius, bei dem beide Formen, mit doppelter oder einfacher Schreibung des l, möglich sind: vgl. W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer Eigennamen (1904) 227 und 424. L. Robert hat 1960 auf den Namen hingewiesen, indem er eine IvDidyma 332, 4 hergestellte monströse Namensform Σελάνδ[ρου zu Σελ(λίου) Ἀνδ[ρέου korrigierte (REA 62, 1960, 350 = OMS II 866). Ebendort Anm. 9 werden Belege des Namens in griechischen Inschriften aufgeführt; vgl. dazu auch TAM V 2 n. 1126. E. Gibson, ZPE 28, 1978, 13 hat auch bei einer Namensform Σάλιος vermutet, daß Sellius gemeint sei, wozu dann J. und L. Robert, Bull. épigr. 1978 n. 472 auf das gleicherweise bezeugte Nebeneinander der Formen Salius und Sallius verwiesen haben.
3 EpigrAnat 17, 1991, 69–71 hat Juan Rodríguez Somolinos „le plus ancien oracle d’Apollon Didyméen“ besprochen und dazu einen neuen Interpretationsvorschlag vorgetragen. Es handelt sich um eine fragmentarisch erhaltene archaische Inschrift, die sich beim Delphinion von Milet auf einem in den Fundamenten der südlichen Quermauer des Heiligtums verbauten Block gefunden hat: A. Rehm, Milet I 3 n. 178 {Milet VI 1 S. 195}. Somolinos möchte hier in den verstümmelten Zeilen 1–3 die durch das Orakel gegebene Vorschrift zur Durchführung eines Opfers für Artemis (Pythie?) erkennen: τ]ῆ̣[ι] Ἀ̣ρ̣ [τέμιδι - 6–7 - / - 8–9 - ῥέζε?]τε ὡς τῆι προτέρηι / νυκτὶ εἶπον. Ebenso wie schon D. McCabe – M. A. Plunkett (Miletos, Inscriptions. Texts and List, Princeton 1984, n. 541) und J. Fontenrose (Didyma. Apollo’s Oracle, Cult, and Companions, Berkeley 1988, 179 n. 1) ist Somolinos aber eine in den „Nachträgen und Berichtigungen“ des Delphinion-Bandes S. 442 = 318 versteckte Notiz Rehms entgan-
1 Zur Bedeutung von κυρόω im Sinne von „bestätigen“ oder „beschließen“ vgl. Ch. Habicht, AM 87, 1972, 217 Anm. 88 mit dem Hinweis auf H. Swoboda, Die griechischen Volksbeschlüsse (1890) 17–22.
49 Epigraphische Notizen 1–3
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gen, die eine verbesserte Textlesung enthält. Sie war möglich geworden, als im Jahre 1913 der Stein kurzzeitig aus der Verbauung herausgenommen worden war. Bei einer erneuten Freilegung des Blockes im Jahre 1973 hatte ich Gelegenheit, den Text nochmals zu kontrollieren. Danach ist für die Zeile 1 die Lesung -]ομυϑέομαι μὴ AP[ gesichert, wobei der Anfang von Rehm (wie schon in der | Erstpublikation) plausibel zu ἀπ]ομυϑέομαι ergänzt wurde. Es fügt sich gut, daß sich daran eine mit μή beginnende Aussage anschließt. Die Buchstaben AP[ könnten der Beginn eines darauf folgenden Verbums sein. Mithin ist die Annahme, daß uns dieses „älteste Orakel“ einen Beleg für den Artemis-Kult liefere, nicht aufrechtzuerhalten.
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50 Epigraphische Notizen 4–9 4 Kein ἄρχων χρημάτων in Apollonia am Rhyndakos Aus der Betrachtung der Inschrift IGR IV 120, einer Ehrung für den Caesar Domitian, leitet A. Abmeier, Asia Minor Studien 1, 1990, 14 die Erkenntnis ab, daß es in Apollonia innerhalb der Körperschaft der Archonten einen ἄρχων χρημάτων gab: „Sein Aufgabenbereich dürfte die städtische Finanzverwaltung gewesen sein, zu der auch die Bereitstellung von Geldern für offizielle Bauten und Denkmäler der Stadt gehörte.“ Der entsprechende Inschrifttext lautet: … ἐκ τῶν [ε]ἰσενεχϑέντων πε[ρ]ισσῶν ὑπὸ Δαμοστράτου Ὀλυνπᾶ ἄρχοντος χρημάτων. Es ist aber klar, daß χρημάτων zu περισ σῶν gehört, was in vielen ähnlichen Texten wiederkehrt. Dabei ist es nicht selten, daß zwischen περισσῶν und χρημάτων ein erklärender Zusatz eingeschoben ist, durch den verdeutlicht wird, aus welchem Titel bzw. von woher die hier verwendeten „Überschüsse“ oder „übrig gebliebenen“ Gelder stammten. Beispiele findet man bei Keil – v. Premerstein, Zweite Reise p. 21 (zu TAM V 2 n. 861), L. Robert, BCH 57, 1933, 533 Anm. 1 (OMS I 501), Études anatoliennes 319 Anm. 6 (wo unsere Inschrift zitiert wird), Hellenica VI 70 Anm. 2, zuletzt Bull. épigr. 1982 n. 293. Die Fortsetzung der oben zitierten Inschrift: ἐπιμεληϑέντων τῶν περὶ Δαμόστρατον Ὀλυνπᾶ ἀρχόντ[ων] zeigt, daß Demostratos Vorsitzender des Archontenkollegiums war. Es ist danach auch ohne weiteres verständlich, daß eben er die erwähnten überzähligen Gelder eingebracht hat.
5 Epigramm am ‚Hadrianstempel‘ in Kyzikos E. Winter bespricht Asia Minor Studien 1, 1990, 37 f. im Rahmen seiner ausgreifenden Überlegungen zum Hadrianstempel von Kyzikos ein nur durch Cyriacus von Ancona überliefertes Epigramm, in dem nach allgemeiner Annahme der Architekt Aristainetos als Erbauer genannt wird {Merkelbach – Stauber, SGO II 08/01/30}. Er zitiert den Text mit einer von Th. Reinach (BCH 14, 1890, 532) in den auf Cyriacus zurückgehenden Text eingefügten Ergänzung:
Ἐκ δαπέδου μ’ ὤρϑωσεν ὅλης Ἀσίας [δαπάνῃσιν] ἀφϑονίῃ χειρῶν δῖος Ἀριστένετος.
Reinach führte die Ergänzung „avec une entière sûreté“ ein, und noch der von Winter zitierte B. Ashmole (JWCI 19, 1956, 187) hatte sie gegenüber anderen Vorschlägen als „tolerably certain“ angesehen. Dabei ist freilich außer Acht geblieben, daß schon
EpigrAnat 20, 1992, 69–73.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
B. Keil, Hermes 32, 1897, 505 Anm. 1 Einwände erhoben hatte, indem er das unbefriedigende Nebeneinander zweier Dative als „für eine Ergänzung zu hart“ empfand. Er vermutete, daß in der Lücke „ein Particip im Sinne von ‚unterstützt‘ oder, rhetorischer, ‚wetteifernd‘ (mit der Freigebigkeit)“ gestanden hat. Das hat A. Wilhelm, WSt 56, 1938, 56 in einer beiläufigen Bemerkung aufgenommen: „Entspricht [παρεχούσης], von der Bereitstellung der Arbeitskräfte?“ Der Vorschlag hat einiges für sich, vor allem, wenn man die Vermutung einbezieht, daß es sich bei dem Tempelbau um den provinzialen Kaisertempel handelte, dem Kyzikos auch seine erste Neokorie verdankte (Winter 40–51). Die Aussage des Epigramms hat Winter (40) nach | anderen so gedeutet, daß „auch die gesamte Provinz Asia ihren Beitrag zur Errichtung des Tempels geleistet“ habe, wobei natürlich an das „kleinasiatische Koinon“, d. h. den Provinziallandtag, gedacht wird. Bei der von Wilhelm erwogenen Ergänzung würde nun der Akzent aber nicht auf dem finanziellen Beitrag liegen, sondern auf der Beteiligung von Arbeitskräften aus der ganzen Provinz. Das erinnert mich an die Nennung der ἀπὸ τῆς Ἀσίας τεχνεῖται oἱ ἐργαζόμενοι τὸν ἐν Διδύμοις ναόν (IvDidyma 107, 1–3), die ich kürzlich im Anschluß an B. Haussoullier als „von der Provinz Asia gestellte und bezahlte Werkleute“ an dem vom Provinziallandtag betriebenen Ausbau des didymäischen Tempels zu einem Provinzialtempel für Caligula zu erklären versucht habe (IstMitt 39, 1989, 191–6 {hier S. 403–410}). Daß im übrigen eine wesentliche finanzielle Leistung durch den Kaiser selbst übernommen wurde, wird für Kyzikos (Winter 36 Anm. 30: schol. Lucian. Icarom. 24) ebenso wie für Didyma (vgl. Suet. Cal. 21) angenommen. Schließlich würde das Epigramm mit der von Wilhelm vorgeschlagenen Ergänzung auf seine Weise auch den von Winter (52–4) erörterten „Zusammenhang von Baumaßnahmen und der Beschäftigung von Arbeitskräften“ illustrieren. Ob die Parallelen zwischen beiden Fällen auch so weit gingen, daß der Kaiser jeweils durch die „Übernahme“ eines schon lange im Bau befindlichen Riesentempels zugleich Kultgenosse eines dort schon etablierten Gottes wurde, Caligula der des Apollon von Didyma, Hadrian der des Zeus in Kyzikos, soll dabei dahingestellt bleiben (Winter 43 f.)1.
6 ΦΙΛΟΜΑΘΗΣ. Der ἀΐδιος στέφανος Auf der von E. Schwertheim, Asia Minor Studien 1, 1990, 83 ff. n. 1 {SEG XL 1124} veröffentlichten Stele mit dem Verzeichnis von Ehrungen verschiedener Personen durch die Bewohner eines Dorfes (κωμῆται) auf dem Territorium von Kyzikos erscheint gegen Ende (Z. 21 ff.) die Eintragung στεφανοῦ/[σιν --- ca. 7 Bst. --- Φ]ιλομαϑῆ φιλαγαϑοῦντα
1 Eine Stützung dieser Annahme durch eine Interpretation des Epigramms, bei der statt δῖος in Z. 2 Διός gelesen würde (Winter 37 Anm. 46), ist nach meiner Meinung ausgeschlossen. Ich vermag im übrigen die von Winter erwogene Ergänzung sprachlich gar nicht zu verstehen.
50 Epigraphische Notizen 4–9
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/ vacat / [ἀϊδίωι στεφάνωι. Das übersetzt der Herausgeber mit „Sie (die Dorfbewohner) bekränzen den …, den Sohn des Philomathes, wegen seiner Menschenfreundlichkeit mit einem ewigen Kranz.“ Die Form Φιλομαϑῆ kann aber nicht ein Genetiv sein. L. Robert hat Hellenica XIII 47 Anm. 3 Φιλομάϑης unter den Namen registriert, die einen „goût de la ‚paideia‘“ zum Ausdruck bringen, und dabei einige Belege angeführt (ein weiterer bei R. Herzog, Koische Forschungen und Funde n. 48 ist in dem Lexicon of Greek Personal Names I von Fraser und Matthews verzeichnet). Dabei kommt Φιλομαϑῆ als Akkusativform vor bei Diog. Laert. VII 194 und in einer Freilassungsliste aus Thera (IG XII 3, 1302, 40). Den Genetiv Φιλομάϑου bringt eine Inschrift aus Imbros (IG XII 8, 140); zu erwarten wäre als korrekte Form natürlich Φιλομάϑους. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten der Ergänzung und Erklärung der oben angeführten Eintragung: Entweder ist wie auch in den vorhergehenden Fällen στεφανοῦ/[σιν oἱ κωμῆται] zu ergänzen, wobei dann aus irgendeinem Grunde bei Philomathes kein Patronymikon angeführt war, oder der Name des Geehrten – wieder ohne Patronymikon – stand in der Lücke und wurde durch ein Epitheton φιλομαϑῆ herausgehoben. Auf die Bedeutung dieses Begriffes (und des Substantivs φιλομαϑία) hat L. Robert, Hellenica ΧΙ/ΧII 586 Anm. 7 | hingewiesen. Für wahrscheinlicher halte ich die erstgenannte Lösung. Bei der von Schwertheim zusammengestellten Inschriftengruppe wird die für Kyzikos offenbar charakteristische Zuerkennung eines ἀΐδιος στέφανος (wofür auch einfach ἀΐδιος ohne Substantiv gesagt werden kann) 99 f. in der Weise erklärt, „daß mit dem Wort ‚ewig‘ hier eine dauernde, auch nach dem Tode gültige, sich immer wiederholende Ehrung gemeint sein muß“. Kurz danach heißt es: „Die zu Ehrenden bekommen einen Kranz – sicher nicht immer aus Gold – auf ewige Zeiten zugedacht“, wobei der Verfasser dann eine moderne Parallele in den regelmäßigen Kranzniederlegungen vor Ehrendenkmälern erkennen möchte. In bisherigen Interpretationen ist der ἀΐδιος στέφανος aber anders verstanden worden. So hat Wilamowitz zu einer von Hiller von Gaertringen veröffentlichten Inschrift (AM 31, 1906, 430–3), die L. Robert seit 1971 als kyzikenisch erwiesen hat (BCH 102, 1978, 457–60 = Documents d’Asie Mineure 153–6), im Hinblick auf diese Wendung die Erklärung beigesteuert: „Der Kranz ist ewig, da er alljährlich verkündet wird.“ Ebenso hat auch A. Wilhelm, AnzWien 1922, 75 (Kl. Schr. I 2, 127) an eine sich regelmäßig wiederholende „Verkündigung“ der verliehenen Kränze gedacht und unter den beigegebenen Beispielen auch einen Text aus dem taurischen Chersonesos zitiert, wo von einer ἀΐδιος ἀναγόρευσις die Rede ist (CIG 2099, 10). Nach dem OMS V 27 wiederabgedruckten Resümee hat L. Robert in seinem Kurs am Collège de France 1972/3 sich ausführlicher mit dem Gebrauch des Begriffes ἀΐδιος und seiner Chronologie befaßt. Auch dort wird die hier gemeinte Kranzehrung erklärt mit den Worten: „La perpétuité des honneurs par le renouvellement périodique de la proclamation des couronnes“. In der Tat scheint man dabei an eine Wiederholung der Prozedur „auf Lebenszeit und für alle Zukunft“ (Wilhelm) gedacht zu haben. Solches wird jedenfalls in Kallatis mit Wendungen wie στεφανοῦσϑαι αὐτὸν διὰ βίου (bzw. ζῶντα) καὶ κατ’ ἀΐδιον verdeutlicht (A. Wilhelm, Hermes 63, 1928, 229;
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1959 n. 259 p. 213). Im übrigen verdiente der weite Komplex der „Wiederholung“ von Ehrungen gerade im Hinblick auf eine Konkretisierung des Vorgangs einmal eine gründlichere Untersuchung.
7 Zwei Eigennamen aus Prusa
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7.1 Λάδων In seinem 1991 erschienenen Band „Die Inschriften von Prusa ad Olympum I“ (IK 39) bringt Th. Corsten unter n. 125 einen bisher unveröffentlichten, mit einem Totenmahlrelief verzierten Grabstein aus der Umgebung von Bursa, der von einem Λάδων für seine Frau Ἰουλιάς errichtet wurde. Unter Verweis auf Pape – Benseler wird dabei zu dem Namen des Mannes bemerkt: „Λάδων ist der Name mehrerer Flüsse in Arkadien, Boiotien und Elis … Seltener findet er als Personenname Verwendung.“ Das Auftauchen des Namens in Bithynien ruft aber eine andere hier außer Acht gelassene Assoziation hervor: Vor wenigen Jahren hat L. Robert, ausgehend von einer neu bekannt gewordenen Münze aus Tieion (Syll. v. Aulock 945) mit der Darstellung eines Flußgottes und der Beischrift Λάδων den so genannten Fluß mit dem Devrekçay identifiziert, einem linken Nebenfluß des Filyosçay (= Billaios), der in der Gegend von Bolu entspringt (A travers l’Asie Mineure, 1980, 183–190). Die Ähnlichkeit des schluchtartigen Gebirgsdurchbruchs dürfte, wie Robert unter Heranziehung von anschaulichen Reiseberichten zeigt, die Übertragung des | Namens eines berühmten arkadischen Flusses in diesen bithynisch-paphlagonischen Grenzraum veranlaßt haben. Für den Gebrauch des Namens Λάδων als Personennamen in Bithynien konnte Robert (190) schon eine neugefundene Inschrift aus Athen anführen, die einem Λάδων Βιϑυνὸς Χαρείου gilt. Der Grabstein aus Prusa bildet dazu jetzt eine willkommene Parallele.
7.2 Λόγισμος In der „Namenliste eines Kultvereins“ IvPrusa n. 52 begegnet c 2 ein Ἰούλ(ιος) Φλῶρος Λόγισμο[ς]. Dazu bemerkt Th. Corsten im Kommentar: „Λόγισμος als Name scheint neu.“ Dem ist nicht so. 1909 hat A. Wilhelm anläßlich der Veröffentlichung einer athenischen Inschrift (Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde 95 n. 81, jetzt IG II2 3664) auf den Namen aufmerksam gemacht und eine Anzahl von Belegen genannt. Außer einer prominenten athenischen Familie mit mehreren Vertretern des Namens Αἴλιος Λόγισμος (s. zuletzt Sara B. Aleshire, Asklepios at Athens, 1991, 138 f.) ist der Name eines pergamenischen Münzbeamten Ἰούλ(ιος) Λόγισμος aus der Zeit Gordians III. von Interesse, der auf Homonoia-Münzen von Pergamon und Nikomedeia erscheint (BMC Mysia 163 n. 350–2; Sylloge v. Aulock 1427; vgl. H. v. Fritze, Die Münzen von Pergamon, 1910, 93; R. Münsterberg, Die Beamtennamen auf den griechischen Münzen 71). Ein von Wilhelm erwähnter inschriftlicher Beleg aus Mysien ist jetzt als
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IvKyzikos I n. 124 (Alacaoluk) wiedergegeben. Der Name war gewiß überregional im griechischen Osten verbreitet. Charakteristischerweise kann auch H. Solin, Die griechischen Personennamen in Rom (1982) ΙII 1243 mit 7 Belegen für Logismus in Rom aufwarten.
8 ἐκεχειρία In der Weihinschrift einer Apollon-Statue aus Gülbahçe bei Inegöl im Museum von Bursa (IvPrusa n. 42) findet sich die ungewöhnliche Formulierung ἐκ τῆς ἰδίας ἐκεχειρίας. Th. Corsten bemerkt dazu: „Vielleicht ist der Ausdruck … hier gleichbedeutend mit ἐκ τῶν ἰδίων, ‚aus eigenen Mitteln (was man in den Händen hat)‘.“ Ich vermute, daß die Bedeutungsentwicklung hier über einen spezifischen Gebrauch des Wortes ἐκέχειρον gelaufen ist, das L. Robert, Ét. épigr. et phil. 73 f. erklärt hat als „cadeau fait aux théores annonçant l’ἐκεχειρία“. Die Belege für den Wortgebrauch, der durch die Inschriften von Magnesia am Mäander bekannt geworden war, hatte vorher schon P. Boesch, Θεωρός. Untersuchung zur Epangelie griechischer Feste (1908) 74 f. gegeben, worauf Robert hinwies (s. jetzt auch, ohne Kenntnis von Boesch und Robert, F. Piejko, RivStorAnt 17/8, 1987/8, 183). Dabei haben Boesch und Robert auf eine Hesychglosse (E 1376) hingewiesen: ἐκέχειρον· τὸ ἀργύριον. Man wird vermuten können, daß hier – auf welchem Weg auch immer – die konkrete Bedeutung des Begriffs so weit verblaßt ist, daß das Wort tatsächlich nur noch „Geld“ meinen konnte. In diesem Sinne wird es dann doch wohl auch in der neuen Inschrift eingesetzt sein, so daß es inhaltlich in der Tat, wie Corsten meint, auf das gängige ἐκ τῶν ἰδίων hinauslief.
9 ὡς Θεός In seinem 1987 erschienenen Band „Die Inschriften von Hadrianoi und Hadrianeia“ (IK 33) macht E. Schwertheim unter der Nr. 179 eine im oberen Teil abgebrochene fragmentarische Grabinschrift aus dem Dorf Demirciler bekannt, deren Text er in folgender | Form abdruckt: --------- ⌣̣ κ̣ ορ̣ έσαντ̣ ες Σέμνη σὺ ν Αιμ⋂⋂σϑεω μνή μης χάριν Dazu wird bemerkt: „Die beiden Zeichen in der zweiten Zeile vermag ich nicht zu klären.“ Ein Blick auf die beigegebene Abbildung (Taf. 28) macht indes deutlich, daß
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es sich um eine nicht ungewöhnliche Form des Omega handelt. Ich lese die Inschrift mithin so: --------- ⌣̣ κ̣ορ̣ έσαντ̣ ες (?) Σέμνῃ συ ναίμῳ ὡς ϑεῷ μνή μης χάριν Der hier verwendete Begriff σύναιμος gehört mit einer ganzen Reihe von Variationsmöglichkeiten (συναίμων, ὅμαιμος, ὁμαίμων, συνόμαιμος und συνομαίμων) zu dem poetischen Repertoire für die Nennung von Geschwistern, und zwar so gut wie ausschließlich in Grabepigrammen (aus der Fülle von Beispielen vgl. z. B. nur Peek, GV 626, 1; 701, 1; 1120, 6; 1214, 5; 1252, 3; IGUR III 1366, 4 und 6; 1367, 6; s. auch H. Grégoire, Byzantion 8, 1933, 90). In der Tat zeigt sich, daß auch in der Inschrift aus Hadrianeia unschwer ab Σέμνῃ ein iambischer Trimeter erkannt werden kann. Nur das vorhergehende Wort, dem ich keinen überzeugenden Sinn abgewinnen kann2, würde eher auf einen Hexameter-Schluß führen3. Bei der Deutung als Grabgedicht wird man sich auch fragen, ob Σέμνη wirklich der Name der Toten ist oder nicht vielleicht eher ein dieser zugeordnetes Epitheton darstellt: σεμνή oder σεμνοτάτη wird nicht selten auf Frauen angewandt4. Es bleibt die Frage der Bedeutung von ὡς ϑεῷ in Z. 2. Hier helfen uns Bemerkungen weiter, die J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1964 n. 596 an die Erwähnung einer griechischen Grabinschrift aus Aleria auf Korsika angeschlossen haben: „Ce n’est pas la première fois qu’un défunt est appelé ‚dieu‘, et même un enfant.“ Es folgen einige ausgewählte Beispiele (darunter auch zweimal mit vorhergehendem ὡς) mit der Schlußbemerkung: „Tous parallèles rigoureux à l’épitaphe d’Aleria et qu’on pourrait augmenter“. Ich glaube, daß wir mit unserer Inschrift aus Hadrianeia ein weiteres Beispiel vor uns haben.
2 Die von Schwertheim gegebene Lesung würde auf eine Form von κορέννυμι führen, was aber vom Sinn her kaum passen kann. Ein von mir erwogenes στορέσαντες (man vgl. etwa AP VII 604 λέκτρα σοι ἀντὶ γάμων ἐπιτύμβια … ἐστόρεσαν … γενέται) scheint mit den Buchstabenresten nicht vereinbar zu sein. 3 Für die Kombination Hexameter + iamb. Trimeter vgl. z. B. die Epigramme Peek, GV 553; 1502. 4 Vgl. L. Robert, Hellenica XIII 34–36; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1973 n. 380 p. 148; Th. Drew-Bear, Nouvelles inscriptions de Phrygie (1978) 75 n. 8, 2 (SEG XXVIII 1126); G.-J.-M.-J. Te Riele, Chiron 14, 1984, 236–8.
51 Epigraphische Notizen 10–12 10 πολιτεία – πολιτεύεσϑαι Durch den von W. Blümel bearbeiteten Band der „Inschriften von Knidos“ Teil I (IK 41, 1992) sind jetzt erfreulicherweise auch zahlreiche Inschriften dieser Stadt zur Veröffentlichung gelangt, die während der durch Iris C. Love vorgenommenen Grabungen (1967–1977) freigelegt, aber bisher noch nicht publiziert waren. Ein interessantes Ensemble stellen in diesem Zusammenhang die unter den Nummern 51 bis 55 bekannt gemachten „Ehreninschriften aus einem Rundbau“ dar, geht es in ihnen doch um eine Art Familienmonument für den prominenten Knidier der Zeit Caesars, C. Iulius Theopompos, und dessen Angehörige. Die Nummern 54 und 55 gelten hierbei den beiden Söhnen des Theopompos, C. Iulius Hippokritos und C. Iulius Artemidoros. Die offenbar in der Formulierung völlig gleichlautenden Inschriften (von n. 54 sind nur die Zeilenenden erhalten) ehren die beiden Söhne jeweils mit der Formel εὐσεβείας χάριν τᾶς ποτὶ τὸ ϑεῖον (womit Artemis Hiakynthotrophos gemeint sein dürfte), ἀρετᾶς δὲ ἕνεκα καὶ εὐνοίας τᾶς εἰς τὸ πλῆϑος τὸ Κνιδίων. Daran schließt sich, wieder übereinstimmend, als Fortsetzung an: καὶ ὅτι κατά τε τὰν ἄλλαν πολιτείαν ἀνὴρ ἀγαϑός ἐστι καὶ πάντα καὶ λέγων καὶ πράσσων μετὰ τοῦ πατρὸς καὶ τοῦ ἀδελφοῦ διατελεῖ ἐξ ὧν ὁ δᾶμος ἀνακτησάμενος τὰν πάτριον ἐλευϑερίαν αὐτόνομος ὢν ἐν δαμοκρατίαι πολιτεύεται. Zu der Wendung τὰν ἄλλαν πολιτείαν bemerkt der Herausgeber: „wohl Laodikeia in Syrien“, wobei er auf Verdienste des Vaters Theopompos um diese Stadt hinweist, die durch eine schon von C. T. Newton in Knidos gefundene Ehreninschrift des [Demos] der Ἰουλιέων τῶν καὶ Λαοδικέων τῶν πρὸς ϑαλάσσηι (GIBM 801, jetzt IvKnidos 58) dokumentiert sind. Es wäre indes doch eigenartig, wenn hier die syrische Stadt nicht namentlich angeführt würde, so daß der Leser sie allenfalls nur aus dem (uns nicht mehr bekannten) Gesamtkomplex dort errichteter Inschriften erraten konnte. Es kommt hinzu, daß im zweiten Teil der Inschriften durch die Verwendung von τε ... καὶ eine enge Verbindung der Satzglieder hergestellt wird, von denen das zweite ja sicher auf die Wirksamkeit von Vater und Söhnen in Knidos zu beziehen ist. Bei seiner Erklärung scheint Blümel πολιτεία im Sinne von πόλις zu verstehen. Zwar kann, wie F. Papazoglu einmal gezeigt hat (REG 72, 1959, 100–105 „Une signification tardive du mot πολιτεία“), πολιτεία dieser Bedeutung nahekommen, aber doch nur in dem Sinne, daß damit „le territoire municipal“ bzw. „le territoire rural de la cité“ (J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1960 n. 202; vgl. 1966 n. 238) gemeint ist, was in unserem Fall kaum passen würde. Hingegen ist zum Verständnis unseres Textes auf einen recht gängigen Wortgebrauch von πολιτεία hinzuweisen, den Adolf Wilhelm seinerzeit im Rahmen eines Beitrages „Zum griechischen Wortschatz“ in das Bewußt-
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sein gerückt und mit vielen Beispielen illustriert hatte (Glotta 14, 1925, 78–82). Dabei hatte er ausgeführt: „Wie πολιτεύεσϑαι ‚Politik treiben‘ … wird πολιτεία von jeder öffentlichen Betätigung zum Besten des Gemeinwesens gesagt, insbesondere von der Übernahme von Ämtern, die zwar eine Ehre, zugleich aber auch eine Last bedeutet; daher wird es vermögenden Bürgern hoch angerechnet, wenn sie sich zu jedem | Dienste im Gemeinwesen bereit finden lassen, besonders wenn Not am Mann ist.“ Als Belege konnte Wilhelm Formeln wie πᾶσαν πολιτείαν πολιτευσάμενον und entsprechende Varianten anführen. Daneben gibt es aber auch gleichsam summarisch abschließende Wendungen wie καὶ τὰς λοιπὰς πολιτείας ἁπάσας ἐκτελέσαντα oder πληρώσαντα u. ä., wobei dann statt von den λοιπαί auch von den ἄλλαι πολιτεῖαι gesprochen werden kann (z. B. IG V 2, 152, 3). Die Bedeutung von πολιτεία im Sinne einer „activité civique, charge civique“ ist von J. und L. Robert in Erinnerung gerufen worden (Bull. épigr. 1962 n. 290; vgl. 1963 n. 242), als ein Neufund aus Sardeis (jetzt SEG XXXVI 1093, 6) die Verdienste des Geehrten mit der Wendung charakterisierte ὁ τῆς περὶ τὸ γυμνάσιον πολιτείας ἐξ ἀρχῆς προνοησάμενος. Es ist wichtig zu sehen, daß die Verwendung des Begriffs πολιτεία also nicht auf die Ausübung eines Amtes beschränkt ist (so W. Ameling, EpigrAnat 1, 1983, 64), sondern sehr viel allgemeiner gemeint sein kann, wie es auch bei dem Verbum πολιτεύεσϑαι geschieht, das C. P. Jones, Phoenix 43, 1989, 323 dementsprechend mit „to conduct politics“, „to engage in public life“ wiedergibt. In eben einem solchen ganz allgemeinen Sinne muß der Begriff πολιτεία in den beiden oben zitierten knidischen Inschriften gebraucht sein, wenn an die an sich schon ganz vage Formel von der ἀρετή und εὔνοια εἰς τὸ πλῆϑος τὸ Κνιδίων bei jedem der Brüder der Hinweis angeschlossen wird, daß er κατὰ τὰν ἄλλαν πολιτείαν, in seinem sonstigen politischen Engagement, sich als tüchtiger Mann bewähre und gemeinsam mit dem Vater und dem (anderen) Bruder in Wort und Tat wirksam sei. Schon vor langem haben J. und L. Robert darauf hingewiesen, daß der Wortgebrauch von πολιτεύειν und πολιτεύεσϑαι eine eingehende Untersuchung verdiente (Bull. épigr. 1958 n. 79): „Tout cela devrait être tiré de l’isolement et encadré dans une étude générale de vocabulaire, à la fois linguistique et historique …“ Und mit Hinweis auf eine besondere Bedeutungsvariante des Verbums hat kürzlich J. Stern (BCH 111, 1987, 505) diesen Wunsch wieder aufgenommen: „… une étude exhaustive de l’emploi, surtout en épigraphie, de πολιτεύεσϑαι dans le sens de auto-gouvernement, reste toujours à faire“. Dazu hat Ph. Gauthier (Bull. épigr. 1988 n. 436) freilich zu Recht darauf hingewiesen, daß der Aspekt des „autogouvernement“ nicht durch bloßes πολιτεύεσϑαι zum Ausdruck gebracht werde, sondern durch entsprechend verdeutlichende Zusätze. Gerade die uns hier beschäftigende Inschriftengruppe aus Knidos vermag das gut zu illustrieren. Denn hier wird der Tatbestand, der in der literarischen Notiz bei Plutarch (Caesar 48, 1) in der ganz komprimierten Wendung Καῖσαρ … Κνιδίους … Θεοπόμπῳ … χαριζόμενος ἠλευϑέρωσε erfaßt ist, interessanterweise in verschiedenen Varianten ausgedrückt und dabei immer als spezifisches Verdienst des Theopompos und seiner Angehörigen hingestellt. Bei ihm selbst (n. 51)
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heißt es, daß die Κνίδιοι σωϑέντες ἐν ἐλευϑέραι καὶ αὐτονόμωι καὶ δαμοκρατουμέναι πατρίδι πολιτεύονται, was bei (der Ehefrau?) Telesteira (n. 52) abgewandelt wird zu der Aussage ὁ δᾶμος σωϑεὶς ἐν ὁμονοίαι καὶ δαμοκρατίαι πολιτεύεται. Für die beiden Söhne (n. 54–55) ist dann die schon oben wiedergegebene Formulierung gewählt ὁ δᾶμος ἀνακτησάμενος τὰν πάτριον ἐλευϑερίαν αὐτόνομος ὢν ἐν δαμοκρατίαι πολιτεύεται. Die schon häufiger festgestellte Affinität, ja geradezu Austauschbarkeit der Begriffe ἐλευϑερία, αὐτονομία, δημοκρατία in solchem Zusammenhang1 tritt in den Variationen der knidischen Ehreninschriften sehr schön hervor. Man könnte dann πολιτεύεσϑαι fast mit „leben“ | wiedergeben, natürlich im Sinne einer ‚politisch‘ verstandenen staatlichen Existenz.
11 Ein scriniarius In dem 1991 erschienenen 1. Teil der „Epigraphischen Forschungen in Termessos und seinem Territorium“ (SBWien Bd. 575), die Bülent İplikçioğlu in Zusammenarbeit mit Güler Çelgin und A. Vedat Çelgin veröffentlicht hat, wird S. 30 ff. unter der Nr. 16 {SEG XLI 1277} eine Sarkophaginschrift vorgelegt unter der Überschrift „Kyriakos übernimmt einen älteren Sarkophag“. Diese Aussage wird vom Herausgeber aus der ungewöhnlichen Formel Κυριακὸς … μετέστησεν τὴν σωματοϑήκ(ην) ταύτην ἑαυτῷ καὶ τῇ γυνεκὶ καὶ τοῖς τέκνοις abgeleitet, wozu der Befund kommt, daß die in einer tabula ansata untergebrachte Inschrift „auf eradiertem Grund“ steht. Die Inschrift ist durch Kreuze am Anfang und am Ende als christlich gekennzeichnet. Der (neue) Grabherr bezeichnet sich nach der Lesung İplikçioğlus folgendermaßen: Κυριακός, οἰκέτης Πρ/ομώτου, λαμπρὸς κρη/νιάρ(χης). Im Kommentar bezeichnet der Herausgeber ihn als „Beauftragte(n) für die Brunnen seines Herren“, worauf einige Bemerkungen über die Schwierigkeit der Wasserversorgung in der dortigen Gegend folgen. Immerhin heißt es in der Anmerkung 64: „Der Begriff ‚Kreniarch‘ scheint bisher nicht belegt zu sein.“ Der hier erwogene und auch (mit Fragezeichen) in den Wortindex aufgenommene Beleg sollte in der Tat schleunigst in der Versenkung verschwinden, er beruht auf einer mißverstandenen Lesung. Die Faksimile-Wiedergabe und die Photographie des Abklatsches (Tafel 12 Abb. 38) zeigen, daß in den Zeilen 2 und 3 jeweils ΛΑΜΠΡ und CKPHNIAP mit Abkürzungszeichen am Ende geschrieben sind. Danach ist zu lesen: λαμπρ(οτάτου) σκρηνιαρ(ίου), nämlich auf das vorhergehende Προμώτου bezogen. Kyriakos war der ‚Diener‘2 eines scriniarius. Das spätlateinische Wort erscheint in der griechischen Wiedergabe als σκρινιάριος (oder σκρινάριος: Bull. épigr. 1962 n. 214) 1 Vgl. J.-L. Ferrary, CRAI 1991, 564 mit den Literaturhinweisen Anm. 26; für den hellenistischen Wortgebrauch gibt F. Piejko, Belleten 55, 1991, 61 f. eine Belegsammlung. 2 D. Feissel, Recueil des inscriptions chrétiennes de Macédoine du IIIe au VIe siècle (BCH Suppl. VIII, 1983) übersetzt οἰκέτης in seinen Inschriften n. 159 und 160 jeweils mit „serviteur“.
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häufiger in Inschriften (z. B. MAMA IV 34 nach Liddell – Scott – Jones), vor allem aber auch in Papyri, mit dem Schwerpunkt auf dem 6. Jhdt. (s. F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden III, 1931, 157). Unter den Papyrusbelegen ist das Wort übrigens mehrmals wie hier mit dem Titel λαμπρότατος verbunden, der in dieser Spätzeit eine starke Verbreitung gefunden hat.3 Was die Stellung dieses ‚Sekretärs‘ betrifft, so kann hier ein Zitat von C. Mango zu einem der neuesten Belege, einer Inschrift aus Germia in Galatien (JÖByz 36, 1986, 129 n. 7 = SEG XXXVI 1185), aufgegriffen werden: „A scriniarius could have belonged to any administrative office, even ecclesiastical.“ Unsere Inschrift macht allerdings, wie es häufiger geschieht, keine Angabe über die Zugehörigkeit des Promotus, des Herrn des Kyriakos. Zu der von İplikçioğlu vorgeschlagenen Datierung in das 5. Jhdt. paßt übrigens auch die angegebene Strafsumme von 4 Unzen (Gold).4
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12 ἴδρις: zu Grabepigrammen aus Selge und Hadrianoi In dem gemeinsam mit F. Schindler herausgegebenen Band der „Inschriften von Selge“ (IK 37, 1991) hat J. Nollé unter der Nr. 66 ein seinerzeit schon von G. Hirschfeld aufgenommenes Grabepigramm vermutlich des 3. Jhdt.s n. Chr. wiederveröffentlicht, übersetzt und kommentiert {Merkelbach – Stauber, SGO IV 18/10/01}. Es gilt dem Ehepaar Aurelius Basilianus Nestor und Aurelia Messalina. Dabei rühmen zwei (metrisch unvollkommene) Verse ihr gemeinsames Leben (7 ff.):
κοινὸν γὰρ βίον λαχόντες ὁμοφροσύνην τ’ ἐρατεινὴν χρυσείης τέχνης ἴδριες κοινὸν βίον ἐκτελειοῦντες (ἡρῷον τόδ’ . . . . ἔτευξαν).
Nollés Übersetzung lautet: „Ihnen wurde ein Leben zu zweit zuteil und die ersehnte Eintracht; kundig dieser goldenen Kunst verbrachten sie das Leben gemeinsam …“ Er bezieht also χρυσείης τέχνης ἴδριες auf die Bewahrung der ehelichen Eintracht. Ich glaube nicht, daß man das Wort τέχνη in einem so abstrakten Sinne verstehen kann. Sein gängiger Anwendungsbereich kann gut mit einer Formulierung L. Roberts verdeutlicht werden (CRAI 1974, 519 = OMS V 686): „Celui qui a une technè, c’est l’homme qui a un métier, depuis ceux que nous appelons artistes, sculpteurs ou peintres, jusqu’à ceux que nous appelons artisans ou ouvriers.“ Auf eine spezifische „Fertigkeit“ führt aber auch das hier gebrauchte Wort ἴδρις, das in den Wortschatz der Epigrammdichtung gehört. Einige Beispiele hat Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon 3 Vgl. J. H. M. Strubbe, Mnemosyne 34, 1981, 110 mit Hinweis auf die Arbeit von O. Hornickel, Ehrenund Rangprädikate in den Papyrusurkunden (Diss. Gießen 1930) 22–27. 4 Für Grabmulten in Edelmetall vgl. A. Wilhelm, NGG 1939, 128 (Kl. Schr. I 3, 60); L. Robert, Hellenica III 106 f. (mit der häufigeren Mengenangabe λίτρα).
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VIII 3 (1969) S. 130 zusammengestellt anläßlich der Wiedergabe eines Epigramms, in dem ein οἰωνοσκόπος poetisch mit οἰωνῶν ἴδ̣[ρις] bezeichnet wurde. So konnte er auf ein Epigramm für einen Athleten aus Philadelphia verweisen (Keil – v. Premerstein, Dritte Reise n. 22 {TAM V 3 n. 1909), der τῶν Ἡ[ρ]ακλέους ἴ[δ]ρις ἔργων genannt wird. In den sportlichen Bereich gehört ein von Ch. Marek unlängst veröffentlichtes Epigramm aus Amastris (EpigrAnat 6, 1985, 137 n. 12, 6 {SGO II 10/03/02}), wo der Verstorbene charakterisiert wird als ἴδρις πάλης, ἄκοντος, πανκρατίου, δίσκου, τρόχου, ἅλματος, ἁπάντων εὐρύϑμων σφαιρισμάτων …5 Weitere Belege erhält man über die Indices der Epigrammsammlungen. So erscheinen in W. Peeks Griechischen Vers-Inschriften I zwei gleichlautende Gedichtanfänge: n. 573 (Patara {SGO IV 17/09/03}): ἴδριν Ἀϑηναίης πάντων Διονύσιον ἔργων κτλ. Dionysios war also „kundig aller Werke der Athena“. Auf die ersten beiden Wörter verkürzt wird die vermutlich häufiger gebrauchte Formel in dem Gedicht n. 272 (Hadrianoi {SGO II 08/08/15}): ἴδ‹ρ›ις Ἀϑηναίης Τρόφιμος τόδε σῆμ’ ἐποίησα (dazu s. unten). In Rom schließlich enthält ein Epigramm (IGUR 1234, 3) die Wendung ἴδρις τραγικῆς μούσης. Ich glaube, es wird klar, worauf diese Demonstration hinausläuft: Die Wendung in dem Epigramm aus Selge muß auf eine gemeinsame handwerkliche Tätigkeit des Ehepaares bezogen werden. Die „goldene Kunst“, die sie beherrschten, war die Goldbearbeitung: sie waren vermutlich χρυσοχόοι, Goldschmiede. Zwar konnte ich im griechischen Bereich (noch) keinen Beleg für eine Goldschmiedin ausfindig machen. Doch sind immerhin unter den von Monika Eichenauer, Untersuchungen zur Arbeitswelt der Frau in der römischen Antike (Europ. Hochschulschriften III 360, 1988) 127 ff. besprochenen Beispielen aus Rom zwei wohl sichere Belege für Goldarbeiterinnen: CIL VI 9206 (locus Masumille aurificis) und 9213 (Viccentia … auri netrix). Und mit den Inschriften CIL VI 6939 und 9211 gewinnen wir auch zwei (Ehe-?)Paare, die gemeinsam als brattiarius/brattiaria („Goldplättchenhandwerker“) arbeiteten. Es leuchtet
5 H. W. Pleket bemerkt SEG XXXV 1327 zu den Versen 6 f.: „Aemilianus was well known in the current gymnasium sports“, und sieht in der Nennung der εὔρυϑμα σφαιρίσματα (und den nachfolgenden Versen) den Hinweis auf einen Pantomimen.
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ein, daß die geschickten Hände einer Frau in diesem Gewerbe durchaus gebraucht werden konnten. Im Lichte der obigen Ausführungen über ἴδρις und in Kenntnis der aufgezeigten Parallele zwischen den Gedichtanfängen Peek, GV 272 und 573 ist man überrascht, in dem zweimaligen neueren Abdruck des Epigramms aus Hadrianoi durch E. Schwertheim, IvKyzikos I n. 532 und IvHadrianoi und Hadrianeia n. 94 die von allen bisherigen Herausgebern vertretene Konjektur ἴδ‹ρ›ις zugunsten des auf dem Stein gelesenen (und durch den Abklatsch bestätigten) IΔIOIC aufgegeben zu sehen, was sich metrisch sperrt und sachlich nur mit unzulänglichen Erklärungsversuchen versehen werden kann: „Für die zu Athena Gehörigen“? (IvKyzikos) bzw. „Für die Seinen, die Kinder der Athenaia“ (IvHadrianoi). Dabei hatten doch schon F. Th. Welcker (RhM 3, 1845, 248 n. 22) und G. Kaibel (Epigrammata Graeca n. 356) auf die entscheidende Parallele in dem Epigramm von Patara hingewiesen. Eine Verlesung von Ρ zu ΙΟ ist bei bestimmten Formen der Majuskelschrift durchaus vorstellbar, und im übrigen könnte dem Steinmetz bei einem flüchtigen Blick auf die Vorlage statt des seltenen poetischen Wortes ἴδρις das ihm von Grabinschriften her geläufige ἰδίοις in den Kopf gekommen sein.
52 Epigraphische Notizen 13 13 ἱερὴ Θυάτειρα – ein Nachtrag Bedauerlicherweise ist mir bei der Zusammenstellung der Testimonia für die Stadt Thyateira im Band TAM V 2 (1989) p. 306 ff. ein wichtiges Zeugnis entgangen, das wegen seines frühen Datums besondere Beachtung verdient hätte. Es ist nicht epigraphischer Art, sondern literarisch, sei aber hier als Ergänzung zu dem Inschriftencorpus der lydischen Stadt nachgetragen. Das Versehen kann mit Hinweis darauf, daß der Beleg weder in der Monographie von Michel Clerc, „De rebus Thyatirenorum commentatio epigraphica“ (1893), noch in dem RE-Artikel „Thyateira“ von Josef Keil (RE VI A 1 [1936] 657–659) Erwähnung findet, erklärt, aber sicher nicht entschuldigt werden. Durch einen Literaturhinweis bei Th. Preger (s. Anm. 6) sah ich, daß in einer alten Monographie, den „Antiquitatum Thyatirenarum libri duo“ von Ferdinand Stosch (Zwolle 1763), das Testimonium sehr wohl berücksichtigt war.1 Und auch die Hinzuziehung des alten, oft gescholtenen Pape – Benseler, Wörterbuch der griechischen Eigennamen (1884) s. v. Θυάτειρα hätte mich ebenfalls auf den Beleg geführt.2 Beides sei mit Respekt gegenüber der Gründlichkeit dieser „Alten“ und im Sinne eines ‚repentir‘ festgestellt. Ich selbst bin auf den Beleg über den Index der Geographischen Namen in Werner Peeks Griechischen Grabgedichten gestoßen. Es handelt sich um ein von dem Philosophen Arkesilaos von Pitane, dem Begründer der „Mittleren Akademie“, verfaßtes Grabepigramm, das uns bei Diogenes Laertios IV 31 als eines von zwei im Wortlaut zitierten Gedichten in der folgenden Form überliefert ist: ἀλλὰ καὶ εἰς Μηνόδωρον τὸν Εὐδάμου ἑνὸς τῶν συσχολαστῶν ἐρώμενον (scil. φέρεται ἐπίγραμμα)·
τηλοῦ μὲν Φρυγίη, τηλοῦ δ’ ἱερὴ Θυάτειρα· ὦ Μηνόδωρε, σὴ πατρίς, Καδαυάδη. ἀλλὰ γὰρ εἰς Ἀχέροντα τὸν οὐ φατὸν ἶσα κέλευϑα, ὡς αἶνος ἀνδρῶν, πάντοϑεν μετρεύμενα. σῆμα δέ τοι τόδ’ ἔρεξεν ἀριφραδὲς Εὔδαμος, ᾧ σὺ πολλῶν πενεστέων ἦσϑα προσφιλέστερος.
EpigrAnat 25, 1995, 103–105. 1 Stosch kommt mehrmals auf das Epigramm zu sprechen (S. 48 f.; 75; 266). Die Kritik bei Clerc, a. a. O. 2: „… opus confecit quod, etsi de omnibus fere quaestionibus agat, et multis quidem verbis, nemini hodie multum profecturum puto“ ist, wie diese Erfahrung lehrt, nur bedingt richtig. 2 I 521. Für die Beurteilung des Werkes vgl. O. Masson, ZPE 42, 1981, 193–204, mit der Feststellung „qu’il … mérite d’ailleurs le respect, comme tout ouvrage devenu ‚classique‘, malgré ses lacunes, ses défauts et son âge“. Masson weist auf die Bedeutung des Lexikons speziell für die Toponymie hin.
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Als Grabepigramm, das vielleicht sogar auf einem Stein gestanden haben könnte,3 hat W. Peek das Gedicht auch in seine Griechischen Vers-Inschriften von 1955 (Nr. 1506) sowie in die Auswahl der Griechischen Grabgedichte von 1960 (Nr. 227) aufgenommen, und aus | der letztgenannten Sammlung sei (mit leichten Veränderungen) die Übersetzung hier wiedergegeben: „Fern ist Phrygien, fern das heilige Thyateira, Menodoros, Sohn des Kadauas. Allein zum Acheron, dessen Namen niemand nennen mag, sind ja, wie der Menschen Rede geht, die Wege gleich lang von überallher, von wo man sie auch messen mag. Dies stattliche Mal hat dir Eudamos gesetzt, dem du unter vielen Dienern der liebste gewesen bist.“ Mit dem ganzen Textzusammenhang hat seinerzeit Wilamowitz auch das Epigramm unter die auf Antigonos von Karystos zurückgehenden Partien aufgenommen.4 Dem hat allerdings P. Von der Mühll widersprochen, der darin (besonders auf die Einführung durch φέρεται gestützt) eine Zutat sah, die von einem späteren Biographen stamme. Er äußerte diese Auffassung in einem Beitrag von 1956, der überhaupt eine eingehende Interpretation der beiden bei Diogenes überlieferten Gedichte des Arkesilaos enthält.5 Dabei hob Von der Mühll gerade das uns betreffende Grabgedicht heraus durch das Urteil, es gehöre „zum Schönsten, das wir von der hellenistischen Epigrammatik überhaupt haben“. Zuletzt hat D. L. Page das Epigramm kurz kommentiert, aber anscheinend ohne Kenntnis des Beitrags Von der Mühlls.6 Die Erklärungen des Basler Philologen bleiben indes für die Fragen der Textgestaltung wie auch der Interpretation grundlegend.7 Danach ist in dem Gedicht, das in der Kombination von Hexametern mit iambischen Trimetern eine für das 3. Jhdt. v. Chr. charakteristische metrische Form aufnimmt,8 in V. 2 an der durch Parallelen gestützten Überlieferung des Patronymikons Καδαυάδη festzuhalten,9 ist außerdem in V. 5 die Stellung und
3 Man vgl. auch die Bemerkung bei D. L. Page, Further Greek Epigrams (1981) 19: „the epigram is presumably an epitaph actually inscribed“. 4 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Antigonos von Karystos (Philolog. Untersuchungen IV, 1881) 71. 5 Die Gedichte des Philosophen Arkesilaos, Studi in onore di Ugo Enrico Paoli (Florenz 1956) 717–724. Wiederabgedruckt in P. Von der Mühll, Ausgewählte kleine Schriften (Basel 1975) 276–285. 6 D. L. Page, Further Greek Epigrams (Cambridge 1981) 19–20; s. auch vorher schon seinen Textabdruck in den Epigrammata Graeca (Oxford 1975) p. 79. – Von älteren Behandlungen verdient Hervorhebung diejenige bei Th. Preger, Inscriptiones Graecae metricae ex scriptoribus praeter anthologiam collectae (Leipzig 1891) 38 Nr. 44. 7 Vgl. die kurze Notiz von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1956 n. 61 („avec finesse“). 8 Dazu Von der Mühll a. a. O. 722 sowie D. L. Page, WSt 89, 1976, 165–176. 9 Von der Mühll a. a. O. 721 mit Hinweis auch auf lydische Belege. Vgl. dazu noch L. Zgusta, Klein asiatische Personennamen (1964) 207 f. § 500 sowie Ch. Naour, ZPE 22, 1976, 112–114 Nr. 1–3 (dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1977 n. 476). W. Peek hatte – wie vorher schon Th. Preger (s. Anm. 6) und Wilamowitz (s. Anm. 4) – die Lesart Καδανάδη aufgenommen, was von L. Robert, Gnomon 31, 1959, 6 (OMS III 164) kritisiert wurde („… je me range à l’avis de P. Von der Mühll, qui argumente judicieusement“). Page (Anm. 6) schrieb 1975 noch Καδαυάδη, versah das Wort aber 1981 mit der ,crux‘ (dazu O. Masson am Anm. 10 a. O.).
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Namensform Εὔδαμος gegen metrische Bedenken gesichert und weder durch Umstellung noch durch Veränderung zu beseitigen.10 Das Gedicht, das Von der Mühll in die Zeit um 290 oder die frühen 80er Jahre datiert, erhält unter den Testimonia für Thyateira besonderen Wert durch die Hinweise, die ihm für die Frühgeschichte der wahrscheinlich erst 281 v. Chr. gegründeten makedonischen Kolonie entnommen werden können (s. dazu TAM V 2 p. 309). Speziell die Benennung des Menodoros mit einem Patronymikon kleinasiatischer Bildung und seine gleichzeitige Charakterisierung durch den Begriff des „Penesten“ haben Von der Mühll zu der Vermutung geführt, daß er einerseits „nicht der niedrigsten sozialen Schicht angehört“ habe, aber doch „als einer der | λαοί“ in Abhängigkeit von seinem Herrn Eudamos gestanden habe: „Der Ausdruck (scil. πενεστέων) scheint mir den halbhörigen, abgabepflichtigen Stand dieser einheimischen ländlichen Bevölkerungsschicht treffend wiederzugeben“ (a. a. O. 721). Das wäre, wenn es das Richtige trifft, ein aufschlußreiches Schlaglicht auf den uns sonst weitgehend unbekannten Prozeß der Etablierung der Herrschaft der griechisch-makedonischen Oberschicht gegenüber der einheimischen lydischen Bevölkerung. Beachtung verdient aber auch die Erkenntnis, daß dieses früheste Zeugnis den Stadtnamen in der femininen Verwendung sichert, also nicht – wie ich TAM V 2 p. 307 geschlossen hatte – die Form im Plural eines Neutrums, τὰ Θυάτειρα, als die ursprüngliche zu betrachten ist.11 Daß dem Epitheton ἱερή hier freilich kein spezifischer Wert beizumessen ist, sondern daß es einfach episch-epigrammatischer Tradition zuzurechnen ist, hat Von der Mühll schon hervorgehoben.12 Ebenso hat er auch durch Hinweis auf literarische Belege gezeigt, daß Φρυγίη in V. 1 nicht als Irrtum des Dichters klassifiziert werden sollte,13 sondern vermutlich „soviel wie etwa unser ,Kleinasien‘“ bedeute. Immerhin ist bemerkenswert, daß der Dichter das ja genau so gut in den Vers passende Λυδίη vermeidet. Oder sollte damit angedeutet werden, daß Phrygien das ursprüngliche Herkunftsgebiet der Familie des Menodoros war?
10 Von der Mühll 720 f. mit Hinweis auf Fick und Bechtel. Vgl. auch O. Masson, RPhil 58, 1984, 101 (Onomastica Graeca Selecta II 453). Vorher hatte man das (vermeintliche) Problem durch Umstellung im Vers (Εὔδαμος ἐριφραδές, so Preger und Peek nach Jacobs) oder durch Konjektur (Εὔγαμος so Page nach Wilamowitz und v. Arnim) zu bereinigen versucht. 11 Bei Pape – Benseler wird, wie oben erwähnt, das Testimonium dieses Gedichts als erster Beleg für den Ortsnamen Θυάτειρα angeführt, zugleich aber irrtümlich unter die Belege für „n. pl.“ gesetzt. 12 Von der Mühll a. a. O. 723. Man vgl. als neuen Beleg den Versschluß ‘Ρόδον εἱρήν in dem Epigramm auf einen siegreichen Athleten aus Seleukeia am Kalykadnos S. Şahin, EpigrAnat 17, 1991, 148 V. 9 (SEG XLI 1407 {Merkelbach – Stauber, SGO IV 19/05/01}). 13 So D. L. Page, Further Greek Epigrams 20: „this is very strange … Thyateira is in Lydia, not Phrygia, and so close to Pitane, the birthplace of Arcesilaus (about forty miles as the crow flies east), that the error seems inexcusable“.
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53 Epigraphische Notizen 14–15 14 Zu dem hellenistischen „Funktionärsbrief“ aus Euromos Der von Malcolm Errington in EpigrAnat 21, 1993, 20 n. 3 {SEG XLIII 705} veröffentlichte Brief hellenistischer Zeit aus Euromos bietet noch Text- wie auch Interpretationsprobleme. Sie betreffen den Umfang und dementsprechend die Ergänzungen der Lücken zwischen den beiden erst im unteren Teil (Z. 10) zusammenstoßenden Fragmenten. In seinem Referat im Bull. épigr. 1995 n. 523 hat Ph. Gauthier Vorschläge zur Ergänzung und zur Interpretation gemacht, dabei aber darauf hingewiesen, daß ihm eine Verifizierung nicht möglich war, da der Publikation nur ein Photo des rechten Fragments beigegeben war (Tafel 3 unten). Der unbekannte Schreiber teilt zunächst mit, daß er an einen Dioiketen Theodotos geschrieben habe, „pour que (les mesures susdites) soient mises à exécution“ (Gauthier mit der Textverbesserung zu Z. 5): Z. 3 καὶ περὶ [τούτων καὶ] | τῶν ἄλλων [τῶν προγεγραμμ]ένων ὑμῖν γεγράφαμεν Θεο̣ [δό]|τωι τῶι διοικητ[ῆι ὅπως συντε] λεσϑῆι. Die Fortsetzung legt nahe, daß es sich bei dem Dioiketen um einen ptolemäischen Funktionär handelte, wenngleich nicht übersehen werden sollte, daß der Titel gerade auch im Seleukidenreich begegnet.1 Das eigentliche Problem liegt in der nachfolgenden Aussage des Briefschreibers (Erringtons Text ab Z. 5): γεγράφαμεν δὲ καὶ Πτο|λεμαίωι τῶι βα[σιλεῖ περὶ αὐ]τῶν τῶν προγεγραμμένων ἵνα | καὶ ὑπ’ ἐκείνου κα̣[ ca. 10–11 ]ωι. Gauthier versuchte, den Anstoß, der in der ungewöhnlichen Form der Nennung des Königs bestünde, durch den scharfsinnigen Ergänzungsvorschlag τῶι βα[σιλέως υἱῶι (und in Z. 7 ὑπ’ ἐκείνου κυ̣[ρωϑῆι τῶι δήμ]ωι) zu beheben: Danach wäre hier der ominöse „Ptolemaios der Sohn“ genannt, womit der Brief vielleicht dem ptolemäischen Strategen Sophron zugewiesen und in die 60er Jahre des 3. Jh.s datiert werden könne. Aber diese von Gauthier – mit Vorbehalt – vorgeschlagenen Ergänzungen erweisen sich, wie W. Blümel auf S. 62 deutlich macht, als für die Lücke zu lang.2 Damit bleiben wir bis auf weiteres mit dem Problem der Nennung des Ptolemaios kon-
EpigrAnat 27, 1996, 55–61. 1 Vgl. L. u. J. Robert, La Carie II (1954) n. 166, 7 mit S. 291 und 299 f.; M. Wörrle, Chiron 18, 1988, 466 mit Anm. 215; Ph. Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes II (1989) 44; Übernahme durch die Attaliden nach 188 v. Chr. erwägt W. Ameling, EpigrAnat 12, 1988, 17 f. Nach den Zeugnissen scheint es so gut wie sicher, daß der seleukidische Dioiketes nur mit einer regionalen Kompetenz ausgestattet war. Unter dieser Präzisierung ist die Aussage Erringtons (a. a. O. 21) richtig, es sei nicht bekannt, „daß die Seleukiden oder die Attaliden einen hohen Reichsverwalter mit diesem Titel besaßen“. 2 Das trifft jedenfalls recht deutlich für die Ergänzung zu Z. 6 zu. Gauthiers Ergänzung in Z. 7 κυ̣[ρωϑῆι τῶι δήμ]ωι hätte der bei Errington angegebenen Buchstabenzahl für die Lücke entsprochen. Die Text rekonstruktion W. Blümels ergibt allerdings, daß auch sie zu lang zu sein scheint: danach wäre von einer Lücke von etwa 8 Buchstaben auszugehen.
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frontiert, und auch die Frage der historischen Einordnung entzieht sich m. E. noch einer überzeugenden Lösung. Mit der folgenden Notiz ist das bescheidenere Anliegen verbunden, zu der unmittelbaren Fortsetzung des Textes einen Vorschlag zu machen. Diese lautet in der Fassung Erringtons: καὶ εἰς τὸ λοιπὸν πάντα τὰ φι|λάνϑρωπα συγκ̣ [ατατίϑ]ε̣ μεν τῆι πόλει καὶ οὐϑενὸς | τῶν συμφερόντ[ων αὐ]τῆι ἀποστησόμεϑα. Dazu wird als Übersetzung gegeben: „… und für die Zukunft werden wir der Stadt alle Wohltaten garantieren und nichts, das ihr guttut, wegneh|men“. Nach meiner Meinung ist die zu Z. 8 gegebene Ergänzung συγκ̣[ατατίϑ]ε̣ μεν nicht haltbar. Zunächst befremdet – entgegen der Übersetzung Erringtons – die präsentische Form des Griechischen bei einer in die Zukunft gerichteten Aussage.3 Desgleichen wäre die aktive Verbform hier ungewöhnlich: Der normale Gebrauch bei dem Verb ist die mediale Verwendung, συγκατατίϑεσϑαι, und deren Bedeutung ist mit „garantieren“ auch nicht exakt erfaßt. Das Wort wird, wie L. Robert mehrfach aufgezeigt hat, im Sinne von „zustimmen“ (bei Robert: „approuver, sanctionner“) gebraucht, wobei es den Dativ nach sich zieht (z. B. τῇ γνώμῃ, τοῖς παρακαλουμένοις).4 Der Zusammenhang legt hier einen anderen, sehr passenden Terminus der hellenistischen Kanzleisprache nahe: das Verb συγκατασκευάζειν. Es ist, wie ich erfahre, unabhängig auch schon von Ph. Gauthier (brieflich gegenüber Blümel) erwogen worden. Allerdings glaube ich, daß die gerade noch erkennbaren materiellen Reste nicht auf die Form des Futurs συγκ̣ [ατασκευάσ]ο̣ μεν (Gauthier, parallel zu ἀποστησόμεϑα Z. 9), sondern auf den Konjunktiv συγκ̣ [ατασκευάζ]ω̣μεν führen.5 Dieser müßte dann noch von ἵνα am Ende von Z. 6 abhängig sein: „… und (damit) wir für die Zukunft der Stadt alle Vergünstigungen verschaffen“ bzw., um den Sinn noch besser zu verdeutlichen: „… an dem Gewinn der Privilegien mitwirken“.6 Der Ausdruck ist speziell für die hellenistische Sprache sehr charakteristisch; Belegsammlungen sind seinerzeit von M. Holleaux und A. Wilhelm geboten worden.7 Am gängigsten sind zwar Formulierungen wie συγκατασκευάζειν τὰ πρὸς (e. g. τιμὴν)
3 Vgl. die Bemerkungen von Ph. Gauthier, REG 92, 1979, 358 ff. über die Wendung εἰς τὸ λοιπόν: „formule visant l’avenir plus ou moins lointain“. 4 L. Robert, Hellenica I 47; RPhil 1967, 14 Anm. 3 und 56 Anm. 5 (OMS V 354 bzw. 396); 1977, 8 Anm. 7 (OMS V 426). 5 Der auf dem Photo sichtbare Rest vor dem MEN in Z. 8 ist kaum mit einem E und noch weniger mit einem O in Einklang zu bringen. Er sitzt etwas oberhalb der Zeilenlinie und läßt sich m. E. am besten zu Ω ergänzen, das in dieser Inschrift die bekannte kleinere, etwas in der Höhe schwebende Form aufweist. Was die Länge betrifft, so paßt die Ergänzung genau in die Lücke (s. p. 62). 6 Man vgl. J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I (1983) 203 n. 22, 8 f. σ[υ]γκατασκευ[άζ]ει τῶι κοινῶ[ι - - | - - συγ]κεχω[ρημένα φ]ιλάνϑρωπ[α, mit ihrer Umschreibung des Vorgangs: „a obtenu la concession de privilèges, il a concouru à les obtenir“. 7 M. Holleaux, BCH 31, 1907, 382 f. (im Abdruck Études I 303 weggelassen); A. Wilhelm, AnzWien 1920, 49 (Kl. Schr. I 2, 48). Vgl. auch Ph. Gauthier, Nouvelles inscriptions de Sardes II (1989) 60.
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ἀνήκοντα, doch ist als Objekt auch das hier erscheinende φιλάνϑρωπα möglich,8 das im Sinne von „königlichen Gunsterweisen“ zu verstehen sein wird.9 Das anschließende Satzglied, das abweichend von dem Vorhergehenden die Aussage im Indikativ des Futurs weiterführt, sollte vielleicht besser übersetzt werden: „… und wir werden es bei dem, was ihr zum Vorteil gereicht, in nichts fehlen lassen“.10
15 Ein Nomothet in Sardeis und Didyma In seinem Katalog der Greek and Latin Inscriptions in the Manisa Museum (ETAM Nr. 19, Wien 1994) hat Hasan Malay unter der Nr. 438 (mit Fig. 166) den Text einer aus Sardeis stammenden Inschrift bekannt gemacht, die sich auf dem Deckel einer Ostotheke des dort verbreiteten Typus befindet: Ἐπὶ στεφανηφόρου Μηνογένου τοῦ Δημη τρίου νομοϑέτου, μηνὸς Ξανδικοῦ ηʹ· Ἀπολλώνιος Ἀρτεμιδώρου Σκορδεις ἐτῶν νδʹ. Als Datum gibt Malay an „before 129 B.C.“, womit er sich an eine von W. H. Buckler und D. M. Robinson in ihrem Inschriftenband von 1932 etablierte und seitdem vielfach übernommene Auffassung anschließt, wonach mit der Einrichtung der Provinz Asia in Sardeis der Stephanephor als Eponym durch den Roma-Priester abgelöst worden sei.11 Dem ist allerdings hinzuzufügen, daß Buckler und Robinson die Datierungsperiode nach dem Roma-Priester andererseits nach unten begrenzten: Sie sei in Gebrauch gewesen „until about the end of the first century B.C.“,12 wobei das Ende 8 Vgl. die in Anm. 6 zitierte Wendung in Amyzon. Auch in der Inschrift aus Herakleia am Latmos, M. Wörrle, Chiron 18, 1988, 425 N IV 11 (SEG XXXVII 859 D 11) stehen in dem am Ende beschädigten Text beide Begriffe zumindest in naher Nachbarschaft. 9 So Ch. Habicht, in Ancient Macedonian Studies in Honor of Ch. F. Edson (1981) 196. Man vgl. F. Piej ko, Historia 38, 1989, 402 (wo in der Belegsammlung die in Anm. 6 zitierte Stelle ergänzt wird) sowie OpAth 18, 1990, 143; J. G. Vinogradov – M. Wörrle, Chiron 22, 1992, 163 mit Anm. 23. 10 Einige Belege für die Formel οὐϑενὸς ἀφίστασϑαι τῶν … finden sich bei M. Holleaux, Études I 301 und 321. 11 Buckler – Robinson, Sardis VII 1 p. 47 (zu n. 21): „It was probably soon after 133 B.C. that the Sardian year began to be dated by the priest of Rome, but the exact time is not known“ (vgl. p. 96; 110; 111). Das Datum 129 v. Chr. geht auf R. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ (1975) 71 zurück, der auf die Besiegung des Aristonikos und die Einrichtung der Provinz Asia Bezug nimmt. Daß der Zeitpunkt des Übergangs zur neuen Datierungsweise nicht bekannt sei, haben J. u. L. Robert, Hellenica VI 114 betont, ähnlich noch R. Sherk, ZPE 93, 1992, 244. Vgl. auch W. E. Mierse, in G. M. Hanfmann (Hrsg.), Sardis from Prehistoric to Roman Times (1983) 124 f. 12 Sardis VII 1 p. 51; 110; 111. Spätester bisher greifbarer Beleg für eine Datierung nach dem RomaPriester war für Buckler – Robinson die Inschrift n. 114, die einen C. Iulius D[- -] als Eponymen nennt.
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mit dem Aufkommen des Kaiserkultes erklärt wurde.13 Die uns vorliegenden Indizien für die (erneute) Änderung des Systems in augusteischer oder tiberischer Zeit sind nicht sicher deutbar.14 Wichtig ist aber, daß jetzt eine aus mehreren Fragmenten zusammengesetzte, noch unpublizierte Ostothekeninschrift aus Sardeis | den Beweis erbracht hat, daß im 1. Jahrhundert n. Chr. tatsächlich wieder die Datierung nach dem Stephanephoren Verwendung fand: Da in ihr sowohl der Stephanephor als auch der Bestattete Claudier sind, ist die Datierung in claudische Zeit oder etwas später gesichert.15 Das bedeutet aber, daß wir bei Stephanephoren-Datierungen immer die Möglichkeit einbeziehen müssen, daß das Dokument in die (frühe) Kaiserzeit gehört. Auf die oben mitgeteilte Inschrift bezogen heißt das, daß die Datierung in das 2. Jhdt. v. Chr. („vor 129“) durchaus in Zweifel gezogen werden kann. Die Namen geben uns in diesem Falle keinen Anhaltspunkt. Auch die bemerkenswert flüchtig und unprätentiös eingegrabene oder besser eingeritzte Schrift gibt kaum eine sichere Handhabe für die Datierung. Man kann aber vielleicht mit einiger Zuversicht sagen, daß sie nichts aufweist, was an hellenistische Zeit denken läßt, sondern eher spät wirkt. Wenn ich für eine Datierung in die frühe Kaiserzeit plädiere, so verbindet sich das mit einem im folgenden vorzubringenden Identifizierungsversuch. Von dem vermutlich als griechisch zu erklärenden Beinamen des Bestatteten, Σκορδεις, abgesehen,16 verdient an dem Text vornehmlich Beachtung, daß in der Gegenüber der Formulierung „ungefähr Ende des 1. Jhdt.s v. Chr.“ überrascht im Kommentar zu n. 116 die Präzisierung „about 1 B.C.“, für die ich keine Erklärung finde. 13 Vgl. besonders W. H. Buckler – D. M. Robinson, AJA 17, 1913, 45 mit Bezugnahme auf die Einrichtung des Provinzialtempels für Roma und Augustus in Pergamon: „We are bound to assume that in so important a city as Sardes the cult of Rome ceased soon after 27 B.C.“ (dazu Einschränkungen bei Mellor a. a. O. 71 f. mit Anm. 294). Noch expliziter äußerten sich dieselben in AJA 18, 1914, 55 f., wo sie dafür argumentierten, daß in Verbindung mit dem Kaiserkult die Eponymie des Roma-Priesters durch die des Stephanephoren ersetzt wurde, und die Auffassung vertraten, „that the stephanephoria was the name given under the Empire to the municipal priesthood known in Republican days as that of Rome, and under Augustus and shortly afterwards as that of Rome and Augustus“. In dem Inschriftenband von 1932 wird dieser Gedanke allerdings nicht wieder aufgenommen. 14 Dazu P. Herrmann, in E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien (Asia Minor Studien 17, 1995) 22 {hier S. 148 f.} mit der Veröffentlichung der Inschrift IN 69.8, in der der Eponym Dionysios zugleich als Stephanephor und Roma-Priester bezeichnet wird und wo die hinzugesetzte Datumsangabe nach dem römischen Kalender zugleich die Kalenderreform vom Jahre 9 v. Chr. voraussetzt. Eine Doppeldatierung mit Nennung beider Funktionen für denselben Mann hatte aber auch schon die Inschrift Sardis VII 1 n. 93 enthalten. Es ist bemerkenswert, daß Buckler und Robinson schon AJA 18, 1914, 56 (s. Anm. 13) den Wechsel zur Eponymie des Stephanephoren „in or soon after the reign of Tiberius“ angenommen hatten, in Verbindung mit der als Tatsache hingestellten Erkenntnis, „that under the Empire the Sardian stephanephoros was eponymous“. Diese Auffassung scheinen sie allerdings in dem Band von 1932 wieder fallengelassen zu haben (vgl. Anm. 13). 15 Die Inschrift (IN 60.26+62.125+60.27+64.20) ist datiert [ἐπὶ στε]φανηφόρου Κλαυδίου Ἰουλια[ν]οῦ, sie gilt einem [Τ]ιβέριος Κλαύδιος Μηνοδότου υἱὸς [Κ]υρίνα Θεόφιλος Ποπλᾶς. 16 Der Name dürfte an die von σκόρ(ο)δον „Knoblauch“ abgeleitete Personennamengruppe anzuschließen sein, an die L. Robert, Noms indigènes I 245 mit Bezugnahme auf F. Bechtel erinnert hat.
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Benennung des eponymen Stephanephoren Menogenes, des Sohnes des Demetrios, der Titel νομοϑέτου hinzugesetzt ist, ohne daß vom Text her erkennbar wird, ob er dem Vater oder dem Sohn zukam. Für diese Funktion des νομοϑέτης verweist Malay auf Ausführungen bei L. Robert (Gnomon 31, 1959, 663 und Laodicée du Lycos 271 mit Anm. 5) und J. Reynolds (ZPE 43, 1981, 322). In der Tat wird man durch diese Angaben sowohl auf wichtige Belegsammlungen wie auch grundsätzliche Überlegungen zur Rolle solcher νομοϑέται speziell in der Kaiserzeit geführt. Dabei gibt eine Anmerkung Roberts (Laodicée a. a. O.) nicht nur bekannt, daß er zu dem Thema ein eigenes „mémoire“ geplant hatte, sondern enthält zugleich mit der Erwähnung einer „inscription inédite“ aus Sardeis den Hinweis, daß ihm der jetzt publizierte Text schon bekannt war.17 Von besonderem Interesse ist aber, wie sich zeigt, die durch den Verweis auf Gnomon 31, 1959, 663 (OMS III 1628) eröffnete Perspektive. Dort hatte Robert moniert, daß in Rehms Inschriftenband bei IvDidyma 148 sein grundlegender Beitrag in Hellenica VII 206–238 zwar bibliographisch berücksichtigt, aber nicht inhaltlich verwertet sei. Dazu gehöre, daß – im Anschluß an Th. Wiegand (7. Milet-Bericht [1911] 65) – ein dort erscheinendes νομοϑέτου noch als Eigenname verstanden werde. Es geht um die auf der Basis für eine Caligula-Statue angebrachte Inschrift, die nach Roberts überzeugender Interpretation von dem Projekt der Errichtung eines provinzialen Kaisertempels für Gaius Kunde gibt, wobei die Liste der die conventus-Orte der Provinz Asia vertretenden νεοποιοὶ οἱ πρώτως νεοποιήσαντες aufgeführt wird.18 Die Nennung des νομοϑέτης erscheint dort in der der Liste vorangestellten | „hierarchischen“ (Robert) Aneinanderreihung der auf den neuen Kult bezogenen Funktionsträger, die gleichsam in die Rolle von Eponymen gerückt sind (d. h. in einer ἐπί-Konstruktion). An der Spitze steht der prominente Milesier Cn. Vergilius Capito19 in zwei kombinierten Oberpriester-Funktionen, nämlich ἀρχιερεύς des Tempels des C. Caesar in Milet zum 1. Mal, ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας zum 3. Mal. Danach kommt der uns hier interessierende „zweite Eponym“ (Robert):
C. Brixhe, Bull. épigr. 1995 n. 506 sieht in der in Sardeis begegnenden Form eine graphische Variante für Σκορδῆς oder Σκόρδης. Ein weiterer Beleg für Σκόρδος in Lydien: H. W. Pleket, Talanta 2, 1970, 60 n. 2 = IvEphesos 3250. 17 Laodicée 271 Anm. 5. Aus den mir durch J. Robert überlassenen Unterlagen läßt sich entnehmen, daß Robert die schon lange im Museum von Manisa befindliche Inschrift mit anderen Texten von Ostotheken 1964 durch Nuşin Asgari mitgeteilt worden war, die ein (archäologisches) Corpus dieser Fundgruppe vorbereitete. Das entsprechende „Dossier“ Roberts enthält auch stichwortartige Notizen über den Inhalt der geplanten Monographie, die möglicherweise an die Publikation der Ostothekentexte aus Sardeis angeschlossen werden sollte. 18 Vgl. dazu auch P. Herrmann, Ist. Mitt. 39, 1989, 191–196 {hier S. 403–409}. 19 Zu ihm zuletzt P. Herrmann, Ist. Mitt. 44, 1994, 209 und 227 f. {hier S. 427 f. und 449 f.}.
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6 καὶ (scil. ἐπὶ) Τιβερίου Ἰουλίου, Δημητρίου νομοϑέτου υἱοῦ, Μηνογένους, ἀρχιερέως τὸ δεύτερον καὶ νεωκόρου τοῦ ἐν Μειλήτωι ναοῦ.
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Als dritter wird ein Πρωτόμαχος Γλύκωνος Ἰουλιεύς genannt, nach Robert aus dem phrygischen Iulia stammend,20 der als ἀρχινεοποιός, σεβαστόνεως und σεβαστολόγος fungierte und der auch in der Neopoioi-Liste an der Spitze steht. Zum zweiten „Eponym“ hatte Robert erklärt (Hellenica VII 207): „J’entends que Tiberius Iulius Menogénès est fils d’un Démétrios, qui avait exercé la charge de nomothète.“ Nun zeigt aber der Vergleich mit der oben angeführten Stephanephoren-Nennung in Sardeis eine frappierende Übereinstimmung: Auch dort geht es um einen Menogenes, Sohn eines Demetrios, und den hinzugefügten Titel des νομοϑέτης. Ich glaube nicht, daß das ein zufälliges Zusammentreffen ist, gehe vielmehr davon aus, daß es sich um dieselben Personen handelt.21 Dabei ergibt sich aus der Formulierung in Didyma, daß auch in Sardeis der Zusatz νομοϑέτου mit dem Namen des Vaters Demetrios zu verbinden ist. Ein weiteres scheint aus dem Vergleich beider Inschriften deutlich zu werden: Der Sohn Menogenes, in Sardeis nur mit seinem griechischen Namen bezeichnet, hat nach Aussage des Textes von Didyma unter Tiberius das römische Bürgerrecht erhalten.22 Was seine Funktion im Rahmen der Gaius-Inschrift angeht, hat Robert sich nach einigem Zögern dafür ausgesprochen, daß er ἀρχιερεύς des munizipalen Kaisertempels in Milet war, nicht der Provinz, und schloß: „Comme on n’indique pas son ethnique, lui aussi doit être un Milesien, comme Vergilius Capito.“ Wie läßt sich das mit der hier vertretenen Kombination beider Zeugnisse in Einklang bringen? Zunächst ist festzuhalten, daß sich für die Familie in Sardeis deutliche Spuren ausmachen lassen. Vor allem ist eine Münzlegende zu nennen, Δημήτριος Μηνογέν[ους] lautend, die auf einem Exemplar der dem 2./1. Jhdt. v. Chr. zugewiesenen Gruppe mit Beamtennamen begegnet.23 Möglicherweise ist dieser Demetrios mit dem νομοϑέτης der Inschrift gleichzusetzen, | womit wir dann wohl in das ausge-
20 Hellenica VII 214–219. Zur Lokalisierung und zur notwendigen Trennung von Ipsos vgl. noch Bull. épigr. 1972 n. 456 und 1982 n. 395; J. u. L. Robert, Fouilles d’Amyzon en Carie I (1983) 34 mit Anm. 20. 21 Aus den in meine Hand gekommenen Notizen L. Roberts (s. Anm. 17) geht nicht hervor, daß ihm die Möglichkeit einer Identifizierung der genannten Personen aufgefallen ist. Zwar ist auf einem der Blätter mit Registrierung der νομοϑέτης-Belege die Nennung von Didyma mit einem Ausrufungszeichen versehen, aber es fehlt jede weitere Bemerkung dazu. 22 Vgl. dazu B. Holtheide, Römische Bürgerrechtspolitik und römische Neubürger in der Provinz Asia (1983) 52 f. mit Anm. 313. 23 F. Imhoof-Blumer, Zur griechischen und römischen Münzkunde (1908) 130 n. 2; vgl. R. Münsterberg, Die Beamtennamen auf griechischen Münzen 147.
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hende 1. Jhdt. v. Chr. verwiesen würden.24 Andererseits fassen wir eine alternierende Namensabfolge Menogenes – Isidoros – Menogenes in der Sammlung von insgesamt 12 Urkunden auf der großen Stele Sardis VII 1 n. 8, in der uns Menogenes als herausragender Wortführer von Sardeis und der ganzen Provinz, ἀνὴρ γένους ἐνδοξοτάτου (8, 102), in augusteischer Zeit entgegentritt. An denselben Menogenes hat man gedacht anläßlich der Erwähnung eines Μηνογένειον, also vielleicht eines Heroon, in der für die lokale Topographie aufschlußreichen „List of Fountains“ Sardis VII 1 n. 17.25 Etwas später könnten uns zwei Glieder der Familie vorliegen in zwei Brüdern, nämlich Κλαύδι[ος Μη]νογένης, der in Sardeis Priester, Stratege und Stephanephoros war, und Τι. Κλαύδιος Μείλη̣[τος], der als ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας am Provinzialtempel in Smyrna fungierte (Sardis VII 1 n. 44).26 Sollte man annehmen, daß die Familie auch in Milet Fuß gefaßt hat,27 oder kann mit der Nennung des Mannes in Didyma und der dort durch ihn übernommenen Funktion doch, ohne daß es gesagt wird, ein NichtMilesier gemeint sein? Dann könnte man vielleicht doch eine Funktion auf Provinz ebene erwägen. Damit verbindet sich auch die Frage, für welchen Bereich die dem Namen des Vaters beigefügte Funktion des νομοϑέτης galt. Sie wird geradezu wie ein Distinktiv oder fast schon zweiter Name eingesetzt, was bei dem Auftreten derselben Formulierung in Sardeis und in Didyma zumindest auf eine weiterreichende Bekanntheit des Mannes schließen lassen kann. Soweit ich sehe, ist er aber weder in Sardeis (evtl. von der obengenannten Münze abgesehen) noch in Milet anderweitig bezeugt. Man muß einräumen, daß bei allem Interesse, das das Vorkommen der Figur eines νομοϑέτης in griechischen bzw. kleinasiatischen Städten der frühen Kaiserzeit erweckt, uns doch die konkrete Rolle solcher ‚Gesetzgeber‘ durchaus verborgen bleibt. L. Robert, der für diese „fonction sortant de l’ordinaire“ außer den uns vorliegenden 24 Zu dem hier vorliegenden Münzbild der Athena Nikephoros haben J. u. L. Robert, Hellenica IX 24 f. festgestellt: „La chronologie du monnayage de Sardes est à reprendre.“ Vgl. auch P. Herrmann, Chiron 19, 1989, 145 f. 25 Vgl. P. Herrmann, Chiron 23, 1993, 253 und 257; 26, 1996, 316. 26 Vgl. M. Domitilla Campanile, I sacerdoti del koinon d’Asia (1994) 145 n. 174 mit der Angabe „non databile“, wobei jedenfalls die Nennung des smyrnäischen Tempels das Jahr 26 n. Chr. als terminus post quem ergibt. M. Rossner, StCl 16, 1974, 123, die allerdings noch der überholten Lesung Μειδί[ας] folgte, gab als Datum „zwischen Claudius und Hadrian“ an. Zur Familie (Nachkommenschaft?) zählt offensichtlich auch Τι. Κλ. Μείλητος Νεικόμαχος (Sardis VII 1 n. 93a), von dem nach dem Nachweis L. Roberts eine seinen Eltern gewidmete Grabinschrift sowie eine solche für einen ϑρεπτός, die nach Rom gelangt ist, vorliegen (RA 1936 I 234 und 239 = OMS III 1607 und 1612). 27 Ich trage Bedenken, den Namen Μείλητος des einen der beiden in Sardeis bezeugten Brüder und eines Nachkommen (s. Anm. 26) als Indiz für Verbindungen nach Milet in Anspruch zu nehmen. Der Name kann eine Bezugnahme auf die ionische Metropole enthalten, ist aber auch, ohne daß eine solche erkennbar wäre, bezeugt: s. L. Robert, A travers l’Asie Mineure (1980) 77 mit Anm. 470 und 408. Für unsicher halte ich es ferner, ob verwandtschaftliche Beziehungen bestehen zwischen der sardianischen Familie und einer in Pergamon bezeugten, in der der Name in der Form Μίλατος/Μιλάτης erscheint: s. zuletzt Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 n. 36 (immerhin ein Δημήτριος [ ] Μιλάτης) mit den Hinweisen im Kommentar.
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speziell Belege aus Laodikeia, Lesbos, Athen und Aphrodisias28 angeführt hatte (Laodicée 271),29 sah als Zielrichtung dieser | Vertrauensleute Roms „l’adaptation des constitutions au profit de la tranquillité de l’ordre romain“,30 und J. Reynolds formulierte offensichtlich unabhängig davon zur Frage nach dem Zweck ihrer Tätigkeit: „was it perhaps the introduction of some procedures modelled on those of Rome?“ (ZPE 43, 1981, 322). Als A. P. Christophilopoulos vor dreißig Jahren eine komplette Belegsammlung für den Komplex der νομοϑετικὴ λειτουργία in den griechischen Städten erarbeitete,31 in der über die genannten noch weitere Zeugnisse erfaßt wurden (auch für den νομογράφος), stellte er die Schwierigkeit einer angemessenen Deutung der Institution heraus und zog es vor, sich mit der „ars nesciendi“ zu bescheiden.32 Wie weit es L. Robert gelungen wäre, hier bei seiner unübertroffenen Materialkenntnis und weiten Erfahrung zu Präzisierungen vorzudringen, muß leider eine offene Frage bleiben. Ein kleines Element der Dokumentation scheint aber durch die oben vorgetragene Hypothese eine zusätzliche Akzentuierung zu erhalten.
28 Laodikeia: Es geht um die Legende Κράτερος νομοϑέτης auf Münzen von Laodikeia in neronischer Zeit: L. Robert, Laodicée du Lycos 271 mit Anm. 3. – Lesbos: Hier trägt der bekannte Rhetor und Vertreter Mytilenes gegenüber Caesar und Augustus Potamo den Titel νομοϑέτης: IG XII 2, 255, 5; Suppl. 7, 5(?), 9 b 11; dazu L. Robert, Hellenica VII 207. Zu Potamo s. zuletzt R. W. Parker, ZPE 85, 1991, 115–129 (118: „constitutional reform“). – Athen: Ti. Claudius Novius (IG II2 1990, 6 sowie 3277, 5), Hopliten-Stratege in den 60er Jahren des 1. Jhdt.s n. Chr. (SEG XXXVII 127; dazu P. Graindor, Athènes de Tibère à Trajan [1931] 59 Anm. 2 sowie 142: „sans doute … chargé de procéder à une révision de la constitution de la cité“); M. Annius Pythodoros, Priester des delischen Apollon, in Eintragungen zu den Jahren 118/9 bis 124/5 (I. Délos 2535–7; F. Dürrbach, BCH 28, 1904, 174 „appellation … sans doute purement honorifique“; contra: P. Graindor, Athènes sous Hadrien [1934] 32 Anm. 1). – Aphrodisias: Zu L. Antonius Ti. Claudius Dometinus Diogenes, ἀρχιερεὺς Ἀσίας (CIG 2777 {IAph2007 12.416} und Le Bas – Waddington 1596 = MAMA VIII 502: s. L. Robert, Hellenica VII 207 f. {IAph2007 12.520}), der jetzt in das späte 2. oder frühe 3. Jhdt. gerückt wird, ist als Vorfahre der ἀρχιερεὺς Ἀσίας Ti. Claudius Diogenes etwa aus der Mitte des 1. Jhdt.s n. Chr. getreten: s. J. Reynolds, ZPE 43, 1981, 321 n. 4 (SEG XXXI 901 {IAph2007 8.23}); M. Domitilla Campanile (s. Anm. 26) 40 n. 15. 29 Nicht hierher gehörig ist der in Smyrna bezeugte νομοϑέτης τῆς στρατηγίας (IvSmyrna 645), der nicht „celui des stratèges qui était nomothète“ (Waddington) war, sondern, wie L. Robert, Hellenica VII 208 Anm. 2 klarstellte, vermutlich ein die Strategie betreffendes Gesetz auf den Weg gebracht hatte. 30 Robert sprach in diesem Zusammenhang allgemein von Vertretern der ‚classe dirigeante‘ im 1. Jhdt. v. und 1. Jhdt. n. Chr., zahlreichen aktiven Männern, „qui ont servi d’intermédiaires entre leurs cités et les Romains“. Der Verweis auf Hellenica VIII 95–96 und AntCl 35, 1966, 419–432 (OMS VI 43–56) zeigt, daß er an Figuren wie die des C. Iulius Zoilos in Aphrodisias oder C. Iulius Hybreas in Mylasa (s. jetzt SEG XLII 997) dachte. Vgl. auch P. Herrmann, Ist. Mitt. 44, 1994, 229 {hier S. 452}. 31 A. P. Christophilopoulos, Ἡ νομοϑετικὴ λειτουργία εἰς τὰς Ἑλληνικὰς πόλεις, ΑΘΗΝΑ 69, 1966–67, 17–53 (vgl. Bull. épigr. 1968 n. 110). 32 A. a. O. 32: „Ἡ ὕπαρξις νομοϑετῶν εἰς ἄλλας ἑλληνικὰς πόλεις εἶναι σχετικῶς σπανία, ἐνίοτε ἀμφί βολος, τὸ δ’ ἔργον καὶ ἡ ἁρμοδιότης τῶν πολλάκις δυσδιάγνωστος“. Ib. 44: „Ὅϑεν φρονιμωτέρα καὶ ἐνταῦϑα ϑὰ ἦτο, πιστεύω ἡ ἄσκησις τῆς προσφιλοῦς μοι ars nesciendi μᾶλλον ἢ ἡ προσφυγὴ εἰς ἐπισφαλεῖς εἰκασίας καὶ γενικεύσεις.“
54 Epigraphische Notizen 16–17 16 Inschrift aus dem Theater von Nysa Kürzlich hat W. Blümel im Rahmen eines Beitrags „Inschriften aus Karien I“ eine Ehreninschrift für vier Astynomoi bekannt gemacht, die bei der Freilegung des Theaters von Nysa zutage gekommen ist (EpigrAnat 25 [1995] 60 Nr. 31 {SEG XLV 1536}), aufgezeichnet auf einem „Architekturfragment aus Marmor“. Nach der Angabe, daß die Genannten ihre Funktion νομίμως1 καὶ εὐτόνως (Übersetzung: „gesetzestreu und tatkräftig“) wahrgenommen hätten, folgt dort die Aussage (Z. 7–12): ἐκχώσαντας / δὲ καὶ τὸν ἐπικείμενον / τῷ ϑεάτρῳ σπίλον / ἀντὶ τῆς εἰς τὸν / ϑερμὸν περίπατον / δαπάνης. Dazu lautet die Übersetzung von Blümel: „und auch den in dem Theater liegenden Schandfleck ausgegraben haben, für die Geldspende für den beheizten Wandelgang“. Zu dem Glied ἐκχώσαντας … σπίλον wird in der Kommentierung vermerkt: „Es muß etwas Störendes in dem Theater von Nysa gegeben haben, das die Astynomen beseitigen ließen.“ Aus mehreren Gründen erregen Übersetzung und Deutung hier Anstoß. Die Bedeutung „ausgraben“ für ἐκχώννυμι wäre ungewöhnlich, da der Begriff eher auf das Gegenteil weist: „raise a mound“ (Liddell – Scott – Jones) bzw. „durch aufgeschüttete Erde erhöhen“ (Pape)2, ἐπικείμενον τῷ ϑεάτρῳ scheint weniger etwas „in dem Theater“ Liegendes als eher etwas „über dem Theater“ Liegendes zu bezeichnen. Das eigentliche Verständnisproblem betrifft aber den Begriff τὸν σπίλον. Daß hier in einer eigenartigen Abstraktion von einem „Schandfleck“ gesprochen worden sein sollte, vermag ich mir schwer vorzustellen. Nun führt aber eine lexikographische Recherche auf ganz interessante Tatbestände. Es gibt neben dem Maskulinum ὁ σπίλος „Fleck“ ausreichend Bezeugungen für eine feminine Form ἡ σπίλος in der Bedeutung „Felsen, Klippe“, die dann mit dem seit Homer bekannten σπιλάς gleichgesetzt zu werden pflegt. Ob beide Begriffe etymologisch verknüpft werden können, scheint unklar zu sein3. Auf ein als f(alsa)
EpigrAnat 28, 1997, 145–148 und 1 Abbildung. 1 Das Adverb „caractérise la légalité et l’absence d’arbitraire“: L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée (1969) 261 mit Anm. 4. 2 Die bei Liddell – Scott – Jones für die Passivform angeführte Bedeutungsvariante „to be removed (of rubbish)“ nach PFay 110, 5, die man für die Übersetzung und Deutung Blümels in Anspruch nehmen könnte, halte ich für sehr zweifelhaft. Zwar ist sie auch im Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden von F. Preisigke (I 462 s. v.) vorausgesetzt („herausschaffen“), aber in der Originalpublikation ist das Satzglied ἀναγκάσας ἐκχωσϑῆναι τὸ ἐν αὐτῶι κόπριον übersetzt mit „have the manure there banked up“. 3 P. Chantraine, Dictionnaire étymologique de la langue grecque II (1974) 1038 erwägt eine Verbindung (die Klippe im Meer als „schwarzer Fleck“ angesehen?); H. Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch II (1970) 767 f. trennt beide Begriffe, findet zu σπίλος f. „Fels, Riff“ verwandte idg. Bildun-
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l(ectio) bezeichnetes τὸν σπῖλον wird man indes durch Liddell – Scott – Jones an einer Plutarch-Stelle geführt (Sert. 17, 10). Dort wird ausführlich eine von Sertorius in Spanien angewandte Kriegslist geschildert: Der römische Feldherr nutzt einen besonders heftigen Bergwind aus, um die auf der Höhe in Höhlen sich verteidigenden Charakitaner | zur Kapitulation zu zwingen. Die List besteht darin, den Feinden gegenüber aus der Ebene entnommene, besonders bröselige Tonerde (πηλὸς ἀργιλώδης, τεφρώδης γῆ) zu einem Wall aufzuhäufen (ϑίς), dann aber diesen so aufrühren zu lassen, daß der vom Wind fortgetragene Staub den in den Höhlen verschanzten Gegnern die Atemluft nahm. Dieses Aufrühren durch die Soldaten wird nun so beschrieben (17, 10): τόν τε χοῦν ἀνέτρεπον διὰ βάϑους καὶ τὸν σπῖλον bzw. πηλὸν (das ist die Variante in den Handschriften) ἔκοπτον. Während die älteren Ausgaben (I. Bekker, C. Sintenis) die Lesart σπίλον aufnahmen, ging K. Ziegler zu der Variante πηλόν über (es offenbar als einen Rückgriff auf das vorhergehende πηλὸν ἀργιλώδη in 17, 3 ansehend). Im Unterschied zu χοῦς muß es sich jedenfalls um etwas Festes, Konsistentes handeln, das zerschlagen werden muß4. Ich frage mich, ob man nicht die ungewöhnlichere Lesart σπίλον im Text halten sollte, als Bezeichnung der kompakten Elemente des Walls. Noch ein anderer literarischer Beleg mag erwähnt werden. In einer Erörterung der pseudo-aristotelischen Schrift περὶ κόσμου (392 b 29) über die Verteilung der Elemente auf der Erde bezeichnet der Autor die aus dem feuchten Element herausragenden bewohnten Erdteile als τῆς γῆς σπίλους τὰς καλουμένας … οἰκουμένας (hier also ἡ σπίλος), von Η. Strohm übersetzt mit „klippenartige Erderhebungen“. In ingeniöser Weise hat seinerzeit K. Reinhardt vermutet, daß Cicero im Somnium Scipionis 6, 20 diese Stelle vor Augen gehabt, aber das Wort irrtümlich mit „maculae“ übersetzt habe5, also sich genau vor dem Problem der zwei unterschiedlichen Bedeutungen von σπίλος befunden habe. Und schließlich sollte noch darauf hingewiesen werden, daß bei Theophrast, c. plant. II 4, 4 eine Bodenart mit σπιλάς bezeichnet wird, die für Ölbäume besonders geeignet sei (ἐλαιοφόρος). Damit könnte die bei Hesych. s. v. σπῖλος neben anderen angeführte Bedeutung πέτρα πωρώδης, γῆ κεραμική zusammenhängen. Das Fazit der hier angestellten Überlegung wäre also der Eindruck, daß es neben dem üblichen ἡ σπίλος „Klippe“ auch eine bedeutungsverwandte Form ὁ σπίλος gegeben zu haben scheint, die in ähnlicher Weise eine Erderhebung, einen
gen, während er σπίλος m. „Fleck“ als unerklärt bezeichnet. – Die Akzentuierung mit dem Akut ergibt sich aus der bei metrischer Verwendung erkennbaren Kürze des Iota (Liddell – Scott – Jones). 4 Dementsprechend übersetzen K. Ziegler „zerschlugen die Stücke“, B. Perrin (Loeb; σπίλον) „broke up the lumps“; R. Flacelière – L. Chambry (Budé; πηλόν) „en brisant les mottes“. Man sieht, daß die Bedeutung unabhängig von dem in den Text genommenen griechischen Wort gewählt wird. 5 K. Reinhardt, Poseidonios 63 f. Anm. 1. Der Text bei Cicero, de re publ. VI 19 lautet: (vides …) in ipsis quasi maculis ubi habitatur vastas solitudines interiectas. Reinhardt hatte hier irrtümliche Übersetzung des Begriffs σπιλάδες angenommen. S. dazu auch H. Strohm, Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung Bd. 12 (1970) 288 (σπίλος).
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Wall oder ähnliches bezeichnete und mithin von der bekannten Bedeutung ὁ σπίλος „Fleck“ abzusetzen wäre. Aber jetzt zurück zum Problem unserer Inschrift. Nach meiner Vermutung bestand die Leistung der vier Astynomoi in Nysa darin, oberhalb des Theaters eine Maßnahme vorgenommen zu haben, die die Bauanlage vor einer Gefahr oder Beeinträchtigung schützen sollte. Die Beseitigung etwa eines Felsens, der herabzustürzen drohte, wäre kaum mit ἐκχῶσαι ausgedrückt worden. Angesichts der Grundbedeutung „aufschütten“ liegt es m. E. näher, an eine „Klippe“ im Sinne eines aufgeschütteten Walls zu denken, die vielleicht einer Gefährdung durch herabstürzende Wassermassen und Vermurung vorbeugen sollte. Die Astynomen haben diese Maßnahme ausgeführt ἀντὶ τῆς εἰς τὸν ϑερμὸν περίπατον δαπάνης, d. h. nach meinem Verständnis im Austausch gegen die für die Beheizung des „warmen Wandelgangs“ | notwendigen Aufwendungen6. Das ist vielleicht so gemeint, daß sie (als summa honoraria?) ursprünglich die Finanzierung dieser Beheizung zugesagt hatten, dann aber diese Leistung gegenüber der vielleicht dringenderen und möglicherweise auch kostspieligeren Maßnahme zum Schutz des Theaters zurückgestellt haben. Die bisherigen Überlegungen sind allein vom Text der Inschrift ausgegangen und haben sich auf eher philologische Aspekte der Interpretation konzentriert. Aber natürlich gilt hier das „chacun doit avoir les pieds sur le sol“ in besonderer Weise, das L. Robert in seinem programmatischen Budé-Vortrag von 1968 „Géographie et Philologie ou la Terre et le Papier“ (OMS IV 383–403, hier: 402) als eine Forderung an jeden Gräzisten und Latinisten formuliert hat. Es wäre im Gelände zu überprüfen, ob sich für die eben erwogene Deutung der Maßnahmen der Astynomen Anhaltspunkte gewinnen lassen. Die besondere Situation des „in den Abfall des Gebirges hineingebauten Theatron von Nysa“7 wird bestimmt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu der bereits von Strabon hervorgehobenen, die Stadt in zwei Teile trennenden Schlucht (XIV 1, 43 p. 649 χαράδρα τις ποιοῦσα φάραγγα), die zu der eindrucksvollen Anlage eines Tunnels und gleichzeitiger Überbrückung (Strabon: γέφυρα) Veranlassung gegeben hatte8. Der gelegentlich der Untersuchung des Platzes durch W. v. Diest 1909 aufgenommene Plan9 läßt die Lage deutlich hervortreten und zeigt auch, daß das Gelände oberhalb des Theaters noch bis zu einem auf der Höhe erhaltenen „Was-
6 In der bei L. Robert, Laodicée du Lycos 267 besprochenen Ehreninschrift aus Laodikeia, die von Blümel als Parallele zu unserem Text genannt wird, ist jedenfalls konkret von der Beheizung die Rede: ἑκατέρους τοὺς ϑερμοὺς περιπάτους καύσαντα. 7 W. ν. Diest, Nysa ad Maeandrum (JdI Erg.-Heft 10, 1913) 14. Neuerdings ist das durch das Museum von Aydın freigelegte Theater behandelt bei D. De Bernardi Ferrero, Teatri classici in Asia Minore Bd. 3 (1970) 115–121. 8 Zu der nicht ganz einfachen Interpretation der Ausführungen Strabons s. H. Pringsheim bei W. v. Diest 32 f. Ebd. Abb. 7 das westliche Tunnelende, Abb. 13 das (unausgegrabene) Theater. 9 Plan II in dem Werk W. v. Diests, aufgenommen von K. Graefinghoff.
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serreservoir“ ansteigt10. Vielleicht kann hier einmal der Lokalaugenschein weiterführen und insofern auch einer Verifizierung (oder Falsifizierung) der hier angestellten Überlegungen Hilfe leisten.
Addendum Inzwischen hat W. Blümel dankenswerterweise den erwünschten Lokalaugenschein in Nysa vornehmen können (s. Abb. 1). Das Gelände steigt in der Tat oberhalb des Theaters noch weiter an. Dessen Cavea ist neuerdings an der oberen Rundung durch eine Betonmauer abgegrenzt worden. Sollten wir hier – mutatis mutandis – eine moderne Erneuerung der antiken Schutzmaßnahme durch Anlage des σπίλος annehmen?
17 Öffentliche Bewirtungen in Arykanda
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Das „Fragment eines Ehrenbeschlusses“ (besser wohl: einer Ehreninschrift) aus Arykanda für einen Unbekannten, der sich durch mancherlei finanzielle Aufwendungen hervorgetan zu haben scheint (IvArykanda 38), beginnt nach der Lesung des Herausgebers S. Şahin mit der | Aussage κ]αὶ ἀριστε̣ ύ̣σαντ[α πρὸς τὸ πλῆ]/ϑος, „der sich - - -] und für das Volk verdient gemacht hat“. Ich bezweifle, daß eine Wortverbindung ἀριστεύειν πρός τινα belegbar ist. Das glücklicherweise beigegebene Photo des Abklatsches (Tafel 9) ermöglicht eine Kontrolle. Danach sind keine Spuren von ΕΥ zu entdecken, vielmehr stehen Τ und Σ in so enger Nachbarschaft, daß dazwischen nur für einen schmalen Buchstaben Platz bleibt. Zu lesen ist mit Sicherheit ἀριστ[ί] σαντ[α τὸ πλῆ]ϑος, er bewirtete das Volk mit einem ἄριστον. In paralleler Bedeutung heißt es in Z. 6 derselben Inschrift καὶ ὑποδεξάμε[νον τὸ πλῆϑος?]. Ein ähnlich aufgebautes Fragment (Nr. 37, 5) läßt die Angabe δειπνίσ[αντα] erkennen, und auch der Text auf der interessanten Reliefstele vom Heroon des Prytanen Hermaios (Nr. 162, 8) erwähnt eine Bewirtung: καὶ] δεδειπνικότος τὴ[ν] /γερουσί[αν πολλάκ]ις11. Nachdem seinerzeit schon A. Wilhelm auf das variantenreiche Vokabular öffentlicher Bewirtungen hingewiesen und L. Robert seinerseits das Thema aufgenommen 10 In dem in Anm. 7 genannten Beitrag von De Bernardi Ferrero lassen die Abbildungen 108 und 116 wenigstens andeutungsweise das Ansteigen des Terrains oberhalb des Theaters erkennen. 11 Bei Gelegenheit dieses Zitats aus der Inschrift IvArykanda 162 sei eine kurze Berichtigung vorgetragen: In EpigrAnat 26 (1996) 109 hat S. Dmitriev gegen Şahins Text Z. 5 καὶ ἐπαν[γ]ελίας καὶ ἐπιδόσεις ἀργυρικὰ[ς] πεποιημ[ένο]υ für eine Änderung zu κατ’ ἐπανγελίας plädiert, da die Begriffe ἐπανγελίαι und ἐπιδόσεις so nicht verbunden werden könnten. Nun zeigt aber die Photographie Şahins (Tafel 29), daß das καί am Zeilenanfang ganz sicher ist. Ebensowenig können Bedenken gegen die Verbindung beider Begriffe geltend gemacht werden: sie bringt nur die Zweistufigkeit von Ankündigung und Ausführung der betreffenden Leistungen zum Ausdruck, wie es A. Wilhelm, ÖJh 10 (1907) 28 (Kl. Schr. II 1, 272) unter Hinweis auf die Formel ἐπηγγείλαντο καὶ ἐπέδωκαν erläutert hat.
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hatte12, verfügen wir jetzt über die einschlägige Untersuchung von Pauline SchmittPantel, La cité au banquet. Histoire des repas publics dans les cités grecques (1992). Das dort S. 545 f. abgedruckte Dekret von Kyme für Kleanax (SEG XXXII 1243) bietet übrigens mit der Wendung ἀρίστισε τὸ πλᾶϑος (Ζ. 19) eine Parallele zu dem hier besprochenen Fragment aus Arykanda. Bei Frau Schmitt-Pantel (263–265) lernt man auch, daß die besonders im Deutschen gebräuchliche Wiedergabe von ἄριστον mit „Frühstück“ irreführend ist: es geht, wenn es nicht einfach als „repas“ zu verstehen ist, um das „déjeuner“ in der spezifisch französischen Bedeutung.
Abb. 1
12 A. Wilhelm, ÖJh 10 (1907) 25 (Kl. Schr. II 1, 269) und AnzWien 1946, 123 f. (Kl. Schr. I 3, 137); L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 574 f.
55 Epigraphische Notizen 18–20 Mit dem Band 54 der „Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien“ hat Sencer Şahin in einer stattlichen Publikation den ersten Teil eines Corpus der Inschriften von Perge vorgelegt. Damit erfährt das umfangreiche epigraphische Material dieser wichtigen pamphylischen Stadt nach längeren Vorarbeiten1 eine umfassende Veröffentlichung, in der über bereits bekannte Inschriften hinaus in nicht geringer Zahl bisher unpubliziert gebliebene Funde aus der langen Grabungstätigkeit das Interesse auf sich ziehen. Als Frucht einer ersten Lektüre des anregenden Bandes seien hierzu einige kurze Bemerkungen mitgeteilt.
18 ἱματιοφυλάκιον Eine aus 69 Fragmenten zusammengesetzte Inschriftplatte aus den in flavischer Zeit errichteten Südthermen berichtet von der Stiftungstätigkeit eines prominenten Mannes, Cn. Postumius Q. f. Collina Cornutus (Nr. 60). Es geht um die Errichtung eines δωδεκάστυλον und vier weiterer davor stehender Säulen, und zwar ἐν τῷ ἱματιοφυλακίῳ. Şahin weist daraufhin, daß der Terminus ἱματιοφυλάκιον in Inschriften bisher nicht bezeugt war. Registriert ist er nur mehrfach in den griechisch-lateinischen Glossaren, wo als sein lateinisches Äquivalent „vestiarium“ angegeben wird (vgl. Corp. Gloss. Lat. VII 409). Eine entsprechende architektonische Installation wird in Lukians kleiner Schrift Hippias mit der Beschreibung des von diesem errichteten Bades erwähnt (8): τὰς κοινὰς τῶν ἱματιοφυλακούντων κατασκευάς (J. Bompaire: „les installations communes des vestiaires“)2. Angeschlossen sei hier aber noch der Hinweis auf ein epigraphisches Zeugnis, das indes nicht den architektonischen Aspekt betrifft, sondern organisatorische Probleme der φυλακὴ τῶν ἱματίων in einem Gymnasion zu berühren scheint: In dem nach dem Fund eines Mörtelabdrucks erheblich verbesserten Text des Ehrendekrets für den Gymnasiarchen Metrodoros aus Pergamon (IvPergamon 252) hat H. Hepding unter den Maßnahmen für das Gymnasion der πρεσβύτεροι die folgende Aussage gewinnen können (AM 32, 1907, 274 Z. 13 ff.): περί τε τῆς / φυλακῆς [τῶν ἱ]ματίων δια̣τ̣ α̣ξάμενος οὐκ ἀνοικείως ὁμόσε τοῖς ἄλλοις ἐ[πι]/ νοήμασιν οὐ τὸν τυχόντα ἔπαινον ἐφειλκύσατο. Hepding verstand das so: Metrodo-
EpigrAnat 31, 1999, 31–34. 1 Besonders hervorzuheben ist die Zusammenstellung der „publizierten Inschriften von Perge“ durch R. Merkelbach und S. Şahin in EpigrAnat 11, 1988, 97–170. 2 Zu der Schrift und zu der Baubeschreibung C. P. Jones, Culture and Society in Lucian (1986) 155. Für die Frage der Kleideraufbewahrung vgl. R. Ginouvès, Balaneutiké. Recherches sur le bain dans l’antiquité grecque (1962) 215 mit Anm. 2. – Şahin macht darauf aufmerksam, daß in derselben Schrift Hipp. 5 für die Kleiderablage der Begriff ἀποϑέσεις verwendet wird (Bompaire: „vestiaires“).
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ros habe „eine Verordnung über die Aufbewahrung der Kleider, vielleicht über die Anstellung eines besonderen Wächters, erlassen, die sich als praktisch erwies“.3 Im Falle der Inschrift von Perge besteht das Interesse der Erwähnung des ἱματιοφυλάκιον allerdings speziell in den architektonischen Details, bei denen man sich eine Überprüfung | anhand des archäologischen Befundes wünschte4. Wenn in diesem Himatiophylakion ein „Zwölf-Säulen-Bau“ errichtet werden konnte, muß es ein Raum von erheblicher Größe gewesen sein. Abweichend vom Herausgeber möchte ich in diesem Zusammenhang vermuten, daß die Präzisierung τῶν ποικίλων κειόνων, also der Hinweis auf die polychromen Marmorsäulen5, eben mit dem Begriff δωδεκάστυλον zu verbinden sein dürfte. Cn. Postumius Cornutus tritt im selben Gebäude noch als Stifter eines λ]ακω [νικόν?] hervor (Nr. 61); die Veröffentlichung seiner Grabinschrift stellt Şahin für den zweiten Band in Aussicht {IvPerge 383}.
19 Stiftung des M. Feridius P. f. Eine als Spolie im Theater verbaut gewesene große Kalksteinplatte führt auf ein Familiendenkmal für einen gewissen M. Feridius (Nr. 66)6. Der erhaltene Textteil endet mit einem ψήφισμα, in dem die Leistungen des Feridius für das σύστημα τῶν γεραιῶν, also den Altersverein der γεραιοί oder γέροντες7, gewürdigt werden. Von dem Text ist allerdings nach der Rekonstruktion des Herausgebers die ganze linke Hälfte verloren gegangen. Berichtet wird von der Stiftung von Grundstücken zu Gunsten der γεραιοί: Z. 6 ἄμπελοι an einem Ort Aronda, Z. 7 eine χώρα (?) „bei dem Heiligtum (ἱερόν, nicht: Tempel) der Artemis“. Die Einkünfte daraus werden für seine Lebenszeit noch dem Stifter oder einem Angehörigen zugesprochen8, nach dessen Tod sollen sie zur Finanzierung eines jährlichen Gedenktages dienen (Z. 8 etwa: ἵνα … ἄγ]η̣τ̣ αι αὐτοῦ ἡμέρα
3 Vgl. dazu auch Ph. Gauthier – M. B. Hatzopoulos, La loi gymnasiarchique de Béroia (1993) 130. 4 Şahin gibt S. 68 einen Plan der Südthermen von Perge, in dem unter der Ziffer 11 auch die Lokalisierung des in der Inschrift genannten Himatiophylakion angeführt wird, allerdings mit der Bemerkung (bei Ziffer 5): „Dieser Raum ist noch nicht ausgegraben.“ 5 Für dieses Detail vgl. die Bemerkungen von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1965 n. 368 p. 160 zur trajanischen Weihinschrift an der Porticus des Mausolos in Labranda, die τοὺς ποικίλους κείονας nennt: „à savoir des colonnes en marbre polychrome, ce qui est un détail fort intéressant et convient très bien à cette période“. 6 Man vgl. die auf S. 8–13 vorgetragene vollständige Textergänzung von C. P. Jones. 7 Man vgl. in Nr. 56 die Angabe über Demetrios, den Sohn des Apollonios: γυμνασίαρχος νέων τε καὶ γεραιῶν καὶ παίδων. Für γεραιοί als Synonym für γέροντες s. L. Robert, Hellenica III 35, für σύστημα außerdem Th. Drew-Bear, Glotta 50, 1972, 223. – Das von Şahin in Großbuchstaben wiedergegebene ΔΙΗΣ in Z. 4 ist sicher δι’ ἧς in einer Relativkonstruktion, etwa δι’ ἧς ἐτελείωσεν κα[λοκἀγαϑίας? 8 Z. 8 würde ich gegenüber dem von Şahin ergänzten ἐφ’ ᾧ τὰς προ[σόδους … αὐτὸς πρ]ο̣ σέχῃ εἰς τὸν τοῦ ζῆν χρόνον die Wendung …]ος ἔχῃ vorziehen.
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κατ’ ἔτος …9 Im Anschluß daran ergänzt Şahin [ὡς oἱ πολῖται ἐπὶ τῶν ]ν̣ ἐνγαίων χωρῶσιν εἴς τε οἶνον καὶ ἄρτον mit der Übersetzung: „und die Bürger sollen sich auf seinen gestifteten?] Feldern zu Wein und Brot versammeln“. Hier ist indes die Bedeutung der Wendung χωρεῖν εἰς verkannt. Diese ist seinerzeit von A. Wilhelm so erklärt worden (ÖJh 17, 1914, 32 = Kl. Schr. II 1, 498): „χωρεῖν wird … von Geldern gesagt, die einem bestimmten Zweck zufließen, und begegnet daher sehr oft in Stiftungsurkunden“. Die von Wilhelm angeführten Belege lassen sich vermehren10. Aufschlußreich ist z. B. die „Stiftung des Q. Caninius Synallasson für das Gymnasium der | jungen Männer“ in Iasos (IvIasos 248), wo die Wendung mehrmals begegnet, z. B. Z. 24: ἐφ’ ᾧ ἡ πρόσοδος αὐτῶν (scil. der gestifteten 5.000 Denare) ἀεὶ χωρήσει καϑ’ ἕκαστον ἐνιαυτὸν εἰς τὸ ἐλαιοχρείστιον. Es ist also in Z. 10 so etwas zu vermuten wie [ὅπως αἱ πρόσοδοι (τούτων?) τῶ]ν̣ ἐνγαίων χωρῶσιν εἴς τε οἶνον καὶ ἄρτον. Die Erträge sollen „für Wein und Brot“ verwendet werden, also für eine mit dem jährlichen Gedenktag verbundene Bewirtung. So häufig die Verteilung von Wein bezeugt ist11, wird doch die Verbindung mit der Ausgabe von Brot, wenn ich recht sehe, nur selten erwähnt12. Die sonst geläufige Fleischverteilung13 kommt hier nicht in Betracht, da auch nicht von der Ausführung eines Tieropfers die Rede gewesen zu sein scheint.
20 Fragment einer Gladiatoreninschrift Unter diesem Titel wird Nr. 203 das (links verstümmelte) Unterteil einer profilierten Marmorbasis vorgelegt, wo am Ende eines oben verlorenen Textes die Angabe gemacht wird: [ ]α εἰσήγαγεν· [γέν]ος μονομάχων τὸ [ὑπὲρ] ψυχῆς ἀγωνισάμενον. Indem er εἰσήγαγεν vom Folgenden abtrennt, scheint Şahin das Denkmal als von einem Gladiator ausgehend anzusehen: „der ein Sproß aus dem Geschlecht der Einzelkämpfer ist, welches auf Leben und Tod kämpfte“. Ich halte es aber für sicher, daß sich die Aussage auf einen Veranstalter eines Gladiatorenkampfes bezieht, indem die
9 Für die Wendung vgl. man z. B. A. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde 195; M. N. Tod, JHS 54, 1934, 152 mit Anm. 58; F. Piejko, Phoenix 45, 1991, 131. Ob es sich, wie Şahin zweifelnd ergänzt, um die γενέϑλιος ἡμέρα handelt, muß dahingestellt bleiben. Möglich wäre auch das in Z. 5 herausgehobene Datum der Ausbringung der Stiftung in den δημόσια χρηματιστήρια (dazu L. und J. Robert, Claros I [1989] 43). 10 Vgl. auch L. Robert, REG 42, 1929, 430 (OMS I 218); Études anatoliennes 380 f.; J. Nollé, ZPE 48, 1982, 270 f. 11 Für Verteilungen von Wein vgl. L. Robert, StCl 10, 1968, 85 mit Anm. 42 (OMS VI 273), für οἰνοπόσιον Bull. épigr. 1962 n. 239 p. 191; P. Schmitt-Pantel, La cité au banquet (1992) 342–4. 12 Es fällt auf, daß in dem Buch von Schmitt-Pantel weder ἄρτος noch „pain“ im Index vorkommt. Ich finde einen Beleg für die Verbindung von Wein und Brot in der kaiserzeitlichen Inschrift von Eresos IG XII Suppl. 124, 15. An anderer Stelle (Z. 8) tritt noch Fleisch hinzu, so wie auch in der Inschrift aus Syros IG XII 5, 667, 13 (Syll.3 890). 13 Vgl. L. Robert, Hellenica XI/XII 480 f. zu ἀρτοκρέας; Schmitt-Pantel a. a. O. 339.
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Inschriften aus verschiedenen Regionen
Angabe der Zeilen 2–4 als das Objekt des vorhergehenden εἰσήγαγεν aufzufassen ist. Zu ergänzen ist dabei εἰσήγαγεν [ζεῦγ]ος μονομάχων … Der Unbekannte, auf den sich die Inschrift bezieht, hat ein Paar14 Gladiatoren „eingeführt“, d. h. auftreten lassen, die um Tod oder Leben zu kämpfen hatten. Auf die Besonderheit der letztgenannten Bedingung, ὑπὲρ ψυχῆς, hat Şahin mit Bezugnahme auf L. Robert hingewiesen. Sie ist auch in einer vor einigen Jahren von W. Günther veröffentlichten Inschrift für einen Kaiserpriester aus Milet enthalten, der sich durch entsprechende Veranstaltungen hervorgetan hatte (IstMitt 35, 1985, 124 n. 1 = SEG XXXV 1132 {Milet VI 3 n. 1141}), wobei der Herausgeber die Formel als gleichbedeutend mit einem Kampf sine missione interpretierte. Günther konnte dabei (128 Anm. 19) auf eine Inschrift aus Beroia aus dem Jahr 240 verweisen (jetzt: L. Gounaropoulou – M. B. Hatzopoulos, Ἐπιγραφὲς Βεροίας [1998] n. 69), deren Details auch für den Text aus Perge von Interesse sind: In der Ankündigung der von einem Makedoniarchen-Ehepaar veranstalteten 3-tägigen Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe wird als „Zusatzleistung“ die tägliche Einführung (προσεισάγοντες) eines ζεῦγος περὶ τῆς ψυχῆς ἀγωνιούμενον herausgehoben. Auch die dortige Fortsetzung ist für das Verständnis unserer Inschrift aufschlußreich: κατὰ συνχώρησιν τοῦ κυρίου ἡμῶν … (Gordian III.), dem κατὰ | ϑείαν δω[ρε]άν in Perge entsprechend, womit auf das Erfordernis einer beim Kaiser einzuholenden Erlaubnis hingewiesen wird15. Es ist bedauerlich, daß durch die Verstümmelung des Denkmals der Name des Veranstalters des Gladiatorenkampfes und wohl auch schon die Nennung anderer Leistungen16 verloren gegangen ist. Er wäre ohne Zweifel in der munizipalen Elite Perges zu suchen, ja könnte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit städtischer Kaiserpriester gewesen sein, da wir wissen, daß die Veranstaltung von solchen munera im besonderen von den ἀρχιερεῖς erwartet wurde17.
14 In den Gladiatoreninschriften variieren die Ausdrücke ζυγός, ζυγόν und ζεῦγος: s. W. Günther, IstMitt 35, 1985, 127 mit Anm. 13, wo auf L. Robert, Les gladiateurs dans l’orient grec (1940) 282 verwiesen wird. 15 Dazu L. Robert, Gladiateurs 274; in der erwähnten milesischen Inschrift steht dafür (wie auch sonst häufiger) ἐκ ϑείας φ[ιλοδωρίας] „nach Maßgabe einer kaiserlichen Bewilligung“, dazu Günther a. a. O. 129. Vgl. auch J. Nollé, JNG 42/43, 1992/93, 69 f. im Rahmen seines auf Münzzeugnisse konzentrierten Aufsatzes „Kaiserliche Privilegien für Gladiatorenmunera und Tierhetzen“. 16 Eine Zusammenfassung mehrerer vorher aufgeführter Details könnte in dem von Şahin am Anfang von Z. 5 erwogenen [πά]ντα enthalten sein, wenn denn die Ergänzung zutrifft. Ich kann keinen anderen Vorschlag präsentieren. 17 Vgl. dafür – nach Robert, Gladiateurs 270–5 – wiederum Günther a. a. O. 126 mit Anm. 7.
Übergreifende Darstellungen
56 Kaiserliche Garantie für private Stiftungen Ein Beitrag zum Thema „Kaiser und städtische Finanzen“ Der Prozeß der zunehmenden Ingerenz der kaiserlichen Regierung in die vordem autonome Sphäre städtischer Finanzgebarung wird am Beginn des 2. Jahrhunderts in anschaulicher Weise illustriert durch die bekannte diesbezügliche Briefserie im 10. Buch des Plinius, zu der als dokumentarisches Komplement die ersten Belege für Titel und Funktion des curator rei publicae bzw. des λογιστής in Inschriften treten.1 Charakteristischerweise bildet dabei der Sektor der öffentlichen Bautätigkeit einen besonderen Ansatzpunkt für solche staatlichen Kontrolltendenzen, wie die PliniusKorrespondenz deutlich zeigt. Aber auch andere Bereiche der städtischen Finanzverwaltung ziehen das Interesse des Regierungsvertreters auf sich und führen zu dirigistischen Eingriffen.2 Es ist verständlich, daß dieses Phänomen in der Forschung vorwiegend aus der Perspektive der Reichsregierung in den Blick genommen worden ist, der dann auch eine entsprechende Tendenz zur Systematisierung und Institutionalisierung einer solchen Kontrolle zugesprochen wurde. Damit verband sich eine gewissermaßen selbstverständliche Erklärung des Prozesses aus dem Blickwinkel des Staatsinteresses: „Je weniger die Gemeinden ihrer Aufgabe gewachsen waren, im eigenen Haushalte über Ordnung zu wachen, desto mehr gebot dem Staate die Rücksicht auf seine Selbsterhaltung eine gründliche Beaufsichtigung.“3 Was die Institution des curator rei publicae betrifft, so hat freilich G. P. Burton in einem eben erschienenen Beitrag Zweifel daran angemeldet, daß sie zu einem solchen „endemic phenomenon“ geworden ist, wie gemeinhin angenommen wird, wobei er sich gerade auf statistische Überlegungen hinsichtlich der Provinz Asia stützt (Chiron 9, 1979, 470–3). Die Gefahr einer | zu schnellen Verallgemeinerung und Einseitigkeit W. Eck – H. Galsterer – H. Wolff (Hrsg.), Studien zur antiken Sozialgeschichte. Festschrift Friedrich Vittinghoff, Köln/Wien 1980, 339–356 und 2 Abbildungen. 1 Zum curator rei publicae zuletzt W. Langhammer, Die rechtliche und soziale Stellung der magistratus municipales und der decuriones in der Übergangsphase der Städte von sich selbst verwaltenden Gemeinden zu Vollzugsorganen des spätantiken Zwangsstaates, Wiesbaden 1973, 165–175 mit den Literaturangaben Anm. 824; W. Eck, Die staatliche Organisation Italiens in der hohen Kaiserzeit (Vestigia Band 28), München 1979, 190–3 mit der Diskussion über die Datierung der frühesten Belege (191 Anm. 5); G. P. Burton, Chiron 9, 1979, 465–487. Die ältere Liste der Belege für die Funktion des λογιστής bei M. N. Tod, JHS 42, 1922, 172 (vgl. dazu noch L. Robert, Hellenica I 47) ist jetzt für die Provinz Asia vervollständigt durch die Aufstellung von G. P. Burton a. a. O. 481–7. 2 Auf eine Aufzählung der gut bekannten Beispiele wird hier verzichtet. Es möge der Hinweis auf die Zusammenfassungen bei A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary, Oxford 1966, 527 und 585 genügen. 3 W. Liebenam, Philologus 56, 1897, 309 (in der von der Materialerfassung her immer noch grundlegenden Untersuchung); ganz ähnlich ist noch die Formulierung bei Langhammer a. a. O. 166.
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Übergreifende Darstellungen
in der Beurteilung scheint mir aber auch mit der gängigen Erklärung des Phänomens aus der Perspektive des römischen Staatsinteresses verbunden zu sein. Eine differenzierte Betrachtung der uns erreichbaren Einzelzeugnisse vermag nämlich, wie ich meine, durchaus auch spezifische Interessen von städtischer Seite als eine komplementäre Triebkraft der Entwicklung erkennen zu lassen. In diesem Sinne soll hier das gewiß schon viel behandelte Thema durch ein neues Inschriftenzeugnis beleuchtet werden, das an sich nur ein Randphänomen berührt, aber von daher vielleicht doch nicht ganz uninteressante Perspektiven einbringen kann. Stiftung einer αἰώνιος στεφανηφορία in Magnesia am Sipylos Auf ihrer ersten Forschungsreise in Lydien haben Josef Keil und Anton von Premerstein 1906 in Manisa einen in der Hatuniye-Moschee verbauten Inschriftenblock aufgenommen, der ein interessantes Beispiel einer Stiftung kennen lehrte, mit der in Magnesia a. S. vermutlich gegen die Mitte des 2. Jahrhunderts für eine kontinuierliche Besetzung des eponymen Amtes der Stadt vorgesorgt werden sollte (Keil – v. Premerstein, Bericht über eine Reise in Lydien und der südlichen Aiolis, DenkschrWien 53, 1908, 2 Nr. 5). Dabei konnten die Herausgeber den hier erscheinenden Begriff der „ewigen“ (αἰώνιος) Stephanephorie im Anschluß an die einige Zeit vorher erschienenen grundlegenden Erörterungen A. Wilhelms4 zu diesem Teilaspekt des Stiftungswesens erklären. Auch angesichts eines seitdem vermehrten Materials und späterer Behandlungen des Themas5 behält der Text aus Magnesia weiterhin seine Bedeutung.6
4 R. Heberdey – A. Wilhelm, Reisen in Kilikien, DenkschrWien 44,6, 1896, 153–4. Auf eine Bestätigung der Erklärung Wilhelms läuft die auf der Vorlage des gesamten bis dahin bekannten Materials aufbauende neuerliche Diskussion bei B. Laum, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike, 1914, I 46–50 hinaus. 5 Hier sind mehrere Beiträge von L. Robert zu nennen: BCH 57, 1933, 502 (OMS I 446); REA 62, 1960, 294–6 (OMS II 810–2); Documents de l’Asie Mineure méridionale, 1966, 83–5; AntCl 35, 1966, 389 Anm. 4; RPhil 41, 1967, 42. – Unter den schon von Laum I 48 aufgeführten Belegen für eine αἰώνιος στεφανηφορία scheint mir bei der Stiftungsinschrift aus Synaos/Simav Le Bas – Waddington 1006 (Laum II n. 197; vgl. L. Robert, Études anatoliennes 305 f.) zweifelhaft, ob sie mit Recht als Beleg in unserem Sinne, einer Stiftung für kontinuierliche Besetzung des Stephanephorenamtes, angesehen wird: einmal wegen des von der Überlieferung her nicht ganz sicheren, jedenfalls merkwürdigen Nebeneinanders εἰς στεφανηφο[ρία]ν ‹α›ἰώνιον (die Abschrift hat ΝΔΙΩ/ΝΙ . . ΟΝ) διὰ βίου [ἀπὸ ῥη]τῶν ἡμερῶν (?), zum anderen wegen des sonstigen Textzusammenhangs, bei dem ich mich frage, ob hier στεφανηφορία nicht im Sinne einer Bekränzung von Festteilnehmern verstanden werden könnte (vgl. dafür L. Robert, BCH 57, 1933, 522 f. = OMS I 490). 6 Er ist auf der Grundlage der Edition und Ergänzungen Keil – v. Premersteins übernommen von B. Laum, Stiftungen II 90 n. 80 und IGR IV 1342. Hinzugekommen ist lediglich die Erklärung des τόκος τροπαϊκιαῖος als monatlicher Zinsfuß von einem victoriatus (8 As oder ½ Denar, d. h. 6 % jährlich) durch B. Keil, Hermes 47, 1912, 151–3; vgl. dens., ZNum 32, 1915, 47–71; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1961 n. 336 p. 171 (nach A. Giovannini, Rome et la circulation monétaire en Grèce au IIe siècle av. J.-C., 1978, 26 aber nicht zur Bezeichnung der Münze des victoriatus, sondern als Synonym für quinarius).
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In dem kürzlich erschienenen Band „Die Inschriften von Magnesia am Sipylos“ von Thomas Ihnken (Band 8 der „Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien“, Bonn 1978) ist die Inschrift als Nr. 20 in der auf die Erstherausgeber zurückgehenden Form abgedruckt. Gegenüber diesem ursprünglichen Text sind aber nicht unerhebliche Modifikationen notwendig, die | sich aus inzwischen erfolgten Revisionen des Steines und vor allem dem Auftauchen eines zweiten Inschriftenblockes ergeben. Bei seinen im Auftrag der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1954 in Manisa durchgeführten Arbeiten hat nämlich F. Gschnitzer nicht nur den als Treppenstufe an der Hatuniye-Moschee verbauten Stein wieder ausfindig gemacht, sondern daneben einen dazugehörigen zweiten Block entdeckt, der offenbar 1906 nicht sichtbar war. 1957 konnte ich selbst die inzwischen in das Archäologische Museum verbrachten Blöcke (Inv.-Nr. 271) aufnehmen und Abschriften und Abklatsche an meinen Lehrer Josef Keil zur Aufnahme in das von ihm vorbereitete Corpus weitergeben. Er hat daraus eine Ausarbeitung für den Lydien-Band der Tituli Asiae Minoris vorgenommen, auf die ich im folgenden noch zurückgreifen werde. Ein neuerlicher Besuch im Museum von Manisa im September 1979 hat mir dank des freundlichen Entgegenkommens des jetzigen Direktors, Herrn Kubilay Nayirs, noch einmal Gelegenheit zu einer gründlichen Revision gegeben.
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A. Quaderblock aus weißem Marmor; alle Seiten erhalten, links nach hinten schräg abgeschnitten, was möglicherweise sekundär ist, aber die Kanten besonders oben, links und unten bestoßen. Auf der (stark abgetretenen) Oberseite Dübelloch für Schwalbenschwanzklammer nach rechts. Schriftfläche rechts zum Teil zerstört. H. 18,5, B. 96, D. 45 cm; Schriftbreite ca. 91 cm; Buchstabenhöhe 1,6, Zeilenabstand 1 cm (vorgeritzte Linien). Εd. J. Keil – A. v. Premerstein, Erste Reise 2 n. 5 mit der FaksimileZeichnung Abb. 4 (Abb. 1). B. Quaderblock aus weißem Marmor; alle Seiten erhalten, aber die Kanten besonders links, oben und rechts stärker bestoßen. Auf der Oberseite Dübellöcher für Anschluß nach links und rechts. Schriftfläche in der mittleren Partie stärker zerstört. H. 18,5, B. 84, D. 45 cm; Schriftbreite ca. 81 cm; Buchstabenhöhe und Zeilenabstand wie oben. Unpubliziert (Abb. 2). {TAM V 2 n. 1345; I.Manisa Museum 23} A [v.?] ἐπὶ στεφα̣ν̣ η̣φ̣ όρ̣ ου Π. Αἰ[λίου Ἀπ]ολλωνίου νε(ωτέρου), μηνὸς Δαισίου γʹ [ ca. 4 ] [Π. Α]ἰλίου Μενεμάχου Κλαυδιανοῦ καὶ Π. Αἰλίου Διοκλέους [Κλαυ]διανοῦ· ΤΑ̣[ ․ ] [․ ․ ․]Ν̣ εἰς αἰώνιον στεφανηφορίαν καϑὼς ὑπογέγραπται· vacat 4 [․ ․ ․ ․] τόκος αὐτῶν τροπαϊκιαῖος ἄρξει τῇ πόλει ἀπὸ τῆς Σεβαστῆς τοῦ̣ Δ̣ [εί]ο[υ] [μηνὸς τ]οῦ ἐπὶ Σ[․ ․ ․ ․ ․]Ο̣[․ ․ ․ ․ ․]Υ Παπί[ο]υ ἥρωος τὸ γʹ [ ca. 20 ] B
[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ? κατὰ τὴν τοῦ] [Αὐτ]οκράτορος διάταξιν [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἐ-] [ὰν] ἐπείξῃ ἡ στεφανηφορία ΕΠΙΓ̣ Ρ̣[․ ․ ․ ․ ․]Ν̣Ο̣Υ̣ ․ στεφανηφορία Π[ ca. 4 ]
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Übergreifende Darstellungen
[Π.] Αἰλίου Μενεμάχου Κλαυδιανοῦ καὶ μετ’ αὐτὸν ὅταν ἀϑροισϑῇ π̣[ρό-] σοδος ἐκ τῶν τόκων ἐπιγραφήσεται στεφανηφόρος Π. Αἴλιος Διοκλ[ῆς] Κλαυδιανός, καὶ οὕτως ἡ [διαδ]οχὴ τῶ[ν σ]τεφανηφοριῶ[ν δι’] ἐπιγραφῶ̣[ν]
A. Ζ. 1: Der Zeilenbeginn war wahrscheinlich eingerückt. Z. 2 Ende: nach T Reste einer schrägen Haste. Z. 3 Anfang: vor εἰς zwei senkrechte Hasten; außer N käme auch H in Betracht. Z. 4 Anfang: eventuell [ὁ μὲν] oder [ἐφ’ ᾧ ὁ]. Z. 5 Mitte: Zwischen ἐπὶ und Παπίου wäre dem Platz nach σ[τεφανηφόρου] (so Keil – v. Premerstein) gut möglich, es macht aber der obere Rest einer Rundung Schwierigkeit, deren Stelle nicht mit einem O in diesem Wort verbunden werden kann; denkbar wäre eventuell die Nennung eines Namens mit Patronymikon, also z. B. ἐπὶ Σ[τράτ]ω̣[νος το]ῦ Παπίου. B. Z. 1: über ΔΙΑ in Z. 2 schwache Buchstabenreste. Z. 3 Mitte: nach EΠΙ und vor ΣΤΕΦ unsichere Buchstabenreste, bei denen es sich auch um Steinbeschädigung handeln könnte. Vom Platz her würde ἐπιγρ[αφήσεται ἡ] στεφανηφορία gut passen.
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J. Keil hat erkannt, daß Block B unterhalb von Block A anzusetzen ist, und hat zugleich angenommen, daß es sich um Quadern von der Wand eines antiken Gebäudes, vielleicht des Prytaneions von Magnesia, handelt. Nach seiner Meinung folgte B unmittelbar auf A. Das scheint vom Text her möglich zu sein, wenn ich auch von der Mauertechnik her eine Anordnung mit gegeneinander verschobenen Quaderschichten vorziehen würde, wobei dann ein längerer, uns verlorener Textzusammenhang zwischen A und B vorauszusetzen wäre. Der materielle Befund ergibt gegenüber der ursprünglichen Annahme von Keil – v. Premerstein, daß von Block A links und rechts der Rand erhalten ist, so daß die Zeilenlängen kürzer gewesen sein müssen als von den Herausgebern vermutet. Wichtig ist in A 2 die Lesung [Κλαυ]διανοῦ, mit der durch B 4–6 bestätigten Erkenntnis, daß beide Genannten Κλαυδιανός als 2. Cognomen geführt haben, und daß kein Platz mehr für einen 3. Namen bleibt. In Anbetracht der reduzierten Zeilenlängen wird auch die Verknüpfung der Zeilen A 1 und 2 durch Keil – v. Premerstein [ὑπὲρ αὐτοῦ / καὶ τῶν υἱῶν] hinfällig. Überdies ist darauf hinzuweisen, daß es für eine bei Keil – v. Premerstein rekonstruierte 1. Zeile, in der der Name eines P. Aelius im Nominativ erschien, keinen Anhaltspunkt gibt, ebensowenig da|für, daß, wie Ihnken annimmt, die Inschrift von einem Grab stammt. Durch die verbesserte Lesung von A und die Bestätigung auf dem Block B ist zwar nun gesichert, daß nur die beiden sicher miteinander verwandten Aelii die Stifter waren, aber es entsteht die neue Schwierigkeit einer eventuellen Textergänzung am Ende von A 1 sowie der Ergänzung im Übergang von A 2–3: es bleibt kaum Platz für Nennung des Stiftungskapitals zuzüglich etwa eines Verbums, von dem εἰς αἰώνιον στεφ. abhängen könnte (etwa eine Konstruktion der Art [ὑπὸ / Π. Α]ἰλίου Μενεμάχου . . . . . . / [ἐδόϑ]η̣ εἰς αἰώνιον στεφ.). Könnte am Ende von Z. 2 eine Geldsumme nur mit Buchstaben bezeichnet worden sein, oder ist die Eintragung überhaupt ein verkürzter Auszug der umfangreicheren Stiftungsurkunde? Auch auf Block B bleibt noch die Schwierigkeit der Lesung Z. 3 und der Textherstellung im Übergang von Z. 3–4:
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könnte man am Ende von B 3 π[ρῶτον] (im Sinne von πρότερον: vgl. A. Wilhelm, ZPE 29, 1978, 89) erwägen? Obwohl die Textherstellung noch Probleme offen läßt, sind doch durch das Hinzukommen des zweiten Blockes interessante Aufschlüsse gewonnen, auf denen der folgende Versuch der Interpretation aufbauen kann. Die neuen Erkenntnisse über die Modalitäten der Stiftung bestehen zunächst in folgendem: Durch den Eingang der aus dem Stiftungskapital stammenden Zinsen soll gesichert sein, daß zunächst der eine der beiden Stifter, Menemachos, danach der andere, Diokles, als Stephanephor „eingetragen“ wird. Gemeint ist offensichtlich ein Alternieren, wodurch im Sinne der „ewigen“ Stiftung für die [διαδ]οχή7 in der Bekleidung des eponymen Amtes vorgesorgt ist. Es ist bemerkenswert, daß dabei dem Akt der ἐπιγραφή eine besondere Bedeutung zuzukommen scheint, worin vermutlich einer wichtigen, diese Form von Stiftungen begleitenden Intention der Stifter, nämlich der entsprechenden „Propagierung“ ihrer Namen, Genüge getan wird.8 Nun wird aber diese Verwendung der Stephanephorie-Gelder und die Eintragung der Namen der Stifter als Eponyme eines jeweiligen Jahres nicht als Automatismus angeordnet worden sein, sondern sie war offenkundig an eine Bedingung geknüpft: den Fall der „Notwendigkeit“, d. h. das Ausbleiben eines normalen für das Amt in Betracht kommenden Kandidaten. Das möchte ich dem in B 3 gerade noch erhaltenen ἐπείξῃ entnehmen, ohne si|cher sagen zu können, wie die Konstruktion genau war.9 Dazu 7 Die Bedeutung der διαδοχή in einer Stiftung wird – in etwas anderer Weise – auch in dem „Testament des Epikrates“ erkennbar: P. Herrmann – K. Z. Polatkan, SBWien 265,1, 1969, 12 Z. 58 und 67 (an der 2. Stelle hat J. Triantaphyllopoulos βασμῶν διαδοχή als Äquivalent des lateinischen successio graduum erklärt: Flores Legum H. J. Scheltema … oblati, Groningen 1971, 186 f.; Akten des VI. Intern. Kongresses f. griech. u. lat. Epigraphik München 1972 (Vestigia Band 17), 1973, 182 f.). 8 Man vgl. dafür die von P. Veyne, Le pain et le cirque, Paris 1976, 242 genannten Motive für Stiftungen: „le patriotisme, l’amour de la renommée et le désir de laisser un grand souvenir“, mit den dort gegebenen Hinweisen auf Benennung „ewiger“ Stiftungen mit dem Namen des Wohltäters. In unserem Falle wird man in erster Linie an die Aufzeichnung der Eponymenliste selbst denken, nicht so sehr an die darin freilich auch implizierte Konsequenz, daß die Namen der Stifter damit auch in das Formular öffentlicher Urkunden eingehen: zu dieser Verwendung von ἐπιγράφω L. Robert bei M. Holleaux, Études d’épigraphie et d’histoire grecques III 170 Anm. 4. Wieder etwas anderes, aber dieselbe Intention treffend, ist das Interesse von Stiftern an der Anbringung einer ἐπιγραφή an von ihnen gestifteten Bauten: s. dazu A. Wilhelm, ÖJh 18, 1915, Beibl. 26; J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1968 n. 444 p. 505 und 1973 n. 417; H. Engelmann zu IvKyme 13, 37. 9 L. Robert hat auf die Verwendung der Formel ἐὰν ἐπείξῃ „s’il s’en présente la nécessité“ speziell in Grabinschriften aus dem Raum von Nikomedeia hingewiesen: AntCl 35, 1966, 388 Anm. 1 und CRAI 1978, 270 mit Anm. 1. Für diesen unpersönlichen Gebrauch von ἐπείγει verweisen die Lexika in der Regel auf eine Stelle beim Autor Περὶ ὕψους 43, 6 οὐκ … ἐπείγει … διαριϑμεῖν, wo Ζ. Pearce in seiner Ausgabe charakteristischerweise ἐπείγει durch δεῖ hatte ersetzen wollen. In seinem Kommentar zu der Stelle gibt B. Weiske (Leipzig 1809) zahlreiche Belege aus der kaiserzeitlichen griechischen Literatur (nach J. Toup, auf den sich auch H. Stephanus s. v. ἐπείγω bezieht). Ich würde auch an unserer Stelle unpersönliches ἐὰν ἐπείξῃ für sehr wahrscheinlich halten, da man wohl ἡ στεφανηφορία nicht gut zum Subjekt des Verbs machen kann. In Inschriften ist gelegentlich von ἐπείγοντες καιροί die
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Übergreifende Darstellungen
läßt sich dann, wie es Keil – v. Premerstein bereits getan haben, als eine ausführlichere Parallele die Formulierung in einer großen Ehreninschrift für T. Aelius Alkibiades aus Nysa a. M. stellen, wo interessanterweise ebenfalls von der Stiftung einer „ewigen“ Stephanephorie die Rede ist (BCH 9, 1885, 128 Z. 44 ff. = Laum, Stiftungen II 122 n. 131)10: καὶ τῇ πόλει / τὴν στεφανηφορίαν ἀϑάνατον πα/ρασχών, ὅταν μηδεὶς τῶν πολειτῶν / τῶν ὀφειλόντων τὴν ἀρχὴν ταύτην / ἀναδέχεσϑαι δυνατὸς εὑρεϑῇ. Der Text zeigt deutlich, daß die Stiftungsgelder nur eingesetzt werden sollen, wenn sich kein Bürger in der Lage sieht, das Amt zu übernehmen, d. h. es aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Dabei läßt uns die Erwähnung der einen bestimmten Personenkreis betreffenden Verpflichtung zur Übernahme des Amtes aufhorchen. Man wüßte gern, ob in der Regelung in Magnesia ein ähnlicher Gesichtspunkt enthalten war. Das wird uns bei dem Erhaltungszustand der zwei Blöcke vorenthalten. Statt dessen bringt aber gerade der Anfang von Block B ein anderes wertvolles Detail: den Hinweis auf eine διάταξις des Kaisers, die in irgendeiner Weise wohl als Regel oder Vorschrift, der unsere Stiftung unterlag, eingeführt wurde ([κατὰ τὴν τοῦ αὐτ]οκράτορος διάταξιν). Was hat das zu bedeuten? Nach dem gängigen Wortgebrauch ist διάταξις das Äquivalent des lateinischen Begriffes constitutio,11 so daß also in dem Text aus Magnesia auf eine constitutio principis Bezug genommen zu werden scheint. Der Tatbestand, daß διάταξις als Terminus gerade auch im Stiftungswesen eine Rolle spielt, was, wie wir sehen werden, bei der uns beschäftigenden Dokumentengruppe zu Verständnisschwierigkeiten führen konnte,12 kann uns hier angesichts der unmittelbaren Koppelung des Begriffs mit αὐτοκράτορος glücklicherweise nicht irritieren. Die Frage kann sich vielmehr darauf konzentrieren, welche Bedeutung eine constitutio principis gegenüber der Stiftung der αἰώνιος στεφανηφορία in Magnesia a. S. haben konnte.
Rede: vgl. z. B. IvPriene 108, 48 {IvPriene (2014) 64, 48}; L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée, 1969, 314 mit Anm. 11 {IvLaodikeia 132 a 5}. Von „dringenden“ Zahlungsverpflichtungen spricht die Inschrift I.Lindos 419, 6: ἐπειδὴ συνβαίνει τὰς μὲν ποϑόδους τὰς Λινδίων ὑστερεῖν, τὰ δὲ εἰς τὰς ϑυσίας καὶ παναγύρεις ἀναλώματα πολλάκις ἐπείγειν …; vgl. auch IvPriene 108, 103 {IvPriene (2014) 64, 103} ἐπειγούσης τόκων ἀποδόσεως. 10 Mit den Berichtigungen durch N. Laskaris – K. Kourouniotis, AD 7, 1921/2, 84 f. (SEG IV 418). Photographie der Seite B des in İzmir befindlichen Steines bei L. Robert, Ét. épigr. et phil., 1938, Pl. X (vgl. 45 Anm. 2); vgl. auch dens., ΣΤΗΛΗ. Τόμος εἰς μνήμην Νικολάου Κοντολέοντος, Athen 1977, 16. 11 Man vgl. dafür jetzt H. J. Mason, Greek Terms for Roman Institutions (American Studies in Papyrology, Vol. XIII), Toronto 1974, 36 und 129–30. 12 Zur Bedeutung von διάταξις als „Verfügung“ vgl. Laum I 125; Herrmann – Polatkan a. a. O. 18. Die Frage, ob διάταξις-constitutio im Sinne einer Stiftungsverfügung oder eines Edikts zu verstehen ist, hat Kathleen M. T. Atkinson in dem für unser Thema wichtigen Aufsatz „The ‚constitutio‘ of Vedius Pollio at Ephesus“, RIDA 9, 1962, 261–289 schon für die augusteische Zeit aufgerollt. Sie hat sich dabei entgegen der bisher vorherrschenden Meinung für die erste Erklärung ausgesprochen und hat dieselbe Bedeutung der Termini auch für eine unten noch zu erwähnende pergamenische Urkunde trajanischer Zeit vorausgesetzt (s. Text zu Anm. 26).
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Von der Problematik der Texterhaltung abgesehen macht die Mehrdeutigkeit des Begriffs constitutio Schwierigkeiten. Unter Bezugnahme auf den viel zitierten Juristensatz (Gai. I 5) constitutio principis est quod imperator decreto vel edicto vel epistula constituit kann man sich fragen, welche Form einer constitutio in unserem Fall zugrunde liegt, und weiter – im | Anschluß an Plin. epist. X 65 –, ob die Bestimmung der angezogenen constitutio hier als ein proprium oder ein universale anzusehen ist.13 In seiner mir vorliegenden Ausarbeitung für die TAM hat Josef Keil der kaiserlichen constitutio hier ohne Umschweife universelle Bedeutung zugesprochen: „Videmus constitutione imperatoris, sive Traiani sive Hadriani, causas earum donationum, quibus divites cives aut incolae urbium provinciae Asiae impensas munerum in aeternum (A 4: εἰς αἰώνιον στεφανηφορίαν) suscipiebant, ordinatas esse, ita tamen, ne ullo anno ii homines deficiant, qui honores aut onera munerum gerere debebant. Iam anno anteriore nomina eorum hominum in albo magistratuum et munerum inscribenda erant, examinatis donationum reditibus, si re vera impensas munerum aequarent. Sine tali ordine administrationem urbium turbatam iri manifestum est.“ Nach dieser Auffassung wäre von einer zumindest die Städte Kleinasiens betreffenden, generellen kaiserlichen Regelung im Hinblick auf „ewige“ Stiftungen dieser Art auszugehen, mit der zugleich ein wichtiger Aspekt des städtischen Lebens und der Ordnung in der Provinz durch die römische Regierung in eine feste Form gebracht werden sollte. Es wäre eine bemerkenswerte Teilmaßnahme gegenüber der zunehmenden Problematik der Sicherung der Kontinuität städtischer Verwaltung, in der Form einer Alternative zu dem erfahrungsgemäß ja wenig tauglichen Mittel der Zwangsverpflichtung zu Ämtern. Bei allem Respekt gegenüber dieser scharfsinnigen Interpretation meines unvergeßlichen Lehrers zögere ich doch etwas, diese weitreichende Perspektive ohne eine kritische Ausschau nach diesbezüglichem Parallelmaterial, das als Bestätigung dienen könnte, zu übernehmen. Es ist zu fragen, ob wir von anderswoher Kenntnis haben von Fällen der Befassung der kaiserlichen Regierung mit Stiftungen, speziell solchen wie den uns beschäftigenden „ewigen“, denen man eine nicht unwichtige Bedeutung für das städtische Leben zuzuerkennen hat. Den Ansatzpunkt für eine Antwort liefert zunächst die grundlegende Monographie von Bernhardt Laum über „Stiftungen in der griechischen und römischen Antike“ (1914), der I 218 f. das für die römische Zeit neue Phänomen behandelt, daß „die Stiftung häufiger unter die Zentralgewalt der Kaiser gestellt (wird), deren Schutz vom Stifter oder vom Empfänger für die | Stiftung erbeten wird“. Dabei fügt Laum hinsichtlich der Prozedur die Bemerkung hinzu: „Entweder erteilt der Kaiser ihn (scil. den Schutz) selbst oder läßt ihn durch Senat oder Statthalter erteilen. Die verwaltungsrechtliche Kontrolle liegt den curatores rei publicae ob.“ Diese Feststellungen konnte Laum aus seinem Material mit insgesamt 9 Beispielen belegen, wobei freilich
13 Dazu die wichtigen Feststellungen von A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny 651.
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die Fälle, „wo der Kaiser selbst bei der Errichtung der Stiftung mitwirkt“, sich auf drei reduzieren. 1953 ist dann James H. Oliver in einem Kapitel seiner Schrift „The Ruling Power“ (TAPhS N. S. 43, 4), ausgehend von einem Passus der Rom-Rede des Aelius Aristides, der die Römer als νόμους κοινοὺς ἅπασι τάξαντες rühmt (102), ausführlich auf die Beispiele von „Roman declarations protecting Greek endowments“ eingegangen (S. 963–980). Dabei konnte er das Material Laums um drei weitere Beispiele vermehren und versuchte im übrigen durch chronologische Ordnung und genauere Interpretation eine Entwicklungslinie des Phänomens zu rekonstruieren und an ihr besonders auch die Intentionen der Beteiligten herauszuarbeiten. Er glaubt, aus dem Material drei zeitliche Phasen der Entwicklung nachweisen zu können, in denen zunächst die lokalen römischen Magistrate,14 später wahrscheinlich vom Kaiser eingesetzte „Experten“ auf lokaler Ebene tätig werden,15 und erst zuletzt der Kaiser selbst. Freilich will er sich für die Uniformität dieser prozeduralen Abfolge nicht unbedingt verbürgen.16 Was die Intentionen betrifft, so insistiert Oliver mit Recht darauf, daß das Interesse deutlich auf der Seite der Stifter oder der Empfänger der Stiftung lag, die damit einen rechtlichen Schutz für die Stiftung suchten. Das Verfahren sei nicht als „Einmischung“ anzusehen, sondern als Gewährung einer „Gunst“.17 Im übrigen möchte Oliver das hier von den Römern geübte Verfahren als Fortführung oder Weiterentwicklung entsprechender Aktivitäten der delphischen Amphiktyonie im Bereich der Asylie-Bestätigung deuten, wogegen allerdings Vorbehalte angebracht sein dürften.18
14 Das deutlichste Beispiel hierfür wäre die „Bestätigung“ der ephesischen Stiftung des C. Vibius Salutaris vom Jahre 104 durch den Statthalter und den legatus pro praetore (Forschungen in Ephesos II n. 27 {IvEphesos 27}, 73–83, vgl. 336–413; dazu Oliver 963 ff.). Den Ansatz zu diesem Verfahren glaubt Oliver auf Domitian zurückführen zu können (974), mit einem allerdings unsicheren Beleg in einer Stiftung aus Akmonia vom Jahre 85 (s. S. 970: Stiftung des T. Flavius Praxias IGR IV 661, von der L. Robert, Hellenica XI/XII 412 Anm. 2 eine Neuedition angekündigt hat; im Anschluß an Oliver vgl. H. W. Pleket, Mnemosyne IV 14, 1961, 307). 15 Der früheste datierbare Beleg hierfür wäre die Befassung eines ἔπαρχος (= praefectus aerarii?) mit einer Stiftung in Eleusis um das Jahr 137 (Hesperia 21, 1952, 382 Z. 32–42; Oliver 966). Nicht datierbar ist ein Beispiel aus Attaleia in Lydien, wo ein λογιστής (curator) erscheint (IGR IV 1168). Der Vorgang der Bestätigung wird in beiden Fällen mit ἀπόφασις bzw. ἀπεφήνατο ausgedrückt. 16 Oliver 975: „The evidence undoubtedly reflects the actual development, but the procedure at any one time may not have been quite as uniform as our few examples suggest.“ 17 Oliver 977: „It was not a meddlesome intervention into local affairs. Rather it constituted a strengthening of the recipient’s and donor’s purpose … It was a positive favor accorded by a friendly power, a favor that would bring the endowment under the protection of law where the law of the polis could not protect.“ Als konkrete rechtliche Grundlage des Schutzes nimmt Oliver 974 die lex Iulia peculatus et de sacrilegiis et de residuis an, mit der sich nach Dig. 48, 13, 7 Trajan und Hadrian befaßt zu haben scheinen (vgl. aber unten Anm. 25). 18 Man vgl. dafür die kritischen Bemerkungen von P. M. Fraser, CR N.S. 5, 1955, 163 f. und F. Vittinghoff, Gnomon 29, 1957, 76.
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Den uns interessierenden Tatbestand der Bestätigung einer Stiftung durch den Kaiser selbst sieht Oliver mit Sicherheit zum ersten Mal für Commodus bezeugt,19 da bei einem Antoninus Pius betreffenden Fall nicht sicher sei, ob er als | Statthalter von Asia (im Sinne von Olivers erster Phase des Verfahrens) oder als Kaiser agiert hat.20 Früher hatte man vor allem mit einem Papyrus-Dokument aus der Zeit des Septimius Severus argumentiert.21 Indessen wäre, wenn eine inzwischen von Kathleen Atkinson (s. Anm. 12) vertretene Interpretation zutreffend ist, der Beginn dieser Prozedur, Bestätigung einer Stiftung durch den Kaiser, bis in die augusteische Zeit, also an den Anfang des Prinzipats, zurückzuverfolgen. Atkinson bezieht sich dabei auf eine Erwähnung in dem berühmten in Ephesos gefundenen Edikt des Paullus Fabius Persicus aus claudischer Zeit.22 Dort schärft der Prokonsul die Beibehaltung einer bestimmten, den Verkauf von Priestertümern betreffenden Detailregelung ein κατὰ τὴν Οὐηδίου Πωλλίωνος διάταξιν τὴν καὶ ὑπὸ τοῦ ϑεοῦ Σεβαστοῦ συνφυλαχϑεῖσαν (VI 10). Abweichend von der bisherigen Auffassung sieht Atkinson in der διάταξις des Vedius Pollio nicht etwa ein Edikt oder dergleichen, sondern eine Stiftung, und aus einer zweiten Erwähnung dieser διάταξις in demselben Dokument (VIII 4) schließt sie, daß im Zentrum der Stiftung die Finanzierung eines penteterischen Agons zu Ehren des Augustus (Καισάρεια) stand, der anläßlich seines kleinasiatischen Aufenthalts 20/19 v. Chr. eingerichtet wurde.23 Die „Bestätigung“24 durch Augustus wird von ihr zwar als individueller Vorgang angesehen, der sich aus der Besonderheit der Situation erklären ließe, zugleich aber doch in seiner prinzipiellen Bedeutung als Präzedenzfall gewertet im 19 Es geht um die auf die Zeit des Augustus zurückgehende Agon-Stiftung des Sosibios von Antiocheia am Orontes, bei der Commodus durch eine ϑεία κέλευσις veranlaßte, daß ihre Erträge (dem Stiftungszweck entsprechend) dem δημόσιον zugingen und nicht von den πολιτευόμενοι vereinnahmt würden, wie sich das als Mißbrauch ausgebildet hatte (Malalas XII p. 284, 1 ff.; Oliver 969). Dazu ist zu bemerken, daß nach demselben Autor immerhin auch schon Claudius durch eine ϑεία κέλευσις sich mit der Stiftung befaßt hatte (X 248, 5). Zur Sache vgl. A. Schenk v. Stauffenberg, Die römische Kaisergeschichte bei Malalas, 1931, 412–443; G. Downey, A History of Antioch in Syria, 1961, 168 und 231. 20 Inschrift aus Tralleis: L. Robert, Études anatoliennes, 1937, 423 (SEG XV 663); Oliver 966 {IvTralleis 132}. 21 P. Oxy. IV 705 (Laum II 143 n. 206; Wilcken, Chrestomathie Nr. 153 und 407): 2 Eingaben des Aur. Horion an Septimius Severus und Caracalla (200–202) mit der Bitte um Bestätigung zweier von ihm vorgesehener Stiftungen (vgl. Laum I 219; Oliver 969). Dazu hatte U. Wilcken APF 4, 1908, 218 geäußert: „Wenn ich recht sehe, ist dies der erste Fall, wo (scil. in Stiftungen) die kaiserliche Genehmigung … und der kaiserliche Schutz erbeten und durch Reskript erteilt werden.“ 22 F. K. Dörner, Der Erlaß des Statthalters von Asia Paullus Fabius Persicus, Diss. Greifswald 1935; E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero, 1967, Nr. 380 {IvEphesos 18}. 23 Zweifel an dieser Interpretation von Atkinson hat F. Millar, JRS 56, 1966, 163 Anm. 88 angemeldet; vgl. dens., The Emperor in the Roman World, 1977, 448. 24 Atkinson übersetzt das συνφυλάσσω in der Regel mit „confirm“ oder „confirmation“ (p. 264: „that Augustus himself either confirmed, or at least upheld, the arrangement which Pollio had initiated“). Dabei bezieht sie das συν- 288 Anm. 110 auf die Ratifizierung durch Rat und Volksversammlung.
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Hinblick auf die Unterstellung einer griechischen Rechtsinstitution unter die Regeln des römischen Rechts.25 Wenn wir uns die Frage nach den Motiven für die Mitwirkung des Augustus stellen, so wird auch hier wieder das eigene Interesse des Stifters im Hinblick auf die Absicherung der Stiftung vorauszusetzen sein. Entgegen der Interpretation von Atkinson möchte ich annehmen, daß auch in einer anderen, freilich späteren Agon-Stiftung, die nun sicher ein Fest zu Ehren des Kaisers betraf, die Bestätigung durch kaiserliche constitutio eine Rolle spielte: bei der uns durch eine pergamenische Dokumentation greifbaren Einführung der dortigen Τραιάνεια Διφίλεια durch eine Stiftung des A. Iulius Quadratus.26 Anläßlich der Veröffentlichung einer neuen Kaiserurkunde M. Aurels aus Milet, | die die Erledigung eines milesischen Ansuchens auf Einführung eines eiselastischen Agons darstellt, habe ich kürzlich zu zeigen versucht, daß der Kaiser speziell im Hinblick auf daraus sich ergebende Belastungen für die städtischen Budgets sich mit solchen Fällen befaßte, wobei ich für die Bewilligungs-Prozedur die pergamenische Dokumentation mit heranzog.27 Hier wäre also ein kaiserliches Interesse an Kontrolle nicht primär wegen des Stiftungscharakters, sondern wegen der Implikationen für das städtische Budget oder gar die Budgets vieler Städte vorauszusetzen, wozu sich auch bestens das bekannte Briefpaar 118–9 über die Prämien (obsonia) für Sieger in eiselastischen Agonen in der Korrespondenz zwischen Plinius und Traian fügt. Darüber hinaus kann in diesen und ähnlichen Fällen der Kaiser auch wegen der mit der Stiftung verbundenen Aspekte des Kaiserkults mit der Angelegenheit befaßt worden sein.28 25 A. a. O. 285–9. Der besondere Anlaß könnte nach Atkinson 286 die persönliche Befassung des Augustus mit den Tempeleinkünften der Artemis gewesen sein oder auch die persönliche Freundschaft Pollios mit Augustus. Anders als Oliver (vgl. Anm. 17), dessen Beitrag sie nicht zu kennen scheint, nimmt Atkinson 288 an, daß die juristische Bedeutung in der Unterstellung der Stiftungsbedingungen unter die Grundsätze der pecunia constituta des römischen Privatrechts bestand. 26 CIL III Suppl. 7086 (IvPergamon 269; IGR IV 336; Abbott – Johnson, Municipal Administration 389 n. 73). In dem Text hat man seit Mommsen sowohl das ohne Zusammenhang auf einem gesonderten Fragment erhaltene διάταξις auf eine kaiserliche constitutio bzw. ein Edikt bezogen (CIL 7086, 4; IvPergamon 270 mit der Annahme, daß es sich um ein Fragment einer ähnlichen Schenkungsurkunde zugunsten der Traianeia, nach dem Muster derjenigen des Quadratus, handle, was von Atkinson 268 Anm. 38 übersehen wird) als auch besonders die Erwähnung einer constitutio in dem Auszug aus den kaiserlichen mandata (CIL 7086, 26): [… secundum meam c]onstitutionem. Atkinson a. a. O. 267 versucht constitutio wie auch διάταξις auf die Stiftung des A. Iulius Quadratus zu beziehen, indem sie statt meam die Ergänzung eius oder ipsius vorschlägt. 27 IstMitt 25, 1975, 149–166 {hier S. 323–342}, besonders 157–9. Dazu neuerdings auch H. W. Pleket, Arena 1, 1976, 62–3. 28 Das gilt vielleicht für den Fall des Cn. Dottius Plancianus, Asiarchen in Ephesos (vgl. M. Ross ner, StCl 16, 1974, 127), für den sich drei gleichlautende Inschriften in Antiochia in Pisidien gefunden haben (CIL III Suppl. 6835–7; Dessau 5081), in denen es heißt: ex liberal(itate) sua elect(o) agonothe(tae) perp(etuo) ab imp(eratore) divo Marco certam(inis) sacr(i) Hadrianion Ephesi. Dazu F. Millar, The Emperor in the Roman World, 1977, 449: „… it remains obscure how he came to be appointed by the emperor“. Er hält es aber für möglich, daß sich die „Wahl“ durch den Kaiser wegen des Zusammenhangs mit dem Kaiserkult erklärt.
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Aufschlußreich für unsere Fragestellung ist aber meines Erachtens vor allem ein (bei Oliver nicht berücksichtigtes) Dokument flavischer Zeit, das nun nicht eine AgonStiftung, sondern die Einrichtung einer αἰώνιος γυμνασιαρχία zum Inhalt hat: die in das Jahr 73 datierte Stiftung des Q. Veranius Philagros aus Kibyra (Laum II 129 n. 162 {IvKibyra 42A und 43})29. Philagros hat, nachdem er schon 12mal die Gymnasiarchie bekleidet hatte, durch Einbringung eines Stiftungskapitals von 400.000 rhodischen Drachmen die künftige Bekleidung des Amtes δι’ αἰῶνος sichergestellt. Unter den detaillierten Ausführungen wird bemerkenswerterweise durchaus der Fall vorgesehen, daß jemand ἐκ τῶν ἰδίων ἀναλωμάτων das Amt bekleiden will, d. h. wieder: die Zinsen aus dem Stiftungskapital sind nur in Anspruch zu nehmen, wenn anders das Amt nicht besetzbar wäre. Wenn die Zinsen nicht für die Gymnasiarchie gebraucht werden, sind sie für den Erwerb von Getreideland (κτήσεις σιτοφόροι) zu verwenden (B 4–9), das übrigens künftig den Namen des Stifters tragen soll (B 13–14). Für diese zur Verpflichtung gemachte Transaktion wird nun interessanterweise auf die Pflicht zur Rechenschaftslegung gegenüber Kaiser und Senat verwiesen (B 11–12): ὡς περὶ τούτου τῶι αὐτοκράτ[ο]/ρι καὶ τῆι συνκλήτωι λόγου ἀποδοϑησομέν[ου]. Diese auf Erfüllung des Stiftungszwecks30 abzielende Kontrolle durch Kaiser und Senat findet sich wieder in der Strafdrohung gegenüber dem Demos für den | Fall, daß er die Stiftung „beseitigen“ (καταλύειν) will (C 11–B 1): . . ὑπεύϑυνος ἔστω ὁ δῆμος τῶι αὐτοκράτορι καὶ τῆι 29 Von der auf dem Diazoma des Theaters von Kibyra aufgezeichneten Dokumentation über den städtischen Wohltäter Q. Veranius Philagros sind der auf die αἰώνιος γυμνασιαρχία bezügliche Teil A nach einer Abschrift von E. T. Daniell durch T. A. B. Spratt und E. Forbes, Travels in Lycia, Milyas and the Cibyratis, 1847, II 286 (danach CIG 4380a), die Teile B und C nach einer 1844 von dem englischen Architekten E. Falkener genommenen Abschrift 1852 durch W. Henzen (Annali dell’Inst. 24, 1852, 174 f.) veröffentlicht worden (danach das ganze bei Le Bas – Waddington 1213). F. v. Luschans Revision im Jahre 1882 hat ergeben, daß vom Text A mindestens 5 Ausfertigungen durch einzelne Phylen der Stadt existierten (E. Petersen – F. v. Luschan, Reisen in Lykien, Milyas und Kibyratis, 1889, 186 ff. Nr. 242–5). Nach dieser letzten Textwiedergabe (für B und C ist bei Petersen – v. Luschan kein neuer Textabdruck erfolgt) ist das ganze übernommen bei O. Liermann, Analecta epigraphica et agonistica, Diss. phil. Halenses X, 1889, p. 60; Laum II 129 n. 162; IGR IV 915. In allen diesen späteren Abdrucken ist leider übersehen, daß nach Petersen – v. Luschan 187 Anm. 3 und 188 Anm. 1 die Reihenfolge von B und C zu vertauschen ist und daß dann der Teil B unmittelbar an C anschließt (vgl. auch unten Anm. 34). Auf Grund der Bemerkungen ebd. 187 Anm. 3 über die sicheren Lesungen von C und B verzichte ich auf die Verwendung von Klammern in der Berichtigung offenkundiger Verlesungen in der Abschrift Falkeners. – Zur Person des Veranius vgl. auch E. A. Gordon, RE VIII A 1, 1955, 962 n. 13 und zuletzt L. Robert, BCH 102, 1978, 407–8. 30 M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich I 165 (vgl. SEHRE2 201 und 627 Anm. 11) hatte aus der Stelle eine spezifische kaiserliche Wirtschaftspolitik, die die Ausweitung des Getreideanbaus intendierte, ableiten wollen. Dem ist von C. S. Walton, JRS 19, 1929, 52 Anm. 3 und später von D. Magie, Roman Rule in Asia Minor II 1449 Anm. 64 mit Recht widersprochen worden (vgl. besonders Walton: „Philagrus, knowing that trusts were liable to be abused … had arranged for the funds to be audited by the State, which, in a senatorial province like Asia, with a sense of constitutional propriety he regarded as represented by the Senate and Emperor, acting through the proconsul and the imperial procurator“).
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/ συνκλήτωι εἰς τὸ ἀποκαταστῆσαι τὴν γυμνασιαρ/χίαν παρ’ ἑαυτοῦ καὶ τοὺς πόρους αὐτῆς //Β ταῖς τειμαῖς τῶν Σεβαστῶν καὶ τῆς συνκλήτου. Darüber hinaus wird die Stiftung noch mit einem sakralen Schutz versehen, in dem wieder Kaiser und Senat erscheinen: Leuten, die die Stiftung beseitigen oder ihr Kapital verringern31 wollen, wird angedroht (C 2–5): ἐν[αγ]εῖς ἔσ[τωσα]ν καὶ / ἀλιτήριοι τῶν τε Σεβαστῶν καὶ συνκλήτου καὶ τῆς πατρί/δος καὶ τῶν ἐν ταύτηι ἱερῶν καὶ ϑεῶν καὶ αὐτοὶ καὶ γενεαὶ αὐ/τῶν. Und schließlich wird, als dritte Sicherung für den Bestand der Stiftung, ein jährlicher Eid der Epheben angeordnet, an den sich eine Eidesleistung durch die Archonten und den Sekretär zugunsten des Demos anschließen soll (C 5–11): 8
ὀμνύτωσαν δὲ καϑ’ ἕκαστον ἐνιαυτὸν οἱ ἔφηβοι ἐν τῶι γυμνασίωι τὸν πάτριον ὅρκον συνφυλάξειν τὴν γυμνασιαρχίαν καὶ πάντας τοὺς πόρους αὐτῆς· ὀμνύτω δὲ καὶ ὁ δῆμος ἐν τῆι τῶν κατευχῶν ἡμέραι διὰ τῶν ἀρχόντων καὶ τοῦ γραμματέως τοῦ δήμου ὡς ὑπὲρ σωτηριωδεστάτου πράγματος τηρήσειν τὴν γυμνασιαρχίαν ταύτην καὶ τὰ χρήματα αὐτῆς.
Als Termin für die Ablegung des Eides im Namen des Demos wird ἡ τῶν κατευχῶν ἡμέρα genannt.32 Das hat W. Henzen – der Kenner der Arvalakten – unter Verweis auf Cass. Dio 79, 8, 3 (ἐν τῇ τῶν εὐχῶν ἡμέρᾳ) auf die Prozedur der vota annua pro incolumitate imperatorum bezogen, von der wir Hinweise haben, daß sie auch von den Provinzialen durchgeführt wurde.33 Wenn diese Deutung richtig ist, würde sich eine aufschlußreiche Verbindung zwischen der Stiftung des Philagros und bestimmten Elementen des Kaiserkultes oder doch der Kaiserehrung ergeben, wofür die Inschrift auch sonst einige Anhaltspunkte liefert.34 31 Statt des in allen Ausgaben übernommenen ἀλ[λοτρι]οῦν ist nach Petersen – v. Luschan 187 Anm. 3 zu lesen ἐλαττοῦν. 32 Die nach Falkener einigermaßen deutliche Lesung wird bei Petersen – v. Luschan 187 Anm. 3 allerdings eingeschränkt: „Ungewiß ist Z. 8 ΤΗΓΤΩΝΝΑΤΕΥΥΩΝΗΜΕΡΑΙ, namentlich TEYY.“ 33 Zu dieser Prozedur, die ab 38 n. Chr. für den 3. Januar bezeugt ist, s. die Bibliographie bei P. Herrmann, Der römische Kaisereid (Hypomnemata 20), 1968, 73 Anm. 66. Es ist nicht ganz klar, ob mit dieser Zeremonie auch die jährliche Wiederholung des „Treueides“ dem Kaiser gegenüber kombiniert war (ebd. 110 Anm. 68). Interessant ist jedenfalls, daß auch in Kibyra Gelübde (κατευχαί) und Eidesleistung verbunden waren. – Freilich muß hinzugefügt werden, daß die Verbindung mit dem „Kaisereid“ hier nicht unbedingt sicher ist, da es κατευχαί als vota annua offensichtlich auch im rein innergriechischen Bereich gegeben hat: man vgl. dafür H. Engelmann, IvKyme 19, 30 f. mit den Bemerkungen von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1976 n. 581 und 1978 n. 401. 34 Hierzu rechne ich vor allem – nach Petersen – v. Luschan 187 Anm. 3 – den Übergang zwischen C und B: … εἰς τὸ ἀποκαταστῆσαι τὴν γυμνασιαρχίαν … καὶ τοὺς πόρους αὐτῆς // ταῖς τειμαῖς τῶν Σεβαστῶν („genügend sicher“) καὶ τῆς αυνκλήτσυ. Worin die τιμαί der Kaiser bestanden, erfahren wir leider nicht. – Es ist auch darauf hinzuweisen, daß Philagros nach einer anderen im Theater von Kibyra gefundenen Ehreninschrift (Le Bas – Waddington 1212; IGR IV 914 {IvKibyra 41}) ἱερεὺς Καίσαρος
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Infolge der Lücken in der Dokumentation haben wir bei der Philagros-Stiftung keine Angabe darüber, wie die „Kontrolle“ von Kaiser und Senat über die Aufrechterhaltung der Stiftung institutionalisiert war. Es scheint mir aber sehr wahrscheinlich, daß wir dafür ein entsprechendes Ansuchen des Stifters bzw. der Stadt im Einvernehmen mit dem Stifter und daraufhin dann eine kaiserliche Bestätigung, die dann als διάταξις = | constitutio anzusehen war, voraussetzen können. Zu beachten bleibt das außerordentlich starke Eigeninteresse von Stifter und Stadt an dieser Absicherung, wobei besonders die zusätzliche Einbeziehung des sakralen Bereichs mit Eid und Verwünschungsformeln auffällt. Durch die Verankerung im Epheben- und Beamteneid wird die Stiftung zugleich deutlich in den Aufgabenkreis der städtischen Verwaltung und Finanzgebarung hineingenommen, aber hinter dieser städtischen Verantwortung steht als Garant und Kontrollinstanz die römische Regierung, d. h. wohl die in der Provinz zuständigen Repräsentanten von Kaiser und Senat.35 Wenn wir nun nach diesem längeren Umweg zu der oben gestellten Frage nach der möglichen Bedeutung der αὐτοκράτορος διάταξις in dem Dokument aus Magnesia a. S. zurückkehren, so kann auf Grund des hier vorgeführten Materials wohl folgendes festgestellt werden: 1) Die uns greifbaren Beispiele der Befassung von Kaisern mit der „Bestätigung“ von Stiftungen aus dem städtischen Bereich führen darauf, daß es sich jeweils um individuelle Vorgänge handelte. Für den Erlaß einer generellen kaiserlichen Regelung hinsichtlich dieser Materie (auch im Falle „ewiger“ Stiftungen) gibt es keinen Hinweis. Ich glaube deshalb, daß sich die weitgehenden Folgerungen, die J. Keil aus diesem Neufund ableiten wollte, nicht aufrechterhalten lassen. 2) Die Annahme einer chronologischen Abfolge prozeduraler Regelungen, bei denen die Befassung des Kaisers mit der Bestätigung von Stiftungen erst am Ende der Entwicklung stände, ist durch die Einbringung von Belegen schon aus dem frühen Prinzipat unwahrscheinlich geworden. Es sieht eher so aus, daß der Kaiser in als besonders wichtig empfundenen Fällen als höchste Instanz in Anspruch genommen wurde, daß daneben aber auch untergeordnete römische Behörden besonders auf der Ebene des Statthalters solche Akte der Bestätigung von Stiftungen vornehmen konnten. So wertvoll die gründliche Materialuntersuchung von Oliver bleibt, wird Σεβαστοῦ war und als solcher eine weitere Stiftung gemacht hatte, „die für eine Anzahl von Jahren … die Verteilung von Spenden bei dem Fest der Καισάρεια sichert(e)“ (A. Wilhelm, Glotta 14, 1925, 71 mit der wichtigen Textherstellung; vgl. SEG VI 276, J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1956 n. 69, L. Robert, Hellenica XI/XII 472): καὶ ἐπιδόντα τῇ πόλει ἐπὶ ἱκανὰ ‹ἔ›τη δ‹ι›αδόματος εἰς εὐωχίαν Καισαρείων δραχμὰς Ῥοδίας πεντακισμυρίας τετρακισχειλίας. 35 In der Stiftungsurkunde des Philagros ist nicht wie in manchen anderen Fällen eine Strafbestimmung enthalten, die eine Geldzahlung vorsieht. In Beispielen dieser Art kann neben einer städtischen Kasse der kaiserliche Fiscus genannt werden: s. Laum I 202, Atkinson a. a. O. 287. Dazu ist angemerkt worden, daß damit auch eine Strafverfolgung durch die römischen Behörden stimuliert werden sollte. Die Fälle treten damit in Parallele zu dem ungleich häufigeren Usus der Beteiligung des Fiscus an Grabbußen (s. Laum I 220 Anm. 1).
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man doch an der aus ihr abgeleiteten Rekonstruktion des Ablaufs einer Entwicklung Zweifel erheben müssen. 3) Hinsichtlich der Motive ist sehr deutlich das Eigeninteresse des Stifters und der betroffenen Stadt an einer Absicherung der Stiftung hervorgetreten. Die Einmischung der kai|serlichen Regierung zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Interessen scheint demgegenüber sekundär zu sein, sie hat sich zuerst im Rahmen der finanziellen Implikationen bei Agon-Stiftungen geltend gemacht. Ich glaube, daß auch für die Stephanephorie-Stiftung aus Magnesia die hier referierten Gesichtspunkte zutreffen, ohne daß man freilich aus dem Text selbst eine explizite Bestätigung erhalten kann. Warum Stifter und Stadt in diesem Falle an den Kaiser herangetreten sind, kann man nur mit einigen allgemeinen Überlegungen sich zu vergegenwärtigen versuchen: Wenn durch die Bereitstellung eines größeren Stiftungskapitals für die künftige kontinuierliche Besetzung des eponymen Amtes in Magnesia Vorsorge getroffen wurde, so waren wohl vor allem zwei mögliche Gefahren im Hinblick auf den Stiftungszweck erkennbar. Zum einen war es eine eventuelle Tendenz zur Zweckentfremdung, zur Einsetzung der Gelder für andere dringende Bedürfnisse. Wir haben Hinweise in unseren Dokumenten, daß städtische Organe solche Neigungen entwickelten und vor einem Zugriff auf die Stiftungserträge oder gar das Kapital nicht zurückschreckten.36 Das andere ist wohl die Möglichkeit, daß im Hinblick auf das Vorhandensein einer verfügbaren Geldsumme die Bereitschaft wohlhabender Kreise, das eponyme Amt zu übernehmen, auch da zurückging, wo bei ihnen selbst die finanziellen Grundlagen durchaus gegeben waren. Die Annahme liegt nahe, daß gegen beide Fehlentwicklungen in den Detailbestimmungen der Stiftung gewisse Vorkehrungen eingebaut waren, und daß man gerade im Hinblick auf sie eine Absicherung suchte und bei der höchsten römischen Regierungsinstanz zu finden hoffte. Es ist aber auch verständlich, daß eine kaiserliche Regierung, der die Konsequenzen einer Gefährdung ordentlicher städtischer Haushalts- und Ämterführung bewußt geworden waren, früher oder später die Ausdehnung ihrer Kontrolle über diesen Bereich städtischer Finanzgebarung durchaus als auch in ihrem Interesse liegend ansehen konnte.
36 Man vgl. dafür die Ausführungen von Oliver a. a. O. 971 f. über „The chief danger to the endowments“, der vor allem auf die diesbezügliche Formulierung im Edikt des Paullus Fabius Persicus (s. Anm. 22) verweist (VII 10 – VIII 2): ὁμοίως ὅσα χρή/ματα ἀπολέλειπται τῇ πόλει ἢ μέρει τινὶ [κ]α[ὶ συ/ στ]ήματι τῶν ἐν αὐτῇ ταῦτα [δα]νείζεσϑαι τούτῳ τῷ / νόμωι, ᾧ κατελείφϑη{ι}, ἀρέσκει καὶ μὴ ὑπὸ τῶν ἀρχόντων εἰς ἄλ/λας χρείας καὶ δαπάνας μετάγεσϑαι. Dasselbe Problem klingt an in der Bitte des Aur. Horion gegenüber Septimius Severus und Caracalla (s. Anm. 21, Z. 51): καὶ ἀξιῶ κελεῦ[σαι ὑ]μᾶς καὶ ταῦτα τὰ χρήματα μηδενὶ ἐξεῖναι εἰς ἄλλ[ο μηδὲν] περισπᾶν.
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57 D ie Selbstdarstellung der hellenistischen Stadt in den Inschriften: Ideal und Wirklichkeit Im Jahre 1937 hat der Papyrologe Wilhelm Schubart eine materialreiche Untersuchung vorgelegt zu dem Thema „Das hellenistische Königsideal nach Inschriften und Papyri“1. Dabei ging es ihm, wie er in der Einleitung erklärte, um einen Versuch, „den Urkunden das abzugewinnen, was sie über die allgemeine Anschauung von König, Staat, Beamtenschaft bekunden“. Und er fügte sogleich hinzu: „Das Ergebnis wird man mit der Theorie und mit der Wirklichkeit vergleichen müssen, um es fruchtbar zu machen.“ Am Ende seines Aufsatzes, in dem er auch das Idealbild des königlichen Beamten nach den Urkunden dargestellt hatte, wies Schubart auf eine auffallende Affinität hin, die sich zwischen dem Bild des Beamten mit den Zügen eines „philosophischen Idealmannes“ und dem „idealen Polisbürger“ ergebe, wofür er als Beispiel auf das bekannte große Ehrendekret von Sestos für den Gymnasiarchen Menas verwies2. Zweifellos ließe sich aus der riesigen Fülle der Inschriften, speziell der Ehrenbeschlüsse, gleichermaßen das facettenreiche Ideal-Bild des Polis-Bürgers gewinnen, präziser gesagt des ideellen Vertreters der die Städte beherrschenden NotabelnSchicht, der „Bourgeoisie“ nach der Terminologie Rostovtzeffs. Dessen hervorstechendes Merkmal, das des Euergetismus, hat vor einigen Jahren eine eindringende Behandlung erfahren in dem großen Buch von Paul Veyne3. Von einer stärker terminologisch orientierten Untersuchung über „le vocabulaire moral de la vie civique dans le monde grec à l’époque romaine“ hat unlängst Cécile Panagopoulos berichtet, gelegentlich eines Beitrags, in dem die Spiegelung dieses Bürgerideals in den Moralia Plutarchs dargelegt wird4. Aus den genannten Untersuchungen kann man wohl folgende Charakteristika herausheben, die solche in unseren Dokumenten sich darbietenden Idealbilder kennzeichnen: (1) Es gibt eine auffallende Einheitlichkeit, Homogenität der Ideal-Vorstellungen; man könnte von einer κοινή in der ganzen griechischen Welt sprechen.
Πρακτικὰ τοῦ ηʹ ∆ιεϑνοῦς Συνεδρίου Ἑλληνικῆς καὶ Λατινικῆς Ἐπιγραϕικῆς, Ἀθήνα, 3–9 Ὀκτωβρίου 1982, Athen 1984, I 108–119. 1 APF 12, 1937, 1–26 (wiederabgedruckt in H. Kloft (Hrsg.), Ideologie und Herrschaft in der Antike, Darmstadt 1979, 90–121). Derselben Thematik gilt auch der Aufsatz von W. Schubart, Das Königsbild des Hellenismus, Antike 13, 1937, 272–288. 2 OGI 339; J. Krauss, Die Inschriften von Sestos und der thrakischen Chersones (IK 19), Bonn 1980, n. 1. 3 P. Veyne, Le pain et le cirque. Sociologie historique d’un pluralisme politique, Paris 1976. 4 C. Panagopoulos, Vocabulaire et mentalité dans les Moralia de Plutarque, Dialogues d’histoire ancienne (Besançon) 3, 1977, 197–233.
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(2) Unbestreitbar sind Einwirkungen von philosophischen und im weiteren Sinne populär-philosophischen Vorstellungen bzw. von entsprechender Literatur auf diese Ideal-Bilder. (3) Grundsätzlich zeichnen sich die Bilder durch eine mehr oder weniger große Distanz zu den politischen oder gesellschaftlichen Realitäten aus. Sie sind stilisiert und eben idealisiert. Der Historiker, der Quellenaussagen in diesen Bereichen auszuwerten versucht, fühlt sich natürlich in besonderer Weise betroffen von diesem Spannungsverhältnis zwischen Ideal und Wirklichkeit. Er hat sich im Umgang mit entsprechenden Äußerungen immer wieder zu fragen, wo und mit welcher Intensität seine Quellen in der Schilderung von königlichen oder bürgerlichen Aktivitäten und Verhaltensweisen von der Realität unter der Einwirkung solcher Idealvorstellungen abweichen5. Man wird freilich auch den gegensätzlichen Effekt nicht ganz übersehen dürfen: daß es durchaus Wechselwirkungen gibt zwischen Ideal-Bildern und politischem Verhalten. Man kann vielleicht von einer Suggestiv-Wirkung der propagierten Ideal-Bilder sprechen. So viel als Präliminarien und als Hintergrund zu meinem hier angekündigten Thema. Als mich die Aufforderung erreichte, die Ausführungen von Herrn Gauthier über die hellenistische Stadt, über ihre Institutionen und über das Ausmaß an Kontinuität in ihrer politischen Existenz durch ein Referat zu ergänzen, kam mir der Gedanke, im Blick auf die eben erwähnten Untersuchungen die Frage nach dem Ideal-Bild der hellenistischen Polis in den Inschriften zu stellen. Jeder Kenner des Materials weiß, daß eine bestimmte Art der Selbstdarstellung der Stadt eines der Charakteristika des hellenistischen Urkundenstils bildet. Es schien mir reizvoll, diesem Bereich der Ideologie einmal etwas nachzugehen gerade in ihrer Bedeutung als Kontrastphänomen zu der von Herrn Gauthier behandelten Perspektive. Man kann es auch als einen Aspekt unserer Methodenprobleme und als ein Element der Quellenkritik verstehen. Ich möchte meine – das muß ich betonen: noch durchaus provisorischen – Bemerkungen zu dem Thema unter folgende drei Fragen stellen: (I) Inwieweit kann man aus den hellenistischen Inschriften auch ein Bild, ein IdealBild der Polis ableiten, und wie verhält sich dieses zum herrscherlichen und zum bürgerlichen Ideal?
5 Man vgl. dazu z. B. das Urteil von A. Heuß über das hellenistische Königsbild, Antike und Abendland 4, 1954, 75 f. in dem Aufsatz „Alexander der Große und die politische Ideologie des Altertums“ (wiederabgedruckt in der in Anm. 1 genannten Aufsatzsammlung „Ideologie und Herrschaft in der Antike“ 123–188): „Das bunte Spiel der politischen Begriffe, in denen sich die staatlichen Geschäfte vollziehen, bewegt sich also in einem Kreis, der geradezu abgedichtet ist gegen die Härte des politischen Lebens, in dem von Herrschaft und Macht, Gewalt und Kampf, Befehl und Gehorsam nichts zu vernehmen ist. Das alles hat es natürlich gegeben, wie zu allen Zeiten, aber man hat es verdeckt mit einer Sprache von humanitär-zivilem Gepräge.“
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(II) Ab wann und unter welchen Prämissen kommt es dazu, daß in den Inschriften Aussagen, Selbstaussagen über die Stadt gemacht werden? (III) Was fällt an diesen Aussagen auf im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Ideal und Wirklichkeit? Man kann diese dritte Frage auch noch deutlicher im Sinne der Quellenkritik fassen: Wie weit kann sich der heutige Interpret der Inschriften auf solche Aussagen zur Selbstdarstellung der Polis verlassen? Es sei gleich vorausgeschickt, daß ich mich auf Aussagen im innerstädtischen und im zwischenstädtischen Bereich konzentrieren will. Das vielbesprochene Verhältnis zwischen Städten und Monarchen soll wegen seiner besonderen Problematik hier weitgehend ausgeklammert werden. Zu meiner ersten Frage nach dem Ideal-Bild der Stadt und seinen Einzelelementen: Hier wäre eine vollständige Antwort nur aus einer umfassenden Materialdurchsicht zu gewinnen. Sie liefe hinaus auf eine Zusammenstellung des Vokabulars der Eigenschaften und der Verhaltensweisen, mit dem die Polis in den Inschriften sich selbst zu charakterisieren versucht. Dabei ist gleich eine Korrektur notwendig: Charakteristischerweise wird in den Texten in solchen Fällen sehr viel häufiger vom Demos gesprochen als von der Polis. Darauf komme ich noch zurück. Entsprechende Selbstaussagen entwickeln sich speziell in zwei Bereichen unseres Materials: Das eine sind die sogenannten Hortativformeln, mit denen in Ehrendekreten die Aufforderung zur Nachahmung der Verhaltens- und Handlungsweise des Geehrten formuliert wird. Hier wird in einem außerordentlich großen Reichtum an Varianten die εὐχαριστία der Stadt oder des Demos herausgestellt: ταῦτα δὲ εἶνα[ι καὶ] αὐτῶι καὶ ἐκγόνοις, ἵνα εἰδῶσιν ἅπ[αν]τες ὅτι ὁ δῆμος ὁ Πριηνέων ὑφ’ ὧν [ἂν εὖ] πάϑηι ἐπίσταται χάριτας ἀποδιδό[ναι ἀ]ξίας τῶν εὐ[ε]ργετημάτων … Es genüge das eine Beispiel für viele Hunderte6. Die Intention dieser Formel kann dann verdichtet werden in einem Vermerk am Ende eines Dekretes τὸ δὲ ψήφισμα τόδε εἶναι εἰς εὐχαριστίαν τοῦ δήμου7, in einer Parallele zu den bekannten Formeln εἰς φυλακὴν καὶ σωτηρίαν, mit denen eine bevorzugte Behandlung in der Volksversammlung bewirkt werden sollte8. Aufschlußreicher und ungleich vielfältiger ist der andere Anwendungsbereich von Selbstdarstellungen der Stadt oder des Demos: Es ist das weite Feld des diplomatischen Verkehrs im zwischenstädtischen Bereich. Es ist ja eine Besonderheit der hellenistischen Epigraphik, daß in ihr oft ausführliche Dokumentationen
6 IvPriene 6, 24 {IvPriene (2014) 17, 24}. Einige Beispiele bei Th. Drew-Bear, BCH 96, 1972, 437; s. auch A. Wilhelm, Neue Beiträge VI 12. Man vgl. auch die allgemeinen Bemerkungen bei L. Robert, OMS IV 310 f. zur Bedeutung der Hortativformel. 7 Syll.3 656, 48 (Abdera; vgl. auch BCH 37, 1913, 124 Z. 40, 126 Z. 44). A. Wilhelm hat AnzWien 1922, 7 (Kl. Schr. I 2, 73) die Formel auch in dem Beschluß von Chios Syll.3 443, 46 herzustellen versucht. 8 Dazu u. a. A. Wilhelm, ÖJh 8, 1905, 282; L. Robert, BCH 59, 1935, 493 mit Anm. 2 (OMS I 306); R. Etienne, ZPE 12, 1973, 245; E. Schwertheim, ZPE 29, 1978, 226.
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erhalten sind über ganze Abläufe im zwischenstaatlichen Verkehr, über das Hin und Her von Gesandtschaften, den Austausch von Psephismen9. Dabei werden entsprechende Charak|terisierungen ursprünglich in der Anwendung auf den jeweiligen Partner gebraucht, aber die Intensivierung des diplomatischen Verkehrs mit seiner starken Reziprozität gerade auch im Formelbereich brachte es bald dahin, daß die Städte sich auch selbst durch die gleichen Epitheta charakterisierten. Im besonderen liefern etwa die Gruppe der Schiedsrichterinschriften oder auch die Dokumentensammlungen über Fest- und Asylie-Anerkennungen sehr reiches Belegmaterial für die Selbstdarstellung von Städten. Ich will mich hier auf eine knappe Aufzählung der jedem Epigraphiker vertrauten Termini beschränken, wobei ich ganz sicher keine Vollständigkeit erreiche. Da gibt es die immer wiederkehrende Formel von der εὔνοια und φιλία, die eine Stadt gegenüber der anderen hegt, den in allen Varianten auftretenden Hinweis auf die φιλία, οἰκειότης, συγγένεια, durch die zwei Städte verbunden sind10. Sehr oft wird hier auch der Begriff der φιλανϑρωπία bzw. φιλάνϑρωπον eingebracht11, der ja bekanntermaßen auch in Verbindung mit dem Königtum eine spezifische Bedeutung erlangt hat12. Neben solchen die zwischenstaatlichen Beziehungen kennzeichnenden Ausdrücken finden wir dann eine breite Palette von Charaktereigenschaften oder Verhaltensweisen, die uns in ihrer Anwendung auf Individuen vertraut sind: So wie eine Einzelperson kann auch eine Polis oder ein Demos φιλοτιμία,
9 Charakteristische Beispiele sind etwa die in Delos gefundene Stele über die Ehrung des Makedonen Admetos mit zwei Dekreten von Delos und einem von Thessalonike (BCH 10, 1886, 124 n. 4 = IG XI 4, 664–5 + X 2, 1, 1028) oder der 103 Zeilen lange Text aus Kaunos mit 4 Dekreten über die Ehrung von kaunischen Schiedsrichtern durch die Smyrnäer (L. Robert, Hellenica VII 171–188 {IvKaunos 17–20}). 10 Aufzählung einer Anzahl mehrgliedriger Beispiele (in denen häufig auch noch die εὔνοια figuriert) bei L. Robert, BCH 49, 1925, 220 (OMS I 14). Ders., BCH 52, 1928, 171 Anm. 5 (OMS I 100) zum Verhältnis von οἰκεῖοι und συγγενεῖς; vgl. auch W. Gawantka, Isopolitie, 1975, 94 mit Anm. 10. Die Formeln sind so variabel und die Begriffe zum Teil austauschbar, daß terminologische Unterschiede in den aufeinander bezogenen Äußerungen von zwei Städten in der Regel keine Bedeutung haben dürften. Nur vereinzelt könnte man hinter entsprechenden Varianten Absicht vermuten: etwa in der Urkunde IvMagnesia 101, einer Schiedsrichterehrung, wo die karischen Larbenoi (vgl. L. Robert, Villes d’Asie Mineure 142–9) zweimal den Demos von Magnesia als φίλος, εὔνους und συγγενής charakterisieren (19 und 53), während die Magneten in der Antwort den Larbenoi nur die Epitheta φίλοι und εὖνοι geben. Das könnte Absicht sein (vgl. auch unten S. 665 zum Verhältnis Milet – Apollonia am Rhyndakos). 11 Hier nur ein Beispiel: Milet I 3 n. 140, 11 (ICret. I, VIII 6: Knosos für Milet) ὑπολαμβάνομεν γὰρ ὑμῖν πάντα τὰ φιλάνϑρωπα γίνεσϑαι παρ’ ἡμῶν. Der Begriff wird stereotyp verwendet in dem sehr allgemeinen Sinne von honores und beneficia (S. Tromp de Ruiter, Mnemosyne 59, 1932, 282 ff.) bzw. ‚avantages‘ (J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1966 n. 81), aber er kann auch einen sehr konkreten Bezug haben wie die wiederholte Erwähnung der φιλάνϑρωπα und φιλανϑρωπία im Dekret von Elatea für Stymphalos (Moretti, Iscrizioni storiche ellenistiche I n. 55), wo es um die Aufnahme der vertriebenen Elateer in Stymphalos geht. 12 Vgl. W. Schubart, APF 12, 1937, 10 f.; M. Th. Lenger, Studi in onore di V. Arangio-Ruiz I, 1952, 483 ff.; Ch. Habicht, Ancient Macedonian Studies in Honor of Ch. F. Edson, 1981, 196.
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φιλοστοργία, φιλοδοξία, μεγαλοψυχία besitzen oder sich zusprechen13; es gibt Selbstcharakterisierungen mit ἀρετή, εὐχρηστία und εὐγένεια14 oder auch Hinweise auf | μέγεϑος und ἀξίωμα der Stadt15. In der Kategorie der Asylie-Anerkennungs-Dekrete ist verständlicherweise die Hervorhebung der εὐσέβεια eine stereotype Formel. Diese kleine Blütenlese möge genügen. Sie wird zumindest deutlich gemacht haben, daß das Vokabular und die damit verbundenen Vorstellungen sich eng berühren mit den uns vertrauten Charakterisierungen sowohl des guten Herrschers wie auch des guten Bürgers oder auswärtigen Wohltäters. Eine von diesen individuellen Bereichen abgehobene spezifische Nomenklatur des Kollektivs der Stadt scheint es nicht zu geben, oder anders herum ausgedrückt: Der Demos erscheint in dieser Begriffswelt geradezu individualisiert und personifiziert. Diese Feststellung soll den Übergang zu meiner zweiten Frage bilden: Ab wann und unter welchen Prämissen kommt es überhaupt zu Selbstaussagen über die Polis in den Inschriften? Hier ist, soweit ich sehe, die entscheidende Entwicklung im 4. Jhdt. eingeleitet worden, die dann das Bild im Hellenismus bestimmt. Seit dem 4. Jhdt. werden in vielfältiger Weise die Kollektivbezeichnungen δῆμος und πόλις in den Inschriften gang und gäbe, während man früher noch eher den Plural des Ethnikons verwendet hatte (ἐπαινέσαι τοῖς Νεοπολίταις bzw. ἐπαινέσαι Σαμίους gegenüber späterem ἐπαινέσαι τὸν δῆμον τὸν Κλαζομενίων). Ebenfalls im 4. Jhdt. kommt der Usus auf, Kranzverleihungen an den Demos als Kollektiv vorzunehmen, und es dürfte keine zufällige Koinzidenz sein, daß in dieser Zeit auch die Relief-Darstellungen einsetzen, in denen Bekränzungsszenen mit dem personifizierten Demos entsprechende Ehrenbeschlüsse illustrieren16. Wir wissen, daß sich daraus gerade im Hellenismus auch ein Typus statuarischer Gruppen entwickelt hat: die Zusammenfügung der
13 φιλοτιμία z. B. Syll.3 409, 56; IvPriene 104, 16 {IvPriene (2014) 42, 16} (vgl. Syll.3 370, 29 nach der Ergänzung von A. Wilhelm); zur Anwendung auf Einzelpersonen und der späteren Bedeutungsentwicklung L. Robert, Gladiateurs 277 f.; BCH 102, 1978, 529 f. φιλοστοργία Milet I 3 n. 146, 67; das Wort hat sonst einen Anwendungsbereich für die Beziehungen einem König gegenüber (M. Holleaux, Études III 94 f., L. Robert, Ἐφημ. 1969, 6) und in der familiären Sphäre (L. Robert, Hellenica XIII 38). φιλοδοξία IvMagnesia 53, 25 (πρὸς τοὺς ϑεούς), vgl. IG XII 5, 652, 7. μεγαλοψυχία IvMagnesia 92 b 7; zur weiteren Entwicklung des Begriffs P. Veyne, Le pain et le cirque 339 f. Anm. 129. 14 ἀρετή OGI 234, 19. εὐχρηστία IvMagnesia 32, 15; 38, 13; 47, 14 u. ö.; cf. A. Wilhelm, SBWien 224,4, 1947, 7 (Kl. Schr. I 3, 255). εὐγένεια Milet I 3 n. 139, 34 (εὐγενῶς); zum Thema der εὐγένεια und seiner Verbreitung in der Kaiserzeit L. Robert, HarvStClPhil 81, 1977, 17 mit Anm. 75; BCH 101, 1977, 110 mit Anm. 106 und 128 ff. 15 μέγεϑος IG XII 9, 4, 6, vgl. auch L. Robert, A travers l’Asie Mineure, 1980, 423 f.; ἀξίωμα IvAssos 8, 8, vgl. L. Robert, BCH 101, 1977, 130. 16 Es sei verwiesen auf die Materialzusammenstellungen bei V. Papadaki-Angelidou, Aἱ προσωπο ποιήσεις εἰς τὴν ἀρχαίαν Ἑλληνικὴν τέχνην, Athen 1960, 45–8; F. W. Hamdorf, Griechische Kultpersonifikationen der vorhellenistischen Zeit, 1964, 31 f. und 254; M. Blech, Studien zum Kranz bei den Griechen (RGVV 38), 1982, 435 n. 20.
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Statue des Geehrten mit der ihn bekränzenden Gestalt des Demos17. Auch die Herausbildung des Demos als Kultfigur und Kultempfänger wäre hier einzufügen18. All das sind zumindest Entwicklungstendenzen, die das | Phänomen des sozusagen individuellen Hervortretens des Demos in den Aussagen der Inschriften begleiten. Es ist dann auch nicht mehr verwunderlich, wenn etwa in Milet im frühen 3. Jhdt. zum Dank für die durch knidische Bürger gezeichnete Anleihe der Demos von Knidos insgesamt in aller Form zum εὐεργέτης τοῦ δήμου ernannt wird19, oder wenn – wegen der Entsendung von Schlichtern – in Malla auf Kreta die Städte Knosos und Lyttos u. a. als σωτῆρες eingetragen werden20. Für wichtiger als diese Aspekte einer Individualisierung und Personifizierung des Demos halte ich aber eine zweite Entwicklungstendenz im Hellenismus, die viel unmittelbarer zur Intensivierung der Selbstaussagen über die Polis führt. Und hier muß ich noch einmal auf die Form und Usancen des diplomatischen Verkehrs und ihrer Einwirkungen auf unsere inschriftliche Dokumentation zurückkommen. Ein hervorstechendes Phänomen bei den hellenistischen Dekreten ist ja zweifellos ihre Anreicherung, man muß auch oft sagen, Aufblähung durch eine Fülle von Details speziell in den Motivierungen, den considérants. Gewiß sind gerade sie es, die uns wichtige historische Informationen zu liefern vermögen, aber sie sind auch die Einbruchsstelle für viele nicht genuine Elemente des Dekretformulars. Hier möchte ich 17 Man vgl. besonders die Inschrift aus Mesambria IGBulg I2 320, wonach ein uns Unbekannter in zwei Städten geehrt wurde εἰκόνι χαλκῆι καὶ παραστέματι Δήμου στεφανοῦντι αὐτοῦ τὴν εἰκόνα. Danach hat L. Robert eine ähnliche Ergänzung vorgenommen in einem Dekret von Istros: Moretti, Iscrizioni storiche ellenistiche II 128, 13. Dazu ist neuerdings die Ehrung der Archippe in Kyme gekommen (IvKyme 13 I 1, dort im Kommentar weitere Beispiele und Literatur); vgl. auch Ph. Gauthier, JSav 1980, 44. Literarisch bezeugt sind Statuengruppen mit Bekränzung eines Demos durch einen anderen: Demosth., de corona 91, Polyb. V 88 – dazu P. Jacobsthal, JHS 58, 1938, 209 Anm. 27. 18 Dazu L. Robert, AntCl 35, 1966, 425–8, wo der Kult („qui atteste assurément une volonté de fierté civique“) als politische Allegorie und Ausdruck einer intellektuellen Allüre charakterisiert wird. Das älteste uns greifbare Beispiel ist der Kult des Demos und der Chariten in Athen, seit dem letzten Drittel des 3. Jhdt.s bezeugt (dazu L. Moretti, Iscrizioni storiche ellenistiche I n. 27 mit Kommentar; Ch. Habicht, Studien zur Geschichte Athens in hellenistischer Zeit, 1982, 84; falsch die Datierung in das 4. Jhdt. bei Hamdorf, Kultpersonifikationen 93 n. 251 aufgrund veralteter Dokumentation). Die sonstige Verbreitung ist spät, doch mögen etwa Weihungen an den Demos – neben traditionellen Stadtgottheiten – eine Vorphase der Entwicklung kennzeichnen. Als Beispiel sei die Weihinschrift des milesischen Rathauses aus der Zeit von 175–164 genannt (Milet I 2 n. 1 und 2). 19 Milet I 3 n. 138, 17 εἶναι δὲ αὐτὸν (sc. τὸν δῆμον τὸν Κνιδίων) καὶ εὐεργέτην τοῦ δήμου; vgl. 22 (Einsetzung einer Kommission von 75 Milesiern) οἵτινες … γράψαντες τὰς τιμάς, αἷς δεῖ τιμηϑῆναι τόν τε / δῆμον τὸγ Κνιδίων καὶ τοὺς δανείσαντας χρήματα τῆι πόλει εἰσ/οίσουσιν εἰς τὴν ἐκκλησίαν, ἐν ἧι νόμιμόν ἐστιν βουλεύεσϑαι τὸν δῆμον / περὶ τῶν εὐεργετῶν. 20 ICret. I, XIX 3, 27 ἀνγράψαι τάν τε τῶν Κνωσίων πό/λιν καὶ τὰν τῶν Λυττίων σωτῆράς τε καὶ [β]ο[α]/ ϑὸς καὶ ὑπερμάχος τᾶς ἁμᾶς πόλεος. – Ich lasse hier das besondere, offenkundig situationsbedingte Beispiel der kollektiven Selbstbenennung der Polis Delphi als πρόξενος der Polis Sardeis (Syll.3 548, 9) beiseite (dazu zuletzt die divergierenden Interpretationen von J. Pouilloux, BCH 98, 1974, 159–169 und G. Daux, Le monde grec. Hommages à Claire Préaux, 1975, 480–495).
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aus dem diplomatischen Bereich gerade die so verbreitete Tendenz zur Aufnahme von Referaten hervorheben: Es werden nicht nur in Antwort-Dekreten oft wortwörtlich die Ausführungen des Beschlusses, auf den Bezug genommen wird, referiert, sondern es kommt auch häufig zur Wiedergabe zusätzlicher mündlicher Ausführungen der auswärtigen Gesandten, die, wie es in einem reich ausgebildeten Formular dann heißt τό τε ψήφισμα ἀπέδωκαν καὶ διελέχϑησαν ἐμφανίζοντες (-σαντες) oder ἀπολογιζόμενοι, μεμνημένοι … und dergleichen mehr. Es ist bekannt, daß dazu auch die Vorlage von Schriftstücken (ἔγγραφα, ὑπομνήματα) gehört, die ihre Argumentation unterstützen sollten21. Sofern dieses Beiwerk der diplomatischen Prozedur Aufnahme in Dekrete fand und damit auch zur inschriftlichen Aufzeichnung gelangte, ist es für uns eine Fundgrube im Bereich städtischer Selbstdarstellung. Ein Musterbeispiel ist etwa die Dokumentensammlung über die Anerkennung des Festes der Artemis Leukophryene, wo uns aus den Antworten der Könige, Städte und Stämme die ausführliche Argumentation der magnetischen Gesandten in vielen Varianten greifbar wird22. Übrigens | fehlt es dann in diesen Antworten selbst auch wieder nicht an Elementen der Selbstdarstellung der Städte, unter dem Einfluß der hier sich einstellenden Reziprozität. Eine athenische Inschrift des 4. Jhdt.s kann, wie ich meine, ein recht anschauliches Beispiel liefern für den Prozeß der Aufnahme von Darlegungen aus dem diplomatischen Verkehr in inschriftliche Aufzeichnungen: Im Jahre 367 verabschiedeten die Athener anläßlich des Besuchs einer Gesandtschaft aus Mytilene einen konventionellen Ehrenbeschluß, in dem der Demos der Mytilenäer belobigt wird (IG II2 107 = Syll.3 164 = Tod 131). Der Text enthält die stereotypen Formeln ohne jedes Detail. In den Beschluß aufgenommen ist aber die Verfügung: [ἀν]αγράψαι δὲ καὶ τὸ ψήφι[σμα] ε[ἰς τὴν α]ὐτὴν στήλην ὃ ἀπε[κρ]ίνατο ὁ δῆμος τοῖς πρέσβεσι [τοῖς Μυ]τιληναίων τοῖς μετὰ [Ἱε]ροίτ[α]. Dieses aus einer früheren Phase der Verhandlungen stammende AntwortPsephisma ist anschließend auf der Stele zu lesen, und hier wird in einem vermutlich von Kallistratos von Aphidnai formulierten Text als Antwort an die Mytilenäer eine recht dezidierte programmatische Darstellung der Politik Athens gegeben mit ihrem Eintreten für die ἐλευϑερία τῶν Ἑλλήνων und ihrem Widerstand gegen die Störung
21 ἔγγραφα z. B. Milet I 3 n. 155, 10; vgl. auch Syll.3 736, 84; ὑπομνήματα IvPergamon 156, 18. 22 IvMagnesia 18–64. In den Antwortdekreten wird häufig der Inhalt des übermittelten Psephismas durch eine eigene Inhaltsangabe herausgehoben (z. B. 31, 14–23; 52, 5–17), wozu dann ergänzend die Ausführungen der Gesandten – gemäß den ihnen erteilten ἐντολαί (38, 9; 43, 12) – referiert werden: das ist in den meisten Fällen der Hinweis auf die ἐπιφάνεια der Göttin und die Erinnerung an die von den πρόγονοι der Magneten den Hellenen erwiesenen Wohltaten, wobei mehrmals noch zusätzlich auf die Mitwirkung bei der Errettung Delphis gelegentlich des Kelteneinfalls angespielt wird. Mehrmals werden in diesem Zusammenhang die hierbei vorgelegten bzw. vorgelesenen Dokumente aufgezählt, am ausführlichsten 46, 13–16 (Syll.3 560): χρησμοί, ποιηταί, ἱστοριογράφοι, ψηφίσματα verschiedener Städte. In diese Referate können dann individuelle Ausführungen über spezifische Beziehungen zwischen der betroffenen Stadt und Magnesia eingefügt sein, z. B. 35, 13–15 (συγγένεια mit Kephallenia), 38, 22–29 (Geldbeitrag zum τειχισμός von Megalepolis), 61, 14–20 (Beteiligung an der Gründung von Antiochia in der Persis). Vgl. dazu auch L. Robert, BCH 54, 1930, 330 (OMS I 149).
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der Friedensordnung durch Sparta. Dieses viel interessantere diplomatische Aktenstück wäre vermutlich im Archiv geblieben und für uns verloren gegangen, wenn nicht ein bestimmter Wunsch nach öffentlicher Darstellung zur Aufnahme auf die Stele geführt hätte23. Die hellenistische Zeit hat dann, wie gesagt, diese Ausweitung der in die Psephismen aufgenommenen Dokumentation mit äußerster Großzügigkeit betrieben. Aufmerksame Beobachter werden in vielen hellenistischen Inschriften derartige Einsprengsel aus dem Bereich der Diplomatie entdecken können, die dann natürlich auch deutliche Argumente ad hominem bzw. pro domo enthalten können24. Nun kommt aber noch eine weitere sehr charakteristische Tendenz hinzu, die ich | als Einbeziehung der historischen Dimension in das Selbstverständnis und die Selbstdarstellung der Polis bezeichnen möchte. Es ist ein ganz neues Phänomen, das auch wieder im 4. Jhdt. aufkommt und sich im Hellenismus ausbreitet. Es ist auch ein Element der Geistes- und Kulturgeschichte, und gleichzeiting ein Aspekt der in dieser Zeit geschätzten παιδεία. Das Argumentieren mit der Vergangenheit – athenische Urkunden aus der Zeit des Widerstands gegen Makedonien mit ihren Rückgriffen auf die Perserkriege gehören zu den frühesten und auch illustersten Beispielen25 – wird ein in allen Bereichen der Politik und Diplomatie ausgiebig geübtes Verfahren. Das beginnt formelhaft mit den immer wiederkehrenden Hinweisen, daß entspre-
23 E. Szanto hat AM 14, 1889, 147 f. aus dem vorliegenden Beispiel die Erkenntnis abgeleitet, „daß es im Verkehre mit fremden Staaten zu den Pflichten der Höflichkeit gehörte, den Beschluß, welcher sich auf die Ehren bezog, getrennt von den politisch wichtigen Beschlüssen zu fassen und demgemäß auch besonders aufzuschreiben“. Man kann aber wohl ebenso feststellen, daß dabei politisch wichtigen Beschlüssen häufig überhaupt die Aufzeichnung auf Stein vorenthalten blieb. M. N. Tod vermutet als Hintergrund für die Formulierungen des athenischen Beschlusses, „that the Athenians were anxious to conciliate the Mytilenaeans, who had evidently expressed some misgivings about the real intentions of Athens“. 24 Herkunft und Intention solcher Einschübe sind im übrigen natürlich nicht immer mit Sicherheit zu bestimmen: In dem athenischen Beschluß über die Anerkennung der ätolischen Soteria (IG II2 680 = Syll.3 408 {IG II/III3 1,4, 1005}) ist in das Referat des ätolischen Beschlusses bei der Nennung des Abwehrkampfes gegen die Barbaren der Hinweis eingefügt, daß gegen sie auch der athenische Demos ein Kontingent entsandt habe συναγωνιουμένους ὑπὲρ τῆς κοινῆς σωτηρίας. Hier kann man schwanken, ob es sich um einen Einschub von athenischer Seite als Argument pro domo handelt oder um einen auf die ätolischen Theoren zurückgehenden Versuch der captatio benevolentiae: vgl. R. Flacelière, Les Aitoliens à Delphes (1937) 235; G. Nachtergael, Les Galates en Grèce et les Sôtéria de Delphes, 1977, 333; zur historischen Beurteilung jetzt Ch. Habicht, Untersuchungen zur politischen Geschichte Athens im 3. Jhdt. v. Chr., 1979, 87–94. 25 Bekannt sind die ähnlichen Passagen in dem von Diodor XVIII 10, 3 referierten athenischen Dekret vom Beginn des Lamischen Krieges und im Psephisma des Chremonides IG II2 687, 7–13 (Syll.3 434; Staatsvertr. III n. 476 {IG II/III3 1,4, 912}), wozu neuerdings die Anspielung in dem in Plataiai gefundenen δόγμα τῶν Ἑλλήνων für Glaukon kommt: R. Etienne – M. Piérart, BCH 99, 1975, 53 Z. 20–24, dazu S. 70; vgl. auch J. Pouilloux, Le monde grec. Hommages à Claire Préaux 380. Den Hintergrund für die hier greifbaren Anspielungen bildet natürlich die publizistische Reaktivierung des Themas „Perserkriege“ im 4. Jhdt. und die Einbringung entsprechender „Urkunden“ des 5. Jhdt.s in die Diskussion: Ch. Habicht, Hermes 89, 1961, 11–20.
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chende gute Beziehungen διὰ προγόνων, ἐκ παλαιῶν χρόνων, ἐξ ἀρχῆς bestehen, das gibt auch der so häufigen Formel vom ἀνανεοῦσϑαι dieser Beziehungen – gemeint ist „in Erinnerung bringen“ bzw. „bekräftigen“ – ihre Bedeutung26. Es kann aber in vielerlei mythologischen und historischen Argumenten (und beide wurden natürlich ohne Unterschied als historische aufgefaßt) konkretisiert werden, gerade etwa wenn es um den Nachweis einer bestehenden συγγένεια geht. Bekannt ist das hübsche Beispiel der Gesandtschaft von Apollonia am Rhyndakos, die in Milet den Nachweis ihrer συγγένεια mit der ionischen Mutterstadt zu führen sucht (Milet I 3 n. 155, 5–12 {Milet VI 1 S. 193 f.}): ἐπεὶ πεμ φϑείσης πρεσβείας πρὸς τὸν δῆμον τὸν Μιλησίων περὶ τοῦ ἀνα νεώσασϑαι τὴν ὑπάρχουσαν πρὸς αὐτὸν τῶι δήμωι ἡμῶν 8 διὰ τὴν ἀποικίαν συγγένειαν Μιλήσιοι διακούσαντες τῶν πρεσβευτῶν μετὰ πάσης εὐνοίας καὶ ἐπισκεψάμενοι τὰς περὶ τούτων ἱστορίας καὶ τἆλλα ἔγγραφα ἀπεκρίϑησαν τὴν πόλιν ἡμῶν ἐπὶ τῆς ἀληϑείας γεγενῆσϑαι ἄποικον 12 τῆς ἑαυτῶν πόλεως διαπραξαμένων τῶν προγόνων Hier ist die durch ἐπισκεψάμενοι angedeutete kritische Überprüfung der Schriftstücke durch die Milesier bemerkenswert wie auch der dann folgende Hinweis auf ihre Zuverlässigkeit (ἐπὶ τῆς ἀληϑείας)27. Ἱστορίαι bzw. ἱστοριογράφοι gewinnen in solchen Beweis|gängen ein besonderes Gewicht, sei es zur Verdeutlichung der Verdienste einer Polis, sei es zur Absicherung ihrer Ansprüche etwa bei Grenzstreitigkeiten28. Magnesia am Mäander hat seine diplomatische Aktion um Anerkennung der neuen Form seines Artemis-Festes zum einen durch das delphische Orakel, zum anderen aber auch durch Beibringung der Zeugnisse von Dichtern und Historikern zu untermauern versucht29. Die uns in vielen Dokumenten greifbare Wertschätzung von wandernden Literaten, ‚poeti vaganti e conferenzieri‘, im Hellenismus hängt unmittelbar mit dieser Intensivierung der historischen Dimension im Selbstverständnis der 26 Zu den Wortbedeutungen in diesem Zusammenhang: G. Daux, Mélanges offerts à A. M. Desrousseaux, 1937, 119–122, vgl. Le monde grec. Hommages à Claire Préaux (1975) 482 Anm. 1; L. Robert, Hellenica I 96 f. mit Anm. 5, cf. Bull. épigr. 1966 n. 189. 27 In der Ehrung für den Literaten Syriskos in Chersonasos wird von seiner Darstellung gesagt ἱστόρησε ἀλαϑιν[ῶς (IosPE I2 344, 19). Man vgl. die Bemerkungen bei L. Robert, Hellenica XI/XII 549–552 über die Verbreitung der Formel (ὡς) ἀληϑῶς in späterer Zeit, die aber bis in das 4. Jhdt. zurückverfolgt wird. S. auch dens. in L’épigramme grecque (Fondation Hardt, Entretiens XIV), 1967 (1969), 210 und 213 Anm. 1. 28 Dazu besonders M. Holleaux, Études I 404 mit Anm. 3; vgl. auch J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1979 n. 271 = SEG XXVIII 534. 29 Vgl. Anm. 22. – Teile der der magnetischen Aktion zugrundeliegenden Dokumentation sind in den fragmentarischen Inschriften IvMagnesia 16 und 17 erhalten.
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Städte zusammen30. Die Vermittlung von παιδεία an ihre Bürger vermehrt das ἔνδοξον der Stadt selbst, kann man im Anschluß an eine Formulierung in der Menas-Inschrift von Sestos sagen (OGI 339 {IvSestos 1}, 74–76). Die Wurzeln der hiermit angedeuteten Entwicklungstendenz sind wahrscheinlich vielfältig. Bei Athen denkt man an die Einwirkungen der Publizistik und der Rhetorik auf die Politik speziell im 4. Jhdt. Andererseits dürfte die Rückbesinnung auf die eigene Vergangenheit in den Städten auch eine gewisse Reaktion darstellen auf die Veränderung in der großen Politik im Hellenismus. Im besonderen wird man aber auch vorauszusetzen haben, daß eine spezifische geistige Physiognomie der politischen Führungsschicht in den Städten sich hier widerspiegelt. Insofern kommt hier wohl auch eine recht charakteristische Interessenlage der am Anfang genannten Notabelnschicht zum Ausdruck. Aber nun noch kurz zu meiner letzten Frage: Wie weit kann sich der heutige Interpret der Inschriften auf solche Aussagen zur Selbstdarstellung der Polis verlassen, wie steht es um das Verhältnis von Ideal und Wirklichkeit? Ich möchte hier nur zwei spezifische Themen oder Begriffe aus den Selbstdarstellungen in das Blickfeld rücken und mit einigen Anmerkungen versehen. Das eine ist noch einmal das so sehr strapazierte Thema der συγγένεια. Hinweis auf gemeinsame Abstammung als politisches Argument ist gewiß keine Erfindung der hellenistischen Zeit – wir können das Motiv etwa im Verhältnis zwischen Athenern und Ioniern bis in die Diplomatie des 5. Jhdt.s zurückverfolgen31. Aber es ist keine Frage, daß es im Hellenismus | Grundlage eines ungewöhnlich vielfältigen Geflechts von zwischenstädtischen Beziehungen wird. Diese „Mode“ – der sich, wie Domenico Musti gezeigt hat, auch die Monarchen angeschlossen haben – hat gelegentlich herbe Kritik von Modernen erfahren und ist als Tummelplatz unseriöser Spekulation charakterisiert
30 M. Guarducci, Poeti vaganti e conferenzieri dell’età ellenistica. Ricerche di epigrafia nel campo della letteratura e del costume, Mem. Accad. dei Lincei 1926, mit der entsprechenden Dokumentation im Anhang (gegen die Ergänzungen bei Nr. XVIII = IG XII 5, 812 H. Bouvier, ZPE 40, 1980, 36). Aus diesen Texten wird immer wieder deutlich, daß bei den Auftritten (ἀκροάσεις: J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1979 n. 271), (ἐπι)δείξεις) dieser Künstler bzw. in ihren Produktionen (πραγματεῖαι: Bull. épigr. 1959 n. 329) der Ruhm der gastgebenden Stadt eine wesentliche Rolle spielte, wobei die historische Dimension (πρόγονοι und Mythen) besonders wichtig war: hier liegt die besondere Bedeutung des literarischen Genus des ἐγκώμιον, das sich bekanntlich später zu einer Disziplin in musischen Agonen entwickelt hat (L. Robert, Et. épigr. et phil. 21–4; Hellenica XI/XII 449 mit Anm. 2). 31 Nach den Berichten der Historiker wurde das Argument schon bei den diplomatischen Demarchen des Aristagoras in Athen vor dem Ionischen Aufstand (Hdt. V 97, 2) und der Ionier anläßlich des Hegemoniewechsels im Hellenenbund (Thuk. I 95, 1) verwendet. Die Tradition hat sich bekanntlich über die Zeit der Seebundsherrschaft (W. Schuller, Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund, 1974, 112–114) hinweg speziell in dem Brauch der Übersendung einer Panhoplie durch die Tochterstädte nach Athen zu den Panathenäen perpetuiert: s. dazu D. Musti, AnnPisa 32, 1963, 232 f.; J. P. Barron, JHS 84, 1964, 46–48.
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worden32. Gewiß wird die historische Kritik heutiger Observanz hier nicht wenige Fiktionen und Erfindungen nachweisen können, aber auch das nicht ganz ohne die Gefahr von Fehlurteilen. Immerhin waren, wie wir gesehen haben, auch schon die Milesier im 2. Jhdt. skeptisch. Das historisch interessantere an diesem Sujet ist aber wohl auch eher die Erschließung der hierin sich offenbarenden Mentalität und die Beurteilung ihrer politischen Relevanz33, dazu natürlich überhaupt erst die Erfassung aller Verästelungen und Ausstrahlungen der Idee der parenté de peuples. Gerade hier hat uns L. Robert, der diesem Thema seit langem seine Aufmerksamkeit widmet, immer wieder auf die vielfältigen Formen seiner Ausprägung in Inschriften, auf Münzen, in literarischen Texten hingewiesen und die Notwendigkeit demonstriert, alle diese Zeugnisse zu kombinieren34. Mein zweites wohl geeigneteres Beispiel für das Spannungsverhältnis von Ideal und Wirklichkeit in der Selbstdarstellung der Städte ist das Thema der ὁμόνοια. Die Entwicklung dieses für das spätklassische und hellenistische Griechentum so bedeutsamen Begriffs ist in neuerer Zeit durch Untersuchungen von Athanasios Moulakis, Jacqueline de Romilly, Dionis Pippidi erhellt worden35. Es ist nun interessant, daß unter dem Aspekt von Selbstaussagen der hellenistischen Poleis dieser Begriff seine häufigste Anwendung findet bei der Schilderung der Verdienste von auswärts gekommener Schiedsrichter, speziell verbunden mit dem von diesen nach Möglichkeit praktizierten Schlichtungsverfahren: διέλυσεν πάντας ἀνεγκλήτως καὶ στάσιν ἀνελὼν εἰς ὁμόνοιαν κατήγαγεν in einer Inschrift aus Phalanna in Thessalien (IG IX 2, 1230, 11) möge als ein Beispiel für viele genügen36. Hier wird, gewissermaßen nur en passant, mit dem negativen Gegenbegriff zur ὁμόνοια, der στάσις, ein für die Realität des Polislebens offenbar doch häufig sehr gravierendes Problem angerührt. Es ist charakteristisch, daß das Phänomen „innere Un|ruhen“ in den Inschriften in der Regel nur in solchen Zusammenhängen, wo von seiner „Behebung“ berichtet wird, in Erscheinung
32 D. Musti, Sull’ idea di συγγένεια in iscrizioni greche, AnnPisa 32, 1963, 225–239; dort 238 eine Zusammenstellung von neueren Urteilen (vgl. auch L. Robert, BCH 102, 1978, 481). 33 Wichtig ist hier z. B. die Bezugnahme auf die συγγένεια, im besonderen auf das Verhältnis von Mutter- und Tochterstadt, wenn eine Stadt in einer schwierigen Situation diplomatische Unterstützung sucht: dazu einige Beispiele bei L. Robert, BCH 59, 1935, 498 (OMS I 311); Hellenica XI/XII 519 f. 34 Zu der von L. Robert in Aussicht gestellten Untersuchung „Les origines légendaires de Synnada et les parentés de peuples“ s. das Resümee Hellenica VIII 90 f. (OMS IV 90 f.). Man vgl. zuletzt die Untersuchungen über die συγγένεια zwischen Aigeai in Kilikien und Argos (BCH 101, 1977, 119–132) und zwischen den Aitolern und Herakleia am Latmos (BCH 102, 1978, 477–490). 35 A. Moulakis, Homonoia. Eintracht und Entwicklung eines politischen Bewußtseins, München 1973; J. de Romilly, Vocabulaire et propagande ou les premiers emplois du mot ὁμόνοια, Mélanges … offerts à P. Chantraine (Études et Commentaires 79), 1972, 199–209; D. M. Pippidi, Une hypothèse sur le temple de la Concorde à Callatis, in Scythica Minora, 1975, 182–192. 36 Zu dem Thema vgl. die Zusammenfassung bei L. Robert, Les juges étrangers dans la cité grecque, in ΞΕΝΙΟΝ. Festschrift für Pan. J. Zepos, 1973, 765–782. Dort wird S. 775 der Begriff der ὁμόνοια als „Leitmotiv“ der entsprechenden Urkundengruppe charakterisiert.
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tritt, und dies in zurückhaltenden und recht stereotypen Formulierungen als διαφορά, περίστασις bzw. δυσχερὴς κατάστασις, ταραχή u. a.37 Konkretere und deutlicher differenzierende Aussagen sind bei dieser Thematik die Ausnahme38. Immerhin weist auch die Verbreitung der Personifizierungen und des Kultes der Ὁμόνοια auf ihre existenzielle Bedeutung für das städtische Leben hin39. Aber ohne Frage unterliegt die Anwendung dieses Begriffes oft dem Wunschdenken, wird illusionär oder geradezu verfälschend. Als Beispiel kann die Situation in Iasos am Beginn des 2. Jhdt.s dienen, d. h. die Umstände des Übergangs der Stadt unter die Herrschaft Antiochos’ III. Durch die von J. und L. Robert vorgetragene kombinierende Interpretation eines Neufunds aus dem Jahr 1967 und eines schon lange bekannten Dokuments können wir jetzt die unterschiedlichen Aspekte der Darstellung der Ereignisse durch die Stadt greifen40. Was die außenpolitische Perspektive angeht, so ist die Aussage bemerkenswert, daß der König die Polis „aus der Knechtschaft in die Freiheit“ geführt habe (ἐγ δουλείας ῥυσάμενος ἐποίησεν ἐλευϑέραν). Hinsichtlich der inneren Verhältnisse erscheint die gängige Formel von der „Bewahrung von δημοκρατία und αὐτονομία“. Das wird aber noch ergänzt durch den Hinweis darauf, der König habe an die Iasier die intensive Aufforderung gerichtet μεϑ’ ὁμονοίας πολιτεύεσϑαι – was Könige oder ihre Funktionäre übrigens häufig taten41, wobei hier auch noch Apollon durch ein Orakel dem Wunsch Nachdruck verlieh (GIBM 442, 5–10 = OGI 237 {IvIasos 4, 54–59): ὅ τε ϑεὸς ὁ ἀρχηγέτης τοῦ γένους τῶμ βασιλέων συνεγμεμαρτύρηκεν τῶι βασιλεῖ παρακα λῶν μεϑ’ ὁμονοίας πολιτεύεσϑαι, ὁ δὲ δῆμος ἔχων ταύτην τὴν αἵρεσιν πολύ τι μᾶλλον μεϑ’ ὁμονοίας πολι37 Hier nur auswahlweise einige Beispiele: διαφορά IG IX 2, 1100, 10; Demetrias I 206 Z. 34 (vgl. auch IstMitt 29, 1979, 259 mit Anm. 42) bzw. häufiger διαφερόμενοι IG IX 2, 507, 19; XII 3, 172, 14 (L. Robert, OMS I 33, 1); XII 5, 1065, 1; IvPriene 61, 10 {IvPriene (2014) 112, 10}; AM 44, 1919, 22 n. 9, 5. 16 (SEG I 363), 27 n. 13, 51 (SEG I 366); περίστασις ICret. I, XIX, 3 A5; δυσχερὴς κατάστασις Michel 458, 7; ταραχή IG XII 7, 221, 10; Tit. Calymnii n. XVI 42; ICret. I, XIX, 3 A18 (ταραχὰ καὶ διχοστασία). 38 So etwa die Bezeichnung antagonistischer Gruppen: [οἱ δαψιλεῖ]ς καὶ oἱ μὴ πολυωρο[ύμενοι (?) IG XI 4, 1052, 4 (vgl. L. Robert, RPhil 1927, 111 f. = OMS II 1066); οἱ πάνυ δημοτικοί – οἱ ἐν ὑπεροχῇ ὄντες AM 32, 1907, 273 n. 10, 22; οἱ μισϑοῦ ἐργαζόμενοι – οἱ μισϑούμενοι IG XII 5, 129, 14. 39 L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée, 1969, 321 Anm. 9 hat eine Behandlung des Kults der Ὁμόνοια in seinem Werk über die auswärtigen Schiedsrichter angekündigt. Einige Beispiele für das Aufkommen des Kults gibt H. Hepding AM 35, 1910, 461. Neben der innerstädtischen Sphäre spielt hier die das Verhältnis zwischen zwei Städten betreffende Ὁμόνοια eine wichtige Rolle: s. L. Robert, StCl 16, 1974, 68 f. 40 Bull. épigr. 1971 n. 621 S. 507–9, wo die Verbindung des Neufunds (G. Pugliese Carratelli, ASAtene 45/6, 1967/8, 445 n. 2, vgl. Y. Garlan, ZPE 13, 1974, 197 f.) mit der Inschrift GIBM 442 = OGI 237 {IvIasos 4, 51–62} vorgeschlagen wird. Zu den Vorgängen vgl. auch A. Mastrocinque, PP 31, 1976, 312 f. 41 Z. B. IG XII 5, 1065, 4 (der Nesiarch Bakchon im Sinne Ptolemaios’ II., vgl. AM 44, 1919, 22, 6: Philokles von Sidon); IG XI 4, 1052, 29 (Endemon von Klazomenai, von Antigonos Gonatas entsandter ἐπικριτής); IG XII 7, 221 b 9 (Diokleidas als Abgesandter des Antigonos Doson).
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τευόμενος τὰ μέγιστα ἀγαϑὰ παρειληφὼς παρὰ τοῦ βασιλέως ταῦτα διατηρεῖ Eine Bemerkung bei Livius gelegentlich der Operationen von 190 macht deutlich, worin die Herstellung der ὁμόνοια in Iasos bestanden hat: In der Vertreibung eines Teils der Führungsschicht (exules … vi regiorum … pulsi), der sich später auf römischer Seite einfand (XXXVII 17)42. Aber die offizielle Version dieser Umwälzung von 197 hat sich niedergeschlagen in der Inschrift einer Kommission zum Ausbau oder der Reparatur von Buleuterion und Archeion, die mit einer Weihung an Homonoia und Demos endet (GIBM 443 {IvIasos 252}):
Οἱ αἱρεϑέντες τοῦ τε βουλευτηρίου καὶ τοῦ ἀρχείου ἐπιμεληταὶ (5 Namen, dazu 1 Architekt) Ὁμονοίαι καὶ τῶι Δήμωι.
Mit Hilfe der Kombination verstreuter Inschriftenzeugnisse hat vor einigen Jahren Dionis Pippidi auch für Kallatis wahrscheinlich gemacht, daß dort in ähnlicher Weise ein Tempel der Ὁμόνοια nach einer vom Demos bestandenen innenpolitischen Auseinandersetzung dediziert worden ist (s. Anm. 35). Diesen drastischen Beispielen einer einseitigen Tendenz in der Selbstdarstellung einer Stadt ließen sich noch viele auch subtilere Fälle als Belege für die Divergenz zwischen Ideal und Wirklichkeit an die Seite stellen43. Ich glaube, daß hier doch ein für das hellenistische Städtewesen insgesamt feststellbarer Tatbestand der Befangenheit vorliegt, dies sogar in zweierlei Hinsicht: Das eine ist Befangenheit hinsichtlich des subjektiven Verständnisses der inneren Situation der Städte, das andere aber auch Befangenheit in einer manchmal illusionären Einschätzung des politischen Handlungsspielraums der Städte nach außen. Diesen aus den Urkunden ablesbaren Eindruck gilt es im Bewußtsein zu behalten, auch wenn man auf das lebendige Weiterwirken der Polistraditionen und -institutionen im Hellenismus Nachdruck legt. Doch muß ich hier abbrechen. Worauf es mir in meinen Bemerkungen insgesamt ankam, das war die Intention, etwas die Aufmerksamkeit dafür zu schärfen, welche 42 Die Verknüpfung mit der Livius-Stelle schon bei E. L. Hicks im Kommentar zu GIBM 442 (vgl. JHS 8, 1887, 97). J. u. L. Robert a. a. O. betonen die ‚Pikanterie‘ der im neuen Text enthaltenen Aussage von der Befreiung der Stadt aus der δουλεία, wenn man sie mit dem Hinweis auf die (neue) servitus regia bei Livius konfrontiert. 43 Charakteristisch für die Idealisierung der Leistung der Stadt scheint mir z. B. die Passage in IvPriene 17, 15–19 {IvPriene (2014) 28, 15–19}, wo doch aus dem folgenden deutlich wird, daß das eigentliche Verdienst der Errettung vor der Keltengefahr dem Sotas zukam. Stilisierungen und Übertreibungen stellen sich auch besonders in Aussagen über die Loyalität und politische Ergebenheit von Städten gegenüber Herrschern (OGI 229, 3–5; 329, 2–4) oder später den Römern ein (Syll.3 694, 11–18; 742, 1–4. 10–15). Ein Beispiel recht subjektiver Darstellung ist zumindest auch die Aussage von Kalymna über den Rechtsstreit mit den Söhnen des Diagoras (Tit. Calymn. n. 7, 15–19) im Vergleich mit dem uns erhaltenen Urteilsspruch (n. 79 {IvKnidos 221}).
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Elemente an Stilisierung und Idealisierung das reiche Inschriftenmaterial über die hellenistischen Städte enthält, und auch aufzuzeigen, auf welchen Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen die so starke Eigenprofilierung der Städte in den Urkunden beruht.
58 Γέρας ϑανόντων Totenruhm und Totenehrung im städtischen Leben der hellenistischen Zeit Die griechische Wendung im Titel meines Beitrags ist dem Homerleser vertraut: Sie begegnet viermal in den Epen. So heißt es im Π der Ilias zweimal in Reden von Hera und Zeus, auf den toten Sarpedon bezogen, er solle nach Lykien gebracht werden, auf daß dort die Anverwandten die Bestattung vollzögen (457 und 675) τύμβῳ τε στήλῃ τε· τὸ γὰρ γέρας ἐστὶ ϑανόντων. Der Halbvers hat sich als griffige Formel für die Verwendung in Grabepigrammen angeboten: ein Beleg aus Attika aus dem ausgehenden 6. Jahrhundert v. Chr. (Peek, GV 156) und einer aus Phrygien aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. (MAMA I 424) bekunden die Verbreitung über Raum und Zeit.1 In meinen folgenden Ausführungen soll es darum gehen, unter diesem Motto einige Überlegungen anzustellen zur „Repräsentation“ der Verstorbenen in der Lebenswelt der hellenistischen Stadt, auf der Basis epigraphischer Dokumentation. Dabei will ich den Blick gewissermaßen von der Peripherie her in das Zentrum lenken, von den außerhalb gelegenen Nekropolen in die Stadt hinein, auf die dort mit dem Tod ihrer Bürger unter Umständen verbundenen Wirkungen, die sich in Zeremoniell oder auch in architektonischer Vergegenständlichung geltend machen konnten. Es kann freilich nicht um Neuentdeckungen, sondern nur um Bewußtmachung weithin bekannter Phänomene gehen. Das allgemein menschliche Prinzip des de mortuis nil nisi bene bestimmt verständlicherweise grundsätzlich das uns für diese Thematik überkommene Material.2 Ja mehr noch: Wir müssen uns bewußt sein, daß die hier auswertbaren Aussagen nur einen durchaus begrenzten Ausschnitt aus den „größeren Heeren der Toten“ erfassen können, einen Ausschnitt, der im wesentlichen durch soziale und materielle VorausM. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus (Vestigia Band 47), München 1995, 189–197. 1 W. Peek, Griechische Vers-Inschriften I (= GV) 156; W. Peek, Griechische Grabgedichte (= GG) 26; P. A. Hansen, Carmina Epigraphica Graeca (= CEG) I 40: Τὀπικλέος παιδὸς Δαμασιστράτο ἐνϑάδε σε͂ μα Πεισιάναχς κατέϑεκε· τὸ γὰρ γέρας ἐστὶ ϑανόντο[ς]. Übersetzung von Peek: „Des Epikles-Sohnes Damasistratos Grabmal hat Peisianax hier errichtet, denn solche Ehrengabe gebührt den Toten.“ – MAMA I 424 (M. Waelkens, Die kleinasiatischen Türsteine, 1986, 228 n. 587) aus Baghlia (Bağlıca) bei Orkistos: Αὐρ. Μεῖρος καὶ Ἀππη ζῶντες ἔτευξαν υἱῷ μὲν Βάσσῳ τῷ ἀώρῳ εἶτα καὶ ἑαυτοῖς τύνβον καὶ στήλην ὅπε‹ρ› γέρας ἐστὶ ϑανόντων. Vgl. auch U. Ecker, Grabmal und Epigramm, 1990, 217. 2 Vgl. M. N. Tod, BSA 46, 1951, 184 mit dem Hinweis auf das Archilochos-Fragment 134 West οὐ γὰρ ἐσϑλὰ κατϑανοῦσι κερτομεῖν ἐπ’ ἀνδράσιν und das solonische Gesetz nach Plut. Sol. 21 (E. Ruschenbusch, Σόλωνος Νόμοι F 33 a) ὁ κωλύων νόμος τὸν τεϑνηκότα κακῶς ἀγορεύειν.
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setzungen determiniert ist. Die uns hinlänglich vertraute Grundtatsache oder auch das Handicap, daß wir immer wieder unvermeidbar wenn nicht direkt an die Honoratioren, so doch an die besser situierte Schicht der städtischen Bevölkerung geraten, gilt natürlich auch hier. Doch jetzt zum Thema! Ich weiß nicht, wie weit die archäologische Wissenschaft so etwas wie eine Topographie griechischer Nekropolen zu rekonstruieren vermag, ob sich zum Bild der „Römischen Gräberstraßen“ ein griechisches Pendant erstellen läßt, oder ob unser Demonstrationsobjekt immer nur der athenische Kerameikos-Friedhof ist.3 Daß aber jedenfalls die Errichtung der Grabanlage an Straßen, an begangenen We|gen, wenn nicht die Regel war, so doch bevorzugt wurde, scheint mir aus gewissen Indizien auch epigraphischer Art hervorzugehen. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: In einem milesischen Epigramm des 3./2. Jhdts. (GV 307) wird von der Errichtung des Grabes ἐπ’ ἀγροτέρας ὁδοῦ, an ländlichem Weg, berichtet.4 Ich erinnere aber vor allem an den in Grabinschriften, besonders Epigrammen, außerordentlich verbreiteten Topos der Anrede an den Vorübergehenden (den παροδίτης oder παράγων), aus dem sich Formen des fiktiven Wechselgesprächs entwickeln.5 Das läßt jedenfalls an eine intensivere Art der Wahrnehmung, der Kenntnisnahme denken, wie denn auch die Aufforderung zum Verweilen (στῆϑι …) häufig begegnet.6 Trotzdem bleibt es natürlich eine Frage, in welchem Maße die Texte der Grabinschriften wirklich gelesen wurden bzw. ins Bewußtsein drangen. Im übrigen wird in der Literatur hier gern auf die intensivierende Wirkung des lauten Lesens hingewiesen.7 3 In diesem Sinne wird der Kerameikos genannt bei G. Neumann am Anm. 10 a. O. 219 („die eindrucksvollste Anschauung einer griechischen Nekropole“). Zum Problem der Rekonstruktion des ursprünglichen architektonischen und räumlichen „Kontextes“ bei hellenistischen Grabreliefs vgl. M. Pfanner, AM 104, 1989, 183–196. Als Gesamtdarstellung auf archäologischer Grundlage vgl. D. C. Kurtz – J. Boardman, Greek Burial Customs, 1971 (deutsch: Thanatos. Tod und Jenseits bei den Griechen, 1985). Behandlung unter anthropologischer Akzentsetzung: I. Morris, Burial and Ancient Society, 1987; ders., Death-Ritual and Social Structure in Classical Antiquity, 1992. 4 GV 307 (Milet VI 2 n. 745 {Merkelbach – Stauber, SGO I 01/20/37}): Τῆιδε Φιλαινίδα ϑῆκε Νέος πόσις, ἀμφὶ δὲ τύμβον [α]ὐτὸς ἐπ’ ἀγροτέρας δείματο καλὸν ὁδοῦ. Man vgl. die häufiger verwendete Formel ἐγγὺς ὁδοῖο/ὁδοῦ (CEG I 16. 39. 74. 142) bzw. παρ’ ὁδόν (CEG II 727) oder die Angaben ἐπὶ τριόδου (GV 117, 3) bzw. ἐν τριόδοις (IG II2 13194 = W. Ameling, Herodes Atticus II, 1983, 163 n. 158), auf die G. Pfohl am Anm. 14 a. O. 205 hinweist. S. auch U. Ecker am Anm. 1 a. O. 168 ff. 5 Vgl. L. Robert, Laodicée du Lycos. Le Nymphée, 1969, 352 f.; Th. Drew-Bear, EpigrAnat 1, 1983, 99 Anm. 71; Th. Corsten, EpigrAnat 12, 1988, 74; Bull. épigr. 1989 n. 733. Zur Anrede an den Passanten s. auch R. Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaphs, 1942, 230 ff. § 63; für das Wechselgespräch vgl. in W. Peeks Griechischen Vers-Inschriften die Kategorie „Dialog-Gedichte“ S. 550 ff. 6 Vgl. dafür bei W. Peek, Griechische Vers-Inschriften, die Typen ‚Geh nicht vorüber‘, ‚Bleib stehen und lies‘ S. 387 ff. 7 R. Lattimore am Anm. 5 a. O. 231 Anm. 116: „Naturally people in classical times, educated or not, noticed some of those innumerable tombs or tombstones which faced them whenever they left or entered a city.“ – Zum Thema „lautes Lesen“ vgl. die reiche Bibliographie bei H. Häusle, Einfache und
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Wenn ich nun die Frage aufnehme, worüber griechische Grabinschriften Aussagen machen, welches „Bild“ von den Toten sie in ihrer sprachlichen Mitteilung präsentierten, so kann ich das hier sich öffnende ungeheuer weite Feld nur mit einigen durchaus fragmentarischen Feststellungen in den Blick fassen. Angesichts der normalerweise außerordentlich kargen Angaben der einfachen Prosa-Grabsteine, die sich über die Namensnennung hinaus z. B. hundertfach auf ein hinzugefügtes χρηστὲ oder χρηστὴ χαῖρε beschränken,8 wird man schnell darauf geführt, sich auf die mitteilsamere Form des Epigramms zu konzentrieren. Hier liegt ein in die Tausende gehender Überlieferungsstrom vor; trotzdem wird man wohl behaupten dürfen, daß wir damit zugleich schon in eine gehobenere, anspruchsvollere Denkmalskategorie kommen, bei der also eine gewisse gesellschaftliche Selektion impliziert ist. Ich möchte nun bewußt hier nicht den Pfad einschlagen, der mit Christoph Clairmonts nicht unumstrittenem Buch von 1970 „Gravestone and Epigram“ aufgetan worden ist, mit seiner Frage nach der jeweiligen „correlation“ zwischen beidem.9 Es gibt dazu eine gut formulierte prinzipielle Feststellung, die Klaus Vierneisel in einem Aufsatz schon vor dem Erscheinen von Clairmonts Buch getroffen hat (AM 83, 1968, 119): „Als literarische Gattung folgen sie (die Grabepigramme) einer eigenen Gesetzlichkeit, und wenn Epigramme auf den Grabstelen gleichsam an die Stelle der Bilder treten können, so bestätigt das nur, daß Epigramm und Bild als autarke Größen nebeneinanderstehen. Die Frage kann nur sein, ob sich beide Kunstgattungen auf der Basis eines gemeinsamen Weltverständnisses entwickelt haben.“ In methodisch bewußterer Form hat Clairmont ja immerhin in den vergangenen Jahrzehnten durchaus | ernst zu nehmende Fortsetzer gefunden.10 Mein Bezugspunkt soll indes so weit wie möglich
frühe Formen des griechischen Epigramms, 1979, 100 Anm. 195; J. Svenbro, AnnAStorAnt 10, 1988, 63–71 (Verknüpfung mit dem κλέος-Gedanken); J. W. Day, JHS 109, 1989, 21. 8 Für eine knappe Zusammenstellung der in Prosa-Grabinschriften begegnenden Begriffe vgl. M. N. Tod, BSA 46, 1951, 182–190 (dazu J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1952 n. 31 mit kritischen Bemerkungen im Hinblick auf die Beschränkung auf Prosa-Inschriften). Zur Verbreitung von χρηστός ibid. 185 f. („χρηστός thus wins a runaway victory in the race for popularity“); für χρηστός als „une qualité qu’il (scil. le défunt) avait pendant sa vie“ L. Robert, Études anatoliennes, 1937, 369. Zu χρηστός s. auch die Überlegungen von B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs, 1983, 239 Anm. 559. 9 Man vgl. die ausführlichen Besprechungen von G. Daux, BCH 96, 1972, 503–566; Hilde Hiller, Gnomon 47, 1975, 587–597 (mit Kritik an der „einseitigen, vordergründigen Fragestellung“); W. Peek, DLZ 96, 1975, 497–499 („Im Regelfall ist das Bild so eigenständig wie das Epigramm, beide sind sui generis“). Gegenüber der „heftige(n), oft von schrillen Tönen erfüllte(n) Kritik“ relativierende Einwendungen von G. Neumann am Anm. 10 a. O. 233 Anm. 3. 10 Eine (ältere) Bibliographie zu der Thematik bei H. Häusle am Anm. 7 a. O. 93 Anm. 168. An neueren Arbeiten sind beispielsweise zu nennen: G. Neumann, Zum Verhältnis von Grabdenkmal und Grabinschrift in der archaischen und klassischen Zeit Griechenlands, in H. Brunner – R. Kannicht – K. Schwager (Hrsg.), Wort und Bild. Symposium des Fachbereichs Altertums- und Kulturwissenschaften zum 500-jährigen Jubiläum der Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1977, 1979, 219–235; J. Nollé, ZPE 60, 1985, 117–135; Ursula Vedder, AM 103, 1988, 161–191; Geneviève Hoffmann, AnnAStorAnt 10, 1988, 73– 82; Marion Meyer, AM 104, 1989, 49–82. Dazu wird AA 1993, 155 angezeigt eine Kölner Dissertation von
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allein das sprachlich gestaltete „Bürgerbild“ der hellenistischen Epoche sein, im Sinne unseres Kolloquiumsthemas. Dabei muß ich mit banalen Feststellungen beginnen. Ich habe nicht gezählt, kann aber wohl getrost die Behauptung wagen, daß in den Grabepigrammen die Frauen etwa in gleichem Anteil wie die Männer vertreten sind. Ein Blick in die Literatur zeigt denn auch, daß man den Epigrammen auf Frauen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat, sie offenbar als interessanter, aufschlußreicher ansieht. So stellt Richard Lattimore in seinem immer noch nützlichen Buch von 1942 „Themes in Greek and Latin Epitaphs“ (294) schlicht fest: „In general we have a clearer outline of the ideal for women than of that for men.“ Der schöne Beitrag von AnneMarie Vérilhac von 1985 „L’image de la femme dans les épigrammes funéraires grecques“ hat noch kein Pendant für die Männerwelt erhalten.11 Zum anderen: Man muß sich immer die starke Kontinuität in diesem literarischen Genus von der archaischen Zeit an vergegenwärtigen, wenn man hier den Hellenismus herausheben will. Es gilt zu überlegen, was traditionell ist, bis hin zum Klischee, was dagegen zeittypisch sein kann. Die literarische Entwicklung mit ihrer zunehmend reicheren thematischen Ausgestaltung hat Werner Peek in der Einführung seiner zweisprachigen „Griechischen Grabgedichte“ (1960) herausgearbeitet und dabei gerade für den Hellenismus das Aufkommen einer „Koine in der griechischen Grabepigrammatik“ konstatiert, die in Gedanken, Motiven, Formen und Formeln zur Geltung komme (S. 34).12 Die eben erwähnte Anne-Marie Vérilhac hat am Anfang ihrer Untersuchung die Aussagemöglichkeit der Epigramme so definiert: „Aussi offrent-elles du mort une image idéalisée, reflet du modèle admis et approuvé par tous. A ce titre elles constituent des documents privilégiés pour l’étude de la mentalité générale.“13 Wenn man unter dieser Prämisse unser Material betrachtet, fällt einem zunächst eine bemerkenswerte Homogenität auf, die sich gemeinsam auf Männer und Frauen erstreckt, unge1992: Christine Breuer, Epigramm und Bildersprache in hellenistischen Grabreliefs {Christine Breuer, Reliefs und Epigramme griechischer Privatgrabmäler: Zeugnisse bürgerlichen Selbstverständnisses vom 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr., 1995}. 11 Der Beitrag von A.-M. Vérilhac, in La femme dans le monde méditerranéen I. Antiquité, 1985, 85– 112. – Die Innsbrucker Dissertation von 1963, A. Stecher, Der Lobpreis des Toten in den griechischen metrischen Grabinschriften, ist ungedruckt geblieben. Die auf ihr beruhende gedruckte Fassung: Inschriftliche Grabgedichte auf Krieger und Athleten: eine Studie zu griechischen Wertprädikationen, 1981, die „unter Mitarbeit von Gerhard Pfohl“ entstanden ist, beschränkt sich auf zwei wichtige Kategorien (ebd. S. 8 Hinweis auf weitere Arbeiten von Schülern G. Pfohls). – Als Ergänzung zu Vérilhac kann die Arbeit von J. Pircher, Das Lob der Frau im vorchristlichen Grabepigramm der Griechen, 1979, angesehen werden, das die Interpretation von 23 Epigrammen zum Inhalt hat. 12 Vgl. z. B. auch E. Pfuhl, JdI 20, 1905, 152: „Mit diesem reichhaltigen Typenschatze schalteten die Bildhauer so frei wie die Dichter der Grabepigramme mit ihren τόποι; aber der Kreis, in dem sie sich bewegen, ist fest umschrieben …“ 13 Zu der Frage der „Mentalität“ – unter Einbeziehung theoretischer Überlegungen – s. auch den Beitrag von H. W. Pleket, Griekse Epigrammen op steen en de „Histoire des Mentalités“, in Handelingen van het XXIXe Vlaams Filologencongres, 1973, 145–159. Charakteristischerweise konzentriert sich Pleket auch auf Epigramme für Frauen. (Ich bin dem Autor für Überlassung einer Kopie verbunden.)
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achtet natürlich der Differenzierung in den Lebensschicksalen. Die herausgehobenen charakterlichen Qualitäten sind in hohem Grade stereotyp: ἀρετή, σωφροσύνη, δικαιοσύνη, εὐσέβεια, wohl die häufigsten Prädikate,14 können sich gleichermaßen auf Männer wie auf Frauen beziehen, sicher, wie etwa bei der einmal als „hellenische Nationaltugend“ charakterisierten σωφροσύνη, mit Unterschieden in der inhaltlichen Akzentuierung.15 Das Bild vom ἀγαϑὸς καὶ | σώφρων ἀνήρ läßt sich bis in die Epigramme des 6. Jahrhunderts zurückverfolgen und kann dort gewiß als Ausdruck eines Adelsideals verstanden werden.16 Aber wie viel hilft es uns, den Prozeß der Ausbreitung in späterer Zeit unter dem Aspekt einer Demokratisierung zu sehen, wie es oft geschieht?17 Einflüsse der Vulgärethik und der Popularphilosophie mögen hier ebenso hereinspielen wie die Wirkungen, ja Zwänge des sprachlichen Klischees. Ich nehme als kleines Beispiel die δικαιοσύνη: Wie kann in einem bürgerlichen Leben die Tugend der „Gerechtigkeit“ zur Geltung kommen? Wir würden vielleicht naiv an Richtertätigkeit denken, an öffentliche Funktionen oder ähnliches. Aber dann stoßen wir in einem athenischen Epigramm noch des 4. Jhdt.s (GV 493; CEG II 534) auf die Amme Malicha von Kythera, charakterisiert allein mit der Wendung ἐκ Πελοποννήσο τήνδε δικαιοτάτην. Dazu eine etwas verlegene ältere Interpretation von Gerhard Pfohl: Hier sei „nicht so sehr die Gerechtigkeit der Amme den ihr unterstellten Zöglingen gegenüber gemeint als vielmehr all jene Fähigkeiten, die eben eine Amme haben soll“.18 Da bringt uns ein anderes Epigramm auf eine Frau, Archidike aus Tylissos, 14 Vgl. dazu R. Lattimore am Anm. 5 a. O. 290 ff. „The Enumeration of Virtues“ sowie bei G. Pfohl, Untersuchungen über die attischen Grabinschriften, Diss. Erlangen 1953, 12 ff. das Kapitel „Wertprae dikationen“. 15 Das Zitat aus A. Kollmann, WSt 59, 1941, 20. Zu dem Begriff liegt eine gründliche Untersuchung vor von Helen North, Sophrosyne. Self-Knowledge and Self-Restraint in Greek Literature, 1966. Dort wird σωφροσύνη bezeichnet als „primary virtue of women in Greek inscriptions“ (253), was an Aristot. Rhet. I 5 p. 1361 a 6 denken läßt: ϑηλειῶν δὲ ἀρετή … ψυχῆς δὲ σωφροσύνη καὶ φιλεργία ἄνευ ἀνελευϑερίας. Vgl. dazu J. Pircher am Anm. 11 a. O. 22 f. und 28 sowie Th. Drew-Bear, EpigrAnat 1, 1983, 97 f. mit Anm. 56; J. Nollé, ZPE 60, 1985, 121. Der Begriff wird aber noch häufiger auf Männer angewandt (in Peeks Griechischen Grabgedichten registriere ich zwischen dem 6. und 1. Jhdt. v. Chr. 17 Belege für Männer, 7 für Frauen). 16 Zu der Verbindung s. J. Pircher am Anm. 11 a. O. 20 zu n. 7. 17 J. W. Day, JHS 109, 1989, 27 spricht davon, daß der rühmende Charakter (praising function) der Grabinschriften erhalten geblieben sei, „even after encomiastic motifs in private epitaphs tended to fossilize as the inscribing of gravestones in verse spread beyond the aristocracy from the later sixth century“, mit Verweis auf Morris (s. Anm. 3) „for the democratization of burial practices in Athens“. Etwas anders hatte es R. Lattimore am Anm. 5 a. O. 290 ausgedrückt: „This (scil. die Aufzählung von Tugenden) is merely a variation of the old laudatio; with the attempt to write epitaphs on the part of people of inferior education, there is more of a tendency to fall back on a bald inventory.“ Vgl. auch ebd. 285 Anm. 155 mit dem Zitat aus A. D. Nock, Conversion, 1933, 212 über das „pathetic desire for self-assertion“ des „kleinen Mannes“ (small man), das durch die Grabinschriften in reichem Maße illustriert werde. 18 G. Pfohl am Anm. 14 a. O. 22 f., übernommen von J. Pirchner am Anm. 11 a. O. 41 f.; abweichend Ch. Clairmont, Gravestone and Epigram, 1970, 85: „most trustworthy“.
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in Demetrias begraben (GV 1693), schon weiter: εὐσεβίαν γὰρ / ἤσκει καὶ σύνεδρον τῆσδε δικαιοσύνην, in der Übersetzung von Peek: „Denn Frömmigkeit übte sie und deren Schwester, Gerechtigkeit“ (eigentlich „Beisitzerin“ – vielleicht soll auf das Bild der Tempelgenossin angespielt werden). Hier führt uns eine schöne Untersuchung von Albrecht Dihle von 1968, „Der Kanon der zwei Tugenden“, darauf, daß es bei dem Begriffspaar um ein sehr verbreitetes Klischee der Vulgärethik geht, mit dem die Kombination von richtigem Verhalten den Göttern und den Menschen gegenüber bezeichnet werden soll. Dann ist δικαιοσύνη tatsächlich kaum mehr als „Rechtschaffenheit“ oder „freundliche Hinwendung des Menschen zu seinem Nächsten“.19 Im Lichte dieser Erklärung versteht man dann schon besser, warum in einem weiteren Epigramm auf eine Frau, Tropo aus Samos (GV 1688 a; CEG II 683 [4. Jhdt.] {IG XII 6,2, 758}) unter die Hervorhebung der δικαιοσύνη subsumiert wird ἐν δὲ βίωι πρὸς ἅπαντας ἀληϑεύουσα, oder in Athen von einem gewissen Sotios (GV 540; CEG II 483 [4. Jhdt.]) ausgesagt wird ἀεὶ γὰρ πᾶσιν ἀρέσκων / ἦν ψυχήν τε φίλοις ἔσχε δικαιοτάτην. Statt diesen Tugendkatalog terminologisch noch weiter zu verfolgen, möchte ich versuchen, einige Charakteristika hervorzuheben. Wenn man es denn ein „Bürgerbild“ nennen will, was uns hier entgegentritt, so muß dabei nachdrücklich das Vorherrschen des privaten, familiären Aspekts betont werden. Das leuchtet für die Lebensbereiche der Frau unmittelbar ein, wo an besonderen Qualitäten dann etwa auch Fleiß (φιλεργία) und Sparsamkeit hervorgehoben werden können.20 Aber auch bei den Männern findet man auffallend wenige Details, die über die private Sphäre hinaus in die öffentliche weisen. Sehen wir uns einmal das hübsche Epigramm für ein alt gewordenes Ehepaar aus Syme aus dem 2. Jhdt. v. Chr. an (GV 1717; GG 156): Εὐ[τυχί]αι ζώοντες ἐ[νὶ] ξυνῆι ποτε μ]ο[ίραι] ξυνῇ τὴν Παρίην ἀμφεϑέ[μεσϑα π]έτρον· κἀγὼ μὲν πάτρης τὸν ἀρήιον ἤ[ιν]εσα ϑεσμό[ν], 4 ἡ δ’ ἐς Ἀϑηναίης ἔργα νόωι τρέπετο. ἄμφω δ’ ἀσπαστοὶ ξείνοισί τε καὶ πολιήται[ς] κυάνεον Λήϑης ἤλϑομεν εἰς ἔρεβος γηραιοί, μακάρεσσι τετιμένοι· ἦν ἄρα ϑνητο[ῖς] ἐξ ἔργων ἀγαϑῶν καρπὸς ὅδ’ εὐσεβίης. 19 A. Dihle, Der Kanon der zwei Tugenden, 1968, 13. 20 Für φιλεργία s. das in Anm. 15 gegebene Aristoteles-Zitat. Dazu J. Pircher am Anm. 11 a. O. 27 f. (ἐργάτις); H. W. Pleket am Anm. 13 a. O. 151 f.; A.-M. Vérilhac am Anm. 11 a. O. 92 f. Neben ἐργάτις kommen vor allem die Begriffe φιλόεργος und φιλεργός vor: s. dazu L. Robert, in N. Fıratlı, Les stèles funéraires de Byzance gréco-romaine, 1964, 161. Ein schönes Beispiel ist die Reliefstele der Isias aus Mykonos (GV 703) aus dem 2./1. Jhdt., mit der Darstellung „sitzende Frau, spinnend, vor ihr ein Kind mit einem Kästchen“ (W. Peek, AM 56, 1931, 122), die in dem zugehörigen Epigramm (V. 3) als φιλόεργος bezeichnet wird, und weiter (V. 5) als ἐνὶ ζωοῖσι μεγίσταν / ἐξ ἔργων φήμαν οἴκῳ ἐρεισαμένα. – Auf Sparsamkeit geht φειδωλός in dem athenischen Epigramm auf Nikarete aus dem 4. Jhdt. (GV 328; CEG II 537) und wahrscheinlich auch das βίου οἰκονόμος im Epigramm der Epikarpia aus Rheneia (GV 702, 2 [2./1. Jhdt.]): vgl. A.-M. Vérilhac am Anm. 11 a. O. 91 f. und 97.
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Übersetzung von W. Peek: „Wie wir einst durch Fügung der Moira in gemeinsamem Glück gelebt haben, so haben wir uns auch gemeinsam in unser Grab aus parischem Marmor gelegt. Ich folgte des Vaterlandes kriegerischer Satzung (hatte mein Leben dem Waffendienst gewidmet), meine Frau hatte ihren Sinn den Werken Athenas zugewandt. Beide besaßen wir die Liebe der Bürger wie der Fremden, als wir zu Lethes finsterem Dunkel kamen, hochbetagt, in Ehre stehend bei den Himmlischen: solcher Art war also der Lohn der Frömmigkeit für uns Sterbliche, den uns unsere guten Taten verschafften.“ Die ἔργα Ἀϑηναίης als Lebensinhalt der Frau sind uns vertraut: „die häuslichen Arbeiten, insbesondere Spinnen, Weben und die Anfertigung der Kleider“ (Peek). Aber müssen wir sicher annehmen, daß der Mann „sein Leben dem Waffendienst gewidmet“ hat, also Berufssoldat war? Oder kann Ares nicht einfach das zu Athena sich anbietende Pendant der männlichen Lebenswelt sein, epischer Tradition entsprechend?21 Es ist übrigens auch sehr typisch, wie in dem Epigramm die Öffentlichkeit in den Blick kommt: als die gleichsam urteilende und wertende Instanz, und dabei ξένοι und πολῖται in gleicher Weise. Wie sehr es auf die Resonanz ankommt, auf Lob und gute Nachrede bei der Mitwelt und der Nachwelt (ἔπαινος und εὐλογία), zeigen die Epigramme hundertfach, und sehr häufig werden hier ἀστοί und ξένοι nebeneinander genannt.22 Anders herum wird das durch die gern verwendeten Epitheta ἄμεμπτος oder ἀμώμητος u. ä. ausgedrückt, das Fehlen von Tadel. Man kann sagen, der alte κλέος-Gedanke lebt auf seine Weise weiter.23 Zum Ruhme soll die Grabanlage im übrigen auch vielfach den Begrabenden gereichen, wie es etwa ein athenisches Epigramm noch des 4. Jhdt.s zeigt (GV 287; GG 106; CEG II 533), für Beltiste aus Herakleia:
21 J. Pircher (s. Anm. 11), der das Gedicht 61 Anm. 20 bespricht, verweist „zur Gegenüberstellung der getrennten Aufgabenbereiche“ auf die Homerstelle Z 490–3, wo es nach Anführung der ἔργα der Frau heißt πόλεμος δ’ ἄνδρεσσι μελήσει / πᾶσιν. 22 Man vgl. für ἔπαινος und εὐλογία den Epigrammanfang GV 1889 (CEG II 593): Οὐδεὶς μόχϑος ἔπαινον ἐπ’ ἀνδράσι τοῖς ἀγαϑοῖσιν ζητεῖν, ηὕρηται δὲ ἄφϑονος εὐλογία. Für Frauen werden Verse wie πλεῖστον ἐν ἀνϑρώποισι γυναικῶν ἔσχες ἔπαινον (GV 1705) oder ὅστις ἄριστος ἔπαινος ἐν ἀνϑρώποισι γυναικός (GV 891–3) variiert (vgl. GV 1758, 3; 1986, 1). Zum Begriff der εὐλογία vgl. A. Wilhelm, ÖJh 33, 1941, 38 f. (Kl. Schr. II 1, 808) mit einigen Belegen (wobei IG II2 1169 zu 11 169 zu korrigieren ist). – Für die Bezugnahme auf ἀστοί und ξένοι vgl. Th. Drew-Bear, GrRomByzSt 16, 1975, 292 Anm. 34; J. Pircher am Anm. 11 a. O. 61 f. mit Anm. 4. 23 Vgl. das Gedichtende für eine Frau GG 90 μῶμος δ’ οὔτις ἐπῆν ἐπὶ σοί. Der Gedanke kann mit einer Vielzahl von Adjektiven ausgedrückt weden, z. B. ἄμεμπτος καὶ ἄλυπος (GG 67), ἄμωμος (GV 1502, 3), ἀμώμητος (GV 326, 2), ἀμεμφής (GV 767, 3), ἀνέγκλητος (GV 1689, 3). Die Wendungen sind auch in Prosa-Grabinschriften häufig (vgl. M. N. Tod, BSA 46, 1951, 186 f. zu ἄλυπος; L. Robert, Hellenica XIII, 1965, 182 f.).
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Βελτίστη Νομηνίο Ἡρακλειῶτις. Μητέρα ἔϑηκα ὁσίως ὁσίαν τοῖς πᾶσιν ἰδέσϑαι· ἀνϑ’ ὧν εὐλογίας καὶ ἐπαίνων ἄξιός εἰμι. Übersetzung von W. Peek: „Beltiste, Tochter des Numenios aus Herakleia. – Fromm bettete ich die fromme Mutter zur Ruhe, wie alle es sehen. Rühmende Rede und Lob verdiene ich darob.“ 194
Zu dem Ruhmesanspruch gehört also auch, daß das Grab hervorsticht, für alle gut sichtbar ist.24 So wie Angaben über einen Beruf in den Grabepigrammen nur spärlich vorkommen, fällt auf jeden Fall auch auf, daß von der Wahrnehmung politischer Funktionen nur ganz selten die Rede ist. Das sind vielfach die Beispiele, mit denen wir schon in die städtische Prominenz vorstoßen und bei denen das Grabmal Öffentlichkeitscharakter erhält. Das möchte ich mit einem Beispiel aus Milet illustrieren (W. Peek, ZPE 7, 1971, 225 n. 20; Milet VI 2 n. 735 {Merkelbach – Stauber, SGO I 01/20/22}): Οὗτος ὁ Μιλάτοιο πάτρας πρόμος, οὗτος ὁ δήμου ῥυτὴρ καὶ πόλεως ἡνιοχῶν βίοτον, οὗτος ὁ πᾶσιν ἄριστος, ὁ χρυσείοισι κολοσσοῖς 4 τιμαϑείς, πάτρας δ’ ἐντὸς ἔχων κτέρεα, πατρὸς Ἀριστέου υἱὸς ὁμώνυμος, οὗ κλέος ἐσϑλὸν Ἀελίου χρυσέων ἄγχι βέβηκε δίφρων. Übersetzung Dies ist der erste Mann seiner Vaterstadt Milet, dies der Retter des Volkes und der Lenker des Lebens der Stadt, dies der Beste in den Augen aller, der durch goldene Kolosse geehrt wurde und der sein Begräbnis erhielt innerhalb der Vaterstadt, der gleichnamige Sohn seines Vaters Aristeas, dessen herrlicher Ruhm emporgestiegen ist bis zu dem goldenen Wagen des Helios. Dieser in seiner politischen Führungsrolle so herausgehobene Mann, Aristeas, der im 1. Jhdt. v. Chr. gelebt haben dürfte, ist uns übrigens von diesem Denkmal abgesehen nicht bekannt. Bemerkenswert ist der Hinweis auf die Ehrung durch goldene
24 Für den Ruhm des Begrabenden vgl. z. B. auch das Epigramm auf Elpis aus Sardeis (GV 1127, 7 [3. Jhdt. v. Chr.]): ἀλλ’ ὦ ξένε, τόν μ’ ὑπὸ τύμβωι / ϑέντα πόσιν μύϑοις εὐλογέων παρίοις, für die „Sichtbarkeit“ des Grabes das athenische Epigramm (GV 1535, 3 [4./3. Jhdt.]): τάδε τεῦξε πατήρ σοι / μνημεῖον ϑνητοῖς πᾶσιν ὁρᾶν φανερόν. S. auch R. Lattimore am Anm. 5 a. Ο. 227 ff. § 62 (pride in the monument); M. Pfanner, AM 104, 1989, 179 f.
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κολοσσοί, die ihm zuteil wurde,25 und die Beisetzung innerhalb der Stadt, worauf ich noch zurückkomme. Auch das vielbehandelte Grabgedicht auf eine Frau aus Sardeis, mit dem ich diesen Blick auf die Epigramme beschließen will, fällt ganz aus dem Rahmen des Üblichen heraus (Sardis VII 1 n. 111; GV 1881; GG 433; E. Pfuhl – H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs II, 1979, n. 418 {Merkelbach – Stauber, SGO I 04/02/11}): Κομψὰν καὶ χαρίεσσα πέτρος δείκνυσι. τίς ἐντί, Μουσῶν μανύει γράμματα, Μηνοφίλαν. – »τεῦ δ’ ἕνεκ’ ἐν στάλᾳ γλυπτὸν κρίνον ἠδὲ καὶ ἄλφα, 4 βύβλος καὶ τάλαρος, τοῖς δ’ ἔπι καὶ στέφανος;« »ἦ σοφία‹μ› μὲν βίβλος, ὁ δ’ αὖ περὶ κρατὶ φορηϑείς ἀρχὰν μανύει, μουνογόναν δὲ τὸ ἕν, εὐτάκτου δ’ ἀρετᾶς τάλαρος μάνυμα, τὸ δ’ ἄνϑος 8 τὰν ἀκμάν, δαίμων ἅντιν’ ἐληίσατο.« κούφα τοι κόνις ἀμφιπέλοι τοιῇδε ϑανούσῃ. αἴ, ἄγονοι δὲ γονεῖς, τοῖς ἔλιπες δάκρυα. Übersetzung nach Wilamowitz und Peek: Schon der anmutige Stein zeigt eine elegante Frau. Wer sie ist, sagt das Gedicht, Menophila. „Weswegen ist auf dem Steine eingemeißelt eine Lilie, ein A, ein Buch und ein Wollkorb und darüber ein Kranz?“ – „Bildung kündet das Buch, das was sie auf dem Kopfe getragen hat, das Amt, das einzige Kind (besser: eine, die allein lebte) die Eins. Zeichen züchtiger Haltung ist der Korb, die Blume kündet die Jugend, welche der Dämon geraubt hat.“ Leicht möge dir rings die Erde werden, die du als solche gestorben bist. Doch ohne Kind, ach, sind nun die Eltern, denen du nur Tränen hinterließest. Die Grabstele hat wegen der Bezugnahme des Gedichts auf die Bilddarstellungen besondere Beachtung gefunden, etwa bei Franz Cumont unter dem Etikett des Symbolismus, zuletzt bei Henner von Hesberg als | Musterbeispiel für die „assoziative Bildsyntax“ der hellenistischen Darstellungskunst.26 Ich halte es allerdings für wichtig, darauf hinzuweisen, daß wir Parallelen hierzu nur in einigen literarisch überlieferten hellenistischen Epigrammen finden (AP III 421–9), und hier kommen wir schon eher
25 Vgl. zu dem Begriff die Untersuchung von G. Roux, REA 62, 1960, 5–40, besonders 37 f. mit dem Hinweis auf die εἰκὼν χρυσῆ κολοσσική Sardis VII 1 n. 27. S. auch J. Ducat, BCH 100, 1976, 246–251 und Sally C. Humphreys, The Family, Women and Death, 1983, 152 mit dem Hinweis auf Arbeiten von J.-P. Vernant. 26 Kommentierung des Gedichts bei J. Pircher am Anm. 11 a. O. 53 ff. n. 18. Vgl. F. Cumont, Recherches sur le symbolisme funéraire des Romains, 1942, 306 f. mit fig. 69; H. v. Hesberg, JdI 103, 1988, 309–365, hier S. 313.
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in die Kategorie des Rätselgedichts, sofern nämlich die dargestellten Bildzeichen zum Teil ungewöhnlich sind (das A; das Buch, das nach Vérilhac bei Frauen sonst nie vorkommt27), zum Teil nicht ohne weiteres in der hier gemeinten Bedeutung verständlich sind: daß der Kranz ein städtisches Amt bedeutet, wüßte man kaum ohne die Erklärung, und ob der Korb hier wirklich wie sonst auf die „hausfrauliche Tüchtigkeit“ (Peek) bezogen bleibt, wird man angesichts der Formulierung εὔτακτος ἀρετή vielleicht bezweifeln können (Frau Vérilhac paraphrasiert: „un mérite soucieux de ses devoirs“).28 Die Lesung des letzten Verses ist nicht ohne Probleme, aber es scheint von Heirat und Familienleben nicht die Rede zu sein. Wilamowitz hatte dazu geschrieben: „Die Tote hatte im Leben allein gestanden, aber Vermögen und Ansehen gestatteten ihr, die Stephanephorie zu übernehmen: ein Jahr der Sardianer hat nach ihr geheißen. Nach ihrem Tod hat die Gemeinde das Begräbnis besorgt.“29 Mit dieser Aussage (sie gründet sich auf die Prosa-Überschrift auf dem Grabstein: ὁ δῆμος Μηνοφίλαν Ἑρμαγένου) und schon mit dem davor besprochenen Epigramm sind wir schon im städtischen bzw. innerstädtischen Bereich, da wo der verstorbene prominente Bürger in öffentlicher Weise ins Bewußtsein gerückt wird. Das kann sich in Form eines bestimmten Begräbniszeremoniells in Verbindung mit der Beisetzung (ἐκφορά)30 vollziehen, in einem öffentlichen Begräbnis sowie der Anlage und Ausgestaltung des Grabes von Staats wegen (ταφὴ δημοσία),31 eventuell auch nur in der 27 A.-M. Vérilhac am Anm. 11 a. O. 88 (auf der Basis des Materials in Pfuhl – Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs). Für die σοφία, die durch die Buchrolle versinnbildlicht sei, vgl. Th. Drew-Bear, EpigrAnat 1, 1983, 99. 28 R. Lattimore am Anm. 5 a. O. 293 charakterisiert die Aussage des Textes so: „The lady combines the old-fashioned domesticity, represented by her working in fabrics at home (τάλαρος), with the more modern virtues of wit and what one might almost call public-spiritedness.“ H. v. Hesberg am Anm. 26 a. O. 361 ff. hebt an dem Grabstein eine für das 2. Jhdt. typische und politisch bedingte Reaktivierung und Propagierung alter Wertnormen hervor. Zum Problem der Deutung auch A.-M. Vérilhac am Anm. 11 a. O. 89 Anm. 11. Für die Bedeutung von εὐταξία und εὔτακτος s. L. Robert, in N. Fıratlı, Les stèles funéraires de Byzance gréco-romaine, 1964, 161. – Von Interesse ist auch das in V. 1 verwendete Epitheton κομψός: s. dazu L. Robert, REA 42, 1940, 303 (IvSmyrna 507); Hellenica X, 1955, 102 Anm. 11 (mit dem Übersetzungsvorschlag „distingué“); Noms indigènes dans l’Asie-Mineure gréco-romaine, 1963, 232 Anm. 6 (die dort angekündigte Studie über das Wort ist m. W. nicht mehr erschienen). Vgl. auch H. W. Pleket am Anm. 13 a. O. 154. 29 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Litteris. An International Critical Review of the Humanities 1,1, 1924, 11. 30 Zur Totenehrung anläßlich der ἐκφορά oder ἐκκομιδή, vor allem durch Kranzverleihung und öffentlichen Leichenzug, s. besonders L. Robert, RPhil 33, 1959, 218–221 (OMS V 248–251); Bull. épigr. 1966 n. 272 p. 400; Hellenica XI/XII, 1960, 274 Anm. 8. Für die Weiterentwicklung der Formen vgl. dens., AntCl 37, 1968, 412–416 (OMS VI 88–92); W. Günther, IstMitt 25, 1975, 354 f. Dazu ist vor einigen Jahren die interessante Dokumentation für Archippe aus Kyme aus der 2. Hälfte des 2. Jhdt.s v. Chr. getreten: H. Engelmann, IvKyme 13, Z. 11–14 (SEG XXXIII 1035) sowie H. Malay, EpigrAnat 2, 1983, 4 f. Z. 76–82 (SEG XXXIII 1039, 45–51; vgl. Bull. épigr. 1984 n. 351). 31 Für die ταφὴ δημοσία vgl. die bei J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1966 n. 272 p. 400 gegebenen bibliographischen Hinweise; dazu z. B. noch P. Herrmann, OpAth 10, 1971, 37 Z. 3 f. (vgl. Bull. épigr. 1972
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zusätzlichen Ehre der Ausschmückung einer privaten Grabanlage durch einen Kranz, in der gewichtigsten und spektakulärsten Form durch die Hineinnahme des Grabes in das Stadtinnere (ἐνταφὴ κατὰ πόλιν),32 der Anlage eines Heroon und eventuell damit verbundenen, | sich wiederholenden Zeremonien profaner oder eher kultischer Art.33 Epigraphische Hinweise auf entsprechende Prozeduren sind zahlreich und vielschichtig, aber die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Formen wie auch die Konkretisierung der jeweiligen Abläufe sind nicht immer leicht zu treffen. Es beginnt mit dem in bestimmten Gegenden schon stark vulgarisierten Befund des Auftauchens von Kranzdarstellungen mit der Beischrift ὁ δῆμος auf offensichtlich privaten Grabsteinen (ein Schwerpunkt ist Smyrna); Hans Möbius nahm sie einmal als Indiz für ein eher „kleinbürgerliches kommunales Leben“.34 Man trifft auch auf explizite Äußerungen in Grabepigrammen. So berichtet ein Dionysios in Smyrna von der Wahrnehmung eines Dionysos-Priestertums und städtischer Ämter (ἀρχαί) und schließt (IvSmyrna n. 430). Auf die hier gemeinten Tatbestände verweist auch eine Formel wie ὁ δῆμος ἔϑαψεν, die z. B. in Karien verbreitet ist (L. u. J. Robert, La Carie II, 1954, 176; s. z. B. IvStratonikeia 1205–10. 1222; vgl. E. Varinlioğlu, EpigrAnat 12, 1988, 103). Zum öffentlichen Begräbnis vgl. auch die Bemerkungen bei R. Lattimore am Anm. 5 a. O. 224 f. mit dem Hinweis „that … it degenerated with the passage of time“ (so auch 225 Anm. 73 als Abschluß einer Stellensammlung: „all these appear to have been awarded to persons of no particular distinction“). 32 Für die ἐνταφὴ κατὰ πόλιν vgl. J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1959 n. 252 p. 208; Hellenica XIII, 1965, 165 Anm. 2; AntCl 35, 1966, 421–3 (OMS VI 45–7); Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3, 1969, 25; E. Schwertheim, ZPE 29, 1978, 221 f. bzw. M. Sève, BCH 103, 1979, 343 f. Zum Begräbnis im Gymnasion kann auch auf IvDidyma 259, Z. 25 ff. verwiesen werden: ἐντε[ϑαμμ]ένων δὲ τῶν προγόνων μου ἐμ μέ[σωι τῷ πρ]ότερον τῶν νέων γυμνασίωι mit nachfolgender Namensliste. In Kyme gab es ein eigenes Areal οὗ … οἱ τῆς πόλεώς εἰσιν εὐεργέται τεϑαμμένοι (SEG XXXIII 1039, Ζ. 50; vgl. 1035, Ζ. 14); wir wissen aber nicht, wo dieses lag. 33 Vgl. dafür das interessante Grabepigramm (GV 1157) für drei Brüder aus Itanos (ICret. III, IV 38) wohl aus dem 1. Jhdt. v. Chr., die V. 1 als ἥρωες ἁγνοί bezeichnet werden, und wo es V. 9 ff. heißt: νῦν δὲ ναὸν καὶ ἄλσος ἀφηρωισμένον ἁγνόν τὰς παρὰ τῆς πατρίδος λαμβάνομεν χάριτας· δόγμασι δημοσίοις γεγενήμεϑα ἥρωες ἁγνοί. Übersetzung von W. Peek, GG 168: „Jetzt haben wir Tempel und heiligen Heroen-Hain als Ehrengaben der Heimat erhalten und sind durch Gemeindebeschluß zu heiligen Heroen geworden.“ – Zum Problemkreis der Heroisierung von Toten allgemein vgl. P. M. Fraser, Rhodian Funerary Monuments, 1977, 76–81; J. Pircher am Anm. 11 a. O. 59 mit Anm. 3. L. Robert hatte als eine Art Vorarbeit für die wiederholt angekündigte Untersuchung „Les bienfaiteurs dans les cités grecques“ im Zusammenhang vorgesehener „Études de vocabulaire“ u. a. auch eine Monographie zum Begriff ἥρως geplant: s. Hellenica XI/XII, 1960, 573 Anm. 4. 34 H. Möbius, in E. Pfuhl – H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs I, 1977, 44. Eine gewisse Begründung enthält das Epigramm aus Kyme (GV 1917, 8; IvKyme 49 [2./1. Jh.]) δήμου δὲ στέφανος πινυτὴν φρένα μηνύει ἀνδρὸς / ἀρτιφυοῦς. Beispiele mit Hinweisen auf die Verbreitung des Usus: L. Robert, RPhil 18, 1944, 45 (OMS III 1411); vgl. Berytus 16, 1966, 9 (OMS VII 641); Hellenica XI/XII, 1960, 217; T. Rönne-Linders – P. M. Fraser, OpAth 10, 1971, 79 (wo aber der Hinweis auf das MenophilaEpigramm aus Sardeis gerade nicht passend ist). Vgl. dazu auch W. Günther, IstMitt 25, 1975, 354 Anm. 13 und 17 (mit Hinweisen auf Funde von Goldkränzen).
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515): ἀντὶ δὲ τῶνδε / χρύσεος ἐκ δήμου κεῖτ’ ἐπ’ ἐμοὶ στέφανος. Doch wie haben wir uns so etwas konkret vorzustellen? Der ganze Komplex der „enterrements publics“ ist wiederholt von L. Robert durch Erläuterungen und Belegsammlungen verdeutlicht worden; die von ihm angekündigte zusammenfassende Behandlung ist leider nicht mehr verwirklicht worden.35 Man kann die Ausbreitung der Formen ab dem 3. Jhdt. in den Inschriften verfolgen und dann ihren weiteren Ausbau in der Kaiserzeit etwa mit dem neuen Phänomen der öffentlichen Trostbeschlüsse. In einer gern zitierten Passage der Rede pro Flacco (75) faßt Cicero unter Anspielung auf ein smyrnäisches Psephisma die Totenehren für einen Castritius zusammen: primum ut in oppidum introferretur, quod aliis non conceditur, deinde ut ferrent ephebi, postremo ut imponeretur aurea corona mortuo. Es ist deutlich, daß wir hier in den Bereich der städtischen Dankesreaktionen auf das Wirken ihrer εὐεργέται kommen bzw. des charakteristischen Wechselspiels von Dank und Ansporn. Es ist nämlich bezeichnend, daß Beschlüsse für entsprechende Totenehren durch die Stadt ebenso oft schon zu Lebzeiten eines prominenten Wohltäters gefaßt werden wie, in uns verständlicherer Weise, als Reaktion auf den erfolgten Tod. In den großen Ehrendekreten, mit denen die Wand der sogenannten Nordhalle in Priene bedeckt war, wird das an der Wende vom 2. zum 1. Jhdt. v. Chr. in dieser Stadt übliche Begräbniszeremoniell für prominente Wohltäter detailliert beschrieben. Als Beispiel habe ich die entsprechende Passage aus dem Beschluß für Krates vom Anfang des 1. Jhdt.s v. Chr. ausgezogen (IvPriene 111, Z. 307–312 {IvPriene (2014) 67, Z. 290–295}): ὅταν τε μεταλλάξῃ τὸν β[ίον], στεφα[νῶσαι] αὐτὸν [ἐπὶ τῆς ἐκφορᾶς στεφάνωι χρυσέωι· ποιήσασϑαι δὲ] τὴν ἀναγόρευσιν τοῦ ἐσομ[έ]νο[υ] τοὺς γραμμα[τεῖ]ς τῆς [βουλῆς καὶ τοῦ δήμου ἐν τῆι ἀγορᾶι· εἰς δὲ τὸν] στέφανον χορηγῆσαι τὸν νεωποίην τῆς πόλεως [τὸ] ἀν[άλωμα· ἐξεῖναι δὲ καὶ ἐπὶ τῆι ἐκφορᾶι τῶν] 310 λοιπ[ῶν τὸν β]ουλόμενον στεφανοῦν Κράτητα . . α[- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] ταυ[. . . . ., συ]ν̣ ακολουϑῆσ̣αι δὲ τ[ῆ]ι ἐκφορᾶι [τόν τε] π̣αι[δονόμον μετὰ τῶν παίδων καὶ τὸν γυμνασίαρχον] τῶν νέ[ων ἔχ]οντα̣ τοὺς ἐφήβους καὶ τοὺς νέους κα[ὶ τοὺς στρατηγοὺς μετὰ τῶν ἄλλων πολιτῶν·
35 Vgl. z. B. La Carie II, 1954, 176 Anm. 2: „… en traitant des honneurs funèbres et des décrets de consolation“; RPhil 33, 1959, 218 Anm. 5 (OMS V 248) „Je traiterai ailleurs de tous ces honneurs funèbres“; StCl 16, 1974, 63 Anm. 15 (OMS VI 285): „les enterrements publics“.
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Übersetzung Wenn er das Zeitliche segnet, soll man ihn bei dem Begräbnis mit einem goldenen Kranz schmücken. Die Sekretäre von Rat und Volk sollen die öffentliche Bekanntgabe des zu verleihenden Kranzes auf dem Markt vor|nehmen. Für seine Anfertigung soll der Neopoies der Stadt den Betrag zur Verfügung stellen. Es soll aber auch jedem übrigen, der es will, freistehen, Krates mit einem Kranz zu bedenken [- - -.] An dem Leichenzug sollen sich der Paidonom mit den Knaben, der Gymnasiarch der jungen Männer mit den Epheben und Jungmännern beteiligen sowie die Strategen mit den übrigen Bürgern. Es ist charakteristisch, daß diese in Aussicht gestellte Totenehrung im Dekret eingeschoben wird in den Kontext der dem Lebenden zuerkannten Ehren. Und in dem paral lel gestalteten Beschluß für Moschion (IvPriene 108, Z. 370) wird an die Bestimmung über den öffentlichen Trauerzug eine Art Hortativformel angefügt: „Damit angesichts der prächtigen Beisetzung auch die übrigen sehen, wie unsere Stadt Dankbarkeit erweist und die besten Männer nicht nur lebend, sondern auch nach ihrem Tode ehrt, und sich so umso intensiver im Interesse des Demos engagieren“.36 Nicht bezeugt ist uns übrigens in diesem Kontext der Vortrag von Leichenreden, wie L. Robert einmal betont hat, dabei die Hypothese in Zweifel ziehend, daß Epigrammtexte auf solche gesprochenen Enkomien zurückgehen könnten.37 Den staatlichen Bemühungen um Perpetuierung der Erinnerung an den Toten konnten bezeichnenderweise private Initiativen an die Seite treten, und dann sogar vom Toten selbst in die Wege geleitet sein, wie Frau Schmitt-Pantel unlängst am Beispiel der „fondations funéraires“ zum Zweck der Durchführung von öffentlichen Banketten gezeigt hat.38 Eine herausgehobene Form der Totenehrung war zweifellos die Zuerkennung einer Grabanlage in der Stadt, womit wir in den komplexen Bereich des Heroenkultes kommen bzw. in spezifischerer Form des Gründerkultes. Es ist bekannt, daß dafür besonders die Agora und das Gymnasion in Betracht kamen. Joyce Reynolds hat kürzlich beim Epigraphiker-Kongreß in Nîmes (Oktober 1992) aus Aphrodisias den kuriosen Fall einer Beisetzung ἐν τοῖς ἄντικρυς τοῦ βουλευτηρίου δημοσίοις ἐργαστηρίοις bekannt gemacht {IAph2007 11.16, 4–5}. Und nach neueren Inschriftenfunden und einer Revision älterer Befunde verstärkt sich die Vermutung, daß auch in Milet im 36 IvPriene 108, Z. 370 {IvPriene (2014) 64, Z. 370–375}: ὅπ[ως ἐ]πιφανοῦ[ς] | γενομένης τῆς ἐκφορᾶς εἰδότες καὶ [οἱ] λοιποὶ τὴ[ν] | πόλιν εὐχάριστον καὶ κατὰ τοῦτ[ο τὴ]ν πό[λιν ἡμῶν] | καὶ τοὺς ἀρίστους ἄνδρας μὴ μόνον [ζῶ]ντας, ἀλλ[ὰ] | καὶ μεταλλαγέντας τιμῶσαν πολ[λ]ῶι μᾶλλον | ἑαυτοὺς ἐκτενεῖς παρασκευάζωσ[ι πρὸ]ς τὸν δῆμον. 37 Diskussionsbeitrag L. Roberts in: L’épigramme grecque (Fondation Hardt, Entretiens XIV), 1969, 32 f. zu dem Beitrag von A. E. Raubitschek, Das Denkmal-Epigramm, bes. 7 ff. Neuerdings hat J. W. Day, JHS 109, 1989, 22 f. die Idee vom Zusammenhang zwischen einem bei der Begräbniszeremonie vorgetragenen Enkomion und dem Grabepigramm vertreten. 38 Pauline Schmitt-Pantel, Évergétisme et mémoire du mort, in G. Gnoli – J.-P. Vernant (Hrsg.), La mort, les morts dans les sociétés anciennes, 1982, 177–188.
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Bereich des Buleuterion Heroen-Ehrungen, wenn auch vielleicht nicht Grabstätten, für zwei prominente Bürger und Wohltäter der Stadt aus caesarisch-augusteischer Zeit zu lokalisieren sind, des C. Iulius Apollonios und seines bedeutenden Sohnes C. Iulius Epikrates.39 Im innerstädtischen Heroon blieb die Bedeutung des städtischen εὐεργέτης über seinen Tod hinaus manifest, in Ergänzung zu den sonstigen im Stadtbild in Erscheinung tretenden Erinnerungen an seine Wirksamkeit, nämlich Bauten, Statuen, Ehreninschriften. Hier konnten, wenn man so will, Stadtbild und ideelles Bürgerbild zu einer unmittelbaren Verknüpfung gelangen.
39 Die Erkenntnisse beruhen auf einer 1992 in Milet aufgenommenen Ehreninschrift und in Verbindung damit auf Revisionen älterer Inschriftenfunde aus dem Rathaus-Bereich: P. Herrmann, IstMitt 44, 1994, 229–235 {hier S. 452–459}. Schon L. Robert hat AntCl 35, 1966, 421 (OMS VI 45; vgl. Hellenica VIII 96 und OMS IV 103) den von den Ausgräbern als „Ehrengrab“ bezeichneten Bau im Rathaus-Vorhof mit der prominenten milesischen Familie verbunden. Demgegenüber hat allerdings K. Tuchelt, IstMitt 25, 1975, 91–140 dafür plädiert, in dem Bau eine Ara Augusti zu sehen.
59 Das κοινὸν τῶν Ἰώνων unter römischer Herrschaft Als Jürgen Deininger in seiner Untersuchung über die „Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit“ (1965) der Frage nach eventuellen Vorbildern dieser Institution im griechischen Osten nachging, erkannte er dem in Kleinasien bezeugten κοινὸν τῶν Ἰώνων in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung zu: „An welche Art hellenistischer Städtevereinigungen die römischen Landtage … anknüpften, läßt sich wohl besonders deutlich am Beispiel des ionischen Koinon zeigen“ (S. 10). Und aus einer kurzen Betrachtung der Struktur dieses Städtebundes ergab sich ihm die Erkenntnis: „Auch sonst ist die Ähnlichkeit dieser Institution mit den römischen Landtagen der Kaiserzeit nach ihrer Struktur wie nach ihrer Funktion überraschend groß“ (S. 12). Nun kann an dem altehrwürdigen Institut des Bundes der Ionier nicht nur seine eventuelle Bedeutung als Vorläufer oder Vorbild des kaiserzeitlichen Koinon von Asia Interesse beanspruchen, sondern auch die Tatsache des Weiterbestehens der die ionischen Städte umfassenden Vereinigung, der sogenannten τρισκαιδεκάπολις,1 wirft Fragen auf, die hier dann besonders die Bedingungen der Simultaneität oder Koëxistenz beider Institutionen betreffen. Die „wechselnden Geschicke“ des Ionischen Bundes bis weit in die Kaiserzeit hinein, auf die Deininger nur en passant hinweisen konnte, sollen deshalb in das Blickfeld des folgenden Beitrags gerückt werden. Es geht darum, die Erscheinungsform, die Konstruktion und die Aktivitäten des Bundes unter den spezifischen Gegebenheiten der römischen Herrschaft zu betrachten und zu analysieren – soweit das vom erreichbaren Quellenmaterial her möglich ist. Das Thema ist mit anderen Worten die Spätzeit oder gar Endphase einer der langlebigsten Organisationen der griechischen Geschichte, die, in der archai|schen Epoche begründet, bis in das 3. Jhdt. n. Chr. greifbar bleibt2 und somit eine Tradition von über 1.000 Jahren umfaßt, als solche vielleicht nur den Olympischen Spielen der Antike vergleichbar. Soweit in der älteren Forschung der Blick auf diese Spät-
N. Ehrhardt – L.-M. Günther (Hrsg.), Widerstand ‒ Anpassung ‒ Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom. Festschrift für Jürgen Deininger zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, 223–240. 1 So IvDidyma 356, 7, von L. Robert, Gnomon 31, 1959, 664 (OMS III 1629) auch IvDidyma 198, 2 ergänzt; IG XII 6,1, 326, 7 (Samos). SEG XV 532, 7 (Chios) heißt es [τρισκα]ιδεκαπολιτικὸν τῶν Ἰώνων [κοινόν]. Der älteste inschriftliche Beleg für die 13er-Zahl ist das smyrnäische Exemplar des Ehrenbeschlusses des Ionischen Bundes für den Strategen des Lysimachos Hippostratos von 289/8 (IvSmyrna 577, 1): Ἔδοξεν Ἰώνων τῶι κοινῶι τῶν τρε[ισκαί]/δεκα πόλεων. Auf die ältere Entwicklung und den Zeitpunkt der Zulassung von Smyrna als 13. Stadt ist hier nicht einzugehen; vgl. zuletzt G. Ragone, RFIC 114, 1986, 173–205. Eine Zusammenstellung der antiken Überlieferung über den Mitgliederbestand findet sich bei Th. Lenschau, Klio 36, 1944, 217. Ob und in welcher Form in der römischen Zeit Myus nach dem Verlust seiner Eigenständigkeit (vgl. IstMitt 15, 1965, 93–95 {hier S. 276–279}) noch als Mitglied in dem Bund repräsentiert war, ist nicht bekannt. 2 Eine neuere Bibliographie zur Geschichte des Ionischen Bundes findet man bei P. Debord, L’Asie Mineure au IVe siècle (1999) 176 Anm. 81.
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phase gelenkt wurde, verfiel sie freilich einer deutlich abwertenden Beurteilung. So stellte Wilamowitz in seiner grundlegenden Untersuchung über das „Panionion“ von 1906 fest: „Aber in der Kaiserzeit gehört sie (scil. die Feier der Panionien) natürlich zu den archaistischen Spielereien“,3 und M. Ο. B. Caspari zog in einem Beitrag von 1915 das Resümee: „In fact, it is tolerably clear that in its late days the Ionian League was devoid of any meaning, and that its festivals subserved the purpose of mere amusement untinged by pan-Ionian patriotism.“4 Auch wenn man einräumt, daß unter den Verhältnissen der römischen Herrschaft, speziell der Kaiserzeit, eine politisch bedeutsame Rolle dieses ionischen Koinon nicht mehr erwartet werden kann, wird man doch die Angemessenheit dieser harschen Urteile in Frage stellen können, indem man den Blick mehr auf die gesellschaftliche und ideelle Bedeutung des Phänomens lenkt und zu erfassen versucht, welche Rolle ihm als einem Element des Selbstverständnisses im kleinasiatischen Griechentum der Zeit zukommt. Auch Traditionalismus und Nostalgie (wenn sie denn hier als solche diagnostiziert werden kann) können wirkungsträchtige Faktoren im Leben sozialer Gemeinschaften sein. Von seinem Untersuchungsgegenstand ausgehend hatte Deininger sein Interesse auf verbindende Merkmale von hellenistischem Koinon und kaiserzeitlichen Landtagen gerichtet und diese an zwei besonders aussagekräftigen Urkunden des Ionischen Bundes aus dem 3. und 2. Jhdt. v. Chr. herausgearbeitet: dem in Klazomenai gefundenen Beschluß für Antiochos I. von ca. 268–262 und dem Beschluß für Eumenes II. von 167/6, der in Milet zutage gekommen ist.5 Als Hauptmerkmale erkannte er dabei drei Aspekte: „die Pflege des Herrscherkultes, die Wahrnehmung beschränkter eigener politischer Interessen gegenüber demselben Herrscher und das Fehlen einer eigentlichen legislativen oder administrativen Funktion“ (S. 10).6 Es wird zu fragen sein, wie weit diese Gesichtspunkte auch für die Aktivitäten des ionischen Koinon der Kaiserzeit Gültigkeit behalten. Dabei muß freilich gleich vorausgeschickt werden, daß uns für die hier zu betrachtende Zeit so explizite Zeugnisse wie die eben genannten fehlen, daß uns hier nur ein wesentlich knapperes und sprödes Quellenmaterial aus Splittern literarischer, epigraphischer und numismatischer Überlieferung zur Verfügung steht. Es ist in der Forschung registriert, aber kaum in einer Zusammenschau
3 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Panionion (SBBerlin 1906) 51 (Kl. Schr. V 1, 143). 4 M. O. B. Caspari (= M. Cary), S. 188 in seinem noch immer grundlegenden Artikel The Ionian Confederacy, JHS 35, 1915, 173–188. 5 Klazomenai: OGI 222 = IvErythrai u. Klazomenai 504; Milet: OGI 763 = Milet I 9 n. 306 (mit Nachträgen Milet VI 1 p. 209). 6 Was den letzten Punkt, die legislative Funktion, angeht, so wird immerhin in der Inschrift über den Verkauf des Priestertums für Poseidon Helikonios aus Priene aus dem 2. Jhdt. v. Chr. (IvPriene 202, 7 {IvPriene (2014) 147, 7}, vgl. 201, 7 {146, 7}; F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure n. 38) bestimmt, der Erwerber des Priestertums habe seine Aufgaben wahrzunehmen κατὰ] τοὺς νόμους τοὺς Ἰώνω[ν]. Es ging also um eine interne Gesetzgebung im sakralen Bereich.
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interpretiert wor|den.7 Die Freilegung der endlich entdeckten Lokalität des Panionion am Nordfuß der Mykale in den Jahren 1957–1960 hat außer einem allerdings aufschlußreichen Fragment einer lex sacra des 4. Jhdt.s v. Chr. keine Vermehrung unserer Kenntnisse für die spätere Zeit erbracht.8 Unter anderenorts gemachten Neufunden verdient ein milesisches Dokument Erwähnung, das in einem Detail ein Schlaglicht auf das Verhältnis zwischen dem ionischen Koinon und dem Koinon von Asia in der augusteischen Zeit wirft, in der der Landtag der Provinz mit seinem Kultzentrum in Pergamon seine kaiserzeitliche Ausprägung erfuhr (s. unten S. 699 f.).9 Gerade die dort nur angedeuteten Fragen haben den Anstoß gegeben zu dem hier gewagten Versuch einer erneuten Beschäftigung mit dem Thema.
1 Beschlüsse des Ionischen Bundes Die umfangreichsten Zeugnisse der Existenz des Ionischen Bundes in der hellenistischen Zeit stellen die uns erhaltenen Beschlüsse dar, wie sie oben schon mit den beiden Beispielen der Ehrenbeschlüsse für Könige zur Sprache kamen.10 In Form von Ehrungen von Einzelpersonen setzt sich die Tradition über das 2. Jhdt. v. Chr. in die Kaiserzeit hinein fort, wobei in der späteren Phase ab dem 2. Jhdt. v. Chr. meist nur Erwähnungen auf Statuenbasen indirekt von einem dahinter stehenden Beschluß Kunde geben.11 Unter dem Aspekt des Verhältnisses zur Herrschaftsmacht Rom 7 Vgl. dafür besonders D. Magie, Roman Rule in Asia Minor (1950) I 66–67 sowie II 868–872 Anm. 50–54; Caspari am Anm. 4 a. O. 187–8; G. Fogazza, PP 28, 1973, 168–9. 8 G. Kleiner, P. Hommel, W. Müller-Wiener, Panionion und Melie (JdI Erg.-Heft 23, 1967), darin 45–63 die Inschrift von P. Hommel, datiert zwischen 349/8 und 334/3 {IvPriene (2014) 399}. 9 P. Herrmann, IstMitt 44, 1994, 215–217 {hier S. 435–438}. 10 S. Anm. 5. Den Beschlüssen zu Ehren der Könige läßt sich noch an die Seite stellen die Ehrung des Milesiers Hippostratos, Sohnes des Hippodemos, vom Jahre 289/8 (s. Anm. 1), der als von König Lysimachos eingesetzter στρατηγὸς ἐπὶ τῶν πόλεων τῶν Ἰώνων fungierte. Von dem Beschluß sind drei inschriftliche Ausfertigungen erhalten: in Milet (Milet I 2 n. 10), Smyrna (IvSmyrna 577) und Chios (SEG XXXV 926, mit der Bemerkung Milet VI 1 p. 157). 11 P. Hommel am Anm. 8 a. O. 52 Anm. 118 stellt aus hellenistischer und römischer Zeit 16 Ehrenbeschlüsse des Ionischen Bundes bzw. Ehrungen durch Statuen zusammen. Zu den Ehrenbeschlüssen ist möglicherweise das IstMitt 44, 1994, 228 (SEG XLIV 939 {hier S. 451; Milet VI 3 n. 1045}) mitgeteilte Fragment augusteischer Zeit aus Milet hinzuzufügen. Unter den Statuenbasen erfordert die unter n. 9 der Liste erwähnte Ehrung des 2. Jhdt.s „für Moirios“, musischen Sieger aus Milet, die mit einem Epigramm verbunden ist (W. Peek, AEph 1931, 116 n. 13; R. Merkelbach – J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten I [1998] S. 130), eine Berichtigung: aus einer Nachprüfung an dem in der Theaterskene verbauten Stein ergab sich, daß es sich um Moirias, Sohn des Aristodemos, handelt {Milet VI 3 n. 1085}. Es fehlen in der Liste, ebenfalls aus dem 2. Jhdt. v. Chr., die fragmentarischen Statuenbasen IvPriene 256 {IvPriene (2014) 45} und Altertümer von Pergamon VIII 3 n. 4. Eine Bereicherung des Denkmälerbestandes für das 1. Jhdt. v. Chr. stellt die soeben veröffentlichte Ehrung für Pompeius, τὸν εὐεργέτην καὶ πάτρωνα τῶν Ἰώνων, aus Klaros dar (J.-L. Ferrary, BCH 124, 2000, 341 n. 4 {SEG XLIX 1509}).
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kommt hier einem in Priene gefundenen Dekret des κοινὸν τῶν Ἰώνων aus dem letzten Drittel des 2. Jhdt.s, offenbar der Zeit nach der Einrichtung der römischen Provinz, ein gewisses Interesse zu (IvPriene 55 {IvPriene (2014) 43}).12 Es | geht um die Ehrung eines Bürgers von Priene, Dionysios, Sohn des Ameinias, durch den Bund, der hier an einer Stelle τὸ τῶν Ἰώνων σύστεμα (Z. 15 f.) genannt wird. Der Mann hat als vom Volk gewählter Priester des Königs Nikomedes II. Epiphanes Opfer und eine Pompe durchgeführt, in Ausführung eines Beschlusses der Ionier (ἐψηφισμένα), und er hat vor einer großzügigen Einladung der „Ionier“ (Z. 32, d. h. wohl der anwesenden Vertreter des Bundes) Gebete gesprochen „für die Ionier und Römer“ (Z. 19 τὰ κάλλιστα τοῖς Ἴωσιν καὶ Ῥωμαίοις κατευξάμενος).13 Ein wiederholt angeführtes Zeugnis dafür, daß der Ionische Bund nach 189 v. Chr. neben existierenden Kulten für Alexander, Antiochos I. und attalidische Könige die Verehrung der Roma durch gemeinsame Opfer eingeführt habe, sollte wegen der Unsicherheit der Interpretation hier besser beiseite gelassen werden: Es geht um die Deutung einer Reihe von Eintragungen in einer Auflistung von „Ausgaben für Opfertiere“ aus Erythrai, wo neben Opfern für die Könige auch monatliche Opfer für Ῥώμη mit dem Zusatz κοινόν angeführt werden.14 Die von Wilamowitz eingebrachte und in der Literatur gemeinhin übernommene Deutung als „Opfer im Namen und auf Kosten des κοινὸν Ἰώνων“ ist von Ch. Habicht mit guten Gründen in Zweifel gezogen worden.15 Unsicher bleibt auch, ob der Ionische Bund – etwa gar mit einem Beschluß – impliziert war in einer in das Jahr 14 v. Chr. zu datierenden Episode, von der Flavius Iosephus (Ant. Iud. XII 125) in deutlichem Anschluß an Nikolaos von Damaskus (FgrHist 90 F 81) berichtet. Es geht um einen Konflikt „der Ionier“ (τῶν Ἰώνων) mit den in ihren Städten lebenden Juden um deren religiöse Rechte, bei dem die Ionier eine diese Rechte einschränkende Entscheidung durch den im Osten weilenden M. Agrippa erbaten. Sie wurde ihnen – unter der Wirkung einer
12 Vgl. auch O. Curty, Les parentés légendaires entre cités grecques (1995) 132 n. 52 (Z. 18–27). Als Datum gab Hiller v. Gaertringen an „frühestens 128/7“ (vgl. auch n. 549, wo 128 v. Chr. als Datum angeführt wird), wobei er den Beschluß zeitlich dem „nach 129 v. Chr.“ angesetzten langen Dekret für Moschion (IvPriene 108 {IvPriene (2014) 64}) nachordnete. Die Urkunde dürfte damit aus dem letzten Lebensjahr des Königs Nikomedes II. stammen, da der Beginn der Regierung seines Sohnes Nikomedes III. mit 128/7–127/6 angesetzt wird (G. Vitucci, Il regno di Bitinia [1953] 97 in Anlehnung an A. Plassart, BCH 36, 1912, 410). 13 Vgl. zuletzt L. Hannestad, in P. Bilde et alii (Hrsg.), Aspects of Hellenistic Kingship (1996) 84. 14 F. Sokolowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure n. 26; H. Engelmann – R. Merkelbach, IvErythrai 207. Die auf Roma bezügliche Eintragung (Z. 11. 60. 86) lautet: ἕκτηι· Ῥώμηι, τελείου κδʹ, κοινόν. 15 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Nordionische Steine (AbhBerlin 1909) 53. Diese Deutung wird außer von Sokolowski und Engelmann – Merkelbach auch aufgenommen von R. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ. The Worship of the Goddess Roma in the Greek World (1975) 51, C. Fayer, Il culto della dea Roma (1976) 46 f. sowie den bei Habicht Anm. 2 genannten Autoren. Bedenken dagegen bei Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte (1956, 21970) 94, der an Opfer im Rahmen des städtischen Kultes von Erythrai denkt, allerdings ohne die Bedeutung des κοινόν zu erklären.
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Rede des zu Gunsten der Juden engagierten Nikolaos – allerdings nicht zuteil.16 Es gibt kein Indiz | dafür, daß die Angelegenheit den Städtebund als solchen betraf. Das Zeugnis wird aber gerade von Caspari als Beleg für eine Reaktivierung des ionischen Koinon in der Zeit des Augustus in Anspruch genommen.17 Schon in die Kaiserzeit führen dann eine durch das κοινὸν τῶν Ἰώνων vorgenommene Ehrung oder Weihung an Kaiser Tiberius in Priene (IvPriene 227 {IvPriene (2014) 215}) und später die Ehrung eines Rhetors Pontikos in Ephesos, an der die Ionier beteiligt waren (IvEphesos 3069).18 Wenn Kaiser Hadrian in einer Anzahl von Zeugnissen aus Ephesos, Milet und Teos mit dem Beinamen Πανιώνιος versehen wird, so wird man auch hierfür einen entsprechenden Beschluß des Ionischen Bundes voraussetzen können.19 Um einen Beschluß des Bundes (ψήφισμα Ἰωνικόν) geht es schließlich auch in einer von Philostrat in der Vita des Apollonios von Tyana erzählten Episode (IV 5): Der Prediger und Wundermann sei zur Teilnahme an den in Smyrna stattfindenden Πανιώνια eingeladen worden, habe sich aber an dem Auftauchen so un-ionischer, „barbarischer“ Namen wie Lucullus oder Fabricius in dem Beschlußtext gestoßen.20 Mit diesem Detail, dem man eine andere Notiz desselben Philostrat über einen Auftritt des Sophisten (L. Flavius) Hermokrates gelegentlich der Feier der Panionia in Phokaia (vit. soph. II 25, 6) an die Seite stellen kann,21 berühren wir schon die Frage der Zusammenkünfte des Ionischen Bundes in römischer Zeit, der Festversammlungen und der von ihm veranstalteten Agone. 16 Die Antwort des Agrippa nach Iosephus: ὁ γὰρ Ἀγρίππας ἀπεφήνατο μηδὲν αὐτῷ καινίζειν ἐξεῖναι. Die Szene einschließlich der in Gegenwart des Herodes gehaltenen Rede des Nikolaos wird Ant. Iud. XVI 27–57 in umfangreicher Ausgestaltung wiedergegeben (FgrHist 90 T 4 und F 142); dabei taucht der Name der Ionier nicht auf. Zu der Episode vgl. E. M. Smallwood, The Jews under Roman Rule (1976) 140–1; J.-M. Roddaz, Marcus Agrippa (1984) 457–8. 17 Caspari am Anm. 4 a. O. 187 mit Anm. 115 und 188 Anm. 120, wobei der von Iosephus verwendete Begriff der πολιτεία („constitution“) auf die Mitgliedschaft im Ionischen Bund bezogen wird. 18 Die Ehrung erfolgte λόγων ἕνεκα Ἐφεσίων καὶ τῶν ἄλλων Ἰώνων γνώμηι. Die Inschrift wurde von J. Keil, Forschungen in Ephesos III 152 in das 2./3. Jhdt. datiert. Keil dachte an einen Auftritt als Redner bei einer der Zusammenkünfte des Bundes. Zur Wendung λόγων ἕνεκα vgl. L. Robert, Hellenica V (1948) 31 Anm. 3 und Laodicée du Lycos (1969) 308 f. Anm. 8. 19 Vgl. dafür L. Robert, Hellenica III (1946) 86–89, ausgehend von der Rekonstruktion der ArchitravInschrift des Dionysostempels von Teos, der die Verleihung des Titels parallel zu dem des Πανελλήνιος i. J. 132 ansetzt. Die weiteren Belege: IvEphesos 1501; Milet I 2 n. 20. 20 C. J. Cadoux, Ancient Smyrna (1938) 244 f. setzt das Ereignis in das Jahr 64. Für das Problem der Glaubwürdigkeit bzw. des Zusammenhangs mit dem Brief ep. 71 s. Ed. Meyer, Hermes 52, 1917, 406 (Kl. Schr. II 170); U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Hermes 60, 1925, 309 (Kl. Schr. IV 397); E. L. Bowie, ANRW II 16,2 (1978) 1681. 21 Zu der in die Zeit des Septimius Severus datierten Episode s. Caspari am Anm. 4 a. O. 187 Anm. 118; Cadoux, Ancient Smyrna 288 Anm. 9; J. Keil, RE XX 1 (1941) 447. Wilamowitz, Panionion 51 Anm. 3 (Kl. Schr. V 1, 143 Anm. 5) sieht allerdings die bei Philostrat an beiden Stellen verwendete Formulierung von dem Πανιώνιος κρατήρ als „argen archaistischen Schnitzer“ an, nämlich eine Verwechslung mit dem bekannten Krater von Delos (s. A. Wilhelm, AM 30, 1905, 219–20 = Kl. Schr. II 3, 537–8). Zur Familie des Hermokrates s. unten S. 696 f.
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Das in die Frühzeit zurückreichende Fest der Πανιώνια, das mit den Ereignissen am Beginn des 5. Jhdt.s zum Erliegen gekommen war (schon Herodot I 148 bezeichnet die Institution als vergangen), hat nach langer Unterbrechung zu | einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im 4. Jhdt. seine Reaktivierung erfahren, als der Bund wieder ins Leben getreten war.22 Das Weiterbestehen des Festes bis in die hohe Kaiserzeit hinein war schon aus den eben erwähnten Stellen bei Philostrat zu erschließen.23 Für die Zeit des Augustus haben wir dafür im besonderen einige Aussagen Strabons: Bei der Anführung des an der Mykale gelegenen Panionion verweist er auf die dort abgehaltenen Πανιώνια, die κοινὴ πανήγυρις τῶν Ἰώνων, veranstaltet für Poseidon Helikonios, unter Priestern aus Priene (XIV 1, 20 p. 639). Ähnliches hatte er schon vorher gelegentlich der Erwähnung der Stadt Helike in Achaia und mit Verweis auf eine Tradition, die den Kult des Poseidon Helikonios von dort ableitete, zur Sprache gebracht, wobei er den Versammlungsplatz in Ionien als ἐν τῇ Πριηνέων χώρᾳ gelegen bezeichnete (VIII 7, 2 p. 384; zur Erwähnung des Priesters s. Anm. 53). Die Philostrat-Stellen mit den Berichten von Festveranstaltungen in Smyrna und Phokaia zeigen freilich, daß das Fest später offenbar an wechselnden Orten in Ionien abgehalten wurde. An dieser Stelle ist nun auch auf bestimmte Münzemissionen hinzuweisen, die nach neueren Deutungsversuchen möglicherweise als Bezeugungen von Zusammenkünften bzw. Festversammlungen des Ionischen Bundes zu verstehen sind. Relativ eindeutig scheint die Aussage von zwei Prägungen der Stadt Kolophon zu sein, die aus den Regierungszeiten von Trebonianus Gallus und Valerian, mithin aus den Jahren zwischen 251 und 260, stammen. Beide Emissionen zeigen auf der Rückseite eine viersäulige Tempelfront, in deren Mitte die sitzende Gestalt des Apollon Klarios und unterhalb davon ein Buckelrind vor einem brennenden Altar dargestellt sind. Die Szene wird im Halbkreis umgeben von 13 Figuren, die mit erhobenen Rechten auf den Tempel zugeordnet stehen, also nur von der Rückseite sichtbar sind. Auf dem Feld vor dem Tempel ist die Legende τὸ κοινὸν τῶν ’Ιώνων angebracht, während am
22 Für die Schicksale des Festes vgl. außer Wilamowitz, Panionion 49–51 M. P. Nilsson, Griechische Feste (1906) 74–78; L. Ziehen, RE XVIII 3 (1949) 601–5. Mit dem Problem der Unterbrechung im 5. Jhdt. verbindet sich die auf die Kombination von Diod. XV 49, 1 mit Thuk. III 104, 3 gestützte Annahme einer vorübergehenden „Auslagerung“ des Festes nach Ephesos und Veranstaltung unter dem Namen Ἐφέσια: s. dazu S. Hornblower, Historia 31, 1982, 241–5 (frdl. Hinweis von W. Günther; s. auch Anm. 44). P. Debord am Anm. 2 a. O. 176–8 erkennt dem am Beginn des 4. Jhdt.s reaktivierten Bund eine Funktion innerhalb des persischen Herrschaftssystems zu, unter Verweis auf die durch den Satrapen Struses/Struthas im Streit zwischen Milet und Myus (391–388 v. Chr.) hinzugezogenen Richter aus den ionischen Städten (Milet I 2 n. 9, dazu VI 1 S. 157; Tod II 113; L. Piccirilli, Gli arbitrati interstatali greci I [1973] 155 n. 36). Der früheste explizite Beleg für die Existenz des Festes ist jetzt die in die Zeit zwischen 349/8 und 334/3 datierte Inschrift vom Panionion (s. Anm. 8) Z. 9 ἐν τοῖς] ἐπιοῦσι Πανιωνίο[ις]. 23 L. Robert hat Bull. épigr. 1968 n. 469 eine Behandlung der Panionia in der Kaiserzeit angekündigt, diese aber nicht mehr ausführen können.
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äußeren Rand der Münzen mit ἐπί die „Münzbeamten“, in diesem Falle Strategen, und die prägende Gemeinde (Κολοφωνίων) angeführt werden. Der Beamte ist ein Kallistos unter Gallus, ein Kallineikos unter Valerian. Der Erstgenannte erhält nach seinem Namen noch den Zusatz ἱερέως Ἰώνων.24 Die 13 Figuren werden teils als Stadtgöttinnen, teils als | die menschlichen Repräsentanten der 13 dem Ionischen Bund angehörenden Städte interpretiert.25 Das τὸ κοινὸν (τῶν) Ἰώνων, vielleicht als Akkusativ zu verstehen, könnte ausdrücken, daß die Prägungen „zu Ehren“ des Bundes erfolgten.26 Die Annahme mag naheliegen, daß dies gelegentlich der Abhaltung einer Bundesversammlung in der Mitgliedsstadt Kolophon geschehen ist,27 wobei deren für die Prägung verantwortliche Beamte in dem einen Fall mit dem Bund auch durch die priesterliche Funktion verbunden war (zum ἱερεύς s. S. 701). Schwieriger ist die Deutung einer anderen Münzgruppe, die denn auch durchaus unterschiedliche Interpretationen erfahren hat. Es handelt sich um eine Serie großer, medaillonartiger Prägungen der Zeit des Antoninus Pius, deren Gemeinsamkeit u. a. in der immer wiederkehrenden Nennung des κοινὸν ιγʹ πόλεων besteht. Um ihre Erfassung und historische Deutung haben sich im besonderen L. Lacroix und J. V. Gillespie, später H. Engelmann und U. Kampmann bemüht.28 Für die Datierung der Münzen, die auf den Vorderseiten die Porträts des Antoninus Pius und des jungen M. Aurel aufweisen, ist das Auftauchen zweier Exemplare mit dem Bild der ϑεὰ Φαυστεῖνα, also der diva Faustina, entscheidend geworden, woraus sich ein Datum nach 141 n. Chr. ergibt. Einheitlich ist auf allen Prägungen die Nennung des verantwortlichen
24 Trebonianus Gallus: J. G. Milne, Kolophon and its Coinage (Numismatic Notes and Monographs 96, 1941) 100 n. 255 (Pl. XVIII b); J. V. Gillespie, RBN 102, 1956, 52 n. 31 (Pl. VIII); Syll. v. Aulock 2024 (= P. R. Franke, Kleinasien zur Römerzeit [1968] n. 104); Auktionskatalog Aufhäuser (München) 10, 1993 n. 526 mit Tafel 16: Legende umlaufend ἐπὶ στρ(ατηγοῦ) Κλ(αυδίου) Καλλίστου ἱερέως Ἰώνων Κολοφωνίων, unterhalb des Tempels τὸ κοινὸν Ἰώνων. Valerian: BMC Ionia 45 n. 60 (Pl. VIII 16); Milne n. 263 (Pl. XIX a): Legende umlaufend ἐπὶ στρ(ατηγοῦ) Π. Αἰ(λίου) Καλλινείκου Κολοφωνίων, unterhalb des Tempels τὸ κοινὸν τῶν Ἰώνων. Vgl. Münsterberg, Beamtennamen 83. – Ich bin P. Weiß für Diskussion und Hilfe bei der Literatursuche zu Dank verbunden. 25 BMC Ionia 45 n. 60: „the figures of the thirteen cities of the Ionian League, each with hand raised, holding wreath?“; Syll. v. Aulock 2024: „13 Stadtgöttinnen mit erhobenen Rechten“; U. Kampmann am Anm. 28 a. O. 90: „die Gesandtschaften der 13 Ionischen Städte“. 26 Vgl. die Übersetzung von U. Kampmann am Anm. 28 a. O. 90 „Münze der Bürger von Kolophon, unter dem Strategen Kallinikos, geprägt zu Ehren des Koinon der Ioner“. 27 Es ginge sicher zu weit, mit G. Fogazza, PP 28, 1973, 169, aus der Münze auf eine Verlegung des Sitzes des Ionischen Bundes nach Kolophon schließen zu wollen. 28 L. Lacroix, RBN 102, 1956, 24–30; J. V. Gillespie, KOINON ΙΓ ΠΟΛΕΩΝ. A Study of the Coinage of the „Ionian League“, ebd. 31–53, mit einem Addendum 105, 1959, 211–3; H. Engelmann, Eine Prägung des Ionischen Bundes, ZPE 9, 1972, 188–192; U. Kampmann, Gemeinsame Emission der Städte Pergamon und Ephesos für das Koinon der 13 ionischen Städte, in J. Nollé – B. Overbeck – P. Weiß (Hrsg.), Internationales Kolloquium zur kaiserzeitlichen Münzprägung Kleinasiens, München 1994 (Nomismata 1, 1997) 83–91. Zu dem bei Gillespie gegebenen Katalog kommen als weitere Exemplare vor allem die Stücke Syll. v. Aulock 7811–7815 hinzu (= P. R. Franke, Kleinasien zur Römerzeit n. 10. 11. 209. 272).
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Funktionärs (nur mit leichten Varianten in den Abkürzungen): προνο(ηϑέντος) Μ. Κλ(αυδίου) Φρόντωνος ἀσιάρχου καὶ ἀρχιερέως ιγʹ πόλεων. Der Genannte hat also in seiner Person eine Funktion im Koinon von Asia bzw. dem Provinzialkult (ἀσιάρχης)29 verbunden mit der Stellung des Oberpriesters (ἀρχιερεύς) im Bund der 13 ionischen | Städte (s. dazu S. 697). In den Legenden fehlt die Nennung einer prägenden Stadt (wie Κολοφωνίων auf den Münzen von 251–260), stattdessen wird teils an der Spitze des umlaufenden Textes, teils im Abschnitt die Angabe gemacht κοινὸν ιγʹ πόλεων, was an das τὸ κοινὸν τῶν Ἰώνων der eben besprochenen Münzen des Gallus und Valerian erinnert, vielleicht auch hier als Prägung „zu Ehren“ des Koinon zu interpretieren. Irritierend ist eine auf wenige Exemplare beschränkte Formulierung des umlaufenden Textes mit der Angabe Ἀσίας πρότων (sic) Ἐφεσίων Περγαμηνῶν.30 Dazu tritt der Umstand, daß die unterschiedlichen Motive der Bilddarstellungen auf den Münzrückseiten als Übernahme von Münztypen von Sardeis (Kore, Demeter, Tmolos und Dionysos, Kaiser im Tempel) nachgewiesen werden konnten, in einem Falle auch von Pergamon (Herakles und Auge).31 Sardeis konnte im übrigen auch erkannt werden als der Ort, dem der in den Legenden genannte M. Claudius Fronto entstammte, der auf einer dortigen Münze (mit übereinstimmendem Motiv des Kaisers im Tempel) mit den Titeln ἀσιάρχης und στρατηγός angeführt wird.32 Wir werden weiter unten in der Person des L. Iulius Libonianus in der Zeit Trajans auf einen anderen Sardianer treffen, der in seiner Karriere sowohl die Position des ἀρχιερεὺς Ἀσίας (am Tempel in Sardeis) wie die des ἀρχιερεὺς τῶν τρισκαίδεκα πόλεων einnahm (S. 698), also ein weiteres Indiz für irgendeine Art von Beziehungen der lydischen Metropole zum Koinon. In den Überlegungen, wie das Nebeneinander von ionischem Koinon, von Sardeis, Ephesos und Pergamon auf den hier besprochenen Prägungen erklärt werden könnte, ist immer wieder die Idee eines Festes ins Spiel gebracht worden: eine besonders aufwendige Feier des Ionischen Bundes, Einladung nicht zugehöriger Städte wie Pergamon zum Fest des Bundes, das in Ephesos gefeiert worden sein kann, Abhaltung eines Festes des Koinon von Asia in Sardeis, zu dem die Vertreter des Ionischen Bundes eingeladen worden waren – das sind die hierzu formulierten Hypothesen.33 Sie führen notwendigerweise in den Bereich der | Spekulation und sollen 29 Zur alten Kontroverse um das Verhältnis zwischen Asiarch und Archiereus (s. Deininger, Provinziallandtage 41–50) s. jetzt P. Weiß in diesem Band S. 241–54. 30 Lacroix 30; Gillespie n. 12–14; Kampmann 89 sowie dies., Die Homonoia-Verbindungen der Stadt Pergamon (Saarbrücker Studien zur Archäologie und Alten Geschichte Bd. 9, 1996) 110 n. 53 (Abb. auf Tafel 4). In diesem Falle wird im Abschnitt nur der Name des Fronto, nicht seine Titel genannt. 31 Einzelnachweise im besonderen bei Engelmann 188–190; Kampmann 87–88. Die Deutung der Szene mit Herakles und Auge als den Eltern des Telephos geht auf Lacroix 24–30 zurück. 32 Syll. v. Aulock 3154, dazu Engelmann 191 (der auch auf den ἀρχιερεύς Claudius Fronto in IvPergamon 511 hinweist); Kampmann 88. Zur Person des Asiarchen s. auch M. Domitilla Campanile, I sacerdoti del koinon d’Asia (1994) 80 n. 67. 33 Die erstgenannte Deutung geht auf Gillespie 44 zurück, die zweite ist die von Engelmann (der hier den Gedanken einer συνϑυσία einbrachte; Lacroix 33 hatte ähnlich schon „une sorte d’homonoia“
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hier nicht um eine weitere ergänzt werden. Man wird aber zumindest die Vermutung aufrechterhalten können, daß die Emission dieser ungewöhnlichen Prägungen34 ein Fest des Bundes zum Hintergrund haben könnte. Zugleich mit der erkennbar werdenden Beteiligung der nicht-ionischen Städte Pergamon und Sardeis, welcher Art auch immer diese war, wird dadurch die fortbestehende Bedeutung, ja Ausstrahlung der Bundesorganisation der Ionier vor Augen gestellt. Von einem das Bundesfest begleitenden Agon gibt es in früherer Zeit keine Nachricht. In der Kaiserzeit tritt dann aber Milet als Veranstaltungsort von Pythia Panionia hervor: Von der Nennung eines ἀγωνοϑέτης τῶν μεγάλων Πυϑίων Πανιωνίων in einer didymäischen Inschrift des 3. Jhdt.s ausgehend (IvDidyma 252, 6) hat L. Robert Erwähnungen dieses Agons auch in zwei weiteren Inschriften des Ortes rekonstruiert und überdies auf eine milesische Münze der Zeit der Salonina (253–268) verwiesen, die die Legende Πανιώνια Πύϑια aufweist.35 Welcher Art die Verbindung war, die hier zwischen (dem pythischen) Apollon und den Πανιώνια bzw. dem Ionischen Bund hergestellt war, läßt sich freilich nicht sagen. Ging es um einen von dem Bund an die Stadt Milet delegierten und dort mit einer lokalen Tradition verknüpften Agon? An Feste oder agonistische Veranstaltungen ist auch gedacht worden angesichts des Vorkommens von Münzlegenden Πανιώνιος als Beischrift zu Darstellungen der Artemis in Ephesos und Smyrna oder einer vermutlich eine Priesterin [Ἀπ]όλλωνος Πανιωνίου nennenden Inschrift aus Ephesos.36 Die Belege bleiben aber in ihrer Aussage unsicher. zwischen Ephesos und Pergamon angenommen), die dritte wird von Kampmann 91 sowie HomonoiaVerbindungen (s. Anm. 30) 33 f. entwickelt. Dabei wird als Anlaß für das Fest des Koinon von Asia die Einweihung des neuen Neokorietempels in Sardeis angenommen. (Die Begründung mit dem Hinweis auf die Legende κοινόν auf den Faustina-Münzen, womit das Koinon von Asia gemeint sein müsse, ist indes nicht stichhaltig, da die Formulierung eher nach einer Verkürzung der sonst verwendeten Formulierung κοινὸν ιγʹ πόλεων aussieht.) Die Städte Ephesos und Pergamon werden von Kampmann als die „Prägeherren“ verstanden, wobei aber als „Initiator“ und (hauptsächlicher) Geldgeber für die Münzemission die Stadt Sardeis bzw. ihr amtierender Stratege Fronto angesehen werden. 34 Zur Einmaligkeit dieser Münzprägung sagt Gillespie 46: „… the remarkable coins of the ΚΟΙΝΟΝ ΙΓ ΠΟΛΕΩΝ series, which is without parallel in the entire field of Greek imperial numismatics“. 35 L. Robert, Hellenica XI/XII (1960) 469–470. Den Namen des Agons stellte Robert in den Inschriften IvDidyma 305 und besonders 332, 10 (3. Jhdt.) her, wo von dem Vater der Geehrten (der matrona stolata Iulia Sel(lia) Statilia Pythodoris: s. B. Holtheide, ZPE 38, 1980, 134 Anm. 35 und 36), Sel(lius) Andreas u. a. berichtet wird, er habe eine Gesandtschaft nach Rom auf sich genommen ὑπὲρ τῆς ἀτε[λείας τοῦ ἐ]ν[δοξ]οτάτου ἀγῶνος [τῶν Πανιωνίω]ν Πυϑίων. Die Münze: Mionnet III p. 174 n. 812; Auktionskatalog Hirsch (München) 21, 1908 (Sammlung Konsul Weber) n. 2914. Derselbe Agon könnte in der dem 1. Jhdt. zugewiesenen Inschrift IvDidyma 339, 12 gemeint sein, wo es von Vater und Großvater der geehrten Hydrophore heißt ἀγωνοϑετησάντων τοῦ κοινοῦ τῶν Ἰών[ων]. Dann würde sich eine vom 1. bis zum 3. Jhdt. reichende Tradition ergeben. 36 An Agone unter dem Namen Πανιώνια dachte B. V. Head, BMC Ionia 16 Anm.* Für die Münze von Ephesos vgl. F. Imhoof-Blumer, Zur griechischen und römischen Münzkunde (1908) 65 n. 16, für die Münze von Smyrna D. Ο. A. Klose, Die Münzprägung von Smyrna in der römischen Kaiserzeit (1987) 31. Die Inschrift aus Ephesos: J. Keil – G. Maresch, ÖJh 45, 1960, Beibl. 76 n. 2 (IvEphesos 814).
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Der Ionische Bund hat aber auch ein anderes bis in das 4. Jhdt. zurückreichendes Fest mit entsprechendem Agon bis in die Kaiserzeit hinein weitergeführt: die Ale xander d. Gr. zu Ehren eingerichteten Alexandreia. Sie werden von Strabon (XIV 1, 31 p. 644) für seine Zeit mit den Worten erwähnt ἀγὼν ὑπὸ τοῦ κοινοῦ τῶν Ἰώνων Ἀλεξάνδρεια καταγγέλλεται, wobei er als Veranstaltungsort einen | am Isthmos der erythräischen Halbinsel gelegenen, Alexander gewidmeten Hain nennt. Das Fest kann durch die Urkunde des Bundes für Antiochos I. (s. S. 686) bis in das 3. Jhdt. v. Chr. zurückverfolgt werden, wobei es in der Frühzeit möglicherweise im Wechsel in den verschiedenen Mitgliedsstädten ausgerichtet wurde.37 Durch eine kürzlich hinzugekommene Bezeugung der Alexandreia in einer dem 2. oder 1. Jhdt. v. Chr. zuzuweisenden Siegerinschrift aus Messene ist eine Veranstaltung des Agons in Smyrna belegt.38 Bei einer weiteren, frühestens in augusteische Zeit gehörigen Siegerinschrift aus Erythrai (IvErythrai 89) ist leider die Spezifizierung eines dort genannten Agons des κοινὸν τῶν Ἰώνων verloren gegangen, so daß nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, daß es sich auch hier um das Alexanderfest gehandelt hat.39 Es ist überhaupt festzustellen, daß uns von den wenigen Bezeugungen abgesehen alle weiteren Einzelheiten über die Feste und Veranstaltungen des Ionischen Bundes, besonders etwa zu ihrer Häufigkeit und Periodizität wie auch zur Rolle der einzelnen Mitgliedsstädte, unbekannt bleiben.
37 OGI 222, 25 (IvErythrai u. Klazomenai 504) … τὴμ πόλιν, [ἐν ἧι ἂν συντελέσωσιν τὴν ϑυ]σίαν τῶν Ἀλεξανδρείων (Ρh. Gauthier, REG 113, 2000, 634 f. hält allerdings im Anschluß an Engelmann und Merkelbach die Ergänzung für unsicher). Eine Verbindung des Festes mit dem Geburtstag Alexanders würde sich aus der Ergänzung Z. 5 ὅσον καὶ εἰς τὴν Ἀλε[ξάνδρου ἡμέραν τὴν γενεϑλ]ίαν δίδοται ergeben, die indessen J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1959 n. 323 p. 228 angezweifelt haben und durch εἰς τὴν Ἀλε[ξάνδρου πομπὴν? καὶ ϑυσ]ίαν ersetzen wollten. Zu dem Fest s. Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte 17. 38 P. Themelis, PAAH 1995 [1998] 57 (SEG XLVI 422) Z. 8 Ἀλεξάνδρεια τὰ ἐν [Σμ]ύρνηι τὰ συντελούμενα ὑπὸ τοῦ κοινοῦ τῶν [Ἰών]ων, dazu Ch. Habicht, ΖΡΕ 130, 2000, 126 und Ρh. Gauthier, REG 113, 2000, 634. Für einige weitere Bezeugungen von Ἀλεξάνδρεια, die wahrscheinlich auch auf das Bundesfest der Ionier zu beziehen sind, vgl. H. Engelmann, ZPE 4, 1969, 155 und Habicht 126 Anm. 49. 39 Für die fragmentarische Inschrift aus Erythrai Le Bas – Waddington 1540 für den Boxkampf-Sieger Lenaios, Sohn des Prytanis, hat L. Robert, RPhil 3, 1929, 148 (OMS II 1114) in seinem Ergänzungsvorschlag zu Z. 6 (νικήσαντα) … [καὶ τὸν τιϑέμενον (oder ἀχϑέντα) / ὑπὸ τοῦ κοινοῦ τῶν Ἰώνων [- - -] ἀγῶνα vor ἀγῶνα alternativ [ἐμ Πανιωνίωι] oder [Ἀλεξάνδρωι] vorgeschlagen. Engelmann – Merkelbach, IvErythrai n. 89 haben die zweitgenannte Ergänzung in ihren Text aufgenommen, vermutlich mit besserem Recht, da über eine Abhaltung eines Agons am Panionion nichts bekannt ist. Es hätte aber auch eine der Mitgliedsstädte des Bundes genannt werden können. Die Datierung in (frühestens) augusteische Zeit ergibt sich aus der Nennung der Ἄκτια in Z. 4.
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3 Funktionäre 3.1 Basileus Unter den in Zusammenhang mit dem Ionischen Bund überlieferten Amts- oder Funktionsbezeichnungen hat die Figur des βασιλεύς in der neueren Forschung besonderes Interesse erregt, da sie allem Anschein nach ein weit in die Frühgeschichte des Bundes zurückreichendes Element tradiert.40 Wenn man davon | absieht, daß Strabon (XIV 1, 3 p. 633) mit Bezugnahme auf die Rolle des Androklos als Anführers der ionischen Kolonisation Ephesos als Sitz des βασίλειον τῶν Ἰώνων bezeichnet, war der früheste greifbare Beleg für die Existenz eines βασιλεύς in der Organisation des Koinon allerdings für lange Zeit erst ein in Erythrai gefundenes Dekret des Bundes aus dem 2. Jhdt. v. Chr. (IvErythrai 348), das einen Inhaber dieses Amtes mit der – von ihm übrigens freiwillig übernommenen – Aufgabe der Anfertigung eines goldenen Kranzes für einen Verstorbenen betraut.41 Erst das 1957 beim Panionion gefundene Dekret des 4. Jhdt.s (s. Anm. 8) hat die Perspektive weiter nach rückwärts verlängert und unsere Kenntnis bereichert, indem es als ein Kollektiv βασι]λέας σκηπτούχους nennt (Z. 17), daneben einen βασιλέα τὸν Ἐφε[σίων (Z. 22) sowie einmal einen βασι] λεὺς καὶ πρύταν[ις (Ζ. 21).42 Daraus konnte die Konstellation abgeleitet werden, daß im Koinon βασιλεῖς als Repräsentanten der einzelnen Städte vertreten waren, von denen einem als βασιλεὺς καὶ πρύτανις das „Präsidium des Festes (und des Bundes?)“ zukam,43 während der βασιλεύς von Ephesos auf Grund einer spezifischen Tradition in einer Sonderstellung herausgehoben wurde.44 Alle weiteren Belege für die Funktion des βασιλεύς im Koinon fallen in die Kaiserzeit und sind mithin für unsere Untersuchung von Interesse. Die epigraphischen Bezeugungen des βασιλεὺς Ἰώνων, die dem 1.–3. Jhdt. n. Chr. entstammen, zeichnen sich dadurch aus, daß in ihnen die Übernahme des Amtes in der Regel im Kontext einer gewissen Familientradition erscheint und dabei mei-
40 Von besonderer Bedeutung war der Beitrag von A. Momigliano, II re degli Ioni nella provincia romana d’Asia (Atti del III Congresso Nazionale di Studi Romani, 1934, 429–443 = Quinto Contributo alla Storia degli Studi Classici e del Mondo Antico I, 1975, 205–210), weil hier von den späten Zeugnissen her ein Rückschluß gezogen wird auf einen βασιλεύς als Führer der einwandernden Ionier. Vgl. dazu C. Roebuck, CPh 50, 1955, 36 Anm. 3; G. Fogazza, PP 28, 1973, 159. Die neueste Behandlung der Frage findet sich bei P. Carlier, La royauté en Grèce avant Alexandre (1984) 450–455. 41 Z. 7–10: τῆς δὲ ἐπιμελείας τοῦ στεφάνου καὶ κατα/σκευῆς προνοιηϑῆναι τὸν βασιλέα Διονύσιον Ἀν/ ϑέως, ἐπειδὴ τὴν εἰς ταῦτα δαπάνην ἐπήγγελ/ται αὐτὸς ἐκ τῶν ἰδίων ποιήσεσϑαι. 42 Man vgl. dafür den Kommentar von P. Hommel am Anm. 8 a. O. 43 F. Gschnitzer, RE Suppl. XIII (1973) 735. 44 Diese könnte sich auf die mit Androklos verbundene besondere Rolle von Ephesos bei der Kolonisation gegründet haben (s. Strabon XIV 1, 3 p. 633) oder den bei Diodor XV 49 (vgl. Thuk. III 104, 3) erwähnten Tatbestand, daß am Ende des 5. und Anfang des 4. Jhdt.s die Panionia vorübergehend in Ephesos begangen bzw. durch die Ἐφέσια ersetzt worden waren (so Carlier am Anm. 40 a. O. 454; vgl. auch Anm. 22).
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stens mit weiteren Funktionen kombiniert wird. Ein charakteristisches Beispiel ist die Inschrift einer Hydrophore Claudia [- - -]ane aus Didyma vom 1. Jhdt. n. Chr. (IvDidyma 339): Hier werden die vom Vater und Großvater der Hydrophore wahrgenommenen Funktionen ausführlich aufgezählt (Prophetie, Stephanephorie, Agonothesien u. a.), und in diesem Zusammenhang heißt es Z. 12 (πατρὸς καὶ πάππου …) ἀγων[ο] ϑετησάντων τοῦ / κοινοῦ τῶν Ἰών[ων] καὶ βασιλευσά[ν]/των, ἀρχιερατ[ευσάντων etc. Hier wird also eine nicht näher spezifizierte Agonothesie des Bundes verknüpft mit der Funktion des βασιλεύς,45 während hinsichtlich der danach folgenden Erwähnung des Amtes des | ἀρχιερεύς angesichts der Mehrdeutigkeit (s. S. 699) keine klare Aussage gemacht werden kann. Die Stellungen im κοινὸν τῶν Ἰώνων sind von Vater und Sohn wahrgenommen, vielleicht vererbt worden. Auf Vererbung der Stellung scheint jedenfalls hingewiesen zu sein in der samischen Ehrung der Hera-Priesterin Flavia Scriboniana aus dem 2. Jhdt. (IG XII 6,1, 331), Tochter, Enkelin und Urenkelin von Hera-Priestern (Z. 6) καὶ ἀρχιερέων καὶ βασιλέων ἀνὰ πάτρην τῆς Ἰωνίας, wobei auch ihr Bruder neben dem Hera-Priestertum die Stellung des βασιλεὺς Ἰώνων ἀνὰ πάτρην innegehabt hatte (Z. 12).46 Ob auch mit den hier erwähnten ἀρχιερεῖς eine Funktion beim Koinon gemeint war, ist aber wiederum nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ähnlich wie übrigens bei einem weiteren samischen Fragment mit ähnlicher Formulierung.47 Für den sozialen Kontext ist eine in Phokaia gefundene Inschrift von Interesse, die vermutlich im Anfang des 2. Jhdt.s dem T. Flavius Varus Calvisianus Hermokrates errichtet wurde (OGI 489). Von diesem Mann, der über die Eingangsstufen einer ritterlichen Karriere zur Stellung des Provinzialpriesters am Tempel in Ephesos aufgestiegen ist,48 wird nach der Nennung einiger in seiner Heimatstadt bekleideter Ämter (darunter das Priestertum der Μασσαλία) zum Schluß angeführt (Z. 14): ἀγω/νοϑέτην, βασιλέα Ἰώνων. Man kann sich fragen, ob hier etwa wie in der oben besprochenen Inschrift aus Didyma auch die Agonothesie auf eine Bundesver45 Entgegen der Meinung von Rehm nahm ich angesichts der engen sprachlichen Verknüpfung (καὶ kommt sonst in der Aufzählung der Ämter nirgends vor) an, daß beide Funktionen solche des Bundes waren (IstMitt 44, 1994, 216 Anm. 62 {hier S. 437}). Der IvDidyma 84, 17 in isolierter Form genannte βασιλεύς, auf den Rehm verweist, mag allerdings ein solcher der Stadt Milet gewesen sein. 46 Für die Interpretation des ἀνὰ πάτρην vgl. den Kommentar von K. Hallof in den IG. Liddell – Scott – Jones geben es mit „by hereditary descent“ wieder, Carlier (am Anm. 40 a. O. 451) mit „par droit de naissance“ (vgl. 452 Anm. 504). 47 IG XII 6,1, 326, 4 - - ἀπόγονον [- - -]άρχων καὶ στεφα[νηφόρων / κ]αὶ ἀρχιερέων καὶ β[ασιλέ]/ων τῆς τρισκαιδεκ[από]/λεως Ἰωνίας (die Fortsetzung ist m. E. zu ergänzen καὶ τῶν [πρὸς] / τὴν φυλὴν διὰ γέν[ους] / εὐεργεσιῶν ἕνεκε). Κ. Hallof (Kommentar zu n. 331, 6–9) erwägt Identität der Funktionen der ἀρχιερεῖς und βασιλεῖς: „ambo fortasse eiusdem magistratus nomina, alterum altero sacrosanctius vetustiusve“. Das ist wenig wahrscheinlich, wie das sonstige Material zeigt. Sollte auch die Stellung der ἀρχιερεῖς sich hier auf das Koinon beziehen, ist immerhin auch die Wahrnehmung der Funktionen zu unterschiedlichen Zeiten denkbar. 48 Die Inschrift auch bei Dessau, ILS 8864; IGR IV 1323. Zur Person: H. Devijver, Prosopographia militiarum equestrium I (1976) 383 n. 82 (IV [1987] 1565 f.); M. Domitilla Campanile am Anm. 32 a. O. 55 n. 34a.
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anstaltung zu beziehen ist. Die in ihrer Verzweigung recht gut bekannte, bis zum Konsulat aufgestiegene Familie hat drei Generationen später den Sophisten L. Flavius Hermokrates hervorgebracht,49 eben den Mann, von dem Philostrat noch eine bei den Panionien in Phokaia gehaltene Rede lesen konnte (vit. soph. II 25: s. oben S. 689). Man greift also die Familientradition auch in Hinsicht der Beziehungen zum Ionischen Bund. Schließlich sei noch hingewiesen auf die summarische Erwähnung der βασίλεια τῶν Ἰώνων innerhalb der Aufzählung der Verdienste | des Geschlechts (γένους) einer in Ephesos posthum geehrten Vedia (IvEphesos 3072, 25)50 und auf das Novum der Anführung einer Frau aus Chios mit der Angabe καὶ βασιλεύσα[σαν τοῦ τρισκα]ιδεκαπολειτικοῦ τῶν Ἰώνων [κοινοῦ] (SEG XV 532, 6),51 das auf die Existenz bzw. den Titel auch einer βασίλισσα beim Ionischen Bund schließen läßt. Die hier registrierten epigraphischen Belege für den βασιλεὺς τῶν Ἰώνων beschränken sich auf die Nennung des Amtes, geben aber keinen Aufschluß über seine Funktion innerhalb der Bundesorganisation. Die verbreitete Annahme, daß sich seine Aufgabe auf den sakralen Bereich, nämlich die Durchführung von Opfern, beschränkte,52 und dies möglicherweise nur bei den Panionien, hat einige Plausibilität für sich und ist vermutlich auch durch eine Notiz bei Strabon bezeugt.53 Die Verteilung der Zeugnisse zeigt dann immerhin, daß die Funktion später offenbar in einem bestimmten Wechsel zwischen den Mitgliedsstädten vergeben wurde. Denkbar wäre auch, daß mit der Position die Leitung der Festversammlung verbunden war.
49 Vgl. Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 (1969) 76 f. zu Nr. 34; H. Halfmann, in Epigrafia e ordine senatorio II (1982) 611; B. Holtheide, Römische Bürgerrechtspolitik und römische Neubürger in der Provinz Asia (1983) 77. 50 Das Glied καὶ τῆς βασιλείας τῶν Ἰώνων scheint von dem weiter oben stehenden γένους οὖσαν abzuhängen. Unmittelbar vorher heißt es: καὶ ἐν ταῖς εʹ μητροπόλεσιν ἀρχιερασαμένου (die Verbindung der beiden Glieder zu einer Wendung ἀρχιερασάμενος τῆς βασιλείας im Index IvEphesos VIII 2, 95 ist irreführend). Vgl. dazu J. Keil, Forschungen in Ephesos III 157 sowie Carlier am Anm. 40 a. O. 451: „le texte célèbre l’ensemble de sa famille … qui a sa part de la royauté des Ioniens“. 51 J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1956 n. 213 hatten die Inschrift auf die in Chios durch mehrere Fragmente bezeugte Claudia Metrodora (vgl. Ét. épigr. et phil. 128–134) bezogen. Nach der Neulesung durch W. G. Forrest (SEG) würde es sich indes um eine Claudia Hedeia handeln: vgl. P. Herrmann, in C. Işık (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens und des ägäischen Bereichs. Festschrift für Baki Öğün (Asia Minor Studien 39, 2000) 92 {hier S. 526}. 52 Vgl. die Bemerkung von W. Dittenberger zu OGI 489 Anm. 9: „Immo totius Ionicarum civitatium societatis communem magistratum sacrorum causa institutum hic habemus.“ 53 Es geht um die Nachricht Strabons (VIII 7, 2 p. 384) über die Durchführung der Πανιωνικὴ ϑυσία für Poseidon Helikonios: καὶ δὴ πρὸς τὴν ϑυσίαν ταύτην βασιλέα καϑιστᾶσιν ἄνδρα νέον Πριηνέα τὸν τῶν ἱερῶν ἐπιμελησόμενον. Für die Aufnahme des nur in einem Teil der Überlieferung enthaltenen Wortes βασιλέα in den Text (wie in der Loeb-Ausgabe von Η. I. Jones) plädiert mit guten Gründen Carlier am Anm. 40 a. O. 451 Anm. 502 (contra: S. Hornblower, Mausolus [1982] 56 Anm. 29 mit Bezugnahme auf Η. T. Wade-Gery, The Poet of the Iliad [1952] 65).
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3.2 Archiereus Im Unterschied zu der Institution des Basileus verkörpert die Figur des ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων zweifellos eine rezente Entwicklung. Hier beschränken sich die Belege auch auf die Kaiserzeit. Es fällt auf, daß eine gewisse Häufung der Bezeugungen in Didyma (bzw. Milet) begegnet,54 während etwa Ephesos, Smyrna, Priene hier ausfallen. Bemerkenswert im Hinblick auf die folgenden Überle|gungen ist auch der Tatbestand, daß mehrmals eine mehr oder weniger deutliche Nachbarschaft oder direkte Verknüpfung von Funktionen des ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων mit solchen des ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν erscheint, wobei gefragt werden kann, ob Gleichzeitigkeit gemeint ist.55 Unklar bleiben auch die Verknüpfungen bei zwei Formulierungen in Samos, wo bei einer Aussage über Vorfahren in der Form ἀρχιερέων καὶ βασιλέων τῆς Ἰωνίας nicht sicher zu sagen ist, ob mit dem Oberpriestertum auch dasjenige des Ionischen Bundes gemeint ist (vgl. S. 696 mit Anm. 47). Einmal wird zweimalige Bekleidung der Stellung des ἀρχιερεὺς Ἰωνίας erwähnt.56 Wie schon im Falle des βασιλεύς sind auch beim ἀρχιερεύς Beispiele der Wahrnehmung entsprechender Funktionen durch Frauen überliefert.57 Schließlich hebt sich eine Inschrift aus Sardeis als Besonderheit heraus (Sardis VII 1 n. 47): Hier wird von dem geehrten Sardianer, aller Wahrscheinlichkeit nach dem auf Münzen trajanischer Zeit bezeugten L. Iulius Libonianus, nach anderen Funktionen, wie der des ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας am Kaisertempel von Sardeis und des Priesters des Zeus Polieus, und vor weiteren in Sardeis wahrgenommenen Ämtern die Aussage eingeschoben (Z. 4) ἀρχιερέα τῶν τρισ‹καίδεκ›α πόλεων, was nur auf das ionische Koinon gehen kann.58 Man sieht nicht recht, wie dieser Mann aus einer von Ionien entfernten Stadt zu dem Oberpriestertum des Bundes gekommen sein kann. Es sei aber daran erinnert, daß Sardeis schon in Verbindung mit den oben besprochenen Münzzeugnissen der Zeit des Antoninus Pius (S. 692) in unser Blickfeld gekommen ist: Dort war auf einer Serie von Prägungen der Name des M. Claudius
54 Es handelt sich um IvDidyma 279 a 13. 281, 9. 287, 6 und 13. 301, 5. 356, 6; Milet I 7 n. 265, 4. Vgl. auch P. Herrmann, IstMitt 44, 1994, 216 Anm. 61 {hier S. 437}. Die Belege entstammen dem 1. bis 3. Jhdt. 55 Am deutlichsten ist IvDidyma 287, 6 (der Prophet T. Flavius Dionysodoros) [ἀ]ρχιερεὺς τῶν Σεβα/ στῶν καὶ τῶν Ἰώνων (für den Vater T. Flavius Andreas wird Z. 13 nur angegeben ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων). IvDidyma 279 (der Prophet M. Ulpius Flavianus Phileas) heißt es mit Bezug auf die beiden Eltern a 10 ἀρχιερέων τῶν Σεβαστῶν, a 13 καὶ ἀρχιερέων τῆς Ἰωνίας (wobei für beide Funktionen jeweils besondere Leistungen angeführt werden: ποιησάντων …). Milet I 7 n. 265, 4 wird von einer unbekannten Frau gesagt τ[ῶν] Σεβα[στ]ῶν ἀρχιερα/τεύσ[α]σαν κ[αὶ τῶ]ν Ἰώνων. 56 IvDidyma 301, 5 (Fragment des 2./3. Jhdt.s) ἀρχιερ]εὺς Ἰωνίας βʹ. 57 Milet I 7 n. 265, 4 (s. Anm. 55); IvDidyma 356, 6 (von Babaithis, der Mutter der Hydrophore Flavia [ ]) ἠρχι[ερα]/τευκυίας τῆς τρισκαιδε[καπό]/λιδος τῶν Ἰώνων. 58 In der von Cyriacus und Spon abgeschriebenen, seither verschollenen Inschrift kann das Cognomen des Mannes nur durch Konjektur unter Bezugnahme auf den Münzbeamten (B. V. Head, BMC Lydia p. CIII Anm. 2) gewonnen werden, und ebenso beruht die Nennung der 13 Städte auf der Korrektur der unverständlichen Lesung ΤΡΙΣΑΠΟΛΕΩΝ. Auf denselben Mann dürfte auch die Inschrift Sardis VII 1 n. 48 zu beziehen sein (Z. 1–2).
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Fronto mit dem Zusatz ἀσιάρχου καὶ ἀρχιερέως ιγʹ πόλεων versehen, und sowohl die meisten Bildmotive wie auch die Person des Genannten führten auf Sardeis, so daß man die Frage nach einem eventuellen besonderen Verhältnis der lydischen Stadt zum Ionischen Bund stellen konnte. Beachtung verdient auch hier die unmittelbare Verknüpfung der provinzialen Funktion des Asiarchen mit dem Oberpriesteramt im Koinon der Ionier. Eine neue Erkenntnis hinsichtlich des ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων hat vor einigen Jahren der Fund einer posthumen Ehreninschrift für den Milesier C. Iulius Epikrates in Milet gebracht.59 Dort wird (Z. 8) nach der Aufzählung verschiedener | Privilegien, die der Geehrte auf Grund seiner freundschaftlichen Beziehungen zu Augustus für seine Heimat erwirken konnte, als eine von ihm eingenommene Position genannt: ἀρχιερέα Ἀσίας καὶ τῶν / Ἰώνων διὰ βίου καὶ ἀγωνοϑέτην διὰ βίου. Auf der Grundlage dieser Aussage beruhte auch die Vermutung, daß ein einige Ionismen enthaltendes Fragment aus Milet, in dem u. a. auch von den Ioniern und vielleicht von Ionien die Rede ist, der Rest eines Dekrets eben des κοινὸν τῶν Ἰώνων sein könnte.60 Die ausdrückliche Verknüpfung der Funktion des Archiereus auf der Ebene des Provinzialkultes (Asia) mit derjenigen beim Ionischen Bund wirft Fragen nach der Genese und nach den Spezifika des Oberpriestertums im beginnenden Prinzipat auf. Es ist bekannt, daß der Titel des ἀρχιερεύς mit der Ausgestaltung des Herrscherkultes in den hellenistischen Monarchien in Verbindung steht. Dabei ist erst kürzlich zu den älteren Bezeugungen für das Seleukidenreich sowie die Ptolemäer die Übernahme und Weiterführung der Funktion bei den Attaliden erkennbar geworden.61 Die Stellung des ἀρχιερεὺς Ἀσίας, die in der eben erwähnten Epikrates-Inschrift mit der des (ἀρχιερεὺς) τῶν Ἰώνων gekoppelt erscheint, wird durch die in der Anfangszeit gebrauchte offizielle Titulatur verdeutlicht: sie lautet ἀρχιερεὺς ϑεᾶς Ῥώμης καὶ Αὐτοκράτορος Καίσαρος ϑεοῦ υἱοῦ Σεβαστοῦ (und kann dann noch durch die Funktion des ἀγωνοϑέτης διὰ βίου τῶν μεγάλων Σεβαστῶν Καισαρείων erweitert werden), womit ihre Anbindung an den 29 v. Chr. beschlossenen ersten provinzialen Kaiser-
59 P. Herrmann, IstMitt 44, 1994, 206–219 (SEG XLIV 938 {hier S. 424–440; Milet VI 3 n. 1131}). Inzwischen konnte der Eintragung im Stein-Inventar der Grabung (Nr. 4224) entnommen werden, daß die Rundbasis mit der Inschrift (Inv.-Nr. 1910) im Jahre 1988 „bei Fundamentgrabungen anläßlich Herrichtung zum Restaurant“ bei dem seldschukischen Han an der Theaterbucht gefunden wurde. Daraus ist für den urspünglichen Aufstellungsort kaum ein Indiz zu gewinnen. 60 Ebd. 228 (SEG XLIV 939 {hier S. 451}); vgl. Anm. 11. 61 Dazu jetzt eingehend H. Müller, Der hellenistische Archiereus, Chiron 30, 2000, 519–542, wo auch die Entwicklung im Seleukidenreich unter Antiochos III. und bei den Ptolemäern behandelt wird. Die Bezeugung für das Attalidenreich hat die Inschrift SEG XLVI 1519, 1 zum Ausgangspunkt, wozu Müller die Zeugnisse Altertümer von Pergamon VIII 3 n. 120 und Welles, Royal Correspondence in the Hellenistic Period (1934) 191 stellen konnte. Er nimmt dabei an, daß auch bei dem attalidischen Archiereus so, wie er es für den seleukidischen nachweisen kann, die Aufsicht über die Kulte und Heiligtümer in der Chora und den abhängigen Städten mit einer „bestimmende(n) Funktion im Kult der königlichen Dynastie von Pergamon“ vereinigt war (541).
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tempel in Pergamon angezeigt wird.62 Insofern somit die Ausübung des Herrscherkultes als wesentliche Aufgabe des Archiereus hervortritt, drängt sich die Vermutung einer Fortsetzung der aus dem Attalidenreich übernommenen Tradition in die Ausgestaltung des provinzialen Kaiserkultes auf. Das Problem besteht jedoch in der Schwierigkeit, konkrete Verbindungslinien nachzuweisen, oder anders gesagt: in der Überbrückung des Zeitraumes zwischen dem Ende der pergamenischen Herrschaft und der Neukonstitution von 30/29 v. Chr., wobei die gleichzeitig sich vollziehende Ausbreitung des Titels ἀρχιερεύς im rein städtischen Bereich unsere Erkenntnismöglichkeiten zusätzlich erschwert.63 So wie das κοινὸν τῶν | Ἰώνων hat auch die die Provinz Asia umfassende Bundesorganisation eine in die republikanische Zeit zurückreichende Vorgeschichte, für die seit einiger Zeit als aussagekräftigstes Dokument ein vermutlich in die Jahre zwischen 80 und 71 v. Chr. zu datierendes Dekret des κοινὸν τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων bekannt ist.64 Der Titel eines ἀρχιερεύς ist jedoch weder bei dem Koinon von Asia noch bei dem ionischen Koinon in der Zeit vor Augustus greifbar,65 weshalb das Zeugnis der Epikrates-Inschrift den besonderen Wert der frühesten Bezeugung besitzt, verbunden mit dem bemerkenswerten Befund der Kumulierung beider Funktionen bei einer Person und der zusätzlichen Aussage über ihre Wahrnehmung διὰ βίου, „auf Lebenszeit“. Die von daher sich aufdrängenden Fragen, die an anderer Stelle behandelt worden sind,66 sollen hier aber nicht erneut diskutiert werden, zumal jeder Versuch notwendigerweise in den Bereich der Spekulation führt. Was den Archiereus im Ionischen Bund betrifft, so kann vielleicht mit einiger Vorsicht gesagt werden, daß die Funktion in augusteischer Zeit kreiert wurde in enger
62 Vgl. M. Domitilla Campanile, Epigraphica 55, 1993, 207–211 (SEG XLIII 1232); P. Herrmann am Anm. 59 a. O. 216 {hier S. 436}. 63 Vgl. dazu auch H. Müller am Anm. 61 a. O. 540–542. 64 Th. Drew-Bear, BCH 96, 1972, 443–471. Die sonstigen Bezeugungen der Vereinigung und die Frage ihrer Entwicklung werden dort 460–466 besprochen. 65 Bezeugungen des Titels ἀρχιερεύς in Pergamon aus dem 1. Jhdt. v. Chr., und zwar für Diodoros Pasparos (zu seiner Datierung zuletzt C. P. Jones, Chiron 30, 2000, 1–12) und Mithridates, Sohn des Menodotos (die Belege bei Müller am Anm. 61 a. O. 541 Anm. 118 bzw. 519 Anm. 4), werden im Sinne eines Oberpriestertums aller städtischen Kulte gedeutet (Ch. Habicht, Altertümer von Pergamon VIII 3 p. 132; Müller 519). Daß Diodoros Pasparos als ἀρχιερεύς für einen perpetuierten dynastischen Kult zuständig gewesen wäre, wie es z. B. D. Kienast, RE Suppl. XII (1970) 226 f. erwog (vgl. auch Ph. Gauthier, Bull. épigr. 1989 n. 279), wird von Müller 541 in Abrede gestellt. – Für die Vermutung J. Deiningers, das Koinon von Asia der republikanischen Zeit sei von einem Asiarchen geleitet worden (Provinziallandtage 18 und 148), steht ein Quellenbeleg nicht zur Verfügung (vgl. Drew-Bear am Anm. 64 a. O. 447 Anm. 71). 66 Diskussion der Probleme am Anm. 59 a. O. 216–8 und 225–7. – Ein unveröffentlichter Ehrenbeschluß aus Maionia in Lydien enthält die Nennung eines provinzialen ἀρχιερεύς für das Jahr 17/6 v. Chr. {P. Herrmann † – H. Malay, New Documents from Lydia, 2007, n. 58, 1–4}, womit der früheste Beleg für das Amt gegeben ist (die nächste Bezeugung gehört in das Jahr 9 v. Chr.: s. ebd. 226 Anm. 105). Damit engt sich die verfügbare Zeitspanne für eine eventuelle Wahrnehmung der Funktion „auf Lebenszeit“ durch Epikrates weiter ein.
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Verbindung mit dem Ausbau des Kaiserkultes auf der Ebene der Provinz. Woher dabei die Impulse kamen und welches die unmittelbaren Vorbilder waren, ist für uns nicht erkennbar. In der Folgezeit scheint der ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων eine bescheidenere Rolle gespielt zu haben als das ungleich entwicklungsträchtigere Amt des ἀρχιερεὺς Ἀσίας, und die Übernahme der Funktion steht häufig in einer gewissen Nachbarschaft zu der Bekleidung des Amtes eines ἀρχιερεύς im städtischen oder provinzialen Kaiserkult, wie aus den Inschriften hervorgeht. Alle Einzelheiten bezüglich der Einsetzung, Verteilung auf die Mitgliedsstädte, Funktionsdauer und Aufgaben bleiben uns jedoch unbekannt.
3.3 Hiereus Neben dem ἀρχιερεύς hat es aber, wie wir erfahren, auch einen einfachen ἱερεὺς Ἰώνων gegeben. Er war uns auf den oben S. 690 f. besprochenen Münzen von Kolophon aus der Zeit zwischen 251 und 260 schon begegnet als ein Titel, den der dort genannte Stratege Kallistos führte (vgl. Anm. 24). Dazu tritt eine inschriftliche Bekundung in Erythrai, wo in einer Ehreninschrift für T. Fl. Aur. Alexander unter mehreren Funktionen, darunter einem Priestertum für den ϑεὸς Ἀλέξανδρος, die Angabe erscheint (IvErythrai 64, 9) τὸν καὶ αὐτὸν ἱερέα τῆς Ἰωνίας. Auch dieser Beleg gehört in das 3. Jhdt. n. Chr. Wiederum lassen die auf die titulare Angabe beschränkten zwei Bezeugungen67 nicht erkennen, welche Bedingungen diesem Priestertum zukamen, wie es um seine Verbreitung und seine Häufigkeit stand, ob es etwa einen dem ἀρχιερεύς untergeordneten Funktionsträger bezeichnete. Der ἱερεὺς Ἰώνων Kallistos fungierte immerhin in einem Zusammenhang, der durch eine in Kolophon abgehaltene Versammlung oder Feier des Bundes in besonderer Weise herausgehoben war. Die mit der Intention der vollständigen Erfassung vorgenommene Sichtung der Quellenzeugnisse hat immerhin verdeutlichen können, daß die Institution des Ionischen Bundes bis über die Mitte des 3. Jhdt.s hinaus Bestand gehabt hat. Mit Sicherheit war der Bund der 13 ionischen Städte nach einer für uns verdeckten Phase im letzten Jahrhundert der römischen Republik, die vielleicht eine Unterbrechung seiner Existenz oder zumindest seiner Aktivitäten bedeutet hat,68 von der augusteischen Zeit an im größeren Rahmen der Provinz und ihrer Einrichtungen präsent. Hier war es offenbar die Ausgestaltung des offiziellen Kaiserkultes in Verbindung mit der (Neu-) Etablierung des Landtages der Provinz, was dem alten Zusammenschluß der ioni67 Ein weiterer Beleg, der sich aus der von J. u. L. Robert, Bull. épigr. 1974 n. 493 übernommenen Ergänzung in der Ehreninschrift IvEphesos 689, 11 für Aelia Ammia ergeben hätte, nämlich συν[ιερασα] μένην τῶν Ἰώ[νων], ist auf Grund der Kontrolle durch M. Wörrle (Chiron 22, 1992, 369), die statt τῶν Ἰώνων die Lesung τῷ υ̣ἱ̣ ῷ ergab, hinfällig geworden (SEG XL 1197). 68 Caspari am Anm. 4 a. O. 187 geht von einer Unterbrechung in der Zeit zwischen Sulla (85/4) und Augustus aus, ebenso G. Fogazza, PP 28, 1973, 168.
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schen Städte einen Impuls zu neuer Aktivität gab. Das Zeugnis des Milesiers C. Iulius Epikrates mit der in seiner Person gegebenen Verknüpfung der Oberpriesterfunktion zugleich auf der Ebene der Provinz und der des Städtebundes in den frühen Jahren der augusteischen Herrschaft scheint auf eine signifikante Weichenstellung hinzuweisen, von der an der ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων sozusagen im Schatten des aufstrebenden provinzialen Kultes eine eigene Tradition weiterführt. Aus der Kombination der epigraphischen Zeugnisse mit solchen der literarischen Überlieferung und mit Aussagen oder eher Andeutungen des numismatischen Materials gewinnt man den Eindruck einer gewissen Pflege der Tradition in Zusammenkünften und Festveranstaltungen mit Agonen, | offenbar unter Beibehaltung der Leitungsfunktion des βασιλεύς, wobei die Städte sich in ihrer Durchführung abgelöst zu haben scheinen. Die Wahrnehmung von Aufgaben des βασιλεύς oder des ἀρχιερεὺς τῶν Ἰώνων gilt als ein Ehrentitel und Leistungsnachweis, dessen man sich im Rahmen sonstiger Aktivitäten auf provinzialer oder munizipaler Ebene rühmen kann. In der hierfür zur Verfügung stehenden Honoratiorenschicht konnten sich entsprechende Familientraditionen entwickeln, andererseits gibt es einige Indizien dafür, daß dann auch die Zugehörigkeit zu einer der Mitgliedsstädte nicht mehr unbedingte Voraussetzung gewesen sein dürfte: Gewisse Verbindungen nach Sardeis z. B. und auch nach Pergamon deuten sich an, ohne daß wir sie wirklich zu präzisieren vermögen. Die überwiegend punktuellen, oft nur auf Namen und Titel begrenzten Aussagen unserer Quellen sind in der Tat das Haupthindernis, das es uns verwehrt, das Bild vom Weiterbestehen des Ionischen Bundes in der Kaiserzeit mit Leben zu füllen, etwa Vorstellungen von der Intensität und Frequenz seiner Aktivitäten, von Teilnehmerzahlen und gesellschaftlicher Resonanz zu gewinnen. Eine politische Wirkung wird man kaum voraussetzen können, aber im Rahmen der Selbstvergewisserung einer Gruppe von alten Städten mit hohem Traditionsanspruch wird die weiterführende Existenz des Ionischen Bundes ihre Bedeutung behalten haben.
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Menschliche Wertbegriffe bei Homer: ἀγαϑός‚ ἐσϑλός und benachbarte Ausdrücke, Diss. Hamburg 1954 (maschinenschriftlich, 153 S.). Ergebnisse einer Reise in Nordostlydien, DenkschrWien, 80. Band, 1962. 67 S., 16 Taf. Der römische Kaisereid. Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung (Hypomnemata 20), Göttingen 1968. 132 S. Das Testament des Epikrates und andere neue Inschriften aus dem Museum von Manisa, SBWien, 265. Band, 1. Abhandlung, 1969. 63 S. und Taf. I–VI (zusammen mit K. Z. Polatkan). Tituli Asiae Minoris collecti et editi auspiciis Academiae Litterarum Austriacae, vol. V: Tituli Lydiae linguis Graeca et Latina conscripti, fasc. I: Regio septentrionalis ad orientem vergens. Schedis ab Iosepho Keil elaboratis usus enarravit Petrus Herrmann, Wien 1981. X, 293 S., 28 Taf., 1 Kte. Tituli Asiae Minoris collecti et editi auspiciis Academiae Litterarum Austriacae, vol. V: Tituli Lydiae linguis Graeca et Latina conscripti, fasc. II: Regio septentrionalis ad occidentem vergens. Schedis ab Iosepho Keil elaboratis usus enarravit Petrus Herrmann, Wien 1989. X, 295–533, 20 Taf., 1 Kte. Hilferufe aus römischen Provinzen. Ein Aspekt der Krise des römischen Reiches im 3. Jhdt. n. Chr. (Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V., Hamburg, Jahrgang 8, 1990, Heft 4), Hamburg 1990. 66 S. Inschriften von Milet, Band VI, Teil 1. A. Inschriften Nr. 187–406 (Nachdruck aus den Bänden I 5 – II 3); B. Nachträge und Übersetzungen zu den Inschriften Nr. 1–406 von Peter Herrmann, Berlin/New York 1997. 231 S., 26 Taf. Inschriften von Milet, Band VI, Teil 2. Inschriften Nr. 407–1019 von Peter Herrmann, Berlin/ New York 1998. 167 S., 56 Taf. Peter Herrmann (†) – Hasan Malay, New Documents from Lydia, DenkschrWien, 340. Band (Ergänzungsbände zu den Tituli Asiae Minoris Nr. 24), 2007. 145 S., 55 Taf., 1 Kte.
Aufsätze [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18]
Grabepigramme von der milesischen Halbinsel, Hermes 86, 1958, 117–121 (Kap. 21). Neue Inschriften zur historischen Landeskunde von Lydien und angrenzenden Gebieten, DenkschrWien, 77. Band, 1. Abhandlung, 1959, 1–17 und 3 Tafeln (Kap. 1). Griechische Inschriften, in G. Roeder (Hrsg.), Hermopolis 1929–1939. Ausgrabungen der Deutschen Hermopolis-Expedition in Hermopolis, Ober-Ägypten, Hildesheim 1959, 133–135. Die Inschriften römischer Zeit aus dem Heraion von Samos, AM 75, 1960 [1962], 68–186 und Beilagen 36–60. Grab- und Votivstelen aus dem nordöstlichen Lydien im Museum von Manisa, AnzWien, 98. Jahrgang 1961, Nr. 16, 1962, 119–127 mit 4 Tafeln (zusammen mit K. Z. Polatkan) (Kap. 2). Bericht über eine Reise in Nordostlydien, AnzWien, 98. Jahrgang 1961, Nr. 21, 166–168 (Kap. 3). Neue Urkunden zur Geschichte von Milet im 2. Jahrhundert v. Chr., IstMitt 15, 1965, 71–117 und Taf. 33–34 (Kap. 22). Antiochos der Große und Teos, Anadolu (Anatolia) 9, 1965 [1967], 29–160 und Taf. I–V.
704 [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26] [27] [28] [29] [30] [31] [32] [33]
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Schriftenverzeichnis Zu den Beziehungen zwischen Athen und Milet im 5. Jahrhundert, Klio 52, 1970 (G. Klaffenbach zum 80. Geburtstag), 163–173 (Kap. 23). Zur Geschichte der Stadt Iulia Gordos in Lydien, AnzWien, 107. Jahrgang 1970, 92–103 und Taf. I–II (Kap. 4). Athena Polias in Milet, Chiron 1, 1971 (H. Berve zum 75. Geburtstag), 291–298 und Taf. II–III. Noch einmal: Knidische Richter in Smyrna, ZPE 7, 1971, 69–72 und Taf. IIIb (Kap. 39). Zum Beschluß von Abdera aus Teos Syll.3 656, ZPE 7, 1971, 72–77 und Taf. IVa (Kap. 41). Zusätzliches zum südöstlichen Karien, OpAth X:6, 1971, 31–40 [Topographisches, von P. Roos, 31–36; Zwei Inschriften von Kaunos und Baba Dağ, von P. Herrmann, 36–40]. Überlegungen zur Datierung der ‚Constitutio Antoniniana‘, Chiron 2, 1972, 519–530 und Taf. 30. Ein ἐξηγητὴς Εὐµολπιδῶν in Eleusis, ZPE 10, 1973, 79–85 (Kap. 43). Cn. Domitius Ahenobarbus ‒ patronus von Ephesos und Samos, ZPE 14, 1974, 257–258 (Kap. 44). Ehrendekret von Iulia Gordos, AnzWien, 111. Jahrgang 1974, 439–444 (Kap. 5). Milesischer Purpur, IstMitt 25, 1975 (G. Kleiner zu seinem fünfundsechzigsten Geburtstag), 141–147 und Taf. 31,1 (Kap. 24). Eine Kaiserurkunde der Zeit Marc Aurels aus Milet, IstMitt 25, 1975, 149–166 und Taf. 31,2–32 (Kap. 25). Nochmals zu dem Brief Attalos’ II. an die Ephesier, ZPE 22, 1976, 233–234 (Kap. 45). Anhang: Textfragment aus Satala in Lydien, Chiron 7, 1977, 364–365 [im Rahmen des Aufsatzes Sacrae Litterae von Th. Drew-Bear, W. Eck und P. Herrmann, 355–383]. Men, Herr von Axiotta, in S. Şahin – E. Schwertheim – J. Wagner (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens. Festschrift für Friedrich Karl Dörner zum 65. Geburtstag, Leiden 1978, I 415–423 (Kap. 6). Die Stadt Temnos und ihre auswärtigen Beziehungen in hellenistischer Zeit, IstMitt 29, 1979, 239–271 und Taf. 66–70 (Kap. 46). Kaiserliche Garantie für private Stiftungen. Ein Beitrag zum Thema „Kaiser und städtische Finanzen“, in W. Eck – H. Galsterer – H. Wolff (Hrsg.), Studien zur antiken Sozialgeschichte. Festschrift Friedrich Vittinghoff, Köln/Wien 1980, 339–356 und Abb. 2–3 (Kap. 56). Kaiserzeitliche Grabinschriften mit Stephanephoren-Daten, IstMitt 30, 1980 [1981], 92–98 und Taf. 39 [im Rahmen von W. Müller-Wiener, Milet 1978–1979, 23–98] (Kap. 27). Urkunden milesischer Temenitai, IstMitt 30, 1980 [1981], 223–239 und Taf. 90–92 (Kap. 28). Teos und Abdera im 5. Jahrhundert v. Chr. Ein neues Fragment der Teiorum Dirae, Chiron 11, 1981, 1–30 und Taf. 1–3. Die Selbstdarstellung der hellenistischen Stadt in den Inschriften: Ideal und Wirklichkeit, in Πρακτικὰ τοῦ ηʹ ∆ιεϑνοῦς Συνεδρίου Ἑλληνικῆς καὶ Λατινικῆς Ἐπιγραϕικῆς, Ἀθήνα, 3–9 Ὀκτωβρίου 1982, Athen 1984, I 108–119 (Kurzfassung: Zur Selbstdarstellung der Polis in hellenistischer Zeit, in J. Bleicken [Hrsg.], Symposion für Alfred Heuß [1984, Göttingen], Kallmünz 1986, 39–40) (Kap. 57). Theoi Pereudenoi. Eine Gruppe von Weihungen und Sühninschriften aus der Katakekaumene, EpigrAnat 3, 1984, 1–17 und Taf. 1–3 (zusammen mit E. Varinlioğlu) (Kap. 7). Der Kaiser als Schwurgottheit. Ein Inschriftenfragment aus Milet, in E. Weber – G. Dobesch (Hrsg.), Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Festschrift für Artur Betz zur Vollendung seines 80. Lebensjahres, Wien 1985, 303–314 und Taf. 4 (Kap. 29). Sühn- und Grabinschriften aus der Katakekaumene im Archäologischen Museum von İzmir, AnzWien, 122. Jahrgang 1985, 248–261 (Kap. 8). Die Weihinschrift der ersten römischen Bühne in Milet, in W. Müller-Wiener (Hrsg.), Milet 1899–1980. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven einer Ausgrabung. Kolloquium Frankfurt
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am Main 1980, IstMitt Beih. 31, 1986, 175–185 und Taf. 23, mit einer Notiz von D. McCabe S. 186–189 (Kap. 30). Zwei Ortsnamen in Lydien: Agatheira und Tibbai, EpigrAnat 7, 1986, 17–19 und Taf. 4 (Kap. 9). Milesier am Seleukidenhof. Prosopographische Beiträge zur Geschichte Milets im 2. Jhdt. v. Chr., Chiron 17, 1987, 171–192. Plädoyer für einen „Gespensternamen“, ZPE 68, 1987, 285–286 (Kap. 31). Chresimus, procurator lapicidinarum. Zur Verwaltung der kaiserlichen Steinbrüche in der Provinz Asia, Tyche 3, 1988, 119–128 und Taf. 6 (Kap. 47). Fragment einer Senatsrede Marc Aurels aus Milet ‒ Nachtrag zu IstMitt 25, 1975, 149–166, IstMitt 38, 1988, 309–313 und Taf. 48 (Kap. 26). Rom und die Asylie griechischer Heiligtümer: Eine Urkunde des Dictators Caesar aus Sardeis, Chiron 19, 1989, 127–164. Ein Tempel für Caligula in Milet?, IstMitt 39, 1989 (W. Müller-Wiener zum 65. Geburtstag), 191–196 (Kap. 32). Provinces danubiennes et balkaniques: épigraphie grecque, in Actes du colloque international du centenaire de L’Année épigraphique (Paris 1988), Paris 1990, 171–175. C. H. Greenewalt, Jr. – N. D. Cahill – H. Dedeoğlu – P. Herrmann, The Sardis Campaign of 1986, BASOR Suppl. Studies No. 26 (1990), 137–177 [Beitrag P. Herrmann S. 165–166] Ἡ Ναειτηνῶν κατοικία. Ein Beitrag zur historischen Landeskunde des südöstlichen Lydien, in H. Malay (Hrsg.), Erol Atalay Memorial (ADerg I), İzmir 1991, 77–85 und Taf. XX–XXI (Kap. 10). Epigraphische Notizen 1–3, EpigrAnat 19, 1992, 115–117 (Kap. 49). Epigraphische Notizen 4–9, EpigrAnat 20, 1992, 69–73 (Kap. 50). Epigraphische Forschungen in Lydien (Polybios aus Sardeis), in G. Dobesch – G. Rehrenböck (Hrsg.), Die epigraphische und altertumskundliche Erforschung Kleinasiens: Hundert Jahre Kleinasiatische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Akten des Symposiums vom 23. bis 25. Oktober 1990, DenkschrWien 236 (Ergänzungsbände zu den Tituli Asiae Minoris Nr. 14), 1993, 211–219 und Taf. 16 (Kap. 11). Epigraphische Notizen 10–12, EpigrAnat 21, 1993, 71–75 (Kap. 51). Inschriften von Sardeis, Chiron 23, 1993, 233–266. Eine Mosaikinschrift aus Milet, ADerg II, 1994, 89–97 und Taf. X (Kap. 33). Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkults, IstMitt 44, 1994, 203–236 und Taf. 36–39 (Kap. 34). Eine Liste mit Zeus-Epitheta aus Milet, Hyperboreus 1, 1994/95, 118–127 und Taf. 1 (Kap. 35). Eine ‚pierre errante‘. Ephebenkatalog aus Iasos in Milet, ADerg III, 1995, 93–99 und Taf. IX–X (Kap. 48). Epigraphische Notizen 13, EpigrAnat 25, 1995, 103–105 (Kap. 52). Γέρας ϑανόντων. Totenruhm und Totenehrung im städtischen Leben der hellenistischen Zeit, in M. Wörrle – P. Zanker (Hrsg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus (Vestigia Band 47), München 1995, 189–197 (Kap. 58). Sardeis zur Zeit der iulisch-claudischen Kaiser, in E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Lydien (Asia Minor Studien 17), Bonn 1995, 21–36 und Taf. 1–4 (Kap. 12). Inschriften, AA 1995, 282–292 [im Rahmen von V. von Graeve und Mitarbeiter, Milet 1992–1993, 195–333]. Epigraphische Notizen 14–15, EpigrAnat 27, 1996, 55–61 (Kap. 53). Milet unter Augustus. Erkenntnisse aus einem Inschriften-Neufund, in J. H. M. Strubbe – R. A. Tybout – H. S. Versnel (Hrsg.), ΕΝΕΡΓΕΙΑ. Studies on Ancient History and Epigraphy presented to H. W. Pleket, Amsterdam 1996, 1–18. Mystenvereine in Sardeis, Chiron 26, 1996, 315–348. Neues vom Sklavenmarkt in Sardeis, ADerg IV, 1996, 175–187 und Taf. XXXVIII (Kap. 13).
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Schriftenverzeichnis Discours de clôture, in Actes du Xe Congrès International d’Épigraphie Grecque et Latine (Nîmes 1992), Paris 1997, 489–496. Grabepigramm aus Büyükbelen in Lydien, ADerg V, 1997, 171–174 und Taf. LVIII (Kap. 14). Epigraphische Notizen 16–17, EpigrAnat 28, 1997, 145–148 und Taf. 23 (Kap. 54). Die Karriere eines prominenten Juristen aus Thyateira, Tyche 12, 1997, 111–123 und Taf. 10 (Kap. 15). Neues zu Kulten und Kultvereinen in Lydien, 14. AST, Ankara 1997, I 91–96. Demeter Karpophoros in Sardeis, REA 100, 1998, 495–508 (Kap. 16). Aus der Arbeit der Inscriptiones Graecae. Vorbemerkung, Chiron 28, 1998, 85–86. Epigraphische Notizen 18–20, EpigrAnat 31, 1999, 31–34 (Kap. 55). [Chronik:] Inscriptiones Graecae, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 116, 1999, 701–703. Eine berühmte Familie in Teos. Epigraphische Nachlese, in C. Işık (Hrsg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens und des ägäischen Bereiches. Festschrift für Baki Öğün zum 75. Geburtstag (Asia Minor Studien 39), Bonn 2000, 87–97 (Kap. 42). Φιλίας ἀγαθῆς λόγος. Inschrift für einen Schauspieler in Sardeis, Hyperboreus 6, 2000 (Festschrift A. I. Zajcev), 400–406 (Kap. 17). Eine neue historische Inschrift aus Milet, in Ch. Ulf (Hrsg.), Ideologie – Sport – Außenseiter. Aktuelle Aspekte einer Beschäftigung mit der antiken Gesellschaft (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 108), Innsbruck 2000, 265–272 (zusammen mit Joachim Ebert †) (Kap. 36). Milet au IIe siècle a.C., in A. Bresson – R. Descat (Hrsg.), Les cités d’Asie Mineure occidentale au IIe siècle a.C., Bordeaux 2001, 109–116 (Kap. 37). Italiker und Römer in Sardeis. Überlegungen zu zwei inschriftlichen Zeugnissen, in J. Spielvogel (Hrsg.), Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, 36–44 (Kap. 18). Das κοινὸν τῶν Ἰώνων unter römischer Herrschaft, in N. Ehrhardt – L.-M. Günther (Hrsg.), Widerstand ‒ Anpassung ‒ Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom. Festschrift für Jürgen Deininger zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, 223–240 (Kap. 59). Eine ‚pierre errante‘ in Samos: Kultgesetz der Korybanten, Chiron 32, 2002, 157–172. Magier in Hypaipa, Hyperboreus 8, 2002, 364–369 (Kap. 19). Statue Bases of the Mid-Third Century A.D. from Smyrna, EpigrAnat 36, 2003 (2004), 1–10 (zusammen mit H. Malay) (Kap. 40). Apollon de Pleura. Un sanctuaire rural en Lydie entre les époques hellénistique et romaine, in S. Follet (Hrsg.), L’hellénisme d’époque romaine. Nouveaux documents, nouvelles approches (Ier s. a.C. – IIIe s. p.C.). Actes du Colloque International à la Mémoire de Louis Robert, Paris, 7–8 juillet 2000, Paris 2004, 277–285 (mit einem Addendum von G. Petzl S. 286) (Kap. 20). Adolf Wilhelm und die kleinasiatische Epigraphik, in А. П. Мατϑαίου (Hrsg.), Ἀττικαὶ Ἐπιγραφαί. Συµπόσιον εἰς µνήµην Adolf Wilhelm (1864–1950), Athen 2004, 19–32. U. Schlotzhauer, Some Observations on Milesian Pottery, with contributions by P. Herrmann (†) and S. Weber, in A. Villing – U. Schlotzhauer (Hrsg.), Naukratis: Greek Diversity in Egypt. Studies on East Greek Pottery and Exchange in the Eastern Mediterranean, London 2006, 133–144 [Beitrag P. Herrmann S. 140]. Zur römischen Zollstation in Milet, unveröffentlicht (Kap. 38).
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Lexikonartikel [93] [94] [95] [96] [97] [98]
Artikel ἀγαϑός‚ in LfgrE I, 1955 [1979], Sp. 20–29 (zusammen mit F. Mehmel). Artikel ἀζηχής‚ in LfgrE I, 1956 [1979], Sp. 183–184. Artikel ἀϑεµίστιος‚ ἀϑέµιστος‚ in LfgrE I, 1956 [1979], Sp. 206–207. Artikel Ἀνδρεΐδης, in LfgrE I, 1956 [1979], Sp. 804. Artikel Genossenschaft, A. Griechisch, RAC X (1976) [1978], Sp. 84–99. Artikel „Tyrimnos“, LIMC VIII 1 (1997), 152–153.
Rezensionen [99] [100]
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Rez. von: W. Peek, Griechische Grabgedichte. Griechisch und deutsch, Berlin 1960, Gnomon 34, 1962, 649–652. Rez. von: Choix d’inscriptions grecques. Textes, traductions et notes. Travaux de l’Institut d’Épigraphie grecque sous la direction de J. Pouilloux, Paris 1960, Gymnasium 70, 1963, 73–74. Rez. von: W. M. Calder III, The Inscription from Temple G at Selinus, Durham, N. C. 1963, Gnomon 37, 1965, 377–380. Rez. von: G. E. Bean – T. B. Mitford, Journeys in Rough Cilicia in 1962 and 1963, Wien 1965, Gnomon 38, 1966, 406–408. Rez. von: R. Bogaert, Banques et banquiers dans les cités grecques, Leiden 1968, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 56, 1969, 386–388. Rez. von: L. Moretti, Inscriptiones Graecae Urbis Romae. Fasc. I, Rom 1968, Gnomon 43, 1971, 621–623. Rez. von: Die Staatsverträge des Altertums, 3. Band: Die Verträge der griechisch-römischen Welt von 338 bis 200 v. Chr., bearbeitet von H. H. Schmitt, München 1969, HZ 212, 1971, 399–401. Rez. von: L. Robert, Die Epigraphik der klassischen Welt (aus dem Französischen übersetzt von H. Engelmann), Bonn 1970, Gnomon 44, 1972, 627. Rez. von: Inscriptions grecques et latines de la Syrie. Tome 7: Arados et régions voisines. Par J.-P. Rey-Coquais, Paris 1970, Gnomon 45, 1973, 69–73. Rez. von: S. M. Sherwin-White, Ancient Cos. An historical study from the Dorian settlement to the Imperial period, Göttingen 1978, HZ 230, 1980, 653–654. Rez. von: Ch. Habicht, Untersuchungen zur politischen Geschichte Athens im 3. Jhdt. v. Chr., München 1979, HZ 233, 1981, 143–144. Rez. von: K. Tuchelt, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien. Teil I: Roma und Promagistrate, Tübingen 1979, Gymnasium 88, 1981, 87–88. Rez. von: F. Gschnitzer, Griechische Sozialgeschichte von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden 1981, HZ 235, 1982, 389–390. Rez. von: Tituli Asiae Minoris vol. IV, fasc. 1, ed. F. K. Dörner, Wien 1978, Gnomon 54, 1982, 124–129. Rez. von: Inscriptiones Graecae, vol. I3 1, ed. D. Lewis, Berlin/New York 1981, Gnomon 56, 1984, 29–35. Rez. von: L. Boffo, I re ellenistici e i centri religiosi dell’Asia Minore, Florenz 1985, HZ 245, 1987, 683–684. Rez. von: Ph. Gauthier, Les cités grecques et leurs bienfaiteurs (IVe–Ier siècle av. J.-C.), Athen/ Paris 1985, HZ 244, 1987, 386–387.
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Schriftenverzeichnis
[116] Rez. von: H.-J. Gehrke, Jenseits von Athen und Sparta. Das Dritte Griechenland und seine Staatenwelt, München 1986, HZ 245, 1987, 680–681. [117] Rez. von: G. Shipley, A History of Samos 800–188 B.C., Oxford 1987, Gnomon 61, 1989, 511–514. [118] Rez. von: L. Robert, Documents d’Asie Mineure, Athen/Paris 1987, HZ 250, 1990, 383–384. [119] Rez. von: W. Hotz, Die Mittelmeerküsten Anatoliens. Handbuch der Kunstdenkmäler, Darmstadt 1989, HZ 253, 1991, 682–683. [120] Rez. von: L. Moretti, Tra epigrafia e storia. Scritti scelti e annotati, Rom 1990, Gnomon 64, 1992, 259–261. [121] Rez. von: J. H. Oliver, Greek Constitutions of Early Roman Emperors from Inscriptions and Papyri, Philadelphia 1989, HZ 254, 1992, 700–702. [122] Rez. von: W. T. Loomis, The Spartan War Fund. IG V 1,1 and a New Fragment, Stuttgart 1992, HZ 259, 1994, 157–158. [123] Rez. von: E. Miranda (Hrsg.), Iscrizioni greche d’Italia: Napoli I, Rom 1990, Gnomon 66, 1994, 23–25. [124] Rez. von: St. V. Tracy, Attic Letter-Cutters of 229 to 86 B.C., Berkeley/Los Angeles/Oxford 1990, HZ 258, 1994, 149–150. [125] Rez. von: Inscriptions historiques grecques. Traduites et commentées par J.-M. Bertrand, Paris 1992, Gnomon 67, 1995, 269–271. [126] Rez. von: Inscriptions de Délos. Index, tome I. Par J. Tréheux, Paris 1992, Gnomon 67, 1995, 369–370. [127] Rez. von: St. Mitchell, Anatolia. Land, Men, and Gods in Asia Minor, 2 Bde., Oxford 1993, HZ 261, 1995, 494–496. [128] Rez. von: T. S. Scheer, Mythische Vorväter. Zur Bedeutung griechischer Heroenmythen im Selbstverständnis kleinasiatischer Städte, München 1993, HZ 261, 1995, 835–836. [129] Rez. von: Ph. Gauthier – M. B. Hatzopoulos, La loi gymnasiarchique de Béroia, Paris 1993, HZ 262, 1996, 176–177. [130] Rez. von: K. Bringmann – H. von Steuben (Hrsg.), Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, Teil I, Berlin 1995, HZ 262, 1996, 833–835. [131] Rez. von: St. V. Tracy, Athenian Democracy in Transition. Attic Letter-Cutters of 340 to 290 B.C., Berkeley/Los Angeles/London 1995, HZ 267, 1998, 444–446. [132] Rez. von: K. Bringmann – H. von Steuben (Hrsg.), Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, Teil II 1–2, Berlin 2000, HZ 273, 2001, 435–437. [133] Rez. von: K. Nawotka, Boule and Demos in Miletus and its Pontic Colonies from Classical Age until Third Century A.D., Breslau/Warschau/Krakau 1999, Klio 84, 2002, 534–535.
Nachrufe [134] Louis Robert †, Gnomon 58, 1986, 81–83, 1 Taf. [135] Jeanne Robert †, Gnomon 75, 2003, 190–191.
Indices Corpora, Reihen, Zeitschriften
299: 40 310: 12
ADerg
311: 13
IV (1996) 76 Nr. 1: 239 f.
326: 23
IV (1996) 79 Nr. 2: 244
329: 40 339: 40
Asia Minor Studien
346: 41
1 (1990) 83 Nr. 1: 606 ff.
351: 41 411: 42
BCH
438: 623 ff.
106 (1982) 362: 238
498: 23
CIG
IvArykanda
3081: 522 Anm. 4
38: 632 f.
3083: 522 f.
162: 632 Anm. 11
IG
IvDidyma
XII 1, 58: 378 f.
70: 372 Anm. 46
XII 6,1, 307: 534
148: 405; 625 f.
XII 7, 418: 423 Anm. 11
332: 335 f.; 434; 602 363: 350 Anm. 3
IGR IV 120: 605
486: 357 488: 288 ff.
I.Manisa Museum
496: 366 Anm. 32
2: 7 16: 27
IvEleusis
21: 20
442: 535
23: 643 f.
455: 533
67a: 42 84: 43
IvEphesos
88: 44
202: 541
94: 41
689: 701 Anm. 67
178: 27
856: 584
183: 27 276: 38
IvIasos
282: 38
4: 668
283: 38
269–284: 593 ff.
286: 39 288: 39
IvKnidos
290: 40
231: 499 ff.
710
Indices
IvMagnesia am Sipylos
II 10/03/02: 615
20: 642 ff.
IV 17/09/01: 215 IV 18/10/01: 614 ff.
IvMylasa
IV 23/05: 213
910: 594; 597
IV 23/07: 182
929: 585 ff. Milet IvPergamon
I 2 n. 5: 389
269: 330 f.; 345
I 2 n. 6: 422; 454 ff. I 2 n. 7: 382; 422; 440 ff.
IvPerge
I 2 n. 15: 454
60: 635 f.
I 3 n. 148: 563
66: 636 f.
I 3 n. 150: 401
203: 637 f.
I 3 n. 178: 602 f. I 7 n. 273: 327
IvPriene
I 9 n. 306: 286 f.
55 (IvPriene (2014) 43): 688
I 9 n. 307: 287 f.
109 (IvPriene (2014) 64): 683
I 9 n. 308: 367
111 (IvPriene (2014) 67): 682 f.
I 9 n. 328: 395; 397 I 9 n. 337: 343 ff.
IvSelge
VI 2 n. 524: 581
66: 614 ff.
VI 2 n. 528: 351 f. VI 2 n. 563: 435 Anm. 56; 491 ff.
IvSmyrna
VI 2 n. 564: 353 ff.
578: 499 ff.
VI 2 n. 602: 355 VI 2 n. 613: 349 ff.
IvStratonikeia
VI 2 n. 642: 355
1342: 602
VI 2 n. 666: 316 VI 2 n. 667: 495
IvTralleis
VI 2 n. 695: 355
148: 581 ff.
VI 2 n. 697: 355 VI 2 n. 735: 678
Merkelbach – Stauber, Steinepigramme aus
VI 2 n. 738: 250 f.
dem griechischen Osten
VI 2 n. 742: 249
I 01/20/22 678
VI 2 n. 797: 358 f.
I 04/02/05: 143
VI 2 n. 798: 360 ff.
I 04/02/11: 679
VI 2 n. 799: 363 f.
I 04/21/02: 112
VI 2 n. 800: 364 ff.
I 04/22/01: 43
VI 2 n. 802: 367 ff.
II 08/01/30: 605 f.
VI 2 n. 803: 369 f.
II 08/08/15: 615 f.
VI 2 n. 928: 385 ff.
II 09/11/02: 216
VI 3 n. 1029: 274 ff.
Indices
VI 3 n. 1039: 257 ff.
XXIX 1149: 546 ff.
VI 3 n. 1040: 279 ff.
XXXII 1237: 238; 246
VI 3 n. 1044: 379 ff.
XXXIV 1211: 84
VI 3 n. 1045: 451
XXXIV 1214: 90
VI 3 n. 1075: 323 ff.; 343 ff.
XXXIV 1215: 91
VI 3 n. 1131: 425
XXXIV 1216: 92
VI 3 n. 1218: 305
XXXIV 1219: 96
VI 3 n. 1220: 303
XXXIV 1220: 97
VI 3 n. 1380: 304
XXXV 1159: 111
VI 3 n. 1381: 304
XXXV 1160: 112
VI 3 n. 1395: 466
XXXVI 1092: 160
VI 3 n. 1400: 411 ff.
XXXVIII 1117: 602
VI 3 n. 1401: 475
XXXVIII 1172: 601
VI 3 n. 1409: 458
XL 1124: 606 ff. XLI 1015: 127
Petzl, Die Beichtinschriften Westkleinasiens
XLI 1017: 128
16: 82
XLI 1277: 613 f.
17: 86
XLIII 705: 621 ff.
18: 88
XLIII 863: 137
19: 93
XLIII 864: 138
20: 94
XLV 1520: 595; 598 f.
36: 105
XLV 1536: 629 ff.
37: 108
XLV 1643: 153
79: 75
XLV 1644: 157 XLV 1645: 159
Sardis VII 1
XLV 1646: 163
8: 150
XLV 1651: 149
9: 152 f.
XLV 1652: 148
11: 162
XLVI 1519: 239 f.; 246
16: 337
XLVI 1520: 244
34: 153
XLVI 1521: 177; 222
35: 162
XLVI 1524: 171
37: 161
XLVII 1649: 182
46: 172; 174 Anm. 26
XLVII 1656: 187
49: 143
XLVIII 1472: 202
111: 679
L 1191: 213 LI 1615: 522 f.
SEG
LI 1616: 524 f.
XIX 707: 17
LI 1617: 523
XIX 713: 12
LI 1618: 525 f.
XIX 714: 13
LI 1619: 526 ff.
XXIX 1130 bis: 554 f.
LII 1166: 233
711
712
Indices
LII 1174: 222
V 2 n. 1229: 15
LII 1175: 227
V 2 n. 1236: 4
LIII 1327: 503 ff.
V 2 n. 1345: 643 f.
LIII 1328: 505 f.
V 3 n. 1425: 28
LIII 1329: 506 ff. LIII 1330: 509 ff. LIII 1331: 511 f.
Inventarnummern
LIII 1332: 512 ff. Sardeis-Ausgrabung Syll.
3
656: 515 ff.
IN 59.3: 144 IN 59.4: 137, 144, 145 IN 61.48: 227; 229
TAM
IN 63 A 6: 154 Anm. 15, 155; 166
V 1 n. 76: 41
IN 63 A 9: 154 Anm. 15, 155; 166
V 1 n. 86: 38
IN 63.123: 157; 167
V 1 n. 87a: 38
IN 64.35: 154 Anm. 15, 155; 166
V 1 n. 90: 40
IN 64.36: 154 Anm. 15, 155; 166
V 1 n. 92: 38
IN 65.14: 159; 167
V 1 n. 111: 39
IN 67.12: 154 Anm. 15, 155; 166
V 1 n. 112: 39
IN 69.8: 148; 165
V 1 n. 112a: 40
IN 69.10: 149; 165
V 1 n. 114: 40
IN 69.14: 170; 180
V 1 n. 123: 40
IN 73.5: 233; 235
V 1 n. 124: 41
IN 73.14: 153 f.; 166
V 1 n. 126: 41
IN 76.1: 213; 219
V 1 n. 183: 27
IN 79.8: 160; 168
V 1 n. 185: 27
IN 84.1: 201 ff.
V 1 n. 523: 43
IN 86.2: 177; 180; 222
V 1 n. 525: 75 V 1 n. 526: 74 V 1 n. 532: 44
Literarische Quellen
V 1 n. 538: 42 V 1 n. 554: 42
Diogenes Laertios IV 31: 617 ff.
V 1 n. 589: 54, 65 Anm. 2
Livius 37.16.2: 481 Anm. 7
V 1 n. 687: 65
43.6.4: 487 Anm. 33
V 1 n. 690: 58
Pausanias VII 2, 11: 276 Anm. 63; 431 Anm. 37
V 1 n. 762: 62
Phlegon von Tralleis, FgrHist 257 F 36 XIII: 152
V 2 n. 932: 174
Plutarch, Sert. 17, 10: 630
V 2 n. 1185: 27
Polyaen VIII 23,1; 422 Anm. 5
V 2 n. 1208: 10
Polybios 16.5.6: 480 Anm. 4
V 2 n. 1210: 25
16.24.9: 480 Anm. 4
V 2 n. 1213: 23
21.46.5: 481 Anm. 9
Indices
Polybios 21.46.8: 482 Anm. 11 Tacitus, Ann. II 47: 150
713
315 ff.; Augustus-Tempel 382; 422; 453; Kretereinbürgerung 482 f. Namen auf -ῆς 522 Anm. 6 Panhellenion 142
Sachindex
Panionia 690 ff. Prämien für siegreiche Athleten 330; 344
Agon, Bewilligung durch den Kaiser 331
Sardeis, Erdbeben 150 ff.; Phylen 154; Sklaven-
Alexandreia 694
markt 169 ff.; Chrysanthina 201; Eponym
Antiocheia 552 Anm. 29
623
Aorist, sigmatischer, thematisch flektiert: ἀπετελέσετο 109; ἐπεκαλέσετο 77; ἐκολάσοντο 84; εὐξέμενος 92 Archiereus (des Kaiserkults, des Koinons von
Schiedsgerichtsbarkeit, zwischenstaatliche 560 ff. Senats-Akklamation 338 Senatsrede Marc Aurels 323 ff.; 343 ff.
Asia) 436 f.; 447; 698 ff.
Stiftung 263; 645; von Säulen 598
des Koinons von Asia, ältester datierter
Timuchen 55
239 Anm. 6
Totenehren 680 Anm. 30; durch die Stadt 682
Artikel als Relativpronomen 97 Anm. 56
Trostbeschluß 682
Atelie der Panegyris 434
Verben, athematische, thematisch flektiert:
Athamas, Gründer von Teos 523 Anm. 8 Beschwerden wegen der Übergriffe römischer Amtsträger 20 Buchstabenformen, Datierung von 170; 203; 258 f.; 536; 546; 553 f.
ἀποδίδω 84; 108 Anm. 16 Verteilung von Wein 637; von Wein und Brot 637 Wappen 518 Anm. 7 Zinsfuß 264
Delos, Sklavenhandel 179 Didymeia 332; Umbenennung in (μεγάλα) Διδύμεια Κομ(μ)όδεια 333; 343
Hellenistische Könige
Dokimasie 272 Eid 377 ff.
Antiochos III. 549 ff.
Getreidepreis 263
Antiochos IV. 266 ff.
Grabanlage in der Stadt 683 f.
Attalos I. 549 ff.
Grabmult in Edelmetall 614 Anm. 4
Attalos II. 549 ff.
Homonymie 597
Eumenes II. 259 ff.; 486; 549 ff.
Hortativformel 659
Nikomedes II. 688
Ionischer Bund 436; 685 ff. Italiker 224 ff. Kranzverleihung, nach dem Tode 69; wieder-
Römische Kaiser
holte Verkündigung 607 f.; an den Demos 661
Tiberius 152 ff.
Marmorbrüche 590
Caligula 68; 159; 403 ff.
Masken 217
Claudius 161
Milet, Phylen 303; Beziehungen zu Athen
Nero 391 ff.
303 ff.; Wollproduktion 269; 315 ff.; Purpur
Marc Aurel 326 ff.; 343 ff.
714
Indices
Commodus 326 ff.; 343 ff.
Apollonos Hieron 129
Maximinus 510
Argaseis 366; 372
Maximus 510
Ἀσιάς, Phyle von Sardeis 13 Blaundos 125 Euromos 481
Prominente Persönlichkeiten
Gallia Lugdunensis 507 f. Herakleia am Latmos 483; 485
Cn. Domitius Ahenobarbus 539 f.
Hermokapeleia 4
L. Vipsanius Aiolion 533 ff.
Hybandos 277; 485
Appius Alexander 506 ff.
Hypaipa 231 ff.
Cn. Vergilius Capito 427 f.; 449 f.
Hyrkanis 181
Flavius Balbus Diogenianus 509 f.
Ioniapolis 484 f.
Eirenias 255 ff.
Iulia Gordos 53
C. Iulius Epikrates 421 ff.; 699
Kareneitai 17
L. Egnatius Victor Lollianus 503 ff.
Klanudda 131
Ti. Claudius Phesinos 526 ff.
Klazomenai 553 ff.
Ti. Claudius Philistes 521 ff.
Lamyana 181
L. Munatius Plancus 222 ff.
Larbenoi 660 Anm. 10 Lasnedda 181 Loreni 59
Götternamen
Magnesia am Mäander 485 Mokaddene 76
Ἀναῖτις Ἄρτεμις 231 f.
Mostene 156
Ἀπόλλων Πλευρηνός 237 ff.; Τερμινϑεύς 274 ff.
Mysia Abbaitis 81; Μυσοὶ Ἀββαῖται 103
Δημήτηρ Καρποφόρος 199 ff.; 365 f.
Myus 274 ff.; 431 f.; 480; 483 f.
Ἑκάτη 43
Naeis, Ναειτηνῶν κατοικία 125
Ζεὺς Ἀνώλεϑρος, Ἀγοραῖος, Αἰγίοχος, Ἄφϑιτος,
(N)Akokome 15
Ἀποβατήριος 466 ff.; Πολιεύς 245;
Paktolos 216
Ποροττηνός 54; Φράτριος 182
Panionion 686 ff.
Θεὰ Βρύζη Ἀδυτηνή 44
Pereudos/-on 82
Θεοὶ Περευδηνοί 81
Pidasa 484; 563 Anm. 44
Μὴν Ἀξιοττηνός 73; 106; Λαβανας 96; 106; 108;
Pleura 237 ff.
Πετραείτης 96; 108; Πλονεάτης 92 Ποσειδῶν Ἑλικώνιος 307
Silandos 187 Anm. 12 Temnos 543 ff. Teos 545 ff. Thyateira 185 ff.; 617 ff.
Geographische Namen
Tibbai 120 Υσσηνοί 60
Agatheira 119 Aigai 7 Antiocheia am Mäander 483 Anm. 15 Apollonis 10
Indices
Personennamen
715
ἄμεμπτος 677 ἀμνηστία 563
Ἀλφοκρατίων 509
ἀνάϑημα 439 Anm. 73
Ἄριος 94 Anm. 46; 98 Anm. 61
ἀναλογούντως 207 Anm. 25
Ἀριους 43
ἀνανεοῦσϑαι 665
Βουνίων 90
ἀναπόδοτος 445 Anm. 93
Θευκυλίδης 401 f.
ἀνατάκται 273
Ἶλος 128
ἀνήκειν: τὰ πρὸς (εἰς) … ἀνήκοντα 262
Καδοας 245
ἀντίτυπον 354
Καλανδική 41
ἀντίψυχον 253
Καλώβροτος 526
ἀνώλεϑρος 467
Λάδων 608
ἀξιολογώτατος 143 Anm. 24
Λαχανᾶς 204
ἀξίωμα, ἀξίωσις 329 Anm. 19; 661
Λόγισμος 608
ἀπέχειν 216 f.
Μείλητος 627
ἁπλοῦς 352
Μύρτον 89
ἀπογαιοῦν 431
Μυωνίδης 361 Anm. 11
ἀπόδειξιν (ἀποδείξεις) ποιεῖσϑαι 270
Σέλ(λ)ιος 602
ἀποκαταστῆσαι εἰς φιλίαν, ὁμόνοιαν 562 Anm.
Σίνδης 361 Anm. 12
42
Σκορδεις 624
ἀπόκριμα: ἐπὶ τῶν ἀποκριμάτων 191
Στάκτη 131 Anm. 15
ἀπόμοιρα 86
Στράτηγος 418
ἀποσημείωσις 354
Φιλιστῆς 522
ἀποτάσσειν (τὰ ἀποτεταγμένα) 281 Anm. 75
Φιλομάϑης 607
ἀποτελεῖν 109 ἀποτίμησις 351 f. ἀποφαίνεσϑαι, ἀπόφασις 562 Anm. 38
Griechische Wörter
ἀρετή: πάσῃ ἀρετῇ κεκοσμημένον 513 ἀρχεῖον: διὰ τῶν ἀρχείων 351
ἁγνός: ἁγνότατος καὶ δικαιότατος 504 Anm. 4; 513; ἁγνῶς 206 Anm. 24
ἀρχίμαγος 232 ἄριστον, ἀριστίζειν 632 f.
ἀγωνιστής 270
ἀσύγκριτος 173
ἀδύνατος 568 Anm. 58
ἄτοκος 445 Anm. 93
αἰγίοχος 466
ἄφϑονος, ἀφϑονία 197 Anm. 56
ἀΐδιος στέφανος 607 f.
ἀφίστασϑαι: οὐϑενὸς ἀφίστασϑαι τῶν … 623
αἰνόμορος 183 Anm. 4
Anm. 10
αἴρειν 563 Anm. 46
ἄφνω 251; 253 Anm. 13
αἰτεῖν: αἰτησάμενος 426 Anm. 16; 429 Anm. 29
βασίλειον 273 Anm. 57; 354
αἴτησις 329 Anm. 19
βασιλεύς (Amtsbezeichnung im Ionischen
αἰώνιος στεφανηφορία 642 ff.
Bund) 695 ff.; βασιλεῖς (Milet) 272
ἀκατάλουστος 106
βῆμα 106
ἀληϑής: (ὡς) ἀληϑῶς 665 Anm. 27
βίος: διὰ βίου 413 (Strategos); 437, 447 (Arch
ἀμειδής 183 Anm. 4
iereus)
716
Indices
γαιεών 432
ἐπερωτᾶν 138 Anm. 6
γειτοσύνη, γειτ(ο)νία, γειτνίασις 40
ἐπήκοος 565; 568 f.
γένημα 268
ἐπίγραμμα 573 Anm. 82
γεραιοί 636
ἐπιγράφειν, ἐπιγραφή 645 Anm. 8
δημωφελῶς 206 Anm. 24
ἐπίδειξις: πολλὰς (καὶ μεγάλας) ἐπιδείξεις
διαγραφή 282
ποιεῖσϑαι 551
διάταξις 646
ἐπιζητεῖν 107
διαφορά 562 Anm. 42
ἐπικατάρατος 87
διαφορεῖν 426 Anm. 15
ἑπικυροῦν 271 f.
διεξάγειν, διεξαγωγὴν ποιεῖσϑαι 562
ἐπιλαμβάνεσϑαι 574 Anm. 83
δίκαια „Privilegien“ 196 Anm. 53
ἐπιλεχϑείς 196
δικαιοσύνη 675 f.
ἐπιμέλεια: εἶναι ἐν ἐπιμελείᾳ παρὰ τῇ βουλῇ
δικαιοτάτη γνώμη 572
καὶ τῷ δήμῳ 270
διοικητής 621
ἐπισκήπτεσϑαι 574 Anm. 83
δρύπτειν 250
ἐπιστάτης 364
δωρεά 233 Anm. 11; 439
ἐπιστολή: ἐπὶ τῶν Ἑλληνικῶν ἐπιστολῶν 190
ἑβδομάς 251
ἐπιτρέπειν, ἐπιτροπή 562
ἔγγραφον 354
ἐπίτροπος 228; ἐπίτροπος λατομείων 583; 588
ἐγκαλεῖν, ἐγκλήματα 562
ἔργα Ἀϑηναίης 677
ἐγκύκλιος 381
ἐργάτις 676 Anm. 20
ἔϑνος 513
ἐργεπιστατεῖν, ἐργεπιστάτης 164 Anm. 34; 364
εἰκὼν γραπτή 67; χρυσῆ 271 Anm. 49a
εὐγένεια 445 Anm. 89; 661
εἰσαγωγεύς 569 Anm. 66
εὐλογεῖν 107; εὐλογία 677
εἰσελαστικὸς ἀγών 330; 343; εἰσελαστικεί 345
εὐταξία, εὔτακτος 680 Anm. 28
εἰσκηρύσσεσϑαι εἰς προεδρίαν 551
εὐφορία 140 f.
ἐκδικία 441 Anm. 79
εὐχαριστία 659; εὐχαριστεῖν 44
ἐκεχειρία: ἐκ τῆς ἰδίας ἐκεχειρίας 609
εὐχρηστία 661
ἐκκλησία πάνδημος 171
εὔχεσϑαι 92
ἔκκλητος (πόλις) 565; 569
ζῇ 353 Anm. 9
ἐκτιϑέναι, ἔκϑεσις 562; 567
ζητούμενος 113
ἐκχωννύναι 629
ἡγούμενοι 441; 445
ἐκχώρησις 351 Anm. 6
ἡλικία: ἀπὸ τῆς πρώτης ἡλικίας 445 Anm. 91
ἐμπειρότατος νόμων 186
ἥρως 427; 681 Anm. 33
ἐμπορικὰ δάνεια 289
ϑάλος 215
ἔνκυϑρα (ἔγχυτρα) 89
ϑεός (ein Verstorbener) 610
ἐνταφὴ κατὰ πόλιν 681
ϑέσις 353 Anm. 9
ἐπαγγελία 265; ἐπαγγελία καὶ ἐπίδοσις 632
ἴδρις 614 ff.
Anm. 11
ἱεροί 97 Anm. 58
ἔπαινος 677
ἱματιοφυλάκιον 635 f.
ἐπάνω τῶν πορφυρῶν 318
ἱστάναι 172 Anm. 13
ἐπείγειν 645 Anm. 9
ἱστορία 665
ἐπεμβαίνειν 564 Anm. 50
ἱστοριογράφος 665
Indices
717
καϑιεροῦν 207 ff.; 457
ὁμότεχνον 38
καϑολικὴ ἐκκλησία 23
παγγενεί 415
καλῶς δὲ (oder οὖν) ἔχον ἐστίν 552
παιδεία: ἐπὶ παιδείας Σεβαστοῦ 190
κατορϑοῦν 196 Anm. 53
παραστάς 283
καταμολύνειν 106
παρέχειν 569 Anm. 67
κατατάσσειν 282
παρίσταμαι 263
καταχωρίζειν 563 Anm. 45
πενέστης 619
κατευτελίζειν 106
περιέχει 440 Anm. 77
κατευχαί 652
περιπολιστικός 218
καυειν 207
περισσὰ χρήματα 605
κηπουροί 189
πιττάκιον 95
κοινὸν τῶν Ἰώνων 685 ff.
ποδάριοι 39
κοινωνός 495 Anm. 10
ποϑητός 113
κολοσσός, χρύσεος 678 f.
ποικίλος 636
κομψός 680 Anm. 28
πολιτεία, πολιτεύεσϑαι 611 ff.
κοσμεῖν 439
πομπαῖος στρατηγός 417 ff.
κοσμόπολις 413
πορφύρα: ἐπάνω τῶν πορφυρῶν 318
κράτιστος 507; 512
πραγματευόμενοι 174
κυροῦν 271; 602 Anm. 1
πραγματευτής 24
κωμῳδός 217 f.
προδικία 552 Anm. 31
λάκκοι 89
προσαγγέλλειν, προσαγγελία 564 Anm. 49
λατομεῖον: ἐπὶ τῶν λατομίων 588
προσήκειν ἡγησάμεϑα 336
ληγᾶτον 89
προσκαταχωρίζειν 563 Anm. 45
λίτομαι 253
πρόσοδος: ὁ ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων 238 f.;
λογιστής 641 λόγος: ἐπὶ τῶν καϑόλου λόγων 191; λόγων ἕνεκα 689 Anm. 18
243; 244 Anm. 20 προτρέπομαι 262 πρωτεύειν 445 Anm. 90
λοιπός: εἰς τὸ λοιπόν 622 Anm. 3
πυλών 477
μάγος 233 f.
πύργος (Teos) 525
μαρτυρία 143; μαρτύριον 87
σακερδώτιον Τίτου Τατίου 194
ματρῶνα στολᾶτα 61
σαόπτολις 476
μεγαλοψυχία 661
σεβαστολόγος 406
μέγεϑος 661
σκρινιάριος 613 f.
μεταβαίνειν 96 Anm. 55
σπίλος 629 f.
νεότης 93
στάσις 667 f.
νεωποίης (Milet) 307 f.
στατάριον 169; 174
νομίμως 629
στέφανος 216
νομοϑέτης 625 ff.
στρατηγός: στρατηγὸς ἐπὶ τῶν ὅπλων 510 f.;
νύμφη 113
στρατηγοί (Milet) 412 ff.
ξύλωσις 264
συγγένεια 666 f.
οἰκονόμος 242; 494 Anm. 6
συγκατασκευάζειν 622
ὁμόνοια 667
συγκατατίϑεσϑαι 622
718
Indices
σύγκλητος: ἱερὰ σύγκλητος βουλή 336
χορηγία 266 Anm. 32
συλλήβδην 338
χρεοκοπεῖν 77
συμβίωσις 38
χρῆμα: ἐκ χρήματος 414 f.
συμβούλιον τῶν εἴκοσιν ἀνδρῶν 194
χρηστός 673
σύμβουλος 189
χρυσονόμος 358; 360
συμφερόντως 562 Anm. 42
χωρεῖν 637
συμφυλάσσειν 649 Anm. 24
ψήφωσις 584
συνάγομαι 362 f.
ψιλὸς τόπος 43
σύναιμος 610
ψυχή: ὑπὲρ ψυχῆς 638
συνακολουϑεῖν 69 συνεπέρχεσϑαι 93 συνήγορος 506 Anm. 10; 568 Anm. 60
Lateinische Wörter
συντελεῖν, συντέλεια 186 Anm. 4 σύστασις 262
constituere 329 Anm. 22
σύστημα 636
curator rei publicae 641
σωφροσύνη 183; 250; 675
obsonia 330 Anm. 26; 344
τὰ νῦν 67
praepositus 318
τάβλαι 107
procurator lapicidinarum, a marmoribus 583;
ταφὴ δημοσία 680 Anm. 31 τεμενῖται 357 ff. τεμενίζειν 357 ff.; 407 τεχνῖται 405 τιμή „Statue“ 169 Anm. 3; 172 τίμησις 572 τρισκαιδεκάπολις 685 ff. τροφεύς 196 υἱὸς Δήμου 522 f. ὑμνῳδός 512 ὑπισχνεῖσϑαι 503 f.; 508 ὑπομνηματισμός 139 φιλάνϑρωπα 623; 660 φιλεργία, φιλεργός 676 φιλοδοξία 173 Anm. 23; 281 Anm. 73; 661 φίλοι, εὖνοι, συγγενεῖς 550; 660 φιλοστοργία 661 φιλοτιμία 660 f. φράτορες 62; 183 φυλακή: ᾑρημένοι ἐπὶ τῆι φυλακῆι 261; 483 Anm. 14; εἰς φυλακὴν καὶ σωτηρίαν 659 χαλκός „Geld“ 76 χαριστήριον 54 f. mit Anm. 8 χλανίς 252
588 f. scriniarius 613